Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Gesetz und Verfassung [1 ed.] 9783428586547, 9783428186549

Viele Aktivitäten einer Gemeinde beschränken sich in ihren Auswirkungen nicht auf ihr Gebiet. Dadurch kann eine Gemeinde

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German Pages 634 [635] Year 2023

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Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Gesetz und Verfassung [1 ed.]
 9783428586547, 9783428186549

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1499

Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Gesetz und Verfassung Von

Manuel Joseph

Duncker & Humblot · Berlin

MANUEL JOSEPH

Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Gesetz und Verfassung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1499

Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Gesetz und Verfassung

Von

Manuel Joseph

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahr 2021/2022 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18654-9 (Print) ISBN 978-3-428-58654-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde im Winter 2021 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen und befindet sich auf dem Stand von Mitte Juni 2021. Zu ihrem Gelingen beigetragen haben viele Menschen, denen ich in Dankbarkeit verbunden bin. Besonderer Dank gebührt Herrn Professor Dr. Janbernd Oebbecke, der mein Promotionsvorhaben mit viel Zuspruch, Geduld und wohlwollender Kritik betreute. Professor Oebbecke förderte mich unentwegt und gab mir geschätzten Rat nicht nur während meiner insgesamt fünfjährigen Tätigkeit an dem von ihm geleiteten Kommunalwissenschaftlichen Institut, sondern auch darüber hinaus. Ich danke Herrn Professor Dr. Hinnerk Wißmann, der unverzüglich das Zweitgutachten erstattete und es mit hilfreichen Anregungen für die Druckfassung verband. Herr Professor Dr. Oliver Lepsius gewährte mir an seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verfassungstheorie in Münster ein anregendes neues Umfeld und erweiterte meinen akademischen Horizont. Er weckte meine Begeisterung für das amerikanische Recht und Rechtsdenken. Diese Begeisterung führte mich schließlich während meiner Promotionszeit unter anderem für ein Master-Studium in die Vereinigten Staaten. Professor Oebbecke und Professor Lepsius haben mich in einer Atmosphäre von intellektueller Unbestechlichkeit, menschlicher Offenheit und Nachsicht in meinem akademischen Denken geprägt. Verbunden bin ich der Studienstiftung des deutschen Volkes, die die Entstehung der Arbeit großzügig förderte. Der Hanns-Seidel-Stiftung bin ich für die Aufnahme in die Promotionsförderung und die damit einhergehende ideelle Förderung, der Konrad-Adenauer-Stiftung für die nicht minder großzügige Unterstützung während der Zeit meines Studiums dankbar. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat gewährte bereitwillig einen Druckkostenzuschuss. Ich danke dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Schriften zum Öffentlichen Recht“ und für die stets angenehme Zusammenarbeit. Freunde und Kollegen trugen zum Gelingen der Arbeit bei. Sie haben mich auf dem langen Entstehungsweg begleitet und unterstützend Anteil genommen. Hervorheben möchte ich Kevin Hinzen, Rechtsanwalt Dr.  Stefan Lenz, Juniorprofessor Dr. Fabian Michl, Jonas Plebuch, Kathrin Strauß und Lennard Wilksen. Die Hilfskräfte am Kommunalwissenschaftlichen Institut und am Lehrstuhl für

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Vorwort

Öffentliches Recht und Verfassungstheorie waren mir eine große Unterstützung. Besonders verdient gemacht hat sich Gesa Plenter, die bei der Endredaktion der Arbeit mit Akribie noch manch einen Fehler fand. Meine Familie gab mir emotionalen Rückhalt in den Jahren der Promotion. Zugedacht ist dieses Buch in liebevoller Dankbarkeit meinen Eltern, Nicole und Andreas. Münster, im Frühjahr 2022

Manuel Joseph

Inhaltsübersicht Erster Teil Einführung 17 A. Gemeinden in ihrer „einzelgemeindlichen Isoliertheit“? Forschungsfragen und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Begriffs(er)klärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Begriff der Zwischengemeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Rechtspflicht, Abwehranspruch oder doch zwischengemeindliche Konfliktbewältigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Zweiter Teil

Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten 37

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente in verschiedenen Referenzgebieten . . . . . . 41 I. Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Gemeindliche Wirtschaftsbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Aktivitäten von Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Referenzgebietsübergreifende Konfliktkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Unzulänglichkeiten der Pflicht zur „Berücksichtigung“ nachbargemeindlicher Belange als Modell zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . 265 III. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot als problemadäquates Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Dritter Teil

Bundesverfassungsrechtliche Fundierung von zwischengemeindlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten 303

A. Akteursbezogene Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

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Inhaltsübersicht I. Handeln der Gemeinden selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Handeln der Gesetzgeber und anderer (staatlicher) Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . 307

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der verschiedenen Akteure . . . . . . 309 I. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der Gemeinden  – (unvermittelte) zwischengemeindliche Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der staatlichen Akteure im engeren Sinne – legislativ, judikativ und exekutiv vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

Vierter Teil Schlussbetrachtung 553

(Haupt-)Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559

Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einführung 17 A. Gemeinden in ihrer „einzelgemeindlichen Isoliertheit“? Forschungsfragen und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Begriffs(er)klärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Begriff der Zwischengemeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Rechtspflicht, Abwehranspruch oder doch zwischengemeindliche Konfliktbewältigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Handlungsraumbegrenzung und Rechtspflichten der handelnden Gemeinden 29 2. Abwehransprüche der auswirkungsbetroffenen (Nachbar-)Gemeinden . . . . . 30 3. Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung  – Metaebene mit Differenzierungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Zweiter Teil

Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten 37

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente in verschiedenen Referenzgebieten . . . . . . 41 I. Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Konfliktpotentiale – Effekte von Bebauungsplänen auf andere Gemeinden . 44 a) Rechtliche Betroffenheiten und (nur) faktische Auswirkungen . . . . . . . . 44 aa) Rechtliche Betroffenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Faktische Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Unmittelbare oder mittelbare Betroffenheiten und Auswirkungen . . 47 b) Rechtliche Betroffenheiten der Nachbargemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Faktische Auswirkungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde 53 aa) Zunahme von Immissionsbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Städtebaulich-relevante infrastrukturelle Folgelasten . . . . . . . . . . . . 58 cc) Städtebaulich-relevanter Kaufkraftabfluss und Erschweren nachbargemeindlicher Ansiedlungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 dd) Nicht-rechtliche Durchkreuzung von nachbargemeindlichen Planungskonzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

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Inhaltsverzeichnis ee) Planung über den Eigenbedarf der planenden Gemeinde hinaus . . . . 63 d) Rechtliche (Folge-)Betroffenheiten der Nachbargemeinde . . . . . . . . . . . 64 2. Konfliktlösungsstrategien des Baurechts  – Gebot materieller zwischengemeindlicher Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Norminhalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und sein Verhältnis zu § 1 Abs. 7 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (1) Abstimmung als Abwägungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (2) Eingreifschwelle von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . 76 (3) Stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu § 1 Abs. 7 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Eigene Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Abstimmen als gesetzestechnisch notwendige Umformulierung einer Abwägungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (3) § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB rein deklaratorisch oder überflüssige Doppelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (a) Abwägungserheblichkeit nachbargemeindlicher Belange für § 1 Abs. 7 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (b) Rechtsschutzgewährungsfunktion von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB 103 (c) Subjektivierte bikriterielle Abstimmungsentscheidung gemeindenachbarlicher Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Eingreifen und Verletzen des Abstimmungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Voraussetzungen und Inhalt des Abstimmungsanspruchs . . . . . . . . . 138 (1) Voraussetzungen des Abstimmungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 138 (a) Keine rechtliche Verfestigung nachbargemeindlicher Interessen 138 (b) Abstimmung nur mit Belangen „benachbarter Gemeinden“ 141 (c) Ausschließliche Beachtlichkeit von städtebaulichen Interessen 142 (d) Erreichen einer bestimmten Intensitätsschwelle der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (2) Inhalt des Abstimmungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb) Unabgestimmtheit als Voraussetzung des Unterlassungs- und Abwehranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Gebot zwischengemeindlicher formeller Abstimmung nach § 4 BauGB . . . . 164 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Gemeindliche Wirtschaftsbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Konfliktpotentiale – außergebietliche und überörtliche Wirtschaftsbetätigungen 169 a) Betätigung für die eigenen Gemeindeeinwohner auf dem eigenen Gemeinde­ gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

Inhaltsverzeichnis

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b) Betätigung für fremde Gemeindeeinwohner auf dem eigenen Gemeindegebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Betätigung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde für die eigenen Gemeindeeinwohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Betätigung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde für fremde Gemeindeeinwohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 e) Disharmonien infolge gemeindewirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . 173 2. Konfliktlösungsstrategien des Gemeindewirtschaftsrechts  – gemeindewirtschaftliches Gebietsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Inhalt, normative Verortung und Rigidität des gemeindewirtschaftlichen Gebietsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen gemeindewirtschaftlicher Betätigung und ihre gebietliche Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Begriff der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung i. S. d. § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Wirtschaftliche Betätigung nur zur „Erfüllung ihrer Aufgaben“ . 184 (3) Räumlich begrenzende Wirkung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 107 GO NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (4) Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigungen außerhalb des Gemeindegebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (5) Außergebietlichkeit der Wirtschaftsbetätigung . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Gemeindewirtschaftliches Gebietsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Einfachrechtliches Gebietsprinzip als Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Gemeindewirtschaftliche Interessenwahrungsklausel . . . . . . . . . . . . 212 (1) Interessen der betroffenen Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie als Maßstab für berechtigte (nachbar-)gemeindliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (3) Konfliktbewältigung durch „Interessenwahrung“ . . . . . . . . . . . . 219 bb) Gesetzliche Abwehransprüche und ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Aktivitäten von Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Bedeutung des Sparkassenrechts neben dem Gemeindewirtschaftsrecht . . . . 233 2. Konfliktpotentiale – außergebietliche Sparkassentätigkeiten und Sparkassenorganisationsentscheidungen mit Effekten auf Nachbargemeinden . . . . . . . . 234 a) Geld- und kreditwirtschaftliche Betätigungen der Sparkassen . . . . . . . . . 235 b) Organisationsentscheidungen von Sparkassen – Eröffnung einer Sparkassenzweigstelle oder die Beibehaltung historischer Gemengelagen . . . . . 237 c) Zwischengemeindlichkeit der genannten Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

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Inhaltsverzeichnis 3. Konfliktlösungsstrategien des Sparkassenrechts  – sparkassengesetzliches ­Regionalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Inhalt, normative Verortung und Rigidität des sparkassengesetzlichen ­Regionalprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Gesetzliche Regelungen zur Sparkassenorganisation . . . . . . . . . . . . 248 (1) Sparkassenerrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (2) Haupt- und Zweigstellenerrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (3) Bewältigung von neugliederungsbedingten oder historisch gewachsenen Sparkassengemengelagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Gesetzliche Regelungen zur geschäftlichen Betätigung der Sparkassen am Beispiel des Aktivgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Gesetzliche Abwehransprüche sowie ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit . 259 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Referenzgebietsübergreifende Konfliktkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Unzulänglichkeiten der Pflicht zur „Berücksichtigung“ nachbargemeindlicher Belange als Modell zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . 265 III. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot als problemadäquates Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Geringe Fremdprogrammierung potentiell störenden gemeindlichen Handelns 268 2. Abwägung als Methode der rationalen, selbstprogrammierten Rechtserzeugung 274 a) Rationalitätserwartungen an Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Abwägung als ein im Recht ubiquitärer Modus rationaler Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 3. Von der Selbst- zur Fremdprogrammierung: Abwägungsgebote . . . . . . . . . . . 281 a) Explizite und implizite Abwägungspflichten – Abwägungsgebote im Recht raumbedeutsamer Planungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Implizite Abwägungspflicht gemeindenachbarlicher Belange – zwischengemeindliches Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4. Verwaltungsgerichtliche Kontrolle zwischengemeindlicher Abwägung . . . . 290 C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Dritter Teil

Bundesverfassungsrechtliche Fundierung von zwischengemeindlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten 303

A. Akteursbezogene Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 I. Handeln der Gemeinden selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Handeln der Gesetzgeber und anderer (staatlicher) Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Inhaltsverzeichnis

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B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der verschiedenen Akteure . . . . . . 309 I. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der Gemeinden – (unvermittelte) zwischengemeindliche Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Überschneidungsloses Nebeneinander von Zuständigkeits- und Kompetenzbereichen der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 a) Verfassungsunmittelbarer Aufgabenbestand der Gemeinden . . . . . . . . . 316 b) Zwischengemeindliche Konflikte trotz überschneidungslosen Nebeneinanders gemeindenachbarlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen . . . . . 328 c) Vermeidung des zwischengemeindlichen Konflikts durch verfassungs­ unmittelbare Reduzierung des gemeindlichen Aufgabenbestands . . . . . . 331 2. (Unvermittelte) zwischengemeindliche Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . 335 a) (Rechts-)Theoretische Analyse des zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Anspruchsvoraussetzungen etwaiger verfassungsunmittelbarer nachbargemeindlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 3. Existenz verfassungsunmittelbarer (Unterlassungs-)Ansprüche im Horizontalverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 a) Anspruch der Nachbargemeinden auf Unterlassen von Eingriffen in die Aufgabengarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 aa) Formaler Aufgabenentzug als Eingriff in den Aufgabenbestand . . . . 346 bb) Faktischer Aufgabenentzug als Eingriff in den Aufgabenbestand . . . 348 b) Anspruch der Nachbargemeinden auf Unterlassen von Eingriffen in das modale Gewährleistungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 aa) Gewährleistungsumfang des modalen Gewährleistungselements . . . 355 bb) Eingriff in das modale Gewährleistungselement durch die handelnde Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 cc) Zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . 364 (1) Forschungsstand zur zwischengemeindlichen Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (2) Eigene Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 (a) Normtext von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 (b) Norminterne Systematik von Art. 28 GG . . . . . . . . . . . . . . . 378 (c) Normexterne Regelungssystematik von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG) 385 (d) Verfassungsbindung und Vorrang der Verfassung . . . . . . . . . 392 (e) Konfusionsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 (f) Ideengeschichtliches und historisches Bedrohungsszenario . 395 (g) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 4. Keine verfassungsunmittelbare zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

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Inhaltsverzeichnis II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der staatlichen Akteure im engeren Sinne – legislativ, judikativ und exekutiv vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 1. Referenzproblem: Übergriffige Private und die grundrechtliche (mittelbare) Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Gesetzgeber  – Primat der legislativ vermittelten generellen zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung . . . . . 412 a) Verfassungsrechtliche Anforderungen an nicht-zuständigkeits- und nichtkompetenzerweiternde Regelungen der Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 413 aa) Pflicht zum schützenden Tätigwerden zugunsten von Nachbarge­ meinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 (1) Herleitung verfassungsrechtlicher Protektionspflichten zugunsten der (Nachbar-)Gemeinden auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 (2) Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Bestehens der Protektionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (a) Übergriff auf den Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (b) Rechtsfolgen des Bestehens einer Protektionspflicht . . . . . . 424 (3) Verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für den Erlass von Schutznormen – Relationalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (a) Formelle Verfassungsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (b) Ambivalente Wirkweise gesetzlicher Schutzmaßnahmen im gemeindenachbarlichen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (c) Verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für Schutzmaßnahmen aus Sicht von Nachbargemeinden . . . . . . . . . . . . . 440 (d) Verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für Schutzmaßnahmen aus Sicht von übergriffigen Gemeinden . . . . . . . . . 442 (e) Erfüllung der Protektionspflicht durch den Gesetzgeber als nicht rechtfertigungsbedürftige normative „Ausgestaltung“ 445 (f) Normative Konstituierung des Schutzgegenstandes des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG durch den Erlass von Schutznormen . . . . . . 454 (g) Normative Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie durch den Erlass von Schutznormen  – ‚gemeindliche Handlungsinfrastrukturen‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 (h) Bindungen des Gesetzgebers bei Schaffung von normativen ‚Handlungsinfrastrukturen‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 (i) Mehr als Schaffung einer ‚Handlungsinfrastruktur‘ – verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für Einschränkungen der Eigenverantwortlichkeitsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 (4) Einzelne Regelungen der Referenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 bb) Anspruch auf schützende Konkretisierung des zwischengemeindlichen Verhältnisses gegenüber dem Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

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cc) Abänderbarkeit schützender legislatorischer Konkretisierungsleis­ tungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 dd) (Rechtspolitischer) Entwurf einer gesetzesmediatisierten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 b) Verfassungsrechtliche Maßstäbe und Grenzen für zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen der Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 aa) Begrenzung durch die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe der handelnden Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 bb) Begrenzung durch die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe von Nachbargemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 (1) Gewährleistungsumfang der kommunalen Selbstverwaltungs­ garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 (a) Betroffensein der Aufgabengarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG 489 (b) Betroffensein des modalen Gewährleistungselements des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 (2) Eingriff in das modale Gewährleistungselement durch die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (3) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der legislativen Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (b) Gemeinwohlbindung des Gesetzgebers und ‚zwischengemeindliches Aufgabenverteilungsprinzip‘ . . . . . . . . . . . . . . . 493 (c) Zustimmung der Nachbargemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 (d) Sicherung finanzieller Mindestausstattung durch Ermöglichen gemeindlicher Eigeninitiative in Gestalt überörtlicher Wirtschaftsbetätigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 (e) Sicherstellung flächendeckender Versorgung . . . . . . . . . . . 498 (4) Einzelne Regelungen der Referenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 3. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die staatliche Verwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit  – exekutiv und judikativ vermittelte zwischengemeind­ liche Konfliktbewältigung für den Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 a) Rolle der Staatsaufsicht bei der Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 aa) Aufsichtliches Einschreiten bei Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen der Nachbargemeinden . . . . . . . . . 504 bb) Aufsichtliches Einschreiten bei sonstigem übergriffigen Handeln der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 cc) Genehmigungserteilung von (potentiell) störendem gemeindlichen Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 b) Verwaltungsgerichtsbarkeit als Schlichtungsstelle von zwischengemeindlichen Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522

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Inhaltsverzeichnis aa) Durchsetzung von gesetzlichen Ansprüchen im Horizontalverhältnis . 525 bb) Durchsetzung von staatsaufsichtlichem Handeln zugunsten der Nachbargemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 cc) Abwehr von staatsaufsichtlichem Einschreiten durch die störende Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 dd) Abwehr von belastenden Genehmigungsentscheidungen der staat­ lichen Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 ee) Klage auf Genehmigungserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 4. Leitlinien für aufsichtliches und gerichtliches Entscheiden – Gefahr struktureller Asymmetrie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 5. Bundesverfassungsprozessuale Durchsetzbarkeit der exekutiv, judikativ und legislativ vermittelten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung . . . . . . . 538 a) Durchsetzbarkeit legislativ vermittelter verfassungsrechtlicher Konfliktbewältigung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG . . . . . . . . 538 aa) Kontrollgegenstand der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde . 539 bb) Kontrollmaßstab und Kontrolldichte der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 b) Bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz bei Verfehlung exekutiv und judikativ vermittelter zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung . . . . 549 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

Vierter Teil Schlussbetrachtung 553

(Haupt-)Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559

Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621

Erster Teil

Einführung A. Gemeinden in ihrer „einzelgemeindlichen Isoliertheit“? Forschungsfragen und Erkenntnisinteresse Gemeinden sind übergriffig: Sie planen, wirtschaften und agieren mit Effekten auf andere Gemeinden oder maßen sich fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen an. Weil Gemeinden eng miteinander räumlich verflochten sind und mehr denn je im Wettbewerb um Einwohner, Besucher und Unternehmen stehen, ist kaum ein Tun denkbar, dass sich nicht auf ihre Nachbarn auswirkt und damit gewissermaßen übergriffig ist. Die Übergriffe von Gemeinden können die eigenverantwortliche Aufgabenerledigung von Nachbargemeinden, die Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ihnen mit der Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung verbürgt, erschweren oder gar unmöglich machen. Planungsvorhaben der Nachbargemeinden lassen sich nicht mehr verwirklichen oder verlieren ihre Sinnhaftigkeit, die Innenstädte von Nachbargemeinden veröden oder die eigenen Wirtschaftsbetätigungen scheitern am Markt, weil die fremdgemeindliche Konkurrenz attraktiver für den Verbraucher ist1. Entscheidet sich beispielsweise eine Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzustellen, beabsichtigt sie umfassend die bodenrechtliche Nutzung für das Gebiet, für das er gilt, vorzubereiten und zu leiten. Rechtlich, so heißt es, endeten die Hoheitsbefugnisse der Gemeinden aber an ihren Grenzen, denn die Gemeinde kann nur ihr eigenes Gebiet überplanen2. Die faktischen Effekte der Bebauungsplanung übersteigen jedoch regelmäßig die Gemeindegebietsgrenze: Von den geplanten Vorhaben können Immissionen ausgehen oder es kann Kaufkraft aus dem Gebiet einer Nachbargemeinde abziehen. Solche Effekte treten überwiegend auf, wenn die pla 1 Exemplarisch die Widerstände, die sich in den Nachbargemeinden gegen Auswirkungen infolge der Erweiterung des Designer-Outlet Centers Ochtrup erfolgreich formierten (https:// www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/ovg-outlet-ochtrup-100.html, zuletzt aufgerufen am 05. 11. 2020); dazu die bislang unveröffentlichte Entscheidung des OVG NRW, 10 D 66/18.NE (https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilngen/80_201026/index.php), zuletzt aufgerufen am 05. 11. 2020. 2 E. Pappermann, Das zwischengemeindliche Nachbarrecht – BVerwGE 40, 323, in: JuS 1973, S. 689 (689 ff.); R. Fingerhut, Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage (§ 2 Abs. 4 und 5 BBauG), 1976, S. 2; J. Oebbecke, Die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit der Gemeinden, in: W. Erbguth u. a. (Hrsg.), Planung, 2000, S. 239 (245); M. Uechtritz, Großflächiger Einzelhandel und interkommunales Abstimmungsgebot, in: H. D. Jarass (Hrsg.), Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung, 2003, S. 59 (61).

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Erster Teil: Einführung

nende Gemeinde zum Beispiel große Einzelhandelsbetriebe, neuerdings vermehrt auch Windkraftenergieanlagen auf ihrem Gebiet verwirklicht sehen möchte. Die planende Gemeinde berücksichtigt häufig nicht ausreichend, dass ihre Planungsentscheidungen tatsächlich über ihr Gemeindegebiet hinauswirken – unbewusst oder in voller Kenntnis der Folgen für die Nachbargemeinde3. Das Gesetzesrecht reagiert auf die streitanfälligen (Inter-)Aktionen von Gemeinden. Es versucht Übergriffe von Gemeinden auf die Betätigungsfelder anderer Gemeinden zu verhindern oder jedenfalls die Effekte solcher Übergriffe für Nachbargemeinden erträglich zu machen. Einzelne Normen im Gesetzesrecht legen Gemeinden Verpflichtungen auf, geben Nachbargemeinden (gerichtlich durchsetzbare) Abwehr- und Unterlassungsansprüche oder betrauen andere (staatliche) Akteure mit der Lösung, Moderation und Schlichtung der Konflikte. Das Bauplanungsrecht reagiert zum Beispiel mit § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB auf mögliche Konflikte und schreibt vor, dass der Bebauungsplan materiell mit den nachbargemeindlichen Planungen abgestimmt sein muss. Auf den ersten Blick durchaus ähnlich reagiert das Recht bei gemeindlichen wirtschaftlichen Betätigungen, die sich auf benachbarte Gemeinden auswirken oder gar außerhalb des eigenen Territoriums auf dem Gebiet anderer Gemeinden erfolgen4. Das Ausmaß solcher wirtschaftlichen Betätigungen hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen und belastet daher womöglich heute mehr als früher das Verhältnis von Gemeinden zueinander5. So kann eine Gemeinde eine Leistung außerhalb ihres eigenen Gebiets ausschließlich oder vorrangig an gebietsfremde Einwohner adressieren. Die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen macht die Betätigung der Gemeinde „außerhalb des Gemeindegebiets“ von der Wahrung „berechtigter Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften“ abhängig, vgl. § 107 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW. Sparkassen als Bankunternehmen der Gemeinden waren lange Zeit darum bemüht, Kunden möglichst überall und jederzeit etwa das Abheben von Bargeld zu ermöglichen. Sie drängten daher darauf, ein 3

Zum Bauplanungsrecht Fingerhut, Gemeindenachbarklage (Fn. 2), S. 2; W. Brohm, Gemeindliche Selbstverwaltung und staatliche Raumplanung, in: DÖV 1989, S. 429 (430); C. Hug, Gemeindenachbarklagen im öffentlichen Baurecht, 2008, S. 25 f.; H. Schoen, Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung, 2010, S. 1 f. 4 Monographisch die Kommunalwirtschaft außerhalb des eigenen Gemeindegebiets der wirtschaftenden Gemeinde behandeln stellvertretend zur räumlichen Grenze (energie-)wirtschaftlicher Betätigung O. Schaefer, Energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 1999, S. 40 ff.; zum Örtlichkeitsprinzip und dem räumlichen Wirkungskreis kommunaler Unternehmen C. Scheps, Das Örtlichkeitsprinzip im kommunalen Wirtschaftsrecht, 2006; K. Eisenblätter, Die extraterritoriale Kommunalwirtschaft, 2007, speziell zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen, ebd., S. 61 ff. 5 H. Bardt / W. Fuest, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, 2007, S. 19 (19 ff.); zur Digitalisierung als Treiber (neuer) zwischengemeindlicher Konfliktlagen mit zahlreichen aktuellen Beispielen aus der E-Mobilität und der Energieversorgung J. Oebbecke, Die kommunalen Versorgungsund Verkehrsbetriebe im Kommunalwirtschaftsrecht, in: der gemeindehaushalt 2019, S. 217 (217, 222 ff.).

A. Gemeinden in ihrer „einzelgemeindlichen Isoliertheit“?

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möglichst breites Standortnetz zu unterhalten und es fortwährend auszudehnen6. Im Sparkassen(organisations)recht ist das Eröffnen einer Zweigstelle außerhalb des Trägergebiets der Sparkasse nach dem sparkassengesetzlichen Regionalprinzip nur eingeschränkt zulässig7. Weitere Beispiele für Konflikte zwischen Gemeinden ließen sich rasch auffinden: Die Planung eines (gemeindlichen) Schulträgers, mit der eine Schule errichtet oder erweitert werden soll, kann den Bestand der nachbargemeindlichen Schule gefährden. Das Schulrecht in Nordrhein-Westfalen sieht in § 80 Abs. 2 S. 2 SchulG NRW daher vor, dass Gemeinden die Schul(entwicklungs)­ planung nur in gegenseitiger Zusammenarbeit und in gegenseitiger Rücksichtnahme auf die Nachbargemeinden betreiben dürfen8. Gemeindliches Handeln auf dem Gebiet des öffentlichen Personennahverkehrs birgt ähnliches Konfliktpotential: Sind Gemeinden Aufgabenträger, können sie in Konflikt mit anderen (gemeindlichen) Aufgabenträgern geraten, wenn sie Nahverkehrsplanung betreiben, um den (eigenen) öffentlichen Personennahverkehr zu sichern und zu verbessern. Nach § 9 Abs. 3 ÖPNVG NRW haben sich benachbarte Kreise und kreisfreie Städte bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans abzustimmen9. Zentrales Anliegen der Arbeit ist es, am Beispiel des Bauplanungs-, Gemeindewirtschafts- sowie Sparkassenrechts aufzuzeigen, ob und wie die Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden durch Recht erfolgt und gelingen kann. Die Regelungen in unterschiedlichen Gesetzen geben den Gemeinden Instrumente an die Hand, die sie nutzen können, um sich in einer bestimmten Weise zu betätigen. Das (Gesetzes-)Recht erkennt in einigen Fällen zugleich, dass Konflikte zwischen Gemeinden wegen der möglichen Effekte ihres Tuns entstehen können, wenn Gemeinden die Möglichkeiten ausnutzen, die ihnen das Gesetz eröffnet und sie planen, wirtschaften oder Sparkassen betreiben. Die Untersuchung soll erstens beantworten, welche gesetzlichen Konfliktlösungsinstrumente im Einzelnen bestehen und ob sie es erlauben, sie zu einem objektiv-rechtlichen und / oder subjektiv-rechtlichen Instrument zwischengemeind 6

Um die Eröffnung einer Zweigstelle durch eine Kreissparkasse in einer kreisfreien Stadt, in dem die Kreissparkasse ihren Sitz hatte, ging es z. B. in der Entscheidung des HessVGH, Urt. v. 23. 03. 1966 – OS II 6/63, ESVGH 16, 151 (152). In der Entscheidung beschäftigte sich das Gericht mit der Zulässigkeit der Errichtung von Zweigstellen durch die Sparkasse einer kreisangehörigen Gemeinde in dem Gebiet ihrer satzungsmäßig von ihr versorgten Nachbargemeinde; das VG Arnsberg, Urt. v. 20. 07. 1966 – 2 K 73/65, zitiert nach R. Hofmann-Theinert (Hrsg.), Rechtsprechung zum Sparkassenrecht, Fünfte Folge, 2011, S. 4; zur Zweigstelleneröffnung durch eine freie, als ein privatrechtlicher Verein organisierte Sparkasse HessVGH, Urt. v. 13. 07. 1989 – 6 UE 2124/85, juris Rn. 24 ff.; einen Problemaufriss bietet D. Kolm, Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip, 2011, S. 19 ff. 7 Stellvertretend K.  Stern / M.  Nierhaus, Das Regionalprinzip im öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesen, 1991; K. Stern, Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip, 2014. 8 Stellvertretend OVG NRW, Beschl. v. 19. 08. 2014 – 1 B 909/14, BeckRS 2014, 56608. 9 J. Werner u. a., in: dens. (Hrsg.), Praxis der Kommunalverwaltung Nordrhein-Westfalen. Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen, D-2 (Mai 2016), Anm. 3.

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Erster Teil: Einführung

licher Konfliktbewältigung zu vereinheitlichen. Bislang werden Konflikte zwischen Gemeinden dogmatisch weitgehend uneinheitlich gelöst. Es gibt keine breiter angelegten Untersuchungen, die sich zwischengemeindlichen Konflikten in unterschiedlichen Betätigungsfeldern insgesamt annehmen. Wie ermöglichen, vermeiden und lösen diejenigen Rechtsschichten im Stufenbau der Rechtsordnung zwischengemeindliche Konflikte, die unterhalb des Verfassungsrechts anzusiedeln sind? Zweitens soll die Untersuchung die Frage beantworten, ob das Grundgesetz mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für ein Tätigwerden einer Gemeinde, das sich auf Handlungsspielräume einer anderen Gemeinde tatsächlich oder potentiell (negativ) auswirkt, ein übergreifendes, verfassungskräftiges Instrument vorsieht, um den zwischengemeindlichen Konflikt zu bewältigen. Darauf kommt es besonders dann an, wenn das Gesetzesrecht Gemeinden zwar Handlungsinstrumente bereitstellt, dabei aber die Bewältigung möglicher Konflikte mit anderen Gemeinden auslässt. Folgt in einer solchen Situation die zwischengemeindliche Konfliktbewältigung einem einheitlichen, verfassungsrechtlich vorgezeichneten Muster, das allen gesetzlich normierten und nicht (explizit) normierten Konfliktlösungsinstrumenten zugrunde liegt? Das Verfassungsrecht selbst könnte den Gemeinden verfassungsunmittelbar Abwehr- und Unterlassungsansprüche vermitteln und / oder staatliche Akteure mit der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden betrauen. Vermittelt Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG einen direkten, nicht (erst) durch das Gesetzesrecht umsetzungsbedürftigen Schutz vor nachbargemeindlichem Handeln und welchen Voraussetzungen unterliegt ein solcher Schutz? Welche Rolle spielen die staatlichen Akteure für die Konfliktbewältigung? Das Verfassungsrecht wirkt möglicherweise auf die bestehenden einfachrechtlichen Instrumente der Konfliktbewältigung zurück oder verpflichtet den (jeweiligen) Gesetzgeber – auch in Ergänzung zu verfassungsunmittelbaren Instrumenten –, zwischengemeindliche Konfliktbewältigung zu organisieren und einfachgesetzliche Instrumente der Konfliktbewältigung in einem bestimmten Umfang bereitzustellen. Die Gesetzgeber dürften dann nicht auf die Steuerungskraft der Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung allein vertrauen. Gemeinden nehmen unter anderem wichtige (dezentralisierte) Verwaltungsaufgaben im Gesamtstaat wahr. Konflikte untereinander mögen sie von diesen Aufgaben abbringen10. Aus diesem Grund bemerkte bereits Otto Mayer, dass „die Gemeinden […] sich ja nicht wie selbstsüchtige Einzelmenschen gegenüber [stehen] 10

Zu den mannigfaltigen, den Gemeinden und dem Phänomen der gemeindlichen Selbstverwaltung sowie der Kommunalverwaltung zugeschriebenen Funktionen im Überblick K. Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, Kapitel 1 Rn. 25, insb. Rn. 30; eingehend zur Funktion gemeindlicher Selbstverwaltung als „administrative Dezentralisierung“ G. Püttner, Kommunale Selbstverwaltung, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 9; monographisch den Zusammenhang von Kommunalverwaltung und Demokratie analysiert S. Lenz, Kommunalverwaltung und Demokratieprinzip, 2020, S. 105 ff., insb. S. 140 f.

B. Begriffs(er)klärungen

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[können, M. J.], sondern jeder […] auch das Gedeihen ihrer Nachbarin in gewissem Maße eigene Angelegenheit [ist].“11 Von „einzelgemeindlicher Isoliertheit“12 kann daher kaum gesprochen werden. Die Prävention und die Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden reichen daher über die gemeindeindividuelle Sphäre hinaus. In jeder dezentral verfassten Ordnung kann es zu Konflikten zwischen den autonomen Rechtsträgern und Einheiten, die sie konstituieren, kommen. „Jede Dezentralisierung erzeugt horizontal wie vertikal einen Koordinationsbedarf. Ohne effektive Koordination ist die Tätigkeit der verschiedenen Ebenen leicht ein uneffektives Nebeneinander oder sogar ein Gegeneinander“13. Das gilt für den Föderalismus, die kommunale Selbstverwaltung oder andere dezentralisierte Ordnungen. Sie zeichnen sich regelmäßig durch Akteure aus, die nicht nur gemeinsame Sache machen, sondern gelegentlich gegeneinander arbeiten, im Wettbewerb zueinander stehen und dem individuellen Interesse mehr Gewicht einräumen als den Interessen der Ordnung insgesamt oder anderen Akteuren derselben Ordnung. Auch wenn die kommunale Selbstverwaltung und der Konflikt zwischen Gemeinden bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben ohne Zweifel Besonderheiten aufweisen – nicht zuletzt schon deshalb, weil Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Gemeinden eine verfassungsrechtlich geschützte Position einräumt – kann das Vorhaben Koordinationsstrategien aufzeigen, die sich auch in anderen Zusammenhängen als gewinnbringend erweisen können.

B. Begriffs(er)klärungen Bevor der Gang der Untersuchung dargestellt wird, definiert die Arbeit ihre zentralen Begriffe, die im Weiteren zugrunde gelegt werden. Damit präzisiert und konturiert sie zugleich die umrissenen Forschungsfragen. Der Untersuchungsgegenstand, der sich thematisch wohl am besten mit dem Begriff des zwischengemeindlichen Konflikts beschreiben lässt, veranlasst zuvor zu einigen grundlegenden (begrifflichen) Klarstellungen14. 11

O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 1924, S. 385; die verwendete Sentenz gebraucht Mayer selbst nicht im Zusammenhang mit zwischengemeindlichen Konflikten. 12 E. Schmidt-Aßmann, Gesetzliche Maßnahmen zur Regelung einer praktikablen Stadtentwicklungsplanung – Gesetzgebungskompetenz und Regelungsintensität, in: Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Raumplanung – Entwicklungsplanung, 1972, S. 101 (144). 13 J. Oebbecke, Kommunalaufsicht – nur Rechtsaufsicht oder mehr?, in: DÖV 2001, S. 406 (407). 14 Versteht sich die Rechtswissenschaft als Normwissenschaft, vgl. M. Jestaedt, Rechtswissenschaft als normative Disziplin, in: E. Hilgendorf / J. Joerden (Hrsg.), Handbuch Rechts­ philosophie, 2017, S. 254 (254 ff.), ist der Untersuchungsgegenstand der Arbeit einzig das Recht. Der zwischengemeindliche Konflikt und die zwischengemeindliche Konfliktbewältigung sind keine Rechtsbegriffe, sondern Rechtswissenschaftsbegriffe. Gleichwohl hilft der Oberbegriff des zwischengemeindlichen Konflikts das Thema der Untersuchung gegenständlich beschreibbar zu machen. Die Probleme der Reichweite und der Grenzen gemeindlicher

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Erster Teil: Einführung

I. Begriff der Zwischengemeindlichkeit Bereits der Titel der Arbeit weist auf die Zwischengemeindlichkeit der Konfliktbewältigung hin. Die Untersuchung gebraucht den Begriff durchgehend. Worauf kommt es bei der Zwischengemeindlichkeit eines Konflikts oder einer Konfliktlösungsstrategie an? Allgemein kommt es zu einem Konflikt dann, wenn zwei oder mehr gegensätzliche Interessen aufeinandertreffen und beide nicht gleichermaßen zur Geltung kommen können15. „Konflikte [äußern] […] sich [in] überlagernden Interessen oder Motiven (Positionsdifferenzen) verschiedener Individuen oder Kollektive über ein und dasselbe Gut. Interessen evozieren Gegensätze.“16 Ein zwischengemeindlicher Konflikt lässt sich definieren als ein Konflikt, der sich zwischen zwei oder mehr Gemeinden untereinander über den Umfang und die Grenzen gemeindlicher Handlungsspielräume abspielt und daraus resultiert, dass das Handeln der einen Gemeinde sich auf eine andere Gemeinde potentiell oder tatsächlich, faktisch oder rechtlich (negativ) auswirkt. Anders als der Begriff der Interkommunalität, der neben den Gemeinden auch die Gemeindeverbände – etwa die (Land-)Kreise – begriffsumfänglich miteinschließt, geht es der Untersuchung nur um Konflikte zwischen Gemeinden, welche sich als Träger von (gemeindlichen) Selbstverwaltungsaufgaben betätigen17. Die Zwischengemeindlichkeit eines Konflikts liegt unter zwei Voraussetzungen vor: Erstens ist ein Konflikt nur dann zwischengemeindlich oder intergemeindlich, wenn sich die Gemeinden auf der Ebene der Gleichordnung begegnen. Es geht somit etwa um einen Konflikt zwischen einer kreisangehörigen Gemeinde und einer anderen kreisangehörigen Gemeinde; zwischen einer kreisangehörigen Gemeinde und einer kreisfreien Gemeinde oder zwischen zwei kreisfreien Gemeinden18. Handlungsräume lassen sich so im Recht zumindest thematisch verorten. Der Begriff des zwischengemeindlichen Konflikts ist daher eher als eine Art thematische Standortbeschreibung auf der Karte des Rechts zu verstehen. 15 Zum Begriff des Konflikts D. Hanschel, Konfliktlösung im Bundesstaat, 2012, S. 23. 16 F. R. Pfetsch, Einleitung: Konflikt und Konfliktbewältigung, in: ders. (Hrsg.), Konflikt, 2005, S. 1 (1). 17 Zum Begriff der Kommunen A. Engels / D. Krausnick, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2020, Rn. 4 ff. – Gemeinden sind staatsorganisationsrechtlich den Ländern zuzuordnen und besitzen keine Staatsqualität, nahezu einhellig sowohl das BVerfG, Urt. v. 04. 03. 1975 – 2 BvF 1/72, BVerfGE 39, 96 (109); BVerfG, Urt. v. 27. 05. 1992 – 2 BvF 1/88 u. a., BVerfGE 86, 148 (215); BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (147 Rn. 90) – Optionskommune, als auch das Schrifttum J. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus, in: ders. / K irchhof, HdStR VI (Fn. 10), § 126 Rn. 175; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 28 Rn. 86; gegen die Deutung von Kommunen als „dritte Säule“ im Staat oder einen „dreistufigen Aufbau der Bundesrepublik“ Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 86; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 85. 18 Engels / Krausnick, Kommunalrecht (Fn. 17), Kapitel  1 Rn. 9 ff.  – Einen Konflikt auf Gleichordnungseben betrifft z. B. das sog. Regionalprinzip, das als „horizontales Gliederungsschema“ nur die Abgrenzung von Trägern auf gleicher Ebene betrifft Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 58 f. – Die Kategorien unterschiedlicher Gemeindetypen sind nicht solche des Grundgesetzes, sondern vielmehr des einfachen Rechts Dreier (Fn. 17), Art. 28

B. Begriffs(er)klärungen

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Nicht gemeint sind Konflikte zwischen einer kreisangehörigen Gemeinde und dem (Land-)Kreis. Ausgenommen sind ferner Konflikte zwischen Samtgemeinden in Niedersachsen, den Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz oder allen anderen landesrechtlichen Gemeindeorganisationsformen und den ihnen angehörenden Mitgliedergemeinden. Konflikte innerhalb des Organisationsphänomens der gemeindlichen „Zwei-Ebenen-Verwaltung“ bleiben im Rahmen dieser Untersuchung, zumal dieser Typ Nordrhein-Westfalen ohnehin fremd ist, außen vor19. Im Gemeindewirtschaftsrecht oder im Bauplanungsrecht kann es sein, dass es zu einem Streit zwischen räumlich weiter entfernt liegenden Gemeinden kommt. Der Konflikt ist auch dann noch zwischengemeindlich, wenn eine beteiligte Gemeinde einem anderen Bundesland zuzuordnen ist20. Ohne Belang ist ferner, ob die streitenden Gemeinden etwa eine sechsstellige Einwohnerzahl aufweisen oder ob es sich um kleine kreisangehörige Städte handelt. Auf die Kommensurabilität ihrer Flächen, Bevölkerungsdichten oder Verwaltungskräfte kommt es für die Zwischengemeindlichkeit nicht an. Entscheidend ist nur ihr formaler Status. Das Verhältnis von formal gleich zu qualifizierenden Gemeinden unterschiedlicher Größe, Einwohnerzahl und Wirtschaftsstärke mag in Abhängigkeit dieser Faktoren unterschiedlich konfliktträchtig sein. Ein Konflikt zwischen etwa zwei gleich großen Gemeinden mag andere Maßnahmen erfordern als etwa die Lösung eines Konflikts zwischen einer sehr großen und einer vergleichsweise kleinen Gemeinde. Diese Gesichtspunkte mögen bei der Ausgestaltung des Konfliktlösungsinstruments eine Rolle spielen. Für die Qualifikation eines Konflikts als zwischengemeindlich sind sie unmaßgeblich.

Rn. 80; ebenso S. Brodmerkel, Kommunale Selbstverwaltung im ländlichen Raum: Entsprechen Verbands- und Samtgemeinden sowie Verwaltungsgemeinschaften noch dem Leitbild der Gemeinde?, 2020, S. 24. 19 Zu den unterschiedlichen Erscheinungen dieser Gemeindetypen Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 34, zum Begriff der gemeindlichen Zwei-Ebenen-Verwaltung eingehend S. 36 ff., insb. S. 40 f. – Bei näherem Besehen bieten auch diese gemeindlichen Zwei-EbenenSysteme Konfliktpotentiale, die zwischengemeindliche Konflikte im obigen Sinne verursachen können. Es kann z. B. bei niedersächsischen Samtgemeinden, denen nach § 98 II 1 Nr. 1 NKomVG i. V. m. § 203 II 1 Hs. 2 BauGB die Aufstellung des Flächennutzungsplans übertragen wurde, zu einem Konflikt mit anderen niedersächsischen Gemeinden kommen (etwa benachbarten Samtgemeinden, Mitgliedgemeinden oder anderen nicht als Samtgemeinde organisierten Gemeinden). Der Flächennutzungsplan kann z. B. mit Planungsvorstellungen der Ortsgemeinde, der die Bebauungsplanung verbleibt, in Konflikt geraten, was u. U. einen Abstimmungsbedarf nach § 2 II 1 BauGB auslösen könnte. § 67 II 4 RlPGemO reagiert für die rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde hierauf z. T. und verlangt die Zustimmung der Ortsgemeinden, die selbst oder als Nachbargemeinde durch Änderungen oder Ergänzungen des Plans berührt werden, vgl. Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 93; aus der Rspr. s. nur Nds. OVG, Urt. v. 14. 09. 2000 – 1 K 5414/98, NVwZ 2001, 452 (452 Ls. 1, 452 f.). 20 Konflikte zwischen Gemeinden, die jeweils unterschiedlichen (Bundes-)Ländern zuzuordnen sind, werfen einige Schwierigkeiten auf, wenn das einfache (Landes-)Recht, etwa das gemeindliche Wirtschaftsrecht in § 107 III 1 GO NRW, versucht, diese zu bewältigen, dazu 3.  Teil B. II. 2. a) aa) (3) (a) (S. 436 f.).

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Erster Teil: Einführung

Die Verwaltungstätigkeit von Gemeinden erschöpft sich nicht in der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Die Verwaltungstätigkeit kann auch Aufgaben umfassen, die den Bestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft übersteigen und bundesverfassungsrechtlich einem anderen Verwaltungsträger zur letztverbindlichen Entscheidung zugewiesen sind21. Das sind vor allem diejenigen Aufgaben, die das Grundgesetz dem Bund oder den Ländern verfassungsrechtlich zuordnet und deren Verwaltung auf Gemeinden als Auftragsangelegenheiten übertragen worden sind22. Zweitens müssen die Gemeinden daher Aufgaben wahrnehmen, die sie als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verwalten23. Anders gewendet: Solche Konflikte sind nicht zwischengemeindlich, die daraus resultieren, dass eine Gemeinde mit Auswirkungen auf andere Gemeinden Aufgaben wahrnimmt, die Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG weder ihr noch einer anderen Gemeinde als Angelegenheit der (jeweiligen) gemeindeörtlichen Gemeinschaft generalklauselförmig verfassungsunmittelbar zuordnet. Aufgaben, die bei abstrakter Betrachtung nicht eine Angelegenheit irgendeiner gemeindeörtlichen Gemeinschaft sein können, sind nicht Untersuchungsgegenstand. Was sich hinter dieser Voraussetzung konkret verbirgt, zeigt sich deutlicher im Fortgang der Untersuchung. Nicht immer ist wegen des handelnden Akteurs die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts offenkundig. Wohl niemand würde Zweifel an der Zwischengemeindlichkeit des Konflikts anmelden, wenn der Gemeinderat einen Bebauungsplan beschließt. Die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts ist für die unmittelbare Kommunalverwaltung eindeutig. Das Handeln einer Verwaltungseinheit24 ist der Gemeinde als (Haupt-)Verwaltungsträger zuzurechnen, ohne dass zwischen die Verwaltungseinheit und die Gemeinde ein anderer Rechtsträger träte25. Den 21

Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 136: „Kommunalverwaltung erschöpft sich nicht in kommunaler Selbstverwaltung, sondern umfasst auch Auftragsverwaltung.“ 22 Zur nur eingeschränkten Zulässigkeit der Aufgabenübertragung durch den Bund nach Art. 84 I 7  GG J.  Oebbecke, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee / K irchhof, HdStR  VI (Fn. 10), § 136 Rn. 32 ff.; jüngst BVerfG, Beschl. v. 07. 07. 2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310 (329 ff. Rn. 47 ff.). 23 Zur Bedeutung des Wortes „regeln“ in Art. 28 II 1 GG als „verwalten“ Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 129. 24 Die Verwaltungseinheit ist jede Stelle, der durch eine Rechtsnorm Verwaltungsaufgaben zur Erledigung zugewiesen sind W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 108 Rn. 36. 25 „Verwaltungseinheiten, deren Tätigkeit sich einem Hauptverwaltungsträger zurechnen lässt, ohne dass in der Zurechnungskette zwischen der Verwaltungseinheit und dem Hauptverwaltungsträger ein anderer Rechtsträger vorkommt“, zählen zu der „unmittelbaren Kommunalverwaltung“ Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 111; s. auch Krebs, Verwaltungsorganisation (Fn. 24), § 108 Rn. 17 f.; M. Jestaedt, Grundbegriffe des Verwaltungsorganisationsrechts, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann / A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 25 ff., 30 ff., insb. 32.

B. Begriffs(er)klärungen

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Gemeinden steht aber eine Vielzahl von Organisationsformen zur Verfügung, um zum Beispiel ihre Wirtschaftsbetätigung zu organisieren. Die unterschiedlichen Organisationsformen reichen auf einer Skala der Verselbstständigungsgrade von einer vollständigen Einordnung in die (unmittelbare)  Kommunalverwaltung bis hin zur rechtlichen Herauslösung sowie Verselbstständigung als eine (teil-)rechtsfähige Verwaltungseinheit26. Sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Organisationsformen stehen bereit27. Wirtschaftet die Gemeinde in Form eines Regiebetriebs, gliedert die Gemeinde ihre wirtschaftliche Betätigung weder in eine rechtlich, leitungsmäßig noch haushaltsmäßig verselbstständigte Organisationseinheit aus28. Der Regiebetriebs ist rechtlich, organisatorisch und wirtschaftlich ein unselbstständiger Teil der (unmittelbaren) Kommunalverwaltung29. Gleiches gilt für die Wirtschaftsbetätigung durch einen Eigenbetrieb: Die Gemeinde hebt ihr wirtschaftliches Unternehmen organisatorisch als partiell wirtschaftlich verselbstständigte Einheit heraus. Die Gemeinde verwaltet die Eigenbetriebe finanzwirtschaftlich als Sondervermögen. Dennoch ist der Eigenbetrieb nicht rechtsfähig, sodass durch die Wirtschaftsbetätigung in Form des Eigenbetriebs nur die Gemeinde rechtlich berechtigt und verpflichtet wird. Der Eigenbetrieb bleibt unmittelbare Kommunalverwaltung30. Weniger offenkundig ist die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts, wenn die konfliktträchtigen Betätigungen durch Verwaltungseinheiten erfolgen, die selbst (teil-)rechtsfähig sind. Es handelt sich um Betätigungen von (Verwaltungs-)Einheiten, welche die Eigenschaft einer juristischen Person – sei es des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts31 – aufweisen und durch eigene Organe handeln32. Die Gemeinde gliedert etwa ihre wirtschaftliche Betätigung organisatorisch aus; es betätigt sich wirtschaftlich zum Beispiel eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Aktiengesellschaft 26

R.  Scholz / R .  Pitschas, Kriterien für die Wahl der Rechtsform, in: G.  Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 95  B., S. 128 (142). 27 Einen Überblick über die Vielzahl denkbarer Organisationsformen bietet T. Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 202 ff. 28 Heute führen Gemeinden nur noch ihre sog. nicht-wirtschaftlichen Unternehmen als Regiebetrieb F. Zeiss, Eigenbetriebe, in: Püttner, HdKWP V2 (Fn. 26), 95 C., S. 153 (154). 29 G. Püttner, Die Rechtsformen kommunaler Unternehmen, in: ders., HdKWP V2 (Fn. 26), 95 A., S. 119; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 167. 30 Zeiss, Eigenbetriebe (Fn. 28), § 95 C., S. 154 f.; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 168; Versuche, den Eigenbetrieben Teilrechtsfähigkeit zuzuschreiben, scheiterten in der Vergangenheit BPatG, Beschl. v. 15. 09. 2009 – 27 W (pat) 166/09, juris Rn. 1, 27. 31 Zu den rechtlich verselbstständigten Verwaltungseinheiten in der Rechtsform des Privatrechts Krebs, Verwaltungsorganisation (Fn. 24), § 108 Rn. 22; Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 32. 32 Tritt zwischen (Haupt-)Verwaltungsträger und handelnde Verwaltungseinheit eine rechtlich verselbstständigte Verwaltungseinheit, die selbst die Eigenschaft eines Verwaltungsträgers hat und durch eigene Organe handelt, und ist der Verwaltungsträger einem (Haupt-)Verwaltungsträger zuzuordnen, handelt es sich um mittelbare Verwaltung Krebs, Verwaltungsorganisation (Fn. 24), § 108 Rn. 18; Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 32; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 111.

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Erster Teil: Einführung

(AG). Die Gemeinde kann ihre wirtschaftlichen Unternehmen nach § 114a Abs. 1 S. 1 GO NRW als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts führen. Teilweise zwingen einfachgesetzliche Vorschriften die Gemeinde zur Wahl einer anstaltlichen Organisationsform. Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen etwa, für die nach § 107 Abs. 7 GO NRW die gemeindewirtschaftlichen Vorschriften nicht gelten, müssen die Gemeinden als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisieren, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SpkG NRW33. Die Gemeinde fungiert für den Fall, dass sie eine Sparkasse errichtet als sog. Sparkassenträger34. Bedient sich die Gemeinde für die Organisation ihrer wirtschaftlichen Betätigung der Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, dann betätigt sich die Gemeinde nicht selbst wirtschaftlich, sondern es handelt die Anstalt des öffentlichen Rechts als juristische Person mit eigenständiger Rechts- und rechtlicher Handlungsfähigkeit35. Die Sparkasse beispielsweise ist selbst Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten und damit rechtsfähig36. Wegen der eigenständigen Rechts- und rechtlichen Handlungsfähigkeit kommunaler Anstalten könnte man annehmen, dass aus der Wirtschaftsbetätigung der rechtsfähigen Anstalt für fremde Einwohner auf dem Gebiet der sie errichtenden Gemeinde oder der Wirtschaftsbetätigung für fremde Einwohner auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde kein zwischengemeindlicher Konflikt herrührt. Handelt der Hauptverwaltungsbeamte des Trägers etwa in Ausübung seiner Tätigkeit als Verwaltungsratsvorsitzender, so wird er als Organ der Sparkasse tätig; die Rechtsfolgen treffen die Sparkasse selbst und nicht die Gemeinde37. Es liegt damit eher ein Konflikt zwischen der kommunalen, rechtsfähigen Anstalt und der (Nachbar-)Gemeinde als ein Konflikt zwischen Gemeinden nahe, sodass kein zwischengemeindlicher Konflikt im Sinne dieser Untersuchung vorläge. Damit der Konflikt noch zwischengemeindlich ist, müssen diese Verwaltungseinheiten der Gemeinde als (Haupt-)Verwaltungsträger rechtlich zugerechnet 33 Die Untersuchung widmet den öffentlichen-rechtlichen Sparkassen, die ausschließlich Gegenstand der Darstellung sein sollen, einen eigenen Abschnitt 2. Teil A. III. (S. 229 ff.). 34 D. Dohmen, in: F. Dirnberger u. a. (Hrsg.), Praxis der Kommunalverwaltung NordrheinWestfalen. Das Sparkassenrecht in Nordrhein-Westfalen, L-17 (Juni 2014), Anm. 5. 35 Allgemein zur Verselbstständigung der rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Anstalt K.  Lange, Die öffentlichrechtliche Anstalt, in: VVDStRL  44 (1986), S. 169 (188); Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 172. 36 Zuordnung der Sparkassen zu den rechtlich selbstständigen, d. h. rechtsfähigen öffentlichrechtlichen Anstalten, R. Breuer, Die öffentlichrechtliche Anstalt, in: VVDStRL 44 (1986), S. 211 (225). Zum Begriff der Rechtsfähigkeit H. J. Wolff u. a., Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 83 Rn. 11 ff.  – Alternative Organisationsmodelle für Sparkassen im Überblick bei L.  Jellinghaus, Aktuelle Entwicklungen im Organisationsrecht der Sparkassen, in: NVwZ 2013, S. 407 (407 ff.); Abgrenzung zu den sog. freien Sparkassen F. Ossenbühl, Grundfragen zum Rechtsstatus der Freien Sparkassen, 1979; K.  Berger, Kommentar zum Niedersächsischen Sparkassengesetz, 2. Aufl. 2006, § 1 Rn. 14 f.; H.-G. Henneke, Kommunale Sparkassen, 2. Aufl. 2018, S. 46 ff., 75 f., 381 ff. 37 Umgekehrt gilt, dass, wenn die Vertretung des Trägers die ihr zustehenden Rechte ausübt, die Vertretung als Organ des Trägers und nicht der Sparkasse tätig wird NN, in: K. Heinevetter (Begr.), Kommentar zum Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen, § 8 SpkG (3. Aufl. 4. Lfg.), Anm. 2.1.

B. Begriffs(er)klärungen

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werden können38. Konflikte, die aus der Tätigkeit von Verwaltungseinheiten der mittelbaren Kommunalverwaltung herrühren, sind zwischengemeindliche Konflikte. Die Einordnung als mittelbare Kommunalverwaltung setzt eine bestimmte Qualität des Zurechnungsverhältnisses zwischen Gemeinde und (teil-)rechtsfähiger Verwaltungseinheit voraus. Aus diesem Grund ist die Qualifikation einer Verwaltungseinheit als mittelbare Kommunalverwaltung ein brauchbares Wertungskürzel für die Bewertung der Zwischengemeindlichkeit des Konflikts39. Alternativ ließe sich für die Begründung der Zwischengemeindlichkeit des Konflikts auf das Handeln von Verwaltungseinheiten der unmittelbaren Kommunalverwaltung abstellen. Gewissermaßen beschreibt man damit aber zugleich auch wieder die rechtliche Qualität des (Zurechnungs-)Verhältnisses zwischen den Verwaltungseinheiten und der Gemeinde. Möchte sich die Gemeinde zum Beispiel wirtschaftlich betätigen und zu diesem Zweck eine kommunale Anstalt errichten, bedarf es grundsätzlich eines Beschlusses des zuständigen Organs der Gemeinde. Zuständig für die Entscheidung über die Wirtschaftsbetätigung der Gemeinde ist in aller Regel der Gemeinderat40. Nach § 41 Abs. 1 S. 2 lit. l und m GO NRW gehört zu den unübertragbaren Aufgaben des Gemeinderats, also solchen Materien, die der Gemeinderat nicht auf Ausschüsse oder den Bürgermeister übertragen darf, u. a. die Entscheidung über die Errichtung, Übernahme, (wesentliche)  Erweiterung, Einschränkung und Auflösung von Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 114a GO NRW, öffentlichen Einrichtungen und Eigenbetrieben. Der Beschluss beinhaltet sowohl Fragen der Art und des Umfangs der Betätigung als auch der Organisationsform. Entscheidet sich die Gemeinde durch Gemeinderatsbeschluss für eine wirtschaftlichen Betätigung, die fremde Einwohner betrifft oder auf fremdes Gemeindegebiet ausgreift, ist der Konflikt zwischengemeindlich, da die Gemeinde durch den Ratsbeschluss den Anstoß für die Betätigung gab und den Weg für die Betätigung freimachte. Die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts resultiert hier aus dem aktiven Tun der Gemeinde(-organe). Allerdings bezieht sich die Entscheidung der Gemeinde in aller Regel nicht auf das operativ-geschäftliche Tätigwerden der kommunalen Anstalt im Einzelfall. Die Wahl einer rechtlich 38

Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 112. Krebs, Verwaltungsorganisation (Fn. 24), § 108 Rn. 18 Fn. 57: „Mit den Begriffen ‚unmittelbarer‘ oder ‚mittelbarer Verwaltung‘ ist eine bestimmte Qualität des Zurechnungsverhältnisses [Kursivierung nicht im Original, M. J.] bezeichnet.“ Ob die Verwaltung durch (teil-)rechtsfähige Verwaltungseinheiten mittelbare Kommunalverwaltung ist, hängt von der Qualität des Zurechnungsverhältnisses ab. Die Beurteilung der Qualität des (Zurechnungs-) Verhältnisses liegt der Einordnung als mittelbare Kommunalverwaltung voraus. Anders: Weil das Handeln der (teil-)rechtsfähigen Verwaltungseinheit der Gemeinde als Hauptverwaltungsträger zugeordnet werden kann, handelt es sich um mittelbare Kommunalverwaltung und nicht umgekehrt. Die Qualität des Zurechnungsverhältnisses selbst muss anhand der dieses Verhältnis ausgestaltenden Normen beurteilt werden. Es kommt darauf an, dass anhand valider Zurechnungskriterien das Handeln des rechtlich verselbstständigten Akteurs der Gemeinde zuzuordnen ist. 40 Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel  4 Rn. 112 ff.; K.-P.  Frenzen, in: J.  Dietlein  / ​ A. Heusch (Hrsg.), BeckOK Kommunalrecht NRW, § 41 GO (Juni 2021), Rn. 22 f. 39

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Erster Teil: Einführung

verselbstständigten Organisationsform verfolgt nicht selten gerade auch das Ziel, den Einfluss der gemeindlichen Entscheidungsgremien zurückzudrängen und so dem operativen Geschäft mehr Flexibilität zu ermöglichen. Ergibt sich erst im Laufe der Geschäftstätigkeit, dass sich die Wirtschaftsbetätigung auf die Nachbargemeinde auswirkt, ist eine Zurechnung zur Gemeinde unproblematisch, wenn bereits bei dem Beschluss des Gemeinderats über die Wirtschaftsbetätigung absehbar war, dass es im Laufe der Geschäftstätigkeit zu einem Ausgreifen auf fremdes Gebiet oder fremde Einwohner kommen kann. War bei dem Beschluss über die Wirtschaftsbetätigung nicht absehbar, dass es im Laufe der Geschäftstätigkeit zu einem Ausgreifen kommt, kann für die Annahme eines zwischengemeindlichen Konflikts trotz Wirtschaftsbetätigung in Form einer selbstständigen rechtsfähigen Anstalt nicht auf den Ratsbeschluss abgestellt werden. Als Trägerin der kommunalen Anstalt hat die Gemeinde vielfältige Ingerenzrechte41. Betätigt sich die Anstalt etwa in einer Weise, die sich auf die Nachbargemeinde (negativ) auswirkt, so kann der Gemeinde diese Betätigung über die mannigfaltigen Ingerenzrechte materiell zugerechnet werden. Die Trägergemeinde hat es jederzeit in der Hand durch Einwirkung auf die Anstalt die Betätigung zu steuern. Auch wenn man der Trägergemeinde nur in wichtigen Angelegenheiten der Anstalt Ingerenzrechte zugestehen möchte, müssen die Träger jedenfalls für solche Aktivitäten, welche die Nachbargemeinde nicht nur unerheblich beeinträchtigen können, Einwirkungsrechte der Trägergemeinde vorhalten. Die Steuerungsmöglichkeiten der Trägergemeinde sind der rechtliche Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Konflikts zwischen Kommunalunternehmen in der Organisationsform der kommunalen Anstalt und der Nachbargemeinde als Konflikt zwischen zwei oder mehr Gemeinden. Gleiches gilt wegen der notwendigen Ingerenzmöglichkeiten auch dann, wenn sich die Gemeinde einer privatrechtlichen Organisationsform bedient42. § 108 Abs. 1 Nr. 6 GO NRW verlangt ausdrücklich, dass sich die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere in einem Überwachungsorgan, erhält und diesen durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder in anderer Weise sichert. Der Übergriff des privatrechtlich organisierten Unternehmens ist der Gemeinde zurechenbar, sodass über die Zurechnung die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts erhalten bleibt43.

41 Für eine Zurechnung etwa Franz, Gewinnerzielung (Fn. 27), S. 678, der auf die sog. Instrumentalthese zurückgreift, allerdings bei der Einordnung als „öffentliche Gewalt“ i. S. d. Art. 20 III GG zurückhaltender ist; ausführlich zur sog. Instrumentalthese S. Storr, Der Staat als Unternehmer, 2001, S. 60 ff.; für eine Zurechenbarkeit wohl auch O. K. Dietlmeier, Rechtsfragen der Publizität im kommunalen Unternehmensrecht, 2015, S. 108. 42 Umfassend zu den gesellschaftsrechtlichen Ingerenzmöglichkeiten von Kommunen auf kommunale Unternehmen in Privatrechtsform M. Brenner, Gesellschaftsrechtliche Ingerenzmöglichkeiten von Kommunen auf privatrechtlich ausgestaltete kommunale Unternehmen, in: AöR 127 (2002), S. 222 (222 ff.). 43 OVG NRW, Beschl. v. 13. 08. 2003 – 15 B 1137/03, NVwZ 2003, 1520 (1521).

B. Begriffs(er)klärungen

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II. Rechtspflicht, Abwehranspruch oder doch zwischengemeindliche Konfliktbewältigung? Das Verhältnis von Gemeinden untereinander ist komplex, vielgestaltig und wechselseitig bedingt. Der Grund dafür ist, dass mindestens zwei unterschiedliche Akteure gleicher Ebene mit je eigenen Interessen, Zielvorstellungen und gegebenenfalls Rechtspositionen aufeinandertreffen. Hier die handelnde Gemeinde, die sich auf den ihr rechtlich (gesetzlich wie verfassungsrechtlich) eröffneten und möglicherweise geschützten Handlungsfeldern auf eine bestimmte Art und Weise betätigen möchte. Dort die von diesem Handeln tatsächlich oder potentiell (negativ) betroffene (Nachbar-)Gemeinde, die sich durch das Handeln der anderen Gemeinde in ihren Interessen und Rechten verletzt fühlt. Nicht selten sind daneben der Bundes- oder die Landesgesetzgeber, die Verwaltungsgerichte und die staatliche Exekutive in Gestalt der (staatlichen) Aufsichtsbehörden in den Zwischengemeindekonflikt involviert. Je nachdem, welchen beteiligten Akteur man in den Blick nimmt, verändert sich der Zugriff auf das zwischengemeindliche Verhältnis. Es verändern sich damit auch die Fragen, die man stellt und die Antworten, die man womöglich findet. Die Untersuchung hat bereits eine zentrale Frage formuliert: Begründen das Gesetzesrecht und / oder das Verfassungsrecht (einheitliche) Instrumente zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung? Mit der Formulierung der Frage hat sich die Untersuchung scheinbar vorzeitig für einen bestimmten Zugriff auf das zwischengemeindliche Verhältnis entschieden und zugleich andere Zugriffe verworfen. Die Suche nach Instrumenten zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung ist jedoch nur ein möglicher Zugriff unter einer Mehrzahl denkbarer Zugänge zum Verhältnis von Gemeinden untereinander. Auf dem Weg zur Beantwortung der Frage, ob einheitliche Instrumente zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung durch das Gesetzesrecht und / oder das Verfassungsrecht bestehen, und bejahendenfalls, welche Inhalte sie haben und welchen Voraussetzungen sie verpflichtet sind, muss die Untersuchung zuerst präzisieren, was sie unter einer (zwischengemeindlichen) Konfliktbewältigung versteht und warum sie gerade diesen Zugriff für das Verhältnis von Gemeinden anderen Zugriffen vorzieht. Es lassen sich drei Perspektiven mit sich teils überschneidendem Sichtfeld kontrastieren:

1. Handlungsraumbegrenzung und Rechtspflichten der handelnden Gemeinden Nimmt man die Perspektive der handelnden Gemeinden ein, deren Handeln sich auf die Interessen, Zielvorstellungen und gegebenenfalls Rechtspositionen anderer (Nachbar-)Gemeinden tatsächlich oder potentiell (negativ) auswirken, geht es aus Sicht der handelnden Gemeinden darum, ob ihre rechtlichen Handlungs(spiel)­ räume begrenzt sind. Sie sind begrenzt, weil die handelnde Gemeinde unter be-

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Erster Teil: Einführung

stimmten Umständen entweder die Rechtspflicht trifft, ihre Aktivitäten gänzlich zu unterlassen (Pflicht zum negativen Tun) oder die Interessen der betroffenen Nachbargemeinde bei ihrer Entscheidung (irgendwie)  zu berücksichtigen (positives Tun) und deshalb eine andere Entscheidung treffen muss, als anfangs von ihr intendiert. Unter bestimmten Bedingungen würde letzteres bedeuten, dass die handelnde Gemeinde ihre Interessen hinter denen der Nachbargemeinde zurückstellen und auf die beabsichtigte, potentiell für andere Gemeinden schädliche Betätigung verzichten muss. Beide Pflichten mögen von der handelnden Gemeinde als Beschneidung ihres gesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Handlungsspielraums empfunden werden. Die Perspektive der Handlungsraumbegrenzung und der Rechtspflicht schließen kompetentielle Fragen mit ein. Wie weit reichen die gemeindlichen Zuständigkeiten und Kompetenzen, wenn sich das Handeln auf andere Gemeinden auswirkt? 2. Abwehransprüche der auswirkungsbetroffenen (Nachbar-)Gemeinden Unterliegt das Handeln der einen Gemeinde bestimmten rechtlichen Grenzen, weil diese Gemeinde zum Schutz von Nachbargemeinden gewisse Rechtspflichten trifft, wird die betroffene Nachbargemeinde regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass die handelnde Gemeinde diese Rechtspflichten als Maßstab ihres Handelns zugrunde legen und die Grenzen ihres Handelns einhalten wird. Die Vergangenheit mag die Nachbargemeinde vielmehr gelehrt haben, dass die andere Gemeinde handelt, obschon dieser die Grenzen und die gravierenden Auswirkungen ihres Handelns sowie die Tragweite der Belastungen für die Nachbargemeinde vollständig bewusst sind. Plant eine Gemeinde ein großes Einkaufszentrum mit gutachterlich prognostiziertem hohen Kaufkraftabfluss aus dem Gebiet der Nachbargemeinde, hindert diese Prognose die planende Gemeinde häufig nicht, entsprechende Flächen für das geplante Einkaufszentrum in dem Bebauungsplan auszuweisen. Man kann die hohe Zahl an gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten – besonders im Bauplanungsrecht – als Beleg dafür deuten, dass es um den Rechtsgehorsam der handelnden Gemeinde nicht sonderlich gut bestellt ist, wenn Gemeinden um den Sieg im Attraktivitätswettbewerb um Investoren ringen44. Und selbst wenn eine Gemeinde nur gelegentlich bösgläubig bestimmte negative Folgen für die Nachbargemeinde in Kauf nehmen sollte, um unter Zurückstellung der nachbar-

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Ein Grund dafür mag in der Legitimationsstruktur der Gemeindeverwaltung liegen. (Personelle) demokratische Legitimation der Kommunalverwaltung vermittelt das Gemeindevolk durch die Wahl der Gemeindevertretung und des Hauptverwaltungsbeamten, monographisch dazu Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 163 ff. Da bestimmte Entscheidungen auf gemeindlicher Ebene mit (politischen) Kosten für die sich der Wiederwahl stellenden Akteure verbunden sind, haben diese Anreize, Entscheidungen zu treffen, die nicht maßgeblich durch das Bemühen um Rechtsgehorsam getragen sein mögen, dazu J.  Oebbecke, Minimierung politischer Kosten durch Verwaltungsrecht, in: DÖV 2017, S. 749 (749 ff.).

B. Begriffs(er)klärungen

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gemeindlichen Interessen ihre eigenen Interessen verfolgen zu können, mag es sicher auch die Fälle geben, in denen nicht eindeutig ist, welche rechtliche Pflicht die handelnde Gemeinde überhaupt trifft. Die Ausdeutung der rechtlichen Grenzen eigener Spielräume durch die handelnde Gemeinde fällt nicht selten anders aus als die Deutung derselben Spielraumgrenzen durch die betroffene Gemeinde. Den Vorwurf fehlenden Rechtsgehorsams kann man der handelnden Gemeinde in diesen Fällen nicht machen. Blickt man daher auf die betroffene Gemeinde und beurteilt das zwischengemeindliche Verhältnis aus ihrer Warte, geht es der betroffenen Gemeinde allgemein um die Abwehr von und den Schutz vor dem sich auf sie auswirkenden Tun einer anderen Gemeinde. Die (Nachbar-)Gemeinde treibt um, dass die handelnde Gemeinde es einforderbar (vollständig) unterlässt, sich mit Auswirkungen auf sie zu betätigen. Zumindest ist sie darauf aus, dass ihre nachbargemeindlichen Interessen bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Der Nachbargemeinde geht es primär um ein Recht oder einen Anspruch auf ein negatives Tun, nämlich ein Unterlassen. Sekundär geht es ihr auch darum, dass sie einen Anspruch darauf hat, dass die handelnde Gemeinde die Interessen der Nachbargemeinde einbezieht (positives Tun) und dann, wenn ihre Interessen nicht (in ausreichendem Maß) berücksichtigt werden, unterlässt45. Im Bauplanungsrecht oder im Sparkassenrecht dominiert beispielsweise die Perspektive des (Abwehr-)Anspruchs der Nachbargemeinde. Das Schrifttum und die Rechtsprechung sprechen beispielsweise von einem „Abwehrrecht“46, „Schutzanspruch“47 oder „Unterlassungsanspruch“48. Beide gebrauchen unterschiedliche Wörter sinnvariabel und nicht systematisch. Die Wörter umfassen begrifflich nicht die gesamte Bandbreite (nachbar-)gemeindlicher Ansprüche gegenüber der handelnden Gemeinde. Sie sind vermutlich zu eng, wenn es nicht nur um die primären Unterlassungsansprüche der (Nachbar-)Gemeinden gehen soll. Die Nachbargemeinde begehrt in der Regel ebenso die Einhaltung der vorgelagerten Pflichten, die andere Gemeinden bei ihren Entscheidungen beachten müssen, wenn nachbargemeindliche Interessen berührt sein können.

45 Man kann auch sagen: Die Nachbargemeinde möchte von Auswirkungen des Handelns anderer Gemeinden gänzlich verschont bleiben. Wenn sie es nicht wird, dann möchte sie (wenigstens), dass ihre Interessen in die Entscheidung über das sich auf sie auswirkende Handeln einbezogen werden. Wenn sie nicht ausreichend einbezogen werden, dann begehrt die Nachbargemeinde, dass die handelnde Gemeinde ihre Betätigung unterlässt. Im Vordergrund steht aber, dass die Nachbargemeinde nicht von Auswirkungen des Handelns anderer Gemeinden betroffen wird. 46 BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (837 Ls. 1, 837 f.). 47 Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 163 ff. 48 BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (837 f.).

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Erster Teil: Einführung

3. Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung – Metaebene mit Differenzierungspotential Das zwischengemeindliche Verhältnis lässt sich aus einer dritten Perspektive betrachten. Für diese entscheidet sich die Untersuchung. Mit ihr tritt die Unter­ suchung aus dem Innenbereich der beteiligten Gemeinden heraus und nimmt eine Beobachterperspektive ein. Die Perspektive gestattet es, eine Vielzahl von (Rechts-)Verhältnissen zu erfassen, die zwischen unterschiedlichen Akteuren bestehen können. Diese Perspektive vermeidet terminologische Einseitigkeiten und öffnet den Blick für den Beitrag des Bundes- und der Landesgesetzgeber, der Gerichte sowie der staatlichen (Aufsichts-)Behörden für die Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden. Der Begriff der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung bildet den thematisch weiteren (Ober-)Begriff. Der Begriff umfasst die unterschiedlichen Rechtsverhältnisse zwischen unterschiedlichen Akteuren und die möglichen Instrumente des Gesetzesrechts sowie des Verfassungsrechts, die in unterschiedlichen (Rechts-)Beziehungen zum Einsatz kommen49. Aus der Perspektive der handelnden Gemeinde handelt es sich um eine bestimmte Rechtspflicht, welche sie bei ihrem Tätigwerden beachten muss; es geht um rechtliche Unterlassungs- und Handlungspflichten. Aus der Perspektive der betroffenen (Nachbar-)Gemeinde handelt es sich demgegenüber um Abwehransprüche gegenüber der handelnden Gemeinde, die sich gegen das sich auf ihre Interessen auswirkende Tätigwerden der anderen Gemeinde richten. Jedem Anspruch der Nachbargemeinde korrespondiert notwendigerweise eine Rechtspflicht der handelnden Gemeinde. Der Abwehranspruch der Nachbargemeinde gegenüber der handelnden Gemeinde ist mit der Pflicht der handelnden Gemeinde gegenüber der Nachbargemeinde, ihr Handeln zu unterlassen, das sich (potentiell) negativ auf die Nachbargemeinde auswirkt, logisch äquivalent50. Ohne Rechtspflicht der handelnden Gemeinde gibt es keinen

49 Neben dem Begriff der Konfliktbewältigung finden sich noch eine Vielzahl anderer Begriffe, die teils inhaltsgleich, teils aber auch inhaltsverschieden gebraucht werden wie z. B. die Konfliktlösung, Konfliktregelung, Konfliktvermeidung, Streitschlichtung, Streitbeilegung usf. Die Untersuchung differenziert nicht, sondern verwendet die Ausdrücke Konfliktbewältigung oder Konfliktlösung als Oberbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente und Mechanismen, die der Entstehung von Konflikten vorbeugen oder auf Konflikte nachgelagert reagieren; für eine begriffliche Differenzierung in einem anderen Zusammenhang etwa Hanschel, Konfliktlösung (Fn. 15), S. 25 ff.; von Konfliktbewältigung ist in mancherlei Zusammenhang, namentlich bei Planungsverfahren die Rede z. B. bei B. M. Groh, Konfliktbewältigung im Bauplanungsrecht, 1988; U. Battis, in: ders. / M. Krautzberger / R.-P. Löhr (Begr.), Kommentar zum Baugesetzbuch, 14. Aufl. 2019, § 1 Rn. 115 ff.; B. Stüer, Handbuch des Bauund Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 1702; N. Kämper, in: J. Bader / M. Ronellenfitsch (Hrsg.), BeckOK zum VwVfG, § 74 (Januar 2018), Rn. 118 ff. 50 Eingehend zur dreistelligen Rechte- und Verpflichtungs-Relation und ihrer logischen Äquivalenz unter 3.  Teil B. I. 2. a) (S. 337 ff.).

B. Begriffs(er)klärungen

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Abwehranspruch der betroffenen Nachbargemeinde. Umgekehrt muss dies nicht gelten: Es sind Rechtspflichten der handelnden Gemeinde denkbar, ohne dass diesen Ansprüche der Nachbargemeinde korrespondieren müssen. Der Begriff Abwehranspruch umfasst nach hiesigem Begriffsverständnis auch seine (gerichtliche) Durchsetzbarkeit (sog. Rechtsdurchsetzungsmacht). Die Rechtspflicht der handelnden Gemeinde ist dann zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung gemeindlicher Abwehransprüche. Es gilt: Es kann Rechtspflichten der handelnden Gemeinde geben, ihr Handeln zu unterlassen, wenn es sich negativ auf andere Gemeinden auswirkt, ohne dass die Nachbargemeinde aus dieser Rechtspflicht einen gerichtlich wehrfähigen Anspruch herleiten könnte. Dafür muss ein weiterer Umstand hinzutreten. Die anspruchsbegründende Norm muss der Nachbargemeinde eine wehrfähige Rechtsposition vermitteln. Die so beschriebene logische Abhängigkeit von Berechtigung und Verpflichtung von Gemeinden könnte terminologisch weniger sperrig schlicht zu einem Anspruch der Nachbargemeinde gegenüber der anderen Gemeinde zusammengefasst werden. Bei jedem Anspruch müssen zwangsläufig die korrespondierende Pflicht und ihre Durchsetzbarkeit mitgedacht werden. Die Wahl der im Anspruch zusammengefassten erstgenannten Perspektiven (Anspruchsperspektive der Nachbargemeinde und Verpflichtungsperspektive der handelnden Gemeinde) hätte allerdings zur Folge, dass sich die Untersuchung ohne Not auf bestimmte Fragen fixierte und bestimmte (Rechtserzeugungs-)Akteure ausblendete. Tritt man hinter die beiden erstgenannten Perspektiven einen Schritt zurück und versucht den Streit über die Grenzen von Handlungs(spiel)räumen, den Rechten und den Pflichten aus einer Nicht-Teilnehmerwarte zu beurteilen, so geht es allgemeiner gesprochen um den Inhalt und die Grenzen des Handelns der Gemeinden im zwischengemeindlichen Verhältnis. An ihm können andere Rechtserzeugungsakteure als die Gemeinden selbst ihren Anteil haben. Der Gesetzgeber kann nicht unerheblich an der Entstehung von zwischengemeindlichen Konflikten mitwirken oder die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es zu einem Konflikt kommt. In den Zwischengemeindestreit sind ebenso involviert die ihn (gegebenenfalls nur vorläufig) autoritativ entscheidenden Aufsichtsbehörden oder Gerichte. Diese Akteure blieben bei der ausschließlichen Suche nach Schutzund Abwehransprüchen im Zwischengemeindeverhältnis außen vor. Jedenfalls fiele ihre Einbeziehung schwerer. Die legislative Ausgestaltung und Organisation des zwischengemeindlichen Verhältnisses durch Genehmigungsvorbehalte, Kooperationspflichten von Gemeinden, Anhörungspflichten oder die Pflicht zur abwägenden Einbeziehung nachbargemeindlicher Interessen und die Kontrolle durch Aufsichtsbehörden sowie Gerichte leisten einen Beitrag zu der erfolgreichen rechtlichen Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten. Die Rolle dieser Akteure kann der Terminus der Konfliktbewältigung mühelos einfangen. Der Zugriff über die Konfliktbewältigung auf die zwischengemeindlichen Konflikte verwirft demnach keine der oben skizzierten Zugriffe, sondern fasst sie zusammen

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Erster Teil: Einführung

und erweitert sie um weitere Perspektiven51. Er ist nicht nur akteurs-, sondern pro­ blem- und problemlösungsfixiert. Darin liegt sein Mehrwert gegenüber den beiden anderen Perspektiven. Der Gebrauch des Ausdrucks der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung als Zugriff auf zwischengemeindliche Konflikte hat aber auch Nachteile. In demselben Maß, wie er Perspektiven zusammenfasst, gehen (scheinbar) Differenzierungspotentiale verloren. Um auch bei Zugrundelegung eines umfassenderen Begriffs zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung noch deutlich zu machen, dass es um Instrumente geht, die entweder unmittelbar zwischen Gemeinden zum Zuge kommen oder solchen, die auf Vermittlung durch den Gesetzgeber oder andere Akteure angewiesen sind, bietet es sich an, zwischen der legislativ, exekutiv und judikativ vermittelten und der unvermittelten, zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung zu unterscheiden. Eine unvermittelte Konfliktbewältigung existiert, wenn Gemeinden zueinander im Horizontalverhältnis in einem Anspruchsverhältnis stehen. Der praktische Wert von rechtlichen Instrumenten zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung hängt für die involvierten Gemeinden, namentlich für die Nachbargemeinden nicht nur davon ab, ob es ein Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung – sei es unvermittelt oder vermittelt – überhaupt gibt, sondern auch davon, in welchem Verhältnis es besteht und ob die betroffene Gemeinde es rechtlich erzwingen und durchsetzen kann. Die Rede von einem Abwehranspruch implizierte bereits seine Erzwing- und Durchsetzbarkeit. Man kann womöglich auch für die Konfliktbewältigung diesen Schritt gehen: Ein Instrument ist nur dann ein Konfliktbewältigungsinstrument, wenn die Nachbargemeinde es rechtlich erzwingen kann. Es bietet sich an – wenn auch sprachlich etwas sperrig – zwischen wehrfähigen oder subjektiv-rechtlichen und nicht wehrfähigen oder objektiv-rechtlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten zu unterscheiden52. 51 Wie gezeigt, setzt der Anspruch einer Gemeinde auf Schutz und Abwehr voraus, dass die handelnde Gemeinde rechtlich verpflichtet ist, nachbargemeindliche Belange in ihre Entscheidung einzubeziehen. Zusätzlich muss der Nachbargemeinde daraus eine Berechtigung erwachsen, dies von der handelnden Gemeinde verlangen zu können. Die zwischengemeindliche Konfliktbewältigung geht damit in dieser Hinsicht nicht über die Anspruchsfrage hinaus. Gleichwohl behält der Zugriff über die Konfliktbewältigung seine Berechtigung und die Untersuchung verwendet diesen Begriff. Der Grund liegt darin, dass der Begriff der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung vermeidet, das zwischengemeindliche Verhältnis nur unter subjektiv-rechtlichen Vorzeichen zu untersuchen. Der Begriff der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung beugt somit dem Entstehen von auf die subjektiv-rechtliche Rechtsstellung von Gemeinden fixierten Fehlvorstellungen vor. 52 Die Ausdrücke subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Konfliktschlichtung gebraucht im Zusammenhang mit kollidierenden Privatinteressen z. B. M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 247 f.; M. Schmidt-Preuß, Multipolarität und subjektives öffentliches Recht, in: O. Depenheuer u. a. (Hrsg.), Staat im Wort, 2007, S. 597 (598, 602), wobei seine Begriffsverwendung insoweit enger ist als diejenige der Untersuchung, die es im Fortgang der Untersuchung zu entfalten gilt, da er Ansprüche im Horizontalverhältnis zwischen Privaten nicht der Kategorie der subjektiv-rechtlichen Konfliktschlichtung zuordnet; vielmehr lehnt er diese ab.

C. Gang der Untersuchung 

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C. Gang der Untersuchung Teil zwei und drei der Untersuchung bilden gemeinsam das (dogmatische) Kernstück der Arbeit. In diesen Teilen analysiert die Studie zwei Forschungsfragen betreffend die Existenz und die Gestalt gesetzlicher sowie verfassungsrechtlicher zwischengemeindlicher Konfliktlösungsinstrumente. Sie untersucht ferner die wechselseitigen Beziehungen gesetzlicher und verfassungsrechtlicher Instrumente zueinander und ihre Einflüsse aufeinander. Bei der Suche nach einfachrechtlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten im zweiten Teil konzentriert sie sich auf drei Referenzgebiete und solche Instrumente, die unmittelbar im Horizontalverhältnis von Gemeinden zueinander wirken. Bei der Analyse des Gesetzesrechts beschränkt sich die Untersuchung folglich auf unvermittelte Konfliktbewältigungsinstrumente. Sie blendet die Gerichte und die Aufsichtsbehörden aus, weil diese nicht (Erst-)Adressaten der gesetzlichen Regelungen sind, die zwischengemeindlichen Konflikten vorbeugen oder sie lösen sollen. Die Gerichte oder die Aufsichtsbehörden mögen allerdings bei der Durchsetzung der Ansprüche eine wichtige Rolle spielen. Die tatsächliche Bedeutung der Gerichte und der Aufsichtsbehörden offenbart sich erst im dritten Teil der Arbeit. Konkret geht die Arbeit in ihrem zweiten und dritten Teil in mehreren Schritten vor: – In einem ersten Schritt greift die Untersuchung in Teil zwei zur Verdeutlichung der zwischengemeindlichen Problemlagen (recht) unterschiedliche gemeindliche Betätigungsfelder heraus und arbeitet gewissermaßen empirisch: Bestehen überhaupt Betätigungsfelder, in denen es zu Konflikten zwischen Gemeinden kommt? Gemeinsam ist den herausgegriffenen gemeindlichen Betätigungsfeldern, dass die Betätigung in ihnen erstens zu zwischengemeindlichen Konflikten führen kann und zweitens, dass das einfache Recht die potentiellen oder tatsächlichen Konflikte in unterschiedlicher Weise zu bewältigen sucht. Es gilt darzustellen, woraus zwischengemeindliche Konflikte konkret resultieren können, wo Konfliktpotentiale liegen und wie das Gesetzesrecht diese Konflikte löst. Am Ende des Teils zwei zeigt die Arbeit in einem zweiten Schritt auf, dass sich die Instrumente auf eine gemeinsame dogmatische Basis stellen lassen. Operationalisiert durch das zu fundierende Gebot zwischengemeindlicher Abwägung lassen sich zwischengemeindliche Konflikte womöglich dogmatisch einheitlich lösen. – Mit der Suche nach verfassungsrechtlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten im dritten Teil widmet sich die Untersuchung den Instrumenten der verfassungsdirigierten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung. In diesem Teil analysiert sie die maß-, struktur- und inhaltsgebenden Einflüsse des Verfassungsrechts auf das Gesetzesrecht. Zugleich erweitert sie den Blick auf andere Akteure als die Gemeinden selbst und schließt die anderen in den Intergemeindekonflikt verschiedentlich involvierten Akteure in die Betrachtung ein. Zu diesen Akteuren zählen die Gesetzgeber, die (staatliche) Exekutive und die Judikative. Ohne an

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Erster Teil: Einführung

den staatsorganisationsrechtlichen Grundfesten der verfassungsrechtsdogmatischen Deutung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG rütteln zu wollen, legt die Arbeit in diesem Teil gewisse Schnittmengen zur Grundrechtsdogmatik offen und benennt Parallelproblematiken, für die in der Grundrechtsdogmatik bereits Lösungen erarbeitet wurden. Die Untersuchung entfaltet, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein rechtliches, nicht auf Vermittlung angewiesenes Konfliktbewältigungsinstrument fundiert. Es gilt herauszufinden, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ohne Vermittlung durch andere Akteure unmittelbar zwischen Gemeinden die Lösung des Konflikts ermöglicht, indem er Nachbargemeinden zum Beispiel einen Anspruch (auf Abwehr und Unterlassen) gegen die handelnde Gemeinde im Horizontalverhältnis verleiht53. Danach nimmt sich die Untersuchung der möglichen Konfliktbewältigungsinstrumente an, die auf legislative, judikative oder exekutive Vermittlung angewiesen sind und nicht (zwingend) unmittelbar von der Nachbargemeinde gegenüber der anderen Gemeinde geltend gemacht werden können. Diese Instrumente richten sich an die Gesetzgeber, die Gerichte oder die staatliche Aufsicht über die Gemeinden, deren Handeln den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer (primär legislativ) vermittelten, verfassungsrechtlichen zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung genügen müssen. Hier schließt sich der Kreis zu den eingangs untersuchten gesetzlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten, bei welchen der Gesetzgeber dem maß-, struktur- und inhaltsgebenden Einfluss der Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung unterliegt, wenn er sie normiert. Die Untersuchung schließt in ihrem vierten Teil mit einer Schlussbetrachtung und fasst ihre Ergebnisse zusammen.

53 Die Verwirklichung des Anspruchs wäre dann selbstverständlich auf die Durchsetzung durch andere (staatliche) Akteure angewiesen, wenn Gemeinden von sich aus den Anspruch nicht erfüllen.

Zweiter Teil

Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten Ein Bedarf nach zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung stellt sich nicht losgelöst von tatsächlichen Betätigungsfeldern der Gemeinden ein: Er erwächst aus konkreten Betätigungen von Gemeinden mit Konfliktpotential. Treten infolge dieser Betätigungen Konflikte zwischen Gemeinden auf, werden Instrumente zur Bewältigung unumgänglich, wenn der Konflikt nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden soll. Das Gesetzesrecht eröffnet den Gemeinden sektoral Betätigungsfelder und stellt ihnen rechtliche Instrumentarien zur Verwirklichung eigener Ziele und Interessen zur Verfügung54. Es gibt deshalb nicht den einen zwischengemeindlichen Konflikt, sondern eine Vielzahl an Formen zwischengemeindlicher Konflikte. Es liegt auf der Hand, dass sich die Bebauungsplanung potentiell anders auswirken kann als etwa die leistungsgegenständlich gemeindegebietsübergreifende Wirtschaftsbetätigung. Das Gesetzesrecht eignet sich daher gut, um die reiche Vielfalt an Situationen und Formen zwischengemeindlicher Konflikte in der Rechtsrealität von Gemeinden zu dokumentieren. Das Gesetzesrecht hält bei konfliktgeneigten gemeindlichen Aktivitäten regelmäßig auch Regelungen bereit, um Konflikte zu vermeiden, auftauchende Konflikte zu lösen und durch den Gebrauch von gerichtlichen Rechtsschutzverfahren durch die betroffene Gemeinde einer letztverbindlichen Entscheidung zuzuführen. Die Rechtsprechung liefert aus diesem Grund – zumindest in einigen Gebieten – abundantes Anschauungsmaterial für die Fälle, in denen relevant werden kann, ob in solchen Situationen rechtliche Mechanismen oder die Macht der Stärkeren für die Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden walten. Die Arbeit greift aus der Vielzahl gemeindlicher Betätigungsfelder drei Referenzgebiete heraus, in denen sich Gemeinden mit Auswirkungen auf andere Gemeinden betätigen. Die Referenzgebiete sind so ausgewählt, dass die Untersuchung ausschließlich Konflikte behandelt, die im Sinne dieser Arbeit „zwischengemeindlich“ sind. Nur Konflikte zwischen Gemeinden, die formal auf Ebene der Gleichordnung Aufgaben wahrnehmen, welche Angelegenheiten i. S. v. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sein können, sind von Interesse. Abgesehen von der Auswahl der

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Vielfach dürfen sich Gemeinden auf Grundlage der generalklauselförmigen Zuständigkeits- und Kompetenzzuweisung des Art. 28 II 1 GG für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verfassungsunmittelbar betätigen, sind also nicht darauf angewiesen, dass das einfache Recht ihnen Betätigungsfelder eröffnet.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Referenzgebiete ist auch ihr Zuschnitt von der Beschränkung auf die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts geleitet. Neben dem Bauplanungsrecht und dem bauplanungsrechtlichen Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung (I.), ruft die außergebietliche wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden besondere zwischengemeindliche Konfliktlagen hervor, auf die das Gemeindewirtschaftsrecht zum Teil reagiert (II.). Vergleichbar streitanfällig und lösungsbedürftig sind die Expansionsbestrebungen von Sparkassen in gemeindlicher Trägerschaft, mit denen sie geschäftlich oder organisatorisch in fremde Territorien vordringen (III.). Besonders stark judikativ durchdrungen ist das bauplanungsrechtliche Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung55. Die anderen Referenzgebiete sind – wenn auch nicht vergleichbar intensiv – ebenfalls durch die Rechtsprechung und Literatur inhaltlich bearbeitet. Demgegenüber haben weder die Schulnetzplanung nach dem Schulgesetz Nordrhein-Westfalen noch die Nahverkehrsplanung nach dem Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr Nordrhein-Westfalen ein vergleichbares Maß an rechtswissenschaftlicher Beschäftigung erfahren. Aus diesem Grund konzentriert sich die Untersuchung auf die drei am besten aufgearbeiteten Referenzgebiete. Nicht zu verkennen bei der Arbeit mit Referenzgebieten ist, dass die Auswahl der Referenzgebiete den Wahrnehmungshorizont lösungsbedürftiger zwischengemeindlicher Konflikte einschränken und sich daher der Problemzugriff perspektivisch verengen kann56. Ansinnen der Untersuchung ist es deshalb, die drei Referenzgebiete so auszuwählen, dass mit ihnen ein möglichst breites Spektrum von Tätigkeitsbereichen der Gemeinden sowie Handlungs- und Auswirkungsformen gemeindlichen Handelns abgedeckt werden kann57. Die Analyse der Regelungen der Referenzgebiete fördert womöglich zu Tage, dass dem äußeren Anschein nach die einschlägigen Regelungen in den Referenzgebieten unterschiedlich auf die (potentiellen) zwischengemeindlichen Konflikte reagieren und nur unter verschiedenen Voraussetzungen eingreifen. Bei näherem Besehen wird aber möglicherweise trotz aller Abweichungen im Detail offenbar, dass eine verblüffende Übereinstimmung bei den konkreten Lösungsmechanismen des Gesetzesrechts besteht, obwohl in jedem Referenzgebiet eigene Sachgesetz 55 Statt Vieler G. Halama, Die Metamorphose der „Krabbenkamp“-Formel in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: DVBl. 2004, S. 79 (79 ff.). 56 Den treffenden Begriff des sog. Wahrnehmungshorizonts bei der Arbeit mit Referenzgebieten verwendet bspw. A. Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: ­Hoffmann-​ Riem / Schmidt-Aßmann / ders., Grundlagen  I (Fn. 25), § 1 Rn. 45; allgemein zur Arbeit mit Referenzgebieten E.  Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrechtliche Dogmatik, 2013, S. 8 ff.; E.  Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, S. 8 ff. 57 Die Referenzgebiete sind so ausgewählt, dass die Arbeit möglichst viele Formen gemeindlicher Handlungen abdeckt. Die in die Betrachtung einzubeziehenden Handlungsformen reichen vom Handeln der Gemeinde in Form der Satzung und des Verwaltungsaktes bis hin zur Form des schlicht hoheitlichen Handelns.

Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung

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lichkeiten, (Ir-)Rationalitäten und Dynamiken obwalten. Die Gemeinsamkeiten der einzelnen Regelungen in den Referenzgebieten mögen den Weg für die Etablierung eines einheitlichen, durch das Gesetzesrecht fundierten, zwischengemeindlichen Konfliktbewältigungsmechanismus ebnen. Mögliche Gemeinsamkeiten benennen die monographischen Abhandlungen über die einzelnen Referenzgebiete entweder überhaupt nicht oder nur sehr sporadisch, ist doch den meisten Bearbeitungen eine übergreifende Konfliktlösungsdogmatik kein Anliegen und auch nicht ihr Thema. Ihnen kommt es nicht auf die unter Umständen in den unterschiedlichen gemeindlichen Betätigungsfeldern beobachtbaren gemeinsamen Charakteristika an. Gemeinsamkeiten der einzelnen Betätigungsfelder der Gemeinden werden nicht zuletzt auch deshalb selten offengelegt oder erkannt, weil intradisziplinäre sprachliche Barrieren bestehen58. Jedes Referenzgebiet und jede rechtswissenschaftliche Subdisziplin sprechen ihre eigene Sprache. Das eine Referenzgebiet (oder der Gesetzgeber des Referenzgebiets) findet ein von einem anderen Referenzgebiet abweichendes Wort für denselben Rechtsbegriff; die Rechtswissenschaft ein anderes Wort für denselben Rechtswissenschaftsbegriff. Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung bleibt ein sektorales Phänomen, das die Rechtsgebiete voneinander geschieden für sich allein verarbeiten. Obwohl den Ausgangspunkt der Arbeit die sektoralen Konfliktlösungsmechanismen der einzelnen Referenzgebiete bilden, ist das Ziel der Arbeit, von ihnen zu abstrahieren und sie auf eine einheitliche terminologische und inhaltliche Basis zu stellen. Mit Referenzgebieten zu arbeiten und Konfliktlösungen zu verallgemeinern heißt, sich von den Spezialdiskursen der einzelnen Referenzgebiete zu lösen und Probleme und Lösungen (wieder) allgemeingültigeren Kategorien, Fragestellungen und Strukturen zu öffnen. Das Ziel ist es, eine einheitliche terminologische Kommunikationsebene zu betreten59. Das Unterfangen einer, die einzelnen Referenzgebiete übergreifenden, strukturtheoretisch reflektierten Dogmatik am Ende dieses Teils muss sich allerdings zwei Fragen stellen: Kann erstens eine referenzgebietsübergreifende Dogmatik zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung die mit ihr verfolgte Rationalisierungsleistung und die erhoffte Komplexitätsreduktion überhaupt erbringen? Vermag zweitens gerade eine übergreifende, d. h. den berühmten Einzelfall ausblendende oder abstrahierende Dogmatik die Lösung referenzgebietsunabhängiger zwischengemeindlicher Konflikte noch leisten? Ist Konfliktbewältigung nicht auch immer zugleich situative Konfliktbewältigung, die an sich keiner Verallgemeinerung zugänglich ist und sich als Lösung des Konflikts im Einzelfall einer Verallgemeine-

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Zu den Schwierigkeiten der intra- sowie interdisziplinären Kommunikation unterschiedlicher juristischer sowie nicht-juristischer (Sub-)Disziplinen andeutend M. Jestaedt, Perspektiven der Rechtswissenschaftstheorie, in: ders. / O. Lepsius (Hrsg.), Rechtswissenschaftstheorie, 2008, S. 185 (203). 59 In diesem Sinne zum Arbeiten mit Referenzgebieten für die Verwaltungsrechtswissenschaft Voßkuhle, Verwaltungsrechtswissenschaft (Fn. 56), § 1 Rn. 43 ff.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

rung sperrt? Gilt nicht: Je genereller und abstrakter eine Lösung ist, desto höher ist der Aufwand für eine Lösung im Einzelfall? Die Gefahr des Abdriftens der für die Rechtspraxis gedachten übergreifenden (Konfliktbewältigungs-)Dogmatik auf eine Abstraktionshöhe, die ein neuerliches „Herabsteigen“ in niedere Abstrahierungsgefilde erfordert, spräche einem Teil des Ansinnens der Arbeit Hohn. Die Entwicklung einer übergreifenden zwischengemeindlichen Konfliktbewältigungsdogmatik darf aus diesem Grund nicht grundsätzlich leugnen, dass durchaus das Bedürfnis nach sachbereichsspezifischen Sonderdogmatiken oder Terminologien bestehen kann60. Die Erkenntnisse, welche die Untersuchung mit der Arbeit mit Referenzgebieten zu erzielen beabsichtigt, haben für die Untersuchung mehrere Konsequenzen. Allein die Darstellung möglicher Konfliktfelder im zwischengemeindlichen Bereich gibt erstens kaum Auskunft darüber, in welcher Weise die Regelungen der Referenzgebiete die Konfliktentstehung verhindern und auftauchende Konflikte lösen. Dass Konflikte zwischen Gemeinden denkbar sind, bedarf wegen der Interessengeleitetheit gemeindlichen (Organ-)Handelns keiner weiteren Begründung. Eine knappe Darstellung möglicher Konflikte wäre folglich nicht zielführend. Die bloße Darstellung wäre zweitens nicht dazu geeignet, aufzuzeigen, dass allen Referenzgebieten vergleichbare Lösungsmechanismen für zwischengemeindliche Konflikte zugrunde liegen und sich diese vereinheitlichen lassen. Daher muss die Untersuchung eingehender in die einfachrechtlichen Rechtsmaterien einsteigen und darlegen, wie jedes Referenzgebiet auf die entstandenen zwischengemeindlichen Konflikte reagiert und die Konfliktlösung begründet. Die Untersuchung belässt es nicht bei der deskriptiv-analytischen Darstellung der Referenzgebiete und ihrer Lösungen, sondern bemüht sich um eine kritisch-reflexive Analyse. Wenn nötig, schlägt die Untersuchung alternative Norminhaltshypothesen der gesetzlichen Regelungen in der Hoffnung vor, dass diese näher an den wirklichen Normsetzerwillen heranreichen und kritisiert die Auslegung, wie sie die Rechtsprechung und die Rechtswissenschaft vornehmen61. In den Fällen, in denen sich der Konflikt nicht allein durch Konsultation des Gesetzesrechts bewältigen lässt, legt die Untersuchung die identifizierten Schwachstellen im Gesetzesrecht offen. Der wunde Punkt der gesetzlichen Konfliktlösung(-sdogmatik), so möchte man sagen, ist sodann der Beleg dafür, dass ein Bedarf für eine verfassungsrechtlich angeleitete zwischengemeindliche Konfliktbewältigung besteht. Hält das Gesetzesrecht – in den untersuchten Referenzgebieten ist das durchgängig der Fall – Lösungen für sektorale zwischengemeindliche Konflikte bereit und vermag es die Verwaltungsrechtsdogmatik aber nicht, diese ausgehend vom einfachen Recht ausreichend zu begründen, kann möglicherweise das Verfassungsrecht valide(re) Begründungsansätze beisteuern.

60 Zweifelnd an dem rationalisierenden Wert der Dogmatik O. Lepsius, Kritik der Dogmatik, in: G. Kirchhof / S. Magen / K. Schneider (Hrsg.), Was weiß Dogmatik?, 2012, S. 39 ff. 61 Zu den Grenzen rechtserkenntnistheoretisch angeleiteter Kritik eingehend Fn. 162.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Die Behandlung der drei Referenzgebiete folgt einem einheitlichen Schema. Das Schema und die einheitliche Darstellungsform sollen die Vergleichbarkeit der Referenzgebiete ermöglichen. Sollte die Zwischengemeindlichkeit des Konflikts im jeweiligen Referenzgebiet nicht unmittelbar ersichtlich sein, begründet die Untersuchung sie. Im Anschluss daran arbeitet sie die unterschiedlichen Handlungen der Gemeinden im jeweiligen Referenzgebiet heraus und legt dar, in welcher Form zwischengemeindliche Konflikte entstehen können. Sodann zeigt sie auf, unter welchen Voraussetzungen das Gesetzesrecht diese Konflikte gegenständlich einfängt und wie die Bewältigung erfolgt.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente in verschiedenen Referenzgebieten I. Bauleitplanung Gemeinden sind räumlich eng miteinander verflochten. Ihre Siedlungsstrukturen sind heute verdichteter als früher. Aus diesem Grund berührt eine bestimmte, mit der Bebauung in Verbindung stehende Bodennutzung in dem Gebiet der einen Gemeinde nahezu unweigerlich auch die Bodennutzung anderer Gemeinden und deren städtebauliche Entwicklung62. Gemeinden können die städtebauliche Entwicklung ihres Gebietes nach ihren Vorstellungen aktiv steuern, indem sie zum Beispiel einen Bebauungsplan (§ 1 Abs. 1, 3 BauGB) erlassen. Überplant eine Gemeinde Teile ihres Gebiets, um die städtebauliche Entwicklung in diesem (Teil-) Gebiet rechtlich verbindlich zu steuern, drängt es sich auf, dass sich gewisse Nutzungen des eigenen Gemeindegebiets, je nach der Art und dem Ausmaß der konkreten Nutzung, auf benachbarte Gemeinden auswirken können63. Wirkt sich die rechtliche Steuerung der städtebaulichen Entwicklung innerhalb des eigenen Gebiets auf Nachbargemeinden aus, kann es zu Konflikten zwischen den Gemeinden kommen. Das Bauplanungsrecht reagiert auf mögliche Interessengegensätze, die aus der rechtlichen Steuerung der städtebaulichen Entwicklung innerhalb des Gebiets von Gemeinden resultieren können, wenn sie sich auf andere Gemeinden auswirkt. Im Zentrum der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden steht das bauleitplanerische materielle Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung gem. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sowie seine verfahrensrechtliche Ergänzung in § 4 BauGB64. 62

Ausdrücklich VG Stuttgart, Urt. v. 15. 03. 2016 – 10 K 1251/13, juris Rn. 91. Plakativ von planungsrechtlicher „Gemeinheit“ spricht U. Kuschnerus, Das interkommunale Abstimmungsgebot in der Rechtsprechung, in: Jarass, Abstimmung (Fn. 2), S. 1 (2). 64 § 2 II BauGB wird in der Literatur und Rspr. nahezu durchweg als sog. Gebot interkommunaler Abstimmung oder als sog. interkommunales Abstimmungsgebot bezeichnet. Sprachlich ist diese Bezeichnung allerdings insoweit missverständlich, weil der Begriff der Kommune auch die Kreise umfasst. § 2 II 1 BauGB bezieht sich nicht auf Kommunen, sondern auf Bau 63

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Das bauplanungsrechtliche zwischengemeindliche Abstimmungsgebot steht nicht ohne Grund an erster Stelle dieser Untersuchung, wenn es um Instrumente im Gesetzesrecht zur Lösung und Bewältigung von Streitigkeiten zwischen Gemeinden geht. Für diese Entscheidung lassen sich mehrere Gründe anführen: Erstens sind bei der Beschäftigung mit dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot im Bauplanungsrecht die gegenläufigen Interessen zweier oder mehrerer Gemeinden besonders handgreiflich. Die Sorge einer Nachbargemeinde vor (gewichtigen) nachteiligen Auswirkungen auf das eigene Gebiet durch die rechtliche Steuerung einer bestimmten Bodennutzung durch eine andere Gemeinde treibt die Nachbargemeinde dazu, gerichtlichen Rechtsschutz zu ersuchen. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Handeln von Gemeinden in der Bauleitplanung Konflikte auslösen kann. Der Gesetzgeber ging mit der Normierung des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung anscheinend davon aus, dass die Bauleitplanung ohne die Abstimmung mit der Bauleitplanung der Nachbargemeinde zu erheblichen, städtebaulich bedeutsamen Konflikten führen kann. Davon gehen freilich auch die anderen Referenzgebiete aus, wenn sie Instrumente bereithalten, um dortige Konflikte zwischen Gemeinden zu vermeiden. Zweitens ist eine Übertragung der Struktur und der Maßstäbe des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung auf andere Referenzgebiete besonders aussichtsreich. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung hat womöglich maßstabs- und modellbildende Funktion für die anderen Formen der Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten65. Es mag zudem Modellcharakter für ein einheitliches Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung im Gesetzesrecht insgesamt haben und dem Gesetzgeber einen gangbaren Weg weisen, wie er die zwischengemeindliche Konfliktbewältigung organisieren kann. Für die maßstabs- und modellbildende Funktion des Abstimmungsgebots für andere zwischengemeindliche Konfliktlösungsinstrumente sowie ein einheitliches Konfliktbewältigungsinstrument lassen sich vorrangig zwei Gründe anführen. Erstens weist das Abstimmungsgebot eine vergleichsweise klare und etablierte Struktur auf. Zweitens ist es offen für die Verarbeitung unterschiedlicher materieller Maßstäbe. Diese Gründe sprechen dafür, die Übertragbarkeit auf andere Bereiche als das Bauplanungsrecht näher zu untersuchen. Das Gebot intergemeindlicher Abstimmung ist allerdings nur ein (wichtiges) Instrument für die zwischengemeindliche Konfliktvermeidung und Konfliktlösung leitpläne benachbarter Gemeinden. Passender ist daher der Begriff des inter- bzw. zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots. W. Söfker, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg (Begr.), Kommentar zum Baugesetzbuch, Bd. I, § 2 (August 2018), Rn. 96, verwendet den gleichfalls passenden Begriff des gemeindenachbarlichen Abstimmungsgebots. 65 So schlägt C.  Bickenbach, Gebietsfremde wirtschaftliche Tätigkeiten: interkommunale Abstimmung und Unterlassungsanspruch, in: LKRZ 2007, S. 335 (338 f.), eine (vorsichtige) Übertragung des bauleitplanerischen Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung etwa auf das Gemeindewirtschaftsrecht vor und postuliert in unverkennbarer Anlehnung an das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung im Bauplanungsrecht ein „Gebot interkommunaler wirtschaftlicher Abstimmung“.

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im Bauplanungsrecht. Es hält weitere Instrumente bereit, um widerstreitende gemeindliche Interessen zu koordinieren und zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen66. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung bildet die schwächste Form des zwischengemeindlichen Nachbarschaftsverhältnisses67. Das scheint vernachlässigt zu werden, wenn bei gegensätzlichen gemeindlichen Interessen ausschließlich das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung bemüht wird68. Dem Baugesetzbuch liegt ein Gesamtkonzept zwischengemeindlicher Konfliktschlichtung und Interessenkoordination zugrunde. Das gesamte Bauplanungsrecht enthält mehr oder weniger gut sichtbar Regelungen, die auf bauplanungsrechtliche Konflikte zwischen zwei oder mehr Gemeinden reagieren69. Die Untersuchung beschränkt sich dennoch auf das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sowie seine verfahrensrechtliche Absicherung in § 4 BauGB. Sie blendet mögliche andere Konfliktlösungsmechanismen aus. Auf die regelungssystematisch naheliegende Möglichkeit der benachbarten Gemeinden, sich auf die ihnen durch die Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie die Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche nach § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB berufen zu können, geht die Untersuchung nicht ein. Trotz seiner fast fünfzigjährigen Geschichte – die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stammt aus dem Jahr 1972 – ist das Abstimmungsgebot heute von ungebrochener, wenn nicht gar überragender Aktualität für bau 66

R. Hendler, Modelle interkommunaler Zusammenarbeit im Raumplanungsrecht, in: UPR 2006, S. 325 (325 ff.). 67 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (216) – Schlachthof. 68 Interessant sind die Regionalplanungen (vgl. § 1 III LPlG NRW) durch die Regionalen Planungsträger nach §§ 4, 6 LPlG NRW. Durch die Errichtung von Regionalräten etwa für die Regierungsbezirke Detmold und Köln sieht das LPlG NRW einen besonderen Konfliktschlichtungsmechanismus zwischen Gemeinden vor, der auf einer anderen Ebene als der örtlichen Gesamtplanung in Form der Bauleitplanung erfolgt. Der gesetzliche Mechanismus zwingt z. B. nach § 7 II Nr. 1 LPlG NRW die kreisfreien Städte in den Regionalrat, der als Regionalplanungsträger Regionalpläne erlässt. Dadurch tragen die Mitglieder der Regionalräte – etwa die kreisfreien Gemeinden – bereits auf Raumordnungsebene bestimmte Konflikte aus. Bei der anschließenden Bauleitplanung muss die planende Gemeinde ihre Bauleitplanung an die Darstellungen des Regionalplans anpassen, vgl. § 1 IV BauGB. 69 Das BauGB habe mehrere Vorschriften für einen sachgerechten Ausgleich von divergierenden gemeindlichen (städtebaulichen) Interessen etabliert H. Kopf, Die interkommunale Abstimmung bei Großprojekten – am Beispiel des Einzelhandels, in: LKRZ 2010, S. 167 (168); es gebe ein „rechtliches System abgestufter Formen gemeindenachbarlicher Zusammenarbeit“ Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 96; so auch W.  Schrödter / J.  Wahlhäuser, in: W.  Schrödter (Hrsg.), Kommentar zum Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2019, § 2 Rn. 51; das betonte auch das BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (216) – Schlachthof, das meint, dass der Gesetzgeber das Anliegen einer zwischengemeindlichen Zusammenarbeit bekräftigt habe, die in unterschiedlicher Weise ausgeprägt sei und unterschiedlich starke rechtliche Bindungen aufweise; unlängst OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (196). Konkret enthält das BauGB Regelungen, die entweder eine freiwillige Zusammenarbeit der Gemeinden ermöglichen (z. B. § 204 I BauGB) oder die gemeinsame Planung durch zwangsweise gebildete besondere Planungsträger (s. etwa §§ 204 II, 205 II BauGB) erfordern, dazu s. erneut Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 96; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 51 f.

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planungsrechtliche Gemeindenachbarklagen. Viele Streitpunkte hinsichtlich des Norminhalts von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sind aber noch offen. Streitpunkte, die nach einer derart langen Zeitspanne, in der das Gebot Gegenstand einer höchstrichterlichen Beschäftigung sowie Bearbeitung durch das Schrifttum war, eigentlich ausgestanden sein sollten70. Alte Streitpunkte bestehen fort, neue Streitfragen stellen sich in anderen Zusammenhängen. 1. Konfliktpotentiale – Effekte von Bebauungsplänen auf andere Gemeinden Als eine Art von Bauleitplänen (s. § 1 Abs. 2 BauGB), auf die sich die Untersuchung im Weiteren beschränkt, kann sich der Bebauungsplan der einen Gemeinde erheblich auf Nachbargemeinden auswirken. Die Vielzahl und die Vielgestaltigkeit der gerichtlichen Entscheidungen lassen erahnen, dass sich der Bebauungsplan der einen Gemeinde auf recht unterschiedliche Art und Weise auf Nachbargemeinden (potentiell) auswirkt. In der täglichen Praxis sehen sich Nachbargemeinden aus verschiedenen Gründen dazu veranlasst, gerichtlichen Rechtsschutz gegen Bebauungspläne der anderen Gemeinde zu ersuchen. Nachfolgend sei versucht, die verschiedenen Formen von Auswirkungen, die von Bebauungsplänen der einen Gemeinde auf Nachbargemeinden ausgehen können, zu systematisieren. Erst im Anschluss daran steht die Frage im Raum, wie das Bauplanungsrecht rechtlich damit umgeht, dass Bebauungspläne auf andere (Nachbar-)Gemeinden Effekte haben können und Konflikte verursachen können. a) Rechtliche Betroffenheiten und (nur) faktische Auswirkungen Wirft man einen Blick in das bauplanungsrechtliche Schrifttum, insbesondere zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung, wird man schnell fündig, dass und wie sich der Bebauungsplan der einen Gemeinde auf Nachbargemeinden auswirken soll. Dort heißt es, dass sich die Wirkung des Bebauungsplans auf das eigene Gebiet der planenden Gemeinde rechtlich beschränke, die ihn erlassen habe. Die Gemarkungsgrenze markiere die räumliche Grenze der städtebaulichen Planung durch eine Gemeinde. Der Bebauungsplan und das durch ihn bauplanungsrechtlich zulässig gestellte Vorhaben wirken sich aber vielfach faktisch auf Nachbargemeinden aus71. Die faktischen Auswirkungen zeitigen wiederum faktische 70 Die Unsicherheiten verwundern, weil es sich beim Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung um eine judikativ recht stark durchdrungene Rechtsmaterie handelt. Die Suche nach dem „Gebot interkommunaler Abstimmung“ ergab bei juris-online am 10. 11. 2020 558 Treffer, die nach dem „interkommunalen Abstimmungsgebot“ 369 Treffer, bei der Suche nach „§ 2 Abs. 2 S. 1 BauGB“ rund 115 Treffer. 71 Diese Feststellung ist in Rspr. und Literatur wohl unbestritten s. dazu nur H. Brosche, Voraussetzungen und Umfang der Anpassungspflicht der Bauleitplanung an die Ziele der

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oder rechtliche Folgewirkungen72. Auch von der bloßen Ausstrahlungswirkung des Bebauungsplans auf andere (Nachbar-)Gemeinden ist teilweise die Rede73. Bemerkenswert ist, dass sich faktische (Erst-)Auswirkungen von Bebauungsplänen selbst wieder faktisch oder rechtlich auswirken können sollen, es also faktische oder rechtliche Folgewirkungen geben soll. Wie kann es sein, dass eine faktische Auswirkung ihrerseits rechtliche Folgen auslöst? Die Gegenüberstellung rechtlicher und (nur) faktischer Auswirkungsformen von Bebauungsplänen auf eine andere Gemeinde insinuiert eine Sicherheit bei der Abgrenzung dieser Auswirkungsformen, die es bei näherem Hinsehen nicht gibt. Die Gegenüberstellung rechtlicher und faktischer Effekte, an die mitunter unausgesprochen rechtliche Folgerungen geknüpft werden, setzt voraus, dass man weiß, was sich hinter den reichlich diffusen Charakterisierungen „rechtlicher“ und „(nur) faktischer“ Effekte verbirgt74. Eine trennscharfe Abgrenzung von rechtlichen und faktischen Effekten findet sich – zumal in der bauplanungsrechtlichen Literatur, die sich mit dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung beschäftigt und beide theoretisch denkbaren Formen von Effekten von Bebauungsplänen betont voneinander abgrenzt – nicht. Bestenfalls finden sich mehr oder weniger präzise (kasuistische) Auflistungen von Beispielen eines sich nur faktisch auf eine andere Gemeinde auswirkenden Bebauungsplans75. Zu der Differenzierung kommt verunklarend eine weitere Kategorie hinzu: Der Bebauungsplan wirke zwar nicht „unmittelbar“ rechtlich auf Nachbargemeinden, sondern zeitige nur „mittelbar“ rechtliche Wirkungen76. Eine (Erst-)Auswirkung sei zwar nicht rechtlich, dafür aber faktisch mit „mittelbar“ rechtlichen Folgewirkungen verbunden. Oft kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Einordnung einer bestimmten Auswirkung als rechtlich oder faktisch, unmittelbar oder mittelbar, mehr intuitiv als intersubjektiv nachvollziehbar erfolgt. Die Kategorien faktisch, rechtlich, mittelbar und unmittelbar gehören zum gängigen Repertoire der Jurisprudenz und sind gebräuchliche Rechtswissenschaftsbegriffe, zum Teil auch Rechtsbegriffe (vgl. § 271 StGB). Instruktiv dafür ist die Unterscheidung lediglich faktischer Beeinträchtigungen von Grundrechten in der Raumordnung und Landesplanung sowie die Abstimmung der Bauleitpläne benachbarter Gemeinden, in: DVBl. 1980, S. 213 (216); W. Brohm, Öffentliches Baurecht, 3. Aufl. 2002, § 12 Rn. 19; Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 168; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 96; M. Uechtritz, in: W. Spannowsky / ders. (Hrsg.), Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 19. 72 Brohm, Baurecht (Fn. 71), § 12 Rn. 19. 73 Brosche, Voraussetzungen (Fn. 71), S. 216; G. Kriener, Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage, in: BayVBl. 1984, S. 97 (98); M. Oldiges, Baurecht, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 381 Rn. 37. 74 Gemeinden fehlt es von vornherein an der Zuständigkeit und Kompetenz, nachbar­ gemeindliche Gebietsteile zu überplanen Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 6. 75 Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 113 ff.; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 111 ff. 76 In anderen Zusammenhängen von „mittelbare[r] rechtliche[r] Wirkung“ sprechen etwa C. Thies, Kulturelle Vielfalt als Legitimationselement der internationalen Gemeinschaft, 2013, S. 109; H. Lindemann, Kommunale Governance, 2014, S. 178.

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Grundrechtsdogmatik und der dort gängigen Unterscheidung des sog. klassischen und des sog. modernen Eingriffsbegriffs77. Letzterer firmiert oft unter dem Terminus der bloß faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen78. Ihre verbreitete Verwendung macht es aber nicht weniger sinnvoll, den Inhalt beider Kategorien zu vergegenwärtigen. Das gilt besonders mit Blick auf die Konfliktpotentiale der anderen Referenzgebiete sowie den Einfluss der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung, der möglicherweise von der Art des Effekts abhängt. aa) Rechtliche Betroffenheiten Der Bebauungsplan betrifft die Nachbargemeinde rechtlich, wenn eine in Geltung stehende Rechtsnorm die (Nachbar-)Gemeinde berechtigt oder verpflichtet. Rechtlich meint (spezifische)  Normunterworfenheit der Gemeinde. Richtungsweisend für die Einordnung eines Effekts des Bebauungsplans als „rechtlich“ oder „faktisch“ ist die Trennung von Sein und Sollen79. Rechtlich ist damit nichts

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Zur Dogmatik des Grundrechtseingriffs F.-J. Peine, Der Grundrechtseingriff, in: D. Merten / H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 57 Rn. 19 ff. – Es lassen sich für die Unterscheidung rechtlicher und faktischer Eingriffe unzählige Deutungsangebote finden pars pro toto H.-U.  Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 11 f.; aufgenommen und weiterentwickelt von W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, S. 226. Einem Deutungsangebot nach sollen sich die faktischen, nicht-rechtlichen Grundrechtseingriffe von den sich durch Finalität und Imperativität auszeichnenden sog. klassischen Eingriffen dadurch unterscheiden, dass nur im letzten Fall die Rechtsordnung durch einen Befehl oder eine Regelung ein bestimmtes Rechtssubjekt zu einem spezifischen Tun, Dulden oder Unterlassen bestimme. Kennzeichen einer rechtlichen Auswirkung sei die besondere Form oder Modalität ihrer Wirkung. Rechtlich sei eine Auswirkung dann, wenn sich der Befehl oder die Regelung in der Weise widerspiegelt, dass es konkret zu einer Rechts- oder Pflichtbegründung, -änderung, -aufhebung oder -feststellung komme. Ausschlaggebend für eine rechtliche Auswirkung sei also, ob zwischen einer bestimmten Regelung im Sinne der Festlegung eines bestimmten Soll-Zustands und der Auswirkung eine „Regelungsidentität“ bestehe. Es müsse demnach für eine rechtliche Auswirkung zwischen dem Hoheitsakt und der Auswirkung eine besondere Beziehung bestehen, die sich durch die Identität der hoheitlichen Anordnung und der Auswirkung auszeichne. Eine solche Identität bestehe dann, wenn die Regelung ein bestimmtes Verhalten im Sinne eines Ge- oder Verbots auferlege. Neben der rechtlichen Qualität der die Auswirkung auslösenden Maßnahme müsse die Auswirkung in dieser Maßnahme gewissermaßen angelegt und angesprochen sein, dazu R. Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 183. Sprachlich präziser sollte daher nicht von „rechtlichen“, sondern von „imperativen“ Auswirkungen gesprochen werden. 78 BVerfG, Beschl. v. 26. 06. 2002 – 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 (303 ff.); aus der Lehrbuchliteratur etwa V. Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 393. 79 Der Ausdruck der „rechtlichen Auswirkung“ ist missverständlich: Die Untersuchung spricht deshalb von „rechtlicher Betroffenheit“. Er ruft zwei an sich unversöhnliche Vorstellungen hervor. Einerseits deutet der Ausdruck der Auswirkung – sei sie faktisch oder rechtlich – darauf hin, dass es zu einer Veränderung der Wirklichkeit, dem Erfahrbaren, also dem Sein kommt. In die gegensätzliche Richtung deutet andererseits das Attribut „rechtlich“. Rechtlich meint gerade nicht eine Veränderung der Wirklichkeit bzw. des Seins, sondern ist allein auf

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anderes als die Beschreibung einer in Geltung stehenden Rechtsnorm, die einen bestimmten Adressaten oder Normunterworfenen konkret (be-)trifft, also für ihn gilt und ihn bindet, gemeint. Man ist rechtlich betroffen, wenn eine Rechtsnorm gilt und der Bindungsadressat der Rechtsnorm etwas soll; der Adressat der Rechtsnorm also etwas muss, darf oder kann. Die Nachbargemeinde ist rechtlich durch den Bebauungsplan einer Gemeinde betroffen, wenn die Nachbargemeinde Rechtsunterworfene der von der handelnden Gemeinde gesetzten Rechtsnorm ist. Sie muss die (Bindungs-)Adressatin von Festsetzungen des Bebauungsplans und zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen durch den Bebauungsplan und seine Festsetzungen verpflichtet sein. bb) Faktische Auswirkungen Die faktischen (wohl gleichbedeutend: ausstrahlenden) Auswirkungen können (nur) in Abgrenzung zur rechtlichen Betroffenheit identifiziert werden. Eine Gemeinde ist faktisch betroffen, wenn sie nicht rechtlich betroffen ist. Die Abgrenzung der faktischen Auswirkung erfolgt somit anhand einer Negativabgrenzung zur rechtlichen Betroffenheit80. Faktisch ist eine Auswirkung dann, wenn das Handeln der einen Gemeinde die Nachbargemeinde nicht rechtlich bindet. Erzeugt das Handeln der einen Gemeinde keine (abstrakt-generelle oder individuelle) Rechtsnorm und bindet diese Rechtsnorm die Nachbargemeinde nicht, ist die Nachbargemeinde faktisch betroffen. Die faktischen Auswirkungen fungieren in dieser inhaltlichen Deutung als Auffangkategorie für alle nicht-rechtlichen Auswirkungen. In sie fallen alle (Aus-)Wirkungen, die beispielswiese zu einer außenweltlichen Veränderung von gegebenen Zuständen führen. cc) Unmittelbare oder mittelbare Betroffenheiten und Auswirkungen Zusätzlich zu der Unterscheidung von rechtlichen Betroffenheiten und faktischen Auswirkungen des Bebauungsplans auf eine Nachbargemeinde findet sich gelegentlich die Umschreibung, der Bebauungsplan wirke sich „mittelbar“ oder ein Sollen bezogen. Der Ausdruck der rechtlichen Betroffenheit bringt daher deutlicher zum Ausdruck, dass der rechtliche Effekt nicht das Sein, sondern das Sollen betrifft. Bei den faktischen Auswirkungen kommt es nicht zu diesem Fehlschluss. Hier deutet nichts auf das Sollen hin. Wirkt sich etwas rechtlich aus, ist man (nur) rechtlich betroffen. Die rechtliche Betroffenheit ist nicht etwas außenweltlich, seinsbezogen Fassbares. Sie ist kein tatsächlicher Akt, keine tatsächliche Veränderung von Zuständen. Die rechtliche Betroffenheit bezieht sich auf das Recht. Man ist rechtlich betroffen, wenn man durch das Recht betroffen ist. Unter Recht kann man ein System von Normen verstehen, vgl. Recht als Norm bzw. ein System von Normen H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 78. 80 Solche Negativabgrenzungen sind nicht unüblich, etwa zur Verwaltung im materiellen Sinne H.  Maurer / C . Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 1 Rn. 6.

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„unmittelbar“ aus81. Beide Zuschreibungen werden sodann beliebig mit den Begrif­ fen faktisch oder rechtlich kombiniert. Im Kontext höherstufiger Planungsentscheidungen etwa heißt es bei Steinberg, dass eine Planung eines staatlichen Planungsträgers unmittelbar rechtliche Auswirkungen für die Beplanung einer anderen Fläche haben könne. Denkbar seien in gleicher Weise faktische Auswirkungen einer Beplanung, die sich aber mittelbar rechtlich auswirken können82. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält in einer Entscheidung zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung fest, dass „die Beplanung einer außergemeindlichen Fläche durch einen fremden Planungsträger in der Regel nur faktische [Kursivierung nicht im Original, M. J.] Auswirkungen“ habe, aber auch „unmittelbar rechtliche Auswirkungen auf das Gemeindegebiet“ haben könne83. In der Grundrechtsdogmatik findet sich der Vorschlag, nach dem ein Eingriff mittelbar sei, wenn der Wirkmechanismus der staatlichen Maßnahme nicht unmittelbar den Schutzbereich eines Grundrechts beeinträchtige84. Die zirkuläre Definition erhellt den Inhalt beider Begriffe ersichtlich nicht. Sie bringt nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass eine nicht unmittelbare Auswirkung eben eine mittelbare Auswirkung sein müsse85. Was von den Kriterien der Mittelbarkeit und der Unmittelbarkeit in allen Rechtsgebieten bleibt, ist in den Worten Schwabes, dass sie höchst unsichere, mit Misstrauen zu begegnende Kantonisten seien86. Und in der Tat: Gerade der Gebrauch des Wortes der Unmittelbarkeit zeigt, 81

Für die Antragsbefugnis von Normenkontrollanträgen schlägt H. Dürr, Die Antrags­ befugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen, 1987, S. 120, erstaunlicherweise sogar vor, dass das Kriterium der Unmittelbarkeit die „Unklarheiten hinsichtlich des Kreises antragsbefugter Gemeinden […] vermeiden“ könne. 82 R. Steinberg, Verwaltungsgerichtlicher Schutz der kommunalen Planungshoheit gegenüber höherstufigen Planungsentscheidungen, in: DVBl. 1982, S. 13 (14). 83 BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (838). 84 So die Definition von mittelbaren Eingriffen bei J. Odewald, Faktische und mittelbare Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, 2008, S. 62; in vielen Fällen wird der Begriff der Unmittelbarkeit schlicht verwendet, ohne den Versuch der inhaltlichen Präzisierung zu unternehmen etwa Storr, Staat (Fn. 41), S. 171. 85 Es lassen sich weitere Deutungsangebote finden: Teilweise wird der angedeutete Begriff der Regelungsidentität in weitere Subkriterien aufgeschlüsselt, zu denen auch die Unmittelbarkeit gehören soll vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff (Fn. 77), S. 176; einige setzen den Begriff der Regelungsidentität mit dem der Unmittelbarkeit gleich so etwa G. Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 43 f. 86 J. Schwabe, Nochmals: „Der ‚mittelbare‘ Grundrechtseingriff“, in: DVBl. 1988, S. 1055 (1056); ganz ähnliche Umschreibungen des Unmittelbarkeitskriteriums finden sich bei H. C. Nipperdey, Tatbestandsaufbau und Systematik der deliktischen Grundtatbestände, in: NJW 1967, S. 1985 (1990), der den Begriff der Unmittelbarkeit als „kein[en] rechtlich technisierte[n] Begriff mit präzise angebbarem Inhalt“ einstuft; ähnlich kritisch mit humoristischem Unterton E. Schneider, Urteilsanmerkung, in: NJW 1967, S. 1754 (1755), der zum Unmittelbarkeitskriterium festhält: „Was darunter [scil. unter Unmittelbarkeit, M. J.] genau zu verstehen ist, wird nicht einmal ein Doktorand gegen Stipendium herausbekommen“; von einem inflationären Gebrauch der Unterscheidung von Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit spricht A. Ingold, Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts, 2007, S. 42; das Begriffspaar als

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dass weder die Rechtsprechung noch die Literatur die Ausdrücke der Unmittelbarkeit oder der Mittelbarkeit einheitlich verwenden. Nicht immer bedeutet Unmittelbarkeit das Gleiche: Was bedeutet inhaltlich die unmittelbare Betroffenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Individualverfassungsbeschwerde? Was meint Unmittelbarkeit, wenn sie Voraussetzung des Grundrechtseingriffs oder des enteignungsgleichen Eingriffs ist? Dem Kriterium der Unmittelbarkeit fehlt es an einem eindeutigen Inhalt87. Ähnlich wie die Zuschreibung eines Effekts als „faktisch“ oder „rechtlich“, wird „mittelbar“ oder „unmittelbar“ eher intuitiv verwendet. Dort, wo es gebraucht wird, soll es meistens deutlich machen, dass weitere Umstände oder Faktoren hinzutreten müssen, um den Effekt herbeizuführen. Die Untersuchung kann die Unklarheiten, die um den Begriff des Wortes Unmittelbar herrschen, nicht ausräumen. Und dennoch verwendet sie ihn teilweise, wenn es ihr darum geht, auszudrücken, dass ein Zustand oder ein Ereignis erst durch Hinzutreten weiterer Umstände eintritt. Einigkeit kann allenfalls darüber erzielt werden, dass solche Konstellationen als mittelbar bezeichnet werden, bei denen zwischen Ursache und Effekt (relevante)  zwischenvermittelnde Glieder treten. Wie viele zwischenvermittelnde Ursachen darf es geben, um noch als unmittelbar zu gelten? Illustriert seien die Schwierigkeiten an dem als faktische (Erst-)Auswirkung eingestuften Kaufkraftabfluss. Er beruht darauf, dass sich die Gemeindeeinwohner der Nachbargemeinde dazu entschließen, künftig im Gebiet der planenden Gemeinde einzukaufen. Zwischen Festsetzung des Vorhabens und seiner Verwirklichung, die wertungsmäßig als ein Akt zusammengefasst werden, und dem Kaufkraftabfluss aus der Nachbargemeinde liegt ein autonomer Entschluss der konsumierenden Haushalte in der Nachbargemeinde. Handelt es sich deshalb um eine mittelbar-faktische Auswirkung, weil den konkreten Kaufkraftabfluss der autonome Entschluss des Konsumenten verursacht? Die Unberechenbarkeit des Kriteriums lässt es im Ergebnis sachgerecht erscheinen, eine mittelbare Auswirkung oder Betroffenheit anzunehmen, wenn nur ein zwischenvermittelnder Umstand hinzutritt. Dieser zwischenvermittelnde Umstand muss allerdings relevant sein, was nur anhand einer Einzelfallwertung möglich ist. Löst die in Streit stehende hoheitliche Maßnahme den Effekt selbst aus, ohne dass weitere (selbstständige und relevante) Zwischenursachen zu dieser Maßnahme hinzutreten, etwa weitere selbstständige Hoheitsakte oder Handlungen Dritter, liegt ein unmittelbarer Effekt vor88. An eine hoheitliche Maßnahme können sich (Erst-)Auswirkungen oder (Erst-)Betroffenheiten anschließen, an die sich wiederum rechtliche oder faktische (Folge-)Auswirkungen oder (Folge-)Betroffenheiten reihen. Um die Unsicherhei„Verlegenheitslösung“ bezeichnet W. Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 197 Rn. 88. 87 So im Ergebnis auch Eckhoff, Grundrechtseingriff (Fn. 77), S. 205, der zuvor ausführlich die Rechtsprechung hinsichtlich der Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums für den Grundrechtseingriff analysiert, ebd., S. 197 ff. 88 In diesem Sinne knapp Odewald, Eingriffe (Fn. 84), S. 57.

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ten, die mit dem Gebrauch von „unmittelbar“ und „mittelbar“ einhergehen, zu vermeiden, gebraucht die Untersuchung die Ausdrücke der Folgeauswirkungen oder der Folgebetroffenheiten. Wirkt sich etwa eine Handlung faktisch aus, löst aber das Vorliegen eines bestimmten Umstandes eine gesetzliche Pflicht aus, so handelt es sich um eine rechtliche Folgebetroffenheit der faktischen (Erst-)Auswirkung. Die faktische Auswirkung ist die Ursache für eine bestimmte, sich erst daran anschließende Rechtspflicht. In der gängigen Nomenklatur: Eine faktische (Erst-)Auswirkung schafft einen Zustand, der die Tatbestandsvoraussetzung einer (anderen) Rechtsnorm ist und eine Rechtspflicht begründet. Bei den faktischen (Erst-)Auswirkungen, an die sich andere faktische Folgeauswirkungen anknüpfen, kann ganz auf eine weitere Differenzierung verzichtet werden. b) Rechtliche Betroffenheiten der Nachbargemeinde Die Unterscheidung von Effekten in rechtliche Betroffenheiten und faktische Auswirkungen mutet abstrakt an. Auf den Bebauungsplan angewendet, bedeutet die Differenzierung, dass der Bebauungsplan der planenden Gemeinde die Nachbargemeinde dann rechtlich betrifft, wenn die Rechtsnormen des Bebauungsplans die Nachbargemeinde binden. Es kommt darauf an, ob eine bestimmte Festsetzung im Bebauungsplan (Norm) einer Nachbargemeinde eine bestimmte bauliche Nutzung verbindlich vorgibt (Gebot) oder sie an einer bestimmten Form der Bodennutzung hindert (Verbot), vgl. § 30 BauGB. Ausschlaggebend dafür ist, ob die Nachbargemeinde (Bindungs-)Adressatin der Festsetzungen im Bebauungsplan ist. Nur wenn die Festsetzungen die Nachbargemeinde binden, wäre sie rechtlich daran gehindert, die Bodennutzung ihres Gebiets nach ihren eigenen Vorstellungen zu steuern und zu leiten. Wer (Bindungs-)Adressat einer Rechtsnorm ist, ist nur anhand der Norm selbst zu beantworten. Der Bebauungsplan wirkt allgemein. Er bindet neben den Eigentümern der im Plangebiet liegenden Grundstücke und den sonstigen planbetroffenen Nutzungsberechtigten grundsätzlich auch Behörden89. 89

W.  Söfker / P.  Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB  I (Fn.  64), § 1 (Februar 2015), Rn. 27; J. Stock, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 10 (August 2017), Rn. 28. – Für den aus der Untersuchung ausgenommen Flächennutzungsplan hält das Gesetz eine ausdrückliche Regelung zum Bindungsadressaten der Darstellungen des Flächennutzungsplans bereit. Nach § 8 II 1 BauGB sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Primäre Bindungsadressatin ist damit die planende Gemeinde selbst C. Bönker, Gemeind­liche Bauleitplanung, in: W. Hoppe / ders. / S. Grotefels (Hrsg.), Öffentliches Baurecht, 4. Aufl. 2010, § 5 Rn. 83. Nach § 7 BauGB sind unter bestimmten Voraussetzungen auch öffentliche Planungsträger an die Darstellungen des Flächennutzungsplans gebunden. Als öffentliche Planungsträger sind etwa Planfeststellungs- oder Naturschutzbehörden einzustufen Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 83 f. Weil der Begriff des öffentlichen Planungsträgers nur solche Behörden und Träger öffentlicher Belange i. S. d. § 4 BauGB umfasst, denen raumbeanspruchende oder raumbeeinflussende öffentliche Fachplanungen obliegen oder die sonst verbindliche Bodennutzungsregelungen vornehmen, sind die Nachbargemeinden nicht als öffentlicher Planungsträger einzustufen; zum Begriff des öffentlichen Planungsträgers i. S. d.

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Etwas anderes gilt dann, wenn die §§ 38 und 37 BauGB die Behörden ausdrücklich von der Bindungswirkung befreien. Die Nachbargemeinde ist nicht von vornherein von der Bindungswirkung des Bebauungsplans einer anderen Gemeinde ausgenommen. Nachbargemeinden sind jedoch nicht als Behörde gebunden. Vielmehr ist die Nachbargemeinde (nur) wie jeder Private auch an die Festsetzungen des Bebauungsplans gebunden, wenn sie als Bauherrin und Trägerin eines Vorhabens ein bestimmtes Bauvorhaben auf dem Gebiet der planenden Gemeinde zu verwirklichen gedenkt90. Diese Art der rechtlichen Betroffenheit durch den Bebauungsplan löst keine Konflikte aus, welche die Untersuchung im Blick hat. Gemeinden begegnen sich nicht auf Ebene der Gleichordnung, wenn die Nachbargemeinde als Vorhabenträgerin auf dem Gebiet der planenden Gemeinde ein Vorhaben verwirklichen möchte und dabei an die bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Bebauungsplans gebunden ist. Anders wäre es nur, wenn entweder eine Behörde der Nachbargemeinde direkte Bindungsadressatin von Festsetzungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde wäre oder die Nachbargemeinde bei der Überplanung ihres eigenen Gemeindegebiets als Trägerin der Bebauungsplanung an die Festsetzungen des gemeindlichen Bebauungsplans gebunden wäre; daran fehlt es91. Das Gebiet der Nachbargemeinde ist nicht Regelungsgegenstand des § 7 BauGB P. Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 7 (April 2013), Rn. 4. Hintergrund dieser Begriffsbestimmung ist, dass nur solche Planungsträger das Gebiet der Gemeinde beanspruchen können. Der Nachbargemeinde als Planungsträger ist es verwehrt, das fremde Gemeindegebiet zu überplanen. Aus diesem Grund wäre eine Bindung an die Darstellungen des Flächennutzungsplans einer anderen Gemeinde funktionslos. 90 Ein Argument dafür sind die Regelungen der §§ 37, 38 BauGB: § 37 BauGB z. B. schafft für Vorhaben des Bundes oder eines Landes, für die grds. ebenfalls die städtebaulichen Vorschriften der §§ 30 ff. BauGB gelten, einen zusätzlichen Befreiungstatbestand R. Blechschmidt, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 37 (November 2015), Rn. 1. Ein solcher wäre nicht erforderlich, wenn der Bund oder ein Land nicht an die Festsetzungen des Bebauungsplans gebunden wären. Gleichermaßen selbstverständlich ist, dass die genehmigende Behörde, die für das Gebiet der planenden Gemeinde für das Erteilen z. B. von Baugenehmigungen zuständig ist, an die Festsetzungen des Bebauungsplans als Behörde gebunden ist. Zum Begriff des Vorhabenträgers etwa im Planfeststellungsrecht, der hier gleichermaßen gilt W.  Neumann / C .  Külpmann, in: P.  Stelkens / H. J.  Bonk / M.  Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 73 Rn. 16; gleichsinnig S. Mitschang, in: Battis / K rautzberger / Löhr, BauGB (Fn.  49), § 12 Rn.  26 ff. 91 Nachbargemeinden sind keine antragsbefugten „Behörden“ im Sinne des § 47 II 1 VwGO, weil die Nachbargemeinden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht die Festsetzung des Bebauungsplans einer anderen Gemeinde beachten müssen BVerwG, Beschl. v. 15. 03. 1989 – 4  NB  10/88, BVerwGE 81, 307 (310); ausdrücklich offenlassend VGH BW, Beschl. v. 21. 12. 1976 – III 415/76, NJW 1977, 1465 (1465); dagegen Nds. OVG, Urt. v. 23. 11. 1982 – 6 OVG C 7/79, BauR 1983, 220 (220); VGH BW, Urt. v. 27. 02. 1987 – 5 S 2472/86, NVwZ 1987, 1088 (1088); OVG Rh.-Pf., Urt. v.  06. 03. 2002  – 8  C  11131/01.OVG, juris Rn. 21; im Zusammenhang einer bauleitplanerischen Schicksalsgemeinschaft der Planunterworfen lehnt die Planunterworfenheit der Nachbargemeinde ab Nds. OVG, Beschl. v. 30. 11. 2005 – 1 ME 172/05, ZfBR 2006, 168 (169); Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 114 ff., 120 ff.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 183 Fn. 2; D.  Ehlers, Verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle, in: ders. / F. Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 27 Rn. 44; Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 140; N. Panzer, in: F. Schoch. / J.-P. Schneider / W. Bier (Hrsg.),

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Bebauungsplans der planenden Gemeinde. Mit dem Bebauungsplan steuert und leitet die planende Gemeinde die Nutzung der Grundstücke „in der Gemeinde“ planerisch, vgl. § 1 Abs. 1 BauGB. (Regelungs-)Gegenstände des Bebauungsplans sind ausschließlich die im Gebiet der planenden Gemeinde liegenden Grundstücke. Der Plan beschränkt sich als Instrument der örtlichen Gesamtplanung räumlich auf das jeweilige Gemeindegebiet der planenden Gemeinde. Eine Gemeinde kann nicht die Grundstücke anderer Gemeinden in ihre Planung einbeziehen92. Da die planende Gemeinde den Bebauungsplan als Satzung beschließt, vgl. § 10 Abs. 1 BauGB, ist die Satzung sachlich auf das Gebiet der sie erlassenden Gemeinde zu beschränken93. Der Bebauungsplan der planenden Gemeinde betrifft die Nachbargemeinde also nicht rechtlich94. Die Gemeindegebietsgrenze kennzeichnet grundsätzlich die Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Bd. I, § 47 (Februar 2016), Rn. 78; J. Ziekow, in: H. Sodan / ders. (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 266; U.  Battis, in: ders. / K rautzberger / Löhr, BauGB (Fn. 49), § 2 Rn. 24 f. Mit anderen Worten: Die Nachbargemeinden sind nicht Bindungsadressatinnen der Bebauungsplan­ festsetzungen, denn der Bebauungsplan der planenden Gemeinde beansprucht keine Geltung für die Nachbargemeinde.  – Allgemein zu der Antragsbefugnis von Behörden statt Vieler Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 78. 92 Der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans muss nach § 9 VII BauGB im Bebauungsplan selbst festgesetzt werden, er beschränkt sich auf das Gebiet der planenden Gemeinde, stellvertretend dazu Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 78 f.; P. Runkel, in: Ernst / Zin­ kahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 8 (April 2014), Rn. 8; W. Söfker, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 9 (Mai 2016), Rn. 283; W. Spannowsky, in: ders. / Uechtritz, BauGB (Fn. 71), § 9 Rn. 171. 93 Zur sachlichen sowie örtlichen Beschränkung der Satzungsgebung H. Maurer, Rechtsfragen kommunaler Satzungsgebung, in: DÖV 1993, S. 184 (188); Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 4 Rn. 27. – Zum Begriff der Satzung exemplarisch G. Robbers, s. v. Satzung, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. IV, 7. Aufl. 1988, Sp. 1001 (1001 f.). Allgemein zur kommunalen Rechtssetzung durch Satzung K.-U. Meyn, Gesetzesvorbehalt und Rechtssetzungsbefugnis der Gemeinden, 1977; E. Schmidt-Aßmann, Die kommunale Rechtssetzungsbefugnis, in: Püttner, HdKWP V2 (Fn. 26), § 53 B.; H. Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, Gutachten D für den 58. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des achtundfünfzigsten Deutschen Juristentages, Bd. I, 1990; J.  Oebbecke, Kommunale Satzungsgebung und verwaltungsgerichtliche Kontrolle, in: NVwZ 2003, S. 1313 (1313 ff.); J. Ipsen, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, in: JZ 2006, S. 789 (789 ff.); H.  Scholler / J. Scholler, Kommunale Rechtssetzung, in: T. Mann / G. Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 23; jüngst monographisch T. Ellerbrok, Die öffentlich-rechtliche Satzung, 2020. 94 Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass der Bebauungsplan – auch wenn er als Satzung und damit als materielles Gesetz beschlossen wird – gewisse Besonderheiten aufweist. Fraglich ist insbesondere, ob der Bebauungsplan derart allgemeinverbindlich ist, wie es für Satzungen und Rechtsnormen typischerweise der Fall ist. Die Rechtsfolgen des Bebauungsplans changieren zwischen Vorgaben für die bodenrechtliche Nutzung konkreter Grundstücke im Plangebiet und einer unbestimmten Zahl von Anwendungsfällen. Das BVerwG geht davon aus, dass ein „fließender Übergang“ zwischen abstrakt-generellen und konkret-individuellen Fest-

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räumliche Grenze für die rechtliche Betroffenheit der Nachbargemeinde durch den Bebauungsplan95. Etwas anderes soll allenfalls dann gelten, wenn sich die planende Gemeinde mit dem Bebauungsplan zwar ausschließlich auf die Überplanung ihres Gemeindegebiets beschränke, ihre Planung aber so ausgestaltet sei, dass eine bestimmte Festsetzung nur unter der Inanspruchnahme fremder Gemeindefläche verwirklicht werden könne. Plane beispielsweise eine Gemeinde die Errichtung einer Tankstelle und bedürfe die Tankstelle zur verkehrlichen Anbindung einer Einfädelspur, die fachplanerisch zwangsläufig auf dem Gebiet der Nachbargemeinde verwirklicht werden müsse, so soll der Bebauungsplan die Nachbargemeinde rechtlich betreffen. Der Nachbargemeinde werde eine Fachplanungsentscheidung gewissermaßen aufgedrängt96. Zweifel an einer rechtlichen Betroffenheit der Nachbargemeinde rühren aber daher, dass die Nachbargemeinde nicht durch die Festsetzungen des Bebauungsplans als Rechtsnorm gebunden ist, sondern durch fachplanungsrechtliche Normen. Ist nicht die Existenz einer bestimmten Festsetzung vielmehr Voraussetzung für eine rechtliche Betroffenheit durch andere Normen und damit eine rechtliche Folgebetroffenheit? c) Faktische Auswirkungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde Bebauungspläne können sich, wenn sie Nachbargemeinden nicht rechtlich binden, faktisch auf Nachbargemeinden auswirken97. Problematisch ist, dass die möglichen faktischen Auswirkungen nicht vom Plan selbst oder den konkreten Planfestsetzungen ausgehen98. Erst die tatsächliche Verwirklichung der vom Bebauungsplan als bauplanerisch für zulässig erachteten Vorhaben wirkt sich (potensetzungen des Bebauungsplans bestehe BVerwG, Urt. v. 30. 01. 1976 – IV C 26/74, BVerwGE 50, 114 (119 f.); zu den Besonderheiten der Wirkweise des Bebauungsplans s. auch BVerwG, Urt. v.  10. 03. 1967  – IV  C 87/65, BVerwGE 26, 282 (284); BVerwG, Urt. v.  29. 04. 1977  – IV C 39/75, BVerwGE 54, 5 (8); BVerwG, Urt. v. 05. 08. 1983 – 4 C 96/79, NJW 1984, 138 (139). Allgemein zu der Rechtsnatur des Bebauungsplans Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 87; I.  Appel, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten der Planung, in: H.-J.  Koch / ​ R. Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 14 Rn. 19 ff. 95 Mit diesem Ergebnis auch Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 19. 96 Zur Aufdrängung einer staatlichen Fachplanungsentscheidung BayVGH, Urt. v. 28. 06. 2011 – 15 N 08.3388, BayVBl. 2011, 696 (696 f.). 97 Ein solches Begriffsverständnis liegt wohl auch der Aussage von Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 559, zugrunde, der wegen der fehlenden Planunterworfenheit der Nachbargemeinde davon ausgeht, dass die Nachbargemeinde „‚nur‘ mittelbar (faktisch)“ betroffen sein könne. 98 Konzis der BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (837): „Die Gefahr der Rechtsverletzung liegt nicht im Bebauungsplan als solchem, sondern in dessen faktischen Vollzug“; etwas zurückhaltender das OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13. OVG, LKRZ 2014, 366 (368), wonach die Nachbargemeinde „durch den angefochtenen Bebauungsplan oder [Kursivierung nicht im Original, M. J.] durch Auswirkungen des dadurch ermöglichten Vorhabens beeinträchtigt“ sein könnte.

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tiell) auf die Nachbargemeinde aus99. Der Bebauungsplan wird nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen. Er ist am Ende seines Aufstellungsprozesses eine Rechtsnorm, dessen Indikator das „Stück Papier“ bildet100. Er bietet nur den rechtlichen Rahmen für die Bodennutzung im Plangebiet, denn er bildet gem. § 30 BauGB, soweit er dazu Aussagen trifft, den Zentralmaßstab für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben im Sinne des § 29 BauGB101. Als Norm verändert der Bebauungsplan nicht die Wirklichkeit, sondern legt die Verwirklichung zulässiger Vorhaben in die Hände der Eigentümer und Nutzungsberechtigten, deren Grundstücke sich im Plangebiet befinden102. Der Bebauungsplan ist 99 Der Bebauungsplan als Rechtsnorm betrifft nur ein Sollen. Allerdings ist auch das Sollen gewissermaßen auf das Sein bezogen, zur Wirksamkeit einer Norm Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 10 ff., 48. 100 Als Satzung enthält der Bebauungsplan Festsetzungen aus Zeichnung, Farbe, Schrift und Text Appel, Formen (Fn. 94), § 14 Rn. 16, s. dazu das Beispiel eines Bebauungsplans im Anhang des Buchs ab S. 709 ff.; Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 438. – Zum Begriff des Statusindikators einer Norm F. Michl, Unionsgrundrechte aus der Hand des Gesetzgebers, 2018, S. 29 f. 101 Aus der Lehrbuchliteratur zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Einzelvorhaben W.  Erbguth / M.  Schubert, Öffentliches Baurecht mit Bezügen zum Umwelt- und Raumplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 8 Rn. 1 ff.; J. Hellermann, in: J. Dietlein / ders. (Hrsg.), Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl. 2016, § 4 Rn. 120 ff. 102 Der Bebauungsplan sei ein „auf weitere Entfaltung angelegtes Programm“ Schmidt-Aßmann, Rechtssetzungsbefugnis (Fn. 93), S. 6; er sei auf konkrete Erfüllung ausgelegt Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 89. – Weil der Bebauungsplan grds. auf Verwirklichung drängt, ist ein Bebauungsplan, der sich von vornherein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit nicht vollziehen lässt, städtebaulich nicht i. S. d. § 1 III BauGB erforderlich BVerwG, Urt. v. 21. 03. 2002 – 4 CN 14/00, BVerwGE 116, 145 (147); I. Appel, Planungspflichten, in: Koch / Hendler, Baurecht (Fn. 94), § 13 Rn. 12; F. Dirnberger, in: Spannowsky / Uechtritz, BauGB (Fn. 71), § 1 Rn. 40 ff. War der Bebauungsplan zum Zeitpunkt der Aufstellung erforderlich, ist dessen Verwirklichung auf unabsehbare Zeit auf Grund tatsächlicher Entwicklungen nachträglich nicht mehr möglich, tritt dieser entweder kraft gewohnheitsrechtlicher Derogation oder auf Grund von Funktionslosigkeit außer Kraft, zur gewohnheitsrechtlichen Derogation erstmals BVerwG, Urt. v. 10. 03. 1967 – IV C 87/65, BVerwGE 26, 282 (284 ff.); in Erweiterung dieser Ansicht und ausdrücklicher Aufgabe eines Außer-Kraft-Tretens nur durch gewohnheitsrechtliche Derogation anerkennt das BVerwG auch die Möglichkeit des Außer-Kraft-Tretens durch Funktionslosigkeit stRspr. seit BVerwG, Urt. v. 29. 04. 1977 – IV C 39/75, BVerwGE 54, 5 (8 f.); auch BayVGH, Beschl. v. 17. 07. 2013 – 14 ZB 12.1153, BauR 2014, 810 (810 f.). Danach gilt, dass ein Bebauungsplan wegen Funktionslosigkeit außer Kraft tritt, „wenn und soweit die Verhältnisse, auf die [er, M. J.] sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt“ BVerwG, Beschl. v. 29. 05. 2001 – 4 B 33/01, NVwZ 2001, 1055 (1056); aus dem Schrifttum Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 278 ff.; S. Erhard, Außer-Kraft-Treten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit nur bei „lega­ ler“ oder behördlich geduldeter planabweichender Entwicklung?, in: NVwZ 2006, S. 1362 (1362 ff.); C. Külpmann, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 10 (Februar 2018), Rn. 402 f.; H.-J. Koch, Die Rechtswirksamkeit von Bauleitplänen, in: Koch / Hendler, Baurecht (Fn. 94), § 18 Rn. 41 ff., ausdrücklich die Parallele zu § 1 III BauGB hervorhebend Rn. 43, § 1 III BauGB umfasse die anfänglichen Vollzugshindernisse, spätere Vollzugshindernisse führten zur Funktionslosigkeit, ebd., Rn. 43.

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in diesem Sinn sog. Angebotsplanung103. Er ist weiterer Vollzugsakte durch Bauwillige bedürftig104. Häufig bietet der Bebauungsplan sogar nur das bauplanungsrechtliche Vehikel, um vorfindliche Bodennutzungsinteressen zur bauplanungsrechtlichen Legalität zu verhelfen105. Ist von einer Auswirkung des Bebauungsplans auf die Nachbargemeinde die Rede, kann man darunter verständigerweise nur verstehen, ob sich der vom Bebauungsplan angestrebte Zustand, d. h. die geplante Bodennutzung, auf die Nachbargemeinde auswirkt. Eine bestimmte Planung wirkt sich auf die Nachbargemeinde faktisch aus, wenn der prognostizierte Zustand nach verwirklichter Planung nachbargemeindliche Interessen tangieren kann106. Für die Beurteilung, ob sich der Bebauungsplan auf eine Nachbargemeinde auswirkt, ist die tatsächliche Verwirklichung des Bebauungsplans wertungsmäßig ein nur unwesentlicher weiterer Akt ohne rechtliche Relevanz. Es wirkt sich wertungsmäßig der Bebauungsplan selbst auf die Nachbargemeinde aus107.

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Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 11. Stellvertretend Runkel (Fn. 92), § 8 Rn. 16 105 Dass ein Bebauungsplan häufig der Verwirklichung bereits konkreter Vorstellungen über eine bestimmte Bodennutzung dient, belegt eindrücklich die Grundsatzentscheidung des BVerwG zur Vorabbindung von Gemeinden bei der Planaufstellung BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (316 f.) – Flachglas: „Schon die (auf ein bestimmtes Ziel gerichtete)  Einleitung des Planverfahrens und sein Ablauf führen durchweg zu einer mehr oder weniger starken Präjudizierung des Verfahrensergebnisses.“ Und „[e]iner realistischen Einschätzung der Gegebenheiten drängt sich […] die Erkenntnis auf, daß der für den Abwägungsvorgang entscheidende Zeitpunkt sehr häufig mehr von Bindungen als von Freiheit beherrscht wird.“, ebd., S. 316; sogar die Übernahme eines vom künftigen Bauherrn vorlegelegten Projektentwurfs für ein Großvorhaben muss nicht schon wegen der Übernahme abwägungsfehlerhaft sein BVerwG, Beschl. v. 28. 08. 1987 – 4 N 1/86, NVwZ 1988, 351 (351 Ls.  1, 352); eine allein deswegen nicht beanstandete Angebotsbebauungsplanung zur Verwirklichung eines konkreten Vorhabens mit den im notariellen Kaufvertrag vorgegebenen Eckdaten OVG NRW, Urt. v. 13. 09. 2012 – 2 D 38/11.NE, BeckRS 2012, 60096; OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris Rn. 82; allerdings fehlt es an der Erforderlichkeit der Bauleitplanung, wenn die planerische Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen, denn die „Gemeinde darf die Bauleitplanung nicht zum Vehikel für die Durchsetzung privater Belange machen“ BVerwG, Beschl. v. 09. 10. 1996 – 4 B 180/96, NVwZ-RR 1997, 213 (213); zur fehlenden Erforderlichkeit der Planung auch OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, juris Rn. 73 f. (als Volltext nur online verfügbar, ansonsten zitiert als OVG NRW ZfBR 2005, 685), wobei es rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn die Anregung zur Planung von einem privaten Investor herrührt. 106 Weil „berühren“ und „auswirken“ inhaltlich synonym verstanden werden können BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (98) – Abwägungsmaterial, und für die bauleitplanerischen Abwägung nur solche Belange abwägungserheblich sind, die von der gemeindlichen Bauleitplanung berührt werden können, gilt für ein „Auswirken“ dasselbe wie für das „Berühren“: Es geht um den von der Bauleitplanung in den Blick genommenen Zustand M. Ibler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit im Planfeststellungsrecht, 1988, S. 246; unlängst R. Bach, Die Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB nach Erlass des EAG Bau, 2011, S. 69. 107 Mit der Einschränkung, dass weder anfängliche noch nachträgliche, dauerhafte oder auf unabsehbare Zeit bestehende Vollzugshindernisse bestehen dürfen, s. Fn. 102. 104

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Einschränkend ist aber zu fordern, dass erstens zwischen einer bestimmten Festsetzung und dem konkret zu verwirklichenden Vorhaben und zweitens zwischen dem konkret zu verwirklichenden Vorhaben und der Veränderung tatsächlicher Zustände nicht nur ein äquivalent-kausaler Ursachenzusammenhang, sondern darüber hinausgehend ein Zurechnungszusammenhang besteht108. Die mögliche Auswirkung muss (perspektivisch) einer bestimmten Festsetzung rechtlich entsprechen. Eine Verwirklichung, die nicht der Festsetzung des Bebauungsplans entspricht, also mit anderen Worten bauplanungsrechtlich unzulässig ist und dennoch auf dem Gebiet der planenden Gemeinde verwirklicht wird oder werden soll, missachtet die rechtliche Bindung des Bebauungsplans. Sie ist der planenden Gemeinde durch ihre Festsetzung im Bebauungsplan rechtlich nicht zurechenbar. Die Auswirkungen, die von dem Vorhaben ausgehen, sind keine faktischen Auswirkungen des Bebauungsplans109. Darüber hinaus muss die Auswirkung dem Vorhaben zurechenbar sein. Lärm oder Staub beispielsweise müssen gerade von dem bauplanungsrechtlich festgesetzten und verwirklichten Vorhaben ausgehen. Rechtliche Probleme liegen dort in der Regel keine, wohl aber epistemische. So gelingt nicht durchgehend der Nachweis, dass das bauplanungsrechtlich ausgewiesene Factory-OutletCenter tatsächlich den befürchteten (oder vielleicht von der planenden Gemeinde erhoffen) Kaufkraftabfluss verursacht. Probleme liegen also in beweisrechtlichen Tatsachenfragen. Ähnliche Fragen stellen sich bei den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Normenkontrollverfahrens, in dem Bebauungspläne Antragsgegenstand sein können. Nach § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO muss der Antragsteller „durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in [seinen, M. J.] Rechten“ verletzt sein. Die Rechtsverletzung löst häufig erst ein weiterer, nachfolgender rechtlicher oder tatsächlicher Akt aus. Eine Rechtsverletzung durch die Norm liegt deshalb nur dann vor, wenn die Beeinträchtigung der angegriffenen Norm rechtlich und tatsächlich zuzuordnen ist. Die Rechtsverletzung muss wertungsmäßig bereits in der Norm selbst angelegt sein110.

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Ausdrücklich zu der durch die Baulandflächenausweisung begünstigten Bevölkerungsabwanderung aus der Nachbargemeinde OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 48. 109 Der zwischengemeindliche Konflikt könnte daraus folgen, dass die Gemeinde Vorhaben auf ihrem Gebiet duldet, die bauplanungsrechtlich unzulässig sind. Das liegt besonders dann nahe, wenn der Oberbürgermeister selbst zuständige untere Bauaufsichtsbehörde ist. Die Fälle des Unterlassens und Duldens möchte die Untersuchung jedoch nicht vertiefen. 110 Zur Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren und zur Frage, wann eine Rechtsverletzung „durch“ die angegriffene Rechtsvorschrift eintritt BVerwG, Beschl. v. 09. 07. 1992 – 4 NB 39/91, DVBl. 1992, 1437 (1437 f.), wobei das Gericht leicht missverständlich von einem „rechtlich und tatsächlich eigenständigen Rechtsakt [Kursivierung nicht im Original, M. J.]“, ebd., S. 1437, spricht, obgleich das Gericht später unspezifischer von „weiteren Umständen“ spricht; für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren gilt, dass die Rechtsverletzung der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuzuordnen ist BVerwG, Urt. v. 17. 12. 1998 – 1 CN 1/98, BVerwGE 108, 182 (184); dazu auch D. Ehlers, Die Befugnis natürlicher und juristischer Personen zur Beantragung einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, in: Erbguth u. a., Planung (Fn. 2), S. 1041 (1050).

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In der Planungsrealität gibt es eine Vielzahl faktischer Auswirkungen von Bebauungsplänen auf die Nachbargemeinden111. Wie sich der Bebauungsplan auf die Nachbargemeinde auswirkt, hängt von seinen konkreten Festsetzungen ab. Nichtsdestoweniger zeigt die Sichtung gerichtlich ausgetragener Streitigkeiten zwischen Gemeinden, dass es typische Formen von faktischen Auswirkungen und typische Anlässe für sie gibt. Die Formen und Anlässe sind nicht als abschließende Kategorisierung faktischer Auswirkungen auf planbetroffene Nachbargemeinden zu (miss-)deuten. Typische Auswirkungen des Bebauungsplans sind zum Beispiel, dass Immissions- und Verkehrsbelastungen zunehmen112, bestimmte Folgelasten auftreten113 oder es zu einem städtebaulich relevanten Kaufkraftabfluss114 kommt. Denkbar ist zudem, dass eine über den (Eigen-)Bedarf der planenden Gemeinde hinausgehende Baulandausweisung etwa für Wohnzwecke einen erhöhten Zuzug in das Gebiet der planenden Gemeinde und einen Abzug von Einwohnern aus der Nachbargemeinde auslöst115. Nicht jede Auswirkung löst allerdings die Pflicht zur gemeindenachbarlichen Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB aus. Kommt es zu Gemeindenachbarklagen, tendieren die Gemeinden dazu – prozesstaktisch sinnig – zunächst möglichst viele Auswirkungen in den Rechtsstreit einzuführen, die nicht alle für das materielle Abstimmungsgebot relevant sind. Bei der Sichtung der Gerichtsentscheidungen ist deshalb darauf zu achten, ob sich der Bebauungsplan (potentiell) auswirkt, dadurch einen Konflikt zwischen Gemeinden auslöst und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB diesen Konflikt zum Gegenstand hat. In dem nachfolgenden Abschnitt zeigt die Arbeit typische faktische Auswirkungsformen von Bebauungsplänen auf Nachbargemeinden auf116. 111

In diesem Sinne z. B. VG Darmstadt, Beschl. v.  05. 11. 2009  – 6  L  1382/09.DA, juris Rn. 15: Die Bauleitplanung der Gemeinde könne sich „in vielfältiger Weise auf die Nachbargemeinde“ auswirken. 112 Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 113. 113 BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (328 f.) – Krabbenkamp; D. Krausnick, Factory-Outlet-Center – Erfolgsmodell des Einzelhandels ohne bauplanungsrechtliche Zukunft? –, in: VerwArch 96 (2005), S. 191 (200, 203); Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 169; Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 113 f. 114 OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (687). 115 Als abstimmungserheblichen Belang im konkreten Fall abgelehnt ThürOVG, Beschl. v. 19. 12. 2002 – 1 N 501/01, DÖV 2003, 636 (637); OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 42 ff. 116 Methodologische Zweifel weckt, dass die für typisch befundenen Auswirkungsformen das Ergebnis eines (gerichtlichen) Selektionsvorgangs sind. Typisch ist eine Auswirkungsform, weil sich die Gerichte mehrfach mit dieser Form der Auswirkung beschäftigten und für das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot des § 2 II 1 BauGB als rechtlich relevant qualifizierten. Die Selektion erfolgt anhand von Maßstäben, die dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung in der Auslegung der Rechtsprechung entstammen. Die Beschränkung auf typische Auswirkungen birgt die Gefahr in sich, dass der Wissenschaftler, wenn er (potentielle)  Auswirkungen des Bebauungsplans sucht, nur Ausschau nach bestimmten Auswirkungen hielte; er suchte dann nicht ergebnisoffen und frei von rechtlicher Bewertung nach konfliktträchtigen faktischen Auswirkungen. Auswirkungen, die trotzdem zwischen­

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

aa) Zunahme von Immissionsbelastungen Eine bedeutsame Form faktischer (Erst-)Auswirkungen ist die Zunahme von Immissionen, die aus bestimmten Festsetzungen und ihrer Verwirklichung resultieren können. In Anlehnung an die Definition des § 3 Abs. 2 BImSchG können Immissionen in Gestalt von Luftverunreinigungen, Geräuschen, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen oder ähnlichen Umwelteinwirkungen auftreten. Die Zunahme von Immissionen jedweder Art beschäftigt die Gerichte häufig. Nahezu jede (rechtsschutzsuchende) Nachbargemeinde rügt in einem Rechtsstreit die Steigerung der Immissionsbelastungen durch eine Festsetzung im Bebauungsplan und ihre Verwirklichung. Der Bebauungsplan verdichtet (potentiell) das Verkehrsaufkommen. Dadurch können Lärmimmissionen zunehmen oder die Feinstaubbelastung kann steigen117. Die Festsetzung einer Biogasanlage in der Nähe der Gemeindegebietsgrenze der Nachbargemeinde kann Lärm- und Geruchsimmissionen nach sich ziehen118. Windkraftanlagen in der Nähe der Gemarkungsgrenze der Nachbargemeinde können optische Beeinträchtigungen, beispielsweise in Form von Schattenwurf, herbeiführen oder sie können Lärmbeeinträchtigungen verursachen119. bb) Städtebaulich-relevante infrastrukturelle Folgelasten Weist die planende Gemeinde an ihrer Grenze bestimmte Vorhaben aus, siedelt sie beispielsweise in der Nähe der eigenen Gemarkungsgrenze in unmittelbarer Nähe zur Nachbargemeinde ein neues Wohngebiet an, so kann es zu der Situation gemeindliche Konfliktgeneigtheit aufweisen, könnten unentdeckt bleiben. Auswirkungen, die das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung nicht bewältigen könnte, wären nicht mehr denkbar; Lücken in der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung im Bereich der Bebauungsplanung scheinen gar nicht erst zu bestehen. Methodologisch überzeugender wäre es, alle Auswirkungen zu ermitteln und auf ihre rechtliche Relevanz für die zwischengemeindliche Abstimmung zu untersuchen. Ein Selektionsprozess nach Gesichtspunkten rechtlicher Relevanz für das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot ist aber unausweichlich, weil Bebauungspläne sehr periphere Effekte haben. 117 Zur Errichtung eines Schlachthofs BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (218 f.) – Schlachthof; im Zusammenhang mit der Wohnbebauung eines Waldgebiets BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (837 ff.); vom Nds. OVG, Beschl. v. 30. 11. 2005 – 1 ME 172/05, ZfBR 2006, 168 (172), für nicht abstimmungsrelevant eingestuft wurden die von 12 Verkaufsstätten ausgehenden Immissionen; für nicht hinreichend substantiiert hält die Immissionen ausgehend von einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum das Nds. OVG, Urt. v. 27. 08. 2008 – 1 KN 138/06, juris Rn. 236 ff.; mit Blick auf ein Gewerbegebiet lehnt die Abstimmungserheblichkeit ab das Nds. OVG, Beschl. v. 14. 12. 2016 – 1 MN 82/16, ZfBR 2017, 368 (370). 118 Eine städtebaulich relevante Beeinträchtigung im Ergebnis verneint das OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13.OVG, LKRZ 2014, 366 (368). 119 OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 03. 2002 – 8 C 11131/01.OVG, juris Rn. 26 ff.; als unbeachtlich eingestuft OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 16. 01. 2014 – 1 B 11184/13.OVG u. a.; vorhergehend VG Koblenz, Beschl. v. 18. 10. 2013 – 4 L 915/13.KO u. a., LKRZ 2014, 39 (39); OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (769 f.).

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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kommen, dass die Einwohner des neu ausgewiesenen Wohngebiets allgemeine Leistungen der Daseinsvorsorge in der Nachbargemeinde für sich beanspruchen120. Die Inanspruchnahme von Leistungen der Nachbargemeinde durch die Einwohner der planenden Gemeinde ist wertungsmäßig als eine faktische (Erst-)Auswirkung des Bebauungsplans einzustufen. Dass Einwohner der planenden Gemeinde in die Nachbargemeinde abwandern, ist besonders dann zu erwarten, wenn der Ortskern der planenden Gemeinde weiter von dem neuen Wohngebiet entfernt liegt als der Ortskern der Nachbargemeinde. Die Einwohner des neuen Wohngebiets schicken ihre schulpflichtigen Kinder in die nahegelegene Schule in dem Gebiet der Nachbargemeinde, sie nutzen medizinische Angebote im Krankenhaus der Nachbargemeinde oder konsumieren kulturelle Angebote öffentlicher Einrichtungen der Nachbargemeinde. In allen Fällen nehmen die Einwohner der planenden Gemeinde bestehende Kapazitäten der Nachbargemeinde, die diese zuvörderst für ihre eigenen Gemeindeeinwohner bereithält, für sich in Anspruch121. Abstimmungsrelevant soll diese Art der Auswirkung nach Auffassung der Rechtsprechung nur dann sein, wenn die Ausweisung des Wohngebiets durch den Bebauungsplan die Abwanderung in die Nachbargemeinde rechtlich und tatsächlich zurechenbar auslöst oder befördert122. Schöpfen die fremden Gemeindeeinwohner die Leistungskapazitäten der Nachbargemeinde aus, so muss die Nachbargemeinde gege 120 Ein solcher Sachverhalt lag der sog. Krabbenkamp-Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (324) – Krabbenkamp, zugrunde, in der die beklagte planende Gemeinde das bogenförmig von der klagenden Nachbargemeinde umschlossene Gebiet als Baugebiet ausweisen wollte und so die Verlagerung von Folgelasten zu erwarten war; jedenfalls von der betroffenen Nachbargemeinde hervorgebracht, aber vom Gericht nicht als durchgreifend eingestuft ThürOVG, Beschl. v. 19. 12. 2002 – 1 N 501/01, DÖV 2003, 636 (637). 121 Vielen Gemeinden mag vielleicht sogar daran gelegen sein, dass fremde Gemeindeeinwohner ihre Leistungen in Anspruch nehmen, damit Kapazitäten kontinuierlich ausgelastet werden und Einnahmen generiert werden können. Fremde Gemeindeeinwohner können mitunter von der Nachbargemeinde höchst erwünschte Nutznießer sein, vgl. dazu auch die Fallgruppen im Gemeindewirtschaftsrecht unter 2. Teil A. II. 1. (S. 169 ff.). 122 Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 111; dass allein die Inanspruchnahme von Leistungen der Nachbargemeinde nicht genügt, sondern ein konkreter Beitrag der Wohngebietsausweisung für die Inanspruchnahme verlangt wird, folgt bereits umstandslos aus dem Begriff der Auswirkung, der einen Ursachenzusammenhang zwischen Bebauungsplan und der veränderten Situation in der Nachbargemeinde verlangt. – Die betroffene Nachbargemeinde kann darauf in gewisser Weise reagieren. Sie kann Leistungen nur für ihre eigenen Gemeindeeinwohner vorsehen und den Zugang für gemeindeexterne Einwohner beschränken. Bei gemeindlichen Einrichtungen nach § 8 II GO NRW wäre es der Nachbargemeinde unbenommen, Kapazitäten auf die eigenen Gemeindeeinwohner zu beschränken. Nur den eigenen Einwohnern steht ein Anspruch auf die Nutzung der öffentlichen Einrichtung zu. Unabhängig von der Zulässigkeit eines rechtlichen Ausschlusses von fremden Gemeindeeinwohnern dürfte es der Nachbargemeinde nur unter hohen Anstrengungen möglich sein, die Nutzung durch gemeindefremde Einwohner zu unterbinden. Das dürfte nur dort möglich sein, wo überhaupt eine Zugangskontrolle besteht. Aber selbst dort, wo nur kontrollierter Zugang gestattet ist, wäre die Situation eines Besuchers des städtischen Schwimmbads, der an der Pforte des Schwimmbads abgewiesen wird, höchst irritierend, wenn nicht gar ein handfestes Gleichbehandlungsproblem. Eine solche Situation entspricht nicht der Realität.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

benenfalls die Kapazitäten ausbauen. Alternativ müssen die eigenen Gemeindeeinwohner und die fremden Gemeindeeinwohner in Kauf nehmen, dass sie nicht mehr von allen (nachbar-)gemeindlichen Leistungen profitieren können. Das mag bei einigen Angeboten – so etwa bei dem Verzicht auf den abendlichen Besuch der Oper – verschmerzbar und hinnehmbar sein. In anderen Fällen, in denen die Gemeinde zur Bereitstellung verpflichtet ist oder es sich um existenzielle Leistungen handelt, kann die Kapazitätsauslastung oder -überschreitung die Nachbargemeinde zur (kostenintensiven) Erhöhung ihrer Kapazitäten zwingen. Ob die Nachbar­gemeinde die Leistungskapazitäten erhöhen muss, hängt maßgeblich von der fachgesetz­lichen Ausgestaltung ab. Erfolgt die Zurverfügungstellung der Leistung als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, sind die (Nachbar-)Gemeinden nach den meisten fachgesetzlichen Regelungen freilich nur zur Bereitstellung von Leistungen verpflichtet, die ihren eigenen Bedarf abdecken123. cc) Städtebaulich-relevanter Kaufkraftabfluss und Erschweren nachbargemeindlicher Ansiedlungsbemühungen In der Rechtsprechung und in der Literatur dominieren diejenigen zwischengemeindlichen Streitigkeiten, die aus der Ausweisung von (großflächigen) Einzelhandelszentren oder -betrieben124, Einkaufs- und Dienstleistungszentren125, Factory-Outlet-Centern126, Verbrauchermärkten127, Möbelzentren bzw. Möbel­

123 Aus dem Brandschutzrecht: Nach § 2 I Nr. 1, II BHKG NRW nehmen die Gemeinden den Brandschutz und die Hilfeleistung als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahr. Gemeinden haben nach § 3 I BHKG NRW ihren örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehren zu unterhalten. Die Pflicht zur Unterhaltung von Feuerwehren betrifft folglich nur das eigene Gemeindegebiet. Eine Gemeinde muss damit ihre Kapazitäten nicht wegen eines an ihrer Grenze vorgesehenen Wohngebiets erweitern. Nur ausnahmsweise – unter Beachtung eigener Aufgaben – ist die Gemeinde einer anderen Gemeinde zur Hilfeleistung verpflichtet, vgl. § 39 I BHKG NRW. Weil es sich hierbei um eine besondere Form der Amtshilfe handelt, ersetzt die Hilfeleistungspflicht der Nachbargemeinde nicht die Unterhaltung einer eigenen, leistungsfähigen Feuerwehr der planenden Gemeinde; auf eine Pflicht zur Ausweitung der Kapazitäten deuten hingegen die Aussagen von Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 113, hin. Er meint, dass sich an die Ausweisung eines Wohngebiets infrastrukturelle Folgefragen anschlössen, wie etwa die schulische Versorgung, die Vorhaltung von Krankenhauskapazitäten und die Organisation von Rettungsdiensten. Rein tatsächlich mag die Nachbargemeinde dies tun, rechtlich verpflichtet dazu ist sie nicht. 124 BVerwG, Beschl. v. 09. 01. 1995 – 4 NB 42/94, NVwZ 1995, 694 (694); OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (685); OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 154/04.NE; VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (371); BayVGH, Urt. v. 11. 03. 2013 – 1 N 12.2150; OVG NRW, Urt. v. 01. 12. 2015 – 10 D 92/13.NE; BayVGH, Urt. v. 28. 02. 2017 – 15 N 15.2042. 125 Nds. OVG, Urt. v. 27. 08. 2008 – 1 KN 138/06. 126 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. 05. 2006 – 12 A 28/05, LKV 2007, 32 (32 ff.). 127 VGH BW, Beschl. v. 21. 12. 1976 – III 415/76, NJW 1977, 1465 (1465); OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (194 ff.).

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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häusern128 oder dergleichen resultieren129. Es sind diese Verfahren, welche die Dogmatik des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung im erheblichen Maß prägten. Mit der Errichtung eines Outlet-Centers fließt (potentiell) Kaufkraft aus den umliegenden Gemeinden ab. Bindet ein Vorhaben Kaufkraft und zieht dieses aus der Nachbargemeinde ab, kann der Kaufkraftabfluss städtebaulich problematische Auswirkungen auf die betroffene Nachbargemeinde haben. Für das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung sind der Abzug und die Absorption von Kaufkraft durch den Bebauungsplan der planenden Gemeinde nur dann relevant, wenn sich an den Kaufkraftabfluss städtebaulich relevante Folgewirkungen anknüpfen130. Die Folgewirkungen müssen dem Kaufkraftverlust, der Kaufkraftverlust dem Vorhaben zurechenbar sein. Der Kaufkraftabfluss stellt für sich genommen nur eine wirtschaftliche Kenngröße dar. Er ist aber ein wichtiger Indikator für die städtebaulich relevante Schädigung des Einzelhandels in der betroffenen Nachbargemeinde und der damit einhergehenden Schädigung der verbrauchernahen Versorgung der dortigen Bevölkerung. Um städtebauliche Relevanz zu erreichen, muss der Bebauungsplan Verkehrsströme vollständig umlenken oder die Kaufkraft in so erheblichem Maß abziehen, dass die Verödung der Innenstädte und eine Unterversorgung der dort ansässigen Bevölkerung drohen131. In der Gerichtspraxis ist heute allgemein geklärt, dass der städtebaulich relevante Kaufkraftabfluss die Pflicht zur Abstimmung auslösen kann. Die Gerichte bemühen sich statt um diese Grundsatzfrage heute mehr darum, die Anforderungen, die an die Gutachten über den Kaufkraftabfluss gestellt werden, zu präzisieren132.

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Nds. OVG, Beschl. v. 27. 11. 2006 – 1 MN 148/06, ZfBR 2007, 157 (157 f.); OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE; OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE. 129 VGH BW, Beschl. v. 21. 12. 1976 – III 415/76, NJW 1977, 1465 (1469). 130 OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (687); OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 60; weitere Nachweise s. Fn. 131. 131 OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 38; mit teilweiser anderer Formulierung in der Sache gleichlautend OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (687); das identische Vorhaben (CentrO) betreffend auch OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 154/04.NE, juris Rn. 162; VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (371); OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris Rn. 72; OVG Saarland, Beschl. v.  12. 01. 2016  – 2  B  220/15, KommJur 2016, 194 (196); OVG NRW, Urt. v.  28. 09. 2016  – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 60. Zum Erfordernis der summierenden Ermittlung von Kaufkraftabflüssen, wenn bereits weitere Einzelhandelsbetriebe bestehen und so in eine „handgreifliche“ Konfliktlage hineingeplant werde VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (369 Ls. 2). 132 BVerwG, Beschl. v. 03. 08. 2011 – 4 BN 15/11, ZfBR 2011, 777 (777 f.); OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (687 ff.); OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 18/13.NE, juris Rn. 73 ff.; OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 60 ff.; ausführlich zu diesem Kriterium M. Marco, Kriterien zur Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots, in: BWGZ 2001, S. 95 (95).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

dd) Nicht-rechtliche Durchkreuzung von nachbargemeindlichen Planungskonzepten Der Bebauungsplan der planenden Gemeinde kann die Planungsvorstellungen der Nachbargemeinde durchkreuzen. Er durchkreuzt beispielsweise die Ansiedlungsbemühung der Nachbargemeinde, die der Versorgung der Bevölkerung des Nahbereichs durch einen Lebensmittelvollsortimentler dienen soll, wenn die planende Gemeinde durch ihren Bebauungsplan den Investor aus der Nachbargemeinde in ihr Gebiet abwirbt, weil sie gegenüber der Nachbargemeinde Standortvorteile bietet133. Hierzu gehört auch die Konstellation, in der wegen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde die Nachbargemeinde ihre eigene Planung in zentralen Punkten nicht mehr verwirklichen kann. Aus der Rechtsprechung sei etwa der Fall genannt, in dem eine Nachbargemeinde für eine bestimmte Fläche die Errichtung von Windkraftanlagen vorsieht und damit zugleich die Errichtung solcher Anlagen an anderer Stelle in ihrem Gemeindegebiet ausschließen möchte. Die planende Gemeinde weist in unmittelbarer Grenznähe und in unmittelbarer Nähe zu dem Standort, den die Nachbargemeinde von Windkraftanlagen freihalten möchte, Windkraftanlagen aus. Die Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Gebiet der planenden Gemeinde kann die Bebauungsplanung der Nachbar­ gemeinde – gerade an dieser Stelle in ihrem Gemeindegebiet keine Windkraftanlagen zuzulassen  – unmöglich machen. Der Bebauungsplan der planenden Gemeinde würde die Bebauungsplanung der Nachbargemeinde „in einem nicht unmaßgeblichen Bereich zur Makulatur“ machen134. In einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nahm das Gericht an, dass planbedingte Lärmbelastungen es „jedenfalls fraglich machen, ob die [scil. von der klagenden Nachbargemeinde in ihrem Flächennutzungsplan, M. J.] dargestellten Flächen als reines Wohnbaugebiet […] überplant werden können“ und eine „Beschränkung der Planungsmöglichkeiten der Antragstellerin“ zu besorgen sei135. Diese Kategorie überschneidet sich zum Teil mit der Kategorie der rechtlichen Folgebetroffenheit136.

133 BVerwG, Beschl. v.  19. 06. 2013  – 4  BN  35/13, juris Rn. 2; zuvor BayVGH, Urt. v. 11. 03. 2013 – 1 N 12.2150, juris Rn. 23 ff.; BayVGH, Urt. v. 28. 02. 2017 – 15 N 15.2042, juris Rn. 62 ff. 134 Eine solche Konstellation lag der Entscheidung des VG Koblenz, Beschl. v. 18. 10. 2013 – 4 L 951/13.KO, juris Rn. 15, zugrunde, der auch das Zitat entnommen wurde; anders dagegen in gleicher Sache das OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 16. 01. 2014 – 1 B 11184/13.OVG u. a., das eine Bindung der planenden Gemeinde an bestimmte Freihaltebemühungen der Nachbargemeinde ablehnte. 135 OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (770). 136 Siehe 2.  Teil A. I. 1. d) (S. 64 ff.)

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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ee) Planung über den Eigenbedarf der planenden Gemeinde hinaus Die Festsetzungen im Bebauungsplan können eine Wohnbebauung vorsehen, die über den eigenen Wohnbedarf der planenden Gemeinde (weit) hinausgeht. Eine Planung über den Eigenbedarf der planenden Gemeinde hinaus kann Abwanderungsprozesse von Gemeindeeinwohnern aus dem Gebiet der Nachbargemeinde in das Gebiet der planendenden Gemeinde, die – gemessen an ihrer eigenen Einwohnerstärke – über (zu) viel Bauland verfügt, auslösen oder begünstigen137. Der Abzug von ansiedlungswilligen Einwohnern aus dem Gebiet der Nachbargemeinde in das Gebiet der planenden Gemeinde kann einen Abzug von Kaufkraft mit städtebaulich relevanten Folgen bewirken. In Umkehrung der Steigerung von Folgelasten kann eine eigenbedarfsübersteigende Planung der planenden Gemeinde Einwohner der Nachbargemeinde abziehen und einen Rückgang von Besucherzahlen der Einrichtungen der Nachbargemeinde verursachen138. Die Folge ist, dass die Infrastruktur (potentiell) nur unzureichend ausgelastet ist. Eine hohe Abwanderungsquote verschlechtert zudem (potentiell) die Finanzsituation der Nachbargemeinde, weil sie die Sozialstruktur in der Nachbargemeinde ändert und vor allem Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen aus der Nachbargemeinde wegziehen139. Allein die Ausweisung von Bauland zum Zweck der Wohnbebauung über den eigenen Wohnbedarf der planenden Gemeinde hinaus stellt in der Rechtsprechung aber keinen Gesichtspunkt dar, der für das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung rechtlich relevant ist. Jede Baulandausweisung führe, so die Gerichte, dazu, dass sich die Planungsumwelt und die Lage auf dem Grundstücksmarkt veränderten. Städtebaulich relevant und damit abstimmungserheblich sei die durch den Bebauungsplan der planenden Gemeinde ausgelöste Abwanderung von Einwohnern aus der Nachbargemeinde nur dann, wenn durch die Planung die benachbarte Gemeinde zu einer planerischen Folgenbewältigung gezwungen werde, etwa weil durch die Abwanderung von Einwohnern strukturelle Probleme für die Innenstadt hervorgerufen werden140. Zudem müsse zwischen der Ausweisung von Bauland über den Bedarf der eigenen Einwohner hinaus und den gerügten städtebaulichen Auswirkungen ein Zusammenhang bestehen. Es genüge nicht, wenn die Baulandausweisung im Bebauungsplan zu der Abwanderung lediglich beitrage141. Es handelt sich bei diesen Anforderungen um die Anwendung der oben entwickelten Zurechnungskriterien. Eine ähnliche Konstellation lag der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zugrunde: Eine Nachbargemeinde wehrte sich gerichtlich gegen den Bebauungsplan einer anderen Gemeinde, mit dem die planende Gemeinde einen Ersatzschulneubau in der Nähe der Gemeindegrenze

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OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 42. Als ein rechtlich relevanter Gesichtspunkt benannt und im konkreten Fall für nicht einschlägig befunden OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 45 f. 139 OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 47. 140 ThürOVG, Beschl. v. 19. 12. 2002 – 1 N 501/01, DÖV 2003, 636 (637). 141 OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 48 f. 138

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

zu errichten beabsichtigte. Die Nachbargemeinde rügte (erfolglos) den Abzug von Schülern durch die Ausweisung des Baus der neuen Oberschule142. d) Rechtliche (Folge-)Betroffenheiten der Nachbargemeinde Schwieriger fassbar als die faktischen (Erst-)Auswirkungen des Bebauungsplans sind die sich an die (Erst-)Auswirkungen anschließenden rechtlichen Folgen. Weil Zwischenursachen bei den faktischen Auswirkungen ausgeblendet werden, wenn auch die Folgeauswirkungen lediglich faktisch sind, lassen sich die faktischen Folgeauswirkungen faktischer Erstauswirkungen nicht ausmachen. Anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen sich an eine faktische (Erst-)Auswirkung eine rechtliche (Folge-)Betroffenheit der Nachbargemeinde anschließt. Gemeint ist damit, dass eine andere Rechtsnorm als eine solche des Bebauungsplans der planenden Gemeinde die Nachbargemeinde verpflichtet, wenn die Nachbargemeinde plant. Die Rechtsnorm knüpft entweder an eine faktische Auswirkung oder an eine Festsetzung des Bebauungsplans der planenden Gemeinde an. Die Nachbargemeinde ist insbesondere in denjenigen Konstellationen rechtlich betroffen, in denen sie bei der Aufstellung eines eigenen Bebauungsplans Bindungen unterliegt, welche die faktischen Auswirkungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde auslösen. Andere Rechtsnormen können die faktischen Auswirkungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde zur Tatbestandsvoraussetzung erheben und die Nachbargemeinde rechtlich binden, sie also rechtlich betreffen. Die faktische Auswirkung des Bebauungsplans der planenden Gemeinde verändert die Planungsumwelt der Nachbargemeinde. Die Nachbargemeinde muss ihre eigene Planung gegebenenfalls an die veränderte Planungsumwelt (mehr Lärm, Staub, Schatten etc.) anpassen. Liegt eine faktische Auswirkung auf die Nachbargemeinde in Form von Immissionsbelastungen vor, können diese die Nachbargemeinde im Fall eigener Planungsbemühungen zwingen, von der Verwirklichung eigener Planungsabsichten aus rechtlichen Gründen abzusehen. Die Nachbargemeinde muss nach § 1 Abs. 6 und 7 BauGB die veränderte Planungsumwelt in ihre Abwägungsentscheidung einbeziehen143. Ohne die faktische Auswirkung, die von dem Bebauungsplan der planenden Gemeinde ausgeht, wäre ein Anpassungsbedarf der eigenen Planungsabsichten daran ausgeblieben. Häufig ist wegen des allgemeinen bauleitplanerischen Abwägungsgebots mit einer faktischen Auswirkung eine rechtliche (Folge-)Betroffenheit verbunden144. Eine rechtliche (Folge-)Betroffenheit der Nachbargemeinde auf Grund faktischer Auswirkungen 142

SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, juris Rn. 93. (Allerdings) zur Fachplanung N. v. Schwanenflug, Rechtsschutz von Kommunen in der Fachplanung, in: NVwZ 2007, S. 1351 (1352); bezogen auf den Wunsch der Nachbargemeinde, schutzbedürftige Siedlungsflächen auszuweisen, die an zu hoher Lärmbelästigung scheitern können, erneut OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (769 f.). 144 BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (838). 143

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des Bebauungsplans der planenden Gemeinde resultiert auch aus der Rechtspflicht zur zwischengemeindlichen Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB. Obwohl erst noch zu untersuchen ist, ob das Abstimmungsgebot den Konflikt zwischen Gemeinden vermeiden kann, bewirkt die Wechselbezüglichkeit des Abstimmungsgebots paradoxerweise auch, dass der Bebauungsplan der planenden Gemeinde die Nachbargemeinde überhaupt erst rechtlich betrifft und einen Planungskonflikt zwischen Gemeinden auslöst145. Als Abwägungsdirektive beeinflusst beispielsweise § 50 BImSchG die allgemeine bauleitplanerische Abwägung der Nachbargemeinde, wenn die Nachbargemeinde selbst einen Bebauungsplan aufstellen möchte. Der in § 50 BImSchG verankerte Immissionsschutz (§ 50 S. 1 Var. 1 BImSchG) und der Störfallschutz (§ 50 S. 1 Var. 2 BImSchG) verlangen von der planenden Nachbargemeinde keine strikte Beachtung. § 50 BImSchG verleiht beiden aber als Abwägungsgesichtspunkte besonderes Gewicht146. § 50 BImSchG verlangt, dass schädliche Umwelteinwirkungen und störfallbedingte Auswirkungen in der jeweiligen Abwägung der Nachbargemeinde ein zielbestimmtes Gewicht erhalten147. An eine faktische Auswirkung des Bebauungsplans der planenden Gemeinde knüpft § 50 BImSchG Rechtsfolgen für die Nachbargemeinde. § 50 S. 1 BImSchG betrifft die Nachbargemeinde infolge faktischer Auswirkungen rechtlich, weil er ihr bestimmte (Rechts-) Pflichten auferlegt148. In § 50 S. 1 BImSchG heißt es allgemein, dass bei „raumbedeutsamen Planungen“ die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass erstens schädliche Umwelteinwirkungen und zweitens von schweren Unfällen im Sinne des Art. 3 Nr. 13 der Seveso-III-Richtlinie in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete sowie Auswirkungen auf sonstige schutzbedürftige Gebiete so weit wie möglich vermieden werden sollen. Ohne auf die von § 50 BImSchG aufgeworfenen Fragen im Detail eingehen zu wollen, handelt es sich bei der nachbargemeindlichen Bebauungsplanung um eine raumbedeutsame Planung im Sinne des Gesetzes149. Die schädlichen Umwelteinwirkungen oder die von schweren Unfällen im Sinne der Seveso-III-Richtlinie hervorgerufenen Auswirkungen können von einer Anlage herrühren, die in dem Gebiet einer anderen Gemeinde als der Nachbargemeinde liegt. § 50 S. 1 BImSchG knüpft nicht an ein einheitliches Plangebiet an, von dem die schädlichen Umwelteinwirkungen und die Störfallauswirkungen ausgehen. Weist die planende Gemeinde an ihrer Gemeindegebietsgrenze ein Vorhaben aus, das entweder schädliche Umwelteinwirkungen 145

P. Ortwin, Zum Normenkontrollantrag gegen Bebauungspläne von Nachbargemeinden unter besonderer Berücksichtigung von Einzelhandelsvorhaben, in: DVBl. 2016, S. 821 (822 f.). 146 C.  Tophoven, in: L.  Giesberts / M.  Reinhardt (Hrsg.), BeckOK zum Umweltrecht, § 50 BImSchG (Juli 2020), Rn. 22 ff.; zu den Begriffen Immissions- und Störfallschutz, ebd., § 50 Rn. 13 ff. 147 Tophoven (Fn. 146), § 50 Rn. 23. 148 Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 28. 149 OVG NRW, Beschl. v. 05. 10. 2000 – 7a D 56/97.NE, NVwZ-RR 2001, 432 (433); Tophoven (Fn. 146), § 50 Rn. 5.

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auslöst oder im Betriebsbereich der Störfallanlage durch einen schweren Unfall Auswirkungen verursachen kann, treffen die Nachbargemeinde die Rechtsfolgen des § 50 S. 1 BImSchG. Sie darf etwa schutzbedürftige Gebiete nicht mehr in der Nähe der Gemeindegebietsgrenze vorsehen, weil sich auf dem Gebiet der planenden Gemeinde ein Störfallbetrieb befindet. Die Variante 1 knüpft an eine faktische Auswirkung an, die auch vom Bebauungsplan der planenden Gemeinde ausgehen kann. Woher die schädliche Umwelteinwirkung herrührt, lässt die Rechtsvorschrift offen. Sind schädliche Umweltauswirkungen durch den Bebauungsplan der planenden Gemeinde gebietsübergreifend im Gebiet der Nachbargemeinde möglich, muss die planende Nachbargemeinde diese „so weit wie möglich vermeiden“. Die gleiche Pflicht zur Vermeidung trifft die planende Nachbargemeinde nach Variante 2 dann, wenn der Bebauungsplan der planenden Gemeinde einen Betrieb umfasst, in dessen Betriebsbereich Auswirkungen auf bestimmte schutzbedürftige Gebiete möglich sind, die von schweren Unfällen im Sinne des Art. 3 Nr. 13 ­Seveso-III-Richtlinie hervorgerufen werden. Immer dann, wenn entweder mit schädlichen Umwelteinwirkungen in Schutzgebieten oder mit durch schwere Unfälle hervorgerufenen Auswirkungen innerhalb des Betriebsbereichs gerechnet werden muss, verpflichtet § 50 BImSchG die planende Nachbargemeinde, diese bei ihrer eigenen Bebauungsplanung zielbestimmend einzupreisen. Die Nachbargemeinde kann die Umwelteinwirkungen und die Auswirkungen schwerer Unfälle im Betriebsbereich am effektivsten verhindern, wenn sie die schutzbedürftigen Vorhaben von der Emissionsquelle oder der Störfallanlage räumlich trennt150. Das bedeutet für die planende Nachbargemeinde, dass sie die von ihr beabsichtigte Wohnbebauung nicht (mehr) im Wirkbereich der schädlichen Umwelteinwirkungen oder dem Betriebsbereich des Störfallbetriebs errichten darf. Sie muss nach Art. 13 Abs. 2 lit. a und b Seveso-III-Richtlinie einen „angemessenen Sicherheitsabstand“ wahren. Sollte eine räumliche Trennung zwischen dem störenden Betrieb auf dem Gebiet der planenden Gemeinde und der beabsichtigten Planung der Nachbar­ gemeinde nicht möglich sein, kann die Nachbargemeinde zu anderen Festsetzungen in ihrem Bebauungsplan gezwungen sein151. Ähnlich ist der Fall gelagert, wenn die planende Gemeinde in der Nähe der Gemeindegebietsgrenze Wohnbebauung oder sonstige schutzbedürftige Gebiete vorsieht152. Möchte die Nachbargemeinde in der Nähe ihrer Grenze einen Betrieb ansiedeln, von dem schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen oder bei dem durch einen schweren Unfall Auswirkungen ­ ImSchG hervorgerufen werden können, kann die Nachbargemeinde wegen § 50 B und seinem Trennungsgebot daran gehindert sein. Sie mag zur Einhaltung bestimmter Abstände, der Festsetzung von Nutzungsbeschränkungen oder sonstigen Maßnahmen gezwungen sein. 150

Tophoven (Fn. 146), § 50 Rn. 18. Ausführlich zu den sonstigen Schutzmaßnahmen bspw. in Form von Nutzungsbeschränkungen oder weiteren Maßnahmen Tophoven (Fn. 146), § 50 Rn. 19 ff. 152 Anknüpfungspunkt des § 50 BImSchG kann sowohl die störende als auch die schutzwürdige Fläche sein Tophoven (Fn. 146), § 50 Rn. 17. 151

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Der Bebauungsplan der planenden Gemeinde kann somit die Bebauungsplanungen der Nachbargemeinde und das mit ihnen verfolgte städtebauliche Konzept rechtlich durchkreuzen oder seine Umsetzung erheblich erschweren153. Die Nachbargemeinde ist in diesen Fällen nicht durch den Bebauungsplan selbst rechtlich betroffen, denn die Rechtsbindung folgt nicht aus der Bindung an die Festsetzungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde. Erst eine andere Rechtsnorm bindet die Nachbargemeinde und macht die Verwirklichung ihrer Planungsvorstellungen rechtlich unmöglich. Diese Konstellation weist eine gewisse Nähe zu der sonstigen Durchkreuzung von Planungsvorstellungen der Nachbargemeinde (dazu unter dd)) auf, durchkreuzt sie aber aus rechtlichen, nicht aus faktischen Gründen. Von der rechtlichen (Folge-)Betroffenheit auf Grund faktischer Auswirkungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde auf die Nachbargemeinde müssen die rechtlichen (Folge-)Betroffenheiten der Nachbargemeinde unterschieden werden, die an Festsetzungen des die Nachbargemeinde (eigentlich) nicht rechtlich (erst-)betreffenden Bebauungsplans der planenden Gemeinde anknüpfen. Nicht die Festsetzungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde binden die Nachbargemeinde, sondern erst andere Rechtsnormen knüpfen an Festsetzungen des Bebauungsplans der planenden Gemeinde an. Eine rechtliche (Folge-)Betroffenheit der Nachbargemeinde auf Grund des diese (eigentlich) nicht rechtlich betreffenden Bebauungsplans sollen beispielsweise Anbauverbote sein154. Vereinfacht lautet das Schema rechtlicher (Folge-)Betroffenheit: Eine Festsetzung im Bebauungsplan bindet die Nachbargemeinde nicht selbst, weil die Nachbargemeinde nicht Bindungsadressatin des Bebauungsplans ist. Die Festsetzung ist aber Tatbestandsvoraussetzung für eine andere, die Nachbargemeinde bindende Rechtsnorm. Von der rechtlichen (Folge-)Betroffenheit faktischer Auswirkungen unterscheidet sich die rechtliche (Folge-)Betroffenheit nur graduell, weil auch die faktischen Auswirkungen wertungsmäßig nicht von den Festsetzungen selbst, sondern von den ihnen entsprechenden Vorhaben ausgehen. Es wird also auf den hypothetischen Zustand der Planverwirklichung abgestellt. Ergeben sich Folgebindungen aus bestimmten Festsetzungen, greifen auch diese Folgebindungen wertungsmäßig auf einen tatsächlichen Zustand durch. Das Anbauverbot stellt also nicht auf eine bestimmte Festsetzung des Bebauungsplans (rechtliche Folgebetroffenheit auf Grund einer Festsetzung) ab, sondern bewertet die verwirklichte Festsetzung als unerwünscht. Dieser Sichtweise ist nur schwerlich ein stichhaltiges Argument entgegenzusetzen. Mal nimmt das Recht tatsächliche Zustände, mal Rechtsnormen zum Anknüpfungspunkt. Eine rechtliche Folgebetroffenheit faktischer Auswirkungen liegt vor, weil § 50 BImSchG tatbestandlich an einen tatsächlichen Zustand (Umweltein­

153 Ohne die immissionsbedingten Beschränkungen weiter auszuführen OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 03. 2002 – 8 C 11131/01.OVG, juris Rn. 30. 154 BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (838), wenngleich solche Anbauverbote zumeist nur bei Fachplanungsentscheidungen bestehen, etwa § 9 BFStrG, und nicht im eigentlich Sinn an die Festsetzung im Bebauungsplan anknüpfen.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

wirkungen und Störfallauswirkungen) anknüpft. Die Anbauverbote stellen zum Beispiel tatbestandlich nicht auf einen tatsächlichen Zustand, sondern allein auf eine bestimmte Festsetzung im Bebauungsplan ab. Entscheidend für eine rechtliche Folgebetroffenheit auf Grund einer anderen Rechtsnorm oder einer faktischen Auswirkung ist nur der Tatbestand der die Nachbargemeinde verpflichtenden Norm. 2. Konfliktlösungsstrategien des Baurechts – Gebot materieller zwischengemeindlicher Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB Faktische Auswirkungen oder rechtliche (Folge-)Betroffenheiten von Bebauungsplänen können Konflikte zwischen Gemeinden auslösen. Daher fragt sich, ob, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Art und Weise das Bauplanungsrecht die (potentiellen) zwischengemeindlichen Konflikte zu vermeiden sucht oder rechtlich bewältigt. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung fasst die aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB folgenden Rechtspflichten der planenden Gemeinde und Ansprüche der Nachbargemeinde gegenüber der planenden Gemeinde zur Vermeidung eines Konflikts zwischen ihnen terminologisch und konzeptionell zusammen. Damit liegt ein Instrument vor, das in der Phase der Aufstellung des Bebauungsplans durch die planende Gemeinde auf Konflikte reagieren bzw. der Entstehung von Konflikten in einer vergleichsweise frühen Phase gemeindlicher Rechtserzeugung vorbeugen kann. Wie leistungsstark § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist, um zwischengemeindliche Streitigkeiten zu bewältigen, hängt von seinem Norminhalt ab155. Gelingt § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB die Konfliktvermeidung und -lösung nicht in der Planungsphase, schränken weitere Rechtsnormen die Nachbargemeinde nachgelagert in der Entfaltung ihrer Planungsvorstellungen ein. Rechtspflichten der Nachbargemeinde lösen den Konflikt sodann einseitig zu ihren Lasten, anstatt für einen koordinierten Ausgleich gemeindenachbarlicher Interessen zu sorgen. Die anderen Rechtspflichten, welche die Nachbargemeinde nach Erlass des Bebauungsplans der planenden Gemeinde treffen können (Abstandsflächen, Abwägungsdirektiven etc.), binden die Nachbargemeinde bei ihren eigenen Rechtserzeugungsakten, insbesondere bei der Aufstellung eines eigenen Bebauungsplans. Das Abstimmungsgebot trägt dazu bei, dass es nicht zu einer einseitigen Lösung des Konflikts zulasten der Nachbargemeinde kommt. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sind die „Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen“. Die Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist bei unbefan 155

Präziser muss man wohl sagen, dass nicht die Rechtsnorm selbst die Konfliktvermeidung ausdrücklich anordnet, sondern die Konfliktvermeidung und -lösung die Folge der Rechtspflichten ist, die § 2 II 1 BauGB statuiert und auf deren Einhaltung die Nachbargemeinde womöglich einen Anspruch hat.

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genem Lesen des Normtextes, dass für alle Bauleitpläne benachbarter Gemeinden eine Abstimmungspflicht besteht – Bebauungspläne müssen abgestimmt werden. Ausdrückliche Hinweise darauf, dass die Nachbargemeinde einen Anspruch auf Abstimmung hat, enthält der Normtext hingegen nicht. Gefordert ist – ohne Benennung der dafür erforderlichen Handlungsschritte – die „Abstimmung“ des aufzustellenden Bebauungsplans mit den Bauleitplänen der benachbarten Gemeinden. Eben diese Abstimmung bildet den Kern der konfliktvermeidenden und -lösenden Voraussetzung der Bebauungsplanung der planenden Gemeinde. Sowohl die Rechtsprechung, namentlich das Bundesverwaltungsgericht, als auch die Literatur sahen sich konfrontiert mit der normtextlichen Unbestimmtheit und dem weitgehend (normtextlich) offenen Inhalt des Merkmals „abstimmen“ dazu veranlasst, eine vom Normtext, vielleicht auch vom Norminhalt des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB emanzipierte Abstimmungsdogmatik zu entwickeln. Darstellungen zum Abstimmungsgebot in der Literatur greifen sehr regelmäßig auf den Wortlaut der grundlegenden Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung(en) zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung zurück156. Sie türmen einen Berg nahezu wörtlicher Rechtsprechungsaussagen vor sich auf, was die (nicht unproblematische) Pfadabhängigkeit in der Auseinandersetzung um das „Gebot interkommunaler Abstimmung“ des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB erheblich befördert157. Das Bundesverwaltungsgericht verfährt für seine eigene Rechtsprechung in gleicher Weise158. Ein solches Vorgehen hat den unübersehbaren Vorteil, dass ein hohes Maß an terminologischer sowie inhaltlicher Übereinstimmung bei der Lösung einer Vielzahl zwischengemeindlicher Konflikte erreicht werden kann159. Ein solches Vorgehen nimmt auch den (generellen) Rechtsnormcharakter von Teilen der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ernst.

156 Für eine stark an die Judikatur des BVerwG angelehnte, wenn auch nicht kritiklose Übernahme entscheiden sich neben der Kommentarliteratur stellvertretend Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 96 ff., z. B. auch das Schrifttum in bau- und verwaltungsrechtlichen Fachzeitschriften Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 167 ff. – Besonders eindrücklich belegt die Leitentscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1972 zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung, wie sich judikative Feststellungen im Laufe der Zeit verselbstständigen und Rechtsgebiete inhaltlich dominieren können. 157 Kürzlich etwa der BayVGH, Urt. v. 15. 07. 2020 – 15 N 18.2110, BeckRS 2020, 16908 Rn. 20, der wörtlich ganze Passagen der Entscheidung des BVerwG, Urt. v.  01. 08. 2002  – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32 f.) – FOC Zweibrücken, zitiert. 158 Allgemeiner Befund über den Umgang mit eigenen Präjudizen höchstrichterlicher Rechtsprechung: 90 Prozent aller höchstgerichtlichen Entscheidungen zitierten eigene Präjudizen T. M. J. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3 Rn. 6; Nachweise bei R. Alexy / R . Dreier, Precedent in the Federal Republic of Germany, in: D. N. MacCormick / R. S. Summers (Hrsg.), Interpreting Precedent, 1997, S. 17 (23 ff.). 159 Das spannungsreiche Verhältnis von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft aufgreifend, mahnt T. Mayer-Maly, Über die der Rechtswissenschaft und richterlichen Rechtsfortbildung gezogenen Grenzen, in: JZ 1986, S. 557 (562), für mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zur Zurückhaltung gegenüber judiziellen und jurisprudentiellen Innovationen.

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Eine Dogmatik ist jedoch nur das Ergebnis eines methodisch angeleiteten Versuchs der Ermittlung und Systematisierung des Norminhalts160. Dogmatik darf und soll systematisieren und generalisieren und damit die Erzeugung von Recht als eine Art Gebrauchswissenschaft161 anleiten, indem sie übersichtlich über den Inhalt von Normen Auskunft gibt. Doch gemäß dem (schlanken) Verständnis, wie es die Arbeit zugrunde legt, darf Dogmatik nicht über den Inhalt der Rechtsnorm hinausgehen162. Alle rechtswissenschaftliche Dogmatik ist auf die unein­ 160 M.  Jestaedt, Verfassungstheorie als Disziplin, in: O.  Depenheuer / C.  Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 1 Rn. 20 f.; wie hier versteht J. Schröder, Recht als Wissenschaft, Bd. I, 3. Aufl. 2020, S. 1, Dogmatik als die Summe von Aussagen über das geltende Recht; W.  Kahl, Wissenschaft, Praxis und Dogmatik im Verwaltungsrecht, 2020, S. 65 ff.; abweichend etwa F. Wieacker, Zur praktischen Leistung der Rechtsdogmatik, in: R. Bubner / ​ K. Cramer / R. Wiehl (Hrsg.), Hermeneutik und Dialektik, Bd. II, 1970, S. 311 (319), der Dogmatik unabhängig vom Gesetz („außergesetzliche[n] […] Rechtsdogmatiken [Kursivierung auch im Original, M. J.]“) für möglich hält; ein abweichendes Verständnis von Dogmatik zu finden wohl bei J. Lennartz, Dogmatik als Methode, 2017, S. 149 ff. 161 M. Jestaedt, Die deutsche Staatsrechtslehre im europäisierten Rechtswissenschaftsdiskurs, in: JZ 2012, S. 1 (10). „Dogmatik als geltendrechtlich orientierte juridische Gebrauchsdisziplin“; gleichsinnig M. Jestaedt, Wissenschaftliches Recht, in: Kirchhof / Magen / Schneider, Dogmatik (Fn. 60), S. 117 (118, 121 f.); kritisch zu dieser Bezeichnung Kahl, Wissenschaft (Fn. 160), S. 103 f., der jedoch dem praktischen Status von Dogmatik als Gebrauchswissenschaft dann etwas abgewinnen kann, wenn man ihn positiv wende: „Er sollte daher positiv [Kursivierung auch im Original, M. J.] gewendet werden im Sinne eines sozialen Konstrukts, von dem die Praxis bei Vollzug und Ausgestaltung des Rechts Gebrauch machen kann, um damit die Rationalität und Kohärenz ihrer Tätigkeit zu sichern.“ 162 Die Abstimmungsdogmatik, wie sie die Untersuchung versteht, ist nicht (nur) rechtswissenschaftliche Dogmatik (Ergebnis eines Rechtserkenntnisprozesses). Sie ist vielmehr (auch) das Ergebnis eines judikativen Rechtserzeugungsprozesses. Den Gerichten kommt – bezogen auf den Einzelfall – Rechtserzeugungsmacht für die Erzeugung individueller Rechtsnormen zu. Höchstgerichten kann darüber hinaus auch die Erzeugung einer generellen Rechtsnorm positiv-rechtlich gestattet sein, wenn diesen eine generelle Rechtserzeugungsmacht zusteht Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 242 ff., besonders S. 260, betreffend die Kompetenz zur Erzeugung genereller Rechtsnormen S. 255 ff.; umfassend zur judikativen Rechtserzeugung M. Payandeh, Judikative Rechtserzeugung, 2017, S. 25 ff., 36 ff. sowie passim. Die Verwaltungsgerichtsordnung deutet in § 132 II Nr. 1 VwGO darauf hin, dass dem BVerwG eine solche generelle Rechtserzeugungsmacht zukommt, wenn „die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat“. Die „Abstimmungsdogmatik“ des BVerwG ist damit nicht (nur) Dogmatik, sondern partiell eine generelle Rechtsnorm. Bei der judikativen Rechtserzeugung muss danach unterschieden werden, ob das Gericht den Norminhalt der abstrakt-generellen Norm ermittelt hat und sein Norminhaltsverständnis für die Bindungsadressaten seiner Urteile verbindlich festschreibt, oder ob das Gericht in einem legislativ nicht vorausbestimmten Bereich eine neue (generelle) Rechtsnorm erzeugt, vgl. dazu Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 255. Die generalisierbaren Teile des judikativen Rechtserzeugungsprozesses sind damit einerseits neue abstrakt-generelle Rechtsnorm, welche die fehlende (ausdrückliche)  gesetzesrechtliche Festschreibung darüber, wie der Zustand materiellen Abgestimmtseins erreicht werden soll, ersetzt. Andererseits schreibt sie rechtsverbindlich den Norminhalt fest. Gerichtsentscheidungen können sonach Gegenstand einer dogmatisch arbeitenden Rechtswissenschaft sein. Die dogmatisch arbeitende Rechtswissenschaft ist nicht daran gehindert, die individuelle sowie die generelle Rechtserzeugung durch Gerichte als falsch, weil nicht dem tatsächlichen Norminhalt der Gesetzesnorm entsprechend, zu kritisieren. Ein Gericht, wie jeder andere Inter-

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geschränkte Rückkopplung an den Norminhalt angewiesen: „Ohne Positivierungsnachweis keine [Verfassungs]dogmatik“163. Das Ziel der Untersuchung ist daher die Analyse des (Gesetzes-)Rechts und seiner Konfliktbewältigungsinstrumente; nicht die des Bundesverwaltungsgerichtsrechts. Sie möchte den (wahren) Norminhalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ermitteln, weshalb das Gesetzesrecht in ihrem Mittelpunkt steht. Jede Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auch wenn das Gericht um eine einheitliche Rechtsprechungslinie bemüht ist und den Aussagen zum Einzel-

pret einer Norm auch, erkennt oder verkennt den Inhalt der Norm dazu M. Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein…, 2006, S. 48: „Im Erkenntnisakt wird das Gegebene entweder zutreffend erfasst oder verfehlt – tertium non datur. Dass sich mit mehr oder minder überzeugenden Gründen mehrere Sinndeutungen vertreten lassen, darf nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass dem Gegebenen, hier: einer Rechtsnorm, tatsächlich mehrfacher Sinn eignet“; zu den Erkenntnismöglichkeiten der Rechtswissenschaft eine Einzellösung als falsch einzustufen, weil sie aus der abstrakten und generellen Norm unableitbar ist, grundlegend A. J. Merkl, Das Recht im Lichte seiner Anwendung (1917), in: D. Mayer-Maly / H. Schambeck / W.-D. Grussmann (Hrsg.), Adolf Julius Merkl, Gesammelte Schriften, Bd. I/1, 1993, S. 85 (109), wobei die Sentenz „logisch unableitbar“ Zweifel weckt; zur Widerlegung des sog. normativen Syllogismus grundständig H. Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, 1979, S. 179 ff.; zur Erkenntnismöglichkeit der Rechtswissenschaft auch O. Lepsius, Themen einer Rechtswissenschaftstheorie, in: Jestaedt / ders., Rechtswissenschaftstheorie (Fn. 58), S. 43 ff., der zu Vorsicht angesichts des eigentümlich zeitlosen Umgangs der dogmatisch arbeitenden Rechtswissenschaft und der Praxis mit Gerichtsentscheidungen mahnt und die Beschränkung der gerichtlichen Rechtserzeugungskompetenz auf den personell individualisierten, sachlich konkretisierten Fall betont. Volle Zustimmung findet seine Forderung hier nach mehr Historisierung und Kontextualisierung von Gerichtsentscheidungen sowie der Entwicklung eines Instrumentariums für den Umgang mit Kasuistik, ebd., S. 45 f. Einer Kritik aus rechtswissenschaftlicher Perspektive nicht zugänglich sind die Entscheidungen des BVerwG nach dem oben Gesagten dann, wenn das (Gesetzes-) Recht keine Aussagen trifft. Dort endet die Möglichkeit der rechtserkenntnisgeleiteten Rechtsprechungskritik. Trifft das Gesetzesrecht keine Aussagen zu bestimmten Fragen, dann endet mit anderen Worten die einfachgesetzliche Fremdprogrammierung des gemeindlichen Planungshandelns und das BVerwG erzeugt in einem gesetzlich indeterminierten Bereich eine generelle Rechtsnorm. Diese kann die Rechtswissenschaft nur unter rechtspolitischen Vorzeichen kritisieren. Eine normerkenntnisgeleitete Kritik einer Entscheidung, mit der das Gericht eine neue (generelle) Rechtsnorm schafft oder bestätigt, ist nicht möglich. 163 So seine verallgemeinerungsfähigen Aussagen zur Verfassungsrechtsdogmatik M. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, S. 77 ff., Sentenz S. 78, im Zusammenhang führt er aus: „Verfassungsdogmatische Figuren haben Bestand und Rechtfertigung nur, wenn und soweit sie sich als unverfälschte Darstellungsweise positivrechtlicher Normphänomene ausweisen lassen. Für die normativen Phänomene, die sie zu beschreiben trachten, muss sich der Positivierungsnachweis führen lassen. Dieser markiert mithin den Lackmus-Test verfassungsdogmatischer Figuren.“; gleichsinnig Jestaedt, Verfassungstheorie (Fn. 160), Rn. 58; affirmativ aufgegriffen von Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 30, dort insb. Fn. 104. – Kann der Positivierungsnachweis nicht geführt werden, so selbstermächtigt sich derjenige, der sich einer rein dogmatischen Vorgehensweise rühmt s. allgemein zu Dogmatik als ein Mittel der rechtswissenschaftlichen Selbstermächtigung Jestaedt, Theorie (Fn. 162), S. 62 ff., 82 f.; Lepsius, Kritik (Fn. 60), S. 52; J. F. Lindner, Rechtswissenschaft als Metaphysik, 2017, S. 139 ff.; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 200.

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fall einen sog. Maßstabsteil164 voranstellt, betrifft einen konkreten Einzelfall165. Übertragbar ist eine Entscheidung nur für solche Aussagen und Erwägungen, die generalisierbar sind. Dafür kommt es entscheidend auf den Tatsachenbezug der Entscheidung und den Entscheidungskontext an166. Gerade im Umgang mit Entscheidungen von Höchstgerichten oder dem Bundesverfassungsgericht neigt gelegentlich der praxisorientierte Dogmatiker zu einer gewissen Sorglosigkeit167. Bei Entscheidungen zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung muss danach unterschieden werden, ob sich das Gericht zur Wirksamkeit des Bebauungsplans oder zur Rolle des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB im Vorhabenzulassungsverfahren ­äußerte. Die Lektüre vieler Beiträge erweckt den Eindruck, als werde dieser Umstand nicht immer beachtet. Aussagen, die das Bundesverwaltungsgericht zu den Voraus­setzungen und zu der Wirkweise des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung in der Vorhabenzulassung tätigte, werden unbesehen generalisiert und als Aussage des Gerichts zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung in der Bebauungsplanung aufgegriffen168. a) Norminhalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und sein Verhältnis zu § 1 Abs. 7 BauGB Neben dem Inhalt des zentralen Merkmals „abstimmen“ ist bei Lichte besehen auch unklar, in welchem Verhältnis § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zum Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB steht. Das Verhältnis zu § 1 Abs. 7 BauGB ist vom Norminhalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB beeinflusst. Vorrangig sind diese grundsätzlichen 164

Insoweit für die verfassungsgerichtliche Rspr. P. Lerche, Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: P. Badura / H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 2001, S. 333 (337 ff., 356 ff.), die auf die Spruchpraxis des BVerwG wohl übertragbar ist; eingehender zum sog. Maßstäbeteil und sog. Subsumtionsteil in bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen O. Lepsius, Die maßstabssetzende Gewalt, in: M. Jestaedt u. a., Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (168 ff.). 165 Dazu knapp C. Starck, Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichte, in: JZ 1996, S. 1033 (1034). 166 Lepsius, Themen (Fn. 162), S. 43 ff. 167 Einen allzu sorglosen Umgang mit zeitkontingenten Gerichtsentscheidungen prangert an Lepsius, Themen (Fn. 162), S. 43 ff., der einen „eigentümlich[en] zeitlosen Umgang der Dogmatik mit Gerichtsentscheidungen“ zu identifizieren glaubt, Zitat ebd., S. 45. 168 Indem die Untersuchung gelegentlich Wert darauflegt, den exakten Wortlaut der Entscheidung zu beachten, handhabt sie die Entscheidung wie eine abstrakt-generelle Rechtsnorm und legt die Entscheidung aus. Misslich ist, dass sich augenscheinlich noch keine konsentierte Methode im Umgang mit Gerichtsentscheidungen herausgebildet hat. Gerichtsentscheidungen werfen schwierige methodologische Fragen auf. Ein begrüßenswerter Vorstoß findet sich in der Neuauflage der Juristischen Methodenlehre von F. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 454 ff., der dem methodologischen Umgang mit Gerichtsentscheidungen einen eigenen Abschnitt „Gesprochenes Recht verstehen“ widmet; ähnlich optimistisch stimmt der zweiteilige Beitrag von W. Faber, Auslegung von EuGH-Entscheidungen, in: JBl 2017, S. 697 (697 ff.), und S. 776 (776 ff.), der Auslegung von EuGH-Entscheidungen annimmt.

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Fragen zu klären, bevor einzelne Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB näher betrachtet werden. aa) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Die Rechtsprechung zeichnet kein eindeutiges Bild von dem Inhalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und dem Verhältnis von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu § 1 Abs. 7 BauGB. Teilweise widersprechen sich in ein und derselben Entscheidung oder innerhalb der Chronologie von Entscheidungen die Aussagen über die Voraussetzungen und den Inhalt des Abstimmungsgebots sowie sein Verhältnis zum Abwägungsgebot. Verschiedene, parallel verlaufende und im Einzelnen schwer identifizierbare Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erschweren es, die inhaltlichen Aussagen des Gerichts zu § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zweifelsfrei zu benennen. Diese Schwierigkeiten deuten darauf hin, dass der Rechtsprechung kein ausgearbeitetes dogmatisches, auf Kohärenz angelegtes Konzept zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung zugrunde liegt. Ein solcher Anspruch auf Kohärenz überschätzte aber auch den Systemanspruch (höchst-)richterlichen Entscheidens. Auf das exakte Normverhältnis von Abstimmungs- und Abwägungsgebot kommt es in der Rechtsprechung (meistens) aber auch nicht an, weil das genaue Verhältnis beider Normen zueinander für den Entscheid eines zwischengemeindlichen Streits in der Rechtspraxis nur von untergeordneter Bedeutung ist. Etwas anderes mag teilweise für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren gelten, wenn Beeinträchtigungen durch den Bebauungsplan der planenden Gemeinde nicht die notwendige Intensität erreichen, welche die Rechtsprechung für § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als erforderlich erachtet169. (1) Abstimmung als Abwägungsentscheidung Das Bundesverwaltungsgericht meinte in seiner ersten Entscheidung zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung im Jahr 1972 – bekannt wurde diese Entscheidung unter dem Namen „Krabbenkamp-Entscheidung“ –, dass sich „Richtung und Gehalt [scil. des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung, M. J.] aus den Maßstäben des § 1 Abs. 4 und 5 BBauG [scil. dem heutigen § 1 Abs. 6 und 7, M. J.]“170 ergeben. Bis heute betont das Bundesverwaltungsgericht, dass es sich 169 Anders etwa in Entscheidungen, in denen es entweder an dem für § 2 II 1 BauGB notwendigen Gleichordnungsverhältnis fehlte OVG Rh.-Pf., Urt. v. 24. 03. 2010 – 8 C 11202/09.OVG, BeckRS 2010, 48324, oder die vom BVerwG für § 2 II 1 BauGB für maßgeblich erachteten Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht wurde BayVGH, Urt. v. 01. 08. 2012 – 1 N 12.1304, juris Rn. 20 ff. 170 BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 327 (331) – Krabbenkamp.

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bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB um eine „besondere Ausprägung“ des Abwägungsgebots handle171. Eine formelle und materielle Abstimmungspflicht habe „im Rahmen“ der allgemeinen bauleitplanerischen Abwägung zu erfolgen. In neueren Entscheidungen sprechen das Bundesverwaltungsgericht und einige Obergerichte terminologisch leicht abweichend davon, dass das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot „in einem engen sachlichen Zusammenhang“ mit dem allgemeinen Abwägungsgebot stehe172. Jüngst sprach das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen von einer „an der Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB orientierten Abwägung“173. Das Bundesverwaltungsgericht rückte das Abstimmungsgebot in die Nähe des bauleitplanerischen Abwägungsgebots174. Im Schrifttum finden sich ganz ähnliche Formulierungen: Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung sei eine „besondere Ausprägung“175, ein „Unterfall“176, ein „spezieller Fall“177, ein „Sonderfall“178, eine „qualifizierte Form des allgemeinen Abwägungsgebots“179, beziehe „Richtung und Gehalt“180 aus dem Abwägungsgebot oder finde seine „Verortung […] innerhalb des Abwägungsgebots“181. Andere sprechen davon, dass „[i]nhaltlich das materielle Abstimmungsgebot in […] die Abwägung ein[fließt]“182. Die „Rechtsgrundlage der materiellen Abstim 171

§ 2 II stehe in einem engen Zusammenhang mit § 1 VI BauGB a. F. (dem heutigen § 1 VII BauGB) und stelle sich als eine „besondere Ausprägung des Abwägungsgebots“ dar BVerwG, Urt. v.  01. 08. 2002  – 4  C  5/01, BVerwGE 117, 25 (32)  – FOC Zweibrücken; jüngst meinte der VGH BW, Urt. v. 20. 10. 2020 – 3 S 559/19, BeckRS 2020, 30083 Rn. 49, dass es sich bei § 2 II 1 BauGB „strukturell [um, M. J.] eine besondere Ausprägung des allgemeinen Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB [Kursivierung nicht im Original M. J.]“ handle. 172 So OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (685); Nds. OVG, Beschl. v. 26. 09. 2005 – 1 MN 113/05, NVwZ-RR 2006, 246 (247). 173 OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (770). 174 Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 35. 175 W.  Hoppe / O.  Otting, Zur Erweiterung der Planungshoheit und der gemeindenachbar­ lichen Klagebefugnis in § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB 2004 um raumordnungsrechtliche Belange, in: DVBl. 2004, S. 1125 (1126); A. Bunzel, Weiterungen des interkommunalen Abstimmungsgebots, in: W. Erbguth (Hrsg.), Neues Städtebau- und Raumordnungsrecht, 2007, S. 51 (52); A.  Scheidler, Der städtebauliche Schutz zentraler Versorgungsbereiche, in: VerwArch 105 (2014), S. 388 (392); Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 99. 176 Nds. OVG, Urt. v.  14. 09. 2000  – 1  K  5414/98, ZfBR 2001, 134 (135); R.  Jahn, Inter­ kommunales Abstimmungsgebot und gemeindlicher Nachbarschutz bei Planung und Zulassung sog. Factory Outlets, in: GewArch 2002, S. 412 (413); Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 104. 177 H. Vietmeier, Die Steuerung des großflächigen Einzelhandels nach §§ 2 und 34 BauGB, in: BauR 2005, S. 480 (482). 178 Halama, Metamorphose (Fn. 55), S. 80. 179 VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370). 180 G.  Wurzel / P.  Probst, Urteilsanmerkung zu BVerwG, Urt.  01. 08. 2002  – 4  C  5/01, in: DVBl. 2003, S. 197 (198 f.). 181 C. Moench / W. Sander, Die Planung und Zulassung von Factory Outlet Centern, in: NVwZ 1999, S. 337 (342 Fn. 60). 182 O.  Reidt, Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe in der interkom­ munalen Abstimmung – Materieller Inhalt und Rechtsschutzmöglichkeiten, in: LKV 1994, S. 93 (93).

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mungspflicht ist die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abwägung nach § 1 Abs. 7 [BauGB, M. J.], die das Gebot interkommunaler Rücksichtnahme […] umfasst“183. Das Abstimmungsgebot stehe in einem „engen sachlichen Zusammenhang“184 mit § 1 Abs. 7 BauGB185. Ob allerdings alle Beschreibungen synonym verstanden werden können, weckt durchaus Zweifel. Der Ausdruck der „besonderen Ausprägung“ beispielsweise deutet qualitativ auf ein anderes Verhältnis beider Normen zueinander hin als die These von „Richtung und Gehalt“. Die Formulierung der „besonderen Ausprägung“ spricht mehr für eine (auch) inhaltliche Parallelität von Abwägungs- und Abstimmungsgebot. Etwas ist nur dann eine besondere Ausprägung, wenn es ansonsten alle Charakteristika dessen, von dem es eine besondere Form oder Spielart ist, teilt186. Ungeachtet dieser Unterschiede verlangt die Abstimmung aber eine Abwägungsentscheidung. Die Einordnung der Abstimmung als Abwägung hat insoweit auch einiges für sich, weil § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB nicht aufklärt, wie Bebauungspläne „abzustimmen“ sind. Vergleichbar mit der Forderung „abgestimmter“ Bebauungspläne ist, dass die Gemeinde bei der Aufstellung von Bebauungsplänen öffentliche und private Belange gerecht gegeneinander und untereinander abwägt. Die These von „Richtung und Gehalt“ deutet damit auf eine abwägerische Strukturierung der Abstimmung hin, wobei die Struktur der bauleitplanerischen Abwägung in der Krabbenkamp-Entscheidung für das Abstimmungsgebot (noch) nicht entfaltet wurde. Das Bundesverwaltungsgericht sagte nicht, wie die planende Gemeinde eine Interessenkoordination mit der Nachbargemeinde einlösen soll. Erst in späteren Entscheidungen kam es zu einer sukzessiven Annährung an die Struktur der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 34, 301 (309) grundgelegt hat. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 heißt es etwa, dass „[d]er materiellen Abstimmungspflicht […] Genüge getan [ist], wenn die Belange des Nachbarlandes [scil. nur deshalb, weil es sich um einen Stadtstaat handelte, ansonsten Nachbargemeinde, M. J.] ermittelt, bewertet und gewichtet worden sind und sich die Planung als Ergebnis einer gerechten Abwägung unter Berücksichtigung der Belange des Nachbarlandes darstellt.“187

183

Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 53. VG Minden, Beschl. v. 05. 08. 2011 – 1 L 303/11, juris Rn. 23. 185 Umfangreicher Überblick m. w. N. bei Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 47 Fn. 56. 186 Die Synonyme für „Ausprägung“ sind vielfältig: Geht es um die Beschreibung des Verhältnisses von Abwägungs- und Abstimmungsgebot, so liegt es nahe, dass das BVerwG damit ausdrücken wollte, dass besondere „Ausprägung“ so viel bedeutet wie besondere „Form“ oder besondere „Spielart“ dazu Dudenredaktion (Hrsg.), s. v. Ausprägung, in: Duden-Online, abrufbar unter: www.duden.de/rechtschreibung/Auspraegung (zuletzt abgerufen am 12. 11. 2020). 187 BVerwG, Urt. v. 29. 04. 2010 – 4 CN 3/08, BVerwGE 137, 38 (45 f. Rn. 28). 184

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

(2) Eingreifschwelle von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB Das Bundesverwaltungsgericht vertrat in seiner Krabbenkamp-Entscheidung die Auffassung, dass eine zwischengemeindliche Abstimmung immer dann erforderlich sei, wenn „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“188 von der Bauleitplanung auf die nachbargemeindlichen, städtebaulichen Interessen ausgingen. Das Gericht etablierte anscheinend eine eigenständige Erheblichkeitsschwelle der Beeinträchtigungen von städtebaulichen Interessen der Nachbargemeinde, damit § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB eingreift. In einem Beschluss aus dem Jahr 1979 äußerte sich das Bundesverwaltungsgericht einige Jahre nach der ersten Entscheidung zum zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot auch zum (allgemeinen) bauleit­ planerischen Abwägungsgebot des heutigen § 1 Abs. 7 BauGB. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts seien Belange für § 1 Abs. 7  BauGB nur abwägungserheblich betroffen, wenn die Bauleitplanung die privaten oder öffentlichen Belange „mehr als geringfügig“189 tangiere. Für die bauleitplanerische Abwägung des heutigen § 1 Abs. 7 BauGB seien umgekehrt solche Belange nicht abwägungserheblich, die „entweder  – objektiv  – geringwertig oder aber […] nicht schutzwürdig sind“190. Das Bundesverwaltungsgericht schuf mit diesen beiden frühen Entscheidungen jedenfalls verbal, wohl aber auch in der Sache zwei voneinander abweichende Erheblichkeitsschwellen für das Abstimmungsgebot einer- und für das Abwägungsgebot andererseits. Die planende Gemeinde muss danach ihren Bebauungsplan erst dann gemäß § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB mit dem Bauleitplan der Nachbargemeinde abstimmen, wenn sich ihr Bebauungsplan auf die Nachbargemeinde unmittelbar und gewichtig auswirkt. In die allgemeine bauleitplanerische Abwägung muss die planende Gemeinde hingegen private und öffentliche Belange dann einstellen, wenn sie mehr als in geringfügiger Weise betroffen sein können. Bereits zu Beginn der Rechtsprechungsentwicklung zum Abstimmungs- und Abwägungsgebot konnten die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts über die für die Abwägungs- und Abstimmungsrelevanz zu erreichenden Intensitätsschwellen der (möglichen) Beeinträchtigungen durch den Bebauungsplan gewissermaßen als widersprüchlich empfunden werden, weil unter die „öffentlichen Belange“ in § 1 Abs. 7  BauGB auch nachbargemeindliche Belange fallen. Zuzugeben ist, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausdrücklich dazu äußerte, ob auch nachbargemeindliche Belange zu den abwägungserheblichen öffentlichen Belangen des § 1 Abs. 7 BauGB zählen können.

188

BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 327 (331) – Krabbenkamp. BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (103) – Abwägungsmaterial. 190 BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (102) – Abwägungsmaterial. 189

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(3) Stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu § 1 Abs. 7 BauGB Die These von Richtung und Gehalt, die unterschiedlichen Eingreifschwellen und der Umstand, dass auch in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB nachbargemeindliche Belange einzubeziehen sind, verunklaren das Normverhältnis von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB zueinander. Besonders die These, dass es sich bei dem Abstimmungsgebot um eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots handle oder dass sich Richtung und Gehalt des Abstimmungsgebots aus den Maßstäben des Abwägungsgebots ergeben, spricht dafür, dass § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB in gewisser Weise zusammenwirken, ohne dass klar wäre, wie genau. Die zwei unterschiedlichen Erheblichkeitsschwellen sprechen demgegenüber dafür, dass die Abstimmung und die Abwägung voneinander zu trennende Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Bebauungsplanung sind. Im Schrifttum finden sich Versuche, jedenfalls die beiden unterschiedlichen Schwellen zu erklären: Eine eingehende Analyse der beiden grundlegenden Entscheidungen – einerseits die Entscheidung zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung aus dem Jahr 1972, andererseits die zur Abwägungserheblichkeit von Belangen aus dem Jahr 1979 – könne belegen, dass es dem Bundesverwaltungsgericht wohl zu keiner Zeit daran gelegen war, zwei voneinander abweichende Beeinträchtigungsschwellen zu etablieren. Die unterschiedlichen Formulierungen beruhen vielmehr auf der zeitlichen Reihenfolge der Entscheidungen. Das Gericht konnte zum Zeitpunkt, als es die Schwelle der „unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“ etablierte, noch nicht seine Rechtsprechung zum allgemeinen Gebot bauleitplanerischer Abwägung berücksichtigen191. Zwischen beiden Entscheidungen lagen rund sieben Jahre. Dem Bundesverwaltungsgericht lag vermutlich mehr daran, den Rechtsschutz einer Gemeinde gegen den Bebauungsplan einer anderen Gemeinde von den engen Voraussetzungen des gemeindlichen Rechtsschutzes gegen Fachplanungsentscheidungen abzugrenzen192. Das Bundesverwaltungsgericht hält die beiden Intensitätsschwellen allerdings bis heute – verbal und in der Sache – aufrecht193. In seiner sog. Schlachthof-Entscheidung aus dem Jahr 1989 hatte das Gericht die Gelegenheit, sich von seinen Erheblichkeitsschwellenbeschreibungen zu verabschieden, wenn es tatsächlich zuvor für das Gericht nicht möglich gewesen wäre, die beiden Entwicklungen zum Abstimmungsgebot und dem Abwägungsgebot abzusehen und diese Entwicklungen terminologisch und inhaltlich aufeinander abzustimmen194. Dies tat das Gericht nicht.

191

Halama, Metamorphose (Fn. 55), S. 81; dieser These stimmen zu A. Bunzel, Weiterungen des interkommunalen Abstimmungsgebots, in: ZfBR 2008, S. 132 (133); Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 59 ff.; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21.1. 192 Halama, Metamorphose (Fn. 55), S. 80 ff.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 59 ff. 193 BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, NVwZ 2010, 1026 (1029 Rn. 34). 194 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (215 f.) – Schlachthof.

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Der entscheidungsgeschichtliche Erklärungsversuch der zwei unterschied­lichen Erheblichkeitsschwellen verliert angesichts einer zweiten Entwicklung in der Rechtsprechung (noch mehr) an Überzeugungskraft. Die Entwicklung zeichnete sich mit der FOC-Zweibrücken-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2002 ab. Problematisch geworden war der Ansatz des Gerichts zweifelsohne bereits mit der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1989. Dem Gericht wäre es ein Leichtes gewesen, in dieser Entscheidung die beiden Entwicklungen schon 1989 zusammenzuführen. Als das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2002 betonte, dass in der bauleitplanerischen Abwägung auch nachbargemeindliche Interessen als (öffentliche) Belange im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen seien, büßte die entscheidungsgeschichtliche Erklärung endgültig ihre Überzeugungskraft ein. Zuvor wurde soweit ersichtlich nie bestritten, dass auch nachbargemeindliche Belange „öffentliche Belange“ im Sinne der bauleitplanerischen Abwägung darstellen können195. Das Gericht hob nunmehr für die bauleitplanerische Abwägung nachbargemeindliche Belange aber aus der Masse anderer öffentlicher Belange hervor. Nachbargemeinden genössen in dieser Hinsicht, so heißt es in der Entscheidung aus dem Jahr 2002, keinen geringeren Schutz als private Betroffene196. Das Bundesverwaltungsgericht ging etwa für das Gebot formeller zwischengemeindlicher Abstimmung des heutigen § 4 BauGB, der schon 1960 von „Trägern öffentlicher Belange“ sprach, wie selbstverständlich davon aus, dass die Nachbargemeinden Träger öffentlicher Belange sein können. Warum sollte dann für die öffentlichen Belange im Sinne des heutigen § 1 Abs. 7 BauGB etwas anderes gelten? Die ausdrückliche Hervorhebung der Bedeutung nachbargemeindlicher Belange für die allgemeine bauleitplanerische Abwägung als öffentliche Belange machte die Beschreibung des Verhältnisses beider Normen zueinander zweifelhaft. Obwohl die planende Gemeinde nachbargemeindliche Belange bereits dann in die allgemeine bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einstellen muss, wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als geringfügiger Weise betroffen sind, sollen nachbargemeindliche Belange bei dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, das eine besondere Ausprägung des bauleitplanerischen Abwägungsgebots darstellen soll, erst bei einer höheren Beeinträchtigungsintensität unmittelbarer und gewichtiger Auswirkungen eingreifen. Das Gericht etablierte anscheinend zwei Regime, in denen nachbargemeindliche Belange bei der Aufstellung eines Bebauungsplans mit je unterschiedlichen Beeinträchtigungsintensitäten relevant sein sollten. Warum hat das Bundesverwaltungsgericht nachbargemeindliche Belange sowohl als abwägungs- als auch abstimmungserheblich eingestuft? Das Gericht klärt

195

Eingehende Analyse, ob nachbargemeindliche Belange öffentliche Belange im Sinne von § 1 VII BauGB sind 2.  Teil A. I. 2. a) bb) (3) (a) (S. 101 ff.). 196 BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (33) – FOC Zweibrücken.

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nicht ausdrücklich auf, wie sich beide Regime zueinander verhalten sollen und warum es zwei unterschiedliche Intensitätsschwellen geben soll197. Das Bundesverwaltungsgericht verbindet mit dem Erreichen der Erheblichkeitsschwelle „unmittelbar und gewichtig“ in der Entscheidung aus dem Jahr 2002 erhöhte Rechtfertigungslasten für die planende Gemeinde198. Seit dieser Entscheidung unterscheidet das Bundesverwaltungsgericht zwischen einem sog. einfachen Abwägungsbedarf und einem sog. qualifizierten Abstimmungsbedarf. Die Unterscheidung zwischen Abwägungsbedarf, nach dem nachbargemeindliche Belange bereits dann in die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen seien, wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als geringfügiger Weise betroffen sind und dem Abstimmungsbedarf, der dann ausgelöst werde, wenn die Planung nachbargemeindliche Belange unmittelbar und gewichtig berühre, spricht dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht zwischen dem (zwischengemeindlichen) Abwägungsgebot und dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot unterscheidet199. Die Differenzierung zwischen einem sog. einfachen Abwägungsbedarf 200 und einem sog. qualifizierten Abstimmungsbedarf scheint die Unterscheidung zwischen Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB und Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7  BauGB aufzugreifen. Ihr genaues Verhältnis zueinander bleibt aber unklar und die Entscheidung lässt viele Streitpunkte offen, weil sie in vielen Punkten nicht eindeutig ist201. Zweifelhaft im ersten Zugriff ist bereits, ob die FOC-Zweibrücken-Entscheidung überhaupt Aussagen zu den Voraussetzungen des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB in der Bauleitplanung enthält. Ein genauer Blick in die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2002 offenbart, dass die Differenzierung zwischen einem sog. qualifizierten Abstimmungsbedarf und einem sog. einfachen Abwägungsbedarf nicht die Wirkweise des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in der Bauleitplanung betraf. Ausschlaggebend 197 Das OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 39 ff., lässt diese Frage ausdrücklich offen; zurückhaltender meint H. Jäde, Terrorismus ist überall – oder: Die Auflösung des baurechtlichen Drittschutzes, in: ZfBR 2007, S. 751 (754), dass sich die Schwelle der unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art in das „erst später entwickelte Abwägungsmodell des Bundesverwaltungsgerichts allenfalls schwerlich einordnen“ ließe. 198 BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (35) – FOC Zweibrücken. 199 Zu der Unterscheidung zwischen Abwägungsbedarf und Abstimmungsbedarf BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32 f.) – FOC Zweibrücken. 200 Das BVerwG spricht von einem sog. einfachen Abwägungsgebot. Geht es darum, ob ein Belang einer Gemeinde relevant oder erheblich ist, bietet es sich an von Abwägungsbedarf zu sprechen; in der Literatur wird teils auch von einem „‚einfachen‘ Abstimmungsbedarf“ gesprochen Halama, Metamorphose (Fn. 55), S. 81. 201 Ausdrücklich unter Betonung der unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten der FOCZweibrücken-Entscheidung offenlassend OVG MV, Urt. v.  04. 05. 2004  – 3  K  35/99, juris Rn. 38. – Auf welchem Standpunkt das BVerwG bezogen auf das Verhältnis von Abwägungsgebot aus § 1 VII BauGB und Abstimmungsgebot aus § 2 II 1 BauGB heute steht, ist offen. Die Feststellung von Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 54, im Jahr 2008 dürfte auch heute noch aktuell sein.

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für die Deutung dieser Passage ist der Entscheidungskontext. Das Gericht äußerte sich im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz einer Nachbargemeinde gegen eine Einzelbaugenehmigung. Dort ging es um ein sog. Planungserfordernis, das die Pflicht zu einer förmlichen Planung begründe. Werden durch ein Vorhaben eine Vielzahl von Interessen – auch solche der Nachbargemeinde – berührt, so genüge das Konditionalprogramm einzelner Zulassungstatbestände nicht, um diese multiplen Interessenkonflikte zu lösen. Die Vorhabengemeinde (als zuständige untere Bauaufsichtsbehörde) unterliege dann, wenn sie ein Vorhaben auf ihrem Gebiet verwirklichen möchte tatsächlich erhöhten Rechtfertigungslasten. Sie müsse, wenn sie das Vorhaben auf dem Gebiet der Vorhabengemeinde verwirklichen möchte, erst förmlich planen. Die Vorhabenverwirklichung unterliege erhöhten Rechtfertigungszwängen in Gestalt der Pflicht zu einer formell und materiell abgestimmten Planung202. Für den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB 202

Zwischengemeindliche Konflikte können auch dann auftreten, wenn auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde ein Vorhaben genehmigt wird, das sich – ohne dass zuvor ein Bebauungsplan aufgestellt wurde  – auf die Nachbargemeinde auswirkt. Der Rechtsschutz von Nachbargemeinden gegen Einzelbaugenehmigungen ist außerordentlich praxisrelevant, soll aber nicht Gegenstand der Untersuchung sein, jüngst etwa die Entscheidung des BVerwG, Beschl. v. 24. 10. 2018 – 4 B 15/18, KommJur 2019, 107 (107 ff.), in der sich eine Gemeinde gegen den planungsrechtlichen Bauvorbescheid eines Einkaufszentrums wehrte oder die Entscheidung des BayVGH, Beschl. v. 28. 01. 2019 – 15 ZB 17.1831, in der sich eine Nachbargemeinde gegen eine Baugenehmigung für einen Sportcampus wandte. Einen Eindruck vermittelt die Untersuchung von Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 349 ff., der sich über hunderte Seiten mit dem Rechtsschutz von Nachbargemeinden gegen Baugenehmigungen beschäftigt. Das Meinungsbild über die Abwehrmöglichkeiten von Genehmigungen konkreter Einzelvorhaben auf dem Gebiet der Vorhabengemeinde ist vielgestaltig, wenn sich das genehmigte Vorhaben auf die Nachbargemeinde potentiell (negativ) auswirken kann, einen anderen Eindruck erwecken die Ausführungen von C. Bönker, Rechtsschutz gegen Einzelentscheidungen, in: Hoppe / ders. / Grotefels, Baurecht (Fn. 89), § 18 Rn. 114 ff., der lapidar meint, dass sich „[auch Gemeinden […] gegen baurechtliche Einzelentscheidungen zur Wehr setzen [können]“. Sowohl nach dem Wortlaut, der systematischen Stellung als auch der amtlichen Überschrift des § 2 II 1 BauGB beschränkt sich der Anwendungsbereich von § 2 II 1 BauGB auf Bauleitpläne i. S. d. § 1 II BauGB, nahezu unbestritten in Rspr. und im Schrifttum vgl. nur H. Böttcher, Diskussionszusammenfassung, Diskussionsbeitrag Rojahn, in: Jarass, Abstimmung (Fn. 2), S. 31 (31); Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 376 f.; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 103; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 53. Gegen Einzelbaugenehmigungen kann die vorhabenbetroffene Nachbargemeinde also nicht unmittelbar den § 2 II 1 BauGB für sich in Stellung bringen. Ob in diesen Fällen überhaupt Abwehrmöglichkeiten gegen die Baugenehmigung bestehen und unter welchen Voraussetzungen Einzelgenehmigungen auf dem Gebiet der Vorhabengemeinde von der Nachbargemeinde abgewehrt werden können, ist damit an sich nicht mehr eine Domäne des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 2 II 1 BauGB. Allerdings ist sowohl in der Rspr. als auch in weiten Teilen der diese Rechtsprechung aufgreifenden Literatur die Vorstellung verbreitet, dass § 2 II 1 BauGB für das Einzelvorhaben und ihre Abwehrmöglichkeit bedeutsam ist. Gegebenenfalls können sich aus § 2 II 1 BauGB Rechtmäßigkeitsanforderungen für die Vorhabengenehmigung und damit unmittelbar aus § 2 II 1 BauGB Abwehrmöglichkeiten ergeben, so etwa in der Tendenz, aber ausdrücklich offenlassend BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (218) – Schlachthof; ebenfalls offenlassend BVerwG, Urt. v. 11. 02. 1993 – 4  C  15/92, NVwZ 1994, 285 (288); jüngst präzisierend BVerwG, Beschl. v.  24. 10. 2018  – 4 B 15/18, KommJur 2019, 107 (108 f.), oder aus § 2 II 1 BauGB folgen für ihre Abwehr ander-

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weitig rechtlich relevante Gesichtspunkte, die im Zusammenwirken mit anderen Vorschriften die Abwehr der Einzelbaugenehmigung ermöglichen (etwa mittels der Figur eines wehrfähigen Planungserfordernisses). Die genaue Abgrenzung zwischen unmittelbaren Abwehransprüchen und Ansprüchen gestützt auf ein Planungserfordernis ist wohl nicht eindeutig. Über die genaue Rolle von § 2 II 1 BauGB für den Rechtsschutz gegen Einzelvorhaben besteht aber bis in jüngste Zeit eine außerordentlich lebhafte Debatte, jüngst etwa die Diskussion über die Bedeutung des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung bei der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Erweiterung eines Einkaufszentrums BVerwG, Beschl. v.  24. 10. 2018  – 4  B  15/18, KommJur 2019, 107 (107 ff.); zuvor VG Stuttgart, Urt. v. 15. 03. 2016 – 10 K 1251/13; besprochen von J. Grooterhorst, Bestehende Planungspflichten als negatives Tatbestandsmerkmal in § 34 BauGB?, in: BauR 2017, S. 188 (188 ff.). Es muss zwischen den Rechtsschutzmöglichkeiten im qualifiziert beplanten Innenbereich nach § 30 I BauGB, den Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall planabweichender Genehmigungen nach § 31 II BauGB, den Rechtsschutzmöglichkeiten im diffusen und faktisch-baugebietsgleichen unbeplanten Innenbereich nach § 34 I, II BauGB und den Rechtsschutzmöglichkeiten im unbeplanten Außenbereich nach § 35 BauGB unterschieden werden. Hingewiesen werden soll nur auf die Rechtsschutzmöglichkeiten im unbeplanten Außenbereich und im Innenbereich, da dort § 2 II BauGB am prominentesten vertreten war und ist und die Krabbenkamp-Formel wohl hier heute ihren (neuen) dogmatischen Platz hat. Über das Konfliktlösungspotential der geschriebenen Belange des § 35 II, III BauGB wird erstaunlicherweise wenig diskutiert. Stellen nachbargemeindliche Belange „öffentliche Belange“ i. S. d. § 35 II, III BauGB dar? Bieten die schädlichen Umwelteinwirkungen des § 35 III 1 Nr. 3 BauGB ein Einfallstor nachbargemeindlicher Belange in die Vorhabenzulassung? Sind unter Umständen nachbargemeindlichen Interessen durch ungeschriebene öffentliche Belange Rechnung zu tragen? Das BVerwG ging den Weg über das beschriebene bebauungsrechtliche Planungserfordernis. Allgemein ist heute von einem bebauungsrechtlichen Planungserfordernis die Rede, wenn ein zu errichtendes Gebäude eine Vielzahl von öffentlichen und / oder privaten Belangen betrifft, die eine planerische Interessenkoordinierung erfordern. Die dogmatische Herleitung der Rechtsfigur schwankte im Laufe der bundesverwaltungsgerichtlichen Rspr. Heute geht das Gericht davon aus, dass der Koordinierungsbedarf eines Vorhabens der Auslöser und der Grund des Planungserfordernisses sein kann. Der durch eine Vielzahl von berührten Belangen ausgelöste Koordinierungsbedarf kann nur durch eine förmliche Planung sachgerecht bewältigt werden. Ein solcher Koordinierungsbedarf besteht dann, wenn das Vorhabenzulassungsverfahren als konditionalprogrammierte Verwaltungsentscheidung zu einer sachgerechten Konfliktbewältigung nicht mehr ausreicht und das Vorhaben die Konfliktlösungskraft des allgemeinen bauleitplanerischen Zulassungsregimes des § 35 II BauGB übersteigt. Nach dem heutigen Stand der bauplanungsrechtlichen Dogmatik gliedert sich das bebauungsrechtliche Planungserfordernis in das Erfordernis förmlicher Planung wegen der notwendigen Binnen- oder der Außenkoordination. Präziser müsste es wohl Binneninteressen- oder Außeninteressenkoordination lauten, weil maßgeblicher Bezugspunkt der Koordination bodenrechtliche Interessen sind. Die dichotome Differenzierung des Planungserfordernisses lehnte das BVerwG zuvor noch ausdrücklich ab. Heute erkennt das Gericht beide Koordinationstypen an, wohl erstmalige Differenzierung in der Sache zwischen Binnen- und Außen(interessen)koordination unter Ablehnung der Notwendigkeit einer Außenkoordination BVerwG, Urt. v. 26. 11. 1976 – IV C 69/74, NJW 1977, 1978 (1979); ebenfalls ausdrückliche Ablehnung der Außenkoordination BVerwG, Urt. v. 24. 10. 1980 – 4 C 3/78, BVerwGE 61, 128 (133); bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 03. 05. 1988 – 4 C 54/85, BauR 1988, 576 (579); ebenfalls ablehnend nunmehr auch terminologisch zwischen Binnen- und Außen(interessen)koordination unterscheidend BVerwG, Urt. v. 03. 04. 1987 – 4 C 43/84, NVwZ 1988, 144 (145); BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988 – 4 C 48/86, ZfBR 1989, 123 (127); BVerwG, Urt. v. 22. 06. 1990 – 4 C 6/87, NVwZ 1991, 64 (66); BVerwG, Beschl. v. 08. 02. 1991 – 4 B 10/91, NVwZ-RR 1991, 456 (457), letztmalig wohl noch BVerwG, Beschl. v. 21. 08. 1991 – 4 B 20/91, NVwZ-RR 1992, 345 (345);

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traf das Gericht die Unterscheidung in einen sog. einfachen Abwägungsbedarf und einen sog. qualifizierten Abstimmungsbedarf nicht. Das Bundesverwaltungsgericht sprach in der Entscheidung von „einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung“203. Möchte man die Aussagen für die Voraussetzungen des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in der Bebauungsplanung heranziehen, so wird deutlich, dass die Ausführungen des Gerichts nicht wirklich verständlich sind. Das Schrifttum geht darüber häufig hinweg. Im Verfahren der Aufstellung eines Bebauungsplans wäre ein erhöhter Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht einer formellen und materiellen Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung nicht recht nachvollziehbar. Die planende Gemeinde plant förmlich. Warum sollte sie zusätzlich noch die Pflicht in Gestalt einer formell und materiell abgestimmten förmlichen Planung treffen? Für das förmliche Planungsverfahren ergäbe die Aussage des Gerichts nur einen Sinn, wenn man auf die Wendung „in Gestalt der Pflicht […] zur förmlichen Planung“ verzichtete und die erhöhten Rechtfertigungslasten in der Pflicht zu Abstimmung selbst erblicken möchte. ausdrücklich offenlassend BVerwG, Urt. v. 18. 02. 1983 – 4 C 19/81, BVerwGE 67, 33 (37); relativierend ab dem Jahr 1994 BVerwG, Urt. v. 16. 06. 1994 – 4 C 20/93, BVerwGE 96, 95 (107 f.); BVerwG, Beschl. v. 05. 01. 1996 – 4 B 306/95, NVwZ 1996, 597 (598); ausdrücklich ein bebauungsrechtliches Planungserfordernis für den Fall der Außenkoordination anerkannt BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (26); bestätigt von BVerwG, Beschl. v. 22. 12. 2009 – 4 B 25/09, ZfBR 2010, 269 (270). Mit der Entscheidung aus dem Jahr 2002 nahm das BVerwG zugleich endgültig Abstand von der zuerst strikten, später dann relativierenden Ablehnung eines Planungserfordernisses wegen notwendiger Außenkoordination; eingehende Analyse bei J. Brukwicki, Das bebauungsrechtliche Planungserfordernis, 2017, S. 91. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung habe nach Auffassung des BVerwG Auswirkungen auf die Zulassung eines Außenbereichsvorhabens. Liege, so das Gericht, ein sog. qualifizierter Abstimmungsbedarf vor, wirke sich das Vorhaben also unmittelbar und gewichtig auf die Nachbargemeinde aus, so sei dies ein starkes Anzeichen dafür, dass die Zulassungsschranken, die § 35 III BauGB aufrichte, nicht ausreichten. Liegt ein sog. qualifizierter Abstimmungsbedarf vor, so löse dieser Umstand für sich genommen das Erfordernis förmlicher Planung aus. Folge sei, dass über § 2 II 1 BauGB ein Planungserfordernis bestehe, auf das sich die Nachbargemeinde bei der Zulassung eines einen qualifizierten Abstimmungsbedarf auslösenden Vorhabens der Standortgemeinde auch gerichtlich wehren könne, eingehende Darstellung der sog. FOC-Zweibrücken-Entscheidung etwa bei Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 49 f., 355 ff.; Ingold, Erstplanungspflichten (Fn. 86), S. 90 ff.; Brukwicki, Planungserfordernis (Fn. 202), S. 89 ff. Das BVerwG maß dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung aus § 2 II BauGB für die Vorhabenzulassung damit gewissermaßen eine „mittelbare“ Bedeutung bei. Zugleich wies das Gericht mit der Heranziehung des § 2 II 1 BauGB in der Vorhabenzulassung der Krabbenkamp-Formel einen neuen Standort zu. Ursprünglich stellte die Krabbenkamp-Formel die maßgebliche Grenzbestimmung dafür dar, ab der das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung überhaupt erst zum Tragen kommen sollte. Die Krabbenkamp-Formel hat das Gericht zuerst nur im Bereich der Bebauungsplanung zur Anwendung gebracht. Vergleichbare Wirkung solle nach der Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 17. 09. 2003 – 4 C 14/01, BVerwGE 119, 25 (34) – Mülheim-Kärlich, § 2 II 1 BauGB auch für die Zulassung von Einzelvorhaben nach § 34 BauGB haben; unlängst BVerwG, Beschl. v. 24. 10. 2018 – 4 B 15/18, KommJur 2019, 107 (107 ff.). 203 BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken.

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Ungeachtet der Zweifel über die Einschlägigkeit der FOC-Zweibrücken-Entscheidung spricht die Aufrechterhaltung der Unterscheidung zwischen dem ein­ fachen Abwägungsbedarf und dem qualifizierten Abstimmungsbedarf dafür, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB erst bei Erreichen einer anderen als der für das bauleitplanerische Abwägungsgebot geltenden Erheblichkeitsschwelle aktiviert werde. An­ sonsten ergäbe die bewusste Betonung einer Abwägung, in die nachbargemeindliche Belange schon bei Erreichen der Geringfügigkeitsschwelle einzustellen seien, und der Abstimmung, die bei unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art eingreife, keinen Sinn. Unterschiedliche Erheblichkeitsschwellen sprechen im Ergebnis auch dafür, in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB zwei getrennte Rechtmäßigkeitsanforderungen zu erblicken, die parallel zu strukturieren sind und teilweise überlappende Anwendungsbereiche haben. Man kann daher sagen, dass nachbargemeindliche Belange in einer bauleitplanerischen Abwägung miteinander abgewogen werden müssen und sie bei Erreichen der durch die Krabbenkamp-Formel beschriebenen Erheblichkeitsschwelle nach dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung in Gestalt einer Abwägungsentscheidung aufeinander abzustimmen sind. Demgegenüber spricht das Festhalten des Gerichts an der fortgeführten These der Krabbenkamp-Entscheidung, dass die Abstimmung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB „im Rahmen“ des § 1 Abs. 7 BauGB erfolgen und es sich bei dem Abstimmungsgebot um eine „besondere Ausprägung“ handeln soll, eher dafür, beide Normen zu einer Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Bebauungsplans zusammenzufassen. Unter Beachtung der drei grundlegenden Aussagen des Gerichts – jedenfalls bis zur FOC-Zweibrücken-Entscheidung – ergibt sich (wohl) folgendes Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts über das Verhältnis beider Normen zueinander. Dieses Verständnis lässt sich am ehesten mit den Aussagen des Gerichts vereinbaren, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung auf diese Weise selbst zusammengefasst hätte. Die Deutung des Verständnisses des Bundesverwaltungsgerichts von § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB berücksichtigt erstens, dass es sich bei dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung um eine „besondere Ausprägung“ des § 1 Abs. 7 BauGB handeln und die Abstimmung im Rahmen der Abwägung erfolgen soll. Es wird zweitens der vom Bundesverwaltungsgericht wohl noch weiterhin vertretenen Annahme unterschiedlicher Erheblichkeitsschwellen von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB gerecht. Drittens beachtet diese Lesart der Deutung des Verständnisses des Gerichts von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, dass die Abstimmung und die Abwägung von Bebauungsplänen nach Auffassung des Gerichts nicht dasselbe sind. Ansonsten wäre die sprachliche Differenzierung, die das Gericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2002 vornahm und an der es später teilweise festhielt, überflüssig. Bildlich kann man das Verhältnis von zwischengemeindlichem Abstimmungsgebot aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und bauleitplanerischem Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB zueinander im Sinne eines Stufenverhältnisses zwischengemeind-

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licher Abwägung und zwischengemeindlicher Abstimmung verstehen204. Nach § 1 Abs. 7 BauGB ist eine zwischengemeindliche Abwägung dann erforderlich, wenn sich die Planung der planenden Gemeinde mehr als geringfügig auf die Nachbargemeinde auswirkt (Stufe  1). Erreichen die Auswirkungen der Planung auf die Nachbargemeinde die Intensität der sog.  Krabbenkamp-Formel, dann tritt die zwischengemeindliche Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zur allgemeinen bauleitplanerischen Abwägung zusätzlich hinzu (Stufe  2). Mit Hinzutreten der zwischengemeindlichen Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB werden der planenden Gemeinde besonders nachbargemeindliche Belange bei der Aufstellung des Bebauungsplans nahegelegt und nachbargemeindliche Belange in ihrem Gewicht gestärkt. Das Gesetz legt der planenden Gemeinde mit dem Eintritt in die zweite Stufe erhöhte Rechtfertigungslasten auf205. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB (Stufe 2) begründet nur dann die Pflicht, nachbargemeindliche Belange in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB mit erhöhten Rechtfertigungslasten einzustellen, wenn die Auswirkungen die Schwelle des sog. qualifizierten Abstimmungsbedarfs („unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“) erreichen. Umgekehrt gilt: Erreichen die Auswirkungen die Schwelle des qualifizierten Abstimmungsbedarfs nicht, dann findet ausschließlich eine zwischengemeindliche Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB statt, denn § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist seinem Anwendungsbereich nach nicht eröffnet206. Die gemeindenachbarliche Interessenkoordination erfolgt allein durch die bauleitplanerische Abwägung207. Die Unterscheidung zwischen Abwägungs- und Abstimmungsbedarf steuert somit nach Auffassung des Gerichts nur die Rechtfertigungslasten der planenden Gemeinde, wenn sie mit Auswirkungen auf die Nachbargemeinde plant. In der Literatur gehen einige Vertreter davon aus, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur deklaratorisch die Abwägungserheblichkeit nachbargemeindlicher Belange als öffentliche Belange für die allgemeine bauleitplanerische Abwägung des § 1 Abs. 7  BauGB betone. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sei, wie auch die Rechtsprechung meint, in die Abwägung zu integrieren und erhöhe die Rechtfertigungslasten, wenn nachbargemeindliche 204 In diesem Sinne B. Stüer, Planungshoheit und Planungspflicht in der Abwägungs- und Rechtsschutzpyramide, in: NVwZ 2004, S. 814 (814 ff.); eine stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von § 2 II 1 BauGB und § 1 VII BauGB macht sich zu eigen der VGH BW, Urt. v.  27. 09. 2007  – 3  S  2875/06, VBlBW 2008, 218 (219); die stufenweise Deutung bestätigt unter Zitierung der FOC-Zweibrücken-Entscheidung unlängst selbst das BVerwG, Beschl. v. 06. 03. 2018 – 4 BN 15/17, juris Rn. 31. 205 BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (35) – FOC Zweibrücken. 206 Darauf deutet hin die jüngste Entscheidung des BVerwG, Beschl. v.  06. 03. 2018  – 4 BN 15/17, juris Rn. 31, in dem das Gericht wörtlich ausführt: „Sofern es – wie hier – um die Berücksichtigung von Belangen der Nachbargemeinde geht, die keine Auswirkungen gewichtiger Art darstellen, sind diese nach den allgemeinen Regeln in die Abwägung einzustellen.“ Der Satz ist sprachlich leicht verfehlt, weil es um Auswirkungen gewichtiger Art auf Belange geht. Die Belange selbst stellen keine gewichtigen Auswirkungen dar; wenige Tage zuvor ähnlich BVerwG, Beschl. v. 06. 03. 2018 – 4 BN 15/17, juris Rn. 31. 207 So etwa der VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370).

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Belange unmittelbar und gewichtig betroffen seien208. Es müsse in der Abwägung eine Abstimmung nachbargemeindlicher Belange erfolgen209. Nicht wenige Stimmen in der Literatur ziehen daraus zugleich die Konsequenz, dass die ursprüngliche Krabbenkamp-Formel nur noch die Bedeutung habe, nachbargemeind­lichen Belangen ein erhöhtes Gewicht beizumessen, wenn diese mit einer höheren Intensität der Beeinträchtigung betroffen sind210. Dass mit der Schwere der Be­einträchtigung die Rechtfertigungslasten steigen, sei aber eine Selbstverständlichkeit. Schon nach der allgemeinen Abwägungsdogmatik steigen die Anforderungen zur Überwindung von Belangen, desto stärker diese betroffen seien211. Tatsächlich trifft jedenfalls diese Annahme zu: Je intensiver der Bebauungsplan Belange betrifft – seien es private oder öffentliche  –, desto höher müssen die Anstrengungen der planenden Gemeinde sein, diese zu überwinden. Erhöhte Rechtfertigungslasten folgen bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Abwägungsgebots. Weil dies selbstverständlich sei, könne auch § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nur noch deklaratorische Bedeutung haben. Damit seien die eigentliche Krabbenkamp-Formel und auch § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB für die Frage, ob nachbargemeindliche Belange eine Pflicht zur Koordination der gemeindlichen Interessen in der Bauleitplanung auslösen, bedeutungslos212. Das Bundesverwaltungsgericht selbst würde wohl nicht die Konsequenz ziehen und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu einer rein deklaratorischen Regelung degradieren. Ihre Bedeutung hat die Krabbenkamp-Formel aber nur bei der Frage eingebüßt, ob überhaupt eine gemeindenachbarliche Interessenkoordination stattfinden muss. Das Gericht wendet die Krabbenkamp-Formel noch uneingeschränkt an213. Es hält § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nach wie vor erst ab Erreichen der Erheblichkeitsschwelle 208

Nachweise siehe Fn. 260. In diesem Sinne in der Tat die Überschrift bei Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 80, der von „Abstimmung im Rahmen der Abwägung“ spricht. 210 So die wohl überwiegende Lesart der Entscheidung des BVerwG im Schrifttum. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung lege der planenden Gemeinde erhöhte Rechtfertigungslasten auf, exemplarisch etwa VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370); OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (196); OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 58; BayVGH, Urt. v. 15. 07. 2020 – 15 N 18.2110, BeckRS 2020, 16908 Rn. 20; Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 103; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21.1.  – Wie bereits an anderer Stelle angedeutet, ist aber fraglich, ob das BVerwG überhaupt Aussagen zu erhöhten Rechtfertigungslasten in der Bauleitplanung getroffen hat. Das Gericht spricht nur von der erhöhten Rechtfertigungslast „in Gestalt der Pflicht“ zur förmlichen Planung. Die Aussage des Gerichts beschränkt sich also auf das Verfahren der Vorhabenzulassung. Ist von erhöhten Rechtfertigungslasten bei unmittelbaren und gewichtigen Auswirkungen die Rede, wird der Zusatz „in Gestalt zur Pflicht“ häufig schlicht weggelassen oder diesem in dem oft wörtlich übernommenen Satz des BVerwG keine Bedeutung beigemessen. 211 Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 103; Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 170 Fn. 1027. 212 Als „überholte[n] Rspr.“ bezeichnen die Schwelle der „unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“ Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 172 Fn. 1038. 213 BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, NVwZ 2010, 1026 (1029 Rn. 34). 209

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der Krabbenkamp-Formel überhaupt für anwendbar. Die Folge ist, dass die zwischengemeindliche Abstimmung in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB erst ab dieser Erheblichkeitsschwelle integriert wird. Die stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB zueinander ist auf die besondere Erheblichkeitsschwelle des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB angewiesen. Nur deshalb hat § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überhaupt (noch) einen eigenständigen Regelungsgehalt gegenüber dem bauleitplanerischen Abwägungsgebot214. Dem skizzierten stufenweisen Verhältnis von § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB und § 1 Abs. 7  BauGB scheinbar einen Riegel vorgeschoben hat eine Entscheidung des Gerichts aus dem Jahr 2003. In ihr meinte das Gericht, dass „[e]ine verfahrensmäßig-formelle und eine materiell-inhaltliche Abstimmung […] nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen geboten [ist], wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als geringfügiger Weise betroffen werden. Sie ist erst recht [Kursivierung nicht im Original, M. J.] erforderlich, wenn aufgrund ‚unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art‘ auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde im Sinne der Senatsrechtsprechung […] ein qualifizierter Abstimmungsbedarf besteht.“215 Das Gericht unterscheidet anscheinend nicht mehr zwischen dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung und dem allgemeinen Abwägungsgebot. Es nimmt anscheinend an, dass das Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB bei beiden Beeinträchtigungsintensitäten eingreife. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB hätten damit im Ergebnis identische Erheblichkeitsschwellen. Das Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB griffe damit, wie § 1 Abs. 7 BauGB, ab einer geringeren Beeinträchtigungsintensität ein. Das scheint gegen die stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu sprechen. Die erhöhten Rechtfertigungslasten, die 2002 noch mit § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB begründet wurden, würden aus dem Grad der Beeinträchtigung folgen. Nach diesen Maßstäben hätte § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB einen  – wenn überhaupt  – noch weniger abgrenzbaren eigenständigen Anwendungsbereich. Im Schrifttum erfuhr wohl auch deshalb die Auffassung Auftrieb, § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sei ausschließlich deklaratorisch. Die Entscheidung aus dem Jahr 2003 spricht dafür, dass die Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange sowohl nach dem allgemeinen bauleitplanerischen Abwägungs- als auch dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot erfolgt, die beide ab der identischen Erheblichkeitsschwelle eingreifen. Wirkt sich der Bebauungsplan der planenden Gemeinde unmittelbar und gewichtig aus, unterliegt die planende Gemeinde er 214

Die Untersuchung zeigt später, dass der eigenständige Regelungsgehalt von § 2 II 1 BauGB nicht in den erhöhten Rechtfertigungslasten zur Überwindung nachbargemeindlicher Belange liegt, sondern zum einen in der Subjektivierung nachbargemeindlicher Belange, zum anderen in der Anordnung einer (nur) bikriteriellen Abwägung. 215 BVerwG, Urt. v. 17. 09. 2003 – 4 C 14/01, BVerwGE 119, 25 (34) – Mülheim-Kärlich; aufgegriffen und bestätigt von BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, NVwZ 2010, 1026 (1029 f.).

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höhten Rechtfertigungslasten216. Die erhöhten Rechtfertigungslasten folgen dann aber aus allgemeinen Erwägungen, nicht originär aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB. In der Rechtsprechung der Obergerichte wurde die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2003 unterschiedlich aufgenommen und gedeutet217. Das Bundesverwaltungsgericht griff teilweise auf die Formulierung aus der Entscheidung aus dem Jahr 2003 als wörtliches Zitat zurück218. Häufiger griff das Bundesverwaltungsgericht auf die stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zurück219. Die Verwaltungsgerichte favorisieren wohl ebenfalls die stufenweise Beschreibung des Verhältnisses von Abwägungs- und Abstimmungsgebot. Erst bei Erreichen der Schwelle des qualifizierten Abstimmungsbedarfs ist § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB überhaupt anwendbar220. Hält man die stufenweise Beschreibung des Verhältnisses für richtig, wäre an sich eine Prüfung von § 1 Abs. 7 BauGB „in Verbindung mit“ § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB rechtlich geboten. Die besondere Abwägungsrelevanz nachbargemeindlicher Belange folgt bei Erreichen der qualifizierten Erheblichkeitsschwelle aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, ihre allgemeine Abwägungsrelevanz bereits aus § 1 Abs. 7 BauGB221. Weil die Gerichte in aller Regel auf eine Prüfung „in Verbindung mit“ verzichten, spricht dieser Umstand eher dafür, dass die Gebote zwischengemeindlicher 216

BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, NVwZ 2010, 1026 (1030). Das Nds. OVG, Beschl. v.  26. 09. 2005  – 1  MN  113/05, NVwZ-RR 2006, 246 (247), nahm an, dass § 2 II BauGB erst bei „unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“ Wirkung entfalte; anders dagegen in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 Nds. OVG, Beschl. v. 14. 12. 2016 – 1 MN 82/16, ZfBR 2017, 368 (369); unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für erforderlich haltend jüngst noch das OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01. 12. 2016 – OVG  10  A  15.12, KommJur 2017, 68 (69); anders demgegenüber der BayVGH, Beschl. v. 05. 10. 2005 – 1 NE 05.1666, juris Rn. 22, der meint, dass § 2 II BauGB bereits dann eingreife, wenn sich die Bauleitplanung „mehr als geringfügig“ auswirkt; so auch BayVGH, 28. 06. 2011 – 15 N 08.3388, BeckRS 2011, 52828 Rn. 34 (ansonsten zitiert als BayVBl. 2011, 696); anders allerdings wieder in neueren Entscheidungen BayVGH, Urt. v.  11. 03. 2013  – 1  N  12.2150, juris Rn. 22; BayVGH, Urt. v. 28. 02. 2017 – 15 N 15.2042, juris Rn. 61; jüngst BayVGH, Urt. v. 15. 07. 2020 – 15 N 18.2110, BeckRS 2020, 16908 Rn. 20; ausdrücklich offenlassend OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 40 ff. 218 In ein und derselben Entscheidung bedient sich das Gericht sogar beider Formulierungen BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, NVwZ 2010, 1026 (1029 f. Rn. 34, 41). 219 BVerwG, Beschl. v. 28. 12. 2005 – 4 BN 40/05, NVwZ 2006, 458 (459); zuletzt BVerwG, Beschl. v. 06. 03. 2018 – 4 BN 15/17, juris Rn. 31. 220 Anders aber eine neuere Entscheidung des Nds. OVG, Beschl. v. 14. 12. 2016 – 1 MN 82/16, BauR 2017, 506 (506 f.), in der es zustimmend heißt, dass „[n]ach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts […] eine […] materiell-inhaltliche Abstimmung nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen geboten [ist, M. J.], wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als geringfügiger Weise nachteilig betroffen werden.“ 221 Von einer fehlerfreien Abwägung am Maßstab von „§ 2 Abs. 2 i. V. mit §§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 3 BauGB“ spricht der BayVGH, Urt. v.  28. 02. 2017  – 15  N  15.2042, juris Rn. 61, obgleich der zuvor die Rspr. des BVerwG überwiegend wörtlich übernimmt; jüngst BayVGH, Urt. v.  15. 07. 2020  – 15  N  18.2110, BeckRS 2020, 16908 Rn. 20; auch der VGH BW, Urt. v. 27. 02. 1987 – 5 S 2472/86, NVwZ 1987, 1088 (1089), hat in seiner Entscheidung „§ 2 IV BBauG i. V. mit § 1 IV, V BBauG a. F. bzw. 1 VI, VII BBauG n. F.“ geprüft. 217

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Abstimmung und Abwägung zwei voneinander zu trennende Regime sind, die auch separat voneinander zu prüfen sind222. Rechtfertigen ließe sich ein Verzicht auf eine „in-Verbindung-mit-Prüfung“ der Gerichte damit, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in einer stufenweisen Deutung nachbargemeindlichen Belangen erhöhtes Gewicht verleiht und damit mehr Schutz für die Nachbargemeinde bietet. Einer stufenweisen Beschreibung des Verhältnisses von § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB steht es nicht entgegen, wenn man zwei separate Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen annimmt. Dies verträgt sich allerdings nicht mit der Abstimmung „im Rahmen“ der Abwägung, wie es das Bundesverwaltungsgericht postuliert. Der mit § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB einhergehende erhöhte Schutz ist aber, wenn man eine Abstimmung im Rahmen der Abwägung befürwortet, auf die durch § 1 Abs. 7 BauGB vermittelte Abwägung angewiesen. Die Annahme eines Stufenverhältnisses von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB findet sich wegen der Trennung von Abwägung und Abstimmung in der gerichtlichen Praxis daher nicht zwingend wieder. Entscheidungen, die zuerst auf einen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und nach Verneinung eines solchen Verstoßes auf § 1 Abs. 7 BauGB eingehen, sprechen gegen das beschriebene Stufenverhältnis von Abstimmungs- und Abwägungsgebot, das die drei grundlegenden Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zu vereinigen sucht223. Das verwundert, weil in allen so verfahrenden Entscheidungen apodiktisch das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung als „besondere Ausprägung der allgemeinen Abwägung“ betont wird. Gelegentlich trennen Gerichte zwischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB und einer Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB, ohne dass sie die Trennung in der anschließenden Prüfung aufrechterhalten224. Trotz der geschilderten Unsicherheiten betreffend die Deutung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist festzuhalten, dass das Gericht wohl von einer stufenweisen Beschreibung zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung durch § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB im Zusammenspiel ausgeht. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB kommt nur bei Erreichen der 222

Diese von dem hier bevorzugten Ergebnis abweichende Konsequenz zieht zusammenfassend Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 579. 223 Nachdem die Gerichte einen Verstoß gegen das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung aus § 2 II 1 BauGB ablehnten, gingen diese zumindest noch in einem knappen Abschnitt auf die allgemeine bauleitplanerische Abwägung ein. ThürOVG, Beschl. v.  19. 12. 2002  – 1  N  501/01, DÖV 2003, 636 (637): „Eine Rechtsverletzung der Ast. erscheint auch nicht [Kursivierung nicht im Original, M. J.] im Hinblick darauf möglich, daß sie geltend macht, die Agg. habe ihre Interessen unter Verstoß gegen das ‚einfache‘ Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB mißachtet.“; OVG NRW, Urt.  v.  06. 06. 2005  – 10  D  154/04.NE, juris Rn. 199: ein „Verstoß gegen das in […] § 1 Abs. 7 BauGB n. F. enthaltene Abwägungsgebot liegt ebenfalls [Kursivierung nicht im Original, M. J.] nicht vor“; OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 50: „Die Antragstellerin kann sich zur Begründung ihrer Antragsbefugnis schließlich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen das ‚einfache‘ Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB berufen.“ 224 VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370); Nds. OVG, Beschl. v. 14. 12. 2016 – 1 MN 82/16, ZfBR 2017, 368 (369).

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Krabbenkamp-Formel zur Anwendung. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB hebt die Bedeutung nachbargemeindlicher Belange hervor und belegt dann, wenn die Auswirkungen des Bebauungsplans auf die Nachbargemeinde „unmittelbar und gewichtig“ sind, die planende Gemeinde mit erhöhten Rechtfertigungslasten innerhalb der bauleitplanerischen Abwägung. bb) Eigene Überlegungen Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasst das Spezifikum des Abstimmungsgebots nicht, wenn es von einem Stufenverhältnis von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB ausgeht. Auf dem Weg zur (rechten) Normerkenntnis liegen mehrere Schritte. (1) § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, welche den Zustand materiellen Abgestimmtseins betrifft. Obwohl der Normtext des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB prozedural daherkommt („sind abzustimmen“), handelt es sich nach (wohl) unbestrittener Auffassung um keine verfahrensrechtliche Vorschrift225. Für sich genommen spricht der Normtext nicht uneingeschränkt für diese Deutung. Bei „abzustimmen“ handelt es sich um den Infinitiv mit „zu“ des Wortes „abstimmen“. Das Wort „abstimmen“ hat lexikalisch mehrere Bedeutungen: „Abstimmen“ kann ausdrücken „sich mit jemandem absprechen“ oder „etwas in Einklang bringen mit“226. Beide Bedeutungsvarianten weisen auf ein aktives Tun und keinen Zustand hin. Abstimmen ist die Handlung, die zum Ziel „abgesprochen“ oder „in Einklang stehend“ führt. Das Gesetz verwendet in seinem Normtext gerade nicht das Wort „abstimmen“ in seiner Partizip-II-Form („abgestimmt“)227. Auch andere Rechtsnormen, die einen materiellen Regelungsgehalt aufweisen, klingen normtextlich beizeiten nach verfahrensrechtlicher oder formeller Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Bei § 1 Abs. 7 BauGB ist die Rede davon, dass die planende Gemeinde private und öffentliche Belange „gerecht abzuwägen“ hat. Nach verbreiteter Lesart 225

BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (328 f.) – Krabbenkamp; jüngst SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, SächsVBl. 2018, 319 (324, 331); aus der Kommentarliteratur statt Vieler Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 20; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 56a; wohl auch eine formelle Seite nimmt an Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 97, 114 „§ 2 Abs. 2 [ist] verfahrensrechtlich ein Unterfall der Beteiligung der Behördenbeteiligung iSd § 4“, für eine rein materielle Deutung wiederum, ebd., Rn. 108; auch der HessVGH, Beschl. 03. 05. 1990 – 4 NG 1329/89, juris Rn. 23, ordnet § 2 II BauGB als einen „Unterfall der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange“ ein. 226 Dudenredaktion (Hrsg.), s. v. abstimmen, in: Duden-Online, abrufbar unter: www.duden. de/rechtschreibung/abstimmen (zuletzt abgerufen am 12. 11. 2020). 227 Darauf deutet ebenso die Bezeichnung als Abstimmungsgebot hin. Wörter, die mit dem Suffix -ung enden, sind substantivierte Handlungsverben.

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normiert § 1 Abs. 7 BauGB die Pflicht der planenden Gemeinde, dass ihre Bebauungspläne das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Abwägung sind. Ungeachtet der konkreten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung muss die planende Gemeinde bei der Aufstellung ihrer Bebauungspläne die Anforderungen an den ordnungsgemäßen Abwägungsvorgang sowie an das Abwägungsergebnis beachten. Es handelt sich bei dem Abwägungsgebot also um eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung228. Obwohl gerade die Anforderungen an den Abwägungsvorgang sehr prozedural wirken, sind auch diese materieller Art. Das liegt daran, dass es nicht um die Einhaltung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens geht, sondern die Anforderungen den Entscheidungsvorgang im Sinne der inneren Willensbildung betreffen. Ein deutlicherer Hinweis darauf, dass es sich bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB um eine materielle Rechtmäßigkeitsanforderung an Bebauungspläne handelt, liefert ein regelungssystematisches Indiz. Die Regelungssystematik ist ein möglicher Hinweis auf den Willen des Normsetzers, die allerdings erst in einem mehrstufigen Rückschlussverfahren Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers liefert229. Wie 228 Auch das ist im Detail heillos umstritten. Besonders problematisch ist, welchen Einfluss es auf die Einordnung des Abwägungsgebots hat, dass der Gesetzgeber in § 2 III BauGB mit dem EAG-Bau eine sog. Verfahrensgrundnorm geschaffen hat, die das Ermitteln und Bewerten abwägungserheblicher Belange umfasst. Aus dem reichhaltigen Schrifttum monographisch F. Özdemir, Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau, 2009, insb. S. 81 ff.; Bach, Abwägung (Fn. 106), S. 134 ff.; M. Merkel, Die Gerichtskontrolle der Abwägung im Bauplanungsrecht, insbesondere nach der Neuregelung der §§ 2 III und 214 BauGB durch das EAG Bau, 2012, S. 151 ff.; aus dem sonstigen Schrifttum z. B. W. Erbguth, Rechtsschutzfragen und Fragen der §§ 214 und 215 BauGB im neuen Städtebaurecht, in: DVBl. 2004, S. 802 (802 ff.); W. Hoppe, Die Abwägung im EAG Bau nach Maßgabe des § 1 VII BauGB 2004, in: NVwZ 2004, S. 903 (903 ff.); M. Uechtritz, Die Änderungen im Bereich der Fehlerfolgen und der Planerhaltung nach §§ 214 ff. BauGB, in: ZfBR 2005, S. 11 (12 ff.); M. Wickel / K. Bieback, Das Abwägungsgebot  – materiell-rechtliches Prinzip oder Verfahrensgrundsatz?, in: Die Verwaltung 39 (2006), S. 571 (571 ff.); eingängigen Überblick bieten M. Martini / X . Finkenzeller, Die Abwägungsfehlerlehre, in: JuS 2012, S. 126 (126 ff.); Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 141, W. Rieger, in: Schrödter, BauGB (Fn. 69), § 1 Rn. 602. 229 Das regelungssystematische Argument ist beliebt. So liest man, dass etwas aus regelungssystematischen Gründen nicht überzeuge und deshalb eine Norm so und nicht anders zu verstehen sei z. B. Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 78. Das regelungssystematische Argument ist jedoch vielschichtiger. Das Verhältnis von Normen zueinander hängt von ihren Norminhalten ab. Das gilt auch für das Verhältnis von § 2 II 1 BauGB und § 1 VII BauGB zueinander, das sich für die Inhaltsermittlung des § 2 II 1 BauGB als besonders ertragsreich erweist. Die Norminhaltsermittlung liegt der Bestimmung des Normverhältnisses logisch voraus. Allerdings kann die Ermittlung des Norminhalts Schwierigkeiten bereiten. Es lassen sich verschiedene Indizien ausmachen, die auf den Willen des Normerzeugers hindeuten (können). Zu diesen Indizien zählen etwa der Normtext oder systematische Argumente. Ein bestimmtes (legislativ gewolltes) Normverhältnis (!) schlägt sich auf den Norminhalt nieder. Der Normsystematik kommt nur über diesen Umweg Bedeutung bei der Norminhaltsermittlung zu. Die anhand anderer Indizien ermittelte Norminhaltshypothese kann darauf überprüft werden, ob sie auch regelungssystematisch überzeugt. Erst wenn man unterstellt, dass der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhältnis von Normen zueinander wollte und das gewollte Ziel des Gesetz-

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wollte der Gesetzgeber eine bestimmte Materie mit einer Norm im Verhältnis zu anderen Normen (wohl) regeln? Dem Gesetzgeber wird es in der Regel daran gelegen sein, dass es nicht zu Redundanzen innerhalb eines Gesetzeswerks kommt230. Diese Vermutung liegt besonders dann nahe, wenn sich der Gesetzgeber – wie bei dem Bundesbaugesetz und später dem Baugesetzbuch – um ein einheitliches Regelwerk des Bauplanungsrechts bemühte231. Der Gesetzgeber will nicht, wenn er zwei Rechtsnormen zu derselben Zeit schafft, dass eine Norm etwas regelt, was schon eine andere Norm statuiert (überflüssige Doppelung) oder ohne eigenständigen Regelungsgehalt (nur) wiederholt, was bereits aus einer anderen Norm folgt232. gebers – etwa eine bestimme Normsystematik – nur durch einen bestimmten Norminhalt zu erreichen ist, hat die Normsystematik Auswirkungen auf die Plausibilität einer Norminhaltshypothese einer Rechtsnorm. Aus diesem Grund ist die Frage falsch, jedenfalls aber unpräzise gestellt, wenn man schlicht nach dem Verhältnis von § 1 VII BauGB zu § 2 II 1 BauGB fragt und daraus inhaltliche Folgerungen für § 2 II 1 BauGB ableitet. Treffend spricht M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 344, daher von einem „gestufte[n] Rückschlußverfahren“. „Zunächst werden zahlreiche – und wie sich in ihrem Verlauf zeigen wird: in inhaltlichem Zusammenhang stehende – Normtexte, Normerzeugungsverfahren usf. auf ihren Sinngehalt hin untersucht, um von dem dergestalt zu erschließenden Normensystem auf den Inhalt der eigentlich zu ermittelnden Norm zu schlußfolgern.“ 230 Es könne nur „schwerlich angenommen werden […], daß der Gesetzgeber eine […] überflüssige Regelung treffen wollte“ W.-R. Schenke, Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 VwGO, in: AöR 131 (2006), S. 117 (119); ähnlich zu Doppelungen im Gesetz G. Thüsing, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am 6. März 2017 zum Thema „Transparenz von Entgeltstrukturen zu den BT-Drucksachen 18/11133, 18/4321, 18/6550, 18/847, Ausschussdrucksache 10(13)107k vom 02. 03. 2017, S. 3. Dazu führt er aus: „Dopplungen damit zu begründen, sie würden bestehende Rechtslagen verdeutlichen, ist falsch. Wer zweimal dasselbe sagt, verdeutlicht nicht, sondern wiederholt schlicht und – schlimmer – schafft Unklarheit darüber, was denn nun die geltende Norm ist.“ – Zutreffend zu den Grundbedingungen des regelungssystematischen Arguments für die Ermittlung des Normsetzerwillens W. Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 66, der konzis festhält und dessen Feststellung auch im gegebenen Zusammenhang unbedingt beizupflichten ist: „Die Einhaltung einer systematischen Methode bei der Gesetzgebung ist also logische Bedingung einer systematischen Methode bei der Gesetzesinterpretation.“; darauf bezieht sich C. Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie (Fn. 160), § 15 Rn. § 15 Rn. 42. 231 Zu Gesetz und Kodifikation H. C.  Röhl / K. F.  Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, § 73; umfassend monographisch zum Phänomen der Kodifikation L. Hartmann, Die Kodifikation des Europäischen Verwaltungsrechts, 2020, S. 45 ff., zu Kodifikation als Zielvorstellung für die Gesetzgebung S. 84 ff. 232 Der Übergang zwischen doppelter Regelung und deklaratorischer Regelung ist fließend. Beide bedeuten allerdings nach Auffassung der Untersuchung nicht dasselbe. Bei der doppelten Normierung haben zwei Rechtsnormen unabhängig voneinander eine bestimmte Rechtsfolge. Unnötig ist die doppelte Normierung dann, wenn sie dieselben Tatbestandsvoraussetzungen haben. Greifen sie unter unterschiedlichen Voraussetzungen ein, sind sie nicht überflüssig. Die deklaratorische Regelung hingegen hat keinen über die klargestellte Rechtsnorm hinausgehenden Regelungsgehalt. Sie wiederholt nur das, was eine andere Norm bereits anordnet. Auf diesen Unterschied kommt es für die Untersuchung nicht an. Zum Schwur kommt es, wenn eine Norm nachträglich aufgehoben wird oder es zu Änderungen kommt, die mit der anderen Norm in Wechselbeziehung stehen. Bei der deklaratorischen Regelung entfiele die Rechtsfolge, weil die nur klarstellende Regelung nicht selbst das Sollen begründet.

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Die Gedanken verlieren an Überzeugungskraft, wenn der Gesetzgeber nachträglich eine Rechtsnorm in ein umfassendes Regelwerk mit System- und Strukturierungsanspruch oder gar Kodifikationsanspruch einfügt. Der Gesetzgeber reagiert zum Beispiel auf Entwicklungen, die erst in der Zwischenzeit nach der Erstnormierung erkennbar wurden oder weil es aus seiner Sicht für Klarstellungen Anlass gab. Für die Deutung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als Rechtsnorm, die den Zustand des materiellen Abgestimmtseins verlangt, spricht sein verfahrensrechtliches Pendant in § 4 BauGB233. Wichtig für die regelungssystematische Einordnung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als Argument für seinen materiell-rechtlichen Charakter ist, wann der Gesetzgeber die heutigen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 4 BauGB in das Bundesbaugesetzbuch, später Baugesetzbuch eingefügt hat. Die Pflicht, Bebauungspläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen, enthielt bereits der dem Antrag einiger Abgeordneten beigefügte Entwurf eines Bundesbaugesetzes aus dem Jahr 1953234. Dem Antrag der Abgeordneten ging in der ersten Legislaturperiode ein gleichlautender Antrag von Abgeordneten voraus235. In § 3 Abs. 4 des Entwurfs aus dem Jahr 1953 hieß es: „Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen.“ Eine Begründung für die Normierung gab der dem Antrag beigefügte Entwurf nicht. Der Entwurf der Bundesregierung vom 13. Dezember 1956 griff den Antrag aus dem Jahr 1953 auf236. § 2 Abs. 6 des Entwurfs sah ebenfalls die Pflicht der benachbarten Gemeinden vor, dass diese ihre Bauleitpläne aufeinander abstimmen. Wörtlich hieß es, in seiner sprachlichen Fassung im Vergleich zur Entwurfsfassung leicht verändert: „Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sollen aufeinander abgestimmt werden“. Anders als noch der Entwurf aus dem Jahr 1953 hieß es nun, Bebauungspläne „sollen“ aufeinander abgestimmt werden. Ausweislich der Begründung war damit wohl keine inhaltliche Änderung beabsichtigt. Die Begründung zum Entwurf speziell zur Abstimmungspflicht von Bauleitplänen benachbarter Gemeinden blieb recht dürftig237. Die nachfolgenden Entwürfe veränderten den Inhalt der Abstimmungspflicht nicht. Die Entwurfs­ verfasser sahen daher wohl auch keinen Anlass für weitere Begründungen. Der Entwurf eines Bundesbaugesetzes vom 16. April 1958 sah das Abstimmungsgebot in § 2 Abs. 6 BauGB ohne Veränderung vor238. Die Begründung für § 2 Abs. 6 blieb unverändert239. Bis auf eine andere Nummerierung schlug der Ausschuss für Woh 233

Mit diesem regelungssystematischen Argument Hendler, Modelle (Fn. 66), S. 325. BT-Drs. 2/1813, S. 6. 235 BT-Drs. 1/2442. 236 BT-Drs. 2/3028, S. 11. 237 Als Begründung führte die Bundesregierung aus: „Die Gebietsgrenzen einer Gemeinde haben sich historisch entwickelt. Sie schließen nicht immer ein wirtschaftlich in sich geschlossenes Gebiet ein. Oft sind benachbarte Gemeinden in ihren Verkehrsverhältnissen eng miteinander verflochten. Häufig grenzen auch die Baugebiete nahe aneinander. Zur Erreichung einer geordneten Entwicklung des gesamten Gebietes sollen daher die Bauleitpläne der benachbarten Gemeinden aufeinander abgestimmt werden (Absatz 6).“ BT-Drs. 2/3028, S. 80. 238 BT-Drs. 3/336, S. 6. 239 BT-Drs. 3/336, S. 62. 234

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nungswesen, Bau- und Bodenrecht mit seinem Änderungsvorschlag vom 12. April 1960 keine inhaltlichen Änderungen der gemeindenachbarlichen Abstimmung vor240. Der zum Änderungsvorschlag erarbeitete schriftliche Bericht äußerte sich zum Gebot gemeindenachbarlicher Abstimmung nicht241. Mit dem Entwurf des Baugesetzes vom 10. Januar 1986 sollte § 2 Abs. 2 BauGB – jedenfalls was das Abstimmungsgebot in Satz 1 angeht – seine jetzige Fassung erhalten. Wie bereits der erste Entwurf des Bundesbaugesetzes aus dem Jahr 1953 formulierte § 2 Abs. 2 BauGB: „Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen“242. Die Begründung des Entwurfs ging allein auf das Umschwenken der Formulierung im Normtext von „sollen abgestimmt werden“ auf „sind abzustimmen“ ein. In der Begründung betonte die Bundesregierung, „Absatz 2 übernimmt die im bisherigen § 2 Abs. 4 des Bundesbaugesetzes enthaltene Verpflichtung zur gemeindenachbarlichen Abstimmung der Bauleitpläne. Entsprechend dem bisherigen Sinngehalt der Vorschrift soll sie von einer ‚Soll-‘ in eine ‚Ist-Verpflichtung‘ geändert werden.“243 Der Entwurf griff die vom Bundesverwaltungsgericht vorangetriebene Sinndeutung des § 2 Abs. 4 BBauG auf. Das Bundesverwaltungsgericht verstand § 2 Abs. 4 BBauG schon in seiner ersten Entscheidung trotz Soll-Formulierung als eine Ist-Verpflichtung der planenden Gemeinde244. Zugleich enthielt schon der dem Antrag der Abgeordneten beigefügte Entwurf aus dem Jahr 1953 in § 3 Abs. 3 die Verpflichtung zur formellen Abstimmung von Bauleitplänen: „Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sollen die Behörden beteiligt werden, deren Belange berührt sind“245. Spätere Entwurfsfassungen, die Ursprungsfassung des Bundesbaugesetzes sowie die aktuelle Fassung des Baugesetz­buchs enthielten bzw. enthalten allesamt die Pflicht zur formellen Abstimmung. Der Gesetzgeber übernahm das Gebot formeller Abstimmung sprachlich zwar leicht, inhaltlich aber unverändert bis in die aktuelle Fassung hinein. Weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Gesetzgeber die Pflicht zur verfahrensrechtlichen zwischengemeindlichen Abstimmung zweifach absichern 240 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundesbaugesetzes – Drucksachen 336 –, BT-Drs. 3/1974, S. 3. 241 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundesbaugesetzes – Drucksachen 336, 1794 – zu BT-Drs. 3/1974. 242 BT-Drs. 10/4630, S. 4. 243 BT-Drs. 10/4630, S. 63. 244 BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (330) – Krabbenkamp. 245 BT-Drs. 2/1813, S. 6. – Ob zu diesem frühen Zeitpunkt auch Nachbargemeinden als „Behörden“ eingeordnet wurden, „deren Belange berührt werden“, ist zweifelhaft. Jedenfalls der Entwurf aus dem Jahr 1956, BT-Drs. 3/3028, S. 11, der „sonstige Dienststellen“ neben die Behörden stellte, mag auch Nachbargemeinden als „sonstige Dienststellen“ umfasst haben. Noch offener formulierte der Entwurf aus dem Jahr 1958, BT-Drs. 3/336, S. 6. Dort war nunmehr die Rede von den „Trägern öffentlicher Belange“. Darunter können auch Nachbargemeinden fallen. Der Ausschuss für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht stellte dazu fest, dass es nicht möglich wäre, die Stellen im Einzelnen aufzuführen, zu BT-Drs. 3/1794, S. 3.

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wollte, regelte § 2 Abs. 4 BBauG und später § 2 Abs. 2 BauGB nicht die Behördenbeteiligung246. Bis heute hält der Gesetzgeber die Zweiteilung formeller und materieller Abstimmung durch. Nach Genese und Entstehungsgeschichte zielt das Abstimmungsgebot folglich nicht darauf ab, das Verfahren der Planaufstellung zu regeln. Das Gesetz hat mit § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB den (materiellen) Zustand des Abgestimmtseins im Blick. Mit der Erkenntnis, dass es sich bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB um eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Bebauungsplans handelt, ist noch nicht gesagt, wann Bebauungspläne materiell-rechtlich abgestimmt sind. Was muss die planende Gemeinde tun, damit ihr Bebauungsplan mit denen benachbarter Gemeinden abgestimmt ist? Welchen Inhalt hat die Pflicht zur Abstimmung? Folgt daraus auch ein Anspruch der Nachbargemeinde auf Einhaltung dieser Pflicht? Der Wortlaut von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB mit der Pflicht Bauleitpläne „abzustimmen“, schweigt auf den ersten Blick über all diese Fragen. Sind nur Bebauungspläne der planenden Gemeinde zwischengemeindlich abgestimmt, die gänzlich unterbleiben, wenn sie sich auf benachbarte Gemeinden (faktisch) auswirken oder die Nachbargemeinde rechtlich betreffen? Abgesehen von diesen recht eindeutigen Fällen sind gerade diejenigen interessant, in denen die planende Gemeinde bestimmte Maßnahmen ergriff und versuchte, ihren Bebauungsplan mit der Nachbargemeinde abzustimmen, im Ergebnis aber weder gänzlich vom Erlass eines eigenen Bebauungsplans absah noch Festsetzungen änderte. Verletzen Bebauungspläne, welche die Nachbargemeinde unter Umständen erheblich beeinträchtigen zwingend die Abstimmungspflicht der planenden Gemeinde? (2) Abstimmen als gesetzestechnisch notwendige Umformulierung einer Abwägungsentscheidung Nach § 1 Abs. 7  BauGB sind private und öffentliche Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verlangt, dass Bebauungspläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen sind. Die unterschiedliche Wortwahl beider Normen deutet darauf hin, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB der planenden Gemeinde andere Pflichten auferlegt, als es das Gesetz durch § 1 Abs. 7  BauGB tut. Die unterschiedliche Wortwahl spricht eher für die rechtliche Trennung des Abstimmungs- vom Abwägungsgebot und dafür, § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als eigenständige Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass eines Bebauungsplans einzuordnen. Sie spricht sowohl gegen eine (auch nur stufenweise) Integration der Abstimmung in die Abwägung als auch gegen einen nur deklaratorischen Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB. Vordergründig enthalten weder § 1 Abs. 7 BauGB noch § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB normtextlich Hinweise 246 Anders anscheinend Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 114, wenngleich er diese Aussage in Rn. 108 relativiert.

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dafür, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB „Richtung und Gehalt“ aus § 1 Abs. 7 BauGB erfahre oder die Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB „im Rahmen“ der bauleitplanerischen Abwägung zu erfolgen habe. Es heißt in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB gerade nicht, dass gemeindenachbarliche Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Das bauleitplanerische Abwägungsgebot in § 1 Abs. 7  BauGB ist durch die rechtangeleitete Koordination einer Vielzahl konfligierender Belange, Interessen, Ziele etc. geprägt247. Der Normtext macht dies deutlich, wenn es heißt, dass „private und öffentliche Belange […] gerecht abzuwägen sind“. In die Abwägung des § 1 Abs. 7 BauGB finden eine Reihe von unterschiedlichen Belangen unterschiedlicher Provenienz Eingang. Die öffentlichen und privaten Belange können dem Normtext nach keinen Akteuren oder Interessenträgern zugeordnet werden, die sich in einer einheitlich verlaufenden Frontstellung gegenüberstünden. Private und öffentliche, öffentliche und private, private und private sowie öffentliche und öffentliche Belange stehen sich gegenüber, ohne dass eine klare Konfliktlinie zwischen den Interessenträgern erkennbar wäre. Kennzeichen ist eher eine diffuse Gemengelage von Belangen und Akteuren. Eine andere Situation hat hingegen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB mit dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung im Blick. Die Nachbargemeinde und die planende Gemeinde befinden sich in einer eindeutigen Frontstellung zueinander. Bildlich gesprochen prallen Planungsräume und die auf diese Räume beschränkten Interessen von mindestens zwei Gemeinden aufeinander. Weil das Gesetz auf die beteiligten Interessenträger abstellt und nicht auf die ihnen zugeordneten Belange, bereitet es im Verhältnis von zwei oder mehr Akteuren sprachliche Schwierigkeiten, von „Abwägung“ zu sprechen. Obwohl der Normtext statt von „abzuwägen“ von „abzustimmen“ spricht, könnte § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in der Sache ebenfalls eine Abwägung nachbargemeindlicher Belange verlangen248. Warum spricht das Gesetz dann aber nicht schlicht von nachbargemeindlichen oder gemeindenachbarlichen Belangen?

247 Die inhaltliche Unterscheidung der Wörter Belang und Interesse ist nicht fest umrissen. E. Hofmann, Abwägung im Recht, 2007, S. 207, meint beobachten zu können, dass der Begriff des Belangs und der des Interesses überwiegend gleichbedeutend verwendet werden; einen ganz ähnlichen Befund liefert sowohl die bauplanungsrechtliche Literatur W. Hoppe, Das Abwägungsgebot, in: ders. / Bönker / Grotefels, Baurecht (Fn. 89), § 7 Rn. 5; Söfker / Runkel (Fn. 89), § 1 (Mai 2015), Rn. 194 f.; Battis (Fn. 49), § 1 Rn. 101, als auch die verwaltungsverfahrensrechtliche Literatur statt Vieler W. Neumann / C . Külpmann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG (Fn. 90), § 74 Rn. 70, 105. Aus diesem Grund gebraucht die Arbeit die Wörter ­synonym. 248 So in der Tat das BVerwG in vielen seiner Entscheidungen, exemplarisch BVerwG, Beschl. v. 09. 05. 1994 – 4 NB 18/94, NVwZ 1995, 266 (266), in der es heißt: „Kern der Abstimmungspflicht ist also gerade die gerechte Abwägung der gegenläufigen Interessen der Nachbargemeinde“; zustimmend HessVGH, Beschl. v. 20. 02. 1995 – 4 N 4122/87, juris Rn. 33; kürzlich BVerwG, Beschl. v. 06. 03. 2018 – 4 BN 15/17, juris Rn. 41.

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Mit dem Rekurs auf die „Bauleitpläne benachbarter Gemeinden“ beschreibt der Gesetzgeber ein von ihm als besonders wichtig erachtetes rechtliches Instrument, mit dem Gemeinden die ihnen gesetzlich zugewiesene (öffentliche) Aufgabe der Ordnung der Bodennutzung in ihrem Gebiet erfüllen können. Die Bauleitplanung ist das Instrument, um die städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets rechtsverbindlich zu steuern und zu leiten sowie die bauliche und sonstige Nutzung der in ihrem Gebiet liegenden Grundstücke zu ordnen249. Der Bauleitplan bildet das Ergebnis der Aufgabenwahrnehmung. Der Plangeber artikuliert seine Vorstellungen von einer ordnungsgemäßen Steuerung der Bodennutzung in seinem Gebiet und finalisiert rechtlich, wie er die Bodennutzung organisieren möchte. Mit dem Gebrauch des Wortes „Bauleitpläne“ hat der Gesetzgeber nur eine bestimmte Gruppe von Interessen, die den Gemeinden als Interessenträger zugeordnet sind, näher umreißen wollen. Durch normative Zuweisung der Aufgabe an die Gemeinden, welche diese durch Bauleitplanung erfüllen, haben Gemeinden ein (eigenes) öffentliches Interesse an der ordnungsgemäßen städtebaulichen Ordnung in ihrem Gebiet. Dass der Gesetzgeber die gemeindlichen Interessen mit dem Gebrauch des Wortes Bauleitpläne zu umschreiben sucht, beruht auch auf dem Umstand, dass Gemeinden auf die normative Zuordnung bestimmter Gemeinwohlinteressen angewiesen sind. Nur dann handelt es sich um Interessen der Gemeinden250. Seit dem zweiten Entwurf eines Bundesbaugesetzes hob der Gesetzgeber ausdrücklich hervor, dass „Bauleitpläne […] von der Gemeinde als Selbstverwaltungsangelegenheit aufzustellen [sind]“251. Der Gesetzgeber erkannte die Bauleit­ planung als Modus der Erfüllung einer (öffentlichen) Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden an252. Auch das Gesetzgebungsverfahren deutet darauf hin, dass dem Gesetzgeber anscheinend bewusst war, dass ein Zusammenhang zwischen (öffentlichen) Aufgaben, den Instrumenten der Aufgabenwahrnehmung und den öffentlichen Interessen besteht. Der Gesetzgeber löste allerdings nicht auf, in welchem Verhältnis diese Begriffe und Konzepte zueinander seiner Meinung nach stehen. Das Gesetzgebungsverfahren lässt aber darauf schließen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Bauleitpläne als eine Umschreibung von nachbargemeindlichen Belangen verstanden wissen wollte. Im Gesetzgebungsverfahren schlug der Ausschuss für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht für die Normierung des Abwägungsgebots des heutigen § 1 Abs. 7 BauGB vor, statt von „öffentlichen Belangen“ von „öffent-

249

Ausdrücklich BT-Drs. 2/1813, S. 68; BT-Drs. 2/3028, S. 77 f.; BT-Drs. 3/336, S. 60. Siehe dazu auch 2.  Teil A. I. 2. a) bb) (3) (b) (S. 123 ff.). 251 BT-Drs. 2/3028, S. 11, Begründung, ebd., S. 79 f. 252 Der dem Entwurf BT-Drs. 2/3028 nachfolgende Entwurf BT-Drs. 3/336, S. 6, weist die Aufstellung von Bauleitplänen nicht mehr ausdrücklich als Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden aus. Auch seine Begründung spricht nicht mehr von Selbstverwaltungsangelegenheit, obgleich im Übrigen der Wortlaut der Begründung identisch geblieben ist BT-Drs. 3/336, S. 62, allerdings verwendet die Begründung nunmehr den Ausdruck der Planungshoheit, ebd., S. 62. 250

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lichen Aufgaben“ zu sprechen253. Der Ausschuss erwog dies, wie dem Bericht des Ausschusses ausdrücklich zu entnehmen ist, nicht aus inhaltlichen, sondern aus sprachlichen Gründen254. Ob mit der Umformulierung tatsächlich keine inhaltliche Änderung einhergehen sollte, ist nicht über jeden Zweifel erhaben255. Die gegen die vorgeschlagene Abänderung der Wendung „öffentlicher und privater Belange“ in „öffentliche und private Aufgaben“ vorgebrachte Kritik bezog sich soweit ersichtlich nur auf den Änderungsvorschlag „privater Belange“ in „private Aufgaben“. Und tatsächlich traf die Sprechweise von „privaten Aufgaben“ nicht den Kern dessen, was der Gesetzgeber mit privaten Belangen verbunden wissen wollte. Bezogen auf die öffentlichen Belange waren sich die Beteiligten des Gesetzgebungsverfahrens demgegenüber wohl einig, dass der Ausdruck der „öffentlichen Belange“ im Ausdruck der „öffentlichen Aufgaben“ aufgehen oder beide synonym verstanden werden sollten256. Aus Gründen der sprachlichen Einheit verzichtete der Gesetz-

253 Auch der Begriff der Aufgabe ist insgesamt mehrdeutig und wird in den unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet s. nur R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 154 ff. Häufig werden Zuständigkeit, Aufgabe und Kompetenz synonym verwendet. Mit dem Begriff der Aufgabe soll der Gegenstand beschrieben werden, wohingegen Zu­ ständigkeit die ausschließliche Zuordnung einer Aufgabe (also eines bestimmten Gegenstands) zu einem Subjekt meint Wolff, Verwaltungsrecht II (Fn. 36), § 83 Rn. 5 f. Die Untersuchung greift die von Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 52, vorgeschlagene Differenzierung von Aufgabe und Zuständigkeit auf. Unter Aufgaben sind die „gegenständlich umrissenen Tätigkeits­ausschnitte oder Betätigungsfelder“ zu verstehen, „deren sich der Staat auf Grundlage seiner verfassungsrechtlichen Bindungen annimmt“. Die Zuständigkeit meint hingegen die Zu­weisung einer bestimmten Aufgabe an ein Organisationssubjekt. Die Zuständigkeit macht die Aufgabe überhaupt erst operationalisierbar, d. h. die Aufgabe wird erst durch die Zuständigkeitszuweisung an eine bestimmte Organisation oder ein bestimmtes Organ, welcher bzw. welchem die Aufgabe zur Erledigung übertragen wird, wahrnehmbar; zu der Unterscheidung von öffentlichem Interesse und öffentlicher Aufgabe R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, 1999, S. 32: „Eine öffentliche Aufgabe ist demnach eine Aufgabe, deren Erfüllung im öffent­lichen Interesse liegt“; so auch BVerfG, Beschl. v. 25. 03. 1980 – 2 BvR 208/76, BVerfGE 53, 366 (401); davon abzugrenzen sind die Begriffe „öffentlicher Zweck“ und „öffentlicher Auftrag“ ausführlich dazu J. Oebbecke, Öffentlicher Zweck und öffentlicher Auftrag, in: M. Kment (Hrsg.), Das Zusammenwirken von deutschem und europäischem Öffentlichen Recht, 2015, S. 572 (572 ff.). 254 Schriftlicher Bericht des 24. Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundesbaugesetzes – Drucksache 336 –, BT-Drs. 3/1794, S. 3. 255 Schon bei den Beratungen innerhalb des Ausschusses meldete eine „Minderheit dagegen erhebliche sachliche Bedenken“ an s. Schriftlicher Bericht des 24. Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundesbaugesetzes – Drucksache 336 –, BT-Drs. 3/1794, S. 3. 256 In der 114. Sitzung des Deutschen Bundestages führte der Abgeordnete der CDU / CSUFraktion Czaja dazu wörtlich aus: „Unsere Fraktion vermag sich nicht dem mit knappster Mehrheit zustande gekommenen Ausschußbeschluß anzuschließen, die Worte ‚privaten Belange‘ durch „privaten Aufgaben“ zu ersetzen. Ein Bebauungsplan berührt sowohl Eigentum und Absichten des einzelnen als auch die Belange der Allgemeinheit. Zwischen beiden muß der Bebauungsplan gerecht und unter besonderer Beachtung des Gemeinwohls abwägen. Dem Gemeinwohl gegenüber sind aber nicht nur die berechtigten Aufgaben des einzelnen, sondern

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geber sodann wohl gänzlich auf das Ersetzen des Ausdrucks „Belange“ – wenn auch nur bezogen auf die öffentlichen Belange – durch „Aufgaben“257. Von seiner Genese umschreibt der Ausdruck „Bauleitpläne“ damit „gemeindliche Interessen“. Diese Interessen können die Gemeinden durch den Erlass von Bauleitplänen verfolgen258. Um diesem Anliegen im Gesetzestext Ausdruck zu verleihen, konnte der Gesetzgeber aus gesetzestechnischen Gründen nur von „abzustimmen“ sprechen. Wie, wenn nicht als „Abstimmung“, hätte der Gesetzgeber sein Anliegen also ausdrücken sollen, wenn er die beteiligten Akteure und die Bauleitplanung als Instrument der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe betonen wollte? Dem Gesetzgeber ging es darum, knapp und präzise(r) zu umreißen, dass die planende Gemeinde ihre Belange, die sie mit dem Erlass eines Bebauungsplans verfolgen kann, mit den Belangen der Nachbargemeinde abwägt, die sie mit der ihr zugewiesenen Aufgabe der Aufstellung von Bauleitplänen verfolgen kann. Es handelt sich bei der Pflicht zur Abstimmung in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB damit um eine gesetzestechnisch notwendige Umformulierung einer (bauleitplanerischen) Abwägungsentscheidung gemeindenachbarlicher Interessen. (3) § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB rein deklaratorisch oder überflüssige Doppelung? Erschöpft sich sonach der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB (einzig) in der Pflicht der planenden Gemeinde zur Abwägung ihrer Belange mit denen der Nachbargemeinde? Die Folge wäre, dass das Abstimmungsgebot im Verhält-

auch berechtigte und vertretbare Belange des einzelnen und der Familie zu beachten.“ Plenarprotokoll der 114. Sitzung vom 18. 05. 1960, S. 6418. 257 Auf die Formulierungsvariante „Abwägung öffentlicher Aufgaben und privater Belange“ geht der Entwurf nicht ein. Die Formulierung mag aus sprachlichen Gründen ausgeschieden sein. Dafür spricht auch, dass die Beibehaltung des Ausdrucks „Belange“ nur sicherstellen sollte, dass „private Belange“ in die Abwägung eingestellt werden. Die Erreichung dieses Ziels konnte bereits durch die bisherige Formulierung sichergestellt werden, so auch der Abgeordnete Czaja, Plenarprotokoll der 114. Sitzung vom 18. 05. 1960, S. 6418. 258 In diesem Sinne stellt ab Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 109, auf die von den Gemeinden „wahrzunehmenden Belange[n] (Aufgaben) [Kursivierung nicht im Original, M. J.]“; W.  Hoppe, Zwischengemeindliche planungsrechtliche Gemeindenachbarklagen, in: C.-F. Menger (Hrsg.), Fortschritte des Verwaltungsrechts, 1973, S. 307 (319, 319 f. Fn. 39), verlangt von der planenden Gemeinde, dass sie auch private Belange, die innerhalb der Nachbargemeinde bestehen, in die Abstimmung einbezieht. Diese Pflicht leitet er nicht aus § 2 II 1 BauGB ab, sondern wegen der nicht gebietsmäßigen Beschränkung von Belangen aus § 1 VII BauGB, dazu auch unter 2. Teil A. I. 2. a) bb) (3) (a) (S. 101). Zuzugeben ist, dass der Wortlaut von § 2 II 1 BauGB nicht gegen die Einbeziehung privater Belange auf dem Gebiet der Nachbargemeinde spricht. Allerdings wird sich noch zeigen, dass das Abstimmungsgebot nicht den Abgleich der Planungsentscheidungen von planender Gemeinde und Nachbargemeinde verlangt, sondern eine Abwägung von Belangen innerhalb des Aufstellungsprozesses des Bebauungsplans fordert. – An dieser Stelle möchte die Arbeit ausdrücklich noch unbeantwortet lassen, was unter „nachbargemeindlichen Interessen“ zu verstehen ist.

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nis zum bauleitplanerischen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entweder deklaratorisch ist oder eine (überflüssige) Doppelung darstellt. Einige Stimmen in der Literatur gehen diesen Schritt: Sie meinen, dass § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB deklaratorisch die Abwägungserheblichkeit eines nachbargemeindlichen Belangs für die Abwägung des § 1 Abs. 7 BauGB betone259. Dasselbe gilt für diejenigen Autoren, die dafür optieren, § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB (vollständig) in die allgemeine Abwägung zu integrieren260. Die These vollständiger Integration hat zur Folge, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweist und damit entweder nur deklaratorisch oder überflüssig ist. Die Konsequenzen sind dieselben, wenn man, wie es etwa die Rechtsprechung vorschlägt, von einem gestuften Verhältnis von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ausgeht. Die Anstrengungen der planenden Gemeinde zur Überwindung planungsberührter Belange der Nachbargemeinde steigen mit der Intensität ihrer (potentiellen) Betroffenheit. Schafft der Gesetzgeber eine Norm oder ein Normsystem, hat er häufig ein bestimmtes Verhältnis der im System stehenden Normen vor Augen. Vor diesem Hintergrund gibt er den Normen, welche er erzeugt, einen bestimmten Inhalt. Verbreitet ist etwa die Vorstellung, dass in kohärenter Gesetzgebung keine Normen erzeugt werden, die einen vollständig identischen Norminhalt haben. Andernfalls käme es zu (unnötigen) Doppelungen. Dem Gesetzgeber liegt in der Regel auch wenig daran, eine Rechtsnorm zu schaffen, die überhaupt keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat, sondern nur wiederholt oder klarstellt, was schon aus einer 259

Kuschnerus, Abstimmungsgebot (Fn. 63), S. 7. Diese Deutung vertritt im Ergebnis Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 46 f., 80; in diese Richtung wohl auch Krausnick, Factory-Outlet-Center (Fn. 113), S. 199 ff., der von „Inter­ kommunale[r] Abstimmung i. S. des § 1 Abs. 7 i. V. mit § 2 Abs. 2 BauGB“ spricht, ebd., Überschrift auf S. 199; der Gesetzgeber wolle den hohen Stellenwert betonen, welcher der planerischen Abstimmung mit Nachbargemeinden zukomme, indem er das Abstimmungsgebot eigens hervorhebe W.-R. Schenke, Der Rechtsschutz von Nachbargemeinden im Bauplanungsrecht, Teil I, in: VerwArch 98 (2007), S. 448 (450 f.); ähnlich auch M. Wickel, Bauplanung, in: D. Ehlers / M. Fehling / H. Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, § 40 Rn. 145, der das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot als einen in § 2 II 1 BauGB ausdrücklich zu beachtenden Belang einstuft und (darstellerisch) im Abschnitt über die in der allgemeinen Abwägung zu berücksichtigenden Belange verortet. Als eine denkbare Lösung auch W. Durner, Konflikte räumlicher Planungen, 2005, S. 116, der „kritisch zweifel[t], ob § 2 Abs. 2 neben § 1 Abs. 6 [scil. dem heutigen Absatz 7, M. J.] überhaupt nennenswerte eigenständige Bedeutung zukommt oder ob es sich nicht […] lediglich um einen deklaratorischen Hinweis auf die Pflicht handelt, in die bereits nach § 1 Abs. 6 BauGB gebotene planerische Abwägung auch die relevanten Belange betroffener Nachbargemeinden einzustellen.“; Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 153, stuft § 2 II 1 BauGB als Hinweis darauf ein, dass Belange der Nachbargemeinden abwägungsbeachtliche Belange im Rahmen der allgemeinen Abwägung sind und meint, dass es sich bei § 2 II BauGB um eine „ganz wesentliche Hilfestellung zur Zusammenstellung der bei der Bauleitplanung möglicherweise berührten Belange“ handelt, sodass auch er sich in der Tendenz eher für eine deklaratorische Bedeutung von § 2 II BauGB ausspricht. 260

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anderen Norm folgt. Aus diesem Grund sind verschiedene Norminhaltshypothesen auf ihre regelungssystematische Plausibilität zu überprüfen261. Anhand anderer Kriterien lassen sich zwei weitere Norminhaltshypothesen formulieren. Sie würden vermeiden, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB deklaratorisch oder überflüssig wäre. Jedenfalls regelungssystematisch wären diese Norminhaltshypothesen überzeugender. – Das Abstimmungsgebot bildet eine eigenständige Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass eines Bebauungsplans und steht selbstständig neben dem Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist gegenüber § 1 Abs. 7 BauGB die speziellere Regelung, wenn es um die Lösung von Intergemeindestreitigkeiten geht, weil sich der Bebauungsplan der einen Gemeinde auf die Belange der Nachbargemeinde (potentiell) auswirkt262. Die bauleit­planerische Abstimmung greift ein, wenn die vom Bebauungsplan der planenden Gemeinde ausgehenden Auswirkungen auf die Nachbargemeinde eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle erreichen. Die zwischengemeindliche Abstimmung ist gegebenenfalls wie das Abwägungsgebot (ermitteln, bewerten, gewichten) strukturiert. – Das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot bildet einen unselbstständigen Bestandteil des bauleitplanerischen Abwägungsgebots. Die Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist in die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu integrieren. Gemeindenachbarliche Belange sind in das bauleitplanerische Abwägungsgebot einzubeziehen. Das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot modifiziert aber das allgemeine bauleitplanerische Abwägungsgebot des 261

Für die rechtswissenschaftliche Normerkenntnis muss in exakter Umkehrung des gesetzgeberisch Gewollten gedacht werden. Erst dadurch erschließt sich die normerkenntnistheoretische Tragweite des regelungssystematischen Arguments. Die Normerkenntnis unter Zuhilfenahme regelungssystematischer Indizien erfolgt in drei Schritten: Erstens welchen Norminhalt kann die Norm ausgehend von dem Normtext und anderen Indizien haben (vorläufige Norminhaltshypothese)? Zweitens zu welchem Verhältnis führt der angenommene Norminhalt der auszulegenden Norm zu anderen Normen desselben oder anderer Gesetze? Drittens ist das daraus resultierende Verhältnis der beiden Normen zueinander als gesetzgeberisch gewollt plausibel? Wenn nein, welche Norminhaltshypothese überzeugt aus regelungssystematischen Gesichtspunkten eher? Der zweite Schritt des auf diese Weise präzisierten normsystematischen Rückschlussverfahrens auf den Normsetzerwillen erfordert die Kenntnis über den Inhalt der Norm, zu der die Norm, deren Inhalt erst noch ermittelt werden soll, in Verhältnis gesetzt wird. Voraussetzung ist also, dass der (plausibel) feststehende Norminhalt der einen Norm zu einer Norminhaltshypothese einer anderen Norm in Verhältnis gesetzt wird. Erst daran schließt sich die kritische Überprüfung der gewonnenen Norminhaltshypothese unter regelungssystematischen Gesichtspunkten an. Ergibt die Norminhaltsermittlung einen Norminhalt, der zu einem gesetzgeberisch wohl nicht gewollten Normverhältnis führt, ist dies ein Indiz dafür, dass der Norminhalt fehlerhaft ermittelt wurde und eine andere Norminhaltshypothese der Norm unter regelungssystematischen Gesichtspunkten vorzugswürdig ist. 262 In diesem Sinne bspw. Hendler, Modelle (Fn. 66), S. 325, der von einer „den § 1 Abs. 7 vollständig verdrängenden Spezialvorschrift“ ausgeht; ähnlich W.-R. Schenke / R . P. Schenke, in: W.-R. Schenke (Hrsg.), Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Aufl. 2019, § 47 Rn. 79.

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§ 1 Abs. 7 BauGB in einigen Punkten entscheidend. Die ausdrückliche Hervorhebung nachbargemeindlicher Belange als öffentliche Belange im Sinne des § 1 Abs. 7  BauGB verleiht den nachbargemeindlichen Belangen ein (partiell) erhöhtes abstraktes Gewicht in der bauleitplanerischen Abwägung. Es verändert unter Umständen das relevante Abstimmungsmaterial und / oder subjektiviert nachbargemeindliche (öffentliche) Belange zugunsten der Nachbargemeinde und verschafft den Nachbargemeinden damit Ansprüche auf Abstimmung gegenüber der planenden Gemeinde. Das Abstimmungsgebot entfaltet seine modifizierende Wirkung erst, wenn die Auswirkungen eine gewissen Erheblichkeitsschwelle erreichen. (a) Abwägungserheblichkeit nachbargemeindlicher Belange für § 1 Abs. 7 BauGB § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist weder rein deklaratorisch noch sichert er (überflüssig) doppelt ab, was schon § 1 Abs. 7 BauGB verlangt, wenn für § 1 Abs. 7 BauGB nur solche Belange abwägungserheblich sind, die sich räumlich auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränken. In der Literatur wurde teilweise vorgeschlagen, dass für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB nur solche Belange abwägungserheblich seien, die sich räumlich auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränken263. Weil nachbargemeindliche Belange erst durch die Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und nicht schon nach § 1 Abs. 7 BauGB abstrakt abwägungsrelevant wären, würde die Normierung einer überflüssigen Doppelung – zumindest in dieser Hinsicht – vermieden264. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB wäre ferner keine Klarstellung, weil ohne § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nachbargemeindliche Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB nicht abstrakt abwägungsrelevant wären. Voraussetzung dafür ist, dass das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB keine nachbargemeindlichen Interessen umfasst. 263

In diese Richtung Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 171, die im Abschnitt über die allgemeine Abwägung nach § 1 VII BauGB als beachtliche öffentliche Belange „wegen § 2 II BauGB diejenigen [Belange, M. J.] betroffener (Nachbar-)Gemeinden“ nennen, obwohl sich die allgemein abwägungsbeachtlichen Belange auf das eigene Gebiet der planenden Gemeinde beschränken sollen, ebd., § 5 Rn. 148; ähnlich schon in der ersten Auflage des oben genannten, mittlerweile stark erweiterten Werks W. Erbguth, Bauplanungsrecht, 1. Aufl. 1989, S. 78. 264 Diese begrüßenswerte Konsequenz aus der Feststellung, dass allgemein abwägungsbeachtliche Belange nur solche sind, die sich räumlich auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränken, ziehen Erbguth / Schubert anscheinend nicht. Einerseits soll § 2 II 1 BauGB keine „überflüssige Doppelung“ sein, andererseits sei § 2 II 1 BauGB aber in das allgemeine Abwägungsgebot einzuordnen Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 171. Im Ergebnis spricht folglich – trotz der an sich denkbaren Konsequenz ihrer Prämisse zu § 1 VII BauGB – viel dafür, dass Erbguth / Schubert die zwischengemeindliche Abstimmung in die allgemeine Abwägung integrieren. Dafür spricht die Überschrift „Innere Grenzen der Abwägung: Interkommunales Abstimmungsgebot“ sowie die Annahme, es handle sich bei der Abstimmung um einen „Unterfall“ der Abwägung, ebd., § 5 Rn. 170.

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§ 1 Abs. 1 BauGB beschreibt die Aufgabe der Bauleitplanung funktional: Es soll die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des Baugesetzbuchs vorbereitet und geleitet werden265. Die Abwägung des § 1 Abs. 7 BauGB soll sicherstellen, dass die Gemeinde mit ihrem Bauleitplan die konfligierenden Nutzungsansprüche des Bodens in der Gemeinde zu einem gerechten Ausgleich bringt. Bauleitplanung, damit auch der Bebauungsplan ist ein Instrument der Koordination von intragemeindlichen, widerstreitenden Interessen, Belangen sowie Zielen innerhalb des Gebiets der planenden Gemeinde. Die Aufgabenbeschreibung der Bebauungsplanung erfolgt aber gem. § 1 Abs. 1 BauGB „nach Maßgabe dieses [scil. also des Baugesetzbuchs, M. J.]“. Nur weil die Gemeindegrundstücke und die Teile des Gemeindegebiets der Planungsgegenstand der Bebauungsplanungen sind, müssen außergemeindliche Interessen und Belange nicht unbeachtet bleiben. Die Literatur thematisiert die abstrakte Abwägungsbeachtlichkeit von außergemeindlichen Belangen offenbar nur beiläufig266. In Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Abwägungsgebot heißt es zu dieser Frage maximal, dass sich die Abwägungsbeachtlichkeit von Belangen sachlich wie räumlich nur für die jeweilige Planung und die von ihr konkret verfolgten Planungsziele sowie die vorgegebene Situation ermitteln lasse267. Normtextlich beschränkt § 1 Abs. 7 BauGB die Belange nicht räumlich auf das Plangebiet. Auch der Zusatz in § 1 Abs. 1 BauGB spricht nicht zwingend dafür, dass das Gemeindegebiet als Planungsgegenstand die zu berücksichtigenden Belange einschränkt. Die beispielhaft in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sprechen – obgleich der Katalog an unterschiedlichen Gesichtspunkten erst später in dieser Ausführlichkeit Eingang ins Gesetz gefunden hat – dagegen268. Der umfangreiche Katalog von Belangen, welche die planende Gemeinde bei der Bebauungsplanaufstellung berücksichtigen muss, ist nicht nur sachlich, sondern auch räumlich global formuliert und nicht strikt auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränkt. In den Begründungen zu den 265

Zur funktionalen Aufgabenbeschreibung auch Söfker / Runkel (Fn. 89), § 1 (Februar 2015), Rn. 11. – Eine Gemeinde erfüllt mit der Ordnung der Bodennutzung innerhalb ihres Gebiets eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft i. S. v. Art. 28  II 1  GG statt Vieler Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 130 f.; aus der Kommentarliteratur aus dem Baurecht Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 5 f. Dass die Gemeinde eine ihr verfassungsrechtlich (unmittelbar) zugewiesene Aufgabe erfüllt, sagt nichts darüber aus, ob die Gemeinde bei der Wahrnehmung einer solchen Aufgabe gesetzlichen Pflichten unterliegt, etwa in Gestalt des Abwägungsgebots nach § 1 VII BauGB. Wie sich im Laufe der Untersuchung zeigt, kann es sich bei den Pflichten etwa um eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Einschränkung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie des Art. 28 II 1 GG zum Schutz anderer (etwa natürlicher Personen oder anderer Gemeinden) handeln, eingehend 3.  Teil B. II. 2. a) (S. 413 ff.). 266 Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 318, der ohne Umschweife meint: „Das Abwägungsgebot ist aber an Gemeindegrenzen ebenso wenig gebunden wie die bei der Abwägung zu berücksichtigenden Belange des § 1 Abs. 4 u. 5 BBauG; weder das Abwägungsgebot, noch die Reichweite der Belange sind auf das Gemeindegebiet beschränkt.“; ähnlich Fingerhut, Gemeindenachbarklage (Fn. 2), S. 13; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 96. 267 Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 142. 268 Söfker / Runkel (Fn. 89), § 1 (Februar 2015), Rn. 2.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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ersten Entwürfen des Bundesbaugesetzes hieß es, dass die Bauleitplanung auch übergeordnete und überörtliche Belange zu berücksichtigen habe269. Aus diesem Grund umfassen die in § 1 Abs. 7  BauGB genannten „öffentlichen Belange“ auch solche, die einen übergebietlichen Bezug aufweisen. In die bauleitplanerische Abwägung sind grundsätzlich auch nachbargemeindliche Belange einzube­ ziehen270. Nicht erst § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verpflichtet die planende Gemeinde dazu, dass sie nachbargemeindliche Belange in ihre Planungsentscheidung einbezieht. Der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB geht deshalb jedenfalls in dieser Hinsicht nicht über den des § 1 Abs. 7 BauGB hinaus. (b) Rechtsschutzgewährungsfunktion von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB Der gegenüber dem Abwägungsgebot bestehende eigenständige Regelungsgehalt des heutigen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB könnte darin liegen, dass erst er Nachbargemeinden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen Bebauungspläne anderer Gemeinden ermöglicht271. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB könnte den Nachbargemeinden einen Anspruch auf Abstimmung, d. h. Einbeziehung ihrer Belange in die Abwägungsentscheidung der planenden Gemeinde bei Aufstellung des Bebauungsplans vermitteln. Verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz ermöglicht planbetroffenen Nachbargemeinden (heute) die oberverwaltungsgerichtliche prinzipale Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, wenn sich Nachbargemeinden unmittelbar gegen einen Bebauungsplan der planenden Gemeinde wehren272. Nachbargemeinden sind nicht (nur) auf die inzidente Kontrolle von Bebauungsplänen angewiesen oder gar auf sie beschränkt273. Der Normenkontrollantrag ist statthafter Rechtsbehelf der 269

BT-Drs. 2/1813, S. 68; BT-Drs. 2/3028, S. 78 f.; BT-Drs. 3/336, S. 61 f. So das BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (33) – FOC Zwei­ brücken; OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 50; VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (373); ähnlich statt Vieler Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 96. 271 Andeutungsweise Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 315 ff., 321 f., der § 2 IV BBauG (heute: § 2 II 1 BauGB) als speziellgesetzliche sog. Reaktionsnorm einordnet, die erforderlich ist, um Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche von planbetroffenen Nachbargemeinden zu ermöglichen. 272 Die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. 01. 1960, BGBl. I, S. 17, sah noch keine bundesweit geltende prinzipale Normenkontrolle kraft Bundesrechts vor. § 47 der ursprüng­ lichen Fassung der VwGO ermächtigte die Landesgesetzgebung dazu, die prinzipale Normenkontrolle einzuführen. Erst mit Art. 1 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften vom 24. 08. 1976, BGBl. I, S. 2437, führte der Bundesgesetzgeber kraft bundesrechtlicher Regelung in § 47 die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle für Satzungen nach dem Bundesbaugesetz bundeseinheitlich ein. 273 Bebauungspläne können innerhalb des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (inzidenter) verwaltungsgerichtlicher Prüfungsgegenstand sein Külpmann (Fn. 102), § 10 Rn. 354 ff.; O.  Reidt, in: Battis / K rautzberger / Löhr, BauGB (Fn. 49), § 10 Rn. 27; allgemein zum Verhältnis von Normenkontrolle und Inzidentkontrolle von Bebauungsplänen noch zu § 47 VwGO a. F., an dem sich insoweit nichts geändert hat Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 22 ff.; H.-J. Papier, Normenkontrolle 270

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Nachbargemeinde in aller Regel nur gegen den Bebauungsplan, nicht aber gegen den Flächennutzungsplan der planenden Gemeinde. Der Bebauungsplan ist tauglicher Antragsgegenstand der Normenkontrolle, da es sich bei ihm um eine Satzung im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO handelt, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurde (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB)274. Entscheidende Hürde für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist früher wie heute, dass die Nachbargemeinden nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO antragsbefugt sind. Der Bebauungsplan bindet die Nachbargemeinden nicht rechtlich; er gilt nicht in dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der Nachbargemeinde. Keine Behörde der Nachbargemeinde muss den Bebauungsplan der planenden Gemeinde beachten275. Nachbargemeindliche Behörden sind deshalb nicht nach § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 2 VwGO antragsbefugt276. Nachbargemeinden könnten (§ 47 VwGO), in: H.-U. Erichsen / W. Hoppe / A. v. Mutius (Hrsg.), System des verwaltungs­ gerichtlichen Rechtsschutzes, 1985, S. 517 (518 ff.); H.-J. Dageförde, Prinzipale und inzidente Kontrolle desselben Bebauungsplanes, in: VerwArch 79 (1988), S. 123 (123 ff.); zur Auswirkung der Jahresfrist prinzipaler Normenkontrolle auf die inzidente Überprüfung des Bebauungsplans BVerwG, Beschl. v. 28. 12. 2000 – 4 BN 32/00, ZfBR 2001, 350 (350); BVerwG, Beschl. v. 10. 10. 2006 – 4 BN 29/06, ZfBR 2007, 149 (150); BayVGH, Beschl. v. 08. 10. 2018 – 1 N 15.1910, BeckRS 2018, 24970 Rn. 13. 274 Zur Statthaftigkeit der prinzipalen Normenkontrolle gegen Bebauungspläne sowie zur Unstatthaftigkeit der prinzipalen Normenkontrolle gegen Flächennutzungspläne aus der Kommentarliteratur statt Vieler Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 21 f.; aus dem sonstigen Schrifttum Ehlers, Normenkontrolle (Fn. 91), § 27 Rn. 28 f., 31 ff.; Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 5127, allerdings zur ausnahmsweisen Statthaftigkeit der Normenkontrolle, wenn sich der Normenkontrollantrag gegen eine Konzentrationsflächenplanung mit der Ausschlusswirkung des § 35 III BauGB richtet, ebd., Rn. 5136; einleitend C. M. Jeromin, Normenkontrollen gegen Flächennutzungspläne, in: NVwZ 2006, S. 1374 (1374 ff.); W.-R. Schenke, Rechtsschutz gegen Flächennutzungspläne, in: NVwZ 2007, S. 134 (134 ff.); aus der Rspr. s. nur BVerwG, Beschl. v. 20. 07. 1990 – 4 N 3/88, NVwZ 1991, 262 (262 ff.); kürzlich BVerwG, Beschl. v. 11. 06. 2018 – 4 BN 38/17, BeckRS 2018, 13896 Rn. 1. 275 Dazu bereits Fn. 91; statt Vieler m. w. N. S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 106. – Vereinzelt wurden Nachbargemeinden als „Behörde“ für antragsbefugt gehalten F. O. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 4. Aufl. 1979, § 47 Rn. 33; ausnahmsweise sei eine Nachbargemeinde als Behörde antragsbefugt, wenn diese einen „Zwang zur planerischen Reaktion“ treffe und die Nachbargemeinde klären möchte, ob der sie zu einer planerischen Reaktion zwingende Bebauungsplan der anderen Gemeinde wirksam sei VGH BW, Urt. v. 25. 08. 1977 – III 1234/76; obwohl auch das OVG NRW, Urt. v. 26. 04. 1979 – VIIa NE 26/78, juris Rn. 33, den „Zwang zur ‚planerischen Reaktion‘“ als gegeben ansah, nahm es keine Antragsbefugnis als Behörde, sondern als juristische Person an; eine behördliche Antragsbefugnis besteht nach Auffassung von Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 121 f., nur, wenn es der Gemeinde um die Klarstellung der Rechtslage gehe; jüngst zur Behördenantragsbefugnis des § 47 II 1 Var. 2 VwGO n. F., die insoweit der alten Fassung entspricht, mit rechtssystematischen Zweifeln Ortwin, Normenkontrollantrag (Fn. 145), S. 821 ff., er hegt besonders deshalb Zweifel, weil die Gemeinden ihrerseits wegen des Abstimmungsgebots die in Bebauungsplänen zum Ausdruck kommenden planerischen Willen anderer Gemeinden zu berücksichtigen haben. 276 Ausdrücklich offenlassend VGH BW, Beschl. v. 21. 12. 1976 – III 415/76, NJW 1977, 1465 (1466); ausdrücklich ablehnend OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 03. 2002 – 8 C 11131/01.OVG, juris Rn. 21.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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aber als Körperschaften des öffentlichen Rechts und Träger von Behörden, nicht aber als Behörden selbst, nach § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO antragsbefugt sein277. 277

Für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren muss man unterscheiden zwischen der Antragsbefugnis von Behörden, die dann antragsbefugt sind, wenn sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Rechtsvorschrift zu beachten haben und die angegriffene Rechtsvorschrift in ihrem Zuständigkeitsbereich gilt, und der Antragsbefugnis von juristischen Personen, auch des öffentlichen Rechts, deren Verwaltung sie bilden. Zutreffend Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 79; Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 259 ff. Die Antragsbefugnis von Behörden und juristischen Personen ist unter verschiedenen Voraussetzungen gegeben. Teile der Kommentarliteratur trennen ausdrücklich zwischen Behörden und den Körperschaften, deren Verwaltung die Behörden bilden, nochmals Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 79; andere trennen nicht zwischen Behörde und der sie tragenden Körperschaft bzw. allgemeiner dem sie tragenden Verwaltungsträger. So meint ausgehend von einem funktionalen Behördenbegriff z. B. Ziekow (Fn. 91), Rn. 262, 265, dass auch Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Organe öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeiten ausüben, Behörden i. S. d. § 47 II 1 VwGO seien. Es kann damit sein, dass zwei alternative Ableitungen der Antragsbefugnis möglich sind. Diese Ineinssetzung von Behörde und Körperschaft ist vor dem Hintergrund der verwaltungsorganisationsrechtlichen Trennung von Verwaltungsträger und seinen Behörden nicht unproblematisch; eingängig zum Verhältnis von Behörde / Verwaltungsträger T. Groß, Die Verwaltungsorganisation als Teil organisierter Staatlichkeit, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen  I (Fn. 25), § 13 Rn. 85; Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 21 Rn. 7 ff., 42 f. Allerdings muss der Rechtsbegriff „Behörde“ im § 47 II 1 VwGO wie auch Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 37, zutreffend bemerkt, nicht mit dem verwaltungsorganisationsrechtlichen Behördenbegriff zwingend übereinstimmen. Ob auch die juristische Person selbst Behörde i. S. d. § 47 II VwGO ist, hängt davon ab, was man unter dem Rechtsbegriff „Behörde“ konkret i. S. d. § 47 II 1 VwGO versteht. – Gemeinden nehmen in dieser Diskussion unabhängig von der all­gemeinen Diskussion um den Behördenbegriff des § 47 II 1 VwGO eine gewisse Sonderstellung ein J. Kerkmann / E . Huber, in: K. F. Gärditz (Hrsg.), Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung mit Nebengesetzen, 2. Aufl. 2018, § 47 Rn. 70, weil Gemeinden häufig sowohl als Behörde als auch als juristische Person eingeordnet werden; so auch BVerwG, Beschl. v. 15. 03. 1989 – 4 NB 10/88, BVerwGE 81, 307 (309), in der sich eine Gemeinde gegen einen Regionalplan wandte, wenn es heißt, dass „[d]ie Gemeinde […] als Körperschaft des öffentlichen Rechts juristische Person [ist]. Sie ist aber auch Behörde (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG). In dieser Eigenschaft ist sie unter erleichterten Voraussetzungen antragsbefugt: Behörden können die gerichtliche Prüfung von Rechtsvorschriften betreiben, ohne einen Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO darlegen zu müssen.“; die Behördeneigenschaft der Gemeinde grds. für denkbar, sie im konkreten aber nicht für gegeben erachtete der VGH BW, Urt. v. 27. 02. 1987 – 5 S 2472/86, NVwZ 1987, 1088 (1088); nachfolgend die Gemeinde als Behörde einordnend VGH BW, Beschl. v. 05. 08. 1998 – 8 S 1906/97, NVwZ 1999, 1249 (1249 Ls. 1, 1250); ähnlich der HessVGH, Beschl. v. 20. 02. 1995 – 4 N 4122/87, juris Rn. 31. Für den Rechtsschutz von Nachbargemeinden gegen den Bebauungsplan einer anderen Gemeinde kommt es für die Untersuchung auf die Auslegung des Rechtsbegriffs „Behörde“ nicht an. Auch diejenigen, die meinen, dass Gemeinden „Behörde“ i. S. d. § 47 II 1 VwGO sein können, lehnen die Antragsbefugnis von Nachbargemeinden als Behörde für den Fall ab, in dem der Bebauungsplan einer anderen Gemeinde nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Nachbargemeinde gilt und die Nachbargemeinde den Bebauungsplan der anderen Gemeinde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht zu beachten hat Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 266; BVerwG, Beschl. v.  15. 03. 1989  – 4  NB  10/88, BVerwGE 81, 307 (310); VGH BW, Urt. v. 27. 02. 1987 – 5 S 2472/86, NVwZ 1987, 1088 (1088); umfassend zur Antragsbefugnis von Nachbargemeinden als Behörde Ortwin, Normenkontrollantrag (Fn. 145), S. 821 f.  – Keinen Zweifeln unterliegt, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts juristische Personen i. S. d. § 47 II 1 VwGO sein können. Das galt bereits für § 25 südd. VGG, an dem sich

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags macht es einen erheblichen Unterschied, ob eine Gemeindebehörde einen Normenkontrollantrag stellt oder die Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts, vertreten durch ihren Vertreter. Die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags einer Behörde ist nicht davon abhängig, dass die Behörde eine Rechtsverletzung geltend machen kann278. Dieselbe Unterscheidung zwischen der Behördenantragsbefugnis und der Antragsbefugnis natürlicher und juristischer Personen sah § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO a. F. vor, als es noch für die Antragsbefugnis natürlicher und juristischer Personen auf einen Nachteil ankam279. Seit der erstmaligen Normierung des bauleitplanerischen Abwägungsgebots des heutigen § 1 Abs. 7 BauGB (ehemals: § 1 Abs. 4 S. 2 BBauG) und des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots des heutigen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB (ehemals: § 2 Abs. 4 BBauG) änderte sich die verwaltungsprozessuale Lage für die Antragsbefugnis natürlicher und juristischer Personen erheblich280. Bei Erlass des Bundesbaugesetzes war noch keine bundesweite prinzipale Normenkontrolle vorgesehen281. Mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996282, in Kraft getreten am 1. Januar 1997, novellierte der Gesetzgeber die Zulässigkeitsvoraussetzungen der seit 1976 kraft Bundesrechts verbindlichen Normenkontrolle. Zuvor hieß es in § 47 Abs. 2 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung vom 19. März 1991, zuletzt geändert am 23. November 1994 in Übereinstimmung mit der Fassung des Jahres 1976: „Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat, […] stellen.“283 Mit dem Sechsten Gesetz zur

die Regelung der Normenkontrolle ausweislich der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 3/55, S. 33, orientiert; E.  Eyermann / L.  Fröhler, Kommentar zum Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, Bremen, Hessen und Württemberg-Baden, 1950, § 25 Anm. II.1.a.bb; F. O. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 1. Aufl. 1974, § 47 Anm. 7, der sogar ausdrücklich Gemeinden beispielhaft nennt; heute ist es selbstverständlich, dass Gemeinden juristische Personen i. S. d. § 47 II 1 VwGO sind Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 67; Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 38. 278 Zum Begriff der juristischen Person H. Dreier, s. v. Person, in: W.  Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 2006, Sp. 1765 (1768). 279 BVerwG, Beschl. v. 15. 03. 1989 – 4 NB 10/88, BVerwGE 81, 307 (309 f.). 280 Knapp zur Entstehungsgeschichte und den wesentlichen Änderungen bis zum Stand 2016 Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 1 ff., oder 2014 Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 1; aus der älteren Literatur bis zum Jahr 1987 Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 11 ff., mit besonderem Augenmerk auf die Einführung einer bundeseinheitlichen Normenkontrolle. 281 Siehe Fn. 272. 282 Sechstes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 01. 11. 1996, BGBl. I, S. 1626. 283 Bis 1997 setzte die Antragsbefugnis des § 47 II 1 Var. 1 VwGO a. F. einen Nachteil voraus. Über die Auslegung des Nachteilsbegriffs herrschte Streit z. B. H. Kapsreiter, Der Begriff des Nachteils als Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags natürlicher und juristischer Personen nach § 47 VwGO, 1986, S. 1 ff.; knapp Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 34 f. Für die Praxis beendete das BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 – Abwägungs-

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze kam es ab 1997 darauf an, dass die natürliche oder juristische Person geltend machen konnte, „durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden“. Möchte man den Norminhalt des heutigen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, der bis auf geringe normtextliche Abweichungen nahezu wörtlich den Vorgängervorschriften entspricht, unter verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzaspekten deuten, liegt es nahe, dies nicht (allein) auf Grundlage der heutigen verwaltungsprozessualen Rechtslage zu tun. Für den gesetzgeberisch beabsichtigten Regelungsgehalt der Erstnormierung des Abstimmungsgebots in § 2 Abs. 4 BBauG (heute: § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB) im Verhältnis zum bauleitplanerischen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 4 S. 2 BBauG (heute: § 1 Abs. 7 BauGB) käme es darauf an, wie verwaltungsgericht­ licher Rechtsschutz zum Erlasszeitpunkt des Bundesbaugesetzes ausgestaltet war. In welche Regelungssituation entließ der Gesetzgeber das Abstimmungsgebot? Durch die mehrfachen Eingriffe in den Gesetzesbestand des Bundesbaugesetzes und des Baugesetzbuchs ist aber davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die verwaltungsprozessualen Entwicklungen legislativ nachvollzogen hat. Heute interessiert daher nur noch die aktuelle Rechtslage. Es mag sein, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB heute einen anderen Norminhalt und eine andere Funktion hat, als § 2 Abs. 4 BBauG zum Zeitpunkt seines Erlasses284.

material (Grundsatzentscheidung [auch] zur Auslegung des Nachteilsbegriffs), die seit Jahrzehnten schwelende Debatte über den Inhalt des Rechtsbegriffs Nachteil – jedenfalls bezogen auf private Antragsteller für den Rechtsschutz gegen Bebauungspläne. Die Entscheidung blieb im Schrifttum nicht ohne Kritik, dazu nur die Anmerkungen zu dieser Entscheidung von K. A. Bettermann, Anmerkung zu BVerwG, Beschl. v. 9. 11. 1979 – 4 N 1.78, 4 N 2 – 4.79, in: DVBl. 1980, S. 237 (237 ff.), sowie von W. Skouris, Die Legitimation zur Anfechtung von Bebauungsplänen, in: DVBl. 1980, S. 315 (315 ff.); Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 45 ff. In Übereinstimmung mit der verbreiteten Auffassung zum Nachteil des süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetzes und der von einigen Obergerichten vertretenen Auslegung des Nachteilsbegriffs verlangte das Bundesverwaltungsgericht zunächst die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (96) – Abwägungsmaterial. Speziell für die Antragsbefugnis von Normenkontrollanträgen gegen Bebauungspläne präzisierte das BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (94, 100) – Abwägungsmaterial, den Nachteilsbegriff. Es nahm einen „die Befugnis zur Einleitung eines Normkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründende[n] Nachteil“ i. S. d. § 47 II 1 VwGO a. F. dann an, „wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d. h. verletzend in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt des Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte.“ 284 Die Vorstellung eines Bedeutungswandels einer Norm, verstanden als die Änderung ihres Inhalts ohne ausdrückliche Änderung des Normtextes, ist einigermaßen kurios: Der Inhalt einer Norm (§ 2 II BauGB) ändert sich quasi geräuschlos, weil der Bundesgesetzgeber andere Normen (§ 47 II 1 Var. 1 VwGO) änderte? Ein unbeabsichtigter, stiller Wandel des Norminhalts ist nicht denkbar. Der Wandel von Norminhalten setzt voraus, dass der Normerzeuger auf Grund der Änderung der einen Norm der anderen Norm einen neuen Inhalt zuweist. Auf-

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Das Veränderungspotential des Sechsten Verwaltungsgerichtsordnungsänderungsgesetzes für den Normenkontrollantrag beurteilt das Schrifttum unein­ heitlich285. Das mögliche Veränderungspotential betrifft einerseits die geschützte Rechtsposition („Rechte“) des Antragstellers, andererseits seine prozessualen Darlegungslasten („geltend macht“)286. Die Rechtsprechung und das Schrifttum

geworfen ist damit die Frage nach der Wandelbarkeit des Rechts. Als eine besondere Form des Rechtswandels streitet die Wissenschaft vom Öffentlichen Recht allerdings mehr über den Verfassungswandel; zum Verfassungswandel als eine Form des Rechtswandels Jestaedt, Theorie (Fn. 162), S. 55 f., insb. S. 55 Rn. 161. Anlass zu Zweifeln, ob es sich tatsächlich um eine Frage des Rechtswandels handelt, gibt der Umstand, dass es nicht um den Einfluss sozio-ökonomischer Faktoren auf den Inhalt von Normen geht. Anders als beim Rechts- oder Verfassungswandel geht es wohl mehr um eine methodologische Frage, die sich in der rechtserkenntnistheoretischen Tragfähigkeit des rechtssystematischen Indizes bei wandelndem Normenbestand niederschlägt. 285 Eine umfangreiche Studie zur Antragsbefugnis bei Normenkontrollen nach dem 6. VwGOÄndG und der bis dahin geltenden Gesetzeslage legt vor P. Schütz, Die Antrags­befugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen nach dem 6. VwGOÄndG, 2000. – Ein Veränderungspotential des 6. VwGOÄndG betreffend die Antragsbefugnis im Normenkon­trollantrag spricht vollständig ab H. Dürr, Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen, in: NVwZ 1996, S. 105 (109); zu den Änderungen und Neuerungen in der VwGO durch das 6. VwGOÄndG allgemein C. Meissner, Die Novellierung des Verwaltungsprozeßrechts durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, in: VBlBW 1997, S. 81 (81 ff.); U. Numberger / T. Schönfeld, Neuerungen in der VwGO, in: UPR 1997, S. 89 (89 f.). 286 Bezogen auf die geschützte Rechtsposition geht der Großteil des Schrifttums und der Rspr. heute davon aus, dass es sich bei der geschützten Position um ein (subjektiv-öffentliches) Recht handeln muss statt Vieler K. Redeker, in: ders. / H.-J. v. Oertzen (Begr.), Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2014, § 47 Rn. 28; aus der jüngeren Judikatur BVerwG, Urt v. 30. 04. 2004 – 4 CN 1/03, NVwZ 2004, 1120 (1120); BVerwG, Beschl. v. 29. 07. 2013 – 4 BN 13/13, ZfBR 2014, 159 (159); teilweise wird davon ausgegangen, dass – obwohl der Unterschied von § 47 II 1 VwGO a. F. und n. F. im Grundsatz anerkannt wird, dass „der Unterschied nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick scheint“, zu dieser Relativierung F. O. Kopp /  W.-R.  Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 1998, § 47 Rn. 30; gegen eine Änderung der Anforderungen an die geschützte Rechtsposition Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 201. Mit der Frage freilich verwoben, ob sich die Zugangshürden des Normenkon­ trollantrags durch die Novellierung des § 47 II 1 Var. 1 VwGO erhöht haben, hängt auch zusammen, ob nunmehr ein sog. subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung anerkannt wird; Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 163, meint sogar, dass die Frage nach Existenz, Umfang oder Inhalt eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf gerechte Abwägung den Meinungsstreit über das Veränderungspotential der Novelle beherrsche; weil viele Autoren ein solches Recht anerkennen, kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Anforderungen an die geschützte Rechtsposition nicht geändert hätten s. dazu Numberger / Schönfeld, Neuerungen (Fn. 285), S. 89; Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 160 ff.; umfassende Darstellung des Streitstands über das Veränderungspotential in den einzelnen Fallgruppen des Nachteils Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), insb. S. 105 ff., 109 ff., 162 ff. In der Pflicht des Antragstellers, die Rechtsverletzung „geltend zu machen“, erblickt Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 42, die eigentliche Änderung: Wie der Großteil des Schrifttums spricht er sich für die Übertragung der sog. Möglichkeitstheorie aus Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 43 ff.; für eine sog. modifizierte Möglichkeitstheorie, die auf eine im Vergleich zu § 42 II VwGO gestei-

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verstehen das Erfordernis der Rechtsverletzung nahezu durchgehend wie das Erfordernis der Klagebefugnis in § 42 Abs. 2 VwGO287. Der Antragsteller muss gem. § 47 Abs. 2 S. 1 Var.  1 VwGO möglicherweise in einem ihm zustehenden (­subjektiv-öffentlichen) Recht verletzt sein. Die Möglichkeit der Rechtsverletzung bezieht sich nur auf die Verletzung des Rechts, nicht aber auf dessen abstraktes Bestehen288. Nachbargemeinden müssen, weil sie nicht als Behörde antragsbefugt sind, wenn sie sich gegen den Bebauungsplan der planenden Gemeinde wehren, eine Rechtsverletzung geltend machen. Der Begriff des „Rechts“ im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO umfasst als Oberbegriff sowohl Rechte, die im eigentlichen Sinne subjektiv-öffentliche Rechte sind als auch andere Rechtspositionen289. Für die Beantwortung der gerte Konkretisierung- und Substantiierungslast des Antragstellers hinausläuft Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 205; zum Streitstand insgesamt Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 118 ff., 260 ff.; für die Geltung der sog. Schlüssigkeitstheorie, wonach es der schlüssigen Behauptung des Antragstellers bedarf, in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt zu sein etwa früh BayVGH, Urt. v. 04. 06. 1997 – 26 N 96.2963, BayVBl. 1997, 591 (591, 593), nach dem § 47 II 1 VwGO n. F. „‚die konkrete und substantiierte‘ Darlegung der Möglichkeit“ der Rechtsverletzung verlange; so auch BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (217 f.); BVerwG, Beschl. v. 29. 07. 2013 – 4 BN 13/13, ZfBR 2014, 159 (159). 287 Die Antragsbefugnis des Normenkontrollantrags entspricht nach der heute überwiegend vertretenen Lesart des § 47 II VwGO der Klagebefugnis des § 42 II VwGO; dazu hält der Entwurf der Bundesregierung vom 06. 03. 1996 fest, dass die „Antragsbefugnis […] an die Regelung der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) angepaßt werden [soll]“, BT-Drs. 13/3993, S. 4, 10; die Antragsbefugnis setzt voraus, dass es sich bei der verletzen oder gefährdeten Rechtsposition um ein „Recht“ i. S. d. § 47 II VwGO handelt Ehlers, Normenkontrolle (Fn. 91), § 27 Rn. 39 f.; Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 148 ff.; Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 42 ff., der allerdings auf unterschiedliche Ableitungszusammenhänge aufmerksam macht; Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 46. 288 Nach der klassischen Definition des BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1963 – V C 219/62, JZ 1964, 301 (301), muss die Möglichkeit der Rechtsverletzung bestehen: „Die Klage ist nur unzulässig“, so heißt es, „wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können“; kürzlich mit derselben Wendung BVerwG, Urt. v. 29. 11. 2018 – 4 A 7/18, juris Rn. 9; der richtige Bezugspunkt der sog. Möglichkeitstheorie ist nur die Verletzung und nicht das abstrakte Bestehen des Rechts Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 44; A. Scherzberg, Subjektiv-öffentliche Rechte, in: D. Ehlers / H. Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 12 Rn. 29; K. F. Gärditz, in: ders., VwGO (Fn. 277), § 42 Rn. 107; H. Sodan, in: ders. / Ziekow, VwGO (Fn. 91), § 42 Rn. 379 f.; zutreffend differenziert R. P. Schenke, in: Schenke, VwGO (Fn. 262), § 42 Abs. 2 Rn. 66, weiter, dass zwar der Rechtssatz realiter geeignet sein müsse, ein subjektives Recht zu begründen, dass es aber ausreiche, wenn die Möglichkeit des Vorliegens eines unter dem Rechtssatz zu subsumierenden Sachverhalts bestehe; als drei eigenständige Voraussetzungen (Bestehen des Rechts in abstracto, Antragsteller zählt in abstracto zum geschützten Personenkreis, Antragsteller macht auch in concreto plausibel, dass er in diesem ihn schützenden Recht verletzt ist) ausgeflaggt von Ehlers, Befugnis (Fn. 110), S. 1051; anders wohl Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 275), S. 76. 289 Die Untersuchung muss nicht beantworten, ob es sich bei den Rechten im „organschaft­ lichen Rechtskreis“, so etwa die Überschrift bei R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO I (Fn. 91), § 42 Abs. 2 (Grundwerk), Rn. 91 ff., die nahezu unstrittig als „Recht“ i. S. d. § 47 II 1 VwGO oder § 42 II VwGO anerkannt sind, um ein „subjektiv-öffentliches“ Recht

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Frage, ob Gemeinden in abstracto ein Recht im Sinne von §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO zustehen kann, ist zunächst von den Grundsätzen der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht auszugehen. Ungeachtet aller Unsicherheit über

im verwaltungsdogmatischen Sinne handelt. Im Ausgangspunkt bereits umstritten ist, ob es sich bei dem Streit nicht (nur) um eine terminologische Frage handelt wie Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 27 ff., meint; den Streit nicht als eine Frage bloßer Terminologie abtun will R. Wahl, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO I (Fn. 91), Vorbm. § 42 Abs. 2 (Grundwerk), Rn. 120. Für die Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte im organschaftlichen Rechtskreis H. Bauer, Subjektive Öffentliche Rechte des Staates, in: DVBl. 1986, S. 208 (213 f., 217), der sich insgesamt für die Etablierung einer „Lehre vom Rechtsverhältnis“ ausspricht; für subjektive Rechte des Staates auch Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 27, wobei unklar ist, ob dies nur im Verhältnis Staat / Bürger gelten soll; gegen die Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte im organschaftlichen Rechtskreis z. B. Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 43, 92, welche die Rechte im organschaftlichen Rechtskreis allenfalls als subjektiv-öffentliche Rechte im weiteren Sinne deuten, aber sie nicht als subjektiv-öffentliche Rechte im eigentlichen Sinne einordnen wollen; gleichsinnig Wahl (Fn. 289), Vorbm. § 42 Abs. 2 Rn. 118, insb. Rn. 120; gegen die Einordnung z. B. von Kompetenzen und organschaftlichen „Rechten“ als subjektiv-öffentliche Rechte J. Masing, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen I (Fn. 25), § 7 Rn. 105; Schenke (Fn. 288), § 42 Rn. 78 ff.; offenlassend C. Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, 1999, S. 130, insb. S. 130 Fn. 20; H. Wißmann, Funktionsfreiheiten in der öffentlichen Verwaltung, in: ZBR 2003, S. 293 (302 ff.). Ausführliche Untersuchungen von subjektiv-öffentlichen Rechten juristischer Personen des öffentlichen Rechts bieten: W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 462 ff.; die Problematik von subjektiven Rechten gilt in Sonderheit auch für das Organisationsrecht und dem Verhältnis von Organen zueinander D. Lorenz, Zur Problematik des verwaltungsgerichtlichen Insichprozesses, in: AöR 93 (1968), S. 308 (308 ff.); E. W. Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Menger, Fortschritte (Fn. 258), S. 269 (302 ff.); F. E. Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, in: AöR 105 (1980), S. 243 (275 ff.); Bauer, Rechte (Fn. 289), S. 208 ff., ausdrücklich zu Gemeinden S. 214. Jedenfalls (nahezu) unbestritten ist, dass auch Rechtssubjekten im organschaftlichen Rechtskreis (Gemeinden, sonstigen Selbstverwaltungsträgern etc.) im Allgemeinen (dazu Wahl [Fn. 289], Vorbm. § 42 Abs. 2 Rn. 118 ff.; Wahl / Schütz [Fn. 289], § 42 Abs. 2 Rn. 91 ff.; Masing, Rechtsstatus [Fn. 289], § 7 Rn. 105, wobei unklar ist, ob Masing davon ausgeht, dass diesen ein „Recht“ i. S. d. § 42 II VwGO zustehen kann oder wie Wißmann, Funktionsfreiheiten [Fn. 289], S. 302 ff., meint, es sich bei einer diesen zustehenden Antragsbefugnis um eine Ausnahme nach § 42 II Hs. 1 VwGO handelt; Gärditz [Fn. 288], § 42 Rn. 55; Schenke [Fn. 288], § 42 Rn. 80 ff.), sowie Gemeinden im Besonderen (s. Schütz, Antragsbefugnis [Fn.  285], S. 128 Fn. 3; Wahl [Fn. 289], Vorbm. § 42 Abs. 2 Rn. 119; Wahl / Schütz [Fn. 289], § 42 Abs. 2 Rn. 104 f.; Panzer [Fn. 91] § 47 Rn. 67; Gärditz [Fn. 288], § 42 Rn. 105; Ziekow [Fn. 91], § 47 Rn. 234; Schenke [Fn. 288], § 42 Rn. 138 ff.; Schenke / Schenke [Fn. 262), § 47 Rn. 79), ein „Recht“ i. S. v. §§ 42 II, 47 II 1 Var.  1 VwGO zustehen können; allgemeiner von einer „wehrfähigen Rechtsposition“ spricht m. w. N. Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 482 f.; zu eng wohl Wißmann, Funktions­ freiheiten (Fn. 289), S. 302 ff., der „Rechte“ i. S. d. § 42 II VwGO ausschließlich als die klassischen subjektiv-öffentlichen Rechte deutet und die Antragsbefugnis im organschaftlichen Rechtskreis ausschließlich über die Ausnahmeklausel des § 42 II Hs. 1 VwGO bewerkstelligen möchte, er stuft etwa Kompetenzzuweisungen als „andere gesetzliche Regelung“ des § 42 II Hs. 1 VwGO ein; eine Ausnahme von dem Erfordernis der Verletzung eigener Rechte wie in § 42

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Rechte im organschaftlichen Rechtskreis, bildet das klassische subjektiv-öffentliche Recht den Prototypen der Rechte im Sinne von §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO. Die Rechte der §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO müssen daher strukturell dem (klassischen) subjektiv-öffentlichen Recht entsprechen. Das subjektiv-öffentliche Recht und seine Voraussetzungen sind in den vergangenen Jahren verschiedentlich – europarechtlich beeinflusst – (noch) weiter unter Druck geraten290. Der wohl (noch) anerkannteste Auslegungstopos für die Ermittlung eines subjektiv-öffentlichen Rechts ist die sog. Schutznormlehre291. Die Schutznormlehre ist ein nicht starr zu handhabendes Auslegungsinstrument zur Ermittlung des subjektivrechtlichen Charakters einer Norm292. Für ein subjektiv-öffentliches Recht kommt es nach der Schutznormlehre darauf an, dass dem Einzelnen kraft öffentlichen Rechts die Macht verliehen wird, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein

II Hs. 1 VwGO sieht § 47 II 1 Var. 1 VwGO ohnehin nicht vor. Die Antragsbefugnis im organschaftlichen Rechtskreis für die Normkontrolle kann damit nicht über die Ausnahmevorschrift der Rechtsverletzung begründet werden. Für eine Nachbargemeinde, die sich gegen den Bebauungsplan einer anderen Gemeinde wendet, folge das „Recht“ i. S. d. § 47 II 1 Var. 1 VwGO in aller Regel aus § 2 II 1 BauGB Wahl /  Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 105; Gärditz (Fn. 288), § 42 Rn. 105; Kerkmann / Huber (Fn. 277), § 47 Rn. 98; Schenke (Fn. 288), § 42 Rn. 138a; Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 79 Spiegelstrich 7; weitere Nachweise s. auch Fn. 308.  – Davon zu unterscheiden ist, ob derartige „Rechte“ von Verwaltungseinheiten auch ein „Recht“ i. S. der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 19 IV sein können, prononciert dagegen etwa E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G.  Dürig (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. III, Art. 19 Abs. 4 (August 2020), Rn. 150, wobei er ausdrücklich anerkennt, dass „‚Rechtspositionen des organschaftlichen Rechtskreises‘ […] in den Lehren des einfachen Prozessrechts (§ 42 Abs. 2 VwGO) als subjektive Rechte behandelt werden.“; so recht kommt es auf die Auslegung des Merkmals „Recht“ nicht an, weil juristische Personen des öffentlichen Rechts sich unabhängig von der Deutung des Begriffs „Recht“ nicht auf Art. 19 IV GG berufen können Schmidt-Aßmann (Fn. 289), Art. 19 Abs. 4 Rn. 43 ff., sowie zu den Ausnahmen Rn. 44a; so auch M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 127; zutreffend meint auch Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 27 Fn. 173, dass staatlichen Organen schon die Grundrechtsträgerschaft fehle; wegen des zuletzt genannten Grundes thematisiert Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 IV Rn. 83, wohl auch nicht mehr, ob es sich bei Rechtspositionen juristischer Personen des öffentlichen Rechts um „Rechte“ i. S. d. Art. 19 IV GG handelt. 290 Plakativ S. Hölscheidt, Abschied vom subjektiv-öffentlichen Recht?, in: EuR 2001, S. 376 (376 ff.); G. Ress, Partieller Abschied von der Schutznormlehre durch Völkerrecht und Europarecht, in: W. Meng / ders. / T. Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung, 2010, S. 449 (449 ff.). 291 F.  Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: W.  Hoffmann-Riem / E.  Schmidt-­ Aßmann / A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, § 50 Rn. 135 ff.; Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 8 Rn. 8. 292 Die Schutznormlehre als „Sammelbezeichnung für einen Kanon von Methoden und Regeln“ Schmidt-Aßmann (Fn. 289), Art. 19 Abs. 4 Rn. 128; gleichfalls Schoch, Verwaltungskontrollen (Fn. 291), § 50 Rn. 138.

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bestimmtes Verhalten verlangen zu können293. Die Rechtsnorm muss zumindest auch dem Schutz der Interessen des Antragstellers dienen294. Das Kriterium der Individualinteressen ruft bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf den ersten Blick Unbehagen hervor. Die Schutznormlehre lässt sich aber herunterbrechen auf das Kriterium der Rechtsdurchsetzungsmacht des einen Rechtssubjekts gegenüber einem anderen. Entscheidendes Kriterium für ein Recht im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO soll daher allgemeiner die dem Einzelnen zugewiesene Rechtsdurchsetzungsmacht sein. Die Rechtsdurchsetzungsmacht (anders: wehrfähige Rechtsposition295) meint die dem Einzelnen verliehene Rechtsmacht, die Verletzung einer aus einer Rechtsnorm folgenden Pflicht eines anderen auch vor Gericht gegen diesen geltend zu machen296. Das Recht ist gleichbedeutend mit dem Anspruch, bei dem nach dem hiesigen Begriffsverständnis die Berechtigung zu seiner (gerichtlichen) Durchsetzung mitgedacht wird297. Der juristischen Person steht daher ein „Recht“ im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO zu, wenn die ihr zugewiesene Rechtsposition (strukturell) die Voraussetzungen rechtlich zugewiesener Rechtsdurchsetzungsmacht aufweist298. Die der juristischen Person zustehende Rechtsdurchsetzungsmacht muss ihr normativ zugewiesen werden. Eine Rechtsnorm kann einem Rechtssubjekt expressis verbis ein die Antragsbefugnis begründendes Recht in Gestalt der beschriebenen Rechtsdurchsetzungsmacht einräumen oder 293

Es fragt sich, ob für die Ermittlung einer geschützten Rechtsposition im „organschaftlichen Rechtskreis“ überhaupt auf die Schutznormlehre zurückgegriffen werden kann, weil die Schutznormlehre gerade als ein Auslegungstopos für die Ermittlung eines subjektiv-öffentlichen Rechts dienen soll, dass Subjekten im organschaftlichen Rechtskreis, namentlich Gemeinden nicht zustehen soll. – Davon unabhängig sind die herkömmlichen Kriterien des subjektiv-öffentlichen Rechts nicht unumstritten, wenngleich heute überwiegend anerkannt statt Vieler Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 8 Rn. 2. – Über einzelne Elemente des subjektiv-öffentlichen Rechts besteht freilich keine Einigkeit s. die umfangreiche Kritik an den herkömmlichen Kriterien des subjektiv-öffentlichen Rechts mit dem Ergebnis der Untauglichkeit der gängigen Definition des subjektiven Rechts Roth, Organstreitigkeiten (Fn. 289), S. 347 ff., der sich für einen streng formalen subjektiven Rechtsbegriff ausspricht und dafür votiert, dass als „subjektives Recht […] alles Recht aufzufassen [ist], dass einen ausübbaren Inhalt hat und durch Rechtssatz einem Rechtssubjekt zur grundsätzlichen alleinigen und alle anderen ausschließenden Ausübung sowie erforderlichenfalls Geltendmachung zugewiesen ist“ Roth, Organstreitigkeiten (Fn. 289), S. 421, 1006; ebenfalls kritisch zu der bisherigen Begriffsbestimmung und mehr für die Deutung des subjektiv-öffentlichen Rechts als ein „Recht auf Normvollzug“ Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 3 ff.; zu dieser Kritik Schoch, Verwaltungskontrollen (Fn. 291), § 50 Rn. 138. 294 Schenke (Fn. 288), § 42 Rn. 78; Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 63. 295 Gärditz (Fn. 288), § 42 Rn. 53. 296 Gleichsinnig wohl die Beschreibung des subjektiv-öffentlichen Rechts als „Gesetzes­ vollziehungsanspruch“ bei Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 3. 297 Dazu 1.  Teil B. II. 2. (S. 30 ff.). 298 Für den organschaftlichen Rechtskreis auf das Vorliegen der strukturellen Voraussetzungen normativ zugewiesener Rechtsdurchsetzungsmacht abstellend Wahl (Fn. 289), Vorbm. § 42 Abs. 2 Rn. 118.

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dieses ausdrücklich verneinen299. Ist der Normtext nicht eindeutig, so zielt die Rechtserkenntnis darauf ab, zu ermitteln, ob die Norm der juristischen Person die Rechtsdurchsetzungsmacht verleiht. Wären Nachbargemeinden auch ohne § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB antragsbefugt, weil Nachbargemeinden auch ohne § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ein die Antragsbefugnis begründendes „Recht“ i. S. v. § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO zusteht? Allein die Pflicht der planenden Gemeinde, nachbargemeindliche Belange bei der Planaufstellung einzubeziehen, ohne dass dieser Pflicht ein Recht korrespondiert, genügt für die Antragsbefugnis der Nachbargemeinde nicht. Nicht mit jeder Pflicht geht auch ein Anspruch auf Einhaltung dieser einher (sog. nicht-relationale Verpflichtungen)300. Steht Nachbargemeinden ohne § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB kein Recht im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO zu, dann handelt es sich bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB um einen ‚Subjektivierungshebel‘ von an sich nicht wehrfähigen nachbargemeindlichen Belangen. Die hypothetische Kontrollüberlegung lautet daher: Wären Nachbargemeinden auch dann im Normenkontrollverfahren antragsbefugt, wenn es § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB (und seine Vorläufernormierungen) nicht gäbe? Die Untersuchung hat nicht die Fälle im Auge, in denen die Nachbargemeinde Eigen­tümerin von Grundstücken im Plangebiet der planenden Gemeinde ist. Es geht um Bebauungspläne anderer Gemeinden, die sich im oben beschriebenen Sinn entweder faktisch auf die Nachbargemeinde auswirken oder sie als Folge rechtlich betreffen301. Der Gesetzgeber des Bundesbaugesetzes ging 1960 in seiner Begründung zu § 2 Abs. 4 BBauG und auch in späteren Gesetzesbegründungen nicht darauf ein, ob er erst mit § 2 Abs. 4 BBauG und seinen Nachfolgernormierungen Nachbargemeinden 299

Einige Normen des öffentlichen Rechts beinhalten ausdrückliche Informationen darüber, ob diese ein subjektiv-öffentliches Recht vermitteln oder nicht. In § 17 I SGB XII etwa formuliert das Gesetz, dass ein „Anspruch auf Sozialhilfe“ bestehe. Ähnlich formuliert § 35 SGB VII, dass Jugendlichen eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung „gewährt werden [soll]“. Umgekehrt formuliert eine Norm mitunter auch ausdrücklich, dass aus ihr kein subjektiv-öffentliches Recht folgen soll. So lautet es in § 1 III 2 BauGB: „Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch.“ 300 Zu nicht-relationalen Verpflichtungen R. Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), 7. Aufl. 2015, S. 186 ff.; wohl nur in der Terminologie abweichend spricht N. Achterberg, Die Rechtsordnung als Rechtsverhältnisordnung, 1982, S. 39, von „asymmetrischen Rechtsverhältnissen“; P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichen Drittschutzes, 1992, S. 75 f., bezeichnet solche nicht-relationalen Verpflichtungen (ohne Verweis auf Achterberg) als „einseitiges (asymmetrisches) Rechtsverhältnis“. 301 Die Antragsbefugnis kann sich für Gemeinden nicht aus Art. 14 GG ergeben, da Gemeinden sich auf das Eigentumsgrundrecht nicht berufen können BVerfG, Beschl. v. 08. 07. 1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (108) – Sasbach; dieser Linie folgte die verwaltungsgerichtliche Rspr. BVerwG, Urt. v.  01. 07. 1988  – 4  C  15/85, NVwZ 1989, 247 (247 Ls.  3, 249). Allerdings steht auch Gemeinden ein einfachrechtlicher Eigentumsschutz zu BVerwG, Beschl. v. 09. 05. 1989 – 7 B 185/88, NVwZ 1989, 967 (967); R. Wahl, Rechtsschutz in der Fachplanung, in: NVwZ 1990, S. 923 (927); Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 275; Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 67.

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Rechtsschutz ermöglichen wollte302. Die Begründung des Bundesbaugesetzgebers zu § 2 Abs. 4 BBauG deutet eher darauf hin, dass dem Gesetzgeber mit der Pflicht zur Abstimmung von Bebauungsplänen benachbarter Gemeinden wenig daran gelegen war, Rechtsschutz von Nachbargemeinden zu ermöglichen. Die Abstimmung von Bauleitplänen solle „[z]ur Erreichung einer geordneten Entwicklung des gesamten Gebietes“ erfolgen303. § 11 BBauG sah anders als heute § 10 Abs. 2 BauGB nicht nur für bestimmte, sondern für alle Bebauungspläne eine umfassende Genehmigungspflicht vor. Die Genehmigungspflichtigkeit mag ein Indiz dafür sein, dass der Gesetzgeber mit der Kontrolle durch die höhere Verwaltungsbehörde gerichtlichen Rechtsschutz von Nachbargemeinden nicht zwingend für erforderlich hielt. Womöglich war es für den Gesetzgeber aber auch derart eindeutig, dass sich Nachbargemeinden gegen die Bebauungspläne anderer Gemeinden wehren können sollen, dass er darauf verzichtete, dies in der Gesetzesbegründung klarzustellen. Es liegt nahe, unabhängig von einem einfachrechtlichen Recht im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO die Antragsbefugnis von Nachbargemeinden unmittelbar aus einer möglichen Verletzung ihrer durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbürgten Planungshoheit abzuleiten304. Die Verwaltungsgerichte würden wohl unmittelbar 302 § 47 der Ursprungsfassung der Verwaltungsgerichtsordnung ermächtigte die Landesgesetzgebung, eine Normenkontrolle einzuführen, dazu bereits Fn. 272. Er bestimmte weiter, unter welchen Voraussetzungen der jeweilige Landesgesetzgeber eine Normenkontrolle überhaupt einführen durfte. „Den Antrag kann jede natürliche Person oder juristische Person, die durch die Anwendung der Vorschrift einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat, […] stellen.“ Der Bundesgesetzgeber regelte, obwohl noch keine bundesweite Rechtsschutzmöglichkeit kraft Bundesrechts vorgesehen war, die Zulässigkeitsfragen der durch Landesgesetzgebung einführbaren Normenkontrolle und entschied über die Ausgestaltung der landesgesetzlich möglichen Normenkontrolle bereits abschließend. Er überantwortete der Landesgesetzgebung nur die Entscheidung über das „Ob“, nicht hingegen das „Wie“ einer Normenkontrolle, wie hier E. Eyermann / L . Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 1974, § 47 Rn. 1; Kopp, VwGO1 (Fn. 277), § 47 Anm. 1, meint sogar, dass die näheren Bestimmungen über das Normenkontrollverfahren in § 47 VwGO unmittelbar, auch dem Bürger gegenüber, geltendes Recht darstellen und selbst dann anzuwenden seien, wenn Landesausführungsgesetze insoweit keine Regelung träfen. Der jeweilige Landesgesetzgeber konnte die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Normenkontrolle dann, wenn er sich dazu entschloss, die Normenkontrolle einzuführen, weder ändern noch ergänzen Eyermann / Fröhler, VwGO (Fn. 302), § 47 Rn. 1. Die Zugangsvoraussetzungen zum Rechtsschutz konnte der Gesetzgeber im Gesetzgebungsprozess des Bundesbaugesetzes beachten. 303 BT-Drs.  3/336, S. 61; siehe die Gesetzesbegründung zu § 2 VI des Entwurfs, der dem § 2 IV BbauG entspricht, im Wortlaut Fn. 237. 304 Diesen Weg ging eine Vielzahl von Gerichten, welche die Antragsbefugnis in aller Regel zusätzlich, wohl nicht einzig auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG stützen OVG NRW, Urt. v. 26. 06. 2017 – 2 D 59/16.NE, juris Rn. 31 ff.; ausdrücklich offenlassend, ob auch Art. 28 II 1 GG der Nachbargemeinde ein Recht verleiht BVerwG, Beschl. v.  15. 03. 1989  – 4  NB  10/88, BVerwGE 81, 307 (310); OVG Rh.-Pf., Urt. v.  24. 03. 2010  – 8  C  11202/09.OVG, BeckRS 2010, 48324; allein auf Art. 28 II 1  GG stellte ab BayVGH, Urt. v. 28. 06. 2011 – 15 N 08.3388, BayVBl. 2011, 696 (696 f.). – Zur Planungshoheit stellvertretend aus der Kommentarliteratur V. Mehde, in: Maunz / Dürig, GG III (Fn. 289), Art. 28 Abs. 2 (November 2012), Rn. 59 ff.; aus der Rspr. BVerfG, Beschl. v. 09. 12. 1987 – 2 BvL 16/84, BVerfGE 77, 288 (300 f.).

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zurückgreifen305. Es ist nahezu unumstritten, dass die kommunale Selbstverwaltungsgarantie den Gemeinden eine wehrfähige Rechtsposition verleihen soll306. Die Annahme eines die Antragsbefugnis begründenden Rechts der Nachbargemeinde setzt aber voraus, dass die planende Gemeinde durch den Erlass des Bebauungsplans überhaupt in die Planungshoheit der Nachbargemeinde eingreifen kann307. Die Voraussetzung dafür ist, dass die gemeindliche Planungshoheit im zwischengemeindlichen Verhältnis gilt. Die zwischengemeindliche Schutzwirkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie soll Gegenstand des dritten Teils der Untersuchung sein. Das Schrifttum beschäftigt sich soweit ersichtlich allenfalls oberflächlich damit, ob Nachbargemeinden unabhängig von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und seinen Vorläufernormierungen antragsbefugt wären308. Das ist in der Sache nachvollziehbar. Sowohl das Schrifttum als auch die Gerichte konnten seit jeher § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB oder seine Vorläufernormierungen heranziehen, um zu begründen, dass sich Nachbargemeinden gegen den Bebauungsplan einer anderen Gemeinde verwaltungs­ gerichtlich wehren können. Für die Antragsbefugnis von Nachbargemeinden 305 Den unmittelbaren Rückgriff auf Art. 28 II 1  GG stellte auch das BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (329) – Krabbenkamp, in Aussicht. Wegen Fehlens einer bundesrechtlich verbindlichen Normenkontrolle war statthafte Rechtsschutzform die Feststellungsklage. 306 Statt Vieler Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 104; R. P. Schenke, in: Schenke, VwGO (Fn. 262), § 42 Abs. 2 Rn. 138a; Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 79. 307 Es lässt sich beobachten, dass die Antragsbefugnis von Nachbargemeinden in der gerichtlichen Praxis nicht unmittelbar aus Art. 28 II 1 GG abgeleitet wird (vgl. Fn. 304), sondern die Antragsbefugnis auf eine einfachrechtliche „Ausformung“, so etwa BVerwG, Urt. v.  01. 08. 2002  – 4  C  5/01, BVerwGE 117, 25 (33)  – FOC Zweibrücken; OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris Rn. 42; OVG NRW, Urt. v. 26. 06. 2017 – 2 D 59/16.NE, juris Rn. 35, der Selbstverwaltungsgarantie durch § 2 II 1 BauGB gestützt wird; den Gemeinden werden daher Rechte nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährt Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Rn. 105; in diese Richtung auch BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1994 – 11 C 4/94, NVwZ 1995, 910 (910), ähnlich VGH BW, Urt. v. 23. 06. 1995 – 5 S 646/93, juris Rn. 42. Ein Rückgriff unmittelbar auf Art. 28 II 1 GG wäre unabhängig von der intergemeind­lichen Schutzrichtung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wegen des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts nicht unproblematisch, vgl. zum Vorrang der Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte G. Hermes, Verfassungsrecht und einfaches Recht, in: VVDStRL 61 (2002), S. 119 (141); zum alten und unübersichtlichen Streit namentlich im Baunachbarrecht s. nur M. Ibler, Verwaltungsrechtsschutz des Baunachbarn unmittelbar aus Art. 14 GG versus „Anwendungsvorrang des einfachen Rechts“, in: P. Baumeister / W. Roth / J. Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, 2011, S. 837 (837 ff., insb. S. 845 ff.); einen umfassenden Überblick bieten Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 110 ff. 308 Für die Antragsbefugnis von Nachbargemeinden stellen auch das Schrifttum und die Kommentarliteratur primär auf § 2 II 1 BauGB ab, zur früheren Rechtslage Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 120 ff.; zur heutigen Rechtslage heißt es z. B. bei Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 67, dass „[g]egenüber Bebauungsplänen der Nachbargemeinde […] hauptsächlich das (materielle) interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) den Einstieg in die Normenkontrolle“ ermögliche; ähnlich äußert sich Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 234, der allerdings auch eine Antragsbefugnis nach § 1 VII VwGO für möglich hält.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

stellten die Gerichte daher nahezu durchweg auf § 2 Abs. 2 BauGB ab309. Ob den Nachbargemeinden auch § 1 Abs. 7 BauGB (und seine Vorläufer) ein Recht vermitteln, thematisierten die Gerichte in der Mehrzahl der Entscheidungen daher nicht310. Möglicherweise verleiht § 1 Abs. 7 BauGB den Nachbargemeinden die Rechtsdurchsetzungsmacht in Gestalt eines „Rechts auf gerechte Abwägung“. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt an, dass der Antragsteller des Normenkontroll­ antrags antragsbefugt sei, wenn „er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, daß er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird.“311 Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass ein privater Planungsbetroffener in einem Normenkontrollverfahren speziell gegen einen Bebauungsplan antragsbefugt ist, wenn er die Verletzung des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 7 BauGB geltend macht. Das Gericht erkennt jedenfalls heute ein sog. (subjektiv-öffentliches) Recht auf gerechte Abwägung an. Es leitet das Recht auf gerechte Abwägung aus § 1 Abs. 7 BauGB sowie seinen Vorläufernormierungen her312. Legt man die verwaltungsprozessualen 309

OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 03. 2002 – 8 C 11131/01.OVG, juris Rn. 23, wobei die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht wurde; ThürOVG, Beschl. v. 19. 12. 2002 – 1 N 501/01, DÖV 2003, 636 (636), wobei das Gericht ausdrücklich ablehnte, aus § 1 VI BauGB a. F. die Antragsbefugnis abzuleiten; auf § 2 II BauGB allein stellte ab das OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (685 f.); OVG NRW, Urt. v. 25. 08. 2005 – 7 D 2/05.NE, NVwZ-RR 2006, 450 (450 f.); ebenfalls primär auf § 2 II BauGB für die Begründung eines Rechts der Nachbargemeinde stellte ab der VGH BW, Urt. v.  27. 09. 2007  – 3  S  2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (369 f.), wobei das Gericht es ausdrücklich für möglich hielt, dass auch aus § 1 VII BauGB für Nachbargemeinden ein subjektiv-öffentliches Recht folgen könne; BayVGH, Beschl. v. 03. 01. 2013 – 1 NE 12.2151, NVwZ-RR 2013, 392 (392); OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris Rn. 42; OVG NRW, Urt. v. 01. 12. 2015 – 10 D 91/13.NE, NWVBl. 2016, 238 (238 f.); OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, juris Rn. 7. 310 Die Gerichte stellten überwiegend für die Begründung der Zulässigkeit der Normen­ kontrolle auf § 2 II 1 BauGB ab und nahmen an, dass § 2 II 1 BauGB den Nachbargemeinden ein subjektiv-öffentliches Recht verleihe, dazu bereits Fn. 309. Auf das subjektiv-öffentliche Recht auf gerechte Abwägung aus § 1 VII BauGB (sowie seinen Vorläufernormierungen) gingen die Verwaltungsgerichte nur sehr vereinzelt ein VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (369 f.); gleichsinnig, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die zuvor genannte Entscheidung für den Fall, in dem die Auswirkungen der Bebauungsplanung durch die planende Gemeinde die Erheblichkeitsschwelle der Krabbenkamp-Entscheidung („unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“) ausnahmsweise nicht erreichten VGH BW, Urt. v. 21. 09. 2010 – 3 S 324/08, BeckRS 2010, 56077 Rn. 18 ff., oder sich Gemeinden nicht auf Ebene der Gleichordnung begegnen und das Abstimmungsgebot daher nicht gilt OVG Rh.-Pf., Urt. v. 24. 03. 2010 – 8 C 11202/09.OVG, BeckRS 2010, 48324. 311 BVerwG, Urt. v.  24. 09. 1998  – 4  CN  2/98, BVerwGE 107, 215 (217); BVerwG, Urt. v.  17. 01. 2001  – 6  CN  4/00, NVwZ 2001, 1038 (1039); BVerwG, Urt. v.  30. 04. 2004  – 4 CN 1/03, NVwZ 2004, 1120 (1120); BVerwG, Beschl. v. 29. 07. 2013 – 4 BN 13/13, ZfBR 2014, 159 (159). 312 Die Rspr. des BVerwG schwankte: Noch 1977 lehnte das Gericht ein Recht auf gerechte Abwägung ausdrücklich ab BVerwG, Urt. v.  29. 07. 1977  – IV  C  51/75, BVerwGE 54, 211 (217 f.); diese Linie führte das BVerwG, Beschl. v. 16. 12. 1992 – 4 B 202/92, juris Ls. 2, fort und

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Darlegungslasten zugrunde, die das Bundesverwaltungsgericht für ein „geltend machen“ verlangt, gilt, „daß der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen“313. Erforderlich für die Antragsbefugnis ist nach Auffassung des Gerichts, dass der Antragsteller einen Belang als verletzt benennt, der für die Abwägung überhaupt zu beachten ist. Nicht jeder Belang, so führte das Gericht weiter aus, sei in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulichen Bezug hätten314. Es komme aber nicht darauf an, ob der abwägungserhebliche Belang selbst ein subjektiv-öffentliches Recht darstelle315. Die Mehrheit des Schrifttums und soweit ersichtlich durchgängig die obergerichtliche Rechtsprechung akzeptieren die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ein Recht auf gerechte Abwägung316. Nach der Gesetzesbestätigte sie; obwohl der Sache nach (wohl) nicht veranlasst, ein Recht auf gerechte Abwägung (vorsichtig) anerkennend BVerwG, Beschl. v. 28. 07. 1994 – 4 B 94/94, NVwZ 1995, 598 (598); W.-R. Schenke, Anmerkung zu OVG NRW, Urt. v. 23. 01. 1997 – 7 a 70/93, in: DVBl. 1997, S. 853 (854 Fn. 7), hingegen meint, dass das BVerwG in der zuvor genannten Entscheidung nur dann ein Recht auf gerechte Abwägung anerkenne, wenn die abwägungserhebliche Position ihrerseits rechtlich geschützt sei; zu der Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1994 meinte der VGH BW, Beschl. v. 22. 06. 1998 – 3 S 3067/97, juris Rn. 21 f., dass es zu diesem Zeitpunkt noch auf kein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung ankam; ein Recht auf gerechte Abwägung ist stRspr. Seit BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (216 Ls. 2, 218 f.); unmittelbar im Anschluss BVerwG, Urt. v. 05. 03. 1999 – 4 CN 18/98, NVwZ 1999, 987 (988); BVerwG, Urt. v. 26. 02. 1999 – 4 CN 6/98, NVwZ 2000, 197 (197); kürzlich BVerwG, Beschl. v. 14. 09. 2015 – 4 BN 4/15, ZfBR 2016, 154 (154 f.); BVerwG, Urt. v. 04. 11. 2015 – 4 CN 9/14, NVwZ 2016, 864 (864 f.); als „stRspr.“ Bezeichnet vom BVerwG, Beschl. v. 21. 03. 2018 – 4 BN 14/18, juris Rn. 5; BVerwG, Beschl. v. 10. 12. 2018 – 4 BN 27/18, juris Rn. 6; wegen der schwankenden Rspr. des BVerwG bis 1998 meint Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 184, nicht zu Unrecht festhalten zu können, dass das BVerwG „widersprüchliche und inkonsistente Aussagen zum Recht auf gerechte Abwägung im Bauplanungsrecht getroffen“ habe; unter Benennung bestehender Unsicherheiten C. Bönker, Rechtsschutz gegen Bauleitpläne und städtebauliche Satzungen, in: ders. / Bönker / Grotefels, Baurecht (Fn. 89), § 17 Rn. 18 ff.; Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 61a. 313 BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (218 f.). 314 BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (220 ff.). 315 BVerwG, Urt. v.  24. 09. 1998  – 4  CN  2/98, BVerwGE 107, 215 (221 f.); BVerwG, Urt. v. 26. 02. 1999 – 4 CN 6/98, NVwZ 2000, 197 (197); Kopp / Schenke, VwGO11 (Fn. 286), § 47 Rn. 30, 53 f., 39, vertreten die Auffassung, dass durch das Recht auf gerechte Abwägung durch die sog. Umschaltnorm des § 1 VI BauGB (heute § 1 VII BauGB) private Rechte, die nicht selbst bereits ein subjektiv-öffentliches Recht darstellen müssen, zu subjektiv-öffentlichen Rechten werden könnten und zu solchen aufgewertet würden; gleichsinnig schon zuvor Schenke, Anmerkung (Fn. 312), S. 584; noch heute Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 53 f., 71 f.; a. A. OVG NRW, Urt. v. 23. 01. 1997 – 7a D 70/93.NE, NVwZ 1997, 694 (694 Ls. 3, 695 f.); m. w. N. Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 121 ff., prononciert S. 260. 316 Die obergerichtliche Rspr. schwankte vor der Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215, ob eines sog. Rechts auf gerechte Abwägung: Befürwortend z. B. der VGH BW, Urt. v. 13. 05. 1997 – 8 S 2814/96, DVBl. 1998, 236 (236), der sich intensiv mit der mehrdeutigen Rspr. des BVerwG auseinandersetzte; obwohl er in einer vorherigen Entscheidung ein Recht auf gerechte Abwägung noch befürwortete, lehnte der VGH BW, Beschl.  v.  22. 06. 1998  – 3  S  3067/97, juris Rn. 20, es nunmehr ab; ein Recht auf gerechte

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lage bis 1997 kam es für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags nicht darauf an, ob die fehlerhafte Berücksichtigung eines abwägungserheblichen Belangs ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung verletzt. Es ist deshalb müßig darüber zu streiten, ob die heutige Rechtsprechung, die ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung annimmt, in Kontinuität oder Diskontinuität der damaligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachteil des § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO a. F. steht317. Abwägung nahm nur an in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung das OVG NRW, Urt. v. 23. 01. 1997 – 7a D 70/93.NE, NVwZ 1997, 694 (694 Ls. 3, 695 f.), wenn das der Abwägung vorausliegende Interesse bereits selbst rechtlich geschützt ist, wobei sich die Entscheidung passagenweise wie eine vollständige Ablehnung eines Rechts auf gerechte Abwägung liest; diese Deutung der Entscheidung des OVG NRW zu Recht Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 122 f.; zu ungenau in der Deutung der Entscheidung des OVG NRW L. Giesberts, in: H. Posser / H. A. Wolff (Hrsg.), BeckOK zur VwGO, § 47 (April 2018), Rn. 40; zur Antragsbefugnis wegen Verletzung des Abwägungsgebots gleichsinnig OVG NRW, Beschl. v. 23. 06. 1997 – 11a D 44/97.NE, juris Rn. 29; die Oberverwaltungsgerichte / Verwaltungsgerichtshöfe schlossen sich der Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215, an und erkannten nunmehr durchweg ein Recht auf gerechte Abwägung an OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17. 06. 1999 – 1 K 21/97, juris Rn. 18; BayVGH, Beschl. v. 27. 07. 1999 – 15 NE 99.900, juris Rn. 19; VGH BW, Urt. v. 24. 09. 1999 – 5 S 2519/98, juris Rn. 19; OVG NRW, Beschl. v. 05. 02. 2001 – 10a D 149/97.NE, juris Rn. 66; heute greifen die Oberverwaltungsgerichte / Verwaltungsgerichtshöfe durchweg auf das Recht auf gerechte Abwägung zurück, um die Antragsbefugnis gegen einen Bebauungsplan zu begründen, aus neuerer Zeit z. B. OVG NRW, Urt. v. 06. 03. 2018 – 2 D 95/15.NE, juris Rn. 36; BayVGH, Urt. v. 11. 05. 2018 – 15 N 17.1175, juris Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24. 05. 2018 – OVG 10 A 4.14, juris Rn. 43 ff.; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 07. 06. 2018 – 1 C 11757/17.OVG, juris Rn. 16; noch vor der Entscheidung des BVerwG 1998 nahm ein Recht auf gerechte Abwägung in der Literatur an Dürr, Entwicklung (Fn. 285), S. 109; Schenke, Anmerkung (Fn. 312), S. 584 f.; aus der Kommentarliteratur Redeker (Fn. 286), § 47 Rn. 31a; Giesberts (Fn. 316), § 47 Rn. 40; M. Ronellenfitsch, Rechtsfolgen fehlerhafter Planung, in: NVwZ 1999, S. 583 (588); gleichsinnig wie in seiner Dissertation P. Schütz, Das „Recht auf gerechte Abwägung“ im Bauplanungsrecht, in: NVwZ 1999, S. 929 (930 ff.). 317 Zur Rspr. des BVerwG betreffend die Antragsbefugnis für Normenkontrollanträgen gegen Bebauungspläne bis 1997 Fn. 283. – Da schon die Ursprungsfassung des Bundesbaugesetzes das Abwägungsgebot enthielt, spricht viel dafür, dass es sich bei dem Recht auf gerechte Abwägung nur um eine (ver)späte(te) höchstrichterliche Rechtserkenntnis des bereits zuvor existenten, aber unerkannten subjektiv-öffentlichen Rechts auf gerechte Abwägung handelt. Unabhängig davon darf die Rechtsprechungsentwicklung bis zur bundesverwaltungsgerichtlichen Anerkennung des Rechts auf gerechte Abwägung nicht völlig ausgeblendet bleiben: Das Recht auf gerechte Abwägung entwickelte sich inkrementell. Man kann Ursprünge des Rechts auf gerechte Abwägung in der Nachteilsrechtsprechung des BVerwG erblicken. Ausdrücklich verweist auf seine Rspr. zum Nachteilsbegriff das BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (219). Die Entscheidungen aus der Zeit, zu der es noch auf einen Nachteil und keine Rechtsverletzung ankam, sind daher ebenfalls aufschlussreich, insbesondere die Entscheidungen von Instanzgerichten zur Übertragbarkeit der bundesverwaltungsgerichtlichen Nachteilsrechtsprechung auf die Träger öffentlicher Belange, siehe stellvertretend VGH BW, Urt. v. 27. 02. 1987 – 5 S 2472/86, NVwZ 1987, 1088 (1088); HessVGH, Beschl. v. 04. 01. 1994 – 4 N 1793/93; HessVGH, Beschl. v. 20. 02. 1995 – 4 N 4122/87. Ferner gilt, dass dann, wenn schon zugunsten von Trägern öffentlicher Belange kein Nachteil i. S. d. § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO a. F. wegen der Abwägungserheblichkeit öffentlicher Belange begründbar war, auch ein Recht

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Steht auch Nachbargemeinden ein Recht auf gerechte Abwägung gem. § 1 Abs. 7 BauGB zu und haben sie damit die Macht zur Durchsetzung der Pflichten der planenden Gemeinde? In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wurde ein Recht auf gerechte Abwägung der Nachbargemeinden im Verhältnis zu einer anderen Gemeinde nur vereinzelt thematisiert. Ein solches Recht kam in Gerichtsentscheidungen insbesondere dann zur Sprache, wenn entweder die Auswirkungen der Bebauungsplanung auf die Nachbargemeinde nicht die Erheblichkeitsschwelle „unmittelbarer und gewichtiger Auswirkungen“ erreichten oder das Abstimmungsgebot wegen eines fehlenden Gleichordnungsverhältnisses nicht anwendbar war318. auf gerechte Abwägung heute erst recht nicht in Betracht kommen dürfte. Anders: Die Argumente, die gegen einen Nachteil wegen der Abwägungserheblichkeit öffentlicher Belange sprachen, auch heute gegen ein Recht auf gerechte Abwägung sprechen. Treffend zur Nachteilsrechtsprechung des BVerwG G. Gaentzsch, Die Planfeststellung als Anlagenzulassung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung, in: Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts u. a. (Hrsg.), Planung und Plankontrolle, 1995, S. 517 (526): „Diese Rechtsprechung ist vielfach als Bestätigung eines subjektiv öffentlichen Rechts auf gerechte Abwägung missverstanden worden, obwohl sie sich zu dieser Problematik überhaupt nicht äußert; denn der Nachteilsbegriff des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt gerade nicht die Verletzung eines subjektiven Rechts voraus.“; Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 109 ff., systematisiert die unterschiedlichen Auffassungen zum möglichen Veränderungspotential des 6. VwGOÄndG, die auch immer damit zusammenhängen, ob das BVerwG schon vor der Novellierung der VwGO ein „Recht auf gerechte Abwägung“ anerkannte; zu einer „subjektivrechtliche[n] Re-Formulierung der Nachteilsjudikatur auf der Grundlage eines Rechts auf gerechte Abwägung“ Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 163 ff. 318 Die gleichen Maßstäbe, die auch für ein subjektiv-öffentliches Recht bei privaten Belangen gelten, wendeten bei (öffentlichen) nachbargemeindlichen Belangen im Ergebnis an VGH BW, Urt. v. 06. 07. 2000 – 8 S 2437/99, juris Rn. 27; Nds. OVG, Urt. v. 14. 09. 2000 – 1 K 5414/98, ZfBR 2001, 134 (134); Nds. OVG, Beschl. v. 26. 09. 2005 – 1 MN 113/05, NVwZRR 2006, 246 (247); im Ergebnis zwar wegen fehlender städtebaulicher Relevanz des im Streit stehenden Belangs offenlassend, aber wohl von der drittschützenden Wirkung des allgemeinen Abwägungsgebots auch für (öffentliche) nachbargemeindliche Belange ausgehend OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 50; VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (369 f.); OVG Rh.-Pf., Urt. v. 24. 03. 2010 – 8 C 11202/09.OVG, BeckRS 2010, 48324; VGH BW, Urt. v. 21. 09. 2010 – 3 S 324/08, BeckRS 2010, 56077 Rn. 19 f.; im Ergebnis wegen nicht hinreichender Substantiierung verneinte BayVGH, Urt. v. 01. 08. 2012 – 1 N 12.1304, juris Rn. 20 ff.; dem BayVGH schloss sich in dieser Hinsicht an das VG Ansbach, Urt. v. 27. 02. 2013 – AN 11 K 12.01743, juris Rn. 44; das OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13.OVG, LKRZ 2014, 366 (367), nahm an, dass Nachbargemeinden wegen der möglichen Verletzung des Abwägungsgebots des § 1 VII BauGB antragsbefugt seien, wenn sich die Nachbargemeinde auf einen abwägungserheblichen eigenen Belang berufen könne, wobei das Gericht gerade aus dem Abstimmungsgebot des § 2 II 1 BauGB die Abwägungserheblichkeit ableiten möchte und im Ergebnis verneint; jüngst VGH BW, Urt. v. 20. 10. 2020 – 3 S 559/19, BeckRS 2020, 30083 Rn. 48; die Antragsbefugnis von (Nachbar-)Gemeinden bereits nach § 1 VII BauGB nimmt an Ziekow (Fn. 91), § 47 Rn. 234a; die drittschützende Wirkung leitete in der Tendenz aus § 2 II 1 BauGB ab Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 143 f.; J. Hüttenbrink, Das Recht auf fehlerfreie Abwägung als subjektiv-öffentliches Recht i. S. der Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO n. F., in: DVBl. 1997, S. 1253 (1258), beschäftigt sich trotz intensiver Auseinandersetzung mit einem Recht auf fehlerfreie Abwägung nicht mit einem solchen Recht juristischer Personen, insb. Gemeinden; ein Recht auf gerechte Abwägung von Nachbargemeinden nimmt an Ortwin, Normenkontrollantrag (Fn. 145), S. 823 f.; ablehnend ThürOVG,

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Häufiger äußerten sich die Gerichte und das Schrifttum zu einem Recht auf gerechte Abwägung von Gemeinden, die von fachplanerischen Entscheidungen betroffen werden. Die Gerichte konnten allerdings zwanglos für die mögliche Rechtsverletzung auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zurückgreifen319. Das Bundesverwaltungsgericht und ihm folgend sowohl die Instanzgerichte als auch das Schrifttum leiten das Recht auf gerechte Abwägung ganz überwiegend aus der Abwägungserheblichkeit von Belangen privater Antragsteller ab320. Gleichwohl befürworten Teile des Schrifttums und vereinzelt Instanzgerichte ein nachbargemeindliches Recht auf gerechte Abwägung. Ihre Argumente dafür bleiben in der Regel aber recht dürftig. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich, so heißt es in den Entscheidungen oder im Schrifttum, die sich für ein den Gemeinden zustehendes Recht auf gerechte Abwägung aussprechen, mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2002 dafür stark gemacht, private und nachbargemeindliche Belange in der bauleitplanerischen Abwägung gleich zu behandeln. Wenn aber die Abwägungserheblichkeit privater Belange zu einem Recht auf gerechte Abwägung führe, müssten auch Nachbargemeinden ein Recht auf gerechte Abwägung haben321. Es trifft zu, dass § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO natürliche und juristische Personen unterschiedslos nebeneinanderstellt, auch wenn der Gesetzgeber wohl zuerst an juristische Personen des Privatrechts gedacht haben mag. Richtig ist ferner, Beschl. v. 19. 12. 2002 – 1 N 501/01, DÖV 2003, 636 (637), das dem heutigen § 1 VII BauGB nur ein subjektiv-öffentliches Recht entnahm, wenn private Belange in Streit stehen, Gemeinden könnten sich ebenso wenig wie andere Träger öffentlicher Belange auf eine Verletzung des Abwägungsgebots des § 1 VII BauGB (ehemals § 1 VI BauGB) berufen; uneindeutig OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13.OVG, LKRZ 2014, 366 (367). 319 Implizit von einem Recht der Gemeinde auf gerechte Abwägung ging aus BVerwG, Urt. v. 21. 03. 1996 – 4 C 26/94, juris Rn. 20 ff., indem es prüfte, ob die die Gemeinde schützenden Belange mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt wurden. Allerdings zog das Gericht ausdrücklich Art. 28 II 1 GG als geschütztes Recht und nicht das Recht auf gerechte Abwägung heran. Anscheinend ging es davon aus, dass dann, wenn die Fachplanungsbehörde die von Art. 28 II 1 GG geschützten Belange nicht hinreichend in die Abwägung einstellte, unmittelbar Art. 28 II 1 GG selbst verletzt sei; in Richtung der Anerkennung eines Rechts auf gerechte Abwägung von Gemeinden deutet auch hin BVerwG, Urt. v. 16. 03. 2006 – 4 A 1001/04, NVwZ 2006, 1055 (1055 Ls. 2), in dem von einem „Anspruch auf fehlerfreie Abwägung“ die Rede war; für ein Recht auf eine gebotene Abwägung Steinberg, Schutz (Fn. 82), S. 18; ähnlich ein Recht auf Abwägung der schutzwürdigen Belange der Gemeinde anerkennend W. Vallendar, Rechtsschutz der Gemeinden gegen Fachplanungen, in: UPR 2003, S. 41 (41); Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 491 f. 320 So etwa in der Leitentscheidung des BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (219, 221); so auch J. Ziekow, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsver­ fahrensgesetz, 4. Aufl. 2020, § 74 Rn. 30 („Privatbelange, die in der Abwägung zu berücksichtigen sind.“). 321 Ortwin, Normenkontrollantrag (Fn. 145), S. 823; VGH BW, Urt. v.  27. 09. 2007  – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370); BayVGH, Urt. v. 01. 08. 2012 – 1 N 12.1304, juris Rn. 20; der VGH BW, Urt. v. 20. 10. 2020 – 3 S 559/19, BeckRS 2020, 30083 Rn. 48, stellte, nachdem er die Rspr. des BVerwG zum Recht auf gerechte Abwägung referierte, lapidar fest: „Für Nachbargemeinden gilt im Ergebnis nichts anderes“.

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dass abwägungserheblich im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB (und seiner Vorläufer) bekanntlich nicht nur private, sondern auch öffentliche Belange sind. So heißt es in § 1 Abs. 7 BauGB: „[Ö]ffentliche[n] und private[n] Belange [sind] gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“. Da keine Zweifel daran bestehen, dass Interessen von Gemeinden keine Privatinteressen sind, muss es sich bei den nachbargemeindlichen Interessen um öffentliche Interessen handeln322. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg deutete an, dass er es für möglich hält, dass eine planbetroffene Nachbargemeinde antragsbefugt ist, weil ihre „privaten“ Belange auf Ebene der sog. einfachen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB von der planenden Gemeinde zu beachten seien. Den Gedanken führte das Gericht nicht weiter aus, weil es die Gemeinde bereits nach § 2 Abs. 2 S. 2 Var. 1 BauGB als antragsbefugt einstufte. Interessanter Weise ordnete der Gerichtshof den nachbargemeindlichen Belang als „privaten“ städtebaulich relevanten Belang ein323. Dem Gerichtshof dürfte nicht entgangen sein, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bisher nur zu einem Recht auf gerechte Abwägung privater Antragsteller äußerte. In einer Entscheidung einige Jahr zuvor erkannte der Verwaltungsgerichtshof ein Recht einer Nachbargemeinde auf gerechte Abwägung ausdrücklich an324. Juristische Personen des öffentlichen Rechts nehmen allerdings häufig eine Sonderstellung bei der Vermittlung von (subjektiv-öffentlichen) Rechten ein325. Eine vollständige Parallelität zwischen privaten und öffentlichen Antragstellern sowie Interessenträgern ist daher nicht zwangsläufig zu erwarten. Anders als bei privaten Antragstellern im Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne kann für die Nachbargemeinde als Antragstellerin nicht auf eine dem Recht auf gerechte Abwägung vorausliegende gesicherte Rechtsposition verzichtet werden326. In allen 322

Ohne ausdrücklich von „öffentlichen“ Belangen zu sprechen BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4  C  5/01, BVerwGE 117, 25 (33)  – FOC Zweibrücken; VGH BW, Urt. v.  27. 02. 1987  – 5 S 2472/86, NVwZ 1987, 1088 (1088), ordnet die Interessen einer Nachbargemeinde als öffentliche Belange ein. 323 VGH BW, Urt. v. 21. 09. 2010 – 3 S 324/08, BeckRS 2010, 56077 Rn. 19. 324 VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370); jüngst VGH BW, Urt. v. 20. 10. 2020 – 3 S 559/19, BeckRS 2020, 30083 Rn. 48. 325 So nimmt etwa die umfassende Untersuchung von Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 35, Gemeinden als Gebietskörperschaften ausdrücklich aus seiner Untersuchung aus. 326 Das BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (221), stellte klar, dass der abzuwägende Belang selbst kein subjektiv-öffentliches Recht darstellen muss und auch in ein solches nicht erstarke. Weitergehend fordert Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 227 ff., dort insb. S. 258 ff., sogar für private Antragsteller, dass immer das der Abwägung vorausliegende Interesse ein Recht darstellen müsse: „Subjektivrechtliche Grundlage des Rechtsschutzbegehrens ist […] nicht das Recht auf gerechte Abwägung, sondern das abzuwägende Recht“, ebd., S. 258; dazu bereits Fn. 315. Jedenfalls für juristische Personen des öffentlichen Rechts muss der die Abwägung vorausliegende Belang aber eine Rechtsposition darstellen. Aufschlussreich ist die Entscheidung des HessVGH, Beschl. v. 04. 01. 1994 – 4 N 1793/93, noch zum Nachteilsbegriff. Allerdings gelten seine Bedenken, aus der Abwägungserheblichkeit eines öffentlichen Belangs einen Nachteil abzuleiten, für das subjektiv-öffentliche Recht auf gerechte Abwägung fort. In der Entscheidung wandte sich das Land Hessen als Gebietskörper-

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Fällen, in denen den Gemeinden ein Recht auf fehlerfreie Abwägung ihrer Belange zugestanden wurde, ging es sodann auch immer um solche Belange, welche die kommunale Selbstverwaltungsgarantie schützt327. Der private Antragsteller kann sich regelmäßig auf Grundrechte berufen. Sowohl der Gesetzgeber als auch das Bundesverwaltungsgericht gehen zutreffend davon aus, dass bei privaten Antragstellern nahezu immer eine Rechtsposition vorhanden ist. Das Bundesverwaltungsgericht setzt aus diesem Grund die prozessualen Zugangshürden zur prinzipalen Normenkontrolle herab, indem es nur Belange, die selbst kein subjektiv-öffentliches Recht darstellen, mittels des Abwäschaft des öffentlichen Rechts und Träger des Hessischen Straßenbauamtes gegen einen Bebauungsplan einer Gemeinde. Das Hessische Straßenbauamt war nach § 46 IV HStrG, Hessisches Straßengesetz vom 09. 10. 1962, GVBl. I, S. 562, obere (staatliche)  Straßenbaubehörde. Der HessVGH stimmte der Inhaltsbestimmung des Nachteilsbegriffs speziell für den Rechtsschutz gegen Bebauungspläne durch das BVerwG zu, s. dazu bereits Fn. 283. Ein Nachteil sei, so der HessVGH, jede Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen. Sie seien dann rechtlich geschützt, wenn sie als (privates) Interesse in der Abwägung zu berücksichtigen seien. Auch öffentliche Belange müssten von der planenden Gemeinde im Rahmen des Abwägungsgebots berücksichtigt werden. Allerdings handle es sich in der Regel nur bei den privaten Belangen um eine „Vorform von Vollrechten ihrer Rechtsträger“ HessVGH, Beschl. v. 04. 01. 1994 – 4 N 1793/93, juris Rn. 38. Was das Gericht mit „Vorform“ meinte, blieb recht kryptisch. Der Gerichtshof ging wohl davon aus, dass nur dann aus der Abwägungserheblichkeit eines Belangs ein Nachteil im Sinne des § 47 II 1 Var. 1 VwGO a. F. geschlossen werden könne, wenn demjenigen, der sich auf einen Nachteil wegen der Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Interesses berufe, das Interesse auch als (Voll-)Recht zustehen könne. Bei Privatrechtssubjekten ist ein solches Vollrecht dem Grunde nach immer in Form eines Grundrechts, und sei es nur Art. 2 II 1 GG, denkbar. Der VGH blickte damit gewissermaßen auf die hinter dem Abwägungsgebot stehende Rechtsposition durch. Gleichwohl hob er hervor, dass unter die rechtlich geschützten Interessen „absolute Rechte, subjektive öffentliche Rechte, aber auch (private) Belange, die im Bauleitplanverfahren nach § 1 Abs. 5 des Baugesetzbuches […] zu beachten sind“, fielen. Bei öffentlichen Belangen fehle es in der Regel an einem Vollrecht des Rechtsträgers. Der Hinweis des HessVGH, Beschl. v. 04. 01. 1994 – 4 N 1793/93, juris Rn. 38, darauf, dass es sich bei „den privaten Belangen […] aber regelmäßig um Vorformen von Vollrechten ihrer Rechtsträger“ handle, darf freilich nicht dahingehend missverstanden werden, dass das Gericht einen Nachteil nur dann annahm, wenn das (private) abwägungserhebliche Interesse normativ erfasst ist oder ein solches im Hintergrund steht. Das betonte das Gericht selbst, entspräche dies doch nicht dem Stand der Rspr. des BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (101) – Abwägungsmaterial; BVerwG, Beschl. v. 09. 02. 1995 – 4 NB 17/94, NVwZ 1995, 895 (896), das gerade auch nicht normativ erfasste Interessen für einen Nachteil ausreichen ließ, wenn sie abwägungserheblich waren. Anders dagegen seine Auffassung für juristische Personen des öffentlichen Rechts: Damit ihnen überhaupt ein abwägungserheblicher Belang als eigener (öffentlicher) Belang zustehen könne, müsse ihnen ausnahmsweise auch ein Recht zustehen. Das Gericht rüttelte sodann auch gar nicht an der Nachteilsrechtsprechung des BVerwG, sondern fragte auf einer Stufe zuvor, ob und unter welchen Voraussetzungen juristische Personen des öffentlichen Rechts generell Interessen haben können. Der HessVGH ließ damit wohl die Abwägungserheblichkeit öffentlicher Belange als solche nicht für das Vorliegen eines Nachteils ausreichen, sondern verlangte eine konkrete Zuordnung dieses Belangs zu einem (öffentlichen) Träger als sein Recht. 327 Wenngleich die von ihm angeführten Nachweise seine Aussage nicht belegen können, im Ergebnis zutreffend Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 36.

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gungsgebots verwaltungsprozessual wehrfähig stellt. Die Herabsetzung von prozessualen Zugangshürden verstärkt so die Funktion des Normenkontrollantrags als ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren328. Die prinzipale Normenkontrolle hat dadurch die Funktion einer Art vorgezogenen und vorgelagerten Rechtsschutzes329. Das Bundesverwaltungsgericht erweitert den Zugang zur Normenkontrolle, indem es aus der Abwägungserheblichkeit eines privaten Belangs folgert, dass eine subjektive Rechtsposition verletzt sein könnte. Das Gericht hat dabei vermutlich aber eine Rechtsposition des privaten Antragstellers vor Augen. Ist ein Interesse eines Privaten abwägungserheblich, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die planende Gemeinde den Belang in der Abwägung fehlerhaft bewertet und gewichtet oder fehlerhaft gegen andere abgewogen hat. Die Abwägungsrelevanz ist damit gewissermaßen die Vorstufe zur realen Beeinträchtigung des (eigenen) Interesses des Antragstellers, hinter dem nicht selten (Grund-)Rechte stehen330. Nachbargemeinden können nur dann eigene Belange zustehen, die sich von den Gemeinwohlbelangen unterscheiden, wenn den Gemeinden die Belange rechtlich zugewiesen sind. Eigene Belange von Gemeinden setzen eine normative Verfestigung voraus331. Die Unterscheidung zwischen den (normativ zugewiesenen) In 328

Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 136. Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 142. 330 HessVGH, Beschl. v. 04. 01. 1994 – 4 N 1793/93, juris Rn. 38. 331 Den öffentlichen Aufgabenträgern, welche durch ihre Organe handeln, kommt in aller Regel kein eigenes rechtlich geschütztes Interesse zu. Sie nehmen bestimmte Aufgaben durch ihre Organe im Allgemeinwohlinteresse, nicht im eigenen wahr. Das einfache Recht räumt ihnen Zuständigkeiten und gegebenenfalls Kompetenzen ein, um ihre Aufgaben durch Organe im Gemeinwohlinteresse wahrzunehmen. Allein die Zuweisung einer bestimmten Aufgabe kann aber für eine Zuordnung eines Interesses zu einem bestimmten Träger nicht genügen. Ansonsten hätte jeder Verwaltungsträger, der in seiner Verbandszuständigkeit öffentliche Aufgaben wahrnimmt, an dieser Aufgabe ein eigenes Interesse. Ein Problem sah der HessVGH, Beschl. v.  04. 01. 1994  – 4  N  1793/93, juris Rn. 38, bei der Zuordnung von trägerlosen Allgemeinwohlinteressen zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts als eigene Interessen. Allein die Aufgabenzuweisung an eine Behörde des Landes Hessen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der Kreisstraße tätig zu werden, macht diese Allgemeinwohlbelange nicht schon durch die schlichte Zuständigkeits- und Kompetenzzuweisung zu einem Interesse oder Belang des Landes Hessen. Der HessVGH, Beschl. v. 04. 01. 1994 – 4 N 1793/93, juris Rn. 38, entgegnete diesem Unbehagen, das daraus folgt, dass allein eine Aufgabenzuweisung ein öffentliches Interesse noch nicht zu einem eigenen Interesse des Aufgabenträgers macht, indem er festhielt: „Bei diesen Kompetenzzuweisungen handelt es sich jedoch nicht um Rechte, die der juristischen Person zur Wahrung ihrer funktionalen Interessen zugewiesen worden sind; die Rechtsordnung hat ihr diese Kompetenzen ausschließlich zur Wahrung öffentlicher Interessen zuerkannt“. Im Duktus des Gerichts fehlt der juristischen Person des öffentlichen Rechts ein „Vollrecht“, dazu bereits Fn. 326. Allein die Zuständigkeit, sich betätigen zu dürfen, um öffentliche Interessen zu verfolgen, macht das öffentliche Interesse damit nicht zu einem solchen derjenigen Stelle, die sich zur Erfüllung von Allgemeinwohlinteressen betätigt. Vielleicht kann man allgemeiner sagen: Eine juristische Person des öffentlichen Rechts hat dann nur ein eigenes (öffentliches) Interesse, wenn ihr dieses normativ als eigenes Recht zugewiesen wurde. Aus diesem Grund erkannte der HessVGH, ebd., Rn. 38, zu Recht, dass bei öffentlichen Belangen „häufig“ das Vollrecht des Trägers fehle. Lorenz, Problematik 329

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teressen der öffentlichen Träger selbst und den Allgemeinwohlinteressen wird in der Zweiteilung der Antragsbefugnis von Behörden und der Antragsbefugnis von natürlichen sowie juristischen Personen in § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO deutlich. Steht den Behörden der Weg zur Überprüfung von bestimmten Rechtsnormen durch das Normenkontrollverfahren offen, geht es dem Gesetzgeber bei der behördlich initiierten Normenkontrolle allein um die Wahrung von Allgemeinwohlbelangen332. Behörden müssen, um antragsbefugt zu sein, gerade keine Verletzung eige(Fn. 289), S. 320, versucht in der Debatte um die Insichprozesse aus der Aufgabenzuweisung an eine Behörde ein Recht der Behörde zu konstruieren; kritisch zu diesem Ansatz K.-P. Dolde, Die Beteiligungsfähigkeit im Verwaltungsprozeß (§ 61 VwGO), in: Erichsen / Hoppe / Mutius, System (Fn. 273), S. 423 (438). Die Untersuchung möchte sich nicht auf das unsichere Terrain des „öffentlichen Interesses“ begeben. Seit Jahrzehnten bemüht sich das Schrifttum darum, den Begriffen des öffentlichen Interesses und der öffentlichen Aufgabe klare(re) Konturen zu verleihen. Zu der schwierigen, vielleicht sogar nicht möglichen Unterscheidung öffentlicher und privater Interessen monographisch aus dem älteren Schrifttum G. Dürig, Die konstanten Voraussetzungen des Begriffs „Öffentliches Interesse“, Diss. 1949; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969; Uerpmann, Interesse (Fn. 253), S. 37 ff.; R. Viotto, Das öffentliche Interesse, 2009; kritisch zum Begriff des öffentlichen Interesse etwa auch in der Privatrechtsliteratur A.  Halfmeier, Popularklagen im Privatrecht, 2006, S. 204 ff.; zur Abgrenzung des privaten vom öffentlichen Interesse SchmidtAßmann, Ordnungsidee (Fn. 56), S. 150 ff.; eine für die Untersuchung brauchbare Begriffsbestimmung liefert J.  Isensee, Staatsaufgaben, in: ders. / P.  Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 5, wonach sich öffentliche Interessen von privaten Interessen durch den Umstand unterscheiden, dass private Interessen mehr (partikulare) Interessen seien und sich auf den Einzelnen oder Gruppen beziehen sowie eine private Angelegenheit verkörperten; richtig W. Spannowsky, in: ders. / Uechtritz, BauGB (Fn. 71), § 4 Rn. 2, der eine trennscharfe Zuordnung von öffentlichen und privaten Belangen in der Bauleitplanung für nicht möglich erachtet, weil auch die von Behörden verfolgten öffentlichen Belange vielfach nur in ihrer Rückbindung an Grundrechte und damit an die Belange Privater rechtlich geschützt seien; speziell zu gemeindlichen Interessen W. Loschelder, Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung, 1976, S. 97 ff., dessen Ansatz nicht weiter verfolgt wird; schon nicht klar ist, ob das „öffentliche Interesse“ mit dem „Allgemeinwohl(-interesse)“ synonym ist, dafür etwa Halfmeier, Popularklagen (Fn. 331), S. 204; dagegen etwa Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (Fn. 56), S. 152. Für die Untersuchung genügt es zu erkennen, dass erstens öffentliche Interessen keinen konkreten Träger haben, sondern Allgemeininteressen einem unbestimmten Personenkreis, eben der Allgemeinheit, zuzuordnen sind, vgl. zum Kreis der Interessenträger öffentlicher Interessen Uerpmann, Interesse (Fn. 253), S. 84 ff., zweitens, dass trotz fehlender Trägerschaft Interessen als „öffentliche Aufgabe“ von bestimmten Trägern – quasi als Sachwalter für die Allgemeinheit – wahrgenommen werden können s. zur Behördenbeteiligung etwa M. Krautzberger, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 4 (Oktober 2017), Rn. 17. Vielmehr muss eine normative Zuordnung einer eigenen Rechtsposition erfolgen. Den Schlüssel zur Zuordnung eigener Interessen an die Nachbargemeinden bildet ergänzend zu § 1 I BauGB Art. 28 II 1 GG. Er vertraut den Gemeinden die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als eigenes, (verfassungsrechtlich) geschütztes Interesse an. Art. 28 II 1 GG überträgt Gemeinden bestimmte Aufgaben, mit denen sie eigene Interessen (eigenverantwortlich) verfolgen. 332 Aufschlussreich BT-Drs. 7/4324, S. 11: „Es sind Fallgestaltungen denkbar, in denen eine Behörde eher als ein betroffener Bürger bereit sein könnte, die im allgemeinen Interesse liegende Klärung von Streitfragen durch ein Normenkontrollverfahren herbeizuführen.“ – Über die genaue Funktion des Normenkontrollverfahrens bestand Streit: Heute wird dem Normen-

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ner rechtlich geschützter Interessen geltend machen333. Der Gesetzgeber legt die (verwaltungsprozessuale) Sicherung von Allgemeinwohlinteressen in die Hände derjenigen Behörden, die mit einer bestimmten öffentlichen Aufgabe im Allgemeinwohlinteresse betraut sind334. Bis auf die Verletzung von Zuständigkeits- und Kompetenznormen, mit denen die Aufgaben bestimmten Stellen zugeordnet werden, können Behörden keine eigenen Interessen geltend machen335. Hier tritt die objektive Rechtsbeanstandungsfunktion des Normenkontrollverfahrens deutlich hervor336. Davon unterscheidet sich die Antragsbefugnis natürlicher und juristischer Personen. Ihre Antragsbefugnis setzt die (mögliche) Verletzung von Rechten im Sinne von § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO der natürlichen oder juristischen Person voraus. Das Erfordernis der Rechtsverletzung macht deutlich, dass die prinzipale Normenkontrolle auch subjektives Rechtsschutzverfahren ist337. Die Normenkontrolle hat individualschützende Funktion338. Die möglicherweise verletzten Rechte der natürlichen oder juristischen Person müssen sich von den Interessen der Allgemeinheit unterscheiden339. Diese grundlegende Weichenstellung führt zu Problemen, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan stellt und ihr ein Recht auf gerechte Abwägung zugestanden würde. Juristische Personen des öffentlichen Rechts verfolgen durch ihre Organe im Außenverhältnis Gemeinwohlinteressen. Kommt es zu einer Beeinträchtigung dieser Gemeinwohlinteressen, sind an und für sich Behörden berufen, diese im kontrollverfahren eine doppelte Funktion als ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren und ein subjektives Rechtsschutzverfahren zugestanden, zum Streitstand Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 3; zum Einfluss des 6. VwGOÄndG Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 150 ff.; aus der Rspr. z. B. BVerwG, Beschl. v. 14. 07. 1978 – 7 N 1/78, BVerwGE 56, 172 (178 f.); BVerwG, Beschl. v.  02. 09. 1983  – 4  N  1/83, BVerwGE 68, 12 (14); die Behördenantragsbefugnis verdeutliche die objektive Rechtsbeanstandungsfunktion Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 3; Schlacke, Rechtsschutz (Fn. 275), S. 102 ff., behandelt die behördlich initiierte Normenkontrolle als Ausprägung überindividueller Klagebefugnisse im Verwaltungsrecht, um als hoheitlicher Sachwalter die Verletzung öffentlicher Interessen gegenüber anderen Verwaltungsstellen geltend zu machen. 333 Kapsreiter, Begriff (Fn. 283), S. 115 f.; Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 109, 113. 334 Damit ist nicht gesagt, dass nicht auch die Träger der Behörden eigene Interessen oder Rechte haben können, dazu Fn. 289. In diesen Fällen sind es dann aber eigene Interessen oder Rechte der juristischen Person, mit denen sie funktional mediatisierte öffentliche Interessen bzw. Allgemeinwohlbelange als eigene geltend macht. 335 Das BVerwG, Beschl. v. 15. 03. 1989 – 4 NB 10/88, BVerwGE 81, 307 (309 f.), hält dazu treffend fest: „Ein […] ‚Nachteil‘ wäre übrigens für eine Behörde auch kaum denkbar“; aus dem Schrifttum H. Grziwotz, Die Antragsbefugnis einer Gemeinde im verwaltungsgerichtlichen Normkontrollverfahren, in: DVBl. 1988, S. 768 (768 f.). 336 Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 113; Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 3. 337 Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 3; ausführlich Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 139 ff., insb. S. 141 ff. 338 Die Begründetheit des Normenkontrollantrags hängt nicht davon ab, dass die angegriffene Rechtsnorm tatsächlich das in der Zulässigkeit gerügte Recht verletzt, stellvertretend Panzer (Fn. 91), § 47 Rn. 87 f. 339 Kerkmann / Huber (Fn. 277), § 47 Rn. 96.

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Normenkontrollverfahren durchzusetzen. Es genügt aus diesem Grund nicht, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts nur Gemeinwohlbelange geltend macht340. Auch die Abwägungserheblichkeit des (öffentlichen) Belangs, welchen die juristische Person des öffentlichen Rechts mit der ihr zugewiesenen Aufgabe verfolgt, weist ihr nicht den öffentlichen Belang als eigenen zu. Die Antragsbefugnis von natürlichen und juristischen Personen soll den Kreis der möglichen Antragsteller im Normenkontrollverfahren begrenzen, um Popularklagen zu verhindern341. Würde es genügen, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts die Beeinträchtigung von öffentlichen Interessen geltend machen, die sie innerhalb ihres Zuständigkeits- und Kompetenzbereichs verfolgen, könnte § 47 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO das mit der Antragsbefugnis verfolgte Anliegen, Popularklagen zu verhindern, nicht erreichen. Indem der Gesetzgeber die Bauleitplanung den Gemeinden gesetzlich zugewiesen hat und der Verfassunggeber durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden die Planungshoheit verbürgt hat, hat er konkret den Gemeinden ein rechtlich geschütztes Interesse an einer ordnungsgemäßen städtebaulichen Entwicklung ihres Gebiets zugestanden. Nach diesen Maßstäben stünde den Nachbargemeinden ein ihnen zuordenbares Interesse zu. Es ist auch abstrakt abwägungserheblich, sodass Gemeinden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts antragsbefugt wären, ohne dass es auf § 2 Abs. 2 BauGB sowie seine Vorläufernormierungen ankäme. Allein eine gesicherte Rechtsposition genügt jedoch nicht für die Antragsbefugnis der Nachbargemeinde. Entscheidend für die Antragsbefugnis ist neben einem eigenen abwägungserheblichen Interesse, dass dieses konkret dem Antragsgegner gegenüber besteht. Für den hier allein interessierenden Fall des Erlasses eines Bebauungsplans bedeutet dies, dass die planende Gemeinde durch den Erlass des Plans die Belange der Nachbargemeinde beeinträchtigen kann. Für den privaten Antragsteller ergeben sich keine Probleme: Die planende Gemeinde kann in die rechtlich geschützten Interessen des privaten Antragstellers eingreifen. Das gilt einerseits für normativ geschützte Interessen, andererseits aber auch für solche Interessen, die erst § 1 Abs. 7 BauGB rechtlich umhegt. Bei privaten Antragstellern ist meist von einer Eingriffssituation eines hoheitlichen Planungsträgers in private (Rechts-)Positionen auszugehen. Weil sich immer die planende Gemeinde und der Private in der Planungssituation gegenüber stehen, ist es gerechtfertigt, aus dem materiellen Abwägungsgebot, das sich als eine planungsrechtliche Ausprägung des (rechtsstaatlichen und / oder grundrechtlichen) Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Verhältnis zu privaten Planbetroffenen darstellt, eine mögliche Rechtsverletzung

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Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 49. Bereits mit dem Erfordernis der Antragsbefugnis in § 25 südd. VGG sollten Popularklagen verhindert werden Eyermann / Fröhler, VGG (Fn. 277), § 25 Anm. II.1.a.bb; die Gesetzesbegründung zu § 47 II 1 VwGO a. F. griff diesen Gedanken auf BT-Drs. 7/4324, S. 11; Eyermann / Fröhler, VwGO (Fn. 302), § 47 Rn. 28; F. O.  Kopp, in: Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 1981, § 47 Rn. 24; Dürr, Antragsbefugnis (Fn. 81), S. 27.

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abzuleiten342. Es muss folglich möglich sein, dass konkret die planende Gemeinde die Interessen der Nachbargemeinde beeinträchtigen kann. Das ist nur dann möglich, wenn die Interessen in Form eines Rechts der Nachbargemeinde auch gegenüber der planenden Gemeinde geschützt sind. Nur dann kann die planende Gemeinde es überhaupt verletzen343. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ordnet die Interessen und die Rechte der Nachbargemeinden im Verhältnis zur planenden Gemeinde zu. § 1 Abs. 7 BauGB kann dies nicht erbringen. Andernfalls wäre jeder öffentliche Belang einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gegenüber der planenden Gemeinde rechtlich geschützt, nur weil die Gemeinde einen Bebauungsplan aufstellt. Erst § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB subjektiviert die städtebaulichen Belange der Nachbargemeinden im Verhältnis zur planenden Gemeinde344. Der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und seiner Vorläufernormierungen geht über den Regelungsgehalt des bauleitplanerischen Abwägungsgebots des § 1 Abs. 7  BauGB und seiner Vorläufernormierungen hinaus: § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB ist ‚Subjektivierungshebel‘ für die planungsbetroffenen Nachbargemeinden. Er stellt (bestimmte)  nachbargemeindliche Belange verwaltungsgerichtlich wehrfähig, indem es eine (Rechts-)Beeinträchtigung der Belange der Nachbargemeinde durch die planende Gemeinde möglich macht, ohne auf die verfassungsrechtliche Vorklärung einer zwischengemeindlichen Dimension des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG angewiesen zu sein345. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist damit weder nur klarstellend noch handelt es sich um eine unnötige zweifache Absicherung dessen, was schon aus § 1 Abs. 7 BauGB folgt. Unter regelungssystematischen Auspizien spricht viel für diese Norminhaltshypothese. (c) Subjektivierte bikriterielle Abstimmungsentscheidung gemeindenachbarlicher Belange Der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB übersteigt den des § 1 Abs. 7 BauGB. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist nicht unnötig. Nach wie vor offen ist aber, in welchem Verhältnis § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zueinander stehen. Zwei mögliche Beschreibungen des Verhältnisses der beiden Normen zueinander sind denkbar:

342 W. Hoppe, Bauleitplanung und Eigentumsgarantie, in: DVBl. 1964, S. 165 (169); Schütz, Antragsbefugnis (Fn. 285), S. 222 f. 343 Treffend Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 486: „Ein Recht kann nur von dem verletzt werden, gegenüber dem es besteht.“ 344 Bei Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 42, übernimmt umstandslos Art. 28 II 1 GG diese Funktion; aus den genannten Gründen überzeugt das nicht. 345 Im Ergebnis wie Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 321 f., der den heutigen § 2 II 1 BauGB als „Reaktionsnorm“ einordnet und der Gemeinde bei Verletzung des interkommunalen Abwägungsgebots einen Anspruch verleiht, der der Gemeinde seine klageweise Durchsetzung ermöglicht.

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– Die erste Norminhaltshypothese ergibt, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB eine selbstständige, separat zu prüfende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Bebauungsplans bildet, die neben § 1 Abs. 7 BauGB steht. Zum einen verpflichtet § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB die planende Gemeinde, nachbargemeindliche Belange mit ihren Belangen fehlerfrei gegeneinander abzuwägen und ihre städtebaulichen Interessen mit denen der Nachbargemeinde zu koordinieren. Zugleich subjektiviert § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB die Pflicht der planenden Gemeinde zur (zwischengemeindlichen) Abwägung zugunsten der Nachbargemeinde und verleiht letzterer einen Anspruch gegenüber der planenden Gemeinde auf die fehlerfreie Abwägung ihrer Belange. Zum anderen verpflichtet auch § 1 Abs. 7 BauGB die planende Gemeinde, die privaten und öffentlichen Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zu den öffentlichen Belangen zählen nach dem vorläufigen Stand der Normerkenntnis auch Belange von Nachbargemeinden. – Nach der zweiten Norminhaltshypothese erscheint es möglich, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB der Nachbargemeinde (nur) einen Anspruch darauf verleiht, dass die planende Gemeinde ihrer Pflicht aus § 1 Abs. 7  BauGB nachkommt. Die planende Gemeinde muss die Interessen der Nachbargemeinde in ihre bauleitplanerische Abwägungsentscheidung fehlerfrei einbeziehen. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist damit – gegebenenfalls modifizierend – in die bauleitplanerische Abwägung des § 1 Abs. 7 BauGB zu integrieren. Sieht man in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB zwei selbstständige Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für den Erlass des Bebauungsplans, dann hätte diese Inhaltsbestimmung von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB jedenfalls oberflächlich betrachtet zur Konsequenz, dass Belange von Nachbargemeinden bei der Aufstellung des Bebauungsplans doppelt relevant sind. Es käme zu einer Verdoppelung der Pflicht zur Einbeziehung nachbargemeindlicher Belange bei der Aufstellung des Bebauungsplans. Je nach Bestimmung der Eingreifschwelle von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB kämen beide Normen sogar ab der identischen Beeinträchtigungsintensität zur Anwendung. Bereits die zweifache Verpflichtung der planenden Gemeinde, gemeindenachbarliche Belange gegeneinander abzuwägen, ist fraglich. Ebenso schwer vorstellbar ist, dass die planende Gemeinde einerseits öffentliche Belange und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abwägt, andererseits gemeindenachbarliche Belange isoliert von dieser Abwägungsentscheidung erneut abwägt und koordiniert. Wie soll man sich zwei voneinander losgelöste Abwägungsentscheidungen rechtspraktisch vorstellen: Muss die planende Gemeinde erst das Abwägungsergebnis, d. h. die Planungsentscheidung, welche am Ende des Abwägungsprozesses nach § 1 Abs. 7 BauGB steht, mit den städtebaulichen Belangen der Nachbargemeinde abstimmen? Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans würden damit gewissermaßen zweistufig ausgestaltet. Die planende Gemeinde müsste ein abwägungsfehlerfreies Planungsergebnis präsentierten, mit dem sie bestimmte städtebauliche Ziele verfolgt, das dann quasi als letzte Pforte zur rechtmäßigen Planungsentscheidung noch das Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB durchschreiten muss. Oder

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ist das Ergebnis einer Planungsentscheidung, das für sich genommen nicht gegen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verstößt, bei der bauleitplanerischen Abwägung gem. § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen346? Man vermeidet die aufgezeigte Doppelung und die gegebenenfalls nur schwer zu handhabenden Ergebnisse von Abstimmung und Abwägung, wenn nachbargemeindliche Belange für § 1 Abs. 7 BauGB nicht – wie oben erwogen347 – erst gem. § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB überhaupt abstrakt abwägungsbeachtlich, sondern gem. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB gerade unbeachtlich sind. Es käme dann zu keiner zweifachen Beachtlichkeit nachbarlicher Belange. Rechtskonstruktiv ließe sich das Ergebnis durch die Qualifizierung von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als lex specialis bewerkstelligen348. § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB verpflichtet zur Abwägung und teilt damit die Merkmale des § 1 Abs. 7 BauGB, beschränkt sich aber auf gemeindenachbarliche Belange und könnte deshalb spezieller sein. Als lex specialis ginge § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB dem § 1 Abs. 7 BauGB in seinem Anwendungsbereich vor, wenn es um die Koordination gemeindenachbarlicher Belange geht. § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB müsste also abschließend die Koordination gemeindenachbarlicher Belange regeln, damit nachbargemeindliche Belange vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 7 BauGB gänzlich ausgenommen sind. Der Regelungsstandort von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB im Baugesetzbuch klärt im Ergebnis nicht auf, ob § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zur Verdoppelung der Pflicht zur abwägerischen Koordination gemeindenachbarlicher Interessen führt, als abschließende lex specialis allein die Abwägung gemeindenachbarlicher Interessen verlangt oder nur die Pflicht zur Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zugunsten der Nachbargemeinde subjektiviert. Der Regelungsstandort lässt mehrere Deutungen zu: Die separate Normierung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB von § 1 Abs. 7 BauGB spricht für zwei eigenständige Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Bebauungsplan, die zu getrennten Abwägungsentscheidungen zwingen. Hier die Abwägung privater und öffentlicher Belange, gegebenenfalls mit Ausnahme gemeindenachbarlicher Belange gegen- und untereinander, dort die zwischengemeindliche Abstimmung als Abwägung nachbargemeindlicher Belange untereinander. Warum sonst hat der Gesetzgeber einerseits das Abwägungsgebot, andererseits das Abstimmungsgebot nicht nur sprachlich verschieden, sondern auch räumlich getrennt voneinander normiert? Beide Normen befinden sich allerdings auch im ersten Abschnitt des Baugesetz­ buchs, welcher die Überschrift „Allgemeine Vorschriften“ trägt. Der erste Abschnitt des Baugesetzbuchs umfasst die Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Bebauungsplan. Die Stellung in einem gemeinsamen Abschnitt mag dafür sprechen, 346

Auch Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 45, wirft die Frage auf, wie mit einem gesonderten Ergebnis zwischengemeindlicher Abstimmung umzugehen ist. Allerdings ist für ihn eher problematisch, dass ein Planungsergebnis, das gerade so noch nicht das Abstimmungsgebot verletzt, bei der bauleitplanerischen Abwägung unberücksichtigt bleiben soll. 347 Siehe 2.  Teil A. I. 2. a) bb) (3) (a) (S. 101 ff.). 348 Schenke / Schenke (Fn. 262), § 47 Rn. 79 Spiegelstrich 7.

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dass nachbargemeindliche Belange nur einen, diesmal subjektivierten Abwägungsbelang einer umfassenden und einheitlichen bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung darstellen. Der Gesetzgeber platziert die abwägungserheblichen Gesichtspunkte allerdings innerhalb des § 1 BauGB in Absatz 6, also einen Absatz vor dem das Abwägungsgebot normativ verankernden Absatz 7. Der Gesetzgeber hätte für die Belange der Nachbargemeinde in gleicher Weise verfahren und sie in § 1 BauGB unterbringen können. Derart feinsinnige Standortbestimmungen überspannen aber wohl den Systemanspruch an heutige Gesetzgebung349. Während des Gesetzgebungsverfahrens des Bundesbaugesetzes und seit seinem Erlass im Jahr 1960 bis heute veränderte sich der regelungssystematische Standort von Abstimmungsund Abwägungsgebot. Im Entwurf eines Bundesbaugesetzes war das bauleit­ planerische Abwägungsgebot noch in § 1 Abs. 2, das formelle sowie materielle Abstimmungsgebot in § 3 Abs. 3 und Abs. 4 vorgesehen350. In einem weiteren Entwurf rutschte das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 3, das Abstimmungsgebot fand seinen regelungssystematischen Standort in § 2 Abs. 5 und Abs. 6351. In einem weiteren Entwurf wanderte das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 4, das Abstimmungsgebot behielt seinen angestammten Regelungsstandort352. In der Ursprungsfassung des Baugesetzbuchs war das bauleitplanerische Abwägungsgebot schließlich in § 1 Abs. 4 S. 2 BauGB353, ab 1976 in § 1 Abs. 7354, ab 1987 in § 1 Abs. 6355 und ab 2004 wieder in § 1 Abs. 7 BauGB356 normiert. Das Abstimmungsgebot war zuerst in § 2 Abs. 4 und Abs. 5  BBauG, ab 1986 in § 2 Abs. 2  BauGB sowie § 4 BauGB. Zwischen § 2 Abs. 2 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB trat mit der Neufassung des Baugesetzbuchs vom 27. August 1997357 § 1a BauGB. Die Variationsbreite der regelungssystematischen Standorte erschwert es, dem Regelungsstandort ein besonderes Gewicht für den Norminhalt des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB abzugewinnen. Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung der Standorte wohl keine Aussagen über den Norminhalt treffen. Jedenfalls enthalten die Gesetzgebungsmaterialien für eine etwaig beabsichtigte Norminhaltsänderung keine Hinweise. Die eigenständige und räumlich getrennte Normierung von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB von § 1 Abs. 7 BauGB spricht weder für noch gegen die Trennung von Abstimmungs- und Abwägungsgebot, die Integration von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in § 1 Abs. 7 BauGB oder die Einordnung von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als lex specialis358. 349

Kritisch dazu O. Lepsius, Gesetzesstruktur im Wandel, Teile 1 und 2, in: JuS 2019, S. 14 (14 ff.), S. 123 (123 ff.). 350 BT-Drs. 2/1813. 351 BT-Drs. 2/3028; unverändert BT-Drs. 3/336. 352 BT-Drs. 3/1861. 353 Bundesbaugesetz vom 23. 06. 1960, BGBl. I, S. 341. 354 Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18. 08. 1976, BGBl. I, S. 2221. 355 Baugesetzbuch vom 08. 12. 1986, BGBl. I, S. 2253. 356 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) vom 24. 06. 2004, BGBl. I, S. 1359. 357 BGBl. I, S. 2141. 358 Keine ausschlaggebende Bedeutung erlangt der Regelungsstandort auch bei Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 43 f.

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Die Norminhaltshypothese, die zu einer von § 1 Abs. 7  BauGB losgelösten (zusätz­lichen) Abwägungsentscheidung verpflichtet, widerspricht aber dem integrativen Ansatz des bauleitplanerischen Abwägungsgrundsatzes. Abwägung im Bauleitplanungsrecht soll eine ganzheitliche Koordination aller von der Planung potentiell betroffenen Interessen ermöglichen359. Sowohl nach der Variante, in der § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB unabhängig voneinander eine Abwägung gemeindenachbarlicher Belange verlangen als auch nach der Variante, in der zwar nur § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB die Abwägung gemeindenachbarlicher Belange untereinander, § 1 Abs. 7 hingegen die Abwägung aller übrigen Belange gegeneinander und untereinander verlangt, kommt es zu zwei Abwägungsentscheidungen der planenden Gemeinde. Aus diesem Grund kommt nur eine (modifizierende) Integration der zwischengemeindlichen Abstimmung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in die bauleitplanerische Abwägung des § 1 Abs. 7 BauGB in Betracht. Dadurch wird einerseits dem rechtlichen Selbstand von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB Rechnung getragen, ohne andererseits den integrativen und ganzheitlichen Ansatz (vollumfänglicher) Interessenkoordination der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung zu ignorieren. Die von § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB geforderte Abwägung gemeindenachbarlicher Belange erlangt aber keine Bedeutung als isolierte Abwägungsentscheidung. Stattdessen wird sie gewissermaßen in die umfassende Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7  BauGB subjektivierend integriert. Für diese Art der Integration spricht, dass sie außerdem Unsicherheiten über die Struktur der Abwägungs­entscheidung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB vermeidet. Weil die Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ein Teil der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB ist, kann auf die anerkannte Abwägungslehre der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 7 BauGB zurückgegriffen werden. Auch die subjektivierende Integration der Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in die bauleitplanerische Abwägung überzeugt aber nicht uneingeschränkt. Die Einwände gegen die Integration ergeben sich aus der Struktur der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung. Es ist daher sinnvoll, sich zuerst einen Überblick über die allgemeine Struktur der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung zu verschaffen. Eine Abwägungsentscheidung im Allgemeinen ist ein komplexer und rechtlich anspruchsvoller Vorgang, bei dem abwägungsrelevante Belange wertend in Beziehung zueinander gesetzt werden und am Ende eine Vorrangrelation der abwägungsrelevanten Belange zueinander gebildet wird360. Für die planerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB hat das Bundesverwaltungsgericht eine Abwägungsstruktur, die Verwaltungsrechtswissenschaft eine Abwägungsdogmatik entwickelt361. Die Dogmatik zum Abwägungsgebot ist paradigmatisch für Abwägungsdogmatiken in anderen rechtlichen Zusammenhängen. Die bauleitplanerische Abwägung 359

Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 44. E. Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 484. 361 Wickel, Bauplanung (Fn. 260), § 40 Rn. 132. 360

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lässt sich analytisch in vier Stufen unterteilen362. Als binäre Grobstruktur sind der Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis zu unterscheiden. Die grundlegenden Anforderungen an die Abwägung hat das Bundesverwaltungsgericht früh herausgebildet363. Wichtige Vorarbeiten für die Dogmatik planerischer Abwägung leistete Hoppe, der die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung durchgehend kritisch begleitete364. Das Abwägungsgebot setzt voraus, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind private und öffentliche Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen. Weiter setzt das Abwägungsgebot voraus, dass in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in Abwägung eingestellt werden muss. Das sind nur solche Belange, die in einem Ursachenzusammenhang mit der Planung stehen können und daher über-

362 Ob die Abwägungsdogmatik von einer zwei, drei oder vierstufigen (analytischen) Gliederung ausgeht, wird unterschiedlich beurteilt; einen Überblickt dazu gibt J. Dreier, Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, 1995, S. 55 ff.; Entscheidungen des BVerwG liegt zumeist die Annahme der Dreistufigkeit der planerischen Abwägungsstruktur zugrunde, maßstabsbildend BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105/66, BVerwGE 34, 301 (309); bestätigend BVerwG, Urt. v. 09. 04. 2008 – 4 CN 1/07, BVerwGE 131, 100 (105 ff.); OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28. 09. 2018 – 1 KN 19/16, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urt. v. 27. 09. 2018 – 12 KN 191/17, NordÖR 2019, 24 (29); in diesem Sinne statt Vieler auch Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 138; vereinzelt nehmen Stimmen im Schrifttum eine zweistufige Abwägungsstruktur an Dreier, Steuerung (Fn. 362), S. 59 ff.; wie hier geht ein Großteil des Schrifttums von einer vierstufigen Abwägungsstruktur aus, welcher den Einstellungsvorgang zweiphasig auffasst und ihn in die Phase der Ermittlung und der Phase der Einstellung unterteilt, statt Vieler mit eingehender Begründung W. Hoppe, Die „Zusammenstellung des Abwägungsmaterials“ und die „Einstellung der Belange“ in die Abwägung „nach Lage der Dinge“ bei der Planung, in: DVBl. 1977, S. 136 (142); W. Erbguth, Abwägung auf Abwegen? – Allgemeines und Aktuelles –, in: JZ 2006, S. 484 (488 f.); Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 135; kritisch insb. zum zweistufigen Ansatz von Dreier s. Hoppe, Abwägungsgebot (Fn. 247), § 7 Rn. 32 ff. 363 Die bis heute fortgeltenden Maßstäbe zur Abwägungsdogmatik legte das BVerwG in seiner Leitentscheidung BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105/66, BVerwGE 34, 301 (309); fortgeführt und weiter ausdifferenziert BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1972 – IV C 14/71, BVerwGE 41, 67 (69); BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (314 f.) – Flachglas; BVerwG, Urt. v.  14. 02. 1975  – IV  C  21/74, BVerwGE 48, 56 (63 f.); BVerwG, Urt. v. 07. 07. 1978 – IV C 79/76, BVerwGE 56, 110 (122 f.); aus neuerer Zeit z. B. BVerwG, Beschl. v. 01. 07. 2013 – 4 BN 11/13, BauR 2018, 1811 (1811 Ls. 3). – Die Literatur würdigt das richterrechtlich ausgeformte (planungsrechtliche) Abwägungsgebot bisweilen gar überschwänglich: Es sei eine „der großen Leistungen des Richterrecht [sic] der letzten zwanzig Jahre“ gewesen, meint K. Redeker, Entwicklungen und Probleme verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, in: N. Achterberg / W. Krawietz / D. Wyduckel (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel, 1983, S. 861 (874); die Dogmatik der planerischen Abwägung sei die „wohl bestgelungene Rechtsschöpfung“ von grundrechtsspezifischen Sonderverwaltungsrechtsfiguren meint E. SchmidtAßmann, Grundrechtswirkungen im Verwaltungsrecht, in: B. Bender u. a. (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz, 1993, S. 225 (227); aufgegriffen von F. Ossenbühl, 40 Jahre Bundesverwaltungsgericht, in: DVBl. 1993, S. 753 (757); eine Hommage an die Leitentscheidung des BVerwG zum Abwägungsgebot W. Hoppe, Entwicklung von Grundstrukturen des Planungsrechts durch das BVerwG, in: DVBl. 2003, S. 697 (697 ff.). 364 Zuerst wohl Hoppe,  Bauleitplanung (Fn. 342), S. 168 ff.; Hoppe, Zusammenstellung (Fn. 362), S. 136 ff.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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haupt von der Planung berührt sein können365. Zudem erfordert das Abwägungsgebot, dass weder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen den ermittelten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht366. Sowohl aus der Struktur der planerischen Abwägung als auch aus dem Wortlaut von Absatz 7 ergibt sich, dass „private“ und „öffentliche“ Belange gegeneinander und untereinander (gerecht) abzuwägen sind. Das Abwägungsmaterial setzt sich folglich aus einer Vielzahl von Belangen unterschiedlicher Provenienz zusammen. Alle Belange sind grundsätzlich abstrakt rechtlich gleichwertig und (zunächst) gleichrangig in den Prozess der Abwägung einzustellen367. Die Belange müssen innerhalb der jeweiligen Kategorie (also die privaten und öffentlichen Belange) untereinander und zugleich die Belange unterschiedlicher Kategorien miteinander zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden368. Das Gesetz hebt dies ausdrücklich hervor. Geht man mit obiger These davon aus, dass § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nachbargemeindliche Belange in der bauleitplanerischen Abwägung zugunsten der Nachbargemeinde subjektiviert, ansonsten aber die Abstimmung vollständig in die bauleitplanerische Abwägung zu integrieren ist, so hätte die vollständige Integration für den zu erfolgenden Ausgleich die Folge, dass sich die nachbargemeindlichen Belange gleichermaßen privaten sowie öffentlichen Belangen stellen müssten. Nachbargemeindliche Belange müssten kategorieintern mit anderen öffentlichen Belangen, aber auch kategorieübergreifend mit privaten Belangen zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die planende Gemeinde könnte mit privaten Planungsinteressen, die mit der Planung verfolgt werden, wenn und soweit diese gewichtig genug sind, die Interessen der Nachbargemeinde überwinden. Die vollständige (subjektivierende) Integration der intergemeindlichen Abstimmung in die bauleitplanerische Abwägung hätte die Folge, dass nachbargemeindliche Belange in Konkurrenz zu privaten Belangen träten369. Das Gesetz legt durch die eigenständige Normierung in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und der Abstimmung von „Bauleitplänen“ eine Konkurrenz nachbargemeind­ 365

BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (98) – Abwägungs­ material; Ibler, Schranken (Fn. 106), S. 243 ff.; Bach, Abwägung (Fn. 106), S. 69. 366 BVerwG, Urt. v.  12. 12. 1969  – IV  C  105/66, BVerwGE 34, 301 (309); BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1972 – IV C 14/71, BVerwGE 41, 67 (69); BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (314 f.) – Flachglas; BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21/74, BVerwGE 48, 56 (63 f.); BVerwG, Urt. v. 07. 07. 1978 – IV C 79/76, BVerwGE 56, 110 (122 f.); stellvertretend aus der Literatur Hoppe, Abwägungsgebot (Fn. 247), § 7 Rn. 1 ff. 367 BVerwG, Urt. v. 01. 11. 1974 – IV C 38/71, BVerwGE 47, 144 (144 Ls. 1, 148); BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21/74, BVerwGE 48, 56 (67 f.); Hoppe, Bauleitplanung (Fn. 342), S. 170; H. Blumenberg, Neuere Entwicklungen zu Struktur und Inhalt des Abwägungsgebots im Bauplanungsrecht, in: DVBl. 1989, S. 86 (92 f.); Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 161 ff.; Battis (Fn. 49), § 1 Rn. 100. 368 Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 158. 369 Diese Konsequenz sieht auch Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 43, ohne ihr allerdings im weiteren Verlauf seiner Untersuchung entscheidende Bedeutung beizumessen.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

licher Belange mit privaten und (anderen) öffentlichen Belangen nicht nahe. Bei der bauleitplanerischen Abwägung kann unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 7 BauGB abgeleitet werden, dass eine Abwägung zwischen den privaten und privaten Belangen, den öffentlichen und öffentlichen Belangen untereinander sowie den öffentlichen und privaten Belangen gegeneinander erfolgen muss. Der Wortlaut von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB spricht gegen eine auch kategorieexterne Abwägung. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB deutet auf eine reine kategorieinterne Abwägung von gemeindenachbarlichen Belangen untereinander hin. Die These von der vollständigen Integration der Abstimmung in die bauleitplanerische Abwägung birgt damit die Gefahr in sich, dass sich nachbargemeindliche Belange einer größeren Zahl konträrer Belange stellen müssen, obwohl das Gesetz dafür keine Anhaltspunkte enthält. Das Gesetz verlangt nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB daher eine bikriterielle Abwägungsentscheidung370. Die Abstimmung verpflichtet die planende Gemeinde, (nur) die konfligierenden Belange, die entweder der planenden Gemeinde oder der benachbarten Gemeinde zuzuordnen sind, zu einem Ausgleich zu bringen371. Dass die Abwägung bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB rein kategorieintern erfolgen soll, würde eine vollständige Integration verschleifen. Soweit ersichtlich thematisiert die Literatur, die sich für die Integration der Abstimmung in die Abwägung ausspricht, diesen Aspekt nicht372. Den skizzierten fragwürdigen Effekt vollständiger Integration könnte man vermeiden, jedenfalls aber abmildern, wenn man nachbargemeindlichen Belangen wegen der Betonung 370

Diesen Begriff verwendet Hofmann, Abwägung (Fn. 247), S. 369, für die (seltenen) Fälle, in denen es um die Abwägung von genau zwei Gütern geht. Davon abweichend soll „bikriteriell“ in diesem Zusammenhang nicht bedeuten, dass nur ein gemeindlicher Belang und nur ein nachbargemeindlicher Belang gegeneinander abzuwägen sind, sondern weitergehend, dass nur Belange aus der Sphäre der Gemeinde oder Nachbargemeinde relevant sind und gegeneinander abzuwägen sind. Fingerhut, Gemeindenachbarklage (Fn. 2), S. 26, spricht von einer „bipolaren“ Abstimmung. Er meint damit aber anders als hier ein vierpoliges Verhältnis. Seiner Auffassung nach verlange das allgemeine bauleitplanerische Abwägungsgebot nur eine intrakommunale Abwägung. Erst das Abstimmungsgebot schließe gebietsübergreifende Belange ein: „Die Abwägung bezieht sich 1. auf gemeinsame überörtliche Belange, 2. nicht wie im intrakommunalen Bereich bipolar auf lediglich zwei Gruppen von Abstimmungsfaktoren – die privaten und öffentlichen Belange innerhalb einer Gebietskörperschaft –, sondern auf das Verhältnis zwischen zwei oder mehr, ihrerseits bereits bipolar durch Gruppen privater und öffentlicher Belange bestimmte Gebietskörperschaften.“ 371 Diese Erwägungen zeigen, dass eine oben kritisch gesehene Verdoppelung der Pflicht zur Einbeziehung von nachbargemeindlichen Belangen durch § 2 II 1 BauGB auf der einen und durch § 1 VII BauGB auf der anderen Seite nur bei oberflächlicher Betrachtung vorliegt. Denn § 2 II 1 BauGB verlangt eine bikriterielle Abwägungsentscheidung. 372 Ansätze bei Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 43; auch Gerichtsentscheidungen deuten auf eine ausschließlich bikriterielle Abwägungsentscheidung hin. So die Ausführungen des BVerwG und einiger Obergerichte, welche die Wendung des BVerwG aufnehmen: § 2 II 1 BauGB „verlangt einen Interessenausgleich zwischen diesen Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange“ BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken; BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, ZfBR 2010, 463 (466); OVG NRW, Beschl. v. 28. 10. 2011 – 2 B 1037/11, juris Rn. 35; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 16. 01. 2014 – 1 B 11184/13.OVG, BeckRS 2014, 46810.

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in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB von vornherein abstrakt-generell ein höheres Gewicht einräumt. Sie könnten sich dadurch gegebenenfalls eher gegenüber privaten Belangen durchsetzen. Ein abstrakt höheres Gewicht ist nicht gleichbedeutend mit der Erhöhung der Rechtfertigungslasten, die bestehen, wenn der Bebauungsplan der planenden Gemeinde nachbargemeindliche Belange unmittelbar und gewichtig berührt. Vermutlich gleichen sich aber die Ergebnisse, wenn nachbargemeindliche Belange entweder situationsbedingt oder abstrakt höher gewichtet werden. Es ist allerdings sachlich nicht zu rechtfertigen, dass nachbargemeindliche Belange im Verhältnis zu privaten Belangen von vornherein, ohne Rücksicht auf den konkreten Fall abstrakt-generell höher zu gewichten sein sollen als private Belange, die oft verfassungsrechtlichen, nämlich grundrechtlichen prima facie Schutz genießen373. Ein höherer Stellenwert nachbargemeindlicher Interessen würde das Ansinnen des Bundesverwaltungsgerichts, dass nachbargemeindliche Belange keinen geringeren Schutz als private Belange genießen, geradezu in sein Gegenteil verkehren374. Jedenfalls die Besserstellung nachbargemeindlicher Belange gegenüber privaten Belangen in der bauleitplanerischen Abwägung begegnet daher verfassungsrechtlichen Bedenken375. Für die bauleitplanerische Abwägung postulierte das Bundesverwaltungsgericht unter Zustimmung der Literatur die abstrakte Gleichwertigkeit der abwägungserheblichen Belange376. Die abstrakte Gleichwertigkeit von abwägungserheblichen Belangen besteht indes nur im Grundsatz. Es gibt also auch Ausnahmen. Das Bundesverwaltungs­ gericht erkennt Situationen an, in denen nicht alle Belange gleiches Gewicht haben. Der Gesetzgeber könne durch Gesetz kraft seiner parlamentarischen Entscheidungskompetenz einem abwägungserheblichen Belang Vorrang einräumen377. Die in Rechtsprechung und Schrifttum unter dem Terminus der sog. Optimierungsgebote bekannten legislativen Vorrangentscheidungen bestimmter Belange in der Abwägung verleihen einem bestimmten Belang zwar keinen abstrakt-gene­rellen Vorrang, aber ein besonderes, zielbestimmendes Gewicht378. Man könnte § 2 Abs. 2 373

Zum grundrechtlichen prima facie Schutz Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 273. BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (33) – FOC Zweibrücken. 375 Diesen Punkt greift auf Krausnick, Factory-Outlet-Center (Fn. 113), S. 201, der verfassungsrechtliche Zweifel an einem von vornherein höheren Gewicht nachbargemeindlicher Belange anmeldet. 376 Dazu bereits Fn. 367. 377 BVerwG, Urt. v.  22. 03. 1985  – 4  C  73/82, BVerwGE 71, 163 (165); BVerwG, Urt. v.  05. 12. 1986  – 4  C  13/85, BVerwGE 75, 214 (254); BVerwG, Beschl. v.  05. 10. 1990  – 4 B 249/89, NVwZ-RR 1991, 118 (120). 378 Zu den Optimierungsgeboten ist in der wissenschaftlichen Literatur eine äußerst kontroverse Debatte ausgebrochen, die im Einzelnen nicht nachgezeichnet werden soll. Umstritten ist bereits, was unter einem Optimierungsgebot zu verstehen ist, wie es wirkt und ob das BVerwG daran weiter festhält. Letzteres ist besonders deshalb fraglich, weil das BVerwG anscheinend neben dem Begriff des Optimierungsgebots auch den Begriff der Abwägungsdirektive einführte, ohne allerdings beide Begriffe inhaltlich klar voneinander zu trennen und inhaltlich zu konturieren, BVerwG, Urt. v. 28. 01. 1999 – 4 CN 5/98, BVerwGE 108, 248 (248 Ls. 1, 256); kritisch auch zur weiteren Begriffsverwendung in der Rspr. des BVerwG H.-J.  Koch, Die 374

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

S. 1  BauGB als Optimierungsgebot begreifen. Die Einstufung von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB als Optimierungsgebot könnte die genannten verfassungsrechtlichen Zweifel aber nicht ausräumen. Nachbargemeindlichen Belangen kann selbstverständlich situationsabhängig ein Vorrang zukommen379. Der situationsabhängige Vorrang ist aber eine Folge der konkreten Gewichtung und des konkreten Ausgleichs und in der Abwägung angelegt. Die volle Integration kann daher durch keine abstrakte Höhergewichtung nachbargemeindlicher Belange eine bikriterielle Abwägung in der Sache sicherstellen. Die bauleitplanerische Abwägung steht nicht losgelöst von anderen normativen Einflüssen380. Das belegt schon die Subjektivierungsleistung durch § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB oder die (umstrittene) Figur der Optimierungsgebote. Das Recht behält, zumal wenn eine Norm die Abwägungsentscheidung ausdrücklich anordnet, seine (partielle) Steuerungswirkung. So ist es im Fall von § 1 Abs. 7 BauGB. Durch § 1 Abs. 7 BauGB und andere Normen können beispielsweise bestimmte Belange hervorgehoben oder bestimmte Belange für unbeachtlich erklärt werden381. Aus diesem Grund kann die Integrationsthese von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in die Abwägung nach § 1 Abs. 7  BauGB mit folgender Maßgabe überzeugen: § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB modifiziert für den Teilausschnitt des zwischengemeindlichen Bereichs die bauleitplanerische Abwägung durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verändert das zur Überwindung nachbargemeindlicher Belange zu­lässige Abwägungsmaterial auf gemeindliche, d. h. wegen der Begrenzung auf „Bauleitpläne“ ausschließlich städtebauliche Belange382. Im Verhältnis von Gemeinden zueinander können Nachbargemeinden daher ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme verlangen383. Eine nach diesen Maßgaben modifizierte Integration

Rechtfertigung der Planung zwischen planerischer Gestaltungsfreiheit und rechtsstaat­lichem Abwägungsgebot, in: ders. / Hendler, Baurecht (Fn. 94), § 17 Rn. 34a. – Allgemein zur Diskussion über die Figur der Optimierungsgebote W. Hoppe, Die Bedeutung von Optimierungs­ geboten im Planungsrecht, in: DVBl. 1992, S. 853 (853 ff.); Dreier, Steuerung (Fn. 362), S. 215 ff.; J.-D. Just, Ermittlung und Einstellung von Belangen bei der planerischen Abwägung, 1996, S. 88 ff.; aus der Perspektive der „Konditionalisierung“ von Finalnormen U. Di Fabio, Die Struktur von Planungsnormen, in: Erbguth, Planung (Fn. 2), S. 75 (88 ff.); kritische Anmerkungen auch bei R. Bartlsperger, Ökologische Gewichtungs- und Vorrangregelungen, in: Erbguth u. a., Planung (Fn. 2), S. 127 (137 ff.); Hofmann, Abwägung (Fn. 247), S. 267 ff.; Bach, Abwägung (Fn. 106), S. 56 ff.; Koch, Rechtfertigung (Fn. 378), § 17 Rn. 33 ff.; der Begriff wird auch in die verfassungsrechtliche Diskussion eingeführt Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 75 ff. 379 Ausdrücklich Blumenberg, Entwicklungen (Fn. 367), S. 93. 380 Eingehend zur rechtlichen Steuerung von Abwägungsentscheidungen, insb. der Bestimmung von abwägungserheblichen oder -unerheblichen Belangen Uerpmann, Interesse (Fn. 253), S. 291 ff. 381 Der Grundsatz, dass dem Gesetzgeber, so Di Fabio, Struktur (Fn. 378), S. 87, unbenommen sei, alle möglichen Belange aufzulisten, die eine planerische Entscheidung zu berücksichtigen hätte, gilt gleichermaßen für das aufs Engste mit der Planung verknüpfte Abwägungsgebot. 382 Eingehend dazu 2.  Teil A. I. 2. b) aa) (1) (c) (S. 142 ff.). 383 BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (331) – Krabbenkamp.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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leugnet erstens nicht die besonderen gesetzestechnischen Gründe, die für die Wortwahl „abstimmen“ statt „abwägen“ gesprochen haben mögen. Sie beraubt § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zweitens nicht eines eigenständigen, nennenswerten Anwendungsbereichs, der sich nicht nur in der Subjektivierung nachbargemeindlicher Belange erschöpft. Gleichzeitig kann die modifizierende Integration drittens den ganzheitlichen, integrativen Charakter der (bauleitplanerischen) Abwägung bewahren. Viertens stellt die modifizierende Integration von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB sicher, dass nachbargemeindliche Belange nicht mit privaten Interessen konkurrieren. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB modifiziert die Abwägungsentscheidung des § 1 Abs. 7 BauGB für den zwischengemeindlichen Bereich zu einer bikriteriellen Abwägungsentscheidung. Die subjektivierte, bikriterielle Abwägungsentscheidung löst das ansonsten nicht zu Unrecht als fragwürdig empfundene Verhältnis von § 2 Abs. 2 zu § 1 Abs. 7 BauGB widerspruchsfrei auf. Es findet damit eine zwischengemeindliche Abstimmung in der Abwägung statt. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verlangt, so zutreffend das Bundesverwaltungsgericht, einen Interessenausgleich zwischen den Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange384. Kern ist eine gerechte Abwägung der gegenläufigen Interessen der (Nachbar-)gemeinden385. Es geht um eine sachgerechte Abwägung widerstreitender nachbarlicher Belange386. b) Eingreifen und Verletzen des Abstimmungsgebots Nachbargemeinden kann nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ein einfachgesetzlich begründeter Anspruch gegenüber der planenden Gemeinde im Horizontalverhältnis auf Abstimmung zustehen, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind. Dieser Anspruch umfasst positiv – so formuliert ihn § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB –, dass die planende Gemeinde bei der Aufstellung ihres Bebauungsplans die Interessen der Nachbargemeinde mit ihren Interessen im Vorgang der bikriteriellen Abwägungsentscheidung koordiniert. Der Anspruch der Nachbargemeinde lässt sich zugleich negativ formulieren: Die Nachbargemeinde hat einen Anspruch gegenüber der planenden Gemeinde, dass sie keinen Bebauungsplan erlässt, der auf Grundlage einer Abwägungsentscheidung ergangen ist, die nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB entspricht und hinter dem Pflichtenprogramm des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB zurückbleibt387. Die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs hängen von dem Inhalt des Abstimmungsanspruchs und dem korrespondierenden

384

BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken. BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (218) – Schlachthof. 386 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (216) – Schlachthof. 387 Missverständlich wäre es demgegenüber, von einem Anspruch auf Erlass (nur) abgestimmter Bebauungspläne zu sprechen. Dies insinuiert, dass die Nachbargemeinde einen Anspruch auf Erlass eines Bebauungsplans durch die Nachbargemeinde hätte. 385

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Pflichtenprogramm der planenden Gemeinde ab. Den beiden Ansprüchen bzw. Anspruchsebenen entspricht die Unterscheidung zwischen dem Eingreifen und dem Verletzen des Abstimmungsgebots388. Bestehen der Anspruch auf Abstimmung und die Pflicht zur Abstimmung, dann greift das Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ein. Der Unterlassungs- sowie der Abwehranspruch bestehen, wenn das Abstimmungsgebot aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verletzt ist. aa) Voraussetzungen und Inhalt des Abstimmungsanspruchs (1) Voraussetzungen des Abstimmungsanspruchs Mit unterschiedlicher Deutlichkeit schlägt sich im Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nieder, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf und die Pflicht zur Abstimmung bestehen. (a) Keine rechtliche Verfestigung nachbargemeindlicher Interessen Die zwischengemeindliche Abstimmung setzt als bikriterielle Abwägungs­ entscheidung, die einen Teilausschnitt der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB bildet, konfligierende Belange voraus. Ansonsten ergäben der Anspruch auf und die Pflicht zur geordneten Gegenüberstellung gemeindenachbarlicher Belange sowie die Vorrangermittlung unter ihnen keinen Sinn. Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 7 BauGB bemühte das Bundesverwaltungsgericht das treffende Bild der leeren Waagschale389. Wie die Belange beschaffen sein müssen und ob jedes negative Berühren abstimmungserheblicher nachbargemeindlicher Belange für den Abstimmungsanspruch und -pflicht genügt, soll Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen sein. Die Verwendung des Plurals Bauleitpläne in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB deutet darauf hin, dass nicht nur die planende Gemeinde einen Bebauungsplan aufstellen muss, sondern dass auch bei der benachbarten Gemeinde ein schon erlassener oder in Aufstellung befindlicher Bauleitplan vorhanden sein muss. Die (städtebaulichen) Interessen der Nachbargemeinde müssen sich scheinbar normativ in einem Bebauungsplan der Nachbargemeinde verstetigt haben. Es zeigte sich aber, dass es sich bei dem Abstimmungsgebot um eine gesetzestechnisch notwendige

388 Von einem zweistufigen Prüfprogramm, das zwischen dem Bestehen und dem Verletzen des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung unterscheidet, gehen etwa aus H. Schmitz, Factory-Outlet-Center in der Rechtsprechung, in: BauR 1999, S. 1100 (1103); Kopf, Ab­ stimmung (Fn. 69), S. 169. Sie knüpfen aber teilweise für den Abstimmungsbedarf noch an „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ an. 389 BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (312) – Flachglas.

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Umformulierung einer Abwägungsentscheidung zwischen gemeindenachbarlichen Belangen handelt390. Auch wenn § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB auf Seiten der Nachbargemeinde keine (vorhandenen) Bauleitpläne voraussetzt, könnte das Gesetz aber zumindest verlangen, dass sich die nachbargemeindlichen Belange planungsrechtlich in Form eines Bauleitplans alsbald rechtlich manifestieren und verfestigen. Diejenige Gemeinde, die für sich in Anspruch nimmt, dass die planende Gemeinde sich mit ihren Belangen abstimmen muss, muss sich also selbst in der Aufstellung eines Flächennutzungsplans oder Bebauungsplans befinden oder dies unmittelbar beabsichtigen. Die ganz überwiegende Anzahl an Stellungnahmen in der Rechtsprechung und der Literatur steht zu Recht seit jeher auf einem anderen Standpunkt: „[D]ie Abstimmungspflicht [kann] nicht auf solche Fälle beschränkt werden, in denen bei der Nachbargemeinde Bauleitpläne bereits vorhanden sind.“391 Auch ist nicht die Rede davon, dass sich die betroffene Nachbargemeinde in der Aufstellung eines Bauleitplans befinden müsse. Sollten allerdings Bauleitpläne vorliegen oder sollte die Nachbargemeinde einen Bauleitplan aufstellen und dabei bereits konkrete Planungsabsichten der Nachbargemeinde hervortreten, so steigere sich die Schutzwürdigkeit der Belange der betroffenen Nachbargemeinde in der bikriteriellen Abwägungsentscheidung392. Sind Bauleitplanungen vorhanden, handelt es sich um nichts anderes als rechtsverbindlich manifestierte nachbargemeindliche Interessen393. Für § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB beschreiten die Rechtsprechung und das Schrifttum somit einen gänzlich anderen Weg als bei gemeindlichen Abwehrrechten gegen Fachplanungsentscheidungen. Im Fachplanungsrecht kann sich eine Gemeinde gegen die Fachplanung nur dann wehren, wenn eine eigene hinreichend konkrete und verfestigte Planung vorliegt. Nicht erforderlich soll sein, dass sich diese bereits verbindlich in einem Bauleitplan niedergeschlagen habe394. Auch bei 390

Dazu bereits 2. Teil  A. I. 2. a) bb) (2) (S. 94 ff.).  – Es wird nahezu einhellig davon ausgegangen, dass § 2 II 1 BauGB mit „Bauleitplänen“ die Interessen bzw. Belange der Nachbargemeinden meint: BVerwG, Urt. v.  15. 12. 1989  – 4  C  36/86, BVerwGE 84, 209 (216, 218) – Schlachthof; BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken; BVerwG, Urt. v. 17. 09. 2003 – 4 C 14/01, BVerwGE 119, 25 (34) – MülheimKärlich; Uechtritz, Einzelhandel (Fn. 2), S. 60; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 105, 109. 391 BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (330 f.) – Krabbenkamp, spricht in diesem Zusammenhang von einer „erweiternd[en]“ Auslegung; seitdem stRspr. etwa auch BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (215 f.) – Schlachthof. 392 BVerwG, Beschl. v. 09. 01. 1995 – 4 NB 42/94, NVwZ 1995, 694 (695); BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, NVwZ 2010, 1026 (1030 Rn. 45); BayVGH, Urt. v. 11. 03. 2013 – 1 N 12.2150, juris Rn. 22. 393 Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 90. 394 Allgemein zum Rechtsschutz von Gemeinden im Fachplanungsrecht aus der Rspr. z. B.  Planfeststellung eines Verkehrsflughafens: BVerwG, Urt. v.  30. 05. 1984  – 4  C  58/81, BVerwGE 69, 256 (261 f.); Landbeschaffung für Verteidigungszwecke: BVerwG, Urt. v. 11. 04. 1986 – 4 C 51/83, BVerwGE 74, 124 (125, 129); immissionsschutzrechtliche Genehmigung: BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (214 f.) – Schlachthof; abfallrechtliche Planfeststellung: BVerwG, Urt. v. 27. 03. 1992 – 7 C 18/91, BVerwGE 90, 96 (100 f.);

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der Fach­planung wird nicht in jedem Fall ein in Kraft getretener Bebauungsplan verlangt395. In der Sache kann diese Rechtsprechung nicht überzeugen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verleiht den Gemeinden das Recht, selbst über die Nutzung des Gemeindebodens zu entscheiden. Jede staatliche Determinierung der gemeindlichen Planungsentscheidung stellt einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie dar396. Allerdings wurden die Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinden gegen Fachplanungen in der Vergangenheit – wenn auch nur zurückhaltend – ausgedehnt. Sollte noch keine hinreichend verfestigte Planung der betroffenen Gemeinde vorliegen, so wird der von der Fachplanung betroffenen Gemeinde auch dann eine Abwehrmöglichkeit zugestanden, wenn die Fachplanung der Gemeinde wesentliche Teile ihres Gebiets einer (gemeindlichen) Planung entzieht397. Die erhebliche Beeinträchtigung gemeindlicher Einrichtungen kann ebenfalls einen Abwehranspruch der Gemeinde gegen eine Fachplanung auslösen398. Begründet wird die unterschiedliche Behandlung von Fachplanung und Bauleitfernstraßenrechtliche Planfeststellung: BVerwG, Urt. v. 21. 03. 1996 – 4 C 26/94, BVerwGE 100, 388 (391 ff.); Planfeststellung für Bahnstromleitung: BVerwG, Beschl. v. 09. 02. 1996 – 11  VR  45/95, NVwZ 1996, 1021 (1022 f.); jüngst Planfeststellung für eine 380-kV-Höchstspannungsfreileitung: BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 4 A 4/15, NVwZ 2017, 708 (714 f.); eisenbahnrechtlicher Planfeststellungsbeschluss: BVerwG, Urt. v. 12. 04. 2018 – 3 A 10/15, NVwZ 2018, 1799 (1780 f.); aus der Literatur M. Boll / P. Schütz, Der Rechtsschutz von Gemeinden in der Fachplanung, in: NVwZ 2002, S. 550 (550 ff.); Vallendar, Rechtsschutz (Fn. 319), S. 41 ff.; J.  Held, Rechtsschutz von Gemeinden gegen Maßnahmen der Fachplanung, in: J.  Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2010, 2011, S. 205 (212 ff.); gleichlautender Beitrag J. Held, Rechtsschutz von Gemeinden gegen Maßnahmen der Fachplanung, in: LKRZ 2010, S. 246 (246 ff.); knapp M. Wickel, Fach­planung, in: Ehlers / Fehling / P ünder, VwR BT II (Fn. 260), § 39 Rn. 113; P. Schütz, Rechtsschutz im Fachplanungsrecht, in: J.  Ziekow (Hrsg.), Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 144 ff.; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 9. – Zu den Auswirkungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes auf den gemeindlichen Rechtsschutz gegen Fachplanungen und Planfeststellungsbeschlüsse Schwanenflug, Rechtsschutz (Fn. 143), S. 1351 ff.; M. Ogorek, Die Anfechtung von Planfeststellungsbeschlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, in: NVwZ 2010, S. 401 (401 ff.). 395 So BVerwG, Beschl. v. 09. 02. 1996 – 11 VR 45/95, NVwZ 1996, 1021 (1023); BVerwG, Urt. v. 27. 08. 1997 – 11 A 18/96, NVwZ-RR 1998, 290 (292), ließ ausdrücklich offen, ob allein ein Aufstellungsbeschluss genügt; W. Sander, Die Kollision von Fernstraßenplanung und gemeindlicher Siedlungstätigkeit im Lichte der landesplanerischen Vorgaben, in: UPR 1997, S. 279 (280 ff.); Held, Rechtsschutz (Fn. 394), S. 214, der im Einzelfall auch einen Aufstellungsbeschluss ausreichen lässt, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits konkretisierte Planungsvorstellungen vorhanden sind, aber zugleich betont, dass keine eindeutige Grenzziehung möglich sei; einen beschlossenen Bebauungsplan ebenfalls für nicht notwendig erachtet Schütz, Rechtsschutz (Fn. 394), § 8 Rn. 146. 396 Kritisch zum Rechtsschutz gegen Raumordnungspläne hinsichtlich des auch dort verbreiteten Kriteriums „hinreichend konkretisierter kommunaler Planungen“ M.  Kment, Unmittelbarer Rechtsschutz von Gemeinden gegen Raumordnungspläne, in: DÖV 2003, S. 349 (351 ff.), der darin sogar einen Wertungswiderspruch zum Abstimmungsgebot sieht. 397 BVerwG, Urt. v. 11. 04. 1986 – 4 C 51/83, BVerwGE 74, 124 (132); Held, Rechtsschutz (Fn. 394), S. 219. 398 Dazu Held, Rechtsschutz (Fn. 394), S. 212.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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planung mit der rechtlichen Gleichordnung der Gemeinden, wenn Bebauungspläne der planenden Gemeinde die Nachbargemeinde beeinträchtigen399. Stehen sich die planende Gemeinde und die betroffene Gemeinde im Verhältnis der Gleichordnung gegenüber, so eine verbreitete Auffassung, könne ein höheres Maß an Rücksichtnahme verlangt werden. Auf konkrete Planungsabsichten komme es deshalb nicht an, auch wenn sich die Schutzwürdigkeit der betroffenen Nachbargemeinde durch vorhandene Planungsabsichten oder gar vorhandene Bauleitpläne steigere400. Im Ergebnis ist die Verwendung des Plurals in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB also missverständlich. Entgegen der pluralen Verwendung des Wortes „Bauleitpläne“ kommt es nicht darauf an, ob solche bei den Nachbargemeinden vorhanden sind oder ob Nachbargemeinden Bauleitpläne aufstellen oder aufzustellen beabsichtigen. (b) Abstimmung nur mit Belangen „benachbarter Gemeinden“ Die planende Gemeinde ist nur zur Abstimmung mit den Interessen benachbarter Gemeinden verpflichtet; nur die Nachbargemeinden haben gegenüber der planenden Gemeinde einen Anspruch auf Abstimmung und Unterlassung des Erlasses unabgestimmter Bebauungspläne. Voraussetzung für das Bestehen der Ansprüche ist gem. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB unter anderem, dass sich die planende Gemeinde und die betroffene Gemeinde in einem bauplanungsrechtlichen Nachbarschaftsverhältnis befinden. Die Auslegung dieser Tatbestandsvoraussetzung ist weitgehend unumstritten401. Einhellige Auffassung sowohl in der Rechtsprechung als auch in 399 Dass das Argument der prinzipiellen Gleichordnung tatsächlich eine erhöhte gegenseitige Rücksichtnahme unter Gemeinden verlangt, ist sehr zweifelhaft, soll aber dahinstehen. Jede Gemeinde nimmt für sich ein verfassungsrechtliches Recht in Anspruch, wenn sie eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllt. Warum sollte der staatliche Zugriff verfassungsrechtlich niedrigeren Anforderungen unterliegen? Im einfachen Recht mag aber viel dafürsprechen, dass der Gesetzgeber die Fachplanungen privilegieren wollte Stüer, Planungshoheit (Fn. 204), S. 816. Verfassungsrechtlich sind dann die Rechtfertigungslasten für den Gesetzgeber in der Fachplanung sogar höher, wenn der Zugriff staatlicher (Fach-)Planungen auf Gemeinden in Streit steht. Dass (Nachbar-)Gemeinden in der Bauleitplanung mehr, in der Fachplanung weniger Schutz haben, ist dann das Ergebnis einer verfassungsrechtlich gerechtfertigten Entscheidung des Gesetzgebers. Ein Mehr oder Weniger an Rücksichtnahme folgt aber nicht aus dem Verfassungsrecht. Weil mit Fachplanungen überörtliche (gesamtstaatliche) Interessen verfolgt werden, mag eine Privilegierung von Fachplanungen auch verfassungsrechtlich rechtfertigungsfähig sein. 400 Hierzu und zum Vorhergehenden BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (214 ff.) – Schlachthof; Uechtritz, Einzelhandel (Fn. 2), S. 64; Halama, Metamorphose (Fn. 55), S. 81; Stüer, Planungshoheit (Fn. 204), S. 816; Krausnick, Factory-Outlet-Center (Fn. 113), S. 200; Bunzel, Abstimmungsgebots (Fn. 175), S. 52; Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 168; Scheidler, Schutz (Fn. 175), S. 393; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 97. 401 Keine Einigkeit besteht demgegenüber, wie sich die vom BVerwG ausgesprochene Vermutungswirkung des § 11 III BauNVO, wonach aus dem Anlagetyp ein Abstimmungsbedarf für große Einzelhandelsbetriebe unabhängig von einer Einzelfallprüfung folgen soll, auf das Merkmal „benachbart“ auswirkt s. zu dieser Vermutungswirkung BVerwG,

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

der Literatur ist, dass es für ein Benachbartsein von Gemeinden nicht auf eine strikt zu verstehende, unmittelbare räumliche Nachbarschaft der Gemeinden ankommt. Gemeinden müssen nicht zwingend territorial aneinandergrenzen. Bestimmend für die Auslegung des Benachbartseins ist der Sinn und Zweck des materiellen Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung: Soll durch das Abstimmungsgebot eine zwischengemeindliche Koordination städtebaulicher Interessen erfolgen, ist eine Gemeinde immer dann benachbart, wenn solche städtebaulichen Interessen der Gemeinde berührt sein können. Nach dem planungsrechtlichen Nachbarbegriff kommt es für das Benachbartsein darauf an, ob die betroffene Gemeinde sich noch im Bereich der planungsrechtlichen faktischen Auswirkungen und der rechtlichen (Folge-)Betroffenheiten des Bebauungsplans befindet402. Es ist im Einzelfall die konkrete Reichweite einer Auswirkung in den Blick zu nehmen403. Benachbart im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB kann auch eine Gemeinde sein, die in einem anderen Bundesland liegt404. Ein unmittelbares territoriales Angrenzen stellt häufig ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die betroffene Gemeinde eine benachbarte Gemeinde ist405. (c) Ausschließliche Beachtlichkeit von städtebaulichen Interessen Das Abstimmungsmaterial setzt sich zusammen aus den Belangen der planenden Gemeinde, welche diese mit ihrer Bebauungsplanung verwirklichen möchte, und Beschl. v. 22. 12. 2009 – 4 B 25/09, ZfBR 2010, 269 (270); OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. 05. 2006 – 12 A 28/05, LKV 2007, 32 (33); OVG MV, Beschl. v. 05. 11. 2008 – 3 L 281/03, NordÖR 2009, 75 (75 Ls. 3, 82); aus der Kommentarliteratur etwa O. Bischopink, in: C. Bönker / ders. (Hrsg.), Kommentar zur Baunutzungsverordnung, 2. Aufl. 2018, § 11 Rn. 196; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 25 f. 402 Zum Begriff des Benachbartseins BVerwG, Beschl. v. 09. 01. 1995 – 4 NB 42/94, NVwZ 1995, 694 (694 Ls. 2); auch eine größere Entfernung schließt ein Benachbartsein nicht aus BayVGH, Urt. v. 03. 05. 1999 – 1 N 98.1021, NVwZ 2000, 822 (823); Uechtritz, Einzelhandel (Fn. 2), S. 63; J. Berkemann, in: ders. / G. Halama (Hrsg.), Erstkommentierungen zum BauGB 2004, 2005, § 2 BauGB 2004 Rn. 8; M.  Kment, Das Gebot interkommunaler Abstimmung als Abwehrrecht, in: UPR 2005, S. 95 (95); Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 106; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 24; insoweit ist zu präzisieren, dass es nicht allgemein auf außergebietliche Auswirkungen der Planung ankommt, sondern darauf, dass die außergebietlichen Auswirkungen gerade auch eine andere Gemeinde betreffen Bönker, Bauleitplanung (Fn. 89), § 5 Rn. 142. 403 Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 106. 404 Der Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 29. 04. 2010 – 4 CN 3/08, BVerwGE 137, 38 (38 ff.), lag die Konstellation zu Grunde, in der sich eine niedersächsische Gemeinde gegen einen (vorhabenbezogenen) Bebauungsplan für den Bau eines Einrichtungshauses in Bremen-Osterholz durch eine Gemeinde des Landes Bremen wandte; gegen ein Vorhaben in Brandenburg wandte sich das Land Berlin, wobei die Besonderheit hinzu kommt, dass es sich bei Berlin um einen Stadtstaat handelt, in dem kommunale und staatliche Aufgaben nicht getrennt werden OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. 05. 2006 – 12 A 28/05, LKV 2007, 32 (32 ff.); R. Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten in den neuen Bundesländern, in: LKV 1991, S. 258 (261); beiläufig Jahn, Abstimmungsgebot (Fn. 176), S. 413; Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 106. 405 Berkemann (Fn. 402), § 2 BauGB 2004 Rn. 8; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 24.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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denen der benachbarten Gemeinde. Die planende Gemeinde muss nicht alle nachbargemeindlichen Interessen in die Abstimmung einstellen. Die Interessen müssen eine bestimmte Qualität aufweisen. Erstens muss der Bebauungsplan der planenden Gemeinde das nachbargemeindliche Interesse (potentiell) kausalgesetzlich verknüpft und zurechenbar beeinträchtigen. Zweitens muss es sich gegenständlich um ein Interesse der Nachbargemeinde handeln, das eine städtebauliche Relevanz aufweist. In der Literatur und der Rechtsprechung ist weitgehend Konsens, dass gegenständlich nur solche nachbargemeindlichen Interessen für die zwischengemeindliche Abstimmung beachtlich sein können, die städtebaulich relevant sind406. Teilweise ist unspezifisch auch von „kommunale[n] Interessen [Kursivierung auch im Original, M. J.]“407 die Rede. Ging es um Formen faktischer Auswirkungen des Bebauungsplans in Gestalt von Folgelasten, der Zunahme von Immissionen, dem Kaufkraftabfluss oder der Planung über den eigenen Bedarf der planenden Gemeinde hinaus, betonten die Gerichte stets, dass nicht jede Auswirkung für die zwischengemeindliche Abstimmung bedeutsam sein könne408. Es bestehe, so etwa das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, kein allgemeines Planabwägungsrecht409. Der Bebauungsplan der planenden Gemeinde muss sich deshalb auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der benachbarten Gemeinde (potentiell) auswirken. Durch die gegenständliche Beschränkung auf ausschließlich städtebaulich relevante Belange scheiden eine Vielzahl von Interessen, die 406 Für eine Beschränkung auf städtebauliche Belange bereits die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 15/2250, S. 41; aus der Rspr. ThürOVG, Beschl. v. 19. 12. 2002 – 1 N 501/01, DÖV 2003, 636 (636 f.); OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 38; jüngst OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (196); aus der Literatur Marco, Kriterien (Fn. 132), S. 95; M. Uechtritz, Interkommunales Abstimmungsgebot und gemeindliche Nachbarklage, in: NVwZ 2003, S. 176 (178); Hoppe / Otting, Erweiterung (Fn. 175), S. 1125; Kment, Gebot (Fn. 402), S. 95; Krausnick, Factory-Outlet-­ Center (Fn. 113), S. 199; B.  Stüer, Planerische Steuerung des Einzelhandels durch Bauleitplanung, Regionalplanung und interkommunale Abstimmung, in: ZfBR 2006, S. 747 (747); M.  Uechtritz, Die Neuregelungen zur standortgerechten Steuerung des Einzelhandels, in: DVBl. 2006, S. 799 (801); Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 168; Wickel, Bauplanung (Fn. 260), § 40 Rn. 4; Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 264; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 112c; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21. 407 M.  Kment, Die Bedeutung raumordnungsrechtlicher Zielfestlegungen im Rahmen des § 2 II 2 BauGB, in: NVwZ 2007, S. 996 (996). 408 Erst, wenn die städtebauliche Relevanzschwelle überschritten werde, also die wirtschaftlichen Auswirkungen eine städtebauliche Dimension erhielten, könne der Kaufkraftabfluss für die zwischengemeindliche Abstimmung bedeutsam sein. Das VG Magdeburg, Beschl. v. 09. 08. 1995– 4 B 61/95, LKV 1996, 340 (341), verneinte die bauplanungsrechtliche, wohl synonym für städtebauliche Relevanz von rein wirtschaftlichen Belangen; mit ausführlicher Begründung OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 38; OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris Rn. 70 ff.; OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (196); OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 58; ebenso Schmitz, Factory-Outlet-Center (Fn. 388), S. 1103; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 40 f.; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 112c; Scheidler, Schutz (Fn. 175), S. 392; Uechtritz, Einzelhandel (Fn. 2), S. 69 f.; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21. 409 OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 38.

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sich nicht auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Nachbargemeinde beziehen, aus dem Pool (abstrakt) abstimmungserheblicher nachbargemeindlicher Interessen aus. Besonders betont wird die Unterscheidung von städtebaulich relevanten und irrelevanten nachbargemeindlichen Interessen zumeist im Zusammenhang mit den praxisrelevanten wirtschaftlichen Auswirkungen des Bebauungsplans auf die Nachbargemeinde, die anhand des Kriteriums des sog. Kaufkraftverlustes gemessen werden. Begründet wird die Beschränkung auf die städtebaulichen Interessen der betroffenen Nachbargemeinde für das Abstimmungsgebot oft damit, dass das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung „Ausfluss der kommunalen Planungshoheit“410 sei. Bei dem Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB handle es sich um eine „Ausformung“411 der grundgesetzlichen Planungshoheit. Zur Planungshoheit zählen nur solche Interessen, die städtebaulich relevant seien412. Der Rekurs auf die Verfassungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG weckt für die Herleitung der ausschließlichen Relevanz von städtebaulichen Belangen allerdings erhebliche Zweifel. Warum sollen nur die Planungshoheit und nicht auch die anderen verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Nachbargemeinde einzubeziehen sein, die aus ihrem verfassungsrechtlichen Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft folgen und die dem Schutz der Garantie der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unterfallen? Die Aufgaben, die in den verfassungsrechtlichen Aufgabenbestand der Gemeinden fallen, welche die Gemeinden eigenverantwortlich wahrnehmen dürfen, beschränken sich nicht auf die (planmäßige) Entscheidung über die Nutzung des Bodens im Gemeindegebiet413. Bei genauerem Hinsehen ist das Bild der Relevanz oder Irrelevanz nicht-städtebaulicher Belange für § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB allerdings nicht so einmütig414. Einige Stimmen in der Literatur stellen darauf ab, ob der Bebauungsplan der planenden Gemeinde die Erfüllung einer der benachbarten Gemeinde zugewiesenen Aufgabe betrifft415. Durch die Aufgabenbezogenheit der Interessen wären 410

Kuschnerus, Abstimmungsgebot (Fn. 63), S. 2. BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (33) – FOC Zweibrücken. 412 Statt Vieler Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 109; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21, 27; ähnlich in der Rspr. unlängst OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13.OVG, LKRZ 2014, 366 (367). 413 Statt Vieler Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 57 ff.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 39. 414 Offen zeigte sich z. B. das OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 38, das meinte, dass „jedenfalls nach dem bisherigen Konzept des Gesetzes“ die Belange städtebauliche Relevanz aufweisen müssten. – Das Gericht traf hier, wie die Untersuchung in ihrem 3. Teil (S. 303 ff.) noch zeigen wird, den Kern verfassungsdirigierter zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung im Bauplanungsrecht: Entscheidend ist, wie der Gesetzgeber seiner Pflicht zum Schutz der Selbstverwaltungsrechte im Intergemeindeverhältnis nachkommt und wie er den Schutz einfachrechtlich gestaltet. 415 Reidt, Einkaufszentren (Fn. 182), S. 94; nicht ganz eindeutig Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 109, der zwar auf die „städtebaulich relevanten gemeindenachbarlichen Beziehungen und Auswirkungen“ abstellt, zugleich aber meint, dass sich die Abstimmung gegenständlich auf die von den Gemeinden wahrzunehmenden Belange (Aufgaben) beziehe. Nicht jede gemeindliche Aufgabe muss zugleich städtebaulich relevant sein, sodass konsequenterweise der Kreis ab 411

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an sich alle anderen Tätigkeitsausschnitte oder Betätigungsfelder umfasst, die mit dem verfassungsrechtlichen Aufgabenbestand der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zusammenhängen oder die den Gemeinden anderweitig gesetzlich zugewiesen wurden. Das gälte etwa für die gemeindliche Finanzhoheit416. In die ähnliche Richtung tendiert wohl das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, welches das Interesse der Nachbargemeinde an günstigen Gewerbesteueraufkommen als abstimmungserheblich einstufte417. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht stellte fest, dass die planende Gemeinde das Abwägungsgebot deshalb nicht verletze, weil ein Mangel des Abwägungsergebnisses nicht vorliege. „[D]er Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen Belangen [wurde] nicht in einer Weise vorgenommen […], der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete ‚Schulträgerrecht‘ für Schulen, die der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen.“418 Einen städtebaulichen Bezug bei touristischen Belangen der betroffenen Nachbargemeinde lehnte das Oberverwaltungsgericht RheinlandPfalz ab, wenn keine fremdenspezifischen, städtebaulichen Planungen vorhanden seien419. Zumindest die Beschränkung auf städtebaulich relevante Belange mit dem auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bezogenen Argument hinkt somit. stimmungserheblicher Belange über den der städtebaulich relevanten hinausgehen müsste. So weit geht er dann allerdings doch nicht: Er schlägt in diesem Zusammenhang die sprachlich subtile, dann aber wieder unklare Unterscheidung vor, dass nicht nur städtebauliche Belange „im engeren Sinne“ einzubeziehen seien, sondern auch solche, die „für die betroffene Gemeinde städtebaulich für ihre eigene Entwicklung erheblich“ seien. Der Unterschied zwischen städtebaulichen Belangen im engeren Sinne und solchen, die städtebaulich für die Entwicklung der Gemeinde erheblich sind, bleibt aber unbewältigt. 416 OVG NRW, Beschl. v. 09. 02. 1988 – 11 B 2505/87, NVwZ-RR 1988, 11 (11). 417 Reidt, Einkaufszentren (Fn. 182), S. 94, wobei unklar bleibt, ob das Interesse an einem günstigen Gewerbesteueraufkommen für die Abstimmung nach § 2 II BauGB oder die Abwägung nach § 1 VII abstimmungs- bzw. abwägungserheblich sein soll. Die Verwendung des Begriffs „abwägungsrelevant“ spricht eher für die Relevanz im Rahmen der allgemeinen Abwägung; ähnlich deutet wohl die Aussage auch Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21; ablehnend Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 40 f.; ausdrücklich auch das OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 38: „Die Gemeinde ist durch § 2 Abs. 2 BauGB nicht vor Veränderungen ihrer eigenen wirtschaftlichen und finanziellen Situation geschützt.“ – Ob das Recht an einem günstigen Gewerbesteueraufkommen mit der Finanzhoheit gleichzusetzen ist und kein zusätzliches, weil bereits von der Finanzautonomie umfasstes Interesse ist, erscheint nicht eindeutig beantwortbar. Das Interesse an einem günstigen Gewebesteueraufkommen steht im Zusammenhang mit dem Hebesatzrecht der Gemeinden. Der Hebesatz kann durch die Gemeinde festgelegt werden; ihr kommt das Hebesatzrecht zu. Dieses Recht ist ihr verfassungsrechtlich garantiert und zählt wohl zur verfassungsrechtlich garantierten Finanzhoheit Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 77, 146 f.; T. I. Schmidt, Kommunalsteuern, in: J. Christ / J. Oebbecke (Hrsg.), Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, C. Rn. 34 f. – Allgemein zum Verhältnis von Art. 28 II 1 zu den weiteren Garantien des Art. 106 VI 1 Hs. 1, 2 GG sowie Art. 28 II 3 Hs. 2 GG BVerfG, Beschl. 27. 01. 2010 – 2 BvR 2185/04, 2189/04, BVerfGE 125, 141 (159); Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 146 f.; J. Oebbecke, Grundlagen, in: Christ / ders., Handbuch Kommunalabgabenrecht (Fn. 417), A. Rn. 16 ff. 418 SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, SächsVBl. 2018, 319 (321). 419 OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 03. 2002 – 8 C 11131/01.OVG, juris Rn. 30 f.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Dass für § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB allein Belange mit städtebaulichem Bezug relevant sind, folgt aus dem Gesetzesrecht, insbesondere § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB. Eine andere Frage ist, ob diese gesetzliche Ausgestaltung der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung durch den (Baurechts-)Gesetzgeber den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG genügt oder hinter ihnen zurückbleibt. Die Abstimmungspflicht und der Abstimmungsanspruch beziehen sich nur auf städtebauliche Interessen, weil das Baugesetzbuch ausschließlich die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in ihrem Gebiet den Gemeinden zuordnet. Sowohl der Wortlaut als auch der Regelungszusammenhang von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB beschränken die abstimmungserheblichen Belange auf solche, welche die Nachbargemeinden mit einer eigenen Bauleitplanung verfolgen könnten. Mit dem Begriff „Bauleitpläne“ wollte der Gesetzgeber, wie nachgewiesen, bestimmte Interessen der Nachbargemeinden, die diese mit dem Mittel der Bauleitplanung verfolgen können, mit der Planung der planenden Gemeinde zur zwischengemeindlichen Abstimmung stellen. § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB, nach dem sich Gemeinden „auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen“ könnten, deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber den Satz 1 um nicht-städtebauliche Belange, die nicht auf die Planungshoheit der Gemeinden bezogen sind, erweitern wollte420. Die systematische Einbettung des Abstimmungsgebots in das Städtebaurecht spricht wohl ebenso für die ausschließliche Abstimmungserheblichkeit städtebaulich relevanter nachbargemeindlicher Belange. Dass nur städtebaulich relevante Belange der Nachbargemeinden abstimmungserheblich sind, ergibt sich möglicherweise auch aus den kompetenzrechtlichen Grundlagen des Baugesetzbuchs. Das Recht der städtebaulichen Planung fällt in die Materie „Bodenrecht“ nach

420

Hoppe / Otting, Erweiterung (Fn. 175), S. 1127; ob der normsystematische Schluss wirklich ein zwingendes Argument ist, erscheint dem Verfasser deshalb zweifelhaft, weil dies nichts daran ändert, dass die den Gemeinden zugewiesenen Funktionen der Raumordnung sowie die zentralen Versorgungsbereiche (wohl) nicht von der Garantie des Art. 28 II 1 GG umfasst sind, in diesem Sinne das BVerwG, Urt. v. 11. 02. 1993 – 4 C 15/92, NVwZ 1994, 285 (288), das wörtlich ausführt: „Die Zentralität, aus der sie das Recht herleitet, sich gegen das Vorhaben des Beigel. zur Wehr zu setzen, ist nicht Ausfluß ihrer kommunalen Planungshoheit. Sie ist ihr vielmehr durch einen außergemeindliche [sic] Planungsträger zugewiesen worden. Die Belange, die sich im zentralörtlichen Prinzip manifestieren, gehören der Ebene der Raumordnung an.“; dazu auch Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 118. – Im Schrifttum fand sich die Debatte, ob Satz 2 die verfassungsrechtliche Planungshoheit um eine raumordnerische Facette erweiterte s. nur den Titel des genannten Beitrags von Hoppe / Otting, Erweiterung (Fn. 175): „Zur Erweiterung der Planungshoheit und der gemeindenachbarlichen Klagebefugnis in § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB 2004 um raumordnungsrechtliche Belange“. Dass Satz 1 nur städtebauliche, d. h. auf die Planungshoheit bezogene Belange umfasst, ist zumindest mit der Erweiterung um solche Belange, die überhaupt nicht den Schutz von Art. 28 II 1 GG genießen, nicht ausgemacht. Mit Satz 2 hat der Gesetzgeber die abstimmungserheblichen Belange um solche erweitert, die gar keinen Schutz durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG genießen. – Eingehend zum Phänomen des Normrangwechsels mit weiteren Nachweisen 3.  Teil B. II. 2. a.) cc) (S. 474 ff.).

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Zur Materie Bodenrecht zählen die Vorschriften, die „den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln.“421 Kompetentiell muss das Städtebaurecht damit ein Instrument sein, das Bodenbezug aufweist, bodenrechtlich relevante Interessen koordiniert und die rechtliche Qualität und Nutzbarkeit des Bodens betrifft. Dann aber müssen die nachbargemeindlichen Interessen eine unmittelbare rechtliche Beziehung zum Grund und Boden aufweisen422. Die genaue Grenzlinie zwischen beachtenswerten und nicht-beachtenswerten Belangen ist aber auch dann nicht eindeutig, wenn man das Erfordernis der städtebaulichen Relevanz akzeptiert. Symptomatisch für diese Schwierigkeiten ist beispielsweise erneut die Feststellung desselben Autors, der zuvor noch die Grenzen des Sachbereichs des Städtebaurechts hervorhob, dass es „nicht nur um den Bereich der Bauleitplanung und anderer – im engeren Sinne – städtebaulicher Belange der betroffenen Gemeinde“ gehe, sondern dass auch „weitere Auswirkungen der Bauleitplanung und ihres Vollzugs auf die Nachbargemeinde […] hierzu gehören [können], zB [sic] im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich, soweit sie für die

421

BVerfG, Rechtsgutachten v. 16. 06. 1954 – 1 PBvV 2/52, BVerfGE 3, 407 (424) – Bodenrechtsgutachten. 422 Inwieweit der Bundesgesetzgeber auf Grundlage dieser Deutung des Wortes „Bodenrecht“ kompetentiell dazu berechtigt wäre, auch solche nachbargemeindlichen Interessen abstrakt für abstimmungserheblich zu erklären, ist zumindest nicht vollends eindeutig. Umfasst der Kompetenztitel Bodenrecht nur die rechtliche Qualität des Bodens, scheint es nicht zulässig zu sein, dass der Bundesgesetzgeber Interessen für beachtlich erklärt, die er nach der grundgesetzlichen Kompetenzzuweisung nicht regeln dürfte; in diese Richtung andeutungsweise das OVG NRW, Urt. v. 23. 03. 1984 – 11a NE 38/81, BauR 1984, 489 (490 f.), das meinte, dass die Sicherheitsinteressen eines Gewerbetreibenden Belange seien, die aus kompetentiellen Gründen nicht abwägungserheblich sein könnten; in einem anderen Zusammenhang wohl auch Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 7, der die Bauleitplanung nicht zu einem „quantitativ und qualitativ alle Bereiche umfassenden Ordnungs- und Lenkungsinstrument“ erklärt, weil sich dies „letztlich wieder aus der Kompetenzordnung des Grundgesetzes“ ergebe; gegen die Verknüpfung von abwägungserheblichen Belangen und kompetenzrechtlichen Vorgaben mit Blick auf eine behördliche Genehmigung Hofmann, Abwägung (Fn. 247), S. 210 f. Er lehnt die Auffassung ab, dass „Belange, deren Regelung nicht in der Zuständigkeit der Behörde läge[n], […] schon aus der Entscheidungsherstellung ausgeklammert werden [könnten oder müssten]“. Am Beispiel der Wasserbehörden zweifelt er daran, ob Wasserbehörden nur wasserbehördliche oder auch sonstige Belange berücksichtigen dürfen. Er erachtet eine solche Verknüpfung als eine nicht angezeigte Lösung eines kompetentiellen Problems über die Auslegung des materiellen Rechts; allgemein zum Zusammenhang zwischen dem Erfordernis eines bodenrechtlichen Bezugs und der Kompetenz des Planungsträgers Just, Ermittlung (Fn. 378), S. 121, wobei es bei dem hier aufgeworfenen Problem nicht um die Kompetenz des Planungsträgers, sondern des Gesetzgebers geht; gegen eine Einschränkung abwägungsbeachtlicher Belange aus Kompetenzgründen wohl der VGH BW, Urt. v. 30. 06. 1982 – 5 S 314/81, DÖV 1983, 76 (78 f.); gegen eine Beschränkung zu berücksichtigender Belange in § 35 III BauGB auf solche, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz besitzt mit dem Argument, es gehe nur um eine Rücksichtnahme W. Rieger, in: Schrödter, BauGB (Fn. 69), § 35 Rn. 107.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

betroffene Gemeinde städtebaulich [Kursivierung nicht im Original, M. J.] für ihre eigene Entwicklung erheblich sind.“423 Für das bauleitplanerische Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7  BauGB vertreten Teile der Literatur, dass mitunter auch solche Belange abwägungserheblich sein sollen, die sich nicht auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde auswirken, also nicht städtebaulich relevant sind424. Die obigen Argumente gelten im Grundsatz jedoch auch für § 1 Abs. 7  BauGB. Auch die für § 1 Abs. 7 BauGB relevanten Belange müssen daher grundsätzlichen einen städtebaulichen Bezug aufweisen. Allerdings ergibt eine verfassungsorientierte Auslegung des § 1 Abs. 7 BauGB, dass jedenfalls für Nachbargemeinden auch andere Belange als solcher städtebaulicher Art abwägungsrelevant sein müssen, wenn sie von dem Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst sind. Weil es für § 1 Abs. 7 BauGB nicht auf die städtebauliche Relevanz der Belange von Nachbargemeinden ankommt, erfolgt eine bikriterielle Abstimmung innerhalb der Abwägung nur beschränkt auf städtebaulich relevante nachbargemeindliche Belange. Das schwierige Verhältnis von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB ist nicht nur bei der Frage relevant, ab welcher Beeinträchtigungsintensität eine Abstimmungs- oder Abwägungsrelevanz besteht. Das Verhältnis der beiden Normen ist auch für die Frage bedeutsam, welche Interessen gegenständlich abstimmungserheblich sind. In die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB sind alle nachbargemeindlichen, der Nachbargemeinde normativ zugeordneten Interessen einzustellen – nicht nur solche, die der Planungshoheit zuzuordnen sind. Nur § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB schützt aber die Interessen der Nachbargemeinde auch im Verhältnis zur planenden Gemeinde, verleiht der Nachbargemeinde einen Anspruch auf Einbeziehung dieser Interessen in die bikriterielle Abwägungsentscheidung und räumt der Nachbargemeinde deshalb die Rechtsdurchsetzungsmacht ein. § 1 Abs. 7 BauGB kann die Anspruchsvermittlung zugunsten von Nachbargemeinden selbst nicht leisten. Der Nachbargemeinde steht daher kein Recht auf gerechte Abwägung gegenüber der planenden Gemeinde hinsichtlich ihrer nicht-städtebaulich relevanten Belange zu. Sie hat hinsichtlich ihrer nicht-städtebaulich relevanten Belange gegenüber der planenden Gemeinde keinen Anspruch darauf, dass diese 423

Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 109. So meint Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 21, dass § 1 VII BauGB dann zum Zuge komme, wenn Interessen der Nachbargemeinde zwar berührt seien, diese betroffenen Belange aber nicht der Planungshoheit der Nachbargemeinde zuzurechnen seien. Rein wirtschaftliche Belange seien allenfalls [Kursivierung nicht im Original, M. J.] im Rahmen der allgemeinen Abwägung des § 1 VII BauGB zu berücksichtigen; ähnlich klingt es bei Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 99, wobei er an anderer Stelle feststellt, dass die für die im Rahmen der allgemeinen Abwägung abwägungserheblichen Belange ebenfalls bodenrechtliche Relevanz aufweisen müssen Söfker / Runkel (Fn. 89), § 1 Rn. 108, 188; für eine städtebauliche Relevanz m. w. N. Just, Ermittlung (Fn. 378), S. 120 ff. – In der Rspr. scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass die allgemeine Abwägung nur städtebaulich relevante Belange einschließt BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (219); OVG NRW, Urt. v. 23. 03. 1984 – 11a NE 38/81, BauR 1984, 489 (489 Ls. 1, 491); OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 50. 424

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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eine fehlerfreie Abwägung trifft425. Der Anspruch der Nachbargemeinde gegenüber der planenden Gemeinde im Horizontalverhältnis scheidet als Instrument der Konfliktbewältigung zwischen Gemeinden aus. Es treten an die Stelle von Ansprüchen im Horizontalverhältnis möglicherweise andere, etwa über die Aufsichtsbehörden vermittelte Instrumente. Der Gesetzgeber kann auf andere Weise sicherstellen, dass die nicht-relationale Pflicht der planenden Gemeinde, andere als städtebauliche Belange der Nachbargemeinde in die Planungsentscheidung einzubeziehen, gleichwohl von der planenden Gemeinde beachtet wird. Dass etwa im Gemeindewirtschaftsrecht unter die „berechtigten Interessen“ auch solche Interessen fallen, die über die eigene zulässige wirtschaftliche Betätigung der Nachbargemeinde hinausgehen, beruht auf einer durch den Gesetzgeber anders ausgestalteten Konfliktbewältigung426. Der unscheinbare Aspekt des Abstimmungsmaterials und seine Folgen für das Bestehen etwa von Abwehransprüchen im Horizontalverhältnis von Gemeinden belegen, dass das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB auf die grundsätzliche Klärung verfassungsrechtlicher (Vor-)Fragen einer verfassungsunmittelbaren und verfassungsrechtlich vermittelten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung angewiesen ist427. (d) Erreichen einer bestimmten Intensitätsschwelle der Beeinträchtigung Der Bebauungsplan der planenden Gemeinde muss potentiell abstimmungserhebliche Belange der Nachbargemeinde berühren. Fest steht, dass nicht jede Auswirkung des Bebauungsplans unabhängig von ihrer Intensität eine bauleitplanerische, durch das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB modifizierte bikriterielle Abwägung auslösen kann. Es reicht nicht aus, dass ein städtebaulicher Belang der Nachbargemeinde irgendwie betroffen ist und sich der Bebauungsplan irgendwie auf die nachbargemeindlichen städtebaulichen Belange auswirkt. Es gilt: Je niedriger die Intensitätsschwelle angesetzt wird, desto mehr muss die planende Gemeinde bei ihrer Planung berücksichtigen; umso schwerfälliger wird ihre Planung und umso schwieriger ist es für die planende Gemeinde sicherzustellen, dass am Ende des Planungsvorgangs ein rechtmäßiger Bebauungsplan steht. Zugleich würde der Kreis derjenigen Planungen größer, die potentiell einen Abstimmungsanspruch der Nachbargemeinden auslösen. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB beschränkt die Abstimmungserheblichkeit nicht auf bestimmte Anlässe oder Formen von Auswirkungen und Be 425

Freilich können Privaten Ansprüche auf eine fehlerfreie Abwägung zustehen. Eingehendere Analyse des Gemeindewirtschaftsrechts unter 2. Teil A. II. 2. b) (S. 212 ff.). 427 Genauer: Erstens kann eine solche gesetzliche Organisation des zwischengemeindlichen Verhältnisses vor Art. 28 II 1 GG Bestand haben oder gibt Art. 28 II 1 GG dem Gesetzgeber auf, auch andere als städtebauliche Belange der Nachbargemeinden zu schützen? Treten zweitens an die Stelle (fehlender) einfachgesetzlicher Ansprüche unmittelbar auf Art. 28 II 1 GG gestützte Ansprüche von Nachbargemeinden gegenüber planenden Gemeinden? 426

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

troffenheiten. Nach unbefangener Lektüre von § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB sind alle Bebauungspläne der planenden Gemeinde mit allen städtebaulichen Belangen der benachbarten Gemeinde in der Abstimmung abwägerisch zu koordinieren, unabhängig davon, mit welcher Intensität sich der Bebauungsplan auf die Interessen der Nachbargemeinde (potentiell) auswirkt. Noch in einem Urteil aus dem Jahr 1972 betonte das Bundesverwaltungsgericht, dass im nachbargemeindlichen Verhältnis nicht alle Bauleitpläne materiell abstimmungspflichtig seien. Als Soll-Vorschrift seien jenseits von Regelfällen auch Ausnahmen von der Abstimmungspflicht denkbar428. In einer diese Rechtsprechungslinie fortführenden Entscheidung aus dem Jahr 1989 betonte das Gericht, dass der Gesetzgeber durch die Änderung der zwischengemeindlichen Abstimmung in § 2 Abs. 4 BBauG von einer Soll-Vorschrift zu einer Ist-Vorschrift in § 2 Abs. 2 BauGB zum Ausdruck gebracht habe, dass Bauleitpläne ausnahmslos aufeinander abzustimmen seien429. Die Betonung einer ausnahmslosen Abstimmungspflicht erweist sich aber nach den Anforderungen, die das Gericht (später) formulierte, als missverständlich. Das Gericht verlangte, dass sich der Bebauungsplan auf die Belange der Nachbargemeinde unmittelbar und gewichtig auswirke430. Richtigerweise ist die Aussage des Gerichts dahingehend zu deuten, dass jedenfalls ausnahmslos Bebauungspläne dann abstimmungspflichtig sind, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB erfüllt sind431. Früh stellte das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot bauleitplanerischer Abwägung fest: „Der Planer kann nicht ‚alles‘ berücksichtigen müssen. Eine Forderung, die darauf hinausliefe, wäre offensichtlich nicht erfüllbar und damit lebensfremd“.432 Aus diesem Grund etablierte das Gericht für das Abwägungsgebot des heutigen § 1 Abs. 7 BauGB das Erfordernis, dass abwägungserhebliche Belange in mehr als geringfügiger Weise betroffen sein müssen433. Dass auch nicht jede Auswirkung des Bebauungsplans der planenden Gemeinde auf die Nachbargemeinde genügt, um die Abstimmungspflicht auszulösen, ist heute unbestritten434. Für § 2 Abs. 2 S. 1 BauBG stellte das Bundesverwaltungsgericht klar, dass das Abstimmungsgebot sich nicht für jede Auswirkung des Bebauungsplans, sondern nur für solche Auswirkungen aktualisiere, die eine bestimmte Intensität erreichen. Eine zwischen­ 428

BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (330) – Krabbenkamp; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 105, nennt etwa die Situation, in der bestimmte Darstellungen im Flächennutzungsplan, der mit der benachbarten Gemeinde abgestimmt worden war, bereits so konkret sind, dass eine Wiederholung der Abstimmung bei dem aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungsplan überflüssig sei. 429 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (216) – Schlachthof. 430 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (216) – Schlachthof. 431 Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 105. 432 BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (102) – Abwägungsmaterial. 433 BVerwG, Beschl. v. 09. 11. 1979 – 4 N 1/78 u. a., BVerwGE 59, 87 (102) – Abwägungsmaterial. 434 OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13.OVG, LKRZ 2014, 366 (367): „Allerdings ist nicht jeder eigene Belang für die Abwägung erheblich.“

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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gemeindliche Abstimmung ist nach der Krabbenkamp-Formel des Bundesverwal­ tungsgerichts immer dann erforderlich, wenn „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“435 von der Bauleitplanung auf die städtebaulichen Interessen der Nachbargemeinde ausgehen. Zwei unterschiedliche Erheblichkeitsschwellen von § 1 Abs. 7 BauGB auf der einen und § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB auf der anderen Seite können aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Unklar ist, woraus das Bundesverwaltungsgericht die unterschiedlichen Erheblichkeitsschwellen von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB normativ ableitet. Ein normativer Anhalt dazu findet sich weder in § 1 Abs. 7  BauGB noch in § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB. Der Wortlaut beider Normtexte gibt keine bestimmte Erheblichkeitsschwelle vor. Auch die Systematik verhält sich zu der Frage der zu erreichenden Intensität nicht436. Die Unterscheidung zwischen einem sog. einfachen Abwägungsbedarf und einem sog. qualifizierten Abstimmungsbedarf aus der FOC-Zweibrücken-Entscheidung kann auf Grundlage der vorgeschlagenen Auflösung des Verhältnisses von § 1 Abs. 7 BauGB und § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB gleichfalls nicht überzeugen. Weil die zwischengemeindliche Abstimmung modifizierend in die bauleitplanerische Abwägung des § 1 Abs. 7 BauGB zu integrieren ist, gilt für die zwischengemeindliche Abstimmung die identische Intensitätsschwelle, die auch die Abwägungsrelevanz im Rahmen der allgemeinen bauleitplanerischen Abwägung markiert. Warum sollte für die modifizierende Wirkung des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB eine andere Intensitätsschwelle der Auswirkung erforderlich sein als für die allgemeine bauleitplanerische Abwägungsrelevanz nachbargemeindlicher Belange? Rechtfertigen ließe sich eine abweichende Intensitätsschwelle allein damit, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, dass Nachbargemeinden erst dann in den Genuss der subjektivierten bikriteriellen Abwägungsentscheidung kommen sollen. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB würde die Nachbargemeinden im Vergleich zu § 1 Abs. 7 BauGB nur dann besser stellen, wenn sie stärker betroffen sind437. Solche Erwägungen finden keinerlei Anhaltspunkte im Gesetzgebungsverfahren. Zudem bedeutet die Annahme einer geringeren Erheblichkeitsschwelle nicht, dass die planende Gemeinde an ihrer Planung gehindert ist. Sie muss sich nur dafür mit eigenen, hinreichend gewichtigen städtebaulichen Belangen rechtfertigen, dass sie mit Auswirkungen auf Nachbargemeinden plant. Die Schwellenangabe der Krabbenkamp-Formel kann unabhängig von dem umstrittenen Verhältnis zwischen der allgemeinen bauleitplanerischen Abwägung und dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot für sich genommen nicht überzeugen. Die gemeindliche Bauleitplanung kann sich in vielfältiger Weise auf die Nachbargemeinde auswirken. Im Vordergrund stehen die faktischen Auswirkun 435

BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 327 (331) – Krabbenkamp. Ausführlich Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 52 ff. 437 Wieder eine andere Frage ist, ob der Gesetzgeber eine bikriterielle Abwägung auch erst ab einer höheren Erheblichkeitsschwelle als für § 1 VII BauGB hätte vorsehen dürfen. Das ist wohl unter dem Gesichtspunkt der Weite des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers zu bejahen, dazu 3. Teil B. II. 2. a) aa) (3) (S. 436 ff.). 436

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

gen. Die Krabbenkamp-Formel setzt voraus, dass es sich um „unmittelbare“ Auswirkungen „gewichtiger Art“ handelt. Dass eine Auswirkung gewichtig sein muss, kann noch nachvollziehbar begründet werden. Warum eine Auswirkung aber nicht nur gewichtig, sondern auch „unmittelbar“ sein muss, hingegen nicht. Meint das Kriterium der Unmittelbarkeit nur die Zurechenbarkeit der Auswirkung zum Vorhaben und zur Festsetzung des Bebauungsplans? Weder die Rechtsprechung noch das Schrifttum entwickelten brauchbare Maßstäbe, anhand derer ermittelt werden könnte, wann eine Auswirkung unmittelbar und gewichtig ist und wann nicht. Erstaunlicherweise spielten die genauen Voraussetzungen der Krabbenkamp-Formel in der Rechtsprechung und im Schrifttum wohl zu keiner Zeit eine Rolle438. Es handelte sich vielmehr um eine mehr oder minder offen gehandhabte Blankettformel, die eine Einzelfallwertung erforderte. Bemühungen um die inhaltliche Präzisierung der beiden Elemente der Formel gab es (wohl) bis heute – mit Ausnahme der numerischen Erfassung des Kaufkraftverlustes – nicht439. Im Ergebnis kommt es daher für die zwischengemeindliche Konfliktlösung nicht mehr auf die Krabbenkamp-Formel an. Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung findet bereits dann statt, wenn nachbargemeindliche Belange mehr als geringfügig betroffen sind. (2) Inhalt des Abstimmungsanspruchs Das Recht auf gerechte Abwägung des privaten Planbetroffenen gibt ihm, wenn er Träger privater abwägungserheblicher Belange ist, einen Anspruch darauf, „daß sein Belang in der Abwägung seinem Gewicht entsprechend ‚abgearbeitet‘ wird“440. Die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB verlangt von der planen 438

Eine Ausnahme bildet soweit ersichtlich die Entscheidung des SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, SächsVBl. 2018, 319 (331): „Solche unmittelbaren [Kursivierung auch im Original, M. J.] und gewichtigen städtebaulichen Auswirkungen sind mit dem angegriffenen Bebauungsplan für den Schulneubau selbst auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin im Normenkontrollverfahren nicht verbunden. Die Antragstellerin macht mit ihrem Antragsvorbringen im Kern geltend, dass ein Schulneubau in Böhlen Oberschüler aus der Sophienschule ‚abziehen‘ und damit ihren wegen geringer Schülerzahlen bereits ‚unter Beobachtung‘ stehenden Oberschulstandort insgesamt gefährden würde. Die so umrissenen städtebaulichen Auswirkungen auf die Entwicklung der Antragstellerin sind damit nur mittelbare Folgen [Kursivierung nicht im Original, M. J.] des angegriffenen Bebauungsplans, wie es die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat.“ 439 Der Kaufkraftabfluss könne einen „faustformelhaften“ Anhalt nicht nur für das Bestehen einer Abstimmungspflicht OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (196); OVG NRW, Urt. v. 01. 12. 2015 – 10 D 92/13.NE, juris Rn. 108; OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 60; OVG NRW, Beschl. v. 06. 12. 2018 – 2  B  1095/18.NE, juris Rn. 42, sondern auch ihre Verletzung darstellen Nds. OVG, Beschl. v. 28. 09. 2015 – 1 MN 144/15, NVwZ-RR 2016, 10 (13 f.); aus dem Schrifttum Schmitz, Factory-Outlet-Center (Fn. 388), S. 1102 ff.; Marco, Kriterien (Fn. 132), S. 95 ff.; Scheidler, Schutz (Fn. 175), S. 393; Bunzel, Weiterungen (Fn. 191), S. 135; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 112c; zu Zurückhaltung mahnend m. w. N. Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 45 f. 440 BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1998 – 4 CN 2/98, BVerwGE 107, 215 (221).

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den Gemeinde, dass diese die privaten und öffentlichen Belange ermittelt, bewertet und gewichtet und gerecht gegeneinander und untereinander abwägt. Deutlicher wird der Inhalt des Anspruchs, wenn man ihn – wie es zum Teil geschieht – als ein Recht auf fehlerfreie Abwägung bezeichnet441. Bei der Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB handelt es sich um einen (modifizierten) Teil der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Aus diesem Grund bezieht sich der Anspruch der Nachbargemeinde gegenüber der planenden Gemeinde gem. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB auf einen Teilausschnitt der Abwägungsentscheidung des § 1 Abs. 7 BauGB. Die bikriterielle Abwägung wird gewissermaßen zugunsten der Nachbargemeinde aus der ganzheitlichen Abwägungsentscheidung herausgelöst. Die Nachbargemeinde hat einen Anspruch auf eine fehlerfreie bikriterielle Abwägungsentscheidung. Die bikriterielle Abwägungsentscheidung und der Anspruch auf fehlerfreie bikriterielle Abwägung sind strukturgleich mit dem Recht auf gerechte Abwägung des privaten Planbetroffenen442. Das Pflichtenprogramm des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB hat sowohl die Aufstellung des Bebauungsplans als auch ihren Endpunkt, den Bebauungsplan der planenden Gemeinde selbst, zum Gegenstand. Die Wendung in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB spricht demgegenüber eher dafür, dass nur das Planungsergebnis des Aufstellungsvorgangs, also der Bebauungsplan der Gegenstand des Abstimmungsanspruchs und der Abstimmungspflicht ist. Der Abstimmungsanspruch und die Abstimmungspflicht scheinen sich erst nach Abschluss des Aufstellungsprozesses des Bebauungsplans zu aktualisieren. Nur wenn mit der Wendung „Bauleitpläne“ in § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB ausschließlich das Endprodukt des Verfahrens als Gegenstand des Anspruchs auf und die Pflicht zur Abstimmung gemeint wäre, ergäbe die Sprechweise von abgestimmten Bauleitplänen Sinn. Der Ausdruck Bauleitpläne ist nicht gleichbedeutend mit Bauleitplanung443. 441 BVerwG, Urt. v. 16. 06. 2011 – 4 CN 1/10, BVerwGE 140, 41 (54 Rn. 32), wo es heißt, dass die Antragsteller ein „Recht auf fehlerfreie Abwägung ihrer Eigentümerinteressen“ haben können. 442 BayVGH, Urt. v. 03. 05. 1999 – 1 N 98.1021, NVwZ 2000, 822 (824). 443 Die Planung als Vorgang bzw. Aktion und der Plan als Produkt der Planung seien zwei nicht voneinander trennbare Begriffe W. Hoppe, Planung, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl. 1996, § 71 Rn. 3; später nur noch knapp W. Hoppe, Planung, in: Isensee / K irchhof, HdStR IV3 (Fn. 331), § 77 Rn. 7; Wickel, Bauplanung (Fn. 260), § 40 Rn. 160; wie hier für die Unterscheidung von Planung als Vorgang und Plan als Ergebnis der Planung D. Fürst / E .-H. Ritter, s. v. Planung, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Handwörterbuch der Raumordnung, 4. Aufl. 2004, S. 765 (765). – Entscheidungen des BVerwG machen den Unterschied zwischen dem Aufstellungsvorgang eines Bebauungsplans, also der Bebauungsplanung, und dem Endprodukt, dem Bebauungsplan, nicht durchweg deutlich. Das BVerwG verwendet die Begriffe Bauleitplan und Planung, ohne zwischen der Planung und dem Produkt zu unterscheiden BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (328, 330) – Krabbenkamp; BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (215 ff.) – Schlachthof; teilweise spricht das Gericht davon, dass § 2 II BauGB sich „in erste Linie an die Gemeinde, die in Begriff ist, einen Bauleitplan aufzustellen“ richte BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (31 f.)  – FOC Zweibrücken, oder, dass § 2 II BauGB „ihre Wirkung in

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Die Normsystematik spricht demgegenüber dafür, den Begriff der Bauleitpläne nicht ausschließlich im Sinne des Endproduktes der Planaufstellung zu deuten. Die Erstreckung der Abstimmungspflicht auch auf den Vorgang der Planaufstellung ist dem Grunde nach zwingend, wenn man die Abstimmung als Teil der bauleit­ planerischen Abwägungsentscheidung versteht. § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB befindet sich nach seinem systematischen Standort im ersten Abschnitt des Baugesetzbuchs. § 2 BauGB trägt die amtliche Überschrift „Aufstellung der Bauleitpläne“. Nach dem systematischen Standort handelt es sich bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB um eine Norm, die in der Aufstellungsphase von Bebauungsplänen Bedeutung hat. Der Abstimmungsanspruch und die Abstimmungspflicht betreffen den gesamten Prozess und das Ergebnis der Planaufstellung444. § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB wirkt normativ während des gesamten Vorgangs der Planaufstellung und formuliert nicht nur bestimmte Anforderungen an das Planungsergebnis. Die planende Gemeinde muss nachbargemeindliche Belange ordnungsgemäß ermitteln, bewerten und gewichten und eine Planungsentscheidung ins Auge fassen, die das Ergebnis einer gerechten Abwägung gemeindenachbarlicher Belange ist. Darauf hat die Nachbargemeinde gegenüber der planenden Gemeinde einen Anspruch. Der Abschluss des Verfahrens durch den Erlass des Bebauungsplans als Satzung markiert die zeitliche Grenze, innerhalb derer nachbargemeindliche Belange relevant sind und einen Abstimmungsanspruch sowie eine Abstimmungspflicht auslösen können445.

[Kursivierung auch im Original, M. J.] der Planung“ entfalte BVerwG, Urt. v. 17. 09. 2003 – 4 C 14/01, BVerwGE 119, 25 (34) – Mülheim-Kärlich. Die begriffliche Beliebigkeit überrascht, weil das BVerwG in Entscheidungen zum planungsrechtlichen Abwägungsgebot nach § 1 VII BauGB den Unterschied zwischen dem Abwägen als Vorgang und dem Abgewogensein als Ergebnis des Abwägungsvorgangs stark macht und – sprachlich geringfügig abweichend – von Planen als Vorgang und dem Plan als Produkt dieses Vorgangs unterschied BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (312) – Flachglas. 444 Knapp dazu, dass § 2 II 1 BauGB für die Aufstellung des Bebauungsplans gilt Uechtritz, Abstimmungsgebot (Fn. 406), S. 176; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 34; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 101; ausführlich Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 11 f. 445 Dass eine dynamische Abstimmungspflicht und ein dauerhafter Abstimmungsanspruch nicht überzeugen, bestätigt der Vergleich mit der Wortwahl des § 1 IV BauGB. Anders als in § 2 II 1 BauGB heißt es in § 1 IV BauGB, dass Bauleitpläne den „Zielen der Raumordnung anzupassen sind“. Der Ausdruck „anpassen“ deutet auf einen dynamischen Prozess hin, der auch bewirken kann, dass ein bestehender Bauleitplan nachträglichen Raumordnungszielen anzupassen ist. So die ganz überwiegende Meinung zu § 1 IV BauGB nur aus der Rspr. BVerwG, Urt. v. 17. 09. 2003 – 4 C 14/01, BVerwGE 119, 25 (38) – Mülheim-Kärlich; BVerwG, Beschl. v. 08. 03. 2006 – 4 B 75/05, NVwZ 2006, 932 (933); OVG MV, Urt. v. 05. 11. 2008 – 3 L 281/03, NordÖR 2009, 75 (81); BayVGH, Urt. v. 08. 12. 2015 – 15 N 12.2636, juris Rn. 44; kürzlich OVG NRW, Urt. v. 20. 11. 2018 – 2 A 1676/17, juris Rn. 50; G. Schiller, N. N., in: C.-D. Bracher / O. Reidt / ders. (Hrsg.), Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 75; P. Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 1 (Mai 2017), Rn. 65b; Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 70 f.; Battis (Fn. 49), § 1 Rn. 32.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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bb) Unabgestimmtheit als Voraussetzung des Unterlassungs- und Abwehranspruchs Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB vor und erfüllt die planende Gemeinde nicht oder nur unzureichend den Abstimmungsanspruch der Nachbargemeinde, verletzt sie dadurch ihre Pflicht zur Abstimmung aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB und der Bebauungsplan ist unabgestimmt. Die Unabgestimmtheit des zu erlassenden oder des erlassenen Bebauungsplans ist Voraussetzung dafür, dass der Nachbargemeinde gegenüber der planenden Gemeinde ein Unterlassungs- und Abwehranspruch zusteht446. Die Unterscheidung – Bestehen des Abstimmungsanspruchs und der Abstimmungspflicht einerseits, Bestehen des Anspruchs auf und die Pflicht zur Unterlassung sowie den Anspruch auf Abwehr andererseits – ist zentral, um das Gebot zwischengemeindlicher materieller Abstimmung richtig zu erfassen. Der Anspruch der Nachbargemeinde auf Abstimmung gegenüber der planenden Gemeinde besteht schon dann, wenn die Auswirkungen des Bebauungsplans auf die städtebaulichen Interessen der Nachbargemeinde die Geringfügigkeitsschwelle überschreiten. Nicht zwingend besteht unter diesen Voraussetzungen ein Anspruch auf Unterlassung des Erlasses oder auf Abwehr eines gleichwohl erlassenen Bebauungsplans. Der Unterlassungs- und Abwehranspruch muss selbst dann (noch) nicht bestehen, wenn sich der Bebauungsplan unmittelbar und gewichtig auf die Nachbargemeinde auswirkt447. Das gilt im Übrigen besonders 446

Zutreffend Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 106 ff.; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 31 ff.; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 53. – Zweifel daran, dass aus einem Anspruch auf Abstimmung des Bebauungsplans zugleich ein Anspruch auf Unterlassung eines rechtswidrigen, weil unabgestimmten Bebauungsplans folgt, hegt Schenke, Rechtsschutz I (Fn. 260), S. 455. Man muss freilich den Unterschied zwischen der logisch äquivalenten Umformulierung des Anspruchs aus § 2 II 1 BauGB in einen negativen Anspruch und der verwaltungsprozessualen Geltendmachung etwa mittels vorbeugender Unterlassungsklage gegen den Normerlass unterscheiden. Letztere hat wohl Schenke im Blick, wenn er sich gegen einen vorbeugenden Rechtsschutz gegen den Erlass eines rechtswidrigen Bebauungsplans ausspricht, deutlich wird dies insb. bei seiner Argumentation beim Rechtsschutz gegen Flächennutzungspläne, ebd., S. 459. 447 Uechtritz, Einzelhandel (Fn. 2), S. 69; Uechtritz, Abstimmungsgebot (Fn. 406), S. 176 f.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 39; M. Hoffmann, Der Schutz der Nachbargemeinden durch das interkommunale Abstimmungsgebot bei Einzelgenehmigungen für Vorhaben gem. § 11 III BauNVO, in: NVwZ 2010, S. 738 (738 f.); Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 169; Scheidler, Schutz (Fn. 175), S. 393; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 28, 31; den gegenteiligen Schluss ziehen allerdings vereinzelt einige gerichtliche Entscheidungen oder Stimmen in der Literatur: Das OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 08. 01. 1999 – 8 B 12650/98, NVwZ 1999, 435 (437), beispielsweise meinte, „§ 2 II BauGB verbietet eine Bauleitplanung, die unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Nachbargemeinden nach sich zieht.“; missverständlich OVG MV, Urt. v. 04. 05. 2004 – 3 K 35/99, juris Rn. 39, in dem das Gericht ausdrücklich offen ließ, ob „die sog. Zweibrücken-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts [Nachweise ausgelassen, M. J.] tatsächlich so zu verstehen ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Anforderungen an eine Verletzung [Kursivierung nicht im Original, M. J.] von § 2 Abs. 2 BauGB nunmehr ‚tendenziell eher gering ansetzt‘ und die Möglichkeit ‚mehr als geringfügiger Auswirkungen‘ ausreichen läßt“; das BVerwG ist nach Auffassung des Verfassers jedenfalls nicht so zu verstehen, dass es nicht mehr zwischen dem Eingreifen des Abstimmungsgebots und seiner Verletzung differenziert.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

dann, wenn man in der Krabbenkamp-Formel die entscheidende Schwelle für das Auslösen der zwischengemeindlichen Abstimmungspflicht und die Voraussetzung des Abstimmungsanspruchs sieht448. § 1 Abs. 7 BauGB verleiht zumindest privaten Planbetroffenen einen Anspruch auf gerechte Abwägung. Der Anspruch auf gerechte Abwägung ist verletzt, wenn die Abwägung fehlerhaft erfolgt. Die Abwägung erfolgt fehlerhaft, wenn der Planer hinter dem Pflichtenprogramm zurückbleibt, das § 1 Abs. 7 BauGB statuiert. Mit der bauleitplanerischen Abwägungslehre steht zugleich eine bestimmte Abwägungsfehlerlehre in Beziehung449. Die Abwägungsfehlerlehre beschreibt die Fehler, die der planenden Gemeinde durch das Zurückbleiben hinter dem Pflichtenprogramm des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 7 BauGB unterlaufen können. Die Abwägungsfehlerlehre greift die vier (gedanklichen) Stufen der Abwägungsentscheidung auf und fasst die dort denkbaren Fehler typisierend zusammen450. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur bauleitplanerischen Abwägungsfehlerlehre aus, dass „[d]as Gebot gerechter Abwägung […] verletzt [ist], wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn ein Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven 448

Schmitz, Factory-Outlet-Center (Fn. 388), S. 1102; so auch Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 39. 449 Im Laufe der judikativen Herausbildung des bauleitplanerischen Abwägungsgebots formulierte das Gericht zuerst negativ, wann das Gebot gerechter Abwägung verletzt sei BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105/66, BVerwGE 34, 301 (309); BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1972 – IV C 14/71, BVerwGE 41, 67 (69); BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (314 f.) – Flachglas; BVerwG, Urt. v. 01. 11. 1974 – IV C 38/71, BVerwGE 47, 144 (146); auch noch in jüngerer Zeit BVerwG, Beschl. v. 15. 05. 2013 – 4 BN 1/13, ZfBR 2013, 573 (575); erst später schwenkte das BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21/74, BVerwGE 48, 56 (63 f.); BVerwG, Urt. v. 07. 07. 1978 – IV C 79/76, BVerwGE 56, 110 (122 f.), von der Negativformulierung auf eine positive Umschreibung der Anforderungen an eine gerechte Abwägung um. 450 Die Rechtswissenschaftsbegriffe zu den einzelnen Abwägungsfehlern variieren in der Literatur erheblich. Die verwendeten Rechtswissenschaftsbegriffe orientieren sich an dem frühen Aufsatz von W. Hoppe, Zur Rechtskontrolle von Bebauungsplänen, in: N. Achterberg (Hrsg.), Öffentliches Recht und Politik, 1973, S. 121 (135 ff.); W. Hoppe, Die Schranken der planerischen Gestaltungsfreiheit (§ 1 Abs. 4 und 5 BBauG), in: BauR 1970, S. 15 (17 f.); W. Hoppe, Zur Struktur von Normen des Planungsrechts, in: DVBl. 1974, S. 641 (644); diese Terminologie verwenden auch Hofmann, Abwägung (Fn. 247), S. 363 ff.; Bach, Abwägung (Fn. 106), S. 96 ff.; Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 148 ff.; Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 1672; in späteren Beiträgen spricht Hoppe, Abwägungsgebot (Fn. 247), § 7 Rn. 90 ff., deutlich differenzierter von einem Ermittlungsausfall, einem Ermittlungsdefizit, einem Einstellungsausfall, einem Einstellungsdefizit, einer Fehleinschätzung und einer Disproportionalität, wobei er noch weitere Untergliederungen nennt; für die Abstimmungsfehlerlehre unterscheidet Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 319 ff., das interkommunale Ermittlungs- und Feststellungsdefizit, das interkommunale Abwägungsdefizit, die interkommunale Fehleinschätzung sowie, neben zwei weiteren Kategorien, die interkommunale Abwägungsdisproportionalität.

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Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.“451 Ein Fehler kann der Gemeinde sonach in der Phase des Ermittelns, des Einstellens und des Gewichtens der Belange sowie der abschließenden Planungsentscheidung unterlaufen452. Der Abwägung vorgelagert ist der Fall, dass eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, sog. Abwägungsausfall. Durch die modifizierende Integration der zwischengemeindlichen Abstimmung in die bauleitplanerische Abwägung entspricht die Struktur der Abstimmung der der allgemeinen bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung. Anders als die Fehlerlehre für die bauleitplanerische Abwägung ist eine Abstimmungsfehlerlehre bislang nicht gleichermaßen fest etabliert. Sie befindet sich aber ersichtlich im Vordringen. Die Abwägungsfehlerlehre kann auf die Abstimmung als Teil der Abwägung übertragen werden. Abstimmungsfehlerlehre und Abwägungsfehlerlehre verlaufen parallel453. Man kann auch anders sagen: Weil die Abstimmung ein Teil der Abwägung ist, verläuft die Kategorienbildung von Abstimmungsfehlern parallel zu der Fehlerlehre der allgemeinen bauleitplanerischen Abwägung454: – Bezogen auf die zwischengemeindliche Abstimmung liegt ein sog. Abstimmungs­ ausfall vor, wenn eine zwischengemeindliche Abstimmung gänzlich unterbleibt455. 451

BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105/66, BVerwGE 34, 301 (309); wörtlich aufgegriffen von BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (314) – Flachglas. 452 Dazu die Übersicht bei Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 1672. 453 Die Untersuchung baut auf den Vorarbeiten von Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 319 ff., auf, der seiner interkommunalen Abwägungslehre eine interkommunale Abwägungsfehlerlehre zur Seite stellt; aufgegriffen und fortentwickelt von Fingerhut, Gemeindenachbarklage (Fn. 2), S. 54 ff.; angedeutet auch von Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 99; das Nds. OVG, Urt. v. 10. 07. 2014 – 1 KN 121/11, ZfBR 2015, 65 (68), zögert sodann auch nicht die bundesverwaltungsgerichtliche Sentenz zur Abwägungsfehlerhaftigkeit von Bebauungsplänen für das Abstimmungsgebot zu übernehmen: „Demnach ist das kommunale Abstimmungsgebot verletzt, wenn städtebauliche Belange der Nachbargemeinde überhaupt nicht in die Abwägung eingestellt bzw. nicht hinreichend ermittelt, in ihrer Bedeutung verkannt oder in unverhältnismäßiger Weise hinter konkurrierende Belange zurückgestellt wurden.“ 454 Besonders deutlich BayVGH, Urt. v. 03. 05. 1999 – 1 N 98.1021, NVwZ 2000, 822 (824 f.); auch das BVerwG, Urt. v. 29. 04. 2010 – 4 CN 3/08, BVerwGE 137, 38 (45 f. Rn. 28), meint, dass „[d]er materiellen Abstimmungspflicht […] Genüge getan [ist], wenn die Belange des Nachbarlandes [scil. das war dem konkreten Fall geschuldet, M. J.] ermittelt, bewertet und gewichtet worden sind und sich die Planung als Ergebnis einer gerechten Abwägung unter Berücksichtigung der Belange des Nachbarlandes darstellt.“; VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (373); nicht eindeutig OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 05. 2009 – 1 C 10970/08. OVG, KommJur 2010, 62 (64); OVG Saarland, Urt. v. 07. 02. 2019 – 2 C 629/17, juris Rn. 54; zutreffend Berkemann (Fn. 402), § 2 BauGB 2004 Rn. 40; Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 89 ff.; Scheidler, Schutz (Fn. 175), S. 393; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 31; mit Einschränkung auch Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 93 f.; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 55. 455 Ein Abstimmungsausfall lag wohl der Entscheidung des Nds. OVG, Urt. v. 14. 09. 2000 – 1 K 5414/98, ZfBR 2001, 134 (135), zugrunde, in der die planende Gemeinde davon ausging, dass eine Verpflichtung zur Abstimmung nicht bestehe. Allerdings lassen die weiteren Ausführungen der planenden Gemeinde nicht auf einem totalen Ausfall der Abstimmung schließen, sondern mehr darauf, dass sie die relevanten Belange nicht erkannte. – Zu den Abgrenzungs-

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– Der zweiten Stufe der Einstellung korrespondiert das sog. Abstimmungsdefizit. Ein solches liegt vor, wenn einzelne Belange, die eigentlich abstimmungserheblich sind, nicht erkannt, ermittelt und nicht in die Planungsentscheidung einbezogen werden456. – Werden alle relevanten nachbargemeindlichen Belange ermittelt, diese jedoch in die Abstimmung fehlerhaft eingestellt oder wird die Bedeutung eines Belanges verkannt, so liegt eine sog. Abstimmungsfehleinschätzung vor. – Findet eine Abstimmung statt, werden alle relevanten Belange ermittelt und zutreffend gewichtet und in die Abstimmung eingestellt, findet aber der Ausgleich zwischen den so ermittelten und gewichteten Belangen in einer Weise statt, dass der Ausgleich zwischen den von der Bebauungsplanung der planenden Gemeinde berührten Belangen zur objektiven Gewichtigkeit des nachbargemeindlichen Belangs außer Verhältnis steht, so liegt eine sog. Abstimmungsdisproportionalität vor. Nicht gänzlich unumstritten, im Rahmen dieser Untersuchung aber nicht zu vertiefen ist, ob für den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis kongruente Rechtmäßigkeitsanforderungen gelten457. Zutreffender Weise findet nicht schlicht eine Doppelung der identischen Maßstäbe statt, sondern ein Teil der Abwägungsfehlerlehre und der Abstimmungsfehlerlehre betrifft den Abwägungsvorgang bzw. Abstimmungsvorgang (nämlich die Kategorien des Abwägungsausfalls, des Abwägungsdefizits und der Abwägungsfehleinschätzung bzw. mutatis mutandis für das Abstimmungsgebot), der andere Teil das Abwägungsergebnis bzw. Abstimmungs-

schwierigkeiten von Abwägungsausfall, dem partiellen Abwägungsausfall und weiteren, teils von der hier zugrunde gelegten Terminologie abweichenden Abwägungsfehlern Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 147a. 456 Wegen der „unzutreffenden Beurteilung der Sichtbarkeit der Windenergieanlage“ nahm das OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (769 f.), einen relevanten Ermittlungs- und Bewertungsfehler in einem gemeindenachbarlichen Normenkontrollantrag an. 457 Die Uneinigkeit knapp zusammenfassend Blumenberg, Entwicklungen (Fn. 367), S. 88 ff.; ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Ansätze m. w. N. Bach, Abwägung (Fn. 106), S. 108 ff.; für die identischen Überprüfungsmaßstäbe von Abwägungsvorgang und -ergebnis M.  Ibler, Die Differenzierung zwischen Vorgangs- und Ergebniskontrolle bei planerischen Abwägungsentscheidungen, in: DVBl. 1988, S. 469 (471 ff.); ohne auf unterschiedliche Kon­ trollgegenstände einzugehen Ibler, Schranken (Fn. 106), S. 266 ff.; für abweichende Kontrollmaßstäbe für den Abwägungsvorgang und das -ergebnis Koch, Rechtfertigung (Fn. 378), § 17 Rn. 64 ff.; ebenso H.-J. Koch, Das Abwägungsgebot im Planungsrecht, in: DVBl. 1983, S. 1125 (1125 ff.), der zwischen einer Begründungs- und Begründbarkeitskontrolle unterscheidet und die Abwägungskontrolle grds. auf die Überprüfung des Abwägungsvorgangs beschränkt und meint, dass nur ausnahmsweise auch das Abwägungsergebnis eigenständig zu überprüfen sei; zwar für eine Kontrolle von Abwägungsvorgang und -ergebnis, aber anhand abweichender Kontrollmaßstäbe sprechen sich aus mit der Begründung, dass nur die Abwägungsdisproportionalität das Abwägungsergebnis betreffe Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 138 ff., konzis Rn. 143.

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ergebnis (Abwägungsdisproportionalität oder Abstimmungsdisproportionalität)458. Einzig unumstritten ist, dass die Pflicht, überhaupt eine Abwägung durchzuführen, nur dem Abwägungsvorgang zugeordnet werden kann459. Der planenden Gemeinde kann danach auf jeder Stufe der Abwägungsentscheidung nach § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB ein relevanter Fehler unterlaufen460. Jeder relevante Fehler in der Abstimmung kann bewirken, dass am Ende des Aufstellungsverfahrens ein „unabgestimmter“ Bebauungsplan steht, der das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung verletzt. In der Rechtsprechung und dem Schrifttum liegt die Hauptaufmerksamkeit auf der Frage, wann die Planung abstimmungsdisproportional ist. In der Vermeidung einer abstimmungsdisproportio 458

Hoppe, Abwägungsgebot (Fn. 247), § 7 Rn. 128 ff.; Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 143, zustimmend zu dieser von Erbguth entwickelten Differenzierung auch Blumenberg, Entwicklungen (Fn. 367), S. 90. 459 BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – IV C 50/72, BVerwGE 45, 309 (315) – Flachglas; unlängst BVerwG, Urt. v. 22. 09. 2010 – 4 CN 2/10, NVwZ 2011, 438 (441); Blumenberg, Entwicklungen (Fn. 367), S. 89; Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 138. 460 Nds. OVG, Urt. v. 14. 09. 2000 – 1 K 5414/98, ZfBR 2001, 134 (135); OVG NRW, Urt. v. 25. 08. 2005 – 7 D 2/05.NE, NVwZ-RR 2006, 450 (451 f.); VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (373); OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 05. 2009 – 1 C 10970/08. OVG, KommJur 2010, 62 (64); OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris. Rn. 76 ff.; BayVGH, Urt. v.  28. 02. 2017  – 15  N  15.2042, juris Ls.  5, Rn. 63, 66, spricht ausdrücklich von einem Abwägungsdefizit; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 99; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 50.  – Im Schrifttum ist eine lebhafte Debatte darüber entbrannt, ob zwischengemeindliche Abstimmungsfehler dem Unbeachtlichkeitsregime der §§ 214 f. BauGB unterfallen. Zweifel, ob die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214 f. BauGB auf Fehler im Anwendungsbereich des § 2 II BauGB anwendbar sind, hat Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 50, wobei er wohl zur Anwendbarkeit der §§ 214 f. BauGB auf Abstimmungsfehler neigt; das OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (770 ff.), wendete umstandslos auf Fehler bei der Ermittlung und der Bewertung die §§ 214 f. BauGB an. Die Debatte, die durch die Folgewirkungen des EAG Baus und der damit verbundenen Kontroverse über den Regelungsgehalt von § 2 III sowie § 214 BauGB erheblich befeuert und verkompliziert wird, soll nicht im Detail nachgezeichnet werden. Entscheidende Frage für die Anwendbarkeit des Planerhaltungs- und Unbeachtlichkeitsregimes der §§ 214 f. BauGB ist unter anderem, ob § 2 II 1 BauGB als Verfahrens- und Formvorschrift i. S. v. § 214 II 1 Nr. 1 BauGB eingeordnet werden kann. Die Beachtlichkeit von Abstimmungsmängeln hängt sodann weiter davon ab, ob § 2 III BauGB auch für § 2 II 1 BauGB gilt. Ohne die Anwendbarkeit von § 2 III BauGB für § 2 II 1 BauGB zu diskutieren, wendete § 2 III BauGB an das OVG NRW, Urt. v. 29. 01. 2020 – 7 D 80/17.NE, BauR 2020, 768 (770 ff.); anscheinend § 2 II und § 2 III BauGB als eigenständige Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen qualifizierte das OVG Saarland, Urt. v. 07. 02. 2019 – 2 C 629/17, juris Rn. 54. Die vorgeschlagene Einordnung des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung als eine die allgemeine bauleitplanerische Abwägung partiell modifizierende Norm spricht dafür, das Abstimmungsgebot und das Abwägungsgebot hinsichtlich §§ 214 f. BauGB gleich zu behandeln. Die Ermittlung und die Bewertung abstimmungserheblicher Belange fiele damit in den Anwendungsbereich von § 214 II 1 Nr. 1 BauGB. Gegen die Anwendbarkeit Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 172 ff.; J.  Stock, in: W.  Ernst / W.  Zinkahn / W.  Bielenberg (Begr.), Kommentar zum Bau­ gesetzbuch, Bd. V, § 214 (August 2019), Rn. 7; differenzierend Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 114, der zwischen Mängeln bei der Ermittlung und der Bewertung der von der Planung berührten Belangen, welche in den Anwendungsbereich des § 214 I 1 Nr. 1 BauGB fallen, sowie den stets beachtlichen Mängeln bei einem abstimmungsdisproportionalen Ergebnis unterscheidet.

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nalen Planung erschöpfen sich die Ansprüche und Pflichten aber keinesfalls, die sich aus dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot ergeben. Aus der Geltung der skizzierten Abstimmungsfehlerlehre ist erklärlich, warum das Bundesverwaltungsgericht annimmt, dass auch unmittelbare und gewichtige Auswirkungen, die vom Bebauungsplan der planenden Gemeinde auf die Nachbargemeinde (potentiell) ausgehen, nicht zwangsläufig dazu führen, dass die planende Gemeinde gegen das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung verstößt. Die Möglichkeit zur Überwindung von betroffenen Belangen entspricht den beschriebenen grundlegenden Erkenntnissen der bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik461. Selbst bei unmittelbaren und gewichtigen Auswirkungen kann die planende Gemeinde ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Abstimmung nachkommen, wenn noch gewichtigere Belange der planenden Gemeinde die der Nachbargemeinde überwiegen. Sie kann die Beeinträchtigung nachbargemeindlicher Interessen planungsrechtlich rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht sprach selbst davon, dass sogar gewichtige Belange „im Wege der Abwägung“ überwunden werden können462. Es überrascht nicht, dass in der bauleitplanerischen Abwägung Belange „weggewogen“ werden können463. „[A]us § 2 Abs. 2 BauGB [lässt sich] nicht etwa entnehmen, dass eine Planung, die durch Auswirkungen gewichtiger Art gekennzeichnet ist, bereits aus diesem Grund gegen das Abwägungsgebot verstieße. Es gilt auch, dass selbst gewichtige Belange im Wege der Abwägung überwunden werden können, wenn noch gewichtigere ihnen im Range vorgehen.“464 Denn das Gebot gerechter Abwägung und auch das Abstimmungsgebot sind nicht verletzt, wenn sich die planende Gemeinde für die Bevorzugung der eigenen und damit für die notwendigerweise damit verbundene Zurückstellung der nachbargemeindlichen Belange entscheidet465. Es ist daher missverständlich, wenn das Bundesverwaltungsgericht

461

Statt Vieler Battis (Fn. 49), § 1 Rn. 94. BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken. 463 Exemplarisch Battis (Fn. 49), § 1 Rn. 94. 464 Zitat entnommen BVerwG, Urt. v.  01. 08. 2002  – 4  C  5/01, BVerwGE 117, 25 (33)  – FOC Zweibrücken; BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, KommJur 2011, 145 (150); sehr anschaulich fragt der BayVGH, Urt. v. 11. 03. 2013 – 1 N 12.2150, juris Rn. 28 ff., nachdem er feststellte, welche Belange der Nachbargemeinde betroffen sind, ob diesen Belangen noch gewichtigere Belange vorgehen; jüngst ähnlich in der Wortwahl OVG NRW, Urt. v. 05. 07. 2018 – 7 D 13/16.NE, juris Rn. 44; OVG Saarland, Urt. v. 07. 02. 2019 – 2 C 629/17, juris Rn. 49; ausdrücklich von einem „wegwägen“ unter erhöhten Rechtfertigungslasten bei „unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“, sprach der VGH BW, Urt. v. 27. 09. 2007 – 3 S 2875/06, NVwZ-RR 2008, 369 (370); ebenso OVG NRW, Urt. v. 01. 12. 2015 – 10 D 92/13. NE, juris Rn. 106; leicht abweichend in der Formulierung auch BayVGH, Urt. v. 28. 02. 2017 – 15 N 15.2042, juris Rn. 61. 465 BVerwG, Urt. v.  12. 12. 1969  – IV  C  105/66, BVerwGE 34, 301 (309); BVerwG, Urt. v.  01. 11. 1974  – IV  C  38/71, BVerwGE 47, 144 (146); BVerwG, Beschl. v.  15. 05. 2013  – 4 BN 1/13, ZfBR 2013, 573 (575); aus dem Fachplanungsrecht BVerwG, Urt. v. 12. 12. 2016 – 4 A 4/15, NVwZ 2017, 708 (710); zum Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung BayVGH, Urt. v. 28. 02. 2017 – 15 N 15.2042, juris Rn. 61 462

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davon sprach, dass sich eine benachbarte Gemeinde gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art zur Wehr setzen könne466. Das Bundesverwaltungsgericht meinte augenscheinlich nicht, dass der Bebauungsplan rechtswidrig sei und deshalb abgewehrt werden könne. Es meinte wohl eher, dass die benachbarten Gemeinden einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Belange haben, die planende Gemeinde also nachbargemeindliche Belange ordnungsgemäß ermittelt, bewertet und in die Abstimmung einstellt sowie sachgerecht die gemeindenachbarlichen Belange gegeneinander abwägt467. Die Anstrengungen, welche die planende Gemeinde zur Überwindung eines nachbargemeindlichen Belangs anstellen muss, hängen zum einen von seinem Gewicht, zum anderen von der Intensität seiner Beeinträchtigung ab. Die planende Gemeinde muss zur Überwindung eines nachbargemeindlichen Belangs einen eigenen Belang in Stellung bringen, der in seiner Gewichtigkeit dem nachbargemeindlichen Belang vorgeht. Gelingt es der planenden Gemeinde nicht, einen hinreichend gewichtigen eigenen Belang in Stellung zu bringen, dann lässt sich die – auch nur geringfügige – Beeinträchtigung nachbargemeindlicher Belange planungsrechtlich nicht rechtfertigen. Je stärker der Bebauungsplan nachbargemeindliche Interessen zurückdrängt, desto gewichtiger muss das von der planenden Gemeinde mit ihrem Bebauungsplan verfolgte Interesse sein. Diese relationale Beziehung zwischen Gewicht und Beeinträchtigungsintensität kann als (abstimmungsrechtliche) „JeDesto-Formel“ beschrieben werden468. Darüber hinausgehend ist bedeutsam, in welchem Umfang die Auswirkungen der Planung den eigenen Wirkungskreis der planenden Gemeinde überschreiten469. Die Formel bestätigt den Befund, dass das Postulat der erhöhten Rechtfertigungslast, ausgelöst durch einen sog. qualifizierten

466

BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken. Die Begriffsverwendung des BVerwG ist nicht eindeutig. Das BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (330) – Krabbenkamp, sprach davon, „daß die Planungshoheit gegenüber allen sie berührenden fremden Planungen sozusagen wehrfähig ist. Keine Gemeinde braucht hinzunehmen, daß ihre Planungshoheit durch fremde Planungen rechtswidrig verletzt wird.“ Warum aber nur „sozusagen wehrfähig“? In der gleichen Entscheidung prägte das Gericht die Formel der „unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“. Sollte bei Erreichen dieser Intensitätsschwelle eine fremde Planung abgewehrt werden können? – Die Formulierung stieß sodann in der Literatur als „sachlich nicht zu motivieren“ auf Kritik P. Lerche, Grenzen der Wehrfähigkeit kommunaler Planungshoheit, in: T. Maunz (Hrsg.), Verwaltung und Rechtsbindung, 1979, S. 223 (231), wobei er den Begriff der Wehrfähigkeit mit dem der Klagebefugnis gleichsetzt, ebd., S. 231, 233. 468 Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 158. 469 In der Rspr. und im Schrifttum findet sich daher (zwischenzeitlich) eine anders nuancierte Formel. Das SächsOVG, Urt. v. 26. 05. 1993 – 1 S 68/93, LKZ 1994, 116 (118), formulierte: „Je gewichtiger die aus dem eigenen Wirkungskreis entstehenden Bedürfnisse sind, die zur Planung drängen, desto weniger muß die Planung zurückstehen. Umgekehrt muß sie um so eher Einschränkungen hinnehmen, je weiter sie ihren Wirkungskreis verläßt und je nachhaltiger sie in einen fremden Wirkungskreis eindringt.“; aufgegriffen von Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 32. 467

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Abstimmungsbedarf, jedenfalls in der Bebauungsplanung keinen eigenständigen, von § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB abhängenden Gehalt hat470. Wann der Ausgleich zwischen den gemeindenachbarlichen Belangen fehlerhaft erfolgt, kann daher nicht allgemeingültig beantwortet werden. Für eine verläss­ liche rechtliche Handhabung des Abstimmungsgebots scheint ein solches Ergebnis unbefriedigend zu sein. Der Ausgleich zwischen den mit dem Bebauungsplan der planenden Gemeinde verfolgten Interessen und den vom Bebauungsplan (potentiell) beeinträchtigten städtebaulichen Belangen der Nachbargemeinde muss so erfolgen, dass die Planungsentscheidung nicht zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht471. Die gemeindenachbarlichen Belange dürfen im Verhältnis zueinander nicht eindeutig und offenkundig fehlgewichtet werden472. Es ist eine sachgerechte Ausgleichsentscheidung gefordert, welche die unterschiedlichen Belange in ein sachgerechtes Verhältnis bringt473. Der Ausgleich ist (regelmäßig) dann fehlerhaft, wenn sich der Bebauungsplan unzumutbar auf die nachbargemeindlichen Belange auswirkt. Steht eine Verletzung des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots in Streit, beschränken sich die Gerichte und viele Stimmen in der Literatur häufig, nicht aber immer darauf, festzustellen, ob die Auswirkungen unzumutbar sind474. Das Kriterium der Unzumutbarkeit wirkt indiziell für einen fehlerhaften Ausgleich zwischen den gemeindenachbarlichen Belangen und damit für eine Abstimmungsdisproportionalität. Die Rechtsprechung und ein großer Teil des Schrifttums greifen das Kriterium der Unzumutbarkeit auf475. Vereinzelt tritt neben das Kriterium der Unzumutbar­keit

470

Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 103; in der Sache auch Jäde, Terrorismus (Fn. 197), S. 754; beschränkt auf die Bedeutung für die Abwägung ebenfalls Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 171 Fn. 1027. 471 StRspr. seit BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105/66, BVerwGE 34, 301 (309). 472 Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 158. 473 Dirnberger (Fn. 102), § 1 Rn. 176. 474 Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 53; kritisch, wohl etwas zu pauschal in seiner Kritik Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 314, der sich für eine differenzierte sog. interkommunale Abwägungsfehlerlehre ausspricht, nicht aber darauf zurückkommt, dass die Unzumutbarkeit i. R. d. Abwägungsdisproportionalität bedeutsam sein kann. 475 Das Kriterium der Unzumutbarkeit wird nahezu durchgängig herangezogen, aus der Literatur statt Vieler O. Otting, Factory Outlet Center und interkommunales Abstimmungsgebot, in: DVBl. 1999, S. 595 (597); Schmitz, Factory-Outlet-Center (Fn. 388), S. 1102 f.; Uechtritz, Abstimmungsgebot (Fn. 406), S. 177; Berkemann (Fn. 402), § 2 BauGB 2004 Rn. 40; Bunzel, Weiterungen (Fn. 191), S. 134; Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 169; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 31 f.; Uechtritz, Einzelhandel (Fn. 2), S. 74, bezeichnet die Unzumutbarkeit als „unübersteigbare Hürde“; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 53 ff.; ähnlich das BVerwG, Urt. v. 11. 10. 2007 – 4 C 7/07, BVerwGE 129, 307 (311 f.): „[D]ie Schwelle zur Unzumutbarkeit […], [setzt] […] im Anwendungsbereich des interkommunalen Abstimmungsgebots der Planungsbefugnis der Gemeinde eine äußerste, nicht überwindbare Schranke“; ferner OVG NRW, Urt. v. 06. 06. 2005 – 10 D 148/04.NE, ZfBR 2005, 685 (685 Ls. 1, 685); SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, SächsVBl. 2018, 319 (331).

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das der Rücksichtslosigkeit, welches das Kriterium der Unzumutbarkeit entweder ersetzt oder präzisiert476. Vereinzelt wird sogar (noch) weitergehender gefordert, dass die Nachbargemeinde durch den Bebauungsplan „schwer und unerträglich“ betroffen ist477. Nicht nur die für die benachbarte Gemeinde unzumutbaren und gegebenenfalls rücksichtslosen Auswirkungen des Bebauungsplans und demgemäß die Fehlerhaftigkeit des Abstimmungsergebnisses, sondern auch ein relevanter Fehler im Abstimmungsvorgang (Ermittlung, Einstellung und Bewertung) können aber zu einem Verstoß gegen das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung führen. Die Schwelle der Unzumutbarkeit ist von anderen Schwellengrenzen des Bauplanungsrechts, etwa der des § 34 Abs. 3 BauGB abzugrenzen478. Das Bundesverwaltungsgericht betonte in seiner Rechtsprechung, dass die Unzumutbarkeit für die zwischengemeindliche Abstimmung schwellenmäßig höher anzusiedeln sei als die in § 34 Abs. 3 BauGB vorgesehenen Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche479. Für die inhaltliche Präzisierung der Unzumutbarkeitsschwelle ist damit freilich wenig gewonnen.

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Schoen, Abstimmung (Fn. 3), S. 108; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 110; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 55: Es sei zu prüfen, ob sich diese Auswirkungen in „unzumutbarer, nicht mehr zu rechtfertigender Weise und damit ‚rücksichtslos‘ auf die Planungshoheit der Nachbargemeinde auswirken“; BVerwG, Urt. v. 17. 09. 2003 – 4 C 14/01, BVerwGE 119, 25 (35) – Mülheim-Kärlich: „[D]arf keine ihre jeweilige örtliche Planungshoheit gleichsam ‚rücksichtslos‘ zum Nachteil der anderen ausüben.“; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 15. 11. 2010 – 1 C 10320/09. OVG, ZfBR 2011, 260 (265); OVG Saarland, Beschl. v. 12. 01. 2016 – 2 B 220/15, KommJur 2016, 194 (196); OVG NRW, Urt. v. 28. 09. 2016 – 7 D 89/14.NE, juris Rn. 60; SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, SächsVBl. 2018, 319 (331). 477 Die Bedeutung dieser Intensitätsschwelle ist nicht ganz klar. Lerche zieht sie wohl als diejenige Intensitätsschwelle heran, die erreicht sein müsse, damit die benachbarte Gemeinde klagebefugt sei. Die vom BVerwG propagierte Schwelle der „unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art“ erachtet er als nicht ausreichend Lerche, Grenzen (Fn. 467), S. 233, 235. Sein Beitrag wirft freilich einige schwierige Fragen auf: Meint er, dass der Abstimmungsbedarf nur bei schweren und unerträglichen Auswirkungen besteht oder, dass das Abstimmungsgebot nur im Fall solcher Auswirkungen verletzt ist? Die Klagebefugnis hat den materiellen Anspruch im Blick und fragt danach, ob nach dem substantiierten Sachvortrag des Klägers der geltend gemachte Anspruch bestehen kann. Materiell-rechtlich setzen der Anspruch, der für die Sachentscheidungsvoraussetzungen möglich erscheinen muss, und der Anspruch, der in der Begründetheit auf sein tatsächliches Bestehen überprüft wird, die identischen Anspruchsvoraussetzungen voraus. 478 BayVGH, Beschl. v. 23. 01. 2013 – 1 CS 12.2625, juris Rn. 12; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 112c. 479 BVerwG, Urt. v. 11. 10. 2007 – 4 C 7/07, BVerwGE 129, 307 (311 Rn. 14).

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3. Gebot zwischengemeindlicher formeller Abstimmung nach § 4 BauGB Nach § 4 BauGB ist die planende Gemeinde zur verfahrensmäßigen Beteiligung der Nachbargemeinde in Gestalt des sog. Gebots formeller zwischengemeindlicher Abstimmung verpflichtet480. Die verfahrensmäßige Beteiligungspflicht folgt nicht aus § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB, sondern aus § 4 BauGB481. Die zweistufige verfahrensrechtliche Beteiligung von Nachbargemeinden ermöglicht, dass die planende Gemeinde über das notwendige (gemeindenachbarliche)  Abstimmungsmaterial verfügt. Auch wenn die planende Gemeinde für materiell abgestimmte Bebauungspläne selbst alle abstimmungs- und abwägungserheblichen Belange ermitteln muss, damit sie den Bebauungsplan materiell-rechtlich abstimmungs- und abwägungsfehlerfrei erlassen kann, kommt der Beteiligung von Nachbargemeinden eine wichtige Funktion zu482. Alle Stufen der Abstimmung erfordern, dass die planende Gemeinde ausreichend viele Informationen über das Ausmaß der Auswirkungen ihrer Planungen auf Nachbargemeinden besitzt. Das formelle Abstimmungsgebot ist informationelle Basis des materiellen Abstimmungsgebots483. „Die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung dienen“, so heißt es in § 4a Abs. 1 BauGB, „insbesondere der vollständigen Ermittlung und zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange und Informationen der Öffentlichkeit.“ Unbestritten zählen zu den „Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange“ auch planungsbetroffene Nachbargemeinden484. Dem Gesetz liegt ein funk 480 Zur Unterscheidung formeller und materieller Abstimmung bereits BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (328 f.) – Krabbenkamp; Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 309; Reidt, Einkaufszentren (Fn. 182), S. 93; Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 108; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 20. – Allgemein zur zweistufigen Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange I.  Appel,  Verfahren der Bauleitplanung, in: Koch / Hendler, Baurecht (Fn. 94), § 15 Rn. 23 ff. 481 Missverständlich „[s]ie [scil. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, M. J.] stellt nicht nur Anforderun­ gen an das Verfahren, sondern auch an das Ergebnis der Abwägung.“ Nds. OVG, Urt. v. 27. 08. 2008 – 1 KN 138/06, juris Rn. 203. 482 OVG Saarland, Urt. v. 07. 02. 2019 – 2 C 629/17, juris Rn. 54: „Im konkreten Planaufstellungsverfahren ist es Sache der planenden Gemeinde, sich in geeigneter Weise Kenntnis über die konkreten Auswirkungen der von ihr planerisch ermöglichten Vorhaben auf die benachbarten Gemeinden zu verschaffen, um so deren Belange mit dem nötigen Gewicht in ihrer Abwägung einstellen zu können.“ 483 Die planenden Gemeinden sollen einen möglichst vollständigen Überblick über die abwägungserheblichen Belange erhalten M. Krautzberger, in: Battis / ders. / Löhr, BauGB (Fn.  49), § 4 Rn. 1. 484 Krautzberger (Fn. 483), § 4 Rn. 2; Spannowsky (Fn. 331) § 4 Rn. 4; U. Battis, in: ders. /  Krautzberger / Löhr, BauGB (Fn. 49), § 4 Rn. 3. – Nicht eindeutig ist, ob eine Nachbargemeinde „Behörde“ oder „sonstige[r] Träger öffentlicher Belange“ ist; zum Behördenbegriff des Normenkontrollantrags bereits Fn. 277 sowie Ortwin, Normenkontrollantrag (Fn. 145), S. 822; für die Einordnung von Nachbargemeinden als „Behörde“ Krautzberger (Fn. 483), § 4 Rn. 28; B. Köster, in: Schrödter, BauGB (Fn. 69), § 4 Rn. 3; Spannowsky (Fn. 331), § 4 Rn. 3; als „sonstiger Träger öffentlicher Belange“ ThürOVG, Urt. v. 17. 06. 1998 – 1 KO 1040/97, juris. Rn. 111.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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tionaler Behördenbegriff zugrunde485. Nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB sind Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, vorzeitig (§ 4 Abs. 1 S. 1 BauGB) und förmlich (§ 4 Abs. 2 BauGB) am Planaufstellungsverfahren zu beteiligen. Entscheidend für die Pflicht der planenden Gemeinde, Nachbargemeinden am Planungsverfahren zu beteiligen, ist neben der Beteiligungsberechtigung, ob nun als „Behörde“ oder „sonstige[r] Träger öffentlicher Belange“, dass „deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann“. Der zweite Halbsatz des § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB bezieht sich sowohl auf die Behörden als auch auf die sonstigen Träger öffentlicher Belange486. Erforderlich ist, dass durch die (geplante) Bodennutzung der planenden Gemeinde die Nachbargemeinde in ihrem Aufgabenbereich berührt, d. h. konkret in ihrem sachlichen und örtlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereich betroffen sein kann487. Im gemeindenachbarlichen Verhältnis betrifft dies vornehmlich (faktische)  Auswirkungen oder rechtliche (Folge-)Betroffenheiten der Nachbargemeinde. Das Merkmal „deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann“ übernimmt eine mit dem Merkmal des „Benachbartseins“ in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB vergleichbare Funktion. Die Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden oder sonstigen Träger öffentlicher Belange sollen sich nach § 4 Abs. 2 S. 3 BauGB auf Belange ihres Aufgabenbereichs beschränken488. Nachbargemeinden sind somit auf die Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Aufgaben beschränkt. 4. Resümee Das Bauplanungsrecht bietet mannigfaltiges Potential für Konflikte zwischen Gemeinden. Die Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden auf Gleichordnungsebene findet dann, wenn Konflikte aus der Aufstellung eines Bebauungsplans resultieren können, in den Bahnen der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7  BauGB statt, die speziell für zwischengemeindliche Konflikte eine bikriterielle zwischengemeindliche Abwägungsentscheidung (Abstimmung) verlangt489. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung ist in die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB modifizierend zu integrieren. Im Rahmen der Abwägung findet in einem Teilausschnitt der ganzheitlichen Abwägungsentscheidung eine (subjektivierte) zwischengemeindliche Abstimmung statt. Berührt der Bebauungsplan nachbargemeindliche Belange mehr als geringfügig, muss die planende Gemeinde ihre städtebaulichen Belange mit denen der Nach 485

Krautzberger (Fn. 483), § 4 Rn. 15. Davon geht wie selbstverständlich aus Krautzberger (Fn. 483), § 4 Rn. 15. 487 Krautzberger (Fn. 483), § 4 Rn. 15, 23, 31.  488 Spannowsky (Fn. 331) § 4 Rn. 13. 489 Treffend spricht das SächsOVG, Urt. v. 06. 06. 2018 – 1 C 21/16, SächsVBl. 2018, 319 (331), in seiner Entscheidung von dem „nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigende[n] materiell-rechtliche[n] Gebot, die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen (§ 2 Abs. 2 BauGB)“. 486

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

bargemeinde (bikriteriell) abwägen und koordinieren. Es erfolgt danach eine zwischengemeindliche Abstimmung in der Abwägung. Konsequent ist, dass damit auch eine zwischengemeindliche Abstimmungsfehlerlehre gilt. Das materielle Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung umfasst zum einen (positiv) den Anspruch der Nachbargemeinde auf Abstimmung; damit korreliert die Pflicht der planenden Gemeinde zur Abstimmung. Zum anderen umfasst das Abstimmungsgebot einen Anspruch der Nachbargemeinde gegenüber der planenden Gemeinde, keine unabgestimmten Bebauungspläne zu erlassen. Kommt es dennoch zum Erlass, steht der Nachbargemeinde ein Abwehranspruch gegen den unabgestimmten Bebauungsplan zu. Die planende Gemeinde muss in ihre bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB auch nachbargemeindliche Belange einbeziehen, die keinen städtebaulichen Bezug haben und deshalb für § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB irrelevant sind. Anders als für die bikriterielle Abwägung korrespondieren der Abwägungspflicht aber kein Abwägungsanspruch und daraus ableitbaren Folgeansprüche der Nachbargemeinde. Erst § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB gestaltet die Pflicht zur Abstimmung in der Abwägung relational aus und verschafft Nachbargemeinden Ansprüche. Die zwischengemeindliche Konfliktbewältigung im Bauplanungsrecht ist damit keine exklusive Domäne des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB oder des § 1 Abs. 7 BauGB (mehr). Die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB und die in diese modifizierend integrierte zwischengemeindliche Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB bilden zusammen das Instrument, das darauf ausgerichtet ist, Konflikte zwischen Gemeinden rechtlich zu bewältigen. Beide Normen lösen Konflikte im Zusammenwirken. Die Assoziation zwischengemeindlicher Konfliktlösung einzig mit dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB traf nie zu, ist jedenfalls aber (dogmatisch) überholt. Die These des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Pflicht zur materiellen Abstimmung „im Rahmen des allgemeinen Abwägungsgebots“490 erfolge und es sich bei § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB nur im eine „besondere Ausprägung“ des Abwägungsgebots handeln soll, findet im Rahmen dieser Untersuchung mit einigen inhaltlichen Präzisierungen Beifall491. Das in der Literatur als „offen“ empfundene Verhältnis zwischen Abwägungs- und Abstimmungsgebot ist bei Lichte betrachtet nicht (mehr) offen492. Dem Baugesetzbuch liegt ein einheitliches Konzept der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung durch Abstimmung in der Abwägung zugrunde.

490

BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (33) – FOC Zweibrücken. BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken. 492 Uechtritz, Neuregelungen (Fn. 406), S. 801. 491

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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II. Gemeindliche Wirtschaftsbetätigung Auch Gemeinden wirtschaften. Jeder Teilnehmer am Wirtschaftsleben, der wirtschaftende Staat nicht ausgenommen, unterliegt den Zwängen des Marktes und drängt auf Expansion seiner Wirtschaftstätigkeit. Im Zuge von wirtschaftlichen Expansionen überschreiten Gemeinden nicht selten die Grenzen angestammter Betätigungsräume: Sie wirtschaften im fremden Gebiet oder erbringen Leistungen für die Einwohner anderer Gemeinden493. Das Wirtschaften auf fremdem Gebiet für fremde Einwohner kann sich aus der Sicht von betroffenen Gemeinden als ein ungebührlicher Übergriff auf ihre Angelegenheiten darstellen und zu zwischengemeindlichen Konflikten führen. Der Kristallisationspunkt für zwischengemeindliche Konflikte ist damit die „extraterritoriale“494, „außergebietliche“495 oder (gar) „überörtliche“496 Wirtschaftsbetätigung. Das nordrhein-westfälische Gemeindewirtschaftsrecht versucht solchen Übergriffen Einhalt zu gebieten und hält Lösungsmechanismen bereit, um Übergriffe zu verhindern oder ihre Folgen für Nachbargemeinden abzumildern497. Die Gemeindeordnung beinhaltet Regelungen für die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden, die die Wirtschaftsbetätigung außerhalb des Gebiets der wirtschaftenden Gemeinde zum Regelungsthema machen (vgl. §§ 107 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW). Die Regelungen machen die rechtliche Zulässigkeit der Betätigung von dem Wahren der berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften abhängig. Zu kurz griffe aber die Vorstellung, dass Konflikte zwischen Gemeinden nur entstehen, wenn sich die wirtschaftende Gemeinde auf dem Gebiet der Nachbargemeinde für fremde Einwohner betätigt. Das Gemeindegebiet und die räumlichen Grenzen gemeindewirtschaftlicher Betätigung bleiben gleichwohl wichtige Referenzpunkte, um sich zwischengemeindlichen Konflikten und ihrer rechtlichen Bewältigung durch das Gemeindewirtschaftsrecht zu nähern. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Regelung in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, obwohl auch andere Gesetze bestimmte Formen konfliktträchtiger wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden, wie das 493

In diesem Sinne D. Ehlers, Rechtsprobleme der Kommunalwirtschaft, in: DVBl. 1998, S. 497 (497 f.). 494 So bereits der Titel der Arbeit von Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4): „Die extraterritoriale Kommunalwirtschaft“. 495 Gleiches gilt für die außergebietliche Betätigung bzw. Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets. 496 T. Heilshorn, Sollte die überörtliche kommunale Wirtschaftstätigkeit durch die Gemeindeordnungen zugelassen werden?, in: VerwArch 96 (2005), S. 88 (88). 497 Die Gesetzgebungskompetenz für das Gemeindewirtschaftsrecht liegt bei den Ländern, stellvertretend aus der Kommentarliteratur A.  Uhle, in: T. Maunz / G.  Dürig (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. V, Art. 70 (Oktober 2008), Rn. 104; F.  Wittreck, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Art. 70 Rn. 15 Fn. 55; T.  Mann / T. Elvers, Die Rechtsquellen des Kommunalrechts, in: Mann / P üttner, HdKWP I (Fn. 93), § 10 Rn. 4 f.; aus der Rspr. SächsVerfGH, Urt. v. 20. 05. 2005 – Vf. 34-VIII-04, NVwZ 2005, 1057 (1058).

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Anbieten von Telekommunikationsdienstleistungen oder das Unterhalten eines öffentlichen Personennahverkehrs, regeln. Das Schrifttum bearbeitete die Regelungen über die kommunalrechtliche Zulässigkeit der gemeindewirtschaftlichen Betätigung in der Vergangenheit intensiv. Erst seit dem Millenniumwechsel standen aber vermehrt die räumlichen Grenzen gemeindewirtschaftlicher Betätigung und das Verhältnis von Gemeinden zueinander zur wissenschaftlichen Diskussion. Wenig Aufmerksamkeit widmet die Diskussion nach wie vor den Fragen, wann zum Beispiel eine Betätigung außerhalb des Gebiets der Gemeinde erfolgt oder unter welchen Voraussetzungen die Wirtschaftsbetätigung noch nachbargemeindliche Interessen wahrt. Besonders prekär ist, in welchem Verhältnis die einzelnen Voraussetzungen in § 107 GO NRW zueinander stehen. Heute ist die Diskussion stark in sich verschlungen. Einerseits beruht die Auslegung einiger Merkmale des § 107 GO NRW auf bestimmten verfassungsrechtlichen Vorannahmen, andererseits hängt die Plausibilität der Norminhaltshypothese eines Merkmals in § 107 GO NRW von inhaltlichen Vorentscheidungen anderer Merkmale derselben Vorschrift ab498. Die Arbeit sieht sich vor eine kaum ausräumbare (darstellerische) Schwierigkeit gestellt. Man geht wohl nicht zu weit, wenn man festhält, dass bislang eine Gesamtdarstellung der rechtlichen Voraussetzungen einer zwischengemeindlich konfliktträchtigen Wirtschaftsbetätigung fehlt499. Obwohl es sich bei den gemeindewirtschaftlichen Vorschriften um einen praxisrelevanten Regelungskomplex handelt, der jeden Tag zur Anwendung gelangt, ist noch kein wirklich in sich vollkommen schlüssiges, widerspruchsfreies Erklärungsmodell für die gemeindewirtschaftlichen Rechtsvorgaben und ihr Verhältnis zueinander gefunden worden. Gänzlich unberücksichtigt bei der Analyse möglicher Konfliktbewältigungsstrategien bleiben die kooperativen Grenzüberschreitungen durch Gemeinden in Form kommunaler Zusammenarbeit nach dem Gesetz über die kommunale Ge 498 Im Laufe der Untersuchung zeigt sich, dass der Landesgesetzgeber durch die einzelnen Voraussetzungen der gemeindewirtschaftlichen Betätigung eine komplexe Regelungsmaterie vorfand, als er z. B. § 107 III-V GO NRW einfügte. Die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals wirkt auf den Inhalt anderer Tatbestandsmerkmale und auf ihr Verhältnis zueinander zurück. Misst man dem Merkmal A den Inhalt I zu, führt Inhalt I dazu, dass Merkmal B womöglich einen anderen Inhalt haben muss, damit es nicht zu (norm-)systemischen Verwerfungen innerhalb der Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 107, 107a GO NRW kommt. 499 Teilweise findet sich im Schrifttum der Versuch, die Maßstäbe des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung und seine Abstimmungslehre auf das gemeindliche Wirtschaftsrecht zu übertragen, exemplarisch C. Enkler, Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen in neuen Geschäftsfeldern, in: ZG 13 (1998), S. 328 (337); J. Kühling, Verfassungs- und kommunalrechtliche Probleme grenzüberschreitender Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden, in: NJW 2001, S. 177 (179); mit Verweis auf die Leitentscheidung des BVerwG zur interkommunalen Abstimmungspflicht im Bauplanungsrecht in Sachen Krabbenkamp A. Guckelberger, Die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen außerhalb [Kursivierung auch im Original, M. J.] des Gemeindegebiets, in: BayVBl. 2006, S. 293 (295 Fn. 52); Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 77.

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meinschaftsarbeit. Kooperation mag einen Beitrag zur koordinierten Befriedung zwischengemeindlicher Verhältnisse leisten500. Auch § 107a GO NRW wird nicht eigens behandelt. 1. Konfliktpotentiale – außergebietliche und überörtliche Wirtschaftsbetätigungen Das Gemeindewirtschaftsrecht ist für die Analyse zwischengemeindlicher Konfliktlösungsinstrumente im Gesetzesrecht besonders reizvoll. Mit der Wirtschaftsbetätigung der Gemeinde sind (potentiell) Auswirkungen auf Nachbargemeinden verbunden, die zum Beispiel im Bauplanungsrecht nicht denkbar sind. Die Anlässe für zwischengemeindliche Konflikte im Gemeindewirtschaftsrecht sind damit, wenn auch nicht kategorial anders, so doch ungleich vielgestaltiger als im Bauplanungsrecht. Für das Gebot zwischengemeindlicher materieller Abstimmung im Bauplanungsrecht zum Beispiel ist klar, wo die Bebauungsplanung stattfindet und wie sich die Bebauungsplanung typischerweise auf Nachbargemeinden auswirkt. Der Bebauungsplan betrifft rechtlich ausschließlich die Planunterworfenen auf dem Gebiet der planenden Gemeinde, weil er nur in diesem Gebiet rechtlich gilt und nur dort gelten soll. Obwohl sich sein räumlicher Geltungsbereich auf das Gebiet der planenden Gemeinde rechtlich beschränkt und die Vorhaben, die er ermöglicht, immer in dem Gebiet der planenden Gemeinde verbleiben, kann sich der Bebauungsplan faktisch auf andere Gemeinden auswirken. Konflikte zwischen Gemeinden im Wirtschaftsrecht hingegen werden meistens ausgelöst durch Betätigungen, mit denen die Gemeinden ihre eigenen Gebiete hinter sich lassen. Die Folge kann sein, dass sich die Nachbargemeinde selbst nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll betätigen kann oder die Entscheidung, von einer eigenen wirtschaftlichen Betätigung bewusst abzusehen, konterkariert wird. Idealtypisch können vier Formen gemeindewirtschaftlicher Betätigung mit Auswirkungen auf Nachbargemeinden unterschieden werden501. Die Typologie knüpft einerseits an personale, andererseits an (leistungs-)gegenständliche Kriterien der Wirtschaftsbetätigung an. Mit der Zuordnung zu einer Fallgruppe ist noch kein Urteil darüber getroffen, ob die Wirtschaftsbetätigung unzulässig ist oder nicht. Einige Formen wirtschaftlicher Betätigung bleiben unberücksichtigt. Ausgenommen werden Betätigungen, in denen Verbrauchs- und Investitionsgüter im Rahmen klassischer Beschaffungsgeschäfte in einer anderen Gemeinde erworben werden, 500 J. Oebbecke, Interkommunale Zusammenarbeit, in: Mann / P üttner, HdKWP I (Fn. 93), § 29. 501 Die Zuordnung erfolgt nicht so sehr nach einem Entweder-Oder-Prinzip, sondern nach einem Mehr-Oder-Weniger-Prinzip, so die Beschreibung der Gegenstände von Typusbegriffen bei H. Boldt, Die Verfassungsgeschichte und ihre Methodik, in: ders. (Hrsg.), Einführung in die Verfassungsgeschichte, 1983, S. 9 (29 f.); zum (verbleibenden) Wert von Typologien in der Rechtswissenschaft M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 21 f.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

um sie den eigenen Gemeindeeinwohnern zur Verfügung zu stellen. Hier findet auf dem Gebiet der anderen Gemeinde nur ein Erwerbsvorgang statt, bei dem die Gemeinde wie jeder Private auf dem Markt für jedermann angebotene Güter erwirbt. Dazu zählen auch die gemeindlichen Vermögensanlagen, bei denen eine Gemeinde finanziell nicht benötigte Mittel anlegt, um Rendite zu erzielen502. Für zwischengemeindliche Konflikte sind diese Betätigungen uninteressant. An der Zwischengemeindlichkeit des Konflikts ändert sich nichts, auch wenn die Gemeinde die Wirtschaftsbetätigung ausgliedert und durch rechtlich verselbstständigte Verwaltungseinheiten erledigt, solange es sich bei den Verwaltungseinheiten noch um Einheiten der mittelbaren Kommunalverwaltung handelt503. a) Betätigung für die eigenen Gemeindeeinwohner auf dem eigenen Gemeindegebiet Eine Gemeinde kann mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung in den Grenzen ihres eigenen Gebiets verbleiben und (nur) ihre eigenen Einwohner mit der angebotenen Leistung ansprechen wollen. Eine solche Betätigung ist nicht gemeindegebietsüberschreitend, weil die wirtschaftende Gemeinde weder fremdes Gemeindegebiet betritt noch sie die Leistungen fremden Gemeindeeinwohnern anbietet. Leistungsgegenständlich und personal verbleibt die wirtschaftende Gemeinde in ihrem Gebiet. Dieses Wirtschaften kann entweder keinerlei Auswirkungen auf andere Gemeinden haben, also vollends gemeindeintern bleiben, oder sich faktisch auf die Nachbargemeinden auswirken. Nur im letzten Fall reichen die mit der wirtschaftlichen Betätigung verbundenen Auswirkungen über das Gemeindegebiet der wirtschaftenden Gemeinde hinaus504. Denkbar ist beispielsweise, dass das Leistungsangebot dazu führt, dass die eigenen Einwohner der sich wirtschaftlich betätigenden Gemeinde keine Leistungen der Nachbargemeinde mehr für sich in Anspruch nehmen, weil die Gemeindeeinwohner nunmehr ihren Bedarf in der eigenen Gemeinde befriedigen können. Die Folge ist, dass die (vorhandenen) Leistungskapazitäten der Nachbargemeinde ungenutzt bleiben. Die Nachbargemeinde muss in Folge dessen unter Umständen ihr Leistungsangebot einstellen, das mög­licherweise auch oder ganz maßgeblich auf fremde Gemeindeeinwohner ausgerichtet war505. Praktisch wirkt sich nahezu jede wirtschaftliche Betätigung in 502 J.  Oebbecke, Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, in: ZHR 164 (2000), S. 375 (378 f.). 503 Siehe dazu 1. Teil B. I. (S. 22 ff.). 504 Diese Art gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung, die zwar im Gemeindegebiet verbleibt, sich aber auf die Nachbargemeinden auswirkt, schließt in seine Fallgruppen nicht ein Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 378. 505 Ohne Bewertung an dieser Stelle muss bleiben, ob die auf fremde Gemeindebewohner ausgerichtete Gemeindewirtschaft der betroffenen Nachbargemeinde überhaupt schutzwürdig ist. De facto würde sich ein Leistungsangebot der handelnden Gemeinde negativ auf die Nachbargemeinde auswirken; darauf kommt es an dieser Stelle zunächst nur an.

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irgendeiner Form auf die Nachbargemeinden aus. Die gemeindewirtschaftlichen Betätigungen auf dem eigenen Gemeindegebiet für die eigenen Gemeindeeinwohner ähneln den aus dem Bauplanungsrecht bekannten Konstellationen, in denen sich die Bebauungsplanungen faktisch auf die Nachbargemeinden auswirken. b) Betätigung für fremde Gemeindeeinwohner auf dem eigenen Gemeindegebiet Eine Gemeinde kann mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung in ihrem Gemeindegebiet verbleiben, dabei aber (auch) fremde Gemeindeeinwohner umliegender oder weiter entfernt liegender Gemeinden ansprechen wollen. Beispiele einer gemeindewirtschaftlichen Betätigung auf dem eigenen Gemeindegebiet (auch) für fremde Gemeindeeinwohner bilden die Unterhaltung von Kur-, Erholungs- und Kultureinrichtungen wie den Theatern, Museen oder Zoos, die (auch) auf den Besuch von auswärtigen Gästen ausgerichtet sind. Gleichermaßen fallen darunter die für fremde Gemeindeeinwohner zugänglichen großen Veranstaltungshallen, in denen Konzerte, Messen etc. stattfinden. Hochspezialisierte Klinikkomplexe dienen nicht nur der Versorgung der eigenen Gemeindeeinwohner mit medizinischen Spezialleistungen, sondern sind gerade auch landes- und bundesweit an Patienten mit vergleichbaren Leiden ausgerichtet. Die Betätigung der Gemeinde baut auf die Konsumbereitschaft und die Ressourcen fremder Einwohner. c) Betätigung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde für die eigenen Gemeindeeinwohner Die Gemeinde kann Leistungen für ihre eigenen Einwohner auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde erbringen. Sie kann dort Produkte herstellen und sie den eigenen Einwohner anbieten. Bei diesen Formen gemeindewirtschaftlicher Betätigung kommt es zu einem tatsächlichen, seitens der wirtschaftenden Gemeinde aktiv gesteuerten (körperlichen) Überschreiten des eigenen Gebiets. Die wirtschaftende Gemeinde greift mit ihrer Betätigung körperlich auf das Gebiet einer anderen Gemeinde über und erbringt auf dem Gebiet der Nachbargemeinde für ihre eigenen Gemeindeeinwohner Leistungen. Die Gründe für ein wirtschaftliches Tätigwerden für die eigenen Einwohner auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde sind von vielerlei Gestalt. Die Gemeinde kann dazu aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gezwungen sein. Die Gemeinde, die zum Beispiel Buslinien unterhält und im Rahmen dieser wirtschaftlichen Betätigung Beförderungsleistungen in geographisch angrenzende Gebiete für die eigene Gemeindeeinwohnerschaft erbringt, muss häufig, um sinnvolle und attraktive Beförderungsleistungen anbieten zu können, auch Orte in anderen Gemeinden ansteuern. Die Gemeinde muss in das gemeindefremde Gebiet einfahren, um dort Haltestellen bedienen zu können. Eine Buslinie, die an der Gemeindegebietsgrenze anhält und zum Umstieg der Passa-

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giere zwingt, geht an den tatsächlichen Beförderungsbedürfnissen der Menschen vorbei. Eine Gemeinde wirtschaftet dann zum Teil auf fremdem Gebiet für fremde Einwohner. Ein gemeindliches Schullandheim als schulergänzender Lernort sucht meistens nicht nur eine naturnahe Umgebung, sondern ist auch auf eine gewisse räumliche Distanz zum eigentlichen Lernort angewiesen. Möchte die Gemeinde ein solches unterhalten, ist sie in Abhängigkeit von ihrer räumlichen Ausdehnung gelegentlich darauf angewiesen, das Schullandheim in das Gebiet einer anderen Gemeinde auszulagern. Andere Beispiele lassen sich finden: Es kann sein, dass keine entsprechenden Flächen in einer Gemeinde vorhanden sind, um ein bestimmtes gemeindewirtschaftliches Vorhaben verwirklichen zu können. Eine Gemeinde kann auf Grund hoher Bevölkerungsdichte außerstande sein, eine Kläranlage oder ein Wasserwerk auf dem eigenen Gemeindegebiet anzusiedeln, weil ausreichend große oder geeignete Flächen im eigenen Gemeindegebiet schlicht fehlen. Denkbar ist auch, dass die Errichtung einer gemeindewirtschaftlich betriebenen Anlage aus rechtlichen Gründen ausscheidet, weil zum Beispiel Abstandsflächen nicht eingehalten werden können. In beiden Fällen muss die Gemeinde, wenn sie das Vorhaben weiter verfolgen möchte, auf das Gebiet einer anderen Gemeinde ausweichen506. d) Betätigung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde für fremde Gemeindeeinwohner Möchte die Gemeinde beispielsweise Telekommunikationsleistungen nicht nur für ihre eigenen Einwohner anbieten, sondern beabsichtigt die wirtschaftende Gemeinde, mit den Telekommunikationsleistungen Einwohner fremder Gemeinden zu bedienen, dann betätigt sich die Gemeinde wirtschaftlich auf fremdem Gebiet für fremde Einwohner. Vergleichbare Leistungsangebote sind für den Strommarkt denkbar. Die Gemeinde möchte durch das gemeindliche Elektrizitätswerk nicht nur die eigene Einwohnerschaft mit Elektrizität versorgen, sondern sie möchte auch den Einwohnern anderer Gemeinden Strom bereitstellen. Durch die Belieferung mit Strom wird die Gemeinde auf fremdem Gebiet für Gebietsfremde wirtschaftlich tätig. Diese Fallgruppe ist denkbar weit. Die Gemeinde kann alles das, was sie auch auf ihrem Gebiet für ihre Gemeindeeinwohner anbieten kann, ebenso für fremde Einwohner auf fremdem Gebiet erbringen wollen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es sich bei solchen Bestrebungen der fremdgebietlichen, auf fremde Gemeindeeinwohner ausgerichteten Betätigungen nicht um Einzelfälle handelt. Eine ganze Reihe solcher Wirtschaftsbetätigungen war in der Vergangenheit zu beobachten507 und ist in der Zukunft zu erwarten508. 506

Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 378 ff. Eindrucksvoll ist die bisweilen recht heterogene Aufzählung bei A. Schink, Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, in: NVwZ 2002, S. 129 (129). 508 Beispiele zu neuen Betätigungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung Oebbecke, Versorgungs- und Verkehrsbetriebe (Fn. 5), S. 217, 222 ff. 507

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e) Disharmonien infolge gemeindewirtschaftlicher Betätigung Die denkbaren gemeindewirtschaftlichen Betätigungen sind im Detail durchaus heterogen. Wesentliche Unterscheidungskriterien sind, ob eine Gemeinde für ihre eigenen Einwohner oder für fremde Gemeindeeinwohner wirtschaftet und ob die Gemeinde dies auf ihrem Gebiet oder auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde tut. Wirklich konfliktträchtig sind nur drei der vier Fallkonstellationen: Die Nachbargemeinde wird sich regelmäßig wenig daran stören, wenn eine Gemeinde innerhalb ihrer Grenzen eigene Gemeindeeinwohner mit Leistungen versorgt und diese Versorgung sich auf die Gemeindewirtschaft der Nachbargemeinde faktisch auswirkt, weil einige Kunden aus der Nachbargemeinde ausbleiben. Das gilt freilich umso weniger, je mehr die Gemeinde mit der eigenen wirtschaftlichen Betätigung den Abzug der eigenen Einwohner und ihrer Kaufkraft beabsichtigt. Ebenso wird es eine betroffene Gemeinde eher akzeptieren können, wenn eine Gemeinde außerhalb ihres Gebiets ausschließlich eigene Gemeindebewohner versorgt. Dennoch ist diese Konstellation problematischer als die erste, da die Leistungen physisch die Gemeindegrenze überschreiten. Die wirtschaftliche Betätigung, die zwar im eigenen Gemeindegebiet stattfindet, aber an auswärtige Gemeindeeinwohner adressiert ist, dürfte zwar konfliktträchtiger sein als die erste Gruppe wirtschaftlicher Betätigung (Wirtschaftsbetätigung auf dem eigenen Gebiet für die eigenen Einwohner), aber dennoch hinter dem Konfliktpotential der auf fremdem Gemeindegebiet stattfindenden Wirtschaftsbetätigung zurückbleiben. Am wenigsten harmonisch dürften die Betätigungen ablaufen, die sich ausdrücklich an Bewohner der Nachbargemeinde wenden und auf dem Gebiet der Nachbargemeinde stattfinden509. Man hat meist die zuletzt genannte Art von Wirtschaftsbetätigung vor Augen, wenn es um eine extraterritoriale oder außergebietliche gemeindliche Wirtschaftsbetätigung geht. 2. Konfliktlösungsstrategien des Gemeindewirtschaftsrechts – gemeindewirtschaftliches Gebietsprinzip Das Gemeindewirtschaftsrecht regelt die Formen gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung rechtlich verschieden und stellt unterschiedliche rechtliche Anforderungen an ihre Zulässigkeit. Die Anforderungen hängen je davon ab, in welchem Ausmaß die wirtschaftliche Betätigung die Gemeindegebietsgrenze überschreitet und / oder die Gemeinde Leistungen an Gebietsfremde adressiert. Die sachgerechte Darstellung der einfachrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit der gemeind­ lichen Wirtschaftsbetätigung innerhalb oder außerhalb des eigenen Gemeindegebiets sowie für die eigenen oder fremden Gemeindeeinwohner, welche den Konflikt zu bewältigen beabsichtigen, ist vor gleich mehrere Schwierigkeiten gestellt.

509

Eine vergleichbare Analyse bei Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 93.

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Erstens greifen viele Untersuchungen, die klären wollen, wie das Gesetzesrecht die unterschiedlichen Formen gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung regelt, auf das Verfassungsrecht zurück. Argumente, Rechts- sowie Rechtswissenschaftsbegriffe, die vornehmlich das Verfassungsrecht betreffen oder dort zu verorten sind, wirken in die Inhaltsermittlung des Gesetzesrechts hinein oder werden für die Beschreibung des Gesetzesrechts gebraucht. Die Norminhaltsermittlung gemeindewirtschaftlicher Vorschriften gleitet, wenn man so will, in verfassungsrechtliche Gefilde ab. Das Gesetzesrecht und Verfassungsrecht gehen ineinander über und verschwimmen510. Die Folge ist, dass bei der Auseinandersetzung um die recht­liche Zulässigkeit der gemeindlichen wirtschaftlichen Betätigung und ihren (räumlichen) Grenzen die verschiedenen Argumentationsebenen und die unterschied­lichen Rechtsschichten nicht immer im ausreichenden Maß voneinander geschieden werden. Ursächlich dafür dürfte allerdings auch sein, dass die gemeindewirtschaft­ lichen Vorschriften der Gemeindeordnung Rechtsbegriffe verwenden, die auch Verfassungsrechtsbegriffe sind. Wenn § 107 Abs. 1 S. 1 Hs.  1 GO NRW davon spricht, dass die Gemeinden sich „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ wirtschaftlich betätigen dürfen oder wie § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW a. F.511 (noch) eindeutiger formulierte, dass die Gemeinden sich „zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen dürfen“, verwundert es nicht, dass solche Formulierungen unmittelbare Assoziationen zu dem verfassungsrechtlichen Begriff der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ (vgl. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) hervorrufen und man beide Wendungen inhaltsgleich versteht. Zweitens beschäftigten sich viele Stellungnahmen in der Literatur zwar mit den Grenzen der Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung von Gemeinden. Erst ab der Jahrtausendwende standen vermehrt aber auch die räumlichen Grenzen der Wirtschaftsbetätigung im Zentrum der Diskussion512. Je nachdem, in welchem Ausmaß das gemeindliche Wirtschaftsrecht die Gemeinde an die räumlichen Grenzen ihres eigenen Gebiets bindet, je nachdem, wie strikt diese Bindungen der Betätigungen an das eigene Gebiet sind und je nachdem, wie das Gesetzesrecht auf das Überschreiten dieser Grenzen reagiert, wird deutlich, wie das Gemeindewirtschaftsrecht den Wettbewerb zwischen Gemeinden ausgestaltet. Den entscheidenden Anstoß für eine (rechts-)wissenschaftliche Aufarbeitung der außergebietlichen Wirtschaftsbetätigung von Gemeinden gab die gesetzliche Einfügung sog. Gebietsklauseln in viele Gemeindeordnungen der Länder (in Nordrhein-Westfalen mit dem Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein 510

F. W. Held / U. Kotzea, in: F. W. Held / J. Winkel / R. Wansleben (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. I, § 107 (Dezember 2014), Anm. 2.2, begründen z. B. das Örtlichkeitsprinzip nicht mit Regelungen der Gemeindeordnung, sondern mit der Garantie kommunaler Selbstverwaltung, die den Gemeinden (nur) die Erledigung „aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ gestatte. 511 In der Fassung vom 14. 07. 1994, GV. NRW S. 666. 512 Diese Feststellung auch bei W. Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht und kommunale Handwerkstätigkeiten, in: WiVerw 2003, S. 57 (57).

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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West­falen vom 15. Juni 1999 in § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW513). Schon bevor der Gesetzgeber die Gebietsklauseln einfügte, war das außergebietliche Wirtschaften der Gemeinden von hoher praktischer Relevanz. Gemeinden expandierten schon vor 1999, ehe der Gesetzgeber es ihnen unter bestimmten Bedingungen gestattete. Die Einfügung von Gebietsklauseln in die Gemeindeordnungen vieler Länder wurde daher von einigen nur als ein verspäteter, gesetzgeberischer Nachvollzug ohnehin bereits existierender Gegebenheiten kommunalen Wirtschaftens eingestuft514. Erstaunlich ist, dass trotz der unzähligen Stellungnahmen in der Literatur kaum gerichtliche Entscheidungen zu den räumlichen Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung und dem zwischengemeindlichen (Wettbewerbs-)Verhältnis auffindbar sind515. Es dominieren die Judikate über das Verhältnis der Gemeindewirtschaft und der Privatwirtschaft zueinander. Ein Grund für den Mangel an gerichtlichen Entscheidungen zu diesem Thema könnte sein, dass die Gemeinden den gerichtlichen Rechtsstreit scheuen: Die Gemeinden werden oft genug darauf hoffen, dass ihre eigenen gebietlichen Übergriffe auf fremdes Gebiet von den betroffenen Gemeinden unbeanstandet bleiben, wenn sie selbst den Übergriff der anderen Gemeinde hinnehmen516. Drittens hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren vermehrt in den bestehenden Normbestand legislativ eingegriffen. Aus diesem Grund hält das Gemeinde­

513

GV. NRW S. 386. F. Becker, Grenzenlose Kommunalwirtschaft, in: DÖV 2000, S. 1032 (1032); eine ganze Fülle von Beispielen benennt Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504 f. 515 Rspr. zu gemeindlichen Mitwirkungsrechten sei nur von der interkommunalen Abstimmung im Bauplanungsrecht bekannt N.  Schulz, Anmerkungen zur Tätigkeit gemeindlicher Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, in: BayVBl. 1998, S. 449 (452); ebenso Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 342, der eine Übertragung dieser Rspr. zugleich abgelehnt; auch F. Brosius-Gersdorf, Wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden außerhalb ihres Gebiets, in: AöR 130 (2005), S. 392 (394), stellt fest, dass es kaum gerichtliche Entscheidungen gebe. Eine hohe Anzahl von gerichtlichen Entscheidungen beschäftigte sich mit dem Verhältnis der Gemeindewirtschaft zur Privatwirtschaft s. aus der Rspr. beispielhaft: OVG NRW, Beschl. v. 21. 09. 2004 – 15 B 1709/04, NVwZ-RR 2005, 198; OVG NRW, Beschl. v. 12. 10. 2004 – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211; OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031; OVG LSA, Urt. v. 29. 10. 2008 – 4 L 146/05, NVwZ-RR 2009, 347; VGH BW, Beschl. v. 29. 11. 2012 – 1 S 1258/12, NVwZ-RR 2013, 328; VGH BW, Urt. v. 05. 11. 2014 – 1 S 2333/13, NVwZ-RR 2015, 307; OVG LSA, Urt. 07. 05. 2015 – 4 L 163/14, EnWZ 2015, 476; VG Gießen, Beschl. v. 14. 10. 2004 – 8 G 3009/04, NVwZ-RR 2005, 201; VG Würzburg, Urt. v. 05. 09. 2012 – W 2 K 10.1204, BeckRS 2012, 60321; zum Rechtsschutz Privater gegen gemeindliches Wirtschaften aus der Literatur D. Ehlers, Empfiehlt es sich, das Recht der öffentlichen Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb national und gemeinschaftsrechtlich neu zu regeln?, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des vierundsechzigsten Deutschen Juristentages, Bd. I, 2002, E 84 f.; knapp M. Burgi, Kommunalrecht, 6. Aufl. 2019, § 17 Rn. 57 ff.; umfassend R. Wendt, Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen wirtschaftliche Betätigungen der Gemeinden, in: T. Mann / G. Püttner (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. II, 3. Aufl. 2011, § 42. 516 Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 395. 514

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wirtschaftsrecht in seiner – sofern man eine solche überhaupt identifizieren kann – üblichen Auslegung in vielerlei Hinsicht nicht vollständig konsistente Lösungen bereit517. a) Inhalt, normative Verortung und Rigidität des gemeindewirtschaftlichen Gebietsprinzips Um die räumlichen Grenzen der zulässigen gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung zu beschreiben, bemühen die Literatur und die Rechtsprechung weit überwiegend das sog. Gebietsprinzip518. Vielfach liest man auch alternative Begriffe wie das Örtlichkeits-519, Territorial-520 oder Regionalprinzip521. Die Begriffsverwendung ist uneinheitlich und sie verwirrt: Meinen alle Begriffe das identische Phänomen eines auf das Gebiet der Gemeinde beschränkten Wirtschaftens522? Beschreiben die verschiedenen Rechtswissenschaftsbegriffe Phänomene unterschiedlicher Rechtsschichten? Geht es darum, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden auf die Erfüllung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verpflichtet und dadurch die wirtschaftliche Betätigung (womöglich auch) räumlich begrenzt, verwendet man meistens den Begriff des Örtlichkeitsprinzips523. 517 Bezeichnend zum alten Gemeindewirtschaftsrecht der Titel des Beitrags von M. Fuchs, § 88 GO NW – ein Beispiel für totale Begriffsverwirrung, in: der gemeindehaushalt 1978, S. 100 (100); Oebbecke, Versorgungs- und Verkehrsbetriebe (Fn. 5), S. 217, meint vorsichtig, dass „die gesetzgeberische Systematik [scil. der gemeindewirtschaftlichen Vorschriften der GO NRW, M. J.] nicht überall den Standards entspricht, die Juristen üblicherweise von Gesetzen kennen.“ 518 R. Grawert, Zuständigkeitsgrenzen der Kommunalwirtschaft, in: K. Grupp / M. Ronellen­ fitsch (Hrsg.), Planung – Recht – Rechtsschutz, 1999, S. 119 (128). 519 Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 335; M. Knauff, Globale Kommunalwirtschaft?, in: VR 2005, S. 145 (146); Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 64. 520 M. Heintzen, Zur Tätigkeit kommunaler (Energieversorgungs-)Unternehmen außerhalb der kommunalen Gebietsgrenzen, in: NVwZ 2000, S. 743 (743); D. Hauser, Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen  – Beschränkungen durch Verfassung, Gemeindeordnung und Wettbewerbsrecht, 2004, S. 86; U. Cronauge, in: E. Rehn u. a. (Hrsg.), Kommentar zur Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Bd. II, § 107 (Juni 2016), Anm. VIII.1. 521 H. Seeberg, Die Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen nach den Regelungen der neuen Kommunalverfassung Brandenburg vom 15. 10. 1993, in: LKV 1995, S. 353 (354). 522 Für eine synonyme Begriffsverwendung M. Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Bd. II, 2012, S. 649; Territorial- und Örtlichkeitsprinzip verwendet synonym D. Ehlers, Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Wirtschaftsbetätigung, in: J. Ipsen (Hrsg.), Kommunalwirtschaft im Umbruch, 2001, S. 10 (31). 523 Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 64, wobei im Text auch mal von „Regionalprinzip“ die Rede ist; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 576, 580; F. W. Held / U. Kotzea, in: Held / Winkel / Wansleben, Kommunalverfassungsrecht I (Fn. 510), Vor. §§ 107 ff. (Dezember 2014), Anm. 3.2; Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.3.2.

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Gelegentlich wird die Beschränkung der Wirtschaftsbetätigung auf die Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch unter dem Begriff des Territorialprinzips verhandelt524. Für die einfachrechtliche Beschränkung auf das Gemeindegebiet findet sich der Begriff des Örtlichkeitsprinzips525 oder des Territorialprinzips526. Die räumlichen Grenzen, die das Gesetzesrecht zieht, beschreibt der Ausdruck Gebietsprinzip wohl am präzisesten, sodass sich die Arbeit auf diesen festlegt527. Das folgt – wie nachfolgend ausführlicher zu begründen ist – insbesondere daraus, dass das Gemeindewirtschaftsrecht in § 107 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 107a  Abs.  3 S. 1 GO NRW die gemeindewirtschaftlichen Betätigungen an das Gemeindegebiet und nicht ausschließlich an die Örtlichkeit oder gar die Region bindet528. Der Ausdruck Gebietsprinzip vermeidet es, dass man mit ihm einen unzutreffenden Bezugspunkt assoziiert. Der Begriff des sog. Regionalprinzips scheidet von Vornherein aus529: Die „Region“, verstanden als ein durch bestimmte Merkmale (z. B. das Klima, die wirtschaftliche Struktur etc.) gekennzeichneter räumlicher Bereich oder ein in bestimmter Weise geprägtes, größeres Gebiet, trifft die räumliche Beschränkung gemeindewirtschaftlicher Betätigung durch die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen auf ihr Gebiet nicht530. Eine Region kann nicht selten auch die Gebiete mehrerer Gemeinden umfassen. Für die Bindung an die Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, durch die auf die örtliche Gemeinschaft Bezug genommen wird, dürfte der Begriff des Örtlichkeitsprinzips am treffendsten sein. Gebietsprinzip und Örtlichkeitsprinzip beziehen sich mal auf die Begrenzung auf das Gebiet einer Gemeinde, mal auf die Verpflichtung, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen. Vereinfacht besagt das Gebietsprinzip im Gemeindewirtschaftsrecht, ohne dies schon normativ in der Ge 524

W. Heinrichs / A . Schwabedissen, Wirtschaftliche Betätigung – Möglichkeiten und Grenzen, in: Städte- und Gemeinderat 1989, S. 160 (161); U. Cronauge, Kommunale Wirtschaft zwischen Recht und Realität, in: AfK 39 (1999), S. 24 (31); Heintzen, Tätigkeit (Fn. 520), S. 743; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 86. 525 M. Leder, Kohärenz und Wirksamkeit des kommunalen Wirtschaftsrechts im wettbewerbsrechtlichen Umfeld, in: DÖV 2008, S. 173 (179); M. Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie und wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: Mann / Püttner, HdKWP II (Fn. 515), § 40 Rn. 41. 526 Den Begriff des Territorialprinzips für die einfachrechtliche Begrenzung der Gemeindewirtschaft verwendet anscheinend Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. VIII.1; für die verfassungsrechtlichen Grenzen der Gemeindewirtschaft verwendet er den Terminus des sog. Örtlichkeitsprinzips, ebd., Anm. VIII.2. 527 Ohne nähere Begründung schlägt auch Grawert, Zuständigkeitsgrenzen (Fn. 518), S. 128, diese Begriffsverwendung vor. 528 Wie sich noch zeigen wird, ist daher auch die Begriffsverwendung der außergebietlichen gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung am präzisesten und von den anderen Begriffen der örtlichen oder überörtlichen, regionalen oder überregionalen sowie der außerörtlichen Betätigung zu unterscheiden. 529 Üblich ist der Begriff des Regionalprinzips aber im Sparkassenrecht s. 2. Teil A. III. 3.) (S. 242 ff.). 530 Zum Begriff der Region Dudenredaktion (Hrsg.), s. v. Region, in: Duden-Online, abrufbar unter: www.duden.de/rechtschreibung/Region (zuletzt abgerufen am 20. 11. 2020).

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meindeordnung zu verorten, dass sich das gemeindliche Wirtschaften (grundsätzlich) auf das Gebiet der wirtschaftenden Gemeinde beschränken muss531. Die Darstellung der unterschiedlichen gemeindlichen Wirtschaftsbetätigungen vermittelte bereits einen ersten Eindruck davon, dass die Konstellationen und die Formen, in denen sich eine Gemeinde wirtschaftlich betätigen kann, vielfältig sind. Die Unterschiedlichkeit der Konstellationen gemeindlicher Wirtschaftstätigkeit bedingt es, dass die verschiedenen Konstellationen (wohl) auch rechtlich anders zu beurteilen sind. Die einfache Einordnung der Betätigungen und die Beschreibung ihrer Grenzen kann man angesichts der Vielgestaltigkeit der Konstellationen nicht erwarten. Das Gebietsprinzip kann wohl nicht für jede Konstellation gleichermaßen strikt zur Anwendung gelangen. Die schlagwortartige Inhaltsbeschreibung des Gebietsprinzips erweist sich daher bei näherem Besehen als nicht mehr als eine eingängige Simplifizierung seines Inhalts, dem es noch an aussagekräftigen normativen Anknüpfungspunkten mangelt. Sie kann nur den Ausgangspunkt einer präziseren Inhaltsbestimmung des Gebietsprinzips bilden. Die Vorschriften für die allgemeine Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung (vgl. § 107 Abs. 1 GO NRW) sowie die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung einer gemeindewirtschaftlichen Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets (vgl.  § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW) bieten zusammengenommen Anhaltspunkte für die Geltung des Gebietsprinzips im nordrhein-westfälischen gemeindlichen Wirtschaftsrecht. Nicht im Detail behandelt werden soll die Regelung des § 107a GO NRW, die speziell die energiewirtschaftlichen Betätigungen zum Gegenstand hat. Es ist gerechtfertigt, § 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW aus der Betrachtung auszunehmen, weil sich jedenfalls hinsichtlich des Mechanismus zur zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung im Vergleich zu § 107 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 GO NRW keine Abweichungen ergeben. § 107a Abs. 3 S. 2 GO NRW beschränkt in Abweichung zu § 107 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 GO NRW lediglich die denkbaren berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften532. aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen gemeindewirtschaftlicher Betätigung und ihre gebietliche Begrenzungswirkung Zentrale Vorschrift für die rechtliche Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden ist § 107 Abs. 1 GO NRW. Diese Vorschrift regelt, ohne normtextlich ausdrücklich auf die gebietlichen Grenzen der Betätigung einzugehen, ob die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde rechtlich zulässig ist. Die auf den ersten Blick relativ eindeutigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 107 Abs. 1 GO 531

Allgemeine Kritik an der territorialen Begrenzung kommunaler Unternehmen Cronauge, Wirtschaft (Fn. 524), S. 29; O. Wittig, Fesselung kommunaler Unternehmen durch das Gemeindewirtschaftsrecht?, in: VR 2002, S. 90 (96); H.-J. Reck, Kommunale Unternehmen brauchen fairen Zugang zu Markt und Wettbewerb, in: DVBl. 2009, S. 1546 (1551). 532 Oebbecke, Versorgungs- und Verkehrsbetriebe (Fn. 5), S. 220; G.  Kaster, in: Dietlein / Heusch, BeckOK Kommunalrecht (Fn. 40), § 107a (Juni 2021), Rn. 21.

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NRW erweisen sich bei näherem Besehen allerdings als inhaltlich ausgesprochen schwer durchdringbar. § 107 GO NRW und seine Vorgängervorschriften unterlagen in der Vergangenheit vielen gesetzgeberischen Änderungen, in Folge derer der Landesgesetzgeber die Gemeindewirtschaft in unterschiedlich starkem Maß entweder einschränkte oder zuließ533. Seit dem Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts vom 21. Dezember 2010 hat der Landesgesetzgeber die zentralen rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die kommunale Wirtschaftsbetätigung, d. h. die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 GO NRW, unverändert gelassen534. Nach § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW darf sich eine Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn – ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW), – die Betätigung in einem angemessen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO NRW) und, – mit einigen Besonderheiten für die Wasserversorgung, den öffentlichen Verkehr sowie den Betrieb von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telekommunikationsdienstleistungen, der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GO NRW). § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW stellt auf ein „Betätigen“ der Gemeinde ab. Die gemeindewirtschaftliche Betätigung ist aus diesem Grund nur dann rechtlich zulässig, wenn die Voraussetzungen dauerhaft gegeben sind. Nicht ausreichend ist, wenn die Voraussetzungen nur zum Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses wie der Errichtung, Übernahme oder Erweiterung vorlagen535. Vormals hieß es in der zentralen Zulässigkeitsnorm, dass eine Gemeinde „wirtschaftliche Unternehmen errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern darf“536 oder, dass sich eine Gemeinde „zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ wirtschaftlich betätigen darf 537. Erforderlich dafür war zwischenzeitlich, dass ein „dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert“. Dann sah das Gemeindewirtschaftsrecht vor, dass die Gemeinden sich kommunalwirtschaftlich nur betätigen dürfen, 533

Einen guten Überblick über die Gesetzesänderungen im Gemeindewirtschaftsrecht bieten Held / Kotzea (Fn. 523), Vor. §§ 107 ff. Anm. 4, und Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. I.3 ff.; G. Kaster, in: Dietlein / Heusch, BeckOK Kommunalrecht (Fn. 40), § 107 (Juni 2021), Rn. 12 ff. 534 GV. NRW S. 950. 535 In diesem Sinne statt Vieler Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 19. 536 So die Gesetzesformulierung der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 28. 10. 1952, GV. NRW S. 167, die bis zu der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. 07. 1994, GV. NRW S. 666, unverändert blieb. 537 Die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. 07. 1994, GV. NRW S. 666, sprach davon, dass sich die Gemeinde „zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ wirtschaftlich betätigen darf. Mit der gesetzlichen Neuregelung durch das Erste Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in NordrheinWestfalen (Erstes Modernisierungsgesetz – 1. ModernG NRW) vom 15. 06. 1999, GV. NRW S. 386, darf sich die Gemeinde „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ wirtschaftlich betätigen.

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wenn ein einfacher, nicht dringender öffentlicher Zweck die wirtschaftliche Betätigung erfordert538. Andere Unternehmen durften den Zweck zudem „nicht besser und wirtschaftlicher“539 erfüllen. In der Zusammenschau der einzelnen Merkmale sah ironischerweise das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9. Oktober 2007 die stärkste Beschränkung der Kommunalwirtschaft vor. Es musste nicht nur ein „dringender öffentlicher Zweck“ die Wirtschaftsbetätigung erfordern, sondern ein anderes Unternehmen durfte den öffentlichen Zweck auch nicht „ebenso gut und wirtschaftlich“ erfüllen540. (1) Begriff der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung i. S. d. § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW Nur dann, wenn es sich um eine wirtschaftliche Betätigung im Sinne der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (wirtschaftliche Betätigung im engeren Sinne) handelt, greifen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 107 GO NRW für sie ein. Mit der (rechts-)begrifflichen Klärung erhellt die Untersuchung zugleich den genauen Anwendungsbereich etwaiger gesetzlicher Bewältigungsstrategien von zwischengemeindlichen Konflikten. Die rechtliche Bewältigung versagt dort, wo es sich nicht um eine wirtschaftliche Betätigung im Rechtssinne handelt und wo die Gemeindeordnung für anderweitige Betätigungen keine Sonderregelungen trifft. Bisher war nur in unspezifischer Weise von der gemeindlichen Wirtschafts­ betätigung die Rede. Die Gemeindeordnung verwendet den Rechtsbegriff der 538 Einen „dringende[n] öffentliche[n] Zweck“ verlangte die Gemeindeordnung seit dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 28. 10. 1952, GV. NRW S. 167, bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung durch das Erste Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (Erstes Modernisierungsgesetz – 1. ModernG NRW) vom 15. 06. 1999, GV. NRW S. 386, am 16. 06. 1999. Ab dem 16. 06. 1999 genügte jeder öffentliche Zweck. Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung  – GO-Reformgesetz vom 09. 10. 2007, GV. NRW S. 380, verlangte die Gemeindeordnung bis zur erneuten Änderung durch das Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts vom 21. 12. 2010, GV. NRW S. 688, erneut einen „dringenden öffentlichen Zweck“. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts genügt erneut jeder öffentliche Zweck. 539 Auch die sog. Subsidiaritätsklausel unterlag einer wechselvollen Geschichte: Bereits die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 28. 10. 1952, GV. NRW S. 167, sah eine uneingeschränkte Subsidiaritätsklausel vor. Mit der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. 07. 1994, GV. NRW S. 666, strich der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber die sog. Subsidiaritätsklausel vollständig, ehe er sie 1999 mit dem Ersten Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in NordrheinWestfalen (Erstes Modernisierungsgesetz – 1. ModernG NRW) vom 15. 06. 1999, GV. NRW S. 386, erst eingeschränkt, dann mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung – GO-Reformgesetz vom 09. 10. 2007, GV. NRW S. 380, verschärft wiedereinführte. Mit dem Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts vom 21. 12. 2010, GV. NRW S. 688, hat er die Änderung rückgängig gemacht. 540 Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung  – GO-Reformgesetz vom 09. 10. 2007, GV. NRW S. 380.

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„wirtschaftlichen Betätigung“ einer Gemeinde in einem spezifisch rechtlichen Sinn. Lange Zeit schwieg sich die Gemeindeordnung über den genauen Inhalt des Rechtsbegriffs der wirtschaftlichen Betätigung aus. Bis zur Neufassung der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1994541 enthielt das Gesetz keine Regelung darüber, was es unter der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden inhaltlich verstand. Erst mit der Neufassung der Gemeindeordnung 1994 hat der Gesetzgeber eine Legaldefinition der wirtschaftlichen Betätigung in § 107 Abs. 1 S. 3 GO NRW geschaffen. Danach ist die wirtschaftliche Betätigung der „Betrieb von Unternehmen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von ­Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden kann“542. Die meisten Erläuterungen des Begriffs der wirtschaftlichen Betätigung in der Literatur oder der Rechtsprechung wiederholen schlicht die gesetzliche Definition543. Bis 1994 kam es auf das wirtschaftliche Unternehmen an, das errichtet, übernommen oder wesentlich erweitert werden darf, wenn die Voraussetzungen nach § 107 Abs. 1 GO NRW vorliegen. Heute stellt das Gesetz auf die Betätigung ab. Es hat damit die frühere „einrichtungsbezogene“544 Konzeption aufgegeben und sich durch die Betonung der „Betätigung“ für eine „tätigkeitsbezogene“545 Konzeption entschieden546. Teilweise wird wenig überzeugend vertreten, dass es auch nach der (neuen) Legaldefinition der wirtschaftlichen Betätigung ausweislich des § 107 Abs. 1 S. 3 GO NRW darauf ankommen soll, dass die Betätigung nur dann wirtschaftlich sei, wenn sie in Form von Unternehmen erfolge547. Entscheidendes Merkmal der Legaldefinition der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung ist, dass auch ein Privater mit Gewinnerzielungsabsicht diese Art 541

GV. NRW S. 666. Kritik an der Definition übt J.  Oebbecke, Kommunalrechtliche Voraussetzungen der wirtschaftlichen Betätigung, in: Mann / P üttner, HdKWP II (Fn. 515), § 41 Rn. 9. Er nimmt die bereits von J. Gerke, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, in: JURA 1985, S. 349 (350 f.), formulierte Kritik zur damals überwiegend vertretenen Definition des wirtschaft­lichen Unternehmens auf. 543 M.  Ronellenfitsch / A .  Stein, Kommunalrechtlicher Begriff der privatwirtschaftlichen Betätigung, in: W. Hoppe / M. Uechtritz / H.-J. Reck (Hrsg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 6 Rn. 1; P. Tettinger / W. Erbguth / T. Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 2009, § 9 Rn. 294. 544 Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. II.1. 545 Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. II.1. 546 In diesem Sinne auch D. Ehlers, Die Entwicklung des kommunalen Wirtschaftsrechts, in: Der Landkreis, 2007, S. 456 (458); gegen ein solches Verständnis Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 11. 547 Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 11; ähnlich, wenngleich sehr knapp OVG NRW, Beschl. v. 13. 08. 2003 – 15 B 1137/03, NVwZ 2003, 1520 (1522). – Die Notwendigkeit der Interpretation von Legaldefinitionen nur andeutend V. Knapp, Einige Fragen der Legal­ definitionen, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 66 (1980), S. 511 (515); zum methodologischen Problem der Interpretation positiv-rechtlicher Interpretationsregeln Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 269 f.; umfassende Studie aus neuerer Zeit zur Interpretation von Interpretationsregeln L. Schmid, Die Auslegung gesetzlicher Auslegungsregeln, in: Rechtstheorie 47 (2016), S. 199 (199 ff.). 542

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der Leistung erbringen könnte. Da es kaum etwas gibt, was nicht auch von privater Seite rein tatsächlich erledigt werden kann, ist das Merkmal „können“ verständigerweise nur so auszulegen, dass es um ein „Können“ im Sinne eines rechtlichen Könnens geht548. Durch diese Inhaltsbestimmung der wirtschaftlichen Betätigung sind all diejenigen Betätigungen ausgenommen, die auf den Einsatz hoheitlicher Mittel angewiesen sind549. Das Spektrum der Betätigungen ist denkbar weit. Im Einzelfall kann es trotz der Weite des Wirtschaftsbegriffs problematisch sein, ob eine bestimmte Tätigkeit als wirtschaftlich im Sinne der Gemeindeordnung zu qualifizieren ist oder nicht550. Mit der gesetzlichen Normierung des Begriffs der wirtschaftlichen Betätigung sind die vereinzelt anzutreffenden Bemühungen um die Anreicherung der gesetzlichen Definition oder die alternative begriffliche Erfassung des Wirtschaftlichkeitsbegriffs im Wesentlichen obsolet geworden. Der Gesetzgeber hat sich für eine bestimmte Definition entschieden. An dieser Begriffsbestimmung ist für die Zeit ihres Bestehens trotz Kritik der Literatur festzuhalten551. Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung belässt es allerdings nicht bei der Legaldefinition der wirtschaftlichen Betätigung. In § 107 Abs. 2 GO NRW sieht das Gesetz eine enumerative Auflistung von gemeindlichen Einrichtungen vor, die nicht als wirtschaftliche Einrichtung im Sinne des 11. Abschnitts der Gemeindeordnung gelten (sog. nicht-wirtschaftliche Betätigung)552. In den Klammerzusätzen finden sich nicht abschließende Beispiele einzelner, den enumerativ genannten Ein 548 Zur faktischen Erfüllbarkeit nahezu aller Tätigkeiten durch Private Gerke, Betätigung (Fn. 542), S. 351; so auch J. Oebbecke, Kommunalverfassungsrechtliche Aspekte wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand, in: M. Wallerath (Hrsg.), Kommunen im Wettbewerb, 2001, S. 13 (15). 549 J.-C.  Pielow, Gemeindewirtschaft im Gegenwind?, in: NWVBl. 1999, S. 369 (370); Oebbecke, Aspekte (Fn. 548), S. 16; mit gleichzeitiger Kritik an der Weite des Normwortlauts J.  Oebbecke, Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, in: E.  Schmidt-­ Aßmann / K.-P.  Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht: Verfassungsrechtliche Grundlagen, Liberalisierung und Regulierung, öffentliche Unternehmen, 2005, S. 183 (185); Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.1.1; OVG NRW, Beschl. v. 13. 08. 2003 – 15 B 1137/03, NVwZ 2003, 1520 (1522). 550 Neuerlich zur Anfertigung von Passbildern VG Münster, Urt. v. 08. 05. 2015 – 1 K 94/14, NVwZ 2015, 1399 (1400), besprochen von T. Hebeler, Anfertigung kostenloser Passfotos durch Gemeinde keine wirtschaftliche Betätigung, in: JA 2016, S. 79 (79 ff.). 551 Umfassend zu alternativen Definitionen C. Schnaudigel, Der Betrieb nichtwirtschaftlicher kommunaler Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts, 1995, S. 120 ff. 552 Die Auflistung als enumerativ stufen auch ein Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.2.1; zur Aufgabe der Unterscheidung von wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Betätigung in einigen anderen Ländern Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 48.  – Instruktiv zu den Auslegungsschwierigkeiten des Wortes der Abfallentsorgung in § 107 II Nr. 4 GO NRW a. F.; M. Müller, Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Kommunen zwischen Grundgesetz und Kommunalverfassungsrecht, in: NVwZ 2000, S. 769 (769 ff.).  – Allgemeine Kritik an der Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Betätigung bei F. W. Held, Ist das kommunale Wirtschaftsrecht noch zeitgemäß?, in: WiVerw 1998, S. 264 (286); Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.2.2; das OVG NRW, Beschl. v.  12. 10. 2004  – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211 (1212), entgegnet der Kritik, dass die Unterscheidung zwar rechtspolitisch bedauerlich sein mag, aber als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen sei.

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richtungen zuordenbarer Tätigkeiten.553 Die Qualifikation gilt unabhängig davon, ob es sich bei der Betätigung per definitionem um eine wirtschaftliche Betätigung im Sinne des § 107 Abs. 2 S. 3 GO NRW handelt oder nicht554. Der Gesetzgeber hat sich für eine gesetzliche Fiktion der Nichtwirtschaftlichkeit entschieden555. Nach der Systematik des Gesetzes ist jede Betätigung wirtschaftlich im engeren Sinne, die erstens nicht unter den Tatbestand des § 107 Abs. 2 GO NRW fällt und zweitens die Voraussetzungen der Legaldefinition des § 107 Abs. 1 S. 3 GO NRW erfüllt556. Mit § 107 Abs. 2 GO NRW verfolgt der Gesetzgeber die Regelungsabsicht, der in der Literatur durchaus auf Kritik gestoßenen Weite der Definition der wirtschaftlichen Betätigung des § 107 Abs. 1 S. 3 GO NRW partiell entgegenzuwirken. Für diese Fälle erachtete der Gesetzgeber (einige) Restriktionen der Gemeindeordnung für nicht zweckmäßig und nimmt deshalb die in § 107 Abs. 2 GO NRW aufgezählten Betätigungen aus dem Anwendungsbereich des Gemeindewirtschaftsrechts in weiten Teilen aus557. Einzelne Betätigungen werden so privilegiert558. 553

Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.2.1. OVG NRW, Beschl. v. 12. 10. 2004 – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211 (1212); H. D. Jarass, Die Vorgaben des Gemeinderechts für rechtlich selbstständige Unternehmen der Kommunen, in: NWVBl. 2002, S. 335 (336). – Die einfachgesetzliche Unterscheidung in eine wirtschaftliche und eine nicht-wirtschaftliche Betätigung findet sich im Verfassungsrecht nicht T. Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft, 2003, S. 52 Fn. 1. 555 In diesem Sinne OVG NRW, Beschl. v. 12. 10. 2004 – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211 (1212); zu § 85 GemO Rh.- Pf. OVG Rh.-Pf., Urt. v. 21. 03. 2006 – 2 A 11124/05.OVG, LKRZ 2007, 22 (22); zu § 101 IV GO Schl.-H. OVG Schl.-H., Urt. v. 11. 07. 2013 – 2 LB 32/12, juris Rn. 88. – Ob die Einordnung als gesetzliche Fiktion tatsächlich zutreffend ist, erscheint zweifelhaft, ist aber hier ohne Belang. Für die Einordnung der Regelung als gesetzliche Fiktion spricht, dass das Gesetz den Beweis des Gegenteils nicht zulässt. Wegen der Weite der gesetzlichen Definition ist so die absichtsvolle Herausnahme bestimmter Betätigungen, die ansonsten qua Legaldefinition „wirtschaftlich“ wären, von der Schrankentrias des Absatzes 1 möglich. Das OVG NRW, Beschl. v. 12. 10. 2004 – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211 (1212), stufte zwar eine bestimmte Betätigung als „wirtschaftlich“ ein, weil die Voraussetzungen der Legaldefinition erfüllt seien, nahm diese aber wegen Eingreifens des § 107 II Nr. 4 GO NRW (heute Nr. 5) vom Rechtsbegriff der wirtschaftlichen Betätigung aus. Die Verwendung der Worte „gilt nicht“ deutet ebenfalls auf eine gesetzliche Fiktion hin. 556 Insoweit missverständlich und nach der Gesetzessystematik nicht vollständig zutreffend ist die Feststellung von Held / Kotzea (Fn. 523), Vor. § 107 ff. Anm. 3.3.2, dass „[i]m Umkehrschluss […] alles wirtschaftliche Betätigung im Sinne des Gesetzes ist […], was nicht von § 107 Abs. 2 GO NRW erfasst wird.“ 557 OVG NRW, Beschl. v. 12. 10. 2004 – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211 (1212 f.); M. Beckmann / H.-J. David, Kommunale Abfallwirtschaft als unlauterer Wettbewerb, in: DVBl. 1998, S. 1041 (1042); Grawert, Zuständigkeitsgrenzen (Fn. 518), S. 124; D. Zacharias, Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: VR 2000, S. 271 (274); Oebbecke, Begrenzung (Fn. 549), S. 185; Ehlers, Gutachten E (Fn. 515), E 29; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 47 f.; Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 525), § 40 Rn. 5 f. – Kritisch dazu, insb. zu dem teilweise inkonsistenten Katalog an Einrichtungen Held / Kotzea (Fn. 523), Vor. § 107 ff. Anm. 3.3.2; F.  Schoch, Der Beitrag des kommunalen Wirtschaftsrechts zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben, in: DÖV 1993, S. 377 (379), erklärt jene Vorschriften als „anachronistisch“. 558 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 01. 2000 – Verg 3/99, NVwZ 2000, 714 (715); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 06. 2002 – Verg 18/02, VII-Verg 18/02, NWVBl. 2003, 192 (199); OVG Rh.-Pf., Urt. v. 21. 03. 2006 – 2 A 11124/05.OVG, LKRZ 2007, 22 (22). 554

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Ist im weiteren Verlauf der Arbeit von wirtschaftlicher Betätigung die Rede, sind damit die wirtschaftlichen Betätigungen im weiteren Sinne gemeint. Sie umfassen sowohl die wirtschaftliche als auch nicht-wirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 107 GO NRW559. Die Zulässigkeit der nicht-wirtschaftlichen Betätigung nach § 107 Abs. 2 GO NRW folgt der gleichen Systematik wie die der wirtschaftlichen Betätigung. Aus diesem Grund wird die nicht-wirtschaftliche Betätigung nur dort behandelt, wo Besonderheiten bestehen. (2) Wirtschaftliche Betätigung nur zur „Erfüllung ihrer Aufgaben“ Den ersten normativen Anhaltspunkt für die räumlichen Grenzen der Gemeindewirtschaft bietet § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW. Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden musste sich ab 1994 auf die „Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“560 und ab 1999 bis heute auf die „Erfüllung ihrer Aufgaben“561 beziehen562. Bis 1994 enthielt das Gesetz keine damit vergleichbare Wendung563. Der Abweichung im Wortlaut der alten Fassung („zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“) zur aktuellen Fassung („zur Erfüllung ihrer Aufgaben“) soll nach umstrittener Auffassung keine entscheidende Bedeutung zukommen: Der Gesetzgeber habe durch das Umschwenken in der Formulierung keine inhaltliche Änderung beabsichtigt564. Zu beiden Gesetzeslagen 559

Den Begriff der wirtschaftlichen Betätigung im weiteren Sinne verwendet z. B. Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 498. 560 Die Zulässigkeitsvoraussetzung einer Wirtschaftsbetätigung zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hat erst im Jahr 1994 mit dem Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. 05. 1994, GV. NRW S. 270, Eingang in die Gemeindeordnung gefunden. Die Durchsicht der Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzesbegründung, Ausschussprotokolle, Plenarprotokolle) hat keine Hinweise darauf geben können, aus welchem Grund der Gesetzgeber in der Formulierung umschwenkte. 561 Erst im Jahr 1999 durch das Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 15. 06. 1999, GV. NRW S. 386, erhielt die Zulässigkeitsvoraussetzung die heutige Form. 562 Dazu bereits Fn. 537. 563 In der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 13. 08. 1984, GV. NRW S. 475, hieß es in § 88 I GO NRW a. F. schlicht, die „Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern“. 564 In diesem Sinne etwa F. W.  Held, Die Neufassung des NRW-Gemeindewirtschaftsrechts, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemeindewirtschaftsrecht, 1995, S. 18 (24); C. Lux, Das neue kommunale Wirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, in: NWVBl. 2000, S. 7 (9); Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 45 f., 132 f.; B. Stüer / U. Schmalenbach, Rechtsgrundlagen der Kommunalwirtschaft, in: NWVBl. 2006, S. 161 (164); Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 147; T. Mann, Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Wirtschaftstätigkeit, in: J. Ipsen (Hrsg.), Unternehmen Kommune?, 2007, S. 45 (68 Fn. 74); Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. II.4; a. A. M.  Koehler, Die Reform des Gemeindewirtschaftsrechts in Nordrhein-Westfalen  – zu Inhalt und Verfassungsmäßigkeit des § 107 GO NW n. F., in: VR 2000, S. 44 (45); G. Britz, Funktion und Funktionsweise öffentlicher Unternehmen im Wandel: Zu den jüngsten Ent-

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verweise das Gesetz lediglich auf den unverändert gebliebenen Aufgabenbereich der Gemeinden. Die Neufassung des Gesetzes lasse nach wie vor die Wirtschaftsbetätigung nur dann zu, wenn die Gemeinde sich im Rahmen ihres Aufgabenbestands betätige, der maßgeblich durch die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ bestimmt werde565. Dafür spreche auch, so heißt es, der systematische Zusammenhang mit § 2 GO NRW566. Unabhängig davon, ob für die Wirtschaftsbetätigung von Gemeinden § 107 GO NRW nicht spezieller ist als § 2 GO NRW, greift der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber den Verfassungsrechtsbegriff der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ auch in § 2 GO NRW nicht wörtlich auf. Er erklärt die Gemeinden in ihrem Gebiet zu den ausschließlichen und eigenverantwortlichen Trägern öffentlicher Verwaltung567. Der Wortlaut des § 2 GO NRW stimmt mit der landesverfassungsrechtlichen Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in Art. 78 Abs. 2 LVerf NRW überein – von „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ ist in § 2 GO NRW nicht die Rede. Der Gesetzgeber geht vielmehr in § 2 GO NRW über den grundgesetzlichen Aufgabenbestand der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie („Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“) des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hinaus568. Weil der Aufgabenbestand nach § 2 GO NRW auch, aber nicht nur die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst, kann § 2 GO NRW nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass die (wirtschaftende) Gemeinde durch § 2 GO NRW auf die Erledigung von Angelegenheiten ihrer ört­lichen Gemeinschaft verpflichtet ist. wicklungen im Recht der kommunalen Wirtschaftsunternehmen, in: NVwZ 2001, S. 380 (385); M. Zilkens, Kommunalwirtschaftliche Betätigung nach der Reform des Gemeindewirtschaftsrechts am Beispiel der Stadt Düsseldorf, in: NWVBl. 2002, S. 294 (296); Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht (Fn. 512), S. 61 Fn. 30, die davon ausgehen, dass der Gesetzgeber durch die Umformulierung auf eine strikte örtliche Begrenzung verzichtet habe. 565 M.  Uechtritz / O.  Otting / U. H.  Olgemöller, Kommunalrechtliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung, in: Hoppe / Uechtritz / Reck, HKU (Fn. 543), § 6 Rn. 18 ff.; mit dieser Deutung wohl auch W. Löwer, Die Stellung der Kommunen im liberalisierten Strommarkt, in: NWVBl. 2000, S. 241 (244), der die Aufnahme der Wendung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ in § 107 GO NRW als Verdeutlichung der Verbandszuständigkeit der Gemeinde auffasst. – Die Verbandszuständigkeit der Gemeinden werde durch die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ bestimmt, s. statt Vieler W. Löwer, in: I.  v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 39; so auch das VG Leipzig, Beschl. v. 13. 04. 2000 – 6 K 193/00, LKV 2001, 327 (328), „das Unternehmen muss [scil. nach § 96 I 1 SächsGemO, M. J.] der Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben dienen. Dies sind die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. des Art. 28 II 1 GG.“ 566 Lux, Wirtschaftsrecht (Fn. 564), S. 9. 567 Zu den unterschiedlichen Deutungen des Verhältnisses der beiden Normen (noch) zu den vergleichbaren Vorschriften der Deutschen Gemeindeordnung W. Thieme, Subsidiaritätsprinzip im Sparkassenrecht?, in: Sparkasse 1962, S. 179 (180), der von einem Spezialitätsverhältnis ausgeht. Dieses führe zur Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Kompetenzgrenze; anders dagegen D. Schmidt, Zum Regional- und Subsidiaritätsprinzip im Sparkassenrecht, in: Sparkasse 1962, S. 181 (181), wonach beide Normen in einem sich nicht gegenseitig ausschließenden Spezialitätsverhältnis stünden. 568 A. Heusch, in: Dietlein / ders., BeckOK Kommunalrecht (Fn. 40), § 2 (Juni 2021), Rn. 1.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Der Wortlaut des § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW ab 1999 bezieht sich allgemeiner auf den Aufgabenbestand der Gemeinden, der nicht nur durch das (Bundes-) Verfassungsrecht mit den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern durch jede andere gesetzliche Aufgabenzuweisung bestimmt ist. Die Entstehungsgeschichte von § 107 GO NRW spricht weder für noch gegen die inhaltliche Gleichsetzung beider Gesetzesfassungen: Der Wortlaut des § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW wurde erst geändert, als 1999 der Landesgesetzgeber die Gebietsklausel in Absatz 3 einfügte569. Das lässt vermuten, dass der Gesetzgeber sich nicht hat von Willkür leiten lassen als er in seiner Formulierung umschwenkte. Es begegnet durchgreifenden Zweifeln, ob man dem (Landes-)Gesetzgeber tatsächlich einen so unbedarften Umgang mit dem Normtext unterstellen möchte. Wollte er mit dem Umschwenken im Normtext womöglich zum Ausdruck bringen, dass er die wirtschaftliche Betätigung nicht (mehr) ausschließlich auf die Erfüllung von „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ beschränken möchte? Keine der Gesetzesbegründungen – weder die Gesetzesbegründung für die Änderung 1994, mit welcher der Landesgesetzgeber die Gemeinde erstmals auf die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verpflichtete, noch die Begründung für die Umformulierung des ersten Halbsatzes des § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW in „ihre Aufgaben“ im Jahr 1999 – stützt aber, dass das Umschwenken im Wortlaut mit norminhaltlichen Änderungen verbunden gewesen sein sollte. Die Begründung zum Entwurf für die Änderung der Gemeindeordnung 1994 verwies maßgeblich darauf, dass durch die Änderung des Absatzes 1 Satz 1 der „örtliche Bezug der Betätigung als Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit“ der Wirtschaftsbetätigung hervorgehoben werden solle570. Die neuerliche Änderung des Absatzes 1 Satz 1 im Jahr 1999 enthielt keine Hinweise darauf, ob der Gesetzgeber von dem örtlichen Bezug abrückte571. Erstaunlich ist, dass auch die Gesetzesänderung 1994, mit der die Wendung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überhaupt erst Eingang in das Gesetz fand, ebenfalls keine Rechtsänderung bewirkt haben soll572. Die Begründung enthielt keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber damit erstmals einen örtlichen Bezug der Betätigung anordnen wollte. Es spricht allerdings mehr dafür, dass der Gesetzgeber mit der Wendung „ihrer Aufgaben“ Gemeinden eine Wirtschaftsbetätigung auch dann ermöglichen will, wenn sie keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllen, falls sie über einen gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen. Seit 1999 beschränkt zumindest § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW die Gemeinden nicht auf die 569

Nachweis in Fn. 560. Gesetzentwurf der Landesregierung LT-Drs. NRW 11/4983, S. 24 f. Rn. 54. 571 Gesetzentwurf der Landesregierung LT-Drs. NRW 12/3730, S. 105 ff. 572 Zur fehlenden materiellen Rechtsänderung H. Hill, In welchen Grenzen ist kommunalwirtschaftliche Betätigung Daseinsvorsoge?, in: BB 1997, S. 425 (429); Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 338; in diesem Sinne in einem anderen Kontext wohl auch T. Mann, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb, in: JZ 2002, S. 819 (825 Fn. 78). 570

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Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die Aufgaben, die Gemeinden mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen in § 107 GO NRW erfüllen dürfen, reichen heute über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus573. Der Ausdruck „ihrer Aufgaben“ umfasst alle Betätigungen, die im Interessenkreis der Gemeinden liegen und für welche ihnen andere Vorschriften einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel zur wirtschaftlichen Betätigung verleihen. Für diese Auslegung des Merkmals „ihrer Aufgaben“ spricht der § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW. Weil § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW (auch) eine normative Ermächtigung für die handelnde Gemeinde darstellt, sich Aufgaben anzunehmen, die über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinausgehen, kann der Begriff „ihrer Aufgaben“ diese (gesetzliche)  Handlungserweiterung friktionslos in sich aufnehmen. Für den Regelfall der Wirtschaftsbetätigung verfügen Gemeinden über Zuständigkeits- und Kompetenztitel, wenn sie Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen. Das Gesetz wiederholt in einem Teil seines Regelungsgehalts nur deklaratorisch das den Gemeinden zustehende originäre und unabgeleitete verfassungsrechtliche Recht, sich zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (wirtschaftlich) zu betätigen574. In einem anderen Teil greift es Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen auf, falls diese gesetzlich vorgesehen sind. Zugleich bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass Gemeinden auch dann, wenn sie wirtschaften, auf eine rechtliche Grundlage angewiesen sind575. Die in § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW enthaltene Wendung nimmt damit zum Teil inhaltlich auf die Sentenz „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Bezug576. Das Gesetzesrecht greift auf Inhalte zurück, die 573

Für diese Deutung sprechen auch die Hinweise in den Gesetzgebungsmaterialien, die sich zwar nicht zur Änderung der Formulierung äußern, in denen aber der Gesetzgeber mehrfach sein Ansinnen bekundete, den Handlungsspielraum der Gemeinden erweitern zu wollen, z. B. LT- Drs. NRW 12/3730, S. 105 f., 108. 574 Ohne speziell auf § 107 GO NRW einzugehen Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 408. 575 Verfassungsrechtlich betrachtet, ist auch die gemeindliche Wirtschaftsbetätigung kompetenzgebundenes und auf einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel angewiesenes Staatshandeln, das ist heute nahezu unumstritten s.  nur C.  Otto, Die Grenzen gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung, 2001, S. 22 ff.; E.  Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: P. Badura / H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 803 (809); B. Uhlenhut, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden außerhalb ihres Gebiets, 2004, S. 120 ff.; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 584 ff. – Für die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft benötigen Gemeinden keinen über Art. 28 II 1 GG hinausgehenden Zuständigkeits- und Kompetenztitel F. Schoch, Stand der Dogmatik, in: H.-G. Henneke / H. Meyer (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung zwischen Bewahrung, Bewährung und Entwicklung, 2006, S. 11 (19); eingehend zu einem verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand 3.  Teil B. I. 1. a) (S. 316 ff.). 576 Bei der Formulierung der Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen handle es sich lediglich um die Wiederholung einer bundesverfassungsrechtlichen Vorgabe, sodass ihr im Ergebnis kein eigenständiger Regelungsgehalt zukomme und sie inhaltlich der in Art. 28 II GG zu findenden Formulierung entspreche Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. II.4.; ebenso Enkler,

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dem Verfassungsrecht entstammen, ohne dabei jedoch die Ebene des Gesetzesrechts zu verlassen. Der Verfassungsrechtsbegriff und der gesetzliche Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind zwar nicht identisch, können aber inhaltlich gleich interpretiert werden. Solange es keine Hinweise darauf gibt, dass der Gesetzgeber beide Rechtsbegriffe verschieden verstanden wissen wollte, spricht eine Vermutung dafür, Rechtsbegriffe inhaltlich gleich zu verstehen. Bei der Auslegung des Gesetzesrechts kann man deshalb auf die Auslegungsergebnisse zum verfassungsrechtlichen Rechtsbegriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zurückgreifen577. Konsequenz dieser Inkorporation von Verfassungsrechtsbegriffen in das Gesetzesrecht ist, dass Teile einer verfassungsrechtlichen Kontroverse über die Geltung und die Reichweite eines räumlich begrenzenden verfassungsrechtlichen Örtlichkeitsprinzips in den Rechtserkenntnisvorgang des § 107 GO NRW hineinwirken578. Der bisweilen ziemlich unübersichtliche Streit über die räumliche Begrenzungswirkung des Aufgabenbestands der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in der Verfassungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG setzt sich im Gesetzesrecht fort. Inwieweit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG tatsächlich in räumlicher Hinsicht begrenzend wirkt und den Wirkungskreis der Gemeinden bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung beschränkt, wird nicht einheitlich beurteilt. „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solche Aufgaben, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen oder einen spezifischen Bezug darauf haben.“579 Das Gesetz versteht ange-

Betätigung (Fn. 499), S. 332 f.; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 87 f.; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 119; auch das OVG LSA, Urt. v. 07. 05. 2015 – 4 L 163/14, EnWZ 2015, 476 (478), legte den in der Gemeindeordnung LSA verwendeten Begriff der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ wie die grundgesetzliche Bestimmung aus. 577 Allgemeiner verweist Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 381, darauf, dass sich die Regelungen des einfachen Rechts stark an den verfassungsrechtlichen Vorgaben der kommunalen Verfassungsgarantie des Art. 28 II GG orientieren; unter methodischen Aspekten zum Nutzen von einfachgesetzlichen Begriffen für die Bestimmung verfassungsrechtlicher Begriffe und umgekehrt H. D. Jarass, Bedeutung des einfachen Rechts für die Bestimmung verfassungsrechtlicher Begriffe, in: DÖV 2019, S. 458 (460 ff.). 578 Gesetzestechnisch könnte es sich bei der Inkorporation des Verfassungsrechtsbegriffs um eine (statische) Verweisung auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. v. Art. 28 II 1 GG handeln. Allerdings fehlt in § 107 I 1 Hs. 1 GO NRW die Bezugnahme auf Art. 28 II 1 GG; eingehend zu Verweisungen als Technik der Verknüpfung von unterschiedlichen Rechtserzeugungszusammenhängen s. Fn. 1532. 579 BVerfG, Beschl. v.  19. 11. 2014  – 2  BvL  2/13, BVerfGE 138, 1 (16 Rn. 45)  – Schulnetzplanung; schon zuvor, allerdings in Nuancen durchaus abweichend BVerfG, Urt. v.  30. 07. 1958  – 2  BvG  1/58, BVerfGE 8, 122 (134)  – Volksbefragung Hessen; BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1979 – 2 BvL 6/76, BVerfGE 50, 195 (201) – Rheda-Wiedenbrück; BVerfG, Urt. v. 24. 07. 1979 – 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95 (120) – Schleswig-Holsteinische Ämter; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (151 f.) – Rastede; BVerfG, Beschl. v. 18. 05. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370 (400) – KlärschlammEntschädigungsfonds; seit der Rastede-Entscheidung verzichtet das BVerfG auf den Zusatz, dass die Aufgabe, um Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu sein, auch „von dieser

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sichts des klaren Wortlauts („zur Erfüllung“) die wirtschaftliche Betätigung nur als ein Mittel zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft580. Gleiches gilt für den Bereich „ihrer Aufgaben“, der den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft übersteigt. Vereinfacht lassen sich drei Auslegungsergebnisse zur räumlichen Begrenzung gemeindewirtschaftlicher Betätigung durch die (partielle)  Bezugnahme auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft feststellen581. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG soll die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden strikt durch die Bindung an die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft räumlich begrenzen. Die Anhänger dieser Auslegung verstehen den Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft streng räumlich auf das Gemeindegebiet beschränkt582. Teilweise wird vertreten, dass Gemeinden überhaupt nicht auf ihr Gebiet begrenzt sein sollen583. Mit unterschiedlicher Begründung wurde dies vereinzelt mit der

örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und selbständig bewältigt“ werden muss, den das Gericht etwa noch in der Entscheidung BVerfG, Urt. v. 24. 07. 1979 – 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95 (120) – Schleswig-Holsteinische Ämter, gebrauchte; zu den Veränderungen in der Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft E. Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: E. Franßen u. a. (Hrsg.), Bürger – Richter – Staat, 1991, S. 121 (128); Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 45 f. 580 Die gemeindewirtschaftliche Betätigung als eine mögliche Form der gemeindlichen Aufgabenerfüllung Held, Wirtschaftsrecht (Fn. 552), S. 277; Grawert, Zuständigkeitsgrenzen (Fn. 518), S. 125; Schink, Betätigung (Fn. 507), S. 133 f.; Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 70 f. 581 Den Streitstand knapp zusammenfassend Franz, Gewinnerzielung (Fn. 27), S. 82 ff.  – Ohne Bedeutung an dieser Stelle der Untersuchung ist, dass die „begrenzende Wirkung“ der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bei genauerem Besehen keine wirkliche Begrenzung der Gemeinden ist, sondern sich die Begrenzung, vorbehaltlich einfachgesetzlicher Zuweisung, in dem Fehlen eines Zuständigkeits- und Kompetenztitels erschöpft. Wenn sich die Gemeinde nicht mehr betätigt, um eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen, fehlt der Gemeinde zum einen ein Zuständigkeits- und Kompetenztitel, zum anderen kann sich die Gemeinde nicht mehr auf den Schutz des Art. 28 II 1 GG berufen, dazu 3.  Teil B. I. 1. a) (S. 326). 582 So wohl Held, Neufassung (Fn. 564), S. 328; H.-G.  Henneke, Gewinnerzielung und Arbeitsplatzsicherung als Legitimation kommunalwirtschaftlicher Betätigung?, in: NdsVBl. 1998, S. 273 (278); Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1035; Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 25, anders dagegen Rn. 22; mit dieser Tendenz auch Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 405 f.; nicht ganz eindeutig für die Einordnung gebietsüberschreitender Tätigkeiten als Mittel zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft F. W. Held, Änderungsnotwendigkeiten und Änderungsmöglichkeiten des Gemeindewirtschaftsrechts, in: H.-G. Henneke (Hrsg.), Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung, 1998, S. 113 (124), der meint, dass selbst wenn ein überörtliches Anbieten bestimmter Leistungen den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuzuordnen wäre, diese Betätigung ihre Schranke an der Gebietsgrenze der Gemeinde finde; so wohl auch VG Leipzig, Beschl. v. 13. 04. 2000 – 6 K 193/00, LKV 2001, 327 (328); für eine Beschränkung auf das Gemeindegebiet aus Gründen des Grundsatzes ausschließlicher Aufgabenverantwortung A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 165 f. 583 In diesem Sinne wohl jedenfalls bezüglich des Begriffs der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 93.

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Unterscheidung von hoheitlicher und wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden erklärt584. Diese Argumentation, die erheblich auf Ablehnung stieß, fußt auf der wenig überzeugenden Überlegung, dass Gemeinden kompetenzungebunden agierten, wenn sie wirtschaften. Auch für die Wirtschaftsbetätigung bedürfen die Gemeinden eines Zuständigkeits- und Kompetenztitels. Überwiegend gehen die Literatur und die Rechtsprechung davon aus, dass die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft die Betätigung der Gemeinden mittelbar auf ihr Gemeindegebiet begrenzen. Den Begriff der Angelegenheit der örtlichen Gemeinde verstehen sie nicht streng gebietlich585. Erforderlich sei allerdings ein Bezug zur Einwohner-

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Für die Unterscheidung von hoheitlicher und wirtschaftlicher gemeindlicher Betätigung, wobei nur die hoheitliche Betätigung kompetenzgebunden sei M. Moraing, Kommunales Wirtschaftsrecht vor dem Hintergrund der Liberalisierung der Märkte, in: WiVerw 1998, S. 233 (244 ff.); J. Wieland, Kommunalwirtschaftliche Betätigung unter veränderten Wettbewerbsbedingungen, in: H.-G. Henneke (Hrsg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet?, 1998, S. 193 (196 f.); J. Wieland, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung: Erstes Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/3730 und 12/3770 zur Vorbereitung der Öffentlichen Anhörung am 28. April 1999, Zuschrift 12/2864, S. 2; J.  Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 2000, S. 156 ff.; J. Hellermann / J. Wieland, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen außerhalb ihres Gebiets, in: G. Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, 2002, S. 117 (123 ff.). – Dezidiert gegen eine solche Sichtweise z. B. Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 91 f.; Held, Wirtschaftsrecht (Fn. 552), S. 280 f.; Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504; eine solche Auslegung als befremdlich bezeichnet Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 294 f. 585 Aus dem Schrifttum Schulz, Anmerkungen (Fn. 515), S. 451; Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 386; Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht (Fn. 512), S. 97; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 100 f.; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 37; T. Heilshorn, Die Neufassung der kommunalwirtschaftlichen Subsidiaritätsklausel und des Gebietsbezuges kommunaler Unternehmen in Baden-Württemberg, in: VBlBW 2007, S. 161 (165); in diesem Sinne wohl auch Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 338, wobei er den Grenzübertritt mit der interkommunalen Zusammenarbeit verknüpft. Für eine räumliche Komponente der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 294; H. D. Jarass, Aktivi­ täten kommunaler Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, insbesondere im öffentlichen Personennah­verkehr, in: DVBl. 2006, S. 1 (2); Bickenbach, Tätigkeiten (Fn. 65), S. 337; M. V.  Langner, Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2008, S. 15 ff.; Peter, Grenzen  II (Fn. 522), S. 601 ff.; Cron­ auge (Fn. 520), § 107 Anm. VIII.3; U. Cronauge, Kommunale Unternehmen, 6. Aufl. 2016, Rn. 438 f.; sogar grenzüberschreitende Betätigungen von Gemeinden, also solchen, die etwa in der Zusammenarbeit mit ausländischen Städten oder mit internationalen Organisationen liegen können, hält für zulässig H. P. Aust, Das Recht der globalen Stadt, 2017, S. 8 ff. (zum Begriff der grenzüberschreitenden Betätigung), 105; K.-A. Schwarz, in: H. v. Mangoldt (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. II, 7. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 226; aus der Rspr. beispielhaft die Entscheidung des VG München, Urt. v. 27. 09. 2007 – M 12 K 06.2141, juris Rn. 101 ff., in der es um die Überführung von Leichen in das Gemeindegebiet ging, keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft soll hingegen die Ausführung von Leichen in fremdes Gebiet sein, ebd., Rn. 109; ausdrücklich offenlassend, ob eine nicht-wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb des Gemeindegebiets noch als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft angesehen werden kann OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, juris Rn. 83.

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schaft und / oder zum Gemeindegebiet586. Die gemeindliche Wirtschaftsbetätigung sei auf das Gebiet der jeweiligen Gemeinde bezogen, aber nicht strikt beschränkt587. Ausgehend von dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG liegt eine solche Auslegung – wenngleich auch nicht völlig eindeutig – nahe. Attributiv bezieht sich das Wort „örtlich“ nicht auf die Angelegenheiten im Sinne von „örtlichen Angelegenheiten“, sondern auf die Gemeinschaft als „örtliche Gemeinschaft“. Das Grundgesetz erläutert also die Gemeinschaft als eine Mehrheit von Personen und grenzt die Personengruppe, nicht hingegen die Angelegenheiten über das Merkmal „örtlich“ ein. In den Beratungen des Parlamentarischen Rates war eine gebietliche Abgrenzung nicht ausdrücklich Thema. Der Vorschlag des Abgeordneten Schmid, dass das Recht der Selbstverwaltung das Recht umfasse „in ihrem Gebiet in freier Verantwortung allen Aufgaben nachzugehen“588, fand – jedenfalls mit Blick auf die Bezugnahme auf das Gebiet – keinen Niederschlag in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Die Beschränkung auf die Örtlichkeit bezieht sich somit auf den Personenkreis589. Die „örtliche Gemeinschaft“ kann nur als die Gesamtheit der Einwohner der jeweiligen Gemeinde verstanden werden590. Dadurch wird die Aufgabenerledigung mittelbar räumlich begrenzt. Die Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt diesen Befund, in der 586 Auch wenn die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ mittelbar örtlich radizie­ rend sein sollten, wird in der Literatur bisweilen unterschiedlich beurteilt, worauf sich die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ konkret beziehen und woraus der örtliche Bezug (überwiegend) resultiert. Einige sehen sowohl die Gemeindeeinwohner als auch das Gemeindegebiet als entscheidend an Heintzen, Tätigkeit (Fn. 520), S. 743; H. D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen und Verfassungsrecht, in: DÖV 2002, S. 489 (498); Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 404; Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 2. Andere stellen wiederum nur die Gemeindeeinwohner in den Vordergrund Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 386; J. Ipsen, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden als kommunalrechtliche und verfassungsrechtliche Fragestellung, in: ders. / E. Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Recht – Staat – Gemeinwohl, 2001, S. 645 (663); A. Gern, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden außerhalb des Gemeindegebiets, in: NJW 2002, S. 2593 (2594); Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 93; C.  Scharpf, Rechtsprobleme der Gebietsüberschreitung  – Kommunale Unternehmen extra muros?, in: NVwZ 2005, S. 148 (150), oder nur das Gemeindegebiet Koehler, Reform (Fn. 564), S. 48; Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504; Ehlers, Gutachten E (Fn. 515), E 94 Fn. 323; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 20 ff., Rn. 56 Fn. 90. – Vereinzelt wird auch schlicht von „örtlichen Angelegenheiten“ gesprochen H. Janning, Räumliche und trägerschaftliche Alternativen zur Organisation der Regionalplanung, 1982, S. 29; kritisch bezüglich der verkürzten Begriffsverwendung auch Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 101 Fn. 39. 587 Von einem Bezug und nicht von einer Beschränkung spricht auch das OVG LSA, Urt. v. 07. 05. 2015 – 4 L 163/14, EnWZ 2015, 476 (478). 588 Abg. Schmid in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. V, 1993, S. 309. 589 Ausführlich zu der für zutreffend erachteten Auslegung der Wendung „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 100 f.; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 15; auch mit Blick auf die Historie, die Systematik und den Telos Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 601 ff. 590 Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 24.

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das Gebiet keine ausdrückliche Erwähnung findet. Dem Gebiet kommt lediglich eine Indizfunktion für die Zuordnung als „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ zu591. Bei einer solchen Auslegung des Begriffs der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind Gebietsüberschreitungen nicht per se unzulässig592. Sowohl gesetzlich als auch verfassungsrechtlich kann eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Ergebnis noch vorliegen, wenn die Aufgabe über die formale Gemeindegebietsgrenze hinausreicht593. Das Schrifttum differenziert wenig systematisch zwischen Fällen, die noch vom Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfasst sein sollen und solchen, die außerhalb des Bereichs dieser Angelegenheiten liegen594. Es ist damit eine gemeindliche Betätigung denkbar, die noch zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfolgt, obwohl sie die (formalen) Grenzen des Gemeindegebiets überschreitet und außergebietlich stattfindet595. Eine Betätigung kann außergebietlich sein, ohne dass sie überörtlich ist. Zwischen der Außergebietlichkeit und der Überörtlichkeit einer Aufgabe besteht keine zwingende Korrelation596. Überörtlich im verfassungsrechtlichen Sinne ist die Betätigung einer Gemeinde immer dann, wenn die Betätigung über den ihr verfassungsrechtlich von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsunmittelbar zugewiesenen, von der Gemeindeordnung in § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW aufgegriffenen Aufgabenbestand der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft hinausgeht597. Gemeint ist eine Überörtlichkeit aus Sicht der handelnden Gemeinde im Verhältnis zu anderen Gemeinden: Eine Aufgabe ist in Relation zu einer anderen

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Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 94 f.; Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 294. Mit dieser Tendenz Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 6. 593 Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 294; Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. VIII.3; nicht ganz eindeutig zum verfassungsrechtlichen Örtlichkeitsprinzip Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 2.2, die es für nicht ausgeschlossen halten, dass von den kommunalen Aktivitäten Wirkungen auf fremdes Gemeindegebiet ausgehen. Anscheinend halten sie ein Überschreiten der Gebietsgrenzen außerhalb schlichter „Wirkungen“ für unzulässig. 594 Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 5 f. 595 Im Ergebnis auch Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 74, 76 ff., 92; zu pauschal Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 405, deren weitere Ausführungen darauf hindeuten, dass sie dies nur für diejenigen Betätigungen meint, die außergebietlich für fremde Einwohner erfolgen. 596 Davon geht wie selbstverständlich aus das VG München, Urt. v.  27. 09. 2007  – M 12 K 06.2141, juris Rn. 108, das bei der Leichenüberführung aus fremden Gebieten zurück in die Gemeinde zwar noch eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft annimmt, die Betätigung aber gleichwohl (knapp) an Art. 87 II 1 BayGO (vergleichbar mit § 107 III 1 GO NRW) misst; missverständlich OVG Rh.-Pf., Urt. v. 21. 03. 2006 – 2 A 11124/05.OVG, LKRZ 2007, 22 (23), wonach eine Betätigung außerhalb des Gebietes zugleich eine überörtliche Betätigung sein soll. 597 Ein anderes Begriffsverständnis legen zugrunde Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 2.1; mit der Überörtlichkeit ist nicht gesagt, dass damit gewissermaßen automatisch die Gemeindeverbände zuständig würden, denn diese sind auf eine Aufgabenzuweisung durch den Gesetzgeber angewiesen Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 135 ff. 592

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Gemeinde überörtlich, weil die Aufgabe über die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der einen Gemeinde hinausgeht. Nicht zu verwechseln sind die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft von Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mit gemeindeverbandsörtlichen Angelegenheiten der Gemeindeverbände in Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG598. Es handelt sich bei den gemeindeverbandsörtlichen Aufgaben um übergemeindliche Aufgaben, wenngleich oft der Begriff der überörtlichen Aufgaben gebraucht wird599. (3) Räumlich begrenzende Wirkung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 107 GO NRW Darüber hinaus sollen einzelne Voraussetzungen der Schrankentrias des § 107 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 GO NRW, die im Ausgangspunkt nur für solche Betätigungen der Gemeinden gelten, die wirtschaftlich im Rechtssinne sind, räumlich begrenzende Wirkungen entfalten. Das Erfordernis des „öffentlichen Zwecks“ beschränke die gemeindewirtschaftliche Betätigung mittelbar auf das eigene Gemeinde­ gebiet600. Ungeachtet aller Unsicherheiten über die Bestimmung des Inhalts des öffentlichen Zwecks nehme das Merkmal des öffentlichen Zwecks auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Bezug. Der gemeindliche Aufgabenbestand sei der maßgebliche Bezugspunkt, weil der öffentliche Zweck jeden im Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang beschreibe601. Die Gemeinde verfolge nur dann einen öffentlichen Zweck, wenn sie „in ihrem sachlichen und räumlichen [Kursivierung nicht im Original, M. J.] Aufgabenbereich gemeinwohl 598 Knapp zur „Gemeindeverbandsörtlichkeit“ und zur Relativität der Örtlichkeit(en) Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 133. 599 Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 158. 600 Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 332 f.; Schulz, Anmerkungen (Fn. 515), S. 450 f.; Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 381; Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 29; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 88; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 39 f.; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 119 f.; Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 61 f.; Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 5, spricht sogar davon, dass sich die räumlichen Grenzen maßgeblich aus dem Erfordernis des öffentlichen Zwecks ergeben. – Gegen eine mittelbar örtlich begrenzende Wirkung Wittig, Fesselung (Fn. 531), S. 90 f. Gleichwohl anerkennt er einen „gewisse[n] Örtlichkeitsbezug“ und spricht zuvor, dass der öffentliche Zweck auf die Aufgaben der Gemeinde Bezug nehme. – Für ein verfassungsunmittelbares Erfordernis eines öffentlichen Zwecks Held, Wirtschaftsrecht (Fn. 552), S. 270. 601 OVG NRW, Beschl. v. 21. 09. 2004 – 15 B 1709/04, NVwZ-RR 2005, 198 (198); OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1035); Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 332 f., 336; Heintzen, Tätigkeit (Fn. 520), S. 475; Wittig, Fesselung (Fn. 531), S. 90 f., der jedoch nur von „ihren Aufgaben“ spricht, im Anschluss aber Begriffe gebraucht, die an die Definition der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ erinnern; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 101; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 39 f.; Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 5, wobei die Erfüllung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nur ein Hauptanwendungsfall des öffentlichen Zwecks sei, ebd., S. 6; Heilshorn, Neufassung (Fn. 585), S. 164; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 642.

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orientierte“ Zielsetzungen verfolge602. Das Örtlichkeitsprinzip sei normativ (auch) im Merkmal des „öffentlichen Zwecks“ zu verorten603. Zweifelhaft ist die Bezugnahme auf den Aufgabenbestand der Gemeinde durch das Merkmal des öffentlichen Zwecks aber deshalb, weil bereits § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW („ihrer Aufgaben“) zum Teil auf den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Bezug nimmt. Durch die Wendung „ihrer Aufgaben“ in § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW wollte der Gesetzgeber Gemeinden, vorbehaltlich gesetzlicher Ermächtigungen, Wirtschaftsbetätigungen ermöglichen, die gerade nicht in der Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft liegen. Es wäre widersinnig, wenn das Merkmal des öffentlichen Zwecks Gemeinden erneut just auf diese Aufgaben verpflichten würde, von deren zwingender Aufgabenerfüllung er durch die Wendung „ihrer Aufgaben“ gerade befreien wollte. Stimmen in der Literatur beziehen den „öffentlichen Zweck“ daher zu Recht nicht mehr auf den gemeindlichen Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft604. Es bietet sich vielmehr an, den Begriff entgegen der wohl überwiegenden Deutung des öffentlichen Zwecks möglichst inhaltsarm zu halten und ihn nicht mit Wertungen zu überfrachten, die für die Beschreibung des abstrakten Aufgabenbestands der Gemeinden notwendig sind605. Allgemein kann man unter einem öffentlichen Zweck ohne (direkte) Bezugnahme auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „jede gemeinwohlorientierte, im öffentlichen Interesse der Einwohner liegende Zielsetzung“606 verstehen. Die Versorgungsleistungen der Einwohner wären beispielsweise eine gemeinwohlorientierte, im öffentlichen Interesse der Einwohner liegende Zielsetzung der wirtschaftenden Gemeinde607. Gemeinden können auch dann noch einen öffentlichen Zweck verfolgen, wenn sie andere Aufgaben als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen. Das bedeutet, dass der öffentliche Zweck nicht in dem Maße räumlich begrenzend wirkt, wie es teilweise angenommen wird. Entscheidend ist, dass die Betätigung 602

U. Hösch, Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: DÖV 2000, S. 393 (400). 603 Leder, Kohärenz (Fn. 525), S. 175, 179; Oebbecke, Versorgungs- und Verkehrsbetriebe (Fn. 5), S. 220. 604 In dieser Deutung etwa Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 6. 605 Ob die Gemeinde mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung einen öffentlichen Zweck erfüllt, hängt von den „Anschauungen und Entschließungen ihrer maßgeblichen Organe“ ab und ist „eine Frage sachgerechter Kommunalpolitik“ OVG Schl.-H., Urt. v. 11. 07. 2013 – 2 LB 32/12, juris Rn. 93 f.; der Gemeinde komme, so das OVG Schl.-H., Urt. v. 11. 07. 2013 – 2 LB 32/12, juris Rn. 95 ff., zwar hinsichtlich des öffentlichen Zwecks kein gerichtskontrollfreier Entscheidungsfreiraum zu, aber hinsichtlich der Frage, ob der öffentliche Zweck eine gemeindliche wirtschaftliche Betätigung rechtfertige; zuvor BVerwG, Urt. v. 22. 02. 1972 – I C 24/69, VerwRspr 1973, 215 (218). 606 So die Auslegung bei Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. III.3, wobei zuvor auch auf den Aufgabenbereich der Gemeinden abgestellt wurde. 607 Allgemein zur Schwierigkeit der Bestimmung des öffentlichen Zwecks Britz, Funktion (Fn. 564), S. 381; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 122 ff.; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 119.

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das gemeinsame Wohl der Einwohner der Gemeinde fördert608. Dadurch wird in Teilen auch vermieden, dass der Verweis in Absatz 3 auf Absatz 1 zu Problemen in der Verweistechnik des Gesetzes führt. Die norminterne Regelungssystematik spricht für ein solches Verständnis. Zwar steht der öffentliche Zweck mit dem Aufgabenbestand der Gemeinden im Zusammenhang. Der öffentliche Zweck ist jedoch nicht mit dem Aufgabenbestand identisch. Selbst wenn man einen Bezug zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in das Merkmal des öffentlichen Zwecks hinein läse, hinge die geographisch begrenzende Wirkung wiederum davon ab, wie die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ausgelegt werden und ob diese geographisch begrenzend wirken. Einige Vertreter in der Literatur legen den „öffentlichen Zweck“ in § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW unterschiedlich aus, je nachdem, ob Absatz 1 über den Verweis des Absatzes 3 zur Anwendung kommt oder nicht. Es ist kaum begründbar, warum der „öffentliche Zweck“ in Absatz 1 einen anderen Inhalt haben soll, als wenn er über den Verweis des Absatzes 3 auf Absatz 1 zur Anwendung gelangt. Der Wortlaut des Verweises enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der „öffentliche Zweck“ in den beiden Absätzen unterschiedlich inhaltlich zu deuten wäre. Unabhängig davon, ob sich Friktionen in der Verweistechnik in § 107 GO NRW auf diese Weise vermeiden ließen, wären Gemeinden nach der Deutung jedenfalls im Anwendungsbereich des Absatzes 1 zum Teil doppelt auf die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verpflichtet609. Das überzeugt ebenfalls nicht. Es sollte sich daher auf die wenigen Fälle beschränkt werden, in denen die wirtschaftende Gemeinde (nahezu) unbestritten keinen öffentlichen Zweck mit ihrer wirtschaftliche Betätigung verfolgt610. Nach überwiegender Meinung ist die reine bzw. ausschließliche Gewinnerzielungsabsicht kein legitimer öffentlicher Zweck im Sinne des Gemeindewirtschaftsrechts611. Ob sich eine Gemeinde ausschließlich in der Absicht betätigt, 608 OVG Schl.-H., Urt. v. 11. 07. 2013 – 2 LB 32/12, juris Rn. 90, wobei das OVG im Fortgang wiederum an den gemeindlichen Aufgabenbestand anknüpft. 609 Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 73; Cronauge (Fn. 520), § 107 Anm. III. 5. 610 In diesem Sinne wohl auch Gerke, Betätigung (Fn. 542), S. 352. 611 Zum Ausschluss reiner Erwerbswirtschaft als zulässigen öffentlichen Zweck exempla­ risch Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 499; Britz, Funktion (Fn. 564), S. 381; Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496) S. 96 f.; Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 51 f.; dazu und ausführlich zu der Frage, ob reine gemeindliche Erwerbswirtschaft auch verfassungsrechtlich unzulässig ist m. w. N. W.  Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, in: VVDStRL  60 (2000), S. 416 (418 ff., 424 ff.); Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 41 f., 42 ff.; instruktiv auch BVerfG, Beschl. v.  08. 07. 1982  – 2  BvR  1187/80, BVerfGE 61, 82 (106 f.)  – Sasbach; VerfGH Rh.-Pf., Urt. v.  28. 03. 2000  – VGH N 12/98, NVwZ 2000, 801 (801); einen normativen Ausschluss reiner Gewinnerzielung sieht vor die bayerische Gemeindeordnung in Art. 87 II 2 BayGO; eine reine Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls für Annextätigkeiten und Randnutzungen für eingeschränkt zulässig erachten Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504; Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 97; reine Gewinnerzielung halten für zulässig O.  Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, 1997, S. 200 ff.; U.  Cronauge, Welchen rechtlichen Rahmen braucht die kommunale Wirtschaft von morgen?, in: der gemeindehaus-

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Gewinne zu erzielen, dürfte allerdings praktisch kaum ermittelbar sein. Die wirtschaftende Gemeinde wird häufig weitere Gründe in Stellung bringen können. Aus diesem Grund halten einige Autoren die wirtschaftliche Betätigung mit Blick auf den öffentlichen Zweck für rechtlich unzulässig, wenn zwar die Gewinnerzielung nicht ausschließlicher Antrieb, die Gewinnerzielungsabsicht aber deutlich überwiege oder vorrangiges Anliegen der Wirtschaftsbetätigung sei612. Überschreite eine Gemeinde ihre Gebietsgrenzen, dann erfolge dies zumeist nur in der Absicht, weitere Gewinne zu realisieren. Eine gebietliche Expansion allein mit dieser Absicht widerspreche somit dem öffentlichen Zweckerfordernis613. Gegen eine solche Herleitung einer mittelbar räumlich begrenzenden Wirkung des öffentlichen Zwecks ist nichts einzuwenden. Nach § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO NRW muss die Wirtschaftsbetätigung ferner nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen614. Eine außergebietliche Betätigung überschreitet häufig die

halt 1998, S. 131 (135); Cronauge, Wirtschaft (Fn. 524), S. 34; jedenfalls sehr fraglich stuft Moraing, Wirtschaftsrecht (Fn. 584), S. 252, den Ausschluss reiner Gewinnwirtschaft ein; ebenfalls zweifelnd für die Zulässigkeit jedenfalls der Finanzmittelbeschaffung Britz, Funktion (Fn. 564), S. 381 ff. 612 Der VerfGH Rh.-Pf., Urt. v. 28. 03. 2000 – VGH N 12/98, NVwZ 2000, 801 (803), sprach von einer „erwerbswirtschaftlich geprägte[n], vorrangig gewinnorientierte[n]“ Betätigung; Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht (Fn. 512), S. 61, stellt darauf ab, ob die Betätigung „ausschließlich oder eindeutig vorrangig auf Gewinn gerichtet[e]“ ist; für A. Wellmann, Die Reformpläne der NRW-Landesregierung für die kommunale Wirtschaft, in: NWVBl. 2007, S. 1 (5), kommt es darauf an, ob eine andere Zielsetzung „deutlich hinter der Gewinnabsicht zurücktritt“; ausführlich zur Unterscheidung reiner oder überwiegender Gewinnerzielungsabsicht Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 35 ff. 613 So auch Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 29, wobei dieser ausdrücklich nur den Fall in Bezug nimmt, in dem eine Gemeinde auf fremdem Gebiet für fremde Einwohner tätig wird; Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1033; Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 62, 48. 614 In § 88 I 2 Var. 2 GO NRW in der Fassung aus dem Jahr 1979 fand sich zudem noch der Hinweis nicht nur auf ein angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit, sondern auch auf ein angemessenes Verhältnis „zum voraussichtlichen Bedarf“ der Gemeinde, so etwa in der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 01. 10. 1979, GV. NRW S. 594. In den Gesetzesfassungen zuvor hieß es noch Belastungen s. Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 19. 12. 1974, GV. NRW 1975, S. 91; zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 12. 12. 1978. Auch wenn § 88 I Nr. 2 Var. 2 GO NRW a. F. über den genauen Bezugspunkt des voraussichtlichen Bedarfs schwieg, ergab der vorherige Satzteil, dass es sich um den Bedarf der Gemeinde bzw. den der Gemeindeeinwohner handeln musste. Dem Merkmal des angemessenen Verhältnisses zum voraussichtlichen Bedarf wurde teilweise eine räumlich begrenzende Wirkung zugesprochen. Eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb des eigenen Gemeindegebiets überschritt regelmäßig den (innergemeindlichen) Bedarf an Leistungen dieser Art s. zu § 116 GO LSA a. F. OVG LSA, Urt. v. 17. 02. 2011 – 2 L 126/09, juris Rn. 37; zu § 101 GO Schl.-H. OVG Schl.-H., Urt. v. 11. 07. 2013 – 2 LB 32/12, juris Rn. 102. Mit dem Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. 05. 1994 entfiel in Nordrhein-Westfalen die zweite Variante des damaligen § 88 I Nr. 2 GO NRW GV. NRW S. 270.

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Leistungsfähigkeit (kleinerer) Gemeinden, sodass diese Voraussetzung teilweise räumlich begrenzend wirkt615. (4) Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigungen außerhalb des Gemeindegebiets Für Wirtschaftsbetätigungen außerhalb des Gemeindegebiets enthalten die Absätze 3 und 4 spezielle Regelungen. Sie nehmen ausdrücklich Bezug auf das Gebiet der Gemeinden sowie die räumlichen Grenzen gemeindewirtschaftlicher Betätigung und machen bestimmte Formen der wirtschaftlichen Betätigung von der Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften abhängig. Dadurch reagieren die Absätze 3 und 4 deutlich auf mögliche Konflikte zwischen wirtschaftenden Gemeinden und ihren Nachbarinnen. Je nachdem, welchen Inhalt die Absätze 3 und 4 haben, können sie aber auch erst die Auslöser von Konflikten sein. Die § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW sind damit die Schlüssel zu der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung im Gemeindewirtschaftsrecht. Der Anwendungsbereich von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW erschließt sich auf den ersten Blick nicht widerspruchsfrei, weil nicht eindeutig ist, in welchem Verhältnis Absatz 1 und Absatz 3 zueinander stehen616. Fragwürdig ist namentlich der Umfang des Verweises des Absatzes 3 auf die Voraussetzungen des Absatzes 1 und seine Nummern 1 bis 3, weil Stimmen im Schrifttum den Merkmalen des § 107 Abs. 1 GO NRW teilweise eine strikte, zum Teil eine nur implizite und mittelbare räumlich begrenzende Wirkung zumessen, zugleich aber in Absatz 3 Satz 1 die gesetzliche Gestattung einer außergebietlichen Gemeindewirtschaft erblicken wollen. Wie kann aber Absatz 3 die außergebietliche Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden gestatten, wenn doch gerade einzelne Merkmale des Absatzes 1 die Wirtschaftsbetätigung (mittelbar) räumlich beschränken? Es kommt zu Unklarheiten über den Umfang des Verweises. Diese Fragen sind für sich allein betrachtet ungemein umstritten: Einige Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass Absatz  1 vollumfänglich in Bezug genommen werde. Je nach Auslegung der Merkmale des Absatzes 1 hat das zur Folge, dass die außergebietliche wirtschaftliche Betätigung zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfolgen muss, weil die Wendung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ inhaltlich dasselbe bedeuten soll, wie „zur Erledigung 615 Zur örtlich begrenzenden Wirkung der Voraussetzung der Leistungsfähigkeit Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 31; Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 381. 616 Ipsen, Betätigung (Fn. 586), S. 665, spricht von einer „kaum erörterte[n] Rechtsfrage, die sich als Aporem erweisen könnte“; Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 297, hält die kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen für „noch wenig stimmig“; Leder, Kohärenz (Fn. 525), S. 180, stellt dezidiert fest, dass den Regelungen zur Lockerung des Örtlichkeitsprinzips kein kohärenter Lösungsansatz zugrunde liege; Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 525), § 40 Rn. 17, wirft die Frage des Verhältnisses der Schrankentrias zur sog. Gebietsklausel auf.

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der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“617. Dasselbe gilt für das Merkmal des öffentlichen Zwecks: Je nach Auslegung dieses Merkmals beschränkt es die Gemeinden durch die Bezugnahme auf den Aufgabenbestand der örtlichen Gemeinschaft mittelbar auf das eigene Gebiet. Absatz 3 habe infolge dieser Auslegung eben nur einen reduzierten Anwendungsbereich oder stelle (rein deklaratorisch) klar, dass die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht strikt gebietlich zu bestimmen seien618. Als Klarstellung für gemeindegebietsüberschreitende Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erweitere § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW nicht den gemeindlichen Aufgabenbestand619. Nähme man den Verweis in Absatz 3 auf Absatz 1 jedoch ernst und mäße den Merkmalen in Absatz 1 einen räumlich begrenzenden Inhalt tatsächlich zu, so hätte die Gebietsklausel nicht nur einen beschränkten oder reduzierten, sondern überhaupt keinen erweiternden Regelungsgehalt620. Gerade die Erweiterung des wirtschaftlichen Handlungsspielraums der Gemeinden machte die Gesetzesbegründung aber als maßgebliches Anliegen der Gesetzesänderung im Jahr 1999 stark. Es wären nur die Fälle umfasst, die eine 617

Koehler, Reform (Fn. 564), S. 45, 47 ff.; Zacharias, Betätigung (Fn. 557), S. 276; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 100 f.; Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 150 f.; Heilshorn, Neufassung (Fn. 585), S. 164. 618 Zum begrenzten Anwendungsbereich Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 100; Heilshorn, Neufassung (Fn. 585), S. 164; eher diffus Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 194 f.; zur Klarstellungsfunktion Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 98 f.; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 133; wohl auch Cronauge, Unternehmen (Fn. 585), Rn. 439; die Gesetzesbegründung zu § 116 III GO LSA, die mit der Regelung des § 107 III GO NRW (größtenteils) vergleichbar ist, meint, der Gesetzgeber wollte nur klarstellen, dass die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht strikt kartographisch begrenzt sind, dazu heißt es wörtlich: „[D]ie Notwendigkeit einer örtlichen Radizierung, also einer Rückführung auf die territorial definierte Gemeinschaft, [stellt] ersichtlich nicht auf eine schlichte kartographische Abgrenzung der örtlich begründeten Aktivitäten ab[stellt].“ LT-Drs. LSA 3/3022, S. 24. Anders als § 107 III GO NRW verwendet § 116 I GO LSA allerdings ausdrücklich die Wendung „in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“, die § 116 III GO LSA mit einbezieht, sodass es anders als bei § 107 III GO NRW (wohl) eher überzeugt, die außergebietliche Betätigung auf die Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu beschränken. 619 Allgemein zu dieser Wirkung der Expansionsklausel Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 133; in diese Richtung auch Pielow, Gemeindewirtschaft (Fn. 549), S. 373; ebenso Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 98 f., der außergebietliche Tätigkeiten auch ohne ausdrückliche landesgesetzliche Erlaubnis für zulässig erachtet, augenscheinlich aber nicht die Fälle im Blick hat, die die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ überschreiten und deshalb wohl der Meinung ist, dass auch im Fall von Absatz 3 nur solche Betätigungen umfasst sind, die in der Erledigung von „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ erfolgen; zu einer mit der nordrhein-westfälischen Regelung vergleichbaren Regelung aus Sachsen-Anhalt U. Gundlach, Die Erweiterung des kommunalen Wirtschaftsrechts in Sachsen-Anhalt, in: LKV 2002, S. 264 (264 f.); T.  Attendorn / C . Schweitzer, Verfassungswidrige Zulassung der überörtlichen energiewirtschaftlichen Betätigung durch Kommunen in NRW, in: NWVBl. 2013, S. 13 (18); Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.3.2; C. Brüning, Risse im Rechtsrahmen kommunaler wirtschaftlicher Betätigung, in: NVwZ 2015, S. 689 (693 f.). 620 Pointiert Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 29, der meint, dass die Gebietsregelungen des nordrhein-westfälischen Gemeinderechts ins Leere gingen, wenn man die öffentliche Zwecksetzung ernst nähme.

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an sich nach Absatz 1 zulässige gemeindewirtschaftliche Betätigung weiter einschränkten, weil nach § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW die wirtschaftende Gemeinde zusätzlich zu den Voraussetzungen in Absatz 1 die berechtigten Interessen der betroffenen Gebietskörperschaften wahren muss. Andere plädieren deshalb bisweilen sogar für eine partielle Suspendierung von Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 GO NRW oder legen einzelne Voraussetzungen des Absatzes 1 anders aus, wenn sie über den Verweis des Absatzes 3 zur Anwendung gelangen621. Nur so verbliebe dem Absatz  3 überhaupt ein sinnvoller Anwendungsbereich. Eine Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets würde damit gegenüber einer Betätigung im eigenen Gemeindegebiet privilegiert, nur weil sie außergebietlich stattfindet622. Um das Verhältnis von Absatz 1 zu Absatz 3 zu klären, sind mehrere Fragen voneinander abzuschichten. Ein bestimmtes Auslegungsergebnis eines Merkmals wirkt auf die Ermittlung des Inhalts anderer Merkmale zurück. Zentrale, durchgehende Fragestellung ist, ob Absatz 3 (auch) einen erweiternden Regelungsgehalt hat und er damit den Gemeinden in einem Teil seines Regelungsgehalts die Wahrnehmung von Aufgaben gestattet, die nicht mehr zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zählen. Ob es tatsächlich zu Friktionen in der Verweistechnik des Gesetzgebers kommt, hängt von mehreren Fragen ab. Allesamt stehen sie unter der Prämisse, dass Absatz 3 jedenfalls teilweise eine erweiternde Wirkung für den gemeindlichen Aufgabenbestand hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung war die Erweiterung des Handlungsspielraums über das eigene Gebiet maßgebliches Anliegen des Gesetzgebers. Die Untersuchung nimmt deshalb an, dass § 107 Abs. 3 GO NRW einen erweiternden (Teil-)Regelungsgehalt hat623. Der Verweis in Absatz 3 ist unter dieser Prämisse erstens nur fragwürdig, wenn Absatz 1 und seine Voraussetzungen tatsächlich strikte oder mittelbar räumlich begrenzende Wirkungen haben624. In der hier zugrunde gelegten Auslegung der Tat 621

Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1036; zur vergleichbaren Regelung in SachsenAnhalt etwa Gundlach, Erweiterung (Fn. 619), S. 264 f.; Jarass, Vorgaben (Fn. 554), S. 338; Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 297; Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 10; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4) S. 136 ff., auf ein größeres Gebiet bezieht die öffentliche Zwecksetzung Ehlers, Entwicklung (Fn. 546), S. 461, wobei er namentlich die Ansätze von Guckelberger und Jarass als zu pauschal ablehnt, obwohl gerade Guckelberger in der Sache nicht zwingend etwas anderes fordert als er selbst. Nicht ganz eindeutig hingegen die Vergabekammer Münster, Beschl. v. 10. 02. 2005 – VK 35/04, VR 2005, 283 (283 Ls. 2, 285); Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 10 Fn. 120, deutet die Entscheidung der Vergabekammer so, dass sie im Ergebnis für das Merkmal des „öffentlichen Zwecks“ auf einen Gebietsbezug verzichte. 622 Gegen eine Privilegierung J. Hellermann / J. Wieland, Die Ausweitung der Geschäftsfelder kommunaler Unternehmen aus verfassungsrechtlicher Perspektive, in: R. Schiller-Dickhut /  K.-P. Murawski (Hrsg.), Kommunale Unternehmen auf der Flucht nach vorn, 1999, S. 9 (19). 623 Für eine solche Auslegung spricht bereits die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. NRW 12/3730, S. 106, 108, wonach durch die Reform eine begrenzte Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden beabsichtigt werde. 624 Insoweit stellt Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 72 ff., nicht die Frage, ob der Verweis vollumfänglich ist, sondern ob der öffentliche Zweck überhaupt zwingend einen Gebietsbezug beinhaltet.

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bestandsmerkmale des Absatzes 1 ist zu betonen, dass dem „öffentlichen Zweck“ allenfalls eine abgeschwächt räumlich begrenzende Wirkung zukommt. Die volle Bezugnahme auf § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW („öffentlicher Zweck“) ist damit unproblematisch625. Problematischer ist zweitens, ob § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW auch die Wendung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ in § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW aufgreift, wenn man, wie teilweise vertreten, diese Wendung mit der ursprünglichen Wendung „zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ gleichsetzt. Wäre dem so, dann müsste die außergebietliche gemeindliche Betätigung zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfolgen. In der mittelbar räumlich begrenzenden Auslegung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wäre auch die gebietsüberschreitende Wirtschaftsbetätigung auf die Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt626. Absatz 3 würde lediglich klarstellen, dass sich die Betätigung, die zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfolgt, nicht strikt auf das eigene Gemeindegebiet der wirtschaftenden Gemeinde beschränkt. Vermeiden ließe sich dieses Ergebnis, wenn man den Verweis in Absatz 3 auf Absatz 1 dergestalt verstünde, dass sich Absatz  3 lediglich auf die Voraussetzungen der Nr. 1 bis Nr. 3, nicht jedoch auf den ersten Halbsatz bezieht. Der Absatz 3 würde die Wendung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ überhaupt nicht umfassen627. Dass Absatz 3 auch § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW einbezieht, ist normtextlich nicht zwingend. Absatz 3 formuliert anders als § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW, dass sich die Gemeinde „wirtschaftlich betätigen“ darf. Von einer Betätigung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ oder „zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ ist nicht die Rede – das Gesetz formuliert globaler628. Die sprachliche Gestaltung von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW legt nahe, dass Absatz 3 gerade darauf verzichtet, dass sich die wirtschaftende Gemeinde außergebietlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben betätigen muss. Für eine solche Auslegung spricht, dass Absatz 3 nur von den „Voraussetzungen des Absatzes 1“ spricht. Zulässigkeitsvoraussetzungen gemeindewirtschaftlicher Betätigung mögen formal besehen nur die 625

Anders Attendorn / Schweitzer, Zulassung (Fn. 619), S. 18; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 34 ff., hat das Problem der gesetzlichen Erweiterbarkeit des gemeindlichen Aufgabenbestands normativ im „öffentlichen Zweck“ verortet: Ist der „öffentliche Zweck“ zwingend auf die Erledigung von „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ beschränkt? 626 Das OVG LSA, Urt. v. 07. 05. 2015 – 4 L 163/14, war der Auffassung, dass nach § 116 III GO LSA, der dem § 107 III GO NRW ähnelt, die Betätigung außerhalb des Gebiets einen örtlichen Bezug aufweisen müsse. Weil die Einspeisung von Energie nach dem EEG in ein überörtliches Stromnetz nicht mehr zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfolge (ebd., juris Rn. 32 ff.), sei sie auch nicht nach § 116 III GO LSA zulässig. Die Regelung schaffe das Örtlichkeitsprinzip nicht ab, sondern lockere es lediglich (ebd., juris Rn. 39). 627 Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 60, geht anscheinend davon aus, dass auch § 107 III 1 GO NRW das Merkmal „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ umfasst. 628 In diese Richtung wohl auch die Vergabekammer Münster, Beschl. v.  10. 02. 2005  – VK 35/04, VR 2005, 283 (283 Ls. 2, 285), nach der es für die außergebietliche Betätigung nicht darauf ankommt, ob die Gemeinde durch die außergebietliche Betätigung „ihre“ Aufgaben erfüllt.

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Voraussetzungen der Schrankentrias sein. Historisch betrachtet stellten die drei Voraussetzungen die eigentliche Einschränkung dar, mit der die Gemeindewirtschaft diszipliniert werden sollte629. Dagegen spricht allerdings, dass während des Gesetzgebungsverfahrens die Auffassung vorherrschte, dass Absatz  1 vollständig von Absatz 3 in Bezug genommen werde630. Dass der Normtext nur von einer wirtschaftlichen Betätigung spricht, ohne dabei aber auf die „Aufgaben“ Bezug zu nehmen, ist wohl eher darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber aus Gründen der sprachlichen Klarheit und der Absicht kürzerer Rechtsnormtexte auf die Wiederholung der Wendung verzichtete. Im Gesetzgebungsverfahren artikulierte der Gesetzgeber diese Absicht freilich nicht. Mit der Neufassung von § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW und der Formulierung „ihrer Aufgaben“ geht der Landesgesetzgeber über den verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand der Gemeinden hinaus. § 107 Abs. 1 GO NRW lässt im Zusammenwirken mit § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW ausnahmsweise zu, dass einzelne Betätigungen den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überschreiten. In der Änderung des § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW liegt demnach der entscheidende Verzicht auf die mittelbar räumlich begrenzende Wirkung der ursprünglichen Gesetzesfassung. Gemeinden dürfen sich nicht nur außergebietlich, sondern nach § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW auch überörtlich betätigen631. Der Ausdruck „ihrer Aufgaben“ lässt damit folgende Differenzierung zu: – Die Gemeinde erfüllt mit ihrer Betätigung eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. § 107 Abs. 1 GO NRW sowie das Verfassungsrecht weisen der Gemeinde (regelhaft) eine Zuständigkeit und Kompetenz für diese Betätigung zu. Die Gemeinde erfüllt damit „ihre (gesetzliche) Aufgabe“. Reicht die Betätigung nicht über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus, begrenzt § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW bei Außergebietlichkeit die regelhafte Zuständigkeits- und Kompetenzzuweisung an die wirtschaftende Gemeinde, um die Nachbargemeinden vor außergebietlichen, aber noch zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfolgenden Betätigungen der wirtschaftenden Gemeinde zu schützen. – Möchte sich die Gemeinde betätigen, diesmal aber nicht, um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen, dann verleiht ihr erst § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW im Zusammenwirken mit § 107 Abs. 1 GO NRW eine Zuständigkeit und Kompetenz für diese Art der Betätigung.

629 Bei der Normierung der Zulässigkeitsvoraussetzungen orientierten sich die Länder mehr oder weniger an der gesetzlichen Ausgestaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Kommunalwirtschaft der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) vom 30. 01. 1935, RGBl. I, S. 49. In den letzten Jahren ist es zu deutlicheren Abweichungen der Regelungen der Länder von den Voraussetzungen der Deutschen Gemeindeordnung gekommen. 630 LT-Drs. NRW 12/3730, S. 108. 631 Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 6.

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Die teilweise Verkürzung des Regelungsgehalts von Absatz 3 im Schrifttum, die Vorschrift gestatte (nur) die außergebietliche Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden und lockere den Gebietsbezug ihrer Betätigung, ist zu pauschal und verkennt den ambivalenten Regelungsgehalt von Absatz  1 und Absatz  3632. In der Sache ist zwar die Feststellung, dass es bei Absatz 3 „schlicht ‚nur‘ um die Frage [geht], ob und unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Betätigung auf [Kursivierung nicht im Original, M. J.] fremden Gemeindegebiet gegen den Willen der betroffenen Gemeinde möglich ist“633, im Ergebnis nicht falsch. Absatz 3 hat allerdings einen diffizileren Regelungsgehalt634. Es lassen sich drei Situationen gemeindewirtschaftlicher Betätigung unterscheiden, die das Zusammenspiel von Absatz 1 und Absatz 3 verdeutlichen. Sie bleiben im Verlauf der Arbeit relevant. Erstens kann die wirtschaftliche Betätigung die Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zum Ziel haben, die sich vollkommen auf das eigene Gemeindegebiet beschränkt. Sie überschreitet dabei nicht die formale Gemeindegebietsgrenze. Vereinfacht kann dieser Fall als eine ‚rein gemeindeinterne wirtschaftliche Betätigung‘ bezeichnet werden. Zweitens ist denkbar, dass eine Gemeinde wirtschaftlich tätig wird, dabei aber die Gemeindegebietsgrenze überschreitet und sie mit der Betätigung nach wie vor eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllt. Diesen Fall gemeindewirtschaftlicher Betätigung beschreibt der Begriff der ‚eingeschränkten gemeindeinternen wirtschaftlichen Betätigung‘. Drittens ist es möglich, dass eine Gemeinde sich wirtschaftlich betätigt, sie dies aber nicht mehr tut, um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen. Hierunter fallen vermehrt diejenigen Fälle, welche die Gemeindegebietsgrenze im stärkeren Maße überschreiten, als es die ‚eingeschränkt gemeindeinternen wirtschaftlichen Betätigungen‘ tun. Durch den Grenzübertritt größeren Umfangs verliert die Betätigung den Charakter einer Betätigung zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Der Umfang der Grenzüberschreitung hat für das Entfallen des Charakters als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft Indizfunktion. Diese Form der Betätigungen soll als ‚gemeindeexterne Wirtschaftsbetätigungen‘ bezeichnet werden. Die ‚gemeindeinterne wirtschaftliche Betätigung‘ ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. Für die ‚eingeschränkt gemeindeinternen‘ Betätigungen gestattet bereits Absatz 1 den Grenzübertritt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 im Übrigen gegeben sind. Absatz 3, der ausweislich seines eindeutigen Wortlauts „außerhalb des Gemeindegebiets“ auf den formalen Grenzübertritt 632 Zu pauschal die Gesetzesbegründung LT-Drs. NRW 12/3730, S. 105 f., 108, der die Komplexität ihrer Änderung hinsichtlich der ursprünglichen Rechtslage (wohl) verborgen blieb. 633 Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.3.2. 634 Ebenso missverständlich dürfte daher die pauschale Feststellung sein, dass durch Absatz 3 der nordrhein-westfälische Gesetzgeber das Örtlichkeitsprinzip aufgebe Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 30 ff. Der Gesetzgeber gibt es nur für einen Teilbereich gemeindewirtschaftlicher Betätigung auf. An anderer Stelle relativiert Ehlers durch den Zusatz „in der Regel“.

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abstellt (dazu sogleich), macht die ‚eingeschränkt gemeindeinterne‘ Betätigung davon abhängig, dass die Wirtschaftsbetätigung die Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften wahrt. Absatz 3 gestattet ferner die außergebietliche überörtliche Betätigung, die hier als ‚gemeindeexterne Wirtschaftsbetätigung‘ beschrieben wurde, wenn neben den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die des Absatzes 3 erfüllt sind635. Den zuletzt genannten Regelungsgehalt des § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW hat das Schrifttum vornehmlich im Blick, wenn § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW im Raum steht636. § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW wirkt damit janusköpfig. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ging ebenfalls davon aus, dass die an sich zulässige kommunale Wirtschaftsbetätigung durch Absatz 3 weiter eingeschränkt werde637. Die Entscheidung zog Kritik auf sich, denn das Anliegen des Gesetzgebers bei Einführung des § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW sei maßgeblich die Öffnung für außergebietliches Wirtschaften gewesen638.

635 Statt Vieler spricht auch Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 95, von einer erweiternden Wirkung der sog. Gebietsklausel. 636 So spricht Ehlers einseitig von einer Lockerung des Örtlichkeitsprinzips; K.  Lange, Orientierungsverluste im Kommunalrecht: Wer verantwortet was?, in: DÖV 2007, S. 820 (822), erkennt zutreffend die einschränkende Wirkung von Regelungen im Stile von § 107 II 1 GO NRW, wobei ihm sowohl in der Begründung als auch in der Pauschalität seiner Aussage nicht gefolgt werden kann, denn er differenziert nicht die unterschiedlichen Wirkweisen von Regelungen im Stile von § 107 III 1 GO NRW. Wörtlich meint er: „Sie [scil. die Erweiterbarkeit des gemeindlichen Aufgabenbestands über die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus, M. J.] führt dazu, dass der relativ neue § 121 Abs. 5 HGO [scil. vergleichbar mit § 107 III 1 GO NRW, M. J.], wonach die Gemeinden nur unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb des Gemeindegebiets wirtschaftlich tätig sein, also etwa Versorgungsleistungen auch an Kunden außerhalb ihres Gemeindegebiets erbringen dürfen, keine Erweiterung der gemeindlichen Kompetenzen, sondern eine Beschränkung ist, die sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen muss.“ Zuzustimmen ist der Annahme der einschränkenden Wirkung von § 121 V HGO ungeachtet ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit nur insoweit, als dass es um eine wirtschaftliche Betätigung gehen muss, die zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der wirtschaftenden Gemeinde erfolgt. Nicht zuzustimmen ist ihm hingegen in der Annahme einer verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftigen Einschränkung durch § 121 V HGO, wenn die Gemeinde sich wirtschaftlich betätigt, um Aufgaben zu erfüllen, die nicht mehr in den Aufgabenbestand des Art. 28 II 1 GG fallen und zu deren Erledigung die Gemeinden nur kraft einfachgesetzlicher Regelung befugt sind. Das würde voraussetzen, dass (einfach-)gesetzliche Kompetenzerweiterungen Verfassungsrang genössen, dass also Gemeinden, denen qua einfachem Recht eine Aufgabenerledigung über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus gestattet ist, sich für solche Aufgabenzuweisungen auf Art. 28 II 1 GG berufen könnten. 637 OVG NRW, Beschl. v. 12. 10. 2004 – 15 B 1873/04, NVwZ 2005, 1211 (1212 f.): „Absatz 3 erlaubt nicht etwa eine Betätigung in einem weiteren als durch die vorhergehenden Absätze gezogenen Rahmen, sondern verschärft die allgemeinen Schranken des Absatzes 1 für wirtschaftliche Betätigung außerhalb des eigenen Gemeindegebiets noch dadurch, dass zusätzlich die berechtigten Interessen der betroffenen anderen Gemeinden gewahrt sein müssen. Absatz 3 stellt sich somit als eine Verschärfung des Absatzes 1 dar“. 638 Zur Einschränkungsthese des OVG NRW kritisch Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 (Dezember 2015), Anm. 3.3.5.

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Auf Grund des ambivalenten Regelungsgehalts von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW kann die Kritik aber nur zum Teil Bestand haben. Nur die gemeindewirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 107 Abs. 1  GO NRW unterliegt den Restriktionen des § 107 Abs. 1 GO NRW. Die nicht-wirtschaftlichen Betätigungen des § 107 Abs. 2 GO NRW unterfallen nicht diesen Restriktionen des einfachen Gemeindewirtschaftsrechts. Es scheint damit, als kenne das Gemeindewirtschaftsrecht für diese Art der Betätigung folglich auch keine gebietlichen Beschränkungen. In der hier vorgeschlagenen Auslegung der Voraussetzungen der Schrankentrias (vgl. § 107 Abs. 1 Nr. 1–3 GO NRW) beschränken sie die Betätigung allerdings ohnehin nicht gebietlich. Selbst wenn man also annähme, dass auch für die nicht-wirtschaftlichen Betätigungen entgegen des Wortlauts des Absatzes 2 die Gemeinde mit ihrer Betätigung einen öffentlichen Zweck erfüllen müsse, kommt diesem Merkmal nach der hier befürworteten Auslegung keine räumlich begrenzende Wirkung zu639. Einzig die reine Gewinnerzielungsabsicht könnte der räumlichen Expansion der Gemeinde für nicht-wirtschaftliche Betätigungen entgegenstehen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen meinte, dass für die gemeindegebietsüberschreitende Abfallentsorgung, die unter § 107 Abs. 2 Nr. 4 GO NRW a. F. fiel, keine gebietlichen Schranken bestehen640. Dass für die nicht-wirtschaftliche Betätigung keine gebietlichen Beschränkungen bestehen, war allerdings nur bis zum Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung von 9. Oktober 2007641 vertretbar642. Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung wurde § 107 Abs. 4 S. 1 GO NRW neu gefasst. Seitdem unterliegt die nicht-wirtschaftliche Betätigung, mit Ausnahme von § 107 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW, denselben gesetzlichen Vorgaben wie die wirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 107 Abs. 1 GO NRW. Eine nicht-wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets ist danach nur dann zulässig, wenn ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert, die Betätigung in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der sich nicht-wirtschaftlich betätigenden Gemeinde steht und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften wahrt. In dem Regierungsentwurf sah sich die Landesregierung sogar zu einer ausdrück-

639 Zum Erfordernis der öffentlichen Zwecksetzung für privilegierte Vorhaben Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 498; Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 18; eindeutig LT-Drs. NRW 14/3979, S. 149. 640 Gegen die gebietliche Unbeschränktheit der nicht-wirtschaftlichen Betätigung regte sich etwa in der Literatur und der ordentlichen Gerichtsbarkeit Widerstand. Das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 06. 2002 – Verg 18/02, VII-Verg 18/02, NWVBl. 2003, 192 (198), ging davon aus, dass die Betätigung mit der „[g]ebietsbezogenen Erfüllung des öffentlichen Zwecks […] zumindest in einem fördernden Zusammenhang“ stehen müsse. Auch die nicht-wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden sei auf ihr Gemeindegebiet begrenzt. 641 GV. NRW S. 373. 642 Das sah auch das OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122708, juris Rn. 13, das ausdrücklich auf die gesetzliche Neuregelung der gemeindewirtschaftlichen Vorschriften verwies.

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lichen Klarstellung veranlasst, da das Oberverwaltungsgericht zuvor in der Entscheidung aus dem Jahr 2004 noch gegenteilige Schlüsse zog643. In der Typenbildung laufen Absatz 3 und Absatz 4 weitgehend parallel. Einerseits schränkt Absatz 4 die nicht-wirtschaftliche Betätigung ein. Sie muss die nachbargemeindlichen Interessen wahren, wenn sie außerhalb des Gemeindegebiets erfolgt. An sich wäre die Betätigung durch die Herausnahme von den einschränkenden Voraussetzungen des Absatzes 1 zulässig. Andererseits erweitert Absatz 4 in der Theorie den Raum zulässiger Betätigungen, weil es dann nicht mehr darauf ankommt, ob die nicht-wirtschaftliche Betätigung in Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfolgt. Sie darf auch lediglich der Erfüllung „ihrer Aufgaben“ dienen, wenngleich die in Absatz 2 genannten nicht-wirtschaftlichen Betätigungen durchgehend daseinsvorsorgender Art und damit meist Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sein müssen, um unter die Betätigung des Absatzes  2 zu fallen. Es sind aus diesem Grund nur wenige nicht-wirtschaftliche Betätigungen im Sinne von § 107 Abs. 2 GO NRW denkbar, die außergebietlich und überörtlich sind. (5) Außergebietlichkeit der Wirtschaftsbetätigung § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW greifen ein, wenn die Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets stattfindet. Erfolgt sie außergebietlich bzw. grenzüberschreitend644, muss die wirtschaftende Gemeinde die berechtigten Interessen 643

LT-Drs. NRW NRW 14/3979, S. 149. Bevorzugt wird der Begriff der außergebietlichen oder grenzüberschreitenden Betätigung. Daneben finden sich unzählige weitere Begriffe, die in unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt werden. Ihre Abgrenzung zueinander ist nicht immer eindeutig. In der Literatur finden sich z. B. die Antonyme der örtlichen / überörtlichen, örtlichen / außerörtlichen sowie regionalen / überregionalen Betätigung. Hier wiederholt sich zum Teil das Dilemma um die rechte Bezeichnung für das gesetzliche Gebietsprinzip. Bei Franz, Gewinnerzielung (Fn. 27), S. 82 ff., liest man etwa die Begriffe „überörtlich“ (S. 82), „außergemeindlich“ (S. 82), „außergebietlich“ (S. 83) oder „übergebietlich“ (S. 84), die wohl allesamt das Identische meinen. Weil das Gemeindewirtschaftsrecht aber in § 107 III 1 und IV 1 GO NRW gerade die Wirtschaftsbetätigung außerhalb des Gemeindegebiets regelt, ist der Begriff der außergebietlichen oder grenzüberschreitenden Betätigung am präzisesten. Anders als etwa bei D. Storbeck, Grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit, 2016, S. 12 f., meint Grenzüberschreitung den Übertritt von innerstaatlichen Gemeindegrenzen und nicht den nationaler Grenzen. Die Gegensatzworte örtlich / überörtlich betreffen die Fälle, in denen eine Betätigung noch die Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 II 1 GG darstellt oder „über“ diesen Bereich hinausgeht. Örtlich meint also den verfassungsunmittelbar eingeräumten Aufgabenbestand der Gemeinden Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 22; Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 151, deutet diesen Begriff anscheinend anders: Auch bei einer überörtlichen Betätigung sei ein Bezug zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ohne weiteres denkbar; auch Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 297, hält Konstellationen für möglich, „in denen eine Gemeinde in einer örtlichen Angelegenheit im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG überörtlich [sic] tätig werden will“; nicht falsch ist die in der 644

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der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften wahren. Für Betätigungen, die nicht außergebietlich sind, gelten die Absätze 3 und 4 nicht. Bisher wurde besonders mit Blick auf den Wortlaut von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW an den formalen Grenzübertritt der Betätigung angeknüpft. Ruft man sich die Fallgruppen mit Konfliktpotential in Erinnerung, dann fällt auf, dass nicht für jede von ihnen gleichermaßen eindeutig ist, ob sie formal die Grenze des Gemeindegebiets überschreitet. In welchen Fällen überhaupt von einem Wirtschaften außerhalb des Gemeindegebiets gesprochen werden kann, ist nicht so klar, wie es der formale Ansatz glauben machen möchte. Die Vielgestaltigkeit der Konstellationen erschwert einen klaren Befund über die Außergebietlichkeit einer bestimmten Betätigung645. Unterwirft die Gemeindeordnung die Wirtschaftsbetätigung bereits dann den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 107 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 S. 1 GO NRW, wenn die Betätigung zwar körperlich auf dem eigenen Gebiet verbleibt, sich aber über das eigene Gebiet der wirtschaftenden Gemeinde hinaus auf andere Gemeinden faktisch auswirkt? Mit faktischen Auswirkungen können in der Realität für die Nachbargemeinden einschneidende Konsequenzen verbunden sein. Die Literatur beschäftigte sich in den vergangenen Jahren vereinzelt mit der Frage der Außergebietlichkeit einer Betätigung. Nicht immer legt die Literatur aber offen, dass es ihr in der Sache um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „außerhalb“ in § 107 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 S. 1 GO NRW geht. Eine Betätigung, so liest man bisweilen, die auf eine andere Gemeinde lediglich „ausstrahle“, sei rechtlich nicht zu beanstanden646. Unklar ist, ob es bei bloßer Ausstrahlungs­wirkung der Betätigung bereits an einem Wirtschaften außerhalb des Gemeindegebiets fehlt, Literatur zu findende Formulierung, § 107 III 1 und IV 1 GO NRW und die entsprechenden landesrechtlichen Normen gestatten die überörtliche Wirtschaftsbetätigung. In der hier vorgeschlagenen Auslegung ermöglichen die Vorschriften den Gemeinden gerade auch die Wahrnehmung solcher Angelegenheit, die ihnen allein Art. 28 II 1 GG nicht gestattet. Der Begriff der überörtlichen Betätigung würde allerdings nur einen Teil des Anwendungsbereichs von Absatz 3 und Absatz 4 abdecken. – Auch die Terminologie für die Bezeichnung der gesetz­ lichen Regelungen schwankt; vereinzelt auch innerhalb ein und desselben Textes. Wie hier von einer Gebietsklausel spricht Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 98; ebenso Held /  Kotzea (Fn. 510), § 107 (Dezember 2015), Anm. 3.3.2; teilweise werden diese Regelungen auch als Expansionsklausel Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1033; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 135; Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 525), § 40 Rn. 19, als Extraterritorialitätsklausel Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 525), § 40 Rn. 17, 22, oder als Außerörtlichkeitsklausel Britz, Funktion (Fn. 564), S. 385, bezeichnet. 645 Intrikat sind etwa die Einordnungen der Betätigungen der Entscheidung des OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031. Es soll nicht darauf ankommen, wo der Abfall eingesammelt wurde. Noch schwieriger ist die Einordnung der Betätigung, wenn diese in der Erzeugung von Energie durch Photovoltaikanlagen erfolgt und der erzeugte Strom gegen Vergütung nach dem EEG in ein überörtliches Netz eingespeist werden soll s. OVG LSA, Urt. v. 07. 05. 2015 – 4 L 163/14. 646 Statt Vieler erachtet Mann, Unternehmen (Fn. 572), S. 825, punktuelle Auswirkungen für verfassungsrechtlich zulässig.

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oder ob es sich zwar um eine außergebietliche, aber rechtlich zulässige Betätigung handelt, weil sie die nachbargemeindlichen Interessen wahrt. Die Literatur verfährt kasuistisch und nennt Konstellationen, in denen eine Betätigung rechtlich zulässig oder unzulässig sein soll. Bei dieser kasuistischen Behandlung der unterschiedlichen Fälle gemeindlichen Ausgreifens fehlt aber die Formulierung abstrakter Maßstäbe für die Bestimmung der Außergebietlichkeit einer Betätigung. Ob eine Gemeinde außergebietlich wirtschaftet, ist auf Grund der Formulierung in § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW davon abhängig, ob die Betätigung außerhalb des Gebiets erfolgt. Die Norm sagt allerdings nichts dazu, was sie mit „Betätigung“ meint und was konkret bei der Betätigung die Gemeindegrenze überschreiten muss647. Lexikalisch bedeutet das in § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW verwendete Wort Betätigung so viel wie „Tätigsein“ oder „Tätigkeit“648. Es handelt sich um die Substantivierung des Handlungsverbs. Indem die Gemeindeordnung auf die Betätigung abstellt, macht sie nicht die Auswirkungen der Betätigung zum Anknüpfungspunkt für das Eingreifen von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW, sondern allein das Tätigsein der Gemeinde. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen stellte für § 107 Abs. 4 GO NRW fest, dass es „auf den Ort an[kommt], an dem die Betätigung erfolgt. Nicht maßgeblich sei dagegen“, so das Gericht, „für welchen räumlichen Bereich die Tätigkeit Auswirkungen oder wo der Auftraggeber seinen Sitz hat.“649 Als Beispiel führte das Gericht den Betrieb eines kommunalen Theaters an: Der Betrieb eines Theaters dürfe auch darauf ausgerichtet sein, einen entsprechenden Bedarf außerhalb des Gemeindegebiets abzudecken, ohne den Beschränkungen des § 107 Abs. 4 GO NRW zu unterliegen650. Mit der Betätigung verbindet man meistens den Vorgang der Wertschöpfung als solchen651. Einige sprechen auch davon, dass es darauf ankomme, wo die Leistung bewirkt werde652. Finde die eigentliche Wertschöpfung ihren Ursprung noch auf dem Gebiet der wirtschaftenden Gemeinde, dann handele es sich um keine grenzüberschreitende Wirtschaftsbetätigung. Wo sich die eigentliche Wertschöpfung der Gemeinde auswirke, sei für die Qualifizierung als außergebietlich nicht von rechtlicher Relevanz653. Das Abstellen auf die „eigent­ 647

Mit weiteren Bsp. zu dieser Frage Schink, Betätigung (Fn. 507), S. 137. Dudenredaktion (Hrsg.), s. v. Betätigung, in: Duden-Online, abrufbar unter: www.duden. de/rechtschreibung/Betaetigung (zuletzt abgerufen am 21. 11. 2020). 649 OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1034). 650 OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1034). 651 Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 178; Schink, Betätigung (Fn. 507) S. 137; so wohl auch Mann, Möglichkeiten (Fn. 564), S. 67; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 651 f. 652 Schulz, Anmerkungen (Fn. 515), S. 450; gleichermaßen von Leistungsbewirkung und Wertschöpfung spricht Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 149. 653 Auf den Ort, an dem die Betätigung erfolgt, stellte auch das OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1034), ab. Das Gericht hob ausdrücklich hervor, dass nicht maßgeblich sei, für welchen räumlichen Bereich die Tätigkeit Auswirkungen oder wo der Auftraggeber seinen Sitz habe; so auch Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 178; Schink, Betätigung (Fn. 507), S. 137. 648

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liche Wertschöpfung“ der Wirtschaftsbetätigung verlangt allerdings, dass Klarheit darüber herrscht, was mit Wertschöpfung gemeint ist. Eindeutig ist die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Betätigung durch den Begriff der Wertschöpfung jedoch nicht. Tendenziell wären nach dem Kriterium der Wertschöpfung nur die Fälle als außergebietlich einzuordnen, in denen die Gemeinde auf fremdem Gemeindegebiet Leistungen erbringt. Nur in diesen Fällen erfolgt die eigentliche Wertschöpfung auf fremdem Gemeindegebiet. Das würde dazu führen, dass das Gemeindewirtschaftsrecht viele Fälle, in denen Potential für Konflikte zwischen Gemeinden besteht, nicht umfassen würde. Das wäre misslich, aber als gesetz­ geberische Entscheidung hinzunehmen. Die Wirtschaftsbetätigung einer Gemeinde zeichnet sich regelmäßig durch zwei Elemente aus, die an verschiedenen Orten stattfinden können, aber nicht müssen654. Wirtschaftsgeschäfte können mehrere Anknüpfungspunkte in räumlicher Hinsicht haben655. Der Ort, an dem die Gemeinde zum Beispiel ein Produkt herstellt oder eine Dienstleistung anbietet, kann von dem Ort, an dem sich der Kunde befindet und das Produkt oder die Dienstleistung abruft, abweichen656. Gerade bei der Erfüllung von (gegenseitigen) Verträgen wird das Kriterium der Wertschöpfung zu Recht als nicht eindeutig empfunden, weil die Erfüllung eines Vertrages für beide Teile an unterschiedlichen Orten stattfinden kann657. Nicht alle Stimmen im Schrifttum stellen deshalb auf das Kriterium der Wertschöpfung ab. Sie sprechen nicht mehr davon, wo die Wertschöpfung stattfindet, sondern, worauf sich diese beziehe658. Die erarbeiteten Fallgruppen zeigen, dass das Wertschöpfungskriterium uneindeutig ist, wenn Leistungs- und Erfolgsort auseinanderfallen. Überzeugender ist es daher, nicht auf das Kriterium der Wertschöpfung, sondern darauf abzustellen, ob ein Element der Wirtschaftsbetätigung einen Bezug zu einer anderen Gemeinde hat. Die Betätigung ist danach außergebietlich, wenn ein Element der Wirtschaftstätigkeit formal die Gemeindegebietsgrenze überschreitet; also entweder die Tätigkeit im fremden Gemeindegebiet stattfindet (erstes Element der Wirtschaftsbetätigung) oder sich die Kunden, für welche die Leistung bestimmt ist und die die Leistung abrufen, auf fremdem Gemeindegebiet befinden (zweites Element der Wirtschaftsbetätigung)659. Das zuletzt genannte Kriterium ist aller 654

Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 50. E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsschranken der Kommunalwirtschaft, in: M. Habersack u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 1015 (1023). 656 Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 381, nennt als mögliche weitere Ansatzpunkte neben dem Ort der Leistungserbringung auch den Ort der Leistungserstellung oder -beschaffung. 657 Hierzu und zum Vorhergehenden Ehlers, Gutachten E (Fn. 515), E 95; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 50; kritisch bzgl. des Kriteriums der Wertschöpfung Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 525), § 40 Rn. 45. 658 Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 652. 659 So im Ergebnis wegen des gegenseitigen Leistungsaustausches bei sparkassenrechtlichen Passivgeschäften mit Gebietsfremden V.  Schepers, Internet-Banking und sparkassenrecht­ liches Regionalprinzip, 2003, S. 115. 655

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dings nur dann für die Außergebietlichkeit der Wirtschaftsbetätigung ausschlaggebend, wenn die Leistung überwiegend auf gebietsfremde Kunden ausgerichtet und an sie adressiert ist. Nicht ausreichend ist die bloße unbeabsichtigte Mitversorgung gebietsfremder Einwohner neben der überwiegenden Versorgung der eigenen Gemeindeeinwohner. Indem das Gemeindewirtschaftsrecht nicht jede, sondern nur eine bestimmte Form des Wirtschaftens von der Wahrung der berechtigten nachbargemeindlichen Interessen abhängig macht, fallen nur solche Betätigungen in den Anwendungsbereich der Norm, die sich typischerweise auf die nachbargemeindlichen Interessen auswirken und zu Konflikten führen. Betätigungen wirken sich typischerweise auf die nachbargemeindlichen Interessen aus, wenn entweder die Gemeinde Leistungen auf fremdem Gebiet anbietet oder Leistungen auf ihrem eigenen Gebiet erkennbar an außergebietliche Personenkreise adressiert. Zu niederschwellig ist hingegen die Betroffenheit von Nachbargemeinden, wenn die wirtschaftende Gemeinde die fremden Gemeindeeinwohner nur beiläufig mitversorgt. Gerade für den Fall der Beschränkung der an sich zulässigen Wirtschaftsbetätigung liegt es nahe, die Betätigung nicht über Gebühr, sondern nur dann einzuschränken, wenn Kunden angesprochen werden, die überwiegend in der fremden Gemeinde leben660. Die formale Betrachtung vermeidet Abgrenzungsschwierigkeiten. Auch entstehungsgeschichtlich hatte der Gesetzgeber wohl nur die Fälle vor Augen, in denen die Gemeinde aktiv die Grenze überschreitet und zum Beispiel Strom fremden Gemeindeeinwohnern anbietet oder Abfälle auf fremdem Gebiet sammelt. Angewendet auf die hier entwickelte Systematisierung stellt sich die Außer­ gebietlichkeit wie folgt dar: – Die erste Fallgruppe, in der sich die Gemeinde im eigenen Gebiet primär für ihre eigenen Einwohner betätigt und mit dieser Betätigung ungezielt Einbußen (auch) wirtschaftlicher Art bei der Nachbargemeinde bewirkt, ist von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW nicht erfasst. Bei dieser Art des Wirtschaftens im eigenen Gemeindegebiet für die eigenen Einwohner können höchstens die Auswirkungen außergebietlich sein. Nach den oben entwickelten Kriterien genügt die Außergebietlichkeit von Auswirkungen nicht für § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW. Die gesamte Wirtschaftsbetätigung – die Tätigkeit als solche und der Kunde – befinden sich ausschließlich im Gebiet der wirtschaftenden Gemeinde. Stellt zum Beispiel eine Gemeinde ein Produkt auf ihrem Gebiet her und vertreibt es ganz überwiegend an ihre eigenen Einwohner, so verbleibt die 660 Auch wenn sich die Entscheidung des OVG LSA, Urt. v. 07. 05. 2015 – 4 L 163/14, nicht auf das Außergebietlichkeitskriterium bezog, stellt die Erzeugung und die Einspeisung von Energie ein anschauliches Beispiel dar: Erzeugt eine Gemeinde Energie und dient die Energieerzeugung gerade nicht zielgerichtet der Versorgung von Abnehmern im Gemeindegebiet, sondern soll die Energie in ein überörtliches Stromnetz gegen Vergütung nach dem EEG eingespeist werden, ist die Betätigung außergebietlich, weil nicht mehr die eigenen Gemeindeeinwohner Adressaten der Leistung sind.

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vollständige Leistungskette, von der Produktion bis zum Vertrieb des Produkts an die eigenen Gemeindeeinwohner auf dem Gebiet der wirtschaftenden Gemeinde. Die Absätze 3 und 4 erfassen nicht die Fälle, in denen das Tätigwerden faktisch auf die andere Gemeinde wirkt oder ausstrahlt. – Nicht so eindeutig ist die zweite Fallgruppe zu qualifizieren, die Betätigungen erfasst, die entweder auch oder sogar ausschließlich auf die Einwohner einer anderen Gemeinde ausgerichtet sind. Die zwei Elemente der Wirtschaftsbetätigung liegen an unterschiedlichen Orten – eines in, eines außerhalb des Gebiets der wirtschaftenden Gemeinde. Das Beispiel des städtischen Theaters bildet einen solchen Fall. Soll eine Leistung im eigenen Gemeindegebiet überwiegend oder sogar ausschließlich von Einwohnern anderer Gemeinden in Anspruch genommen werden, handelt es sich nach obigen Maßstäben um eine außergebietliche Wirtschaftsbetätigung. Die Gemeinde, die das städtische Theater aktiv in einer anderen Gemeinde bewirbt oder das Leistungsangebot explizit auf auswärtige Gemeindeeinwohner zuschneidet, wirtschaftet außergebietlich. Trotz Wirtschaftsbetätigung auf dem eigenen Gemeindegebiet, handelt es sich um eine außergebietliche Wirtschaftsbetätigung. Gerechtfertigt ist die rechtliche Qualifikation solcher Tätigkeiten als außergebietlich aus zwei Gründen: Erstens kann die Wirtschaftsbetätigung die Interessen der Gemeinde berühren, deren Einwohner die wirtschaftende Gemeinde mit ihrem Leistungsangebot anspricht. Ihre Einwohner nehmen nicht mehr die Angebote der betroffenen Gemeinde wahr. Sie kann in erheblichem Umfang potentielle Kunden an die wirtschaftende Gemeinde verlieren. Nach der Konzeption der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen ist es daher angemessen, die Betätigung der wirtschaftenden Gemeinde von der Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinde abhängig zu machen. Erfüllt die wirtschaftende Gemeinde mit ihrer Betätigung auf dem eigenen Gemeindegebiet zweitens keine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft mehr, weil der Bezug zu der örtlichen Gemeinschaft fehlt, so ist die rechtliche Zulässigkeit der Betätigung ohnehin von einem gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel abhängig, der mit § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW zur Verfügung steht. Dass dann, wenn Zuständigkeiten und Kompetenzen gegebenenfalls zulasten von Nachbargemeinden erweitert werden, die wirtschaftende Gemeinde wenigstens die nachbargemeindlichen Interessen wahren muss, liegt nahe. – Die dritte Fallgruppe betrifft die Leistungserbringung der Gemeinde im fremden Gebiet an die eigenen Einwohner. Obwohl die Gemeinde ausschließlich ihre eigenen Einwohner in den Blick nimmt, findet die Wirtschaftstätigkeit auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde statt. Die Gemeinde überschreitet körperlich ihre Gemeindegebietsgrenze. Die Betätigung ist zwar nicht überörtlich, aber außergebietlich. – Am deutlichsten außergebietlich im Sinne von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW ist die vierte Fallgruppe. Sie erfasst Betätigungen, bei denen eine Gemeinde im fremden Gebiet Leistungen für fremde Gemeindeeinwohner erbringt.

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Eine Betätigung kann an mehreren Orten erfolgen: Eine Gemeinde betätigt sich wirtschaftlich, in dem sie Abfälle aus fremden Gebieten sammelt und in ihrem Gebiet sortiert661; eine Gemeinde betätigt sich wirtschaftlich, indem sie Leichentransporte in und aus ihrem Gebiet organisiert662. Unklar ist bei solchen Wirtschaftsbetätigungen, auf welche Tätigkeit es für die Beurteilung, ob diese außergebietlich sind oder nicht, ankommen soll. Die Literatur und die Rechtsprechung beschreiten verschiedene Wege: Diejenigen Stimmen, die die eigentliche Wertschöpfung für entscheidend halten, stellen entweder auf den Schwerpunkt der Wertschöpfung ab oder beurteilen die unterschiedlichen Teilwertschöpfungen separat663. Da es für die Arbeit darauf ankommt, ob sich ein Element der Wirtschaftsbetätigung auf das Gebiet einer anderen Gemeinde bezieht, bedarf es keiner Schwerpunktbetrachtung. Sobald ein Element der Betätigung in dem Gebiet einer anderen Gemeinde liegt, handelt es sich um eine außergebietliche Betätigung. Die Zulässigkeit der Betätigung hängt von den besonderen Voraussetzungen der § 107 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 S. 1 GO NRW ab. bb) Gemeindewirtschaftliches Gebietsprinzip Nach § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW darf die Gemeinde die formale Gebietsgrenze nur überschreiten, wenn sie neben den (Teil-)Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften wahrt. Daraus lässt sich e contrario folgern, dass das Gemeindewirtschaftsrecht grundsätzlich davon ausgeht, dass die Gemeinde bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung an die formalen Gebietsgrenzen gebunden ist. Die Gemeinde muss sich im Grundsatz auf ihr Gebiet beschränken, wenn sie wirtschaftet. Diese Form der gebietlichen Beschränkung kann mit dem Rechtswissenschaftsbegriff des (gemeindewirtschaftlichen) Gebietsprinzips bezeichnet werden. Das Gebietsprinzip hat der Landesgesetzgeber nicht ausdrücklich normiert und nennt es nicht bei seinem Namen. Am deutlichsten wird die grundsätzliche Gebietsbeschränkung der Wirtschaftsbetätigung, wenn die Gemeindeordnung die nach Absatz 1 zulässige Grenzüberschreitung bei formalem Übertritt in fremdes Gebiet weiter einschränkt und von der nachbargemeindlichen Interessenwahrung abhängig macht. Gleiches gilt dort, wo der Gesetzgeber ansonsten die Betätigung 661

OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031. VG München, Urt. v. 27. 09. 2007 – M 12 K 06.2141. 663 Auf den Schwerpunkt der Betätigung stellen ab Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 178; Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 149; T. Bauer u. a., in: ders. u. a. (Hrsg.), Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Bd. I, Art. 87 (Juni 2016), Anm. 4.1; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 21. 03. 2006 – 2 A 11124/05.OVG, LKRZ 2007, 22 (23). Für eine getrennte Beurteilung, ohne Schwerpunktbetrachtung plädiert bspw. das OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1034); ebenfalls gegen eine Schwerpunktbetrachtung H. Meyer, Nichtwirtschaftliche Betätigung der Kommunen: Spiel ohne Grenzen?, in: LKV 2000, S. 321 (323); kritisch auch Ehlers, Entwicklung (Fn. 546), S. 461. 662

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gem. § 107 Abs. 2 GO NRW weitgehend von den gemeindewirtschaftlichen Restriktionen freistellt. b) Einfachrechtliches Gebietsprinzip als Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung Die Gemeindeordnung reagiert durch die normative Verankerung des Gebietsprinzips auf Konflikte zwischen Gemeinden664. Gemeinden dürfen nur unter besonderen, auf die Wahrung von nachbargemeindlichen Interessen ausgerichteten Voraussetzungen über das eigene Gebiet hinaus wirtschaften. Die Gemeindeordnung erschwert Gemeinden rechtlich, dass sie sich in einen fremdgemeindlichen Wirtschaftsraum begeben665. Der „feindliche[n] Übernahme“666 bestimmter wirtschaftlicher Betätigungen, welche die betroffene Gemeinde rechtlich auch hätte selbst erledigen können oder welcher sie sich bewusst nicht annahm, setzt die Gemeindeordnung die Pflicht zur Wahrung nachbargemeindlicher Interessen entgegen. aa) Gemeindewirtschaftliche Interessenwahrungsklausel Zentrales Schlichtungsinstrument von Konflikten zwischen wirtschaftenden Gemeinden und den von diesen Betätigungen betroffenen Nachbargemeinden ist also die Pflicht der wirtschaftenden Gemeinden, die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften zu wahren. Zu den kommunalen Gebietskörperschaften gehören selbstverständlich die Gemeinden, vgl. § 1 Abs. 2 GO NRW667. Das Gesetz lässt den Leser aber über den genauen Inhalt der Voraussetzungen der Interessenwahrung im Unklaren668. Alle Voraussetzungen sind eng miteinander verknüpft, lassen sich aber (analytisch) trennen669. Besonders der 664

Das Gebietsprinzip ist kein Rechts-, sondern ein Rechtswissenschaftsbegriff, der ein Normenensemble beschreibt, aus dem sich eine gebietliche Beschränkung gemeindewirtschaftlicher Betätigung ergibt. 665 Zur unvermeidlichen Folge interkommunaler (treffender wohl intergemeindlicher) Konflikte bei einer örtlich uneingeschränkten kommunalen Betätigung Knauff, Kommunal­ wirtschaft (Fn. 519), S. 146. 666 Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.3.2. 667 Allgemein zum Begriff der Gebietskörperschaft A.  Günther / V.  Hassel, s. v. Gebiets­ körperschaft, in: Institut für Kommunal- und Verwaltungswissenschaften Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf (Hrsg.), Kommunal-Lexikon von A–Z, 1991, S. 66; Burgi, Kommunalrecht (Fn. 515), § 5 Rn. 2. 668 H. Köhler, Das neue kommunale Unternehmensrecht in Bayern, in: BayVBl. 2000, S. 1 (9); zu der wortgleichen bayerischen Fassung N. Schulz, in: ders. u. a. (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht Bayern, Art. 87 (Mai 2009), Anm. 4.3. 669 Auch Köhler, Unternehmensrecht (Fn. 668), S. 9, sowie Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 76 f., trennen die unterschiedlichen Aspekte der sog. Interessenklausel des § 107 III 1 GO NRW voneinander.  – Eine ganz ähnliche Systematik findet sich z. B. bei der Rücknahme von begünstigten Verwaltungsakten im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, konkret

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zuletzt genannte Normbestandteil der Wahrung bedarf eingehender Betrachtung. Durch die Normierung der Pflicht zur Wahrung berechtigter Interessen der betroffenen Gemeinde hebt der Gesetzgeber hervor, dass nicht jede Interessenartikulation jeder beliebigen Gemeinde die Wahrung der widerstreitenden Interessen erzwingt. Gelegentlich werden die verschiedenen Aspekte nicht hinreichend klar voneinander getrennt. Der Grund dafür dürfte wohl darin liegen, dass sich die einzelnen Merkmale nicht strikt trennen lassen und sich in Teilen überlappen. Ähnlich wie bei der Bestimmung der Außergebietlichkeit einer konkreten Betätigung, arbeitet die Literatur mit Fallgruppen, ohne abstrakte Maßstäbe für die einzelnen Tatbestandsmerkmale zu entwickeln. Knapp wird häufig die Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen Gebietskörperschaft verneint, wenn die Wirtschaftsbetätigung auf einem Feld erfolgt, auf dem sich die Nachbargemeinde selbst (zulässigerweise) wirtschaftlich betätigt670 oder sich in absehbarer Zeit (zulässigerweise) selbst wirtschaftlich betätigen möchte und aus diesem Grund mit der Konkurrenz nicht einverstanden ist671. Die bloße Abwehr von Konkurrenz ohne eigene Wirtschaftsbetätigung hingegen stelle, so heißt es, kein die Expansion hinderndes berechtigtes Interesse dar672. Wo liegt aber der Unterschied zwischen einer zulässigen eigenen Wirtschaftsbetätigung und der bloßen Abwehr von Kon­ kurrenz? Bedingt nicht zwangsläufig die eigene wirtschaftliche Betätigung, dass das Unternehmen den Kräften des Marktes ausgesetzt ist und sich daher der Konkurrenz anderer Unternehmen stellen muss673? Es zeigt sich, dass der Topos „kein Schutz vor bloßer Konkurrenz“ keinen brauchbaren Maßstab für die Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung bietet. (1) Interessen der betroffenen Gemeinde Nicht jede Nachbargemeinde zählt zu dem Kreis der beachtlichen Interessenträger, sondern nur die „betroffenen“ Gemeinden im Sinne der § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1  GO NRW. Betroffen ist die Nachbargemeinde dann, wenn die in § 48 II 1 Hs. 2 VwVfG. Bevor nicht geklärt ist, ob überhaupt auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut wurde, brauchen sich keine Gedanken darüber gemacht werden, ob das Vertrauen auch schutzwürdig war Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 11 Rn. 30 ff.; allgemein zu den Voraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips A. Fuhrmanns, Vertrauensschutz im deutschen und österreichischen öffentlichen Recht, 2004, S. 68 ff. 670 Exemplarisch Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 296; Ehlers, Entwicklung (Fn. 546), S. 461. 671 Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 151; Schulz (Fn. 668), Art. 87 Anm. 4.3. 672 Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1037; Zacharias, Betätigung (Fn. 557), S. 276; Hellermann / Wieland, Betätigung (Fn. 584), S. 134; Ehlers, Gutachten  E (Fn. 515), E  98; Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.3.2. 673 Die Frage wird auch von Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 84 f., aufgeworfen; Hellermann / Wieland, Ausweitung (Fn. 622), S. 19, gehen davon aus, dass sich die gemeindliche Wirtschaftsbetätigung ohnehin im Wettbewerb vollziehe und insgesamt keinen Schranken unterliege. Konsequenterweise ist daher auch der Schutz vor Konkurrenz ausgeschlossen.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Möglichkeit der Verletzung von berechtigten Interessen der Gemeinde besteht, also sich die Aktivität der wirtschaftenden Gemeinde auf sie auswirkt oder potentiell auswirken kann. Ganz ähnlich ist das Merkmal „benachbart“ in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu verstehen. Wegen des Merkmals der betroffenen Gebietskörperschaft ist eine außergebietliche Wirtschaftsbetätigung dann unbedenklich, wenn die Betätigung auf gemeindefreiem Gebiet erfolgt674. In diesen Fällen scheidet ein Konflikt zwischen Gemeinden in der Regel aus, weil keine andere Gemeinde als Trägerin von Interessen vorhanden ist. Das gilt dann nicht, wenn Leistungen an die Einwohner anderer Gemeinden auf gemeindefreiem Gebiet erbracht werden sollen. Eine wirtschaftliche Betätigung von zwei Gemeinden auf dem identischen gemeindefreien Gebiet ist aber erstens nicht nur rechtspraktisch unwahrscheinlich, sondern wird zweitens von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW nicht erfasst, weil in der Regel keine Interessenträgerin vorhanden ist675. Gleichfalls ist keine Gemeinde betroffen, wenn die außergebietliche Aktivität auf dem Gebiet einer ausländischen Gemeinde stattfindet. Anders als im Fall der Gemeindefreiheit ist zwar eine Gemeinde vorhanden, diese unterfällt allerdings nicht der (deutschen) Rechtssetzungsgewalt des Landes, sodass die Gemeindeordnung keine Anwendung auf diese Gemeinde findet. Es liegt damit kein Betroffensein im Sinne der Gemeindeordnung vor676. Bekräftigt wird dieser Befund durch das Gesetz selbst: Es macht Auslandsaktivitäten nicht von der Wahrung berechtigter Interessen abhängig, vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 3 GO NRW. Problematisch ist, ob es sich auch bei einer Gemeinde eines anderen (Bundes-)Landes um eine betroffene kommunale Gebietskörperschaft im Sinne der § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW handelt. Gemeinden fremder Länder sind Gebietskörperschaften im Sinne der Gemeindeordnung, auch wenn sie selbst keinen Bindungen der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-West 674

Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 141; m. w. N. Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 412; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 80. 675 Die rechtspraktische Unwahrscheinlichkeit einer wirtschaftlichen Betätigung auf gemeindefreiem Gebiet beruht auf der wirtschaftlichen Unattraktivität dieser Gebiete, zu denen etwa die Alpen, große Waldgebiete oder Truppenübungsplätze zählen, W. Thieme, Die Gliederung der deutschen Verwaltung, in: Mann / P üttner, HdKWP I (Fn. 93), § 9 Rn. 65; einen Überblick über die gemeindefreien Gebiete bspw. in Bayern bietet die Statistik des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, vgl. Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (Hrsg.), Geodaten der deutschen Landesvermessung. Verwaltungsgebiete 1 : 250 000 VG250 und VG 250-EW, Stand der Dokumentation 01. 12. 2017, Stand der Anlagen 02. 05. 2018, Anlage D A-8. Denkbar ist allerdings auch hier, dass eine Gemeinde dort z. B. Holzabbau betreiben möchte. – Sollte es dennoch zu einem Konflikt zwischen Gemeinden auf gemeindefreiem Gebiet kommen, weil zwei oder mehr Gemeinden sich auf ihm betätigen wollen, mag dies in besonders gelagerten Ausnahmefällen unzulässig sein. Etwas anderes gilt unter Umständen dann, wenn eine der Gemeinden ohne die Betätigung auf gemeindefreiem Gebiet existenziell gefährdet ist. Ob dann § 107 III 1 und IV 1 GO NRW die richtigen Instrumente bieten, sei dahingestellt. 676 Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 141; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 80; ausländische Gemeinden können sich auch nicht auf Art. 28 GG berufen J. Wolff, Verfassungs- und europarechtliche Fragen der wirtschaftlichen Betätigung deutscher Kommunen im Ausland, in: DÖV 2011, S. 721 (723).

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falen unterliegen. Die Landesgesetzgeber können den Rechtsbegriff der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften auch auf bundeslandfremde Gemeinden ausdehnen. Es ist den Landesgesetzgebern aus kompetentiellen Gründen nicht verwehrt, den eigenen Gemeinden zum Schutz bundeslandfremder Gemeinden Pflichten aufzuerlegen677. Hingegen sind die Landesgesetzgeber daran gehindert, die Gemeinden anderer (Bundes-)Länder zur Wahrung der Interessen eigener Gemeinden zu verpflichten678. (2) Gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie als Maßstab für berechtigte (nachbar-)gemeindliche Interessen Die Ermittlung der Interessen der betroffenen Gemeinde bereitet in der Regel kaum Probleme. Geht es zunächst nur um die Ermittlung der Interessen der betroffenen Gemeinde, sind alle denkbaren Belange ohne Rücksicht darauf einzubeziehen, ob diese Interessen legitim oder illegitim, berechtigt oder unberechtigt, sowie rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sind679. Das Interesse ist an sich begrifflich weiter zu fassen als das (formale) Recht680. Um bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts von eigenen Interessen sprechen zu können, bedarf es aber einer normativen Zuordnung von Allgemeinwohlinteressen zu der juristischen Person. Qua normativer Zuordnung wird aus einem Allgemeinwohlbelang (auch) ein Belang der juristischen Person des öffentlichen Rechts681. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW grenzen die Interessen weiter ein, indem diese berechtigt sein müssen. Der Normtext schweigt darüber, wann und warum Interessen berechtigt sind. Unterschiedliche Gesetze verwenden die Wörter „berechtigte Interessen“682 in unterschiedlichen Zusammenhängen, sodass es keine universellen Maßstäbe dafür gibt, wann Interessen berechtigt oder unberechtigt sind. Als Rechtsbegriff setzen Interessen, um berechtigt zu sein, eine rechtliche Bewertung anhand konkreter, zuvörderst der Gemeindeordnung zu entnehmender 677

Zu den kompetentiellen Grenzen des Gesetzgebers, einerseits landesfremde Gemeinden in das Schutzregime einzubeziehen, ihnen andererseits selbst Pflichten aufzuerlegen 3. Teil B. II. 2. a) aa) (3) (a) (S. 436 ff.). 678 Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn Gemeinden fremder Bundesländer in das Hoheitsgebiet eines anderen Landes körperlich übertreten, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. 679 Ausdrücklich hervorgehoben werden von Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 151; Schulz (Fn. 668), Art. 87 Anm. 4.3, die wirtschaftlichen Interessen. 680 Schulz (Fn. 668), Art. 87 Anm. 4.3; Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 151. 681 Ein Interesse kann danach streng genommen nur ein solches sein, das der Gemeinde als juristischer Person von Rechts wegen zugewiesen wurde, zum Bauplanungsrecht Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 533. Insoweit bestehen gewisse Überschneidungen mit der Frage, ob es sich um ein „berechtigtes“ Interesse der Gemeinde handelt, vgl. dazu unter 2. Teil A. I. 2. a) bb) (3) (b) (S. 123) sowie 2. Teil A. I. 2. b) aa) (1) (c) (S. 142 f.). 682 Bspw. sprechen § 14 UrhG, § 573 I 1 BGB oder § 68 III 1 SGB VIII von „berechtigten Interessen“.

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Maßstäbe voraus683. Das belegt auch § 107a Abs. 3 S. 2 GO NRW, der umgekehrt bestimmt, welche Interessen rechtlich irrelevant, also unberechtigt sind. Nach § 2 GO NRW sind Gemeinden die ausschließlichen und eigenverantwort­ lichen Träger der öffentlichen Verwaltung. § 2 GO NRW weist den Gemeinden einen Bestand an Aufgaben zu, der jedenfalls auch den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (mit-) umfasst684. Ein berechtigtes Interesse hat die Gemeinde daher in jedem Fall dann, wenn ihr Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – aufgegriffen durch § 2 GO NRW – die Aufgabe verbürgt. Betrifft die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde eine in den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde fallende Aufgabe, steht dieser ein berechtigtes Interesse zu. Entweder nimmt die wirtschaftende Gemeinde eine Aufgabe wahr, die von der betroffenen Nachbargemeinde selbst verfassungsrechtlich wahrgenommen werden dürfte – es tritt eine Wahrnehmungskonkurrenz ein. Oder die Wirtschaftsbetätigung kann eine von der Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung geschützte Aufgabe der Nachbargemeinde auf eine andere Weise als durch die Wahrnehmungsan­ maßung (Usurpation) beeinträchtigen. Ganz ähnlich liest man in der Literatur, dass jedenfalls solche Interessen der betroffenen Gemeinde berechtigt seien, die zu den verfassungsrechtlichen Garantieelementen der kommunalen Selbstverwaltung zählen685. Mit der Pflicht zur Wahrung der berechtigten Interessen der Nachbargemeinde, so heißt es, trage das Gemeindewirtschaftsrecht dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinde Rechnung686. Für das Gemeindewirtschaftsrecht kommt es aber nicht darauf an, ob die Selbstverwaltungsgarantie zwischengemeindlich wirkt. Das Schrifttum begründet die Pflicht zur Interessenwahrung teilweise mit der Wirkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie im zwischengemeindlichen Verhältnis687. Die Wirkung der Selbstverwaltungsgarantie im Verhältnis zwischen Gemeinden ist voraussetzungsvoll. Das Gemeindewirtschaftsrecht rezipiert in § 2 GO NRW unter anderem die verfassungsrechtlich geschützten Gemeindeinteressen und verpflichtet mit § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GG die Gemeinden im Verhältnis zueinander, sie zu achten. Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist der Kreis abstrakt beachtlicher Interessen im Gemeindewirtschaftsrecht damit größer. § 107 GO NRW schränkt die 683

Dazu etwa Köhler, Unternehmensrecht (Fn. 668), S. 9; Leder, Kohärenz (Fn. 525), S. 180. § 2 GO NRW knüpft an die landesverfassungsrechtliche Garantie des Art. 78 II LVerf NRW an und geht über die Garantie des Art. 28 II 1 GG hinaus, schließt aber den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft mit ein Heusch (Fn. 568), § 2 Rn. 1. 685 Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 180; Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 47; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 96. 686 Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 180; Pielow, Gemeindewirtschaft (Fn. 549), S. 373, geht sogar davon aus, dass die Wahrung der berechtigten Interessen der Gemeinde „allenfalls eine deklaratorische, wenn auch eine wünschenswerte appellative Funktion“ habe. 687 Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 76; T.  Dünchheim / F.-J. Schöne, Privat vor Staat? – Die Novelle des kommunalen Wirtschaftsrechts in NRW, in: DVBl. 2009, S. 146 (153). 684

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Interessen nicht sachbereichsspezifisch ein. Etwas anderes gilt für § 107a Abs. 3 S. 2 GO NRW, wonach bei der Versorgung mit Strom und Gas nur die Interessen als berechtigt gelten, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. Nach dem zwischengemeind­lichen Abstimmungsgebot ist die planende Gemeinde nur verpflichtet, städtebaulich relevante Belange in ihre Planungsentscheidung nach den Maßstäben zwischengemeindlicher Abwägung einzubeziehen und sie gegeneinander (bikriteriell) abzuwägen. Für alle anderen Belange, die der Gemeinde rechtlich – auch kraft Verfassungsrechts – zugewiesen sind, verpflichtet das Gesetz zu keiner bikriteriellen Abwägung. Erst § 1 Abs. 7 BauGB zieht den Kreis der in die Entscheidung abstrakt einzubeziehenden Interessen weiter und verpflichtet die planende Gemeinde auch nicht-städtebauliche Belange in die Planungsentscheidung einzustellen. § 1 Abs. 7 BauGB vermittelt aber Gemeinden keine wehrfähige Rechtsposition. Für das Gemeindewirtschaftsrecht muss das Interesse, das die fremdgemeindliche Wirtschaftsbetätigung tangiert, (nur) in der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben und damit den Gemeindeeinwohnern der Nachbargemeinde gerade als solchen gemeinsam sein, indem es das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Nachbargemeinde betrifft688. Für ausländische Gemeinden bedeutet das, dass diese entweder nicht im Rechtssinne betroffen sind689 oder aber für sich keine berechtigten Interessen in Anspruch nehmen können690. Wie eingangs beschrieben, verschwimmt an dieser Stelle das Gesetzesrecht mit dem Verfassungsrecht, ohne jedoch die Ebenenverschiedenheit beider Rechtsschichten aufzuheben. Wird eine Gemeinde wirtschaftlich tätig und erfüllt im Zuge dieser Tätigkeit eine Aufgabe, die zu ihrem verfassungsrechtlichen Aufgabenbestand zählt, so schränken § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW die Wirtschaftsbetätigung der handelnden Gemeinde zunächst ein. Die ‚eingeschränkt gemeindeinterne Betätigung‘ ist gleichwohl in der Regel zulässig, denn der betroffenen Nachbargemeinde steht oft kein berechtigtes Interesse zu, das sie der Wirtschaftsbetätigung der wirtschaftenden Gemeinde in Erfüllung ihrer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft entgegenhalten könnte. Die identische Aufgabe ist nicht mehr zugleich eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der betroffenen Nachbargemeinde691. Zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der einen Gemeinde gehört nicht mehr, was die Verfassung ausdrücklich einer anderen Gemeinde zuweist692. 688

Locus classicus BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (151 f.) – Rastede. 689 Dazu bereits unter 2. Teil A. II. 2. b) aa) (1) (S. 213 ff.). 690 Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 3. 691 Das sieht anders U. Cronauge, Benötigen die Kommunen ein neues Gemeindewirtschaftsrecht?, in: der gemeindehaushalt 1997, S. 265 (268). 692 OVG NRW, Urt. v. 19. 01. 1995 – 15 A 569/91, NVwZ 1995, 718 (718 f.); Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 2.2; zu Mehrfachzuständigkeiten J. Oebbecke, Mehrfachzuständigkeiten in der Verwaltung als Verfassungsproblem, in: W. Küper / J. Welp (Hrsg.), Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, S. 1119 (1119 ff.); eingehender dazu 2. Teil B. I. 1. a) (S. 316 ff.).

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Die betroffene Gemeinde kann sich ihrerseits folglich hinsichtlich derselben Aufgabe nicht auf die Selbstverwaltungsgarantie berufen. Betreibt eine Gemeinde ein Landschulheim im fremden Gebiet, stehen der betroffenen Gemeinde keine eigenen, ihr normativ zugeordneten Interessen zur Seite. Sie selbst könnte das Landschulheim gestützt auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht betreiben, weil sie damit keine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllen würde. Eine Beeinträchtigung „berechtigter Interessen“ der betroffenen Nachbargemeinde scheidet in der Regel aus693. In einigen Fällen, in denen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde für rechtlich zulässig erachtet wird, fehlt es damit schon an einem berechtigten Interesse der Nachbargemeinde. Etwas anderes gilt dann, wenn die ‚eingeschränkt gemeindeinterne Betätigung‘ der wirtschaftenden Gemeinde andere Selbstverwaltungsaufgaben der Nachbargemeinde beeinträchtigt. Neben diesem einschränkenden Regelungsgehalt erweitern § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW den Bereich zulässigen gemeindlichen Handelns, indem der Landesgesetzgeber den Gemeinden einen weiteren Zuständigkeits- und Kompetenztitel schafft. Die landesgesetzliche Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung geht oft zulasten derjenigen Gemeinde, auf deren Gebiet die Wirtschaftsbetätigung erfolgt. Hier kann sich die betroffene Gemeinde in aller Regel selbst zulässigerweise in Erfüllung einer Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen. Gestützt auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wäre die nachbar­ gemeindliche Wirtschaftsbetätigung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ in Verfolgung eines öffentlichen Zwecks zulässig. Schafft der Gesetzgeber einen weiteren Zuständigkeits- und Kompetenztitel, bestehen für dieselbe Aufgabe zwei Zuständigkeiten: Die Nachbargemeinde darf sich gestützt auf Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG, die wirtschaftende Gemeinde außergebietlich und überörtlich gestützt auf § 107 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 S. 1 GO NRW i. V. m § 107 Abs. 1 GO NRW betätigen694. Der Nachbargemeinde kommt in den Fällen der gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung zugunsten der wirtschaftenden Gemeinde regelmäßig ein berechtigtes Interesse zu, das die wirtschaftende Gemeinde wahren muss695. Schwierig sind die Fälle, in denen sich etwa die Nachbargemeinde selbst zulässig außergebietlich betätigt, jedoch damit keine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt. Sollte die wirtschaftende Gemeinde zwar außergebietlich tätig

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In diesem Sinne stellte das VG München, Urt. v. 27. 09. 2007 – M 12 K 06.2141, juris Rn. 108, das zuvor annahm, dass die Rückführung verstorbener Einwohner zurück in das Gemeindegebiet eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sei, lapidar fest: „[W]eshalb die berechtigten Interessen derjenigen kommunalen Gebietskörperschaften, aus bzw. durch deren Gebiet die Zurückbeförderung auswärts verstorbener Einwohner […] erfolgt, verletzt sein sollten“, sei „nicht ersichtlich“. 694 Wohl Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 204. 695 Die Gesetzesbegründung nannte die eigene zulässige Wirtschaftsbetätigung der betroffenen Gemeinde LT-Drs. NRW 12/3730, S. 108; für eine vergleichbare Regelung ließ die Gesetzesbegründung zur sachsen-anhaltischen Regelung auch die Absicht der Gemeinde ausreichen, sich wirtschaftlich betätigen zu wollen LT-Drs. LSA 3/3022, S. 25.

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werden, dabei aber noch eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllen, so ist die eigene wirtschaftliche Betätigung der Nachbargemeinde gestützt auf die einfachgesetzliche Kompetenzerweiterung durch § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW ein berechtigtes Interesse. (3) Konfliktbewältigung durch „Interessenwahrung“ Berührt die Betätigung der wirtschaftenden Gemeinde die berechtigten Inte­ ressen der betroffenen Gemeinde, führt allein das Berühren der berechtigten Interessen nicht zu ihrer rechtlichen Unzulässigkeit. Negativ formuliert ist die grenzüberschreitende Gemeindewirtschaft rechtlich nur dann unzulässig, wenn sie die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinde nicht mehr wahrt. Weder die wenigen Gerichtsentscheidungen, die sich mit § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW auseinandersetzen, noch die Kommentarliteratur tragen etwas zu der Entwicklung einer aussagekräftigen Dogmatik der Interessenwahrung im Gemeindewirtschaftsrecht bei696. Bei unbefangener Betrachtung könnte man meinen, dass von einer Interessenwahrung ernstlich nur dann gesprochen werden kann, wenn den Interessen der Nachbargemeinde entsprochen wird. Das Wort „wahren“ umfasst mehrere Begriffe, die selbst wieder mehrdeutig sind. „Wahren“ kann lexikalisch so viel bedeuten wie „etwas aufrechterhalten, nicht verändern, bewahren“. Es kann aber auch bedeuten, „nicht antasten, schützen oder verteidigen“697. Beide denkbaren Begriffe führen zu erheblich voneinander abweichenden Anforderungen an die Zulässigkeit gemeindewirtschaftlicher Betätigung. Versteht man „wahren“ eher im Sinne von „aufrechterhalten, nicht verändern oder bewahren“, dann scheint bereits jede nachteilige Veränderung der nachbargemeindlichen Position dazu zu führen, dass die wirtschaftende Gemeinde nachbargemeindliche Interessen nicht mehr wahrt. Demgegenüber scheint mit Ausnahme des ähnlich strikten Synonyms „nicht antasten“ die Beschreibung des Inhalts des Wortes „wahren“ mit „schützen“ oder „verteidigen“ weniger streng zu sein. Versteht man „wahren“ in diesem Sinne, so scheint das Gesetz auch zuzulassen, dass nachbargemeindlichen Interessen nicht voll entsprochen wird698. Die Pflicht der Gemeinde, Interessen der Nachbargemeinde zu wahren, ist einerseits nicht schon dann verletzt, wenn die Betätigung

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OVG NRW, Beschl. v. 01. 04. 2008 – 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1034); VG München, Urt. v. 27. 09. 2007 – M 12 K 06.2141, juris Rn. 108. 697 Munzinger Online / Duden, s. v. wahren, in: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl. 2012, abrufbar unter: www.munzinger.de/search/document?index=duden-dd&id=DD 00010169&type=text/html&query.key=gNv7zbqz&template=/publikationen/duden/document.jsp #DD0000182074 (zuletzt abgerufen am 21. 11. 2020). 698 Ähnlich mehrdeutig ist der Begriff „berühren“ in Art. 79 III GG. Man könnte „berühren“ auch in der Weise verstehen, dass bereits jede nachteilige Veränderung der in Art. 79 III GG genannten Prinzipien diese „berührt“. Die überwiegend vertretene Meinung versteht „berüh-

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nachbargemeindliche Interessen berührt. Sie verletzt andererseits nicht die Pflicht, die Interessen der Nachbargemeinde zu wahren, wenn ihnen nicht voll entsprochen wird699. Wahren ist qualitativ etwas anderes als das Verbot, Interessen zu tangieren oder das Gebot, Interessen vollständig zu entsprechen. Teilen des Schrifttums zufolge ist die außergebietliche Wirtschaftsbetätigung nur dann rechtlich zulässig, wenn die von der Wirtschaftsbetätigung betroffene Gemeinde der Betätigung zustimmt700. Das Merkmal der Interessenwahrung wäre daher als ein striktes Zustimmungserfordernis zu verstehen. Die wirtschaftliche Betätigung der anderen Gemeinde wäre so regelmäßig rechtlich verboten, weil nur in den wenigsten Fällen gemeindlicher Konkurrenzsituationen die betroffene Gemeinde ihre Zustimmung erteilen wird. Die Deutung des Erfordernisses der Interessenwahrung als Zustimmungserfordernis ist in der Sache gleichbedeutend mit dem Erfordernis, dass die wirtschaftende Gemeinde den Interessen der Nachbargemeinde voll entsprechen muss. Misslich ist, dass die Stellungnahmen nicht die unterschiedlichen Regelungsgehalte von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW oder vergleichbarer Regelungen unterscheiden. Soweit ersichtlich betreffen die Beiträge, welche ein Zustimmungserfordernis postulieren, ausschließlich die Konstellationen, in denen durch Landesgesetz der Zuständigkeits- und Kompetenzbereich über den Aufgaben­ bestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus erweitert werden soll. Weder § 107 Abs. 3 S. 1 noch Abs. 4 S. 1 GO NRW setzen im Normtext die Zustimmung der Nachbargemeinde voraus. An anderer Stelle verwendet die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ausdrücklich „Zustimmung“ oder „zustimmen“ (§ 3 Abs. 3, § 41 Abs. 1 lit. h, § 83 Abs. 1 und 2, § 87 Abs. 3, § 103 Abs. 5, § 108 Abs. 6 lit. a, § 111 Abs. 2, § 114 Abs. 7 S. 5 GO NRW). Vereinzelt räumen auch diejenigen Autoren, die grundsätzlich die Zustimmung der betroffenen Gemeinde für erforderlich halten, ein, dass ausnahmsweise die Betätigung ohne Zustimmung rechtlich zulässig sein kann, wenn wichtige Gemeinwohlbelange die ren“ demgegenüber deutlich restriktiver. „Berührt“ ist ein in Art. 79 III GG genanntes rechtliches Prinzip nur dann, wenn es prinzipiell preisgegeben werde, M. Kment, in: H. D. Jarass /  B.  Pieroth (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 79 Rn. 10. 699 Zutreffend Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 76 f.; so auch Uechtritz / Otting / Olgemöller, Voraussetzungen (Fn. 565), § 6 Rn. 47. 700 Lux, Wirtschaftsrecht (Fn. 564), S. 10; R. Grawert, Kommunale Wirtschaftsbetätigung im System eines unverfälschten Wettbewerbs, in: C. Reichard (Hrsg.), Kommunen am Markt, 2001, S. 9 (25, 38 Nr. 24); Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 400, 419, 421, die den Verzicht auf die Zustimmung der Nachbargemeinde für verfassungsrechtlich bedenklich hält und ihre Verfassungsmäßigkeit für „mehr als zweifelhaft“ erachtet; Stüer / Schmalenbach, Rechtsgrundlagen (Fn. 564), S. 168. Die Anforderungen, die an die Zustimmung der betroffenen Gemeinde gestellt werden, werden nicht einheitlich beurteilt. Jedenfalls muss gefordert werden, dass die Zustimmung inhaltlich und zeitlich hinreichend bestimmt ist Dünchheim / Schöne, Staat (Fn. 687), S. 153. – Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 80 ff., ausdrücklich S. 83, ordnet die Zustimmung der Frage zu, ob die Gemeinde überhaupt betroffen ist; ein Betroffensein scheide bei vorhandener Zustimmung a priori aus.

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Belange der betroffenen Gemeinde überwiegen701. Versage die Nachbargemeinde die Zustimmung willkürlich, so stehe die fehlende Zustimmung der Nachbargemeinde der rechtlichen Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung gleichfalls nicht entgegen702. Andere nehmen an, dass die Verweigerung der Zustimmung nur dann Bedeutung habe, wenn sie durch berechtigte Interessen der Nachbargemeinde fundiert sei. Diese Ansicht ist wohl gleichbedeutend damit ist, dass die Versagung der Zustimmung nicht willkürlich erfolgen dürfe703. Das Kriterium der Willkür deutet allerdings zusätzlich noch auf ein Missbrauchsmoment hin. Wenn die Versagung willkürlich erfolgt, dann sind berechtigte Interessen der betroffenen Gemeinde nicht denkbar, sodass das Kriterium der willkürlichen Verweigerung der Zustimmung als eigenständige Kategorie bedeutungslos ist. Für Teile des Regelungsgehalts von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW schießt das Zustimmungserfordernis über das Ziel hinaus, nachbargemeindliche Interessen zu schützen. Für den erweiternden Regelungsgehalt hat es jedoch seine Berechtigung. Hier ist eine Differenzierung nach den unterschiedlichen Regelungsgehalten von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW angezeigt. Leitend für diese Differenzierung sind verfassungsrechtliche Erwägungen, die sich an dieser Stelle der Untersuchung nur bedingt abbilden lassen704. 701

Scharpf, Rechtsprobleme (Fn. 586), S. 151, geht davon aus, dass die berechtigten Interessen nur dann gewahrt sind, wenn die betroffene Gemeinde zustimmt. Einschränkend lässt er aber auch zu, dass bei dem Fehlen einer Zustimmung der betroffenen Gemeinde die Grenzüberschreitung dann zulässig ist, wenn „ein anderes wichtiges Gemeinwohlinteresse gegeben ist, das so stark ist, dass es gegenüber dem Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinde überwiegt.“ 702 Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1033; auch Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), 400, wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die betroffene Gemeinde ihre Zustimmung versagen darf und wann ihre Interessen als berechtigt gelten. Diese Ansicht überzeugt nicht, denn es scheint zu einer Beweislastumkehr zulasten der betroffenen Gemeinde zu führen: Sie muss beweisen, dass ihre Interessen berechtigt sind und sie deshalb zu Recht die Zustimmung versagte. Diese Sicht irritiert, denn nicht die betroffene Gemeinde muss darlegen, dass sie berechtigte Interessen hat, von der Wirtschaftsbetätigung verschont zu bleiben, sondern umgekehrt muss die wirtschaftende Gemeinde darlegen, dass sie die berechtigten Interessen der betroffenen Nachbargemeinde wahrt. Treffend im darauffolgenden Satz bemerkt Brosius-Gersdorf, dass die wirtschaftende Gemeinde die rechtfertigenden Gründe darlegen muss; zum letzten Aspekt auch Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179 f. 703 Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 3. 704 Eine andere Frage ist, ob der Gesetzgeber die Wirtschaftsbetätigung aus verfassungsrechtlichen Gründen auch normtextlich von einer Zustimmung der Nachbargemeinde hätte abhängig machen müssen: § 107 III 1 GO NRW unterscheidet hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Normtext nicht, ob der wirtschaftenden Gemeinde eine Betätigung jenseits ihrer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft einfachgesetzlich ermöglicht wird oder ob § 107 III 1 GO NRW die an sich zulässige Wirtschaftsbetätigung, welche sich auf den verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand des Art. 28 II 1 GG stützen kann, zum Schutz einer anderen Gemeinde einschränkt. Zum Teil plädiert das gemeindewirtschaftliche Schrifttum für eine verfassungskonforme Auslegung oder Reduktion von Normen im Stile des § 107 III 1 GO NRW. Für eine verfassungskonforme Reduzierung der Gebietsklausel tritt ein Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2596; ebenso Stüer / Schmalenbach, Rechtsgrundlagen (Fn. 564), S. 168. Sie differenzieren jedoch nicht zwischen den unterschiedlichen Regelungsgehalten der Regelungen

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Wenn § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich der Gemeinden nicht erweitern, müssen die mit der wirtschaftlichen im Stile von § 107 III 1 GO NRW. Sie haben in aller Regel nur den handlungsraumerweiternden Regelungsgehalt im Blick. Ob eine verfassungsorientierte Auslegung erforderlich ist, kann die Untersuchung ohne eine eingehende verfassungsrechtliche Analyse an dieser Stelle der Untersuchung (noch) nicht leisten. Erst nachdem genauere Kenntnisse des verfassungsrechtlichen Anforderungsprofils für die gemeindewirtschaftlichen Regelungen vorhanden sind, kann die Untersuchung beantworten, wie eine verfassungsorientierte Auslegung von § 107 III 1 GO oder vergleichbarer Regelungen auszusehen hat und ob es ihrer bedarf. Dennoch ist es das Anliegen der Untersuchung, schon jetzt überzeugend Normerkenntnisfragen des § 107 III 1 GO NRW zu beantworten. Die Untersuchung steht vor nicht ausräumbaren (darstellerischen) Schwierigkeiten. Wie die anschließende verfassungsrechtliche Fundierung zwischengemeindlicher Konfliktbewältigungsinstrumente nämlich zeigt, ist eine Auslegung der Interessenwahrungsklausel, die unterschiedslos keine Zustimmung einfordert, verfassungsrechtlich problematisch. Die Bedenken, welche im Schrifttum gegenüber § 107 III 1 GO NRW erhoben werden, haben Art. 28 II 1 GG für den erweiternden Regelungsgehalt der Normen im Stile von § 107 III 1 GO NRW auf ihrer Seite. Nur wenn man die unterschiedlichen Regelungsgehalte auseinanderhält, kann die zum Teil geäußerte verfassungsrechtliche Kritik im Schrifttum jedoch Bestand haben. Allen Versuchen einer „verfassungskonformen Auslegung“ in ihrem üblichen Verständnis, nämlich „die Auslegung einer im Rang unter der Verfassung stehenden Rechtsnorm im Sinne der Verfassung“ G. Groh, s. v. Auslegung (Interpretation), in: C. Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch, 24. Aufl. 2020, ist mit Argwohn zu begegnen. M. Jestaedt, Richterliche Rechtsetzung statt richterliche Rechtsfortbildung, in: C. Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 49 (58), konstatiert zutreffend, „dass das Konzept verfassungskonformer Auslegung seine Rechtfertigung aus der Verwechslung oder doch zumindest Vermischung von Inhaltsfrage und Geltungsfrage zieht: Die durch Auslegung zu beantwortende Frage, welchen Inhalt ein Gesetz habe, wird mit der regelmäßig mittels Rechtsetzung – nämlich Normkassation oder Normbestätigung – zu beantwortenden Frage, ob das Gesetz mit dem durch Auslegung ermittelten Inhalt denn angesichts der Verfassung Geltung beanspruchen könne, vermengt respektive vermischt.“; gleichsinnig, nicht minder prononciert zuvor Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 61 Fn. 37: „Bei der sogenannten ‚verfassungskonformen Auslegung‘ geht es nicht um Auslegung oder Rechtsfortbildung im herkömmlichen Sinne, sondern um eine – mit dem irreführenden Etikett ‚in favorem legis‘ (nicht: in favorem legislatoris!) versehene und als Gesetzeskonservierung verstandene – Gesetzeskorrektur aus übergeordneten Gründen, also nicht um die richtige Auslegung, sondern um die ‚Verfassungsrichtigkeit‘ des Auslegungsergebnisses. Daß hier – infolge der Verwechslung von Inhalt und Geltung des Gesetzesrechts – Verfassungsfunktion und Gesetzesfunktion ineinander übergehen, ist nur eine weitere bedenkliche Folge.“; aufgegriffen von P. Scherer de Mello Aleixo, Verantwortbares Richterrecht, 2014, S. 235 Fn. 379; sehr eingängige Unterscheidung zwischen einer „rangkonformen Auslegung“ zur Ermittlung des Norminhalts einer rangniederen Norm und der rangkonformen Auslegung als Form der Inhaltskontrolle R. Wank, Juristische Methodenlehre, 2020, § 9 Rn. 49 ff. Geht es also um die Auslegung von Gesetzesnormen unter Heranziehung von Verfassungsrecht als ein regelungssystematisches Argument, dann handelt es sich um eine verfassungsorientierte Auslegung; leicht abweichendes Begriffsverständnis bei K. Schlaich / S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 448. Eine Konformauslegung ist nur dann im Stande, den Inhalt der auszulegenden Norm zu ändern, wenn „Konforminterpretationsbefugnisse“ dem Auslegenden normativ zugestanden wurden Jestaedt, Rechtsetzung (Fn. 704), S. 58 Fn. 34; M. Jestaedt, Selbstand und Offenheit der Verfassung gegenüber nationalem, supranationalem und internationalem Recht, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 264 Rn. 29, 48; s. umfassend monographisch U. Lembke, Einheit aus Erkenntnis? 2009.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Betätigung verfolgten Ziele und damit einhergehenden Interessen der wirtschaftenden Gemeinde die der betroffenen Gemeinde überwiegen, um die berechtigten Interessen der Nachbargemeinde zu wahren705. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW verlangen von der wirtschaftenden Gemeinde eine Abwägungsentscheidung. Es bietet sich an, die Abwägungsentscheidung im Gemeindewirtschaftsrecht ähnlich wie das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung zu strukturieren706. Die wirtschaftende Gemeinde muss ihre Interessen, die sie mit der wirtschaftlichen Betätigung verfolgt, erstens mit denen der Nachbargemeinde überhaupt abwägen. Sie muss zweitens in die Abwägung einstellen, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und sie darf dabei drittens weder die Bedeutung der betroffenen nachbargemeindlichen Belange verkennen noch einen Ausgleich zwischen ihren und den nachbargemeindlichen Belangen in einer Weise vornehmen, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner betroffener nachbargemeindlicher Belange außer Verhältnis steht (Abwägung im engeren Sinne). Die wirtschaftende Gemeinde wahrt die Interessen der Nachbargemeinde damit bereits dann nicht, wenn sie nachbargemeindliche Belange nicht ermittelt, bewertet, gewichtet und sie mit ihren eigenen Belangen zu einem angemessenen Ausgleich bringt. Wichtigste Hürde für die Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung ist, dass die Gründe für die Wirtschaftsbetätigung der handelnden Gemeinde die Interessen der betroffenen Gemeinde überwiegen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die betroffene Gemeinde zustimmt. Die Zustimmung ist im Ergebnis nicht notwendige, aber hinreichende Bedingung für die rechtliche Zulässigkeit dieser Form der gemeindewirtschaftlichen Betätigung707. Eine außergebietliche Wirtschaftsbetätigung kann auch gegen den (ausdrücklichen) Willen der betroffenen Gemeinde rechtlich zulässig sein, wenn eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt, dass die Interessen der wirtschaftenden Gemeinde die der Nachbargemeinde überwiegen. Interessanterweise stellen sich diese Fragen in gleicher Weise, wenn es darum geht, ob die Verweigerung der Zustimmung durch die betroffene Nachbargemeinde durch berechtigte Interessen fundiert war. Die Bewertung der Zustimmungsverweigerung setzt eine Interessenabwägung voraus. Nicht alle nachbargemeindlichen Belange sind von Bedeutung und müssen von der wirtschaftenden Gemeinde in ihre Entscheidung einbezogen werden. Erforderlich ist stets, dass sich die Wirtschaftsbetätigung der Gemeinde nicht unerheblich auf die Nachbargemeinde auswirkt. Die der Wirtschaftsbetätigung zurechenbaren 705

Köhler, Unternehmensrecht (Fn. 668), S. 9; Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 180; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 87, 100. 706 Stellvertretend Bickenbach, Tätigkeiten (Fn. 65), S. 338 f. 707 Keine Zustimmung für notwendig erachten bspw. Köhler, Unternehmensrecht (Fn. 668), S. 9; Koehler, Reform (Fn. 564), S. 45; Zacharias, Betätigung (Fn. 557), S. 276; Zilkens, Betätigung (Fn. 564), S. 296; Schink, Betätigung (Fn. 507), S. 136; Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 9; ausdrücklich auch gegen den Willen der betroffenen Gemeinde bei Wahrung der Interessen referierend Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1033; Schulz (Fn. 668), Art. 87 Anm. 4.3.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Auswirkungen müssen eine gewisse Intensitätsschwelle erreichen. Auswirkungen, die objektiv geringfügig sind, bleiben außer Betracht708. Die Intensität der Auswirkungen ist auch für die Interessenabwägung im engeren Sinne von Bedeutung. Ist die betroffene Gemeinde durch die wirtschaftliche Betätigung einer „entzugsgleichen Beeinträchtigungswirkung“709 ausgesetzt oder führt die Betätigung zu „ruinösen Zuständen“710, so spricht viel dafür, dass die nachbargemeindlichen Interessen wegen einer Abwägungsdisproportionalität nicht gewahrt sind. Für die Abwägung dürfte weiter von Einfluss sein, ob es sich um eine eher kommerziell ausgerichtete Betätigung der wirtschaftenden Gemeinde oder der Nachbargemeinde handelt. Von Einfluss auf die Abwägung ist auch, ob die Betätigung der Nachbargemeinde oder der wirtschaftenden Gemeinde für die politisch-demokratische Teilhabe der Bürgerschaft bedeutsam ist711. Im Ergebnis kann man nach den obigen Ausführungen mehrere Konstellationen unterscheiden. Die (verfassungsorientierte)  Auslegung des Merkmals der berechtigten Interessen hängt entscheidend davon ab, ob der wirtschaftenden Gemeinde eine Wirtschaftsbetätigung in Erfüllung einer eigenen Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erschwert wird. Die wirtschaftende Gemeinde kann mit ihrer grenzüberschreitenden Betätigung erstens eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllen. Ihre Betätigung fällt in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (insbesondere die ‚eingeschränkt gemeindeinterne Betätigung‘). Die Aufgabe, derer sich die wirtschaftende Gemeinde angenommen hat, ist regelmäßig nicht zugleich auch der Nachbargemeinde verfassungsrechtlich verbürgt712. In diesem Fall kann die betroffene Gemeinde für sich bereits kein – mit Ausnahme anderer normativ zuge-

708

Ehlers, Gutachten E (Fn. 515), E 98, fordert, dass die betroffene Gemeinde „nicht unerheblich“ beeinträchtigt werde; ähnlich S. Tomerius, Örtliche und überörtliche wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, 2004, S. 26; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 84, die eine „‚spürbare‘ Beeinträchtigung“ fordert. 709 Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 400 f.; Schulz (Fn. 668), Art. 87 Anm. 4.3. 710 Zacharias, Betätigung (Fn. 557), S. 276; Held / Kotzea (Fn. 510), § 107 Anm. 3.3.2. 711 Bezogen auf die von der Betätigung betroffenen Gemeinden Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 180; Schulz (Fn. 668), Art. 87 Anm. 4.3, wobei dieser Aspekt auch für die wirtschaftende Gemeinde relevant sein kann. Die politisch-demokratische Dimension in einem anderen Zusammenhang eigens hervorgehoben durch BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153) – Rastede. 712 So wohl die Vorstellung von Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 404, 407, die meint, dass dann, wenn eine Betätigung nicht mehr von dem Gewährleistungsumfang des Selbstverwaltungsrechts der einen Gemeinde umfasst sei, die Betätigung das Selbstverwaltungsrecht der anderen Gemeinde berühre. Sie geht somit davon aus, dass es nicht möglich ist, dass die Betätigung der einen Gemeinde noch den Schutz des Selbstverwaltungsrechts genießt und dieselbe Betätigung das Selbstverwaltungsrecht einer anderen Gemeinde berühren kann. – Etwas anderes mag ggf., wie das OVG Rh.-Pf., Urt. v. 21. 03. 2006 – 2 A 11124/05. OVG, LKRZ 2007, 22 (23), in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung meinte, dann gelten, wenn eine Betätigung, die für sich gesehen nicht mehr eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellt, zwingend notwendig ist für die Erfüllbarkeit einer anderen Betätigung, die unzweifelhaft zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfolgt.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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ordneter Interessen – Interesse in Anspruch nehmen. Die Wirtschaftsbetätigung ist einfachrechtlich zulässig713. Erfüllt die wirtschaftende Gemeinde zweitens eine von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Aufgabe und betätigt sich dabei grenzüberschreitend, kann sich diesmal auch die betroffene Gemeinde auf eine verfassungsrechtlich geschützte Aufgabe berufen, so stehen sich die Gemeinden gleichberechtigt gegenüber714. Beide Gemeinden können sich darauf berufen, dass sie Aufgaben erfüllen, die ihnen verfassungsrechtlich verbürgt sind. Folge ist, dass es zu einer Konkurrenzsituation zwischen den beiden Gemeinden auf Gleichordnungsebene kommt. Die betroffene Gemeinde kann sich auf die Selbstverwaltungsgarantie berufen, unabhängig davon, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine zwischengemeindliche Dimension zukommt. Die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG geschützten Interessen kommen kraft einfachrechtlicher Bezugnahme und Inkorporation über § 2 GO NRW i. V. m. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW zur Anwendung. Der gemeindlichen Betätigung im eigenen Gebiet der Nachbargemeinde dürfte der Vorrang gebühren. Der Nachbargemeinde kommt auf ihrem Gebiet gewissermaßen das Recht des ersten Zugriffs zu715. Anders verhält es sich dann, wenn die Nachbargemeinde allein aus Gründen der Gewinnerzielung agiert. Ungeachtet dessen, dass es bereits an einem öffentlichen Zweck fehlen wird, wenn es der Nachbargemeinde ausschließlich oder vorrangig um die Erwirtschaftung von Gewinnen geht, fällt die reine Betätigung zur Gewinnerwirtschaftung nicht in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Es fehlt dann wiederum an einem Interesse der Nachbargemeinde. Die Nachbargemeinde kann sich der nachbargemeindlichen Wirtschaftsbetätigung nicht erwehren. Der Schutz vor Konkurrenz scheidet in diesen Fällen aus, wenn es nur darum geht, dass die eigene Ertragsstärke gewahrt werden soll. Hilfsweise mag eine zeitliche Priorität der Wirtschaftsbetätigung im Gebiet der Nachbargemeinde eine Rolle bei der Bewertung der Interessen der Gemeinden spielen. Erfüllt die wirtschaftende Gemeinde drittens keine verfassungsrechtlich geschützte Aufgabe, wird sie also ‚gemeindeextern tätig‘ und schaffen erst § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW im Zusammenwirken mit § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW der wirtschaftenden Gemeinde einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel, kann sich hingegen die Nachbargemeinde auf eine verfassungsrechtlich geschützte Zuständigkeit und Kompetenz berufen. Das Interesse der Nachbargemeinde überwiegt regelmäßig das Interesse der wirtschaftenden Gemeinde. Die wirtschaftende Gemeinde kann selbst für sich nicht in Anspruch nehmen, eine ihr

713

In diesem Sinne auch Brüning, Risse (Fn. 619), S. 694, der meint, dass der Interessenschutz andere Fälle im Blick haben müsse: Nehme eine Gemeinde eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft außergebietlich wahr, habe dies mit der anderen Gemeinde nichts zu tun. 714 Nur solche Fälle hat augenscheinlich Brüning, Risse (Fn. 619), S. 694, im Blick, weil er – wie auch andere Autoren – die Gebietsklausel auf die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft begrenzt, die nicht strikt auf das eigene Gebiet begrenzt sind. 715 Eingehender zum verfassungsrechtlichen, zwischengemeindlichen Aufgabenverteilungsprinzip als verfassungsrechtliche Leitlinie für den Gesetzgeber s. 3. Teil B. II. 2. b) bb) (3) (b) (S. 493 ff.).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

verfassungsrechtlich zugewiesene Aufgabe wahrnehmen zu wollen. Die Interessen der betroffenen Gemeinde sind bereits abstrakt höher zu gewichten, weil das Verfassungsrecht die Aufgabenwahrnehmung schützt. Das gilt auch dann, wenn die Nachbargemeinde sich der Aufgabe noch nicht angenommen hat716. Hinter dieser Entscheidung kann zum Beispiel die Erwägung der Nachbargemeinde stehen, den heimischen Mittelstand oder das heimische Handwerk zu schützen717. Ein ähn­ licher Erwägungsgrund für die wirtschaftliche Enthaltsamkeit können Gründe des Umweltschutzes sein718. Der verfassungsrechtliche Schutz einer Aufgabe hängt nicht davon ab, ob sich der Schutz durch Betätigung realisiert719. Die eigene zulässige Wirtschaftsbetätigung – auch die potentielle oder beabsichtigte – der Nachbargemeinde steht im Ergebnis regelmäßig einer ‚gemeindeexternen Betätigung‘ entgegen. Sie ist nur dann zulässig, wenn die Nachbargemeinde zustimmt. Sollen ‚gemeindeexterne Wirtschaftsbetätigungen‘ zulässig sein, müssen andere überwiegende Gemeinwohlbelange für eine Wirtschaftsbetätigung zulasten der Nachbargemeinde sprechen. Handelt es sich viertens um eine Aufgabe, die weder für die wirtschaftende noch für die betroffene Gemeinde eine Aufgabe darstellt, die ihnen die Verfassungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbürgt, so kann keine Gemeinde berechtigte Interessen für sich in Anspruch nehmen. Die ‚gemeindeexterne Betätigung‘ der wirtschaftenden Gemeinde ist rechtlich zulässig, da die Aufgabenzuordnung auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Diese letzte Gruppe von gemeindlichen Wirtschaftsbetätigungen beschreibt die Formel „kein Schutz vor Konkurrenz“ im Ergebnis treffend. bb) Gesetzliche Abwehransprüche und ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit § 107 GO NRW vermittelt den Nachbargemeinden Ansprüche in unterschied­ lichen Situationen: Erstens haben die Nachbargemeinden einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegenüber wirtschaftenden Gemeinden, wenn letztere sich nicht mehr betätigen, um „ihre Aufgaben“ in Gestalt ihrer Angelegenheiten 716

In der Literatur wird die lediglich beabsichtigte eigene Wirtschaftsbetätigung ebenfalls für ausreichend befunden Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1033; Ehlers, Gutachten E (Fn. 515), E 98; Gundlach, Erweiterung (Fn. 619), S. 265; Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 144; Langner, Begrenzung (Fn. 585), S. 86; M.  Söbbeke, in: S.  Articus / B. J.  Schneider (Hrsg.), Kommentar zur Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. 2012, Erl.  § 107 Anm. 8; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 96; auch die Gesetzesbegründung zu der sachsen-anhaltischen Regelung LT-Drs. LSA 3/3022, S. 25. 717 Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1037. 718 Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 144. 719 In diesem Sinne zur Planungshoheit: „Die Gemeinde verliert nicht etwa dadurch ihre Planungshoheit, daß sie bisher kein Bedürfnis für eine Betätigung ihrer Planungshoheit sah.“ Fingerhut, Gemeindenachbarklage (Fn. 2), S. 14; ganz ähnlich verliert eine Gemeinde nicht den Schutz von Art. 28 II 1 GG, weil ihre Verwaltungskraft nicht ausreicht, um eine Selbstverwaltungsaufgabe auch tatsächlich wahrzunehmen, jüngst BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (27 Rn. 73) – Schulnetzplanung.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen, sondern fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen der Nachbargemeinde usurpieren. Diesen Anspruch modifizieren oder schränken für den Fall der Außergebietlichkeit der Betätigung § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW ein, weil der Gesetzgeber eine außergebietliche und überörtliche Betätigung gestattet, wenn die wirtschaftende Gemeinde die berechtigten Interessen der Nachbargemeinde wahrt. Erfüllt die wirtschaftende Gemeinde zweitens außergebietlich eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft und wirkt sich die Betätigung auf die Interessen von Nachbargemeinden aus, stehen den Nachbargemeinden nach § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW Abwehr- und Unterlassungsansprüche zu, wenn die wirtschaftende Gemeinde die berechtigten Interessen der Nachbargemeinde nicht mehr wahrt. Entsprechend der oben entwickelten Abwägungsdogmatik im Gemeindewirtschaftsrecht muss die wirtschaftende Gemeinde die Interessen der Nachbargemeinde ermitteln, bewerten, gewichten und sie mit ihren eigenen Belangen zu einem angemessenen Ausgleich bringen. Die Abwägungsentscheidung obliegt damit der wirtschaftenden Gemeinde. Es ist die wirtschaftende Gemeinde, die zunächst selbst darüber entscheidet, ob ihre Wirtschaftsbetätigung die Interessen der Nachbargemeinde wahrt. Unterläuft der wirtschaftenden Gemeinde dabei ein Fehler, haben die Nachbargemeinden einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegen die abwägungsfehlerhafte Entscheidung über die Wirtschaftsbetätigung. Sie können den gesetzlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch nach § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW geltend machen und ihn gerichtlich verfolgen. Die Verwaltungsgerichte überprüfen ähnlich wie im Bauplanungsrecht, ob die wirtschaftende Gemeinde abwägungsfehlerfrei die Interessen der Nachbargemeinden in ihre Entscheidung einbezogen hat720. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW verleihen den Nachbargemeinden die Rechtsdurchsetzungsmacht, um ihre durch die Gemeindeordnung verliehenen Ansprüche gerichtlich durchsetzen zu können. Nachbargemeinden können vor den Verwaltungsgerichten auf Unterlassung der Gebietsüberschreitung klagen721. 3. Resümee Wirtschaftsbetätigungen von Gemeinden sind konfliktträchtig, denn Gemeinden greifen nicht selten auf das Gebiet anderer Gemeinden über oder wirtschaften für fremde Einwohner. Das Gemeindewirtschaftsrecht reagiert in §§ 107 f. GO NRW auf zwischengemeindliche Konflikte. Es hält in §§ 107 f. GO NRW Lösungsstrategien für Konflikte bereit, trägt aber zum Teil auch selbst dazu bei, dass es zu Konflikten zwischen Gemeinden kommt. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1  GO

720

Zu Umfang und Dichte der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ausführlich unter 2. Teil B. III. 4. (S. 290 ff.). 721 Lux, Wirtschaftsrecht (Fn. 564), S. 10; ebenso Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 342.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

NRW weisen einen einschränkenden und einen erweiternden Regelungsgehalt für die gemeindewirtschaftliche Betätigung auf – sie wirken janusköpfig722. Das Zusammenwirken der verschiedenen Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 107 Abs. 1 bis 4 GO NRW für die Wirtschaftsbetätigung von Gemeinden, gemeint sind damit sowohl die wirtschaftliche als auch die nicht-wirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 107 Abs. 1 und Abs. 2 GO NRW, ergibt, dass sich die (zulässige) Wirtschaftsbetätigung im Grundsatz auf das eigene Gemeindegebiet der wirtschaftenden Gemeinde beschränkt. Dadurch soll der Entstehung von zwischengemeindlichen Konflikten vorgebeugt werden, weil jede Gemeinde sowohl mit ihrer Wirtschaftstätigkeit als auch mit den angesprochenen Kunden in ihrem Gebiet verbleiben muss. Davon gibt es Ausnahmen, wenn die Betätigung die berechtigten Interessen der Nachbargemeinde wahrt. Der ambivalente Regelungsgehalt von § 107 GO NRW wird erst deutlich, wenn man die unterschiedlichen Konstellationen gemeindewirtschaftlicher Betätigung in Fallgruppen zusammenfasst: Bei der ‚rein gemeindeinternen Betätigung‘ handelt es sich um die Wahrnehmung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, wobei die Gemeinde bei ihrer Wahrnehmung vollständig in dem eigenen Gemeindegebiet verbleibt. Die ‚eingeschränkt gemeindeinterne Betätigung‘ hingegen überschreitet die formale Gebietsgrenze. Es handelt sich dennoch um die Wahrnehmung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, da der Aufgabenbestand der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft nicht strikt gebietlich zu verstehen ist. Erfüllt die Gemeinde keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft mehr und wirtschaftet außergebietlich, liegt eine ‚gemeindeexterne Betätigung‘ vor. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse sind § 107 Abs. 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1 GO NRW auszulegen. Beide Absätze regeln die Wirtschaftsbetätigung, bei der sich entweder der Ort der Betätigung oder der Kunde formal außerhalb des Gemeindegebiets befinden. Liegt eine außergebietliche Wirtschaftsbetätigung vor, müssen durch Verweis in § 107 Abs. 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1 GO NRW die (Teil-) Voraussetzungen des Absatzes  1 gegeben sein. Auf Grund der in der Literatur vertretenen räumlich begrenzenden Wirkung einzelner Tatbestandsmerkmale in § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW zeigte sich, dass der Verweis in der weit verbreiteten Auslegung zu Problemen führt. Indem der Gesetzgeber die Wendung „zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ in § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW a. F. in „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ geändert hat, hat er den

722 Schmidt-Aßmann, Verfassungsschranken (Fn. 655), S. 1023: Die Regelungen der Gemeindeordnungen, soweit sie Grenzüberschreitungen zulassen, stellen „teils beschränkende, teils ermächtigende Regelungen im Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 GG“ dar. Den Doppelcharakter auf beschränkend und erweiternd bezieht er wohl eher darauf, dass das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinde durch die Regelungen des Gesetzgebers beschränkt werde; in dieser Deutung (wohl) auch Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 410 sowie S. 410 Fn. 53.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Gemeinden Wirtschaftsbetätigungen ermöglicht, die nicht zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. v. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG erfolgen müssen. Der Verweis in Absatz 3 bezieht alle Voraussetzungen des Absatzes 1 mit ein. Keine Voraussetzung wird inhaltlich suspendiert oder modifiziert, denn kein Merkmal hat einen Bezug zum gemeindlichen Aufgabenbestand mit problematischen Folgen für die gesetzliche Verweistechnik. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW schränken die an sich zulässige ‚eingeschränkt gemeindeinterne Betätigung‘ über die Restriktionen des § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW hinaus ein, indem die wirtschaftenden Gemeinden die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften wahren müssen. Über den verfassungsrechtlichen Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus ermöglichen die Absätze die außergebietliche und überörtliche Betätigung. Wahrt die ‚gemeindeexterne Wirtschaftsbetätigung‘ die berechtigten Interessen der Nachbargemeinde, dann erfüllt sie damit „ihre Aufgaben“ i. S. v. § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW. Die Frage, ob dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich eine Erweiterung des gemeindlichen Aufgabenbestands gestattet ist, stand im Rahmen der Untersuchung (noch) nicht zur Entscheidung an. Die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaft erfordern eine umfassende Abwägung der Interessen der wirtschaftenden Gemeinde mit denen der betroffenen Gemeinde. Die wirtschaftende Gemeinde muss die gemeindenachbarlichen Interessen ermitteln, bewerten und gerecht gegeneinander abwägen. Jede abwägungsfehlerhafte Entscheidung verleiht der Nachbargemeinde einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch im Horizontalverhältnis.

III. Aktivitäten von Sparkassen Gemeinden können als ihre Wirtschaftsunternehmen Sparkassen errichten und betreiben, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SpkG NRW. Betreibt eine Gemeinde eine öffentlich-rechtliche Sparkasse, dann wirtschaftet die Gemeinde. Das Sparkassengesetz gestattet den Gemeinden mit ihren Sparkassen ein breites Spektrum von bankwirtschaftlichen Geschäften. Sparkassen drängten dabei – zumindest in der Vergangenheit – auf Expansion: Sie wollen neue Kunden für sich gewinnen oder ein möglichst flächendeckendes Filialnetz vorhalten. Die Sparkassen schrecken bei diesem Ansinnen gelegentlich auch nicht vor den gebietlichen Grenzen zurück, die das Sparkassenrecht für sie zum Teil vorsieht. Die Sparkassen überschreiten die Grenzen des Gebiets der Gemeinde, die sie errichtet hat und betreibt, und adressieren Leistungen an Einwohner anderer Gemeinden. Zum Teil haben technische Entwicklungen und Neuerungen, die Einzug in die Geschäftstätigkeit der Sparkassen gehalten haben, Filialen vor Ort weniger notwendig gemacht. Für Sparkassen erscheint es deshalb immer weniger dringlich, ein flächendeckendes Filialnetz zu unterhalten – nötigenfalls auch über die Gemeindegebietsgrenzen hinaus. Die heutigen Technologien gestatten es den Sparkassen, faktisch nahezu ortsungebunden Kundenbeziehungen zu unterhalten. Online-Banking-Angebote oder sog. Apps für

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die Verwaltung von Girokonten auf dem Smartphone gehören heute zum selbstverständlichen Leistungsspektrum von Sparkassen723. Rechtlich sind der Betrieb von Sparkassen und alle mit ihm zusammenhängenden Betätigungen dem kommunalen Wirtschaftsrecht zuzuordnen724. Das sah auch der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber so, als er mit § 107 Abs. 7 GO NRW im 11. Teil der Gemeindeordnung unter der amtlichen Überschrift „Wirtschaft­liche Betätigung und nicht-wirtschaftliche Betätigung“ den Betrieb von Sparkassen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der §§ 107 ff. GO NRW ausgenommen und die Gemeinden von dem Verbot befreit hat, Bankunternehmen zu betreiben725. Stattdessen ordnet er für das öffentliche Sparkassenwesen an, dass die dazu erlassenen besonderen Vorschriften gelten: das Sparkassenrecht726. Es regelt die ex 723

So nahm sich Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), vor geraumer Zeit dem Internet-­ Banking an. 724 Zum Begriff der Gemeindewirtschaft allgemein K. Stern / G. Püttner, Die Gemeindewirtschaft, 1965, S. 7 ff.; zur Einordnung des Sparkassenwesens als wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden exemplarisch K. Stern / J. Burmeister, Die kommunalen Sparkassen, 1972, S. 26; J. Hofmann, Kommunale Neugliederung in Bayern und Sparkassenorganisation, in: BayVBl. 1990, S. 641 (647); M. Koch, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, 1992, S. 184 ff.; Hellermann, Daseinsvorsorge (Fn. 584), S. 18; P. Raskin, Das Regionalprinzip und (neue) elektronische Vertriebswege im Retailbanking, 2001, S. 34 Fn. 5; H.  Schlierbach / G. Püttner, Das Sparkassenrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. 2003, S. 67; Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 19; H.-G. Henneke, Die kommunalen Sparkassen – Der rechtliche Rahmen, in: Mann / P üttner, HdKWP II (Fn. 515), § 53a Rn. 154, 157, bezeichnet Sparkassen als „selbstständige kommunale Unternehmen“. 725 Zu den unterschiedlichen Deutungen der gesetzgeberischen Entscheidung, die Sparkassen von den gemeindewirtschaftlichen Vorschriften auszunehmen sowie zum Verhältnis von Sparkassenrecht zum allgemeinen Kommunalrecht Schmidt, Regional- und Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 183 f., der die Herausnahme als Beleg dafür sieht, dass das allgemeine Kommunalrecht im Sparkassenrecht nicht gelte; ebenso P. Weides, Zur Eigenständigkeit des Sparkassenrechts gegenüber dem Kommunalrecht, in: DÖV 1984, S. 41 (45 f.); für die gegenteilige Auslegung Thieme, Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 180 f. 726 Zum Verhältnis von allgemeinem Kommunalrecht und dem Sparkassenrecht werden verschiedene Meinungen vertreten. Das Meinungsspektrum reicht von einer vollständigen Ausgliederung des Sparkassenrechts aus dem Kommunalrecht D. Schmidt, Das Regionalprinzip im Sparkassenwesen, insbesondere die Einrichtung von Zweigstellen der Kreissparkassen im Gewährträgerbereich kreisangehöriger Gemeinden- und Amtssparkassen, in: VerwArch 51 (1960), S. 315 (316); Schmidt, Regional- und Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 183 ff.; Thieme, Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 180 f.; P. Weides, Sparkassen und kommunale Gebietsänderungen, in: Städte-und Gemeinderat 1978, S. 85 (85 ff., 90); Weides, Eigenständigkeit (Fn. 725), S. 44 ff., bis hin zu einer vollständigen Unterworfenheit des Sparkassen- unter das Kommunalrecht K. Stern / M. Nierhaus, Rechtsfragen der Neuordnung des Sparkassenwesens als Folge kommunaler Neugliederung, 1976, S. 22; differenzierter hingegen die Auffassungen, die einen Rückgriff auf das allgemeine Kommunalrecht dann zulassen, wenn das Sparkassenrecht keine Regelungen enthält. Für ein solches Subsidiaritätsverhältnis insb. J. Rothardt, Die Sparkassen in der kommunalen Gebietsreform, 1972, S. 66; M. Nierhaus, Sparkassen und kommunale Gebietsreform, in: VerwArch 67 (1976), S. 267 (269); M. Nierhaus, Zur kommunalen Bindung und Aufgabenstellung der Sparkassen, in: DÖV 1984, S. 662 (666); Hofmann, Neugliederung (Fn. 724), S. 647; Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 34 ff., am deut-

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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terne Stellung der Sparkassen im Gefüge der Landesverwaltung, das Verhältnis der Sparkasse zu ihrem Träger sowie die sparkasseninterne Organisation727. Auch im Anwendungsbereich des Sparkassenrechts kann es zu Konflikten zwischen den Sparkassen selbst und / oder den Gemeinden, die Sparkassen betreiben, kommen. Im Gemeindewirtschaftsrecht werden zwischengemeindliche Konflikte zumeist unter dem Stichwort des Gebietsprinzips zusammenfasst, verhandelt und einer rechtlichen Lösung zugeführt. Im Anwendungsbereich des Sparkassenrechts verbindet man die Konflikte zwischen Gemeinden und / oder Sparkassen mit dem sparkassengesetzlichen Regionalprinzip. In der Vergangenheit stritt man über die (normativen) Grundlagen, den Inhalt, die Reichweite und die Rigidität des Regionalprinzips728. Besondere Virulenz erfuhr es in den Nachwehen der kommunalen Gebietsreformen729. Das Regionalprinzip mag ein möglicher Ansatzpunkt sein, um den beispielhaft genannten Expansionsbestrebungen von Sparkassen ihre Schranken aufzuzeigen730. Die Rede von dem sparkassenrechtlichen Regionalprinzip ist dabei allerdings ebenso irreführend und missverständlich wie die Rede von dem gemeindewirtschaftlichen Gebietsprinzip731. Die Gesetzgebungskompetenz für das Sparkassenrecht, namentlich für das Sparkassenorganisationsrecht liegt bei den Ländern732. Gleichermaßen eine landesrechtliche Kompetenz besteht für die gelichsten S. 36. In der Rspr. herrscht ebenfalls Uneinigkeit: Das VG Neustadt a. d. Weinstraße, Urt. v. 10. 01. 1990 – 1 K 1035/88.MW, S. 13 (nicht veröffentlicht), sah das Sparkassenrecht als „vorrangiges Spezialrecht“ gegenüber dem allgemeinen Kommunalrecht; das Sparkassenrecht für „kommunal orientiert“ hält der HessVGH, Urt. v. 23. 03. 1966 – OS II 6/63, ESVGH 16, 151 (153, 155). 727 J. S. Lüdde, Sparkassenrecht der Länder, 2010, S. 16. 728 Siehe dazu allein die monographische Behandlung des Themas: K.  Köhler, Die Beschränkungen des Wirkungsbereiches der kommunalen Sparkassen durch die horizontale und vertikale Kommunalgliederung in Nordrhein-Westfalen, 1969; Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7); Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724); Schepers, Internet-Banking (Fn. 659); Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6); Stern, Regionalprinzip (Fn. 7); jüngst S. Thomas, Die kartellrechtliche Bewertung des sparkassenrechtlichen Regionalprinzips, 2015; in kürzerer Beitragsform Schmidt, Regionalprinzip (Fn. 726), S. 315 ff.; Schmidt, Regional- und Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 181 ff. 729 Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 44. 730 S. Papsthart, in: F. Dirnberger u. a. (Hrsg.), Praxis der Kommunalverwaltung Bayern. Die Sparkassen in Bayern, L-17 Anm. 1.3.3. 731 „Länderspezifische Besonderheiten“ des Regionalprinzips hob hervor auch das OVG Rh.-Pf., Urt. v. 16. 11. 1982 – 7 A 100/81.OVG, NVwZ 1983, 562 (564). 732 Nahezu unumstritten liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Sparkassenorganisationsrecht bei den Ländern, grundlegend BVerwG, Urt. v. 18. 12. 1986 – 3 C 39/81, BVerwGE 75, 292 (299); D. Schmidt, Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Sparkassenrecht?, in: M. Lutter / H. Kollhosser / W. Trusen (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 837 (837 ff.); N. Impelmann, Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Kredit- und Sparkassenwesens, 1990, S. 85 ff.; zusammenfassend Lüdde, Sparkassenrecht (Fn. 727), S. 13; in diesem Sinne auch D. Rümker /  J. Winterfeld, Rechtliche Ordnung des übrigen Bankenwesens, in: H.  Schimansky / H.-J. Bunte /  H.-J. Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2017, § 124 Rn. 52 ff.; kürzlich M. Kemper, Die Europäische Bankenunion und die Sparkassen, 2017, S. 329 f.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

schäftlichen Beschränkungen des Regionalprinzips733. Die Untersuchung konzen­ triert sich auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, zieht aber zum Teil Entscheidungen von Gerichten in anderen Ländern heran734. Das sparkassengesetz­liche Regionalprinzip besagt inhaltlich, dass die gesamten Aktivitäten der Sparkasse grundsätzlich auf das Gebiet ihres Trägers begrenzt sind735. Das Regionalprinzip entfaltet nur zwischen Sparkassen gleicher kommunaler Ebene Wirkung und ist an die Sparkassen als Rechtssubjekt sowie an die sie tragenden kommunalen Gebietskörperschaften adressiert. Es unterscheidet sich wegen der ausschließlichen Wirkweise zwischen Sparkassen und / oder Trägern gleicher Ebene von dem Subsidiaritätsprinzip, das nicht Gegenstand der nachfolgenden Analyse ist736. Für zwischengemeindliche Konflikte ist nur das Regionalprinzip relevant, das sich auf Gleichordnungsverhältnisse bezieht. Konflikte zwischen den Sparkassen und den Trägern teilidentischer Räume, wie zwischen Kreis sowie kreisangehöriger Gemeinde und ihren Sparkassen, klammert das Regionalprinzip bereits begrifflich aus. In diesem Fall geht es um eine vertikale Abgrenzung, für die das Sub-

733

Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 51. Maßgebliche Rechtsquelle im Sparkassenrecht ist das Sparkassengesetz vom 28. 11. 2008, GV. NRW S. 696. 735 Grundlegend aus der Rspr.: VerfGH NRW, Urt. v. 11. 07. 1980 – VerfGH 8/79, NJW 1980, 2699 (2699); BayVerfGH, Urt. v. 23. 09. 1985 – Vf. 8-VII-82, DVBl. 1986, 39 (42); BbgVerfG, Urt. v. 19. 05. 1994 – VfGBbg 9/93, LKV 1995, 40 (41); OVG NRW, Entsch. v. 20. 10. 1965 – III A 630/64, DVBl. 1966, 342 (344); HessVGH, Urt. v. 23. 03. 1966 – OS II 6/63, ESVGH 16, 151 (153, 155); BayVGH, Urt. v. 25. 02. 1981 – 235 IV 78, BayVBl. 1981, 530 (531); Nds. OVG, Urt. v. 21. 11. 1986 – 2 OVG A 83/85, NVwZ-RR 1989, 11 (12); BbgVerfG, Urt. v. 19. 05. 1994 – VfGBbg 9/93, LKV 1995, 40 (41); VG Neustadt a. d. Weinstraße, Urt. v.  10. 01. 1990  – 1 K 1035/88.NW (nicht veröffentlicht). Aus der Literatur: H. Clausen, Der Einfluß der Gemeinde auf die kommunale Sparkasse nach dem nordrhein-westfälischen Sparkassengesetz vom 7. Januar 1958, 1964, S. 36; Köhler, Beschränkungen (Fn. 728), S. 35; Rothardt, Sparkassen (Fn. 726), S. 75; T. Brzoska, Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen zwischen Staat und Kommunen, 1976, S. 26; Stern / Nierhaus, Rechtsfragen (Fn. 726), S. 12; Ossenbühl, Grundfragen (Fn. 36), S. 15; D. Merten, Sparkassenrechtliches Regionalprinzip und kommunale Neugliederung, in: DVBl. 1983, S. 1140 (1141); W. Hoppe, Regionalprinzip und Zweckverbandsbildung, in: Püttner, HdKWP V2 (Fn. 26), § 105 C., S. 498; Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 10; M. Nierhaus / K. Stern, Regionalprinzip und Sparkassenhoheit im europäischen Bankenbinnenmarkt, 1992, S. 11; U. Güde, Geschäftspolitik der Sparkassen, 6. Aufl. 1995, S. 41; Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 132; J. Oebbecke, Sparkassentätigkeit als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe, in: LKV 2006, S. 145 (146); Stern, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 24; Henneke, Sparkassen 2011 (Fn. 724), § 53a Rn. 76 ff., 92; Henneke, Sparkassen 2018 (Fn. 36), S. 224 ff. 736 Allgemein zur vertikalen Abgrenzung der Zuständigkeiten und Kompetenzen bei gebietlich teilidentischen Räumen durch das sog. Subsidiaritätsprinzip als eine Ergänzung des Regionalprinzips exemplarisch aus der Rspr. OVG NRW, Entsch. v. 20. 10. 1965 – III A 630/64, DVBl. 1966, 342 (344 f.); Nds. OVG, Urt. v. 21. 11. 1986 – 2 OVG A 83/85, NVwZ-RR 1989, 11 (11 ff.), sowie aus der Literatur Stern / Nierhaus, Rechtsfragen (Fn. 726), S. 15; A. v. Mutius, Status und Organisation, in: Püttner, HdKWP V2 (Fn. 26), § 105 A., S. 464 f.; Schlierbach /  Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 44 f.; Henneke, Sparkassen (Fn. 724), § 53a Rn. 85 ff.; kritisch demgegenüber Thieme, Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 179 ff. 734

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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sidiaritätsprinzip einschlägig ist737. Das Regionalprinzip gilt damit nur zwischen den (Land-)Kreisen untereinander, den (Land-)Kreisen im Verhältnis zu den kreisfreien Städten sowie zwischen den kreisangehörigen Gemeinden untereinander738. 1. Bedeutung des Sparkassenrechts neben dem Gemeindewirtschaftsrecht Verschiedentlich wird das Regionalprinzip im Sparkassenrecht mit allgemeinen kommunalverfassungsrechtlichen Argumenten zu begründen versucht, die sich auch im Dunstkreis einer außergebietlichen Wirtschaftsbetätigung im allgemeinen Kommunalrecht finden. Einige Darstellungen zum Regionalprinzip verweisen im Fußnotenapparat auf Veröffentlichungen zum allgemeinen kommunalen Wirtschaftsrecht oder nehmen unmittelbar auf dortige Argumente Bezug739. Insgesamt besteht eine unübersehbare Nähe zu den allgemeinen kommunalwirtschaftlichen Argumentationsmustern. Was rechtfertigt es dann noch, dass die Untersuchung dem gemeindewirtschaftlichen Gebietsprinzip das sparkassengesetzliche Regionalprinzip zur Seite stellt? Das Sparkassenrecht als eigenständiges Rechts­gebiet – jedenfalls in der Literatur  – emanzipierte sich weitgehend vom allgemeinen Kommunalrecht. Das Sparkassenrecht rezipiert nicht unreflektiert allgemeine kommunalverfassungsrechtliche Argumente. Für eine eigenständige Analyse sprechen ferner nicht allein eine umfangreiche Literatur und eine vergleichsweise hohe Anzahl von gerichtlichen Entscheidungen, sondern auch, dass sich eigenständige, nicht vollständig mit dem Gemeindewirtschaftsrecht übereinstimmende Rechtsund Rechtswissenschaftsbegriffe sowie Prinzipien ausgebildet haben. Selbst wenn die Betätigungen der Sparkassen dieselben Probleme aufwerfen wie die Wirtschaftsbetätigung von Gemeinden im Anwendungsbereich der Gemeindeordnung und das Sparkassenrecht ähnliche Lösungen wie das Gemeindewirtschaftsrecht bereithält, hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber durch den Erlass des Spar 737

Köhler, Beschränkungen (Fn. 728), S. 33 f., 35 f.; Hoppe, Regionalprinzip (Fn. 735), § 105 C., S. 498 f.; Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 59. – Für eine andere terminologische Fassung anscheinend Clausen, Einfluß (Fn. 735), S. 36, der auch die Konkurrenz von Kreis- und Gemeindesparkasse vom Regionalprinzip umfasst wissen möchte; ebenso Schmidt, Regionalprinzip (Fn. 726), S. 315, 318, wobei er in Schmidt, Regional- und Subsidiaritätsprinzip (Fn. 567), S. 181 ff., zwischen Regional- und Subsidiaritätsprinzip trennt; Henneke, Sparkassen 2011 (Fn. 724), § 53a Rn. 86, 175; Henneke, Sparkassen 2018 (Fn. 36), S. 179 ff., insb. S. 181. 738 Stern / Nierhaus, Rechtsfragen (Fn. 726), S. 14; Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 59; Nierhaus / Stern, Regionalprinzip (Fn. 735), S. 11; P.  Kirchhof, Die Rechtspflicht zur Übertragung von Zweigstellen nach einer kommunalen Neugliederung, 1984, S. 22; H. Engau, in: Heinevetter, SpkG NRW (Fn. 37), § 1 (April 2017), Anm. 8.2. 739 So beispielsweise Stern, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 30 Fn. 56; interessanter Weise führt Grawert, Zuständigkeitsgrenzen (Fn. 518), S. 128, das sparkassenrechtliche Regionalprinzip als Argument für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit gemeindewirtschaftlicher Grenzüberschreitungen an.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

kassengesetzes das Regionalprinzip teilweise explizit, teilweise implizit gesetzlich verankert. Das Regionalprinzip fußt daher auf einer eigenständigen normativen Grundlage. 2. Konfliktpotentiale – außergebietliche Sparkassentätigkeiten und Sparkassenorganisationsentscheidungen mit Effekten auf Nachbargemeinden Das Sparkassengesetz eröffnet Sparkassen und Gemeinden Betätigungsfelder mit Konfliktpotential. Die Untersuchung differenziert zwischen der geld- und kreditwirtschaftlichen Betätigung der Sparkassen auf der einen, sparkassenorganisationsrechtlichen Aktivitäten der Sparkassen und / oder der Gemeinden auf der anderen Seite. Anhaltspunkte für denkbare Konflikte liefert hauptsächlich das Sparkassengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen. Die Sparkassen selbst und auch die Sparkassen- und Giroverbände sind nicht sonderlich auskunftsfreudig, was Konflikte zwischen ihnen angeht. Zu aktuellen Konflikten sind folglich kaum bis gar keine Informationen vorhanden. Aus diesem Grund zeigt die Untersuchung die Linien auf, entlang derer Konflikte zwischen Sparkassen und / oder ihren Trägern verlaufen können und wo Konfliktpotentiale liegen740. Eine wichtige Quelle, die über vergangene Konflikte Auskunft geben kann, bilden Gerichtsentscheidungen. Auffällig ist, dass es augenscheinlich kaum Entscheidungen zum geschäftlichen Regionalprinzip gibt741. Gerichtserprobte Beispiele gibt es daher kaum. Im Vordergrund steht die gerichtliche Aufarbeitung der organisatorisch-institutionellen Wirkdimension des Regionalprinzips. Will man Konflikte ermitteln, die sich aus der Organisation der Sparkassen ergeben, begegnet man ebenfalls Schwierigkeiten. Erstens setzt die Identifizierung der Konflikte zwischen Sparkassen oder ihren Trägern voraus, dass der Konflikt überhaupt gerichtlich ausgefochten wird. Auch wenn häufig relativ hohe Geldwerte im Raum stehen – das belegen bereits die Streitwertfestsetzungen der Gerichte – ist nicht durchweg zu erwarten, dass jeder Konflikt vor die Verwaltungsgerichte getragen wird742. Mit jedem gerichtlichen Verfahren zwischen Sparkasse und / oder ihren Trägern wird potentiell eine nicht zwingend erwünschte Öffentlichkeit hergestellt, welche die Beziehung zu den Kunden erheblich belasten könnte. Die nicht-rechtliche Bewältigung des

740

Einen guten, aber nicht systematisierten Überblick bietet Güde, Geschäftspolitik (Fn. 735), S. 43 ff. 741 Insoweit ist in der umfangreichen Rechtsprechungssammlung von Hofmann-Theinert, Rechtsprechung (Fn. 6), S. 4 ff., keine gerichtliche Entscheidung zum geschäftlichen Regionalprinzip zu finden; die Abstinenz von Konflikten im Sparkassengeschäftsrecht bestätigen auch Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 139, unter Zitierung der Rechtsprechungssammlung von Weides / Bosse. 742 S. dazu die Streitwertfestsetzung auf 200.000 DM im Verfahren auf Schließung einer Zweigstelle vor dem VG Köln, Urt. v. 15. 03. 1985 – 4 K 4899/83 (nicht veröffentlicht).

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Zwischengemeindestreits folgt hier ähnlichen Rationalitäten wie die Bewältigung im allgemeinen Gemeindewirtschaftsrecht. Zweitens sind nicht (mehr) durchweg gerichtliche Entscheidungen vorhanden. Die Prozesswellen im Zuge der kommunalen Gebietsreformen liegen mittlerweile Jahrzehnte zurück. Die gerichtlichen Aufbewahrungspflichten führen dazu, dass heute nur noch wenige Entscheidungen vorhanden sind743. Entscheidungen, die diese Fristen überschreiten, sind nur dann noch verfügbar, wenn sie es in die amtlichen Sammlungen der Gerichte oder die Fachzeitschriften geschafft haben. Bei erstinstanzlichen Entscheidungen ist das in der Regel nicht der Fall. Drittens, und dies hängt mit der Unterpräsenz erstinstanzlicher Entscheidungen zusammen, enthalten die Entscheidungen in vielen Fällen nicht alle Angaben, die für eine sachgerechte Konfliktanalyse notwendig sind. In vielen Entscheidungen sind die Prozessbeteiligten geschwärzt. Für eine Analyse intergemeindlicher Konflikte ist es aber entscheidend, ob es sich um eine Stadtsparkasse oder eine Kreissparkasse handelt sowie, ob die Sparkasse oder der Kreis geklagt haben. Fehlen Angaben zu Kläger und Beklagten, ist die gerichtliche Entscheidung für die Untersuchung nur von geringem Wert. a) Geld- und kreditwirtschaftliche Betätigungen der Sparkassen Das Sparkassengesetz weist in § 2 Abs. 1 SpkG NRW den Sparkassen die Aufgabe zu, die Bevölkerung geld- und kreditwirtschaftlich zu versorgen und die finanzielle Eigenvorsorge sowie Selbstverantwortung zu fördern. Die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung umfasst sowohl das Aktiv- als auch das Passivgeschäft der Sparkassen. Hier soll sich auf das Aktivgeschäft konzentriert werden. Zum Aktivgeschäft der Sparkassen zählt unter anderem die Vergabe von Krediten (§ 3 Abs. 1  SpkG NRW)744. Sparkassen können im Rahmen ihres Aktiv­ geschäfts Kredite in Form von Personal-, Real- oder Kommunalkrediten vergeben. Der Begriff Kredit umfasst das Gelddarlehen, geht aber über dieses hinaus745. Vergibt eine Sparkasse einen Personalkredit  – auf diesen konzentriert sich die Untersuchung im Weiteren – in Form eines Darlehens, so schließt sie mit einer Pri-

743

Die Aufbewahrungsfristen ergeben sich aus § 121 I JustG NRW i. V. m. § 1 I der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 06. 05. 2008, GV. NRW S. 128, sowie der Anlage I Abschnitt II Lfd.-Nr. 48. Danach beträgt die Aufbewahrungsfrist 30 Jahre. 744 Darüber hinaus umfasst das Aktivgeschäft der Sparkassen die Vergabe von sonstigen Anlagen etwa in Gestalt von Wertpapieren oder Beteiligungsformen Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 202; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 103; Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 91. 745 Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 202; R. Pamp, in: H.  Schimansky / H.-J. Bunte /  H.-J. Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2017, § 75 Rn. 1 ff.; zum Kredit­ begriff des Sparkassengesetzes H. Engau, in: Heinevetter, SpkG NRW (Fn. 37), § 3 (April 2017), Anm. 2.1.

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vatperson oder einem privaten Wirtschaftsunternehmen einen Darlehensvertrag, wobei die Sicherung allein durch die Person des Darlehensnehmers, einen Bürgen oder einen Mitschuldner erfolgen kann746. Die Geschäftstätigkeit der Sparkassen im Bereich der Personalkreditvergabe kann in Konkurrenz mit der Geschäftstätigkeit anderer Sparkassen geraten. Die Sparkasse kann den Personalkredit nicht nur an die Einwohner der Trägergemeinde vergeben und durch den Abschluss eines Darlehensvertrags trägereigenen Personen entgeltlich einen bestimmten Geld­ betrag zur Verfügung stellen, sondern sie kann auch – ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit derartiger Personalkreditvergaben – mit trägergebietsfremden Personen Darlehensverträge abschließen747. Der Abschluss des Darlehensvertrags erfolgt dabei regelmäßig am Sitz der Sparkasse, wobei der Kreditnehmer in einer anderen Gemeinde seinen Wohnsitz haben kann. Gleichermaßen können Sparkassen Kredite an private Wirtschaftsunternehmen vergeben, die ihren Sitz in einer anderen Gemeinde als der Trägergemeinde der kreditvergebenden Sparkasse haben. Der Abschluss von verzinslichen Darlehen ist nichts anderes als der Abschluss eines zweiseitigen Vertrags mit fremden Gemeindeeinwohnern, sodass sich jedenfalls mit Blick auf den Auslöser von Streitigkeiten keine Abweichungen zu den Auslösern von Streitigkeiten durch die sonstige Wirtschaftsbetätigung ergeben. Besonderen Nachdruck verleiht die Sparkasse ihrer Absicht, mit trägergebietsfremden Personen geschäftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, wenn sie ihr Satzungsgebiet, das den Ausleihbezirk umfasst, nachträglich erweitern möchte (vgl.  § 3 Abs. 5 SpkG NRW). Bei Personalkrediten ist denkbar, dass der Sicherungsgeber, zum Beispiel der Bürge, ein trägergebietsfremder Einwohner ist. Bei der Sicherung durch einen Mitschuldner ist zu differenzieren: Mitschuldner kann sein, wer bereits den Darlehensvertrag mit abgeschlossen hat. Mitschuldner kann aber auch sein, wer der Schuld des Darlehensnehmers durch Schuldbeitritt beigetreten ist. Ist die Person trägergebietsfremd, welche der Schuld des Darlehensnehmers beitritt, so greift die Sparkasse nur dann auf trägergebietsfremde Einwohner aus, wenn sie an dem Zustandekommen des Schuldbeitritts beteiligt war. Eine Beteiligung der Sparkasse als Gläubigerin ist nicht zwingend, weil ein Schuldbeitritt auch durch einen Vertrag zugunsten Dritter (vgl. § 328 Abs. 1 BGB) denkbar ist748. Sogenannte Realkredite hingegen umfassen die klassischen Immobiliardarlehen, die durch Hypothek, Grund- oder Rentenschuld (Grundpfandrechte749) gesichert sind750. Es 746

Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 92; C. Berger, in: R. Stürner (Hrsg.), Jauernig Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 17. Aufl. 2018, Vorbm. vor § 488 Rn. 3. 747 Zu den Konstellationen der Vergabe von Personalkrediten Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 92 ff. 748 Hierzu und zum Vorhergehenden G.  Nobbe, Garantie und sonstige Mithaftung, in: ­Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Hdb. II (Fn.  732), § 92. 749 Zu Begriff und Funktion des Grundpfandrechts F. Baur / J. F. Baur / R . Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 36 Rn. 1 ff. 750 Berger (Fn. 746), Vorbm. vor § 488, Rn. 3; hierzu und zum Personalkredit J. Lieder, in: F. J.  Säcker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. VIII, 8. Aufl. 2020, § 1113 Rn. 12.

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ergeben sich Abweichungen zum allgemeinen Gemeindewirtschaftsrecht: Wie schon der Personalkredit kann ein solcher Kredit an die eigenen Einwohner oder an die Einwohner einer anderen Trägergemeinde erfolgen. Hinzu kommt, dass die Grundstücke und die mit ihnen haftenden beweglichen Sachen und Forderungen als Sicherungsobjekte für das Grundpfandrecht in fremdem Gebiet belegen sein können. Eine Sparkasse kann Kredite an die Einwohner ihrer Trägergemeinde vergeben, den Kredit aber durch ein fremdgemeindliches Sicherungsobjekt sichern. Sie kann Kredite an trägergebietsfremde Personen vergeben, diesen Kredit ebenso durch ein im Trägergebiet belegenes Sicherungsobjekt sichern oder sie kann an trägergebietsfremde Personen einen Kredit vergeben und durch ein Sicherungsobjekt sichern, das ebenfalls trägergebietsfremd belegen ist751. Konfliktträchtig erscheinen drei Konstellationen: Erstens, wenn die Sparkasse Kredite an trägergebietsfremde Personen vergibt, diese aber durch Sicherungsobjekte im eigenen Gebiet sichert. Zweitens, wenn sie an trägereigene Einwohner Kredite vergibt, diese aber durch in anderen Trägergebieten belegene Sicherungsobjekte sichert oder drittens, wenn die Sparkasse Kredite an trägergebietsfremde Einwohner vergibt und das Sicherungsobjekt ebenfalls trägergebietsfremd belegen ist. Neben der Kreditvergabe umfasst das Aktivgeschäft auch die Beteiligung an Unternehmen und Einrichtungen. Die Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts kann sich etwa an Unternehmen und Einrichtungen beteiligen, die ihren Sitz im Gebiet einer anderen Trägergemeinde haben. Sie kann sich an Unternehmen und Einrichtungen beteiligen, die zwar ihren Sitz im Gebiet der Trägergemeinde haben, aber – überwiegend oder ausschließlich – sich in Gebieten anderer Gemeinden wirtschaftlich betätigen752. b) Organisationsentscheidungen von Sparkassen – Eröffnung einer Sparkassenzweigstelle oder die Beibehaltung historischer Gemengelagen Mit dem Sparkassenorganisationsrecht sind diejenigen Bestimmungen des Sparkassenrechts gemeint, die Aussagen über die Organisation, die Aufgaben und die Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen beinhalten753. Im Anwendungsbereich des Sparkassenorganisationsrechts sind Konflikte zwischen Gemeinden und / oder Sparkassen ebenso denkbar wie Konflikte, die aus der Geschäftstätigkeit der Sparkassen resultieren. Für sich genommen birgt die Entscheidung der Gemeinde, eine Sparkasse in ihrem Gebiet zu errichten (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SpkG NRW), kein Konfliktpotential. Streitigkeiten sind wahrscheinlicher, wenn es um 751

Nur auf den Belegenheitsort des Sicherungsobjekts abstellend Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 92 ff. 752 Sowohl auf den Sitz als auch den Geschäftsbereich des Unternehmens stellt ab Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 105. 753 v. Mutius, Status (Fn. 736), § 105, S. 466; kürzlich Kemper, Bankenunion (Fn. 732), S. 330.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

die Errichtung von Sparkassenhaupt und -zweigstellen geht754. Bei der Haupt- und Zweigstellenerrichtung wird auf Grund der klaren gebietlichen Standortbestimmung der Haupt- und Zweigstellen am deutlichsten, wenn eine Sparkasse auf fremdes (Träger-)Gebiet ausgreift755. Verschiedene Konstellationen sind denkbar: Eine Sparkasse kann erstens beabsichtigen, in fremdem Trägergebiet eine Haupt- oder Zweigstelle zu errichten. Häufiger wird eine Sparkasse eine Zweigstelle eröffnen wollen. Sie kann zweitens Haupt- oder Zweigstellen, die infolge von kommunalen Neugliederungen trägergebietsfremd geworden sind, weiterbetreiben wollen. Im gleichen Fall kann eine Sparkasse, in deren Trägergebiet nunmehr die fremde Sparkassenhaupt- oder Zweigstelle liegt, die Übertragung der Haupt- oder Zweigstelle auf sie fordern. Gleiche Absichten mögen bestehen, wenn es um sonstige historische Gemengelagen geht756. Streit kann insbesondere bei der Eröffnung einer Sparkassenzweigstelle entstehen. Konkrete Zahlen dazu, wie viele Zweigstelleneröffnungen bei der Sparkassenaufsicht in Nordrhein-Westfalen im Laufe der Zeit beantragt wurden, erfasst sie nach eigener Auskunft nicht systematisch757. Die groben Konfliktlinien der Sparkassenzweigstelleneröffnung lassen sich rasch benennen: Eine Sparkasse möchte in dem Gebiet eines fremden Trägers und damit in einem einer anderen Sparkasse zugeordneten Gebiet eine Sparkassenzweigstelle eröffnen. Eröffnet eine Sparkasse in einem Gebiet eines anderen Sparkassenträgers eine Zweigstelle, greift sie körperlich, äußerlich gut erkennbar auf fremdes Gebiet aus758. Denkbar ist beispielsweise, dass eine Kreissparkasse eine Kreissparkassenzweigstelle in dem Gebiet 754

So die Entscheidungen des HessVGH, Urt. v. 23. 03. 1966 – OS II 6/63, ESVGH 16, 151, in der es um die Zulässigkeit der Errichtung von Zweigstellen durch die Sparkasse einer kreisangehörigen Gemeinde in dem Gebiet der satzungsmäßig von ihr versorgten Nachbargemeinde ging. In dem Gebiet der Nachbargemeinden errichtete auch die Kreissparkasse zuvor Zweigstellen. Das VG Arnsberg, Urt. v. 20. 07. 1966 – 2 K 73/65, zitiert nach Hoffmann-Theinert, Rechtsprechung (Fn. 6), S. 4, betraf den Fall, dass eine Kreissparkasse in einer kreisfreien Stadt, in dem die Kreissparkasse ihren Sitz hat, Zweigstellen errichten wollte; der BayVGH, Urt. v. 12. 08. 1969 – 255 IV 66, VGHE 22, 98, erklärte die Errichtung einer Kreissparkassenzweigstelle für zulässig, die in einem Gebiet errichtet werden sollte, in der eine benachbarte Kreissparkasse eine Zweigstelle betrieb. 755 Brzoska, Sparkassen (Fn. 735), S. 32; ganz ähnlich Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 96. 756 Angelehnt an Hoffmann-Theinert, Rechtsprechung (Fn. 6), S. 4 ff., der die vorangegangenen Folgen fortschreibt und sich an der von P. Weides / B. R. Bosse (Hrsg.), Rechtsprechung zum Sparkassenrecht, 1981, vorgeschlagenen Unterteilung orientiert, lassen sich drei Gruppen von Gerichtsentscheidungen identifizieren: Die erste Gruppe gerichtlicher Entscheidungen beschäftigt sich mit der Zulässigkeit und den aus der Unzulässigkeit folgenden Abwehransprüchen bei der Eröffnung einer Zweigstelle durch eine Sparkasse in einem trägerfremden Gebiet. Die zweite Gruppe gerichtlicher Entscheidungen befasst sich mit dem Weiterbetrieb von Haupt- oder Zweigstellen sowie der Pflicht zu der Übertragung von trägergebietsfremden Zweigstellen. Die dritte Entscheidungsgruppe betrifft sonstige, sich nicht in die beiden ersten Fallgruppen einfügende Konflikte und gerichtliche Entscheidungen. 757 So nach mündlicher Anfrage bei dem Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen am 28. 03. 2017. 758 Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 78.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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eines anderen Kreises oder einer kreisfreien Stadt beabsichtigt bzw. umgekehrt, eine Sparkasse einer kreisfreien Stadt in einem anderen Kreis eine Zweigstelle eröffnen möchte. Gleiches Konfliktpotential birgt die Eröffnung einer Stadtsparkassenzweigstelle in dem Gebiet einer anderen Stadt759. Streit hat sich in der Vergangenheit häufig bei der Inbetriebnahme von Geldautomaten entzündet760. Instruktiv dafür ist ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße: Die Antragstellerin zu 1, eine Stadtsparkasse761, sowie ihr (Gewähr-)Träger als Antragstellerin zu 2, eine kreisfreie Stadt, strebten den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Inbetriebnahme eines Geldautomaten an. Dieser sollte von der Antragsgegnerin, einer Kreissparkasse, im Gebiet des Trägers der antragstellenden Stadtsparkasse errichtet werden762. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz betraf einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung einer mit Anfechtungsklage angegriffenen sparkassenrechtlichen Genehmigung, die einer Kreissparkasse die Errichtung einer Zweigstelle in dem Gebiet einer kreisfreien Stadt mit eigener Sparkasse gestattete763. Konflikte ergaben sich nicht nur bei Neuerrichtungen von Sparkassenzweigstellen, sondern sie kamen auch dann auf, wenn es um die Beibehaltung oder Beseitigung historisch gewachsener Sparkassengemengelagen ging  – auch infolge von kommunalen Neugliederungen. Hinzukommen diejenigen Fälle, in denen neugliederungsbedingt Sparkassen(-zweigstellen) trägergebietsfremd wurden. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1981 erklärte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die prinzipielle Zulässigkeit der Eröffnung einer Zweigstelle der Stadtsparkasse Köln in wenigen Sätzen für zulässig764. Das Gericht verwarf den Antrag der Kreissparkasse Köln und den Antrag des die Kreissparkasse tragenden Sparkassenzweckverbands auf Schließung als unbegründet. Der Entscheidung lag ein vergleichsweise komplexer Sachverhalt zu Grunde, der nicht im Einzelnen nacherzählt werden soll. 759

Zur Geltung des Regionalprinzips in diesen Fällen P. Weides, Regionalgrundsatz, Bestandsschutz und Entschädigungspflicht im Sparkassenrecht, in: NVwZ 1983, S. 527 (527). 760 Exemplarisch F. Häuser, Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip in der jüngeren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, in: M. Heinze / J. Schmitt (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Gitter zum 65. Geburtstag am 30. Mai 1995, 1995, S. 331 (344 ff.). 761 Dem Beschluss kann nicht entnommen werden, um welche Art von Sparkasse es sich handelt. Erst eine telefonische Nachfrage bei dem VG Neustadt a. d. Weinstraße klärte auf, dass es sich um eine Stadtsparkasse und eine kreisfreie Stadt handelte. 762 VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 05. 12. 1990 – 1 L 3170/90.NW (nicht veröffentlicht). – Den Geldautomaten ordnet auch als Zweigstelle ein das OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20. 02. 1991 – 7 B 10057/91.OVG, NVwZ-RR 1992, 240 (241 f.); ausführlich zum Geldautomaten als Gemeinschaftseinrichtung OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 08. 11. 1991 – 7 B 11766/91.OVG, WM 1993, 58 (58 ff.). 763 OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 08. 11. 1991 – 7 B 11766/91.OVG, WM 1993, 58 (58). 764 OVG NRW, Urt. v.  18. 12. 1981  – 15  A  190/80, DVBl. 1982, 504 (505 f.); kritisch B. R. Bosse, Anmerkung zur Entscheidung OVG NRW, DVBl. 1982, 504, in: DVBl. 1982, S. 506 (506 ff.); umfassendes Rechtsgutachten zu konkret diesem Fall erstatteten Stern / Nierhaus, Rechtsfragen (Fn. 726).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

c) Zwischengemeindlichkeit der genannten Konflikte Der zwischengemeindliche Bezug der skizzierten (Sparkassen-)Konflikte ist nicht durchweg erkennbar, wenn Sparkassen und nicht Gemeinden um ihre Handlungsräume streiten. Handelt eine Sparkasse und greift sie damit  – in welcher Form auch immer – auf fremdes Territorium aus oder wirkt sich das Handeln der Sparkasse auf eine in einem anderen Gebiet liegende Sparkasse oder einen anderen Träger aus, so ist der Auslöser des Konflikts rechtlich nicht das Handeln der Gemeinde, sondern das der Sparkasse. Bis auf die Entscheidung des Trägers, eine Sparkasse zu errichten, agiert immer die Sparkasse. Intuitiv gelangt man damit zu (denkbaren) Konflikten, die nicht zwischen Gemeinden, sondern zwischen Sparkassen entstehen können. Vergleichbare Zweifel an der Zwischengemeindlichkeit des Konflikts rief schon der Umstand hervor, dass im (allgemeinen) Gemeindewirtschaftsrecht gelegentlich rechtlich verselbstständigte Kommunalunternehmen auf fremdes Gebiet aus- und / oder auf fremde Einwohner zugreifen können. Zwischengemeindlich ist der Konflikt auch dann, wenn er zwischen Gemeinden und von Gemeinden errichteten Eigengesellschaften oder rechtlich verselbstständigten Kommunalunternehmen aufkommt. Der Grund dafür ist, dass das Handeln der Kommunalunternehmen den Gemeinden als mittelbare Kommunalverwaltung zurechenbar ist. Der Konflikt zwischen Sparkassen unterscheidet sich allerdings von den Konstellationen des Gemeindewirtschaftsrechts, weil sich im Sparkassenrecht häufig zwei von der Gemeinde rechtlich verselbstständigte juristische Personen gegenüberstehen und miteinander streiten. Im Gemeindewirtschaftsrecht streitet das rechtsfähige Kommunalunternehmen in der Regel mit einer anderen Gemeinde. Jedenfalls gibt es ersichtlich keine gerichtliche Entscheidung, in der es zu einem Rechtsstreit zwischen zwei selbstständigen gemeindlichen Unternehmen kam. Im Sparkassenrecht ist es dagegen nicht ungewöhnlich, dass zwei Sparkassen sich gerichtlich streiten. Darüber hinaus kommt es im Anwendungsbereich des Sparkassengesetzes zu Streitigkeiten zwischen Sparkassen in aller Regel nicht deshalb, weil die Gemeinde nach § 1 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 2 lit. a SpkG NRW über die Errichtung einer Sparkasse beschließt. Der Entschluss einer Gemeinde, eine Sparkasse in ihrem Gebiet zu errichten, wirkt sich regelmäßig nicht auf andere Sparkassen und / oder andere (Träger-)Gemeinden aus. Es ist die Betätigung, die in dem Errichtungsbeschluss nicht im Detail determiniert ist, die sich auf trägergebietsfremde Sparkassen und / oder Träger auswirkt. Sparkassen sind Einrichtungen der mittelbaren Kommunalverwaltung, denn zwischen der Gemeinde als Hauptverwaltungsträger und der Sparkasse besteht ein spezifisches Zurechnungsverhältnis765. Historisch gesehen weisen die Sparkassen seit jeher eine enge Verbindung zu den Gemeinden auf, die bis heute jedenfalls im

765

HessVGH, Urt. v. 23. 03. 1966 – OS II 6/63, ESVGH 16, 151 (155); zur Qualität des Zurechnungsverhältnisses für die Einordnung als mittelbare Kommunalverwaltung s. bereits Fn. 39.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Grundsatz unverändert fortbesteht766. Wie genau die Beziehung heute beschaffen ist, hängt von den Regelungen des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen ab767. 766 Zu den Entwicklungen des Sparkassenwesens in Deutschland Henneke, Sparkassen 2018 (Fn. 36), S. 41 ff.; zur Entwicklung des Sparkassenrechts Lüdde, Sparkassenrecht (Fn. 727), S. 30 ff. 767 Die Träger der Sparkasse üben entscheidenden Einfluss auf die Sparkassenorganisation und die Organe der Sparkasse aus. Im Allgemeinen entscheidet der Träger durch seine Vertretung über grundsätzliche, die Sparkasse betreffende organisationsrechtliche Fragen: Die Kommunalvertretung des Trägers beschließt beispielsweise über die Errichtung (§§ 1 I 1, 8 II lit. a SpkG NRW) und die Auflösung (§§ 8 II lit. b, 31 I 1 SpkG NRW) der Sparkasse sowie über die Vereinigung (§§ 8 II lit. c, 27 SpkG NRW). Sie entscheidet über den Erlass (§§ 6 I 1, 8 II lit. d Var. 1 SpkG NRW) oder die Änderung (§ 8 II lit. d Var. 1 SpkG NRW) der Sparkassensatzung. Die Vertretung des Trägers wirkt an der Bestellung und Wiederbestellung der Vorstandsmitglieder durch den Verwaltungsrat mit, indem die Vertretung des Trägers die Entscheidung des Verwaltungsrats genehmigen muss (§ 8 II lit. e SpkG NRW). Die Vertretung kann daher in begrenztem Umfang die Geschäftspolitik beeinflussen, wobei es ihr verwehrt ist, einzelne Kreditvergaben zu verhindern oder zu ermöglichen. Sie entlastet die Organe der Sparkasse (§ 8 II lit. f SpkG NRW). Sie wählt die Verwaltungsratsmitglieder (§ 8 I SpkG NRW), stellt den Vorsitzenden im Verwaltungsrat (§§ 10 I lit. a, 11 I 1 SpkG NRW) und entsendet die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder (§ 10 I, II SpkG NRW). An den Sitzungen des Verwaltungsrats muss der Hauptverwaltungsbeamte des Trägers teilnehmen (§ 11 III 1 SpkG NRW). Die Vertretung des Trägers beschließt schlussendlich auch über die Verwendung des Jahresabschlusses der Sparkasse (§ 8 II lit. g SpkG NRW) s. treffende Aufzählung bei Nierhaus, Bindung (Fn. 726), S. 663 f. Wichtiger für die Zwischengemeindlichkeit der konfliktträchtigen Aktivitäten der Sparkassen sind die Zuständigkeiten des Verwaltungsrats: Es ist der Verwaltungsrat, der auf Vorschlag des Vorstands über die Errichtung einer Sparkassenzweigstelle entscheidet und die Richtlinien der Geschäftspolitik bestimmt (§ 15 I, IV lit. d SpkG NRW). Der Vorstand leitet die Sparkasse nach § 20 I SpkG NRW in eigener Verantwortung. Der Verwaltungsrat kann aber nach § 15 II lit. c SpkG NRW für den Vorstand Geschäftsanweisungen erlassen oder den Vorsitzenden, die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Vorstands abberufen (§ 15 II lit. a SpkG NRW), sodass der Verwaltungsrat auch die Geschäftspolitik im begrenzten Umfang steuern kann. Ausgeschlossen ist es aber, dass der Verwaltungsrat die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands einschränkt oder eine Einzelentscheidung trifft. Die Zuständigkeit des Verwaltungsrats für die Richtlinien der Geschäftspolitik ist eng auszulegen und betrifft nur die Bestimmung der Grundsätze der Geschäftspolitik Dohmen (Fn. 34), L-17 (Juni 2014), Anm. 6.1. Durch die Dominanz von (gemeindlich entsendeten) Mitgliedern des Verwaltungsrats übt die Gemeinde entscheidenden Einfluss auf die konfliktträchtigen Aktivitäten der Sparkasse aus. Der Verwaltungsrat fasst seine Beschlüsse nach § 16 III 2 SpkG NRW mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, sodass in der Regel die vom Träger entsandten Mitglieder die Mehrheit stellen. Beschlussfähig ist der Verwaltungsrat nach § 16 I 1 SpkG NRW dann, wenn das vorsitzende Mitglied und mindestens die Hälfte der weiteren Mitglieder anwesend sind. Für die Mindestgröße des Verwaltungsrats (§ 10 I, II SpkG NRW) bedeutet dies, dass der Verwaltungsrat nur dann beschlussfähig ist, wenn min. zwei weitere Mitglieder im Fall des § 10 I SpkG NRW) oder min. sieben (§ 10 II SpkG NRW) anwesend sind, die von der Gemeinde entsandt wurden. Die (mögliche) Mehrheit liegt somit immer bei den Mitgliedern im Verwaltungsrat, welche die Gemeinde wählte. Ohne den Vorsitzenden fehlt es zudem an der Beschlussfähigkeit D ­ ohmen (Fn. 34), L-17 (Januar 2018), Anm. 6.1. Wie gesehen, wählt die Vertretung des Trägers nicht nur den Vorsitzenden und seine Stellvertreter im Verwaltungsrat (§ 11 I SpkG NRW), sondern die Vertretung wählt auch nach § 12 I 1 SpkG NRW die sachkundigen Mitglieder im Verwaltungsrat nach § 10 I lit. b, II lit. b SpkG NRW, welche die Mehrheit im Verwaltungsrat bilden. Sowohl das vorsitzende Mitglied als

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Das Sparkassengesetz weist dem Träger ein Bündel unterschiedlicher Rechte und Pflichten zu768, wodurch die Sparkassen in vielfältiger Weise durch ein eng­ maschiges „Beziehungsgeflecht“769 mit ihren Trägern verbunden sind770. Aus diesem Grund sind Konflikte zwischen Sparkassen und / oder Gemeinden zwischengemeindlich im Sinne der Untersuchung. 3. Konfliktlösungsstrategien des Sparkassenrechts – sparkassengesetzliches Regionalprinzip a) Inhalt, normative Verortung und Rigidität des sparkassengesetzlichen Regionalprinzips Normativen Ausgangspunkt für das Regionalprinzip bildet das Sparkassen­ gesetz. Die Anhaltspunkte für die gesetzliche Verankerung des Regionalprinzips reichen – verstreut über das Sparkassengesetz – von Aussagen über die Aufgabe der Sparkassen, ihrem Geschäfts- und Satzungsgebiet, der Zuweisung einer Sparkassenerrichtungskompetenz an bestimmte Träger für ein bestimmtes Gebiet, Bestimmungen über die Haupt- und Zweigstellenerrichtung, über Vorschriften, welche die notwendig gewordene Anpassung der Sparkassenlandschaft aus Anlass von kommunalen Neugliederungen betreffen, bis hin zur anstaltlichen Organisationsform der Sparkassen. Sie alle deuten unzweifelhaft auf die Existenz eines

auch seine Stellvertreter müssen Mitglieder der Vertretung des Trägers sein (§ 11 I 1, II SpkG NRW). Der Träger darf den Verwaltungsratsmitgliedern keine unmittelbaren Weisungen erteilen (§ 15 VI SpkG NRW). Nach § 8 II lit. h SpkG NRW kann die Vertretung aber, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, ein Verwaltungsratsmitglied abberufen. Ungeachtet der Frage, wann ein solcher Grund vorliegt, übt der Träger erheblichen Einfluss auf die Sparkasse aus. Der dominierende Einfluss der Gemeinde auf den Verwaltungsrat sowie die übrigen Ingerenzrechte, welche die Gesetzesbegründung zum Sparkassengesetz 2008 treffend als „Beherrschungsverhältnis“ zu beschreiben suchte, rechtfertigen es, die Aktivitäten der Sparkasse als solche der Gemeinde einzustufen und deshalb den Sparkassenkonflikt als zwischengemeindlichen zu qualifizieren. So die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Änderung aufsichtsrechtlicher, insbesondere sparkassenrechtlicher Vorschriften LT-Drs. NRW 14/6831, S. 29; kritisch zum tatsächlichen Trägereinfluss auf die Sparkassen wegen der Weisungsfreiheit der Verwaltungsräte Weides, Eigenständigkeit (Fn. 725), S. 43; diese Kritik aufnehmend Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 54. 768 Mit dem Wegfall der sog. Gewährträgerhaftung als Folge des sog. Brüsseler Kompromisses vom 17. 07. 2001 ist der Begriff des Gewährträgers überholt, stattdessen ist schlicht vom sog. Träger die Rede Henneke, Sparkassen 2018 (Fn. 36), S. 74 f. 769 Nierhaus, Bindung (Fn. 726), S. 662 ff.; häufig wird auch der Begriff der „kommunalen Bindung“ verwendet, dazu B. Rühl, s. v. Kommunale Bindung, in: Deutscher Sparkassenverlag (Hrsg.), Handwörterbuch der Sparkassen, Bd. II, 1982, S. 469 ff. 770 Grundlegend H. Kierstein, Probleme der Beziehungen zwischen den Muttergemeinwesen und den von ihnen errichteten rechtsfähigen Anstalten, Diss. 1967, S. 76 ff.; ebenfalls zu diesem Verhältnis v. Mutius, Status (Fn. 736), § 105, S. 471; Nierhaus, Bindung (Fn. 726), S. 662 ff.; Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 42 f.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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(einfachgesetzlichen) sparkassengesetzlichen Regionalprinzips hin, weshalb die Untersuchung sie eingehender analysiert. Die Verordnung zur Regelung des Geschäftsrechts und des Betriebes der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1995 (Sparkassenverordnung)771 sprach in § 3 ausdrücklich vom Regionalprinzip und konkretisierte im Verordnungswege sparkassengesetzliche Vorschriften. Der Regelungsinhalt der Sparkassenverordnung wurde auf das Sparkassengesetz und die Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (AVV) zum Sparkassengesetz772 2008 verteilt773. Vornehmlich für die geschäftlichen Betätigungen der Sparkassen spielten viele unterschiedliche Rechtsquellen unterschiedlicher Ebene eine Rolle774. Heute dominieren auf Landesebene die Regelungen des Sparkassengesetzes; die Untersuchung beschränkt sich auf sie. Der exakte Inhalt des sparkassengesetzlichen Regionalprinzips, seine normative Verortung und seine Rigidität sind im Detail durchaus noch umstritten. Die einschlägige Literatur und Rechtsprechung beziehen eigentlich immer, wenn sie sich mit dem sparkassenrechtlichen Regionalprinzip beschäftigen, sowohl die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung als auch allgemein kommunalverfassungsrechtliche Argumente in ihre Ausführungen ein775. Beide Aspekte sollen an dieser Stelle der Untersuchung allerdings unberücksichtigt bleiben. Teile des Schrifttums sahen sich wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Lücken im Sparkassengesetz, d. h. in Fällen, wo eine räumliche Einschränkung bestimmter Sparkassentätigkeiten für (politisch) wünschenswert erachtet wurde, es aber an einer Regelung im Sparkassengesetz fehlt, zur kommunalverfassungsrechtlichen Verankerung des Regionalprinzips oder seiner Ergänzung veranlasst776. Zum Teil 771

GV. NRW S. 1255; aufgehoben durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung aufsichtsrechtlicher, insbesondere sparkassenrechtlicher Vorschriften vom 18. 11. 2008, GV. NRW S. 696, in Kraft getreten am 29. 11. 2008. 772 RdErl. d. Finanzministeriums v. 27. 10. 2009, MBl. NRW. 2009 S. 520. 773 Lüdde, Sparkassenrecht (Fn. 727), S. 45. 774 Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 140. 775 Stellvertretend etwa Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 85 ff., der die einfachgesetzlichen Regelungen des Sparkassenrechts mit den von ihm herausgearbeiteten inhaltlichen Aussagen des Art. 28 II 1  GG abgleicht; im Bemühen um andere normative und (verwaltungsrechts-)dogmatische Herleitungen des Regionalprinzips z. B. Hofmann, Neugliederung (Fn. 724), S. 645; Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 29 ff.; Stern, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 25 f.; m. w. N. Häuser, Regionalprinzip (Fn. 760), S. 336 f. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass viele Darstellungen sich nicht auf ein Land beschränken, sondern bundesweit gültige Aussagen treffen wollten. 776 Die Vorstellung von „Lücken im Recht“ wendet die (politisch) unerwünschte Rechtsfolge in etwas Pathologisches, das es (angeblich) zu korrigieren gilt. Liegt eine „Lücke“ im Recht vor, dann regelt das Recht den Fall negativ, s. klassisch Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 281 ff. Sollte das Verfassungsrecht verfassungsunmittelbar Ansprüche im Horizontalverhältnis vermitteln oder eine andere Gestalt des einfachen Rechts verlangen, dann widerspricht die einfachgesetzliche Rechtslage dem Verfassungsrecht, ohne dass das Bild der Lücke zielführend wäre.

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verzichteten auch die Verwaltungsgerichte auf die normative Verortung des Regionalprinzips im Sparkassengesetz und meinten, dass das Regionalprinzip eine Selbstverständlichkeit sei: Es verstehe sich von selbst, dass sich eine Verwaltung nur in dem ihr zugehörigen örtlichen Bereich betätigen dürfe777. An der Zulässigkeit des Rückgriffs auf das allgemeine Kommunalverfassungsrecht entzündet sich erneut der alte Streit über das Verhältnis von Kommunal- und Sparkassenrecht zueinander778. Greift man auf allgemeine kommunalverfassungsrechtliche Argumente für die Herleitung des Regionalprinzips zurück, so erscheinen Abweichungen von der strikten Begrenzung der Sparkassen auf das Gebiet ihrer Träger als eine Art Durchbrechung des Regionalprinzips. Eine strikte gebietliche Beschränkung steht aber selbst bei Wirtschaftsbetätigungen im Anwendungsbereich der Gemeindeordnung auf tönernen Füßen. Die Untersuchung beschränkt sich daher auf das Regionalprinzip, wie es im Sparkassengesetz seinen Ausdruck findet779. Viele der zuvor angeführten Stellungnahmen stammen allerdings entweder aus einer Zeit, zu der das Regionalprinzip im Sparkassengesetz zwar schon angedeutet, nicht aber wie heute in § 3 SpkG NRW zum Teil normiert war, oder sie beziehen sich auf die Rechtslage in anderen Ländern. Im Laufe der Geschichte des Sparkassengesetzes enthielt das Gesetz unterschiedlich deutliche Anhaltspunkte für die Geltung, die Reichweite und die Rigidität des Regionalprinzips. Das Gesetz über die Sparkassen sowie über die Girozentrale und Sparkassen- und Giroverbände vom 7. Januar 1958780 enthielt noch keine ausdrückliche normtextliche Fixierung des Regionalprinzips. Nach § 4 dienten die Sparkassen der „örtlichen Kreditversorgung“. Das Gesetz machte damit jedenfalls einen örtlichen Bezug der Sparkassentätigkeit deutlich. Klarer war das Gesetz zur Änderung des Sparkassengesetzes vom 16. Juni 1970781. Zu § 1 wurde ein zweiter Absatz hinzugefügt, der festlegte, dass Sparkassen „im Gebiet ihres Gewährträgers Haupt- und Zweigstellen errichten“ können. § 4 sprach anstatt von „örtlicher Kreditversorgung“ nunmehr präziser von der Versorgung der „Bevölkerung […] des Geschäftsgebietes und ihres Gewährträgers“. Das Sparkassengesetz vom 16. Juni 1970 beschränkte die Sparkassen, wie heute § 1 Abs. 2 S. 1 SpkG NRW, auf die Errichtung von Zweigstellen im Gebiet des (Gewähr-)Trägers782. Die §§ 36 ff. ent 777

Stellvertretend aus der Rspr. OVG NRW, Entsch. v. 20. 10. 1965 – III A 630/64, DVBl. 1966, 342 (344); umfassende Nachweise bei Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.2. 778 Dazu Fn. 725. 779 Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 72, 159; aus diesem Grund mag es angezeigt sein, von einem „sparkassentypischen Regionalprinzip“ zu sprechen, wie es Brzoska, Sparkassen (Fn. 735), S. 36 ff., 107 ff., vorschlägt. Anders als bei Brzoska soll noch keine Aussage darüber getroffen sein, ob die sparkassenrechtliche Ausgestaltung des Regionalprinzips verfassungsgemäß ist. Der Ausdruck „sparkassentypisch“, treffender wohl „sparkassengesetzlich“ soll nur den Umstand betonen, dass es zuvörderst darauf ankommt, wie das Sparkassenrecht das Regionalprinzip ausgestaltet. 780 GV. NRW S. 5. 781 GV. NRW S. 482. 782 GV. NRW S. 482.

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hielten Vorschriften zu den Auswirkungen der kommunalen Neugliederungsbemühungen. Insbesondere § 38 sah eine Übertragungspflicht für Sparkassenhaupt- und Sparkassenzweigstellen vor, die infolge von Gebietsänderungen außerhalb des Gebietes ihres Gewährträgers lagen. Mit dem Gesetz über die Sparkassen sowie über die Girozentrale und Sparkassen- und Giroverbände vom 10. Juli 1970783 fasste der Gesetzgeber die Vorschriften in den §§ 32 f. neu. Im Sparkassengesetz vom 18. November 2008 finden sich in den §§ 27 f. SpkG NRW Vorschriften mit dem iden­ tischen Regelungsgegenstand. Zwischenzeitlich hat das Gesetz das Regionalprinzip ausdrücklich erwähnt. Seit dem Gesetz zur Änderung des Sparkassengesetzes und über den Zusammenschluß der Sparkassen- und Giroverbände vom 8. März 1984784 wird das Regionalprinzip in § 3a ausdrücklich genannt. Heute findet sich das Regionalprinzip in § 3 SpkG NRW mit einer ausführlichen Liste der zulässigen Betätigungen von Sparkassen. § 3 SpkG NRW greift die Regelungsgehalte des damaligen § 3 SpkVO NRW auf785. Ausdrücklich ist von dem Regionalprinzip (nur) in der amtlichen Überschrift von § 3 SpkG NRW die Rede. Eine Reihe von weiteren Einzelbestimmungen des Sparkassengesetzes konkretisieren das Regionalprinzip. Das Sparkassengesetz hält auf der einen Seite Regelungen vor, welche die Sparkassen institutionell-organisatorisch auf das Gebiet der sie errichtenden Gemeinden beschränken. Auf der anderen Seite enthält es Regelungen, welche die geld- und kreditwirtschaftlichen Betätigungen der Sparkassen in gewissem Umfang räumlich einschränken786. Von besonderer Bedeutung für die räumliche Beschränkung ist der sog. öffentliche Auftrag der Sparkassen, wie er in § 2 Abs. 1 SpkG NRW seinen Niederschlag findet787. § 2 Abs. 1 SpkG NRW bezieht sich ausdrücklich auf die Bevölkerung sowie das Geschäfts- und Trägergebiet. Beides ist nichts anderes als eine Umschreibung der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Der Landesgesetzgeber schreibt den Gemeinden für die Errichtung einer Sparkasse den Unternehmenszweck und den Unternehmensgegenstand vor. Die Regelung in § 2 Abs. 1 SpkG NRW ist vergleichbar mit § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW. Mit jeder Betätigung müssen die Sparkasse und ihr Träger den einfachgesetzlichen Auftrag erfüllen. Indem der Landesgesetzgeber die Gemeinden und die Sparkassen auf die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft festlegt, verpflichtet der Landesgesetzgeber die Sparkassen, sich – vorbehaltlich weiterer, abweichender Regelungen des Sparkassengesetzes – nur zur Erfüllung eines spezi 783

GV. NRW S. 604. GV. NRW S. 92. 785 Dazu der synoptische Überblick bei Heinevetter, SpkG NRW (Fn. 37), A. 3 (Juli 2011), S. 2 ff. 786 Bereits hier sei die Unterscheidung zwischen dem sog. institutionell-organisatorischen Regionalprinzip und dem für die geschäftliche Betätigung der Sparkassen geltenden, dem sog. geschäftsrechtlichen Regionalprinzip angedeutet Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 1.1. 787 Knapp zum öffentlichen Auftrag der Sparkassen aus neuerer Zeit OVG NRW, Urt. v. 17. 11. 2020 – 15 A 4409/18, NVwZ-RR 2021, 199 (200 Rn. 43). 784

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

fischen Teilausschnitts der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu betätigen. Dieser Teilausschnitt liegt in der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung und Wirtschaft788. Gemeinden sind daher frei in der Entscheidung, ob sie Sparkassen errichten. Sie sind hingegen nicht frei darin zu entscheiden, welche Ziele sie mit der Sparkasse verfolgen789. Mit der Verpflichtung der Sparkasse, eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen, legt das Gesetz die Sparkassen zwar nicht strikt auf das Gebiet ihres Trägers fest. Es beschränkt die Sparkassen aber doch mittelbar auf das Trägergebiet790. Weitere Bestimmungen des Sparkassengesetzes konkretisieren die auf die Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft beschränkte Sparkassentätigkeit. Das Gesetz differenziert zwischen dem Aktiv-, Passiv- und dem Dienstleistungsgeschäft791. All diese Regelungen sichern zusätzlich die im Grundsatz auf das Gebiet der Trägers begrenzte (Zweigstellen-)Errichtungskompetenz ab792. Es ergeben sich keine Abweichungen zur allgemeinen gemeindewirtschaftlichen Betätigung. Zur Verdeutlichung sei ein Vergleich zu den Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts (§§ 107 ff. GO NRW) gezogen: Im Gemeindewirtschaftsrecht dürfen sich Gemeinden „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ gemeindewirtschaftlich nur dann betätigen, wenn ein „öffentlicher Zweck“ die Betätigung erfordert (vgl. § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 sowie Abs. 1 Nr. 1 GO NRW). Regelhaft stehen den wirtschaftenden Gemeinden nur dann Zuständigkeits- und Kompetenztitel für die Wirtschaftsbetätigung zur Ver 788 Das Schrifttum verpflichtet die Sparkassen nicht ausdrücklich auf die Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Stattdessen liest man, dass der öffentliche Zweck der Sparkassen in der „Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe“ liege s. H. Engau, in: Heinevetter, SpkG NRW (Fn. 37), § 2 (April 2017), Anm. 1.1, oder in der „Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge“ Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 1.1. Man liest ferner bei Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 2.3, dass die „Errichtung von Sparkassen […] ausschließlich eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung [ist]“, und der „Betrieb von Sparkassen […] eine wichtige, durch die Verfassungsgarantie abgesicherte freiwillige Betätigung der Kommunen“ sei; ähnlich aus dem älteren Schrifttum Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 54; Thomas, Bewertung (Fn. 728), S. 6 Fn. 7; Sparkassen sind damit Einrichtungen der Daseinsvorsorge Engau (Fn. 788), § 2 Anm. 1.2. Viele Stimmen im Schrifttum blicken damit auf die Sparkassenbetätigung eher aus der Perspektive der Berechtigung, weniger jedoch aus der Perspektive der Verpflichtung zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, letzteres tut etwa Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 88 f. 789 Engau (Fn. 788), § 2 Anm. 1.1, 1.3.1. 790 Zur territorial begrenzenden Wirkung der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft unter 2.  Teil A. II. 2. a) aa) (2) (S. 184 ff.); auch der HessVGH, Urt. v. 23. 03. 1966 – OS II 6/63, ESVGH 16, 151 (154 f.). 791 Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 1.1. 792 Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 143: „Dürften Sparkassen über ihre örtlich radizierten Geschäftsstellen ihre bankwirtschaftlichen Tätigkeiten […] ohne Regionalbindung unbegrenzt entfalten, verlöre die Kommunalbindung der Zweigstellenerrichtungszuständigkeit jeglichen Sinn; sie verkümmerte zu einem formalen [Kursivierung im Original, M. J.] Zuständigkeitsgrundsatz ohne wesentlichen materiell-geschäftsrechtlichen Gehalt [Kursivierung im Original, M. J.].“ „[Es, M. J.] wäre nicht nur ein Torso, sondern letztlich ein Widerspruch in sich“.

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fügung, wenn sie mit ihr eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllen. Der Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist nicht strikt räumlich zu verstehen793. Bei aufmerksamer Lektüre des Normtextes fällt auf, dass die Sparkassen der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung insbesondere der Bevölkerung und der Wirtschaft des Geschäftsgebiets und ihres Trägers dienen sollen. Der Landesgesetzgeber bringt mit der Formulierung „insbesondere“ zum Ausdruck, dass eine Sparkasse auch dann noch eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllen kann, wenn sie sich außergebietlich betätigt, d. h. außerhalb des Trägergebiets. Die Formulierung „insbesondere“ kann man als einen (deklaratorischen) Hinweis darauf deuten, dass eine Betätigung auch dann noch in Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfolgen kann, wenn sie außergebietlich stattfindet. Die grundsätzlich zulässige Geschäftstätigkeit der Sparkassen darf damit zwar außergebietlich, aber nach § 2 Abs. 1 SpkG NRW nicht überörtlich sein794. Dort, wo das Sparkassengesetz Regelungen bereithält, die den Sparkassen Betätigungen jenseits des Aufgabenbestands der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gestatten, schafft erst das Sparkassengesetz einen über den einfachgesetzlich nachgezeichneten Aufgabenbestand des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG hinausgehenden Zuständigkeits- und Kompetenztitel. Durch die Regelungen, mit denen das Sparkassengesetz überörtliche Betätigungen gestattet, kommt es nicht zu Friktionen mit der Verpflichtung der Sparkassen auf die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung als Teilausschnitt der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Solche Regelungen sind als leges speciales zu § 2 Abs. 1 SpkG NRW zu qualifizieren. Anders als etwa in § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW, fehlen bei zuständigkeits- und kompetenzerweiternden Regelungen des Sparkassengesetzes überdies direkte Verweise auf § 2 Abs. 1 SpkG NRW. Darüber hi­naus greift § 2 Abs. 1 SpkG NRW ausdrücklich neben dem Gebiet des Trägers das Geschäftsgebiet auf: Das Geschäftsgebiet kann das Trägergebiet überschreiten, wenn jenes etwa für das Aktivgeschäft durch Satzung über das Trägergebiet hinaus erweitert wird. 793

Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 88 f.; nicht eindeutig ist, ob Engau (Fn. 788), § 2 Anm. 1.3.3, eine Geschäftstätigkeit zulässt, die nicht mehr in der Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft liegt. Auf der einen Seite meint er, dass es zu strikt sei, die Aufgabenerfüllung an der Grenze des Trägergebiets enden zu lassen, was mit der Deutung hier übereinstimmen würde. Auf der anderen Seite meint er aber auch, dass Geschäfte mit Gebietsfremden zulässig sein müssten, denn die wirtschaftliche Dynamik erlaube keine ausnahmslos „örtliche“ Anbindung der Geschäftstätigkeit der Sparkassen Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 1.1. 794 Das übersieht Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 1.1, der eine Parallele zu § 107 III GO NRW zieht. Der Regelungsgehalt von § 107 III GO NRW ist janusköpfig, denn er stellt zum einen klar, dass eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft nicht strikt territorial beschränkt ist und begrenzt teilweise mit der Pflicht zur Interessenwahrung bei einer Außergebietlichkeit die Betätigung zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, ermächtigt zum anderen aber auch unter bestimmten Bedingungen zu einer überörtlichen Wirtschaftsbetätigung.

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aa) Gesetzliche Regelungen zur Sparkassenorganisation (1) Sparkassenerrichtung Nach § 1 Abs. 1 SpkG NRW können Gemeinden oder Gemeindeverbände (mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde) Sparkassen errichten. § 1 Abs. 1 SpkG NRW bezieht sich auf die Sparkassenorganisation. Normtextlich enthält § 1 Abs. 1 SpkG NRW keine klare Beschränkung der Errichtungskompetenz von Sparkassen auf das Gebiet der sie errichtenden Gemeinde. Dennoch versteht es sich von selbst, dass eine Gemeinde nur für sich und nicht für andere Gemeinden eine Sparkasse als ihr Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsform einer landesrechtlichen Anstalt des öffentlichen Rechts errichten kann795. Die Zuweisung der Errichtungskompetenz an die Gemeinden in Verbindung mit den kommunalen Bestimmungen über den Wirkungskreis der Gemeinden (vgl. § 2 GO NRW) verdeutlichen, dass die Gemeinden Sparkassen als ihre Wirtschaftsunternehmen grundsätzlich nur zur Erfüllung von (eigenen) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft errichten dürfen796. (2) Haupt- und Zweigstellenerrichtung Hat eine Gemeinde eine Sparkasse errichtet, ist die Sparkasse nach § 1 Abs. 2 S. 1 SpkG NRW grundsätzlich (nur) berechtigt, im Gebiet ihres Trägers Hauptund Zweigstellen zu errichten. Anders als § 1 Abs. 1 SpkG NRW weist das Gesetz den Sparkassen und nicht ihren Trägern das Recht zur Errichtung von Haupt- und Zweigstellen zu. Das Gesetz normiert nur ein Errichtungs-, nicht hingegen auch ein Betriebsverbot. Eine ursprünglich zulässig errichtete Zweigstelle im fremden Trägergebiet darf daher sparkassenorganisationsrechtlich weiterbetrieben werden797. § 1 Abs. 2 S. 1 SpkG NRW begrenzt die Sparkassen auf das Gebiet ihrer Träger. Satz 1 verweist die Sparkassen unabhängig davon, ob sie mit der Zweigstelle in dem Gebiet eines anderen Trägers noch Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllen oder nicht, auf das Trägergebiet. Weder den Begriff der Haupt- noch den der Zweigstelle definiert das Sparkassengesetz. Unter einer Hauptstelle kann man denjenigen Ort verstehen, an dem die Sparkasse ihre Zentrale errichtet, also regelmäßig den Sparkassenvorstand beheimatet und den Schwerpunkt ihres Geschäfts- und Organisationsbereichs unterbringt798. Eine Zweigstelle der Sparkasse ist jede von der Hauptstelle räumlich getrennte, örtlich gebundene und mit sächlichen Mitteln ausgestattete Nebenstelle 795

Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 12 f. Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 12 f.; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 52 f. 797 Hierzu und zum Gesetzgebungsprozess des § 1 II SpkG NRW Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.3. 798 Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.1. 796

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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der Sparkasse, in der – unter Umständen auch nur vorübergehend – im unmittelbaren Kontakt mit Kunden Bank- und / oder Finanzdienstleistungsgeschäfte ganz oder zum Teil durchgeführt oder nur vorbereitet werden799. Eine gewisse Sonderrolle sollen Geldautomaten und Selbstbedienungsterminals einnehmen, weil diese kein Personal zur Bedienung der Kunden voraussetzen. Was aus dieser Sonderrolle rechtlich folgen soll, bleibt bis auf die Ausnahme von der Anzeigepflicht nach § 9 AnzV offen800. Überwiegend ordnen das Schrifttum und die Rechtsprechung auch Geldautomaten als Zweigstelle ein801. Die Sparkassen sind räumlich auf die Errichtung von Haupt- und Zweigstellen im Trägergebiet beschränkt, für den Fall, dass Gemeinden Trägerinnen der Sparkassen sind, also auf das Gemeindegebiet802. Exemplarisch angeführt sei erneut die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße, die allerdings keinen zwischengemeindlichen Konflikt im Sinne der Untersuchung betraf, aber gleichwohl aufschlussreich ist. Neben dem Gesichtspunkt, dass es sich auch bei Geldautomaten um Zweigstellen im Sinne des Sparkassengesetzes handele und die Errichtung der Genehmigung der Sparkassenaufsicht bedürfe, stellte das Gericht auch auf das „Regionalprinzip als sparkassenrechtliche[n] Grundsatz“ ab, der „weitgehend seine Bedeutung verlöre, wenn Sparkassen ungeachtet fremder Gewährträgergebiete [heute: Trägergebiete, M. J.] Bankomaten […] aufstellen könnten.“803 Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos804. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz betonte, dass das im rheinland-pfälzischen Sparkassengesetz vorgesehene Genehmigungserfordernis für die Errichtung einer Zweigstelle, verbunden mit einem Anhörungserfordernis, dem Interesse des betroffenen (Gewähr-)Trägers sowie seiner Sparkasse diene. Jedem anderen Träger öffentlicher Gewalt erwachse aus dem besonderen Genehmigungsverfahren und dem im Lichte des Selbstverwaltungsrecht auszulegenden Verfahrensregelung ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Einhaltung des Verfahrens805. Nach § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW dürfen Sparkassen Haupt- und Zweigstellen im trägerfremden Gebiet, „nach Anhörung“ der Sparkasse, ihrer Träger und des Spar 799

So die Definition bei H. Engau, in: Heinevetter, SpkG NRW (Fn. 37), § 15 (November 2014), Anm. 7.4.1. 800 Formal soll es sich auch bei dieser Art von Sparkasseneinrichtung um eine Zweigstelle im Sinne des Gesetzes handeln, die aber Ausnahmeregelungen nach sich ziehen Engau (Fn. 799), § 15 Anm. 7.4.2. 801 VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 05. 12. 1990 – 1 L 3170/90.NW (nicht veröffentlicht); so auch OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20. 02. 1991 – 7 B 10057/91.OVG, NVwZ-RR 1992, 240 (241 f.); ausführlich zum Geldautomaten als Gemeinschaftseinrichtung OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 08. 11. 1991 – 7 B 11766/91.OVG, WM 1993, 58 (58 ff.); Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 77, 317. 802 Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.2. 803 VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 05. 12. 1990 – 1 L 3170/90.NW (nicht veröffentlicht). 804 OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20. 02. 1991 – 7 B 10057/91.OVG, NVwZ-RR 1992, 240 (240). 805 OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20. 02. 1991 – 7 B 10057/91.OVG, NVwZ-RR 1992, 240 (241).

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kassen- und Giroverbandes, sowie unter der Einhaltung weiterer formeller Voraussetzungen errichten, wenn „besondere[r] Umstände“ vorliegen. Bei unbefangener Betrachtung des Normwortlauts könnte es sich um eine gesetzlich gestattete Abweichung vom Regionalprinzip, also der Begrenzung der Errichtungskompetenz einer Zweigstelle auf das Gebiet des Trägers, handeln. Ob das der Fall ist, hängt aber davon ab, auf welchen Teil von § 1 Abs. 2 SpkG NRW sich die Ausnahmeregelung des Satzes 3 bezieht. Der Normtext ist bei der Frage des Bezugspunktes der Ausnahmemöglichkeit nicht eindeutig. Ordnet Satz 3 nur die Ausnahme von der prinzipiellen Unzulässigkeit der Errichtung von Kreissparkassenzweigstellen in kreisangehörigen Gemeinden mit eigener Sparkasse an, ist also nur das Subsidiaritätsprinzip ausnahmefähig, oder dürfen auch von der Beschränkung in Satz 1 Ausnahmen unter den in Satz 3 genannten Voraussetzungen zugelassen werden? Das würde bedeuten, dass das Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen die Errichtung gebietsfremder Sparkassenzweigstellen zulassen würde, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW gegeben sind. Systematisch schließt sich Satz 3 unmittelbar an Satz 2 an, der die Sondersituation des Konflikts teilidentischer Räume zwischen Kreissparkassen im Gebiet kreisangehöriger Gemeinden betrifft. Denkbar wäre somit eine Auslegung des Satzes 3 dergestalt, dass sich die Ausnahmen nur auf die Unzulässigkeit von Kreissparkassenzweigstellen im Gebiet kreisangehöriger Gemeinden beziehen. Dafür spricht weiter der Umstand, dass Satz 2 die in Satz 1 getroffene Regelung für die Sondersituation teilidentischer Räume und das Verhältnis fehlender Gleichordnung ausdehnt. Satz 2 ergänzt somit jedenfalls die Regelung in Satz 1 in Form des Subsidiaritätsprinzips. Gegen diese Auslegung der Norm spricht allerdings, dass Satz 3 keinen konkreten Bezug zu Satz 2 aufweist. Ein solcher Bezug hätte beispielsweise durch die Formulierung erfolgen können, dass „davon“, also von der Unzulässigkeit von Kreissparkassenzweigstellen, oder von der „Unzulässigkeit der Kreissparkassenerrichtung in kreisangehörigen Gemeinden mit eigener Sparkasse“ Ausnahmen zugelassen werden könnten. Das Gesetz drückt sich jedoch anders aus. Es ist demnach davon auszugehen, dass das Gesetz auch Ausnahmen von Satz 1 zulässt, also insgesamt trägergebietsfremde Zweigstellen bei dem Vorliegen besonderer Umstände unter Einhaltung gewisser prozeduraler Vorgaben rechtlich gestattet806. Von dem Verbot des Satzes 1 macht Satz 3 folglich Ausnahmen. Hinsichtlich des Regelungsgehalts von § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW müssen allerdings zwei Konstellationen unterschieden werden: – Erfüllt die Sparkasse mit einer trägergebietsfremden Zweigstelle noch eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft, dann eröffnet § 1 Abs. 2 S. 3  SpkG 806

So auch Hoppe, Regionalprinzip (Fn. 735), § 105 C., S. 500, zu dem damaligen § 1 II SpkG NRW, der bis heute unverändert ist: „[V]on beiden Vorschriften kann die Aufsichtsbehörde allerdings Ausnahmen zulassen“; ohne Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der Norm auch Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 15 f., 76; umstandslos die Ausnahmemöglichkeit auf beide Verbote bezieht ebenso Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.4.

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NRW die Möglichkeit, von dem Errichtungsverbot Ausnahmen zuzulassen. Die Sparkasse erfüllt nur dann eine eigene Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft des Trägers, wenn in der außergebietlichen Zweigstelle nur Einwohner der Gemeinde geld- und kreditwirtschaftlich versorgt werden sollen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in unmittelbarer Nähe zur Nachbargemeinde ein Wohngebiet belegen ist und die Sparkassenzweigstelle zur Versorgung der Bewohner dieses Wohngebiets aus tatsächlichen Gründen nur in einer angrenzenden Gemeinde erreichtet werden kann. Die Genehmigungsentscheidung hebt das Verbot auf, das Satz 1 mit der grundsätzlichen Beschränkung der Zweigstellenerrichtung auf das Trägergebiet statuiert. Die Zweigstelleneröffnung steht unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt807. Obwohl der Sparkasse an sich nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein verfassungsunmittelbarer Zuständigkeitsund Kompetenztitel zur Verfügung steht, bedarf sie der Genehmigung der Sparkassenaufsicht, um eine Zweigstelle eröffnen zu dürfen. – Sollen vorrangig auch Kunden anderer Trägergemeinden geld- und kreditwirtschaftlich in der Zweigstelle versorgt werden, dann erfolgt die Zweigstelleneröffnung nicht mehr zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der errichtenden Sparkasse. Der Landesgesetzgeber schafft den Sparkassen einen zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel, falls die Bedingungen des Satzes 3 erfüllt sind. Auch die überörtliche Betätigung steht unter Genehmigungsvorbehalt. Bei § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW handelt es sich um lex specialis zu § 2 Abs. 1 SpkG NRW. Fraglich ist, was unter „besondere[n] Umstände[n]“ zu verstehen ist. Das Gesetz lässt den Inhalt offen. Anhaltspunkte mögen die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Sparkassengesetz liefern. Danach müssen Gründe für das Eröffnen einer Zweigstelle im trägerfremden Gebiet vorliegen, die sich aus den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ergeben. Die unterschiedlichen Regelungsgehalte von § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW sind bei der Ermittlung des Inhalts des Merkmals der besonderen Umstände zu berücksichtigen. Weil die Eröffnung einer Zweigstelle zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft an sich verfassungsunmittelbar zulässig ist, § 1 Abs. 2 S. 1 SpkG NRW die Zweigstelleneröffnung aber unter ein präventives Verbot stellt, muss die Aufsicht die Eröffnung der Zweigstelle genehmigen, wenn keine gewichtigen Gründe gegen die Eröffnung sprechen. Die Aufsichtsbehörde muss eine Abwägungsentscheidung treffen. Die Belange von Nachbarsparkassen und -trägern, in deren Gebiet die

807 Zur Unterscheidung eines sog. präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und dem sog. repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt C. Bumke, Verwaltungsakte, in: W. HoffmannRiem / E. Schmidt-Aßmann / A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 2012, § 35 Rn. 90 ff.; weitere Genehmigungstypen unterscheidet Masing, Rechtsstatus (Fn. 289), § 7 Rn. 165 ff.; speziell zur Einordnung des Genehmigungstatbestands der Baugenehmigung A.-B. Kaiser, Bauordnungsrecht, in: Ehlers / Fehling / P ünder, VwR BT II (Fn. 260), § 41 Rn. 26.

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Sparkasse die Sparkassenzweigstelle errichten möchte, sind bei der Entscheidung über das Vorliegen besonderer Umstände einzubeziehen. Erfolgt die Zweigstelleneröffnung, um die Einwohner der eigenen Trägergemeinde zu versorgen, dann muss die Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung überprüfen, ob Interessen anderer Gemeinden oder Sparkassen unzumutbar beeinträchtigt werden. Normtextlich finden die Belange der Sparkassen oder der Nachbargemeinden keine Erwähnung. Aufschlussreich ist aber, dass nach § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW eine Anhörung sowohl der betroffenen Sparkasse als auch ihres Trägers erforderlich ist. Eine solche Anhörungspflicht ergibt nur dann einen Sinn, wenn die dabei ermittelten Informationen für die Entscheidung über das Vorliegen besonderer Umstände bedeutsam sind, diese mit anderen Worten (auch) die Entscheidungsgrundlage bilden. Die Aufsichtsbehörde hat etwa bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, ob die örtlich zuständige Sparkasse über ein ausreichend dichtes Zweigstellennetz verfügt oder ob Versorgungslücken bestehen, die eine trägergebietsfremde Sparkassenzweigstelle schließt. Besondere Umstände mögen auch dann vorliegen, wenn ohne eine Zweigstelle im fremden Trägergebiet die Sparkasse bestehende Kundenbeziehungen nicht mehr aufrechthalten könnte808. Von Relevanz für das Vorliegen besonderer Umstände ist der öffentliche Auftrag der Sparkassen, der in der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung liegt und stets auch in die Abwägungsentscheidung über das Vorliegen besonderer Umstände einzubeziehen ist809. Genehmigt die Aufsichtsbehörde eine Zweigstelle im trägerfremden Gebiet, mit der die Einwohner anderer Gemeinden versorgt werden sollen, verlangt die verfassungsorientierte Auslegung des Merkmals der besonderen Umstände, dass entweder die Sparkasse zustimmt oder ohne die Eröffnung der Zweigstelle echte Versorgungslücken in der anderen Gemeinde entstünden810. Zum Teil gehen Stimmen im Schrifttum davon aus, dass (heute) keine „besonderen Umstände“ mehr denkbar seien811.

808

Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.4. In die Entscheidung über die Errichtung von Zweigstellen innerhalb des Trägergebiets hat die Sparkasse auf der einen Seite einzustellen, dass eine effektive Erfüllung des öffent­ lichen Auftrags ihre leichte Erreichbarkeit durch die Bevölkerung voraussetzt, auf der anderen Seite, dass die Sparkasse nach § 2 III SpkG ihre Geschäfte nach kaufmännischen Grundsätzen unter Beachtung ihres öffentlichen Auftrags zu führen hat. Sie muss daher das Spannungsfeld zwischen öffentlichem Auftrag und den betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsüberlegen beachten, die beide wechselseitig miteinander verknüpft sind. Eine unrentable Sparkasse wird (wohl) ihrem öffentlichen Auftrag auf Dauer nicht gerecht werden können s. zum Ganzen ­Engau (Fn. 788), § 2 Anm. 1.3.2; diese Gesichtspunkte spielen konsequenterweise auch für die Eröffnung einer Zweigstelle im trägerfremden Gebiet eine Rolle. 810 Allgemein zum verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil für zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen s. 3.  Teil B. II. 2. b) (S. 484 ff.). 811 Nach ausführlicher Auseinandersetzung empfehlen gar die Streichung Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 80 ff., 87 f. 809

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(3) Bewältigung von neugliederungsbedingten oder historisch gewachsenen Sparkassengemengelagen Konflikte ergaben sich nicht nur bei Neuerrichtungen von Sparkassenzweigstellen, sondern sie kamen ebenso auf, wenn es um die Beibehaltung oder die Beseitigung historisch gewachsener Sparkassengemengelagen ging. Hinzukommen diejenigen Fälle, in denen neugliederungsbedingt Sparkassen(-zweigstellen) trägergebietsfremd wurden. Das Sparkassengesetz enthält Regelungen für die (neugliederungsbedingten) Sparkassengemengelagen. Gemengelagen sind dadurch gekennzeichnet, dass die existierende Sparkassenlandschaft nicht mehr den normativen Vorgaben des Regionalprinzips entspricht. Das Regionalprinzip verhält sich wiederum nur zu horizontalen Gemengelagen im Verhältnis gleichgeordneter Verwaltungseinheiten812. Das nordrhein-westfälische Sparkassengesetz sieht mehrere Möglichkeiten vor, wie neugliederungsbedingte Gemengelagen beseitigt werden können, um die gebietliche Kongruenz zwischen Sparkassengebiet und Trägergebiet wiederherzustellen. In § 30 Abs. 1 SpkG NRW sieht es beispielsweise einen Übertragungsanspruch der nunmehr zur Zweigstellenerrichtung berechtigten Sparkasse vor. In diesen Fällen wäre die Errichtung der Zweigstelle, die der Sparkasse zugeordnet wird, nach dem Regionalprinzip im Grundsatz nicht mehr zulässig, da es sich um die Errichtung einer Sparkassenzweigstelle im trägerfremden Gebiet handeln würde. Exemplarisch ist der Fall, in dem nach einer kommunalen Neugliederung eine Sparkassenzweigstelle, die ursprünglich in dem Trägergebiet der Kommune lag, durch Ausgliederung des Gebiets aus der einen Kommune und die Eingliederung in das Gebiet einer anderen Kommune nunmehr trägergebietsfremd geworden ist813. Die gebietliche Umstrukturierung hat zur Folge, dass Sparkassen(-zweigstellen) entgegen dem Regionalprinzip außerhalb des Trägergebiets liegen814. Einen vergleichbaren Fall betraf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Streitgegenstand war, ob eine Kreissparkasse solche Zweigstellen, die neugliederungsbedingt in dem Gebiet einer kreisfreien Stadt lagen, auf die Stadtsparkasse übertragen muss. Das freilich nur, so die Auslegung der maßgeblichen

812

Kirchhof, Rechtspflicht (Fn. 738), S. 22. VG Aachen, Urt. v. 06. 11. 1986 – 4 K 498/86, zitiert nach Hoffmann-Theinert, Rechtsprechung (Fn. 6), S. 17. 814 Ob sich die Begrifflichkeit der Durchbrechung, so etwa Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 72, oder eher der Abweichung anbietet, ist wie auch B. Rost-Haigis / F.-P. Hohmann, Auswirkungen der Gebietsreform auf das Sparkassenwesen, 1981, S. 115 Fn. 1, betonen, nicht lediglich eine Frage austauschbarer Begrifflichkeiten. In diesem Zusammenhang ist der Begriff jedoch von untergeordneter Bedeutung; zu Sparkassenneuordnungen infolge von Gebietsänderungen P. Kirchhof, Hoheitsgebiet und Sparkassengebiet – Funktion und begriffliche Voraussetzungen der Sparkassenneuordnung bei Gebietsänderungen der Gewährträger –, in: DVBl. 1983, S. 921 (921 ff.). 813

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Norm durch das Gericht, wenn die Gemengelage sich „infolge“ der kommunalen Neugliederung ergibt. Das lehnte das Gericht in der genannten Entscheidung ab815. bb) Gesetzliche Regelungen zur geschäftlichen Betätigung der Sparkassen am Beispiel des Aktivgeschäfts Nach § 2 Abs. 4 SpkG NRW dürfen Sparkassen „alle banküblichen Geschäfte betreiben“. Damit ist das Enumerationsprinzip gefallen, das noch das Gesetz über die Sparkassen sowie über die Sparkassen- und Giroverbände vom 10. September 2004816 vorsah. Wegen der damit begünstigten wirtschaftlichen Dynamik des Bankgeschäfts der Sparkassen, sind die räumliche Beschränkung der Sparkassen und folglich die Geltung und die Rigidität des Regionalprinzips bei der geschäftlichen Betätigung der Sparkassen nicht gleichermaßen eindeutig anerkannt wie im Organisationsrecht. Überwiegend wird jedoch von einer – jedenfalls abgeschwächten – Geltung des Regionalprinzips im Sparkassengeschäftsrecht ausgegangen817. Dieser Befund soll anhand der Regelungen des Sparkassengesetzes NordrheinWestfalen am Beispiel des Aktivgeschäfts überprüft werden. Der Begriff des Sparkassengeschäftsrechts findet sich vornehmlich innerhalb der Diskussion um die Abgrenzung von Gesetzgebungskompetenzen für das Sparkassenrecht zwischen dem Bund und den Ländern wieder818. Aus diesem Grund erscheint die übliche Verwendung des Ausdrucks des Sparkassengeschäftsrechts und des geschäftsrechtlichen Regionalprinzips missverständlich – ruft diese Terminologie doch gerade kompetenzrechtliche Assoziationen hervor. Daher ist begrifflich eindeutiger von dem die „Geschäftstätigkeit der Sparkassen betreffenden Regionalprinzip“ oder dem „geschäftlichen Regionalprinzip“ die Rede. Eine solche Begriffsverwendung macht klarer, dass es um die Geltung des Regionalprinzips für die geld- und kreditwirtschaftliche Sparkassentätigkeit geht. Die Sparkassengeschäftstätigkeit umfasst als Sammelbezeichnung sowohl das Aktiv- und das Passivgeschäft, die Dienstleistungs- und die sonstige Geschäftstätigkeit der Spar 815

OVG Rh.-Pf., Urt. v. 16. 11. 1982 – 7 A 100/81.OVG, NVwZ 1983, 562 (563 f.); besprochen von Weides, Regionalgrundsatz (Fn. 759); eine andere Entscheidung fälschlich mit diesem Aktenzeichen zu finden bei Hoffmann-Theinert, Rechtsprechung (Fn. 6), S. 17 f. 816 GV. NRW S. 521. 817 Für die (abgeschwächte)  Geltung des Regionalprinzips für die geschäftliche Betätigung der Sparkassen Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 139 ff.; Nierhaus / Stern, Regionalprinzip (Fn. 735), S. 17 ff.; Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 132, sprechen von einer „Angelegenheit der gesamten geschäftlichen Betätigung der Sparkasse schlechthin“; Stern, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 35 ff.; Henneke, Sparkassen 2011 (Fn. 724), § 53a Rn. 174 ff.; R.  Gerlach, Geschäftstätigkeit und Geschäftspolitik der Sparkassen, in: Mann / P üttner, HWKP  II (Fn. 515), § 53b Rn. 11; Oebbecke, Sparkassentätigkeit (Fn. 735), S. 146; für eine „weitgehende“ Freistellung gebietsmäßiger Beschränkungen Weides, Sparkassen (Fn. 726), S. 89 f. 818 Siehe dazu bereits unter Fn. 732.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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kassen als auch die werbende Betätigung der Sparkassen819. Auf die geschäft­lichen Betätigungen von Sparkassen beziehen sich vornehmlich die § 2 Abs. 1 und § 3 SpkG NRW. Zugleich hat § 2 Abs. 1 SpkG NRW Rückwirkungen auf die Sparkassenorganisation. Umgekehrt wirkt sich die Organisation der Sparkassen auf die Geschäftstätigkeit der Sparkassen aus, denn eine sachgerechte Organisation ist Voraussetzung für eine effektive Geschäftstätigkeit derselben820. Die den Sparkassen nach § 2 Abs. 1 SpkG NRW gesetzlich zugewiesene Aufgabe ergänzt und bekräftigt die aufgezeigte grundsätzliche Beschränkung der Sparkassen auf das Gebiet ihres Trägers bei Organisationsentscheidungen821. § 3 Abs. 1  SpkG NRW betrifft das Sparkassenkreditgeschäft und sieht  – mit gewissen Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 SpkG NRW – ein abgestuftes System gebietlicher Bindungen vor822. Mit einem Kreditvolumen von 862,2 Milliarden Euro Ende 2019 innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe nimmt das Kreditgeschäft einen wesentlichen Teil des Aktivgeschäfts der Sparkassen ein823. Sparkassen dürfen sich nach § 3 Abs. 1 lit. a SpkG NRW – mit gewissen Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 SpkG NRW824 – kreditwirtschaftlich nur innerhalb des Trägergebiets, d. h. innerhalb des Gebiets der die Sparkasse errichtenden Gemeinde, und in dem von der Sparkassensatzung festgelegten Gebiet (Satzungsgebiet) ohne Einschränkung betätigen. Entscheidend ist nicht, wo das Objekt gelegen ist, welches finanziert werden soll, sondern, wo die natürliche oder die juristische Person ihren Sitz bzw. ihre Niederlassung haben825. Das Satzungsgebiet, welches das Trägergebiet und den früheren sog. Ausleihbezirk mit einbezieht, kann über das Gebiet des Trägers hinausreichen826. Das Satzungsgebiet bietet in zweierlei Hinsicht Konfliktpotential: – Der erste Fall betrifft die Situation, in der das Satzungsgebiet zu einem Zeitpunkt über das Gebiet des Trägers hinaus erweitert wurde, als in dem von der Erweiterung eingeschlossenen Gebiet noch keine eigene Sparkasse vorhanden war. Errichtet die Gemeinde auf dem von dem Satzungsgebiet umfassten Gebiet nun selbst eine eigene Sparkasse, kann es zu Konflikten zwischen den beiden Sparkassen kommen. § 3 Abs. 1 lit. a SpkG NRW sieht für diesen Fall eine Lösung 819

Einen guten Überblick über die Einzelaufgaben der Sparkassen bieten nicht nur § 3 SpkG NRW, sondern auch Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 125 ff. 820 Deutlich macht dies etwa die Argumentation von Engau (Fn. 788), § 2 Anm. 1.3.2, wonach die effektive (geschäftliche) Aufgabenerfüllung durch die Sparkasse auch bei der Errichtung einer Zweigstelle, also einer organisationsrechtlichen Frage Bedeutung haben soll; zuvor schon Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 75. 821 Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 23. 822 Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 1.1. 823 Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband (Hrsg.), Geschäftszahlen, 2020, S. 2. 824 Eingehend zu den Ausnahmen Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 2.3. 825 Zu den unterschiedlichen Begriffen des Geschäftsgebiets, des Satzungsgebiets und des Ausleihbezirks im Überblick Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 106 ff. 826 Zum Ausleihbezirk erneut Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 198; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 106 f.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

des Konflikts zulasten der später errichteten Sparkasse vor. Die Kreditvergabe an trägergebietsfremde Personen, die in dem Bereich des Satzungsgebiets ihren Sitz haben, ist uneingeschränkt zulässig. – Der zweite Fall hat Situationen im Auge, in denen eine Sparkasse ihr Satzungsgebiet und den Ausleihbezirk nachträglich zulasten einer anderen Sparkasse erweitern möchte. Diesen Fall regelt § 3 Abs. 5 SpkG NRW. Stimmt das Trägergebiet mit dem Satzungsgebiet überein, dann erfüllt die Sparkasse bzw. die Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft, wenn sie Kredite an Personen mit Sitz oder Niederlassung im Trägergebiet vergibt. Ist das durch Satzung festgelegte Geschäftsgebiet größer als das Gemeindegebiet, kann die Sparkasse entweder zwar außergebietlich aber noch örtlich agieren oder aber außergebietlich und überörtlich. Die Sparkasse handelt überörtlich, wenn das Satzungsgebiet das Gebiet überschreitet, in dem die Sparkasse bzw. die Gemeinde noch Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt. Es ergeben sich keine Friktionen zu § 2 Abs. 1 SpkG NRW, weil diese Norm ausdrücklich das Geschäftsgebiet nennt und maßgeblich auf die Bevölkerung des Trägers abstellt. Für den Fall, dass das Satzungsgebiet so bemessen ist, dass Kredite nur an Angehörige der örtlichen Gemeinschaft der Sparkasse bzw. Gemeinde im Sinne von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vergeben werden dürfen, muss die Aufsicht die Satzung nach § 6 Abs. 2 SpkG NRW genehmigen und die Kreditvergabe ist uneingeschränkt zulässig. Die Aufsicht hat in dieser Situation kein Ermessen, sondern muss die Trägergebietsüberschreitung genehmigen. Den Interessen der anderen Sparkasse trägt das Sparkassengesetz dadurch Rechnung, dass die ursprüngliche Festlegung des Satzungsgebiets nach § 6 Abs. 2 SpkG NRW der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedurfte. Problematisch ist hingegen, wenn die Bemessung des Satzungsgebiets in Verbindung mit § 3 Abs. 1 lit. a SpkG NRW ein Akivgeschäft gestattet, das sich nicht mehr auf die örtliche Gemeinschaft bezieht und eine überörtliche Betätigung gestattet. Es kommt erneut zu keinen Friktionen mit § 2 Abs. 1 SpkG NRW, weil das Gesetz ausdrücklich auf das Geschäftsgebiet Bezug nimmt. Die Aufsichtsbehörde muss das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Sparkasse bzw. Gemeinde bei der Genehmigung nach § 6 Abs. 2 SpkG NRW berücksichtigen. Diese musste die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen erteilen827. Unklar ist, unter welchen Voraussetzungen das ursprüngliche, das Trägergebiet überschreitende Satzungsgebiet zulässig ist828. Da es sich um keine Erweiterung im Sinne des § 3 Abs. 5 SpkG handelt, greifen die dortigen Vorkehrungen zum Schutz der Nachbarsparkasse sowie des Nachbarträgers nicht ein. Die ursprüngliche Satzung bedurfte nach § 6 Abs. 2 SpkG schon der Genehmigung der Sparkassenaufsicht. Diese hat die Stellung des Nachbarträgers, auch wenn dieser noch keine Sparkasse errichtet hat, bei der in ihr pflichtgemäßes Ermessen gestellten Genehmigung der

827 828

Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 198; Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 4. Die genauen Voraussetzungen offenlassend Ossenbühl, Grundfragen (Fn. 36), S. 18.

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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Satzung zu berücksichtigen829. In die Entscheidung über die Genehmigung nach § 6 Abs. 2 SpkG NRW sind unter anderem Gesichtspunkte wie die Versorgungssicherheit oder die zeitliche Priorität einzustellen. Die Erweiterung des Satzungsgebiets auf trägergebietsfremde Gebiete ist nur zulässig, wenn eine nachweislich enge Verflechtung mit benachbarten inländischen Gebieten besteht830. Nachträgliche Erweiterungen des Satzungsgebiets können ebenfalls zur Folge haben, dass das Satzungsgebiet den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft übersteigt. § 3 Abs. 5 SpkG NRW verlangt die Zustimmung der von der Erweiterung betroffenen Sparkasse und ihres Trägers sowie der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Zum Schutz der Nachbarsparkasse darf die Sparkasse ihr Satzungsgebiet nur unter den genannten Bedingungen erweitern. Jedenfalls die nachträgliche Erweiterung des Satzungsgebiets kann damit nicht gegen den Willen der Nachbarsparkasse und des Nachbarträgers erfolgen. Die Zustimmung ist nach dem normtextlichen Befund auch dann erforderlich, wenn die Erweiterung nicht so bemessen ist, dass das Satzungsgebiet den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft übersteigt. Nach § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW ist die Kreditvergabe an Personen mit Sitz oder Niederlassung außerhalb des Trägergebiets, aber im Inland, nur ausnahmsweise zulässig. Obwohl § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW eine Kreditvergabe außerhalb des Trägergebiets zum Ausnahmefall erklärt, ergibt sich in Zusammenschau mit § 3 Abs. 1 lit. a SpkG NRW, dass § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW die Kreditvergabe umfasst, die außerhalb des Träger- und gegebenenfalls des Satzungsgebiets, welches das Trägergebiet überschreiten kann, erfolgen darf831. Ansonsten ergäbe eine uneingeschränkt zulässige Kreditvergabe im Träger- und Satzungsgebiet nach § 3 Abs. 1 lit.  a SpkG NRW und eine nur ausnahmsweise zulässige Kreditvergabe außerhalb des Trägergebiets, aber gegebenenfalls noch innerhalb des Satzungsgebiets, keinen Sinn. § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW betrifft zwei Fälle, die sich im Ausmaß ihrer räumlichen Erweiterung voneinander unterscheiden: – Für den Fall, dass das Satzungsgebiet mit dem Trägergebiet kongruent ist, also die Sparkassensatzung den Bereich der einschränkungslos zulässigen Kreditvergabe nach § 3 Abs. 1 lit.  a SpkG NRW nicht über das Trägergebiet hinaus erweitert, ersetzt § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW die fehlende generelle Erweiterung zulässiger Kreditvergabe über das Trägergebiet hinaus durch Satzung (ausnahmsweise) für den Einzelfall. Anders gesagt: Geht das Satzungsgebiet nicht über das Trägergebiet hinaus, erweitert § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW im Einzelfall das Gebiet der zulässigen Kreditvergabe über das Trägergebiet hinaus. 829

Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 198 f. Noch zur alten Rechtslage, aber auf die Regelung des § 3 V SpkG NRW übertragbar, meinen Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 199, dass „[ü]ber die in der Vergangenheit vorgenommenen Status-quo-Regelungen hinaus […] [keine, M. J.] satzungsmäßigen Erweiterungen des mit dem Gewährträgergebiets [scil. heute: Trägergebiets, M. J.] identischen Geschäfts­ bereiches im Wege von Ausnahmegenehmigungen […] mehr vorgenommen werden [dürfen].“ 831 Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 2.2.2. 830

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

– Erweitert die Satzung hingegen das Gebiet zulässiger Kreditvergabe generell durch die Regelung in der Sparkassensatzung, dann lässt § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW ausnahmsweise die Kreditvergabe über das Träger- und Satzungsgebiet hinaus im Einzelfall zu. Voraussetzung für die ausnahmsweise Kreditvergabe außerhalb des Trägergebiets (oder des Träger- und gegebenenfalls Satzungsgebiets) ist, dass die Sparkasse nach Zahl und Volumen die Kredite nur in besonderen Fällen außerhalb dieser Gebiete gewährt. Es ist eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen, die den Ausnahmecharakter der Kreditvergabe außerhalb des Träger- und gegebenenfalls des Satzungsgebiets wahrt832. An die Zulässigkeit der Kreditvergabe außerhalb des Träger- und gegebenenfalls des Satzungsgebiets sind strenge Maßstäbe anzulegen. Sollte das Satzungsgebiet nicht über das Trägergebiet hinausgehen, dann mögen für die ausnahmsweise Kreditvergabe außerhalb des Trägergebiets in etwa die gleichen Kriterien gelten, die für eine generelle Erweiterung des Gebiets zulässiger Kreditvergabe über das Trägergebiet hinaus durch Satzung erfüllt sein müssen833. Wegen des Einzelfallcharakters des § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW spricht aber viel dafür, dass die Maßstäbe geringfügig strenger sind. Vereinzelt lehnt es das Schrifttum ab, den Anknüpfungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 lit. d SpkG NRW für die Auslegung des § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW heranzuziehen oder diesen sogar zu übernehmen834. In der Tat hat ihn der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 lit. b SpkG NRW nicht vorgesehen. Das Stufenverhältnis räumlicher Bindungen des § 3 Abs. 1  SpkG NRW spricht tatsächlich dagegen. Allerdings kann die im Einzelfall zulässige Kreditvergabe außerhalb des Trägergebiets nicht unter weniger strengen Voraussetzungen zulässig sein, als die Kreditvergabe, die durch Ausdehnung des Satzungsgebiets über das Trägergebiet hinaus in genereller Form erfolgt. Sowohl die nachträgliche Erweiterung des Satzungsgebiets als auch die erstmalige Ausdehnung des Satzungsgebiets über das Trägergebiet hinaus setzen eine enge gebietliche Verflechtung voraus. Diese muss bei der im Einzelfall zulässigen Kreditvergabe über das Träger- und gegebenenfalls das Satzungsgebiet hinaus ebenfalls mindestens gegeben sein. Eine räumliche Verflechtung soll etwa dann vorliegen, wenn eine politische oder wirtschaftliche Verknüpfung zum anderen Gebiet besteht. Im Ergebnis ähneln die Voraussetzungen einer generellen und einzelfallabhängigen Erweiterung des Bereichs zulässiger Kreditvergabe über das Trägergebiet und gegebenenfalls das Satzungsgebiet der Sparkasse hinaus den Kriterien des § 3 Abs. 1 lit. d SpkG NRW, ohne dass allerdings der Anknüpfungsgrundsatz entgegen der Regelungssystematik unbesehen übernommen werden würde. Die § 3 Abs. 1 lit. c und lit. d SpkG NRW regeln weitere Fälle der Kreditvergabe, die hier nicht weiter interessieren sollen. Nach § 3 Abs. 3 SpkG NRW dürfen die Sparkassen sich an Unternehmen 832

Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 2.2.2. Zu diesen Kriterien bereits Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 199 f.; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 106 f. 834 Engau (Fn. 745), § 3 Anm. 2.2.2. – Zum Anknüpfungsgrundsatz Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 110 ff. 833

A. Gesetzliche Konfliktlösungsinstrumente 

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und Einrichtungen nur dann beteiligen, wenn deren Sitz im Satzungsgebiet gelegen ist. Die Sparkassen sind im Aktivgeschäft somit in der Regel auf das Gebiet ihrer Träger beschränkt. b) Gesetzliche Abwehransprüche sowie ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit Kommt zwischen Sparkassen und / oder Gemeinden ein Streit über Expansionsbestrebungen auf, tragen die Beteiligten diesen Streit teilweise gerichtlich aus. Denkbar ist etwa, wie der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße zugrunde lag, dass eine Sparkasse sowie ihr Träger sich gerichtlich gegen die Inbetriebnahme eines Geldautomaten wenden835. Verletzt eine Sparkasse und / oder ein Träger die Pflichten, die sich aus dem Regionalprinzip ergeben, dann stehen Nachbarsparkassen und / oder Nachbarträgern Abwehransprüche zu. So sprachen die Gerichte mal von einem „Anspruch auf Schließung“836, mal davon, dass die Antragstellerin „die Unterlassung der Inbetriebnahme […] beanspruchen könne“837, einem „allenfalls aus § 1 Abs. 2 Satz 1 SpkG [NRW, M. J.] abzuleitende[n] [–] gesetzliche[n] Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch“838 oder schlicht von einem „Abwehranspruch“839 bzw. „Schutz“840 gegen die regionalprinzipwidrige Sparkassenzweigstellenerrichtung. Sowohl die Sparkassen selbst als auch ihre Träger sind anspruchsberechtigt841. Die Rechtsprechung entschied auch Streitigkeiten, in denen sich eine Sparkasse oder ein Sparkassenträger gegen eine Ausnahmegenehmigung wehrte, mit der die Sparkassenaufsicht etwa die Errichtung einer trägergebietsfremden Sparkasse in Abweichung vom Regionalprinzip gestattete842. Die Ausnahmemöglichkeit wirft weitere klärungsbedürftige Fragen auf, denen im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter nachgegangen wird843. Anscheinend 835

VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 05. 12. 1990 – 1 L 3170/90.NW (nicht veröffentlicht). 836 VG Köln, Urt. v. 15. 03. 1985 – 4 K 4899/83 (nicht veröffentlicht). 837 OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20. 02. 1991 – 7 B 10057/91.OVG, NVwZ-RR 1992, 240 (240). 838 OVG NRW, Urt. v. 09. 02. 1979 – XI A 76/77, OVGE 36, 60 (67). 839 BayVGH, Urt. v. 25. 02. 1981 – 235 IV 78, BayVBl. 1981, 530 (530). 840 OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 08. 11. 1991 – 7 B 11766/91.OVG, WM 1993, 58 (59, 60); ­Nierhaus, Bindung (Fn. 726), S. 273. 841 Ausdrücklich zu der Antragsbefugnis sowohl der Sparkasse als auch des (Gewähr-) Trägers im Verfahren der prinzipalen Normenkontrolle nach § 47 VwGO BayVGH, Urt. v. 25. 02. 1981 – 235 IV 78, BayVBl. 1981, 530 (530). 842 BVerwG, Beschl. v. 25. 08. 1988 – 1 CB 49/87, NVwZ-RR 1989, 10; vorausgegangen Nds. OVG, Urt. v. 21. 11. 1986 – 2 OVG A 83/85, NVwZ-RR 1989, 11; VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 12. 08. 1991 – 1 L 1579/91.NW (nicht veröffentlicht). 843 Der gerichtliche Kontrollumfang hängt davon ab, wem die Letztentscheidungsbefugnis hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffs der „besonderen Umstände“ normativ zugewiesen wurde. Einen Überblick zu der ergangenen Rechtsprechung bei Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 76. – Allgemein zu möglichen Verschränkungen von Ermessen und dem unbestimmten Rechtsbegriff Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 7 Rn. 48 ff.; eingehend Teil 2 B. III. 4. (S. 290 ff.).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

stand für die Gerichte bei der Genehmigung trägergebietsfremder Zweigstellen außer Frage, dass in diesen Fällen die von der Ausnahmegenehmigung nachteilig betroffene Sparkasse und / oder der Träger sich gegen die sparkassenaufsichtsrechtliche Ausnahmegenehmigung wehren können. Insgesamt ist sich die sparkassenrechtliche Literatur recht einig844. In wenigen Sätzen gesteht das Schrifttum den Sparkassen Abwehrrechte gegen gebietsfremdes Tätigwerden der Nachbarsparkasse zu. Selbst in den umfangreichen Darstellungen finden sich kaum ausführliche Begründungen dafür, warum aus Verstößen gegen das Regionalprinzip Abwehransprüche der betroffenen Sparkasse oder der Träger folgen können. Jedenfalls das einfache Recht bietet also wehrfähige Konfliktbewältigungs­instrumente vermittels des sparkassenrechtlichen Regionalprinzips. Ossenbühl maß dem sparkassengesetzlichen Regionalprinzip als normative Komponente eine „Schutzgarantie“ bei845. Es handele sich bei der Schutzgarantie um die Kehrseite des Verbots einer Sparkasse oder des Trägers, in das Gebiet einer anderen Gemeinde auszugreifen846. Das Regionalprinzip begrenze folglich nicht nur den Tätigkeitsbereich der Sparkassen und ihrer Träger, sondern schütze zugleich die von der Expansion betroffenen Sparkassen oder Träger. Das Verbot des Ausgreifens ist also nur eine Seite derselben Medaille: Mit dem Verbot korrespondiert zugleich das Recht, das Ausgreifen rechtlich zu unterbinden847. Einfachrechtlich bestehen also an den zwischengemeindlichen Abwehr- und Schutzansprüchen keine Zweifel. 4. Resümee Das Sparkassenrecht bietet sowohl Sparkassen als auch ihren Trägern Handlungsoptionen mit zwischengemeindlichem Konfliktpotential. Das Sparkassenrecht reagiert in unterschiedlicher Rigidität auf diese Konflikte. Es begrenzt mit dem sparkassengesetzlichen Regionalprinzip als ein „horizontales Gliederungsschema“848 die Sparkassen und ihre Träger auf das Gebiet der Träger. Weil der Inhalt und die Rigidität des Regionalprinzips im Sparkassenrecht von der gesetzlichen Ausgestaltung durch das Sparkassengesetz abhängen, mag der Begriff des sparkassengesetzlichen Regionalprinzips den Umstand treffend beschreiben, dass es auf die normative Ausgestaltung des Prinzips ankommt. Das Regionalprinzip findet sowohl in seiner organisatorisch-institutionellen als auch geschäftlichen Dimension positiv-rechtliche Anhaltspunkte im Sparkassengesetz. Das Sparkassengesetz belegt die Existenz eines mehr oder minder rigiden Regionalprinzips, 844 Schmidt, Regionalprinzip (Fn. 726), S. 317; Merten, Regionalprinzip (Fn. 735), S. 1141; Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 62 f.; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 43; Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 134; Engau (Fn. 738), § 1 Anm. 8.6. 845 Den Begriff der „Schutzgarantie“ hat in diesem Zusammenhang geprägt Ossenbühl, Grundfragen (Fn. 36), S. 15; rezipiert von Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 62. 846 Ossenbühl, Grundfragen (Fn. 36), S. 15; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 43. 847 Stern, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 41 f. 848 Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 40.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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ohne dass es des Rückgriffs auf allgemeine kommunalverfassungsrechtliche Argumente bedürfte. Die institutionell-organisatorische Wirkdimension des sparkassengesetzlichen Regionalprinzips bezieht sich auf das Sparkassenorganisationsrecht. Die Geltung des Regionalprinzips im Sparkassenorganisationsrecht ist nahezu unbestritten849. Hauptsächlich hat das Regionalprinzip bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Errichtung von Sparkassenhaupt- und Sparkassenzweigstellen Relevanz. Ebenfalls von Bedeutung war das Regionalprinzip bei den durch die kommunalen Gebietsreformen verursachten gebietlichen Verschiebungen, die gehäuft dazu führten, dass eine Sparkasse sich plötzlich in einem trägerfremden Gebiet befand. Auch für historisch gewachsene, von gebietlichen Neugliederungen unabhängige Strukturen, die zu einer Divergenz von Träger- und Geschäftsgebiet führten, hat das Regionalprinzip Bedeutung. Darüber hinaus gilt das Regionalprinzip grundsätzlich auch bei der geschäftlichen Betätigung der Sparkassen. Das Sparkassenrecht lässt bei der geschäftlichen Betätigung jedoch in weitergehendem Maße als im Sparkassenorganisationsrecht Abweichungen zu. Zum Teil erweitert das Sparkassengesetz unter bestimmten Bedingungen den zulässigen Handlungsraum von Sparkassen über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinaus. Jeder Verstoß gegen das Regionalprinzip löst einen Abwehranspruch der Nachbarsparkasse und / oder der Nachbargemeinde aus.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot Die gesetzlichen Instrumente zur Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden stellen sich in den Referenzengebieten zusammenfassend wie folgt dar: Im Bauplanungsrecht müssen die Bebauungspläne benachbarter Gemeinden aufeinander abgestimmt werden (§ 2 Abs. 2 S. 1 BauGB). Die Wirtschaftsbetätigung von Gemeinden ist im Fall der ‚eingeschränkt gemeindeinternen‘ und der ‚gemeindeexternen Betätigung‘ rechtlich nur zulässig, wenn die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind (§ 107 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 GO NRW). § 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW schränkt die berechtigten Interessen ein. Die Expansion von Sparkassen über das Gebiet ihres Trägers hinaus, etwa durch Errichtung einer trägergebietsfremden Sparkassenzweigstelle, ist rechtlich nur dann gestattet, wenn nach Anhörung der Sparkasse und ihrer Träger besondere Umstände vorliegen (§ 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW). Ob besondere Umstände vorliegen, hängt unter anderem davon ab, ob die Sparkassenzweigstelle noch zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft des Trägers erfolgen soll oder nicht. Das Sparkassengesetz hält vergleichbare Regelungen be 849

Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 9 ff.; Nierhaus / Stern, Regionalprinzip (Fn. 735), S. 11 ff.; Schlierbach / Püttner, Sparkassenrecht (Fn. 724), S. 132; Stern, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 34; Henneke, Sparkassen 2011 (Fn. 724), § 53a Rn. 76, 174 ff.; Gerlach, Geschäftstätigkeit (Fn. 817), § 53b Rn. 11; Oebbecke, Sparkassentätigkeit (Fn. 735), S. 146; Weides, Sparkassen (Fn. 726), S. 91 f.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

reit, die zum Beispiel die Erweiterung des Ausleihbezirks über das Trägergebiet hinaus durch Satzung oder die Kreditvergabe außerhalb des Träger- und Satzungsgebiets betreffen. Das Gesetzesrecht enthält unterschiedliche Instrumente der gemeindenachbarlichen Interessenkoordination und Konfliktbewältigung. Es zieht den Rahmen zulässigen gemeindlichen Handelns mit Blick auf die Belange der Nachbargemeinden unterschiedlich weit oder eng. Obwohl der Grund für den Streit immer das Handeln einer Gemeinde ist, das sich auf andere Gemeinden auswirkt, sind die gesetzlichen Reaktionen auf den Zwischengemeindestreit normtextlich und teilweise auch norminhaltlich nicht einheitlich. Sei es die Pflicht zur Abstimmung, die Pflicht zur Wahrung berechtigter Interessen oder das Erfordernis besonderer Umstände: Jede Regelung verlangt von der handelnden Gemeinde, dass sie die nachbargemeindlichen Belange erkennt, sie zur Kenntnis nimmt und in ihre Entscheidungsfindung einbezieht, wenn nachbargemeindliche Interessen durch ihr Tätigwerden betroffen sein können. Trotzdem weichen die Regelungen nicht unerheblich voneinander ab und bilden, wenn man sie miteinander vergleicht, ein abgestuftes System unterschiedlich rigider Pflichten der handelnden Gemeinde. Muss die wirtschaftende Gemeinde die berechtigten Interessen wahren, geht diese Pflicht augenscheinlich über die Pflicht zur Abstimmung hinaus. Beide Pflichtenprogramme verlangen wiederum mit Blick auf die Belange von Nachbargemeinden mehr als das Erfordernis, dass das Handeln der Gemeinde (nur) durch besondere Umstände gerechtfertigt sein muss. Die Regelungen lassen aber – ungeachtet ihrer Unterschiede oder Gemeinsamkeiten – weitgehend offen, auf welche Art und Weise, teilweise auch mit welcher Intensität die handelnde Gemeinde nachbargemeindliche Belange in ihre Entscheidung einbeziehen muss. Zugespitzter formuliert: Wie genau der Zwischengemeindestreit im Voraus vermieden und im Nachhinein gelöst werden soll, ist den normativen Befunden nach unklar. Erst die fortschreitende Dogmatisierung durch die Rechtsprechung und die Rechtswissenschaft brachte in einzelnen Referenzgebieten wie dem Bauplanungsrecht Begrifflichkeiten, Routinen und mehr oder minder konkrete Maßstäbe der Konfliktvorsorge und der Konfliktlösung hervor und verdeutlichte den Gemeinden das von ihnen zu beachtende Pflichtenprogramm. Der Grad der Präzision des Pflichtenprogramms für die handelnde Gemeinde schwankt jedoch erheblich von Referenzgebiet zu Referenzgebiet. Besonders bei dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung im Bauplanungsrecht entlockten die Rechtsprechung und die Wissenschaft dem kargen Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, angelehnt an den ebenso wortkargen § 1 Abs. 7 BauGB, ein differenziertes Modell, um die planende Gemeinde zur Einbeziehung nachbargemeindlicher Belange in ihre Planungsentscheidung zu verpflichten und die Einbeziehung dieser Belange anschließend kommunalaufsichtsrechtlich oder verwaltungsgerichtlich – zum Teil auf Initiative von Nachbargemeinden – kontrollfähig zu stellen. Die Rechtsprechung entwickelte in Orientierung an der bauleitplanerischen Abwägungs(fehler)­ lehre Maßstäbe für die Kontrolle von gemeindlichen Planungsentscheidungen, die sich auf die Belange der Nachbargemeinde tatsächlich oder potentiell (negativ)

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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auswirken. Das intergemeindliche Abstimmungsgebot mündete in eine Abstimmungsfehlerlehre ein: Wurden nachbargemeindliche Belange überhaupt einbezogen? Wurden sie entsprechend ihres Gewichts in die Abstimmung eingestellt sowie bewertet und stehen die mit der Planung verfolgten Ziele nicht außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit des nachbargemeindlichen Belangs? Ist mit anderen Worten die Entscheidung der planenden Gemeinde für die Nachbargemeinde abstimmungsfehlerfrei? Für die anderen Referenzgebiete bestehen derart detailreiche (Bereichs-)Dogmatiken und Gebote nicht. Weder die Rechtsprechung noch die Rechtswissenschaft haben in den hier untersuchten Referenzgebieten ein vergleichbares (dogmatisches) Gerüst erarbeitet. Gemeinhin beschränken sich die Aussagen in der Rechtsprechung und dem Schrifttum darauf, zum Beispiel die Pflicht zur Interessenwahrung schlicht zu bekräftigen. Gemeinsamkeiten der Teilrechtsgebiete liegen erstens in der Art und Weise der Entstehung des Konflikts zwischen Gemeinden und zweitens in der Vergleichbarkeit der gesetzlichen Regelungen, mit denen die Gesetzgeber auf mögliche Konflikte reagieren. Die Verselbstständigung von Begrifflichkeiten und Routinen in jedem Referenzgebiet versperren heute den Blick auf die sie einenden Charakteristika. Ihre Verselbstständigung und die daraus resultierenden Pfadabhängigkeiten verhindern, dass aus den Gemeinsamkeiten Folgerungen für die Etablierung eines einheitlichen Konzepts zur Lösung von Zwischengemeindestreitigkeiten gezogen werden. Nachfolgend sei versucht, die Gemeinsamkeiten in den Referenzgebieten zu erkennen, ihre (gesetzlichen) Konfliktlösungsmechanismen von Intergemeindestreitigkeiten inhaltlich und terminologisch zu vereinheitlichen, und daraus ein einheitliches Konzept zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung zu entwickeln850. In einem ersten Schritt fasst die Untersuchung das streitauslösende Handeln der Gemeinden im Verhältnis zu anderen Gemeinden zu einer Reihe typischer Auswirkungsformen gemeindlichen Handelns zusammen (I.). In einem zweiten Schritt legt die Untersuchung dar, dass ein einheitliches Konzept für die Lösung von Streitigkeiten zwischen Gemeinden bislang noch fehlt (II.). In einem dritten Schritt ist das Konzept zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung durch zwischengemeindliche Abwägung grundzulegen und inhaltlich klarer zu umreißen (III.). In einem vierten Schritt ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der zwischengemeindlichen Abwägung darzustellen (IV.).

850 Zusätzlich gibt ein Konfliktbewältigungskonzept dem Gesetzgeber bei Normierungsvorhaben, mit denen er auf alte und neue Konflikte zwischen Gemeinden reagieren möchte, ein Gerüst, an dem er sich orientieren kann, s. 3. Teil B. II. 2. a) dd) (S. 480 ff.).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

I. Referenzgebietsübergreifende Konfliktkonstellationen Die Formen der Auswirkungen gemeindlichen Handelns auf Nachbargemeinden in den Referenzgebieten ähneln sich. Im Zusammenhang mit den Auswirkungsformen gemeindlicher Bebauungsplanung ging die Untersuchung der geläufigen Unterscheidung zwischen rechtlichen Wirkungen und faktischen Auswirkungen nach. Rechtlich meint die (spezifische) Normunterworfenheit der Gemeinden durch die Normen anderer Gemeinden. Die abstrakt-generellen Rechtsnormen des Bebauungsplans binden die Nachbargemeinde nur, wenn sie in dem Gebiet, für das die Gemeinde den Bebauungsplan aufstellte, selbst ein Vorhaben verwirklichen möchte. In allen anderen Fällen, in denen sich der Bebauungsplan auf die Nachbargemeinde auswirkt, indem etwa Immissionsbelastungen zunehmen, infrastrukturelle Folgelasten auftreten, Planungsabsichten durchkreuzt werden oder über den Eigenbedarf hinaus mit entsprechenden Konsequenzen für die Nachbargemeinde geplant wird, sind dies keine Wirkungen, die aus den Festsetzungen des Bebauungsplans herrühren. Die Wirkungen sind nicht rechtlich, sondern es handelt sich um faktische Auswirkungen. Gleiches gilt für die von der Wirtschaftsbetätigung oder zum Beispiel der Eröffnung einer Zweigstelle im Gebiet eines fremden Trägers im Sparkassenorganisationsrecht ausgehenden Auswirkungen. Die Typenreihe gemeindewirtschaftlicher Betätigung systematisiert die unterschiedlichen Formen der Wirtschaftsbetätigung. Die Form der Auswirkung ist dabei immer dieselbe: Die wirtschaftende Gemeinde verbleibt leistungsgegenständlich vollständig in ihrem Gebiet und adressiert ihre Leistung an die eigenen Einwohner. Die Betätigung wirkt sich aber auf Nachbargemeinden aus, indem etwa die eigenen Einwohner nicht mehr die Leistungen benachbarter Gemeinden wahrnehmen. Der Effekt ist faktisch. Dasselbe gilt, wenn die wirtschaftende Gemeinde in ihrem eigenen Gebiet verbleibt, ihre Leistungen aber bewusst (auch) an die Einwohner fremder Gemeinden adressiert. Faktisch wirkt sich die Betätigung auch aus, wenn die Gemeinde in das Gebiet der Nachbargemeinde personal oder leistungsgegenständlich ausgreift, indem sie ihre Leistungen entweder auf dem Gebiet der Nachbargemeinde erbringt und sie an die eigenen Einwohner adressiert, oder sich leistungsgegenständlich in das Gebiet der Nachbargemeinde begibt und dabei die Leistung an die Einwohner der Nachbargemeinde adressiert. Anders als in der Baubauungsplanung, bei der die Gemeinde für ihr Gebiet plant, wagt sich die wirtschaftende Gemeinde personal oder leistungsgegenständlich (teilweise) auf fremdes Gebiet851. Dasselbe gilt im Sparkassenrecht, wenn Zweigstellen im fremden Trägergebiet eröffnet oder Kredite an Einwohner in den Gebieten anderer Sparkassen vergeben werden. 851

Von einer rechtlichen Betroffenheit ist nicht deshalb auszugehen, weil die betroffene Gemeinde im Fall der rechtlichen Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung nach den gemeindewirtschaftlichen Regelungen eine Duldungspflicht trifft. Die Duldungspflicht ist erst das Ergebnis eines Konfliktlösungsmechanismus. Anders: Ob die betroffene Gemeinde das Tätigwerden der handelnden Gemeinde von Rechts wegen dulden muss, ist erst dann beantwortbar, wenn das Verfahren zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung durchlaufen wurde. Erst danach mag man von einer rechtlichen Betroffenheit sprechen.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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II. Unzulänglichkeiten der Pflicht zur „Berücksichtigung“ nachbargemeindlicher Belange als Modell zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung Alle Referenzgebiete weisen, ungeachtet gewisser Besonderheiten und inhaltlicher Abweichungen im Detail, eine Gemeinsamkeit auf: Das gemeindliche Tätigwerden ist nur dann zulässig, wenn die Gemeinde wenigstens die Belange der (auswirkungsbetroffenen) Nachbargemeinden bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. So setzt ein Wahren berechtigter Interessen der Nachbargemeinde zunächst voraus, dass die wirtschaftende Gemeinde die Interessen der Nachbarin zumindest berücksichtigt und einbezieht, geht dann aber darüber hinaus. Ähnliches gilt für die Pflicht zur Abstimmung, wenn die planende Gemeinde städtebauliche Belange der Nachbargemeinde ermitteln, bewerten und in ihre Entscheidung einbeziehen muss. Die Unterschiede in den normtextlichen Formulierungen sind keinesfalls unerheblich, sondern bewirken auch Unterschiede im Norminhalt852. Allerdings kommt es bei der Suche nach einem einheitlichen Konfliktlösungsmechanismus auf die Gemeinsamkeiten der referentiellen Regelungen und nicht auf ihre Unterschiede an. Die gemeinsame Basis aller Pflichten in den Referenzgebieten ist die Pflicht zur Berücksichtigung nachbargemeindlicher Interessen. Von selbst versteht sich dabei, dass die Gemeinden nachbargemeindliche Belange nur dann in ihrer Entscheidung berücksichtigen und in sie einbeziehen müssen, wenn die Belange überhaupt betroffen sein können. Wo keine Belange betroffen sind, kann auch keine Pflicht bestehen, sie zu berücksichtigen oder einzubeziehen. Nicht durchgehend weist eine Regelung aber die Pflicht der handelnden Gemeinde, nachbargemeindliche Belange bei ihrer Entscheidung einzubeziehen und zu berücksichtigen, normtextlich ausdrücklich aus. Bei dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung fehlt es etwa an einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die nachbargemeindlichen Belange. Anhand des Wortlauts des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist nicht unmittelbar erkennbar, dass es um die Abwägung der Interessen von planender Gemeinde mit den Belangen der auswirkungsbetroffenen Gemeinden geht. Eindeutig ist dagegen das nordrhein-westfälische Gemeindewirtschaftsrecht in § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1, § 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW. Die Normen sprechen von einer Pflicht zur Wahrung berechtigter Interessen der betroffenen Nachbargemeinden. Im Sparkassenrecht fehlt die Bezugnahme auf Interessen von Nachbargemeinden ganz, sondern die Interessen sind zum Beispiel in das Merkmal der „besondere[n] Umstände“ hineinzulesen. 852 Ausgehend vom Wortlaut ist es keinesfalls zwingend, die Pflicht zur Wahrung berechtigter Interessen mit der Pflicht zur Berücksichtigung gleichzusetzen. Die Bedeutung von „wahren“ geht anscheinend über die Pflicht der Berücksichtigung hinaus, indem wahren dem allgemeinen Wortsinn nach bedeutet, dass etwas besonders in einem bestimmten Zustand aufrechterhalten und nicht verändert wird, Dudenredaktion (Hrsg.), s. v. wahren, in: Duden-­Online, abrufbar unter: www.duden.de/rechtschreibung/wahren (zuletzt abgerufen am 21. 11. 2020). Die Untersuchung deutete die Pflicht zur Interessenwahrung ohnehin als Pflicht zur Abwägung gemeindenachbarlicher Belange.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Die Berücksichtigung von Belangen kann aber alles und nichts bedeuten: Auf einer Skala der Bindungsintensitäten des Staates an eine Norm changiert „berücksichtigen“ bekanntermaßen nach allgemeinem Sprachgebrauch zwischen schlichter Kenntnisnahme und strikter Beachtung. Im Fachsprachgebrauch meint „berücksichtigen“ meistens etwas anderes als „beachten“. Ob es sich wegen der Offenheit der Berücksichtigungspflicht überhaupt ziemt, von „der Pflicht zur Berücksichtigung“ zu sprechen, scheint ob ihrer Bedeutungsvarianz zweifelhaft, insinuiert doch der Gebrauch „Pflicht“ zugleich eine gewisse inhaltliche Bestimmtheit des Pflichtenprogramms853. Die Berücksichtigungspflichtigkeit von nachbargemeindlichen Belangen ist als Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung unterkomplex und überwiegend konturlos. Um zwischengemeindliche Konflikte zu vermeiden und zu lösen, taugt sie nicht. Es ist nicht klar, wie die handelnde Gemeinde die Berücksichtigungspflicht real einlösen soll. Reicht es, dass die Gemeinde dartut, sie habe nachbargemeindliche Belange „gesehen“? Das Fehlen brauchbarer Vorgaben für den gedanklichen Weg zu einem gemeindlichen Handeln, das nachbargemeindliche Belange ausreichend berücksichtigt, ist wohl das größte Malum dieses Konfliktbewältigungsinstruments. In der Pflicht zur Berücksichtigung verschwimmen – zumindest analytisch – trennbare Einzelpflichten der Gemeinden854. Der Pflicht zur Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange fehlen rundweg geeignete Anwendungsroutinen. Eine einheitliche aufsichtsrechtliche sowie verwaltungsgerichtliche Kontrolle von sich auf Nachbargemeinden auswirkenden Betätigungen bleibt ohne Kenntnis des exakten Pflichtenprogramms der Gemeinden wohl ebenso unerfüllt.

III. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot als problemadäquates Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung Anwendungsroutinen ließen sich beispielsweise durch die Übertragung der Struktur der bauleitplanerischen Abwägungs(fehler)lehre auf die Pflicht zur Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange gewinnen. Berücksichtigen von 853 Siehe dazu nicht nur die geschilderten Schwierigkeiten in den Referenzgebieten, sondern etwa auch die Auslegungsfrage i. R. d. Art. 23 III 2 GG („Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen“) was „berücksichtigen“ heißt, stellvertretend F. Wollenschläger, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Art. 23 Rn. 132, 143, oder bei der Auslegung des Art. 33 V GG („Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“) dazu F. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Art. 33 Rn. 174 ff.; M. Joseph, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besoldung von kommunalen Wahlbeamten, in: NVwZ 2017, S. 750 (752). 854 Dass die aus dem Abwägungsgebot folgenden Pflichten über das Pflichtenprogramm einer Berücksichtigungspflicht hinausgehen, lässt die Aussage von Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 332, vermuten, der davon ausgeht, dass das „Abwägungsgebot jedenfalls [Kursivierung nicht im Original, M. J.] eine Berücksichtigungspflicht“ anderer Planungen bilde.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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nachbargemeindlichen Belangen hieße danach die Pflicht zur zwischengemeindlichen Abwägung – verstanden als eine Abwägung im baurechtsanalogen Sinn – eigener Belange mit denen der Nachbargemeinde. Die Pflicht würde sowohl bestimmte Anforderungen an den Entscheidungsvorgang als auch an das Entscheidungsergebnis stellen. Ein solches Konzept zwischengemeindlicher Abwägung ist unter zwei Aspekten für die Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden potentiell gewinnbringend: Einerseits bietet es womöglich brauchbare verallgemeinerungsfähige Maßstäbe für den Umfang der Pflicht zur Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange durch die Gemeinden bei ihren Entscheidungen über Betätigungen, die sich auf Nachbargemeinden auswirken. Zugleich kann es möglicherweise die Grenzen des zulässigen gemeindlichen Handelns durch eine bestimmte (Abwägungs-)Fehlerlehre abbilden und der betroffenen Gemeinde einen von der handelnden Gemeinde einzuhaltenden, aufsichtsrechtlich und verwaltungsgerichtlich kontrollfähigen Rahmen des rechtlich zulässigen Handelns aufzeigen. Auf die Einhaltung dieser Grenzen haben Nachbargemeinden unter Umständen einen Anspruch. Andererseits erhalten die rechtlichen Anforderungen den Gemeinden in den unterschiedlichen Betätigungsfeldern vermutlich ausreichend Flexibilität und Entscheidungsfreiräume. Das Konzept würde damit auf die benannten Mängel der (schlichten) Berücksichtigungspflicht reagieren. Idealtypisch würde sich das (zwischengemeindliche)  Abwägungsgebot an der etablierten und bewährten Struktur sowie den Maßstäben – vorbehaltlich einer abweichenden normativen Steuerung durch die Regelungen der jeweiligen Referenzgebiete – des bauleitplane­r ischen Abwägungs- oder Abstimmungsgebots ausrichten. Die handelnde Gemeinde müsste auf dem Weg zum (Entscheidungs-) Ergebnis gewisse gedankliche, die Entscheidungsfindung rationalisierende Schritte abarbeiten. Warum die Einzelregelungen eine Entscheidung in der Struktur der Abwägung, vergleichbar mit der Struktur der bauleitplanerischen Abwägung erfordern sollen, hat zwar auf den ersten Blick ein hohes Maß an Plausibilität für sich: Geht es um die Koordination verschiedener Interessen, so bedarf es eben einer Abwägung dieser Interessen. Allein ein hohes Maß an Plausibilität ohne Begründung bleibt indes bloße (Rechts-)Behauptung. Es bedarf weiterer Begründung, warum das Wahren der berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaft oder das Erfordernis besonderer Umstände zum Beispiel bei der Sparkassenzweigstellenerrichtung eine Abwägung zwischen den gemeindlichen und nachbargemeind­ lichen Belangen bedeuten soll. Qualitativ ist das „Abwägen“ wohl etwas anderes als das „Berücksichtigen“ von nachbargemeindlichen Belangen. Mit einer Pflicht der Gemeinden zur Abwägung eigener Belange mit den nachbargemeindlichen Belangen gehen womöglich bestimmte prozedurale Pflichten der handelnden Gemeinde einher. Für eine Abwägungspflicht gemeindenachbarlicher Belange enthalten die Regelungen – mit Ausnahme des Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung – keinen expliziten normtextlichen Anhaltspunkt. Die Normbestände legen eher eine diffuse Pflicht zur Berücksichtigung als eine Pflicht zur umfas-

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

senden Abwägung der gemeindenachbarlichen Belange in der Struktur etwa der bauleitplanerischen Abwägung nahe. 1. Geringe Fremdprogrammierung potentiell störenden gemeindlichen Handelns Stellt eine Gemeinde einen Bebauungsplan auf, entscheidet sie sich, wirtschaftlich aktiv zu werden oder zum Beispiel eine Sparkassenzweigstelle zu errichten, wird sie im Rahmen der diese Sachbereiche regelnden Normen tätig: Sie wendet höherrangiges Recht an und erzeugt auf seiner Grundlage und nach seiner Maßgabe neues Recht855. Die Bindung der Gemeinde an bestimmte rechtliche, ins 855

Erlässt eine Gemeinde z. B. einen Bebauungsplan oder entscheidet sich zu einer wirtschaftlichen Betätigung, erzeugt sie Recht. Jeder Rechtssetzungsakt muss zugleich, um (gültiges) Recht erzeugen zu können, Rechtsanwendung sein. Jeder Rechtserzeugungsakt ist wegen der logischen Abhängigkeitsbeziehungen von Normen innerhalb einer Rechtsordnung, klassisch zum Stufenbau der Rechtsordnung A. [J.] Merkl, Das doppelte Rechtsantlitz (1918), in: H. Klecatsky / R. Marcic / H. Schambeck (Hrsg.), Die Wiener rechtstheoretische Schule, 1968, Bd. I, S. 1091 (1091 ff.); A. J. Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft, 1923, S. 178 ff. sowie S. 182 („Rechtsgebäude“); besonders klar A. J.  Merkl, Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaues (1931), in: Mayer-Maly / Schambeck / Grussmann, Schriften, Bd. I/1 (Fn. 162), S. 437 (468), immer zugleich auch Rechtsanwendung s. Merkl, Prolegomena (Fn. 855), S. 477. Dass Rechtsanwendung zugleich Rechtserzeugung sein kann, anerkennt mittlerweile auch das BVerfG, Kammerbeschl. v. 22. 08. 2016 – 2 BvR 2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1631 Rn. 20). Der (freilich nicht zu überschätzende) Kammerbeschluss soll wegen des Seltenheitswerts dieser rechtstheoretischen Erkenntnisse im Wortlaut wiedergegeben werden: „Zwar ist richterliche Rechtsfindung nicht auf den Vollzug vorgegebener Normen in dem Sinne beschränkt, dass der Richter dabei als bloße ‚bouche de la loi‘, dh [sic] als ‚Subsumtionsautomat‘ fungieren würde. Vielmehr ist es jeder richterlichen Tätigkeit immanent, dass sie den Inhalt gesetzlicher Normen methodisch interpretiert und deren Anwendungsbereich definiert, um auf der Grundlage des positiven, abstrakt-generell formulierten Gesetzes im Einzelfall über dessen Anwendung zu entscheiden. Auch Rechtsanwendung ist insofern die Erzeugung von neuem, noch nicht bestehendem Recht auf der Grundlage und nach Maßgabe von anzuwendendem Recht, dessen Vorgaben mittels Rechtserkenntnis vom Rechtsanwender zu eruieren sind (vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934, 79 f.).“; mit einer zumindest rechtstheoretisch unhaltbaren Kritik besprochen von S. Michaels, Unzulässigkeit einer Kommunalverfassungsbeschwerde gegen die Rechtsprechung des BGH zum Verbot einer direkten Übernahme örtlicher Energieverteilnetze ohne vorherige Ausschreibung, in: IR 2017, S. 6 (6 f.). Nachvollzug und schöpferisches Tätigwerden vereinen sich so in dem Akt der Erzeugung neuen Rechts. Die Rechtsanwendung und die Rechtserzeugung verlaufen parallel Merkl, Prolegomena (Fn. 855), S. 477. Mit Ausnahme der zu vernachlässigenden rein rechtsanwendenden Akte (z. B. reine Zwangsakte), erweist sich der Prozess der Rechtsindividualisierung, d. h. die Individualisierung relativ abstrakter Rechtsnormen hin zu relativ konkreten Rechtsnormen, daher durchgehend als ein Zusammenspiel von Rechtsanwendung und Rechtserzeugung. Es handelt sich (nur) um eine Frage der Perspektive, ob es sich um Rechtsanwendung oder Rechtserzeugung handelt: Aus der Sicht der bedingenden, höherrangigen Normen handelt es sich um ihre Anwendung, aus der Warte der zu erzeugenden Norm und niederrangiger Normen um Rechtserzeugung. Muss die Erzeugung neuen Rechts immer zugleich auch die Anwendung höherrangigen Rechts sein, bedarf es vor jedem Rechtserzeugungsakt der Ermittlung der Fremdprogrammie-

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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besondere gesetzliche Voraussetzungen als primären Bindungsmaßstab ist heute ebenso selbstverständlich wie die Bindung des Handelns anderer Hoheitsträger an „Gesetz und Recht“ (vgl. nur Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG)856. Die gesetzlichen Regelungen der Referenzgebiete bestimmen das Handeln der Gemeinden durch eine Vielzahl von Tatbestandsbedingungen voraus. Die möglichen Handlungen der Gemeinden sind durch diesen Ausschnitt des Normprogramms, wenn auch nicht vollständig, so aber in hohem Maße vorausbestimmt. Das Gesetz belässt handelnden Gemeinden insoweit keinen (substantiellen) Eigenentscheidungsfreiraum857. Die gesetzlichen Regelungen eröffnen den handelnden Gemeinden in allen rungsanteile oder der Voraussetzungen der anzuwendenden Norm, d. h. der Rechtserkenntnis. Vor der Rechtserzeugung kommt die Rechtserkenntnis s. umfassende Entwicklung einer „dichotomen Rechtsgewinnungstheorie“ bei Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 305 f.; Jestaedt, Theorie (Fn. 162), S. 18 f., 46 ff., 57 ff., 67 ff.; C. Hillgruber, Verfassungsrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Wirklichkeit, in: VVDStRL 67 (2008), S. 7 (15 ff., 43 ff.); Lembke, Einheit (Fn. 704), S. 171 ff.; Hillgruber, Verfassungsinterpretation (Fn. 230), § 15 Rn. 27 ff., insb. Rn. 31 („zweiphasigen Prozess“); T. Elsner, Das Ermessen im Lichte der Reinen Rechtslehre, 2011, passim; M. Jestaedt, Maßstäbe des Veraltungshandelns, in: Ehlers /  Pünder, VwR AT (Fn. 288), § 11 Rn. 21, 26; Jestaedt, Rechtswissenschaft (Fn. 14), S. 260; unlängst Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 80; Ansätze eines zweiphasigen Modells bereits bei Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 237 ff., 346 ff.; C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: Isensee / Kirchhof, HdStR XII (Fn. 704), § 271 Rn. 8, der zwischen der „Bestimmung des Rahmens durch Interpretation“ auf der einen, und der „Politische[n] Ausfüllung des Rahmens“ auf der anderen Seite unterscheidet, wobei er, von der Untersuchung hier nicht geteilt, annimmt, dass in „jedem Fall der Auslegung etwas Schöpferisches enthalten“ sei, ebd., § 271 Rn. 17. Die Deutung von Recht als ein gestuftes System von Normen legt daher eine analy­ tische Trennung zwischen der Rechtserkenntnis und dem Rechtserzeugungsakt nahe Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 318, gebraucht für den gesamten Vorgang der Rechtserzeugung, die das Erkennen des heteronom Vorgegebenen und die autonom programmierte eigene Rechtserzeugungsleistung des Akteurs umfasst, die Bezeichnung „Rechtsgewinnung“. Er definiert: „Rechtsgewinnung läßt sich daher auch definieren als Setzung von neuem Recht auf der Grundlage und nach Maßgabe des anzuwendenden, bestehenden Rechtes.“; kritisch zum Bild der Rechtgewinnung Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 80 f., der für die Bezeichnung der „Rechtsherstellung“ plädiert. 856 Eingehend zur Wendung „Gesetz und Recht“ in Art. 20 III  GG F.  Ossenbühl, Gesetz und Recht  – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee / K irchhof, HdStR V3 (Fn. 24), § 100 Rn. 4 ff., der dem Begriff Recht i. E. eine mehr „appellative Funktion“ zuschreibt, ebd., § 100 Rn. 18; eingehend C. Bäcker, Gerechtigkeit im Rechtsstaat, 2015, S. 122 ff.; richtigerweise ist die Wendung als (bloße) Tautologie aufzufassen BVerfG, Beschl. v.  25. 01. 2011  – 1  BvR  918/10, BVerfGE 128, 193 (210)  – Dreiteilungsmethode; BVerfG, Beschl. v. 06. 06. 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, BVerfGE 149, 126 (155 Rn. 75) – Vorbeschäftigungsverbot; eine andere Deutung noch BVerfG, Beschl. v. 14. 02. 1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (286 f.) – Soraya. 857 Die Rechtserkenntnis kann theoretisch nur zu einem Ergebnis führen Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 342, 343 Fn. 49; Jestaedt, Theorie (Fn. 162), S. 48 f.; Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 21 Fn. 77; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 29 f. Es besteht kein Spielraum bei der Auslegung, sondern nur bei der Auswahl innerhalb des ermittelten Rahmens Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 21; treffendes Bild bei Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 339: „Die zu interpretierende Offenheit, also die Mehrdeutigkeit einer Bestimmung, die am Beginn des Auslegungsvorgangs steht, unterscheidet sich von der interpretierten Offenheit, also dem Entscheidungsfreiraum, dessen Grenzen am Ende des Aus-

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Referenzgebieten aber auch absichtsvoll mehr oder minder große selbstprogrammiert auszufüllende Entscheidungsspielräume858. Das Erfordernis zum Beispiel, legungsvorgangs feststehen.“ Das Rückschlussverfahren und die Rekonstruktion des Willens des Normsetzers können in der Realität jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereiten, sodass sich der Norminhalt oft nur annährungsweise ermitteln lässt. Am Ende geht es darum, welche (Willens-)Inhaltshypothese die größte Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite hat. Es kommt darauf an, welcher Normsetzerwillen auf Grundlage der Indizien am plausibelsten ist J­ estaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 342 f.; prägnant Michl, Unionsgrundrechte (Fn. 100), S. 37: „Sie [die Handlungsrekonstruktion, M. J.] kann immer nur Annährung an Geschehenes sein, niemals jedoch eine exakte Wiederholung des Normsetzungsakts.“ 858 Unter rechtsstrukturtheoretischen Auspizien ist Rechtserzeugung niemals vollständig und in jeder Hinsicht durch höherrangige Rechtsnormen vorausbestimmt und deshalb reine Rechtsanwendung in der landläufigen Terminologie. Dafür lassen sich wenigstens zwei Gründe anführen: Einerseits bedingt bereits die Individualisierungs- und Konkretisierungsbedürftigkeit einer Rechtsnorm im Fortgang des (dynamisierten) Rechts(erzeugungs)verfahrens, dass dem rechtsanwendenden Normerzeuger normstrukturell und unabhängig von der positivrechtlichen Gestalt der anzuwendenden Norm gewisse rechtswesenhafte Selbstprogrammierungsanteile zufallen H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 243 f.; Merkl, Rechtsantlitz (Fn. 855), S. 1096 ff.; A. [J.] Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, S. 142 ff.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 313; Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 32; K. Ritgen, Verwaltungsrecht und Politik, in: W. Kahl / U. Mager (Hrsg.), Verwaltungsrechtswissenschaft und Verwaltungsrechtspraxis, 2019, S. 309 (321 f.). Andererseits schaffen Rechtsnormen bewusst Selbstprogrammierungsfreiräume. Die administrative Rechtserzeugung ist deshalb geltendrechtlich nicht vollständig vorausbestimmt, weil das Gesetz in seiner kontingenten, positiv-rechtlichen Ausformung der Verwaltung im gewissen Umfang Eigenentscheidungsfreiräume einräumt, indem es auf die Fremdprogrammierung verzichtet. Der konkrete Grad, inwieweit das positive Recht das Handeln der Verwaltung vorausbestimmt, ist diesem selbst zu entnehmen. Dazu und zum Vorhergehenden Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 156; Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 347 f.; Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 489; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 313 Fn. 140; Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 31 f., bezeichnet diese Typen von Freiräumen als notwendigen und gewillkürten Rechtssetzungsfreiraum; von Ritgen, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 313 als „[g]esetzlich bewilligte Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume der Verwaltung“ bezeichnet. Der so beschriebene Rahmencharakter des Rechts, s. zum Rahmencharakter des Rechts Merkl, Recht (Fn. 162), S. 97; Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858) S. 142, 156, hat zur Folge, dass jedes Handeln eines rechtsgebundenen Hoheitsträgers nur teilweise, niemals aber vollständig rechtlich fremdprogrammiert, zugleich auch (teilweise) selbstprogrammiert ist. Im Bereich und im Umfang der rechtlichen Indetermination steht (zunächst) der handelnden Verwaltung ein selbstprogrammiert auszufüllender Entscheidungsfreiraum zu locus classicus Merkl, Recht (Fn. 162), S. 96 ff., 107 f., prononciert S. 102; Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 142, 145 („rechtstheoretisch begründete Notwendigkeit“); gleichsinnig, allein terminologisch abweichend Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 2, 8, 17, der von dem „konkrete[n] Mischungsverhältnis […] von Fremdprogrammierung und Selbstprogrammierung“ ausgeht, Zitat ebd., § 11 Rn. 8; auch Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 149, spricht – ohne diese Begriffe im Laufe der Abhandlung erneut aufzugreifen – von Selbst- und Fremdbestimmung, ebenso in der Sache auf S. 152 von Selbst- und Fremdprogrammierung; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 165 ff., besonders S. 167 („Unhintergehbarkeit der Konkretisierung“); Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 122 f.; Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 492 f.; W. Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: ders. / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen I (Fn. 25), § 10 Rn. 68; R.  Pitschas, Maßstäbe des Verwaltungshandelns, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann /  Voßkuhle, Grundlagen II (Fn. 807), § 42 Rn. 41 f. Treffend halten H. J. Wolff / O. Bachof, Ver-

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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dass ein öffentlicher Zweck die Wirtschaftsbetätigung erfordert, determiniert die Gemeinde in ihrer Wirtschaftsbetätigung schwächer als das Erfordernis, dass die Wirtschaftsbetätigung in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen muss. Der Begriff des „öffentlichen Zwecks“ eröffnet der Gemeinde eine Bandbreite von rechtlich zulässigen Zwecken, welche sie mit ihrer Betätigung verfolgen darf. Besonders deutlich erkennbar ist der Eigenentscheidungsfreiraum der Gemeinde bei der Entscheidung über ihre Betätigung dann, wenn es darum geht, ob eine ‚eingeschränkt gemeindeinterne‘ oder eine ‚gemeindeexterne Wirtschaftsbetätigung‘ die „berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften wahrt“ (vgl. § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1, § 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW). Wie auch bei unzähligen denkbaren öffentlichen Zwecken, welche die wirtschaftende Gemeinde zulässiger Weise verfolgen kann, sind ebenso viele Formen wirtschaftlicher Betätigungen denkbar, welche die berechtigten Interessen der Nachbargemeinden noch wahren oder nicht mehr wahren. Den wirtschaftenden Gemeinden kommt neben einem Bereich rechtlicher Fremdprogrammierung ein Bereich zu, in dem das Gesetz seine Steuerungskraft für den Einzelfall (unter Umständen bewusst) einbüßt und ihnen zunächst Eigenentscheidungsanteile zukommen859. So heißt es bei Kelsen: „Die Ausfüllung des das freie waltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 31 vor Rn. 1a (S. 186), fest, dass „jede abstrakte oder konkrete Rechtserzeugung […] zwischen den Polen völliger Freiheit und strenger Gebundenheit [steht], ohne diese äußersten Möglichkeiten je zu verwirklichen [im Original Fettsetzung statt Kursivierung, M. J.]“; interessanterweise verzichten R. Stober / W. Kluth, Verwaltungsrecht I, 13. Aufl. 2017, § 31 Rn. 1, in späteren Auflagen auf den letzten Halbsatz; die Notwendigkeit eines Eigenentscheidungsanteils bei der Rechtserzeugung beschreiben H. J.  Koch /  H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 88 f., 95, im Fall des Ermessens als „Ermächtigung zur Tatbestandsergänzung“, im Fall des Planungsermessens als „Ermächtigung zur Tatbestandsbildung“; Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 67 f., 85 ff.; zum Zusammenspiel von objektiver und subjektiver Komponente aus neuerer Zeit spricht Lembke, Einheit (Fn. 704), S. 171 ff. Verwaltungshandeln ist aus diesem Grund nicht bloßer Gesetzesvollzug, verstanden als vollständiger Gesetzesnachvollzug O.  Bachof, s. v. Verwaltung, in: H. Kunst / S.  Grundmann (Begr.), Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 2772 (2775): Die Tätigkeit der Verwaltung „erschöpft sich […] nicht im automatenhaften Gesetzesvollzug“. In den Worten von H.-H. Trute, Methodik der Herstellung und Darstellung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, in: E. Schmidt-Aßmann / W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, 2004, S. 293 (303); aufgegriffen von Hofmann, Abwägung (Fn. 247), S. 113, ist ein schlichtes „entpacken“ der im Normprogramm enthaltenen Lösung nicht möglich. – Entscheidungsspielräume als die Freiheit von rechtlicher Bindung sind kein Phänomen, das sich auf den Bereich der Verwaltung beschränkt. Gesetzgeberische, judikative und administrative Spielräume unterscheiden sich damit allenfalls quantitativ, nicht hingegen qualitativ s. Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 144 f. Darüber besteht heute weitgehend Konsens jüngst F. Gonsior, Die Verfassungsmäßigkeit administrativer Letztentscheidungsbefugnisse, 2018, S. 93. 859 Aus diesem Grund ist die Bezeichnung „Lockerung der Gesetzesbindung“ für die Zuweisung von Eigenentscheidungsanteilen an die Verwaltung, so der gängige Terminus, exem­ plarisch etwa Hofmann, Abwägung (Fn. 247), S. 122, missverständlich und irreführend. Einerseits ist es gerade das Gesetz selbst, das darüber entscheidet, ob der Verwaltung Eigenentscheidungsfreiräume eingeräumt werden oder nicht, richtig betreffend die Zuweisung von Eigenentscheidungsanteilen Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 489. Rechtlich ungebunden ist die

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Ermessen absteckenden Rahmens ist kein juristisches, sondern ein moralisches bzw. politisches Problem.“860 Selbstprogrammierungsfreiräume räumen auch die gesetzlichen Regelungen in den anderen Referenzgebieten ein. Eigenentscheidungsanteile kommen der entscheidenden Stelle besonders dort zu, wo es um die Koordination von unterschiedlichen Interessen und Zielen geht861. Die Eröffnung einer Sparkassenzweigstelle außerhalb des Trägergebiets ist beispielsweise nach der vorgeschlagenen Auslegung des § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW zulässig, wenn „besondere Umstände“ vorliegen. Dies verlangt von der zur Entscheidung berufenen Stelle die Einbeziehung Verwaltung nur für den (Teil-)Bereich, in dem der Verwaltung Eigenentscheidungsfreiräume gerade durch das Fehlen heteronomer Determination zugewiesen sind. Die „Lockerung der Gesetzesbindung“ ist damit notwendigerweise „gesetzesgebunden“. Anderseits handelt es sich um keine „Lockerung“ der Bindung, weil das Verwaltungshandeln in dem (Teil-)Bereich, in dem es heteronom determiniert ist, umfassend determiniert ist. Von Lockerung kann demgemäß keine Rede sein Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 493; Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 177; Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 17, 33; i. d. S. lässt sich wohl auch W.-R. Schenke, in: W. Kahl / C. Waldhoff / C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VI, Art. 19 IV (September 2020), Rn. 577, deuten: „[Es] […] werden keine rechtsfreien Räume geschaffen. Vielmehr bleibt die Verwaltung rechtlich gebunden, wenngleich ihre rechtlichen Bindungen [scil. partiell, M. J.] gelockert sind [im Original z. T. Fettsetzungen, M. J.]“, also die gesamte Rechtserzeugungshandlung in den Blick genommen, das Gesetz das Verwaltungshandeln überhaupt nur partiell determiniert. – Damit einher geht ein verändertes Verständnis von Art. 19 IV GG: Die Einräumung von administrativen Eigenentscheidungsfreiräumen durch das Fehlen heteronomer Determination (nicht hingegen als Folge von Kontrolldichtenreduktionen durch die Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen) ist keine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung des Art. 19 IV GG. Art. 19 IV  GG setzt bestehende Rechte voraus. Sie fehlen, wenn eine gesetzliche Regelung administrative Eigenentscheidungsfreiräume einräumt, vgl.  nur Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 491 ff.; Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 210; Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 83, 90; Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 38; M.  Aschke, in: Bader / Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG (Fn. 49), § 40 (April 2017), Rn. 18, unklar hingegen Rn. 101. Etwas anderes würde dann gelten, wenn die Garantie des Art. 19 IV GG weiter verstanden würde und sich auch auf die Überprüfung der autonomen Determinanten bezöge, wie etwa Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 38, andeutet. Er meint, dass bei gebundenen Entscheidungen auch die Selbstprogrammierungsanteile durch die Verwaltungsgerichte überprüft würden und sich Art. 19 IV GG ebenfalls auf die Überprüfung der Selbstprogrammierungsanteile beziehen müsste. Dazu auch m. w. N. Fn. 938. 860 H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz (1911), in: M. Jestaedt (Hrsg.), Hans Kelsen Werke, Bd. II, 2008, S. 657; gleichsinnig Merkl, Recht (Fn. 162), S. 113; Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 161 („das mit Ermessen ausgestattete Organ [hat] zwischen den mehreren rechtlich gleichwertigen Lösungsmöglichkeiten nach irgendeinem rechtsfremden Wertungsgesichtspunkt die engere Wahl getroffen [Kursivierung nicht im Original, M. J.]). 861 Man mag mit Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 480 f., geneigt sein, dann einen Eigenentscheidungsanteil der Verwaltung anzunehmen, wenn „der Gesetzgeber Prinzipien-, Regel- oder Interessenkonflikte, die im Anwendungsbereich der Norm zu bewältigen sind, nicht selbst in der Norm auf abstrakt-genereller Ebene gelöst und auch nicht die Regeln für die Bewältigung des Konflikts auf abstrakt-genereller Ebene vorgegeben hat, sondern die generelle oder konkrete Auflösung eines erkennbaren Konflikts – ohne abschließende Vorgabe der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte oder anwendbaren Kollisionsregeln – dem Rechtsanwender übertragen hat.“

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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der Belange benachbarter Sparkassen und ihrer Träger. Bei der Entscheidung, ob besondere Umstände vorliegen oder nicht, weist das Gesetz zunächst der handelnden Stelle einen Eigenentscheidungsanteil zu. Ähnlich ist der Fall gelagert, in dem das Geschäftsgebiet durch Satzung nach § 6 Abs. 2 SpkG NRW über das Trägergebiet hinaus erweitert werden soll. Vergleichbares gilt für die Aufstellung eines Bauleitplans. Die Gemeinden haben die Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen. Das Baugesetzbuch räumt der planenden Gemeinde die Möglichkeit ein, ihr Gemeindegebiet nach ihren Vorstellungen, unter Beachtung bestimmter Rechtmäßigkeitsanforderungen, zu überplanen. Ihr kommt ein planerischer Gestaltungsspielraum oder ein Planungsermessen zu862. Die planende Gemeinde ist bei der Wahrnehmung ihres Planungsauftrags und der Überplanung ihres Gebiets an eine Vielzahl gesetzlicher Vorgaben gebunden und damit zum Teil heteronom determiniert863. Zu der Fremdprogrammierung zählt unter anderem das Gebot bauleitplanerischer Abwägung in § 1 Abs. 7 BauGB864. Das überrascht zunächst, denn das Abwägungsgebot wird von der Literatur meist als Ausdruck des planerischen Gestaltungsspielraums verstanden865. Beides trifft zu: Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot ist einerseits heteronome Determinante, weil es die planende Gemeinde an bestimmte Voraussetzungen bindet und jedes Missachten dieser Voraussetzungen in einen Abwägungsfehler einmündet. Liegt ein Abwägungsfehler vor, überschreitet die Bauleitplanung den Rahmen rechtlich zulässiger Bauleitplanung. Es ist andererseits zugleich Ermächtigung der Gemeinden, mit der ein signifikanter planerischer Gestaltungsspielraum einhergeht. Die Pflicht zur Abwägung der planenden Gemeinde schreibt der Gemeinde kein konkretes Planungsergebnis vor und belässt ihr damit einen Planungsspielraum, obwohl es zum Teil einige (abwägungsdisproportionale) Planungsergebnisse ausschließt. Nimmt man ferner das in die allgemeine bauleitplanerische Abwägung modifizierend zu inte­grierende Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB in den Blick, gilt eben Gesagtes gleichermaßen. Durch die Anordnung der Pflicht zur Abstimmung der Bauleitplanung mit den Belangen der benachbarten Gemeinden eröffnet das Baugesetzbuch der planenden Gemeinde durch die Zuweisung eines bikriteriellen Abwägungsauftrags zunächst einen selbstprogrammiert auszufüllenden Eigenent 862

Nicht gänzlich eindeutig ist, allerdings auch keiner besonderen Klärung bedürftig, welche Norm(en) der planenden Gemeinde einen planerischen Gestaltungsspielraum zuweisen. Es spricht viel dafür, dass Normen des Baugesetzbuchs in ihrer Zusammenschau (etwa § 1 III BauGB „sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“, § 1 VII BauGB „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.“, § 2 I 1 BauGB „in eigener Verantwortung“ und § 9 BauGB mit der Vielzahl rechtlich zulässiger Festsetzungsmöglichkeiten) darauf hindeuten, dass die planende Gemeinde einen planerischen Gestaltungsauftrag hat. 863 Zu den Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Bauleitplanung stellvertretend Erbguth /  Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 8 ff. 864 Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 114 ff., etwa verorten in dem Abschnitt zu den „Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Bauleitplanung“ die Vorgaben für die Abwägung als Frage der materiellen Rechtmäßigkeit. 865 Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 114, 129.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

scheidungsspielraum, der mehrere Planungen gestattet, solange die Bebauungspläne abgestimmt sind. Gemeinden verfügen in allen beschriebenen Handlungsbereichen also über Eigenentscheidungsfreiräume, ungeachtet ihrer Verortung im Tatbestand, der Rechtsfolgenanordnung des Rechtssatzes oder auf Grund der finalen Normstruktur. Die Verwaltungsrechtslehre kategorisierte demgegenüber die genannten Fälle administrativer Eigenentscheidungsfreiräume bereichsspezifisch866. Das Ermessen, der unbestimmte Rechtsbegriff und der planerische Gestaltungsfreiraum unterscheiden sich allerdings nicht kategorial und qualitativ, sondern nur graduell und quantitativ867. Für die Etablierung eines Konzepts zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung kommt es aus diesem Grund nicht darauf an, wo im Normtext und auf welche Art und Weise der handelnden Gemeinde ein Entscheidungsfreiraum bei der Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange eingeräumt ist. 2. Abwägung als Methode der rationalen, selbstprogrammierten Rechtserzeugung Die Regelungen der Referenzgebiete belassen Gemeinden – gerade dort, wo es um die Belange der Nachbargemeinde geht – Eigenentscheidungsfreiräume. Wie die Gemeinde den fremdbestimmten Rahmen selbstprogrammiert ausfüllt, wie sie aus einer Mehr- bis Vielzahl rechtlich gleichwertiger Handlungsoptionen eine Auswahl trifft und wie sie einzelne Belange untereinander mit welchem Ergebnis koordiniert, regeln die gesetzlichen Regelungen bei erstem Besehen nicht oder nur rahmenhaft868. Der Gesetzgeber erteilt mit der Zuweisung von Eigenentscheidungsanteilen zunächst der handelnden gemeindlichen Stelle den Auftrag selbstprogrammierter Rechtserzeugung. Die Art und Weise, wie die handelnde Gemeinde ihren Eigenentscheidungsspielraum ausgefüllt hat, lässt sich nicht anhand rechtlicher Maßstäbe ermitteln869. Richtigkeitsmaßstab ist wegen der rechtlichen Indeterminiertheit grundsätzlich nicht das Recht870. 866

Im Überblick Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 20 ff., 30 ff., 33 ff.; Gonsior, Verfassungs­ mäßigkeit (Fn. 858), S. 92 ff.; auch im historischen Überblick M. Wendel, Verwaltungsermessen als Mehrebenenproblem, 2019, S. 17 ff. 867 Aus dem vielfältigen Schrifttum stellvertretend nur für eine terminologische oder dogmatische Unterscheidung Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 17 f., 21, 27; Schenke (Fn. 859), Art. 19 IV (September 2020), Rn. 572: „Bestehende Unterschiede sind nicht von qualitativer, sondern nur von quantitativer Art [im Original Fettsetzung statt Kursivierung, M. J.]“. 868 Die beiden Fragen trennt ebenfalls Jestaedt, Rechtswissenschaft (Fn. 14), S. 260. 869 Von einem Bereich, der einzig dem rechtsschaffenden Organ überantwortet ist und sich deshalb rechtswissenschaftlicher Erkenntnis entzieht, geht aus Merkl, Recht (Fn. 162), S. 111 („freie Wahl“, „uferlose Ausfüllungs-möglichkeiten [sic]“), S. 113 („willkürlich Recht schaffen“), relativierend S. 116 („Rechtserzeugung ist nicht schrankenlos“); gleichsinnig Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 152 f. („Blieben“, „Willkür“); Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 76. 870 Anders wohl W.-R. Schenke, in: Kahl / Waldhoff / Walter, GG VI (Fn. 859), Art. 19 IV (August 2009), Rn. 500, wobei sich seine Aussage auch in Übereinstimmung mit der Auffassung hier deuten und damit vereinbaren ließe.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

275

a) Rationalitätserwartungen an Verwaltungshandeln Das Fehlen rechtlich verbindlicher Maßstäbe bedeutet nicht, dass mit der Zuweisung administrativer Eigenentscheidungsfreiräume jeder Maßstab für die selbstprogrammierte Entscheidungsfindung ausfällt871. Die Erzeugung von Recht unterliegt gewissen, zunächst (nur) metajuridischen Rationalitätsanforderungen oder Richtigkeitsmaßstäben872. Richtigkeits-  und Rationalitätserwartungen für einen Akt der Rechtserzeugung zu hegen, bedeutet, sich klar darüber zu sein, dass die Begriffe Rationalität und Richtigkeit keine eindeutig konturierten Kategorien sind. Die Bedeutungsvarianz von Rationalität und Entscheidungsrichtigkeit ist ebenso groß wie die Anzahl an Lebensbereichen, in denen sie formuliert werden. Rationalität und Entscheidungsrichtigkeit als die Gegenstände verschiedener Disziplinen sind im hohen Maße ambivalent. Ihre Inhalte hängen von dem Kontext ab, in dem beide Begriffe gebraucht werden873. Obwohl sich die Rationalität und Richtigkeit eines Akts damit nicht umstandslos an einem allseits konsentierten Richtigkeitsund Rationalitätsstandard messen lassen kann, lassen sich Rationalitätspostulate und Richtigkeitsmaßstäbe aufstellen, die mehr oder minder über verschiedene Disziplinen hinweg anerkannt sind. Systematisieren lassen sich die verschiedenen Rationalitätserwartungen wie es Steinbach für Rationalitätserwartungen an den Gesetzgeber vorschlägt, etwa als formale, materielle und prozedurale Rationalität874. Was für den Gesetzgeber rational ist, muss aber nicht auch für die administrative Rechtserzeugung rational sein und umgekehrt. Die Rechtswissenschaft kann – wenn auch (zunächst) ohne normativen Verbindlichkeitsanspruch – einen vorbereitenden Beitrag für eine Anleitung zur Ausfüllung von (administrativen) Eigenentscheidungsfreiräumen leisten875. 871

Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 195. So formuliert W.  Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Schmidt-Aßmann / ders., Methoden (Fn. 858), S. 9 (46 ff.), unterschiedliche Richtigkeitsmaßstäbe für Verwaltungsentscheidungen, die sich nicht in Legalität erschöpfen; erneut Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 76, 86; auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 323, fordert von dem Rechtssetzungsakt, dass er rechtstechnisch korrekt, rechtssystematisch anschlussfähig, rechtspolitisch vernünftig sowie rechtsethisch vertretbar ist; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (Fn. 56), S. 30, 56 f., 84 f.; sogar als „nicht näher ableitungsbedürftige Grundanforderung des Rechtsstaats“ betitelt M. Gerhardt, in: F. Schoch. / J.-P. Schneider / W. Bier (Hrsg.), Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Bd. II, § 114 (Mai 1997), Rn. 5; mit dem Autorenwechsel ab der 35. Ergänzungslieferung fehlt diese Sentenz in der Bearbeitung zu § 114 VwGO s. K.-U. Riese, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO II (Fn. 872), § 114 (Februar 2019). 873 Zu administrativer Rationalität auch S. Kempny, Verwaltungskontrolle, 2017, S. 30; bezogen auf Rationalitätsanforderungen an den Gesetzgeber monographisch A. Steinbach, Rationale Gesetzgebung, 2017, S. 1, 6, 319: So haben etwa die Wissenschaftstheorie (S. 20 ff.), die Sozialwissenschaften (S. 24 ff.) oder die Rechtswissenschaften (S. 49 ff.) je eigene Vorstellungen darüber entwickelt, was rational oder irrational ist. 874 Steinbach, Gesetzgebung (Fn. 873), S. 55 ff., 65 ff. (formale und materielle Rationalität), S. 67 ff. (prozedurale Rationalität). 875 Hoffmann-Riem, Methoden (Fn. 872), S. 19 f., 39 f.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 324, insb. auch S. 324 Fn. 175. 872

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

b) Abwägung als ein im Recht ubiquitärer Modus rationaler Entscheidungsfindung Muss die Verwaltung in einem komplexen, mehrpoligen Interessengeflecht eine Entscheidung treffen, durch welche die unterschiedlichen Interessen zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden, liegt für die Auswahlleistung, die rational und selbstprogrammiert erfolgen soll, die Methode oder Strukturierungshilfe der Abwägung nahe. Der abwägerische Modus der Entscheidungsfindung empfiehlt sich anscheinend besonders in solchen Situationen, in denen es um multipolare Interessenkonflikte und die Zuordnung und die Koordination einer Vielzahl unterschiedlicher Interessen geht, ohne materielle Richtigkeitsmaßstäbe abstrakt formulieren zu müssen oder zu können. Womöglich ist die abwägerische Entscheidungsfindung der einzige Modus, um die an die administrative Rechtserzeugung gestellten Rationalitätsanforderungen, ohne materielle Richtigkeitsmaßstäbe unterzuschieben, sachgerecht abzubilden876. Über Abwägung wurde und wird viel und kritisch diskutiert877. Abwägung wird mal als ein klassisches Instrument zur rationalen Bewältigung von gesetzlichen Konkretisierungsaufträgen an den Rechtsanwender beschrieben878, mal selbst als 876

Forderungen wie sie Hoffmann-Riem, Methoden (Fn. 872), S. 48 ff., nach Optimalität, Effektivität, Implementierbarkeit oder Zukunftstauglichkeit formuliert, sind allesamt materielle Richtigkeitsmaßstäbe; weniger anspruchsvoll als materielle Richtigkeits- oder Rationalitätsmaßstäbe ist etwa die Forderung von Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (Fn. 56), S. 30, nach einer „Methode der ‚inneren‘ Prozeduralisierung“. 877 Klassisch B.  Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 127 ff., 154 ff., 192 ff.; Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 143 ff.; W.  Leisner, Der Abwägungsstaat, 1997, S. 11 ff., 46 ff.; W. Leisner, „Abwägung überall“ – Gefahren für den Rechtsstaat, in: NJW 1997, S. 636 (636 ff.); Uerpmann, Interesse (Fn. 253), S. 269 ff.; L. Michael, Methodenfragen der Abwägungslehre, in: JöR 48 (2000), S. 169 (169 ff.); K.-H. Ladeur, Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, 2004, S. 12 ff., 19 ff.; T. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, 2006, S. 4 ff., 57 ff., 159 ff.; M. Jestaedt, Die Abwägungslehre – ihre Stärken und ihre Schwächen, in: Depenheuer u. a., Staat (Fn. 52), S. 253 (253 ff.); J. Rückert, Abwägung – die juristische Karriere eines unjuristischen Begriffs oder: Normstrenge und Abwägung im Funktionswandel, in: JZ 2011, S. 913 (913 ff.); F. Windisch, „Abwägung“ als Relationsnorm-Konstruktion, in: F. Müller / P. Mastronardi (Hrsg.), „Abwägung“, 2014, S. 17 (17 ff.); N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, 2015, S. 54 ff., 111 ff.; O. Lepsius, s. v. Abwägung, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. I, 8. Aufl. 2017, Sp. 39 (40 ff.); aus verwaltungsdogmatischer Perspektive etwa J. Berkemann, Das „Abwägungsmodell“ des BVerwG  – Entstehungsgeschichte und Legendenbildung (BVerwGE 34, 301), in: M. Krautzberger / H.-W. Rengeling / K. Saerbeck (Hrsg.), Festschrift für Bernhard Stüer zum 65. Geburtstag, 2013, S. 89 (89 ff.). 878 Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 457 ff., 479 ff., ausdrücklich S. 482 f., wobei er Abwägung mehr als die Grundlage als die Begrenzung tatbestandsbezogener Freiräume sieht. An anderer Stelle betont er einen „Freiraum der Verwaltung zur konkretisierenden Rechtsfindung durch [Kursivierung nicht im Original, M. J.] Abwägung, ebd., S. 501. Zudem spielt bei Pache die Abwägung eher mit Blick auf die gerichtliche Kontrolle eine Rolle, ebd., S. 481; speziell zur Abwägung für die Planung F. Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit?,

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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die Quelle von Irrationalität ausgemacht879. Sie soll überall dort zum Zuge kommen, wo bestimmte Ziele erreicht werden sollen, das Gesetz aber weitgehend offenlasse, auf welche Art und Weise diese Ziele erreicht werden sollen. Abwägung sei die allgemeine Methode der Ausfüllung von Eigenentscheidungsfreiräumen; sie sei eine „allgemeine Denk- und Entscheidungsweise“880. Sie sei ein „Entscheidungsverfahren zur begründeten Festsetzung von Vorrangrelationen unter kollidierenden Argumenten“881. De facto erfolgt die Entscheidungsfindung durch Abwägung in einer unüberschaubaren Vielzahl von Lebensbereichen882. Sei es im privaten, gesellschaftlichen oder politischen Bereich883. Die Judikate, in denen vom Erfordernis einer „Abwägung“ ausgegangen wird, reichen vom Zivilrecht, über das Strafrecht bis hin zu klassischen Bereichen des Öffentlichen Rechts884. Das Zivil- und Zivilprozessrecht885, das Straf- und Strafprozessrecht886, das VerwaltungsprozessGutachten B für den 50. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des fünfzigsten Deutschen Juristentages, Bd. II, 2002, B 185. – Die Figur der Abwägung lehnt ab R. Rubel, Planungsermessen, 1982, S. 65 ff., prägnant These 10 auf S. 166. 879 Gegen eine abwägerische Entscheidungsfindung formiert sich etwa Widerstand bei Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 913, 921 f., überwiegend deshalb, weil „Abwägung“ als eine zunehmende Auflösung der Normstrenge und Gesetzesbindung begriffen wird; ganz ähnlich kritisiert Leisner, Abwägung (Fn. 877), S. 638: „Die Abwägung unterläuft die Gesetzesgebundenheit des Richters.“ Dieses (Miss-)Verständnis von Abwägung beruht auf einem (integralistischen) Rechtserzeugungsverständnis, das nicht zwischen Rechtserkenntnis und Rechtserzeugung differenziert. Dadurch erscheint die Normbindung im Fall der Abwägung tatsächlich defizitär und in eine dezisionistische Einzelfallentscheidung abzugleiten, exemplarisch die historisch informierte Kritik bis hin zur Verwerfung der Abwägung bei Rückert, Abwägung (Fn. 877), passim. 880 H. Hubmann, Die Methode der Abwägung, in: ders. / H. Hübner (Hrsg.), Festschrift für Ludwig Schnorr von Carolsfeld zum 70. Geburtstag 26. Januar 1973, 1973, S. 173 (175). 881 J.-R.  Sieckmann, Semantischer Normbegriff und Normbegründung, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 80 (1994), S. 227 (238). 882 In diesem Sinne hat schon M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl. 1980 (revidiert und besorgt von J. Wickelmann), S. 13, seinen Idealtypus des zweckrationalen Handelns wie folgt beschrieben: „Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt [im Original gesperrt, M. J.]. – Dieses Verständnis von Rationalität, die maßgeblich auf Abwägung beruht, wird sodann auch für die Erklärung politischen Handelns genutzt, beispielgebend C. Kuhlmann, Die öffentliche Begründung politischen Handelns, 1999, S. 22 ff. 883 Uerpmann, Interesse (Fn. 253), S. 269; Erbguth, Abwägung (Fn. 362), S. 484. 884 Einen kurzen Überblick bietend Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 41. 885 Beispielsweise erfordert der Ausschluss der Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 III BGB „eine Abwägung […] zwischen einerseits der Belastung, welche die Naturalleistung für den Schuldner mit sich bringt, und andererseits dem Interesse des Gläubigers an der Naturalleistung“ T. Rhiem, in: B. Gsell u. a. (Hrsg.), beck-online Großkommentar BGB, 2020, § 275 (Oktober 2020), Rn. 266 ff. Bereits die Überschrift zur Kommentierung, ebd., Rn. 217 ff., lautet: „Die Abwägung im Einzelnen“; aus der Rspr. jüngst etwa zum Betreuervorschlag BGH, Beschl. v. 19. 07. 2017 – XII ZB 57/17, NJW 2017, 3301 (3302). 886 So ist z. B. eine umfassende Abwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls für die Feststellung der Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation im Nö-

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

recht887 und das Verfassungs- und Verfassungsprozessrecht888 halten Regelungen vor, die eine Abwägungsentscheidung verlangen889. In der Grundrechtsdogmatik spielt Abwägung in Gestalt, jedenfalls aber als ein Element der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine prominente Rolle890. Im Verwaltungsrecht ist es wohl die bauleitplanerische Abwägungslehre, die mit dem höchsten Detailgrad eine rationale Entscheidungsfindung operationalisierbar machte. Heute ist die Abwägungslehre aus dem Bauplanungsrecht nicht mehr wegzudenken. Der Verbreitung (möglicher) Anwendungsfelder der Abwägung korrespondiert eine Vielzahl möglicher Formen und Detailanforderungen an sie. Abwägung erweist sich als ein auch „im Recht ubiquitärer Entscheidungsmodus“891. Selbstredend meinen all diese unterschiedlichen Abwägungspflichten nicht das Abwägungsgebot und die darauf bezogene Abwägungsdogmatik, wie sie im Bauplanungsrecht entwickelt wurde. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum und der Rechtsprechung sind Tendenzen identifizierbar, die sich für eine (erhebliche) Ausdehnung der Abwägung als Entscheidungsmodus tigungstatbestand des § 240 StGB erforderlich F.  Toepel, in: U.  Kindhäuser / U.  Neumann /  H.-U. Paeffgen (Hrsg.), Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Aufl. 2017, § 240 Rn. 160; eine umfassende Interessenabwägung erfordert auch der Tatbestand des rechtfertigenden Notstands gem. § 34 StGB, ausführlich dazu A. Meißner, Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), 1990, S. 22 ff., passim; zur Erforderlichkeit der Abwägung bei der Strafzumessung kürzlich BGH, Urt. v. 20. 06. 2017 – 1 StR 125/17; BGH, Urt. v. 06. 07. 2017 – 4 StR 415/16; jüngst zum Verwertungsverbot im Strafprozess bei Einführung einer Aussage eines Zeugen vor einem Richter im Ermittlungsverfahren durch Vernehmung des Richters im Hauptverfahren nach Gebrauchmachen des Zeugnisverweigerungsrechts durch den Zeugen BGH, Beschl. v. 15. 07. 2016 – GSSt 1/16, BGHSt 61, 221 (240 Rn. 51); eingehend zur Bedeutung der Abwägung für das Beweisverwertungsverbot C. Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, 2003, S. 106 ff. 887 Im einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 V VwGO bildet die Interessenabwägung den ausschlaggebenden Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab F. Schoch, in: ders. / Schneider / Bier, VwGO I (Fn. 91), § 80 (September 2011), Rn. 372 ff.; zur Abwägung zwischen widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen als Prüfungsmaßstab für die Begründetheit stellvertretend kürzlich BVerwG, Beschl. v. 19. 12. 2014 – 7 VR 5/14, juris Rn. 9; Nds. OVG, Beschl. v. 10. 07. 2017 – 11 MC 186/17, juris Rn. 12. 888 Nach § 32 BVerfGG hat das BVerfG im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Folgenabwägung i. S. e. sog. Doppelhypothese vorzunehmen Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn. 704), Rn. 465 ff.; unlängst BVerfG, Beschl. v.  22. 06. 2017  – 1 BvR 666/17, NJW 2017, 2671 (2672 Rn. 16); kritisch zum Modell der Abwägung im Verfahren der einstweiligen Anordnung F. Schoch / R . Wahl, Die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts in außenpolitischen Angelegenheiten, in: E. Klein u. a. (Hrsg.), Grundrechte, soziale Ordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit, 1995, S. 265 (292 ff.); allgemein zur Abwägung im Verfassungsrecht Leisner, Abwägungsstaat (Fn. 877); Schlink, Abwägung (Fn. 877); Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 143 ff.; grundständig sowie kritisch zur Abwägung in der Grundrechtsdogmatik aus neuerer Zeit Ladeur, Kritik (Fn. 877). 889 Einen Überblick m. w. N.  bietet Dreier, Steuerung (Fn. 362), S. 42; eingehend Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 270 ff. 890 Petersen, Verhältnismäßigkeit (Fn. 877), S. 54 ff., 111 ff.; Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 41. 891 H.-J. Koch, Die normtheoretische Basis der Abwägung, in: W. Erbguth u. a. (Hrsg.), Abwägung im Recht, 1996, S. 9 (10).

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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und eine Übertragung des am Bauplanungsrecht orientierten Abwägungsgebots auf unterschiedliche Sachbereiche aussprechen. Mit Ausnahme einzelner Bereiche sind die Struktur und der konkrete Rationalisierungswert einer als Abwägungsentscheidung ausgeflaggten Entscheidung bislang allerdings eher diffus und vage geblieben. Das betrifft nicht nur die Frage, wann eine abwägerische Entscheidung notwendig ist und wann nicht, sondern auch die Struktur, in der die Abwägung erfolgt892. Jedenfalls die Grobstruktur der Abwägung kann aber auf die Phasen des Ermittelns, Bewertens und Abwägens im engeren Sinne verallgemeinert werden893. Wird eine „Abwägungsentscheidung“ von der Rechtsprechung oder dem Schrifttum gefordert bzw. die Geltung des Abwägungsgebots propagiert, ist in aller Regel nicht klar, wo diese im Rechtserzeugungsprozess zu verorten ist. „Abwägungsenthusiasmus“ und Abwägung als das Allheilmittel der Anleitung, Kontrolle usf. staatlichen Handelns jeglicher Provenienz sind deshalb, wie auch ihre Kritiker mit Recht meinen, beileibe nicht der richtige Weg894. Abwägung als allgemeine Methode, Strukturierungshilfe oder allgemeiner Modus der administrativen Entscheidungsfindung ist im Rechtsanwendungs- und Rechtserzeugungsprozess zunächst im rechtlich indeterminierten Bereich zu verorten: Sie ist eine unter anderen denkbaren Methoden der Ausfüllung von Eigenentscheidungsfreiräumen und ist daher (zunächst) unverbindlich895. Sie ist ein bestimmter Modus der Entscheidungsfindung zur Ermittlung von Vorrangrelationen, der nicht-normativen Rationalitätserwartungen verpflichtet ist. Abwägung kann immer dort zur Anwendung gelangen, wo eine gesetzliche Regelung von der Verwaltung durch die Einräumung von Ermessen, die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder die finale Strukturierung von Rechtsnormen die Koordination vieler Interessen 892 Im (bauplanungsrechtlichen) Schrifttum findet sich etwa die Unterscheidung zwischen einer sog. planerischen oder gestalterischen und einer sog. (nur) nachvollziehenden oder linearen Abwägung F. Weyreuther, Rechtliche Bindung und gerichtliche Kontrolle planender Verwaltung im Bereich des Bodenrechts, in: BauR 1977, S. 293 (297 f.); kritisch gegenüber der Unterscheidung hingegen Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 487 ff., der meint, dass wegen eines Wandels in der Normierungstechnik des Gesetzgebers, namentlich im Umwelt- und Technikrecht, erst die Verwaltung die relevante inhaltliche Abwägungsentscheidung treffe. 893 Uerpmann, Interesse (Fn. 253), S. 285 f. 894 Ältere monographische Abhandlungen sprechen bereits von einem „Abwägungsstaat“ Leisner, Abwägungsstaat (Fn. 877), oder allgemein von der „Abwägung im Verfassungsrecht“ Schlink, Abwägung (Fn. 877); zur Ausdehnung einer sog. Abwägungsfehlerlehre, die freilich von der Geltung des Abwägungsgebots abhängt, auf verwaltungsrechtsdogmatisch als Ermessen eingeordnete Fälle Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 229 f.; Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 914, betitelt die Abwägung in der Einleitung zu seiner „kritischen Verwerfung der Abwägung“, ebd., S. 921, als (angebliches) „Allheilmittel“ und „methodische[n] Wunderwaffe unserer Rechtspraxis“. 895 In diesem Sinne Dreier, Steuerung (Fn. 362), S. 43 f., der allerdings nicht zwischen der Zuweisung von abwägerisch auszufüllenden administrativen Eigenentscheidungsfreiräumen in den unterschiedlichen Verhältnissen trennt (im Verhältnis von Gesetzgeber zur Verwaltung oder im Verhältnis von Rechtsprechung und Verwaltung).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

und die Verwirklichung konträrer Ziele verlangt896. Sie liegt besonders nahe, wenn es um die Koordination von Interessen geht. Die allgemeine Abwägung erbringt (zunächst) ohne normativen Verbindlichkeitsanspruch einen Beitrag zur Rationalisierung der administrativen Entscheidungsfindung und nicht ihre Gefährdung897. Sie rationalisiert den Rechtserzeugungsprozess, indem sie die innere Struktur der administrativen Rechtserzeugungskomponente des rechtlich indeterminierten Bereichs näher beleuchtet und strukturiert. Die Abwägung als Entscheidungsmodus vermittelt prozedurale Rationalität: Sie macht die Gründe für die von der Verwaltung gefundene situative Vorrangrelation transparent und intersubjektiv nachvollziehbar898. Der Wert einer so verstandenen Methode der Abwägung liegt darin, dass eine abwägerische Entscheidungsfindung die legislativ zuerkannten Eigenentscheidungsanteile der Verwaltung anerkennt. Denn eine Theorie der selbstprogrammierten Rechtserzeugung darf keinesfalls so weit gehen, dass die legislativ zugewiesene autonome Komponente der Rechtserzeugung verkannt wird. Abwägung in diesem normativ-unverbindlichen Sinne bedeutet, dass bestimmte (rationalisierende) Anforderungen an den Entscheidungsvorgang gestellt werden, ohne die Entscheidung in die eine oder andere Richtung inhaltlich vorauszubestimmen899. Die beizeiten artikulierte Kritik an einer (Interessen-)Abwägung kann die Geeignetheit der Abwägungsmethode daher nicht erschüttern900. Im Gegenteil liegt ihr Wert gerade darin, dass die Abwägung keine abstrakt-generellen, materiellen Richtigkeitsmaßstäbe für das Ergebnis der Entscheidung enthält und damit anerkennt, dass im nicht rechtlich determinierten Bereich solche Maßstäbe im Grundsatz fehlen901. Als nicht-normativ verbindlicher Modus des Entscheidens tritt die Abwägung nicht in Konflikt mit einer irgendwie gearteten Normstrenge, weil im rechtlich indeterminierten Bereich keine Normstrenge besteht902. Die Ab 896

Ohne das dualistische Rechtserzeugungsmodell aufzugreifen, deutete Schenke (Fn. 870), Art. 19 IV (August 2009), Rn. 492, die unterschiedlichen als Entscheidungsfreiräume zusammengefassten Bereiche nicht vollständiger rechtlicher Determination von vornherein als eine „der Verwaltung zugewiesene[n] Abwägungsermächtigung“ oder „Abwägungsbefugnis“, ebd., Rn. 532; in der Aktualisierung spricht er von einer der „Verwaltung zugewiesene[n] Norm­ ergänzungsbefugnis“ Schenke (Fn 859), Art. 19 IV (September 2020), Rn. 573. 897 Beiläufig zum rationalisierenden und prozeduralisierenden Wert der Abwägung Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 43; krass gegensätzlich im Kontext der Abwägung diese als „rein dezisionistisch[en] oder „irrational[e]“ bezeichnend Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 923 f. 898 Zu den – freilich auf die Prinzipientheorie Alexys bezogenen – Stärken der Abwägungslehre Jestaedt, Abwägungslehre (Fn. 877), S. 258 f. 899 Mit Abwägung „bezeichnet man eine Operation, in der Interessen, Belange oder Verlaufsszenarien in eine Reihung gebracht werden. Als Priorisierungsinstrument geht A.[bwägung] jeder Entscheidung voraus und besitzt gleichermaßen politische, ökonomische sowie ethische Dimensionen“ Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 40. 900 „[D]er Grundsatz der […] Interessenabwägung ist nur eine Formulierung, keine Lösung des Problems“ H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl. 1934, S. 99; wortgleich Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 350; diese Kritik greift auf Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 922 Fn. 61. 901 Die Abwägungsfehlerlehre ermittelt nur bedingt einzelfallbezogene Vorrangrelationen und ermöglicht keine abstrakt-substantiellen Aussagen Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 42. 902 Hingewiesen sei erneut auf die Kritik an der Abwägung von Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 913 ff.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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wägung öffnet weder Tür noch Tor zu Dezisionismus, wo Dezisionismus bereits wegen fehlender Fremdprogrammierung normativ gewollt herrscht. Entscheidend ist aber, dass Abwägung nicht immer, unabhängig von dem normativen Befund zur Anwendung kommen kann, sondern nur, wenn und soweit tatsächlich rechtlich konstituierte Eigenentscheidungsfreiräume bestehen903. Darauf deutet ansatzweise auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hin, wenn das Gericht die Geltung der abwägerischen Entscheidungsfindung an das Bestehen von planerischer Gestaltungsfreiheit knüpft und diese wiederum an dem (materiellen) Planungscharakter der Maßnahme festmacht904. Die Abwägung betrifft damit den „Vorgang der Urteilsfindung“905. Der Standort der Abwägung als eine allgemeine Methode der Entscheidungsfindung liegt unter strukturtheoretischen Gesichtspunkten folglich im autonom determinierten Bereich. Die Abwägung ist geeignete Methode zur Anleitung administrativer Entscheidungsfindung und damit Methode der Rechtserzeugung906. 3. Von der Selbst- zur Fremdprogrammierung: Abwägungsgebote Abwägung ist ein nicht normativ-verbindliches Konzept zur (prozeduralen) Rationalisierung von administrativen Entscheidungen mit Eigenentscheidungsfreiräumen, in denen die Koordination unterschiedlicher Interessen oder Ziele notwendig ist. Ist die Abwägung verbindliche Methode, gilt also ein Abwägungsgebot und mit ihm eine Abwägungsfehlerlehre, handelt es sich bei der Abwägung nicht mehr nur um eine Strukturierungshilfe für eine sachadäquate und sachbereichsübergreifende rationale Ausfüllung administrativer Eigenentscheidungsfreiräume. Für die Verrechtlichung bedarf es aber normativer Anhaltspunkte. Der Modus der abwäge­rischen Entscheidungsfindung wird, wie auch die anderen Richtigkeitsmaßstäbe für staatliches Entscheidungsverhalten, unter Rekurs auf das grund­ 903 Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 913, 922. Er wirft die Frage auf: „Aber wo steckt im Abwägungsstil die Normstrenge, das Juristische?“ Ordnet man wie hier die Abwägung dem rechtlich nicht determinierten Bereich zu und versteht Abwägung zunächst nur als eine Methode der selbstprogrammierten Rechtserzeugung, kommen Zweifel wegen der Auflösung der Normstrenge nicht auf. Die Antwort auf Rückerts Frage muss daher lauten: nirgends. 904 Unter der Prämisse des BVerwG, dass die planerische Gestaltungsfreiheit durch das rechtsstaatliche Abwägungsgebot begrenzt werde, ist der Begriff des Abwägungsgebots zutreffend, da die Abwägung bundesverfassungsrechtlich verbindlich ist. 905 R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 176, meint zur Bedeutung des Vorgangs der Urteilsfindung: „Weil […] weder die Bindungskraft des Gesetzes noch die Methoden der Rechtsgewinnung ein zwingendes Verfahren der Rechtsgewinnung gewährleisten und dessen Ergebnisse weder frei von subjektiven Einflüssen noch eindeutig als richtig oder falsch einzuordnen sind, kommt es entscheidend auf den Vorgang der Urteilsfindung [Kursivierung im Original, M. J.] an.“ 906 Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 486, 499, bezeichnet die Abwägung (wohl) ohne inhaltliche Abweichung als „Methode der Rechtsgewinnung“; die Abwägungslehre ordnet nur unterschwellig in den Bereich der Rechtserzeugung ein Jestaedt, Abwägungslehre (Fn. 877), S. 272 ff., insb. S. 274.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

gesetzliche Rechtsstaatsprinzip gelegentlich kurzerhand verrechtlicht. Rationalität staatlichen Entscheidens ist aber nicht gleichzusetzen mit seiner verrechtlichten Rationalität907. a) Explizite und implizite Abwägungspflichten – Abwägungsgebote im Recht raumbedeutsamer Planungen § 1 Abs. 7 BauGB ist die Basisnorm der gemeindlichen Bauleitplanung, die ausdrücklich eine Abwägungspflicht normiert. Durch die gesetzliche Fixierung der Abwägung in § 1 Abs. 7 BauGB sowie der bikriteriellen Abwägung in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB erhebt das Baugesetzbuch eine allgemeine Methode der rationalen und selbstprogrammierten Entscheidungsfindung zur normativ-verbindlichen Methode der Rechtserzeugung. Das bauleitplanerische Abwägungsgebot ist der verrechtlichte Modus rationaler Entscheidungsfindung bei der Aufstellung von Bauleitplänen. Inhaltlich gibt das bauleitplanerische Abwägungsgebot nicht nur den gedanklichen Weg zur konkreten Planungsentscheidung vor, sondern stellt zugleich eingeschränkte inhaltliche Anforderungen an das Ergebnis der Entscheidung. Das bauleitplanerische Abwägungsgebot kombiniert damit prozedural-­gedankliche Entscheidungsschritte mit (eingeschränkten) inhaltlichen Vorgaben an das Ergebnis. In dieser gesetzlichen Ausgestaltung sichert das bauleitplanerische Abwägungsgebot neben einer prozeduralen Rationalität zugleich eingeschränkt eine materielle Rationalität. Es dirigiert positiv die planende Gemeinde bei der Ausfüllung ihres Planungsauftrags und setzt dem Planungsauftrag zugleich negativ Grenzen: Es dirigiert einerseits positiv die Ausfüllung des gemeindlichen Planungsauftrags, indem die sachgerechte Wahrnehmung des Planungsauftrags von der planenden Gemeinde verlangt, dass sie bei ihrer Entscheidung bestimmte Schritte durchläuft, ehe sie den konkreten Rechtserzeugungsakt vornimmt und den Bauleitplan erlässt. Zudem verpflichtet es die Gemeinde darauf, im Einzelnen nicht abstrakt

907 Zur Trennung zwischen Rationalitätserwartungen und ihrer (verfassungs-)rechtlichen Verankerung Steinbach, Gesetzgebung (Fn. 873), S. 5, 7: „[S]ucht und findet man in diesen [scil. Rechtsstaatsgebot, Übermaßverbot, Demokratieprinzip u. a., M. J.] aber eine Basis für rationale Gesetzgebung, so transformiert man diesen Begriff in einen Rechtsbegriff [Kursivierung nicht im Original, M. J.].“; diese Unterscheidung aufgreifend, trennt Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 30 ff., zwischen einem (außerpositiven) „verwaltungstheoretischen“ (ebd., S. 30 ff.) und einem „verwaltungsdogmatischen“ Begriff der Rationalität (ebd., S. 40 ff.); allgemein zur Verrechtlichung metajuridischer Maßstäbe Gonsior, Verfassungsmäßigkeit (Fn. 858), S. 156 f.; w. N. unter Fn. 909 und Fn. 919. – Häufig geht das Schrifttum zugleich von einer verrechtlichten Rationalität aus, etwa durch das Rechtsstaatsprinzip, wenn es etwa wie bei Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (Fn. 56), S. 84, heißt: „Rechtsstaatliche Rationalisierung ist ‚als planmäßige Organisierung einer möglichst zweckmäßigen und effektiven Erledigung der staatlichen Aufgaben‘ zu verstehen“. Relativierend schließt er an: „Rechtsstaatlichkeit als Verpflichtung zu Rationalität zu interpretieren, heißt nicht, alle normativen Orientierungen staatlichen Handelns einem uniformen Verrechtlichungsgebot zu unterwerfen.“

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

283

beschriebene Ergebnisse zu vermeiden908. Es setzt der Ausfüllung des Planungsauftrags durch die Gemeinde damit andererseits Grenzen, indem es ein Verbot abwägungsfehlerhafter Entscheidungen statuiert. Im Bauplanungsrecht ist die Abwägung folglich nicht nur eine mögliche, sondern die normativ verbindliche Methode der Ausfüllung des Planungsauftrags909. Die Festschreibung einer abwägerischen Rechtserzeugungsmethode wirkt auf den (fremdprogrammierten bzw. heteronom determinierten) Rahmen zulässigen gemeindlichen Handelns zurück910. Durch die Normierung des Abwägungsgebots im Bauplanungsrecht ist die abwägerische Entscheidungsfindung und die eingeschränkte Inhaltskontrolle, wie sie das Bundesverwaltungsgericht für das bauleitplanerische Abwägungsgebot entwickelt hat, Bestandteil der heteronomen gesetzlichen Determinanten geworden. Sie hat den Bereich der eigentlichen Rechtserzeugungsmethode verlassen. Die Grenze zwischen Bedingung der Rechtserzeugung und Methode der Rechtserzeugung ist dadurch einseitig hin zur Rechtser-

908

(Wohl) erste positive Umschreibung der Anforderungen an eine gerechte Abwägung BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21/74, BVerwGE 48, 56 (63 f.); BVerwG, Urt. v. 07. 07. 1978 – IV C 79/76, BVerwGE 56, 110 (122 f.). 909 Daran wird deutlich, dass das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot in § 1 VII BauGB eine eigentümliche Doppelnatur hat: Einerseits begründet die Zuweisung eines Planungsauftrags einen planerischen Gestaltungsspielraum, andererseits bindet die Abwägung als Methode zugleich die Ausübung planerischer Gestaltungsfreiheit. Die Pflicht zur Abwägung ist einerseits Erkennungszeichen für gemeindliche Entscheidungsfreiräume, andererseits Bindung an eine bestimmte Methode, wie diese Freiräume auszufüllen sind. Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 269 ff., 306 f., spricht von einer „durch das Abwägungsgebot begrenzte[n] planerische[n] Gestaltungsfreiheit“, das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot sei „sichtbarer Ausdruck und mittelbare Anerkennung der den Gemeinden eingeräumten Gestaltungsfreiheit“, ausdrücklich S. 306; als Ausdruck der Zuweisung von Gestaltungsspielräumen und zugleich der Beschränkung des Spielraums BayVerfGH, Entsch. v. 22. 04. 2005 – Vf. 4-VII-03, BayVBl. 2005, 558 (561); Dreier, Steuerung (Fn. 362), S. 41 f.; Erbguth / Schubert, Baurecht (Fn. 101), § 5 Rn. 126 ff., die jedoch von einem „abwägungsbedingte[n]“ Gestaltungsspielraum sprechen, ebd., § 5 Rn. 129. 910 Kelsen und Merkl haben sich anscheinend mit der sachangemessenen Ausfüllung von (administrativen) Eigenentscheidungsfreiräumen nicht beschäftigt. Für beide ist anscheinend nur die Radikallösung heteronomer Determination und autonomer Indetermination denkbar. Die Festschreibung einer bestimmten Methode zur Ausfüllung von Eigenentscheidungsanteilen könnte gewissermaßen auf einer mittleren Eben zwischen Determination und Indetermination anzusiedeln sein. Auch wenn die Abwägung als Methode der Rechtserzeugung gesetzlich fixiert ist, könnte es sich weiter um eine Rechtserzeugungsmethode handeln, die dem Bereich rechtlicher Indetermination zuzuordnen ist. Sie betrifft inhaltlich gerade Fragen, die der Gesetzgeber nicht vorentschieden hat. Zugleich verlangt sie aber, soweit sie normiert ist, dass eine Entscheidung auf einem vorgeschriebenen Weg zustande kommt. Zwischen den Bereich rechtlicher Determination und Indetermination schiebt sich damit scheinbar eine weitere Kategorie, die als Rechtserzeugungsmethode mit und ohne Verbindlichkeitsanspruch bezeichnet werden könnte. Ist eine bestimmte Methode normativ angeordnet, handelt es sich jedoch schlicht um eine weitere Bedingung der Rechtserzeugung. Die Einhaltung der abwägerischen Entscheidungsfindung ist damit nichts anderes als eine verbindliche Verfahrensvorgabe (Abwägungsvorgang) mit (teilweise) materiellem Gehalt (Abwägungsergebnis).

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

zeugungsbedingung verschoben911. Der Gesetzgeber belässt es mit der Zuweisung des Planungsauftrags durch die Normierung der Abwägungsentscheidung dabei, dass der Verwaltung Eigenentscheidungsanteile zustehen, begrenzt diese allerdings dahingehend, dass die Entscheidung auf eine bestimmte Art und Weise herbeigeführt wurde. Der Gesetzgeber kann anordnen, dass die Abwägung nur unter bestimmten Voraussetzungen die verbindliche Methode der Entscheidungsfindung ist. Er kann zugleich die Gesichtspunkte konkretisieren, die in die verbindlich als abwäge­ rische Entscheidung zu strukturierende Rechtserzeugung einfließen müssen. Der Gesetzgeber erklärt beispielsweise für das bauleitplanerische Abwägungsgebot „öffent­liche“ und „private“ Belange oder für das Abstimmungsgebot gemeindenachbarliche städtebauliche Belange als abstrakt abwägungs- bzw. abstimmungserheblich. Die Normierung einer Abwägungsklausel ist damit Erkennungszeichen für die Einräumung administrativer Eigenentscheidungsfreiräume sowie die (rechtliche) Eingrenzung und Verringerung dieses Spielraums912. Die Rechtsprechung entwickelte gesetzliche bau-, raumordnungs- und fachplanungsrechtliche Abwägungsgebote und übertrug die Struktur des bauleitplane­ 911

Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 151 f., 156 f., anerkennt, dass die Bindung des rechtsanwendenden Organs an regulative Prinzipien oder an das öffentliche Interesse bei der Auswahl gleichwertiger rechtlicher Möglichkeiten „nur kraft besonderer positivrechtlicher Verweisung rechtsverbindlich sind.“ Die positiv-rechtliche Verweisung auf metajuridische Maßstäbe führt dazu, dass das Recht diese rezipiert und damit zu heteronomen Determinanten erhebt. Anders formuliert: Die positiv-rechtliche Rezeption erweitert die Rechtserzeugungsbedingungen und definiert den Rahmen zulässiger Rechtsanwendung und Rechtserzeugung neu, in dem das rechtsanwendende Organ handeln darf. Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 156: „[S]treng genommen [kann man] nicht mehr von einer Determinierung des Ermessens sprechen, denn insoweit ist Ermessen von vornherein ausgeschlossen.“; in diesem Sinne ­Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 3, insb. Rn. 3 Fn. 10; zur Möglichkeit der Transformation metarechtlicher Fehler zu rechtlichen Fehlern Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 155. – Umfassender Überblick der Bindung der Verwaltung an außerrechtliche Maßstäbe und damit zu ihrer Verrechtlichung Pitschas, Maßstäbe (Fn. 858), § 42 Rn. 74 ff. 912 Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 457 f., 478, 480, 490 f., erblickt in der Zuweisung eines Abwägungsauftrags schwerpunktmäßig die Zuweisung von Entscheidungsfreiheit; ähnlich Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 27 Fn. 109. – Die Zuweisung von Eigenentscheidungsfreiräumen durch die Erteilung eines Abwägungsauftrags ist allerdings bei Lichte gesehen nur eine Seite derselben Medaille. Zugleich ordnet das Gesetz eine bestimmte Methode der Rechtserzeugung an. „Die Erforderlichkeit einer Abwägung ist zugleich die Grundlage für administrative Freiräume und Konkretisierungsbefugnisse innerhalb der Rechtsordnung als auch die rechtsstaatliche Vorgabe für die Struktur und Orientierung der Entscheidungsfindung.“ Pache, Abwägung (Fn. 360), S. 481; anders dagegen Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 305 ff., der in der Notwendigkeit einer Abwägung nicht den Grund der Entscheidungsfreiheit, sondern eher die Begrenzung bestehender Freiheit und die Verschärfung der Zulassungstatbestände erblickt, besonders ebd., S. 306 f., jedoch relativierend ebd., S. 316; ähnlich T. Lieber, in: T.  Mann / C. Sennekamp / M. Uechtritz (Hrsg.), Großkommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 74 Rn. 35; auch das Nds. OVG, Urt. v. 08. 03. 2006 – 7 KS 128/02 u. a., ZUR 2006, 489 (491 f.), zog aus dem Fehlen einer Abwägungsklausel im Atomrecht, dass der Genehmigungsbehörde kein planerischer Gestaltungsspielraum zustehe.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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rischen Abwägungsgebots sowie seine jeweiligen Einzelpflichten unter Zustimmung des Schrifttums auf andere Bereiche. Die Gerichte übertrugen die bauleitplanerische Abwägungsdogmatik – mit gewissen Anpassungen – zuerst auf die ausdrücklich normierten raumordnungsrechtlichen Abwägungspflichten (vgl. etwa § 7 Abs. 2 S. 1 ROG)913. Darüber hinausgehend machte sich die Rechtsprechung die Struktur der bauleitplanerischen Abwägung für weitere Regelungsbereiche, namentlich für fachplanungsrechtliche Planfeststellungsverfahren, in denen die Pflicht zur Abwägung ausdrücklich normiert ist, zu Dienste. Für diese Regelungsbereiche harmonisierte die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Anforderungen an die ausdrücklich normierten Abwägungserfordernisse bei der Planfeststellung rasch. Soweit ersichtlich wendet heute die Rechtsprechung auf sämtliche Planfeststellungen, die ausdrücklich eine Abwägung erfordern, die am Gebot bauleitplanerischer Abwägung entwickelte Struktur an und hat ein am bauleitplanerischen Abwägungsgebot orientiertes fachplanungsrechtliches Abwägungsgebot entwickelt914. Die Pflicht zur Abwägung ist in unzähligen fachplanungsrechtlichen Planfeststellungsverfahren (vgl. § 14 Abs. 1 S. 2 WaStrG, § 17

913

BVerwG, Beschl. v. 20. 08. 1992 – 4 NB 20/91, BVerwGE 90, 329 (333 f.); OVG Rh.-Pf., Urt. v. 06. 07. 2005 – 8 A 11033/04.OVG, NVwZ-RR 2006, 242 (243); unlängst VGH BW, Urt. v. 10. 02. 2016 – 8 S 1477/15, BeckRS 2016, 51400, Rn. 61 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 15. 03. 2018 – 12 KN 38/17, NordÖR 2018, 257 (260 f.); VG Köln, Urt. v. 19. 07. 2016 – 14 K 7394/13, BeckRS 2016, 53163; P. Runkel, in: W. Spannowsky / ders. / K. Goppel (Hrsg.), Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 7 Rn. 29 f.; R. Hendler, Die bundesrechtliche Konzeption der Raumordnung in den Ländern, in: Koch / ders. (Fn. 94), § 4 Rn. 17 („entsprechende Grundstruktur“); H. Schoen, in: M. Beckmann u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Umweltrecht, Bd. III, § 50 BImSchG (April 2013), Rn. 25. 914 Zur Geltung eines einheitlichen, am bauleitplanerischen Abwägungsgebot orientierten (fach-)planungsrechtlichen Abwägungsgebots für die ausdrücklich normierten Abwägungspflichten in den Planfeststellungsverfahren m. w. N.  Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 274 f.; Lieber (Fn. 912), § 74 Rn. 37; Wickel, Fachplanung (Fn. 394), § 39 Rn. 70; exemplarisch zur Übertragung der Struktur der bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik auf das Fachplanungsrecht ohne ausdrückliche Bezugnahme auf das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot U. Kramer, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Eisenbahngesetz, 2012, § 18 Rn. 3; zur Planfeststellung eines Verkehrsflughafens BVerwG, Urt. v. 07. 07. 1978 – IV C 79/76, BVerwGE 56, 110 (117, 122 ff.); jüngst in der Rspr. zur Planfeststellung für eine Höchstspannungsfreileitung und der nunmehr in § 43 S. 4 EnWG normierten Abwägungspflicht BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 4 A 4/15, BVerwGE 157, 73 (78 f. Rn. 22 ff.); ebenfalls zum Bau einer Höchstspannungsfreileitung BVerwG, Urt. v.  06. 04. 2017  – 4  A  1/16, NVwZ 2018, 336 (338 ff.); BVerwG, Urt. v. 22. 06. 2017 – 4 A 18/16, NVwZ 2018, 332 (333 f.); zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und der Pflicht zur Abwägung nach § 18 S. 2 AEG BVerwG, Urt. v. 29. 06. 2017 – 3 A 1/16, ZUR 2018, 107 (114 f.); zum Bau der Rheinbrücke Leverkusen BVerwG, Urt. v. 11. 10. 2017 – 9 A 14/16, BVerwGE 160, 78 (95 f. Rn. 129 ff.); zur Planfeststellung einer Freileitung BVerwG, Urt.  v.  09. 11. 2017  – 4  A  19/16, juris Rn. 14 ff.; zur Erweiterung eines Verkehrsflughafens BayVGH, Urt. v. 14. 07. 2015 – 8 A 13.40037 u. a., juris Rn. 59; Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung der Verkehrsfläche einer Tank- und Rastanlage BayVGH, Urt. v. 27. 07. 2017 – 8 A 16.40019, juris Rn. 27; zum Bau einer Erdgasparallelleitung OVG NRW, Urt. v. 04. 09. 2017 – 11 D 14/14.AK, DVBl. 2018, 54 (61); zu einer straßenverkehrsrechtlichen Planfeststellung VGH BW, Urt. v. 12. 12. 2017 – 5 S 2449/14, juris Rn. 26, 36 ff.

286

Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

S. 2 BFStrG, § 18 S. 2 AEG, § 1 Abs. 1 S. 2 MBPlG [Magnetschwebebahnplanungsgesetz], § 43 S. 4 EnWG, § 8 Abs. 1 S. 2 LuftVG, § 28 Abs. 1 PBefG) vorgesehen. Die Anforderungen der Abwägung gelten nach der ständigen Rechtsprechung und weiten Teilen des Schrifttums aber auch dort, wo es an der ausdrücklichen Normierung des Abwägungsgebots oder einer expliziten Pflicht zur Abwägung der privaten und öffentlichen Belange in der Planfeststellung fehlt. Eine (rechtsstaat­ liche) Abwägung, die sich an der Struktur der bauleitplanerischen Abwägung orientiert, sei dann erforderlich, wenn durch eine gesetzliche Regelung der handelnden Stelle eine Planungsbefugnis erteilt werde (bspw. § 68 WHG)915. Das Erfordernis der abwägenden Entscheidung gilt folglich nahezu für sämtliche Planfeststellungsverfahren, unabhängig davon, ob ausdrücklich eine Abwägungspflicht normiert wird916. Noch einen Schritt weiter geht das Bundesverwaltungsgericht, wenn es das so konturierte Abwägungsgebot nicht mehr nur auf fachplanungsrechtliche Planfeststellungsverfahren und raumordnungsrechtliche Planungen anwendet, ohne dass es darauf ankäme, ob die gesetzlichen Regelungen ausdrücklich die Pflicht zur Abwägung vorsehen oder nicht. Es zieht das Abwägungsgebot für alle „räumlichen Planungen“ schlechthin heran. Für alle „räumlichen Planungen“ gelte, so das Bundesverwaltungsgericht, das rechtsstaatliche Abwägungsgebot917. Das Gericht 915 Zur Geltung des Abwägungsgebots auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung früh BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1969 – IV C 6/68, NJW 1969, 1869 (1868 Ls. 1, 1869); BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105/66, BVerwGE 34, 301 (307); zum Fernstraßenrecht als noch keine ausdrückliche Abwägungspflicht bestand BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21/74, BVerwGE 48, 56 (63); zum Wasserrecht BVerwG, Urt. v. 10. 02. 1978 – IV C 25/75, BVerwGE 55, 220 (227); VG Bayreuth, Urt. v. 13. 10. 2014 – B 2 K 14.313, BeckRS 2014, 58403; zur luftrechtlichen Planfeststellung BVerwG, Urt. v.  07. 07. 1978  – IV  C  79/76, BVerwGE 56, 110 (122 ff.); BVerwG, Urt. v. 29. 01. 1991 – 4 C 51/89, BVerwGE 87, 332 (341); BVerwG, Urt. v. 28. 06. 2000 – 11 C 13/99, BVerwGE, 111, 276 (280); zur abfallrechtlichen Planfeststellung Nds. OVG, Urt. v. 04. 07. 2017 – 7 KS 10/15, NVwZ-RR 2018, 26 (27); ohne weitere Erläuterung zur Geltung des Abwägungsgebots C. Riese, in: M. Beckmann u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Umweltrecht, Bd. I, § 68 WHG (Januar 2015), Rn. 85; R. Schenk, in: F. Sieder / H. Zeitler /  H.  Dahme (Begr.), Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, Bd. I, § 68 (Mai 2016), § 68 Rn. 5; zustimmend zur allgemeinen Geltung für Planfeststellungen ­Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 275; Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 4244; so auch die Überschrift des 2. Teils des umfassenden Werks von Stüer, Handbuch (Fn. 49), „abwägungsdirigierte Planungsentscheidungen“. – Das Abwägungsgebot soll wegen fehlender planerischer Gestaltungsfreiheit nicht im Fall der bergrechtlichen Planfeststellung gelten, BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2006 – 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 (264 Rn. 28); OVG Rh.-Pf., Urt. v. 05. 10. 2010 – 1  A  10686/08.OVG, DVBl. 2011, 47 (48); Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 276, eingehend S. 349 ff., sowie der atomrechtlichen Planfeststellung BVerwG, Beschl. v.  26. 03. 2007  – 7 B 72/06, NVwZ 2007, 841 (842); Nds. OVG, Urt. v. 08. 03. 2006 – 7 KS 128/02 u. a., ZUR 2006, 489 (491 ff.); zustimmend T. Uschkereit, in: A. Pautsch / L. Hoffmann (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2021, § 74 Rn. 10, Rn. 10 Fn. 16. 916 Hoppe, Entwicklung (Fn. 363), S. 703 f.; Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 276. 917 Umfangreiche Analyse der bundesverwaltungsgerichtlichen Judikatur und des Schrifttums zu Nutzungsregelungen wie der Festsetzung von Lärmschutzbereichen nach § 4 FlugLärmG, dem Erlass naturschutzrechtlicher Schutzgebietsverordnungen nach dem Naturschutzgesetz, der Festsetzung von An- und Abflugstrecken von und zu Flugplätzen, der Festsetzung

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

287

greift als normativen Ankerpunkt für die Geltung des Abwägungsgebots für sämtliche räumliche Planungen auf das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip zurück. Das Gericht unterscheidet wohl zwischen gesetzlichen (bauleit- oder fachplanungsrechtlichen) Abwägungsgeboten und dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot. Nicht eindeutig ist aber, ob es auch dann auf das rechtsstaatliche Abwägungsgebot zurückgreift, wenn eine gesetzliche Abwägungspflicht besteht und schon deshalb ein gesetzliches Abwägungsgebot gilt. Es spricht einiges dafür, dass das Gericht sich ungeachtet einer (womöglich) auch gesetzlichen Normierung des Abwägungsgebots ergänzend auf das für alle rechtsstaatlichen Planungen geltende Abwägungsgebot zurückzieht, das in seiner Struktur dem bauleitplanerischen Abwägungsgebot folgt918. Damit verschwimmt in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Grenze zwischen den gesetzlichen Abwägungsgeboten und dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot. Indem das Gericht als normative Grundlage auf das Rechtsstaatsgebot rekurriert, gibt es einem bestimmten Rationalitätsverständnis einen erheblichen Verrechtlichungsschub919. Die Einordnung des Abwägungsgebots als umfassend geltende Methode der Rechtserzeugung mit Verbindlichkeitsanspruch ist allerdings voraussetzungsvoller als der Verweis auf das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip920. Würde es sich bei Rationalität um ein verbindliches Vervon Wasserschutzgebieten sowie zu den sonstigen Fachplänen wie Abfallwirtschaftsplänen oder Krankenhausbedarfsplänen Durner, Konflikte (Fn. 260), S. 277 ff.; zum Erlass von Landschaftsplänen und der Übertragung der bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik OVG Berlin, Beschl. v. 26. 09. 1991 – 2 A 5.91, NVwZ-RR 1992, 406 (407). – Ob es trotz der Ausdehnung der bauleitplanerischen Abwägung und damit der Entwicklung einer umfangreichen Abwägungsdogmatik für nahezu sämtliche Fälle der raumbedeutsamen Planungen nicht gleichwohl zu hochgegriffen ist, von einer „Theorie der Planung“ Hoppe, Entwicklung (Fn. 363), S. 703, zu sprechen, sei dahingestellt. 918 M. Wickel, in: M. Fehling / B. Kastner / R. Störmer (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 74 VwVfG Rn. 124, begründet den Rückgriff auf das rechtsstaatliche Abwägungsgebot mit dem Fehlen einer umfassenden Regelung seines Inhalts durch die ausdrücklich normierten fachplanungsrechtlichen Abwägungsklauseln. Dafür, dass das rechtsstaatliche Abwägungsgebot ergänzend zur Anwendung kommen kann, spricht etwa die Reaktion des BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21/74, BVerwGE 48, 56 (63), auf die Änderung des § 17 I FStrG a. F., der durch Satz 2 um die Normierung einer ausdrücklichen Abwägungspflicht ergänzt wurde s. Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (2. FStÄndG) vom 04. 07. 1974, BGBl. I, 1974, S. 1401. Das BVerwG griff zunächst auf das rechtsstaatliche Abwägungsgebot zurück und stellte im Anschluss daran fest: „Die Neufassung des § 17 I FStrG durch das 2. ÄndG, mit der das Abwägungsgebot in einem neuen Satz 2 nunmehr ausdrücklich in diese Vorschrift aufgenommen worden ist, trägt daher dieser Rechtsprechung Rechnung, ohne insoweit eine Änderung der bisherigen Rechtslage zu bewirken.“ Das Gericht könnte damit freilich auch nur meinen, dass die Anforderungen beider Abwägungsgebote identisch sind. 919 Vergleichbar wirkt der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zur Verrecht­ lichung außerrechtlicher Maßstäbe erheblich beiträgt Pitschas, Maßstäbe (Fn. 858), § 42 Rn. 43; Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 79; Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 4. 920 Symptomatisch für die Begründungsflexibilität unter Gebrauch des grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzips ist bspw., dass Rückert, Abwägung (Fn. 877), S. 921, gerade aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten möchte, dass Abwägungsentscheidungen unzulässig seien.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

fassungsgebot handeln und Abwägung die einzige Methode sein, die diesen Anforderungen genügen würde, so hätte eine abwägerische Entscheidungsfindung tatsächlich qua Verfassungsrang Verbindlichkeitsanspruch. Darauf soll es nicht ankommen, wenn sich für die zwischengemeindliche Konfliktbewältigung eine gesetzliche Grundlage findet, welche die Abwägung von gemeindenachbarlichen Belangen verbindlich stellt. b) Implizite Abwägungspflicht gemeindenachbarlicher Belange – zwischengemeindliches Abwägungsgebot Mit § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist die Abwägung von gemeindenachbarlichen Belangen die verbindliche Rechtserzeugungsmethode für die Aufstellung konfliktträchtiger Bebauungsplanungen, wenn sich diese potentiell auf Nachbargemeinden auswirken. Sowohl die Gemeindeordnung als auch das Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen enthalten Regelungen, welche als Minimalanforderungen die handelnde Gemeinde zur Einbeziehung und Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange verpflichten. Daraus folgt, dass die Abwägung rechtlich verbindlich ist, wenn die Entscheidung der Gemeinde nachbargemeindliche Belange potentiell betrifft. Die Verbindlichkeit der abwägerischen Entscheidungsfindung in den Referenzgebieten ist aber voraussetzungsvoll. Sie beruht auf der Prämisse, dass sich der Gesetzgeber bei der Normierung der auf den Schutz von nachbargemeind­lichen Interessen ausgerichtete Pflichten des (prozedural) rationalisierenden Wertes des abwägenden Entscheidungsmodus bewusst war, wenn sich das Handeln von Gemeinden auf die Nachbargemeinden auswirkt. Besonders dort, wo die Koordination und der Ausgleich konträrer Ziele und Interessen notwendig werden, hat Abwägung als Modus des Entscheidens eine lange Tradition im deutschen Öffentlichen Recht und kommt ubiquitär in der Rechtsordnung zur Anwendung921. Zugleich erkannte der Gesetzgeber, dass es ihm zum Schutz von Nachbargemeinden in praxi kaum gelingen wird, konkrete materielle Richtigkeitsmaßstäbe bei einer Vielzahl von involvierten gemeindenachbarlichen Interessen abstrakt-generell zu formulieren. Die Geltung einfachrechtlicher Abwägungspflichten beruht damit auf der – durchaus voraussetzungsvollen – Prämisse, dass der Gesetzgeber sachbereichsspezifische Abwägungsgebote implizit normierte. Diese Aussagen sind verallgemeinerungs-

921

Hoffmann-Riem, Methoden (Fn. 872), S. 35: „[D]er Gesetzgeber [wählt] ‚Abkürzungen‘; er regelt nicht stets alles neu, sondern verweist über den Text vielfach auf weitere im demokratischen Rechtsstaat zugelassene Faktoren der Rechtsanwendung, darunter auch auf weitere Elemente des ‚Rechtsstoffs‘. Dazu gehören zur Erschließung des Normtexts beitragende und damit seine Einbettung in das Normprogramm ermöglichende Prämissen. Zu nennen sind neben anderen, im Zuge systematischer Interpretation bedeutsamen, Rechtsnormen etwa entstehungs- und entwicklungsgeschichtliche Annahmen, teleologisch-systematische Einbindungen, zur Rechtsdogmatik sedimentierte Argumentationsmuster, aber auch normübergreifende philosophische, gesellschafts-, rechts- und staatstheoretische Konzepte“.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

289

fähig: Überall dort, wo der (Landes-)Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen gemeindenachbarlichen Interessen verlangt, weil sich das Handeln von Gemeinden auf die Interessen der Nachbargemeinden auswirkt, lassen sich die gesetzlichen Regelungen als die implizite Anordnung einer zwischengemeindlichen Abwägung auffassen. Die landesgesetzlichen Regelungen verlangen somit zweierlei: Erstens müssen die handelnden Gemeinden in allen Referenzgebieten unter bestimmten Voraussetzungen normativ-verbindlich eine abwägerische Entscheidung treffen, wenn ihr Handeln (potentiell) gemeindenachbarliche Belange tangiert. Zweitens müssen sie im Rahmen dieser Abwägung gerade auch nachbargemeindliche Belange und Ziele in die Abwägung einstellen. Es gilt somit ein zwischengemeindliches Abwägungsgebot. Die Berücksichtigungspflichten als die gemeinsame Basis der Referenzgebiete wirken auf zweifache Weise. Sie begründen einerseits wegen der Notwendigkeit der (zwischengemeindlichen) Interessenkoordination einen Eigenentscheidungsfreiraum von Gemeinden. Andererseits schreiben sie normativ-­ verbindlich die Abwägung vor und schränken dadurch den (definitiven) Eigenentscheidungsfreiraum der Gemeinden ein. Zum Teil modifizieren sie das notwendige Abwägungsmaterial922. Bei den Entscheidungen der Gemeinden über das „Ob“ und das „Wie“ ihres Tätigwerdens müssen die Gemeinden überhaupt die Ziele und Interessen gegeneinander und untereinander abwägen. Sie müssen in die Abwägung an Belangen einstellen, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsvorgang). Als Minimalanforderung stellen alle Referenzgebiete auch Anforderungen an das Entscheidungsergebnis. Dieses darf nicht so ausfallen, dass die Bedeutung der betroffenen nachbargemeindlichen Belange verkannt wird oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Nichts anderes ist zum Beispiel gemeint, wenn die nachbargemeindlichen Belange nicht unzumutbar betroffen sein dürfen, damit die Wirtschaftsbetätigung berechtigte nachbargemeindliche Interessen wahrt. Der Eigenentscheidungsfreiraum der handelnden Gemeinde erlaubt den Gemeinden jede nicht abwägungsfehlerhafte Entscheidung. Mit jeder abwägungsfehlerhaften Entscheidung überschreiten die Gemeinden die rechtlichen Grenzen des Erlaubten. Entscheidend für die zwischengemeindliche Abwägung und die Abwägungsfehlerfreiheit sind die Wertigkeit der involvierten gemeind­lichen Interessen, der Grad der Wahrscheinlichkeit, nach der das Handeln der einen Gemeinde die Interessen der Nachbargemeinden tangieren wird, sowie die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen nachbargemeindlichen Belange. Allerdings variieren der Grad der Wahrscheinlichkeit und die Schwere der Beeinträchtigung je nach Typ des gemeindlichen Handelns. Wird eine Gemeinde außerhalb ihres

922 Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 42, hält beiläufig eine gesetzliche Konkretisierung der abwägungsrelevanten Interessen wie hier für möglich.

290

Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Territoriums tätig, dringt sie sogar körperlich in fremdes Gemeindegebiet vor, spricht dies für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass nachbargemeindliche Interessen beeinträchtigt sein können. Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung im Bauplanungsrecht und der prognostizierte Kaufkraftabfluss verdeutlichen in der verwaltungsgerichtlichen Praxis, dass es für die zwischengemeindliche Abstimmung und in Parallele dazu für das Gebot zwischengemeindlicher Abwägung auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren ankommt. Die Leistungsfähigkeit des Abwägungsgebots liegt nicht so sehr in klar(er)en materiellen Maßstäben für das Überwiegen des einen oder des anderen Belangs, sondern in der analytischen Abschichtung und Offenlegung der gedanklichen Schritte. Welche Belange relevant sind, welches Gewicht ihnen zukommt und wie zwischen ihnen ein sachgerechter Ausgleich zu finden ist, beantwortet das Abwägungsgebot nicht in der Sache. Es gibt aber ein Verfahren dafür vor. Die als unterkomplex eingestufte (schlichte) Berücksichtigungspflicht taucht gedanklich verfeinert in dem Gebot zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung durch Abwägung wieder auf. Erst dadurch ergeben sich Anwendungsroutinen, welche die Pflichten der Gemeinden klarer hervortreten lassen. 4. Verwaltungsgerichtliche Kontrolle zwischengemeindlicher Abwägung Der Wert der Streitbewältigung durch das Konzept zwischengemeindlicher Abwägung für die betroffenen Nachbargemeinden hängt von zwei Bedingungen ab: Erstens ist das Konzept für die Nachbargemeinde nur dann von einem rechtspraktischen Wert, wenn die zwischengemeindliche Abwägung für die handelnde Gemeinde rechtsverbindlich ist. Zwischengemeindliche Abwägung darf nicht nur eine mögliche, unverbindliche Methode der gemeindlichen Entscheidungsfindung sein. Sehen gesetzliche Regelungen eine Art Einbeziehung- und Berücksichtigungspflicht nachbargemeindlicher Belange vor, ist die zwischengemeindliche Abwägung verbindlich. Ob es an einem wirksamen Instrument zur Bewältigung des Zwischengemeindestreits vollständig mangelt, wenn das Gesetzesrecht die zwischengemeindliche Abwägung nicht für verbindlich erklärt, soll im dritten Teil dieser Arbeit nachgegangen werden923. Möglicherweise sieht nicht das Gesetzesrecht, wohl aber das Verfassungsrecht eine Möglichkeit vor, den Konflikt zwischen Gemeinden durch zwischengemeindliche Abwägung zu regulieren. Zweitens ist die Verbindlichkeit der zwischengemeindlichen Abwägung als Instrument der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der rechtspraktisch wirksamen Bewältigung von zwischengemeindlichen Konfliktlagen. Für die Nachbargemeinde ist von entscheidender Bedeutung, ob sie die Einhaltung der rechtsverbindlichen zwischengemeindlichen 923

Eingehender unter 3. Teil B. I. 2. (S. 335 ff.).

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

291

Abwägung durch die handelnde Gemeinde erzwingen kann924. Im Vordergrund steht eine verwaltungsgerichtliche Erzwingbarkeit, obwohl auch andere Durchsetzungsinstrumente, etwa aufsichtlicher Art, für Nachbargemeinden bedeutsam sind. Nur dann, wenn die zwischengemeindliche Abwägung verwaltungsgerichtlich erzwingbar ist, ist sie für die Nachbargemeinden auf ihre eigene Initiative ein taugliches Instrument zur Sicherung ihrer Interessen und Zielvorstellungen gegenüber anderen Gemeinden. Gemeinden muss normativ die Rechtsdurchsetzungsmacht verliehen werden, d. h. ihnen muss ein Anspruch darauf zustehen, dass die andere Gemeinde die aus dem Abwägungsgebot folgenden Pflichten beachtet. In allen Referenzgebieten verleiht das Gesetzesrecht den betroffenen Gemeinden die Rechtsdurchsetzungsmacht, die jeweiligen Pflichten der handelnden Gemeinden einfordern zu können. Das Bauplanungsrecht, das Gemeindewirtschaftsrecht und das Sparkassenrecht verleihen den Nachbargemeinden Abwehr- und Unterlassungsansprüche. Aus diesem Grund haben Nachbargemeinden auch einen Anspruch auf eine zwischengemeindlich abwägungsfehlerfreie Entscheidung, wenn die wehrfähigen referentiellen Einzelpflichten zu einer zwischengemeindlichen Abwägungspflicht vereinheitlicht werden können. Voraussetzung für die gerichtliche Erzwingbarkeit ist zuerst die Kontrollierbarkeit störenden gemeindlichen Handelns. Mit der Kontrollierbarkeit gemeindlichen Handelns werden die Fragestellungen virulent, was (Kontrollgegenstand), woran (Existenz eines verwaltungsgerichtskontrollfähigen Maßstabs) und in welchem Umfang (verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte) Verwaltungsgerichte Verwaltungshandeln im Allgemeinen, gemeindliches Handeln im Besonderen überprüfen925. Normativer Ausgangspunkt für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle sind primär die unterschiedlichen verwaltungsprozessualen Regelungen (Kontrollermächtigungsnormen) für die Begründetheit eines verwaltungsgerichtlichen 924

Treffend Schmidt-Aßmann, Verfassungsschranken (Fn. 655), S. 1023: „Zum Recht gehören wirksame Mechanismen seiner Durchsetzung. Das gilt insbesondere dort, wo die Eigendynamik des betreffenden Sachbereichs dazu tendiert, Rechtsgrenzen zu verwischen oder zu überspielen.“ 925 Zentral (nicht nur) für die Einordnung der Kontrolle der zwischengemeindlichen Abwägung ist die Unterscheidung zwischen Kontrollmaßstab und Kontrolldichte, dazu und zur häufig anzutreffenden Konfusion M. Jestaedt, Verfassungsrecht und einfaches Recht, in: DVBl. 2001, S. 1309 (1314 ff.); auf die Unterscheidung greift zurück Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 192, 195, 202; zu Kontrollgegenstand und Kontrollmaßstab s. auch Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 19 ff.; K.-U.  Riese, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO  II (Fn.  872), Vorbm. § 113 (Juni 2017), Rn. 16 sowie Rn. 16 Fn. 101, hingegen meint, dass sich „[e]ine Differenzierung zwischen Kontrolldichte, Prüfungsumfang und maßgeblichem Zeitpunkt verbietet.“ Mit „Kontrolldichte“, so Riese, „ist die Vorgabe des richterlichen Prüfprogramms gemeint, die sich nicht nur auf die Tiefe, sondern auf den Umfang der Überprüfung ‚in der Breite‘ bezieht.“; bewusst offen K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts?, in: NJW-Beilage 2016, S. 41 (43): „Kontrolldichte ist kein Rechtsbegriff, sondern eine Umschreibung der Gesamtintensität des Zugriffs der Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen“; zur (kurzen) Begriffsgeschichte der Kontrolldichte Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 270 Rn. 284.

292

Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Rechtsbehelfs. In Zusammenschau mit den anderen Voraussetzungen für den verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelf bilden sie die Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinden ab. Die Verwaltungsgerichte überprüfen einerseits  – vorbehaltlich (echter) Kontrolldichtenreduktionen926  – die Einhaltung des rechtlichen Rahmens gemeindlichen Handelns. Sie überprüfen die Einhaltung der Fremdprogrammierung bzw. der heteronomen Determinanten. Andererseits setzen sie dann, wenn der Gemeinde nicht die Letztentscheidungsbefugnis normativ zugestanden wurde, kraft ihrer Letztentscheidungskompetenz ihre eigene Programmierung an die Stelle der Programmierung der handelnden Gemeinde. Entscheidend für die verwaltungsgerichtlich Kontrolle des rechtlich indeterminierten Bereichs gemeindlichen Handelns ist, welchem Rechtserzeuger die Letztkonkretisierungskompetenz oder die Letztentscheidungskompetenz (gleichbedeutend: -befugnis) über die Ausfüllung eines rechtlich zugewiesenen Eigenentscheidungsfreiraums durch das positive Recht zugewiesen ist927. Weil nach den Kontrollermächtigungsnormen der Ver 926

Von einer (echten) Kontrolldichtenreduktion ist auszugehen, wenn rechtliche (Kontroll-) Maßstäbe vorhanden sind, das Gericht die Rechtserzeugungsleistung der Verwaltung aber nicht vollumfänglich an diesen misst. Trotz erheblicher terminologischer und inhaltlicher Übereinstimmung verwendet den Ausdruck „Kontrolldichte“ von hier abweichend Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 197; nur von einer Reduktion der Kontrolldichte spricht, wenn rechtliche Maßstäbe vorhanden sind Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 89; von „echter“ Kontrolldichtenreduktion spricht Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 178, 210 ff., Zitat auf S. 210: „Konstellationen, in denen die heteronome Determinante nicht vollumfänglich geprüft wird“. Wird der Verwaltung durch eine Kontrolldichtenreduktion das letzte Wort bei der Einhaltung rechtlicher Maßstäbe zugestanden, kommt ihr die Letztentscheidungsbefugnis zu. Es kann auch dort einen administrativen Letztentscheidungsfreiraum geben, wo keine rechtlichen Maßstäbe bestehen und die Verwaltungsgerichte den Selbstprogrammierungsanteil der Verwaltung durch keinen eigenen ersetzen dürfen. Statt von einer Reduktion der Kontrolldichte zu sprechen, soll hier nur auf die Zuweisung der Letztentscheidungsbefugnis abgestellt werden, weil im selbstprogrammierten Bereich keine wirklichen Maßstäbe bestehen; die Maßstäbe sind vielmehr außerrechtlich und vielgestaltig. 927 Allein der (mitunter sogar bewusste) Verzicht des Gesetzgebers auf die heteronome Determination des Verwaltungshandelns genügt für die Zuweisung eines (partiell) verwaltungsgerichtlich kontrollfreien Ermessens-, Beurteilungs- oder planerischen Gestaltungsspielraums, allgemeiner allen anderen kontrollfreien, d. h. definitiven Eigenentscheidungsfreiräumen nicht. Ein gerichtskontrollfreier Bereich administrativen Handelns hängt von der normativen Ermächtigung zur Letztentscheidung (sog. normative Ermächtigungslehre) ab. Die Kernaussage der heute herrschenden normativen Ermächtigungslehre fasst zusammen Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 104 ff. Zum Ermessen: Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 13; ­Gerhardt (Fn. 872), § 114 (Mai 1997), Rn. 13 f., 16. Zum Beurteilungsspielraum: Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 27, 101; Gerhardt (Fn. 872), § 114 (Mai 1997), Rn. 55. Zur planerischen Gestaltungsfreiheit: Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 31. Die sog. normative Ermächtigungslehre findet anscheinend meist in der Diskussion um unbestimmte Rechtsbegriffe ihren angestammten Platz, ist darauf aber nicht beschränkt Riese (Fn. 925), Vorbm. § 113 Rn. 22; Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 103; bei M. Sachs, in: Stelkens / Bonk / ders., VwVfG (Fn. 90), § 40 Rn. 158 ff., spielt die normative Ermächtigungslehre in Gestalt der Beurteilungsermächtigung eine Rolle, er spricht aber auch bei den Ermessenstatbeständen von einer „Ermächtigung zu Ermessenentscheidungen“ im Gesetz Sachs (Fn. 927), § 40 Rn. 16, Zitat in Rn. 21; eine Parallele zwischen

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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waltungsgerichtsordnung und dem materiellen Recht die Befugnis zur Selbstprogrammierung von vornherein nicht exklusiv der Verwaltung oder den Gerichten zusteht, muss der Gesetzgeber im Kompetenzdreieck entscheiden, wer das letzte Wort bei der Ausfüllung der Freiräume haben soll, die sich in Folge nicht vollumfänglicher gesetzlicher Determinierung gemeindlichen Handelns eröffnen928. Entscheidend kommt es auf die „Verteilungsentscheidung des Gesetzgebers“929 an930. Die Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung heißt, dass die Kontrolle Beurteilungs­ermächtigungen, Ermessensermächtigungen und Ermächtigungen zum Planungsermessen zieht ebenfalls Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 27, 31; die normative Ermächtigungslehre zu Recht bezeichnet als „dogmatischen Kristallisationspunkt der verfassungsrechtlichen Voraussetzung für die Ausstattung der Verwaltung mit administrativen Letztentscheidungsbefugnissen“ ­Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 104. Konkret überträgt das Erfordernis der normativen Ermächtigung auf das Ermessen z. B. Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 11: „Im Letztentscheidungsrecht [im Original Fettsetzung statt Kursivierung, M. J.] der Verwaltung im Verhältnis zu den Gerichten liegt die praktische Bedeutung […] der Ermessenermächtigungen.“ Die normative Ermächtigungslehre kann für sämtliche definitive administrative Eigenentscheidungsfreiräume fruchtbar gemacht werden. Für eine „strikte und ausnahmslose Abhängigkeit einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis von der konkreten normativen Ermächtigung“ Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 36, sogar mit ausdrücklichem Rückverweis auf die sog. normative Ermächtigungslehre bei Beurteilungsspielräumen Rn. 56 Fn. 232. Für das Rechtsfolgenermessen anerkennen die VwGO und das VwVfG des Bundes das Erfordernis einer normativen Zuweisung einer Letztentscheidungskompetenz. So stellen § 40 VwVfG („Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln“) sowie § 114 S. 1 VwGO („Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln“) auf die normative Ermächtigung der Verwaltung zur Letztkonkretisierung (Ermessensermächtigung) ab. Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist die Verwaltung also zur letztverbindlichen Selbstprogrammierung innerhalb des Rahmens des rechtlich Zulässigen normativ ermächtigt, dann beschränkt sich die Verwaltungsgerichtskontrolle nach § 114 S. 1 VwGO auf die Einhaltung der Ermessensspielraumgrenzen (in der üblichen Nomenklatur: Ermessensfehler). Mit der Zuweisung der Letztkonkretisierungsbefugnis verbleibt es bei der grundsätzlichen reinen Rechtskontrolle der Verwaltung im Sinne der Überprüfung der Einhaltung des rechtlichen Rahmens M. Knauff, in: Gärditz, VwGO (Fn. 277), § 114 Rn. 20. 928 Von der Zuweisung bestimmter Selbstprogrammierungsanteile an die Verwaltung im Verhältnis zum Gesetzgeber muss daher die Einräumung von Eigenentscheidungsfreiräumen der Verwaltung im Verhältnis zur Rspr. unterschieden werden. Weist der Gesetzgeber der Verwaltung Eigenentscheidungsspielräume zu, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie der Verwaltung im Verhältnis zur Rspr. (letztverbindlich) zustehen. Es kann daher sein, dass die Verwaltung zwar im Verhältnis zum Gesetzgeber einen Spielraum bei ihrer Entscheidung hat, jedoch über die Ausfüllung nicht die Verwaltung letztverbindlich entscheidet, sondern die Rspr. Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 33, schlägt die Differenzierung von administrativen Entscheidungsfreiräumen mit und ohne Letztentscheidungsbefugnis, gemeint ist die Letztentscheidungsbefugnis nicht nur im Verhältnis zum Gesetzgeber, sondern auch zur Rspr., vor. 929 Wendel, Verwaltungsermessen (Fn. 866), S. 31. 930 Stellvertretend aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum Riese (Fn. 925), Vorbm. § 113 Rn. 22 f.; aus dem verfassungsrechtlichen Schrifttum Schmidt-Aßmann (Fn. 289), Art. 19 Abs. 4 Rn. 186 ff.; monographisch Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 89 ff.; auch die Rspr. von BVerfG und BVerwG verlangen eine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung BVerfG, Beschl. v. 08. 07. 1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (111, 114 f.); aus neuerer Zeit BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

(oder: Ersetzung) der Selbstprogrammierungsanteile der Verwaltung durch die Gerichte zurückgenommen ist, den Gerichten folglich (partiell) die Kompetenz für die Letztentscheidung fehlt931. Ist der Verwaltung die Letztentscheidungsbefugnis normativ zugestanden, nimmt das Gericht nur noch eine Rechtskontrolle vor, d. h. eine Überprüfung am Maßstab der heteronomen Determinanten. Maßgeblich für einen (partiell) kontrollfreien Spielraum der Verwaltung ist, ob die Verwaltung im Verhältnis zum Gesetzgeber und zur Rechtsprechung zur Letztentscheidung befugt ist. Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Verwaltungshandeln muss daher als ein „dreipoliges Kompetenzproblem zwischen Justiz, Exekutive und Verwaltung [Kursivierung auch im Original, M. J.]“932 verstanden werden. Von der Frage der gesetzlichen Zuweisung einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis zu trennen ist, ob es verfassungsrechtliche Grenzen für die Zuweisung einer Letztkonkretisierungsbefugnis an die Verwaltung gibt933. Qua normativer Anordnung in allen Referenzgebieten ist die Abwägung die verbindliche Methode der Rechtserzeugung. Die normativ-verbindliche Anordnung des Abwägungsgebots wirkt auf den Rahmen zulässigen gemeindlichen Verhaltens zurück. Der Rahmen zulässigen gemeindlichen Handelns verringert sich, weil die Entscheidung der Gemeinde auf eine bestimmte Art und Weise, unter Beachtung bestimmter Aspekte und gegebenenfalls – je nach konkreter Ausgestaltung des zwischengemeindlichen Abwägungsgebots – mit einem bestimmten Ergebnis oder eher unter Vermeidung eines bestimmten Ergebnisses erfolgen muss. Wegen ihrer Normierung ist die Einhaltung des zwischengemeindlichen Abwägungsgebots eine Bedingung der Rechtserzeugung. Die Einhaltung des Abwägungsgebots ist vorbehaltlich etwaiger (echter) Kontrolldichtenreduktionen der uneingeschränkten Rechtskontrolle durch die Verwaltungsgerichte zugänglich934. 129, 1 (1 Ls. 2, 22 f.); jüngst BVerfG, Beschl. v. 23. 10. 2018 – 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14, BVerfGE 149, 407 (413 Rn. 17, 415 Rn. 23, 420 Rn. 34), in dem das Gericht den administrativen Beurteilungsspielraum von einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle wegen eines sog. strukturellen tatsächlichen Erkenntnisdefizits abgrenzt und eigenständige Zulässigkeitskriterien formuliert, ebd., S. 53 Rn. 17, 54 f. Rn. 23 ff.; konkret zur Abgrenzung zwischen beiden Arten von gerichtlichen Kontrollfreistellungen M. Eichberger, Gerichtliche Kontrolldichte, naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative und Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis, in: NVwZ 2019, S. 1560 (1561 ff., 1563 f.); BVerwG, Urt. v. 25. 11. 1993 – 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307 (309 ff.); BVerwG, Urt. v. 22. 09. 2016 – 4 C 2/16, BVerwGE 156, 148 (153 ff. Rn. 22 ff.). 931 Auf den Punkt gebracht von Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 21: „In Frageform gekleidet: Wem steht die Kompetenz zur Letztkonkretisierung und -individualisierung zu?“. 932 Schmidt-Aßmann (Fn. 289), Art. 19 Abs. 4 Rn. 180; jüngst Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 91; Wendel, Verwaltungsermessen (Fn. 866), S. 27. 933 Zutreffend differenziert Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 107, zwischen „den Sachgründen für die Einräumung von Letztentscheidungsbefugnissen, deren einfachrechtlichen Erkennungsmerkmalen und den Voraussetzungen für deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit.“ 934 Zutreffend weist Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 81 f., darauf hin, dass die Reichweite gerichtlicher Kontrollmacht (auch) davon abhängt, welche „präskriptiven Vorgaben über Gesolltes und Gedurftes zum Recht [Kursivierung nicht im Original, M. J.] gehören und insofern an der Qualität von Rechtsnormen teilhaben. Was sind rechtliche Maß-

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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Für die Rechtskontrolle von Entscheidungen der Gemeinden durch die Verwaltungsgerichte ist daher entscheidend, was das zwischengemeindliche Abwägungsgebot inhaltlich von den Gemeinden verlangt und in welchem Umfang das Abwägungsgebot das gemeindliche Handeln konkret fremdprogrammiert. Das bauleitplanerische Abwägungs- und Abstimmungsgebot sowie das hier grundgelegte zwischengemeindliche Abwägungsgebot stimmen in ihrer Grundstruktur überein: Verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist zuvörderst eine Abwägungs(fehler)­ kontrolle935. Das zwischengemeindliche Abwägungsgebot verlangt: – Erstens, dass die Abwägung überhaupt stattfindet, – die Gemeinde zweitens in die Abwägung an gemeindenachbarlichen Belangen einstellt, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. – Weil alle untersuchten Referenzgebiete verlangen, dass nachbargemeindliche Interessen „gewahrt“ sind oder Zweigstellen nur bei dem Vorliegen „besonderer Umstände“ eröffnet werden dürfen, stellen die gesetzlichen Regelungen in den Referenzgebieten zugleich eingeschränkte inhaltliche Anforderungen an das Handeln der Gemeinden und das Entscheidungsergebnis. Nachbargemeindliche Interessen sind zum Beispiel dann nicht mehr gewahrt, wenn eine Entscheidung rücksichtslos ist oder sie nachbargemeindliche Belange unzumutbar beeinträchtigt. Aus diesem Grund stellt auch das die Einzelanforderungen der Referenzgebiete zusammenfassende zwischengemeindliche Abwägungsgebot vergleichbare Anforderungen an das Abwägungsergebnis. Mit der Formulierung bestimmter Anforderungen, denen das Abwägungsergebnis genügen muss, entzieht der jeweilige Gesetzgeber das Abwägungsergebnis partiell dem autonom determinierten Bereich. Die Gemeinde darf daher drittens weder die Bedeutung der betroffenen gemeindenachbarlichen Belange verkennen noch darf sie den Ausgleich zwischen den gemeindenachbarlichen Belangen in einer Weise vornehmen, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Das Handeln der Gemeinde ist dann abwägungsdisproportional und damit abwägungsfehlerhaft. Das bauleitplanerische Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB modifiziert teilweise das Abwägungsmaterial und beschränkt die abstimmungserheblichen Belange auf städtebauliche Belange der Nachbargemeinden. Wo Normen nicht die abwägungserheblichen Belange einschränken, muss die handelnde Gestäbe und wie weit bestehen (‚nur‘) außerrechtliche?“; die so verstandene Rechtskontrolle findet, soweit rechtliche Maßstäbe vorhanden sind und nicht ausnahmsweise eine Reduktion der Kontrolldichte normativ angeordnet ist, zu 100 Prozent statt Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 39 Fn. 154; zu einer möglichen Kontrolldichtenreduktion durch die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214 f. BauGB für das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung eingehend s. Fn. 460. 935 Generalisierend für eine allgemeine Abwägungskontrolle, welche die verwaltungsgerichtliche Kontrolle sowohl des Verwaltungsermessens, des Planungsermessens als auch der Beurteilungsspielräume betrifft Gerhardt (Fn. 872), § 114 (Mai 1997), Rn. 3.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

meinde alle Interessen, die den (Nachbar-)Gemeinden normativ zugeordnet wurden, in die Abwägung einbeziehen. Die Gemeinde überschreitet die durch das Abwägungsgebot gezogenen rechtlichen Grenzen, wenn sie zwischengemeindlich abwägungsfehlerhaft handelt. Die rechtlich relevanten Abwägungsfehler beschreiben den rechtlichen Korridor, in dem die Gemeinde mit Auswirkungen auf Nachbargemeinden aktiv werden darf. Mit Ausnahme partieller Kontrolldichten­ reduktionen (etwa durch die §§ 214 f. BauGB für § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB) hat der Gesetzgeber keine weiteren Reduktionen der Kontrolldichte normativ angeordnet936. Die verwaltungsgerichtliche zwischengemeindliche Abwägungsfehlerkontrolle erfolgt vollumfänglich. Darüber hinaus unterliegt im Grundsatz auch der rechtlich selbstprogrammierte Bereich des gemeindlichen Handelns einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, denn Eigenentscheidungsfreiräume der Gemeinde sind nur ausnahmsweise auch definitive937. Die Gerichte sind zur Ersetzung der gemeindlichen Programmierung durch eine eigene befugt, es sei denn, der jeweilige Gesetzgeber hat die gemeindliche Entscheidung durch die Zuweisung einer Letztentscheidungsbefugnis (partiell) kontrollfrei gestellt938. 936

Zur Reduktion der Kontrolldichte durch die §§ 214 f. BauGB zutreffend Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 212. – Zur Auseinandersetzung, ob die §§ 214 f. BauGB überhaupt für das Abstimmungsgebot gelten ausführlich Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 173 ff.; eingehende Auseinandersetzung s. Fn. 460. 937 Ob die Aussage auch für die gemeindlichen Selbstprogrammierungsfreiräume bei der Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben Bestand haben kann, steht an dieser Stelle der Untersuchung noch nicht zur Entscheidung an. 938 Zwei Schwierigkeiten mit der Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen und Kontrolldichtenreduktionen sollen im Fortgang der Untersuchung nur peripher thematisiert werden: Erstens sind die Kontrolldichtenreduktion und die Zuweisung einer Letztentscheidungsbefugnis rechtfertigungsbedürftig? Und wenn ja, wovor müssen sie sich rechtfertigen? Zweitens ist es der jeweilige Bundes- oder Landesgesetzgeber, der die Verwaltung zur Letztentscheidung normativ ermächtigt oder die Kontrolle anhand rechtlicher Maßstäbe normativ reduziert. Er entzieht in beiden Fällen das Handeln der Verwaltung der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. Fällt die Regelung einer Sachmaterie in die Kompetenz des Landesgesetzgebers (z. B. Schulrecht, Gemeindewirtschaftsrecht etc.), ist dann auch der entsprechende Landesgesetzgeber zur Regelung verwaltungsprozessualer Fragen befugt, indem er den Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzieht? Oder sind die Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen und die Kontrolldichtenreduktion verwaltungsprozessuale Fragen, die in den Kompetenzbereich des Bundes fallen? Sowohl Kontrolldichtenreduktionen anhand rechtlicher Maßstäbe als auch die Zuweisung einer Letztentscheidungsbefugnis bezüglich von Selbstprogrammierungsanteilen sind rechtfertigungsbedürftig Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 37. Für die Einräumung von administrativen Letztentscheidungskompetenzen bestehen verfassungsrechtliche Grenzen Riese (Fn. 925), Vorbm. § 113 Rn. 22. Für die Grenzen und die Rechtfertigungsbedürftigkeit muss es zuerst Maßstäbe geben, anhand derer beide zu messen sind, monographisch zu den verfassungsrechtlichen Determinanten administrativer Letztentscheidungsbefugnisse Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 145 ff. Ermessen und Beurteilungsspielräume werden zumeist als rechtfertigungsbedürftige Einschränkungen des Art. 19 IV GG thematisiert, stellvertretend Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 7 Rn. 34, Rn. 57. Allein das Fehlen rechtlicher

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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Maßstäbe ist, weil Art. 19 IV GG bestehende Rechte voraussetzt, kein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff. Art. 19 IV GG ist, wie Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 38, formuliert „tatbestandlich nicht einschlägig“; zustimmend Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 83; jüngst mit eingehender Begründung Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 147 ff., 158 f.; anders dagegen stellvertretend wohl (noch) Schenke (Fn. 870), Art. 19 IV (August 2009), Rn. 491 f., relativierend Rn. 508, der die Einräumung von Rechtsfolgenermessen, Tatbestandsermessen und Planungsermessen jedenfalls bis zur Aktualisierung 2020 als vor Art. 19 IV GG rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte einstufte; klarere Töne stimmt er an in Schenke (Fn. 859), Art. 19 IV (September 2020), Rn. 572 (Zitat dort), 577: „In all diesen Fällen geht es bei näherer Hinsicht nicht um Einschränkungen der verfassungsgesetzlichen Rechtsschutzgarantie, sondern um eine Begrenzung der gesetz­lichen Vorgaben für die Verwaltung, die nicht an Art. 19 Abs. 4 GG, sondern am materiellen Recht und hier insbesondere an den materiellen Grundrechten zu messen ist [im Original Fettsetzung statt Kursivierung, M. J.].“; zumindest in diese Richtung, dass Art. 19 IV GG sich zur Verfassungsmäßigkeit der Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen nicht verhält das BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 (21 f.): „Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt nicht aus, dass durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie die Tatbestandswirkung von Exekutivakten die Durchführung der Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken. Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiellrechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt [scil. Nachweise ausgelassen, M. J.]“. Legt man Art. 19 IV GG erweiternd aus und erstreckt die gerichtliche Kontrolle wie hier grds. auch auf die autonom determinierten Teile administrativen Handelns, dann stellt die normative Letztentscheidungsbefugnis konsequenterweise auch eine Einschränkung des Art. 19 IV GG dar; in diesem Sinne wohl M. Ibler, Rechtspflegender Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, 1999, S. 167 ff.; knapp zur Erweiterung des Art. 19 IV GG auch Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 38 f., wobei er selbst Art. 19 IV GG nicht als Maßstab heranzieht. Dagegen ist die Reduktion der Kontrolle am Maßstab des Rechts dann, soweit rechtliche Maßstäbe vorhanden sind, an Art. 19 IV GG zu messen; anders Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 207, mit Verweis auf Jestaedt, wobei er wohl eher meint, dass Art. 19 IV GG dann nicht eingreift, wenn keine rechtlichen Maßstäbe vorhanden sind. Mehr spricht dafür, dass in dieser Situation die Reduktion der Kontrolldichte an Art. 19 IV GG zu messen ist. Jedenfalls scheitert die Anwendung von Art. 19 IV GG nicht daran, dass Art. 19 IV GG tatbestandlich nicht einschlägig ist. Problematisch für den zwischengemeindlichen Bereich ist, ob sich Gemeinden überhaupt auf Art. 19 IV GG berufen können, dazu etwa Schenke (Fn. 859), Art. 19 IV (September 2020), Rn. 216, der auch Gemeinden als Träger der Rechtsschutzgarantie einordnet, weil ihnen vermittelt durch Art. 28 II 1 GG eine besonders geschützte verfassungsrechtliche Rechtsstellung zustehe; gegen die gemeindliche Trägerschaft der Rechtsschutzgarantie etwa H. Bethge, Aktuelle Aspekte der Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Die Verwaltung 15 (1982), S. 205 (214 ff.); Schmidt-­ Aßmann (Fn. 289), Art. 19 Abs. 4 Rn. 44; Schulze-Fielitz (Fn. 289), Art. 19 IV Rn. 83. Davon abgesehen, ist nicht ganz klar, ob sich die betroffene Gemeinde auch dann auf Art. 19 IV GG berufen kann, wenn es sich um einen zwischengemeindlichen Streit handelt. Es ist dann im konkreten Streitfall zweifelhaft, ob die Gemeinden sich untereinander überhaupt auf Art. 28 II 1 GG berufen können (zwischengemeindliche Dimension des Art. 28 II 1 GG). In Ermangelung einer zwischengemeindlichen Dimension könnte die handelnde Gemeinde einerseits nicht die verpflichtete „öffentliche Gewalt“ i. S. d. Art. 19 IV GG sein, weil sie nicht an das Recht, das die betroffene Gemeinde geltend macht, gebunden ist Schulze-Fielitz (Fn. 289), Art. 19 IV Rn. 74, andererseits könnte es spiegelbildlich dazu an einem Recht i. S. d. Art. 19 IV GG fehlen, das überhaupt verletzt sein könnte, weil sich die betroffene Gemeinde jedenfalls im Verhältnis zur

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Trotz eines einheitlichen Instruments der zwischengemeindlichen Abwägung ist jedes Referenzgebiet für sich betrachtet auf die normative Zuweisung gemeindlicher Letztentscheidungsbefugnisse zu untersuchen. Weil das zwischengemeindliche Abwägungsgebot nur die Zusammenfassung der gemeindlichen (Einzel-) Pflichten ist, die allen Referenzgebieten gemeinsam sind, muss für die Analyse einer Letztentscheidungsbefugnis auf die konkreten Normierungen in den Refehandelnden Gemeinde und damit der öffentlichen Gewalt i. S. d. Art. 19 IV GG nicht auf Art. 28 II 1 GG als allein mögliches Recht berufen kann. Art. 19 IV GG stellt auf die konkrete (gegenwärtige)  Rechtsverletzung oder Rechtsgefährdung durch die öffentliche Gewalt ab Schulze-­ Fielitz (Fn. 289), Art. 19 IV Rn. 74, die ausgeschlossen ist, wenn sich eine Gemeinde im Verhältnis zu einer anderen Gemeinde schon nicht auf Art. 28 II 1 GG berufen kann. In diesem Fall könnte die eine Gemeinde das Selbstverwaltungsrecht der anderen Gemeinde nicht rechtswidrig beeinträchtigen und damit verletzen i. S. d. Art. 19 IV GG. Aus diesem Grund soll die Einschlägigkeit von Art. 19 IV GG offenbleiben. Ob Art. 19 IV GG bspw. im Verhältnis zum Landesgesetzgeber eingreift, mag anders zu beurteilen sein. Mehr spricht dafür, dass sich das Recht auf effektiven Rechtsschutz unmittelbar aus Art. 28 II 1 GG ergibt, eingehend Bethge, Aspekte (Fn. 938), S. 215 ff. Eine Grenze für die normativen Zuweisungen von Letztentscheidungskompetenzen an die Verwaltung könnte sich, so Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 39, aus den Verfahrensanforderungen der materiellen Grundrechtsverbürgungen ergeben; eingehend zu diesen Grenzen der Zuweisung administrativer Letztentscheidungsbefugnisse Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 160 ff. Dieses Argument verfängt allerdings nur im klassischen Staat-Bürger-Verhältnis und vermag wegen der überwiegend vertretenen fehlenden Grundrechtsberechtigung von Gemeinden, stellvertretend BVerfG, Beschl. v.  08. 07. 1982  – 2  BvR  1187/80, BVerfGE 61, 82 (100 ff.); zustimmend H. Dreier, in: ders., GG  I (Fn. 289), Art. 19 III Rn. 65 f., nicht im zwischengemeindlichen Verhältnis eine tragfähige Antwort auf die Frage bieten, ob es im zwischengemeindlichen Bereich Grenzen der Zuweisung einer Letztentscheidungsbefugnis gibt. Eine Grenze ergibt sich unmittelbar aus Art. 28 II 1 GG selbst (dazu der 3. Teil der Untersuchung): Art. 28 II 1 GG kann in vielfältiger Weise wirken. Er beschränkt aus Sicht der betroffenen Gemeinde den verfassungsrechtlich zulässigen Umfang der Letztentscheidungsbefugnis der handelnden Gemeinde. Er fordert zugleich aus Sicht der handelnden Gemeinde Letztentscheidungsermächtigungen. Zudem verleiht Art. 28 II 1 GG den Gemeinden unabhängig von Art. 19 IV GG eine Rechtsdurchsetzungsgarantie Sachs (Fn. 289), Art. 19 Rn. 127. Auf die zweite Frage, wem überhaupt die Kompetenz zur Kontrolldichtenreduktion und zur Zuweisung einer Letztentscheidungsbefugnis zukommt, geht Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 34, nicht explizit ein. Er geht wie selbstverständlich davon aus, dass das „Ob und das Maß administrativer Befugnisse zur (Letzt-)Konkretisierung und (Letzt-)Individualisierung“ dem „Gesetz – respektive [der] von der Verwaltung zu vollziehende[n] Norm (des unionalen Primär- oder Sekundärrechts, des Verfassungsrechts usf.) – selbst“ zu entnehmen seien. Das kompetentielle Problem, dass nach Art. 72 I, 74 I Nr. 1 Var. 4 GG der Bund die konkurrierende Gesetzgebung für das gerichtliche Verfahren hat, spricht er nicht an. Es ergeben sich sodann zwei prinzipielle Fragen: Erstens wäre zu klären, ob die Zuweisung von Letztkonkretisierungsbefugnissen überhaupt Gegenstände des „gerichtlichen Verfahrens“ betreffen, nur sehr knapp zum Inhalt des Wortes „gerichtliches Verfahren“ in Art. 74 I GG F. Wittreck, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Art. 74 Rn. 23, oder ob es sich vielmehr um eine materielle Frage handelt, die nicht unter den Kompetenztitel fällt. Zweitens wäre klärungsbedürftig, wenn die Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen als Frage des „gerichtlichen Verfahrens“ einzuordnen sein sollte, ob der Bundesgesetzgeber durch die Regelungen der VwGO umfassend von dem Kompetenztitel Gebrauch gemacht hat und die Sperrwirkung des Art. 72 I GG eingetreten ist, zur Sperrwirkung F. Wittreck, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Art. 72 Rn. 25 ff., sowie F. Wittreck, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Vorbm. zu Art. 70–74 Rn. 53.

B. Zwischengemeindliches Abwägungsgebot

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renzgebieten abgestellt werden. Im Bauplanungsrecht hat der Gesetzgeber durch die Zuweisung eines Planungsauftrags an die Gemeinden normativ die planende Gemeinde dazu ermächtigt, letztverbindlich über die selbstprogrammierte Ausfüllung ihres Planungsauftrags zu entscheiden. Das Baugesetzbuch spricht den Gemeinden die Befugnis zu, selbstständig und nach ihren Vorstellungen ihr Gemeindegebiet zu überplanen und dabei das letzte Wort zu haben939. Das gilt auch für die Auswirkungen ihrer Planungen auf die Nachbargemeinden. Im Bauplanungsrecht kommt der planenden Gemeinde bezogen auf das konkrete Planungsergebnis die (partielle) Letztentscheidungsbefugnis zu. Die Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte ist wegen der (partiellen) Zuweisung der Letztentscheidungsbefugnis im Bauplanungsrecht auf die Rechtsfehlerkontrolle in Gestalt der Abwägungsfehlerkontrolle beschränkt940. Die anderen untersuchten Referenzgebiete sind demgegenüber weniger eindeutig. Keine Regelung in den Referenzgebieten enthält ausdrückliche Hinweise auf eine Letztentscheidungsermächtigung von Gemeinden. Die Auslegung der Normen in den Referenzgebieten erfolgt anhand bestimmter Indizien, welche auf den Normerzeugerwillen hindeuten. Ein erstes Indiz, das gegen eine Kontrollfreistellung spricht, mag die Konfliktträchtigkeit eines gemeindlichen Betätigungsfelds sein: Ermächtigt eine gesetzliche Regelung die handelnde Gemeinde dazu, sich auf ihrem eigenen Gemeindegebiet zu betätigen und rechnet der Gesetzgeber allenfalls mit leichten faktischen Beeinträchtigungen oder knüpft eine Regelung daran an, dass eine Gemeinde auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde tätig werden darf? Rechnet der Gesetzgeber mit zwischengemeindlichen Konflikten, spricht diese Erwartung gegen die Annahme einer Letztentscheidungskompetenz der handelnden Gemeinde und eher für die Zuweisung des Streitentscheids an eine neutrale Instanz, etwa für eine Zuweisung an die Verwaltungsgerichte. Hat der Gesetzgeber eine Aufgabe aufgegriffen, die der Gemeinde verfassungsunmittelbar zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen ist, weil es sich um eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG handelt, dann spricht dies aus der Perspektive der handelnden Gemeinden für ihre (partielle) Letztentscheidungsbefugnis. Eine verfassungsorientierte Auslegung der Normen der Referenzgebiete sowie aller anderen Normen, die zwischengemeindliche Konflikte zum Regelungsgegenstand haben, spricht dafür, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich abgesicherten Rechte der handelnden Gemeinden auch im Verhältnis zur Judikative zur Geltung bringen wollte941. Überschreitet die handelnde Gemeinde 939

Das Bauplanungsrecht dürfte der eindeutigste Fall sein, stellvertretend Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 1637. 940 Stüer, Handbuch (Fn. 49), Rn. 1672 ff., wobei freilich eine Vielzahl materiell-rechtlicher Vorgaben – auch der Abwägung – z. B. in der Gestalt von Optimierungsgeboten, Abwägungsgeboten etc. zu berücksichtigen sind. 941 Als Argument für die Zuweisung einer Letztentscheidungsermächtigung – terminologisch freilich abweichend von hier – zieht Aschke (Fn. 859), § 40 Rn. 32, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie heran. – Wie noch im 3. Teil zu zeigen sein wird, wirkt Art. 28 II 1 GG auf das zwischengemeindliche Verhältnis auf dreifache Weise ein: Art. 28 II 1 GG erhebt erstens

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

ihren ihr verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabenbestand (gegebenenfalls kraft gesetzlicher Gestattung), spricht dies eher für eine Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte. Weil die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden erheblich und prognostisch wahrscheinlich sind, spricht dies aus der Perspektive der betroffenen Gemeinden dafür, dass die Verwaltungsgerichte die Interessenkoordination im zwischengemeindlichen Verhältnis als neutrale Dritte vornehmen sollen. Es kommt dafür nicht darauf an, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im zwischen­ gemeindlichen Verhältnis überhaupt Wirkung entfaltet. Jedenfalls der Gesetzgeber ist unmittelbar an das verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsrecht sowohl der handelnden Gemeinden als auch der Nachbargemeinden gebunden. Sowohl das Selbstverwaltungsrecht der handelnden Gemeinden als auch das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinden sprechen mal für, mal gegen eine Letztkonkretisierungsbefugnis. Es lässt sich daher allenfalls folgende Je-Desto-Formel aufstellen: Je stärker der Bezug der gemeindlichen Handlung zur Wahrnehmung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, desto eher ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber von einer Letztkonkretisierungsbefugnis der handelnden Gemeinden ausging. Je schwerwiegender und wahrscheinlicher im jeweiligen Referenzgebiet dagegen die Beeinträchtigung nachbargemeindlicher Interessen ist und je tiefer sich die handelnden Gemeinden in das Gebiet und den Aufgabenbestand der Nachbargemeinden begeben, desto eher kommt den Verwaltungsgerichten die Letztentscheidungsbefugnis zu. Hat der jeweilige Gesetzgeber den handelnden Gemeinden einfachrechtlich bestimmte Handlungsfelder eröffnet, die den verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabenbestand der Gemeinden übersteigen und wirkt sich das Handeln der Gemeinden potentiell negativ auf die Nachbargemeinden aus oder werden die handelnden Gemeinden sogar kraft einfachrechtlicher Zuständigkeits- und Kompetenzzuweisung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde tätig, so spricht dies dafür, dass der Gesetzgeber in dieser zwischengemeindlich wegen ihrer fehlenden zwischengemeindlichen Zielrichtung und Horizontalwirkung die zwischengemeindliche Abwägung nicht verfassungsunmittelbar zur verbindlichen Methode der gemeindlichen Rechtserzeugung. Zweitens begrenzt aus Sicht der betroffenen Nachbargemeinden Art. 28 II 1 GG den Gesetzgeber, den handelnden Gemeinden Letztkonkretisierungs­ befugnisse zuzugestehen. Aus Sicht der handelnden Gemeinden trifft Art. 28 II 1 GG dagegen Aussagen dazu, ob ihnen im gewissen Umfang Letztentscheidungsbefugnissen legislativ zugestanden werden müssen oder ihnen nicht genommen werden dürfen. Die Wirkung auf die Zuweisung und die Grenzen einer Letztentscheidungsbefugnis betreffen das durch Art. 28 II 1 GG begründete Rechtsverhältnis zwischen dem Gesetzgeber und den Gemeinden. Auch dort mag Art. 28 II 1 GG bestimmte Pflichten des Gesetzgebers, etwa zum Schutz der Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden vor dem Handeln anderer Gemeinden begründen. Ferner müssen zwei Ebenen auseinandergehalten werden: Auf der einen Ebene geht es um die Auslegung des einfachen Rechts. Bei der Auslegung des einfachen Rechts mag das Verfassungsrecht eine Rolle spielen, weil davon auszugehen ist, dass der jeweilige Gesetzgeber die ihm durch das Verfassungsrecht gezogenen Grenzen einhalten wollte. Auf der anderen Ebene geht es darum, ob eine einfachrechtliche Letztentscheidungsermächtigung, so wie sie das Gesetzesrecht vorsieht, die durch das Verfassungsrecht gezogenen Grenzen einhält; zu der hier als verfassungsorientierten Auslegung bezeichneten Berücksichtigung von Verfassungsrecht bei der Normerkenntnis eingehend Fn. 704.

C. Resümee

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konfliktträchtigen Situation von einer gemeindlichen Letztkonkretisierungsbefugnis absehen wollte. Allerdings handelt es sich hierbei um schwer zu handhabende Kriterien, die allenfalls eine Tendenz aufzuzeigen vermögen. Die Verbindlichstellung der Abwägung als Modus der Entscheidungsfindung hat in der Regel auch Auswirkungen darauf, wem letztverbindlich der Eigenentscheidungsfreiraum zustehen soll. Mit der Zuweisung eines Planungsauftrags und der Verpflichtung zur abwägerischen Entscheidungsfindung trifft der Gesetzgeber häufig zugleich auch eine Verteilungsentscheidung zwischen der Judikative und der Exekutive. Wo der jeweilige Gesetzgeber die handelnden Gemeinden an das zwischengemeindliche Abwägungsgebot bindet, gilt für die normative Zuweisung einer Letztkonkretisierungsbefugnis an handelnde Gemeinden: Das zwischengemeindliche Abwägungsgebot ist nicht nur Erkennungszeichen für das Bestehen von Eigenentscheidungsfreiräumen der handelnden Gemeinden. Es ist zugleich der normative Hinweis darauf, dass nach dem Willen des jeweiligen Gesetzgebers die Gemeinden dann, wenn sie die inhaltlichen Anforderungen einhalten, die das zwischengemeindliche Abwägungsgebot an ihr Handeln stellt, letztverbindlich über ihr Handeln entscheiden können sollen. Halten sich die Gemeinden an die Vorgaben des zwischengemeindlichen Abwägungsgebots, ist es nicht die Aufgabe der Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ob eine andere gemeindliche Entscheidung den nachbargemeindlichen Belangen besser gerecht wird. Das Abwägungsergebnis wollte der jeweilige Gesetzgeber mit Ausnahme solcher Beeinträchtigungen, die sich unzumutbar auf die Nachbargemeinden auswirken, verwaltungsgerichtlich durch die Zuweisung der Letztkonkretisierungsbefugnis kontrollfrei stellen. Wesensmerkmal einer Abwägungsentscheidung ist, dass diese immer mehr als nur eine zulässige Alternative zulässt. Den Gemeinden obliegt die Koordination konträrer gemeindenachbarlicher Interessen942. Diese Interessenkoordination unterliegt insoweit nur einer zwischengemeindlichen verwaltungsgerichtlichen Abwägungs(fehler)kontrolle.

C. Resümee Jedes Referenzgebiet enthält Regelungen, die auf einen zwischengemeindlichen Konflikt reagieren. Der zwischengemeindliche Konflikt entsteht unter verallgemeinerungsfähigen Bedingungen und weist typische Erscheinungsformen auf. Die einzelnen Regelungen in den Referenzgebieten werfen schwierige Einzelfragen auf. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass zwischengemeindliche Konfliktbewältigung im Mindestmaß durch zwischengemeindliche Abwägung erfolgt. Die zwischengemeindliche Abwägung ist normativ verbindlich angeordnet, wenn Einbeziehungs-, 942

Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 52, ordnet als ein Indiz für das Bestehen (partieller) administrativer Letztkonkretisierungsbefugnis ein, wenn konträre, auf Abwägung in politischadministrativer Verantwortung angelegte Zielvorgaben, die ggf. Aspekte der Planung und Bewirtschaftung einschließen, zu einem Ausgleich gebracht werden müssen.

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Zweiter Teil: Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung 

Berücksichtigungs-, Abwägungspflichten oder dergleichen normiert sind. Ist dies der Fall, so muss die handelnde Gemeinde den nachbargemeindlichen Belangen durch zwischengemeindliche Abwägung Rechnung tragen. Die Nachbargemeinden haben gegenüber den handelnden Gemeinden einen Anspruch darauf, dass diese ihre Entscheidung zwischengemeindlich abwägungsfehlerfrei treffen. Ist die zwischengemeindliche Abwägung für die handelnden Gemeinden verbindlich, unterliegen die Gemeinden in dieser Hinsicht einer vollständigen Rechtskontrolle. Die Entscheidung der Gemeinden ist durch die Verwaltungsgerichte auf die zwischengemeindliche Abwägungsfehlerfreiheit überprüfbar. Die Nachbargemeinde kann die Abwägungsfehlerfreiheit vom Verwaltungsgericht überprüfen lassen, da sie einen Anspruch auf zwischengemeindliche Abwägungsfehlerfreiheit hat. Die Verwaltungsgerichte sind allerdings auf die Überprüfung der zwischengemeindlichen Abwägungsfehlerfreiheit beschränkt. Mehr als die Abwägungsfehlerfreiheit können die Gerichte nicht kontrollieren. Der Gesetzgeber hat durch die Bindung der Gemeinden an das zwischengemeindliche Abwägungsgebot den Gemeinden partiell die Letztkonkretisierungsbefugnis zugewiesen.

Dritter Teil

Bundesverfassungsrechtliche Fundierung von zwischengemeindlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten Das Gesetzesrecht reagiert auf zwischengemeindliche Konflikte. Welche Maßstäbe hält das Verfassungsrecht für ihre Bewältigung bereit und welchen Beitrag leistet es selbst zur Konfliktbewältigung? Bei der Sichtung des Schrifttums und der Rechtsprechung zu den Referenzgebieten fällt auf, dass nahezu kein Beitrag, der sich einem der untersuchten Referenzgebiete annimmt, den Rekurs auf das Verfassungsrecht, namentlich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auslässt. Entweder legt das Schrifttum das einfache Gesetzesrecht (verfassungskonform oder verfassungsorientiert) aus oder, wenn zum Beispiel Handlungsraumerweiterungen von Gemeinden zulasten anderer Gemeinden im Raum stehen, überprüft es die Regelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit und ihre Vereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Dafür wählt das Schrifttum häufig entweder die Perspektive der betroffenen Gemeinde und legt den Fokus auf die ihr durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbürgte Position, die möglicherweise tangiert sein kann. Ebenso oft blickt es auf die Selbstverwaltungsgarantie der handelnden Gemeinde und fragt, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG neben einer berechtigenden auch eine begrenzende Dimension aufweist943. Nicht selten geht es dem Schrifttum darum, ob existierende Instrumente des Gesetzesrechts (zusätzlich) verfassungsrechtlich fundiert sind. Anders: Ob die einfachgesetzlichen Regelungen nur das wiederholen, was Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aus Sicht der handelnden oder der betroffenen Gemeinde bereits anordnet. Mangelt es vollständig an gesetzlichen Regelungen, die auf die Spannungen zwischen den Gemeinden wie auch immer reagieren, bemühen das Schrifttum und die Rechtsprechung ebenfalls die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, um zu Ansprüchen im Horizontalverhältnis zu gelangen oder besondere Treuepflichten herzuleiten944. Wie genau das Verfassungsrecht auf das Handeln der Gemeinden selbst, das Gesetzesrecht sowie die verschiedenen Rechtsverhältnisse einwirkt, bleibt allzu oft ohne zureichende Begründung945. Insbesondere fehlt eine Studie, die übergreifend die Wirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in den Blick nimmt und sich offen für die 943

Exemplarisch Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515). F. K. v. Kempis, Die Treuepflicht zwischen Gemeinden und Staat und der Gemeinden untereinander, Diss. 1970, S. 354 ff. 945 Das gilt selbstredend nicht für jede Abhandlung, hervorzuheben ist z. B. der Beitrag von Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), in dem sie sich intensiv der unterschiedlichen Selbstverwaltungsrechte der involvierten Gemeinden annimmt. 944

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Vielzahl von Akteuren und Rechtsverhältnissen zeigt. Reflexhaft und überwiegend begründungslos verweisen die Gerichte zum Beispiel bei dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB auf die „im Hintergrund stehende kommunale Selbstverwaltungsgarantie“946. Schnell gleitet beispielsweise eine angebliche verfassungsrechtliche Fundierung der Pflicht zur zwischengemeindlichen materiellen Abstimmung auf dem Gebiet des Städtebaurechts in die Kategorie bloßer Behauptung ab. So liest man etwa in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: „Schutzlos wird die Nachbargemeinde dadurch [scil. das Gericht wiederholt seine Rechtsprechung zur sog. Weichenstellerthese als notwendige Voraussetzung für den Rechtsschutz von Nachbargemeinden gegen Einzelbaugenehmigungen, M. J.] nicht gestellt. Denn sie wird sich bei Unanwendbarkeit des § 2 Abs. 2 BauGB auf ihre Planungshoheit als Teil der durch Art. 28 Abs. 1 [sic] Satz 1 GG verbürgten Garantie berufen dürfen, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung regeln zu dürfen.“947 Die dann vermeintlich gewonnene verfassungsrechtliche Absicherung des Abwehranspruchs im Bauplanungsrecht wird auf andere Rechtsgebiete übertragen. Die Literatur überträgt zum Beispiel die Begründung von Abwehransprüchen aus dem Bauplanungsrecht auf die außergebietliche kommunale Wirtschaftsbetätigung948 oder das Sparkassenrecht949. Gelegentlich nutzt das Schrifttum die Struktur des einfachgesetzlichen Abstimmungsgebots, um die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von „Eingriffen“ durch wirtschaftende Gemeinden in nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrechte zu operationalisieren950, ohne jedoch die im Bauplanungsrecht gewonnenen Ergebnisse im Schritt der Übertragung zuvor darauf hin zu überprüfen, ob sie überhaupt tragfähig sind. Wie aber wirkt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG konkret, welche verfassungsrechtlichen Pflichten und Ansprüche ergeben sich für Gemeinden (verfassungsunmittelbar) aus ihm? Insgesamt werden Konflikte dogmatisch uneinheitlich bewältigt. Weder die Rechtsprechung noch die Wissenschaft haben eine übergreifende Dogmatik zur verfassungsrechtlichen Begründung der Instrumente zur Konfliktbewältigung entwickelt. Vereinzelte Übertragungsbemühungen von den Erkenntnissen aus 946

BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (329) – Krabbenkamp; BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (214 f.) – Schlachthof; BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (32) – FOC Zweibrücken; H.-U. Stühler, Gemeindenachbarrecht und zwischengemeindliches Abstimmungsgebot bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, in: VBlBW 1999, S. 206 (208); Stüer, Planungshoheit (Fn. 204), S. 815; Stüer, Steuerung (Fn. 406), S. 747 ff.; aus der verfassungsrechtlichen Kommentierung etwa T. Mann, in: W. Kahl / C. Waldhoff / C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VII, Art. 28 (Februar 2018), Rn. 211. 947 Nds. OVG, Beschl. v. 30. 11. 2005 – 1 ME 172/05, ZfBR 2006, 168 (170). 948 Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 337; Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; mit Verweis auf die Leitentscheidung des BVerwG zur interkommunalen Abstimmungspflicht im Bauplanungsrecht Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 295 Fn. 52; Bickenbach, Tätigkeiten (Fn. 65), S. 338 f.; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 77; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 621 f. 949 Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 57 ff.; Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 47 ff. 950 Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 170.

Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung

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dem bauplanungsrechtlichen Abstimmungsgebot auf andere Bereiche deuten freilich auf ein solches Bemühen hin. Jede monographische Beschäftigung, sei es zur außergebietlichen Wirtschaftsbetätigung oder zum sparkassengesetzlichen Regionalprinzip, setzt sich – in der Sache nachvollziehbar – nur mit dem von ihr behandelten Referenzgebiet auseinander. Da es sich bei den Sparkassen um Wirtschaftsunternehmen der Gemeinden handelt, trifft man dort häufiger auf Parallelen zum Gemeindewirtschaftsrecht951. In der Zusammenschau beschränkt sich die verfassungsrechtliche Fundierung von Rechten der einen Gemeinde gegen eine andere Gemeinde maximal auf das behandelte Einzelproblem. Sicher ist, dass ein verfassungsrechtlich begründetes Konfliktbewältigungsin­ strument nicht an den Detailgrad der einfachgesetzlichen Instrumente heranreichen wird. Das einfache Recht kann kleinteiliger bestimmte Handlungsausschnitte gemeindlichen Tätigwerdens aufgreifen und auf daraus resultierende Probleme sachbereichsspezifisch eingehen. Damit hängt zusammen, dass der Determinierungsgrad durch die Verfassung für Detailfragen eher schwach ausgeprägt ist und hinter der Fremdprogrammierungsdichte des Gesetzesrechts zurückbleibt. Ex constitutione lassen sich belastbar exakte Lösungen für Probleme im Einzelfall nur selten herleiten. Der Rahmen zulässigen Handelns, den das Verfassungsrecht Rechtserzeugern zieht, ist ungleich größer als der Rahmen des Gesetzesrechts. Vielleicht liegt darin zugleich auch die Chance, dem Gesetzgeber seine zentrale Stellung für die Schlichtung zwischengemeindlicher Konflikte vor Augen zu führen. Die Erarbeitung einer verfassungsfundierten Konfliktbewältigung zieht es nach sich, dass die Arbeit zum Teil sehr grundlegende Fragestellungen aufwirft, die ihren Ausgang bei der Frage nehmen, wie Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsdogmatisch zu deuten und zu operationalisieren ist. Ist es verfassungsdogmatisch für eine staatsorganisationsrechtliche Norm opportun, Anleihe bei der Grundrechtsdogmatik zu nehmen? Diese doch recht grundständige Frage und die sich daraus ergebenden Folgefragen haben zur Folge, dass die Arbeit mit Streitfragen konfrontiert ist, bei denen zum Teil schon im Grundrechtsbereich, also dort, wo viele Rechts(wissenschafts)begriffe dogmatisch beheimatet sind, keine Einigkeit über ihren Inhalt und ihre Tragbarkeit zu erzielen ist. Das Ansinnen der Untersuchung ist es, die Brauchbarkeit und die (partielle) Übertragbarkeit grundrechtsdogmatischer Figuren und Argumente für bzw. auf Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG zu prüfen. Arbeitet man mit Figuren, Topoi und Argumenten aus der Grundrechtsdogmatik, muss man sich aber klar sein, dass diese Arbeit der falsche Platz für derartige Grundlagendiskussionen ist.

951

Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 49 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

A. Akteursbezogene Differenzierungen In diesem Abschnitt steht die Bedeutung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Grundlage eines verfassungsrechtlichen In­struments zur rechtsangeleiteten Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden untereinander auf dem Prüfstand. Der Topos des einheitlichen, verfassungsrechtlichen Instruments rechtsangeleiteter Bewältigung zwischengemeindlicher Konflikte verdeckt allerdings, dass an dem Streit zwischen Gemeinden unterschiedliche Akteure in unterschiedlichem Ausmaß ihren Anteil haben können. Darauf deutete die Untersuchung bei der Begriffsgrundlegung der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung hin. Die Möglichkeit der Beteiligung von anderen Akteuren als nur den streitenden Gemeinden war sogar das leitende Motiv für die Begriffswahl der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung. Die Mehrzahl unterschiedlicher Akteure bedingt es, dass man bei der Suche nach einer Konfliktbewältigung durch das Verfassungsrecht die verschiedenen Akteurskon­ stellationen, (Rechts-)Verhältnisse und damit verbundenen rechtlichen Zugänge und Perspektiven, von denen man auf den Zwischengemeindekonflikt blickt, trennen muss. Es bietet sich folgende Differenzierung an:

I. Handeln der Gemeinden selbst Den zwischengemeindlichen Konflikt lösen die Gemeinden durch ihr Handeln – auch wenn der Gesetzgeber oder andere (staatliche) Akteure ihren Anteil daran haben mögen – selbst aus. Der Fokus der Untersuchung liegt daher naheliegend zuerst auf den Gemeinden selbst. Unter Umständen können sowohl die handelnden Gemeinden, deren Betätigungen sich auf Nachbargemeinden (potentiell) negativ auswirkt, als auch die betroffenen Gemeinden jeweils für sich das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Stellung bringen. Die Untersuchung konzentriert sich bei der Suche nach Maßstäben für die Vermeidung und Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden auf die Rechtspositionen der Nachbargemeinden. Diese Perspektive lenkt die Aufmerksamkeit darauf, ob eine Gemeinde das Selbstverwaltungsrecht einer anderen Gemeinde verletzen kann, wenn sich erstere mit (potentiell) negativen Auswirkungen auf Nachbargemeinden betätigt. Die Untersuchung schenkt damit der verfassungsrechtlichen Position der betroffenen Gemeinden mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit, ohne sich jedoch vollständig von der Perspektive der handelnden Gemeinden abzuwenden952. Zwischengemeindliche Spannungen sollen vorrangig, wenn auch nicht ausschließlich, aus der Perspektive der betroffenen Gemeinde be 952

Dass das Selbstverwaltungsrecht der handelnden Gemeinde ihr Grenzen setzen kann, ist im Schrifttum (nahezu) unbestritten Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 52 ff.; Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 52 ff., insb. S. 91 ff.; Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 49 ff.; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 86 ff.; Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515),

A. Akteursbezogene Differenzierungen 

307

urteilt werden953. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde wirkt dann begrenzend auf die handelnde Gemeinde ein. Den untersuchten Referenzgebieten ist gemeinsam, dass sie allesamt im Mindestmaß von den störenden Gemeinden (implizit) verlangen, dass sie eine zwischengemeindlich abwägungsfehlerfreie Entscheidung treffen, wenn sich ihr Handeln auf Nachbargemeinden auswirken kann. Fraglich ist, ob auch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (in der Sache) eine zwischengemeindliche Abwägungsentscheidung von den Gemeinden verlangt, wo es an einer einfachgesetzlichen expliziten oder impliziten Pflicht zur abwägungsfehlerfreien Entscheidung fehlt. Begrenzt unmittelbar das Verfassungsrecht selbst die Spielräume von Gemeinden, indem es sie zu einer abwägungsfehlerfreien Entscheidung zwingt? Neben den einfachgesetzlichen und in Teilen rechtsstaatlichen Begründungssträngen für die Geltung des Abwägungsgebots träte speziell für das Verhältnis von Gemeinden zueinander Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG.

II. Handeln der Gesetzgeber und anderer (staatlicher) Akteure Die Gemeinden greifen in den Referenzgebieten häufig nicht ohne Zutun des Bundesgesetzgebers, des jeweiligen Landesgesetzgebers oder anderer staatlicher Einheiten auf andere Gemeinden aus. Staatliche Behörden, etwa die allgemeine Staatsaufsicht über Gemeinden oder die Sparkassenaufsicht, mögen in Gestalt von Mitwirkungserfordernissen wie der (präventiven) Genehmigung von konfliktträchtigen Handlungen der Gemeinden oder der nachgelagerten repressiven Aufsicht in den Konflikt zwischen Gemeinden involviert sein. Da Genehmigungsvorbehalte durch Gesetz angeordnet werden (müssen), steht zusätzlich das Handeln des jeweiligen Gesetzgebers in Streit. Besonders der Gesetzgeber kann einen nicht unerheblichen Anteil an dem Zwischengemeindekonflikt haben, indem er etwa den Gemeinden einfachgesetzlich Handlungsinstrumente an die Hand gibt, die dann, wenn sich die Gemeinden dieser bedienen, Konflikte auslösen. Der jeweilige Gesetzgeber kann die den Gemeinden zustehende Zuständigkeit und Kompetenz, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, konkretisieren, ohne dass er den Handlungsspielraum der Gemeinden über den Bestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hinaus erweitert. Der Gesetzgeber formt mit anderen S. 403 ff.; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 56 ff., insb. S. 73 ff.; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 61 ff.; Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 47 ff. 953 Viele Untersuchungen, vornehmlich im Sparkassenrecht, Bauplanungsrecht und im Gemeindewirtschaftsrecht schauen auf das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde in seiner abwehrrechtlichen Dimension und untersuchen, ob die sich betätigende Gemeinde das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Nachbargemeinde verletzt Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 139 f.; Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 52 f.; Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 407 ff.; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 117 ff.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 132 ff; Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 59 ff.; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 74 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Worten einfachgesetzlich aus, was den Gemeinden schon verfassungsunmittelbar gestattet ist. Er ermöglicht mit solchen Regelungen nichts, was die Gemeinden nicht schon qua Verfassungsrecht dürften. Das gesetzgeberische Tun bleibt – wenn man so will – deklaratorisch954. Gesetzliche Regelungen können den Gemeinden in manchen Fällen aber auch erst die rechtliche Basis dafür schaffen, auf der sie gemeindegebietsübergreifend oder mit Auswirkungen auf Nachbargemeinden agieren können. Der Gesetzgeber gestattet den Gemeinden dann eine den Aufgabenbestand des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG übersteigende Betätigung, indem er den Gemeinden zusätzliche Zuständigkeiten und Kompetenzen zur Betätigung verleiht. Die Arbeit greift die beiden Konstellationen legislativen Handelns – die Ausformung verfassungsunmittelbarer Zuständigkeiten und Kompetenzen sowie die Schaffung zusätzlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen – auf und untersucht, welches Anforderungsprofil Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für die beiden Grundtypen von gesetzlichen Regelungen bereithält. Im Fall der legislativen Handlungsraumerweiterung kann man auch von den Grenzen sprechen, die Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – sei es die Selbstverwaltungsgarantie der handelnden Gemeinden oder der Nachbargemeinden  – dem Gesetzgeber bei seiner Rechtssetzung zieht. Erlaubt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bezogen auf die Gruppe der handelnden Gemeinden überhaupt, dass der Gesetzgeber den Handlungsraum der Gemeinden über den Aufgabenbestand des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG erweitert? Wenn eine Handlungsraumerweiterung zugunsten der einen Gruppe und zulasten der anderen Gruppe von Gemeinden verfassungsrechtlich im Grundsatz zulässig ist, welchen verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegt er dabei? Erweitert der Gesetzgeber nicht den Handlungsraum von Gemeinden, sondern fasst bestehende verfassungsunmittelbare Zuständigkeiten und Kompetenzen in ein einfachrechtliches Gewand, stellen sich ebenfalls beantwortungsbedürftige Fragen: Muss der Gesetzgeber zum Schutz des Selbstverwaltungsrechts der betroffenen Nachbargemeinden vor Gefährdungen durch andere Gemeinden tätig werden, obwohl er den Handlungsraum der Gemeinden nicht erweitert? Konkreter kann man die aufgeworfenen Fragen formulieren, wenn man sie am Beispiel von § 107 GO NRW mit seinem janusköpfigen Regelungsgehalt illustriert, der einerseits den Handlungsraum von Gemeinden einschränkt, ihn andererseits erweitert. Ist es verfassungsrechtlich gefordert, dass der Gesetzgeber für die Wirtschaftsbetätigungen von Gemeinden, für welche sich die Gemeinden im Grundsatz auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen können und deshalb über einen verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen, eine Regelung vorsieht, nach der die wirtschaftenden Gemeinden sich nur dann betätigen dürfen, wenn sie die Interessen der betroffenen Gemeinden wahren? Ist es verfassungsrechtlich zulässig, dass der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber gar eine außergebietliche und überörtliche Betätigung gestattet oder setzt das Selbstverwaltungsrecht der handelnden Gemeinden dem Gesetzgeber Grenzen, weil Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG 954

Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 408 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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nicht nur die Gemeinden zur Erfüllung von Angelegenheiten berechtigt, sondern sie auch auf die Erfüllung solcher Aufgaben verpflichtet? Schließt Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG damit entweder eine außergebietliche Betätigung, jedenfalls aber eine überörtliche Betätigung aus? Möglicherweise ist der Gesetzgeber daran bereits im Grundsatz gehindert, den Handlungsspielraum zu erweitern, oder ihn hindern erst die Selbstverwaltungsrechte der von der überörtlichen Betätigung betroffenen Nachbargemeinden quasi abwehrrechtlich.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der verschiedenen Akteure I. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der Gemeinden – (unvermittelte) zwischengemeindliche Konfliktbewältigung Die Zentralnorm der verfassungsrechtlichen Absicherung der kommunalen Selbstverwaltung ist die staatsorganisatorische Generalklausel des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG955. Auch die Verfassungen der Länder garantieren den Gemeinden die Selbstverwaltung. Die landesrechtlichen Verbürgungen der Selbstverwaltung flankieren auf diese Weise die bundesverfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Teils ergänzen die landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen den durch die bundesverfassungsrechtliche kommunale Selbstverwaltungsgarantie gewährten Schutz und weiten ihn aus, teils modifizieren die landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen den durch sie vermittelten Schutz im Vergleich zur bundesverfassungsrechtlichen Garantie956. Die Untersuchung behandelt nur die bundesverfassungsrechtliche Garantie. Das Grundgesetz beschreibt in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Selbstverwaltungsgarantie als das „Recht“ der Gemeinden, die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ „in eigener Verantwortung“ zu regeln. Es umschreibt damit die wesentlichen Kriterien der überwiegend als institutionelle Garantie eingeordneten Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung957. Mit dem Recht der 955 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 12 II 1 (S. 405 f.); K.  Vogelgesang, in: K. H.  Friauf / W.  Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. II, Art. 28 (Juni 2002), Rn. 91; Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 44; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 130 f. 956 E. Schmidt-Jortzig, Kommunale Organisationshoheit, 1979, S. 35; C. Brüning, Kommunalverfassung, in: D.  Ehlers / M.  Fehling / H.  Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. III, 3. Aufl. 2013, § 64 Rn. 57 f.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 39. 957 BVerfG, Urt. v.  20. 03. 1952  – 1  BvR  267/51, BVerfGE 1, 167 (175); BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (312) – Flugplatz Memmingen; K. Stern, in: Kahl / Waldhoff / Walter, GG  VII (Fn. 946), Art. 28 (Zweitbearbeitung Dezember 1964), Rn. 62 ff.; auch später gleichsinnig Stern, Staatsrecht (Fn. 955), § 12 II 4 (S. 408); W. ­Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, in: VVDStRL  36

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung garantiert Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden durch die beiden Tatbestandsmerkmale der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sowie in eigener Verantwortung neben dem „Was“ auch das Recht, über das „Wie“ der Aufgabenerledigung zu entscheiden958. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert damit – ungeachtet des genauen Inhalts dieser Garantie­ elemente und ihrer Reichweite – neben einem bestimmten Aufgabenbestand (Aufgabengarantie) ebenso die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben, die in den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft fallen (Eigenverantwortlichkeitsgarantie oder modales Gewährleistungselement)959. Die Abgrenzung zwischen der Aufgabengarantie und der Eigenverantwortlichkeitsgarantie bereitet im Detail gelegentlich Schwierigkeiten960. Für die untersuchten (1977), S. 171 (189); Vogelgesang (Fn. 955), Art. 28 Rn. 91 f.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 90 ff.; M. Nierhaus / A . Engels, in: Sachs, GG (Fn. 289) Art. 28 Rn. 33, 39 f.; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 2 ff. – In Anlehnung an die von Stern entwickelte Dreiertypologie ist die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in eine institutionelle Rechtssubjektsgarantie, eine objektive Rechtsinstitutionsgarantie und eine subjektive Rechtsstellungsgarantie auszudifferenzieren. Begriffsprägend Stern, Staatsrecht (Fn. 955), § 12 II 4 (S. 409); exemplarisch für eine umfassende Rezeption dieser Typologie in der Literatur pars pro toto Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 90 ff. 958 Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 93. 959 Zur Unterscheidung der Aufgabengarantie und Eigenverantwortlichkeitsgarantie bzw. zum modalen Gewährleistungselement statt Vieler A. Engels, Die Verfassungsgarantie kommunaler Selbstverwaltung, 2014, S. 23. 960 Die Unterscheidung zwischen der verfassungsrechtlichen Absicherung einer bestimmten Aufgabe und der Modalität der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung bereitet bei genauerem Besehen Abgrenzungsschwierigkeiten. Ist die Bauleitplanung eine gemeindliche Aufgabe oder ist nur die Bodennutzung im Gemeindegebiet die Selbstverwaltungsaufgabe, die Bauleitplanung hingegen eine Modalität der Aufgabenwahrnehmung? Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 66 Fn. 114, meint, dass die Bauleitplanung zu den „gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben“ [Kursivierung nicht im Original, M. J.] gehöre, zuvor schreibt er aber zutreffend, dass die Bodennutzung zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zähle s. Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 33, sich aber auf die gemeindliche Planungshoheit beziehe Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 33 Fn. 50. Richtigerweise ist die Bodennutzung die Aufgabe der Gemeinde, welche die Gemeinde durch die Bauleitplanung als eine denkbare Modalität durch Erlass eines Flächennutzungs- und Bebauungsplans steuern und leiten kann. Andere Modi der Aufgabenwahrnehmung, etwa der Erlass von konkret-individuellen Entscheidungen über die Bodennutzung scheinen aber ohne Weiteres denkbar. Auch die Wirtschaftsbetätigung oder der Betrieb von Sparkassen als eine besondere Form der Wirtschaftsbetätigung sind nicht selbst Aufgabe, sondern Modi der Aufgabenwahrnehmung. Die Unterscheidung zwischen Aufgabe und Modus der Aufgabenerfüllung wird auch deutlich am Beispiel der Schulnetzplanung oder Schulstandortplanung, die Begriffe schwanken hier, vgl. T. Schmidt, Schulnetzplanung, 2016, S. 152 ff. Ist die Schulnetzplanung eine gemeindliche Aufgabe, die der Aufgabengarantie unterfällt, oder ist die Schulträgerschaft und die Befugnis die äußeren Schulangelegenheiten zu bestimmen die Aufgabe der Gemeinden, die Schulnetzplanung hingegen nur Modalität, wie die Gemeinden die ihr zugewiesene Aufgabe erfüllen (modales Gewährleistungselement)? Illustriert seien die (ergebnisrelevanten) Schwierigkeiten der Unterscheidung der beiden Teilgewährleistungen des Art. 28 II 1 GG an einer jüngeren Entscheidung des BVerfG: In der Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 – Schulnetzplanung, ist sich das Gericht

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Referenzgebiete gilt, dass die rechtliche Regelung der Bodennutzung sowohl hinsichtlich der Aufgabe als auch der Art und Weise der Erfüllung dieser Aufgabe wohl selbst nicht sicher, ob die Schulträgerschaft Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist und die örtliche Standortplanung sowie die Schulnetzplanung Mittel zur Wahrnehmung der Schulträgerschaft in eigener Verantwortung sind, oder ob die Schulnetzplanung selbst Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, welche entzogen wird. Das Gericht meinte zum einen: „Die Trägerschaft von Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), den früheren Volksschulen, zählt zu den von Art. 28 Abs. 2 Satz  1  GG garantierten Selbstverwaltungsaufgaben [Kursivierung nicht im Original, M. J.] der Gemeinden“, ebd., Rn. 62. Die Schulträgerschaft als solche ist somit nach Auffassung des Gerichts eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 II 1 GG. Diese wird allerdings durch das Schulgesetz nicht betroffen. Zum anderen meinte das Gericht wenig später in der Entscheidung: „Die Zuweisung der Schulnetzplanung an die Kreisebene durch § 23a Abs. 1 Satz 1 SchulG greift in die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Befugnis der Gemeinden ein, die Schulträgerschaft der Grund- und Hauptschulen in eigener Verantwortung [Kursivierung nicht im Original, M. J.] wahrzunehmen, weil sie wesentliche Aspekte der Schulträgerschaft betrifft und diese weitgehend aushöhlt“, denn das „grundlegende Recht des kommunalen Schulträgers, im Rahmen der allgemeinen schulrechtlichen Vorgaben über Bestand, Standort und inhaltliche Akzentsetzung einer solchen Schule selbst zu entscheiden, wird dadurch weitgehend entleert.“, ebd., Rn. 75 f. Nach diesen Aussagen des Gerichts stellt die Schulnetzplanung eine Modalität der Aufgabenwahrnehmung („in eigener Verantwortung“) dar. Allerdings kann diese Aussage des Gerichts auch dahingehend gedeutet werden, dass die Schulnetzplanung selbst Teil der Schulträgerschaft und aus diesem Grund selbst auch eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist. Bei der Prüfung der verfassungsrecht­lichen Rechtfertigung des Eingriffs konstatierte das Gericht sodann auch, dass „[h]inreichende Gründe für die Hochzonung der Schulnetzplanung [Kursivierung nicht im Original, M. J.] auf die Kreisebene“ nicht vorhanden seien, ebd., Rn. 78. Die Hochzonung der Schulnetzplanung deutet wiederum, da die Hochzonung die Bezeichnung für die Verlagerung von Aufgaben der Gemeinden auf die Kreise, d. h. den Aufgabenentzug ist, darauf hin, dass die Schulnetzplanung selbst eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, welche den Gemeinden entzogen wird. Eher affirmative Besprechung der genannten Entscheidung von Schmidt, Schulnetzplanung (Fn. 960), S. 162 ff. Dieser konstatiert einerseits, dass die kommunale Schulnetzplanung „insbesondere zur kommunalen Planungshoheit gehört“, Schmidt, Schulnetzplanung (Fn. 960), S. 161, also eher eine Modalität der Aufgabenwahrnehmung ist. Andererseits meint Schmidt, Schulnetzplanung (Fn. 960), S. 161 f., 596, dass die Verlagerung auf die (Land-)Kreise „als Hochzonung zu qualifizieren“ sei, da die „Neueinführung einer Schulnetzplanung auf Ebene der Landkreise […] zu einer gewissen Aufgabenverlagerung vormals gemeindlicher Planungsaufgaben“ führe und „die Planungsaufgabe auf die Landkreise“ verlagere; kritisch gegenüber der Entscheidung dagegen K.  Ritgen, Aufgabenverteilung im kreisangehörigen Raum, in: ZG 31 (2016), S. 263 (278 ff.), der allerdings der Terminologie Schulnetzplanung ein zu hohes Gewicht einräumt und Schulnetzplanung nur als überörtliche Planung versteht. Zwar trifft es zu, dass das sächsische Schulrecht vor Einführung des § 23a SächsSchulG den Begriff der Schulnetzplanung nicht kannte, die durch § 23a SächsSchulG eingeführte Schulnetzplanung daher in der Tat überörtlich ist. Ritgen vernachlässigt aber, dass auch schon zuvor die gemeindlichen Schulträger Schulstandortplanungen bzw. synonym Schulnetzplanungen, d. h., wenn man so will, örtliche Schulnetzplanung, betreiben dürfen, vgl. Schmidt, Schulnetzplanung (Fn. 960), S. 54, 594 ff. Das BVerfG behauptete nicht, wie Ritgen, Aufgabenverteilung (Fn. 960), S. 278, meinte, dass die (überörtliche) Schulnetzplanung eine gemeindliche Aufgabe war. Vielmehr meint das BVerfG, dass durch die Schaffung einer Planungszuständigkeit der (Land-)Kreise eine überörtliche Schulnetzplanung geschaffen werde, welche den Gemeinden z. T. die örtliche Schulnetzplanung entziehe.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

in den Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fällt. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert die sog. Planungshoheit der Gemeinden961. Die gemeindewirtschaftliche Betätigung stellt ebenfalls eine vom Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG geschützte Wahrnehmungsmodalität dar, mit welcher die Gemeinden Aufgaben wahrnehmen können, die in den Aufgabenbestand des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG fallen. Ob eine Aufgabe in den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft fällt oder nicht, ist danach zu beurteilen, ob die Aufgabe, welche mit der Betätigung erfüllt werden soll, einen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft hat. Wegen der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Betätigungen zu den unterschiedlichsten Zwecken, muss die Entscheidung, ob eine Aufgabe in den von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Aufgabenbestand fällt, dem Einzelfall vorbehalten bleiben. Das Sparkassengesetz gibt sowohl hinsichtlich des Aktiv- sowie Passivgeschäfts als auch der sparkassenorganisationsrechtlichen Fragen vor, zu welchen Zwecken Gemeinden Sparkassen errichten und betreiben sowie Sparkassen sich betätigen dürfen. Ein Urteil lässt sich daher leichter darüber fällen, Die eher undurchsichtigen Zuordnungen durch das BVerfG und auch der kritischen sowie affirmativen Stimmen in der Literatur erfassen das Problem allerdings insgesamt nur unzureichend. Allein die Schulträgerschaft ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Die örtliche Standortplanung bzw. Schulnetzplanung ist keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft; sie ist vielmehr eine Modalität der Aufgabenwahrnehmung der Schulträgerschaft. Indem nunmehr den (Land-)Kreisen die Schulnetzplanung aufgegeben ist, wird den Gemeinden die Schulträgerschaft nicht entzogen. Eine sog. Hochzonung liegt nicht vor. Nach § 23a V SächsSchulG steuert allerdings die Schulnetzplanung durch die (Land-)Kreise maßgeblich die Standortplanung sowie die Entscheidung über die Errichtung und Schließung der Schule und präjudiziert diese Entscheidungen, sodass die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gemeinden bei der Wahrnehmung ihrer Schulträgerschaft betroffen ist. Mit der Charakterisierung der Beeinträchtigung als „Hochzonung“ vergriff sich das Gericht folglich in der rechten Terminologie. Selbst wenn man die örtliche Standortplanung, wie etwa Ritgen, Aufgabenverteilung (Fn. 960), S. 278 ff., oder das BVerfG meinen, als „ein Element der Aufgabe ‚Schulträgerschaft‘“ sähe, läge wohl ebenfalls keine Hochzonung vor, da diese bei den Gemeinden verbleibt, vgl. zu diesem Gedanken Schmidt, Schulnetzplanung (Fn. 960), S. 597 f. Allerdings könnte man bei formaler Betrachtung des Aufgabenbestands auch meinen, dass die ursprüngliche Planungsaufgabe der Gemeinden nunmehr bei den (Land-)Kreisen liege. Nur dann läge eine (Teil-)Hochzonung der Aufgabe Schulträgerschaft vor. In diese Richtung deutet die Entscheidung des BVerfG, da die örtliche Schulnetzplanung durch Schaffung einer überörtlichen Schulnetzplanung den Gemeinden äußerlich betrachtet entzogen wird. Lehnt man einen Entzug der Aufgabe Schulnetzplanung als Teil der Aufgabe Schulträgerschaft hingegen – so die Untersuchung hier – ab und sieht in ihr (nur) eine Erfüllungsmodalität der Aufgabe Schulträgerschaft, dann würde die überörtliche Schulnetzplanung die eigenverantwortliche Wahrnehmung der örtlichen Schulnetzplanung als eigene Aufgabe der Gemeinden beeinträchtigen. Von Hochzonung könnte man nur dann sinnvoll sprechen, wenn man auch einen faktischen Aufgabenentzug anerkennt und durch die Verlagerung der Schulnetzplanung einen faktischen Entzug der (örtlichen) Schulnetzplanung wegen ihrer weitgehenden Entleerung anzunehmen bereit wäre (dazu sogleich). Weder ein faktischer Aufgabenentzug in Form einer „faktischen Hochzonung“ der örtlichen Schulnetzplanung noch der Entzug der Schulnetzplanung können aber nach Auffassung der Untersuchung Zustimmung finden. Es bleibt bei einer Beeinträchtigung des modalen Gewährleistungselements der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. 961 Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 822.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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ob eine Gemeinde oder Sparkasse eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllt oder nicht. Mit der Errichtung und dem Betrieb von Sparkassen nehmen Gemeinden im Grundsatz Selbstverwaltungsaufgaben wahr962. Die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft stellt zumindest dann, wenn es um die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung des Trägers geht, eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft dar, welche die Gemeinde durch Sparkassen als die ihr zuordenbaren Anstalten des öffentlichen Rechts wahrnehmen können. Der Betrieb und die Geschäftstätigkeit der Sparkasse ist die Modalität der Aufgabenwahrnehmung963. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst damit auch die sog. Sparkassenhoheit964. Seit Jahrzehnten streitet sich das Schrifttum über die (rechte) verfassungsdogmatische Deutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG965. Einige sprechen gar von einem „dogmatischen Dickicht“966, in das sich die Literatur in den Jahrzehnten ihrer Auseinandersetzung mit der Selbstverwaltungsgarantie verstrickt habe. Die verworrene Meinungsvielfalt der verfassungsdogmatischen Rekonstruktion der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, welche in den letzten Jahren noch um einige Deutungsangebote reicher wurde, verstellt den Blick auf die wesentlichen Fragen, die jedes Deutungsangebot im Grundsatz gleichermaßen zu beantworten sucht967.

962

W. Hoppe, Zur Diskussion um den Haftungszuschlag für die kommunalen Sparkassen, in: DVBl. 1982, S. 45 (51); Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 54 ff.; Raskin, Regionalprinzip (Fn. 724), S. 57; Oebbecke, Sparkassentätigkeit (Fn. 735), S. 145, 148 f.; H.-G. ­Henneke, in: ders. u. a. (Hrsg.), Praxis der Kommunalverwaltung Bund. Kommunale Sparkassen, Bd. L  17, Anm. 2.2.5; aus der Rspr. etwa BVerfG, Beschl. v.  14. 04. 1987  – 1  BvR  775/84, BVerfGE 75, 192 (199). 963 Henneke (Fn. 962), Anm. 2.2.5; betont zwischen der Aufgabe sowie der Modalität der Aufgabenwahrnehmung trennt Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 50, 61. 964 Hoppe, Haftungszuschlag (Fn. 962), S. 51; unzählig aufgegriffen etwa von Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 54. 965 Instruktiv zur Unübersichtlichkeit der Deutungsversuche: Zur (klassischen) institutionellen Deutung u. a. Stern, Staatsrecht (Fn. 955), § 12 II 1 (S. 405 ff.). Für eine kompetenzrechtliche Auslegung der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden G.-J. Richter, Verfassungsprobleme der kommunalen Funktionalreform, 1977, S. 114 f.; zustimmend F.-L.  Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: A. v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, 1983, S. 215 (215 ff.), er spricht von einer „Kompetenzabgrenzungsnorm“, ebd., S. 226; K. Waechter, Einrichtungsgarantien als dogmatische Fossilien, in: Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 (63 ff.). Für eine subjektiv-rechtliche Auslegung der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden spricht sich aus H. Maurer, Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVBl. 1995, S. 1037 (1041 f.); J. Ipsen, Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie und Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, in: ZG 9 (1994), S. 194 (198 f.); M. Kenntner, Zehn Jahre nach „Rastede“, in: DÖV 1998, S. 701 (706). 966 Ipsen, Schutzbereich (Fn. 965), S. 194. 967 Kürzlich für eine prinzipientheoretische Interpretation der Gewährleistung des Art. 28 II  GG Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 103 ff.; jüngst für eine „Leitidee“ kommunaler Selbstverwaltung und eine funktionale Deutung der kommunalen Selbstverwaltung ­Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 211 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Jedes Deutungsangebot kann eine Teilwahrheit für sich in Anspruch nehmen968. An der Relevanz der verfassungsdogmatischen Deutungen für die Lösung konkreter Rechtsfragen in der Rechtspraxis lässt sich ohnehin zweifeln969. Die Untersuchung unternimmt deshalb nicht den – womöglich auch zum Scheitern verurteilten – Versuch, die Unübersichtlichkeit der verfassungsdogmatischen Deutungsstränge der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu entflechten. Diesen für die Forschungsfrage nicht weiterführenden Fragestellungen soll nicht weiter nachgegangen werden, auch wenn gelegentlich die verfassungsdogmatische Einordnung scheinbar einige Weichenstellungen der Arbeit vorzeichnet. Von diesen verfassungsdogma­ tischen (Groß-)Deutungen zu trennen ist, wie Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und das durch ihn vorgegebene Anforderungsprofil operationalisiert werden können970.

968 Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 89, unternimmt mit seiner prinzipientheoretischen Deutung den Versuch einer „dogmatisch konsistente[n] Gesamtkonstruktion“ von Art. 28 II 1 GG, da die von ihm diskutierten alternativen Deutungen nur „partiell angemessene Antworten“ geben, ebd., S. 101. Ob es einer solchen „Gesamtkonstruktion“ überhaupt bedarf und welcher Mehrwert mit ihr verbunden ist, sei dahingestellt. Jedenfalls kann jedes Deutungsangebot seine Teilwahrheit für sich in Anspruch nehmen. Die Teilwahrheiten sehen die Autoren meist nicht, sondern sie plädieren für eine alles-oder-nichts-Lösung: Mit der subjektiv-rechtlichen und kompetenzrechtlichen Deutung gelingt z. B. die Erklärung dafür, dass Teilgewährleistungen der Verfassungsgarantie ohne legislatorische Umsetzung verfassungsunmittelbar den Gemeinden einen eigenverantwortlich wahrnehmbaren Aufgabenbestand einräumen, s. Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1041; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 87 f. Ebenso zutreffend ist, wie etwa auch die institutionelle Deutung anerkennt (s. subjektive Rechtsstellungsgarantie), dass Art. 28 II 1 GG den Gemeinden in der Ausprägung bestimmter Teilgewährleistungen auch ein Recht einräumt, das die Gemeinden dazu befähigt, Rechtspositionen gegenüber Verpflichtungsadressaten zu verteidigen etwa Stern (Fn. 957), Art. 28 (Zweitbearbeitung Dezember 1964), Rn. 174. Ebenso zutreffend ist es aber auch, dass etwa die Existenz der Gemeinden nicht naturgegeben ist, sondern der Gesetzgeber dafür bestimmte (organisationsrechtliche) Vorkehrungen treffen muss. Die Existenz der Gemeinden ist deshalb nicht verfassungsunmittelbar gewährleistet, sodass eine institutionelle Deutung mit ihrer typischen Delegation auf den Gesetzgeber jedenfalls für das existentiale Gewährleistungselement von Art. 28 II 1 GG zutrifft Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 66, 98 ff. Das wirkt sich u. U. auf den Rang solcher (einfachgesetzlichen) Regelungen aus. Ähnliches gilt wohl auch für das modale Gewährleistungselement, das zum Teil auf die Schaffung einer ‚Handlungsinfrastruktur‘ angewiesen ist. 969 Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 40. 970 Versteht man, wie die Untersuchung, Dogmatik als die Systematisierung und die Ordnung von Rechtserkenntnisergebnissen, dann ist eine bestimmte Operationalisierung des Anforderungsprofils von Art. 28 II 1 GG zweifelsohne ebenfalls ein Aspekt der verfassungsrechtsdogmatischen Deutung von Art. 28 II 1 GG. Ein Teil der Debatte über die rechte verfassungsdogmatische Deutung von Art. 28 II 1 GG ist damit auch die nach der zielführenden Strukturierung des Anforderungsprofils von Art. 28 II 1 GG. Die Frage nach dem richtigen Weg, das Anforderungsprofil von Art. 28 II 1 GG zu rationalisieren und operationalisieren, liegt aber gewissermaßen quer zu der (richtigen) verfassungsdogmatischen (Groß-)Deutung von Art. 28 II 1 GG und stellt sich für jedes Deutungsangebot gleichermaßen.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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1. Überschneidungsloses Nebeneinander von Zuständigkeitsund Kompetenzbereichen der Gemeinden Geht es um die Vermeidung von zwischengemeindlichen Konflikten, bemüht das Schrifttum gelegentlich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als eine nicht nur die Zuständigkeiten und Kompetenzen von Gemeinden begründende, sondern zugleich eine ihre Zuständigkeiten und Kompetenzen begrenzende Norm971. Konflikte zwischen Gemeinden werden vermieden, weil Gemeinden kompetentiell nur eingeschränkt tätig werden dürften und, je nach Auslegung des Aufgabenbestands der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, auf ihrem Gebiet verbleiben müssen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG soll sowohl ein positiver als auch ein negativer Aussagegehalt zukommen972. Die begrenzende Dimension bemüht das Schrifttum überwiegend im Gemeindewirtschaftsrecht973 und im Sparkassenrecht974, soweit ersichtlich nicht im Bauplanungsrecht. Oft wird mit der begrenzenden Dimension von Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG eine verfassungsrechtliche Grundlegung des gemeindewirtschaftlichen Gebietsprinzips oder des sparkassenrechtlichen Regionalprinzips versucht. Das Argument der kompetentiellen Begrenzung gemeindlichen Handelns lässt sich in ein allgemeineres überführen: Einerseits schließe Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine Zuständigkeits- und Kompetenzkonkurrenz zwischen Gemeinden aus, die zu Konflikten zwischen Gemeinden führen kann. Zu einer solchen Konkurrenz kommt es dann, wenn mindestens zwei Verwaltungsträgern dieselbe Aufgabe sach 971

Exemplarisch Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 809 f.; Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 39, 44, meint, dass Art. 28 II GG die Zuständigkeiten der Gemeinden und Kreise untereinander und gegen höherstufige und gleichgeordnete Verbände abgrenze. Zuvor nennt er bei der Umschreibung der Verbandskompetenz der Gemeinden, dass die Verbandskompetenz gleichsam „Bedeutung […] für ‚Kleinigkeiten‘ des Verwaltungsalltags [hat], wenn es z. B. darum geht, einen Bargeldautomaten einer kommunalen Sparkasse außerhalb des Gemeindegebiets aufzustellen“; ähnlich Rn. 40, wo er auf die extraterritoriale Wirtschaftsbetätigung eingeht. Er nennt folglich just die Bereiche, in denen es zu Konflikten zwischen Gemeinden kommen kann und die hier untersucht wurden. 972 Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 53 f., 84, 137 ff.; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 35; Aust, Recht (Fn. 585), S. 101; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 173; stellvertretend für eine kompetentiell begrenzende Wirkung der Selbstverwaltungsgarantie stehen auch die vielen Stimmen im Schrifttum, die sich für eine kompetenzrechtliche Deutung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aussprechen; gegen einen negativen Aussagegehalt dagegen (wohl) Wolff, Fragen (Fn. 676), S. 724. – Für eine kompetenzrechtliche Auslegung der Selbstverwaltungsgarantie Nachweise s. Fn. 965. – Ähnliches gilt bspw. für Rundfunkanstalten oder Universitäten, die außerhalb ihres Funktionsbereichs kein Recht zu freiheitlichen Betätigungen haben BrosiusGersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 409. 973 Im Gemeindewirtschaftsrecht etwa Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1043; Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504; Grawert, Zuständigkeitsgrenzen (Fn. 518), S. 125; ­Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; K.-J.  Faßbender, Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, in: DÖV 2005, S. 89 (98); Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 407, 409; die Wirtschaftsbetätigung von den Grenzen der Selbstverwaltungs­ garantie ausnehmend mit der Unterscheidung von hoheitlicher und wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden siehe bereits Fn. 584. 974 Im Sparkassenrecht bspw. Stern / Nierhaus, Regionalprinzip (Fn. 7), S. 55 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

lich, zeitlich oder örtlich zur Erledigung zugewiesen ist975. Andererseits folge aus der Zuweisung der Zuständigkeit und Kompetenz an Gemeinden als Zuordnungssubjekt von Zuständigkeiten und Kompetenzen allgemein, dass erstens keine Akte jenseits davon vorgenommen werden dürfen (ultra-vires) und zweitens, dass ein Zuständigkeits- und Kompetenzträger nicht in den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich anderer eingreifen dürfe976. a) Verfassungsunmittelbarer Aufgabenbestand der Gemeinden Als Hoheitsträger sind Gemeinden auf eine Aufgaben-, Zuständigkeits- und Kompetenzzuweisung angewiesen, um sich überhaupt – sei es rein tatsächlich oder rechtsförmlich – betätigen zu dürfen977. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist eine (staatsorganisationsrechtliche) Zuständigkeits- und Kompetenznorm zugunsten der Gemeinden978. Er garantiert den Gemeinden einen verfassungsunmittelbaren Aufgaben 975

Oebbecke, Mehrfachzuständigkeiten (Fn. 692), S. 1120, 1125; Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 50. 976 Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 47. 977 Kelsen, Staatslehre (Fn. 858), S. 188; Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 350, 359; auch aus diesem Grund sind Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden ebenso übertragen wie die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 143. – Zur Unterscheidung s. auch Fn. 1019. 978 Hierzu und zum Vorhergehenden Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 50; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 98, 103; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 35a, 46 ff.; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 173 („kompetenzbegründendes Recht“); Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 128, 143; BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR  1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (146) – Rastede; BVerfG, Urt. v. 31. 10. 1990 – 2 BvF 2/89, 6/89, BVerfGE 83, 37 (54) – Ausländerwahlrecht  I, meinte dazu: „Gemeinden bedürfen keines speziellen Kompetenztitels, um sich einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen; ihnen ist insoweit eine Allzuständigkeit ausdrücklich durch die Bundesverfassung (Art.  28 II GG) verbürgt.“ Als Zuständigkeits- und Kompetenznorm verleiht Art. 28 II 1 GG den Gemeinden die Rechtsmacht („power“) etwa die Rechtsbeziehungen zu ihren Gemeindeeinwohnern – unter Beachtung sonstiger verfassungsrechtlicher Schranken – zu regeln. Möchte die Gemeinde überdies rechtsförmlich handeln, also etwa einen Verwaltungsakt erlassen, benötigt sie zusätzlich einen Kompetenztitel, also die Fähigkeit, rechtliche Positionen verändern zu können. Ausweislich der Formulierung „regeln“ in Art. 28 II 1 GG verleiht ihr das Grundgesetz einen solchen, wenn sie sich zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft betätigt. Offenbleiben soll, wem gegenüber Art. 28 II 1 GG den Gemeinden die Zuständigkeit und Kompetenz einräumt, sich zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu betätigen. Ist dies eine Zuständigkeits- und Kompetenzeinräumung gegenüber dem Land oder gegenüber den Bürgern? Nach nicht unumstrittener Auffassung soll Art. 28 II 1 GG den Gemeinden nicht Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern gestatten, vgl. F. Schoch, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, in: NVwZ 1990, S. 801 (803); Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 131 f.; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 58; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2019), Rn. 181; so auch das BVerwG, Urt. v. 16. 10. 2013 – 8 CN 1/12, BVerwGE 148, 133 (144 Rn. 28), zu einer Regelung in einer städtischen Friedhofssatzung, die besagte, dass nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden und dadurch in Art. 12 I GG eingriff.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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bereich, in dem sich Gemeinden ohne einen ausdrücklichen (einfachgesetzlichen) Zuständigkeits- und Kompetenztitel zur Erledigung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betätigen dürfen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schafft damit gewissermaßen ein kompetentielles Universalprinzip für Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft979. Die Selbstverwaltungsgarantie wird nach tradierter Lesart in ihrer verfassungsrechtsdogmatischen Grundlegung als institutionelle Garantie eingeordnet980. Diese (verfassungsrechtsdogmatische) Qualifikation wirkt sich scheinbar auf den Umfang des Aufgabenbestands und den Bereich aus, für den Gemeinden über einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen. Dem Gesetzgeber obliege es, so heißt es häufig, die Selbstverwaltungsgarantie auszugestalten981. Das Bundesverfassungsgericht konstatierte beispielsweise, dass die Garantie der Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung „der gesetzlichen Ausgestaltung und Formung [bedarf]“982. Zum gemeindlichen Aufgabenbestand meinte das Gericht in seinem Rastede-Beschluss, dass der „Gesetzgeber […] die Institution gemeindliche[r] Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Aufgabenausstattung regeln [darf]“983. Der Vorbehalt „im Rahmen der Gesetze“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird infolge dessen (auch) als Regelungsvorbehalt qualifiziert984. Mit der Deutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie und der Wendung „im Rahmen der Gesetze“ scheint eine verfassungsunmittelbare, d. h. nicht auf legislative Formung und Gestaltgebung angewiesene Aufgabengarantie zum Problem zu werden. Die Bestimmung des Umfangs der Aufgabengarantie scheint ohne Rekurs auf das die 979 Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 18; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 128. 980 Nachweise s. Fn. 957. 981 Der Gesetzgeber müsse bei der Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil, das etwa das BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (143) – Rastede, mit einer Kern- und Randbereichsunterscheidung operationalisierte, beachten. – Die Kritik reicht von Kritik grundsätzlicher Art an der Einordnung als institutionelle Garantie bis hin zu Bedenken gegen die Annahme von Kern- und Randbereich Ipsen, Schutzbereich (Fn. 965), S. 194 ff.; Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1037 ff.; Waechter, Einrichtungsgarantien (Fn. 965), S. 47 ff.; Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 701 ff.; D. Ehlers, Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVBl. 2000, S. 1301 (1304 ff.); A. Schmehl, Zur Bestimmung des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung, in: BayVBl. 2006, S. 325 (325 ff.); W. Schmidt, Die „institutionelle Garantie“ der kommunalen Selbstverwaltung und das Grundgesetz, in: G. Frank /  H.-W. Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde, 2007, S. 17 (30 ff.); J.-D. Kühne, Zur Kernbereichsbestimmung bei der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, in: Frank / Langrehr, Gemeinde (Fn. 981), S. 35 (35 ff.); J. Dietlein / S . Peters, Kommunale Selbstverwaltung im Föderalstaat, 2017, S. 19, 21. 982 BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (143)  – Rastede. 983 BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (152)  – Rastede. 984 F. Schoch, Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 81 (1990), S. 18 (26 f.).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Aufgabengarantie normativ konstituierende Unterverfassungsrecht gar nicht möglich. Einige Autoren ziehen sogar eine Parallele zur grundrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und der eigentumsrechtlichen Inhalts- und Schrankendogmatik985. Muss daher der Aufgabenbestand der Gemeinden erst normativ konstituiert werden986? Gibt es also keine Zuständigkeiten und Kompetenzen der Gemeinden, die ohne legislatorisches Zutun qua Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsunmittelbar bestehen987? Ob der Aufgabenbestand der Gemeinden verfassungsunmittelbar gewährleistet wird, wird uneinheitlich beurteilt – oft ohne nähere Begründung. Einige meinen, der Aufgabenbestand sei verfassungsunmittelbar gewährleistet988. Besonders die 985 Parallelen zur Strukturierung des Eigentumsgrundrechts deutet in seiner Vielzahl an Publikationen insb. an Schoch, Situation (Fn. 984), S. 26 f., 29, 42; F. Schoch, Die Kreise zwischen örtlicher Verwaltung und Regionalisierungstendenzen, in: H.-G. Henneke / H. Maurer /  ders. (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 9 (23); F. Schoch, Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch das Bundesverfassungsgericht?, in: DVBl. 2008, S. 937 (938); F.-L. Knemeyer / M. Wehr, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 92 (2001), S. 317 (332); Parallelen räumen ebenfalls ein A.  Schink, Kommunale Selbstverwaltung im kreisangehörigen Raum, in: VerwArch 81 (1990), S. 385 (395); Ipsen, Schutzbereich (Fn. 965), S. 204; eher zurückhaltend W. Frenz, Gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie und Verhältnismäßigkeit, in: Die Verwaltung 28 (1995), S. 33 (56 f.); H.-G. Henneke, Verfassungsrechtlicher Schutz der Gemeindeverbände vor gesetzlichem Aufgabenentzug im dualistischen und monistischen Aufgabenmodell, in: ZG 2002, S. 72 (93); unlängst H. Jensen, Kommunale Daseinsvorsorge im europäischen Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2015, S. 102; E. Mehlhaf, Kommunen im Finanzausgleich des Grundgesetzes, 2017, S. 105; Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 169 f., identifiziert eine strukturelle Nähe der Rspr. des BVerfG zu Art. 14 I 2 GG; kritisch zur Parallele Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1041 Fn. 40; Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 707. 986 Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 818: „Daher können auch die Garantien des Aufgabenkreises und der Eigenverantwortung nicht aus sich heraus, sondern immer nur in Bezug zu ihrer gesetzlichen Ausgestaltung definiert werden. Die ‚Wechselwirkungslehre‘ reicht also bis in die Tatbestandsmerkmale hinein.“ 987 Der Umfang der Abhängigkeit des Aufgabenbestands von der legislativen Formung und Ausgestaltung bleibt bei einer institutionellen Deutung und der damit häufig einhergehenden Annahme einer ausgestaltungsbedürftigen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie konturlos; zumindest für die von den Anhängern einer institutionellen Deutung vertretene Kern- und Randbereichslehre muss es – ungeachtet aller Schwierigkeiten bei der Bestimmung – einen Aufgabenbestand geben, der verfassungsunmittelbar und entzugsfest besteht, also den Gemeinden auch ohne legislatorische Zuweisung zugeordnet sein muss, statt Vieler zum Kernbereich Stern, Staatsrecht (Fn. 955), § 12 II 4 (S. 416 f.). 988 Bzgl. der Aufgabengarantie Meyn, Gesetzesvorbehalt (Fn. 93), S. 18 ff.; Schoch, Situation (Fn. 984), S. 26 f.; Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 128 f., 130; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 19, 30, 35, 38; Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 707 f.; Schoch, Neukonzeption (Fn. 985), S. 938, wobei er – und hier werden durchaus inhaltliche Unstimmigkeiten in der von ihm befürworteten institutionellen Deutung von Art. 28 II 1 GG deutlich – zugleich von einer Angewiesenheit auf legislative Ausgestaltung ausgeht, obwohl er zuvor einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand annahm; Schink, Selbstverwaltung (Fn. 985), S. 397, 403; Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 820, obwohl er zuvor die Angewiesenheit auf legislative Formung betonte; S. Engel-Boland, Gemeindliches Satzungsrecht und Gesetzes-

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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subjektiv-rechtliche und kompetenzrechtliche Interpretation des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG stehen für einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand der Gemeinden989. Einige Aussagen des Bundesverfassungsgerichts deuten ebenfalls in die Richtung eines verfassungsunmittelbar gewährleisteten Aufgabenbestands990. Andere Aussagen des Gerichts  – vereinzelt sogar in derselben Entscheidung  – wiederum nicht991. Jüngere Aussagen des Bundesverfassungsgerichts lassen davorbehalt, 1999, S. 18 ff.; Henneke, Schutz (Fn. 985), S. 78; K. Waechter, Verfassungsrecht­ licher Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung gegen Eingriffe durch Gesetz, in: AöR 135 (2010), S. 327 (353); Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 47; sowohl die Aufgaben- als auch Eigenverantwortlichkeitsgarantie betreffend Knemeyer, Gewährleistung (Fn. 965), S. 220; Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 707; A. Katz / K. Ritgen, Bedeutung und Gewicht der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, in: DVBl. 2008, S. 1525 (1532); Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), passim, etwa S. 24 f., 42, 66, 72, 85, 86 f., 88, 90, 101, 138, 145 ff.; J. Suerbaum, Die Wirkmächtigkeit der grundgesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, in: H. Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (90 f.); Ritgen, Aufgabenverteilung (Fn. 960), S. 264; Dietlein / Peters, Selbstverwaltung (Fn. 981), S. 21; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 171; Heusch (Fn. 568), § 2 Rn. 2; J. Dietlein, in: ders. / Heusch, BeckOK Kommunalrecht (Fn. 40), Systematische Einführung zum Kommunalrecht Deutschlands, Rn. 87; jüngst mit eingehender Begründung auch Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 128 f., 155; O. Tschira, Die Funktionalreform in Bayern, in: W. Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977, S. 279 (287), meint, dass der „Aufgabenbestand […] aber zur Disposition des Gesetzgebers“ stehe, wenngleich er dies damit begründet, dass der „Gesetzesvorbehalt“ sich auch auf den Aufgabenbestand beziehe. Das spricht jedoch eher gegen eine Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers als vielmehr für die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsfähigkeit des Entzugs. 989 Stellvertretend zur subjektiv-rechtlichen Deutung Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1041; zur kompetenzrechtlichen Interpretation Knemeyer, Gewährleistung (Fn. 965), S. 219 f.; ­Waechter, Einrichtungsgarantien (Fn. 965), S. 65. 990 Für einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand wohl das BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (152) – Rastede; Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 128, meint sogar erkennen zu können, dass das BVerfG in der Rastede-Entscheidung eine verfassungsunmittelbare Aufgabenqualifikation ausdrücklich herausstelle, obwohl er später der Auffassung ist, dass der Schutzbereich stark normgeprägt sei Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 818; anscheinend diametral anders deutet die Rastede-Entscheidung Schoch, Situation (Fn. 984), S. 29; für einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand wohl auch BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (383) – Krankenhausumlage, sowie BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, 2434/04, BVerfGE 119, 331 (352 f.) – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften, in denen das Gericht einen Vergleich zu den Gemeindeverbänden zog. 991 BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR  1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (143)  – ­Rastede; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (12) – Verwaltungsgemeinschaften: „Aufgabenkreis und Organisationsbefugnisse, die den Gemeinden zustehen, werden durch die Vorgaben des Gesetzgebers bestimmt.“; nicht vollends eindeutig BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (157 Rn. 115) – Optionskommune, wo das Gericht zwar einerseits klarstellte, dass der gemeindliche Aufgabenbestand nicht auf eine legislative Zuweisung angewiesen ist („Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG [scil. im Gegensatz zum zuvor genannten Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, M. J.] knüpft lediglich an die vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgaben an“), andererseits aber auch konstatierte: „Hat der Gesetzgeber Kreisen und Gemeinden Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen, fällt deren Erledigung grundsätzlich in den Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG.“

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

rauf schließen, dass das Gericht in der Tendenz eher einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand annimmt992. Einige Stimmen im Schrifttum meinen in diesen Tönen des Gerichts sogar einen „Kurswechsel“ hin zur einer unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Aufgabenzuweisung an die Gemeinden ausmachen zu können993. Gegen einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand spricht zuerst der Wortlaut: Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG muss Gemeinden das Recht „gewährleistet sein“994. Gewährleisten bedeutet lexikalisch so viel wie „dafür sorgen“, „eine Gewähr dafür sein, dass etwas sichergestellt, nicht gefährdet ist“995. Anders als die Ausdrücke „achten“, „schützen“ oder dergleichen, deutet der Ausdruck „gewährleisten“ mehr darauf hin, dass den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln, erst noch durch einen nicht im Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG näher beschriebenen Rechtserzeuger zugestanden werden muss996. Das Grundgesetz gebraucht das Wort „gewährleisten“ an mehreren Stellen allerdings anscheinend sinnvariabel997. Im Parlamentarischen Rat herrschte zum Teil vermut 992

BVerfG 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (20 Rn. 56) – Schulnetzplanung; wortgleich auch BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (224 Rn. 81) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt: „Steht der Entzug einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Raum, wandelt sich die für die institutionelle Garantie typische Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers praktisch zum Gesetzesvorbehalt.“ 993 Dietlein / Peters, Selbstverwaltung (Fn. 981), S. 22, sprechen sogar schon von einer „eher versteckte[n], gleichwohl aber höchst beachtliche[n] Kurskorrektur“; ob tatsächlich eine Kurskorrektur vorliegt, erscheint dem Verfasser hier deshalb zweifelhaft, weil das Gericht an anderer Stelle meinte: „Weist eine Aufgabe örtliche und überörtliche Aspekte auf, muss der Gesetzgeber diese bei der Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie angemessen berücksichtigen.“ BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (221 Rn. 73) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 994 Es fand sich sogar die Formulierung, dass den Gemeinden das Recht nicht nur „gewährleistet sein“, sondern, dass ihnen das Recht „gewährleistet werden“ muss. Der Abg. Hoch wies dies als einen Protokollfehler aus s. Deutscher Bundestag / Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. III, 1986, S. 428 Fn. 1a. 995 Dudenredaktion (Hrsg.), s. v. gewährleisten, in: Duden-Online, abrufbar unter: www. duden.de/rechtschreibung/gewaehrleisten (zuletzt abgerufen am 12. 11. 2020). 996 Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 129, bspw. meint ausgehend vom Wortlaut, dass ein solches Verständnis nahe liege. – Etymologisch handelt es sich bei dem Wort „gewährleisten“ um eine seit dem 19. Jh. zusammengerückte Form der Wendung „Gewähr leisten“. Diese Wendung geht zurück auf das Verbum „gewähren“, was so viel bedeutet wie „zugestehen, zukommen lassen“ W. Pfeifer u. a. (Hrsg.), Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 1993, digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, s. v. gewährleisten, abrufbar unter: www.dwds.de/wb/gewährleisten (zuletzt abgerufen am 12. 11. 2020); zum Wort „gewähren“ s. auch F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 22. Aufl. 1989, Sp. 264. – Dafür, dass Art. 28 II eine Verpflichtung der Länder enthält, ihrerseits die Selbstverwaltung zu gewährleisten Püttner, Selbstverwaltung (Fn. 10), § 144 Rn. 20; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 127; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 97. 997 Art. 4 II GG: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“; Art. 5 II 2 GG: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“; Art. 7 IV 1 GG: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird ge-

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lich die Auffassung vor, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nur Mindestanforderungen an die Landesverfassungen stellt. Aus diesem Grund sprach sich der Parlamentarische Rat gegen den Formulierungsvorschlag, „Die Gemeinden haben das Recht“ aus, weil er davon ausging, dass „das Gemeinderecht Sache der Länder“ sei998 und entschied sich für die jetzige Formulierung. Im Ergebnis darf man das Wort „gewährleisten“ als Indiz gegen einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand nicht überschätzen999. Im Beratungsverlauf des Parlamentarischen Rates, der für den Bedeutungsgehalt eines Wortes aufschlussreich sein kann, variierten sodann die Formulierungsvorschläge: Dort findet sich anstatt der Formulierung „gewährleisten“ die Wendung, dass das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände „geschützt“ sein soll1000. An anderer Stelle hieß es, dass das Recht der Gemeinden „zu achten“1001, „zu gewähren“1002 oder „einzuhalten“1003 sei. In späteren Sitzungen kam der Vorschlag auf, schlicht davon währleistet.“; Art. 9 III 1 GG: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.“; Art. 13 VI 3 GG: „Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.“; Art. 14 I 1 GG: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“; Art. 16a III 1 GG: „Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“; Art. 23 I 1 GG: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.“; Art. 29 I 1 GG: „Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.“ [alle Kursivierungen nicht im Original M. J.]. 998 Abg. Dehler wies den Vorschlag des Abg. Greve in der fünften Sitzung des Hauptausschusses am 18. 11. 1948 zurück: „[D]as Gemeinderecht ist Sache der Länder. Wir können nur für die Länderverfassungen Grundsätze aufstellen und den Länderverfassungen die Auflage machen, daß das Selbstverwaltungsrecht gewährleistet wird. Deshalb bitte ich, den ersten Satz zu lassen, wonach den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung gewährleistet werden muß“ Deutscher Bundestag / Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. XIV, Teilband 1, 2009, S. 153 – Anders deutet Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 83 Fn. 396, die Entstehungsgeschichte, obgleich er einen Beleg in den Beratungen des Parlamentarischen Rates schuldig bleibt. 999 Gänzlich unbedeutend ist die Wortwahl freilich nicht, s. dazu die Ausführungen zur Pflicht zum schützenden Tätigwerden der Verpflichtungsadressaten. 1000 Abg.  v.  Mangoldt in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 307, 309, 311. 1001 Erneut Abg. v. Mangoldt in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 309; so auch Abg. Suhr, ebd., S. 309. 1002 Abg. Schmid in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 309 f. 1003 Abg.  v.  Mangoldt in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 309.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

zu sprechen, dass die Gemeinden ein Recht haben1004. Schließlich einigte man sich auf die Formulierung „gewährleisten“. Was den Parlamentarischen Rat konkret zu der Formulierung veranlasste, dass den Gemeinden das Recht gewährleistet sein muss, kann nur vermutet werden. Dem Parlamentarischen Rat lag viel daran, sicherzustellen, dass in der Formulierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG deutlich wird, dass dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht zusteht1005. Im Ergebnis spricht die Formulierung „gewährleisten“ somit nicht zwingend gegen einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand1006. Für einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand spricht Art. 28 Abs. 3 GG. In Art. 28 Abs. 3 GG heißt es: „Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.“ Bei Art. 28 Abs. 3 GG soll es sich um ein rechtlich bindendes Versprechen des Bundes handeln1007. Dieses ist nach dem Normtext darauf gerichtet, dass „die verfassungsmäßige Ordnung der Länder“ unter anderem den Anforderungen der Absätze 1 und 2 entspricht. Trotz leichter normtextlicher Abweichung soll die Wendung „die verfassungsmäßige Ordnung der Länder“ wie die Wendung „[d]ie verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern“ in Absatz 1 aufzufassen sein1008. Der Bund legt sich damit die Selbstverpflichtung auf, dass er dafür Sorge trägt, dass (zumindest) die Landesgesetzgebung, d. h. die abstrakt-generellen Regelungen, den normativen Vorgaben der ersten beiden Absätze entspricht. Wäre die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in der Ausprägung der Aufgabengarantie von einer vollumfänglichen legislativen Ausgestaltung abhängig, die wegen der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung für das Kommunalrecht vorrangig den Ländern obliegt, so würde eine Gewährleistungspflicht des Bundes ohne verfassungsunmittelbare Substanz in Absatz  2 Schwierigkeiten bereiten. Einen Grundbestand an gemeindlichen Aufgaben, welcher der Bund mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet, muss daher verfassungsunmittelbar garantiert sein1009. Anders als bei den Gemeindeverbänden spricht das Grundgesetz nicht von einem „gesetzlichen“ Aufgabenbereich. Diese Abweichung spricht gleichfalls für eine 1004 So der Vorschlag des Abg. Greve, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamenta­ rische Rat XIV/1 (Fn. 998), S. 152. 1005 So schon die Bedenken der CDU / CSU-Fraktion im Beschluss v. 17. 10. 1948 s. zehnte Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung am 08. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag /  Bundesarchiv, Parlamentarische Rat III (Fn. 994), S. 414 Fn. 21a; dafür auch der Wortbeitrag des Abg. Dehlers in der fünften Sitzung des Hauptausschusses am 18. 11. 1948, Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Rat XIV/1 (Fn. 998), S. 153; kompetentielle Bedenken als Grund für die gewählte Formulierung nimmt auch an Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1039, 1041. 1006 Mit dieser Deutung der Entstehungsgeschichte auch Engel-Boland, Satzungsrecht (Fn. 988), S. 20; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 97. 1007 Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 116. 1008 Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 123; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 168; V. Mehde, in: Maunz /  Dürig, GG III (Fn. 289), Art. 28 Abs. 3 (Dezember 2015), Rn. 6; eingehender zur Bedeutung des Rechtsbegriffs der „verfassungsmäßige[n] Ordnung“ 3.  Teil B. I. 3. b) cc) (2) (b) (S. 378 ff.).  1009 Gleichsinnig Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 98.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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verfassungsunmittelbare Aufgabengarantie der Gemeinden1010. Ob diesen Befund der Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat bestätigt, erscheint jedoch zweifelhaft1011. Im Parlamentarischen Rat finden sich einzelne Äußerungen, die für, aber auch gegen einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand der Gemeinden sprechen. In der Tendenz überwiegen allerdings die Äußerungen, die darauf hindeuten, dass die Mehrheit der Mitglieder des Parlamentarischen Rates von einem Aufgabenbestand der Gemeinden ausging, der nicht auf die Zuweisung durch den (Landes-)Gesetzgeber angewiesen ist1012.

1010

Zum Aufgabenbestand der Gemeindeverbände in Abgrenzung zum gemeindlichen Aufgabenbestand Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 263; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 79; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 236 f.; BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1967 – 2 BvL 28/63, BVerfGE 21, 117 (128 f.)  – Kommunale Baudarlehen; BVerfG, Beschl. v.  21. 05. 1968  – 2  BvL  2/61, BVerfGE 23, 353 (365)  – Kreisumlage; BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (150) – Rastede; BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (383) – Krankenhausumlage; jüngst BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (226 Rn. 85) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt: „Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG sichert den Gemeindeverbänden – und damit den Kreisen – anders als Art. 28 Abs. 2 Satz  1  GG den Gemeinden gerade keinen bestimmten Aufgabenbereich.“; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 86; vorsichtiger dagegen Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 57. Teile des Schrifttums und der Rspr. halten nicht die Formulierung des „gesetzlichen“ Aufgabenbereichs für ausschlaggebend, sondern anscheinend die Wendung „nach Maßgabe“ der Gesetze Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 161; BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (157 Rn. 114) – Optionskommune: „Die kommunale Selbstverwaltung der Gemeindeverbände besteht insoweit nur nach Maßgabe der Gesetze [Kursivierung nicht im Original, M. J.].“ – Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 129, begründet einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand gleichermaßen mit Art. 28 II 2 GG, jedoch augenscheinlich mit einem anderslautenden Argument: „Art. 28 II 2 GG spricht […] davon, dass ‚auch‘ die Gemeindeverbände das Recht der Selbstverwaltung ‚haben‘ und gewährt ihnen demnach unmittelbar ein Selbstverwaltungsrecht. Wenn den Gemeindeverbänden ein solches Recht zukommt, hat der Grundgesetzgeber es den Gemeinden nicht vorenthalten.“ Auch er geht aber davon aus, dass die Gemeindeverbände auf eine Aufgabenzuweisung angewiesen sind: Ihnen wird zwar das Selbstverwaltungsrecht verfassungsunmittelbar garantiert, jedoch bedarf es der vorherigen Aufgabenzuweisung, ebd., S. 133; gleichlautende Begründung wie Lenz auch Engel-Boland, Satzungsrecht (Fn. 988), S. 20. 1011 Der Unterschied des gemeindlichen und gemeindeverbandlichen Aufgabenbestands war ausdrücklich Gegenstand der Beratungen des Parlamentarischen Rates z. B. Abg. v. Mangoldt in der zwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 10. 11. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 537. Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 85, meint dagegen, dass die „entstehungsgeschichtliche Analyse […] diese [scil. unterschiedliche Aufgabenbestände von Gemeinden und Gemeindeverbänden, M. J.] Annahme“ bestätige, wobei er sich für seine Analyse augenscheinlich allein auf die Zusammenfassung des Beratungsverlaufs in P. Häberle (Hrsg.), Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, 2010, S. 253 (Neuausgabe des JöR 1 [1951]), beschränkt. 1012 Die Genese des Art. 28 II 1 GG spricht für einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand der Gemeinden. Eingebracht in die Beratungen wurde die Selbstverwaltungsgarantie erstmals von Abg. Hoch in der fünften Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 29. 09. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesrat, Parlamentarische Rat III (Fn. 994), S. 239 ff.; wiederholt von ihm in der zehnten Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung am 08. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat III (Fn. 994), S. 413 ff. Sein Vor-

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schafft das Grundgesetz den Gemeinden damit einen Rahmen, innerhalb dessen sich die Gemeinden zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ohne besonderen Zuständigkeits- und Kompetenztitel zulässigerweise betätigen dürfen1013. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG weist den Gemeinden generalklauselartig also nicht nur einen Bereich zu, in dem sie verfassungsunmittelbar über einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen, sondern zugleich auch einen Bereich, der den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG genießt. Der Schutz durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sowie das Bestehen eines Zuständigkeits- und Kompetenztitels gehen Hand in Hand: Genießt die Gemeinde keinen verfassungsrechtlichen Schutz, weil sie keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllt, verfügt sie zugleich über keinen Zuständigkeits- oder Kom-

verständnis kommunaler Selbstverwaltung, das allerdings nicht unwidersprochen blieb, fasste er selbst wie folgt zusammen und schilderte seine Erfahrungen aus Preußen: „Wir haben bei uns einen gewissen Unterschied – ich nehme an, in Bayern wird es nicht viel anders sein – zwischen Staatsverwaltung und Kommunalverwaltung, und zwar insoweit, als wir bei Staatsverwaltung der Verwaltung doch nur diejenigen Aufgaben geben, die mehr oder weniger durch Gesetz ihr zugewiesen sind, […] während man bei uns andererseits sagt, die Universalität, die Totalität der Aufgabe liegt nicht beim Staat, sondern liegt bei uns in Preußen bei den Gemeinden. Die Gemeinde kann jede Aufgabe so ungefähr heißt es in den Wirkungsbereich ihrer Tätigkeit ziehen, die nicht durch ein Gesetz einer anderen Stelle überwiesen ist, während die staatlichen Verwaltungsstellen nur diejenigen Aufgaben wahrnehmen können, die ihnen aufgrund eines Gesetzes zustehen, sowohl innerhalb der Gesamtnation als auch im Einzelfall.“; für einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand der Gemeinden auch die Äußerung des Abg. Bergsträsser in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 308, der meinte: „daß die Gemeinden und Gemeindeverbände dagegen geschützt werden sollen, daß das Land die Aufgaben zentral löst, die eigentlich ihre Sache wären.“ Gemeinden müssen damit unabhängig von einer legislativen Aufgabenzuweisung Aufgaben zustehen; in die gleiche Richtung deuten die meisten Äußerungen in der Diskussion um eine Legaldefinition der gemeindlichen Selbstverwaltung Abg. v. Mangoldt meinte in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 308, den „Gemeinden […] wird eine gewisse Substanz gewährleistet“; ähnlich Abg. Schmidt in derselben Sitzung, der eine widerlegliche Vermutung zugunsten der Gemeinden bestärkte: „Der Grundsatz der Selbstverwaltung ist, daß die Gemeinden generell alle auf ihrem Territorium anfallenden Aufgaben erledigen, es sei denn, daß eine andere Zuständigkeit gesetzlich gegeben ist.“; in diese Richtung auch die nicht weiter diskutierte Schilderung der Rspr. aus Württemberg durch Abg. Zimmermanns in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 310, der die Aussage „daß den Gemeinden ein Selbstverwaltungsrecht überhaupt nicht zustehe, sondern daß es ihnen nur vom Staat gewährt wird“ mit einem „sogar“ apostrophierte; auch der Beitrag des Abg. Schmidt in der zwölften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 15. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 313, in dem er Bedenken gegen einen Formulierungsvorschlag mit der Begründung erhob, dass es dann sein könne, „daß ein Gesetz eine Aufgabe [der Gemeinden, M. J.] kassiert“, deutet auf einen bereits bestehenden Aufgabenbestand der Gemeinden hin. 1013 BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR  1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (146)  – ­Rastede; BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (235 Rn. 110) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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petenztitel1014. Der Schutzgehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schließt ein, dass die Gemeinden für die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft über einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen. Die verfassungsunmittelbare Aufgabengarantie der Gemeinden ist auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt. Die Definition, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rastede-Entscheidung für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gab, ist nach wie vor aktuell. Sie wurde bereits für die Inhaltsermittlung der (partiell) inhaltsgleichen (einfachgesetzlichen) Wendung „zur Erfüllungen ihrer Aufgaben“ in § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW im Rahmen dieser Untersuchung entfaltet1015. „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solche Aufgaben, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen oder einen spezifischen Bezug darauf haben.“1016 Für die Örtlichkeit kommt es nicht darauf an, wo sich die Aufgabe auswirkt, sondern wo diese anfällt und ob sie sich auf die örtliche Gemeinschaft bezieht1017. Die trennscharfe Bestimmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bereitet aber durchaus Schwierigkeiten1018. Die Analyse des gemeindlichen Aufgabenbestands wird durch eine diffuse Vielfalt von kommunalen Aufgabenarten belastet. Selbstverwaltungsaufgaben werden von anderen Aufgaben unterschieden und abgegrenzt. Am markantesten ist wohl die Unterscheidung zwischen einem sog. eigenen Wirkungskreis der Gemeinden und einem sog. übertragenen Wirkungskreis  – Selbstverwaltungsangelegenheiten werden von Auftragsangelegenheiten geschieden1019. Keinen dieser Begriffe gebraucht das Grundgesetz: 1014 Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 55; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 173; sehr zutreffend daher H. D. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG16 (Fn. 698), Art. 28 Rn. 20: „Die Grenzen des Schutzbereichs sind zugleich Kompetenzgrenzen [Kursivierung im Original, M. J.]“. 1015 Zur Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (151 f.) – Rastede; aufgegriffen etwa von BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (220 Rn. 70) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt; weitere Nachweise s. Fn. 579. 1016 Nachweise Fn. 1015. 1017 T.  Clemens, Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 834 (840 f.). – Relevant ist dies etwa für die Beplanung des Gemeindebodens. Die Gestaltung der Bodennutzung fällt in den eigenverantwortlich von den Gemeinden zu erfüllenden Aufgabenbereich, statt Vieler Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 67 f.; zur Planungshoheit auch BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (312) – Flugplatz Memmingen. Weil es für die Zuordnung zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht drauf ankommt, wo sich die Planung auswirkt, verliert z. B. die Planung von Großvorhaben, welche überörtliche Wirkungen aufweisen, nicht a priori den Bezug zur Selbstverwaltung. Gleiches gilt etwa auch für die ‚eingeschränkt gemeindeinterne Wirtschaftsbetätigung‘. 1018 Zur Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sowie den unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen mit weiteren Nachweisen vgl. Fn. 585 sowie 586. 1019 Zu den unterschiedlichen kommunalen Aufgabenarten exemplarisch E. Schmidt-Jortzig, Gemeinde- und Kreisaufgaben, in: DÖV 1993, S. 973 (974 ff.); Lange, Orientierungsverluste (Fn. 636), S. 823 f.; A. Gern / C. Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, Rn. 269 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kennt nur Aufgaben, die (noch) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind oder es nicht mehr sind – eine andere Aufgabenkategorie ist dem Grundgesetz nicht bekannt1020. Schon aus diesem Grund verzichtet die Untersuchung auf sie. Die verworrene Vielfalt von Gemeindeaufgaben beruht zum Großteil darauf, dass nicht ausreichend zwischen den unterschiedlichen Ebenen – Bundesverfassungsrecht, Landesverfassungsrecht, einfaches Gesetzesrecht – unterschieden wird. Bei der Diskussion um die handlungsraumbegrenzende Wirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG handelt es sich richtigerweise um eine zuständigkeits- sowie kompetenzrechtliche Frage. Eine Betätigung der Gemeinden ist nur dort zulässig, wo die Gemeinden über einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen. Über einen solchen verfügen sie qua Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (verfassungsunmittelbar) dann, wenn sich die Gemeinden zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betätigen. Einige Stimmen im Schrifttum weisen daher zutreffender Weise darauf hin, dass die Frage der begrenzenden Wirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mit dem Fehlen einer Zuständigkeits- und Kompetenznorm verwechselt wird1021. Für alle Betätigungen jenseits der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verschafft ihnen jedenfalls das Verfassungsrecht keinen Zuständigkeitsoder Kompetenztitel. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt durch das Fehlen einer verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenznorm insoweit begrenzend1022. Zwei oder mehr Gemeinden sind hinsichtlich ein und derselben Aufgabe niemals gleichzeitig gem. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zuständig und kompetent. Die Nachbargemeinde kann sich dann, wenn sich die handelnde Gemeinde bezüglich der konkreten Aufgabe auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen kann, nicht selbst hinsichtlich derselben Aufgabe auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG stützen1023. Das beruht auf der 1020

Auf die Unterscheidung „eigener“ und „übertragener Wirkungskreis“ sowie auf die Unterscheidung nach dem monistischen Aufgabenkreis kommt es nicht an, einführend zu der Unterscheidung Maurer / Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn. 80), § 23 Rn. 13 ff. Tatsächlich orientiert sich daher das sog. dualistische Aufgabenmodell im Gegensatz zum monistischen Modell eher an den Aufgabenkategorien des Grundgesetzes Mehlhaf, Finanzausgleich (Fn. 985), S. 64; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 81; diese Unterscheidung unter Beibehaltung der Terminologie des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises betont auch Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 164 f.; zur Irrelevanz der Unterscheidungen im Kommunalrecht der Länder (Unterteilung von Aufgabenbestand, Rechtsaufsicht etc.) erneut Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 80. 1021 Ausdrücklich Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 49 ff.; Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 58; in der Sache auch Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 407 f., 409, 442, die eine gebietsüberschreitende Betätigung „nur auf Grundlage und nach Maßgabe hierzu ermächtigender Landesgesetze“ für möglich erachtet; zum fehlenden Schutz der Betätigung durch Art. 28 II 1  GG und dem Fehlen einer Zuständigkeits- und Kompetenzgrundlage, wenn die Betätigung nicht mehr in der Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft liegt; wohl auch Wolff, Fragen (Fn. 676), S. 723 f.; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 35; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 5, 55. 1022 Statt Vieler Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 136; Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 49, 51; Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 409. 1023 Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 137 ff.; Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 51.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Überlegung, dass eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft auf die örtliche Gemeinschaft, d. h. (primär) die Einwohner und das Gebiet der jeweiligen Gemeinde Bezug nimmt. Da die Einwohner entweder nur der einen oder der anderen Gemeinde angehören können, ist die Zuordnung einer Angelegenheit zu der einen oder anderen Gemeinde exklusiv. Wichtig ist, die konkrete Aufgabe exakt zu erfassen. Unabhängig von einer zwischengemeindlichen Wirkweise von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fehlt der Nachbargemeinde hinsichtlich der von der handelnden Gemeinde wahrgenommenen Aufgabe eine durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vermittelte Rechtsposition, welche die handelnde Gemeinde beeinträchtigen könnte, wenn Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der handelnden Gemeinde die Zuständigkeit und Kompetenz für diese Aufgabe zuweist. Wenn man so will, bestehen die gemeindlichen Kompetenzen insoweit tatsächlich überschneidungslos nebeneinander1024. Aus einem kompetentiellen Nebeneinander von Gemeinden folgt nicht, dass sich die Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen mit den Gebietsgrenzen von Gemeinden eins zu eins decken. Das Gemeindegebiet als Zuständigkeits- und Kompetenzgrenze hat verfassungsrechtlich verschiedene Bedeutungen: Erstens hat das Gemeindegebiet eine Indizfunktion für die Ermittlung (gemeindlicher) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Das Gebiet als solches ist für den verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenzbereich, der sich allein nach den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bestimmt, als ein eigenständiges Kriterium allerdings bedeutungslos. Es ist einerseits denkbar, dass das durch den Gesetzgeber bestimmte Gemeindegebiet1025 entweder kleiner ist als der Bereich, in dem die Gemeinden verfassungsunmittelbar Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erledigen dürfen, andererseits, dass das Gemeindegebiet größer ist, als der Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft1026. Verfassungsrechtlich bedeutet ein Gebiet, das über den Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinausgeht, dass der Landesgesetzgeber durch die Regelungen in den Gemeindeordnungen in Zusammenschau mit den landesverfassungsrecht­lichen Bestimmungen1027 zugunsten der Gemeinden eine Zuständigkeitsvermutung sta-

1024

Ähnlich Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 144 f. Das Gemeindegebiet ist auf eine gesetzliche Bestimmung angewiesen BVerfG, Urt. v. 30. 07. 1958 – 2 BvG 1/58, BVerfGE 8, 122 (132). 1026 Mit einem solchen Fall, in dem das Gemeindegebiet den Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überschreitet, setzt sich auseinander P. Wendel, Das Ergebnis der Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt – Gemeinden ohne örtliche Gemeinschaft?, in: LKV 2011, S. 488 (488 ff.). – Es ist denkbar, dass gesetzliche Gebietsbestimmungen für die Zukunft auf den Umfang der verfassungsrechtlichen örtlichen Gemeinschaft zurückwirken, zum Einfluss des Gesetzesrechts auf die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft s. Fn. 1533. 1027 Art. 78 II LVerf NRW bspw. formuliert: „Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind in ihrem Gebiet die alleinigen Träger der öffentlichen Verwaltung, soweit die Gesetze nichts anderes vorschreiben.“ § 2 GO NRW lautet: „Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung.“ 1025

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tuiert1028. Die Regelungen weiten den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich der Gemeinden aus und schaffen einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel für innergebietliche, an sich aber den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft übersteigende Betätigungen1029. b) Zwischengemeindliche Konflikte trotz überschneidungslosen Nebeneinanders gemeindenachbarlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen Für ein brauchbares Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung führt der beschriebene Weg eines überschneidungslosen Nebeneinanders von Zuständigkeits- und Kompetenzbereichen der Gemeinden dennoch in die Irre. Zumindest ist die Lösung von Konflikten zwischen Gemeinden mit einem rein kompetentiellen Ansatz nicht genügend. Ein überschneidungsloses Nebeneinander der Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche von Gemeinden genügt aus mindestens zwei Gründen nicht, um Konflikte zwischen Gemeinden auf Initiative der Nachbargemeinden lösen zu können. Erstens blendet eine solche Argumentation die erheblichen Schwierigkeiten aus, die mit der Bestimmung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft rechtspraktisch einhergehen. Wie überschneidungslos sind Zuständigkeiten in praxi, wenn ihre Bestimmung nicht trennscharf gelingt? Schwerer wiegt zweitens, dass es Konstellationen gibt, die – obschon Zuständigkeiten und Kompetenzen der Gemeinden hinsichtlich ein und derselben Aufgabe überschneidungslos sind – dennoch im hohen Maße konfliktgeneigt sind: – In der ersten Konstellation betätigt sich die Nachbargemeinde, um eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen. Erfüllt die Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft und steht ihr deshalb ein verfassungsunmittelbarer Zuständigkeits- und Kompetenztitel für diese Betätigung zu, so kann dieselbe Aufgabe, die sie mit ihrer Betätigung erfüllt, nicht zugleich eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde sein. Nur eine Gemeinde genießt den Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Hinsichtlich derselben Aufgabe befriedigt die Annahme eines überschneidungslosen Nebeneinanders der Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche das Bedürfnis nach Konfliktbewältigung, wenn die handelnde Gemeinde eine eigene Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt. – In der zweiten Konstellation kann sich die Betätigung der handelnden Gemeinde, mit der sie eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt, auf die Erledigung einer (anderen) Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft einer (Nachbar-)Gemeinde (negativ) auswirken. Auswirkungen auf die Erfüllung von Aufgaben, die nicht in den verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgabenbestand 1028

Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 21, 58. Heusch (Fn. 568), § 2 Rn. 1, 8 ff.

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B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fallen, d. h. solchen Aufgaben, die den Gemeinden etwa kraft einfachrechtlicher Zuweisung zufallen, blendet die Untersuchung in dieser Konstellation aus. Die Betätigung der handelnden Gemeinde, mit der sie eine in den Aufgabenbestand des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fallende Aufgabe (gegebenenfalls außergebietlich) erfüllt, kann sich nur auf eine Aufgabe der Nachbargemeinde auswirken, mit der die Nachbargemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllen möchte. Es handelt sich bei der von der handelnden Gemeinde wahrgenommenen und der durch diese Handlung betroffenen Aufgabe der Nachbargemeinde um zwei verschiedene Angelegenheiten im Sinne von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Es kann etwa sein, dass sich die Bauleitplanung der planenden Gemeinde auf den Betrieb eines Schwimmbads der Nachbargemeinde auswirkt. Erfolgt die Bauleitplanung, um die städtebauliche Entwicklung im Gebiet der planenden Gemeinde zu leiten und steuern, erfüllt die Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft. Ebenso erfüllt die Nachbargemeinde mit dem Betrieb eines Schwimmbads eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft. Faktische Auswirkungen und rechtliche Folge­ betroffenheiten, die aus der Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der handelnden Gemeinde resultieren, wirken sich häufig auf die Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der handelnden Gemeinde (negativ) auf die Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde auswirkt, steigt merklich, wenn sich die handelnde Gemeinde außergebietlich, aber noch örtlich betätigt. In diesen Fällen versagt das Argument eines überschneidungslosen Nebeneinanders der gemeindlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche1030. Beide Gemeinden sind für die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe verfassungsunmittelbar zuständig und kompetent. Die Konfliktvorsorge damit erklären zu wollen, dass es nicht zu Konflikten zwischen Gemeinden kommen könne, weil die Zuständigkeiten und Kompetenzen überschneidungslos seien, verkennt eine wesentliche Konfliktursache: Der Konflikt – zumindest in den Konstellationen der faktischen Auswirkungen und rechtlichen Folgebetroffenheiten – resultiert nicht daraus, dass der handelnden Gemeinde eine Zuständigkeit und Kompetenz zukommt, die auch den Nachbargemeinden zusteht. Ebenso ist der Grund für den Konflikt in dieser Konstellation nicht, dass die handelnde Gemeinde unter Missachtung der Zuständigkeits- und Kompetenzordnung außerhalb ihres Zuständigkeits- und Kompetenzbereichs ultra-vires agiert und damit (faktisch) gegebenenfalls (zusätzlich) fremde Zuständigkeiten und Kompetenzen usurpiert. Ganz so unstreitig wie die Aussage Schmidt-Aßmanns, „[d]aß ein Träger demokratischer Kompetenzen die Kompetenzen nicht stören darf, ist unstrei-

1030 Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 136: „[B]loße Auswirkungen“, oder Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595: „Eine bloße Ausstrahlung kommunalen Wirkens auf Fremdgemeinden ohne Kompetenzübergriff ist hiernach tatsächlich unschädlich“.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

tig“1031, ist zumindest die Begründung für eine solche Nicht-Störenspflicht nicht, wenn doch die handelnde Gemeinde selbst über einen verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügt. Offen bleibt, woraus sich die Pflicht ergeben soll, Zuständigkeiten und Kompetenzen anderer Träger nicht zu stören. – In der dritten Konstellation betätigt sich eine Gemeinde außerhalb ihres Gebiets und erfüllt keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft mehr; sie handelt außergebietlich und überörtlich. Die Aufgabe, die sie wahrnimmt, ist aber grundsätzlich eine Aufgabe, die eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft einer anderen Gemeinde sein kann. Es sind folglich Aufgaben, welche abstrakt besehen in die Kategorie der Selbstverwaltungsaufgaben fallen. Es geht nicht um die Wahrnehmung solcher Aufgaben, die den Gemeinden als Staatsaufgaben im engeren Sinne zur Wahrnehmung übertragen wurden. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verleiht der handelnden Gemeinde keine Zuständigkeit und Kompetenz zur Betätigung. Die handelnde Gemeinde genießt folglich auch nicht den Schutz von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und handelt – vorbehaltlich einfachgesetzlicher Zuweisungen (s. dazu die vierte Konstellation) – zuständigkeits- und kompetenzwidrig. Sie usurpiert (faktisch) fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, wenn sie sich außergebietlich und überörtlich betätigt. Hier wirkt sich aus, dass das Gebiet, auf dem die Aufgabenerledigung stattfindet, indiziell auch auf die Gemeinschaft hindeutet, der die Aufgabenerledigung zugutekommt. Bei einer außergebietlichen Betätigung der einen Gemeinde steht widerleglich zu vermuten, dass es sich eher um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft derjenigen Gemeinde handelt, in deren Gebiet die Betätigung erfolgt. Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG weist stattdessen der Nachbargemeinde die (verfassungsunmittelbare)  Zuständigkeit und Kompetenz für diese Aufgabe zu und verbürgt bundesverfassungsrechtlich ihre Zuständigkeit und Kompetenz1032. Obwohl der handelnden Gemeinde kraft der Zuständigkeits- und Kompetenzordnung ein Handeln ultra-vires untersagt ist, handelt sie gelegentlich trotzdem; teilweise in Unkenntnis, teilweise im bewussten Rechtsungehorsam. Die Zuständigkeitsund Kompetenzübertretung der handelnden Gemeinde führt zu der Verfassungswidrigkeit ihres Handelns. Nicht gesagt ist damit zugleich, dass die Nachbargemeinde für eine wirksame Konfliktbewältigung die Usurpation abwehren kann. Als Instrument zur Konfliktbewältigung ist die Abgrenzung anhand von

1031 Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 810; von einem „Gebot an alle anderen Verwaltungseinheiten, vorbehaltlich einer eigenen Zuständigkeit, nicht in den Zuständigkeitsbereich anderer Kompetenzträger einzugreifen“, geht auch aus Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 47; dazu bereits Fn. 976. 1032 Zutreffend deshalb Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 407: „Nimmt die Erfüllung kommunaler Aufgaben durch Gemeinden außerhalb ihres Territoriums nicht an der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG teil, berührt die gebietsüberschreitende [scil. ergänze: und überörtliche, M. J.] kommunale Wirtschaftsbetätigung umgekehrt [Kursivierung nicht im Original, M. J.] das Recht zur Selbstverwaltung der betroffenen Gemeinde, in deren Gebiet die Betätigung erfolgt.“

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

331

Zuständigkeiten und Kompetenzen im Verhältnis von Gemeinden zueinander nur von einem eingeschränkten Wert. – In der vierten Konstellation erfüllt die handelnde Gemeinde wie in der dritten Konstellation keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Der Bundes­ gesetzgeber oder der jeweilige Landesgesetzgeber weist der handelnden Gemeinde jedoch einfachrechtlich einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel für die Aufgabenwahrnehmung zu. Der Gesetzgeber delegiert keine staatlichen Aufgaben, sondern gestattet der einen Gemeinde, Aufgaben wahrzunehmen, die an sich anderen Gemeinden als Selbstverwaltungsaufgabe verfassungsunmittelbar zustehen. Im Gemeindewirtschaftsrecht eröffnen etwa § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW den Gemeinden in einem Teil ihrer handlungsraumerweiternden Anwendungsbereiche die außergebietliche und überörtliche Betätigung (‚gemeindeexterne gemeindewirtschaftliche Betätigung‘). Ähnliches gilt für die nur ausnahmsweise zulässige Errichtung einer Sparkassenzweigstelle im Gebiet eines fremden Trägers nach § 1 Abs. 2 S. 2 SpkG NRW. Die Sparkasse und ihr Träger werden jenseits ihres ihnen verfassungsunmittelbar zugewiesenen Aufgabenbestands der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft tätig, wenn die Zweigstelle trägerfremde Einwohner geld- und kreditwirtschaftlich versorgen soll. Die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung geht zulasten der Nachbargemeinde, die sich eigentlich der nun auch der anderen Gemeinde qua einfachrechtlicher Zuweisung erlaubten Aufgabenwahrnehmung annehmen dürfte1033. Dieser Konstellation soll ein eigener Abschnitt gewidmet werden1034. c) Vermeidung des zwischengemeindlichen Konflikts durch verfassungsunmittelbare Reduzierung des gemeindlichen Aufgabenbestands In jeder der oben beschriebenen Konstellationen kann es zu einem zwischengemeindlichen Konflikt kommen, obgleich Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG hinsichtlich ein und derselben Aufgabe die Zuständigkeiten und Kompetenzen von Gemeinden überschneidungslos zuweist. Entscheidend ist, dass das Handeln der einen Gemeinde (potentiell) negative Effekte auf eine verfassungsrechtlich geschützte Position der Nachbargemeinde hat. Es scheiden Konstellationen aus der Betrachtung aus, in denen das Handeln der einen Gemeinde keine (negativen) Effekte auf die Verfassungsrechtsposition der Nachbargemeinde haben kann. Zwei Situationen sind in diesem Abschnitt der Arbeit von besonderem Interesse: Die handelnde Gemeinde erfüllt erstens mit ihrer Betätigung eine eigene Angelegenheit der ört-

1033

Die einfachgesetzliche Kompetenzerweiterung bewirkt nicht den Aufgabenverlust der nach Art. 28 II 1 GG zuständigen (Nachbar-)Gemeinde Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 203 f.; eingehend 3.  Teil B. II. 2. b) bb) (1) (a) (S. 489 ff.). 1034 Dazu 3.  Teil B. 2. II. b) (S. 484 ff.).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

lichen Gemeinschaft. Die Betätigung hat zugleich negative Effekte auf die Wahrnehmung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde. Die handelnde Gemeinde erfüllt zweitens bewusst oder unbewusst eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft einer anderen Gemeinde, ohne dass sie mit dieser Betätigung selbst eine (eigene) Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt und über einen einfachgesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügt. Sie usurpiert mit anderen Worten (faktisch) eine fremdgemeindliche Zuständigkeit und Kompetenz. Fraglich ist, ob sich die Kollisionen konfligierender Aufgabenwahrnehmungen in der ersten Konstellation vermeiden lassen1035. Ein Weg zur Konfliktvermeidung wäre die Reduktion der verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestände der Gemeinden in ihrem wechselseitigen Verhältnis1036. Die Konfliktlösung ginge so einseitig zulasten derjenigen Gemeinden, deren Handeln sich negativ auf die Nachbargemeinden auswirken. Die handelnde Gemeinde genösse nur hinsichtlich der Erledigung einer Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft Schutz und würde nur über einen verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügen, wenn sie andere Gemeinden durch die Aufgabenwahrnehmung nicht beeinträchtigt1037. Vergleichbare Ansätze diskutiert das grundrechtsdogmatische Schrifttum im Bereich konfligierender (grundrechtlicher) Freiheitsausübungs­ansprüche. Grundrechtsdogmatisch ist Vieles umstritten1038. 1035

Weil die Zuordnung einer Zuständigkeit und Kompetenz mit der Garantie eines Aufgabenbestands der Gemeinden, der alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfasst, Hand in Hand gehen, anders gesagt der Schutz der Aufgabengarantie des Art. 28 II 1 GG gerade darin liegt, dass Gemeinden bestimmte Zuständigkeiten und Kompetenzen zustehen, kann neben kompetenzrechtlichen Bildern wie der Zuständigkeitskonkurrenz auch das Bild der Kollision von Selbstverwaltungsrechten zum Tragen kommen s. zum Bild der Grundrechtskollision als der „Widerstreit[s] der Freiheitsrechte von zwei oder mehreren Grundrechtsinhabern mit der Folge gegenseitiger oder wechselseitiger Freiheitsbegrenzung“ H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: Merten / Papier, HGR III (Fn. 77), § 72 Rn. 1, insb. zu anderen Begriffen Rn. 27 f.; monographisch H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977. 1036 Wie sich noch zeigen wird, kollidieren eher die modalen Gewährleistungen des Art. 28 II 1 GG. 1037 Mit dieser Tendenz andeutungsweise Hoppe, Gemeindenachbarklagen (Fn. 258), S. 319; einen ähnlichen Ansatz, jedoch mit der gegenteiligen Schlussfolgerung verfolgt Britz, Funktion (Fn. 564), S. 386, die  – in Parallele zur Schutzbereichsbestimmung bei der Berufsfreiheit  – Schutz vor Konkurrenz von vornherein aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 28 II 1 GG ausnimmt: „Eine Gemeinde ist durch Art. 28 II 1  GG nicht vor wirtschaftlicher Konkurrenz geschützt. Das ist wenig streitig, sofern es um Konkurrenz durch private Unternehmen geht. Es ist dann aber nicht recht einzusehen, warum eine Gemeinde vor Konkurrenz geschützt sein soll, wenn hinter dem konkurrierenden Unternehmen eine Nachbarkommune steht. Außerhalb der gesetzlich dem Staat vorbehaltenen Aufgabenbereiche, müssen Kommunen wie jeder andere Marktteilnehmer mit Konkurrenz rechnen, sei es von privaten Wettbewerbern oder von den Unternehmen der Nachbargemeinden“. 1038 Monographisch B. Rusteberg, Der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt, 2009, S. 76 ff.; K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, 2011. Exemplarisch seien etwa – bei stark schwankender Terminologie – die grundlegende Kritik am dreistufigen Aufbau der Grund-

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Ungeachtet der Frage, ob die in der Grundrechtsdogmatik vorgeschlagenen Modelle überzeugen können, überzeugen sie für den Aufgabenbestand der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht. Durchgreifende Bedenken gegen eine tatbestandliche Reduktion des gemeindlichen Aufgabenbestands ergeben sich daraus, dass die faktischen Auswirkungen außerordentlich vielgestaltig und häufig vom Zutun Dritter abhängig sind. Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher, diffuser Effekte ist es kaum möglich, sicher Auskunft darüber zu geben, ob aus diesem Grund der Aufgabenbestand einer Gemeinde tatbestandlich zu reduzieren ist. Die Auswirkungen unterscheiden sich zudem erheblich in ihrer Intensität. Neben die Unsicherheiten, welche Auswirkungen überhaupt eine Reduktion rechtfertigen könn(t)en, tritt die Unsicherheit, ab welcher Intensität eine solche angezeigt ist. Nicht nur die unübersehbaren Schwierigkeiten bei der Bestimmung des gemeindlichen Aufgabenbestands der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“, sondern zusätzlich etwaige verfassungsunmittelbare Reduktionen des Aufgabenbestands würden den Bedürfnissen einer klaren Zuständigkeits- und Kompetenzordnung zuwiderlaufen1039. Eine generelle Aussage, wann es zu einer Reduktion des gemeindlichen Aufgabenbestands kommen soll, wenn sich die Betätigung zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft auf Nachbargemeinden auswirkt, ist nicht möglich. Die Lösung kann nicht darin liegen, jeden Effekt zum Anlass einer verfassungsunmittelbaren Reduktion und Begrenzung des gemeindlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereichs zu nehmen. Für die rechtlichen Folgebetroffenheiten hinge die Entscheidung einer Reduktion des Aufgabenbestands sogar davon ab, ob der Gesetzgeber an die Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden tatbestandliche Folgebindungen der Nachbargemeinden anknüpft. Der Gesetzgeber hätte es damit in der Hand, einen rechtsprüfung oder der Streit um eine enge Auslegung grundrechtlicher Schutzbereiche genannt. Was die unterschiedlichen Ansätze trotz unterschiedlicher Vorverständnisse und grundrechtstheoretischer Grundannahmen eint: Sie alle sind von dem Bemühen getragen, Grundrechtswahrnehmungskonflikte zu vermeiden. Einige Ansätze knüpfen bereits auf Tatbestandsebene an. Der Schutzbereich eines Grundrechts soll von vornherein so bestimmt werden, dass nur solche Verhaltensweisen des Grundrechtsträgers eingeschlossen sind, die zu keinen Grundrechtskollisionen oder Konflikten mit anderen Rechtsgütern führen H.-J. Papier, Vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, in: Merten / ders., HGR III (Fn. 77), § 64 Rn. 8. Aus der Diskussion um „weite“ oder „enge“ Schutzbereiche E.-W. Böckenförde, Schutzbereich, Eingriff, verfassungsimmanente Schranken, in: Der Staat 42 (2003), S. 165 (165 ff.); W. Hoffmann-Riem, Enge oder weite Gewährleistungsgehalte der Grundrechte?, in: ders. (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft, 2004, S. 407 (407 ff.); W. Kahl, Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsstaat, in: Der Staat 43 (2004), S. 167 (167 ff.); W. Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung unter Rationalitätsanspruch, in: Der Staat 43 (2004), S. 203 (203 ff.); D. Merten, Grundrechtlicher Schutz­ bereich, in: ders. / Papier, HGR III (Fn. 77), § 56 Rn. 58 ff. Ähnlich die Auseinandersetzung um verfassungsimmanente Grenzen und Schranken der Grundrechte D. Merten, Immanente Grenzen und verfassungsunmittelbare Schranken, in: ders. / Papier, HGR III (Fn. 77), § 60 Rn. 9 ff., 73; zu den verfassungsimmanenten Schranken Papier, Grundrechte (Fn. 1038), § 64 Rn. 8. 1039 Oebbecke, Mehrfachzuständigkeiten (Fn. 692), S. 1127; zum rechtsstaatlich fundierten sog. Gebot der Kompetenzklarheit H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II (Fn. 17), Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 142.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand durch unzählige Folgebindungen für andere Gemeinden zu schmälern. Eine Reduktion des gemeindlichen Aufgabenbestands überzeugt aus den genannten Gründen im Ergebnis also nicht. Eine Reduktion des verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestands würde ohnehin nur einen bescheidenen Beitrag zu der zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung leisten. Zwar genösse die handelnde Gemeinde keinen Schutz durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (mehr) und würde damit auch über keine verfassungsunmittelbare Zuständigkeit und Kompetenz verfügen. Ein brauchbares Instrument zur Unterbindung der gemeindlichen Betätigung wäre den Nachbargemeinden damit nicht an die Hand gegeben, wenn die handelnde Gemeinde sich gleichwohl zur Betätigung entschließt und Rechtsungehorsam walten lässt. Ohne Einfluss auf den Umfang des verfassungsrechtlichen Aufgabenbestands sind unterverfassungsrechtliche Regelungen wie etwa solche des Gesetzesrechts. Das einfache Recht wirkt sich nicht auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgabenbestand der Gemeinden aus, wenn es die Zulässigkeit der Betätigung etwa von der Abstimmung oder der Wahrung der berechtigten Interessen abhängig macht. Grundsätzlich darf der Inhalt der Verfassung nicht vom einfachen Recht her bestimmt werden1040. Der Stufenbau der Rechtsordnung bietet dafür die wirkkräftigste und überzeugendste Begründung1041. Das Unterverfassungsrecht könnte sich allenfalls insoweit auf den Gewährleistungsumfang der kommunalen Verfassungsgarantie auswirken, als dass es die Verfassungsgarantie inhaltlich konkretisiert1042. Die tradierte Lesart des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie schlägt für diesen Ansatz erneut zu Buche. Auf das genaue Verhältnis von Verfassungsgarantie und einfachem Recht kommt es jedenfalls hinsichtlich des gemeindlichen Aufgabenbestands nicht an. Der Aufgabenbestand ist schon keiner Ausgestaltung zugänglich. Etwas anderes mag für das Garantieelement der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Aufgaben gelten1043.

1040 Im Umfeld der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gibt es zum Verhältnis von Verfassungsgarantie und Gesetz keine umfassend angelegten Bearbeitungen. Anders dagegen im Grundrechtsbereich, wo das Verhältnis von Grundrecht und Gesetz in den letzten Jahren vermehrt wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Instruktiv zum Verhältnis von Gesetz zu Grundrecht, vgl. allein die erschienenen Monographien: Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229); M. Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, 2000; U. Mager, Einrichtungsgarantien, 2002, S. 428 ff.; M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005; für die Unionsgrundrechte Michl, Unionsgrundrechte (Fn. 100). 1041 Klassisch Merkl, Prolegomena (Fn. 855), S. 467 ff.; Kelsen, Rechtslehre1 (Fn. 900), S. 62 ff. 1042 Eng verbunden mit der dogmatischen Deutung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist die Auffassung, dass die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ihr konkretes Erscheinungsbild erst durch die gesetzliche Ausformung erhalte, stellvertretend nur Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 707 f. 1043 Eingehend zum Verhältnis des Unterfassungsrechts und dem modalen Gewährleistungselement 3.  Teil B. II. 2. a) (3) (g) (S. 455 ff.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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2. (Unvermittelte) zwischengemeindliche Konfliktbewältigung Der bisherige Ansatz zur zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung richtete seine Aufmerksamkeit auf zweierlei: Einerseits auf den durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den handelnden Gemeinden garantierten Aufgabenbestand in der Gestalt der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, andererseits auf die ihnen damit zugleich gezogenen Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen, in denen sich Gemeinden unmittelbar gestützt auf ihre Aufgabengarantie betätigen dürfen. Auslöser zwischengemeindlicher Konflikte ist aber – wie gesehen – nicht ausschließlich das Innehaben bestimmter Zuständigkeiten und Kompetenzen, sondern maßgeblich das Handeln von Gemeinden. Ausgelöst wird der Konflikt zwischen Gemeinden etwa dadurch, dass sich eine Gemeinde mit Auswirkungen auf die Nachbar­ gemeinde betätigt. Das gilt ganz unabhängig davon, ob die handelnde Gemeinde über einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügt oder nicht. In der Wirkung macht es für die Nachbargemeinde keinen Unterschied, ob ein zuständigkeits- und kompetenzwidriges oder zuständigkeits- und kompetenzgemäßes Handeln der störenden Gemeinde die Wahrnehmung einer ihr verfassungsrechtlich garantierten Aufgabe stört; die rechtliche Lösung wird diesen Unterschied freilich nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Ein effektives, unvermitteltes Instrument verfassungsrechtlicher Konfliktbewältigung ist also darauf angewiesen, dass eine Gemeinde unmittelbar die Einhaltung der Handlungsgrenzen, welche durch die Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abgesteckt werden, gegenüber der diese Grenzen überschreitenden Gemeinde einfordern kann. Ferner ist es darauf angewiesen, dass die Nachbargemeinde andere Beeinträchtigungen als solche, die aus dem Überschreiten von Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen durch die handelnde Gemeinde resultieren, unter bestimmten Voraussetzungen nicht hinzunehmen braucht. Ein brauchbares Konfliktbewältigungsinstrument steht und fällt damit, dass sich die Nachbargemeinde gegen das sie beeinträchtigende Handeln einer anderen Gemeinde rechtlich wehren kann. Das Gebot, dass Zuständigkeits- und Kompetenzträger nicht die Zuständigkeiten und Kompetenzen anderer Träger stören sollen, sagt nichts dazu, wie eine Störung unterbunden und sie von dem betroffenen Zuständigkeits- und Kompetenzträger abgewehrt werden kann. Dies hängt von dem (rechtsschichtspezifischen) „Rechtswidrigkeitsreaktionsregime“ ab, das auf Zuständigkeits- und Kompetenzmängel reagiert1044. Wenigstens in einer der Konfliktkonstellationen, in der sich sowohl

1044 Wie sich die Nichtbeachtung bestimmter Bedingungen konkret auf die Geltung einer Rechtsnorm auswirkt, hängt von Rechtsvorschrift zu Rechtsvorschrift variierenden sog. Fehlerfolgenlehren ab, grundlegend zum „Fehlerkalkül“ Merkl, Rechtskraft (Fn. 855), S. 191 ff.; Merkl, Verwaltungsrecht (Fn. 858), S. 191 ff., insb. S. 196; Merkl, Prolegomena (Fn. 855), S. 490 ff.; P. Reimer, Die Unabhängigkeit von Rechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit, in: Rechtstheorie 45 (2014), S. 383 (383 ff.); P. Hilbert, Fehlerkalkül und Alternativbestimmungen, in: ZÖR

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

die handelnde Gemeinde als auch die Nachbargemeinde auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen können, ist aber – quasi der Frage nach dem Rechtswidrigkeitsreaktionsregime vorgelagert – schon unklar, ob das Handeln der störenden Gemeinde überhaupt rechtswidrig ist, (nur) weil sie die Aufgabenerfüllung einer anderen Gemeinde stört. Aus der Perspektive der Nachbargemeinden lässt sich das Anliegen auf eine Kurzformel bringen: Verleiht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ihnen einen (Unterlassungs-)Anspruch darauf, dass die handelnde Gemeinde ihre Zuständigkeiten und Kompetenzen nicht überschreitet und / oder das nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrecht nicht beeinträchtigt? Besteht ein Unterlassungsanspruch, wäre damit zugleich gesagt, dass das Handeln der störenden Gemeinde rechtswidrig ist. Stehen Gemeinden also in einem verfassungsrechtlichen Anspruchsverhältnis1045? Ein solcher Anspruch könnte der Nachbargemeinde auf Grundlage des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zugestanden werden. Aufbauend auf der obigen Abgrenzung der Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche der Gemeinden, die auch den Gewährleistungsbereich der Selbstverwaltungsgarantie umreißt, scheidet unbesehen der konkreten Anspruchsvoraussetzungen die Entstehung eines Anspruchsverhältnisses zwischen Gemeinden aus, wenn das Handeln der einen Gemeinde in der Erfüllung einer Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft liegt und sie dadurch nicht die Erfüllung einer (anderen) Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde beeinträchtigt. Erst wenn die Gemeinde nachbargemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen an sich reißt oder die Wahrnehmung nachbargemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen anderweitig beeinträchtigt, stellt sich die Frage, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein Anspruchsverhältnis zwischen den Gemeinden begründet. Dem Inhalt des nachbargemeindlichen Anspruchs (Rechtsfolge des Bestehens eines zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnisses) gedanklich vorgelagert, ist die Frage, ob Gemeinden zueinander überhaupt in einem Anspruchsverhältnis stehen können und unter welchen Bedingungen dies der Fall ist (Tatbestand des zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnisses)1046.

72 (2017), S. 549 (549 ff.); Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 176 ff.; Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 42, spricht von einem „Rechtswidrigkeitsreaktionsregime“; klassisch etwa die Fehlerfolgen bei einem Verwaltungsakt (individuelle bedingte Rechtsvorschrift), der materiell rechtswidrig ist, weil er nicht den Bedingungen der Ermächtigungsnorm (generelle bedingende Rechtsvorschrift) entspricht. Dieser ist nach den Vorgaben des Verwaltungsverfahrens­gesetzes nicht ohne weiteres nichtig und verliert seine Geltung, statt Vieler zum Fehlerfolgenrecht bei Verwaltungsakten Bumke, Verwaltungsakte (Fn. 807), § 35 Rn. 153 ff. 1045 Die Einbeziehung der Nachbargemeinde in ein zwischengemeindliches Anspruchsverhältnis ist eine denkbare Form der verfassungsrechtlichen Konfliktbewältigung und Form des Rechtswidrigkeitsreaktionsregimes. Sie ist wohl die einzige, die den Gemeinden eine nicht auf Vermittlung angewiesene Form der Konfliktlösung unmittelbar durch Art. 28 II 1 GG ermöglicht. 1046 Angelehnt an R.  Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 156, der zutreffend schreibt: „Der Tatbestand enthält die Bedingungen, unter denen die Rechtsfolge eintritt, die ihrerseits den Inhalt der Pflicht beschreibt.“

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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a) (Rechts-)Theoretische Analyse des zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnisses Die Rede von einem „zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnis“ als Metastruktur des (Unterlassungs-)Anspruchs ist (rechtstheoretisch) präzisierungsbedürftig, weil sich hinter dem zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnis mehrere Fragen verbergen. Der normative Ausgangspunkt für das möglicherweise durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begründete Anspruchsverhältnis zwischen Gemeinden ist das in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausdrücklich gewährleistete „Recht“ der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (im Rahmen der Gesetze) in eigener Verantwortung zu regeln. Das Wort „Recht“ hat in der deutschen Rechtssprache viele Bedeutungen; die englische Sprache kennt für das, was in Deutschland „Recht“ ist, andere Ausdrücke wie law oder right1047. Es ist nicht ausgemacht, dass das „Recht“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mit dem Anspruch gleichzusetzen und Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG deshalb fähig ist, ein Anspruchsverhältnis zwischen Gemeinden zu begründen. Weil das „Recht“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG normativer Dreh- und Angelpunkt für das zwischengemeindliche Anspruchsverhältnis zu sein scheint, lohnt es genauer hinzuschauen, was Rechte sind und welche Struktur sie haben. Hohfeld bietet eine universelle Strukturanalyse von „Rechten“ an, die als ein theoretisches Analyseinstrument weder Auskunft darüber gibt, ob eine Norm ein „Recht“ verleiht noch welchen Inhalt es hat1048. Drei Erkenntnisse Hohfelds sind für die vorliegende Arbeit zentral: Erstens hat das Wort „Recht“ mehrere Bedeutungen und lässt sich in unterschiedliche Erscheinungsform von Rechten (Hohfeld’schen incidents) aufgliedern1049. Nur weil Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG das Wort „Recht“ gebraucht, muss daraus nicht folgen, dass Gemeinden zueinander in einem Anspruchsverhältnis stehen. Zweitens muss jedes Recht eigenständig begründet werden, d. h. man darf nicht von einer Erscheinungsform des Rechts auf eine andere schlussfolgern1050.

1047

J. Kervégan, Was bedeutet es, Rechte zu haben?, in: A. Fischer-Lescano / H. Franzki / J. Horst (Hrsg.), Gegenrechte, 2018, S. 35 (36); L. Friedrich, Vom Recht zur Berechtigung, 2020, S. 58. 1048 W. N. Hohfeld, Fundamental Legal Conceptions as Applied in Judicial Reasoning, in: The Yale Law Journal 26 (1917), S. 710 (715); eine eingängige Einführung in die Struktur und Funktion von Rechten bietet L. Wenar, s. v. Rights, in: E. N. Zalta (Hrsg.), The Stanford Ency­clopedia of Philosophy, 2020, abrufbar unter: https://plato.stanford.edu/archives/spr2020/entries/right/ (zuletzt abgerufen am 09. 06. 2020); prononciert zum Charakter der Strukturanalyse als theoretisches Analyseinstrument A. L.  Corbin, Jural Relations and Their Classifications, in: The Yale Law Journal 30 (1921), S. 226 (237 f.): „In all our discussions of legal analysis, in all our attempts at defining terms or at coining them, we should never cease to bear in mind and give warning that mere legal analysis does not by itself enable us to tell what the law is in a single case.“; aus neuerer Zeit dies aufgreifend P. Schlag, How to Do Things with Hohfeld, in: Law and Contemporary Problems 78 (2015), S. 185 (187 ff., 219 f.). 1049 Hohfeld, Conceptions (Fn. 1048), S. 710. 1050 Hohfeld, Conceptions (Fn. 1048), S. 747 f.; zur unzulässigen Deduktion von rights aus privileges s. Schlag, Things (Fn. 1048), S. 204 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Drittens müssen Rechte in bestimmten (Rechts-)Verhältnissen und als Korrelationen gedacht werden. Gemeinden dürfen nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ihre Angelegenheiten der ört­ lichen Gemeinschaft eigenverantwortlich regeln. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verleiht Gemeinden jedenfalls Rechte in Gestalt Hohfeld’scher privileges. Aus diesem Recht (privilege) folgt nicht, dass Gemeinden auch ein Recht (claim-right) haben, dass andere Einheiten die Gemeinden nicht in der eigenverantwortlichen Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beeinträchtigen1051. Der Unterschied zwischen privilege und claim-right ist, dass mit ersterem keine Pflicht eines anderen, die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht zu stören, korreliert. Wenn von einem durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verliehenem Recht auf Selbstverwaltung gesprochen wird, ist damit in aller Regel ein solches claim-right oder damit gleichbedeutend ein „Anspruch“ oder „Recht auf etwas“ gemeint1052. Der Anspruch, dass andere Einheiten Gemeinden nicht in der eigenverantwortlichen Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beeinträchtigen, muss eigenständig positiv-rechtlich begründet sein. Aufbauend auf der Strukturanalyse von Rechten versteht die Untersuchung daher unter dem durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG etwaig begründeten Anspruch der Nachbargemeinde die logisch äquivalente Rechte- und Verpflichtungs-Relation von Gemeinden zueinander auf Gleichordnungsebene1053. Das bedeutet, dass einem 1051

Klassisch zur Unableitbarkeit eines claim-right aus einem privilege Hohfeld, Conceptions (Fn. 1048), S. 747 f. 1052 Zu den alternativen Ausdrücken „Recht auf etwas“, „subjektives Recht“ sowie „Anspruch“ Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 171 Fn. 48. Ob die Ausdrücke claim-right und subjektives Recht tatsächlich alternativ und inhaltsgleich zu verstehen sind, soll hier offen bleiben. Das claim-right weist jedenfalls eine erhebliche Überscheidung mit dem (klassischen) subjektiv-öffentlichen Recht auf. Das gilt besonders deshalb, weil das claim-right (Anspruch) auch die Durchsetzungsfrage aufwirft. Anders als bei dem subjektiv-öffentlichen Recht steht jedenfalls bei dem claimright nicht die Frage der Rechtsdurchsetzungsmacht, sondern die der korrelierenden Pflicht im Vordergrund. 1053 Ausgehend von der Grundstruktur eines Rechts zeichnet sich ein Anspruch durch eine dreistellige Relation aus, implizit zur dreistelligen Struktur Hohfeld, Conceptions (Fn. 1048), S. 746; Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 132 ff.; Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 163 ff.; Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 156; B. Rüthers / C. Fischer / A. Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 11. Aufl. 2020, § 2 Rn. 63. Das bedeutet, dass a gegenüber b ein Recht auf Φ hat, wobei Φ etwa eine positive Handlung oder ein Unterlassen sein kann. Das heißt zum Beispiel, dass a gegenüber b ein Recht darauf, dass b ihm hilft (Φ = Hilfe). Diese Struktur liegt schon dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrunde: Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen (b) ein Tun oder Unterlassen (Φ) zu verlangen (vgl. § 194 I BGB). Das Recht (der Anspruch) besteht damit immer nur in einem bestimmten Verhältnis; zwischen  a und b. Mit dem Anspruch logisch äquivalent ist die relationale Verpflichtung des b gegenüber a. Dass a ein Recht (einen Anspruch) auf Φ hat, ist die Verpflichtung des b zu Φ gegenüber a, vgl. Schlag, Things (Fn. 1048), S. 201: „Rather, one’s rights are duties in some else just as one’s duties are rights in someone else [Kursivierungen im Original, M. J.].“ Logisch äquivalent sind freilich nur die relationalen Rechte und relationalen Verpflichtungen. Für die nicht-relationale Verpflichtung gilt die Äquivalenzgleichung nicht. Soll heißen: Ist b nur verpflichtet Φ zu tun oder zu unterlassen,

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Anspruch immer zugleich eine Pflicht korrespondiert. Diese simple Erkenntnis macht deutlich, dass das zwischengemeindliche Anspruchsverhältnis immer zugleich zwei Perspektiven in sich vereint: die der betroffenen (Nachbar-)Gemeinden und der handelnden Gemeinden1054. Ein zwischengemeindliches Anspruchsverhältnis begründet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG damit (nur) dann, wenn die eine Gemeinde dazu verpflichtet ist, das Selbstverwaltungsrecht der (Nachbar-)Gemeinde – in der Sprache von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – zu gewährleisten1055. Zusätzlich muss Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur die eine Gemeinde verpflichten, das Selbstverwaltungsrecht der (Nachbar-)Gemeinde zu gewährleisten, sondern die (Nachbar-)Gemeinde muss konkret gegenüber der anderen Gemeinde berechtigt sein, dass die Gemeinde ihr (nachbargemeindliches) Selbstverwaltungsrecht gewährleistet. Die Rechtsstrukturanalyse bringt weiteres Differenzierungspotential mit sich: Unabhängig davon, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Stande sein sollte, ein zwischengemeindliches Anspruchsverhältnis zu begründen, kann Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gegebenenfalls einen Anspruch der (Nachbar-)Gemeinden gegenüber dem Staat im engeren Sinne in Ansehung des Verhältnisses zwischen Gemeinden zum Entstehen bringen. Ein solcher Anspruch kann inhaltlich etwa auf den Schutz vor dem Handeln anderer Gemeinden gerichtet sein1056. Indem man mit Achterberg den Blick für die „Polytomie von Rechtsverhältnisse[n]“1057 schärft, wird deutlich,

ist diese Verpflichtung aber nicht konkret gegen  a gerichtet, geht damit nicht ein Recht auf Nicht-Beeinträchtigung des a einher. Dieses kann gegenüber niemandem oder Dritten bestehen s. hierzu und zum Vorhergehenden entwickelt an den Grundrechten Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 171 ff., insb. S. 186 ff.; zur claim-right / duty Korrelation ohne nicht-relationale Rechte anzuerkennen Hohfeld, Conceptions (Fn. 1048), S. 717, 719; Schlag, Things (Fn. 1048), S. 200 f. Bezogen auf Gemeinden heißt das: Der Anspruch (claim-right) der Nachbargemeinde zeichnet sich durch die Inhaberin des Anspruchs ([betroffene Nachbar-]Gemeinde Gy) gegenüber derjenigen, die den Anspruch schuldet ([handelnde] Gemeinde Gx) und dem Gegenstand des Anspruchs (die Nichtbeeinträchtigung der eigenverantwortlichen Erfüllung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft) aus. Damit korrespondiert die dreistellige Verpflichtungs-Relation der handelnden Gemeinde: Die Verpflichtete ([handelnde] Gemeinde Gx) ist derjenigen gegenüber, der die Pflicht gegenüber besteht ([betroffene] Nachbargemeinde Gy) dazu verpflichtet, den Gegenstand der Pflicht (die Nichtbeeinträchtigung der eigenverantwortlichen Erfüllung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft) zu gewährleisten. 1054 Allgemein zur Perspektivenverschiedenheit Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 186 f.; diese Verschiedenheit der Perspektive von Recht („right“) und Verpflichtung („duty“) erkannte schon K. N. Llewellyn, The Bramble Bush, New York 1951, S. 85: „The relation is identical; the only difference is in the point of observation.“ 1055 Der Ausdruck „gewährleisten“ scheint in diesem Zusammenhang unglücklich gewählt zu sein. Gewährleisten scheint eher die Landesverfassungen oder den Gesetzgeber, weniger aber die Gemeinden im Blick zu haben. Wie sich zeigt, meint der Ausdruck auch „schützen“, dazu sogleich. 1056 Eingehend dazu 3. Teil B. II. 2. und 3. (S. 412 ff., 500 ff.). 1057 Im Bemühen um die Entwicklung einer „Rechtsverhältnistheorie“ schreibt Achterberg, Rechtsverhältnisordnung (Fn. 300), S. 6, in seinem Vorwort: „Die Komplexität einer nicht auf Dichotomie, sondern auf Polytomie von Rechtsverhältnissen gegründeten, ihrerseits aus nebeneinander und ineinander gelagerten Teilrechtsordnungen bestehenden Rechtsordnung fordert zur

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

dass viele Meinungsäußerungen im Schrifttum oder der Rechtsprechung nicht das Verhältnis von Gemeinden zueinander betreffen, sondern das Verhältnis Gemeinden und Gesetzgeber in Ansehung der Pflichten, die Gemeinden gegenüber anderen Gemeinden treffen. b) Anspruchsvoraussetzungen etwaiger verfassungsunmittelbarer nachbargemeindlicher Ansprüche Der Tatbestand des zwischengemeindlichen Anspruchsverhältnisses setzt zuerst voraus, dass Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG überhaupt berechtigt und verpflichtet werden. Die Berechtigungs-Verpflichtungs-Relation ist allgemeine Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchsverhältnisses. Die Relation ist jedoch nicht die einzige Bedingung, die für die Begründung eines Anspruchsverhältnisses gegeben sein muss. Die weiteren Bedingungen für einen Anspruch der Nachbargemeinde auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, jedenfalls aber die Darstellung der Anspruchsbedingungen, hängen davon ab, wie Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fassbar und operabel gemacht werden kann. Es verschwimmen die unterschiedlichen Angebote der verfassungsdogmatischen (Groß-)Deutung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mit dem Bedürfnis nach seiner rechtstechnischen Handhabbarkeit für die Formulierung konkreter Voraussetzungen der Unterlassungsansprüche der Nachbargemeinden. Wie Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fassbar und operabel gemacht werden kann, ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Ein Grund für die Unsicherheiten bei der Operationalisierung ist unter anderem der (bewusste) Standortwechsel der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie aus dem Abschnitt „Das Gemeinschaftsleben“ und damit dem Abschnitt der Grundrechte in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) zu dem heutigen Standort der Selbstverwaltungsgarantie im Grundgesetz im Abschnitt „Der Bund und die Länder“1058. Besonders die Strukturierung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, die eine (wichtige) Komponente der Unsicherheiten über den Umfang der vertretbaren Anleihe an die Grundrechtsdogmatik bildet, war und ist besonders stark umkämpft1059. Wissenschaftliche Bearbeitungen aus jüngerer Zeit präferieren zunehmend – jedenfalls bei der Strukturierung der Prüfung des Abwehrrechts (namentlich die Prüfebenen: Schutzbereich bzw. Gewährleistungsbereich, Eingriff und Rechtfertigung) – die methodische Anleihe an Entwicklung einer umfassenden Rechtsverhältnistheorie auf.“; aus neuerer Zeit zum österreichischem öffentlichen Recht A. Wimmer, Rechtsverhältnisse im öffentlichen Recht, 2019. – Auch wenn es nicht Ansinnen der Arbeit ist, seine Rechtsverhältnistheorie fortzuentwickeln, steht für die Arbeit außer Frage, dass die befriedigende Lösung des zwischengemeindlichen Konflikts mit der Vielzahl an involvierten Akteuren nur dann zu erzielen ist, wenn man sich der Relationalität von (Rechts-)Beziehungen öffnet. 1058 Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 142 f. 1059 Siehe dazu 3.  Teil B. II. 2. a) aa) (3) (i) (S. 462 ff.).

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der Grundrechtsdogmatik1060. Die bundesverfassungsgerichtliche Judikatur erweist sich hinsichtlich der Strukturierung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung im Detail schwankend: Griff das Bundesverfassungsgericht anfangs ohne Umschweife auf eine grundrechtsanaloge Terminologie zurück1061, vermied es später prononciert etwa den Terminus der Verhältnismäßigkeit1062. Neuerdings greift das Bundesverfassungsgericht wieder auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip zurück1063. Unabhängig davon, ob man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für anwendbar erachtet oder nicht, kann zumindest die Abschichtung von Gewährleistungsbereich, Eingriff und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung in Anlehnung an die jüngere Grundrechtsdogmatik helfen, die Prüfung der Selbstverwaltungsgarantie zu rationalisieren und operationalisieren1064. Gegen eine „technische Anleihe bei den Sicherungsmitteln des Grundrechtsschutzes“1065 spricht vom dogmatischen Ausgangspunkt wenig. Jüngste Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebrauchen sodann auch ohne Umschweife die Begriffe Schutzbereich1066, Gewährleistungsbereich1067, Rechtfertigung1068 oder Gesetzesvorbehalt1069 und (wieder) Verhältnismäßigkeit1070. Das Bundesverfassungsgericht bedient sich für die Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung allerdings bis heute auch einer Lehre, die zwischen dem sog. Kernbereich und dem Randbereich der Selbstverwaltungsgarantie unterscheidet1071. Eingriffe in den Kernbereich der kommu 1060

Statt vieler Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 66, 74; ebenfalls als vorzugswürdig eingestuft von M. Petit, Der kommunale Mindestausstattungsanspruch im Verfassungsrecht von Bund und Ländern, 2020, S. 26 ff. 1061 BVerfG, Beschl. v.  24. 06. 1969  – 2  BvR  446/64, BVerfGE 26, 228 (241)  – Sorsum; BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (313) – Flugplatz Memmingen; BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1987 – 2 BvR 826/83, BVerfGE, 76, 107 (119 f.) – LandesRaumordnungsprogramm Niedersachsen. 1062 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (146 ff.) – Rastede. 1063 BVerfG, Beschl. v. 27. 01. 2010 – 2 BvR 2185/04, 2189/04, BVerfGE 125, 141 (167 f.); BVerfG, Beschl. v 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (19 f. Rn. 55 f.) – Schulnetzplanung. 1064 Ebenso S. Magen, Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, in: JuS 2006, S. 404 (406), wobei er empfiehlt, statt von Schutzbereich von Gewährleistungsbereich zu sprechen. 1065 Bethge, Aspekte (Fn. 938), S. 212. 1066 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (221 Rn. 73) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 1067 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (210 f. Rn. 45, 227 f. Rn. 89) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 1068 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (210 f. Rn. 45, 223 f. Rn. 80) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 1069 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (224 Rn. 81) – Kinderförderungsgesetz Saschen-Anhalt. 1070 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (223 f. Rn. 80) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 1071 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (19 f. Rn. 54 f.) – Schulnetzplanung; BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (223 f. Rn. 79 f., 227 Rn. 88) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

nalen Selbstverwaltungsgarantie in ihren Einzelgewährleistungen hält das Bundesverfassungsgericht für absolut unzulässig1072. Hinsichtlich Eingriffen in den Randbereich bzw. synonym im Vorfeld des Randbereichs postuliert das Bundesverfassungsgericht einen Randbereichsschutz, der maßgeblich durch das seit der Rastede-Entscheidung etablierte Aufgabenverteilungsprinzip und in jüngerer Zeit vermehrt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewerkstelligt wird1073. Es bietet sich trotz aller Unsicherheiten und dogmatischer Wirrnisse an1074, die Selbstverwaltungsgarantie wegen ihrer besonderen Ähnlichkeit zu den Grundrechten, selbst wenn Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zutreffender Weise kein Grundrecht ist1075, grundrechtanalog1076 zu prüfen1077. Die Untersuchung lehnt sich methodisch 1072

StRspr. seit BVerfG, Urt. v. 20. 03. 1952 – 1 BvR 267/51, BVerfGE 1, 167 (175); BVerfG, Beschl. v. 26. 11. 1963 – 1 BvL 12/62, BVerfGE 17, 172 (182); BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (146) – Rastede; BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (223 Rn. 79 f.) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt; eingehender zu diesem Anforderungsprofil 3.  Teil B. II. 2. a) aa) (3) (i) (S. 462 ff.). 1073 Prägend BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153) – Rastede; seitdem aufgegriffen etwa von BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (383) – Krankenhausumlage; BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (239 f.) – Gleichstellungsbeauftragte; unlängst BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (223 Rn. 79 f.) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 1074 Eine Übersicht zu den dogmatischen Deutungsansätzen bietet Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 53 ff.; weitere Nachweise bereits unter Fn. 965. 1075 Stern (Fn. 957), Art. 28 Rn. 68; E. Schmidt-Aßmann, Entwicklungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, in: Henneke / Meyer, Selbstverwaltung (Fn. 575), S. 59 (63); Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 73 ff.; Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 806 f., lehnt den Versuch Maurers ein „Recht auf Selbstverwaltung“ zu etablieren als Umweg zur grundrechtlichen Deutung des Art. 28 II 1 GG ab; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 129. 1076 Der Begriff „Grundrechtsanalogie“ wird hier anders als bei Schmidt-Aßmann, Entwicklungen (Fn. 1075), S. 62, verwendet und soll nur das anzuwendende Prüfschema benennen. 1077 In diese Richtung B. Stüer, Funktionalreform und kommunale Selbstverwaltung, 1980, S. 87; Bethge, Aspekte (Fn. 938), S. 213; H. Bethge, Das Selbstverwaltungsrecht im Spannungsfeld zwischen institutioneller Garantie und grundrechtlicher Freiheit, in: v. Mutius, Selbstverwaltung (Fn. 965), S. 149 (150, 164 ff.); ebenfalls Brohm, Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 430; gar von „grundrechtsähnliche[n] Züge[n]“ spricht Schink, Selbstverwaltung (Fn. 985), S. 402; Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1042; Frenz, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 985), S. 38, 56, spricht von einem „weitgehend parallele[n] Schutzsystem“ sowie „zahlreiche[n] Anklänge[n] an die Grundrechtsprüfung“; mit dieser Tendenz auch Schoch, Stand (Fn. 575), S. 18 ff., der von „Schutzgehalt“ und „Schranken“ spricht; warnend zumindest vor einer „unbesehene[n] Übernahme grundrechtlicher Schutzmechanismen“ Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 807; für eine an die Grundrechtsdogmatik angelehnte Prüfung auch Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 74 ff.; H. Bethge, in: T. Maunz (Begr.), Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Bd. II, § 91 (Dezember 2014), Rn. 17; Jarass (Fn. 1014), Art. 28 Rn. 26 ff.; terminologisch deutliche Anleihen auch in der Rspr. des BVerfG etwa jüngst durchgängig BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt, oder zur landesverfassungsrechtlichen Bestimmung der VerfGH Rh.-Pf., Urt. v. 28. 03. 2000 – VGH N 12/98, NVwZ 2000, 801; zumindest ein Wort der Begründung für eine grundrechtsorientierte Prüfung mahnt in seiner Urteilsbesprechung an M.  Ruffert, Kommunalwirtschaft und Landes-Wirtschaftsverfassung, in: NVwZ 2000, S. 763 (763); Knemeyer, Gewährleistung (Fn. 965), S. 217, hält eine Anleihe an der Grundrechtsdogmatik für verfehlt; Clemens, Selbst-

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konsequent an die Grundrechtsdogmatik an und orientiert sich für die Herausarbeitung der verfassungsrechtlichen Konfliktbewältigungsinstrumente an dem grundrechtsdogmatischen Dreischritt von Gewährleistungsbereich, Eingriff und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung1078. Die Orientierung hilft, Probleme handhabbar zu verorten und sie darstellbar zu machen. Der zu verhandelnde Problemkomplex ähnelt sehr grundrechtlichen Konstellationen, weil die handelnde Gemeinde in den genannten Konstellationen auf den ersten Blick eine geschützte Rechtsposition einer anderen Gemeinde verkürzt. Die Untersuchung geht noch einen Schritt weiter: Sie überprüft andere Figuren, Argumente und Topoi, die man ganz überwiegend (nur) aus der Grundrechtsdogmatik kennt, auf ihre Übertragbarkeit auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Unter der Voraussetzung, dass sich Problemlagen ähneln, mag es naheliegen, behutsam auf grundrechtsdogmatische Figuren zurückzugreifen. Doch auch die Grundrechtsdogmatik selbst darf nicht dahingehend (miss-)verstanden werden, als sei dort der Weisheit letzter Schluss erreicht. Die Grundrechtsdogmatik befindet sich selbst in mancher Hinsicht noch im Klärungsprozess1079. Die Arbeit behauptet damit nicht, dass die Grundrechte und Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG einen ähnlichen normativen Ursprung hätten oder Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gar ein „Grundrecht der Gemeinden“ sei. Da, wo ähnliche Problemlagen vergleichbare Lösungen erfordern, spricht nichts dagegen, auf Parallelen aufmerksam zu machen und auf den Sachverstand zurückzugreifen, der in Jahrzehnten intensiver Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Praxis erarbeitet wurde. Indem sich die Untersuchung zum Teil – besonders in der Darstellung des Rechts aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – an der Grundrechtsdogmatik orientiert, lassen sich die Anspruchsvoraussetzungen eines Anspruchs der Nachbargemeinden formulieren. Die Anspruchsvoraussetzungen des nachbargemeindlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruchs folgen in dieser Hinsicht dem Unterlassungsanspruch und dem Abwehrrecht nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigter Eingriffe in Grundrechte1080. Grundrechtsdogmatisch begründet ein verfassungsrechtlich nicht verwaltung (Fn. 1017), S. 835, plädiert für eine Prüfungsabfolge, die von der Ausgestaltungs­ befugnis des Gesetzgebers ausgeht und gerade nicht grundrechtsanalog vom Schutzbereich; ganz ähnlich führt nach Auffassung von Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 817, der Weg über die Anleihe bei der Grundrechtsdogmatik und ihren Vorstellungen von Eingriff und Eingriffsabwehr in die Irre, wenngleich er später selbst – freilich mit weiteren Abstufungen in fördernde, ausgestaltende und eingreifende Maßnahmen – den Begriff Eingriff (ebd., S. 824) oder den des Schutzbereichs (ebd., S. 818) gebraucht. 1078 Zur Idee der Übertragbarkeit von grundrechtsdogmatischen Figuren auf das Staatsorganisationsrecht H. P. Aust, Grundrechtsdogmatik im Staatsorganisationsrecht?, in: AöR 141 (2016), S. 415 (430 ff.). 1079 J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: ders. /  Kirchhof, HdStR IX (Fn. 86), § 191 Rn. 55. 1080 Im Sinne eines „Schutzgut / Eingriffs-Tatbestand[s]“ Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 273 ff.; Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 156 f.; M. Sachs, Abwehrrechte, in: D. Merten / H. J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 39 Rn. 12; eingehend zum „Bauplan und

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

gerechtfertigter Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts einen Abwehrund Unterlassungsanspruch1081 des Bürgers gegen den Staat1082. Die (Nachbar-)Gemeinde hat gegenüber dem Verpflichtungsadressaten des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vorrangig einen Anspruch darauf, dass das durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vermittelte Recht nicht verletzt wird (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als negativ verpflichtende Norm). Gegen solche Verletzungshandlungen stehen der Gemeinde Ansprüche in Form von Unterlassungsansprüchen zu1083. Das Selbstverwaltungsrecht der (Nachbar-)Gemeinde ist verletzt, wenn – der Aufgabenbestand und / oder die eigenverantwortliche Wahrnehmung einer Aufgabe, die in den verfassungsrechtlichen Aufgabenbestand fällt, betroffen ist (Gewährleistungsbereich), – der Verpflichtungsadressat des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine Handlung vornimmt, die den Aufgabenbestand und / oder die eigenverantwortliche Wahrnehmung einer Aufgabe beeinträchtigt (Eingriff) und – der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann (Rechtfertigung). Der (verfassungsdogmatische) Rechtswissenschaftsbegriff „Eingriff“ umschreibt das verfassungsrelevante Verhalten des durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Verpflichteten. Als Voraussetzung des Abwehr- und Unterlassungsanspruchs verarbeitet der Eingriff die für das zwischengemeindliche Anspruchsverhältnis zentrale RechteVerpflichtungs-Relation zwischen Nachbargemeinde und handelnder Gemeinde: Der Eingriff ist jedes rechtlich relevante Handeln des durch Art. 28 Ab. 2 S. 1 GG Verpflichteten. Der Eingriff ist das verfassungsrechtsdogmatische Kürzel der vorrangig zu unterlassenden Betätigung des Verpflichtungsadressaten. Erst der Eingriff löst die besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungslasten aus und führt, wenn den Rechtfertigungsanforderungen nicht Genüge getan wird, zu einem (verfassungsunmittelbaren) Unterlassungsanspruch.

Anwendungsschema des [scil. grundrechtlichen, M. J.] Abwehrrechts“ Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 47 ff., 145, besonders zu den Folgen des Grundrechtsverstoßes, auf den mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen reagiert wird, Rn. 53; aus staatshaftungsrechtlicher Perspektive zur grundrechtlichen Fundierung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs F. Ossenbühl / M. Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 364 f. 1081 Mit der allgemeinen Feststellung eines Abwehrrechts ist noch nichts darüber gesagt, in welcher Form sich die Abwehr verwirklicht. Auch über den Anspruchsinhalt sind noch keine Aussagen getroffen. – Allgemein zum funktionalen Zusammenhang von Abwehrrecht und seinen wesensnotwendigen Hilfsrechten K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Teilband 1, 1988, § 66 III 1 (S. 671 ff.). 1082 Zur abwehrrechtlichen Prägung der Grundrechtsdogmatik Sachs, Abwehrrechte (Fn. 1080), § 39 Rn. 11 f.; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 33 ff.; T.  Kingreen / R.  Poscher, Grundrechte, 36. Aufl. 2020, Rn. 95 f.; F. Hufen, Staatsrecht II, 8. Aufl. 2020, § 5 Rn. 4. 1083 Schoch, Stand (Fn. 575), S. 23.

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Liegt ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht vor, ist das Handeln der Gemeinde unzulässig, verletzt die Nachbargemeinde (definitiv) in ihrem Selbstverwaltungsrecht und löst einen (verfassungsunmittelbaren) Abwehr- und Unterlassungsanspruch aus. Beeinträchtigt hingegen die Betätigung der handelnden Gemeinde das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde, ohne dass Auskunft über die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsfähigkeit gegeben werden könnte, bietet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden nur prima facie, nicht jedoch einen definitiven Schutz1084. Doch auch der prima facie Schutz ist für die Nachbargemeinde von nicht zu unterschätzendem Wert: Unterliegt die handelnde Gemeinde den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungslasten, sich für eine Beeinträchtigung des nachbargemeindlichen Selbstverwaltungsrechts rechtfertigen zu müssen, bildet der Dreischritt von Betroffensein des Gewährleistungsbereichs, dem Eingriff in den Gewährleistungsbereich und der Rechtfertigungsbedürftigkeit dem Grunde nach nur den Anspruch der Nachbargemeinde auf eine abwägungsfehlerfreie Entscheidung der störenden Gemeinde ab. Unter den Voraussetzungen, dass ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff der störenden Gemeinde in das nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrecht vorliegt, befindet sich die störende Gemeinde in einer ganz ähnlichen Pflichtenlage wie bei den einfachgesetzlich angeordneten Abwägungs- und Abstimmungspflichten im Bauplanungsrecht (§§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 2 S. 1 BauGB), dem Wirtschaftsrecht für den Regelungsgehalt der § 107 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 107a Abs. 3 S. 1 GO NRW bei einer ‚eingeschränkt gemeindeinternen‘ oder ‚gemeindeexternen Wirtschaftsbetätigung‘ sowie dem Sparkassenrecht etwa bei einer trägergebietsfremden Sparkassenzweigstelleneröffnung. Die Annahme einer Abwägungspflicht für den Fall eines Eingriffs in das nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrecht liegt besonders dann nahe, wenn man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Strukturierung der Rechtfertigungsprüfung für einschlägig erachtet. Ohne das Verhältnis von Abwägungsgebot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufklären zu wollen, sind zumindest strukturelle Parallelen zwischen beiden unverkennbar1085.

1084 Zur (grundrechtsdogmatischen) Unterscheidung zwischen prima facie und definitivem Schutz Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 275 ff.; dazu auch Fn. 1376. 1085 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, 2000, S. 212, geht etwa davon aus, dass jedenfalls eine Überschneidung zwischen Abwägung und der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne erkennbar sei; Abwägung und Verhältnismäßigkeit setzt gleich Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 27; Abwägung als Teil der Verhältnismäßigkeit stuft ein Lepsius, Abwägung (Fn. 877), Sp. 41 f.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

3. Existenz verfassungsunmittelbarer (Unterlassungs-)Ansprüche im Horizontalverhältnis a) Anspruch der Nachbargemeinden auf Unterlassen von Eingriffen in die Aufgabengarantie Die Nachbargemeinde hat einen Anspruch auf Unterlassung der Betätigung durch die andere Gemeinde, wenn diese durch ihre Betätigung in das Selbstverwaltungsrecht jener eingreift und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. aa) Formaler Aufgabenentzug als Eingriff in den Aufgabenbestand Der (Unterlassungs-)Anspruch setzt unter anderem voraus, dass durch die faktische Usurpation und die anderen Auswirkungen der Betätigung in den Gewährleistungsbereich des nachbargemeindlichen Selbstverwaltungsrechts eingegriffen wird. Der Bestimmung des Eingriffs vorgelagert ist die exakte Bestimmung des Gewährleistungsbereichs1086. Erst wenn der Gewährleistungsbereich durch die Betätigung betroffen ist und das Gewährleistungselement der Aufgabengarantie Schutz vor derartigen Betätigungen bietet, lohnt es darüber nachzudenken, ob die handelnde Gemeinde in den Gewährleistungsbereich eingreift, also als Verpflichtungsadressatin eine Handlung vornimmt, welche die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungslasten auslöst1087. Für die meisten Untersuchungen, namentlich im 1086 Zutreffend aus dem grundrechtsdogmatischen Schrifttum H. Bethge, Der Grundrechtseingriff, in: VVDStRL 57 (1998), S. 7 (19 ff.); H. Bethge, Mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Merten / Papier, HGR III (Fn. 77), § 58 Rn. 62 ff.; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt (Fn. 1038), S. 202 ff.; die Abgrenzung zwischen Bestimmung des Gewährleistungsbereichs und der Qualifizierung einer Maßnahme als Eingriff bereitet aber durchaus Schwierigkeiten. So lässt sich einerseits fragen, ob Art. 28 II 1 GG überhaupt Schutz vor bestimmten Maßnahmen bietet, andererseits lässt sich die Frage aufwerfen, ob eine Maßnahme einen Eingriff darstellt. Logisch vorrangig ist aber eher die Bestimmung des Gewährleistungsbereichs; illustrativ konkret bezogen auf die Selbstverwaltungsgarantie etwa der Hinweis von Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 51, der einerseits hervorhebt, dass „Maßnahmen von einer gewissen Intensität“ vorliegen müssten, damit eine ‚Eingriffsschwelle‘ erreicht wird. Anderseits schließt er mit dem Satz: „Eine Ausweitung des Schutzbereichs entspricht nicht dem Sinn der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie.“ 1087 Das Verhältnis von Schutzbereich und Eingriff wirft in der Grundrechtsdogmatik im Detail schwierige Abgrenzungsfragen auf. Die faustformelhafte Wendung: „Besagt der Schutzbereich, ‚was‘ grundrechtsgeschützt ist, so faßt die Grundrechtsbeeinträchtigung zusammen ‚wovor‘ oder ‚wogegen‘ geschützt wird [Kursivierung auch im Original, M. J.]“, so Merten, Schutzbereich (Fn. 1038), § 56 Rn. 14, hilft nicht wirklich weiter. Denn der Schutz vor bestimmten Maßnahmen („wovor“, bzw. „wogegen“), setzt voraus, dass der Schutzbereich auch vor eben diesen Maßnahmen schützt. Nach dem hiesigen Verständnis des Eingriffs geht es dann mehr darum, ob es sich z. B. um eine Maßnahme handelt, die dem Verpflichtungsadressaten zuzurechnen ist und aus diesem Grund (verfassungsrechtliche) Rechtfertigungslasten auslöst, vgl. zur Funktion des Eingriffs Merten, Schutzbereich (Fn. 1038), § 56 Rn. 13 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Bauplanungsrecht oder im Gemeindewirtschaftsrecht, liegt hier kein Problem. Sie sprechen alle davon, dass die planende oder wirtschaftende Gemeinde in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde eingreife1088. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert Gemeinden in der Ausprägung der Aufgabengarantie, beschränkt auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, (verfassungsunmittelbar) einen bestimmten Bestand von Zuständigkeiten und Kompetenzen. Durch die Zuweisung eines (verfassungsunmittelbaren) Aufgabenbestands schirmt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Gemeinden jedenfalls vor dem formalen Entzug der ihnen nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Zuständigkeiten und Kompetenzen ab und bietet Schutz vor ihrer Verlagerung auf andere Träger. Ein formaler Entzug einer Aufgabe liegt vor, wenn die Aufgabe der Erledigung durch einen anderen Träger öffentlicher Verwaltung übertragen wird. Es geht also um eine (legislative) Veränderung der Aufgabenzuweisung und des Aufgabenbestands durch die Änderung der Zuständigkeit und Kompetenz. In der Vergangenheit beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel vermehrt mit legislativen Zuständigkeitsverlagerungen von den Gemeinden auf die (Land-)Kreise1089. Der Landesgesetzgeber zont in diesen Fällen gewissermaßen gemeindliche Aufgabenzuständigkeiten und Kompetenzen auf die (Land-)Kreise hoch (sog. Hochzonung). Ein (formaler) Entzug der Aufgabe steht ersichtlich nicht in Streit, wenn die handelnde Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt und sich die Aufgabenwahrnehmung faktisch auf andere Gemeinden auswirkt oder die Nachbargemeinden rechtliche Folgebetroffenheiten treffen. Die verfassungsunmittelbare Zuständigkeit und Kompetenz bleibt unverändert bei der Nachbargemeinde erhalten. Selbiges gilt für die faktische Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen. Betätigt sich eine Gemeinde und fällt die Aufgabe, welche die handelnde Gemeinde wahrnimmt, in den Aufgabenbestand der Nachbargemeinde, nimmt die handelnde Gemeinde eine fremdgemeindliche Aufgabe wahr. Die Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen bewirkt nicht, dass durch die Aufgabenanmaßung die wahrgenommene Aufgabe den Charakter einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde verliert. Sie lässt vielmehr die verfassungsrechtliche Zuordnung der Aufgabe zu der Nachbargemeinde unberührt1090. Aus diesem Grund ist der Ge 1088

Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 140 ff.; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 114, meint, dass „die von der Grenzüberschreitung betroffene Gemeinde zumindest dann durch einen Eingriff in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt [ist], wenn die überörtliche wirtschaftliche Betätigung zu einem relevanten Ausfall der bürgerschaftlichen Teilhabe an der Ausgestaltung und der eigenständigen Aufgabenerfüllung führt.“; ähnlich global von einem Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie, ohne zwischen den einzelnen Gewährleistungsinhalten zu differenzieren, spricht Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 77, wobei sie zuvor selbst die Wirtschaftsbetätigung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie zuordnet, ebd., S. 71 Fn. 220. 1089 Exemplarisch BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 – Rastede. 1090 Ganz abgesehen davon, dass Gemeinden schon die Kompetenz dazu fehlen wird, Aufgaben zu entziehen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

währleistungsbereich der Aufgabengarantie als ein Gewährleistungselement der Selbstverwaltungsgarantie nicht betroffen. bb) Faktischer Aufgabenentzug als Eingriff in den Aufgabenbestand Schützt die Garantie des gemeindlichen Aufgabenbestands auch vor dem faktischen, d. h. nicht rechtlich-formalen Entzug gemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen? Ein faktischer Aufgabenentzug liegt vor, wenn zwar formal die gemeindlichen Zuständigkeiten und Kompetenzen erhalten bleiben, allerdings ihre Wahrnehmung derart erschwert wird, dass eine Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten und Kompetenzen nicht mehr möglich erscheint. Die Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung kommt faktisch einem Entzug gleich. Einige Stimmen im Schrifttum sind der Auffassung, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur vor dem formal-rechtlichen, sondern auch vor dem faktischen Entzug von Aufgaben Schutz zu bieten vermag1091. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG biete „Schutz der Gemeinden gegen eine ungewollte Auszehrung ihrer Verwaltungskompetenzen im Verhältnis zu übergeordneten Verwaltungsträgern“1092. Kühling etwa wirft die Frage auf: „Genügt eine Erschwernis der Aufgabenerfüllung oder ist eine Verhinderung erforderlich?“ „Die bloße Konkurrenz“, meint er, „durch gebietsfremde Kommunalunternehmen bedingt jedoch regelmäßig nur eine Beeinträchtigung und keinen Entzug der Aufgabe. Daher sind erst in dem eher seltenen Fall, dass die gebietsüberschreitende Betätigung durch die Stammgemeinde die Aufgabenwahrnehmung in einem Umfang beeinträchtigt, der einem Entzug der Kompetenz zur Erledigung der örtlichen Angelegenheit gleichkommt, die strengen Maßstäbe des BVerfG anwendbar.“1093 Zumindest dann, wenn also die Beeinträchtigung der Nachbargemeinde durch die handelnde Gemeinde entzugsgleiche Wirkung habe, soll der Aufgabenbestand der Gemeinde betroffen sein. Ähnlich argumentierte das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein in einer Entscheidung zum kommunalen Finanzausgleich, also in einem Bereich, der gar nicht den Aufgabenbestand von Gemeinden im eigent­lichen Sinne betrifft. Das Gericht konstatierte, dass „eine Verletzung des Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung […] gegeben“ sei, wenn „ein faktischer Kompetenzentzug im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zumindest möglich“ erscheine1094. Auch wenn sich die Entscheidung mit einem Anspruch auf eine landesverfassungsrechtliche finanzielle Mindestausstattung der 1091

Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 247, 249, etwa nimmt einen Aufgabenentzug an, wenn „eine Maßnahme einen wesentlichen Teil des Gemeindegebiets jeder effektiven Planung“ entziehe. 1092 Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; eher apodiktisch eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung sieht Heusch (Fn. 568), § 2 Rn. 2, dann, wenn den Gemeinden Aufgaben entzogen oder ihre eigenverantwortliche Erledigung begrenzt werde, ohne allerdings genauer zu umreißen, was mit „begrenzen“ gemeint ist. 1093 Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179. 1094 LVerfG Schl.-H., Urt. v. 27. 01. 2017 – LVerfG 5/15, juris Ls. 4c, Rn. 107.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Gemeinden beschäftigte, bemühte das Gericht den Gedanken eines „faktischen Aufgabenentzugs“. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schulnetzplanung für Grund- und Hauptschulen wirft eine Vielzahl von Unklarheiten auf. Sollte man der Auffassung sein, dass die örtliche Standortplanung selbst eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist und das Gericht zugleich dahingehend deuten, dass jedenfalls die (überörtliche) Schulnetzplanung nicht mehr zum gemeindlichen Aufgabenbestand gehört, könnte man wegen der vom Gericht festgestellten weitgehenden Entleerung des grundlegenden Rechts des Schulträgers, über den Bestand, den Standort und die inhaltliche Akzentsetzung zu entscheiden, die Beeinträchtigung womöglich als eine „faktische“ Hochzonung deuten1095. Allerdings bezog das Gericht die Hochzonung nicht auf die Schulträgerschaft oder die örtliche Standortplanung, sondern auf die Schulnetzplanung, die nicht in den gemeindlichen Aufgabenbestand fällt1096. Unübersehbar ist allerdings, dass die Rechtsprechung und das Schrifttum die unterschiedlichen Gewährleistungsgehalte von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur unzureichend voneinander trennen. Ist von einer „entzugsgleichen“ Wirkung die Rede, geht es bei genauerem Besehen auch weniger um eine exakte Zuordnung zu einer bestimmten Teilgewährleistung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, als vielmehr um die Maßstäbe für die (verfassungsrechtliche) Rechtfertigung derartiger Beeinträchtigungen. Weil eine Beeinträchtigung entzugsgleich sein soll, sollen die verfassungsrechtlichen (Rechtfertigungs-)Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts für den Aufgabenentzug gelten1097. Nach heute weitgehend unbestrittener Auffassung soll nicht nur der Schutz vor formalem Entzug von Aufgaben in den Gewährleistungsbereich der Aufgabengarantie von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fallen, sondern auch die Aufgabenüberbürdung oder die Zuweisung von Aufgaben, zu deren Wahrnehmung die Gemeinden verpflichtet werden1098. Die Zuweisung pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben, Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung oder anderer Aufgaben nehme Ressourcen und Verwaltungskapazitäten der Gemeinden in Anspruch und verhindere dadurch gegebenenfalls die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben

1095

Umfassende Analyse der Entscheidung bereits Fn. 960. Das BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 – Schulnetzplanung, geht damit anscheinend doch davon aus, dass die Schulnetzplanung selbst Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist. 1097 Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 43 f. 1098 Zur landesverfassungsrechtlichen Regelung VerfGH Rh.-Pf., Urt. v. 16. 03. 2001 – VGH B 8/00, NVwZ 2001, 912 (914): „In den Schutzbereich dieser so genannten Aufgabengarantie wird nicht nur durch Aufgabenentzug eingegriffen, sondern auch dann, wenn der Gesetzgeber – wie hier – den Kommunen neue Aufgaben überbürdet.“; ähnlich zuvor der VerfGH NRW, Urt. v. 12. 12. 1995 – VerfGH 5/94, NVwZ 1996, 1100 (1100): „Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung können nicht nur durch den Entzug von Aufgaben und durch Vorschriften betreffend die Art und Weise der Aufgabenerfüllung erfolgen, sondern mittelbar auch durch die Übertragung von zusätzlichen Aufgaben, die die kommunalen Mittel in erheblichem Maße beanspruchen und dadurch die Kapazitäten zur Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben schmälern.“ 1096

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

der Gemeinden1099. Die Aufgabenzuweisung wird häufig an der Teilgewährleistung der Aufgabengarantie gemessen oder jedenfalls darstellerisch in der Kommentar­ literatur im unmittelbaren Zusammenhang mit dem (formal-rechtlichen) Aufgabenentzug behandelt1100. Dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch vor der Aufgabenüberbürdung Schutz bieten soll, könnte unabhängig davon, dass Aufgabenübertragungen nur durch den Gesetzgeber denkbar sind, dafür sprechen, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch vor einem faktischen Entzug von Aufgaben schützt. Aufgabenzuweisungen betreffen aber nicht den Gewährleistungsbereich der Aufgabengarantie. Die Teilgewährleistung schützt nur vor der nachteiligen Reduzierung des Aufgabenbestands und dem formalen Entzug von Zuständigkeiten und Kompetenzen. Es wird durch die Überbürdung von Aufgaben auf Gemeinden aber allenfalls die Aufgabenwahrnehmung, nicht hingegen das Innehaben von bestimmten Zuständigkeiten und Kompetenzen für bestimmte Aufgaben beeinträchtigt. Die Aufgabenüberbürdung betrifft aus diesem Grund die Eigenverantwortlichkeits­ garantie1101. Alle Beeinträchtigungen, die nicht in einem Entzug von Aufgaben liegen, können allenfalls die Eigenverantwortlichkeitsgarantie betreffen. b) Anspruch der Nachbargemeinden auf Unterlassen von Eingriffen in das modale Gewährleistungselement Weder die faktische Beeinträchtigung – sei diese für die Nachbargemeinde auch noch so schwerwiegend – noch die (faktische) Usurpation der nachbargemeind­ lichen Zuständigkeiten und Kompetenzen betreffen die rechtliche Zuordnung einer Aufgabe zum Aufgabenbestand der Nachbargemeinde. Mit dem universellen Wirkungskreis durch die verfassungsunmittelbare Zuweisung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist nur eine Teilgewährleistung der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG angesprochen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich1102. Bereits normtextlich differenziert 1099

Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 111; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 250. Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 249 f. 1101 Richtigerweise geht von einem Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie aus Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 817, weil Aufgabenübertragungen „Ressourcen binden und damit die Margen der kommunalen Eigenverantwortlichkeit minimieren“; zutreffend auch Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 115; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 71. 1102 BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1967 – 2 BvL 28/63, BVerfGE 21, 117 (128 f.) – Kommunale Baudarlehen; BVerfG, Beschl. v. 21. 05. 1968 – 2 BvL 2/61, BVerfGE 23, 353 (365) – Kreisumlage; BVerfG, Beschl. v. 24. 06. 1969 – 2 BvR 446/64, BVerfGE 26, 228 (237 f.) – Sorsum; BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1979 – 2 BvL 6/76, BVerfGE 50, 195 (201) – Rheda-Wiedenbrück; BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (312) – Flugplatz Memmingen; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (143) – 1100

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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das Grundgesetz in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG deutlich zwischen unterschiedlichen Gewährleistungselementen, obwohl Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen ihnen bestehen. Nicht von der Hand zu weisen ist selbstredend, dass die einzelnen Gewährleistungselemente miteinander verknüpft sind1103. Rastede; BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (381) – Krankenhausumlage; BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (236) – Gleichstellungsbeauftragte; BVerfG, Beschl. v.  18. 05. 2004  – 2  BvR  2374/99, BVerfGE 110, 370 (399 f.) – Klärschlamm-Entschädigungsfonds; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (17 Rn. 49) – Schulnetzplanung. 1103 Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten der Teilgewährleistungen s. Fn. 960. Anders als dort, geht es hier um den rechtlichen Konnex beider Teilgewährleistungen. – Wie genau die Teilgewährleistungen miteinander zusammenhängen, ist unklar. Frenz, Selbstverwaltungs­garantie (Fn. 985), S. 52, spricht von einem „engen sachlichen Zusammenhang“. Bezieht sich die Garantie der Eigenverantwortlichkeit ausschließlich auf die Aufgaben, welche von der (verfassungsunmittelbaren) Aufgabengarantie umfasst sind oder gewährleistet Art. 28 II 1 GG auch die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung solcher Aufgaben, die den Gemeinden erst qua einfachgesetzlicher Zuweisung zuteilwerden? Was ist, wenn der Gesetzgeber Gemeinden Aufgaben überträgt, ihnen dabei aber einfachrechtlich die Eigenverantwortlichkeit der Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe garantiert? Für eine Beschränkung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft richtigerweise Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 184; BVerfG, Beschl. v.  07. 02. 1991  – 2  BvL  24/84, BVerfGE 83, 363 (382) – Krankenhausumlage; BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (158 Rn. 116 f.) – Optionskommune; z. T. bezieht das BVerfG namentlich die Organisationshoheit auch auf die den Gemeinden übertragenen Aufgaben BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (382) – Krankenhausumlage: „Allerdings greift die organisatorische Autonomie der Gemeinde weiter als die inhaltliche. Staatliche Reglementierung, die die Art und Weise der Aufgabenerledigung nach Maßgabe der Gesetze betrifft, kann die Gemeinde nur für den Umkreis ihrer örtlichen Angelegenheiten, nicht dagegen auch hinsichtlich der ihr übertragenen überörtlichen Angelegenheiten abwehren […]; das Recht zur Organisation der Gemeindeverwaltung (einschließlich etwa der Personalhoheit oder der Haushaltsautonomie)  leitet sich demgegenüber aus der Garantie der eigenverantwortlichen Regelung nicht nur bezüglich bestimmter Sachaufgaben, sondern für die gesamte Verwaltung her.“; noch weitergehend BVerfG, Beschl. v. 07. 01. 1999 – 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (520), in dem es heißt, dass Art. 28 II 1 GG die Eigenverantwortlichkeit „auch in einem der Aufgabenerfüllung vorgelagerten, gemeindeinternen Bereich“ gewährleiste; zur Erstreckung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie auf Aufgaben, die nicht in den Aufgabenbestand der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft fallen Suerbaum, Wirkmächtigkeit (Fn. 988), S. 91 f.; m. w. N. ­Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 545 f.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 106; Nierhaus /  Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 57; ähnlich weitegehend unter Bezugnahme auf die Rspr. des BVerfG J.  Oebbecke, Die Aufsicht der Länder über den kommunalen Vollzug der Grund­ sicherung, in: DVBl. 2019, S. 1 (3 f.); zu dieser „Entkoppelung von Aufgaben und Eigenverantwortlichkeit u. a. Knemeyer / Wehr, Garantie (Fn. 985), S. 337; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 73, wobei er in einem Beitrag aus dem Jahr 2007 davon ausging, dass Gemeinden, wenn ihnen über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Aufgaben zugewiesen werden, ein Selbstverwaltungsrecht hätten s. Lange, Orientierungsverluste (Fn. 636), S. 820 ff.; hat der Gesetzgeber Gemeinden Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen, obwohl es sich nicht um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt, meint H. Vietmeier, Die staatlichen Aufgaben der Kommunen und ihrer Organe, 1992, S. 79, dass Gemeinden dann „hinsichtlich der Wahrnehmungsmodalitäten, nicht aber hinsichtlich ihrer Materie Selbstverwaltungsaufgaben im Sinne von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG“ wahrnehmen. Bedeutet das auch, dass die Eigenverantwortlichkeit der übertragenen Aufgaben

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Im Schrifttum des besonderen Verwaltungsrechts (namentlich dem Bauplanungsrecht sowie dem Gemeindewirtschaftsrecht), weniger jedoch im verfassungsrechtlichen Schrifttum, lässt sich eine gewisse Ungenauigkeit beobachten: Im Gemeindewirtschaftsrecht wird etwa die Frage aufgeworfen, ob das „Selbstverwaltungsrecht“ der Nachbargemeinde Schutz vor einer extraterritorialen Wirtschaftsbetätigung bietet, weil ein Eingriff in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie vorliege. Der Gewährleistungsbereich wird dann allerdings nicht weiter in die einzelnen Teilgewährleistungen aufgeschlüsselt1104. Das Bemühen um Differenzierung der Gewährleistungselemente des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG findet in den allermeisten Untersuchungen sein jähes Ende stattdessen in der Rezeption der Dreiteilung Sterns und dessen Schichtmodell1105. Zum Teil fächern die einschlägigen Untersuchungen die sog. Rechtsinstitutionengarantie verbal weiter auf: Sie unterscheiden zwischen der Garantie eines bestimmten Aufgabenbestands (Aufgabengarantie) sowie der Garantie der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung (modales Gewährleistungselement). Das Bundesverfassungsgericht greift zum Beispiel die Aufgabengarantie und die Eigenverantwortlichkeitsgarantie in seiner Rechtsprechung ausdrücklich auf und prüft je nach Fallgestaltung und angegriffener Norm entweder die Aufgabengarantie1106, die Eigenverantwortlichkeitsgarantie1107 oder beides1108. Sowohl der Schutz vor Beeinträchtigungen der Aufgabenwahrnehmung durch die Nachbargemeinden als auch der Schutz vor der Usurpation der Aufgaben hängen von dem Inhalt und der Reichweite der Eigenverantwortlichkeitsgarantie ab. Fraglich ist aber, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Eigenverantwortlichkeit der AufVerfassungsschutz genießt? Genießt sie nur dann Schutz durch das modale Gewährleistungselement, wenn der Gesetzgeber Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung überträgt oder schützt Art. 28 II 1 GG die Eigenverantwortlichkeit der übertragenen Aufgaben unabhängig davon? Zuzustimmen sind etwa Suerbaum, Wirkmächtigkeit (Fn. 988), S. 92 f., und Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 69, allerdings darin, dass zumindest bei der Organisationshoheit viel dafürspricht, diese auch auf die übertragenen Aufgaben zu erstrecken, da Gemeinden ihre Organisation nicht dualistisch ausrichten und verändern, je nachdem, ob sie eigene Aufgaben oder staatlich zugewiesene Aufgaben erfüllen; mit eben diesem Argument nicht zu Unrecht auf die Lebenswirklichkeit hinweisend Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 191. – Zur Auswirkung der Organisation auf das Ergebnis der unter diesen Bedingungen getroffenen Entscheidung in einem anderen Kontext Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 223. 1104 Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S.75 ff. 1105 Dazu bereits Fn. 957. 1106 Überprüfung der angegriffenen Legislativakte (wohl) an der gemeindlichen Aufgabengarantie BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (151) – Rastede; BVerfG, Beschl. v. 18. 05. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370 (401 f.) – Klärschlamm-Entschädigungsfonds. 1107 BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (383, 386 ff.) – Krankenhausumlage; BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (236 ff.) – Gleichstellungsbeauftragte; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (14 ff.) – Verwaltungsgemeinschaften; BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, 2434/04, BVerfGE 119, 331 (362) – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften. 1108 BVerfG, Beschl. v. 07. 01. 1999 – 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (520 f.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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gabenwahrnehmung verfassungsunmittelbar gewährleistet oder ob der Inhalt der Verfassungsgarantie vom Zutun des Gesetzgebers abhängt. Eine institutionelle Interpretation von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, wegen der eine vollumfängliche legislative Formung und Gestaltgebung notwendig sein soll, würde gegen eine verfassungsunmittelbare Gewährleistung der Eigenverantwortlichkeit sprechen. Die Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist  – wie auch die Aufgabengarantie  – jedenfalls im Grundsatz verfassungsunmittelbar gewährleistet1109. Sie ist nicht auf die legislative Ausformung oder die Zuweisung bestimmter Schutzinhalte angewiesen. Kennzeichen des modalen Gewährleistungselements ist, wie Waechter festhält, „gerade die Abwesenheit von Regelungen, nicht die Angewiesenheit auf Regelungen“1110. Für dieses Ergebnis sprechen dieselben Gründe, die schon für die Verfassungsunmittelbarkeit der Aufgabengarantie sprachen. Abweichungen zu der Aufgabengarantie ergeben sich aber möglicherweise daraus, dass das modale Gewährleistungselement eher als die Aufgabengarantie der Gemeinden einer gesetzlichen Regelung zugänglich ist. Sollte Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, wenn auch keiner legislatorischen Konstituierung, wohl aber einer wie auch immer gearteten legislatorischen Ausgestaltung, Formung oder Konkretisierung zugänglich sein, kann die Untersuchung den Einfluss des Unterverfassungsrechts methodologisch sowie darstellerisch bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der Eigenverantwortlichkeitsgarantie nicht angemessen verarbeiten. Jede Aussage über den Inhalt des modalen Gewährleistungselements hinge von der unterverfassungsrechtlichen Rechtslage ab, die Veränderungen unterliegt. Dasselbe gälte auch für die Aufgabengarantie, wenngleich die normative Formung des Gewährleistungsbereichs dort – wie gesehen – nicht überzeugt. Aussagen über den Inhalt der Eigenverantwortlichkeitsgarantie wären nur Momentaufnahmen eines dynamischen, da zum Teil gesetzesakzessorischen Gewährleistungsbereichs1111. Aus diesem Grund blendet die Untersuchung das Unterverfassungsrecht aus1112. Es geht 1109 Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 358; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 24, 72, 85, 88, 149; wohl nur auf den Aufgabenbestand bezogen Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 707 f. 1110 Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 358. 1111 Besonders deutlich ist diese Gefahr, wenn man die Aussagen von Schmidt-Aßmann zum Verhältnis einfachgesetzlicher Regelungen und den Verfassungsgarantien des Art. 28 II 1 GG, welche er wohl in Übernahme der grundrechtlichen Lehre als „Wechselwirkungslehre“ bezeichnet, ernstnimmt, vgl. dazu mit wörtlichem Zitat in Fn. 986; es insistiert auch Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 242 (Zitat dort), 245, konkret in Bezug auf die Planungshoheit: „Der juris­tische Umgang mit der verfassungsrechtlichen Planungshoheit läuft deshalb Gefahr, das mit dem Bundesbaugesetz etablierte und durch die spätere Gesetzgebung in seinen Grundzügen bisher nicht in Frage gestellte planungsrechtliche System und die Stellung der Gemeinden in diesem System als verfassungsrechtlich garantiert anzusehen.“ 1112 Unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der legislativen Einflussnahme offensteht oder gar auf eine solche angewiesen ist, verfolgt die Untersuchung zunächst einen strikten tabula-rasa-Ansatz, den, soweit ersichtlich, ­Gellermann erstmals im Bereich der sog. ausgestaltungsbedürftigen Grundrechte propagierte. Auf die Frage, ob das Unterverfassungsrecht den Gewährleistungsbereich beeinflusst, kommt es bei seiner Bestimmung wegen des methodologischen Ansatzes nicht an. Mit der Fiktion einer tabula-rasa-

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

somit um die Ermittlung des Gewährleistungsgehalts des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unter Ausblendung des Unterverfassungsrechts1113. Ob die Eigenverantwortlichkeitsgarantie auf normative Konstituierung angewiesen ist oder einer normativen Konkretisierung und Formung zugänglich ist, muss jedenfalls an dieser Stelle der Situation nimmt die Untersuchung eine Regelungssituation an, in der ein gesetzgeberisches Tätigwerden, d. h. eine womöglich notwendige (erstmalige) Formung durch den zuständigen Gesetzgeber, noch aussteht. Die Untersuchung macht sich den von Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 82 f., 397, entwickelten Ansatz zunutze, den dieser für sog. normgeprägte grundrechtliche Gewährleistungen entwickelt hat. „Angesichts dessen ist es im Interesse der Vermeidung unnötiger Komplikationen ratsam, sich den Fragen einer Abgrenzung zwischen Ausgestaltung und Eingriff zunächst auf der Basis einer isoliert grundrechtlichen Betrachtung zu nähern. Die Beziehung zwischen Grundrecht und einfachem Recht muß zunächst – ungeachtet dessen, daß dies rechtspraktisch nicht eben der Normalfall ist – vom Standpunkt der ‚tabula rasa-Situation‘ aus betrachtet werden. Dies läßt die relevanten Zusammenhänge deutlich hervortreten und bannt zugleich die Gefahr einer Vermengung der Normebenen.“, Zitat ebd., S. 83. – Die Untersuchung wendet sich damit methodologisch vehement gegen den Vorschlag von z. B. G. Seibert, Selbstverwaltungsgarantie und kommunale Gebietsreform, 1971, S. 26: „Auf die ‚institutionelle (Verfassungsgarantie)‘ gemeindlicher Selbstverwaltung angewandt folgt hieraus, daß bei der Ermittlung des Inhalts der garantierten ‚Institution‘ auch ein Rückgriff auf derzeit [Kursivierung auch im Original, M. J.] geltende einfachgesetzliche Regelungen, wie sie insbesondere in der GO des jeweiligen Landes enthalten sind, grundsätzlich möglich ist.“ – Die Untersuchung hat ausschließlich postkonstitutionelles Recht vor Augen. Präkonstitutionelles Recht hat methodologisch einen anderen Stellenwert und einen anderen Einfluss auf den Inhalt einer Verfassungsnorm. Der Verfassunggeber mag eine (einfachrechtliche) Vorverfassungs­situation in seinen Regelungswillen bei Erlass einer Verfassungsnorm aufgenommen oder sich bewusst von dieser abgesetzt haben. Bestimmte (präkonstitutionelle) Regelungen geben der Verfassungsgarantie dann einen bestimmen Inhalt. Ob es sich dann noch um eine Normprägung handelt oder – überzeugender – ob die Verfassungsgarantie selbst den Inhalt der Vorverfassungssituation in sich aufnimmt, kann offenbleiben. Eingehend zu diesen methodologischen Fragen unter 3.  Teil B. I. 3. b) cc) (2) (f) (S. 395 ff.). 1113 Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 415, 419 ff., dagegen schaut – obwohl er sich selbst ausdrücklich gegen eine Definition der Planungshoheit durch den Gesetzgeber positioniert, ebd., S. 414 – für die Bestimmung des Gewährleistungsbereichs von Art. 28 II 1 GG auch auf das Unterverfassungsrecht. Er meint etwa, dass „[m]it der Entscheidung, dass ein Vorhaben, das den objektiven Zulassungsvoraussetzungen entspricht, trotz etwaiger damit verbundener tatsächlicher Nachteile zugelassen werden soll, […] der Gesetzgeber zu erkennen gegeben [hat], dass die Planungshoheit der Nachbargemeinde zumindest gegen solche Beeinträchtigungen nicht mehr geschützt sein soll.“ Hug bestimmt damit wohl in der Sache den Gewährleistungsbereich der Planungshoheit in Abhängigkeit vom subkonstitutionellem Recht, weil er anhand der gesetzlichen Regelungen festmachen möchte, ob eine „Maßnahme der Exekutive als Eingriff in die Planungshoheit“ zu werten ist und eine „gesetzesgemäße [Kursivierung auch im Original, M. J.] Baugenehmigung nicht als Eingriff“ qualifiziert, ebd., S. 419. Es überzeugt jedoch nicht wirklich, dass die §§ 29 ff. BauGB darüber entscheiden sollen, ob eine Genehmigung einen Eingriff in die Planungshoheit darstellt oder nicht. Ist es nicht vielmehr so, dass – so man akzeptiert, dass der Gesetzgeber mit den §§ 29 ff. BauGB die Planungshoheit normativ formt – entweder schon der Gewährleistungsbereich keinen Schutz vor Genehmigungen bietet, welche die Voraussetzungen der §§ 29 ff. BauGB beachten, oder sie zwar einen Eingriff darstellen (unterstellt, Gemeinden sind Verpflichtungsadressaten von Art. 28 II 1 GG), dieser aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, da er auf einer ausreichenden Schrankenregelung beruht und im Übrigen verfassungsgemäß ist? Hier wirkt sich auch aus, dass die Untersuchung der Auffassung ist, dass die Bestimmung des Gewährleistungsbereichs der Bestimmung des Eingriffs vorausliegt ist.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Untersuchung nicht weiter interessieren. Selbst wenn dem so wäre, haben jedenfalls Gemeinden nicht selbst Anteil an der Formung der Verfassungsgarantie. Berufen zur normativen Konstituierung oder Konkretisierung ist vorrangig der (zuständige) Gesetzgeber1114. aa) Gewährleistungsumfang des modalen Gewährleistungselements „Das Recht zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte im gegebenen Aufgabenbereich bedeutet allgemein die Freiheit vor staatlicher Reglementierung hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerledigung.“1115 Geschützt ist, dass Gemeinden die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft nach eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen erledigen dürfen1116. Mit der verfassungsrechtlich abgesicherten Befugnis zur eigenverantwortlichen Erledigung solcher Aufgaben, die in den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft fallen, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden vorrangig die Weisungsfreiheit der Aufgabenwahrnehmung. Die Aufgabenwahrnehmung soll „ohne Weisung und Vormundschaft des Staates“1117 erfolgen. Eine „umfassende staatliche Steuerung der kommunalen Organisation wäre mit dieser verfassungsrechtlich garantierten Eigenverantwortlichkeit unvereinbar“1118. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG räumt den Gemeinden die Befugnis ein, „Herrin ihrer Selbstverwaltungsaufgaben“ zu sein1119. Das Schrifttum fächert die unterschiedlichen Erfüllungsmodalitäten der Eigenverantwortlichkeitsgarantie in sog. gemeindliche Hoheiten auf. Auch das Bundesverfassungsgericht bedient sich der Gemeindehoheiten. Die gemeindlichen Hoheiten stellen „typisierte Ausschnitte aus dem Gesamtumfang kommunaler Selbstverwaltung“1120 dar. Allerdings schwankt die Zuordnung der Gemeinde 1114 Den (zuständigen) Gesetzgeber für vorrangig berufen hält stellvertretend Schoch, Neukonzeption (Fn. 985), S. 939. – Inwiefern auch die Judikative und die Exekutive zur normativen Gestaltgebung berufen sind, wird etwa bei den Grundrechten unterschiedlich beurteilt. Gegen judikative und exekutivische Anteile an der normativen Konstituierung und Konturierung ­Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 373 ff., 382 ff.; weniger ablehnend dagegen Cornils, Ausgestaltung (Fn. 1040), S. 12. 1115 BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (382) – Krankenhausumlage; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (12 f.) – Verwaltungsgemeinschaften. 1116 Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 820; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 50. 1117 Klassische Formulierung von E. Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: K. A. Bettermann / H. C. Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. IV/2, 2. Aufl. 1962, S. 673 (718). 1118 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (221 Rn. 74) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt; wortgleich schon zuvor BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (17 Rn. 49) – Schulnetzplanung. 1119 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (20) – Verwaltungs­ gemeinschaften. 1120 Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 120; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 57, konstatiert, dass sie nur einen „exemplarischen Charakter“ tragen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

hoheiten zu den Garantieelementen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: Teilweise dienen die Gemeindehoheiten nicht nur zur Typisierung und inhaltlichen Erfassung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie, sondern auch, um die Aufgabengarantie der Gemeinden zu beschreiben1121. Ein differenzierter Ansatz bei der Zuordnung der Gemeindehoheiten zu den beiden Garantieelementen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG überzeugt, da mit einem Erledigungsmodus, etwa der Steuerung und der Leitung der Bodennutzung im Gemeindegebiet durch das Aufstellen von Bauleitplänen, zugleich auch darüber entschieden wird, dass die Überplanung des Gemeindegebiets zur Ordnung der Bodennutzung in den Aufgabenbestand der Gemeinde fällt1122. Für die Inhaltsbestimmung und die Bestimmung der Reichweite der Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist mit der Zusammenfassung in Gemeindehoheiten aber kaum mehr Klarheit gewonnen. Allenfalls vermitteln die Gemeindehoheiten einen groben Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Erfüllungsmodi von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Das Schrifttum differenziert zum Teil nach unterschiedlichen Typen von Aufgaben der Gemeinden, die sich im Grad der Reichweite der Eigenverantwortlichkeit unterscheiden sollen1123. Ob freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe oder pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe: Diese Typen von Selbstverwaltungsaufgaben sind keine Kategorien des Verfassungsrechts1124. Beide Typen sind erst die Folge gesetzlicher Regelungen, sodass sie für die Bestimmung der Reichweite des modalen Gewährleistungselements auszublenden sind1125. 1121 Als Beitrag zur Erfassung der von der Selbstverwaltungsgarantie umfassten Aufgaben ordnet die gemeindlichen Hoheiten ein Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 57; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / ders. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 15. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 25: „Typische Fälle gemeindlicher Angelegenheiten sind die sog. Gemeindehoheiten“; in der Neuauflage fehlt dieser Hinweis Jarass (Fn. 1014), Art. 28 Rn. 30 ff.; in diese Richtung auch BVerfG, Urt. v. 24. 07. 1979 – 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95 (117); für eine Zuordnung zur Eigenverantwortlichkeitsgarantie dagegen Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 69; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 196 ff.; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 53; zur Planungshoheit, die sowohl die Aufgabe als auch den Modus beschreibt zutreffend Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 240: „In der Planungshoheit begegnen sich Universalität und Eigenverantwortlichkeit als Ausprägung der Selbstverwaltungsgarantie.“; differenzierend auch Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 821; unter Hinweis auf die schwankende Zuordnung enthält sich ganz einer Zuordnungsentscheidung Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 120. 1122 Zutreffend Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 57, der meint, dass die Gemeindehoheiten nicht sonderlich systematisch gegliedert seien, da sie sich zum Teil auf die Art und Weise der eigenverantwortlichen gemeindlichen Regelung, zum Teil aber auch auf den Gegenstand bezögen. 1123 Schoch, Stand (Fn. 575), S. 30 ff.; zur Entwicklung der kommunalen Aufgabenmodelle auch J.  Wessels, Inhalt und Grenzen der Steuerung des Landes bei der Wahrnehmung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, 2016, S. 12 ff. 1124 Einen anderen Eindruck erwecken freilich die vielen Stimmen im Schrifttum, bspw. Henneke, Schutz (Fn. 985), S. 82 f. 1125 Wird eine Selbstverwaltungsaufgabe, d. h. eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zur Pflichtaufgabe erklärt, so liegt darin eine Beeinträchtigung des modalen Gewährleistungselements Schmidt, Schulnetzplanung (Fn. 960), S. 157; zur Aufgabe der Krankenhausversorgung als Pflichtaufgabe BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (384) – Krankenhausumlage.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Art.  28 Abs. 2 S. 1  GG schützt zuvörderst vor der Aufsicht durch Behörden, die staatlich im engeren Sinne sind. Je nach landesrechtlicher Ausgestaltung variieren sowohl die Bezeichnungen als auch die Kontrollmaßstäbe der staatlichen Aufsicht über die Kommunalverwaltung1126. Die Staatsaufsicht über Gemeinden ist in allen Ländern in ihren Grundzügen sehr ähnlich geregelt1127. Entscheidend ist nicht, ob die Aufsicht Staatsaufsicht, Kommunalaufsicht, allgemeine Aufsicht, Sonderaufsicht oder Fachaufsicht heißt, sondern was nach den landesrechtlichen Kontrollermächtigungsnormen die Kontrollgegenstände und die Kontrollmaßstäbe sind. Die Aufsicht über Gemeinden bei der Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft kann sich im Ausgangspunkt sowohl auf die Einhaltung des rechtlichen Rahmens (Fremdprogrammierungsanteile) als auch die Einhaltung des rechtlichen Rahmens und die Zweckmäßigkeit, d. h. die Selbstprogrammierungsanteile der Aufgabenerfüllung beziehen. Für die Aufsicht, die sich auf die Überprüfung der Einhaltung des rechtlichen Rahmens beschränkt, hat sich die Bezeichnung der Rechtsaufsicht, für die Aufsicht, die auch die Selbstprogrammierungsanteile umfassend ersetzen kann und Einzelweisungen erteilen darf, die der Fachaufsicht eingebürgert1128. Nach § 119 Abs. 1 GO NRW zum Beispiel erstreckt sich die Aufsicht des Landes darauf, dass die Gemeinden „im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden“ oder – sachlich treffender – Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen verwalten1129. Für die Fachaufsicht weicht die nordrhein-westfälische Nomenklatur ebenfalls ab; § 119 Abs. 2 GO NRW gebraucht den Ausdruck der Sonderaufsicht1130. Gemeinden unterstehen auch dort der Rechtsaufsicht, wo sie der Fachaufsicht unterliegen. Das gilt schon allein deshalb, weil fachaufsichtliche Weisungen der Durchsetzung durch die Rechtsaufsicht bedürfen1131. Obwohl die gängige Unterscheidung zwischen Rechtsaufsicht und Fachaufsicht anhand ihrer (angeblich) fundamental divergierenden Aufsichtsmaßstäbe den Eindruck erweckt, unterscheiden sich beide Aufsichtsformen nicht kategorial und qualitativ, sondern allenfalls graduell und quantitativ voneinander. Mit jeder Rechtsindividualisierung und -konkretisierung gehen erstens notwendigerweise (Subsumtions-) 1126 Zur Begriffsvielfalt C. Brüning / K. Vogelgesang, Die Kommunalaufsicht, 2. Aufl. 2009, Kapitel I Rn. 46b; zu den Arten der Aufsicht ferner Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 304 ff. 1127 In der hier gebrauchten Terminologie umfasst die Staatsaufsicht sowohl die Rechtsaufsicht oder allgemeine Aufsicht als auch die Fach-/Sonderaufsicht F.-L. Knemeyer, Die Staatsaufsicht über die Gemeinden und Kreise (Kommunalaufsicht) in: Mann / Püttner, HdKWP I (Fn. 93), § 12 Rn. 1; zu den Ähnlichkeiten der Aufsicht über Gemeinden in den Ländern feststellend Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 407. 1128 W.  Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 401; Knemeyer, Staatsaufsicht (Fn. 1127), § 12 Rn. 37, 74 f.; Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 60; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 17 Rn. 2 ff., 20 ff., 187 ff.; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 114 f. 1129 § 119 I GO bezeichnet die Rechtsaufsicht als „allgemeine Aufsicht“ s. dazu auch Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 17 Rn. 23. 1130 In Nordrhein-Westfalen und in Brandenburg spricht das Kommunalrecht von Sonderaufsicht, wenn es in Abgrenzung zur Rechtsaufsicht die Fachaufsicht meint § 119 II GO NRW, § 57 II KreisO NRW sowie § 121 I BbGKVerf. Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 114 Fn. 43. 1131 Lange, Kommunalrecht (Fn10), Kapitel 17 Rn. 22, 197 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Spielräume einher. So bestehen etwa gewisse Spielräume bei der Zuordnung eines Lebenssachverhalts zum Normprogramm1132. Die Rechtsaufsicht über Gemeinden muss daher – so sie denn tatsächlich nur auf die Überprüfung der Einhaltung des rechtlichen Rahmens beschränkt sein sollte – zwangsläufig jedenfalls den Selbstprogrammierungsanteil der beaufsichtigten Gemeinde bei der Subsumtion in ihre Kontrolle einschließen dürfen und zur Ersetzung durch ihre eigene Programmierung ermächtigt sein1133. Darauf beschränkt sich der Umfang der Ersetzungs­ befugnisse von Rechtsaufsichtsbehörden aber nicht. Die Rechtsaufsicht bezieht sich zweitens im Ausgangspunkt auch auf die Selbstprogrammierungsanteile gemeindlichen Handelns, die über den Anteil bei der Zuordnung eines Lebenssachverhalts zum Normprogramm hinausgehen1134. Wie bei der verwaltungsgerichtlichen Kon­ trolle kommt es darauf an, ob den Gemeinden durch das materielle Recht die Letztentscheidungsbefugnis legislativ zugewiesen wurde. Die Rechtsaufsicht durch die Staatsaufsicht weicht von der Kontrolle durch Verwaltungsgerichte nicht ab, sondern beide verlaufen weitgehend parallel1135. Für die Rechtsmaterien, die nur der 1132

Zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 198: „Die Gerichte genießen […] Entscheidungsfreiräume bei der Subsumtion“. 1133 Einerseits bereits zum rechtswesenhaften Entscheidungsspielraum im Vorgang des (individualisierenden) Rechtserzeugungsprozesses 2.  Teil  B. III. 1. (S. 268 ff.), andererseits zum (Subsumtions-)Spielraum etwa des Gesetzgebers bei der Zuordnung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Fn. 1513. 1134 Von einem anderen Verständnis der Rechtsaufsicht, die sich allein „auf die Wahrung der Grenzen des Entscheidungsfreiraums“ beziehe, geht trotz (weitgehend)  übereinstimmenden rechtstheoretischen Annahmen wie hier aus Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 114. 1135 In diesem Sinne etwa Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel V Rn. 143 f., 147; K. Schönenbroicher, in: Dietlein / Heusch, BeckOK Kommunalrecht (Fn. 40), § 119 (Juni 2021), Rn. 8; zur vergleichbaren bayerischen Regelung J. Suerbaum, in: J. Dietlein /  ders. (Hrsg.), BeckOK zum Kommunalrecht Bayern, Art. 109 (Mai 2021), Rn. 13. Jedenfalls für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist der Weg über normative Letztentscheidungsbefugnisse und der legislativen Zuweisung von kontrollfreien (definitiven) Eigenentscheidungsanteilen wohl der vorzugswürdigere, da die verwaltungsprozessualen Vorschriften einen breiteren Anwendungsbereich haben und nicht ausschließlich Streitigkeiten zwischen Gemeinden betreffen. Art. 28 II 1 GG, der eine Kontrolle von Fremd- und Selbstprogrammierungsanteilen verdächtigt erscheinen lässt und deshalb auch die Staatsaufsicht über Gemeinden in Gänze verdächtig macht, greift bei den Verwaltungsgerichten daher nur für einen Teil ihrer Rechtsprechungstätigkeit. Da sich die aufsichtliche Kontrolle etwa nach den §§ 119 ff. GO NRW ausschließlich auf Gemeinden bezieht und Gemeinden dort, wo sie der Rechtsaufsicht unterstehen, eigenverantwortlich Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen können sollen, könnte man ein ähnliches Ergebnis auch damit erreichen, dass man die Aufsicht von vornherein auf eine Rechtskontrolle mit ausnahmsweiser Ersetzungsbefugnis der Subsumtionsspielräume beschränkt und die Vollkontrolle nicht erst durch das Erfordernis einer Letztentscheidungsbefugnis versperrt. Damit ginge ein anderes Regel-Ausnahme-Verhältnis einher. Dort, wo Gemeinden nur der Rechtsaufsicht als die Aufsicht über die Einhaltung des rechtlichen Rahmens unterlägen, wären die Gemeinden dazu ermächtigt, die Auswahlentscheidung zwischen mehreren möglichen Auslegungsergebnissen bei unbestimmten Rechtsbegriffen zu treffen. Dann aber wären alle unbestimmten Rechtsbegriffe durchgehend solche mit Beurteilungsspielraum. Dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis, dass alle unbestimmten Rechtsbegriffe solche mit Beurteilungsspielraum sind, mag unter Umständen rechtfertigbar sein, weil Rechtsaufsicht nur dort vom Gesetzgeber vorgesehen ist, wo Gemeinden Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Rechtsaufsicht unterliegen, ist von einer flächendeckenden Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen an die Gemeinden auszugehen. Dort, wo der Gesetzgeber den Gemeinden Letztentscheidungsbefugnisse einräumt, beschränken sich die Verwaltungsgerichtskontrolle und die Kontrolle durch die Staatsaufsicht auf eine (reine) Rechtskontrolle. Unterliegen die Gemeinden der Fachaufsicht, ermächtigen die Kontrollermächtigungsnormen gleichermaßen zu einer Überprüfung der Einhaltung des rechtlichen Rahmens sowie der Ersetzung der Fremdprogrammierungsanteile. Anders als für die Materien, die nur der Rechtsaufsicht unterliegen, verzichtet das materielle Recht für Materien, die der Fachaufsicht unterliegen, aber nahezu durchgehend darauf, den Gemeinden Letztentscheidungsbefugnisse einzuräumen. In der Regel wird der Gesetzgeber Gemeinden bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben die Letztentscheidungsbefugnis einräumen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bietet Schutz vor beiden Formen der Staatsaufsicht. Eine Aufsicht, welche sich durchweg (auch) auf die Selbstprogrammierungsanteile gemeindlichen Handelns bezieht, ist verfassungsrechtlich nicht rechtfertigungsfähig, weil die Weisungsfreiheit und die Letztentscheidungsbefugnis den Kern der Selbstverwaltungsgarantie bilden1136. Aus diesem Grund ist der Gesetzgeber nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet, Gemeinden bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben weitreichende Letztentscheidungsbefugnisse einzuräumen1137. Ob Bei kommunalrechtlichen unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem des „öffentliche[n] Bedürfnis[es]“ für einen Anschluss- und Benutzungszwang in § 9 GO NRW mag das rechtfertigbar sein. Für andere unbestimmte Rechtsbegriffe, die nahezu ubiquitär im Recht auftauchen dagegen nicht. Es überzeugt daher eher, etwa § 9 GO NRW so zu verstehen, dass er die Gemeinden normativ zur Letztentscheidung ermächtigt s. zu den kommunalrechtlichen unbestimmten Rechtsbegriffen Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 17 Rn. 40 f. 1136 Nach Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 136, gehöre es begriffsnotwendig zur Selbst­ verwaltung, dass Gemeinden zur Letztentscheidung ermächtigt sind, wenn sie eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erledigen. 1137 Art. 28 II 1 GG wirkt in mehrfacher Hinsicht auf die Verteilung von Letztentscheidungsbefugnissen ein. Hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle und der Staatsaufsicht über gemeindliches Handeln ist der Gesetzgeber jedoch einerseits durch Art. 28 II 1 GG in seiner Dimension als Abwehrrecht gehalten, Gemeinden normative Letztentscheidungsbefugnisse einzuräumen und damit verwaltungsgerichtliche Kontrolle und Staatsaufsichtskontrolle wegen normativer Letztentscheidungsbefugnisse auf eine reine Kontrolle der Einhaltung der rechtlichen Determinanten zu beschränken. Zugleich darf der Gesetzgeber bei der Zuweisung von gemeindlichen Eigenentscheidungsbefugnissen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht die Fremdprogrammierungsdichte zu weit treiben, da die Gerichte und die Staatsaufsicht diese in der Regel – vorbehaltlich echter Kontrolldichtenreduktionen – vollständig kontrollieren. Andererseits verpflichtet Art. 28 II 1 GG den Gesetzgeber in seiner Dimension als Protektionspflicht auch dazu, wenn er verwaltungsgerichtliche Kontrolle und die Kontrolle durch die Staatsaufsicht durch die Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen auf die Einhaltung des rechtlichen Rahmens beschränkt, für bestimmte störende Handlungen von Gemeinden überhaupt normative Rechtswidrigkeitsurteile vorzuhalten, um eine verwaltungsgerichtliche sowie staatsaufsichtliche Kontrolle sicherzustellen, wobei er auch zum Schutz von Gemeinden aus Sicht der übergriffigen Gemeinden die Fremdprogrammierungsdichte nicht zu weit treiben darf. Alternativ könnte der Gesetzgeber für den Fall störenden Handelns von vornherein von der Einräumung von Letztentscheidungsbefugnissen der Gemeinden (partiell) absehen, dazu bereits unter Fn. 938.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Schutz vor der Kontrolle der Einhaltung des rechtlichen Rahmens nach den §§ 119 ff. GO NRW bietet, die das Schrifttum und die Rechtsprechung üblicherweise als eine reine Rechtsaufsicht deuten, wird uneinheitlich beurteilt. Oft liest man, dass die (allgemeine) staatliche Aufsicht in eigenen Angelegenheiten das notwendige Gegenstück oder Korrelat zum Selbstverwaltungsrecht sei1138. Was das genau bedeutet, bleibt jedoch unklar1139. Auch wenn Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG nicht davor schützen sollte, dass es überhaupt eine Staatsaufsicht über die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gibt, schützt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zumindest vor der konkreten Ausgestaltung der staatsaufsichtsrechtlichen Mittel1140. Auch der tatsächliche Einsatz von Aufsichtsmitteln

1138

Etwa BVerfG, Urt. v. 23. 01. 1957 – 2 BvF 3/56, BVerfGE 6, 104 (117 f.) – Kommunalwahl-Sperrklausel NRW I; BVerfG, Beschl. v. 21. 06. 1988 – 2 BvR 602/83, 974/83, BVerfGE 78, 331 (331 f. Ls. 2, 340 ff.) – Nordhorn; Schoch, Satzungsrecht (Fn. 978), S. 804; Brüning /  Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel I Rn. 45; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 108. 1139 Kritisch dazu auch Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 407; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 136 f. 1140 Mit weiteren Nachweisen Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 558 f.; A. v. Mutius, Sind weitere rechtliche Maßnahmen zu empfehlen, um den notwendigen Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung zu gewährleisten?, Gutachten  E zum 53. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des dreiundfünfzigsten Deutschen Juristentages, Bd. I, 1980, E 20, 39 ff.; aus der Rspr. zur Rechtsaufsicht BVerfG, Urt. v. 23. 01. 1957 – 2 BvF 3/56, BVerfGE 6, 104 (117 f.) – Kommunalwahl-Sperrklausel NRW I; BVerfG, Urt. v. 30. 07. 1958 – 2 BvG 1/58, BVerfGE 8, 122 (137) – Volksbefragung Hessen; BVerfG, Beschl. v. 21. 06. 1988 – 2 BvR 602/83, 974/83, BVerfGE 78, 331 (331 f. Ls. 2, 340 ff.) – Nordhorn. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Aufsicht über Gemeinden müssen mehrere Fragen voneinander unterschieden werden, die im Verlauf der Untersuchung von Bedeutung sind. Erstens ist das Bild unscharf, ob die Staatsaufsicht von Art. 28 II 1 GG zugelassen ist, weil es entweder schon keine Beeinträchtigung der in Art. 28 II 1 GG verbürgten Garantien darstellt, die Staatsaufsicht eine dieser Garantien zwar beeinträchtigt, aber aus überwiegenden Gemeinwohlgründen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, oder weil Art. 28 II 1 GG die Staatsaufsicht sogar mitumfasst, sie also selbst verfassungsrechtlich abgesichert ist und daher die Einschränkung oder die Aufhebung der Staatsaufsicht selbst eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der Garantie kommunaler Selbstverwaltung darstellt, m. w. N. ohne die Variante einer verfassungsrechtlich gerechtfertigten Beschränkung des Art. 28 II 1 GG J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, 1986, S. 157 ff.; Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 407. Richtig dürfte folgende differenzierende Sicht sein, die sich aus den im Weiteren gefundenen Ergebnissen der Untersuchung ergibt. Diese Ausführungen gelten ausschließlich für den Gesetzgeber. Die Staatsaufsicht über Gemeinden gehört zu dem überkommenen Bild der kommunalen Selbstverwaltung, wie sie der Verfassunggeber vorfand s. nur den umfangreichen Überblick über die Historie der Aufsicht bei Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel II Rn. 48 ff. Aus diesem Grund bietet der Gewährleistungsbereich schon keinen (prima facie) Schutz davor, dass der Gesetzgeber überhaupt staatsaufsichtliche Regelungen vorhält und eine Staatsaufsicht über Gemeinden etabliert. Art. 28 II 1 GG umfasst in diesem Sinne die Staatsaufsicht über Gemeinden mit, sodass ihre legislative Etablierung keine Beeinträchtigung darstellt, so auch Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 70. Zumindest ließe sich die Staatsaufsicht aber verfassungsrechtlich rechtfertigen. Etwas anderes gilt

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nur dann, wenn man mit der Wendung „mitumfasst“ auch meint, dass die Staatsaufsicht über Gemeinden verfassungsrechtlich garantiert ist. Dann wäre die Staatsaufsicht über Gemeinden keine Beschränkung, sondern wäre verfassungsrechtlich gefordert. Da einige Autoren sogar meinen, dass die Beschränkung oder die Aufhebung der Staatsaufsicht über Gemeinden als Eingriff zu qualifizieren sei, spricht viel dafür, dass die Autoren dieser Ansicht der Auffassung sind, die Existenz der Staatsaufsicht über Gemeinden sei durch Art. 28 II 1 GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension vor Abschaffung geschützt. Zuvörderst ist die Kommunalaufsicht aber Mittel zur Disziplinierung der Gemeinden. Mit der Einbeziehung der Staatsaufsicht in den Gewährleistungsbereich von Art. 28 II 1  GG und der Notwendigkeit, Einschränkungen der Aufsicht nach eingriffsrechtlichen Kautelen rechtfertigen zu müssen, überbetonen diese Autoren jedoch die (teilweise) Schutzfunktion der Kommunalaufsicht. Die Kommunalaufsicht ist nicht verfassungsrechtlich geschützt, weshalb Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 108, sie als „notwendiges Element der Selbstverwaltungsgarantie“ zu Recht ablehnt. Sie ist vielmehr als solche vom Verfassunggeber vorgefunden worden und muss sich daher nicht abwehrrechtlich rechtfertigen. Anders fällt die verfassungsrechtliche Beurteilung für die einzelnen organisatorischen Mittel und teilweise ihre organisatorische Ausgestaltung aus. Diese müssen sich am Maßstab der Eigenverantwortlichkeitsgarantie des Art. 28 II 1 GG messen lassen, anders wohl auch Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 70, der auch die „Formulierung von Rechtsaufsichtsnormen nicht als Eingriff“ einordnet; dagegen wohl das BVerfG, Beschl. v.  21. 06. 1988  – 2 BvR 602/83, 974/83, BVerfGE 78, 331 (340 f.) – Nordhorn, das „[d]ie organisatorische Ausgestaltung der Staatsaufsicht über die Kommunen“ als „Sache staatlicher Binnenorganisation“ zuordnete und meinte, die Ausgestaltung berühre schon nicht den Normbereich des Art. 28 II 1 GG. Das gilt nach Auffassung des BVerfG jedenfalls solange, bis die Aufsicht durch die organisatorische Ausgestaltung nicht ihren Charakter ändere: „Die aufsichtsunterworfenen Körperschaften können erst dann in ihrem Rechtskreis betroffen sein, wenn die Änderung der Aufsichtszuständigkeit mit einer gewissen Zwangsläufigkeit bewirkt, daß die geführte Aufsicht selbst ihren Charakter ändert, insbesondere wenn zu besorgen ist, daß die grundsätzlich nur zulässige Rechtsaufsicht sich zu einer ‚Einmischungsaufsicht‘ entwickelt oder zur Fachaufsicht verdichtet.“ Das gälte auch für die Staatsaufsicht über Gemeinden, die ausschließlich die Einhaltung von Fremdprogrammierungsanteilen, also die Rechtmäßigkeit im engeren Sinne beträfe. Eine andere Frage ist, ob sich die Staatsaufsicht, die auch die Zweckmäßigkeit überprüft, also umfassend mangels Letztentscheidungsbefugnis die Eigenentscheidungsanteile betrifft, verfassungsrechtlich rechtfertigungsfähig wäre, aus dem älteren Schrifttum Stern (Fn. 957), Art. 28 Rn. 135; dagegen überwiegend das Schrifttum, dass die Staatsaufsicht ohne Überlegungen zur Rechtfertigungsfähigkeit einer Zweckmäßigkeitskontrolle auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel V Rn. 142; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 108; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 188; Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 302. Vgl. für die Rechtfertigungsbedürftigkeit der Rechtsaufsicht in Gänze ohne Differenzierung nach der Existenz der Rechtsaufsicht und der Ausgestaltung der konkreten organisationsrechtlichen Mittel Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 559; Schutz vor Rechtsaufsicht von vornherein aus dem Gewährleistungsbereich vollständig aus nimmt Frenz, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 985), S. 38.  – Würde Art. 28 II 1 GG in Ausprägung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie tatsächlich prima facie nur die Freiheit vor aufgedrängten Zweckmäßigkeitsüberlegungen schützen, könnte der Gesetzgeber die Freiräume autonomer Entscheidung der Gemeinden dadurch verringern, dass er klassische Zweckmäßigkeitserwägungen normiert, also Eigenprogrammierungsanteile durch Normierung in Fremdprogrammierungsanteile überführt. Durch die Normierung erhöht sich der Fremdprogrammierungsanteil mit der Folge, dass für den modalen Gewährleistungsbereich der nur Schutz vor Zweckmäßigkeitsanweisungen bieten soll, sukzessive reduziert würde. Aus demselben Grund darf der Gesetzgeber die Fremdprogrammierungsdichte nicht zu weit treiben s. Fn. 1142.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

stellt einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung dar1141. Das Recht auf die eigenverantwortliche Führung der Geschäfte von Gemeinden kann nicht nur durch (umfassende) Weisungsrechte und den Entzug bzw. die Vorenthaltung von Letztentscheidungsbefugnissen betroffen sein, sondern auch durch eine dichte gesetzliche Fremdprogrammierung. Gemeinden dürfen keiner aufsichtsrechtlichen Intervention unterliegen, welche (staatliche)  Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle gemeindlicher Zweckmäßigkeitsvorstellungen setzt. Auch eine hohe Determinierungsdichte kann den Gemeinden bei der Wahrnehmung ihrer verfassungsunmittelbaren Aufgaben den Raum für eigenständige Entscheidungen weitgehend nehmen. Das modale Gewährleistungselement des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schützt damit nicht nur vor Aufsichtsbefugnissen staatlicher Behörden über Selbstprogrammierungsanteile. Es schützt auch vor (materiellen) Rechtsbindungen, welche eigenverantwortliche Entscheidungen einengen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bietet in seiner Ausprägung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie Schutz vor einer allzu weit getriebene Fremdprogrammierung1142. Der Kernbereich der Eigenverantwortlichkeit ist berührt, wenn die Gemeinden zu „einer staatlich fremdgesteuerten Verwaltungseinheit ohne substantielle Freiräume“ würden1143. Eine genaue Grenze, wann die Fremdprogrammierungsdichte zu hoch ist, ist damit freilich nicht gezogen. In der Entscheidung zur Schulnetzplanung in SachsenAnhalt zog das Gericht ebenfalls den Gedanken einer Determination durch andere Verwaltungsträger heran, ohne dem Gedanken tragende Bedeutung beizumessen. Stattdessen meinte das Gericht von einer „Hochzonung“, d. h. einem Entzug, der Schulnetzplanung ausgehen zu müssen1144. Weder die faktischen Auswirkungen der gemeindlichen Betätigungen noch die rechtlichen Folgebindungen betreffen die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch die Nachbargemeinde, indem (materielle) Bindungen für sie durch die handelnde Gemeinde geschaffen werden. Selbst die Folgebindungen haben ihren 1141

Ohne weiteres abwehrrechtlich rechtfertigungsbedürftig sind staatsaufsichtliche Einzelmaßnahmen, wenn die Gemeinde Adressatin präventiver oder repressiver Aufsichtsmittel ist. Das Schrifttum geht wie selbstverständlich davon aus, dass jedenfalls die aufsichtsrechtliche Einzelmaßnahme einen (rechtfertigungsbedürftigen) Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie darstellt. Obwohl also zum Teil davon ausgegangen wird, dass die Existenz der Staatsaufsicht einschließlich gewisser organisationsrechtlicher Mittel verfassungsverbürgt ist, gehen dieselben Autoren davon aus, dass die Aktivierung dieser Befugnisse im Einzelfall einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff darstellte J. Oebbecke, Rechtsprechungsanalyse Kommunalaufsicht, in: Die Verwaltung 48 (2015), S. 233 (247, 252). 1142 Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 132 f.; nicht überzeugend hingegen Schink, Selbstverwaltung (Fn. 985), S. 393, der meint, dass Art. 28 II 1 GG nur die „Freiheit von Zweckmäßigkeitsweisungen“ schütze. 1143 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (12) – Verwaltungsgemeinschaften. 1144 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (17 Rn. 49, 28 Rn. 76) – Schulnetzplanung.

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Ursprung in anderen gesetzlichen Bestimmungen. Bietet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aber nicht nur Schutz vor dem Entzug von Letztentscheidungsbefugnissen und einem bestimmten Umfang rechtlicher Fremdprogrammierung, sondern auch vor faktischen Erschwerungen der Aufgabenwahrnehmung? Gemeinden kann es auf andere Weise als durch rechtliche Regelungen unmöglich gemacht werden, ihre Aufgaben nach eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen wahrzunehmen. Eine selbstprogrammierte Aufgabenwahrnehmung kann ausscheiden, wenn etwa außenweltliche Einflüsse ihre Betätigung erschweren und sie bei der Aufgabenwahrnehmung behindern. Im Ergebnis kann es aber keinen Unterschied machen, ob Gemeinden die eigenverantwortliche Wahrnehmung ihrer Aufgaben rechtlich oder (nur) faktisch unmöglich gemacht wird. Beide Male ist eine nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen gesteuerte Aufgabenwahrnehmung nicht möglich1145. Fraglich ist aber, ob der Gewährleistungsbereich der Eigenverantwortlichkeitsgarantie deshalb nicht betroffen ist, weil etwa Regelungen wie § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB oder § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW den Gewährleistungsumfang der Eigenverantwortlichkeitsgarantie inhaltlich präzisieren und ihr Konturen verleihen. Hält sich eine Handlung innerhalb der durch das einfache Recht gezogenen Grenzen, ist dann schon nicht der Gewährleistungsbereich betroffen, weil das einfache Recht den Inhalt und die Grenzen der Verfassungsgarantie näher umrissen hat? Der Gewährleistungsbereich würde nicht vor solchen Handlungen schützen, die der Gesetzgeber nach Abwägung der involvierten gemeindlichen Interessen für zulässig erachtete. Der Gewährleistungsbereich würde in diesem Sinne durch das Unterverfassungsrecht näher bestimmt1146. Es gilt erneut zu betonen, dass wegen des strikten methodologischen tabula-rasa-Ansatzes solche Überlegungen bei der Bestimmung des Gewährleistungsbereichs des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – unabhängig davon, ob sie in der Sache überzeugen – ausscheiden. Wirkt sich das Handeln der einen Gemeinde auf die Nachbargemeinde aus oder nimmt die handelnde Gemeinde Aufgaben wahr, die verfassungsrechtlich der Nachbargemeinde zugeordnet sind, ist der Gewährleistungsbereich der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Nachbargemeinde betroffen1147. Es kollidieren die verfassungsrechtlich abgesicherte eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der handelnden 1145 Gegen ein „umfassendes Recht auf ungestörte Aufgabenwahrnehmung“ J.  Oebbecke, Der Schutz der kommunalen Aufgabenwahrnehmung durch die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II  GG, in: H.-G.  Henneke (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, 2000, S. 11 (27). 1146 Einen solchen Ansatz verfolgt etwa Roth, Eingriffe (Fn. 77), S. 356 f., im Anwendungsbereich der Grundrechte; ähnlich für Art. 28 II 1 GG konkret für die Planungshoheit Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 407 ff., 413 ff.; eingehender bereits Fn. 1113; eingehend zur Schutzbereichsbestimmung durch den Gesetzgeber bei konfligierenden Freiheitsausübungsansprüchen schon P. Lerche, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung und Grundrechtseingriff, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 1. Aufl. 1992, § 121 Rn. 44; Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 90 ff.; skeptisch hinsichtlich der Kategorie der normativen Konturierung Cornils, Ausgestaltung (Fn. 1040), S. 20 ff. 1147 Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 89, 142.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Gemeinde und die Befugnis der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der Nachbargemeinde, wenn erstere ebenfalls eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt1148. bb) Eingriff in das modale Gewährleistungselement durch die handelnde Gemeinde Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist, dass die handelnde Gemeinde in das modale Gewährleistungselement der Garantie kommunaler Selbstverwaltung eingreift. Die Gemeinde könnte etwa durch eine Bebauungsplanung oder durch eine außergebietliche und überörtliche Wirtschaftsbetätigung, die sich faktisch auf die Nachbargemeinden auswirken, in das modale Gewährleistungselement der Nachbargemeinde eingreifen. Um einen Eingriff vornehmen zu können, der sich womöglich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen lässt, müssen Gemeinden Verpflichtungsadressatinnen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sein. Einstweilen unbeantwortet bleibt, ehe nicht Klarheit darüber herrscht, ob Gemeinden überhaupt in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie anderer Gemeinden eingreifen können, ob für die Beeinträchtigungen der Eigenverantwortlichkeitsgarantie etwa in Anlehnung an die berufsregelnde Tendenz zusätzliche Anforderungen zu stellen sind1149. cc) Zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist normtextlich eindeutig, wenn es darum geht, wem das Recht auf Selbstverwaltung zustehen soll. Er weist eindeutig den „Gemeinden“ die Stellung des berechtigten Rechtssubjekts und Anspruchsinhabers zu. Ganz überwiegend deutet man die Gemeinden als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften1150. Der Normtext bleibt hingegen eine (derart eindeutige) Antwort 1148

Anders dagegen bestimmt den Gewährleistungsbereich Britz, Funktion (Fn. 564), S. 386, dazu bereits Fn. 1037, die einen „Schutz vor Konkurrenz“ vom Gewährleistungsbereich des Art. 28 II 1  GG ausnimmt; ähnlich, jedoch weniger weitgehend Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595, der den Gewährleistungsbereich von Art. 28 II 1  GG dergestalt bestimmt, dass dieser nicht vor bloßen „Ausstrahlungswirkungen“, d. s. Betätigungen ohne Kompetenzübergriff, Schutz zu bieten vermag. Beide differenzieren jedoch nicht zwischen den unterschiedlichen Konstellationen gemeindewirtschaftlicher Betätigung. Konsequenterweise müsste dann aber auch eine sich faktisch auswirkende Bebauungsplanung auf Nachbargemeinden folgenlos bleiben. 1149 Der VerfGH NRW, Urt. v. 09. 06. 1997 – VerfGH 20/95 u. a., NVwZ-RR 1998, 473 (474), z. B. verlangte, dass der Adressat „durch die angegriffene Norm formell im Sinne einer Reflexwirkung betroffen ist, sofern sich die Norm nach ihrer Bedeutung und Zielrichtung auch an ihn wendet.“; ähnlich verlangt eine „spezifische Betroffenheit“ Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 51. 1150 Eine Legaldefinition des Gemeindebegriffs fehlt. Entscheidend ist, dass zwischen dem einfachrechtlichen Gemeindebegriff und der Organisation auf der einen, dem verfassungsrechtlichen Gemeindebegriff i. S. d. Art. 28 II 1 GG auf der anderen Seite unterschieden wer-

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schuldig, ob auch Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet sind, anderen Gemeinden das Recht zu gewährleisten, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Die Stellung der Gemeinden als Verpflichtungsadressatinnen soll als „zwischengemeindliche Wirkweise“ oder „zwischengemeindliche Schutzrichtung“ von Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG beschrieben werden. Die Schutzwirkung oder Schutzrichtung unterscheiden sich von den bisher gebrauchten Begriffen des „zwischengemeindlichen Konflikts“ und der „zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung“. Vereinzelt liest man, wenn es um Ansprüche unmittelbar im Verhältnis von Gemeinden zueinander geht, die wohl sinngleich zu verstehenden Ausdrücke der „Drittwirkung“1151, „Binnenwirkung“1152 oder „Horizontalwirkung“1153 der Selbstverwaltungsgarantie. Mit all diesen Umschreibungen versucht man in Worte zu fassen, dass Gemeinden nicht nur Berechtigungsadressatinnen, also Trägerinnen des Rechts auf Selbstverwaltung sind, sondern Gemeinden auch Verpflichtungsadressatinnen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sein können. Die Untersuchung beschränkt sich auf den Gebrauch der Ausdrücke „zwischengemeindliche Wirkweise“, „zwischengemeindliche Zielrichtung“ oder „zwischengemeindliche Schutzrichtung“ der Selbstverwaltungs­

den muss. Es ist deshalb nicht zwingend, dass der Gemeindebegriff in § 1 GO NRW und der verfassungsrechtliche Begriff der Gemeinden deckungsgleich sind. Gemeinden werden nach überwiegender Meinung nicht verfassungsunmittelbar garantiert. Sie sind auf legislative Formung angewiesen. Allerdings verlangt Art. 28 II GG, dass die einfachrechtlich bereitgestellte Organisationsform bestimmte Merkmale aufweist. Ausgestaltungsbedürftigkeit ist nicht gleichzusetzen mit Maßstabslosigkeit; eingehend zum Gemeindebegriff i. S. d. Art. 28 II 1 GG und den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 98 ff., 139 ff., 227 ff.; wenn auch weniger ausführlich, so doch ähnlich Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 45 f., der meint, dass es Gemeinden geben müsse, die „dem herkömm­lichen Bild der Gemeinden in politischer, soziologischer und wirtschaftlicher Sicht entsprechen“; T. ­Barczak, in: ders. (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2018, § 91 Rn. 20. – Überwiegend werden Gemeinden als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften gedeutet S. Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde, in: Ehlers / Schoch, Rechtsschutz (Fn. 91), § 14 Rn. 11; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 228 ff.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 80; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 150; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 166 f.; die Gemeinden als die „jeweilige politische Einheit“ als die Garantiebegünstigten ordnet ein Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 47; zu Recht weist Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 197 ff., darauf hin, dass die Qualifizierung eines Gemeinwesens als Gemeinde im Sinne von Art. 28 II 1 GG nicht autonom und losgelöst von der eigenverantwortlichen Erfüllung örtlicher Angelegenheiten quasi der eigentlichen Frage nach dem verfassungsrechtlichen Schutz des Gemeinwesens vorgelagert erfolgen könne, sondern vielmehr die Gemeinde im Rechtssinne nicht „ohne die vorausgehende Bestimmung des Schutzgehalts der Selbstverwaltungsgarantie“ definiert werden könne. 1151 BVerwG, Urt. v. 15. 11. 2006 – 8 C 18/05, BVerwGE 127, 155 (158); ferner die unklare Verwendung von „Drittwirkung“ bei Pappermann, s. Fn. 1291, oder den Gebrauch des Begriffs Drittwirkung bei Faber Fn. 1177. 1152 Vorrangig zur Wirkung zwischen Gemeinde und Gemeindeverband, wohl aber auch zum Verhältnis zwischen Gemeinden H. Faber, in: E.  Denninger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 2001, Art. 28 II Rn. 51 f. 1153 Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 35.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

garantie1154. Unberührt von der Verpflichtetenstellung der Gemeinden bleibt, ob der Staat im engeren Sinne, dazu zählen der Bundes- oder die Landesgesetzgeber, die staatliche Verwaltung oder die Rechtsprechung, den Gemeinden gegenüber verpflichtet sind, ihr Selbstverwaltungsrecht nicht zu verletzen1155. (1) Forschungsstand zur zwischengemeindlichen Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Die Stellungnahmen zur zwischengemeindlichen Schutzrichtung der Selbstverwaltungsgarantie sind geteilt, ohne dass die Stellungnahmen den Begriff der zwischengemeindlichen Schutzrichtung in der oben geschehenen Weise analytisch präzisieren1156. Das bedingt, dass das Schrifttum nicht zwingend, wenn es den Begriff selbst oder diesem verwandte Begriffe verwendet, darauf abzielt zu klären, ob Gemeinden Verpflichtungsadressatinnen von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sind. Sowohl das Schrifttum als auch die Rechtsprechung behandeln schwerpunktmäßig das Verhältnis von Staat (im engeren Sinne) und den Gemeinden1157. Das Bundesverfassungsgericht hat soweit ersichtlich bis heute noch keinen Fall zur zwischengemeindlichen Schutzwirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG entschieden1158. Das überrascht, weil die Kommentarliteratur sowie Teile der Rechtsprechung, wenn es um die Frage der zwischengemeindlichen Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geht, nicht selten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zitieren. Bei genauerem Hinsehen verhalten sich die Entscheidungen nicht zur zwischengemeindlichen Wirkung des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG1159. Das 1154

Den Begriff der Schutzrichtung gänzlich anders verwendet S. Bauer, Der Prüfungsmaßstab im Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren, 2013, S. 95. 1155 Zur Relativität normativer Geltungsgründe, d. h. der Abhängigkeit der „Geltung“ von Normen (nur) in bestimmten Rechtsverhältnissen und Rechtsbeziehungen, konkret in Bezug auf die Wirkung von Grundrechten unter Privatrechtssubjekten S. Müller-Franken, Bindung Privater an Grundrechte, in: S. Detterbeck / J. Rozek / C. v. Coelln (Hrsg.), Recht als Medium der Staatlichkeit, 2009, S. 223 (225 f.). 1156 Exemplarisch Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 618 ff., der sich darauf beschränkt, die Frage aufzuwerfen, ob „die kommunale Selbstverwaltungsgarantie nicht nur gegenüber dem Gesetzgeber, sondern auch zwischen mehreren Gemeinden als Abwehrrecht Geltung beanspruchen kann“. Dass ein Abwehrrecht eine mehrstellige Relation verlangt, unterschlägt er. Mit seinen Argumenten wäre es auch denkbar, dass die eine Gemeinde das nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrecht zwar beachten muss, der Nachbargemeinde nicht aber zugleich ein Anspruch zusteht (sog. nicht-relationale Verpflichtung). 1157 Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 201 ff. 1158 Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 37; Schulz, Anmerkungen (Fn. 515), S. 451; ebenso Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 619, im Jahr 2010 (Bearbeitungsstand bei Drucklegung im Jahr 2012), wobei er Nachweisen schuldig bleibt. 1159 So zitiert Vogelgesang (Fn. 955), Art. 28 Rn. 92 Fn. 294, die Entscheidung des BVerfG, Urt. v. 20. 03. 1952 – 1 BvR 267/51, BVerfGE 1, 167 (173), in der es um die Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Offenburg gegen §§ 11–18 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. 05. 1951 ging und somit wiederum

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Bundesverfassungsgericht soll etwa in seinem Rastede-Beschluss zur Wirkrichtung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie im Verhältnis von Gemeinde zu den (Land-)Kreisen Stellung bezogen haben1160. Die Entscheidung betraf die Verlagerung von Aufgaben der Gemeinden auf die (Land-)Kreise durch Landesgesetz1161. Ob der Beschluss tatsächlich Aussagen zur Schutzrichtung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG enthält und ob diese Aussagen auf das Verhältnis von Gemeinden untereinander übertragbar sind, ist aber zweifelhaft1162. Jedenfalls ist der hier nicht um einen Konflikt zwischen Gemeinden, sondern zwischen dem Landesgesetzgeber und den durch sein Handeln betroffenen Gemeinden, obwohl tatsächlich ein interkommunaler Konflikt im Raum stand; unbesehen des genannten Umstandes fehlender Zwischengemeindlichkeit in der Rastede-Entscheidung zieht das BVerwG, Urt. v. 30. 01. 2013 – 8 C 1/12, BVerwGE 145, 378 (378 Ls. 2, 391 Rn. 36), eben diese heran. 1160 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (150 f.) – Rastede. 1161 Konkret ging es um das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Abfallbeseitigungsgesetz BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (128 f.) – Rastede. 1162 Zweifel drängen sich deshalb auf, weil es um eine kommunale Verfassungsbeschwerde gegen ein Landesgesetz ging. In der entscheidenden Passage des Beschlusses führte das BVerfG aus, dass „[d]ieses [scil. zuvor näher erläuterte, M. J.] Aufgabenverteilungsprinzip gilt zugunsten kreisangehöriger Gemeinden auch gegenüber den Kreisen.“ Es hielt damit zwar fest, dass die Selbstverwaltungsgarantie auch gegenüber den (Land-)Kreisen gelte. Es fragt sich jedoch, ob es dem Gericht in der konkreten Entscheidung tatsächlich auf diese Wirkweise ankam. Die vom BVerfG entwickelte Kernbereichslehre und das Aufgabenverteilungsprinzip binden vornehmlich den Landesgesetzgeber. Verlagert der Landesgesetzgeber Aufgaben von den Gemeinden auf die Kreise, muss sich dieser am Maßstab des Art. 28 II 1 GG messen lassen. Es bereitet daher durchaus Schwierigkeiten, wenn die Aussage des BVerfG in der Weise gedeutet wird, dass die Kreise gegenüber den Gemeinden unmittelbar an Art. 28 II 1 GG gebunden sein sollen. Für eine kommunalinterne Deutung der Rastede-Entscheidung wohl Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 142, mit Verweis auf die Rastede-Entscheidung in Fn. 42; auch ein neueres Urteil des BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (185 Ls. 3) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-­Anhalt, deutet darauf hin, dass Art. 28 II 1 GG jedenfalls zwischen Gemeinden und (Land-)Kreisen wirken soll. Wörtlich heißt es im dritten Leitsatz: „Zu den grundlegenden Strukturelementen von Art. 28 Abs. 2  GG gehört die Eigenständigkeit der Gemeinden auch und gerade gegenüber [Kursivierung nicht im Original, M. J.] den Landkreisen.“ An späterer Stelle im Urteil meinte das Gericht, dass „[d]ieses Aufgabenverteilungsprinzip […] zugunsten kreisangehöriger Gemeinden auch gegenüber den Kreisen“ gelte BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (226 Rn. 85) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. Wie schon in der Rastede-Entscheidung maß das Gericht allerdings ein (Landes-)Gesetz am Maßstab des Art. 28 II 1 GG. Es ging mithin um einen legislativen Aufgabenverlagerungsprozess von den Gemeinden auf die Kreise, bei dem der (Landes-)Gesetzgeber das aus Art. 28 II 1 GG folgende verfassungsrechtliche Aufgabenverteilungsprinzip – wie das Gericht betonte – „auch“ zu beachten habe. Diese Wendung lässt offen, ob damit nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Kreise selbst vom Aufgabenverteilungsprinzip erfasst sind. Es gibt damit soweit ersichtlich keine Entscheidungen des BVerfG zu einer intergemeindlichen Schutzrichtung. Dem Gericht ist zuzugestehen, dass es sich tatsächlich und rechtlich in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht zu einer wie auch immer gearteten zwischengemeindlichen Zielrichtung von Art. 28 II 1 GG äußern konnte oder musste. Nach Art. 93 I Nr. 4b Hs. 1 GG ist die Kommunalverfassungsbeschwerde nur gegen „ein Gesetz“ zulässig. Ohne an dieser Stelle auf Details eingehen zu wollen, zählen dazu theoretisch auch Satzungen kommunaler Gebietskörperschaften Bethge

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

interessierende Fall anders gelagert. Ähnlich wie der Rastede-Beschluss liegt der Fall in der Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, welches die Kommentarliteratur zum Teil als Beleg für eine zwischengemeindliche Schutzwirkung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG heranzieht1163. Bei den zwischengemeindlichen Streitigkeiten und der Suche nach einer zwischengemeindlichen Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geht es nicht um einen legislativ initiierten Verlagerungsprozess von Aufgaben der Gemeinden auf die Kreise oder von einer Gemeinde auf einen anderen Gemeindetyp. Es geht vielmehr um ein in unterschiedlichen Formen stattfindendes Ausgreifen einer Gemeinde auf den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich einer anderen Gemeinde und ihre Abwehrmöglichkeiten gegenüber anderen Gemeinden. Dezidiert für eine „interkommunale Geltung bei grenzüberschreitenden Planungen anderer Gemeinden“ sprach sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus1164. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich – vornehmlich bei Gemeindenachbarklagen im Bauplanungsrecht – mehrfach zu der zwischengemeindlichen Wirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG positioniert. Es blieb eine

(Fn. 1077), § 91 Rn. 35. Soweit ersichtlich war eine kommunale Satzung etwa einer Nachbar­ gemeinde noch nicht Gegenstand einer bundesverfassungsrechtlichen Kommunalverfassungs­ beschwerde. Dafür verantwortlich dürfte hauptsächlich die Subsidiaritätsklausel des Art. 93 I Nr. 4b Hs. 2 GG sein, nach der die bundesrechtliche kommunale Verfassungsbeschwerde gegenüber der landesrechtlichen kommunalen Verfassungsbeschwerde für Landesgesetze nur subsidiär ist. Das heißt, dass abgesehen von den denkbaren Ausnahmen von der Subsidiarität der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde, dazu etwa BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (141) – Rastede (Fehlen einer Kommunalverfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof); BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (185 Ls. 2, 209 f. Rn. 44 ff.) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt (erkennbares Zurückbleiben der landesverfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie hinter Art. 28 II 1 GG); allgemein Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 87 ff., Satzungen anderer Gebietskörperschaften nur durch Landeskommunalverfassungsbeschwerde angreifbar sind. Eine Kreissatzung als tauglichen Beschwerdegegenstand der landesrechtlichen Kommunalverfassungsbeschwerde ordnete sodann ein der VerfGH NRW, Urt. v. 10. 12. 2002 – VerfGH 10/01, DÖV 2003, 414 (414). Landesrechtliche Entscheidungen helfen jedoch für Art. 28 II 1 GG ohnehin nur bedingt weiter, da der Prüfungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, in der Sache freilich heillos umstritten, (grundsätzlich) nur Landesverfassungsrecht ist Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 82; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 25; umfassend J. F. Lindner, Bundesverfassung und Landesverfassung, in: AöR 143 (2018), S. 437 (437 ff.), sodass die Landesverfassungsgerichte sich nicht zu einer intergemeindlichen Zielrichtung von Art. 28 II 1 GG äußern können. Einstweilen offen bleibt an dieser Stelle, was richtigerweise unter „Gesetz“ i. S. d. Art. 93 I Nr. 4b Hs. 1 GG und unter „Landesgesetzen“ i. S. d. Art. 93 I Nr. 4b Hs. 2 GG zu verstehen ist sowie, ob die durch §§ 12 Nr. 8, 52 I VerfGHG NRW eröffnete landesrechtliche kommunale Verfassungsbeschwerde gegen „Landesrecht“ denselben Beschwerdegegenstand hat, wie die in Art. 93 I Nr. 4b Hs. 2 GG (nur subsidiär zulässige) bundesrechtliche kommunale Verfassungsbeschwerde gegen „Landesgesetze“. 1163 So ziehen Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 40 Fn. 169, die Entscheidung des Bdg­ VerfG, Urt. v. 17. 10. 1996 – VfGbg 5/95, NVwZ-RR 1997, 352, heran, obwohl auch diese Entscheidung sich mit der legislativen Verlagerung des Brandschutzes von amtsangehörigen Gemeinden auf die Ämter beschäftigte. 1164 BayVGH, Urt. v. 04. 09. 1984 – 1 B 82 A.439, NVwZ 1985, 837 (838).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

369

Begründung allerdings schuldig1165. Den Hauptanwendungsfall intergemeindlicher Abwehrklagen bilden die bauplanungsrechtlichen Gemeindenachbarklagen. Sie betreffen tatsächlich einen Konflikt zwischen Gemeinden auf Gleichordnungsebene. Daneben kommt es zum Beispiel zu Streitigkeiten über die Verfassungsmäßigkeit von Kreisumlagen, konkret über die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage durch die (Land-)Kreise. Diese Streitigkeiten betreffen das interkommunale Verhältnis im kreiskommunalen Raum. Im Jahr 2013 erklärte des Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rastede-Entscheidung ausdrücklich, dass die (Land-)Kreise bei der Bemessung der Kreisumlage an das Selbstverwaltungsrecht der kreisangehörigen Gemeinden gebunden sind1166. 1165 Zum Verhältnis von Gemeinden zueinander BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (329) – Krabbenkamp; BVerwG, Urt. v. 27. 01. 1984 – 8 C 128/81, NVwZ 1984, 378 (378 Ls. 1, 379), wobei es um eine Verlagerung durch den Gesetzgeber von der Ortsauf die Verbandsgemeinden ging; ähnlich der Sachverhalt in der Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 04. 08. 1983 – 7 C 2/81, BVerwGE 67, 321 (321 ff.), in der eine Gemeinde unmittelbar gegen den (Land-)Kreis klagte, der die Rückübertragung der Abfallbeseitigung auf die Gemeinde versagte. Das BVerwG ging davon aus, dass Art. 28 II 1 GG „auch im Verhältnis zwischen Gemeinden und Kreisen gilt“. Anders als in der darauffolgenden bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (128 ff.) – Rastede, in der sich die Gemeinde gegen das Gesetz wandte und (aus verfassungsprozessualen Gründen) nicht gegen die Entscheidung des Kreises selbst; darauf, dass sich die Nachbargemeinde in der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Sachen Rastede gegen eine Handlung des Kreises wandte und nicht ein staatlicher Eingriff durch den Gesetzgeber im Raum stand, weist hin – ohne dass bereits das BVerfG in Sachen Rastede entschieden hätte – zutreffend in Abgrenzung zu anderen Entscheidungen, in denen es um legislativ veranlasste Verschiebungen von Zuständigkeiten und Kompetenzen ging E.  Schmidt-Jortzig, Die Selbstverwaltung von Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden nach der Verfassung, in: DÖV 1984, S. 821 (825); ausdrücklich eine zwischengemeindliche Schutzwirkung ließ offen das BVerwG, Urt. v. 15. 11. 2006 – 8 C 18/05, BVerwGE 127, 155 (158), in dem es hieß, dass Drittwirkung nicht über Art. 28 Abs. 2 GG vermittelt werde, sondern über die einfachgesetzliche Norm des § 2 BauGB; zu dieser Entscheidung knapp Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 16 Fn. 24. Irreführend ist dann aber der erfolgte Hinweis in der Entscheidung auf BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (215) – Schlachthof, da das Gericht in dieser Entscheidung gerade in umgekehrter Richtung mit Art. 28 II 1 GG für das einfache Recht argumentierte. Das Gericht führte in der Entscheidung BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209, erstens aus, dass das „Gebot […] gesetzliche Ausformung der gemeind­ lichen Planungshoheit“ sei und bestätigte zweitens ausdrücklich die Krabbenkamp-Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323), in der das Gericht explizit eine intergemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 II 1 GG annahm; der 4. und der 8. Senat des BVerwG sind sich bei dieser Frage anscheinend nicht einig; auch die obergerichtliche Rspr. nimmt eine zwischengemeindliche Zielrichtung umstandslos an wie im Fall, in dem durch den Bebauungsplan einer Gemeinde einer anderen Gemeinde eine Fachplanungsentscheidung aufgedrängt wurde BayVGH, Urt. v. 28. 06. 2011 – 15 N 08.3388, BayVBl. 2011, 696 (696 f.). 1166 BVerwG, Urt. v. 30. 01. 2013 – 8 C 1/12, BVerwGE 145, 378 (378 Ls. 2): „Die verfassungsrechtliche Gewährleistung aus Art. 28 II GG verpflichtet den Landesgesetzgeber und die Kreise als Satzungsgeber gleichermaßen.“; unlängst bekräftigend BVerwG, Urt. v. 29. 05. 2019 – 10  C  6/18, BVerwGE 165, 381 (383 Rn. 13, insb. 385 Rn. 17); zustimmend OVG Saarland, Urt. v. 12. 11. 2019 – 2 A 159/18, DVBl. 2020, 381 (385); OVG LSA, Urt. v. 17. 03. 2020 – 4 L 184/18, juris Rn. 47.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Die überwiegende Zahl der Autoren in der Kommentarliteratur oder dem sonstigen Schrifttum erkennt nahezu ausnahmslos ausdrücklich, zumindest aber implizit eine intergemeindliche Schutzrichtung der Selbstverwaltungsgarantie an1167. Singulär blieb die Auffassung, dass die Wirkrichtung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG „exklusiv das Verhältnis von Gemeinden und Kreisen zu Bund und Ländern“ betreffe1168. „Art. 28 Abs. 2 ist seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nach an den Landesverfassunggeber adressiert“1169. Teilweise lehnt das Schrifttum eine zwischengemeindliche Schutzwirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur für bestimmte Handlungsfelder der Gemeinden ab. Im gemeindlichen Wirtschaftsrecht vernimmt man zum Beispiel, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG ebenso wie auch die Grundrechte in ihrer Wirkung zwischen wirtschaftendem Staat und dem Privaten nicht vor Konkurrenz schütze1170. Anscheinend nur in den 70er Jahren fand allerdings im Schrifttum eine Auseinandersetzung zur interkommunalen Wirkweise von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG statt. Die Debatte bezog sich freilich im Kern auf die Wirkung des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG im Verhältnis von (kreisangehörigen) Gemeinden und den (Land-)Kreisen sowie den Bindungen des aufgabenverteilenden Gesetzgebers1171. Heute ist auch diese Auseinandersetzung größtenteils zum Er 1167 Für eine zwischengemeindliche Schutzwirkung nahezu durchgehend die jüngere verfassungsrechtliche Kommentarliteratur: Faber (Fn. 1152), Art. 28 II Rn. 50 ff.; Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 58; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 40; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 142; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 48; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 97; Jarass (Fn. 1014), Art. 28 Rn. 25; ebenso das übrige Schrifttum exemplarisch für eine intergemeindliche Zielrichtung Schmidt-Jortzig, Selbstverwaltung (Fn. 1165), S. 825 f.; v. Mutius, Gutachten E (Fn. 1140), E 30 ff.; F.-L. Knemeyer, Das verfassungsrechtliche Verhältnis der Kommunen zueinander und zum Staat, in: DVBl. 1984, S. 23 (23, 26); H.-J. Papier, Interkommunale Kompetenzkonflikte, in: DVBl. 1984, S. 453 (454); Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1041 f., der meint, dass auch „weitere Hoheitsträger, soweit sie das Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigen können“ „Adressaten seien“; Oebbecke, Schutz (Fn. 1145), S. 27; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 24; Dietlein /  Peters, Selbstverwaltung (Fn. 981), S. 28; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 16; auch die Literatur in den Referenzgebieten etwa Hösch, Zweck (Fn. 602), S. 403; Schink, Betätigung (Fn. 507), S. 136; Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 138; Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 160 ff.; Franz, Gewinnerzielung (Fn. 27), S. 82; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 141, 388 ff.; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 619 ff.; Thomas, Bewertung (Fn. 728), S. 6; Burgi, Kommunalrecht (Fn. 515), § 6 Rn. 9; ausdrücklich nur zu den (Land-)Kreisen E. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 522. 1168 Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 35. 1169 Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 38. 1170 Pars pro toto Britz, Funktion (Fn. 564), S. 386. 1171 Zusammenfassend m. w. N. Stüer, Funktionalreform (Fn. 1077), S. 178 ff. – Gegen eine interkommunale Zielrichtung, primär zum Verhältnis Gemeinde / Kreis, sprechen sich aus Tschira, Funktionalreform (Fn. 988), S. 287; F. E. Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 33 ff.; E. Pappermann / W. Roters / E. Vesper, Maßstäbe für die Funktionalreform im Kreis, 1976, S. 28 ff.; E. Pappermann, Die Zielrichtung der Selbstverwaltungsgarantie, in: DVBl. 1976, S. 766 (768 f.); E.  Pappermann, Funktionalreform auf der Kreisebene und im kreisangehörigen Raum, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Tagungsbericht Funktionalreform in Nordrhein-Westfalen, 1977, S. 213 (216); aus neuerer Zeit wohl Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 4, der verfassungsrechtlichen Schutz nur gegen „staatliche“ Hoheitsträger sieht.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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liegen gekommen und die intergemeindliche Zielrichtung wird begründungslos entweder bejaht oder verneint1172. Doch auch die Stimmen im Schrifttum, welche die zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG befürworten, gebrauchen den Ausdruck zwischengemeindliche Schutzrichtung nicht immer in der Weise, wie es die Untersuchung tut. Nicht durchgehend eindeutig ist, ob Meinungsäußerungen im Schrifttum mit der Annahme einer zwischengemeindlichen Schutzrichtung meinen, dass Gemeinden unmittelbar gegenüber der anderen Gemeinde zur Wahrung des Selbstverwaltungsrechts verpflichtet werden oder ob der Gesetzgeber bei Verteilungsentscheidungen von Aufgaben zwischen Gemeinden Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG beachten muss. Letzteren Eindruck erweckt das Schrifttum besonders dort, wo es darum geht, ob eine einfachgesetzliche Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung zugunsten von Gemeinden, sich auch überörtlich zu betätigen, der Selbstverwaltungsgarantie der Nachbargemeinden standhält1173. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gälte dann bei Lichte gesehen wiederum nur zwischen dem (Landes-)Gesetzgeber und der Gemeinde, der bei der Erweiterung der Zuständigkeit und Kompetenz der Gemeinden besonders das Selbstverwaltungsrecht der davon betroffenen Nachbargemeinden berücksichtigen müsste1174. Im Schrifttum lassen sich grob zwei Ansätze ausmachen: Auf der einen Seite diejenigen Ansätze, die fragen, ob der Gesetzgeber die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Gemeinden über Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hinaus erweitern darf. Auf der anderen Seite diejenigen Stellungnahmen, die das Handeln der Gemeinden selbst am Maßstab der nachbargemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie messen. In der Regel geschieht beides: Das Schrifttum bestimmt zum einen, ob die erweiternden gesetzlichen Grundlagen dem Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinde standhalten, zum anderen, ob das Handeln selbst gegen Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der Nachbargemeinden verstößt1175. Die zuerst genannten Meinungsäußerungen, die 1172 Eine Ausnahme bildet etwa die Arbeit von Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 618 ff.; jüngst Dietlein / Peters, Selbstverwaltung (Fn. 981), S. 28. 1173 Gerade das gemeindewirtschaftliche Schrifttum misst häufig, wenn auch nicht durchweg, die gesetzlichen Regelungen, mit denen die jeweiligen Landesgesetzgeber den Gemeinden die außergebietliche und überörtliche Wirtschaftsbetätigung gestatten, an Art. 28 II 1 GG und hebt dabei das Selbstverwaltungsrecht der von der gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung betroffenen Gemeinde hervor, so etwa Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595; teilweise wird das nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrecht als unmittelbare Grenze für die wirtschaftende Gemeinde und nicht als Grenze für die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung durch den Gesetzgeber begriffen Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 165 ff.; Peter, Grenzen II (Fn. 522), S. 619 ff.; differenziert Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 403 ff.; als unmittelbare Schranke zieht das Selbstverwaltungsrecht oft heran das sparkassenrechtliche Schrifttum Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 52 f. 1174 So prüft an sich Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 418 ff., nur, ob die Kompetenzerweiterung durch Landesgesetz materiell gegen das Selbstverwaltungsrecht der von dieser Erweiterung betroffenen (Nachbar-)Gemeinde verstößt. 1175 Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 103 ff., 114 ff.; nicht eindeutig Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 296 ff., die einerseits (wohl) die Schaffung eines zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitels zur Betätigung jenseits der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft am

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

sich für eine zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG aussprechen, verhalten sich deshalb nicht zur zwischengemeindlichen Schutzrichtung im Sinne der Untersuchung, weil sie Gesetzesrecht und nicht das Handeln der Gemeinden selbst am Maßstab von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG messen1176. Es kommt also zu einer Vermischung von Rechtsverhältnissen (Rechtverhältnis zwischen Gemeinde – Nachbargemeinde sowie Gemeinde – Gesetzgeber in Ansehung des Verhältnisses zwischen Gemeinden), die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begründet werden sollen1177. Dass Begründungen einer zwischengemeindlichen Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf weiter Flur fehlen, hängt wohl nicht zuletzt mit der verbreiteten Einordnung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als sog. Durchgriffsnorm zusammen1178. Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde misst, andererseits aber auch vorsichtig andeutet, dass sich gegebenenfalls unmittelbar aus Art. 28 II 1 GG Abwehrrechte der Nachbargemeinden gegen gebietsüberschreitendes Handeln anderer Gemeinden ergeben, ebd., S. 298. 1176 So stellt fest Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 104, dass „Art. 28 Abs. II [sic] GG […] damit neben der vertikalen Schutzwirkung gegenüber höheren Verwaltungsträgern auch eine horizontale Schutzwirkung gegenüber anderen gleichgeordneten Gemeinden zu[kommt], was mitunter auch als sog. interkommunale Schutzwirkung des Art. 28 Abs. II [sic] GG bezeichnet wird.“ An späterer Stelle, wo es darum geht, ob die handelnde Gemeinde selbst in das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Nachbargemeinde eingreifen kann, spricht er ebenfalls von einer „interkommunalen Geltung“ von Art. 28 II 1 GG, ebd., S. 115; in dieser Weise verfahren auch andere Autoren, Nachweise dazu bereits Fn. 948; nicht eindeutig Attendorn / Schweitzer, Zulassung (Fn. 619), S. 16, die in einem Absatz einmal die „Ermächtigungen zur überörtlichen energiewirtschaftlichen Betätigung“, ein anderes Mal die „überörtliche wirtschaftliche Betätigung“ selbst am Maßstab des Selbstverwaltungsrechts der betroffenen Gemeinde messen. 1177 Schmidt-Jortzig, Selbstverwaltung (Fn. 1165), S. 826, erkennt richtig dass „es in dem entschiedenen Fall [scil. er bezieht sich auf die Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 27. 01. 1984 – 8 C 128/81, NVwZ 1984, 378 (378 Ls. 1, 379), s. dazu auch Fn. 1165, M. J.] (wieder) nur um einen staatlichen, nämlichen gesetzgeberischen Eingriff ging“; auf die verschiedenen Rechtsverhältnisse weist auch hin Faber (Fn. 1152), Art. 28 II Rn. 51, für das Verhältnis Gemeinde / Kreis liest sich die einschlägige Passage wie folgt: „Im Verhältnis zum Kreis könnte sich hiernach die Gemeinde nicht auf die Selbstverwaltungsgarantie berufen. Indessen liegt es auf der Hand, daß diese Lehre […] für eine Umverteilung von Selbstverwaltungsaufgaben durch den Gesetzgeber nicht gelten kann; denn im Verhältnis zum Staat genießt die Gemeinde den vollen Schutz des Selbstverwaltungsrechts. Es kommen also ohnehin nur die Fälle in Frage, in denen der Gemeindeverband im eigenen Wirkungskreis und aus eigener Machtvollkommenheit nach dem Aufgabenbesitzstand der Gemeinde greift.“ Dennoch bejaht er für den Fall des Ausgreifens der Kreise aus eigener Machtvollkommenheit eine Bindung der Kreise an das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und wohl auch eine Bindung der Gemeinden untereinander, s. zur Bindung der Gemeinden auch untereinander insb. der Hinweis unter Rn. 52: „Dann [scil. wenn zu den Trägern des Unternehmens mittelbar oder unmittelbar die Gemeinden selbst gehören, M. J.] können echte Drittwirkung und Binnenwirkung zusammentreffen“. 1178 Jüngst das BVerfG, Urt.  v.  21. 11. 2017  – 2  BvR  2177/16, BVerfGE 147, 185 (213 f. Rn. 54)  – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt; Vogelgesang (Fn. 955), Art. 28 Rn. 92; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 142 ff., wobei sie eher aus der zwischengemeindlichen Schutzrichtung folgern, dass Art. 28 II 1 GG Durchgriffsnorm sein müsse als umgekehrt aus der Einordnung als Durchgriffsnorm die zwischengemeindliche Schutzrichtung ableiten; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 4, 39 f.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 44, 85; ohne sich zur zwischengemeindlichen Schutzrichtung zu verhalten für die Einordnung als Durchgriffsnorm W. Vitzthum,

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Obwohl die Charakterisierung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als eine solche wohl nicht explizit mit der zwischengemeindlichen Zielrichtung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in Verbindung gebracht wird, wirkt sich seine Einordnung als Durchgriffsnorm auf die Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aus. Mit der Einordnung als Durchgriffsnorm geht die verbreitete Vorstellung einher, dass eine Grundgesetzbestimmung unmittelbar alle staatliche Gewalt im Bund wie in den Ländern binde, d. h. die gesamte Landesstaatsgewalt1179. Bindet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Landesstaatsgewalt unmittelbar, ohne dass ein (landesverfassungsrechtlicher oder gesetzlicher) Transformationsakt erforderlich wäre, scheint es nur nahe zu liegen, dass Gemeinden als Teil der (mittelbaren) Landesstaatsgewalt an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind. Kontrastiert wird die Durchgriffsnorm mit den sog. Normativbestimmungen, denen zufolge Bundesverfassungsnormen in den Ländern nicht unmittelbar verbindlich geltendes Recht sind, sondern sie nur normative Vorgaben für die Länder, namentlich für den Landesverfassungund Landesgesetzgeber setzen1180. Geläufig ist die Wendung, dass eine Normativ­ bestimmung „nicht in den Ländern, sondern für die Länder“1181 gelte. Ob es sich bei Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG um eine Durchgriffsnorm handelt oder nicht, bleibt hier aus mehreren Gründen unbeantwortet. Dadurch wird auch vermieden, dass die Tür zur anscheinend unendlichen Debatte über das Verhältnis von LandesverfassungsDie Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, in: VVDStRL 49 (1988), S. 8 (11); R. Bartlsperger, Das Verfassungsrecht der Länder in der gesamtstaatlichen Verfassungsordnung, in: Isensee / Kirchhof, HdStR VI (Fn. 10), § 128 Rn. 39 f.; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 144; K. Ritgen, Das Recht der kommunalen Selbstverwaltung in den Verfassungsräumen von Bund und Ländern, in: NVwZ 2018, S. 114 (116); für die Einordnung als Normativbestimmung Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 37; so auch Bauer, Prüfungsmaßstab (Fn. 1154), S. 256; differenziert, je nachdem, ob die Landesverfassungen der Mindestgarantie des Art. 28 II 1 GG genügen J. Menzel, Landesverfassungsrecht, 2002, S. 263 f. – Eine zwingende Korrelation zwischen der Einordnung als Durchgriffsnorm auf der einen, der Bejahung einer zwischengemeindlichen Schutzrichtung auf der anderen Seite besteht jedoch nicht durchgehend. Für die Einordnung von Art. 28  II 1  GG als Normativbestimmung trotz Annahme einer zwischengemeindlichen Schutzrichtung Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 37 f., 58; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 48; offenlassend B.  Remmert, Zur Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG im Land und für das Land Berlin, in: LKV 2004, S. 341 (344). 1179 Remmert, Bedeutung (Fn. 1178), S. 344; M. Möstl, Landesverfassungsrecht – zum Schattendasein verurteilt?, in: AöR 130 (2005), S. 350 (360); W. Löwer, Bundesverfassungstextliche Ergänzungen der Landesverfassungen zur Gewinnung landesverfassungsgerichtlicher Prüfungsmaßstäbe, in: NdsVBl. 2010, S. 138 (138); P. M.  Huber, Bundesverfassungsrecht und Landesverfassungsrecht, in: NdsVBl. 2011, S. 233 (234); Lindner, Bundesverfassung (Fn. 1162), S. 452 ff.; Mann (Fn. 946), Art. 28 (April 2016), Rn. 28 Rn. 30, 32. 1180 Remmert, Bedeutung (Fn. 1178), S. 344; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 80; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 11; bei Normativbestimmungen „handelt es sich um Rechtssätze des Bundesverfassungsrechts, die bei der Gestaltung des gliedstaatlichen Eigenlebens eingehalten werden müssen, gewissermaßen um Rahmenvorschriften für die Verfassungen der Länder und dann auch für die diese ausgestaltenden einfachgesetzlichen Regelungen.“ 1181 BVerfG, Beschl. v.  20. 03. 1952  – 1  BvL  14/52, BVerfGE 1, 202 (236); BVerfG, Urt. v. 23. 01. 1957 – 2 BvF 3/56, BVerfGE 6, 104 (111) – Kommunalwahl-Sperrklausel NRW I.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

recht und Bundesverfassungsrecht aufgestoßen wird1182. Es lassen sich drei weitere Gründe dafür anführen, dass die Untersuchung der Einordnung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Durchgriffsnorm nicht weiter nachgeht. Erstens hat sich bisher keine einheitliche Meinung darüber bilden können, wann etwas „Durchgriffsnorm“, wann „Normativbestimmung“ oder „Bestandteilnorm“ sein soll1183. Zweitens bleibt weitgehend undifferenziert, was alles unter die Landesstaatsgewalt gefasst wird, wenn eine unmittelbare Bindung dieser an die Durchgriffsnorm angenommen wird. Gehören dazu auch die Gemeinden, die aus der Sicht des Grundgesetzes staatsorganisatorisch zu den Ländern gehören? Drittens verschleiert das Etikett „Durchgriffsnorm“ allgemein die eigentlich interessierende Frage, wer Bindungsadressat einer (Verfassungsrechts-)Norm ist. Dass eine Norm „Durchgriffsnorm“ sein soll, folgt doch gerade daraus, dass sie (auch) die Landesstaatsgewalt unmittelbar bindet, ohne dass es eines landes(verfassungs)rechtlichen Umsetzungsakts bedürfte1184. Weil sie etwa die Länderexekutive bindet, ist sie Durchgriffsnorm und nicht umgekehrt.

1182

Stellvertretend Menzel, Landesverfassungsrecht (Fn. 1178); Möstl, Landesverfassungsrecht (Fn. 1179), S. 350 ff.; Lindner, Bundesverfassung (Fn. 1162), S. 437 ff. 1183 Schaut man genauer hin, ist das Meinungsbild über die Eigenschaften einer Durchgriffsnorm und einer Normativbestimmung außerordentlich heterogen, m. a. W. nicht selten diffus. Zu den vielfältigen Formulierungen Menzel, Landesverfassungsrecht (Fn. 1178), S. 242 ff.; dezidiert gegen derartige Charakterisierungen Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 145 f., Zitat auf S. 146, der etwa bezogen auf die Aussage zum Homogenitätsgebot konstatiert: „Bei der Interpretation kommt es typischerweise zur Vermengung unterschiedlicher Fragen, die sich nicht immer unabhängig voneinander beantworten lassen und trotzdem voneinander geschieden gehören: Fragen nach den Adressaten, den Gegenständen, den Inhalten und dem normhierarchischen Rang des Homogenitätsgebots sowie den Rechtsfolgen seiner Missachtung.“; eine Normativbestimmung z. B. soll, weil sie „in einer normrationalen Weise zwingend ein Minimum an bundesstaatlicher Verfassungs- und Rechtsübereinstimmung [normiert, M. J.]“, Homogenität „in einer normstrukturell doppelten Weise gewährleisten“ und insofern „einen gleichen Geltungsanspruch und eine gleiche Rechtswirkung wie die Durchgriffsnormen der gesamtstaatlichen Verfassung“ entfalten Bartlsperger, Verfassungsrecht (Fn. 1178), § 128 Rn. 41; ähnlich Menzel, Landesverfassungsrecht (Fn. 1178), S. 263, nach dem Art. 28 II GG „die Qualität von Normativbestimmung und Durchgriffsnorm gleichermaßen“ haben soll; Lindner, Bundesverfassung (Fn. 1162), S. 443; zum Teil wird auch die Auffassung vertreten, dass im Gegensatz zu Normativbestimmungen Durchgriffsnormen keine Bandbreite an Umsetzungsvarianten vorgeben Bauer, Prüfungsmaßstab (Fn. 1154), S. 255. 1184 Richtig daher Menzel, Landesverfassungsrecht (Fn. 1178), S. 244, der annimmt, dass die Klassifikation einer Norm als Normativbestimmung „nur das Ergebnis, nicht aber die Grundlage der Wirkungsweise der Bestimmung sein kann.“; diesen Ableitungszusammenhang erkennt auch Lindner, Bundesverfassung (Fn. 1162), S. 443, der „Normen des Grundgesetzes, die von ihrem Wortlaut her, nach ihrer Funktion oder ihrer systematischen Stellung auch die Länder zu binden geeignet und bestimmt sind“, als Durchgriffsnormen bezeichnet.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

375

(2) Eigene Überlegungen (a) Normtext von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Allein der Verfassungsnormtext hilft – wie gesehen – nicht weiter, wenn es darum geht, wer dazu verpflichtet ist, das Selbstverwaltungsrecht nicht zu beeinträchtigen1185. Dass eine Grundgesetzbestimmung, die eine Grundrechtsnorm ausdrückt, nicht expressis verbis beantwortet, wer gegenüber wem verpflichtet oder berechtigt ist, ist nicht ungewöhnlich. Dennoch ist bei vielen von ihnen nicht umstritten, wen sie verpflichten oder wer durch sie berechtigt ist. Art. 4 Abs. 2 GG zum Beispiel sagt nicht ausdrücklich, wer die „ungestörte Religionsausübung“ gegenüber wem gewährleisten muss. Selbst Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG, wo es heißt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ schweigt sich darüber aus, wem gegenüber sie unantastbar ist. Erst Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 1 Abs. 3 GG benennen unmittelbar die Verpflichtungsadressaten. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird hingegen nicht durch Normen flankiert, die den Adressaten ausdrücklich beim Namen nennen1186. Der Formulierung in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG „gewährleistet sein“, kann nicht entnommen werden wer, also welcher Rechtserzeuger dafür sorgen oder die Gewähr dafür bieten soll, dass das Recht sichergestellt oder nicht gefährdet wird. Kann nur der Gesetzgeber „dafür sorgen“, „eine Gewähr dafür sein, dass etwas sichergestellt, nicht gefährdet ist“1187? Zum Teil wird Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in dieser Weise verstanden, dass er an den Landesverfassunggeber adressiert ist1188. Das Grundgesetz gebraucht das Wort „gewährleisten“ an mehreren Stellen sinnvariabel1189. Teilweise lässt es explizit erkennen, wer etwas gewährleisten muss1190. Der Normtext, oft reduziert auf die lexikalische Bedeutung eines Wortes ist – wenn auch ein gewichtiger – nicht der einzige Hinweis auf den Willen des Verfassunggebers. Das leuchtet schon deshalb ein, weil einzelne Wörter nicht selten sinnvariabel verwendet werden und vom Verfassunggeber nicht zwingend ihrer lexikalischen Bedeutung entsprechend verstanden wissen wollten. Es kommt für die Zwecke der Rechtsnormerkenntnis auf die Vorstellungen des Verfassunggebers

1185 Nur die Frage aufwerfend, wer verpflichtet ist, Aust, Recht (Fn. 585), S. 101; Dietlein /  Peters, Selbstverwaltung (Fn. 981), S. 27. 1186 Zu Art. 28 I 1 GG Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 156. 1187 Dudenredaktion, s. v. gewährleisten (Fn. 995); weitere Nachweise bereits Fn. 996. 1188 Art. 28 II 1 GG deute eher darauf hin, dass er an den Landesverfassunggeber adressiert sei, so etwa Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 36 f. 1189 Siehe dazu Fn. 997. 1190 In Art. 87e IV  GG heißt es: „Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit […]“; ähnlich Art. 87f I GG: „Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“; Art. 13 VI 3 GG: „Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.“ [alle Kursivierungen nicht im Original M. J.].

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

über den Wortsinn des Wortes an, das er gebrauchte1191 und welche Bedeutung der Verfassunggeber dem Wort beimaß1192. Beide können von der lexikalischen Bedeutung abweichen. Man muss daher dem Zusammenhang, in den der Normsetzer die Wörter stellte, welche die Norm repräsentieren, Aufmerksamkeit schenken. Fehlen Hinweise darauf, was der Verfassunggeber unter einem Wort verstanden wissen wollte, bleibt als Indiz auf den Normsetzerwillen freilich nur die lexikalische Bedeutung des Wortes übrig. Bereits die Ermittlung des Wortsinns setzt folglich voraus, dass das einzelne Wort in den Entstehungskontext der Norm eingeordnet wird, in den der Verfassunggeber es entließ. Man kann daher (schon) den Normtext als Indiz auf den Willen des Normsetzers nicht wirklich von den anderen Indizien abkoppeln, mit denen man auf den Normsetzerwillen zu schließen versucht1193. Die Entstehungsgeschichte einer Norm (Regelungstradition, Vorgängernormen, Bedrohungsszenarien, vor denen eine Norm schützen sollte, historische [Verletzungs-]Erfahrungen etc.) dient nicht nur dazu, zu ermitteln, was unter einem bestimmten Wort zu verstehen ist, sondern ist auch für sich allein oft ein gewichtiger Hinweis auf den Normsetzerwillen1194. Doch auch die Entstehungsgeschichte oder der entstehungszeitliche Kontext verraten für sich genommen vergleichsweise wenig über den Willen des Verfassunggebers. Ein Kriterium der Rechtserkenntnis ist zum Beispiel der Vergleich von Normtexten – hier zum Beispiel der Vergleich von Verbürgungen der kommunalen Selbstverwaltung in früheren Verfassungen mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Der Vergleich von zwei Textfassungen genügt als Indiz für einen bestimmten Willen des Verfassunggebers isoliert jedoch wiederum nicht: Es müssen weitere Umstände hinzutreten, um etwa aus der Übereinstimmung oder Abweichung von zwei Textfassungen auf einen bestimmten Normsetzerwillen (rück-)schließen zu können. Warum wählte der Verfassunggeber eine andere textliche Fassung als die Vorgängernormierung? Wollte er mit der anderen Textwahl der Norm einen anderen Inhalt geben1195? Am ehesten enthalten die Beratungen solche Hinweise. Die Auswertung der Protokolle der Beratungen bestätigt, dass sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates mit einer zwischengemeind­lichen Zielrichtung der Garantie kommunaler Selbstverwaltung nicht  – jedenfalls ist

1191

So etwa zum Ausdruck der „verfassungsmäßigen Ordnung“ Mann (Fn. 946), Art. 28 (April 2016), Rn. 39; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 147 ff. 1192 Davon geht durchgehend, ohne dies explizit zu machen, aus Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 148: „An den anderen Stellen im Grundgesetz weicht der Sprachgebrauch des Verfassunggebers von der lexikalischen Bedeutung des Suffixes ab“. 1193 Besonders deutlich macht dies der sprachphilosophische Ansatz von Michl, Unionsgrundrechte (Fn. 100), S. 64 ff., der neben einer syntaktisch-semantischen Analyse die Bedeutung der Sprachpragmatik betont. 1194 Starck, Maximen (Fn. 855), § 271 Rn. 21; Reimer, Methodenlehre (Fn. 168), Rn. 348; exem­plarisch H. Dreier, Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Deutschland, in: A. v. Bogdandy / P. C. Villalón / P. M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. I, 2007, § 1 Rn. 6, der Verfassungen als Verarbeitung historischer Erfahrungen versteht. 1195 Hillgruber, Verfassungsinterpretation (Fn. 230), § 15 Rn. 41; T. Frieling, Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers, 2017, S. 39 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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eine solche nicht dokumentiert – beschäftigten1196. Nicht nur die Gründe für die schlussendlich beschlossene Fassung, sondern auch die im Laufe der Beratungen geäußerten (Formulierungs-)Vorschläge der Garantie kommunaler Selbstverwaltung einzelner Mitglieder des Parlamentarischen Rates deuten darauf hin, dass sie mit einer solchen Bestimmung zuvörderst die Gemeinden und die Gemeindeverbände gegenüber den Ländern zu schützen beabsichtigten und die Länder zum Schutz der Selbstverwaltung der Gemeinden verpflichten wollten1197. Dass eine

1196 Als eines der „schwierigsten Probleme der gegenwärtigen Methodendiskussion“ bezeichnet von T. Wischmeyer, Der „Wille des Gesetzgebers“, in: JZ 2015, S. 957 (957). – Der Stellenwert der Protokolle, namentlich die Äußerungen einzelner Abgeordneter als Indiz auf den kollektiven Willen des Verfassunggebers ist nicht eindeutig. Eine allgemeine Studie, nicht speziell für das Verfassungsrecht, legt vor Frieling, Gesetzesmaterialien (Fn. 1195), S. 25 ff. Er entwirft eine Typologie verbindlicher Willensäußerungen, beschäftigt sich allerdings hauptsächlich mit dem (parlamentarischen) Gesetzgebungsverfahren. Sein Ansatz stößt aber bei der Materialfrage im Verfassungsrecht an seine Grenzen, da etwa das „[v]erfassungsrechtliche[s] ‚Können‘ als Grenze des ‚Wollens‘“ greife. Wenn das Verfassungsrecht Maßstab für die Zurechnung eines Willens des Gesetzgebers ist, wie sollen dann einzelne Äußerungen im Prozess der Verfassunggebung dem Verfassunggeber zugerechnet werden können? Zuvor schon Wischmeyer, Wille (Fn. 1196), S. 965 f., der seine Relevanzkriterien bei der Materialauswahl für generalisierbar erachtet und beispielhaft die Setzung von Bundesrecht herausgreift. Er meint, dass „[a]uch der Prozess der Verfassunggebung […] prinzipiell mit Hilfe dieser Kriterien analysiert werden [kann]. Ob eine primär an der formalen Entscheidungsstruktur orientierte Würdigung der Materialien des Parlamentarischen Rats der besonderen Legitimität der Verfassunggebung gerecht wird, muss dahinstehen.“ Er schlägt vier Kriterien vor, anhand derer man die Relevanz von Materialien in der Rechtsanwendung operationalisierbar beurteilen könne: Repräsentativität, Schlüsselstellung, Transparenz und Konsistenz. Allerdings bleibt fraglich, ob dies auch für die Verfassunggebung gelten kann, denn die „[k]ollektive Intentionalität verweist […] auf die Strukturen zur Herbeiführung kollektiver Entscheidungen – im Recht also auf die Regeln des Rechtssetzungsverfahrens“, ebd., S. 863. An einem Rechtssetzungsverfahren fehlt es aber gerade bei der Verfassunggebung. 1197 Das Selbstverwaltungsrecht wurde in dem Abschnitt über die Forderungen an die Länder verortet. Einleitend zu dem Vorschlag des Abg. Hoch in den Beratungen am 08. 10. 1948 formulierte er, dass es zwei Möglichkeiten gebe, das Selbstverwaltungsrecht in der Verfassung zu verorten: „[E]ntweder in dem Abschnitt über die Verwaltung […], das paßt nach [scil. seiner, M. J.] Ansicht aber nicht recht, oder im Art. 29 als Forderung an die Länder [Kursivierung nicht im Original, M. J.]“, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat III (Fn. 994), S. 413 ff. Im Verlauf der Beratungen variierten, wie bereits bei der Analyse der Verfassungsunmittelbarkeit der Aufgabengarantie gesehen, die unterschiedlichen Formulierungsvorschläge: Mal sollte den Gemeinden ein Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu verfolgen, mal sollten ausdrücklich die Länder den Grundsatz der Selbstverwaltung einhalten, achten oder gewährleisten. Auch andere Äußerungen im Verlauf der Beratungen deuten darauf hin, dass in der Diskussion die Auffassung vorherrschte, dass das Selbstverwaltungsrecht gegenüber den Ländern gelten sollte. Darauf deutet die Anmerkung des Abg. Laforet hin: „Die Gesetzgebung über das Kommunalrecht haben die Länder, sie sind aber eingeschränkt durch Abs. 4 des Art. 29“, in der zehnten Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung am 08. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat  III (Fn. 994), S. 415; eine ähnliche Vermutung lässt das Beratungsergebnis der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948 zu, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamenta­

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

zwischengemeindliche Schutzrichtung nicht Gegenstand der Beratungen war, zwingt freilich nicht zum Schluss, dass es eine zwischengemeindliche Zielrichtung deshalb nicht gibt. (b) Norminterne Systematik von Art. 28 GG Nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG muss „[d]ie verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern […] den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen“. Abhängig davon, welchen Adressatenkreis Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG hat – implizit ausgedrückt durch die Beschreibung des Gegenstandes der Vorgaben des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG und der maßstabsgebundenen Normen  – lassen sich womöglich Schlussfolgerungen rische Rat V (Fn. 588), S. 312 Fn. 36; diesen Befund bestätigt der Verlauf der Beratungen: Abg. Bergsträsser meinte, „daß die Gemeinden und Gemeindeverbände dagegen geschützt werden sollten, daß das Land [Kursivierung nicht im Original, M. J.] die Aufgaben zentral löst, die eigentlich ihre Sachen wären“, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 308; gleichsinnig die Ergänzung des Abg. v. Mangoldt in derselben Sitzung: „Die Länder müssen den Grundsatz der Selbstverwaltung für Gemeinden und Gemeindeverbände einhalten“, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 308 f., später formulierte er in leicht abgewandelter Form „Die Länder haben das Recht der Gemeinden […] zu achten, sich im Rahmen des Gesetzes in eigener Verantwortung selbst zu verwalten“, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 309; diese Formulierung griff der Abg. Schmid auf, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 309; ähnlich der Vorschlag des Abg. Suhr ‚Die Länderverfassungen haben den Gemeinden […] das Recht der Selbstverwaltung […] zu gewährleisten‘, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 309; in der gleichen Sitzung merkte Abg. Schmid an „Wir müssen die Länder anweisen, nicht unter einen gewissen Standard zu gehen“, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 310; auch die zwölfte Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 15. 10. 1948 deutet darauf hin, dass alle Beteiligten davon ausgingen, dass die Länder, das sind der Landesgesetzgeber und die Landesexekutive, Adressaten der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sein sollen, in:  Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 313; an dieser Auffassung hielt der Ausschuss im weiteren Verlauf der Beratungen fest s. etwa der Abg. v. Mangoldt in der zwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 10. 11. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 537; weder im Allg. Redaktionsausschuss, s. Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse; Stand vom 10.11 bis 05. 12. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. VII, 1995, S. 45, noch in den Sitzungen des Hauptausschusses s. z. B. die Beratungen der fünften Sitzung des Hauptausschusses am 18. 11. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv Parlamentarische Rat XIV/1 (Fn. 998), S. 143 ff., besonders bspw. der Beitrag des Abg. Laforet, ebd., S. 148. – Auf die (schwierige) Frage, ob einzelne Äußerungen von Abgeordneten zum einen der Gesamtheit der Abgeordneten, zum anderen insgesamt dem Parlamentarischen Rat als Verfassunggeber zugeordnet werden können, soll es hier nicht ankommen. Gleichwohl sei darauf verwiesen, dass gerade das Zusammenwirken unterschiedlicher Ausschüsse (Ausschuss für Grundsatzfragen, Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung, Allg. Redaktionsausschuss) Schwierigkeiten bei dieser (zweifachen) Zurechnungsfrage bereitet; zur zweischrittigen Zurechnung Frieling, Gesetzesmaterialien (Fn. 1195), S. 135, 143 ff., 168 ff.

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für den Adressatenkreis des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ziehen. Zwei Deutungen der Normen der beiden Absätze des Art. 28 GG sind denkbar: Einerseits ist denkbar, dass Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den identischen Adressatenkreis haben, weil eine Vermutung dafür spricht, dass Normen innerhalb eines geschlossenen Abschnitts eines Rechtstextes keine unterschiedlichen Adressatenkreise haben1198. Andererseits ist vorstellbar, weil die Wendung „verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gerade fehlt, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Vergleich zu Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG einen breiteren Adressatenkreis hat1199. Sollte Absatz 1 mit der verfassungsmäßigen Ordnung als maßstabsgebundene Normen die gesamte Landesstaatsgewalt einschließlich der Gemeinden als Teil der Landesexekutive als mögliche Erzeuger der maßstabsgebundenen Normen an die Vorgaben des Absatz 1 binden, dann spräche nach beiden Deutungen eine Vermutung dafür, dass auch Absatz 2 die Gemeinden zu den Verpflichtungsadressatinnen macht1200. Der regelungssystematische Schluss stößt allerdings dort an seine Grenzen, wo der Norminhalt (auch) derjenigen Norm nicht eindeutig ist, zu der die Norm, deren Inhalt erst noch ermittelt werden soll, in Verhältnis gesetzt wird1201. Es hängt in beiden Deutungen der gemeinsamen oder unterschiedlichen Adressatenkreise von Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG also davon ab, welche maßstabsgebundenen Normen die „verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern“ umfasst und welche Rechtserzeuger Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG durch die Umschreibung der Gegenstände der Vorgaben von Absatz 1 bindet. Wenn Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG die gesamte Landesstaatsgewalt einschließlich der Landesexekutive ohne Transformationsakt unmittelbar binden sollte, umfassen die durch die „verfassungsmäßige Ordnung“ beschriebenen Rechtserzeugungsakte der gesamten Landesstaatsgewalt auch solche der Gemeinden bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben oder zählen zu ihnen nur die Rechtserzeugungsakte der staatlichen Landesexekutive? Darüber besteht Uneinigkeit. Oft findet sich die Aussage, dass Absatz 1 das „gesamte Landesrecht“ einschließe1202. Strukturtheoretisch betrachtet ist aber auch der Verwaltungsakt einer Kommunalbehörde Landesrecht. Heute gilt es als aus 1198

Eine solche Vermutung formuliert Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 155. Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 144. 1200 Klar ist, Gemeinden zählen zur (Landes-)Exekutive: Zur Einordnung von Gemeinden zur Exekutive exemplarisch aus der Fülle des Schrifttums Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 811; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 12; Püttner, Selbstverwaltung (Fn. 10), § 144 Rn. 10; Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 32; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 112; aus der Rspr. BVerfG, Beschl. v. 22. 11. 1983 – 2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 283 (289). 1201 Eingehender zum regelungssystematischen Argument 2. Teil A. I. 2. a) bb) (3) S. 98 ff. – Abs. 2 wird gelegentlich selbst als Argument bemüht, um über den Adressatenkreis des Abs. 1 Auskunft zu geben. Wie schwierig und offen das regelungssystematische Argument ist, zeigt gerade die umgekehrte Argumentation bei Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 155: Weil erstens eine Vermutung dafür bestehe, dass die in Art. 28 GG versammelten Normen den gleichen Adressatenkreis haben und zweitens Art. 28 II GG auch die Länderexekutive als Adressatin einbeziehe, müsse dies auch für Art. 28 I 1 GG gelten. 1202 V. Mehde, in: Maunz / Dürig, GG III (Fn. 289), Art. 28 Abs. 1 (Dezember 2014), Rn. 46. 1199

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

gemacht, dass Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG jedenfalls den Landesverfassunggeber und den einfachen (Landes-)Gesetzgeber bindet, denn Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG macht den Ländern Vorgaben für die Gestaltung ihres politischen Systems1203. Darüber hinaus wird zum Teil zu Recht angenommen, dass unter die Erzeuger der maßstabsgebundenen Normen in Art. 28 Abs. 1 S. 1  GG die Normen der gesamten Landesstaatsgewalt, also das gesamte Landesrecht ungeachtet seiner Rangstufe sowie seines Rechtserzeugers gehören; „von formellen Verfassungen über Gesetze, Satzungen und Verordnungen bis zu Verwaltungsvorschriften, Einzelweisungen, Verwaltungsakten und Gerichtsentscheidungen.“1204 Unter die „verfassungsmäßige Ordnung“ fallen alle (abstrakt-generellen und konkret-individuellen) Normen, die mit den in Absatz 1 aufgezählten Verfassungsprinzipien unvereinbar sein können. Auch Gemeinden können als Teil der Landesexekutive Verwaltungsakte erlassen, die gegen die Verfassungsprinzipien verstoßen, wenn und soweit sie für die Länder Vorgaben machen. Ein Argument für die Erstreckung der „verfassungsmäßige[n] Ordnung“ auf die gesamte Landesstaatsgewalt einschließlich der Kommunalverwaltung ist für diese Rechtserkenntnis tragend: Fiele die Bindung der gesamten Landesstaatsgewalt an die Verfassungsprinzipien in Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG aus, dann könnte die Kommunalverwaltung zwar einen demokratie- und rechtsstaatswidrigen Verwaltungsakt erlassen. Wegen der Bindung über Art. 1 Abs. 3 GG an nur verhältnismäßige Eingriffe in die materiellen Grundrechten wäre sie aber daran gehindert, unverhältnismäßig in die Grundrechte einzugreifen1205. Art. 79 1203

Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 50; Mann (Fn. 946), Art. 28 (April 2016), Rn. 28, 39 ff.; ­ ierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 8; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 2 f., 11, 14, 17; ­Menzel, N Landesverfassungsrecht (Fn. 1178), S. 243 ff., 245 ff.; jedenfalls auch Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 152, eingehende Begründung zuvor ab S. 147 ff.; auch das BVerfG, Urt. v. 23. 01. 1957 – 2 BvF 3/56, BVerfGE 6, 104 (111). – Sollte man von der verfassungsmäßigen Ordnung in Art. 28 I 1 GG nur abstrakt-generelle Normen umfasst sehen, wäre weiterhin offen, ob auch abstrakt-generelle Regelungen der Gemeinden (etwa Satzungen) eingeschlossen sind. Dafür spricht, dass auch solche Regelungen der Gemeinden zweifelsohne zur Landesrechtsordnung zählen. 1204 Mit eingehender Begründung Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 157; A. Dittmann, Verfassungshoheit der Länder und bundesstaatliche Verfassungshomogenität, in: Isensee / Kirchhof, HdStR VI (Fn. 10), § 127 Rn. 28 (Zitat dort) sowie zuvor Rn. 11, spricht zwar auch von der gesamten Landesstaatsgewalt und meint, dass zwar „neben dem verfassunggebenden Gesetz­ geber also auch die Organe der gesetzgebenden, ausführenden und rechtsprechenden Gewalt“ gebunden seien, fügt aber hinzu, dass dies nur gelte „soweit sie materielles Landesverfassungsrecht gestalten können.“ Implizit macht Dittmann also deutlich, dass er von einer Bindung an die Verfassungsprinzipien nur dann ausgeht, wenn es um die Gestaltung des politischen Systems geht; so deutet auch Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 155, die Aussagen ­Dittmanns; ähnliche Deutung der verfassungsmäßigen Ordnung als dasjenige Recht, durch das die Landesstaatsgewalt ihr politisches System gestaltet wohl Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 51; Mann (Fn. 946), Art. 28 (April 2016), Rn. 28, 39 ff.; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 8; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 2 f., 11, 14, 17. 1205 Zur Bindung der (gesamten) Landesstaatsgewalt an die Grundrechte aus der Kommentarliteratur H. Dreier, in: ders., GG I (Fn. 289), Art. 1 Abs. 3 Rn. 37; C. Starck, in: H. v. Mangoldt (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Abs. 3 Rn. 221 ff.; ferner aus dem sonstigen Schrifttum Dittmann, Verfassungshoheit (Fn. 1204), § 127 Rn. 14, 33; B. ­Kempen,

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Abs. 3 GG unterstellt die von Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG in Bezug genommenen Verfassungsprinzipien unmittelbar dem Schutz der Ewigkeitsgarantie. Der Verfassunggeber verleiht damit seinem besonderen Schutzanliegen Nachdruck. Hingegen entzieht er die Grundrechte allenfalls auf Umwegen über die Ewigkeitsgarantie und in einem Mindestbestand dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers1206. Dieser Widerspruch spricht dafür, dass die gesamte Landesstaatsgewalt einschließlich der Kommunalverwaltung an die Vorgaben des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gebunden ist1207. Diese Argumentation trägt freilich nur dann, wenn demokratie- und rechtsstaatswidrige Rechtserzeugungsakte der gesamten Landesstaatsgewalt nicht bereits an Art. 20 Abs. 3 GG scheitern. Art. 20 Abs. 3 GG ist in einem Abschnitt des Grundgesetzes unter der Überschrift „Der Bund und die Länder“ zu finden. Dieser Abschnitt enthält Normen, die mal nur den Bund, mal nur die Länder, ein anderes Mal sowohl den Bund als auch die Länder binden. Allerdings formuliert Art. 20 Abs. 3 GG ausdrücklich Verfassungsprinzipien, die sich auf die „Bundesrepublik Deutschland“ und den „Bundesstaat“ in seiner Eigenschaft als Gesamtstaat erstrecken. Aus diesem Grund sind die Adressaten von Art. 20 Abs. 3 GG nur der Bund und die Organe des Bundes, nicht hingegen die Länder1208. Weil Absatz  1 damit die gesamte Landesstaatsgewalt einschließlich der Gemeinden als mittelbare Landesverwaltung und Teil der Landesstaatsgewalt unabhängig davon bindet, ob sie in abstrakt-genereller oder konkret-individueller Form Recht erzeugt, liegt auf Grundlage der beiden Deutungen der Adressatenkreise von Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG der Schluss nahe, dass Absatz 2 die Gemeinden zu Verpflichtungsadressatinnen erhebt. Allerdings besteht kein vergleichbares Bedürfnis wie in der Vermeidung von demokratie- und rechtsstaatswidrigen Akten der Kommunalverwaltung, den Adressatenkreis von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vergleichbar weit zu ziehen. Art. 79 Abs. 3 GG nimmt nicht auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie Bezug und sie genießt deshalb keinen vergleichbaren Schutz wie die von Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG in Bezug genommenen Verfassungsprinzipien. Grundrechtsverpflichtete, in: Merten / Papier, HGR  II (Fn. 1080), § 54 Rn. 20; aus der Rspr. konzis BVerfG, Beschl. v. 07. 05. 2001 – 2 BvK 1/00, BVerfGE 103, 332 (347) – Schleswig-­ Holsteinisches Landesnaturschutzgesetz; zwischenzeitlich fanden sich im Entstehungsprozess auch Formulierungen, die die Länder in Bezug nahmen, zu den Formulierungsvorschlägen berichtend H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 116 ff. 1206 D. Murswiek, Zu den Grenzen der Abänderbarkeit von Grundrechten, in: Merten / Papier, HDG II (Fn. 1080), § 28 Rn. 22 ff., 28 ff., 50 ff., 60 ff., 70 ff. 1207 Nachfolgende Begründung mit eingehenderer Entfaltung auch des zuvor genannten Arguments bei Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 156 f.: „Wenn also zwei Normen, auf die sich die Ewigkeitsgarantie bezieht, nämlich die Menschenwürdegarantie und die Grundrechtsverpflichtung des Staates, auch für die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung in den Ländern gelten und diese Gewalten Grundrechte beachten müssen, die lediglich in ihrem Mindestbestand geschützt sind, dann liegt der Schluss nahe, dass diese Gewalten genauso bzw. erst recht an die verbliebenen Normen, die den Schutz der Ewigkeitsgarantie genießen, gebunden sind, nämlich an die Verfassungsprinzipien.“ 1208 In diesem Sinne mit eingehender Begründung Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 153 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Es ist keinesfalls zwingend, dass deshalb Absatz 2 den identischen Adressatenkreis wie Absatz 1 oder einen darüber hinausgehenden Adressatenkreis haben muss. Vielmehr spricht mit der obigen Argumentation womöglich eher eine Vermutung dafür, dass die Adressatenkreise nicht identisch sind oder – in der Umkehrung der gängigen Annahme, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG habe sogar einen größeren Adressatenkreis – der Adressatenkreis von Absatz 2 hinter dem des Absatzes 1 zurückbleibt. Auch Art. 28 Abs. 3 GG erhellt nicht, welchen Adressatenkreis Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG hat. Mit Art. 28 Abs. 3  GG legt sich der Bund die Selbstverpflichtung auf, Sorge dafür zu tragen, dass „die verfassungsmäßige Ordnung der Länder“ neben den Grundrechten den normativen Vorgaben der ersten beiden Absätze des Art. 28 GG entspricht. Die Rechtserzeuger der Normen der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 28 Abs. 3 GG müssen in Konformität mit den materiellen Vorgaben agieren, auf die sich Absatz 3 bezieht1209. Verstößt eine Norm eines Landes, die zur verfassungsmäßigen Ordnung des Landes im Sinne des Art. 28 Abs. 3 GG zählt, gegen eine Vorgabe, auf die Art. 28 Abs. 3 verweist, dann muss der Bund Maßnahmen ergreifen, damit die einbezogenen Normen (wieder) den Vorgaben entsprechen1210. Art. 28 Abs. 3 GG spricht anscheinend dafür, dass Absatz 3 den Adressatenkreis der Verpflichtungsadressaten des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausdehnt und mit dem Adressatenkreis des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG parallelisiert. Weil Art. 28 Abs. 3 GG dem Bund die Verpflichtung auferlegt, dafür zu sorgen, dass alle Normen, die zur „verfassungsmäßige[n] Ordnung der Länder“ im Sinne von Art. 28 Abs. 3  GG zählen, den Vorgaben entsprechen, auf die er verweist, scheint es, als müssten alle Normen der verfassungsmäßigen Ordnung der Länder dem Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG entsprechen. Das aber hieße, dass alle Rechtserzeuger der maßstabsgebundenen Normen des Absatzes 3 an die Vorgaben (auch) des Absatzes 2 gebunden sein müssen. Obwohl nicht theoretisch ausgeschlossen, wäre es ungewöhnlich, wenn eine Diskrepanz zwischen dem Kreis der Normen und Normerzeuger bestünde, für die der Bund auf der einen Seite eine Übereinstimmung mit bestimmten Vorgaben sicherstellen soll, und den Adressaten, für welche die Vorgaben selbst gelten auf der anderen Seite. Anders: Es wäre geradezu widersinnig, den Bund zur Einhaltung von Vorgaben in Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG für Normen, die zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 28 Abs. 3 GG 1209 Zu Art. 28 III GG bereits unter 3.  Teil B. I. 1. a) (S. 322 ff.); pars pro toto aus der Kommentarliteratur Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 264 ff.; ausführlicher Dittmann, Verfassungs­ hoheit (Fn. 1204), § 127 Rn. 39 ff. 1210 Die Gewährleistungspflicht überlässt dem Bund nicht die Entscheidung darüber, ob er einschreitet (kein Entschließungsermessen), denn, wie Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 267, meint, hat der Bund „nicht nur im Sinne des Opportunitätsprinzips nach pflichtgemäßem Ermessen zu beobachten […], sondern [der Bund ist, M. J.] verpflichtet […], alle geeigneten und notwendig erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen, um deren Einhaltung [scil. der Gewährleistungsinhalte, M. J.] durch die Länder sicherzustellen.“; gleichlautend Dittmann, Verfassungshoheit (Fn. 1204), § 127 Rn. 39; demgegenüber steht dem Bund hinsichtlich der Wahl der Gewährleistungsmittel Ermessen zu (Auswahlermessen) Dittmann, Verfassungshoheit (Fn. 1204), § 127 Rn. 40; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 175.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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gehören, zu verpflichten, obwohl die Vorgaben in Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG gar nicht an den Rechtserzeuger adressiert sind1211. Trotz des Fehlens der Wendung „verfassungsmäßige Ordnung“ in Absatz  2 setzt Absatz  3 gewissermaßen voraus, dass sich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (auch) an die Rechtserzeuger der Normen der „verfassungsmäßigen Ordnung“ in Art. 28 Abs. 3 GG richtet. Bezogen auf Gemeinden bedeutet dies: Weil Gemeinden auch Normen erzeugen können, die zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen, kontrolliert der Bund nach Art. 28 Abs. 3 GG, ob sie die Vorgaben aus Absatz 2 Satz 1 einhalten. Allerdings sprechen zwei (Haupt-)Einwände gegen eine solche Lesart: Erstens ist es ebenso möglich, die Kontrollermächtigungsnorm des Bundes in Art. 28 Abs. 3 GG in einer Weise zu verstehen, ohne dass es zu den aufgezeigten Verwerfungen kommt. Der Tatbestand, der den Bund zum Einschreiten verpflichtet, setzt einerseits voraus, dass Normen der verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 Abs. 3 GG existieren und diese andererseits gegen Vorgaben der Absätze 1 und 2 verstoßen, soweit ihre Vorgaben die Erzeuger von Normen tatsächlich binden, auf die sich die Gewährleistungspflicht des Bundes bezieht. Es kann also (theoretisch) sein, dass der Bund (mögliche) Verstöße gegen Normen der verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 Abs. 3 GG prüft und dabei feststellt, dass für diese Art von Normen und ihre Erzeuger die Grundrechte, Absatz 1 oder Absatz 2 gar keine Vorgaben machen. Soweit sie aber Vorgaben machen, muss der Bund Verstöße gegen sie ahnden. Zweitens setzt eine solche Lesart voraus, dass die Wendungen „verfassungsmäßige Ordnung der Länder“ in Absatz 3 und „verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern“ in Absatz 1 Satz 1 tatsächlich dieselben Bedeutungen haben. Im Grundsatz existiert eine (widerlegliche) Vermutung, dass Rechtsbegriffe 1211

Überführt man diese Gedanken in die Sprache von Kontrolle, Kontrollgegenstand, Kon­ trollmaßstab und Kontrollumfang und -dichte, vereinfacht dies möglicherweise den Zugang zum Argument. Dasselbe Argument taucht erneut auf, wenn es um das Zusammenspiel von Kontrollgegenstand, Kontrollmaßstab und Kontrolldichte der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde 2. Teil B. III. 4. (S. 290 ff.) sowie 3. Teil B. II. 5. (S. 538 ff.) geht. Macht eine Norm  X für die Normerzeugung durch einen Akteur die Vorgaben A, B und C und ermächtigt eine andere Norm Y etwa ein Gericht zur Kontrolle, ob der Normerzeugungsakt die Voraussetzungen A, B, C und D einhält, ermächtigt die Kontrollermächtigungsnorm das Gericht den Rechtserzeugungsakt an Maßstäben zu überprüfen, die für ihn ursprünglich nicht galten (konkret: Vorgabe D). Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 185, spricht hier von einem (theoretisch) denkbaren „Kontrollüberhang“. Ähnlich gelagert ist der Fall hier: Der Bund soll sicherstellen, dass die Erzeuger der Rechtsnormen, die zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 III GG zählen, bei ihrer Rechtserzeugung die Vorgaben A, B und C der Norm Art. 28 II GG einhalten (auf diese verweist die Kontrollermächtigungsnorm Art. 28 III GG). Der Rechtserzeuger, welcher die Normen erzeugen kann, die zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 III GG zählen, ist aber selbst nicht Adressat der Norm Art. 28 II 1 GG, welche die Vorgaben A, B, und C macht, auf die Art. 28 III GG verweist. Aus diesem Grund muss der Rechtserzeugungsakt aus der Perspektive des durch den Bund kontrollierten Normerzeugers von Normen der verfassungsmäßigen Ordnung in Art. 28 III GG an sich gar nicht den Vorgaben A, B und C entsprechen, weil die Norm, welche diese Vorgaben macht (Art. 28 II 1 GG), ihn nicht bindet. Der Bund kontrollierte also Vorgaben für einen bestimmten Rechtserzeugungsakteur auf die Einhaltung von Vorgaben, die für ihn nicht gelten.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

innerhalb eines Rechtstextes (Grundgesetz), mehr noch innerhalb eines abgeschlossenen Normkomplexes innerhalb des Rechtstextes (Art. 28 Abs. 1 bis Abs. 3 GG) gleich zu verstehen sind. Art. 28 Abs. 1, 2 und 3 GG regeln jedoch verschiedene Gegenstände und sind aus diesem Grund auch unterschiedlich zu verstehen. Art. 28 Abs. 3 GG regelt unter anderem, welche Rechtsfolgen Verstöße nach sich ziehen, wenn Normen, die zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 Abs. 3 GG gehören, die Verfassungsprinzipien in Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG und die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung missachten. Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG regeln demgegenüber, welchen inhaltlichen Anforderungen die Länder (im Fall des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG bei der Erzeugung von Normen, die zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gehören) unterliegen1212. Die verfassungsmäßige Ordnung i. S. v. Art. 28 Abs. 3 GG kann zum Beispiel nur abstrakt-generelle Normen des Landesverfassunggebers oder des Landesgesetzgebers umfassen. Weil der Bund keinen Rechtserzeuger auf die Einhaltung von Vorgaben kon­ trolliert, die für diesen Rechtserzeuger nicht gelten, kommt es zu keinen Friktionen zwischen unterschiedlichen Bedeutungen der Rechtsbegriffe der verfassungsmäßigen Ordnung und den damit einhergehenden unterschiedlichen Adressatenkreisen. Der Bund wäre nicht verpflichtet einzuschreiten, wenn konkret-individuelle Normen, die zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gehören, nicht den Verfassungsprinzipien entsprächen. Es ist nicht unüblich, dass weniger kontrolliert wird, als möglich wäre. Dass beide Begriffe der verfassungsmäßigen Ordnung nicht dasselbe bedeuten, vermeidet zugleich eine gewisse Überintervention des Bundes. Ihn trifft keine Pflicht zum Einschreiten, wenn konkret-­ individuelle Normen den zu kontrollierenden Vorgaben widersprechen. Ihm wäre damit in einem Teilbereich die Kontrolle verwehrt, obwohl der Absatz 1 sowie die Grundrechte Vorgaben für (konkret-individuelle) Rechtserzeugungsakte machen. Es werden schlicht einzelne Kontrollgegenstände aus dem Tatbestand der Bundesgewährleistungspflicht des Art. 28 Abs. 3 GG ausgeschlossen.

1212 Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 174, wobei seine Unterscheidung zwischen „den Arten von Normen [, welche] den Vorgaben der Verfassungsprinzipien unterliegen“ und „den Arten von Verstößen gegen solche Normen [, welche M. J.] […] die Gewährleistungspflicht des Bundes“ nach sich ziehen, dem ersten Argument sehr nahekommt oder entspricht. Das Argument, dass sich Abs. 3 und Abs. 1 auf unterschiedliche Gegenstände beziehen, ist aber kein Argument dafür, dass die Rechtsbegriffe der verfassungsmäßigen Ordnung tatsächlich verschiedene Bedeutungen haben. Vielmehr ist die wichtige Unterscheidung (nur) eine zutreffende Erklärung dafür, dass die Bedeutungen unterschiedlich sein können; für eine identische Auslegung der Begriffe in Art. 28 I 1 und Art. 28 III GG dagegen stellvertretend etwa Mehde (Fn. 1008), Art. 28 Abs. 3 Rn. 1, wobei er sich bspw. tendenziell bei Art. 28 I 1 GG auf abstrakt-generelle Normen beschränkt s. Mehde (Fn. 1202), Art. 28 Abs. 1 Rn. 46.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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(c) Normexterne Regelungssystematik von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG – Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG) Anhaltspunkte für eine zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mag die kommunale Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG liefern1213. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht „über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel  28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.“ Fraglich ist zuerst, ob die Regelung der kommunalen Verfassungsbeschwerde überhaupt bei der Ermittlung der Bindungsadressaten von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG herangezogen werden darf. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil die kommunale Verfassungsbeschwerde ursprünglich nicht im Grundgesetz vorgesehen war, sondern im Jahr 1951 zuerst nur einfachgesetzlich eingeführt wurde1214. Die einfachgesetzliche Verfassungsbeschwerde des § 91 BVerfGG sowie das dazugehörige Gesetzgebungsverfahren 1951 dürfen nicht herangezogen werden, um auf den Willen des (ursprünglichen) Verfassunggebers bei der Rechtserkenntnis des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sowie des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b  GG zurückzuschließen, denn zum Zeitpunkt, als der Verfassunggeber Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schuf, war die kommunale Verfassungsbeschwerde im Grundgesetz noch nicht normiert. Eine (doppelte) Zurechnung einzelner Meinungsäußerungen im Gesetzgebungsverfahren des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes als Indiz auf Inhalte der Verfassung ist trotz großer personeller Kontinuität ausgeschlossen1215. Allerdings mögen diese Äußerungen (unverbindliche) Hinweise auf die Deutung von Aussagen einzelner Mitglieder im Parlamentarischen Rat bei der Diskussion über die Absicherung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie im Grundgesetz einige Jahre zuvor sein1216. Im Jahr 1969 verständigte sich der verfassungsändernde Gesetzgeber darauf, die Kommunalverfassungsbeschwerde 1213 Umfassenden Überblick über die historischen Vorgänger der Kommunalverfassungs­ beschwerde sowie ihr Weg in das Grundgesetz bietet D. Lück, Der Beitrag der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 2014, S. 35 ff. – Die verfassungsgerichtliche Norm zieht das Schrifttum etwa heran, wenn es darum geht zu begründen, warum Art. 28 II 1 GG eine „irgendwie geartete subjektivierte Rechtsposition“ verleiht Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 15. 1214 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. 03. 1951, BGBl I, S. 1951, S. 243; zur Bedeutung der zeitlichen Abfolge des Erlasses verfassungsrechtlicher und einfachrechtlicher Regelungen aus methodologischer Perspektive Jarass, Bedeutung (Fn. 577), S. 464; kritisch zu Recht zu einem einfachgesetzlichen Argument bei der Auslegung des Art. 93 I Nr. 4b GG unter dem Aspekt der zeitlichen Reihenfolge W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Isensee / Kirchhof, HdStR III (Fn. 443), § 70 Rn. 77 Fn. 574. 1215 So war Abg. Laforet nicht nur engagierter Redner bei der Einführung der einfachgesetzlichen Kommunalverfassungsbeschwerde, sondern auch Mitglied im Parlamentarischen Rat biographisch R. Vierhaus / L. Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch des Deutschen Bundestages 1949–2002, Bd. II, 2002, S. 476 f.; G. Wernicke / H. Booms (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. I, 1975, Anhang, S. 431. 1216 Das gilt besonders für das Vorverständnis einiger Mitglieder des Parlamentarischen Rates.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

bundesverfassungsrechtlich zu normieren1217. Da die kommunale Verfassungs­ beschwerde ab 1969 bundesverfassungsrechtlich vorgesehen ist, kann diese heute problemlos als normexternes regelungssystematisches Argument bei der Norminhaltsermittlung des (heutigen) Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG herangezogen werden1218. Bei Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG handelt es sich um eine Kontrollermächtigungsnorm, die das Bundesverfassungsgericht zur (kontrollierenden) Rechtserzeugung ermächtigt. Die Kontrollkompetenznorm des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b  GG zugunsten des Bundesverfassungsgerichts bestimmt, worauf sich die Kontrollentscheidung des Gerichts bezieht (Kontrollgegenstand), anhand welcher (Rechts-)Maßstäbe (Kontrollmaßstab)  es den Kontrollgegenstand misst sowie in welchem Umfang es diesen am Kontrollmaßstab überprüft (Kontrolldichte)1219. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b  GG hält selbst keinen Kontrollmaßstab bereit. Vielmehr verweist Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG auf andere maßstabgebende Normen. Zulässiger Kontrollmaßstab ist nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs. 1 GG die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG1220. Aus dem Zusammenspiel von Kontrollgegenstand und Kontrollmaßstab lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wer die Bindungsadressaten von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sind1221. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs. 1 GG geht da 1217 Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. 01. 1969, BGBl. I, 1969, S. 97. 1218 Genau genommen geht es bei der Rechtserkenntnis einer Verfassungsnorm also nicht nur um die Ermittlung des Willens des Verfassunggebers, sondern, je nachdem um welche Norm es geht, um die Ermittlung des Willens der Verfassunggeber. Soll der Norminhalt einer Verfassungsnorm ermittelt werden, die im Laufe der Zeit Änderungen durch den verfassungsändernden Gesetzgeber unterlag, kann es bei der Rechtserkenntnis nur um die Ermittlung des Willens des verfassungsändernden Gesetzgebers gehen, wie selbstverständlich forscht sodann auch das BVerfG, Urt. v. 24. 10. 2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (135 ff.), nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers; Hillgruber, Verfassungsrecht (Fn. 855), S. 35 Fn. 97. Anders lediglich dann, wenn es darum geht, den Norminhalt der unabänderlichen Gehalte des Art. 79 III GG zu ermitteln. Bei der Rechtserkenntnis des Art. 79 III GG kann es allein auf den Willen des (ursprünglichen) Verfassunggebers ankommen; C. Hillgruber, Der Nationalstaat in überstaatlichen Verflechtungen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 32 Rn. 15, der meint, dass „[s]elbst wenn der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers darauf gerichtet gewesen wäre, das verfassungsrechtliche Bekenntnis zum deutschen Nationalstaat aufzuheben, so hätte er diesen Willen doch nicht rechtswirksam verwirklichen können.“ 1219 In diesem Sinne zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle aus strukturtheoretischer Sicht Elsner, Ermessen (Fn. 855), S. 182. 1220 Bauer, Prüfungsmaßstab (Fn. 1154), S. 39; Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 285 f. 1221 Ein ähnliches Argument in einem anderen Zusammenhang zu finden bei Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 147: Der Adressat des Homogenitätsprinzips in Art. 28 I 1 GG ergibt sich daraus, welche Normen zu der Gesamtheit an Normen der verfassungsmäßigen Ordnung gehören. – Jedenfalls theoretisch ist ein Auseinanderfallen der Kontrollmaßstäbe des Gerichts, d. s. die Fremdprogrammierungsanteile, deren Einhaltung das Gericht überprüft und die für die Erzeugung des Kontrollgegenstands geltenden Maßstäbe denkbar; dazu bereits Fn. 1211; ferner Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 183 ff., sodass der hier vorgeschlagene Schluss nicht unumstößlich ist. Allerdings steht (widerleglich) zu vermuten, dass der Verfassunggeber

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von aus, dass Gemeinden einerseits ein Recht auf Selbstverwaltung zustehen muss, und dass andererseits das Recht auf Selbstverwaltung „durch ein Gesetz“ verletzt werden kann. Es wäre widersinnig, wenn der Verfassunggeber mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG den Prüfungsgegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde auf Gesetze festlegt und das Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung anhand des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ermächtigt, zugleich aber davon ausging, dass derjenige Rechtserzeugungsakteur, welcher der Urheber des „Gesetzes“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs. 1 GG ist, nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sein soll. Die Kontrollermächtigung ginge ins Leere, wenn der Erzeuger des Kontrollgegenstands bei seiner Erzeugung umfassend nicht an den Kontrollmaßstab und seine Erzeugungsbedingungen gebunden wäre. Die verfassungsgerichtliche Kontrollkompetenznorm wirkt damit zurück auf die vorausgesetzte Bindungswirkung des Kontrollmaßstabs für bestimmte Kontrollgegenstände und ihre Erzeuger1222. Sicher ist der Rückschluss vom Kontrollgegenstand auf die Adressaten des Kontrollmaßstabs aber nur in eine Richtung: Jeder, der Erzeuger von „Gesetzen“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG ist, muss an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sein. Umgekehrt ist nicht zwingend, dass jeder, der nicht Erzeuger von „Gesetzen“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG ist, nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden ist. Es kann eine rechtliche Bindung bestehen, ohne dass das Bundesverfassungsgericht zur Kontrolle der Einhaltung aller Rechtserzeugungsbedingungen ermächtigt ist. Es ist keinesfalls ausgemacht, dass die kommunale Verfassungsbeschwerde vollumfänglich jegliche nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierte Rechtsposition gegenvon einer Identität der Maßstäbe ausging. Zuzustimmen ist daher J.-R.  Sieckmann, Beurteilungsspielräume und richterliche Kontrollkompetenzen, in: DVBl. 1997, S. 101 (104): „Die gerichtliche Kontrolle kann sinnvollerweise nicht weiter gehen als die rechtlichen Bindungen der Verwaltung“. Jedenfalls, wenn wie hier der Verfassunggeber auf den Kontrollmaßstab in einer anderen Norm verweist, ist, wie Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 190, zutreffend bemerkt, von einem Gleichlauf zwischen dem Maßstab der Kontrolle und den Rechtserzeugungsbedingungen für den Kontrollgegenstand auszugehen. Dass es im geltenden Recht Situationen gibt, in denen es zu einem „Kontrollüberhang“ kommt, ist dem Verfasser nicht bekannt. Das Beispiel von Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 183, bildet kein solches, da im Fall einer gerichtlichen Kontrolle von Selbstprogrammierungsanteilen (kurz: Zweckmäßigkeitskontrolle) gar keine kontrollfähigen Rechtsmaßstäbe existieren, die Bedingung des kontrollierten Rechtserzeugungsaktes bildeten. 1222 S. dazu bereits das (fiktive) Beispiel in Fn. 1211. – Eine Diskussion über eine zumindest partielle Identität von Kontrollnormen/-programmen und den Maßstäben, die für den kontrollierten Akt gelten, fand etwa in der Auseinandersetzung um sog. Handlungsnormen bzw. Verhaltensnormen und Kontrollnormen statt, ohne dass sich die hiesige Untersuchung die Kategorien von Handlungs- und Kontrollnormen zu eigen machen würde. K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin u. a. (Hrsg.), Gegenrede, 1994, S. 541 (542); G. Robbers, Für ein neues Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit, in: NJW 1998, S. 935 (939); aus jüngerer Zeit Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 13; C. Franzius, Modalitäten und Wirkungsfaktoren der Steuerung durch Recht, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann / Voßkuhle, Grundlagen I (Fn. 25), § 4 Rn. 2; unlängst, in leicht abweichender Terminologie zum Verhältnis von Kontrollmaßstäben und Verhaltensnormen mit weiteren Nachweisen Kempny, Verwaltungskontrolle (Fn. 873), S. 182 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

über jedem Rechtserzeuger absichert, der an Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG gebunden ist1223. Gegen die vollumfängliche verfassungsgerichtlich wehrfähige Absicherung jeder Rechtsposition gegenüber jedem Rechtserzeuger spricht, dass man sich im Gesetzgebungsverfahren bei Einführung der Kommunalverfassungsbeschwerde einig war, dass etwa für Vollzugsmaßnahmen der Exekutive der Verwaltungsgerichtsschutz ausreichend sein sollte1224. Man war sich im Gesetzgebungsverfahren 1951 aber wohl auch einig darüber, dass etwa die Kommunalaufsichtsbehörden an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sein sollen. Man entschied sich dennoch gegen eine Parallelisierung mit dem Verfahren der Individualverfassungsbeschwerde, die gegen alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt eröffnet ist1225. Selbst wenn also kommunale Rechtserzeugungsakte nicht „Gesetz“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG sind, ist dies kein zwingendes Argument gegen die Bindung von Kommunen an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Ausgehend von dieser Erkenntnis kommt es darauf an, was der Verfassunggeber unter „Gesetz“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs.  1 GG verstanden wissen wollte. Als der verfassungsändernde Gesetzgeber 1968 die Kommunalverfassungsbeschwerde bundesverfassungsrechtlich absicherte, stellte er keine eigenen Erwägungen mehr an, die als Indiz für den Norminhalt von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG herangezogen werden könnten. Allerdings machte er sich die damaligen Erwägungen zur Kommunalverfassungsbeschwerde, die der Bundestag bei Erlass des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes anstellte, anscheinend zu eigen1226. Bei der kommunalen Verfassungsbeschwerde handelte es sich im Jahr 1968 um ein weitgehend akzeptiertes und praktiziertes verfassungsgerichtliches Beschwerdeverfahren1227. Aus diesem Grund begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, 1223 Den gegenteiligen Anschein erwecken z. B. Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 1, 10; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 2. 1224 In der 116. Sitzung vom 01. 02. 1951, S. 4413C, führte der Abg. Arndt wörtlich aus: „Wir haben die Beschwerde auf die sog. abstrakte Normenkontrolle beschränkt, weil es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein kann, in Streitigkeiten zwischen der Exekutive eines Landes und den Gemeinden einzugreifen, wohl aber eine bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle bestehen muß, ob ein Landesgesetz oder ein Bundesgesetz mit der Gewährleistung der Selbstverwaltung im Grundgesetz vereinbar ist.“ 1225 Der ursprüngliche Entwurf wurde im Zeitraum zwischen der zweiten und dritten Lesung modifiziert und die Kommunalverfassungsbeschwerde auf eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde beschränkt, so die Ausführungen des Abg. Arndt in der 116. Sitzung vom 01. 02. 1951, S. 4413C f. 1226 Der Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP enthielt keine Begründung, sondern machte sich die einfachgesetzliche Regelung des BVerfGG zu eigen BT-Drs. V/2677 v. 13. 03. 1968; Gegenstand der Debatten war nicht die kommunale Verfassungsbeschwerde s. Protokoll der 171.  Sitzung vom 08. 05. 1968, S. 9209B f.; Protokoll der 201.  Sitzung vom 04. 12. 1968, S. 10817B ff.; sowie zuvor der Schriftliche Bericht des Rechtsausschusses vom 15. 11. 1968, BT-Drs. V/3506 (neu). 1227 Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit blieben vereinzelt, aus der reichen Debatte zu dieser Zeit nur H. Schäfer, Die Verfassungsbeschwerde der Gemeinden und Gemeindeverbände, in: DÖV 1951, S. 572 (572 ff.); eindeutig das BVerfG, Urt. v. 20. 03. 1952 – 1 BvR 267/51, BVerfGE 1, 167 (173 f.): „Das Institut der Verfassungsbeschwerde ist im Grundgesetz nicht erwähnt. Ihre

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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wenn damalige inhaltliche Erwägungen des (einfachen) Gesetzgebers für den verfassungsändernden Gesetzgeber bei Einführung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG 1968 als fortbestehend angesehen werden und man davon ausgeht, dass dieselben Erwägungen, die zur Normierung der Kommunalverfassungsbeschwerde im Bundesverfassungsgerichtsgesetz führten, den verfassungsändernden Gesetzgeber bei der Normierung der grundgesetzlichen Kommunalverfassungsbeschwerde leiteten. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und § 91 BVerfGG sind inhaltlich identisch auszulegen. Das Grundgesetz verwendet das Wort „Gesetz“ an unzähligen Stellen und in vielen Zusammenhängen1228. Unter „Gesetz“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG versteht das Bundesverfassungsgericht mit Zustimmung des Schrifttums „jede staatliche Rechtsnorm, die Außenwirkung gegenüber einer Kommune entfaltet“.1229 Beide legen einen weiten Gesetzesbegriff zu Grunde1230. Sie meinen aber gleichwohl, dass Gerichtsentscheidungen oder Verwaltungsmaßnahmen aus dem Beschwerdegegenstand herausfallen1231. Da aber auch Verwaltungsmaßnahmen und Gerichtsentscheidungen Rechtsnormen im strukturtheoretischen Sinne sind, ist nicht entscheidend, ob Gesetze Rechtsnormen sind, sondern, dass Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b  GG nur abstrakt-generelle Rechtsnormen umfasst. Traditionell werden unter Gesetzen nur abstrakt-generelle Rechtsnormen verstanden. Dieses Begriffsverständnis liegt auch dem Grundgesetz zu Grunde. Es prägte das Vorverständnis des Verfassunggebers1232. Individuelle Rechtserzeugungsakte der Verwaltung und der Gerichte sind deshalb unumstritten nicht als tauglicher Beschwerdegegenstand umfasst1233. Unzweifelhaft fallen unter den Begriff Gesetz die sog. formelEinführung und Ausgestaltung im einzelnen durch ein besonderes Bundesgesetz war damit keinen Beschränkungen unterworfen und ist durch Art. 93 Abs. 2 GG [a. F., M. J.] gedeckt. Insbesondere steht nichts entgegen, falls man in Art. 28 Abs. 2 GG kein Grundrecht, sondern nur eine institutionelle Garantie erblicken sollte, auch eine solche durch eine Verfassungsbeschwerde justiziabel zu gestalten“; zusammenfassend m. w. N. Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 77 ff. 1228 Ossenbühl, Gesetz (Fn. 856), § 100 Rn. 5 ff.; aus der Ausbildungsliteratur B. Pieroth, Was bedeutet „Gesetz“ in der Verfassung?, in: JURA 2013, S. 248 (248 ff.); K. Weber, s. v. Gesetz, in: Creifelds, Rechtswörterbuch (Fn. 704); monographisch aus dem älteren Schrifttum stellvertretend C. Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970. 1229 Stellvertretend BVerfG, Kammerbeschl. v. 22. 08. 2016 – 2 BvR 2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1630 Rn. 18); zustimmend s. nur Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 33. 1230 Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 1, 10; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 12. 1231 Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 32. 1232 W.  Bock, s. v. Gesetz, staatlich, in: Heun u. a., EvStL (Fn. 278), Sp. 763 (763, 771); C. Starck, s. v. Gesetz [Rechtlich], in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. II, 8. Aufl. 2018, Sp. 1255 (1255 f.); eingehender zur Begriffsvarianz und den Ursprüngen des Gesetzesbegriffs sowie dem Gesetzesbegriff des Grundgesetzes Starck, Gesetzesbegriff (Fn. 1228), S. 21 ff., 69 ff., 151 ff. 1233 BVerfG, Kammerbeschl. v.  11. 05. 2004  – 2  BvR  693/04, NVwZ 2004, 1349 (1350); BVerfG, Kammerbeschl. v.  14. 10. 2013  – 2  BvR  1961/13 u. a.; BVerfG, Kammerbeschl. v. 22. 08. 2016 – 2 BvR 2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1630 Rn. 19); Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 22; Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 136, 139 f.; Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 32; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 11.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

len Gesetze, also all jene abstrakt-generellen Rechtsnormen mit Außenwirkung, die vom Parlament in einem besonderen Verfahren beschlossen wurden1234. Auch Rechtsverordnungen fallen unter den Begriff Gesetz, sodass sie tauglicher Kontrollgegenstand sein können1235. Bei ihnen handelt es sich um abstrakt-generelle Regelungen mit Außenwirkung, die von der Exekutive zur Regelung staatlicher Angelegenheiten erlassen werden1236. Nicht entscheidend ist ferner, ob es sich um Rechtsverordnungen des Bundes oder eines Landes handelt; Gesetz meint neben dem Bundes- auch das Landesgesetz. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs. 2 GG ordnet für Landesgesetze nur die Subsidiarität der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde an. Es nimmt Landesgesetze folglich nicht als tauglichen Kontrollgegenstand aus. Für den Fall, dass ein effizienter und funktionsadäquater Rechtsschutz vor den Landesverfassungsgerichten besteht, ist das Bundesverfassungsgericht an der Ausübung seiner Kontrolle gehindert. Besteht kein effizienter und funktionsadäquater 1234

Statt Vieler mit gleichzeitiger Kritik Bock, s. v. Gesetz, staatlich (Fn. 1232), Sp. 771 f. BVerfG, Beschl. v.  24. 06. 1969  – 2  BvR  446/64, BVerfGE 26, 228 (236)  – Sorsum; BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (309) – Flugplatz Memmingen; BVerfG, Beschl. v.  15. 10. 1985  – 2  BvR  1808/82 u. a., BVerfGE 71, 25 (34); BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1987 – 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107 (107 Ls. 1, 114) – Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen; Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 23; Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 131 f.; C. ­Walter, in: T. Maunz / G. Dürig (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VI, Art. 93 (August 2018), Rn. 424. – Ob es entstehungsgeschichtlich überzeugt, dass auch Rechtsverordnungen von Art. 93 I Nr. 4b GG umfasst sein sollen, erscheint zumindest vor dem Hintergrund begründungsbedürftig, dass Streitigkeiten mit der Landesexekutive, namentlich genannt wurde die Gemeindeaufsicht, primär den Verwaltungsgerichten zugewiesen sein sollen, so die Kritik des Abg. Laforet in der 114. Sitzung vom 25. 01. 1951, S. 4297B f., noch zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kontrollgegenstand nicht auf Gesetze beschränkt war; auch in der 116. Sitzung vom 04. 12. 1951, S. 4413 C f., betonte der Abg. Arndt, dass es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein könne, in Streitigkeiten zwischen der Exekutive eines Landes und den Gemeinden einzugreifen; Zweifel hegen auch G. Püttner, Diskussionsbeitrag zum Referat von Werner Hoppe, in: K. Grupp / M. Ronellenfitsch (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung in Deutschland und Europa, 1995, S. 91 f.; C. Goos / C. Hillgruber, Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl. 2020, Rn. 380 f.; kritisch zu dieser Deutung der Entstehungsgeschichte, zum gegenteiligen Ergebnis gelangend Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 127 ff. Ob darüber hinaus das Argument, das für die Einordnung von Rechtsverordnungen als „Gesetz“ angeführt wird, überzeugt, sei ebenfalls dahingestellt. „Würde man die Verfassungsbeschwerde der Gemeinden […] nur gegen Gesetze im formellen Sinn zulassen, besteht die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber statt eines Eingriffs direkt durch Gesetz im Gesetz nur die Ermächtigung zur Verordnungsgebung vorsieht, sodass der eigentliche Eingriff auf die Ebene der Rechtsverordnung übertragen wird.“ Es „entstünde damit eine mit dem Sinn der Vorschrift unvereinbare Lücke im Rechtsschutz“ Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 132. Zwei kritische Fragen seien gestattet: Warum soll zum einen nicht die Ermächtigung zur Verordnungsgebung tauglicher Kontrollgegenstand im Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren sein? Hierbei handelt es sich um ein formelles Gesetz, dagegen etwa BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (136 f. Rn. 63) – Optionskommune. Warum wird zum anderen nicht der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz wie auch bei anderen Verwaltungsmaßnahmen für ausreichend erachtet? 1236 A. Uhle, s. v. Rechtsverordnung, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staats­ lexikon, Bd. IV, 8. Aufl. 2020, Sp. 1255 (1255); K. Weber, s. v. Rechtsverordnung, in: Creifelds, Rechtswörterbuch (Fn. 704). 1235

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Rechtsschutz vor den Landesverfassungsgerichten, wird die Reservezuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts aktiviert1237. Aus diesem Grund sind sowohl die staatliche Bundes- als auch die Landesexekutive zumindest dann, wenn sie sich in abstrakt-genereller Form betätigen, an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden. Da sich keine Gründe dafür finden lassen, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Länderexekutive nur bei der Wahl bestimmter Handlungsformen bindet, setzt Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG voraus, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sowohl die staatliche Bundes- und Landesexekutive als auch die Bundes- und Landesgesetzgebung durch die Parlamente bindet. Problematisch ist, ob von dem Rechtsbegriff „Gesetz“ auch Satzungen, namentlich von Gemeinden und (Land-)Kreisen umfasst sind. Von vornherein scheiden Satzungen aus, welche die antragstellende Gemeinde selbst aufheben kann. Als tauglicher Kontrollgegenstand kommen daher maximal Satzungen von (Land-) Kreisen oder anderen Gemeinden in Betracht1238. Satzungen von Gemeinden sind aus Sicht der Bundesverfassung Landesgesetze. Sie sind aus diesem Grund nicht schon deshalb kein tauglicher Kontrollgegenstand, weil sie kein Landesgesetz sind1239. Aus diesem Grund meinen die Rechtsprechung und die Mehrheit im Schrifttum, verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen (nachbargemeindliche) Satzungen eröffnet zu sehen1240. In den Beratungen für eine einfachgesetzliche kommunale Verfassungsbeschwerde ist der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz gegen gemeindliche Satzungen nicht aufgekommen. Im Gesetzgebungsverfahren zur einfachgesetzlichen Kommunalverfassungsbeschwerde war vereinzelt von „Gesetzgebung“ als Kontrollgegenstand die Rede1241. Fasst man unter Gesetzgebung allgemeinsprachlich auch die Satzungsgebung1242? Noch bevor sich in der 116.  Sitzung darauf verständigt wurde, den Kontrollgegenstand auf Gesetze zu beschränken, ging es um den Rechtsschutz von Gemeinden gegen Maßnahmen des Landes, durch die die gesamte kommunale Personalwirtschaft aufgehoben wird, das Land die Gemeinden von jeder ausreichenden finanziellen Zuweisung abschneidet oder die kommunale Selbstverwaltung in jedem Einzelfall an die staat 1237

Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 42 ff.; Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 34, 74 f., 87 ff. 1238 Hierzu und zum Vorhergehenden Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 132 f.; Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 34, wobei er praktisch nur den Rechtsschutz gegen Kreissatzungen als relevant einstuft; auf Kreissatzungen beschränkt sich ebenfalls M.  Kment, in: ­Jarass / Pieroth, GG16 (Fn. 698), Art. 93 Rn. 128. 1239 Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 132. 1240 BVerfG, Beschl. v. 24. 06. 1969 – 2 BvR 446/64, BVerfGE 26, 228 (245) – Sorsum; BVerfG, Beschl. v.  23. 06. 1987  – 2  BvR  826/83, BVerfGE 76, 107 (114)  – Landes-Raumordnungs­ programm Niedersachsen; unentschieden dagegen BVerfG, Kammerbeschl. v. 26. 02. 1999 – 2 BvR 1268/96, NVwZ-RR 1999, 417 (417); BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (136 f. Rn. 63) – Optionskommune; BVerfG, Kammerbeschl. v. 22. 08. 2016 – 2 BvR 2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1630 Rn. 18); Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 23; Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 131 f. 1241 116. Sitzung vom 01. 02. 1951, S. 4414A. 1242 Dafür K. Weber, s. v. Gesetzgebung, in: Creifelds, Rechtswörterbuch (Fn. 704).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

liche Genehmigung gebunden wird1243. Der Abgeordnete Laforet hob hervor, dass die Länder die Pflicht treffe, die Grundsätze der Selbstverwaltung des Art. 28 GG zur Geltung zu bringen1244. Er benennt im Übrigen nur Verwaltungsmaßnahmen von Gemeindeaufsichtsbehörden. Die Entstehungsgeschichte spricht eher dagegen, Satzungen unter den Begriff des Gesetzes zu fassen. Das Schrifttum sowie die Rechtsprechung machen als Hauptargument dafür, dass Satzungen „Gesetze“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG sind, die Gefahr von Schutzlücken stark1245. Dieses Argument verfängt nicht; setzt es doch voraus, dass auch Nachbargemeinden an das Selbstverwaltungsrecht einer anderen Gemeinde gebunden sind. Das ist aber ebenso offen und klärungsbedürftig wie die Frage, ob Satzungen „Gesetze“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG sind. Der sichere Schluss auf die zwischengemeindliche Schutzrichtung aus dem Zusammenspiel von Kontrollgegenstand und Kontrollmaßstab geht für Satzungen folglich fehl. Doch auch wenn Satzungen kein tauglicher Kontrollgegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde sein sollten, bedeutet dies nicht zwingend das Aus für eine zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Der Verfassunggeber mag bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht für notwendig erachtet haben. Warum sollte er gegen Aufsichtsmaßnahmen der staatlichen Aufsicht über Gemeinden den Verwaltungsgerichten einen die Rechtsposition von Gemeinden ausreichend sichernden Schutz zutrauen, ihnen dieses Vertrauen aber bei gemeindlichen Satzungen entziehen1246? Aus diesem Grund lässt etwa Bethge offen, ob Satzungen von Nachbargemeinden tauglicher Beschwerdegegenstand sind1247. Art. 92 Abs. 1 Nr. 4b GG ist als Indiz dafür, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zwischengemeindlich wirkt, unergiebig. (d) Verfassungsbindung und Vorrang der Verfassung In der Debatte um die zwischengemeindliche Schutzrichtung liest man vereinzelt, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schon deshalb im zwischengemeindlichen Verhältnis gelten müsse, weil die Gemeinden nach Art. 20 Abs. 3  GG (ggf. i. V. m. 1243

Abg. Jacobi in der 114. Sitzung vom 25. 01. 1951, S. 4297B f. Abg. Laforet in der 114. Sitzung vom 25. 01. 1951, S. 4297A f. 1245 BVerfG, Beschl. v.  24. 06. 1969  – 2  BvR  446/64, BVerfGE 26, 228 (236)  – Sorsum; BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1987 – 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107 (114) – Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 12. 1246 Abg. Laforet in der 114. Sitzung vom 25. 01. 1951, S. 4297D f., der diesen etwa bei Gemeindeaufsichtsmaßnahmen für ausreichend erachtete. 1247 In der Tendenz hält wohl auch Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 34, verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz für ausreichend und hält Kommunalverfassungsbeschwerden gegen nachbargemeindliche Satzungen eher für theoretisch und konstruktivistisch; dagegen nicht als Frage des Beschwerdegegenstands, sondern als eine Frage der Rechtswegerschöpfung ordnen den Rechtsschutz gegen nachbargemeindliche Satzungen ein Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 23 Fn. 40; Lück, Kommunalverfassungsbeschwerde (Fn. 1213), S. 134. 1244

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG, wenn man wie hier der Auffassung ist, Art. 20 Abs. 3 GG binde nicht die Landesstaatsgewalt1248) an Gesetz und Recht gebunden seien1249. Das Argument scheint ebenso einfach wie schlagend: Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Gemeinden, die zu der in Art. 20 Abs. 3 GG genannten „Exekutive“ zählen, an „Gesetz und Recht“1250. Zu Gesetz und Recht zählt gleichermaßen das Verfassungsrecht, also auch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG1251. Aus der umfassenden Verfassungsbindung der Gemeinden scheint somit zwanglos zu folgen, dass Gemeinden untereinander an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind und gegenseitig das Recht auf Selbstverwaltung achten müssen. Der Schluss von der Verfassungsbindung der Gemeinden darauf, dass sie untereinander an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind, verkennt allerdings, dass sich „[d]as Ausmaß der Bindung [an das Gesetz, M. J.] […] allein nach dem formellen und materiellen Geltungsumfang der jeweiligen Rechtsnormen [richtet]“1252. Gleiches gilt für den Vorrang der Verfassung und die Verfassungsbindung. Allerdings richten sich nicht nur das Ausmaß, der Umfang oder die Reichweite der Verfassungsbindung, sondern mehr noch die Bindung an die Verfassung(-snorm) schlechthin nach dieser. Der Vorrang der Verfassung kann nur dann einen Sinn haben, wenn sich aus der den Vorrang beanspruchenden Norm ergibt, wer bei welcher Rechtserzeugungsleistung durch sie gebunden werden soll. So leuchtet es unmittelbar ein, dass beispielsweise Art. 76 Abs. 1 GG, 1248 Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 153 f.; s. dazu bereits 3. Teil B. I. 3. b) cc) (c) (S. 381).  – Unter der Prämisse, dass die „verfassungsmäßige Ordnung“ konkret-individuelle Normen umfasst und Art. 20 I–III GG nur für die Bundesstaatsgewalten gilt, scheint es problematisch, dass Art. 28 I 1 GG die gesamte Landesstaatsgewalt nur an die „Grundsätze“ von Republik, Demokratie, Sozialstaat und Rechtsstaat bindet. Art. 28 I 1 GG statuiert damit anscheinend eine schwächere (inhaltliche) Bindung der Landesstaatsgewalt als wenn Art. 20 I–III GG direkt auch die Landesstaatsgewalt binden würde. Für eine schwächere inhaltliche Bindung wegen der Bezugnahme auf „Grundsätze“ etwa Dittmann, Verfassungshoheit (Fn. 1204), § 127 Rn. 11; Mehde (Fn. 1202), Art. 28 Abs. 1 Rn. 47 f. Für die hier interessierende Frage ist die Verpflichtung der verfassungsmäßigen Ordnung auf die „Grundsätze“ unschädlich, sollte Art. 20 I–III GG tatsächlich nur über Art. 28 I 1 GG die Landesexekutive binden: Die Verfassungsbindung zählt (wohl) zu diesen Kerngehalten des Rechtsstaatsprinzips s. statt Vieler Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 56. 1249 Ohne ausdrücklich Art. 20 III  GG zu bemühen, meint Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 48, dass „[a]uch die Gemeinden selbst […] als Träger öffentlicher Gewalt [Kursivierung nicht im Original, M. J.] durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG beschränkt [sind]“. Er verwendet den Ausdruck der „Träger öffentlicher Gewalt“, den man häufig als Zusammenfassung der in Art. 20 III GG genannten Staatgewalten liest statt Vieler H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Großkommentar Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 1 ff.; ausdrücklich auf Art. 20 III GG als Argument, dass die (Land-)Kreise Verpflichtungsadressaten sind Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060), S. 100; als Rechtsbegriff verwendet z. B. Art. 93 I Nr. 4a GG die Wörter „öffentliche Gewalt“ und bezieht damit „alle Handlungsformen aller drei Gewalten“ mit ein Walter (Fn. 1235), Art. 93 Rn. 341. 1250 Zur Einordnung von Gemeinden zur Exekutive statt Vieler Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 12; dazu bereits Fn. 1200. 1251 Zur Bindung der Exekutive und der Judikative an das Verfassungsrecht stellvertretend B. Grzeszick, in: Maunz / Dürig GG III (Fn. 289), Art. 20 Abs. 3 (Dezember 2007), Rn. 17 ff. 1252 So zum Vorrang des Gesetzes Schulze-Fielitz (Fn. 1039), Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 92; gleichsinnig Grzeszick (Fn. 1251), Art. 20 Abs. 3 Rn. 73.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

auch wenn es sich um „Gesetz und Recht“ handelt, nicht die Gemeinden als Teil der Exekutive im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG binden kann1253. Auf eine (paradox klingende) Kurzformel gebracht: Normbindung besteht nur für den, den die Norm bindet1254. Obigen Befund widerlegt auch nicht Art. 1 Abs. 3 GG als lex specialis zu Art. 20 Abs. 3 GG: Grundrechte binden die Gemeinden als Teil der Landesstaatsgewalt nicht allein deshalb, weil Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte als unmittelbar anwendbares Recht bestimmt, sondern weil die Grundrechte einen universellen Adressatenkreis (Legislative, Exekutive und Judikative)  haben, solange das gemeindliche Tätigwerden Ausübung von Staatsgewalt ist1255. (e) Konfusionsargument Zur zwischengemeindlichen Schutzwirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verhält sich scheinbar das sog. Konfusionsargument, das im grundrechtsdogmatischen Schrifttum verbreitet ist. Dieses besagt, dass sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen kann: Weil juris­tische Personen des öffentlichen Rechts selbst grundrechtsverpflichtet seien, können sie sich nicht zugleich selbst auf Grundrechte berufen1256. Auch im Schuldrecht ist der Gedanke der Konfusion seit langem bekannt. Fallen Schuldner- und Gläubigerstellung in einer Person zusammen, so erlischt die Forderung – vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen – durch Konfusion1257. Der bei den Grundrechten verbreitete Konfusionsgedanke gilt möglicherweise gleichermaßen für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, obwohl es sich bei Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht um ein Grundrecht handelt1258. Eine zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kann es danach scheinbar nicht geben: Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt zwischengemeindlich, wenn durch ihn Gemeinden nicht nur berechtigt, sondern zugleich verpflichtet werden. Der Gedanke der Konfusion, nach der Berechtigung und Verpflichtung nicht in einem Rechtssubjekt zusammenfallen können, schließt es anscheinend aus, dass 1253 Auch Lindner, Bundesverfassung (Fn. 1162), S. 449 ff., ordnet Grundgesetznormen, die „ausschließlich an den Bund gerichtet sind und dessen Organe binden“ den „verfassungsraumbeschränkten GG-Normen ohne Duldungspflicht“ zu. Darunter fallen namentlich die Bestimmungen über die Staatsorganisation des Bundes. 1254 In der Sache P. Lerche, Grundrechtswirkungen im Privatrecht, Einheit der Rechtsordnung und materielle Verfassung, in: R. Böttcher / G. Hueck / B. Jähnke (Hrsg.), Festschrift für ­Walter Odersky zum 65.  Geburtstag am 17. Juli 1996, 1996, S. 215 (216 f.); zustimmend Müller-­ Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 235. 1255 Anders Lindner, Bundesverfassung (Fn. 1162), S. 452, der die verfassungsraumübergreifende Bindung der Grundrechte nicht diesen selbst, sondern erst gemeinsam mit dem in Art. 1 III GG enthaltenen Normanwendungsbefehl annimmt. 1256 Storr, Staat (Fn. 41), S. 188. 1257 Zu dieser alten Erkenntnis P. Willi, Über Konfusion bei Obligationen nach römischem Rechte, 1857, S. 3 ff.; R. Fetzer, in: F. J. Säcker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, 8. Aufl. 2019, Vorbm. (Vor § 362), Rn. 4. 1258 Offen bleibt, ob das Recht einen allgemeinen Konfusionsgedanken kennt. Soweit ersichtlich gibt es darüber keine monographischen Abhandlungen.

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sich eine Gemeinde auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen kann, zugleich aber auch dazu verpflichtet ist, die Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu beachten. Das Konfusionsargument ist in dieser Pauschalität nicht haltbar1259. Entscheidend ist, dass Grundrechte „in ihrer primären Eigenschaft als Abwehrrechte […] rechtslogisch nicht denselben [Kursivierung nicht im Original, M. J.] Rechtsträger gleichzeitig berechtigen und verpflichten“1260 können. Für die Grundrechtsberechtigung, die Inhaberschaft einer (fort-)bestehenden Forderung oder die zwischengemeindliche Schutzrichtung ist der Konfusionsgedanke nur dann einschlägig, wenn es um ein und denselben Rechtsträger geht. Nur dann kann kein Rechtsverhältnis entstehen. Angezeigt ist daher stets eine das konkrete Rechtsverhältnis in den Blick nehmende Betrachtung1261. Bei der zwischengemeindlichen Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geht es jedoch gerade nicht darum, dass ein und dieselbe Gemeinde aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berechtigt und verpflichtet ist. Verpflichtet ist die eine Gemeinde, das Selbstverwaltungsrecht der anderen (Nachbar-)Gemeinde zu beachten. Aus diesem Grund trägt ein sich auf den Konfusionsgedanken stützendes Argument gegen eine zwischengemeindliche Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht1262. Berechtigung und Verpflichtung fallen nicht zusammen. Nähme man im Übrigen das Konfusionsargument beim Wort, wäre schon nicht überzeugend begründbar, warum innerhalb des Staates im weiteren Sinne Rechtsverhältnisse zwischen verschiedenen Einheiten entstehen können. Gemeinden als mittelbare Landesverwaltung sind dem Staat im weiteren Sinne zuordenbar. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt unbestritten jedoch im Verhältnis zwischen Staat im engeren Sinne und den Gemeinden; der Staat (i. w. S.) darf insoweit nicht als Einheit gedacht werden1263. (f) Ideengeschichtliches und historisches Bedrohungsszenario Von besonderer Bedeutung für die Rekonstruktion des Willens des Verfassunggebers ist der rechtliche Kontext, in den er eine Norm seinerzeit stellte. Für die Ermittlung des Normerzeugerwillens weisen die „Vorverfassungssituation“1264 und 1259

Eindeutig so auch m. w. N. H. Dreier, in: ders., GG I (Fn. 289), Art. 19 Rn. 59. Storr, Staat (Fn. 41), S. 188. 1261 K.  Kröger, Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Grundrechtsträger, in: JuS 1981, S. 26 (29); W.  Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 402; M.  Jachmann, Der Schutz gemeindlichen Eigentums nach der Bayerischen Verfassung, in: BayVBl. 1998, S. 129 (131); Storr, Staat (Fn. 41), S. 188 f. 1262 In diesem Sinne zum Konfusionsargument bei der Frage der Grundrechtsberechtigung von Gemeinden Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 72 f. 1263 Kritisch zum Prinzip der Einheit der Staatsgewalt mit Blick auf das (grundrechtliche) Konfusionsargument Storr, Staat (Fn. 41), S. 188 f. 1264 Bezogen auf einfachrechtliche Rechtsbestände W. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964, S. 42 ff.; W. Leisner, Die Gesetzmäßigkeit der Verfassung, in: JZ 1964, S. 201 (203); Hillgruber, Verfassungsinterpretation (Fn. 230), 1260

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der „zeit- und situationsbedingte Erkenntnishorizont“1265 eine besonders hohe Eignung auf, um auf den Willen des Verfassungsrechtsnormerzeugers rückzuschließen1266. Aufschlussreich mag etwa sein, ob und wie die wissenschaftliche Debatte diskursiv die Beratungen im Parlamentarischen Rat strukturierte und inhaltlich die Vorstellungen der Verfassunggeber prägte. Die Tradition kommunaler Selbstverwaltung sowie die Ideengeschichte formten unter anderem die Vorverfassungssituation. Der Verfassunggeber mag sich dieser Vorverfassungssituation bewusst gewesen sein oder nicht. Er mag mit seiner Rechts­erzeugung an diese Situation anknüpfen oder sich von ihr distanzieren wollen. Die Regelungssituation, die vor dem Erlass des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG herrschte sowie die Ideengeschichte und die Tradition kommunaler Selbstverwaltung haben eine herausgehobene Relevanz für den Normerzeugerwillen. Bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat dürften viele seiner Mitglieder die Gewährleistung der

§ 15 Rn. 43: „Will man den Sinn einer Verfassungsnorm, d. h. den verfassung(sgesetz)gebe­ rischen Willen voll und ganz erfassen, dann gilt es die durch das vorfindliche einfache Gesetzesrecht und dessen Handhabung geprägte ‚Vorverfassungssituation‘ als den Regelungskontext im weiteren Sinne mit in die Betrachtung einzubeziehen. Nur so lässt sich auch das in den zumeist ‚kurzen und dunklen‘ Verfassungen unausgesprochen Gebliebene, aber Reflektierte und Mitgedachte, unter Umständen als selbstverständlich Mitgedachte aufdecken und als vom Willen des Verfassunggebers mit umfasst ausweisen.“; s. auch den methodologischen Stellenwert des präkonstitutionellen Rechts Fn. 1112. 1265 Das anerkennt auch G. Hirsch, Auf dem Weg zum Richterstaat, in: JZ 2007, S. 853 (855), obgleich er sich zur „objektiven“ Auslegungstheorie bekennt. 1266 Wie hier meint Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 361, dass „im Rahmen der Grundrechtsauslegung die Rekonstruktion der Regelungssituation, die im Zeitpunkt (vor) der Grundrechtserzeugung herrschte, herausgehobene Bedeutung für die Ermittlung des verfassung(sgesetz)geberischen Willens gewinnt.“; speziell zur Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und zum „vorgrundgesetzliche[n] Bild der Gemeinde“ Loschelder, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 331), S. 54; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 144, ist uneingeschränkt darin zuzustimmen, dass „historisch begründete Kennzeichnungen [scil. der Kommunalverwaltung, M. J.] keine Schlüsse auf die Rechtslage“ zulassen, denn „solche Kennzeichnungen haben in der Rechtsdogmatik allein in dem Fall ihre Berechtigung, dass sie das geltende Recht adäquat abbilden“, s. zuvor zum Erfordernis des „Positivierungsnachweises“ unter Fn. 163. Allerdings mögen „historisch begründete Kennzeichnungen“ als Beschreibung der Vorverfassungssituation als ein Baustein der Rechtserkenntnis für die Verfassungsrechtsnormerkenntnis Bedeutung haben; nicht zugestimmt werden kann in Übereinstimmung mit Lenzes’ Insistieren Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 212: „Die Funktionen der Gemeinde entspringen einer langen historischen und ideengeschichtlichen Tradition, die den Rechtsgehalt der Selbstverwaltungs­ garantie [Kursivierung nicht im Original, M. J.] unmittelbar beeinflusst. Sie bilden das Fundament der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen“. „Die verschiedenen Funktionen einer Gemeinde liegen gedanklich der Selbstverwaltungsgarantie voraus und prägen nicht nur das Bild einer Gemeinde, sondern wirken damit auch auf die Reichweite der Selbstverwaltungsgarantie in ihren unterschiedlichen Dimensionen ein.“ Solange sich die Funktionen der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht im positiven Recht niedergeschlagen haben, können sie nicht den Norminhalt von Art. 28 II 1 GG beeinflussen oder ihm gar vorausliegen: Der rechtliche, durch Art. 28 II 1 GG grundgelegte, und der politische Selbstverwaltungsbegriff fallen auseinander s.  nur Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 126 ff.

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kommunalen Selbstverwaltung des Art. 127  WRV vor Augen gehabt haben1267. Weil gegenteilige Anhaltspunkte fehlen, steht es zu vermuten, dass der Parlamentarische Rat mit der grundgesetzlichen Regelung in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wohl nicht hinter dem Regelungsgehalt des Art. 127 WRV zurückbleiben wollte1268. Anders als bei anderen Vorschriften des Grundgesetzes mag man im Fall von Art. 127 WRV geneigt sein anzunehmen, dass Art. 127 WRV – bis auf die Einordnung als Grundrecht – teilweise als Vorbild für die grundgesetzliche Normierung der Selbstverwaltung fungierte1269. Doch schon die Weimarer Staatsrechtslehre beschäftigte sich soweit ersichtlich nicht mit der Wirkung der Selbstverwaltungsgarantie zwischen Gemeinden1270. Im Wirken der Staatsrechtswissenschaft der Weimarer Republik über das Grundrecht der kommunalen Selbstverwaltung dominierte zum einen die Auseinandersetzung darüber, in welchem Umfang das Grundrecht der kommunalen Selbstverwaltung bestehende Kommunalverfassungen abändern konnte; zum anderen, in welchem Ausmaß das Grundrecht aus Art. 127 WRV der Änderung

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Zum Vorverständnis konkret am Beispiel der richterlichen Rechtsfindung klassisch J. ­Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1972; zur Rezeption von vorkonstitutionellem Recht Reimer, Methodenlehre (Fn. 168), Rn. 349. 1268 Das meint jedenfalls das BVerfG, Urt. v. 20. 03. 1952 – 1 BvR 267/51, BVerfGE 1, 167 (174 f.); dies aufgreifend Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 131; allerdings ergibt die Sichtung der Protokolle des Parlamentarischen Rates, dass dieses Anliegen (wohl) nicht positiv im Rahmen der Beratungen artikuliert oder dokumentiert wurde. 1269 Zur Weimarer Reichsverfassung als Vor- und Gegenbild für das Grundgesetz kürzlich C. Waldhoff, Folgen – Lehren – Rezeption: Zum Nachleben des Verfassungswerks von Weimar, in: H. Dreier / ders. (Hrsg.), Das Wagnis der Demokratie, 2018, S. 289 (300 ff.), zu den unterschiedlichen Rezeptionsebenen, ebd., S. 296 ff. 1270 Einige Gesamtdarstellungen des Verfassungsrechts brachten kaum Interesse an der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 127 WRV auf s.  die äußerst knappen Ausführungen etwa bei F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 1919, S. 328 f.; ausführlicher dagegen F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl. 1931, Art. 127 Anm. 3 (S. 271 f.); auch später kaum über die Wiederholung des Wortlauts der Verfassungsbestimmung hinausgehend F.  Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung vom 11. August 1919, 3. Aufl. 1928, S. 431; ungleich reicher das Interesse dagegen etwa auf der Staatsrechtslehrertagung 1925 wie die Referate verdeutlichen: F. Stier-Somlo, Die neuste Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts in Deutschland, in: VVDStRL 2 (1925), S. 122 (122 ff.); L. v. Köhler, Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts seit der Revolution in Württemberg, Baden und Hessen, in: VVDStRL 2 (1925), S. 181 (181 ff.); H. Helfritz, Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts seit der Revolution, in: VVDStRL 2 (1925), S. 223 (223 ff.); mehr Interesse auch bei E. Tatarin-Tarnheyden, Grundlegende Betrachtungen zur Flaggenfrage, in: AöR 52 (1927), S. 313 (327 ff.); F. Stier-Somlo, Das Grundrecht der kommunalen Selbstverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Eingemeindungsrechts, in: AöR 56 (1929), S. 1 (1 ff.); R. [H. W.] Brauweiler, in: H. C. Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. II, 1930, Art. 127 (S. 193 ff.); A. Köttgen, Die Krise der kommunalen Selbstverwaltung, 1931; E. Forsthoff, Die Krise der Gemeindeverwaltung im heutigen Staat, 1932; G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 127 (S. 582 ff.); umfassenden Überblick aus der Sekundärliteratur bieten C. Waldhoff / H. Grefrath, Staatsverfassungsrecht vergeht, Kommunalverfassungsrecht besteht, in: H. Dreier / C. Waldhoff (Hrsg.), Weimars Verfassung, 2020, S. 275 (275 ff.).

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des kommunalen Aufgabenbereichs durch die Länder Grenzen setzte. Ferner diskutierte man, welchen Grenzen die (staatliche) Kommunalaufsicht unterliegt1271. In wesentlichen Fragen teilte das Grundrecht der Gemeinden auf Selbstverwaltung das Schicksal der übrigen Grundrechtsbestimmungen des zweiten Hauptteils der Verfassung1272: Die Verwaltung durfte in der Mehrzahl der Grundrechte nur dann in sie eingreifen, wenn ihr eine gesetzliche Grundlage zur Verfügung stand1273. Zudem war nicht ausgemacht, dass alle Grundrechtsnormen dem Gesetzgeber gegenüber keine Bindung entfalten und diesem folglich gegenüber leerliefen. Die Weimarer Staatsrechtslehre schuf für jedes Grundrecht ein ausdifferenziertes System von Einschränkungsmöglichkeiten1274. Im Schrifttum war bezogen auf das Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden in Art. 127 WRV weitgehend unstrittig, dass die Verwaltung und die staat­liche Kommunalaufsicht nur dann in das Selbstverwaltungsrecht eingreifen dürfen, wenn ihnen eine gesetzliche Grundlage zur Verfügung steht1275. Weniger eindeutig war, ob das Selbstverwaltungsrecht die Gemeinden auch vor Eingriffen des (Landes-)Gesetzgebers schützt und bejahendenfalls, in welchem Umfang. Der Schutz der Gemeinden und Gemeindeverbände durch Art. 127 WRV gegenüber dem Gesetzgeber war zunächst recht schwach ausgeprägt1276. Eine große Errun 1271 Forsthoff, Krise (Fn. 1270), S. 24 f.; auch F. Glum, Das Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Art. 127 der Reichsverfassung, in: AöR 56 (1929), S. 379 (385), meinte feststellen zu können, dass Art. 127 WRV aus einem Gefühl eines Bedürfnisses nach Sicherung gegenüber Eingriffen durch die staatliche Gesetzgebung beeinflusst gewesen sei. 1272 Forsthoff, Krise (Fn. 1270), S. 22; aus der Sekundärliteratur Waldhoff / Grefrath, Staatsverfassungsrecht (Fn. 1270), S. 294: „Die Selbstverwaltungsgarantie machte […] eine ähnliche Entwicklung durch wie die Grundrechte der Reichsverfassung insgesamt.“ 1273 Zeitgenössisch R. Thoma, Grundrechte und Polizeigewalt (1925), in: H. Dreier (Hrsg.), Rechtsstaat – Demokratie – Grundrechte, 2008, S. 130 (136 ff.); aus der Sekundärliteratur zu den Grundrechten H. Dreier, Grundrechtsrepublik Weimar, in: ders. / Waldhoff, Wagnis (Fn. 1269), S. 183 f. 1274 Zeitgenössisch Thoma, Grundrechte (Fn. 1273), S. 136 ff.; R. Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen (1929), in: Dreier, Rechtsstaat (Fn. 1273), S. 173 (206 ff.); C. Schmitt, Die Grundrechte und Grundpflichten des deutschen Volkes, in: G. Anschütz / R. Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, § 101; aus der Sekundärliteratur C. Starck, Der demokratische Verfassungsstaat, 1995, S. 154; Dreier, Grundrechtsrepublik (Fn. 1273), S. 180 ff.; C. Gusy, 100 Jahre Weimarer Verfassung, 2018, S. 240 ff, insb. S. 246. 1275 Zuletzt Anschütz, Verfassung14 (Fn. 1270), Art. 127 Anm. 1 (S. 582 f.); auch schon in den Vorauflagen G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 1. Aufl. 1921, Art. 127 (S. 206 f.); H. Peters, Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung in Preussen, 1926, S. 39; implizit auch Giese, Verfassung8 (Fn. 1270), Art. 127 Anm. 3 (S. 272); Glum, Recht (Fn. 1271), S. 390 f.; Forsthoff, Krise (Fn. 1270), S. 25, 27 ff. 1276 Aus der Sekundärliteratur M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. III, 1999, S. 233; C. Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, 1997, S. 231 f.; M ­ ager, Einrichtungsgarantien (Fn. 1040), S. 330; eingehend zu den Phasen der Interpretation des Art. 127 WRV mit weiteren Nachweisen jüngst Waldhoff / Grefrath, Staatsverfassungsrecht (Fn. 1270), S. 291 ff.; zeitgenössisch Anschütz, Verfassung1 (Fn. 1275), Art. 127 (S. 206 f.): „Dieser Artikel hat eine

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genschaft der Weimarer Staatsrechtslehre lag darin, dass Art. 127 WRV nicht nur die Verwaltung, sondern durch die Deutung als institutionelle Garantie auch den (Landes-)Gesetzgeber band1277. Besonders kontrovers wurde die Frage diskutiert, rein formale Bedeutung, materiell ist der inhaltslos. Er besagt, daß die den Gemeinden und ‚Gemeindeverbänden‘ […] zustehende Selbstverwaltung nur durch Gesetz, nicht aber ohne gesetzliche Grundlage durch Verordnung geregelt werden kann. Da er jedoch der Gesetzgebung – in Betracht kommt, mangels allgemeiner Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung in erster Linie die Landesgesetzgebung – in der gegenständlichen Begrenzung der Selbstverwaltung wie in der Gestaltung des diese Selbstverwaltung beschränkenden staatlichen Aufsichtsrechts völlig freie Hand läßt […], gewährleistet er den Gemeinden […] tatsächlich nichts. Er ändert weder das bestehende Gemeinderecht ab, noch schreibt er der Gesetzgebung irgend etwas [sic] vor.“; diese Auffassung behielt er bei, bis er sie ab G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 10. Aufl. 1929, Art. 127 (S. 511), modifizierte und sich der institutionellen Deutung Schmitts anschloss. 1277 Stellvertretend aus der Kommentarliteratur, wie zuvor angedeutet von Anschütz, Verfassung14 (Fn. 1270), Art. 127 Anm. 1 (S. 582 f.), der seine frühere Auffassung teilweise revidierte und die institutionelle Deutung des Art. 127 WRV von C.  Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 170 f., aufgriff, jedoch der Auffassung war, dass bezüglich des gegenständlichen Wirkungskreises der Gemeinden sowie der Gestaltung der Staatsaufsicht freie Hand gelassen sei; ähnlich Peters, Grenzen (Fn. 1275), S. 42 f.: „Die betreffenden Verfassungsartikel [scil. gemeint ist u. a. auch Art. 127 WRV, M. J.] wollen demnach erstens die Existenz der Gemeinden als öffentlichrechtliche Körperschaften sichern […]. Zweitens stellen die Verfassungen, soll nicht das Recht auf Selbstverwaltung seinen Sinn verlieren, als Programm des Gesetzgebers den Satz auf, daß den Gemeinden grundsätzlich stets irgendwelche Gegenstände überlassen bleiben sollen, an denen sie ihr Selbstverwaltungsrecht ausüben können. Unmittelbar anwendbares geltendes Recht enthalten daher beide Verfassungsartikel nur hinsichtlich des ersten Punktes, Programmsatz dagegen sind sie bezüglich des zweiten.“; Giese, Verfassung8 (Fn. 1270), Art. 127 Anm. 3 (S. 272), der einerseits annahm, dass der Wirkungskreis der Gemeinden „im Einzelfalle ausgehöhlt werden“ könne, andererseits jedoch – ohne die individuelle Gemeinde als geschützt zu erachten – die Beseitigung der Institution Gemeinde mit Art. 127 WRV für unvereinbar erachtete. Dazu führte er unter Ablehnung eines individuellen Schutzes der Gemeinden aus: „Da die RV. der L[andes]gesetzgebung in diesen Beziehungen keinerlei Beschränkungen zugunsten der Selbstverwaltung gezogen hat, scheint Art. 127 auf den ersten Blick für die Selbstverwaltungskörper ohne wesentliche Bedeutung zu sein. Immerhin stellt er die Institution der kommunalen Selbstverwaltung dergestalt unter die reichsverfassungsmäßige Garantie, daß eine Aufhebung dieser Einrichtung dem [Reichs]Gesetzgeber sowie dem Landesgesetzgeber unmöglich gemacht ist.“; Forsthoff, Krise (Fn. 1270), S. 32; kritisch zu der grundrechtlichen und gegen Ende der Weimarer Republik herrschend gewordenen institutionellen Deutung m. w. N. Glum, Recht (Fn. 1271), S. 379 ff., 390 f. (Zitat dort), 405 ff., der (wohl) annahm, dass den Gemeinden durch Art. 127 WRV auch ein gewisser, nicht jedoch schlechthin einschränkbarer Aufgabenbestand gesichert sein müsse. Darüber hinaus nahm er an: „In dem einem wie in dem anderen Falle gewährt Art. 127 den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Schutzgarantie nicht nur gegen adminis­ trative, sondern auch gegen legislative Eingriffe und zwar für die Reichs- sowohl wie für die Länderexekutive und -legislative.“; auch der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich beschäftigte sich in mehreren Entscheidungen mit dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, e­ xemplarisch StGH, Verfassungsrechtliche Streitsache v.  09. 07. 1928, in: RGZ  121, Anh.  S. 13 ff.; StHG, Verfassungsrechtliche Streitsache v. 10./11. 12. 1929, in: RGZ 126, Anh. S. 14 ff. In beiden Entscheidungen war der Antragsgegner das Land Preußen. In dieser ging es um den Rechtsschutz einer durch Neugliederungsgesetz aufgelösten Gemeinde, in jener um die Notverordnung des Staatsministeriums über die Beflaggung der Dienstgebäude der Gemeinden und Gemeindeverbände.

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ob Art. 127 WRV den Gemeinden ein individuelles Existenzrecht sichert1278. Die Auseinandersetzung um die institutionelle Deutung des Art. 127 WRV weist darauf hin, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rates eine zwischengemeindliche Schutzrichtung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung eher nicht im Blick hatten. Möglicherweise stritt sich auch weniger die Staatsrechtswissenschaft als vielmehr die Verwaltungsrechtswissenschaft über eine etwaige Wirkung gemeindlicher Rechtspositionen im Verhältnis zueinander. Es ist allerdings schwierig, einen geeigneten Anknüpfungspunkt für Konflikte zwischen Gemeinden zu jener Zeit zu finden; jedenfalls übersteigt die Analyse des damaligen Verwaltungsrechts den Rahmen dieser Arbeit. Soweit bereits Verfassungen in den Ländern vorhanden oder diese im Entstehen begriffen waren, dürften auch die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen als inhaltliche Folie einer grundgesetzlichen Garantie kommunaler Selbstverwaltung nicht ohne Einfluss auf sie gewesen sein. Es kommt hinzu, dass nicht selten personelle Kontinuitäten zwischen verfassunggebenden Landesversammlungen und dem Parlamentarischen Rat bestanden1279. Neben der Vorverfassungsrechtssituation bildet die dem konstitutionellen Staat entspringende Vorstellung der angeblichen Gegenüberstellung von (monarchischem) Staat und (bürgerlicher) Gesellschaft, welche in den sich selbst verwalten-

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Für die Sicherung der Eigenexistenz der Gemeinden, ohne jedoch die einzelne Gemeinde zu schützen, stellvertretend Forsthoff, Krise (Fn. 1270), S. 24, 31 f.; anders etwa Stier-Somlo, Grundrecht (Fn. 1270), S. 15; ebenso wohl E. Tatarin-Tarnheyden, Das rechtliche Wesen der deutschen Selbstverwaltung und die mecklenburg-schwerinsche Verwaltungsreform, 1925, S. 8 ff.; dezidiert dagegen Glum, Recht (Fn. 1271), S. 410. 1279 Ausdrücklich bezieht sich der Abg. Zimmermann auf Beratungen in der verfassunggebenden Landesversammlung Württemberg-Baden als es um den Inhalt der Selbstverwaltung der Gemeinden ging, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 310; erstaunlich ist etwa die sprachliche und inhaltliche Übereinstimmung der Formulierung: ‚Den Gemeinden und Gemeindeverbänden ist das Recht der Selbstverwaltung zu gewährleisten. Dieses umfaßt das Recht, in ihrem Gebiet in freier Verantwortung allen Aufgaben nachzugehen, soweit diese nicht der Landesgesetzgebung vorbehalten sind.‘, die Abg. Schmid in der elften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 14. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat  V (Fn. 588), S. 309, sowie der weiteren Formulierungsvorschläge etwa in der zwölften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 15. 10. 1948, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv, Parlamentarische Rat V (Fn. 588), S. 313 ff., einbrachte mit der Formulierung des Art. 98 I, II der Verfassung von Württemberg-Baden v. 28. 11. 1946, RegBl. 277. Schon diese Formulierung beeinflusste der Abg. Schmid als Mitglied der verfassunggebenden Landesversammlung maßgeblich, s. Verfassunggebende Landesversammlung 1946, Beilage 4, S. 20 f., Beilage 5, S. 64 ff. Maurer, Grundlagen (Fn. 965), S. 1039 f. Fn. 25, betont die Bedeutung der Regelungen der Landesverfassungen als Vorbild für Art. 28 II 1 GG, rügt methodologische Defizite bei der Interpretation und meint sogar so weit gehen zu können, dass Art. 28 II 1 GG nicht an die Weimarer Reichsverfassung anknüpfe; für die Bedeutung der prä­grundgesetzlichen Regelungen der Landesverfassungen auch Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 131. Relativierend muss man allerdings (wohl) sagen, dass den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates auch die Verfassungsrechtslage in Weimar bewusst war und die Erläuterungen, was das „Wesen der Selbstverwaltung“ war, auch deshalb diskutiert wurde, weil in Weimar Art. 127 WRV auf eine Definition verzichtete.

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den Gemeinden Freiräume für bürgerschaftliche Entfaltung fand, einen wichtigen Baustein in der Rechtserkenntnis des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG1280. In Fortsetzung dieser Tradition fand Art. 127  WRV in der Weimarer Reichsverfassung seinen Platz unter den Grundrechten: Gemeinden sollten der staatlichen Disposition entzogen sein und die staatlich-bürokratische Verwaltung sollte zurückgedrängt werden1281. Konflikte zwischen den Gemeinden als Raum bürgerschaftlicher Betätigung, frei(er) von staatlicher Intervention, waren nicht Regelungsthema von Art. 127 WRV und standen wohl auch nicht in der Tradition kommunaler Selbstverwaltung. Obwohl mit dem Grundgesetz die Garantie kommunaler Selbstverwaltung einen Standortwechsel vollzogen hat, war der (angebliche) Dualismus von Staat und Gesellschaft im Parlamentarischen Rat als Deutungsfolie der kommunalen Selbstverwaltung – jedenfalls subkutan – präsent und wirkte fort. Es ist (auch) deshalb unwahrscheinlich, dass Gleichordnungskonflikte zwischen Gemeinden den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates ein Anliegen waren und Bestandteil des Willens des Verfassunggebers wurden. (g) Resümee Die Untersuchung konnte eine zwischengemeindliche Schutzwirkung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht verifizieren. Unstrittig ist, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Gemeinden berechtigt. Allerdings deuten weder der Normtext, die norminterne oder normexterne Regelungssystematik, der Grundsatz vom Vorrang der Verfassung, die Ideengeschichte der kommunalen Selbstverwaltung noch das historisch vorgefundene, durch den Verfassunggeber normativ verarbeitete Bedrohungsszenario der Gemeinden darauf hin, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Gemeinden gerade auch im Verhältnis zu anderen Gemeinden berechtigt und verpflichtet. Die für die zwischengemeindliche Schutzwirkung erforderliche RechteVerpflichtungs-Relation zwischen Gemeinden ordnet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folglich nicht an.

1280 W. Hofmann, Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung von 1848 bis 1918, in: Mann / Püttner, HdKWP I (Fn. 93), § 5 Rn. 5, 10; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Isensee / Kirchhof, HdStR II (Fn. 1218), § 31 Rn. 4 ff., zur Bedeutung der Gemeinden Rn. 8; konzis Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 138; kritisch dazu, ob die Gegenüberstellung noch 1919 verfing Waldhoff / Grefrath, Staatsverfassungsrecht (Fn. 1270), S. 301 f. 1281 W. Rudloff, Die kommunale Selbstverwaltung in der Weimarer Zeit, in: Mann / Püttner, HdKWP I (Fn. 93), § 6 Rn. 5.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

4. Keine verfassungsunmittelbare zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Art.  28 Abs. 2 S. 1  GG wirkt nicht zwischengemeindlich. Das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde zieht dem Handeln der anderen Gemeinde verfassungsunmittelbar keine Grenzen1282. Nur das Selbstverwaltungsrecht der handelnden Gemeinde wirkt insoweit begrenzend, da sich die Gemeinde nur dann zulässigerweise betätigen darf, wenn sie über einen ausreichenden Zuständigkeits- und Kompetenztitel verfügt. Ein verfassungsunmittelbarer, auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gestützter (Unterlassungs-)Anspruch der Nachbargemeinde gegenüber der handelnden Gemeinde scheidet aus, weil die Grundbedingungen für die Existenz eines Anspruchsverhältnisses nicht gegeben sind. Aus dem gleichen Grund scheidet eine verfassungsunmittelbare zwischengemeindliche Abwägungspflicht aus, welche sich als Folge der Rechtfertigungsbedürftigkeit des Eingriffs in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Nachbargemeinde ergeben würde. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundiert keine zwischengemeindliche Konfliktbewältigung. Die Nachbargemeinde hat kein Recht auf Nicht-Einmischung in die eigenverantwortliche Wahrnehmung eigener Angelegenheiten. Ihr fehlt insoweit die Rechtsdurchsetzungsmacht gegenüber der handelnden Gemeinde. Darauf, ob nicht nur die Bebauungsplanung, sondern auch die Genehmigungserteilung für ein Vorhaben, das sich auf Nachbargemeinden auswirkt, einen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie darstellt, wenn ein Organ der Gemeinde zuständige Bauaufsichtsbehörde ist, kommt es folglich nicht an1283. Etwas anderes mag dann gelten, wenn eine Gemeinde nicht als Selbstverwaltungskörperschaft tätig wird, sondern der Staat im engeren Sinne sich der Gemeinden zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bedient1284. In diesen Fällen delegiert der unmittelbar an Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG gebundene Staat die Aufgabenwahrnehmung an die Gemeinden1285. In dieser Situation mag es gerechtfertigt sein, wenn Gemeinden als untere staat­ liche Verwaltungsbehörde an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind1286. In diesen 1282 Zum selben Ergebnis, jedoch mit einer anderen Begründung kommt Britz, Funktion (Fn. 564), S. 386; nur zum Teil zum selben Ergebnis mit Blick auf die faktischen Auswirkungen, in seinem Worten „bloße[n] Ausstrahlung[en]“ kommt Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595. 1283 Auf die akribische verfassungsrechtliche Auseinandersetzung von Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 388 ff., ob die Baugenehmigung der Standortgemeinde einen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie der Nachbargemeinde darstellt, kommt es nach Auffassung der Untersuchung aus diesem Grund nicht mehr an. Gemeinden sind selbst nicht Verpflichtungsadressatinnen von Art. 28 II 1 GG. 1284 Handelt es sich nicht mehr um Aufgaben, welche in den Aufgabenbestand des Art. 28 II 1 GG fallen, handelt es sich nicht mehr um Selbstverwaltungsaufgaben. 1285 Schmidt-Jortzig, Gemeinde- und Kreisaufgaben (Fn. 1019), S. 976: Der Staat – Bund oder Land – greife eine Hoheitsaufgabe auf und lasse sie von den Gemeinden ausführen. 1286 Das wird besonders dort deutlich, wo sich das Land des Hauptverwaltungsbeamten des (Land-)Kreises als Verwaltungsträger der allgemeinen Kommunalaufsicht im Wege der Organleihe bedient. Auch wenn sich dieses Beispiel auf die Kreise bezieht, verdeutlicht es doch, dass auch Selbstverwaltungsträger (vgl. Art. 28 II 2 GG) staatliche Aufgaben wahrnehmen können, wo eine Bindung an Art. 28 II 1 GG außer Streit steht; zur Kommunalaufsicht im Wege der

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Fällen ist der Konflikt allerdings nicht mehr zwischengemeindlich im Sinne der Untersuchung. Der Konflikt resultiert nicht daraus, dass die Wahrnehmung einer Aufgabe beeinträchtigt wird, die in die Aufgabenkategorie der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft irgendeiner Gemeinde fällt. Vielmehr ist der Auslöser des Konflikts die Wahrnehmung einer staatlichen, den Gemeinden übertragenen Aufgabe. Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts in der KrabbenkampEntscheidung, dass die „einschränkende Auslegung [von § 2 Abs. 4 BBauG, M. J.] allein zur Folge haben [würde], daß in die dann entstehenden Lücken unmittelbar die Planungshoheit selbst einspränge“1287, geht demnach nach Auffassung dieser Untersuchung fehl1288. Verfassungsrechtlich ebenso nicht haltbar ist die verbreitete Annahme, dass wegen des Gleichordnungsverhältnisses zwischen Gemeinden Nachbargemeinden gegenüber den sie störenden Bebauungsplanungen eine stärkere Rechtsposition als im Fachplanungsrecht hätten1289. Anders als im Fachplanungsrecht haben Nachbargemeinden nur einen einfachrechtlich vermittelten Abwehranspruch. Einfachgesetzlich mögen Gemeinden hier eine stärkere Rechtsposition als im Fachplanungsrecht haben. Diese Rechtsposition ist aber nicht auf das Verfassungsrecht zurückzuführen. Diese Erkenntnis ist zentral für die Gestalt der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG normativ gespeisten (verfassungsrechtlichen) Konfliktbewältigungsdogmatik, welche die Untersuchung ausgehend vom Norminhalt des Art. 28 GG im Weiteren entwirft1290.

II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der staatlichen Akteure im engeren Sinne – legislativ, judikativ und exekutiv vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung Unmittelbar gestützt auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG haben Gemeinden keine Handhabe gegen beeinträchtigendes Handeln anderer Gemeinden. Das gilt sowohl für bewusst beeinträchtigendes Handeln als auch für die nur unbeabsichtigte Beeinträchtigung nachbargemeindlicher Interessen. Die Untersuchung konnte durch die Analyse der Referenzgebiete einen (ersten) Eindruck davon vermitteln, welche zentrale Rolle dem Gesetzgeber bei der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden zukommt. Angesichts der großen Bedeutung des Gesetzesrechts für eine Organleihe knapp Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 407; Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel I Rn. 46a; E. Becker / J. Winkel, in: Held / Winkel / Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW I (Fn. 510), § 120 (August 2018). 1287 BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (330) – Krabbenkamp. 1288 Selten vorsichtig hinsichtlich eines unmittelbar auf Art. 28 II 1 GG gestützten Abwehrrechts im Gemeindewirtschaftsrecht Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 298. 1289 Aus neuerer Zeit etwa das OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26. 02. 2014 – 8 C 10561/13.OVG, LKRZ 2014, 366 (367); aus dem Schrifttum stellvertretend Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 97. 1290 Dass es Dogmatik immer mit Auslegungsergebnissen und damit vorgegebenen Norminhalten zu tun hat s. bereits m. w. N. Fn. 160.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

zwischengemeindliche Konfliktbewältigung stellt sich die Frage, welche Rolle die staatlichen Akteure insgesamt haben, wenn Gemeinden in Konflikt miteinander geraten. Nimmt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG staatliche Akteure in die Pflicht, wenn sie das Verhältnis von Gemeinden zueinander gesetzlich gestalten, über zwischengemeindliche Konflikte autoritativ entscheiden oder staatsaufsichtsrechtlich über die zwischengemeindlichen Beziehungen zu wachen haben? 1. Referenzproblem: Übergriffige Private und die grundrechtliche (mittelbare) Drittwirkung Die Situation fehlender Verpflichtetenstellung und Bindung von Gemeinden an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG lässt eine bemerkenswerte Problemnähe zu einem im grundrechtsdogmatischen Schrifttum verbreiteten und dort außerordentlich umstrittenen Konzept erkennbar werden, das landläufig als (mittelbare) Drittwirkung der Grundrechte firmiert1291. Eine unverkennbare Problemnähe besteht aus demselben Grund auch mit den verwaltungsrechtlichen mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen. Strukturell ähneln die verwaltungsrechtlichen mehrpoligen Rechtsverhältnisse, wie zum Beispiel die baurechtlichen oder immissionsrechtlichen Drittwirkungskonstellationen dem Konfliktmuster, das der Problematik der mittelbaren Drittwirkung im Privatrecht zugrunde liegt. In baunachbarlichen Streitigkeiten ist 1291

Von vornherein wiegeln einen Vergleich mit der Diskussion einer „mittelbaren Drittwirkung“ von Art. 28 II 1 GG ab Pappermann / Roters / Vesper, Maßstäbe (Fn. 1171), S. 29 Fn. 62: „Ein Vergleich mit der ‚mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte‘ zwischen Grundrechtsträgern über die ‚objektive Wertordnung‘, die die Generalklauseln des Zivilrechts beeinflußt, scheidet wegen der völlig anderen Sachlage hier offenbar aus.“; Pappermann, Zielrichtung (Fn. 1171), S. 766, wobei er den Unterschied zwischen einer „Drittwirkung“, d. h. einer unmittelbaren Bindung und einer nur mittelbaren Drittwirkung, die sich gerade durch eine fehlende Bindung im Verhältnis von Privaten untereinander auszeichnet, (bewusst?) in Eins setzt. Es müssen mehrere Fragen auseinandergehalten werden: Verpflichtet und berechtigt Art. 28 II GG Selbstverwaltungsträger untereinander? Wenn nein, gibt es so etwas wie eine mittelbare Drittwirkung? Letzteres mag dann davon abhängen, ob es eine „objektive Wertordnung der Selbstverwaltung“ gibt, welche Pappermann ablehnt. Eine mittelbare Drittwirkung der Selbstverwaltungsgarantie ließe sich aber ggf. auch anders, etwa schutzpflichtendogmatisch begründen; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht (Fn. 1167), S. 523, der „entsprechend den Überlegungen bei der ‚Drittwirkung von Grundrechten‘ die Zielrichtung des Institutionenschutzes selbst über den hoheitlichen Bereich ausdehnen“ möchte; Faber (Fn. 1152), Art. 28 II Rn. 50 ff., unterscheidet zwischen einer sog. unechten Drittwirkung, für die er den Begriff der sog. Binnenwirkung vorschlägt, im Verhältnis zwischen Gemeinde und Kreis und den Gemeinden untereinander, und der sog. echten Drittwirkung im Verhältnis zwischen Gemeinde und gesellschaftlicher Umwelt, die dann von einer „staatsähnlichen Machtfülle“ abhänge. Für diesen Fall anerkennt Faber augenscheinlich ein unmittelbares Abwehrrecht der Gemeinde gegen den mit staatsähnlicher Macht ausgestatteten privaten Akteur; für eine „Drittwirkung“ von Art. 28 II 1 GG gegenüber „(anderen) staatsdezentralen Verwaltungsträgern, ja selbst gegenüber nicht hoheitlichen Wirkungssubjekten“ Schmidt-Jortzig, Selbstverwaltung (Fn. 1165), S. 825; von Drittwirkung des Art. 28 II 1  GG spricht Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 809, im Zusammenhang mit der Einordnung des Art. 28 GG als „Befugnisnorm gegenüber der Privatwirtschaft“.

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jedoch anders als bei Streitigkeiten zwischen Privatrechtssubjekten die Bauaufsichtsbehörde als die staatliche Aufsicht routinemäßig involviert. Bei privatrechtlichen Streitigkeiten beschränkt sich die staatliche Beteiligung auf den Gesetzgeber und im Streitfall die Gerichtsbarkeit. Der Umstand, dass in Baunachbarstreitigkeiten (zusätzlich) die Bauaufsichtsbehörde beteiligt ist, diese unter Umständen sogar eine staatliche Mitverantwortung durch die Erteilung einer Genehmigung trägt, ändert aber nichts daran, dass es auch bei den Baunachbarstreitigkeiten im Kern um Horizontalkonflikte zwischen Bauherren und (Bau-)Nachbarn geht1292. Die verfassungsdogmatische Erfassung von Konflikten zwischen Privaten im Privatrecht und im Verwaltungsrecht sowie die dazu entwickelten Lösungsangebote ähneln sich1293. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten als Referenzproblem.

1292 So wies W. Brohm, Verwaltungsgerichtsbarkeit im modernen Sozialstaat, in: DÖV 1982, S. 1 (4), darauf hin, dass es bei der Drittanfechtungsklage in „Wirklichkeit […] um einen Streit unter verschiedenen Betroffenen, einzelnen Privaten und gesellschaftlichen Gruppen, über deren oft widersprüchliche Interessen“ gehe; ganz ähnlich Preu, Grundlagen (Fn. 300), S. 34; so auch das BVerfG, Beschl. v. 19. 06. 1973 – 1 BvL 39/69, 14/72, BVerfGE 35, 263 (271), das festhielt: „Die Baugenehmigung eröffnet der Beigeladenen die Möglichkeit, ihr Bauvorhaben durchzuführen. Dieser ‚begünstigende‘ Verwaltungsakt wird von den Nachbarn – den Klägern des Ausgangsverfahren – als Belastung und Beeinträchtigung ihrer Rechte empfunden. Es handelt sich somit um den typischen Fall des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung. Sieht man von der prozessualen Konstruktion ab, so liegt dem Rechtsstreit eigentlich nur eine Auseinandersetzung zwischen Nachbarn zugrunde“; gleichsinnig das BVerwG, Urt. v. 19. 09. 1969 – IV C 18/67, VerwRspr 1970, 202 (201): „Aber gerade für den typischen Fall der Nachbarklage, in dem sich, was den grundsätzlichen Interessengegensatz anlangt, [stehen sich, M. J.] nicht der Nachbar und die Behörde, sondern Nachbar und Bauherr gegenüber[stehen]“; aus neuerer Zeit Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 110: „[I]m Baunachbarstreit [geht es] im Kern um einen Horizontalkonflikt von Privatpersonen“; allenfalls andeutungsweise Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 247, der die „Mitverantwortung des Staates“ nennt, welche gerade in Situationen staatlicher Genehmigung bemüht wird; zur Eingriffszurechnung verwaltungsrechtlicher Genehmigungen U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (Februar 2004), Rn. 67 f.; monographisch zu kollidierenden Privatinteressen im Verwaltungsrecht Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 1 ff., 710; Schmidt-Preuß, Multipolarität (Fn. 52), S. 598, 600; ausdrücklich auf die Gemeinsamkeiten zwischen Drittwirkungsproblematik und die grundrechtsdogmatische Erfassung von staatlichen Genehmigungen privater Vorhaben macht aufmerksam Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 178; gleichsinnig T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 160, 395 ff., 435 ff.; auf die Gemeinsamkeiten der Dreieckskonstellationen sowohl im Privatrecht als auch dem Öffentlichen Recht weist auch hin Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 289. 1293 Deutlich macht die Vergleichbarkeit der Problemlagen insb. die Diskussion über die verfassungsdogmatische Erfassung der kollidierenden Privatinteressen im Verwaltungsrecht, in der sich ein großer Teil im Schrifttum, ähnlich wie bei der rechtlichen Konstruktion des Einflusses der Grundrechte auf das Privatrechtsverhältnis, der Lehre von der (grundrechtlichen) Schutzpflicht bedient, vgl. nur R. Wahl / J. Masing, Schutz durch Eingriff, in: JZ 1990, S. 553 (553 ff.); gegen eine allein schutzpflichtbegründende Ableitung von Genehmigungsabwehransprüchen Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 52 ff., 73, 720 f.; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 180, hält zutreffend fest: „Die angeführten Argumente [scil. für oder gegen den Eingriffscharakter staatlicher Genehmigungen, M. J.] ähneln naturgemäß der Anlage nach

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Unter dem Schlagwort der (mittelbaren) Drittwirkung der Grundrechte diskutieren das Schrifttum und die Rechtsprechung traditionell die Auswirkungen der Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten zueinander, wenn sich das Handeln des einen Privaten auf die Güter und Interessen des anderen Privaten negativ auswirkt1294. Das Handeln des einen Privaten kann sich erheblich negativ auf die Interessen auswirken, welche nicht selten in den bzw. die von Grundrechten geschützten Lebens- und Gewährleistungsbereich(e) fallen. Dazu kann es kommen, wenn sich das Handeln des einen Privaten unbeabsichtigt auf die (Rechts-) Sphäre des anderen auswirkt oder wenn es bewusst zu einem Übergriff des einen Privaten in die (Rechts-)Sphäre des anderen Privaten kommt1295. Wäre der Private der Staat, so läge in dem Handeln ein Eingriff in den Gewährleistungsgehalt des Grundrechts. Hat der eine Private in den genannten Fällen einen Anspruch darauf, dass der andere Private zur Wahrung seiner Interessen das Tätigwerden einstellt und treffen den handelnden Privaten – mit diesem Anspruch korrespondierend – (Unterlassungs-)Pflichten? Privatrechtssubjekte sind – unbeschadet gewisser Ausnahmen (vgl. z. B. Art. 9 Abs. 2 S. 3 GG)1296 – nicht Bindungsadressaten (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) von Grundrechten, weshalb sie nicht „unmittelbar“ an Grundrechtsnormen gebunden sind1297. Die Grundrechte als verfassungsunmittelbare Grundlage für einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch scheiden aus. Eine sog. unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten, welche ein Grundrechtsverhältnis unter Privaten annahm, weil auch Privatrechtssubjekte unmittelbar an die Grundrechte gebunden seien, kann heute

den aus der Drittwirkungsdiskussion bekannten.“; ganz ähnlich von einer „Drittwirkungs-Nähe“ von grundrechtlichen Schutzpflichten unter Nennung von R. Novak, jedoch ohne Beleg der Aussage spricht Stern, Staatsrecht Bd. III/1 (Fn. 1081), § 69 IV 5 (S. 946), sowie § 76 IV 5 (S. 1573); zum Verhältnis knapp W. Kahl, in: ders. / C. Waldhoff / C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I, Art. 1 Abs. 3 (Oktober 2014), Rn. 333. 1294 Aus der Fülle des Schrifttums etwa H.-J.  Papier, Drittwirkung der Grundrechte, in: ­Merten / ders., HGR II (Fn. 1080), § 55 Rn. 1 ff.; eingängig knapp H. D. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG16 (Fn. 698), Art. 1 Rn. 48 ff.; Starck (Fn. 1205), Art. 1 Abs. 3 Rn. 303. 1295 Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 243 Fn. 138, sensibilisiert für die Terminologie, dass es nicht um einen „Eingriff eines Privaten in ‚das Grundrecht‘ eines anderen“ gehe; das bleibt unberücksichtigt bei I. v. Münch, Die Drittwirkung von Grundrechten in Deutschland, in: ders. / P. Salvador Coderch / J. Ferrer i Riba (Hrsg.), Zur Drittwirkung der Grundrechte, 1998, S. 7 (24); die Terminologie des „Übergriffs“ ist verbreitet für Gefährdungen oder Beeinträchtigungen von grundrechtlich geschützten Lebensbereichen durch Private in Privatrechtsverhältnissen C. D. Classen, Die Drittwirkung der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 122 (1997), S. 65 (93); H. Dreier, in: ders., GG I (Fn. 289), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 101. 1296 Eine Auflistung einer ausnahmsweisen unmittelbaren Drittwirkung halten bereit Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 318; Jarass (Fn. 1294), Art. 1 Rn. 58 1297 Das Thema „Grundrechtsverpflichtete“ steht nicht nur in einem engen Zusammenhang zu der Frage der Drittwirkung der Grundrechte wie Kempen, Grundrechtsverpflichtete (Fn. 1205), § 54 Rn. 69, meint, sondern das Nachdenken über eine Drittwirkung ist unmittelbare Folge fehlender Grundrechtsverpflichtetheit von Privaten.

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(wohl) als überwunden gelten. Eine solche Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte fand in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch Anhänger1298. Die Argumente gegen diese Lehre sind hinlänglich oft entfaltet worden1299. Heutzutage dürfte es vielmehr (noch) ausgemacht sein, dass Privatrechtssubjekte grundsätzlich nicht an die Grundrechte gebunden sind; folglich der eine Private die Grundrechte des anderen Privaten nicht beachten muss1300. Bleiben die Privaten „unter sich“1301, fehlt es an einer unmittelbaren Grundrechtsbindung, sodass kein Grundrechtsverhältnis zwischen Privaten zur Entstehung gelangt. Die Diskussion über eine (mittelbare) Drittwirkung, mit der man den Streit über den Einfluss der Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten unter einen greifbaren Topos zusammenzufassen sucht, ist die direkte Reaktion darauf, dass Private nicht grundrechtsverpflichtet sind. Obwohl Private nicht grundrechtsverpflichtet sind und deshalb Grundrechtsnormen unmittelbar kein Grundrechtsverhältnis zwischen Privaten begründen, anerkennen sowohl das verfassungsrechtliche sowie privatrechtliche Schrifttum als auch die Rechtsprechung, dass sich die Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten – konstruktiv durchaus unterschiedlich bewerkstelligt – auswirken können1302. Man streitet daher heute weniger darüber, ob die Grundrechte überhaupt Einfluss auf die am Privatrechtsverhältnis beteiligten privaten Streit 1298 Dass Private nicht grundrechtsverpflichtet sind, war in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch umstritten, vor allem zu einer Lehre der unmittelbaren Grundrechtsbindung von C. H.  Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. I, 15. Aufl.  1959, S. 92 ff.; heute dürfte jedoch herrschend sein, dass Private im Grundsatz nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden sind, stellvertretend C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, in: AcP 184 (1984), S. 201 (202 ff.); C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 34 f.; umfassende Kritik an der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung Papier, Drittwirkung (Fn. 1294), § 55 Rn. 11 ff.; Rüfner, Grundrechtsadressaten (Fn. 86), § 196 Rn. 40 f., 68 ff., 102; Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 226 f., allerdings relativierend S. 226; Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 (Oktober 2014), Rn. 310 ff.; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 98; W. Höfling, in: Sachs, GG (Fn. 289), Art. 1 Rn. 116; Jarass (Fn. 1294), Art. 1 Rn. 48. 1299 Das meint auch J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, in: JZ 1994, S. 373 (373). 1300 Gegenläufige Tendenzen in der Rspr. des BVerfG meint wohl zu Recht ausmachen zu können F. Michl, Situativ staatsgleiche Grundrechtsbindung privater Akteure, in: JZ 2018, S. 910 (910 ff.); ähnliche Tendenzen identifiziert Höfling (Fn. 1298), Art. 1 Rn. 117; jüngst monographisch ein „Plädoyer für die Geltung der Grundrechte zwischen Privaten“ A. Kulick, Horizontalwirkung im Vergleich, 2020, passim, insb. ab S. 407 ff.; aus der Rspr. unlängst z. B. BVerfG, Beschl. v. 18. 07. 2015 – 1 BvQ 25/15, NJW 2015, 2485 (2485 ff. Rn. 5 ff.) – Bierdosen-Flashmob; BVerfG, Beschl. v. 11. 04. 2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, 267 (280 ff. Rn. 32 ff.) – Stadionverbot. 1301 H. Schäffer, Verfassungsinterpretation in Österreich, 1971, S. 170. 1302 Klassisch die Lehre von der mittelbaren Wirkung der Grundrechte auf die Privatrechtsordnung bei G. Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, in: T. Maunz (Hrsg.), Vom Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, 1956, S. 157 (157 f., 176 ff.); zum heutigen Stand der Diskussion m. w. N. Rüfner, Grundrechtsadressaten (Fn. 86), § 196 Rn. 87; Starck (Fn. 1205), Art. 1 Abs. 3 Rn. 315 ff.; eine Generalkritik mit der Empfehlung „verfassungsgerichtlicher Zurückhaltung“ in seinen Schlussbemerkungen U. Diederichsen, Das Bundesverfassungsgericht als oberstes Zivilgericht – ein Lehrstück der juristischen Methodenlehre, in: AcP 198 (1998), S. 171 (256 ff.).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

parteien haben, sondern mehr darüber, wie dieser Einfluss rechtlich zu konstruieren ist1303. Ausgehend von dieser Erkenntnis tritt offen zu Tage, dass die Konstellationen, die unter dem Label der grundrechtlichen Drittwirkungsfälle verhandelt werden, und die zwischengemeindlichen Konflikte unter ähnlichen Vorzeichen stehen: Bei grundrechtlichen Drittwirkungsfällen kommt zwischen einer privaten Streitpartei und dem Staat, nicht hingegen zwischen den privaten Streitparteien ein grundrechtliches Anspruchsverhältnis zustande. Ersteres wirkt sich aber auf bestehende, gesetzesakzessorische Rechtsverhältnisse der Privaten aus oder beeinflusst die Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen Private Rechtsverhältnisse (autonom oder heteronom) begründen können1304. Die Rechtsverhältnisse der Gemeinden sind dadurch gekennzeichnet, dass nur zwischen den Gemeinden und dem Staat im engeren Sinne, nicht hingegen zwischen den Gemeinden selbst ein verfassungsunmittelbares Anspruchsverhältnis auf der Basis von Art. 28 Abs. 2

1303

Die grundrechtsdogmatische Konstruktion der grundrechtlichen mittelbaren Drittwirkung ist nach wie vor heftig umstritten Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 338; einen Überblick bietet Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 43 ff. – Eine „herrschende Meinung“ hat sich wohl noch nicht (sichtbar) herausgebildet, obgleich sich in der Auseinandersetzung dogmatische Konstruktionspfade abzeichnen und sich die Ergebnisse der unterschiedlichen Konstruktionsvorschläge sehr ähneln Rüfner, Grundrechtsadressaten (Fn. 86), § 196 Rn. 88; gar für eine Ergebnisäquivalenz der Konstruktionen Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 481 ff.; einen Überblick über die dogmatischen Konstruktionen bietet Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155). Nicht zuletzt verstellen verschiedene, nicht kommensurable Rechtswissenschaftsbegriffe den Blick auf die entscheidenden Gesichtspunkte. Die Untersuchung entscheidet sich für eine Konstruktion, die ihr am schlüssigsten erscheint, ohne sich vertieft mit dem Für und Wider anderer Konstruktionen auseinanderzusetzen. Auf diese Weise lässt sich die Konstruktion des Einflusses der Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten zueinander mit dem üblichen grundrechtsdogmatischem Instrumentarium sachgerecht lösen. Konsequent in seiner Begründung und der Besinnung auf das übliche grundrechtsdogmatische Instrumentarium etwa F. Michl, Die Bedeutung der Grundrechte im Privatrecht, in: JURA 2017, S. 1062 (1062 ff.). 1304 Die Begründung von Privatrechtsverhältnissen, d. s. Rechtsbeziehungen zwischen Privatrechtssubjekten, ist auf staatliche Anerkennung angewiesen. Der Privatrechtsgesetzgeber muss ihnen einen rechtlichen Rahmen vorgeben Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 240; Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 340; Michl, Bedeutung (Fn. 1303), S. 1071. Innerhalb dieses Rahmens können sie entweder autonom ein Rechtsverhältnis begründen, etwa durch den Abschluss eines Vertrages, oder ein solches Rechtsverhältnis wird heteronom begründet, etwa durch ein Delikt. Das Rechtgeschäft oder der Vertrag als eine besondere Form des Rechtsgeschäfts ist zum einen ein rechtsnormerzeugender Tatbestand, zum anderen eine durch diesen Tatbestand erzeugte Norm Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 261 ff., 263 ff., zu der hier betonten Unterscheidung insb. S. 264. Erst die (Zivil-)Rechtsordnung gibt dem rechtsnormerzeugenden Tatbestand die Qualität einer (im Fall etwa des Vertrages privatrechtsautonom) begründeten Norm. Das folgt schon aus der Genealogie der Rechtsordnung, denn jeder Rechtserzeugungsakt ist auf eine Ableitung aus einer höherrangigen Norm angewiesen. Dass das Entstehen von Privatrechtsverhältnissen gesetzesakzessorisch ist, führt allerdings nicht in Überspannung der Eingriffsdogmatik dazu, dass jedes private Handeln dem Staat zugerechnet werden könne wie etwa J. Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 88 ff., 154 ff., meint; dezidiert gegen die Auffassung Schwabes s. nur Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 339.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

409

S. 1 GG besteht1305. Gemeinden sind untereinander nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden; Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begründet kein Anspruchsverhältnis zwischen Gemeinden. Der Ausgangsbefund ist somit eindeutig: Weder Private noch Gemeinden treffen, wenn es auf Ebene der Gleichordnung zu Konflikten kommt, unmittelbare verfassungsrechtliche Bindungen. Gibt es deshalb so etwas wie eine „zwischengemeindliche (mittelbare) Drittwirkung“? Wirkt sich das Anspruchsverhältnis zwischen dem Staat im engeren Sinne und den Gemeinden auf das Verhältnis zwischen Gemeinden aus? Es lassen sich parallele Strukturen zwischen dem Einfluss der Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten und dem Einfluss von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf das Verhältnis von Gemeinden ausmachen. Die Kon­ struktion des Einflusses der Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten in Gestalt einer mittelbaren Drittwirkung hat aus diesem Grund möglicherweise Modell­ charakter für die „zwischengemeindlichen Drittwirkungsfälle“. Die Gesetzesakzessorietät von Privatrechtsverhältnissen bedingt es, dass der unmittelbar grundrechtsgebundene Privatrechtsgesetzgeber die Grundrechte der an dem autonom begründbaren oder heteronom begründeten Privatrechtsverhältnis beteiligten Privaten beachten muss1306. Der Privatrechtsgesetzgeber unterliegt bei der Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens der Privatrechtsverhältnisse nicht selten einem doppelten Grundrechtseinfluss1307: Einerseits kann der Gesetzgeber in Grundrechte von Privaten eingreifen, wenn er diesen bestimmte Pflichten auferlegt, auf deren Erfüllung ein anderer Privater einen Anspruch hat. Der Gesetzgeber kann etwa einem anderen Privaten einen Unterlassungsanspruch einräumen, durch den es dem Privaten wegen der korrelierenden Pflicht rechtlich untersagt ist, eine Meinung zu äußern. Dasselbe gilt, wenn der Gesetzgeber privatautonom getroffene Vereinbarungen vernichtbar stellt oder ipso iure vernichtet1308. Hier kommen die Grundrechte in ihrer klassischen abwehrrechtlichen Dimension zum Tragen. Die Grundrechte wirken in diesem Fall unmittelbar nur zwischen dem Gesetzgeber, der die grundrechtlich geschützten Interessen der beteiligten Privaten zu einem gerechten Ausgleich bringen muss1309. Andererseits kann der Privatrechts 1305

Das Grundrechtsverhältnis ist nichts anderes als ein Rechtsverhältnis, das sich durch eine dreistellige Rechte-Verpflichtungs-Relation auszeichnet und durch eine Grundrechtsnorm begründet wird, instruktiv aus der Ausbildungsliteratur Michl, Bedeutung (Fn. 1303), S. 1062 f. Weil die Grundrechte grundsätzlich nur den Staat binden, vermögen Grundrechtsnormen ein Grundrechtsverhältnis nur zwischen Privatrechtssubjekt und Staat zu begründen; zum Verwaltungsrechtsverhältnis Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 20 f. 1306 Die unmittelbare Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers war nicht immer unbestritten, stellvertretend stehe die von Diederichsen, Bundesverfassungsgericht (Fn. 1302), S. 213 (Zitat dort), 230 ff., artikulierte These, wonach „das Privatrecht […] mittelbar über die mit dem Wertgehalt der Grundrechte aufzuladenden unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft wird“; Canaris, Grundrechte 1984 (Fn. 1298), S. 212 ff.; Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 374 f., 378; Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 11 ff., 16 ff.; Jarass (Fn. 1294), Art. 1 Rn. 49 f. 1307 Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 381; Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 20. 1308 Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 374 f. 1309 Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 375; Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 16 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

gesetzgeber gerade dazu aufgerufen sein, dem anderen Privaten eine Anspruchsgrundlage zu verschaffen und deshalb (eingreifend)  tätig zu werden oder einer Vereinbarung die Wirksamkeit zu versagen. Der Privatrechtsgesetzgeber greift damit zum Schutz der einen privaten Partei in die Grundrechte der anderen Partei ein1310. Er muss das Privatrechtsverhältnis in einer bestimmten Art und Weise ausgestalten, um den einen Privaten vor einem Übergriff eines anderen Privaten zu bewahren oder ihm die Abwehr dieses Übergriffs mit privatrechtlichen Mitteln zu ermöglichen1311. Dem Gesetzgeber stehen verschiedene Mittel zur Verfügung, wie er seine Schutzpflicht erfüllen kann. Der Schutz, den der Gesetzgeber zugunsten eines Privatrechtssubjekts organisiert, wirkt somit janusköpfig. Der Schutz des einen ist nur um den Preis der Beschneidung von Handlungsmöglichkeiten des anderen Privaten möglich. So greift der Privatrechtsgesetzgeber zum Schutz des einen in die Grundrechte des anderen ein1312. Die grundrechtlichen Schutzpflichten treffen daher den (Privatrechts-)Gesetzgeber, der Primäradressat der aus den Grundrechten folgenden Schutzgebote ist. Bei ihrer Erfüllung ist er an das Untermaßverbot gebunden. Der damit verbundene kehrseitige Eingriff ist dagegen dem Übermaßverbot verpflichtet1313. So werden die Rechte des Privatrechtssubjekts, zu dessen Gunsten der Eingriff erfolgt, einerseits Posten bei der Rechtfertigung dieses Eingriffs. Andererseits sind die Rechte desjenigen Privatrechtssubjekts, in dessen Rechte eingegriffen wird, Posten bei der Entscheidung des Gesetzgebers, ob ein schützender Eingriff geboten ist. Nicht immer muss der Gesetzgeber dann, wenn er in Grundrechte eingreift, grundrechtlich dazu verpflichtet sein. Dem Gesetzgeber kommt die Aufgabe zu, die involvierten Interessen der privaten Beteiligten abstrakt zu koordinieren und zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. In allen Konstellationen, in denen jeweils der Gesetzgeber zwischengeschaltet wird, wirken die Grundrechte im Verhältnis von Privaten (nur) gesetzesmediati-

1310

Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 378 f.; Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 332, 334; ­Jarass (Fn. 1294), Art. 1 Rn. 49. 1311 Classen, Drittwirkung (Fn. 1295), S. 76 f., nennt dies „Eingriff“, so auch der Titel des Beitrags von Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 553 ff.; Starck (Fn. 1205), Art. 1 Abs. 3 Rn. 318. 1312 Positiv-plakativ Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 226, 282 (Zitat dort), der dies als „Regeln für die Regelung der Konflikte unter den Bürgern“ bezeichnet; die Wendung aufgreifend Rüfner, Grundrechtsadressaten (Fn. 86), § 196 Rn. 89; gleichsinnig Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 244 f.; Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 332, 338. 1313 Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 20, wobei er trotz Eingriffs weder den Gesetzesvorbehalt noch das Übermaßverbot für einschlägig erachtet, ebd., S. 89. – Die (tatsächlichen) Auswirkungen dieser differenzierten Konstruktion dürfen keinesfalls geringgeschätzt werden. Bei der Konstruktion über die Pflicht zum schützenden Tätigwerden gegen Übergriffe der anderen (privaten) Streitpartei unterliegt der Gesetzgeber oder der Richter nur einer Überprüfung nach Maßgabe des Untermaßverbots, das erkennbar geringeren Schutz gewährt als eine Überprüfung am Maßstab des Übermaßverbots. Das Untermaßverbot lässt den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers oder der Gerichte erkennbar werden. Sie verletzen das Untermaßverbot nur dann, wenn sie offenkundig fehlsam handeln; kritisch zu dieser Asymmetrie Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 381 ff.; eingehend zu der hier interessierenden Perspektive 3. Teil B. II. 4. (S. 535 ff.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

411

siert1314. Die grundrechtlichen Positionen der privaten Streitparteien bleiben uneingeschränkt staatsgerichtet. Um diese verfassungsdogmatische Konstruktion akzeptieren zu können, muss man allerdings bereit sein, das Konzept der grundrechtlichen Schutzpflichten anzuerkennen1315. Die Schutzpflichten erfreuen sich heute als eine unter weiteren Grundrechtsfunktionen neben der klassischen abwehrrechtlichen Grundrechtsfunktion breiter Anerkennung in Wissenschaft und Praxis1316. Neben dem Privatrechtsgesetzgeber ist auch die Rechtsprechung, die zum Streitentscheid zwischen Privatrechtssubjekten berufen ist, grundrechtsverpflichtet. In den meisten Fällen, in denen der Gesetzgeber die verschiedenen Interessen zu koordinieren beabsichtigt, zieht er der Rechtsprechung einen weiten Rahmen bei der Entscheidung des konkreten Konflikts und programmiert die Gerichte inhaltlich nur schwach. Der Gesetzgeber kann auf abstrakt-genereller Ebene nur eine grobe Gewichtung der im Verhältnis zu ihm grundrechtlich geschützten Interessen der gleichgeordneten Privaten vornehmen. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung eine zentrale Rolle bei der (einfachgesetzlich zum großen Teil selbstprogrammierten) Verwirklichung des Einflusses der Grundrechte auf das Verhältnis von Privaten1317. Besonders umstritten ist, wie die Rechtsprechung dem Einfluss der Grundrechte Rechnung tragen kann und muss. Greift der Richter als unzweifelhaft grundrechtsgebundene Instanz in ein Grundrecht ein oder versagt der Richter einer Streitpartei den grundrechtlich gebotenen Schutz vor dem Handeln der anderen Streitpartei? Es bietet sich an, die Rolle des Richters differenziert zur Geltung kommen zu lassen1318. Differenzierungen sind deshalb angezeigt, weil sich je nach Verteilung der Prozessrollen und je nachdem, welchen Inhalt der judikative Rechtserzeugungsakt hat, die gerichtliche Entscheidung entweder als Eingriff in ein grund-

1314

Die Notwendigkeit legislativer Vermittlungsleistung als „gesetzesmediatisiert“ gebrauchte erstmals wohl J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 44; ferner Canaris, Grundrechte 1984 (Fn. 1298), S. 225 ff., insb. S. 227 ff.; Kempen, Grundrechtsverpflichtete (Fn. 1205), § 54 Rn. 69; Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 241 ff.; M.  Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. II, 2010, § 50 Rn. 61; Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 332, 334; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 102 f. 1315 Unklar ist, ob die „Schutzpflichten im Zivilrecht“ das Konzept der „Drittwirkung“ abgelöst haben, so etwa Starck (Fn. 1205), Art. 1 Abs. 3 Rn. 319; anders Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 333. 1316 Das Konzept der grundrechtlichen Schutzpflichten ist nicht unumstritten. Allerdings erkennen sowohl das Schrifttum als auch die Rspr. staatliche Schutzpflichten unter bestimmten Bedingungen an, pars pro toto aus dem unüberschaubaren Schrifttum C.  Calliess, Schutzpflichten, in: Merten / Papier, HGR II (Fn. 1080), § 44; Isensee, Sicherheit (Fn. 1314), S. 27 ff.; locus classicus aus der Rspr. BVerfG, Urt. v. 25. 02. 1975 – 1 BvF 1/74 u. a., BVerfGE 39, 1 (42 ff.) – Schwangerschaftsabbruch I; fortentwickelt BVerfG, Urt. v. 28. 05. 1993 – 2 BvF 2/90 u. a., BVerfGE 88, 203 (251 ff.) – Schwangerschaftsabbruch II. 1317 Michl, Bedeutung (Fn. 1303), S. 1070. 1318 Zu den „Horizontalwirkungskonstruktionen“ aus neuerer Zeit erneut Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 43 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

rechtlich geschütztes Verhalten oder als Versagung gerichtlichen Schutzes darstellen kann1319. Im Ergebnis kann der Einfluss der Grundrechte auf die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten zutreffend als eine tripolare Konstellation zwischen den privaten Streitparteien und dem Staat beschrieben werden1320. Tripolare Verhältnisse können und müssen aus einer abwehr- sowie schutzrechtlichen Perspektive beurteilt werden. 2. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Gesetzgeber – Primat der legislativ vermittelten generellen zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung Erfüllt die Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft, verfügt sie über einen verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenztitel. Dennoch knüpfen die einfachen Gesetzgeber sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene die rechtliche Zulässigkeit gemeindlichen Handelns verschiedentlich an weitere Voraussetzungen, wenn es sich (potentiell) negativ auf Nachbargemeinden auswirkt und schränken die verfassungsunmittelbar zulässige Betätigung ein1321. Zum Teil verlangt der Gesetzgeber von der handelnden Gemeinde, dass diese ihre Interessen mit denen der Nachbargemeinde fehlerfrei abwägt oder die berechtigten nachbargemeindlichen Interessen wahrt (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, § 107 Abs. 1, 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW). Es fragt sich, ob diese oder vergleichbare Regelungen gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich geboten sind und auch eine bestimmte Gestalt verlangen. Einen verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenztitel verleiht den Gemeinden Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur, wenn sich die Gemeinden betätigen, um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen. Für eine Betätigung jenseits dieses Zuständigkeits- und Kompetenzbereichs bedürfen Gemeinden aus diesem Grund eines zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitels. Keine Rolle spielen die zuständigkeits- und kompetenzerweiternden Vorschriften für die Verfassungsmäßigkeit des Handelns der Gemeinden selbst1322: Da Art. 28 Abs. 2 1319

Dazu eingehender unter 3.  Teil B. II. 3. b) (S. 522 ff.). Kempen, Grundrechtsverpflichtete (Fn. 1205), § 54 Rn. 69, der allerdings nur das staat­ liche Gericht einbezieht, allerdings auch sieht, dass der Privatrechtsgesetzgeber eingebunden ist; H. D. Jarass, Bausteine einer umfassenden Grundrechtsdogmatik, in: AöR 120 (1995), S. 345 (351); Müller-Franken, Bindung (Fn. 1155), S. 242; Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 335, 338, 341; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 101. 1321 Mit der Begriffswahl „einschränken“ ist noch nicht entschieden, ob es sich verfassungsdogmatisch um einen Eingriff handelt; Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 414, gebraucht etwa die Ausdrücke „ausgestalten“ oder der „Ausgestaltung und Beschränkung“, ebd., S. 415. 1322 Obschon nicht der Auffassung dieser Untersuchung entsprechend, meint folgerichtig Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 410, dass die wirtschaftende Gemeinde bei einer extraterritorialen wirtschaftlichen Betätigung in das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen 1320

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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S. 1 GG Gemeinden untereinander weder berechtigt noch verpflichtet, stellt die Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden keinen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde dar, wofür die handelnde Gemeinde einer gesetzlichen Grundlage bedürfte. Welche Rolle spielt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aus Sicht der handelnden Gemeinden oder aus Sicht der Nachbargemeinden für den Gesetzgeber, wenn er den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich der einen Gemeinde (drittbelastend) erweitert, der Gemeinde also eine Betätigung jenseits der Erfüllung eigener Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gestattet wird? In dem nachfolgenden Abschnitt untersucht die Arbeit zuerst, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG an nicht-zuständigkeitsund kompetenzerweiternde Regelungen des Gesetzgebers stellt. Zudem fragt sie, ob und in welchem Umfang den Gesetzgeber verfassungsrechtliche Handlungspflichten treffen. Sie können sich aktualisieren, wenn der Gesetzgeber entweder gar keine gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz von Nachbargemeinden ergriffen hat oder die Maßnahmen nur unzureichenden Schutz vermitteln. Danach schenkt die Untersuchung den zuständigkeits- und kompetenzerweiternden Regelungen des Gesetzgebers Aufmerksamkeit. a) Verfassungsrechtliche Anforderungen an nicht-zuständigkeitsund nicht-kompetenzerweiternde Regelungen der Gesetzgeber Handelt eine Gemeinde in Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und wirkt sich ihr Handeln auf Nachbargemeinden aus oder usurpiert die Gemeinde fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, kommt es zu einem Übergriff der Gemeinde auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Nachbargemeinde. Die Beschreibung der Art und des Ausmaßes des Einflusses von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf den Gesetzgeber, der mit zwischengemeindlichen Konflikten konfrontiert ist, steht konstruktiv vor ähnlichen Herausforderungen wie die Beschreibung der Wirkung von Grundrechten im Privatrechtsverkehr. Die Untersuchung beschränkt sich zuerst auf die Situationen, in denen sich Gemeinden zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betätigen und diese Betätigungen (potentiell) negative Effekte auf Nachbargemeinden haben. aa) Pflicht zum schützenden Tätigwerden zugunsten von Nachbargemeinden In ihrer abwehrrechtlichen Dimension kommt die Eigenverantwortlichkeits­ garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht zum Tragen. Das Handeln der Gemeinde Gemeinde eingreife und aus diesem Grund zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ihrer Aufgabenwahrnehmung einer gesetzlichen Grundlage bedürfe; ähnlich Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 79 f.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

kann dem Staat nicht als eigenes, in das modale Gewährleistungselement der Nachbargemeinden eingreifendes Handeln zugerechnet werden. Kommt es zu Übergriffen im Privatrechtsverhältnis, ist nach der hier bevorzugten Lösung des Einflusses der Grundrechte auf das Privatrechtsverhältnis der Gesetzgeber dazu aufgerufen, den Konflikt zwischen den Privaten aufzulösen. Grundrechtsdogmatisch werden legislative Pflichten über die grundrechtlichen Schutzpflichten und nicht abwehrrechtlich konstruiert: Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen dazu verpflichtet, den einen Privaten vor dem Übergriff eines anderen Privaten zu bewahren. Kann diese Konstruktion auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG übertragen werden? (1) Herleitung verfassungsrechtlicher Protektionspflichten zugunsten der (Nachbar-)Gemeinden auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Bevor die Tatbestandsvoraussetzungen einer Protektionspflicht des Staates zugunsten der (Nachbar-)Gemeinden dargestellt werden können, muss dargelegt werden, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG den Staat überhaupt zum Schutz von Gemeinden verpflichtet. Die Untersuchung wählt nicht den naheliegenden Terminus der „Schutzpflicht“. Mit der Schutzpflicht bringt man zumeist die grundrechtliche Schutzpflicht in Verbindung. Die Untersuchung schlägt statt des Begriffs der Schutzpflicht den Begriff der ‚verfassungsrechtlichen Protektionspflicht‘ vor. Assoziationen und womöglich unberechtigte Parallelen einer aus Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG abzuleitenden Pflicht zum schützenden Tätigwerden mit bzw. zu dem grundrechtlichen Schutzpflichtenkonzept können dadurch vermieden werden. Auf diese Weise kann zwischen den grundrechtlich fundierten Pflichten und Ansprüchen auf schützendes Tätigwerden auf der einen, und den womöglich durch Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG fundierten Pflichten und Ansprüchen zum schützenden Tätigwerden auf der anderen Seite inhaltlich sowie terminologisch unterschieden werden. Gleichsetzungen der Protektions- mit der Schutzpflicht und womöglich unberechtigte Erwartungen an die Protektionspflicht lassen sich dadurch vermeiden. Hinsichtlich staatlicher Protektionspflichten zugunsten von Gemeinden ist das Schrifttum erstaunlich schweigsam, jedenfalls aber in seinen Ausführungen begründungsarm1323. Das Schrifttum diskutiert – ermutigt durch einen eher beiläufigen Satz in einer jüngeren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus

1323 Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 205 ff., macht ebenfalls eine „Konzentration auf die Dogmatik der abwehrrechtlichen Dimension der kommunalen Selbstverwaltung“ aus, behandelt im Anschluss jedoch nicht die hier interessierende verfassungsrechtliche Protektionspflicht zugunsten von Gemeinden, sondern bearbeitet die „Möglichkeiten und Grenzen der institutionellen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber“ am Maßstab des „Leitbildes“ kommunaler Selbstverwaltung. Das Leitbild der Gemeinde stelle, so Brodmerkel, einen „besonders harten Prüfstein“ dar.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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dem Jahr 20171324  – intensiv über einen etwaigen bundesverfassungsrechtlichen Anspruch der Gemeinden auf eine finanzielle Mindestausstattung gegenüber dem Staat1325. Unverkennbar ist in der Diskussion über eine finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden die Nähe zu der staatlichen Protektionspflicht. Lange Zeit leitete das Schrifttum die Auseinandersetzung um ein Mindestmaß an finanzieller Ausstattung der Gemeinden nicht in die Kategorie allgemeiner Protektionspflichten des Staates und einer leistungsrechtlichen Wirkdimension von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG über. Bach beispielsweise nimmt an, dass eine angemessene Finanzausstattung „verfassungssystematisch […] Teil der Institution Selbstverwaltung“ sei, „in den Vorschriften der Finanzverfassung ihre Konkretisierung und materielle Absicherung“ finde und aus der Finanzhoheit der Gemeinden folge1326. Eine jüngere Monographie von Petit aus dem Jahr 2020 wagt die Überleitung in allgemeine Kategorien und zieht eine umfassende (verfassungsdogmatische) Parallele zu den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten1327. Die im Schrifttum eher vereinzelt gebliebenen Äußerungen im inhaltlichen Umkreis staatlicher Protektionspflichten und damit korrelierender Protektionsansprüche der Gemeinden bleiben allerdings insgesamt eher einsilbig1328. 1324 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (220 Rn. 70) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt; ausdrücklich dahinstehen ließ, ob ein Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung existiert jüngst BVerfG, Beschl. v. 07. 07. 2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310 (333 Rn. 55); w. N. unter Fn. 1566. 1325 Stellvertretend monographisch M. Bach, Der kommunale Finanzausgleich als Existenzsicherung der Selbstverwaltungsgarantie, 2019, S. 302 ff.; Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060). 1326 Bach, Finanzausgleich (Fn. 1325 ), S. 310 f., 419 f., Zitate auf S. 305. 1327 Noch 2001 konstatierte U. Volkmann, Der Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, in: DÖV 2001, S. 497 (499), dass „der Einbau dieses [scil. des Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung von Gemeinden, M. J.] in die allgemeine Dogmatik der Selbstverwaltungsgarantie bislang noch nicht bruchlos gelungen“ sei, wobei er die Parallele zu den leistungsrechtlichen Gehalten wie bei den Grundrechten in Gestalt von Teilhaberechten oder staatlichen Schutzpflichten durchaus sieht; soweit ersichtlich leitete erst 2020 Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060), S. 29 ff., die Frage nach einer finanziellen Mindestausstattung von Kommunen in allgemeine Kategorien einer weiteren Dimension von Art. 28 II 1 GG über. 1328 Für Leistungs- und Teilhaberechte der Gemeinden aus Art. 28 II 1 GG F. ­Müller / B. Pieroth /  L. Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 93: „Hier wird also deutlich […], was in der bisherigen Diskussion wenig beachtet worden ist […] daß in der grundrechtlichen [sic] Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG leistungsrechtliche Komponenten enthalten sind“; Oebbecke, Schutz (Fn. 1145), S. 26, jedoch bezogen auf die Zurverfügungstellung von Handlungsinstrumenten; Schoch, Stand (Fn. 575), S. 23; H. Meyer, Aktuelle Entfaltungen kommunaler Einflussmöglichkeiten im bundesdeutschen Verfassungsrecht, in: U. Schliesky / C. Ernst /  S. E. Schulz (Hrsg.), Die Freiheit des Menschen in Kommune, Staat und Europa, 2011, S. 113 (116), der zumindest „auch positive Beteiligungsrechte in Form von Anhörungs-, Mitwirkungsund Mitentscheidungsansprüchen sowie materielle Ansprüche auf Berücksichtigung der gemeindlichen Belange im staatlichen Planungs- und Abwägungsprozess“ anerkennt; jüngst ein Mitwirkungsrecht in Übertragung des Gedankens des Rechtsgüterschutzes durch Verfahren anerkannt vom BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (22 Rn. 60) – Schulnetzplanung, wobei kein Zusammenhang mit einer aus Art. 28 II 1 GG ableitbaren Protektionspflicht hergestellt wird; ohne nähere Begründung, dass Art. 28 II 1 GG „auch schutzrecht-

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Macher schrieb 1971: „Die Schutzklausel dient der Abwehr aller unberechtigten, gegen die Gemeinde gerichteten Maßnahmen oder Einwirkungen, mögen sie von Privatpersonen, staatlichen Behörden oder sonstigen Institutionen ausgehen.“1329 Klar für einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz der Gemeinden positioniert sich Faber: Da das Schutzobjekt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein „institutionelles Potential“ sei, das „nicht nur des Schutzes vor Eingriffen, sondern staatlicher Sicherung und Förderung“ bedürfe, trete „der Anspruch auf staatlichen Schutz […] zum Abwehranspruch hinzu“1330. Zugleich konstruiert er aber keine Protektionspflicht des Staates vor den Beeinträchtigungen der gesellschaftlichen Umwelt, welche mit staatsähnlicher Machtfülle auf die Gemeinden einwirkt. Stattdessen plädiert er für eine unmittelbare, in seinen Worten „unechte Drittwirkung“ der Selbstverwaltungsgarantie vor einer übermächtigen gesellschaftlichen Umwelt1331. Zum Teil wird aus der institutionellen Einordnung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine Schutzdimension hergeleitet: Wenn durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Institution Selbstverwaltung geschützt werde, dann müsse der Gesetzgeber zum Schutz eben dieser Institution Normen erlassen. Der Gesetzgeber müsse die Institution pfleliche Fallkonstellationen im Garantierahmen“ umfasse, Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 817. – Unklar ist aber, ob mit den Mitwirkungsrechten, den materiellen Ansprüchen auf Berücksichtigung gemeindlicher Belange in Planungs- und Abwägungsprozessen, der Anerkennung von Leistungsansprüchen und dem Gedanken des Rechtgüterschutzes durch Verfahren tatsächlich staatliche Protektionspflichten beschrieben werden. Im grundrechtlichen Bereich werden die leistungsrechtlichen, die schutzpflichtenrechtlichen und die verfahrensrechtlichen Dimensionen der Grundrechte in der Regel voneinander getrennt, vgl. Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 89, 101, 105; sie gehen aber auch unverkennbar ineinander über. So wird anerkannt, dass etwa die Grundrechte als Maßstab für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung einen „Querschnittscharakter“ aufweisen, sodass sich die „Abwehr- […] mit der Schutz- oder Leistungsdimension von Grundrechten ‚verbünden‘“, Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 105; zu den Leistungsrechten im weiteren Sinne zählen z. B. auch die Schutzansprüche D. Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte, in: Isensee / Kirchhof, HdStR IX (Fn. 86), § 192 Rn. 13, zu den Überschneidungen auch W. Rüfner, Leistungsrechte, in: Merten / Papier, HGR II (Fn. 1080), § 40 Rn. 1; zum Zusammenhang von grundrechtlicher Schutzpflicht und prozeduralen Anforderungen an Legislativhandeln A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, 2017, S. 242 ff., insb. S. 251, 396 f.; Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 24, geht wie selbstverständlich von der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten durch Verfahrensnormen aus. 1329 L. Macher, Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens, 1971, S. 37. 1330 Faber (Fn. 1152), Art. 28 II Rn. 29; ähnlich aus der Kommentarliteratur Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 45; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 96, meint, dass „[d]ie subjektive Rechtsstellung […] nicht allein die Abwehr von Eingriffen [umfaßt], sondern auch positive (Schutzund Leistungs-)Ansprüche [im Original teils Fettsetzungen, M. J.].“; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 17; andeutungsweise auch M. Burgi, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 405 (436): „Da Selbstverwaltung bedeutet, dass die Aufgabenwahrnehmung zumindest teilweise eigenverantwortlich erfolgt, muss der Staat sicherstellen, dass die erforderlichen Entscheidungs-, Handlungs- und übrigens auch die Finanzierungsspielräume geschaffen und erhalten werden.“; jüngst Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 168; andeutungsweise auch BVerfG, Kammerbeschl. v. 18. 07. 2000 – 2 BvR 1501/91, NVwZ 2001, 66 (67). 1331 Faber (Fn. 1152), Art. 28 II Rn. 52.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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gen und fördern. Damit sei gewissermaßen die Schutzpflicht der institutionellen Deutung inhärent1332. Waechter, der einen Generalangriff auf die Einrichtungsgarantie insgesamt startete und seine Kritik an ihr (auch) am Beispiel von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG illustrierte, glaubt, den durch die Einrichtungsgarantien vermittelten Schutz durch den Staat ohne institutionelle Interpretation begründen zu können. „Zweifelsfrei sind die staatlichen Gewalten verfassungsrechtlich gehalten, Störungen von allen grundgesetzlich vorgesehenen öffentlichen Funktionsträgern abzuhalten, ohne daß es auf eine Anerkennung der Organisationsnorm als Einrichtungsgarantie ankäme.“1333 Zumindest verbal kommen Schutzpflichten zugunsten von Gemeinden auch in staatshaftungsrechtlichen Fallkonstellationen auf. In diesen geht es darum, ob die Gemeinden gegenüber dem Rechtsträger der rechtswidrig handelnden Aufsichts­ behörde einen Anspruch aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG haben können, wenn ihnen durch das rechtswidrige Handeln der Aufsichtsbehörde ein Schaden entstanden ist. Furore machte eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2002, in der einer Gemeinde durch eigenes Handeln ein finanzieller Schaden entstand. Der Bundesgerichtshof judizierte, dass der Gemeinde gegen den Rechtsträger der handelnden Aufsichtsbehörde wegen der Verletzung einer dritt­ bezogenen Amtspflicht ein Schadensersatzanspruch zustehen könne1334. Dem folgte das Schrifttum in großen Teilen. Es bestätigte die Schutzfunktion der Kommunalaufsicht zugunsten der Gemeinden. Die Kommunalaufsicht diene, so ­Oebbecke, der „Abwehr von Gefahren durch Zugriffe staatlicher Stellen und privater Seite, nicht zuletzt auch um den Schutz vor anderen Gemeinden und den Folgen eigener Fehlentscheidungen“1335. Weder in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch im Schrifttum geht es aber ersichtlich um eine verfassungsrechtlich fundierte Protektionspflicht zugunsten der Gemeinden vor nicht unmittelbar an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebundenen Akteuren. Im Zentrum der literarischen Meinungsäußerungen und der Entscheidungen steht eine zivilistische Schutzpflichtendogmatik, die wenig mit den hier interessierenden verfassungsrechtlichen Protektionspflichten gemeinsam hat1336. Sowohl der Literatur als auch der Rechtsprechung geht es um eine einfachgesetzliche Pflicht der Staatsaufsicht über Gemeinden zum schützenden Tätigwerden (vgl. etwa § 11 GO NRW)1337. Die (drittbezogenen) Amts(walter) 1332

Waechter, Einrichtungsgarantien (Fn. 965), S. 54 ff. Waechter, Einrichtungsgarantien (Fn. 965), S. 54 ff., Zitat auf S. 57. 1334 BGH, Urt. v. 12. 12. 2002 – III ZR 201/01, BGHZ 153, 198 (200 ff.) – Oderwitz. 1335 Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 408; zur Schutzpflicht des (Land-)Kreises als Rechtsträger der Rechtsaufsichtsbehörde A. Teichmann, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12. 12. 2002 – III ZR 201/01, Staatshaftung der Aufsichtsbehörde gegenüber einer Gemeinde, in: JZ 2003, S. 960 (960). 1336 Zur zivilistischen Schutzpflichtendiskussion konkret im Zusammenhang mit § 823 BGB C.-W. Canaris, Schutzgesetze – Verkehrspflichten – Schutzpflichten, in: ders. / U. Diederichsen (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz zum 80. Geburtstag am 23. April 1983, 1983, S. 27 (85 ff.). 1337 Betreffend die Erteilung einer einfachgesetzlich vorgesehenen Genehmigung BGH, Urt. v. 12. 12. 2002 – III ZR 201/01, BGHZ 153, 198 (202 f.) – Oderwitz; zur einfachgesetzlichen Schutzfunktion der Staatsaufsicht über Gemeinden Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 17 Rn. 6 ff. 1333

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

pflichten betreffen nur den Beamten bei seiner Amtsausführung, um einen Amtshaftungsanspruch begründen zu können1338. Gerade die Aussagen etwa von Oebbecke deuten aber darauf hin, dass hinter der einfachgesetzlichen Schutzpflicht und der zivilrechtlichen Schutzpflichtendogmatik ein womöglich umfassenderer Schutzpflichtengedanke stehen mag, der den Protektionspflichten ähnelt. Dass es sich bei Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG um kein Grundrecht handelt, spricht nicht gegen eine weitere Wirkdimension. Es ist ebenso anerkannt, dass etwa grundrechtsähnliche Normen wie Art. 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG oder Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG eine leistungsrechtliche Dimension aufweisen. Ähnliches gilt für Art. 38 GG, der dem Bundestagsabgeordneten Stimm- und Rederecht sowie Informationsansprüche verleiht1339. Der Normtext von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG deutet zumindest implizit und verdeckt auf eine staatliche Protektionspflicht hin. Normtextliche Grundlage der staatlichen Protektionspflicht bildet das Wort „gewährleisten“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG1340. Ebenso streitet die Funktion der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie als dezentralisierte Verwaltung für eine staatliche Protektionspflicht zugunsten der Gemeinden. Das Grundgesetz gliedert mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG das staatliche Territorium in Teilgebiete und setzt in den Teilgebieten unterschiedliche Rechtserzeuger mit je eigenen örtlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereichen ein. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gliedert die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch Gemeinden territorial auf und grenzt die Verwaltungszuständigkeiten und -kompetenzen über das Merkmal der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gegeneinander ab. Er dezentralisiert mit anderen Worten die Ausübung von Staatsgewalt1341. Mit der Einsetzung von Gemeinden als Rechtserzeuger für 1338

H.-J. Papier / F. Shirvani, in: F. J. Säcker u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. VII, 8. Aufl. 2020, § 839 Rn. 244 f., 284 ff. 1339 H. H. Klein, in: T. Maunz / G. Dürig (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. IV, Art. 38 (Oktober 2010), Rn. 231 f.; zum parlamentarischen Informationsanspruch des Abgeordneten BVerfG, Urt. v. 14. 01. 1986 – 2 BvE 14/83, 4/84, BVerfGE 70, 324 (324 Ls. 3, 355). – Zu dieser Argumentation Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060), S. 30 f. 1340 Den Normtext „gewährleisten“ zum Argument für eine schutzrechtliche Dimension macht Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 817. 1341 Zum Begriff der Dezentralisation grundlegend Kelsen, Staatslehre (Fn. 858), S. 163 ff.; Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 314 ff.; Dreier, Verwaltung (Fn. 858), S. 222 ff.; J. ­Oebbecke, s. v. Dezentralisation, Dekonzentration, in: Heun u. a., EvStL (Fn. 278), Sp. 364 (364 f.); ­Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 39; C. Waldhoff, s. v. Dezentralisation, in: Görres-­ Gesellschaft / Verlag Herder, Staatslexikon I (Fn. 877), Sp. 1349 (1349); Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 107; konkret zur Selbstverwaltung Püttner, Selbstverwaltung (Fn. 10), § 144 Rn. 9; Oebbecke, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 365; Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 41; Waldhoff, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 1350 f.; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 162 f.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 76; Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 237 f.; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 108; das BVerfG, Urt. v.  20. 12. 2007  – 2  BvR 2433/04, 2434/04, BVerfGE 119, 331 (363)  – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften, konstatierte: „Vielmehr hat er [scil. der Gesetzgeber, M. J.] den verfassungsgewollten prinzipiellen Vorrang einer dezentralen [Kursivierung nicht im Original, M. J.], also gemeindlichen, vor einer zentral und damit staatlich determinierten Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen.“

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erbringt der Verfassunggeber zwei Beiträge für die Dezentralisation von Verwaltung. Einerseits in vertikaler, andererseits in horizontaler Hinsicht1342: Mit der eigenverantwort­ lichen Aufgabenerfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft grenzt der Verfassunggeber die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Gemeinden im Verhältnis zum Bund und zu den Ländern ab und dezentralisiert vertikal1343. Im Verhältnis der überschneidungslosen Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche von Gemeinden zueinander dezentralisiert er horizontal, indem er gleichgeordnete Rechtserzeuger auf derselben (regionalen) Ebene schafft1344. Mit beiden Formen der Dezentralisation setzt sich die Gewaltengliederung fort. Dezentralisation dient damit denselben Zwecken wie diese1345. Über die traditionell mit der kommunalen Selbstverwaltung verbundenen (verfassungs-)politischen Zwecke1346 hinaus wohnt der Kommunalverwaltung damit ein manifester verwaltungsorganisatorischer Mehrwert inne1347. „Weil das staatliche Interesse an einer Aufgabe nicht mit der Übertragung auf die Selbstverwaltung endet […], bedarf die Selbstverwaltung der Steuerung und der Koordination durch den Staat.“1348 Mehr noch: Die Selbstverwaltung bedarf des Schutzes des Staates etwa dort, wo mit horizontaler Dezentralisation gewünschte Mechanismen umschlagen in eine Gefährdung ihrer Zwecke. So sicher ein Wettbewerb unter Gemeinden um Unternehmen und Einwohner ein erwünschter Effekt gemeindlicher Dezentralisierung ist, um die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen der Menschen zu verbessern und Innovation voranzutreiben, 1342

Zur Unterscheidung vertikaler und horizontaler Dezentralisation Oebbecke, s. v. Dezentra­ lisation (Fn. 1341), Sp. 365; Waldhoff, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 1350 f. 1343 Oebbecke, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 365; Waldhoff, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 1350 f. 1344 Oebbecke, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 365; Waldhoff, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 1350 f.  1345 J. Oebbecke, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 366 (371); Jestaedt, Grundbegriffe (Fn. 25), § 14 Rn. 2; R. Poscher, Funktionenordnung des Grundgesetzes, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen I (Fn. 25), § 8 Rn. 15 f.; M. Cornils, Gewaltenteilung, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie (Fn. 160), § 20 Rn. 12, 47 ff.; Waldhoff, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 1351; C. Starck, s. v. Gewaltenteilung, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder, Staatslexikon I (Fn. 877), Sp. 1314 (1317 f.); Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 238; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 116 ff., insb. S. 118; vorsichtiger hingegen macht aus U. Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee / Kirchhof, HdStR II (Fn. 1218), § 27 Rn. 11 ff., zumindest „unverkennbare Züge der Gewaltenbegrenzung und Gewaltenbalance“ in der föderalen Ordnung. 1346 v. Mutius, Gutachten E (Fn. 1140), E 24 f.; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 163 ff.; Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 220 ff.; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 140 ff. 1347 Zu den Leistungen der Dezentralisation Oebbecke, Selbstverwaltung (Fn. 1345), S. 371 ff.; Oebbecke, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 367 f.; S. Korioth, s. v. Föderalismus, in: Heun u. a., EvStL (Fn. 278), Sp. 596 (599 f.); Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 238 ff.; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 119 ff. – Gleichzeitig können mit der Dezentralisierung gewisse Gefahren einhergehen Dreier, Verwaltung (Fn. 858), S. 147 f.; Oebbecke, Selbstverwaltung (Fn. 1345), S. 371 f.; Oebbecke, s. v. Dezentralisation (Fn. 1341), Sp. 367; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 120 ff. 1348 Oebbecke, Selbstverwaltung (Fn. 1345), S. 376.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

so sicher ist auch, dass ein zu intensiver (Abwerbungs-)Wettbewerb Auszehrungseffekte nach sich ziehen und die wirtschaftliche und schließlich die verwaltungsmäßige Leistungsfähigkeit von Gemeinden gefährden kann1349. Eine funktionsfähige Kommunalverwaltung liegt im gesamtstaatlichen Interesse. Gemeinden sollen die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen, um effizient und verlässlich Verwaltungsaufgaben bürgernah erfüllen zu können1350. Art. 115c Abs. 3 GG bietet weder für eine allgemeine Protektionspflicht zugunsten von Gemeinden noch einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung ein Argument1351. Art. 115c Abs. 3 GG reagiert darauf, dass der Bundesgesetzgeber im Verteidigungsfall die Verwaltungs- und Finanzverfassung modifizieren kann und setzt diesem Vorgehen Grenzen1352. Es geht demnach ersichtlich um einen legislativen Zugriff durch den an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar gebundenen Bundesgesetzgeber und nicht um den Schutz vor anderen Einheiten, die selbst nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind. Mit der Protektionspflicht zugunsten der Gemeinden wird eine weitere, über die abwehrrechtliche Dimension der Selbstverwaltungsgarantie hinausgehende Dimension konturiert. Mit ihr kommt es zu einer Fortentwicklung des historisch überkommenen Befundes, dass der Staat im engeren Sinne, insbesondere die Länder und die Länderexekutive, als Widerpart der von der Staatsverwaltung abgeschirmten kommunalen Selbstverwaltung erscheinen. Der Staat im engeren Sinne ist nicht nur Gegner, sondern Förderer und Protektor der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden. Von dem Staat gehen nicht nur Bedrohungen aus, sondern er ist verpflichtet, auf Bedrohungen von dritter Seite zu reagieren und die Gemeinden vor diesen zu schützen1353. 1349 Zum Wettbewerb als ein Effekt von Dezentralisation Oebbecke, Selbstverwaltung (Fn. 1345), S. 371; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 119. 1350 Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 215, 266 ff.; Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 162, zieht dagegen aus einer Gefährdung der Dezentralisation die Schlussfolgerung, dass Art. 28 II 1  GG zwischengemeindlich wirke; die Rspr. etwa hebt das Interesse an einer effektiven Aufgabenerledigung durch die Gemeinden hervor BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2  BvR  445/91, BVerfGE 91, 228 (241)  – Gleichstellungsbeauftragte; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (19) – Verwaltungsgemeinschaften. – Gewissermaßen schließt diese Funktion an die in der Stein’schen Städteordnung von 1808 grundgelegte Konzeption kommunaler Selbstverwaltung an, wie Rupp, Unterscheidung (Fn. 1280), § 31 Rn. 8, konstatiert: „Bekanntlich war der Gedanke der gemeindlichen Selbstverwaltung im Sinne der Stein’schen Städteordnung von 1808 darauf gerichtet, in einer Zeit tiefer und politischer Depression den bürgerlichen Gemeinsinn und das politische Engagement durch Beteiligung an der Verwaltung des Gemeinwesens zu wecken, die durchaus noch in der Selbstverwaltung verblieb. Erst in der Folgezeit erlangte die Selbstverwaltung der Gemeinden unter dem Einfluß des belgisch-französischen Konstitutionalismus eine andere, nämlich nun gegen [Kursivierung im Original, M. J.] den Staat gerichtete Bedeutung.“ 1351 Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060), S. 43. 1352 Art. 115c III GG zieht dem Bundesgesetzgeber Schranken bei seinen Modifizierungsoptionen im Verteidigungsfall V. Epping, in: T. Maunz / G. Dürig (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VII, Art. 115c (März 2014), Rn. 37 ff. 1353 Zur grundrechtlichen Schutzpflicht Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 81.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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(2) Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Bestehens der Protektionspflicht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begründet zugunsten der Gemeinden eine allgemeine staatliche Protektionspflicht. Der Tatbestand beschreibt die Voraussetzungen für die Existenz der Pflicht, die Rechtsfolge ihren konkreten Inhalt und Umfang. Tatbestandlich setzt die Protektionspflicht eine Störung oder Bedrohung der von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Schutzgegenstände durch einen selbst nicht unmittelbar an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebundenen Akteur voraus1354. (a) Übergriff auf den Schutzgegenstand Der Übergriff auf das Schutzobjekt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eines nicht selbst an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebundenen Akteurs löst die staatliche Protektionspflicht aus. Als Akteure kommen gesellschaftliche Kräfte oder die Gemeinden selbst in Betracht. Verfassungsrechtsdogmatisch ist der Begriff des Eingriffs auf Akte eines (staatlichen) Bindungsadressaten beschränkt, die das verfassungsrechtliche Schutzgut negativ berühren1355. Dasselbe gilt für den grundrechtsdogmatischen Begriff des Eingriffs. Der Begriff des (grundrechtsdogmatischen) Übergriffs umfasst im Gegensatz zu dem Eingriff alle Handlungen eines Nicht-Adressaten einer Grundrechtsbestimmung, sodass es sich anbietet, auch von einem Übergriff im Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu sprechen1356. Einziger Unterschied zwischen dem Eingriff und dem Übergriff ist, dass dieser von einem Nicht(Verpflichtungs-)Adressaten, jener von einem (Verpflichtungs-)Adressaten eines Grundrechts herrührt1357. Mit Ausnahme des Kriteriums der Zurechenbarkeit zum Staat gelten dieselben Maßstäbe für den Übergriff wie für den Eingriff. Vereinzelt findet sich im Schrifttum die Ansicht, dass bei gleichrangigen Kompetenzträgern eine Identifikation des übergriffigen Trägers schlichtweg nicht möglich sei1358. Auch bei konfligierenden grundrechtlichen Freiheitsausübungsansprüchen wird 1354 Die Untersuchung orientiert sich in der Struktur der Prüfung der Protektionspflicht am „Bauplan und Anwendungsschema der (grundrechtlichen) Schutzpflicht“, den bzw. welches näher entfaltet Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 217 ff.; auch J. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 74 ff. 1355 Zum Eingriff als „das verfassungsrechtsdogmatische Kürzel der vorrangig zu unterlassenden Betätigung des Verpflichtungsadressaten“ 3.  Teil B. I. 2. b) (S. 340 ff.). 1356 Den „Grundrechtseingriff Privater“ als einen Eingriff im engeren dogmatischen Sinn lehnt zu Recht ab Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 156 f., der jedoch die Beeinträchtigung als Gegenbegriff zum Eingriff verwendet; gegen den Grundrechtseingriff Privater Peine, Grundrechtseingriff (Fn. 77), § 57 Rn. 37; C.  Hillgruber, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsausgestaltung und Grundrechtseingriff, in: Isensee / Kirchhof, HdStR IX (Fn. 86), § 200 Rn. 87; s. dazu auch Fn. 1295; zum Erfordernis der Zurechenbarkeit zur grundrechtsverpflichteten Staatsgewalt für den grundrechtsdogmatischen (Grundrechts-)Eingriff Bethge, Grundrechtseingriff (Fn. 1086), S. 10, 13; Hillgruber, Schutzbereich (Fn. 1356), § 200 Rn. 84. 1357 Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 101. 1358 Zu Konflikten zwischen Gemeinden als gleichrangige Kompetenzträger Brohm, Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 437.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

zum Teil davon ausgegangen, dass sich die Rollen von „Opfer“ und „Störer“ nicht immer leicht ermitteln lassen1359. Scheitert eine klare Rollenzuweisung, bleibt offen, wer vor wem geschützt werden muss. In den Konstellationen, in denen es zu zwischengemeindlichen Konflikten kommen kann, ist hingegen zumeist das störende oder übergriffige Handeln eindeutig identifizierbar. Das Schutzobjekt der staatlichen Protektionspflicht erstreckt sich im Grundsatz auf alle Gewährleistungselemente der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Sowohl die Aufgaben- als auch die Eigenverantwortlichkeitsgarantie sind verfassungsunmittelbar verankert, ohne dass sie darauf angewiesen sind, dass der Gesetzgeber das Schutzobjekt rechtlich erzeugt1360. Im gegebenen Zusammenhang sind jedoch nur Übergriffe auf die Eigenverantwortlichkeitsgarantie denkbar, da eine Beeinträchtigung der Aufgabengarantie einen Aufgabenentzug voraussetzt. Der Übergriff von Gemeinden auf die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben durch die Nachbargemeinden tritt in zwei Formen auf: Einerseits in Form einer (faktischen) Usurpation von Angelegenheiten, die als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft den Nachbargemeinden zugewiesen sind, andererseits durch die faktische Beeinträchtigung der Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung, etwa in Gestalt von Immissionen1361. Verfassungsrechtlich kommen nur faktische Übergriffe in Betracht1362. 1359

Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 101. In der Tendenz bezogen auf Schutzpflichten auf der Grundlage des (normgeprägten) Art. 14 I 1 GG das BVerfG, Kammerbeschl. v. 26. 05. 1998 – 1 BvR 180/88, NJW 1998, 3264 (3265): „Mit Blick auf Art. 14 I 1 GG ist zudem offen, welches Ausmaß Eigentumsbeeinträchtigungen angenommen haben müssen, um überhaupt eine – bestimmte – Schutzpflicht auslösen zu können. Insoweit könnte gelten, daß jedenfalls solche Eigentumsbeeinträchtigungen unerheblich sind, die auch im Rahmen einer Inhaltsbestimmung hingenommen werden müßten.“ 1361 Einen Übergriff wegen des Zuschnitts des Gewährleistungsbereichs von Art. 28 II 1 GG wohl sowohl bei der (faktischen) Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen als auch bei den faktischen Auswirkungen gemeindlicher Betätigung auf Nachbargemeinden würde wohl verneinen Britz, Funktion (Fn. 564), S. 386, die ihre Ausführungen auf das Gemeindewirtschaftsrecht beschränkt; einen Übergriff würde (zum Teil) wohl ebenfalls verneinen Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595, der einen „Kompetenzübergriff“ fordert, sodass er nur bei der Zuständigkeits- und Kompetenzusurpation, nicht hingegen bei den faktischen Auswirkungen einen Übergriff annehmen würde. 1362 Nach der Definition der Untersuchung liegt eine rechtliche Betroffenheit dann vor, wenn die Nachbargemeinde Adressatin einer geltenden Norm ist, welche sie (be-)trifft. Die übergriffige Gemeinde müsste also die Nachbargemeinde durch den Erlass einer (generellen oder individuellen) Rechtsnorm binden. Verfassungsrechtlich betrachtet gibt es dafür keine Grundlage. Damit Nachbargemeinden durch Aktivitäten der übergriffigen Gemeinde rechtlich gebunden werden, bedarf es der Intervention des Gesetzgebers. Direkte Bindungsbefugnisse einer Gemeinde gegenüber einer anderen Gemeinde hat der Gesetzgeber soweit ersichtlich nicht formuliert. Denkbar wäre allenfalls über die Figur der Pflicht der Nachbargemeinde, das Handeln anderer Gemeinden auf ihrem Gebiet zu dulden, zu einer rechtlichen Betroffenheit zu gelangen. Die Figur der Duldungspflicht ist jedoch fragwürdig. Eine Duldungspflicht bedeutet nach Auffassung der Untersuchung, dass Ansprüche, die an sich im Horizontalverhältnis bestehen und durch ein bestimmtes Handeln der übergriffigen Gemeinde ausgelöst werden, ausgeschlossen werden. Ansprüche im Horizontalverhältnis bestehen aber nicht verfassungsunmittelbar. Es 1360

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Die staatliche Protektionspflicht aktualisiert sich nicht erst, wenn es zu einem Übergriff in Form einer tatsächlichen Störung gekommen ist. Auch die Gefahr einer Störung stellt einen Übergriff dar und löst im Vorfeld der eigentlichen Störung staatliche Protektionspflichten aus. Es muss eine Sachlage bestehen, die bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in eine tatsächliche Störung einmünden wird1363. Ein Übergriff auf die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist auch dann gegeben, wenn die Nachbargemeinde sich dieser Aufgabe gar nicht hat widmen wollen. Ein Übergriff einer Gemeinde auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Nachbargemeinde durch die störende Gemeinde liegt dann vor, wenn die Beeinträchtigung der störenden Gemeinde rechtlich zurechenbar ist. Erforderlich ist zumindest die kausale Verursachung der Auswirkung. In aller Regel knüpft die Beeinträchtigung an ein bestimmtes Verhalten der Gemeinde an, sodass diese Verhaltensstörerin ist1364. Stimmt die Nachbargemeinde der Erledigung einer Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft durch die störende Gemeinde zu oder erklärt sie sich mit der Beeinträchtigung einverstanden, fehlt es an einem Übergriff1365. Der Konsens schließt nicht nur einen Eingriff, sondern auch einen Übergriff aus. Ferner muss die Beeinträchtigung eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Nicht jede noch so geringfügige negative Auswirkung gemeindlichen Handelns löst eine staatliche Protektionspflicht zugunsten derjenigen Gemeinde aus, welche von der Auswirkung betroffen ist. Neben der Intensität der Auswirkung spielt auch eine Rolle, wie vorhersehbar es war, dass mit einer Handlung der störenden Gemeinde negative Auswirkungen für die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch die Nachbargemeinde einhergehen. Wirbt die planende Gemeinde bewusst einen Investor aus dem Gebiet der Nachbargemeinde ab, mögen auch eher geringfügige Auswirkungen einen Übergriff darstellen. Nimmt die handelnde Gemeinde fremdgemeindliche Aufgaben wahr und usurpiert damit faktisch die der Nachbargemeinde zukommende Zuständigkeit und Kompetenz, liegt unabhängig von der Intensität der tatsächlichen Beeinträchtigung ein Übergriff auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Nachbargemeinde vor – die kann damit allein um einfachrechtlich vermittelte Ansprüche gehen, die der Gesetzgeber unter bestimmten Bedingungen ausschließt. Allein von einem Ausschluss des Horizontalanspruchs zu sprechen, bereitet aber schon Probleme. Hat der Gesetzgeber nicht schlicht den Anspruch von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht? Abgesehen davon ist der Anspruch kein verfassungsrechtlicher, sondern nur ein einfachrechtlicher. Es liegt damit keine verfassungsrechtlich relevante rechtliche Betroffenheit vor. 1363 Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 235. 1364 Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 240 ff. 1365 Die Einwilligung lässt nicht nur den Eingriff entfallen, grundrechtsdogmatisch Bethge, Grundrechtseingriff (Fn. 1086), S. 44; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 129 ff.; konkret bezogen auf den nicht für möglich erachteten Eingriff der wirtschaftenden Gemeinde in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 69 f., sondern auch den Übergriff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

störende Gemeinde missachtet die Zuständigkeits- und Kompetenzordnung. Mehr auf die Schwere der Auswirkungen kommt es dagegen an, wenn etwa Lärmimmissionen oder Kaufkraftabflüsse mit einer bestimmten Betätigung einhergehen und diese nicht intentional erfolgen. Darauf, ob die nachteilige Einwirkung auf das Schutzobjekt rechtmäßig ist, kommt es für die verfassungsrechtlichen Protektionspflichten des Staates nicht an. Für die beiden wichtigsten Arten von Übergriffen auf das Schutzobjekt der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung ist es zunächst irrelevant, ob diese rechtmäßig, rechtswidrig oder rechtlich indifferent sind. Vielmehr ist es unter Umständen gerade Konsequenz der Protektionspflicht, dass an ein bestimmtes Handeln ein rechtliches Unwerturteil in Form der Rechtswidrigkeit geknüpft werden muss. Zwar ist die (faktische) Usurpation fremdgemeindlicher Aufgaben mangels verfassungsrechtlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitels verfassungswidrig, weil der störenden Gemeinde ein Zuständigkeits- und Kompetenztitel fehlt. Für die faktischen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde bei der Erfüllung einer eigenen Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist ein vergleichbar eindeutiges Urteil hingegen nicht möglich1366. (b) Rechtsfolgen des Bestehens einer Protektionspflicht Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Protektionspflicht vor, trifft die Verpflichtungsadressaten von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Pflicht, die Nachbargemeinde vor Übergriffen anderer Gemeinden (effektiv) zu schützen. Als Primäradressat der Protektionspflicht ist der Gesetzgeber berufen, die Selbstverwaltungsgarantie der (Nachbar-)Gemeinden vor Beeinträchtigungen von selbst nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG gebundenen Akteuren zu schützen. Für die Protektionspflicht ergeben sich keine Abweichungen von den grundrechtlichen Schutzpflichten: Die Schutzpflicht verlangt zuvörderst vom Gesetzgeber eine Gestaltung der Rechtsordnung, welche dem Schutzanliegen der Grundrechte gerecht wird1367. Auch bei der durch 1366

Nicht gefolgt werden kann der Inhaltsbestimmung des Übergriffs durch Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 2, im Kontext der grundrechtlichen Schutzpflichten, welche bei der Bestimmung des Übergriffs im Rahmen der Protektionspflicht nach Art. 28 II 1 GG Modellcharakter hat. Isensee meint, dass „[d]er Übergriff […] die rechtswidrige Verletzung des Schutzgutes“ sei. „Er deckt sich nicht mit dem Eingriff als dem Objekt des Abwehrrechts. Vielmehr bildet er dessen Unterfall: den rechtswidrigen Eingriff“. Für die Bestimmung der Rechtswidrigkeit der Störung oder Gefährdung durch einen nicht selbst unmittelbar an Art. 28 II 1 GG gebundenen Akteur fehlt es an rechtlichen Maßstäben. Ein metajuridisch anmutendes neminem-laedereVerbot findet positiv-rechtlich im Verfassungsrecht keinen Anhalt; Kritik an dem Rechtswidrigkeitserfordernis artikuliert auch M.  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 196 f.; K. Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung, 2016, S. 248 f.; eingehend zum neminem-laedere-Verbot O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996, S. 267 ff. 1367 Zutreffend C. Bumke, Ausgestaltung von Grundrechten, 2009, S. 45 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundierten Protektionspflicht ist es vorrangig die Aufgabe des Gesetzgebers, einen (einfachrechtlichen) Rahmen zu schaffen, der dem Schutzanliegen der Verfassung ausreichend Rechnung trägt – er muss den Schutz nach Maßgabe des Grundgesetzes organisieren. „Die Aufstellung und normative Umsetzung eines [scil. grundrechtlich fundierten, M. J.] Schutzkonzepts ist Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen.“1368 Der Schutz einer Gemeinde vor dem Handeln einer anderen, übergriffigen Gemeinde ist notwendigerweise auf gesetzliche Mediatisierung oder Vermittlung angewiesen1369. Allein das Bestehen einer Schutz- oder Protektionspflicht verhilft weder dem Opfer des privaten Übergriffs im Bereich der Grundrechte noch der Nachbargemeinde im Hinblick auf die ihr durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbürgte eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung eigener Angelegenheiten zu dem ihnen gebührenden Schutz. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, Gemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden zu schützen und so multi- oder mehrdimensionalen Konflikten zwischen Gemeinden Einhalt zu gebieten. Mit Blick auf Konflikte zwischen Privaten spricht Schmidt-Preuß passend von einer „Konfliktschlichtungsprärogative“1370, Ruffert von einem „Konfliktschlichtungsauftrag“1371 des demokratisch legitimierten Gesetzgebers. Diese Ausdrücke passen auch für Konflikte zwischen Gemeinden. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG belässt dem Gesetzgeber bei der Wahl des Mittels einen relevanten Gestaltungsspielraum1372. Der Gestaltungsspielraum bezieht sich nur auf die Art und Weise der Erfüllung, nicht hingegen auf das Bestehen der Protektionspflicht, wenn die Bedingungen für ihr Entstehen erfüllt sind. Der Gesetzgeber darf den Konflikt zwischen Gemeinden nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen, in dem zumeist die (wirtschaftlich) potentere Gemeinde obsiegen wird. Mit welchen Mitteln der Gesetzgeber seiner Protektionspflicht nachkommt, gibt die 1368

Unlängst zu den Grundrechten BVerfG, Beschl. v. 26. 07. 2016 – 1 BvL 8/15, BVerfGE 142, 313 (337) – Zwangsbehandlung, wobei auch für die Protektionspflicht insgesamt nichts anderes gilt. 1369 Umstritten ist, inwiefern die Exekutive und die Judikative auch ohne legislative Vermittlung schützend tätig werden dürfen Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 559 f.; Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 237 f.; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 281 ff. 1370 Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 37 ff., 40, 719 f.; Schmidt-Preuß, Multipolarität (Fn. 52), S. 598, 602 f., 611. 1371 Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 203 ff.; zuvor zum Auftrag des Gesetzgebers zur Konfliktschlichtung P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 130 ff. 1372 Zum erheblichen Spielraum des Gesetzgebers bei der Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflicht etwa Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 420 ff.; Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 77 f.; L. Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 92; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 283; exemplarisch zu der Vielzahl an Möglichkeiten staatlicher Schutzleistung für Individualgüter Preu, Grundlagen (Fn. 300), S. 32; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 103.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Verfassung im Grundsatz nicht vor und verpflichtet den Gesetzgeber daher auch nicht zu konkret-generellen Schutzmaßnahmen oder einem konkreten Konfliktschlichtungsprogramm. Allerdings muss der Gesetzgeber unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Anforderungsprofils des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG primär dafür sorgen, dass Übergriffe von Nicht-(Verpflichtungs-)Adressaten unterbunden und rechtlich missbilligt werden (primäre Protektionspflicht). Zu diesem Zweck kann (und gegebenenfalls muss) der Gesetzgeber Tatbestände schaffen, die das Handeln der Gemeinden reglementieren und gegenteiliges Handeln für rechtswidrig erklären: Die Gemeinde muss, damit sie sich betätigen darf, bestimmte formelle oder materielle Voraussetzungen erfüllen1373. Allein das Rechtswidrigkeitsurteil des Gesetzgebers genügt aber nicht für einen wirksamen Schutz von (Nachbar-)Gemeinden. Der Gesetzgeber muss sekundär dafür sorgen, dass Handlungsverbote, welche die handelnde Gemeinde treffen, durchgesetzt werden können (sekundäre Protektionspflicht)1374. Das normative Bedürfnis nach nachbargemeindlichem effektiven Rechtsschutz steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Dimension von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Der Gesetzgeber muss Gemeinden effektive Rechtsschutzinstrumente an die Hand geben. Er ist dazu aufgerufen, für Nachbargemeinden effektive Arrangements unterschiedlicher Kontrollformen und Kontrollinstanzen zu schaffen1375. In ganz besonderen Situationen, die sich abstrakt nicht erfassen lassen, kann sich die so umrissene (prima facie) Protektionspflicht, d. h. die Pflicht des Gesetzgebers, irgendeine wirksame Schutzmaßnahme zu ergreifen, zu einer konkret-generellen Handlungspflicht verdichten (definitive Protektionspflicht)1376. Der Gesetzgeber kann seiner (sekundären) Protektionspflicht etwa dadurch genügen, indem er Nachbargemeinden einfachgesetzlich Abwehr- und Unterlassungsansprüche im Horizontalverhältnis verschafft, welche Gemeinden verwaltungsgerichtlich durchsetzen können. Der Gesetzgeber kann sich dafür entscheiden, qua einfachgesetzlicher Normen ein zwischengemeindliches Anspruchsverhältnis zur Entstehung zu bringen, das sich durch eine dreistellige Rechte-Verpflichtungs-­ 1373

Zur grundrechtlichen Schutzpflicht Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 70 f.; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 264. 1374 Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 264. – Die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Protektionspflicht soll die Mehrschichtigkeit der normativen Wirkungen der Protektionspflicht auf den Gesetzgeber deutlich machen. Die Bezeichnungen von primärer und sekundärer Schutzpflicht gebrauchte zuerst (vermutlich) D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für Risiken und Technik, 1985, S. 108 ff., 111 ff.; D. Murswiek, Zur Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten für den Umweltschutz, in: WiVerw 1986, S. 179 (181), ohne dass mit der Verwendung gesagt sein soll, dass sich die hier verwendeten Begriffe mit denen bei Murswiek decken oder nicht; zur Unterscheidung von Murswiek s. auch Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 129 ff. 1375 Begrifflich angelehnt an Schoch, Verwaltungskontrollen (Fn. 291), § 50 Rn. 344, der in einer Überschrift treffend von „Kontrollarrangements“ spricht. 1376 Die Unterscheidung von prima facie und definitiver Protektionspflicht ist an die Unterscheidung eines „definitiven“ und „prima facie Schutzbereichs“ in der Grundrechtstheorie von Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 87 ff., angelehnt.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Relation auszeichnet. Er institutionalisiert dann eine legislativ vermittelte, subjektiv-rechtliche Konfliktbewältigung und schafft im zwischengemeindlichen Horizontalverhältnis ein Anspruchsverhältnis, das Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG selbst nicht zu begründen vermag. Er kann ebenso darauf verzichten, den Nachbargemeinden (Direkt-)Ansprüche zuzuweisen. Stattdessen kann er sich darauf beschränken, potentiell übergriffigen Gemeinden eine nicht-relationale Verpflichtung aufzuerlegen, nicht die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch Nachbargemeinden zu stören. Der Gesetzgeber entscheidet sich durch die Statuierung einer nicht-relationalen Verpflichtung im Verhältnis der Gemeinden zueinander für eine andere Art der Konfliktbewältigung, wenn er zugleich andere staatliche Akteure mit der Durchsetzung der nicht-relationalen Verpflichtung betraut. Das kann etwa dadurch erfolgen, dass er aufsichtsrechtliche Mittel vorsieht, um Übergriffe auf Nachbargemeinden zu verhindern. Die Aufsichtsbehörden können die zum Schutz von Nachbargemeinden erlassenen (objektiv-rechtlichen) Schutzvorkehrungen von der übergriffigen Gemeinde einfordern. In diesem Fall entscheidet sich der Gesetzgeber für eine legislativ vermittelte, objektiv-rechtliche zwischengemeindliche Konfliktbewältigung1377. Der Gesetzgeber kann es dabei belassen, dass die Aufsicht über die Einhaltung der Schutznormen wacht. Zusätzlich kann der Gesetzgeber Nachbargemeinden, wenn auch nicht gegenüber störenden Gemeinden selbst, so jedoch gegenüber der Aufsichtsbehörde einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten verschaffen. Wenn die Entstehungsbedingungen für das Rechtsverhältnis erfüllt sind, entsteht ein Rechtsverhältnis im Sinne einer dreistelligen Rechte-Verpflichtungs-Relation im Verhältnis der (potentiell) gestörten Nachbargemeinde und dem Rechtsträger der staatlichen Aufsichtsbehörde (kurz: der Aufsichtsbehörde), ohne dass zugleich ein solches Rechtsverhältnis zwischen den Gemeinden selbst bestünde. Der Gesetzgeber kann sich aber auch für ein Anspruchsverhältnis im Horizontalverhältnis zwischen Gemeinden sowie ein Anspruchsverhältnis im Vertikalverhältnis zwischen Gemeinden und dem Träger der Rechtsaufsicht entscheiden. Die unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten kann der Gesetzgeber kombinieren. Darüber hinaus kann der Gesetzgeber Genehmigungsvorbehalte vorsehen und das Handeln der störenden Gemeinden, das zur Erfüllung von Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft erfolgt, unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stellen1378. Steht das Handeln der störenden Gemeinde unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und ist die Genehmigung nur unter bestimmten, die Rechtsposition der Nachbargemeinde schützenden Bedingungen zu erteilen, dann gewährleistet der Gesetzgeber Schutz von Nachbargemeinden pri 1377 Zur Entscheidungsmöglichkeit des Gesetzgebers, den Ausgleich zwischen kollidierenden Privatinteressen subjektiv- oder (nur) objektiv-rechtlich auszugestalten P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 247, 284 ff., insb. S. 291 ff.; Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 37 f.; Schmidt-Preuß, Multipolarität (Fn. 52), S. 602. 1378 Zur Unterscheidung eines sog. präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und dem sog. repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt bereits Fn. 807.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

mär durch das Verbot der Gemeinden, sich ohne Genehmigung zu betätigen1379. Der Gesetzgeber kann sich wiederum dazu entschließen, dass die Aufsicht rein objektiv-rechtlich darüber wacht, dass die Gemeinde sich nicht ohne Genehmigung betätigt. Ebenso kann er sich dafür entscheiden, dass die Nachbargemeinde gegenüber der Aufsicht einen Anspruch auf Einschreiten haben soll, den die Nachbargemeinde gegebenenfalls gegenüber der Aufsichtsbehörde verwaltungsgerichtlich durchsetzen kann, wenn sich die störende Gemeinde ohne Genehmigung betätigt. Seiner verfassungsrechtlichen Protektionspflicht zugunsten von Nachbargemeinden kommt der Gesetzgeber durch die Kombination materieller Schutzvorkehrungen, die sich in den Genehmigungsvoraussetzungen niederschlagen, und der (präventiven) Genehmigungsbedürftigkeit in beiden Fällen nach. Denkbar ist ferner, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung von Konflikten zwischen Gemeinden die potentiell übergriffige und die potentiell gestörte Gemeinde zu einer Kooperation zwingt, wie es der Gesetzgeber etwa mit der Pflicht zum Zusammenschluss zu Regionalräten getan hat1380. Bei der Erfüllung staatlicher (primärer) Protektionspflichten zugunsten von Nachbargemeinden muss der Gesetzgeber der Zulässigkeit gemeindlichen Handelns zum Schutz von Nachbargemeinden vorranging materiell-rechtliche Bindungen auferlegen. Flankierend kann er, wie er es mit formal-rechtlichen Genehmigungsvorbehalten in Verbindung mit materiell-rechtlichen Vorgaben tut, die nachbargemeindlichen Selbstverwaltungsrechte verfahrensrechtlich schützen und ihre materiellen Rechtspositionen verfahrensrechtlich effektuieren. Die „Prozeduralisierung des Rechts“ taucht als ein universell anwendbarer Gedanke immer häufiger in unterschiedlichen, zumeist grundrechtlich geprägten Bereichen auf1381. Im 1379 Zum Genehmigungsvorbehalt und den Voraussetzungen der Genehmigung als legislative Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten BVerfG, Beschl. v. 08. 08. 1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (140 ff.) – Kalkar I; BVerfG, Beschl. v. 20. 12. 1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (31 Ls. 4, 57 ff.) – Mülheim-Kärlich; konkret am Beispiel der präventiven Arzneimittelüberwachung setzt sich mit der Frage auseinander, ob ein Genehmigungsverfahren grundrechtlich geboten ist U. Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 223 ff.; zur Schutzpflichterfüllung durch Genehmigungsvorbehalte s. auch knapp Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 93; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 154; aus neuerer Zeit M. Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, 2016, S. 443, insb. S. 447. – Richtigerweise bedarf es für einen Genehmigungsvorbehalt einer Entscheidung des Gesetzgebers, wie hier einen verfassungsunmittelbaren schutzrechtlich begründeten Genehmigungsvorbehalt ablehnend Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 553 f.; anders sah das in einer viel beachteten Entscheidung unter Annahme eines verfassungsunmittelbaren Genehmigungserfordernisses der HessVGH, Beschl. v. 06. 11. 1989 – 8 TH 685/89, NJW 1990, 336; Anmerkung etwa von H. H. Rupp, Anmerkung zur Entscheidung des HessVGH, Beschl. v.  06. 11. 1989  – 8  TH  685/89, in: JZ 1990, S. 91 (91 ff.); E.  Deutsch, Anmerkung zur Entscheidung des HessVGH, Beschl. v.  06. 11. 1989  – 8 TH 685/89, in: NJW 1990, S. 336 (339); mahnend H. Sendler, Gesetzes- und Richtervorbehalt im Gentechnikrecht, in: NVwZ 1990, S. 231 (231 ff.); Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 553 f. 1380 Dazu bereits Fn. 68; monographisch zu Formen kommunaler Kooperation und Erscheinungsformen pflichtiger Kooperationen I. T. Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 311 ff. 1381 Siehe dazu nur den Sammelband von T. Sheplyakova (Hrsg.), Prozeduralisierung des Rechts, 2018.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Bereich der Grundrechte ist neben der „Prozeduralisierung“1382 die Idee des Grundrechtsschutzes durch Verfahren und Organisation ein verbreiteter Topos und bricht sich dort in mehr und mehr Zusammenhängen Bahn1383. Das Bundesverfassungsgericht bemüht beide Gedanken regelmäßig dort, wo es entweder schwerfällt, (konkrete) materiell-rechtliche Maßstäbe1384 zu formulieren oder aber durch eine Verfahrensgestaltung und Organisation der „Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition“1385 vorgebeugt werden soll. In dem einen Fall sind die verfahrensrechtlichen Regelungen notwendiger Ausgleich für Determinierungsdefizite, in dem anderen Fall optionale Ergänzung zu materiellen Sicherungen. Im Anwendungsbereich des Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begegnet man ähnlichen Erwägungen: Entweder lassen sich konkrete materielle Maßstäbe nicht belastbar ex constitutione formulieren mit der Folge, dass dem Verfahren, das zu dieser Entscheidung führt, erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet wird, oder aber die verfahrensrechtlichen Sicherungen sollen als „Vorposten der materiellen Aufgabenund Eigenverantwortlichkeitsgarantie“1386 der Gefahr ihrer Entwertung vorbeugen1387. So ist im Bereich (kommunaler) Finanzausstattungen und landesrechtlicher Mittelzuweisungen der Gedanke der Prozeduralisierung in Rechtsprechung und Literatur auch für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fest etabliert1388. Für Gemeindegebietsreformen oder Gemeindenamensänderungen ist der Gedanke der verfahrensmäßigen Sicherung materieller gemeindlicher Rechtspositionen anerkannt. Gemeindege 1382 Prozeduralisierung wie sie hier verstanden werden soll, beschreibt alle Mechanismen, die auf rechtliche Ungewissheiten reagieren, weil entweder keine rechtlich exakten Maßstäbe formulierbar sind oder Ungewissheiten im Tatsächlichen die Entscheidungsfindung unmöglich machen oder erschweren. Nach T. Sheplyakova, Prozeduralisierung des Rechts, in: dies., Prozeduralisierung (Fn. 1381), S. 1 (7), ist Prozeduralisierung das „Versprechen […], Steuerungsdefizite des materiellen Rechts, die bei komplexen Entscheidungsproblemen aufkommen, durch geeignete verfahrensrechtliche Mechanismen zu kompensieren“. 1383 Eingehende monographische Analyse prozeduraler Anforderungen an Legislativhandeln sowie ihrer Herleitbarkeit Wieckhorst, Grundrechtsschutz (Fn. 1328), S. 131 ff.; knapp zu den verfahrensrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes, insb. für das Verwaltungsverfahren E. Schmidt-­Aßmann, Der Verfahrensgedanke im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem / ders. / Voßkuhle, Grundlagen II (Fn. 807), § 27 Rn. 31 ff.; zur „Fruchtlosigkeit eines verallgemeinerbaren Konzepts von Grundrechtsschutz durch Organisation“ sowie eingehend zur Rezeptionsgeschichte M.  Roßbach / T.  Wischmeyer, Grundrechtsschutz durch Organisation: Das erste Fernsehurteil und das Hochschulurteil, in: D. Grimm (Hrsg.), Vorbereiter – Nachbereiter?, 2019, S. 193 (193 ff., Zitat auf S. 257). 1384 BVerfG, Urt. v. 09. 02. 2010 – 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175 (175 Ls. 3, 225) – HartzIV-Regelsatz. 1385 BVerfG, Beschl. v. 08. 02. 1983 – 1 BvL 20/81, BVerfGE 63, 131 (143). 1386 Entlehnt an „Vorposten der materiellen Grundrechtsposition“ bei B. Pieroth / B. Schlink u. a., Grundrechte, 31. Aufl. 2015, Rn. 107. 1387 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (22 Rn. 60) – Schulnetzplanung. 1388 ThürVerfGH, Urt. v. 21. 06. 2005 – VerfGH 28/03, NVwZ-RR 2005, 665 (671); jüngst der Vorlagebeschluss zum Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz des VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v.  13. 05. 2019  – 3  K  147/16.NW, BeckRS 2019, 12721 Rn. 62 ff.; aus dem Schrifttum Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060), S. 53 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

bietsreformen sind – praktisch in Rechtsprechung und im Schrifttum unumstritten – nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gemeinden zulässig1389. Staatliche Planungsentscheidungen, welche Planungsentscheidungen der Gemeinden tangieren, verlangen ebenfalls nach einer Anhörung der betroffenen Gemeinden1390. Die verfahrensrechtliche Ausprägung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist unentwirrbar sowohl mit der abwehrrechtlichen Dimension, wenn der Staat im engeren Sinne auf durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Garantieelemente zugreift, als auch mit der staatlichen Protektionspflicht, die Schutz vor Übergriffen von NichtBindungsadressaten verlangt, verbunden1391. Letzteres namentlich dadurch, dass der verfassungsgeforderte Schutz gerade durch ein bestimmtes Verfahren erreicht werden soll, indem zum Beispiel die übergriffige Gemeinde Nachbargemeinden in den Entscheidungsprozess einbeziehen muss, wenn Entscheidungsergebnisse möglich erscheinen, die sich auf Nachbargemeinden negativ auswirken können1392. Dem Gesetzgeber steht es damit zunächst frei, flankierend, d. h. in Ergänzung zu materiell-rechtlichen Bindungen, zur zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung verfahrensrechtliche Sicherungen in das Zwischengemeindeverhältnis einzuziehen1393. Dort, wo es ihm unmöglich ist, materielle Bindungen für einen wirksamen Schutz von Nachbargemeinden zu formulieren, d. h. das Handeln von Gemeinden an präzise, für eine Vielzahl von Fällen gültige Bedingungen zu binden, und das 1389

BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1978 – 2 BvR 165/75, BVerfGE 50, 50 (50 f.) – Laatzen, wobei das Gericht (auch) auf das Rechtstaatsprinzip abstellte; BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1979 – 2 BvL 6/76, BVerfGE 50, 195 (202) – Rheda-Wiedenbrück; BVerfG, Beschl. v. 12. 05. 1992 – 2 BvR 470/90 u. a., BVerfGE 86, 90 (107 f.); VerfGH NRW, Urt. v. 13. 09. 1975 – VerfGH 43/74, NJW 1976, 231 (231); ThürVerfGH, Urt. v. 28. 05. 1999, VerfGH 39/97, LKV 2000, 31 (31 Ls. 1, 31 f.); SächsVerfGH, Urt. v. 25. 09. 2008 – Vf. 54-VIII-08, NVwZ 2009, 39 (40); stellvertretend aus dem Schrifttum Seibert, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 1112), S. 41 ff.; gegen die „Hochstilisierung“ von Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 347. 1390 Zur Anhörungspflicht bei der Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den militärischen Flugplatz Memmingen BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (298 Ls. 3, 320 ff.) – Flugplatz Memmingen. 1391 Zur Verknüpfung staatlicher grundrechtlicher Schutzpflichten mit dem Verfahrensgedanken s. nur BVerfG, Beschl. v. 20. 12. 1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (59 f.) – MülheimKärlich; mehr zum „Querschnittscharakter“ von verfahrensrechtlichen Sicherungen als Ausdruck der Verfahrensdimension von Grundrechten sowie einer Erfüllungsmodalität staatlicher grundrechtlicher Schutzpflichten bereits Fn. 1328. 1392 Zur Unterscheidung des Grundrechtsschutzes durch und im Verfahren J. Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, 1984, S. 64 ff. („Grundrechtsschutz im Verfahren“), S. 68 ff. („Grundrechtsschutz durch Verfahren“); E. Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung durch Verfahren, Organisation und Finanzierung, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V1 (Fn. 1146), § 113 Rn. 5 ff.; beide aufgreifend E.  Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V3 (Fn. 24), § 109 Rn. 21. 1393 Prozedurale Regelungen übernehmen insoweit eine „dienende“, an der Durchsetzung materiellen Rechts ausgerichtete Funktion Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 100; kritisch zu der Beschreibung des Verfahrens als (bloß) „dienend“ Schmidt-Aßmann, Verfahrensgedanke (Fn. 1383), § 27 Rn. 64 f.; Schoch, Verwaltungskontrollen (Fn. 291), § 50 Rn. 298 ff.; grundlegend zum „Eigenwert des Verfahrens“ M. Fehling, Eigenwert des Verfahrens im Verwaltungsrecht, in: VVDStRL 70 (2011), S. 278 (280).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Handeln einem rechtlich determinierten Konfliktschlichtungsschema zuzuführen, kommt kompensatorisch der sichernde Effekt von Verfahrensregelungen zur Geltung. Das Bauplanungsrecht gibt dafür ein anschauliches Beispiel: Nur weil die Bebauungsplanung etwa eine bestimmte Lärmimmission verursachen wird, bedeutet dies nicht, dass die Planung per se zum Schutz der Nachbargemeinde unzulässig sein muss. Vielmehr hängt die Zulässigkeit von einer Vielzahl gemeindeindividueller Umstände ab, deren erschöpfende Auflistung sich einer abstrakt-generellen Normierung sperrt. Kommt es zu Defiziten im Schutz der Nachbargemeinden, weil sich das Handeln übergriffiger Gemeinden nicht ausreichend determinieren lässt, kommen verfahrensrechtliche Regelungen als Ausgleich für eine – gemessen am Maßstab der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht – zu geringe materielle Determinierung zum Zuge. Konkret kann der Gesetzgeber beispielsweise vorgelagerte Anhörungsrechte oder Beteiligungsrechte im Stile von § 4 BauGB von Nachbargemeinden gegenüber übergriffigen Gemeinden statuieren. Verfahrensrechtliche Regelungen als ein (notwendiger) Ausgleich für eine zu geringe, grundrechtlich problematische legislative Fremdsteuerung von Verwaltungshandeln sind seit langem anerkannt1394. Verfahrensrechtliche Regelungen sind in diesen Fällen, in denen es dem Gesetzgeber nicht gelingt, materielle Bindungen zu erlassen, nicht optionale Ergänzungen für den Gesetzgeber, sondern Kern des Konfliktschlichtungsregimes zum Schutz von Nachbargemeinden. Die Existenz formaler Sicherungen ist darauf angewiesen, dass der Gesetzgeber sie normiert. Der Mangel einer verfassungsunmittelbaren verfahrensrecht­lichen Einhegung des Zwischengemeindeverhältnisses resultiert aus der fehlenden zwischengemeindlichen Zielrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: Dort, wo ein Eingriff in das nachbargemeindliche Selbstverwaltungsrecht durch die handelnde Gemeinde nicht möglich ist, kommt auch der Gedanke der verfahrensrechtlichen Sicherung dieser materiellen Position nicht zum Tragen1395. Der Gesetzgeber darf 1394

Zur Funktion von Verfahrensregelungen als Ausgleich einer (zu) geringen materiell-rechtlichen Determinierung von Verwaltungshandeln F. Ossenbühl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, in: NVwZ 1982, S. 465 (466); R. Wahl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, in: VVDStRL 41 (1983), S. 151 (158 f.); Pitschas, Verwaltungsverantwortung (Fn. 905), S. 164 ff.; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 465 ff.; Calliess, Schutzpflichten (Fn. 1316), § 44 Rn. 27; M. Pöcker, Stasis und Wandel der Rechtsdogmatik, 2007, S. 35 ff., insb. S. 40 ff.; Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 100; Schmidt-Aßmann, Verfahrensgedanke (Fn. 1383), § 27 Rn. 59, 61, 64 f.; H. Pünder, Verwaltungsverfahren, in: Ehlers / ders., VwR AT (Fn. 288), § 13 Rn. 1; eingehend m. w. N. zur Kompensationsleistung von Verfahrensregelungen bei fehlenden materiellen Vorgaben und (zu) niedriger materiell-rechtlicher Regelungsdichte Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 217 ff. 1395 Anders BVerwG, Urt. v. 29. 05. 2019 – 10 C 6/18, BVerwGE 165, 381 (384 f. Rn. 14 ff.): Keine Verpflichtung des Kreises, die umlagepflichtigen Gemeinden vor der Entscheidung über die Höhe des Kreisumlagesatzes förmlich anzuhören. Anders als das BVerwG annimmt, folgt dies vermutlich bereits aus der fehlenden interkommunalen (da im Verhältnis Gemeinde – Kreis) Schutzrichtung von Art. 28 II 1 GG, wobei hier die interkommunale Schutzwirkung von Art. 28 II GG nicht weiter thematisiert wurde; jüngst BVerwG, Urt. v. 26. 05. 2020 – 8 C 20/19, NVwZ 2020, 1355 (1356).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

sich allerdings nicht darauf beschränken, nur Anhörungs- und Beteiligungspflichten übergriffiger Gemeinden ohne jegliche materiell-rechtlichen Bindungen zu statuieren. Der Schutz zugunsten der Nachbargemeinden ausschließlich durch bloße Formalsicherungen, die die handelnden Gemeinden erstens dazu verpflichten, den Nachbargemeinden die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben und zweitens, das Vorbringen bei ihren Entscheidungen ins Kalkül zu ziehen, ist nur schwach ausgeprägt. Die Anhörungspflicht als solche zum Beispiel kann die Gewichtigkeit der Interessen der Nachbargemeinden und die gegenläufigen Interessen der handelnden Gemeinden nicht abbilden. Die bloße Anhörungspflicht kann keine Auskunft darüber geben, wie eine Gemeinde mit dem durch die Anhörung generierten Wissen, dass ihre Planung etwa schwerwiegende Auswirkungen auf die nachbargemeindliche Einzelhandelsstruktur haben wird, sachgerecht umgeht. Selbst dort, wo verfassungsunmittelbare Anhörungs- oder Beteiligungspflichten existieren, ist die staatliche Exekutive oder die Legislative zugleich an Gemeinwohlerfordernisse gebunden, die ihre Entscheidung rechtfertigen können müssen1396. Anhörungspflichten als Ausprägung der verfahrensrechtlichen Dimension von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG können damit nur Determinierungsdefizite, nicht hingegen den totalen Ausfall materieller Determination kompensieren. Für die (sekundäre)  Protektionspflicht ist der Verfahrensgedanke ebenfalls teils flankierend, teils kompensierend bedeutsam: Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird in seiner verfahrensrechtlichen Ausprägung – zumeist nur mit Blick auf staatliche Eingriffe  – auch eine allgemeine Garantie eines effektiven Rechtsschutzes entnommen. Bethge etwa spricht sich dafür aus, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG eine verfahrensrechtliche Dimension kenne, welche die materielle Rechtsposition absichere und zugleich effektiven Rechtsschutz gegen staatliche Einmischung in die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung verlange1397. Anders als die (sekundäre) Protektionspflicht hat eine solche (verfahrensrechtliche) Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aber den Rechtsschutz gegen staatliche Einmischung vor Augen. Die (sekundäre) Protektionspflicht hingegen verlangt wirksamen Rechtsschutz gegen die Missachtung von Schutznormen. Dennoch ist der enge Zusammenhang zwischen verfahrensrechtlicher Dimension und der Garantie effektiven Rechtsschutzes des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG auf der einen, und der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht auf der anderen Seite, welche die effektive Durchsetzung von Schutznormen fordert, unverkennbar. Der Gesetzgeber muss als Folge des Bestehens einer (sekundären) Protektionspflicht 1396 Das gilt bspw. für die Gemeindegebietsreformen, die nur aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig sind, Nachweise s. Fn. 1389 und 1390. 1397 Vorwiegend auf die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes abstellend, als alternativen Begründungsweg zu Art. 19 IV GG Bethge, Aspekte (Fn. 938), S. 217 f.; für eine weitergehende verfahrensrechtliche Dimension von Art. 28 II 1 GG Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 137; für eine Übertragung des grundrechtlichen Verfahrensgedankens auf Art. 28 II 1 GG BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (155 f. Rn. 111 f.) – Optionskommune.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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den Nachbargemeinden (effektive) Durchsetzungsinstrumente verfügbar machen. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz drängt sich, wenn auch nicht als einziges, so doch als ein naheliegendes und praxiserprobtes Durchsetzungsinstrument auf. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist durch seine triadische Struktur und durch die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richter gesicherte Neutralität eine geeignete Schlichtungsinstanz für Konflikte jedweder Art1398. Da Verwaltungsgerichtskontrolle im Ausgangspunkt unzweifelhaft Rechtskontrolle ist, muss der Gesetzgeber zum Schutz von Gemeinden eine ausreichende Regelungsdichte (Fremdprogrammierung) bei der Umsetzung und Normierung seines Schutzkonzepts vorhalten, damit den Gerichten Kontrollmaßstäbe zur Überprüfung des Handelns von störenden Gemeinden zur Verfügung stehen. Die sekundäre Protektionspflicht wirkt damit gewissermaßen auf die primäre Protektionspflicht zurück. Nichts anderes ist mit dem Ausdruck eines legislativen Rechtswidrigkeitsurteils gemeint1399. Ist der Gesetzgeber aus regelungspraktischen Gründen realiter daran gehindert, ein präzises Fremdsteuerungsprogramm zu formulieren, gelingt die Kompensation von Determinierungsdefiziten nur, wenn die Verfahrensregelungen selbst einen gerichtskontrollfähigen Maßstab bilden und uneingeschränkt gerichtlich kontrollierbar sind1400. Zugleich muss er – vorbehaltlich anderer Durchsetzungsinstrumente – diese für Nachbargemeinden kontrollfähig machen, indem er ihnen durch die Verleihung einer wehrfähigen Rechtsposition im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, § 47 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO die Initiative verwaltungsgericht­lichen

1398 Treffend formuliert M.  Shapiro, The Logic of the Triad, in: R. M.  Cover / O. M.  Fiss /  J. Resnik (Hrsg.), Procedure, New York 1988, S. 1232 (1232): „Cutting quite across cultural lines, it appears that where two persons come into a conflict that they cannot resolve themselves, one solution appealing to common sense is to call upon a third for assistance in achieving a resolution. So universal across both time and space is this simple social invention of triads that we can discover in almost no society that fails to employ it. And from its overwhelming appeal to common sense stems the basic political legitimacy in courts everywhere.“ 1399 Die primäre und die sekundäre Protektionspflicht greifen ineinander: Ein wirksames Durchsetzungsinstrument von Schutznormen steht in Abhängigkeit davon, dass die relevanten Schutznormen so ausgestaltet sind, dass die mit der Durchsetzung beauftragten Instanzen das legislative Konfliktschlichtungsprogramm nachvollziehen können. Es wäre wenig gewonnen, wenn zwar Gerichte als Durchsetzungsinstrument bereitstünden, die Maßstäbe, anhand derer die Gerichte übergriffiges gemeindliches Handeln kontrollieren sollen, jedoch derart unpräzise wären, dass die Schutzmaßnahmen wirkungslos blieben. 1400 Fehling, Eigenwert (Fn. 1393), S. 289: „Je großzügiger Entscheidungsspielräume der Verwaltung anerkannt werden, desto weniger dürfen Verfahrensfehler folgenlos bleiben.“; treffend formuliert auch von Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 100: „Gerade bei Ermächtigungen zu diskretionärem Verwaltungshandeln ist das Verfahren als Qualitätsgarant der Optionenwahl [Kursivierungen ausgelassen, M. J.] einsetzbar und unverzichtbar. Allerdings ist es in einem sozialen Rechtsstaat wichtig, die Beachtung von Verfahrensanforderungen selbst der gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen, und zwar auch und gerade insoweit, als die Verwaltung in einem Optionenraum mit Letztentscheidungskompetenz handelt“; diese Sentenz aufgreifend zur Kompensationsfunktion von Verfahrensregelungen bei Rechtsschutz- und weniger Determinierungsdefiziten Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 248 f.

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Rechtsschutzes gestattet1401. Verwaltungsgerichtskontrolle betrifft nicht nur die Fremdprogrammierungsanteile. Verwaltungsgerichte sind im Grundsatz auch dazu ermächtigt, ihre Programmierung an die Stelle der Programmierung durch die Gemeinde zu setzen. Der Gesetzgeber kann Gerichten die Ersetzung von Selbstprogrammierungsanteilen durch die Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen an die kontrollierten Gemeinden abschneiden. Gleiches gilt selbstredend auch dort, wo zwar rechtliche Maßstäbe existieren, der Gesetzgeber die Kontrolle dieser Maßstäbe aber etwa durch Präklusionsregelungen, Unbeachtlichkeitsregelungen oder den Verzicht auf die (subjektive) Rügefähigkeit des Rechtsverstoßes als Erscheinungen (echter) Kontrolldichtenreduktionen einschränkt1402. Der Verzicht auf normative Fremdprogrammierung übergriffigen gemeindlichen Handelns und die gleichzeitige Zuweisung gemeindlicher Letztentscheidungsbefugnisse bei der Ausfüllung des rechtlich indeterminierten Handlungsbereichs bewirkt die verwaltungsgerichtliche Unkontrollierbarkeit gemeindlichen Handelns. Für die legislative Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen übergriffiger Gemeinden und die damit bewirkte Einschränkung ihrer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle bildet die verfassungsrechtliche Protektionspflicht aus der Sicht der Nachbargemeinden den richtigen Verfassungsmaßstab. Man könnte dem Gesetzgeber zwar auf den ersten Blick ebenso vorwerfen, dass er mit der Zuweisung von normativen Letztentscheidungsbefugnissen an die übergriffigen Gemeinden selbst abwehrrechtlich rechtfertigungsbedürftig die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der (schutzbedürftigen) Nachbargemeinden beeinträchtigt. Die „Zuweisung“ von Letztentscheidungsbefugnissen oder die „Ermächtigung“ zu gemeindlicher Letztentscheidung deutet auf ein aktives, am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abwehrrechtlich rechtfertigungsbedürftiges Tun des Gesetzgebers hin. Allerdings sind die störenden Gemeinden selbst nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden. Der Gesetzgeber versagt mit der Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen 1401 Zur (ausnahmsweisen) Klagebefugnis i. S. v. § 42 II VwGO bei Verstößen gegen Verfahrensregelungen stellvertretend aus der Kommentarliteratur Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 72 ff.; T. Schmitt-Kötters, in: Posser / Wolff, BeckOK VwGO (Fn. 316), § 42 Rn. 195 ff.; aus dem Schrifttum Schoch, Verwaltungskontrollen (Fn. 291), § 50 Rn. 170 ff., 304; J.  Held, Individualschutz bei fehlerhaftem Verwaltungsverfahren, in: NVwZ 2012, S. 461 (463 ff.); teils kritisch gegenüber der restriktiven Rspr. Scherzberg, Rechte (Fn. 288), § 12 Rn. 24 ff.; unlängst betont erneut vom BVerwG, Beschl. v. 29. 12. 2010 – 7 B 6/10, NVwZ 2011, 429 (431 Rn. 27). – Verfahrensregelungen, welche eine selbstständig verwaltungsgerichtlich durchsetzbare Rechtsposition vermitteln, anerkannte das BVerwG etwa bei Beteiligungsrechten von Gemeinden im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren, d. h. im Verhältnis Staat  – Gemeinde s. BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988 – 4 C 40/86, BVerwGE 81, 95 (106): „Das den Gemeinden in einem luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren zustehende formelle [Kursivierung auch im Original, M. J.] Recht auf Beteiligung räumt ihnen in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition ein, sei es im Sinne eines Anspruchs auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt, sei es im Sinne eines Anspruchs auf ordnungsgemäße Beteiligung an einem anderweitig eingeleiteten Verwaltungsverfahren“. 1402 Als Erscheinungsformen der Einschränkung gerichtlichen Rechtsschutzes s. auch Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 227.

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an sich Nachbargemeinden mehr effektiven Schutz vor Übergriffen von Nicht(Verpflichtungs-)Adressaten auf verfassungskräftig geschützte Positionen. Er beeinträchtigt nicht selbst die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung von Nachbargemeinden. Bei der Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen im Verhältnis Staat – Bürger verhält es sich dagegen anders: Indem der Gesetzgeber effektiven Rechtsschutz vorenthält, weil er der Verwaltung administrative Letztentscheidungsbefugnisse einräumt, perpetuiert der Gesetzgeber den administrativen Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich. Auch solche Akte sind belastend, welche zwar die Fremdprogrammierungsanteile wahren, jedoch in ihrem autonom determinierten Bereich ein grundrechtlich geschütztes Verhalten grundrechtsrelevant beeinträchtigen1403. Er greift in dieser Konstellation mehr ein, als dass er effektiven Schutz vor Übergriffen vorenthält. Die Protektionspflicht zugunsten von Nachbargemeinden begrenzt den Gesetzgeber somit erstens darin, auf die rechtliche Determinierung übergriffigen gemeindlichen Handelns, welche zum Schutz von Nachbargemeinden notwendig ist, zu verzichten oder diese nur unzureichend präzise zu formulieren. Zweitens schränkt ihn die Protektionspflicht in der Zuweisung von gerichtskontrollfreien Gestaltungsspielräumen störender Gemeinden und der normativen Ermächtigung zur Letztentscheidung bei übergriffigem Handeln ein. Dem Gesetzgeber ist es ferner verboten, die Gerichtskontrolle zu reduzieren, obwohl rechtliche Maßstäbe vorhanden sind ([echte] Kontrolldichtenreduktionen). Weist der Gesetzgeber Letztentscheidungsbefugnisse zu, muss er zumindest aus der Sicht schutzbedürftiger Nachbargemeinden behutsam und sparsam vorgehen. Gelegentlich muss der Gesetzgeber übergriffigen Gemeinden Letztentscheidungsbefugnisse vorhalten, denn er ist bei zwischengemeindlichen Konflikten nicht nur dem Einfluss der Protektionspflicht zugunsten von Nachbargemeinden ausgesetzt1404. Die Folge der verfassungsrechtlichen Grenze bei der Zuweisung von judikativen Letztentscheidungsbefugnissen im Verhältnis von übergriffigen Gemeinden ist, dass es aus der Sicht der Protektionspflicht zu Rechtsschutzdefiziten betroffener Nachbargemeinden kommen kann. Haben Gerichte keine Letztentscheidungsbefugnis, so liegt diese bei den übergriffigen Gemeinden selbst. Der Gesetzgeber kann Rechtsschutzdefizite, die auf der normativen Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen beruhen, auch durch verfahrens- und organisationsrechtliche Regelungen ausgleichen1405. Er nimmt potentiell übergriffigen Gemeinden auf diese 1403 Für das Verhältnis Staat – Bürger ist zu Recht (wohl) ein abwehrrechtlicher, an der Idee Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren orientierter Zugriff auf die Verfassungsmäßigkeit administrativer Letztentscheidungsbefugnisse verbreiteter s. Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 154 ff., insb. S. 159 ff.; dazu bereits mit weiteren Nachweisen Fn. 938. 1404 Ausführlicher dazu 3.  Teil B. II. 2. a) aa) (3) (i) (S. 462 ff.). 1405 Verfahrensregelungen können einerseits eine zu geringe materiell-rechtliche Fremdsteuerung ausgleichen, andererseits aber auch zur Kompensation von Rechtsschutzdefiziten infolge der Zuweisung normativer Letztentscheidungsbefugnisse dienen, dazu andeutungsweise Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 100; ausführlicher erneut Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 226 ff., insb. S. 241 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Weise nicht jeglichen Raum eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung. Zur selben Zeit bietet er Nachbargemeinden einen Ausgleich für eine nur eingeschränkte Verwaltungsgerichtskontrolle, indem er solche Defizite durch besondere verfahrensrechtliche Regelungen zum Schutz von Nachbargemeinden kompensiert. Verfahrensrechtliche Regelungen bilden ein probates Mittel für den Gesetzgeber, in dem Spannungsfeld zwischen effektivem Rechtsschutz von Nachbargemeinden auf der einen, der Zuweisung von (verfassungsgeforderten) Letztentscheidungsbefugnissen auf der anderen Seite, einen verfassungsverträglichen Ausgleich zu finden. Versteht man das Recht auf effektiven Rechtsschutz ohnehin mehr als eine Querschnittsdimension von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, die sowohl der Protektionspflicht als auch der Verfahrensdimension von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zugeordnet werden kann, fügt sich eine verfahrensrechtliche Kompensation von (verfassungsnotwendigen) Rechtsschutzdefiziten von Nachbargemeinden als ein Baustein in das durch die Protektionspflicht verfassungsgeforderte legislative Schutzprogramm ein. (3) Verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für den Erlass von Schutznormen – Relationalitäten Die Gesetzgeber müssen die Nachbargemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden schützen. Sie sind aber erstens auf solche Schutzmaßnahmen beschränkt, für die sie zuständig sind und für deren Erlass sie über eine Kompetenz verfügen1406. Zweitens sind ihnen solche Schutzmaßnahmen nur gestattet, wenn sie die materiell-rechtlichen Bindungen der Verfassung beachten, insbesondere die sich aus den Rechtspositionen der störenden Gemeinden ergebenden Bindungen1407. (a) Formelle Verfassungsbindungen Die Gesetzgeber können ihren Schutzaufgaben durch den Erlass von Regelungen nur dann nachkommen, wenn sie (gesetzgebungs-)kompetent sind. Das gilt besonders dort, wo mit ihren Schutzmaßnahmen Beeinträchtigungen fremder Rechte verbunden sind. Allein das Bestehen einer Protektionspflicht verleiht ihnen keinen Kompetenztitel1408. Eine Bundeskompetenz für die Reglementierung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts besteht nur ausnahmsweise1409. Da dem Gesetzgeber 1406

Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 277 ff. Hierzu und zum Vorhergehenden zu grundrechtlichen Schutzpflichten Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 280, insb. zur Position des Störers Rn. 316 ff. 1408 Zur Schutzpflicht Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 277. 1409 Zu der Gesetzgebungskompetenz des Bundes BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (310 f.) – Flugplatz Memmingen; F. Schoch, Verfassungsrecht­ licher Schutz der kommunalen Finanzautonomie, 1997, S. 113 f. – Art. 84 I 7 GG steht dem nicht entgegen, überträgt der Bund den Gemeinden doch keine neuen Aufgaben s. jüngst zu Art. 84 I 7 GG BVerfG, Beschl. v. 07. 07. 2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310 (310 Ls. 2, 347 ff. Rn. 83 ff.). 1407

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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nach Art. 70, 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 18 Var. 2 GG die Gesetzgebungskompetenz zum Beispiel für das Bodenrecht zukommt, kann er, wenn er seinen Schutzauftrag durch Reglementierung der Bauleitplanung zu erfüllen gedenkt, alle Gemeinden in die Pflicht nehmen. Er ist nicht darauf beschränkt, nur Gemeinden bestimmter Länder zum Adressaten seiner Schutzmaßnahmen zu machen. Landesgesetzgeber dürfen nur solche Schutzmaßnahmen erlassen, für die sie gesetzgebungskompetent sind. Möchte ein Landesgesetzgeber den übergriffigen Gemeinden bestimmte Pflichten auferlegen, dann kann er nur die eigenen Gemeinden verpflichten. Kompetentiell unbedenklich ist es folglich nur, wenn der Landesgesetzgeber die Gemeinden anderer Länder vor übergriffigen eigenen Gemeinden schützt, indem er die eigenen Gemeinden reglementiert1410. (b) Ambivalente Wirkweise gesetzlicher Schutzmaßnahmen im gemeindenachbarlichen Verhältnis Mit dem Schutz der Nachbargemeinden durch legislative Intervention gehen oft Nachteile für die von der Schutzmaßnahme betroffenen, störenden Gemeinden einher. Zum Schutz der Gruppe von Nachbargemeinden reglementiert der Gesetzgeber die störenden Gemeinden in der Art und Weise der (eigenverantwortlichen) Aufgabenwahrnehmung. Das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für schützende gesetzliche Regelungen kann wegen ihrer ambivalenten Wirkweise nur relational vermessen werden1411: Was darf der Gesetzgeber im Verhältnis zu wem? Je nachdem, ob man auf die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gemeinden schaut, zu deren Schutz der Gesetzgeber eine Regelung erlässt, oder ob man auf 1410

Das gemeindewirtschaftliche Schrifttum diskutiert, ob die Expansionsklauseln etwa im Stile des § 107 III 1 GO NRW Gemeinden eine Wirtschaftsbetätigung in anderen Ländern gestatten dürfen oder ob dem Landesgesetzgeber dafür die notwendige Gesetzgebungskompetenz fehlt Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 401 f. Richtig ist, dass der Landesgesetzgeber nur eine überörtliche außergebietliche Betätigung für eigene Gemeinden und nicht für Gemeinden fremder Länder gestatten darf, dazu eingehender unter 3. Teil B. II. 2. b) bb) (3) (a) (S. 492 ff.). Allerdings beschränkt sich der Regelungsgehalt von Regelungen im Stile von § 107 III 1 GO NRW nicht auf eine erweiternde Dimension. Mit § 107 III 1 GO NRW kommt der Gesetzgeber z. T. seinem Schutzauftrag nach. Art. 28 II 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber zum Schutz bundeslandfremder Gemeinden. Relevant wird dies in Grenzgebieten. Der Landesgesetzgeber ist jedoch darauf beschränkt, zum Schutz bundeslandfremder Gemeinden nur eigene Gemeinden zu reglementieren; nur für eigene Gemeinden verfügt er über die notwendige Gesetzgebungskompetenz; dazu bereits 2.  Teil A. II. 2. b) aa) (1) (S. 213 ff.). 1411 Insistierend im Bereich grundrechtlicher Schutzpflichten Calliess, Schutzpflichten (Fn. 1316), § 44 Rn. 29 ff.: „Schon aus dem Denken im mehrpoligen Verfassungsrechtsverhältnis ergibt sich, daß grundrechtliche Abwehrdimension und grundrechtliche Schutzdimension (außerhalb rein bipolarer Verfassungsrechtsverhältnisse)  untrennbar zusammenhängen. Die jeweilige Reichweite von Abwehrrecht und Schutzpflicht läßt sich vor diesem Hintergrund konkret nur anhand der Vorgaben des mehrpoligen Verfassungsrechtsverhältnisses [Kursivierung nicht im Original, M. J.], und dort im Rahmen einer mehrpoligen Verhältnismäßigkeitsprüfung samt Abwägung bestimmen.“; schon zuvor Calliess, Rechtsstaat (Fn. 1394), S. 451 ff., insb. S. 577 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

die Garantie der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung derjenigen Gruppe von Gemeinden blickt, deren Handlungen der Gesetzgeber zum Schutz anderer Gemeinden reglementiert, ergeben sich unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen an die gesetzlichen Regelungen. Über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Legislativhandelns und den Umfang des Gestaltungsspielraums kann aus diesem Grund nur in der Zusammenschau der beiden verfassungsrechtlichen Perspektiven befunden werden1412. Nur für den Bereich, der zwischen beiden Polen liegt, ist der dem Gesetzgeber verbleibende Gestaltungsspielraum zu verorten. Obwohl sich das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für den Gesetzgeber im Ergebnis nur in der Zusammenschau beider Perspektiven bestimmen lässt, darf man nicht darauf verzichten, die untere Grenze und die obere Grenze des gesetzgeberischen Spielraums getrennt voneinander zu bestimmen. Was der Gesetzgeber nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mindestens zum Schutz von Gemeinden tun muss, ist nicht identisch mit dem, was der Gesetzgeber maximal zum Schutz von Gemeinden tun darf. Erlässt der Gesetzgeber Schutznormen zugunsten von Nachbargemeinden, mit deren Erlass zugleich ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht anderer Gemeinden einhergeht, ist er aus Sicht der Nachbargemeinden an das Untermaßverbot, aus Sicht der reglementierten Gemeinden an das Übermaßverbot und / oder die Maßstäbe der Randbereichslehre gebunden1413. Sowohl bei der Bestimmung der unteren Grenze als auch der oberen Grenze zulässiger Schutzmaßnahmen bilden zwar die gegenläufigen Selbstverwaltungsrechte für die Anwendung des Unter- und des Übermaßverbots wichtige (Abwägungs-)Kriterien für die Grenzbestimmung nach unten und oben1414. Die Untergrenze und die Obergrenze des Schutzes, welche der 1412 Im Bereich der Grundrechte konstatiert Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 422 ff., Zitat auf S. 422, zutreffend, dass „Schutzpflichten möglichst weitgehenden Schutz relativ auf die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten“ fordern. Welches Anforderungsprofil für schützende staatliche Maßnahmen in concreto gilt, kann daher nur dann beantwortet werden, wenn man die unterschiedlichen Mittel, die unterschiedlichen Effektivitätsgrade der Mittel sowie ihre Auswirkungen auf gegenläufige Prinzipien, sowie das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, in Beziehung zueinander setzt. 1413 Zu den Grundrechten C.-W. Canaris, Grundrechtswirkungen und Verhältnismäßigkeitsprinzip in der richterlichen Anwendung und Fortbildung des Privatrechts, in: JuS 1989, S. 161 (163 f.); Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 20: „Vielmehr ist folgerichtig beides [Kursivierung auch im Original, M. J.] zu prüfen: Zum einen, ob der Eingriff in die Grundrechte der einen Seite diese in einer Weise belastet, die gegen das ‚Übermaßverbot‘ verstößt, und zum anderen, ob das Gesetz etwa hinter jenem Minimum zurückbleibt, welches die Verfassung zum Schutz der anderen Partei gebietet. Dazwischen liegt i. d. R. ein breiter Spielraum, in welchem die Lösung verfassungsrechtlich nicht determiniert ist und dessen Ausfüllung daher allein dem einfachen Recht überlassen bleibt.“; zum Untermaßverbot als Operationalisierung der Ermittlung des Mindestschutzniveaus eingehender 3.  Teil B. II. 2. a) aa) (3) (b) und (c) (S. 437 ff.). 1414 Zum Zusammenhang von Abwehr- und Schutzfunktion bei den Grundrechten auf Ebene der Rechtfertigung zutreffend H. D.  Jarass, Die Grundrechte: Abwehrrechte und objektive Grundsatznormen, in: Badura / Dreier, Festschrift BVerfG II (Fn. 575), S. 35 (43). Greift ein Akt öffentlicher Gewalt in ein Grundrecht ein, ist der Eingriff verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn er unter anderem nicht unverhältnismäßig ist. Über die Verhältnismäßig-

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Gesetzgeber nicht unter- bzw. überschreiten darf, fallen trotz der Einbeziehung gegenläufiger Interessen in die Abwägung des Unter- und Übermaßverbotes nicht in Eins1415. Es sind Regelungen denkbar, mit denen der Gesetzgeber mehr als nur ein Mindestschutzniveau sicherstellt und damit dem Untermaßverbot Rechnung trägt, ohne mit solchen, das Mindestschutzniveau überschießenden Regelungen, zugleich das Übermaßverbot aus der Perspektive der reglementierten Gemeinden zu überschreiten. Der Gesetzgeber verletzt aus der Perspektive der reglementierten übergriffigen Gemeinden nicht das Übermaßverbot, wenn er Regelungen erlässt, die gerade noch dem Mindestschutzniveau entsprechen, das er der Gruppe von Nachbargemeinden verfassungsrechtlich schuldet. Dafür spricht, dass bei der Bestimmung des Mindestschutzniveaus gegenläufige Interessen bereits Berücksichtigung fanden. Ist die Regelung rechtfertigungsfrei, geht also mit ihr kein Eingriff in Selbstverwaltungsrechte einer bestimmten Gruppe von Gemeinden einher, stellt sich das Problem einer etwaigen Kongruenz von Unter- und Übermaßverbot nicht1416. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen arbeitet die Untersuchung im Weiteren zuerst separat die verfassungsrechtlichen Anforderungsprofile heraus, die je aus Sicht der Nachbargemeinden oder der störenden Gemeinden für Schutzmaßnahmen gelten.

keitsprüfung fließen über das Kriterium des verfassungslegitimen Zwecks und der Angemessenheit der Maßnahme andere grundrechtliche Positionen in die Abwägungsentscheidung mit ein. Obwohl also die Verfassungsmäßigkeit eines Aktes öffentlicher Gewalt einseitig aus der Perspektive desjenigen Grundrechtsträgers beurteilt werden soll, in dessen Grundrecht eingegriffen wird, spielen Grundrechte anderer eine gewichtige Rolle bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsfähigkeit des Eingriffs Jarass, Grundrechte (Fn. 1414), S. 40; B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: Badura / Dreier, Festschrift BVerfG II (Fn. 575), S. 445 (450); I­ sensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 101, 280; M. Cornils, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: J.  Isensee / P.  Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 168 Rn. 88; M. Sachs, in: ders., GG (Fn. 289), Vor Art. 1 Rn. 129. Ähnlich ist dies bei dem Untermaßverbot: Das Untermaßverbot soll einer ähnlichen Struktur wie der des Übermaßverbots oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes folgen. Grundrechtliche Positionen anderer spielen bei der Prüfung der Angemessenheit der Schutzmaßnahme eine Rolle. Sowohl für das Übermaßverbot als auch für das Untermaßverbot müssen Recht und Gegenrecht zuei­nander in Verhältnis gesetzt werden, vgl. sowohl zum Über- als auch Untermaßverbot L. ­Michael, s. v. Verhältnismäßigkeit, in: Heun u. a., EvStL (Fn. 278), Sp. 2571 (2575 f.). 1415 Zutreffend von keiner Kongruenz der „Minimalgarantie der Schutzpflicht und der Maximalgarantie der Eingriffsabwehr“ gehen bei (grundrechtlichen) Schutzpflichten aus Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 304; Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 344 ff.; W.  Schmidt-Glaeser, Folter als Mittel staatlicher Schutzpflicht?, in: Depenheuer u. a., Staat (Fn. 52), S. 507 (519); C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, 2014, S. 393 ff.; zuvor schon Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 20, 83 ff.; von einer Kongruenz geht dagegen z. B. aus K.-E. Hain, Der Gesetzgeber in der Klemme zwischen Übermaß- und Untermaßverbot?, in: DVBl. 1993, S. 982 (983). 1416 Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 344.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

(c) Verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für Schutzmaßnahmen aus Sicht von Nachbargemeinden Die Protektionspflicht richtet sich im Ausgangspunkt gegen staatliche Inaktivität. Der Gesetzgeber muss dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Protektionspflicht erfüllt sind, das heißt ein Übergriff auf den Schutzgegenstand vorliegt, vor Übergriffen schützen. Über den konkreten Umfang des zu gewährenden Schutzes ist damit noch keine Aussage getroffen. Unter welchen Voraussetzungen darf der Gesetzgeber, obwohl die Tatbestandsvoraussetzungen der Protektionspflicht erfüllt sind, gänzlich inaktiv bleiben, ohne Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner Dimension als Protektionspflicht zu verletzen? Welchen Anforderungen müssen gesetzliche Regelungen aus Sicht der zu schützenden Gruppe von Nachbargemeinden genügen, mit denen der Gesetzgeber Nachbargemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden zu schützen gedenkt? Die konkreten verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG in seiner Dimension als Protektionspflicht aufrichtet, sind ungleich schwieriger zu benennen als das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner Dimension als Abwehrrecht1417. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Protektionspflicht erfüllt, hat der Gesetzgeber bei der Wahl der konkreten Schutzvorkehrung einen weiten Spielraum; doch auch dieser Spielraum hat Grenzen. Der Gesetzgeber muss Gemeinden einen angemessenen Schutz vor Übergriffen anderer Gemeinden bieten, der einen gewissen Mindeststandard erreicht. Der Gesetzgeber kann nur abstrakt-generell agieren. Daher kommt es darauf an, ob er bei einer gruppenbezogenen Betrachtung ausreichend Schutz vor Übergriffen auf die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe von Nachbargemeinden bietet. Ob der Gesetzgeber mit einer Regelung das Mindestschutzniveau erreicht, hängt unter anderem von der Art und der Schwere des Übergriffs ab. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich eher dazu verpflichtet, Schutzvorkehrungen zu treffen, wenn die Auswirkungen auf Nachbargemeinden (besonders) schwerwiegend sind. Anders als für die Bestimmung der Zulässigkeitsgrenze von maximal zulässigen Eingriffen in die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung, fehlt es – ungeachtet der auch für Eingriffe bestehenden Unsicherheiten bei der Strukturierung der Prüfung der Rechtfertigung (Unterscheidung nach Kern- und Randbereich und / oder Verhältnismäßigkeit) – an einer Dogmatik, mit deren Hilfe die Einhaltung des Mindestschutzniveaus operationalisiert werden kann. Der Mangel einer solchen Dogmatik hängt damit zusammen, dass die Protektionspflicht bislang eher wenig Beachtung in den Rechtswissenschaften fand. Die Dogmatik zu den Grundrechten in ihrer abwehrrechtlichen Dimension ist heute ohne die Schranken-Schranke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes undenk-

1417

Im Bereich grundrechtlicher Schutzpflichten W. Cremer, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der grundrechtlichen Schutzpflicht, in: DÖV 2008, S. 102 (104).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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bar1418. Im Bereich der grundrechtlichen Schutzpflichten fehlt es – wenn auch nicht völlig – wohl nach wie vor an einer mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vergleichbar ausgearbeiteten (Bereichs-)Dogmatik. Mit der zweiten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch trat das sog. Untermaßverbot in helleres Licht1419. Das Untermaßverbot erfuhr im verfassungsrechtlichen Schrifttum eine breite Resonanz1420. Die Bezeichnung Untermaßverbot legt eine parallele Strukturierung zum Übermaßverbot bzw. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nahe1421. Die einzelnen Voraussetzungen des Untermaßverbotes sind nach wie vor eher blass geblieben; gänzlich unumstritten waren sie nie1422. Ob die strukturelle Anleihe des Unter- am Übermaßverbot im Detail für die Grundrechte überzeugt, braucht die Untersuchung nicht zu entscheiden. Für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gilt aus Sicht der von den Übergriffen betroffenen Gemeinden, dass der Gesetzgeber erstens überhaupt Schutzmaßnahmen ergreifen muss. Diese Schutzmaßnahmen müssen zweitens dazu geeignet sein, Nachbargemeinden vor Übergriffen von nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebundenen Akteuren zu schützen. Um die Geeignetheit der Schutzmaßnahme beurteilen zu können, ist eine Prognoseentscheidung des Gesetzgebers notwendig. Der Gesetzgeber muss Regelungen treffen, die effektiv dazu beitragen, dass die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung von Nachbargemeinden nicht durch fremdgemeindliche Aktivitäten behindert wird. Ob der Gesetzgeber seinem Auftrag nachgekommen ist, ein Mindestmaß an Schutz von Nachbargemeinden vor übergriffigem Handeln anderer Gemeinden zu organisieren, darf nicht auf Grundlage von Einzelmaßnahmen 1418

Nicht zu Unrecht bezeichnet Schlink, Verhältnismäßigkeit (Fn. 1414), S. 445, die Rspr. des BVerfG zu den Grundrechten als „Verhältnismäßigkeitsrechtsprechung“. 1419 Erstmals vom Untermaßverbot sprach wohl Canaris in einer Abhandlung zu den Wirkungen der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis s. Canaris, Grundrechte 1984 (Fn. 1298), S. 228; Selbstzuschreibung des Ausdrucks Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 39; dagegen schreibt den Ausdruck O. Klein, Das Untermaßverbot, in: JuS 2006, S. 960 (961 Fn. 22), Schuppert zu; G. F. Schuppert, Redebeitrag in der Aussprache zum zweiten Beratungsgegenstand, in: VVDStRL 39 (1981), S. 193, gebrauchte den Ausdruck bereits 1980. 1420 BVerfG, Beschl. v. 28. 05. 1993 – 2 BvF 2/90 u. a., BVerfGE 88, 203 (203 Ls. 6, 254) – Schwangerschaftsabbruch II; BVerfG, Beschl. v. 22. 10. 1997 – 1 BvR 479/92, 307/94, BVerfGE 96, 409 (412); aus dem Schrifttum Hesse, Kontrolle (Fn. 1222), S. 543 ff.; D. Merten, Grundrechtliche Schutzpflichten und Untermaßverbot, in: K.  Stern / K.  Grupp (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Joachim Burmeister, 2005, S. 227 (227 ff.); Cremer, Verhältnismäßigkeitsprüfung (Fn. 1417), S. 102 ff.; Calliess, Schutzpflichten (Fn. 1316), § 44 Rn. 6; monographisch L. P. Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009; der Figur des Untermaßverbots eher ablehnend gegenüber eingestellt E. Denninger, Vom Elend des Gesetzgebers zwischen Übermaßverbot und Untermaßverbot, in: Däubler-Gmelin, Gegenrede (Fn. 1222), S. 561 (565 ff.). 1421 Calliess, Rechtsstaat (Fn. 1394), S. 574 ff.; aus der Ausbildungsliteratur Klein, Untermaßverbot (Fn. 1419), S. 960 ff.; D.  Merten, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, in: ders. / Papier, HGR III (Fn. 77), § 68 Rn. 81 ff. 1422 Sich eingehend mit der Feinstruktur des Untermaßverbots auseinandersetzend Calliess, Schutzpflichten (Fn. 1316), § 44 Rn. 31 ff.; Cremer, Verhältnismäßigkeitsprüfung (Fn. 1417), S. 102 ff.; gegen eine dreischrittige Struktur in Anlehnung an die Prüfung des Übermaßverbots Störring, Untermaßverbot (Fn. 1420), S. 204 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

beurteilt werden. Vielmehr ist das legislative Schutzprogramm insgesamt in den Blick zu nehmen. Erreicht der Gesetzgeber ein ausreichendes Schutzniveau? Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, können etwa Defizite in der materiell-rechtlichen Determinierungsdichte übergriffigen gemeindlichen Handelns oder Rechtsschutzdefizite durch die Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen ausgeglichen werden, die auf den ersten Blick vor der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht durchaus problematisch erscheinen mögen. Das Mindestschutzniveau unterschreitet der Gesetzgeber nur dann, wenn auch mitbedachte Kompensationsmaßnahmen nicht dazu beitragen, dass die Gesamtheit des gesetzgeberischen Schutzprogramms (Nachbar-)Gemeinden hinreichend effektiv schützt.

(d) Verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für Schutzmaßnahmen aus Sicht von übergriffigen Gemeinden Nur wenn der Gesetzgeber zum Schutz von Nachbargemeinden aktiv wurde, kommt die Frage auf, welches verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für Schutznormen gilt und ob sich der Gesetzgeber womöglich für ihren Erlass verfassungsrechtlich rechtfertigen muss. Gesetzgeberische Inaktivität bleibt aus Sicht der störenden Gemeinden, nicht hingegen aus Sicht der schutzbedürftigen Nachbargemeinden folgenlos, weil der Gesetzgeber keine Regelungen erlassen hat, die die übergriffigen Gemeinden in irgendeiner Form in ihren Selbstverwaltungsrechten beeinträchtigen können. Etwas anderes gilt dann, wenn der Gesetzgeber Maßnahmen ergreift, um seiner Protektionspflicht nachzukommen. Diese Maßnahmen werfen aus Sicht der übergriffigen Gemeinden Fragen ihrer verfassungsrechtlichen Grenzen auf. Da der Entzug der Aufgabenzuständigkeit für die Gruppe der übergriffigen Gemeinden von vornherein sachunangemessen erscheint, um den Schutz vor Nachbargemeinden zu bewerkstelligen, konzentriert sich die Untersuchung auf das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für gesetzgeberische Einwirkungen auf die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung. Je nachdem, in welcher Form der Gesetzgeber den Schutz von Nachbargemeinden abstrakt-generell organisiert und welche Schutznormen er erlässt, können die Art und die Intensität der verfassungsrechtlichen Bindungen sowie das konkrete verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für die Schutznormen variieren. Gemeinsame Basis des verfassungsrechtlichen Anforderungsprofils für die gesetzlichen Schutznormen aus der Sicht der Gruppe der störenden Gemeinden könnte die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsbedürftigkeit am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Ausprägung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie sein. Unabhängig davon, welche Anforderungen mit dieser Rechtfertigungsbedürftigkeit im Detail einhergehen, würde dies bedeuten, dass jede gesetzliche Schutzmaßnahme in diesem Sinne eine verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige Verkürzung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist, die spezifische Rechtfertigungslasten des Gesetzgebers auslöst. Der Gesetzgeber müsste durchgehend für

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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jede Schutznorm, welche die Aufgabenwahrnehmung durch die übergriffigen Gemeinden beeinflusst, die Schranken-Schranken des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wahren1423. Unterliegen alle legislative Schutzmaßnahmen den Kautelen der spezifisch am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausgerichteten Eingriffsrechtfertigung und den eingriffsrechtlichen Legitimationsanforderungen? Paradigmatisch für das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil der janusköpfig bzw. ambivalent wirkenden Maßnahmen für grundrechtlich induzierte Schutzmaßnahmen ist das Konzept „Schutz durch Eingriff“. Das Konzept hat unter Umständen nicht nur im Bereich grundrechtlicher Schutzpflichten, sondern auch im Zusammenhang mit Protektionspflichten Modellcharakter. Das Konzept beschreibt treffend den Doppelcharakter vieler gesetzlicher Schutzmaßnahmen vor Übergriffen des einen Grundrechtsträgers zugunsten eines anderen Grundrechtsträgers1424. Erfüllt der Gesetzgeber seine aus den Grundrechten folgende staatliche Schutzpflicht, geht mit ihrer Erfüllung häufig, wenn auch nicht immer, ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des (potentiell) übergriffigen Privaten einher1425. Die (grundrechtsdogmatische) Charakterisierung der Schutzmaßnahme als Eingriff hat eine Reihe von Konsequenzen, die insbesondere in der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit der Schutzmaßnahme liegen. Jede Schutzmaßnahme muss die Schranken-Schranken des Grundrechts wahren, in das der Gesetzgeber mit dem Erlass einer Schutznorm eingreift. Insbesondere darf die Schutzmaßnahme für den störenden Dritten nicht unverhältnismäßig sein. „Schutz durch Eingriff“ mag ein probater Modus sein, um das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil, das für den Gesetzgeber im Bereich vieler Grundrechte gilt, auf eine Kurzformel zu bringen. Durch die verfassungsdogmatische Einordnung der Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers als „Eingriffe“ werden operationalisierbare Schranken-Schranken aktiviert. Für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und die Einordnung von Schutzmaßnahmen als Eingriffe in das modale Gewährleistungselement der störenden Gemeinden können die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers aus Sicht der störenden Gemeinde ebenfalls rationalisierbar verarbeitet werden. Der „Eingriff“ löst die spezifisch an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausgerichteten Rechtfertigungslasten für den Gesetzgeber aus. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG statuiert zugunsten der Gemeinden abwehrrechtlich ein Verbot der Verpflichtungsadressaten, den Aufgabenbestand der Gemeinden zu Ungunsten von Gemeinden nachteilig zu verändern oder die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben zu behindern, falls die Veränderung oder die Behinderung nicht rechtfertigungsfähig sind. Steuert der Gesetz­geber 1423 Umstandslos gebraucht den Begriff Schranken-Schranke Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 116 Fn. 49, 131 f. 1424 Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 553 ff. 1425 Obgleich auch Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 56, den „Doppelcharakter“ gesetzlicher Regelungen in den Fällen „mehrdimensionaler Freiheitsprobleme“ sieht, hält er das Vorstellungsbild „Schutz durch Eingriff“ noch nicht für ausgemacht, meint aber jedenfalls, dass der „Doppelcharakter ins Kalkül gezogen werden muss“.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

zum Schutz der Nachbargemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden die gemeindliche Aufgabenwahrnehmung durch umfassende materiell-rechtliche oder formell-rechtliche Bindungen, sind diese Regelungen nur dann mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar, wenn sie sich rechtfertigen lassen. Sind alle Schutzmaßnahmen durch den Gesetzgeber tatsächlich verboten und lösen Regelungen, mit denen sich der Gesetzgeber schützend vor die (Nachbar-)Gemeinden stellt, ausnahmslos verfassungsrechtliche Rechtfertigungslasten aus? Tatbestandsvoraussetzung des Verbots der Beeinträchtigung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist verfassungsdogmatisch übersetzt der „Eingriff in den Gewährleistungsbereich“ des modalen Gewährleistungselements. Erst der „Eingriff“ löst die spezifischen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungslasten aus und verpflichtet im Fall, dass sich der Eingriff nicht rechtfertigen lässt dazu, die Beeinträchtigung zu unterlassen1426. Rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigungen des modalen Gewährleistungselements scheiden für diejenigen gesetzlichen Schutznormen von vornherein aus, mit denen der Gesetzgeber auf die faktische Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen durch übergriffige Gemeinden reagiert. Erfüllen die handelnden Gemeinden selbst keine Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaften, garantiert ihnen Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG auch keinen verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenz­bereich. Die Gemeinden können sich nicht auf die Eigenverantwortlichkeitsgarantie berufen. Nur in den Situationen, in denen die Gemeinden über einen verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand verfügen und sich die Aufgabenwahrnehmung (potentiell) negativ auf die eigenverantwortliche Wahrnehmung von (anderen) Selbstverwaltungsaufgaben von Nachbargemeinden auswirkt, verfügen sowohl die übergriffigen Gemeinden als auch die Nachbargemeinden über verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen. Für die Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten und Kompetenzen garantiert Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den störenden Gemeinden das Recht, diese in eigener Verantwortung zu regeln1427. Nur für diese Konstellationen mag das den Anforderungen von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG angepasste Konzept „Schutz durch Eingriff“ das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil zu einer Seite hin treffend beschreiben.

1426 Peine, Grundrechtseingriff (Fn. 77), § 57 Rn. 14; Hillgruber, Schutzbereich (Fn. 1356), § 200 Rn. 76, bezeichnen den Eingriff grundrechtsdogmatisch daher eingängig als „Scharnier zwischen Schutzbereich und Schranke“. 1427 Zur Erstreckung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie auch auf Aufgaben, die nicht verfassungsunmittelbar garantiert sind (landläufig Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis) und der Unterscheidung zwischen „sachlichen Aufgaben“ der Gemeinden einerseits und dem „der Aufgabenerfüllung vorgelagerten, gemeindeinternen Bereich“ andererseits, vgl. zu dieser Zweiteilung implizit BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1967  – 2  BvL  28/63, BVerfGE 21, 117 (128 f.)  – Kommunale Baudarlehen; BVerfG, Beschl. v.  21. 05. 1968  – 2  BvL 2/61, BVerfGE 23, 353 (365) – Kreisumlage; BVerfG, Urt. v. 07. 10. 2014 – 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, 108 (159 Rn. 118) – Optionskommune; weitere Nachweise aus dem Schrifttum s. Fn. 1103.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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(e) Erfüllung der Protektionspflicht durch den Gesetzgeber als nicht rechtfertigungsbedürftige normative „Ausgestaltung“ Das Vorstellungsbild von „Schutz durch Eingriff“ ist zwar ein gängiger Topos und Erfüllungsmodus von Schutzpflichten in der Grundrechtsdogmatik, doch auch dort ist er nicht unumstritten. Unklar ist, ob Regelungen, mit denen der Gesetzgeber seine Schutzpflichten erfüllen möchte, uneingeschränkt die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsprozedur durchlaufen müssen1428. Klar für Schutzmaßnahmen zugunsten einer bestimmen Gruppe von Gemeinden ist, dass sich der Gesetzgeber nicht eingriffsrechtlich am Maßstab der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gruppe von Nachbargemeinden rechtfertigen muss, zu deren Schutz er die Maßnahmen ergreift1429. Ihn mit einer eingriffsrechtlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit seiner Schutzmaßnahme zu konfrontieren, ist verfehlt. Für die Gruppe der übergriffigen Gemeinden liegt es demgegenüber auf den ersten Blick eher fern, auf eine verfassungsrechtliche (Eingriffs-)Rechtfertigung nur deshalb verzichten zu wollen, weil die Regelung gleichzeitig auch das Selbstverwaltungsrecht einer anderen Gruppe von Gemeinden schützt1430. Für die Gruppe der störenden Gemeinden ist es zunächst irrelevant, welche Motive der Gesetzgeber hatte, als er ihre eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung beschnitt. Dass der Gesetzgeber mal zum Schutz, mal zur Verkürzung der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung handelt und daher die Doppelwirkung bei jeder verfassungsrechtlichen Bewertung der Schutzmaßnahmen ins Kalkül zu ziehen ist, ist jedenfalls dann, wenn man Gemeinden aus einer individualistischen Mikroperspektive betrachtet, dem Grunde nach zwingend1431. Schaut man demgegenüber per saldo aus einer Makroperspektive auf die Gemeinden, ließe sich die eingriffsrechtliche Qualität von Schutznormen durchaus negieren. Vorschub geleistet wird einer solchen globaleren Sicht auf die wechselseitig verschränkten Selbstverwaltungsrechte, wenn man sich vor Augen führt, dass es um ein und dieselbe verfassungsrechtliche Gewährleistung geht. Gerade der Umstand, dass geschützte und verkürzte Garantie vordergründig in Eins fallen, führt scheinbar zu einer Konfusion der verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die für die legislative Erfüllung der Protektionspflicht gelten. Verkürzt der Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Protektionspflicht einen (Teil-)Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, könnte man meinen, dass der Gesetzgeber das gemeindenachbarliche Verhältnis ausgestalte. Trifft der Gesetzgeber eine Regelung, um 1428

Zweifelnd auch Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 56. Freiheit von eingriffsrechtlicher Rechtfertigungsbedürftigkeit ist nicht gleichzusetzen mit Bindungslosigkeit. 1430 Es finden sich durchaus Tendenzen, die Regelungen, die der Auflösung von mehrdimensionalen Konflikten dienen, insgesamt einen (grundrechts-)ausgestaltenden Charakter attestieren Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 24 f., 56. 1431 „[J]edenfalls […] dann, wenn eine einfachgesetzliche Norm verschiedene Grundrechtsträger mit ihren je unterschiedlichen grundrechtlichen Gewährleistungen betrifft, [muss] ihr möglicher Doppelcharakter ins Kalkül gezogen werden“, Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 56. 1429

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

zum Beispiel die störenden Gemeinden zur Berücksichtigung nachbargemeindlicher Belange zu verpflichten, wirkt diese Regelung nicht nur zugunsten, sondern gleichzeitig auch zulasten von Nachbargemeinden und reduziert ihren Freiraum bei der Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Nachbargemeinden sind selbst Adressatinnen der Regelung, die Anforderungen an die Art und Weise ihrer Aufgabenerledigung stellt. Der Gesetzgeber greift auf Grund seiner notwendigen abstrakt-generellen Regelungen nicht auf die einzelne Gemeinde zu. Seine Regelungen treffen alle Gemeinden bei der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Jede Regelung, welche dem Schutz von Gemeinden dienen soll, geht daher gleichzeig auch zu ihren Lasten. Zu solchen Situationen kommt es gelegentlich auch im Grundrechtsbereich, wenngleich sie dort wohl eher die Ausnahme bilden1432. Regelungen, welche die Selbstverwaltungsgarantie betreffen, wirken zwangsläufig für denselben Träger des Rechts begünstigend und belastend zugleich. Allerdings verkennt diese Argumentation, dass es zwar bei abstrakt-genereller Betrachtung zutrifft, dass jede Schutznorm zugunsten von Nachbargemeinden diese potentiell selbst treffen kann, wenn sie selbst zur störenden Gemeinde wird. Dass der Störer zum Opfer und das Opfer zum Störer werden kann, ändert aber nichts daran, dass im konkret-generellen Fall die Schutznormen tatbestandlich an Störungen anknüpfen und damit nicht global alle Gemeinden gleichzeitig treffen. Dass sich eine staatliche Schutzmaßnahme auch gegen denjenigen richten kann, der selbst Schutzsubjekt ist, ist nicht ungewöhnlich1433. Zu einer Konfusion von Schutz und Verkürzung kommt es durch die tatbestandliche Anknüpfung an die Störung oder die Gefahr einer Störung nicht. Ferner verbietet sich eine Betrachtung von Schutznormen aus einer Makroperspektive, weil Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Gemeinden (auch) ein individuelles Recht garantiert. Wer dennoch Zweifel daran hegt, dass sich der Gesetzgeber verfassungsrechtlich rechtfertigen und die Schranken-Schranken des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wahren muss, wenn er Schutznormen zugunsten einer bestimmten Gruppe von Gemeinden erlässt und damit zugleich belastend hinsichtlich der Gruppe der störenden Gemeinden agiert, könnte verleitet sein, statt von einem „Schutz durch Eingriff“ von einer „schützenden normativen Ausgestaltung“ des gemeindenachbarlichen 1432 Denkbar ist etwa der Konflikt zwischen Privaten, die sich beide auf Art. 14 I GG berufen können. Die Besonderheit in dieser Konstellation ist aber, dass der Gesetzgeber mit der Koordination der Eigentümerinteressen Inhalt und Schranken der Eigentumsgarantie bestimmt und damit erst den Schutzgegenstand konstituiert. Bei Art. 28 II 1 GG konstituiert der Gesetzgeber den Schutzgegenstand aber gerade nicht. 1433 Das gilt aus zwei Gründen: Einerseits ist es nicht ausgeschlossen, dass derjenige, zu dessen Gunsten der Gesetzgeber in Erfüllung seiner staatlichen Schutzpflicht einst eine Regelung traf, später selbst derjenige ist, dem es auf Grund der gesetzlichen Regelung verwehrt ist, die grundrechtlich geschützte Sphäre eines anderen zu beeinträchtigen. Andererseits kann es, wie das BVerfG, Beschl. v. 26. 07. 2016 – 1 BvL 8/15, BVerfGE 142, 313 (313 Ls. 1, 336 ff., 339 ff.) – Zwangsbehandlung, eindrücklich belegte, zu Situationen kommen, in denen es eine Schutzpflicht des Staates geben kann, die sich gegen grundrechtliche Freiheiten des zu Schützenden selbst richten. Es kommt damit zu einem Eingriff in das Grundrecht des zu Schützenden.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Verhältnisses und der „ausgestaltenden Konfliktschlichtung“1434 zu sprechen. Die Gedanken der „schützenden normativen Ausgestaltung“ sowie der „Ausgestaltung und Formung“ wirken besonders anziehend, weil Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner traditionellen Lesart als institutionelle Garantie interpretiert wird. Erfüllt der Gesetzgeber seine Protektionspflicht, dann gestaltet er die Garantie kommunaler Selbstverwaltung aller Gemeinden normativ aus und greift nicht in sie verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig ein. Im Ausstrahlungsbereich des Gebots materieller zwischengemeindlicher Abstimmung im Bauplanungsrecht nach § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ist zum Beispiel die Auffassung im Schrifttum verbreitet, dass es sich bei dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung um eine gesetzliche Ausformung der Planungshoheit handle1435. Mit dem Gedanken einer „normativen Ausgestaltungsbedürftigkeit“ von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gerät das Bild erheblich ins Wanken, nach dem Maßnahmen, mit denen der Gesetzgeber seine verfassungsrechtliche Protektionspflicht erfüllen möchte, einerseits rechtfertigungsfrei hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gruppe der Nachbargemeinden, andererseits verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig hinsichtlich der Garantie der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der Gruppe der störenden Gemeinde sind. Aus diesem Grund lohnt es zweierlei zu überprüfen: Erstens, ob und wo hat der Gedanke einer „Ausgestaltung“ überhaupt legitime Anwendungsfelder? Zweitens, ist der Gedanke der „Ausgestaltung der Eigenverantwortlich-

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Z. T. ist in der Grundrechtsdogmatik von einer (ausgestaltenden) Konfliktschlichtung die Rede Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 23 ff., 56; ferner Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 102 ff.; einen ganz ähnlichen Gedanken einer ausgestaltenden Konfliktschlichtung machte etwa das BVerfG, Urt. v. 04. 07. 1995 – 1 BvF 2/86 u. a., BVerfGE 92, 365 (365 Ls. 2, 394) – Arbeitsförderungsgesetz, fruchtbar: „Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit es die Beziehungen zwischen Trägern widerstreitender Interessen zum Gegenstand hat. Beide Tarifvertragsparteien genießen den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG in gleicher Weise, stehen bei seiner Ausübung aber in Gegnerschaft zueinander.“ Ähnlich die Rspr. zum elterlichen Erziehungsgrundrecht in Art. 6 II 1  GG BVerfG, Beschl. v. 15. 06. 1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194 (208, 210); eingehend zu dieser Problematik M. Jestaedt / P. Reimer, in: W. Kahl / C. Waldhoff / C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. IV, Art. 6 Abs. 2 und 3 (Dezember 2018), Rn. 156 ff., insb. Rn. 162. 1435 Aus dem verfassungsrechtlichen Schrifttum nur Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 61; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 131; aus dem bauplanungsrechtlichen Schrifttum exemplarisch Söfker (Fn. 64), § 2 Rn. 97; Uechtritz (Fn. 71), § 2 Rn. 20; Kopf, Abstimmung (Fn. 69), S. 168; aus der Rspr. nur BVerwG, Urt. v. 08. 09. 1972 – IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (330) – Krabbenkamp; BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 (216) – Schlachthof; BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5/01, BVerwGE 117, 25 (33) – FOC Zweibrücken; unlängst BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 2010 – 4 B 78/09, KommJur 2011, 145 (150): „Das Gebot, die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen, lässt sich als gesetzliche Ausformung des in Art. 28 II 1 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts verstehen“; das OVG NRW, Urt. v. 02. 10. 2013 – 7 D 19/13.NE, juris Rn. 42, sowie OVG NRW, Urt. v. 26. 06. 2017 – 2 D 59/16.NE, juris Rn. 29, sprachen ebenfalls von „Ausformung“; statt von einer „Ausformung“ der Planungshoheit sprach der VGH BW, Urt. v. 20. 10. 2020 – 3 S 559/19, BeckRS 2020, 30083 Rn. 49, passender davon, dass § 2 II 1 BauGB „der Wahrung der aus der Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) fließenden städtebaulichen Interessen der Gemeinde“ diene.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

keitsgarantie“ durch Regelungen, die dem Schutz einer bestimmten Gruppe von Gemeinden dienen, für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG tragfähig? Mit dem Gebrauch der Ausgestaltungsmetaphorik geht eine Unmenge alternativer, synonymer, ergänzender oder (vermeintlich) präzisierender Terminologien einher1436. Die Idee einer „normativen Ausgestaltung“ ist besonders in der Grundrechtsdogmatik präsent und wird dort mit den unterschiedlichsten Konstellationen assoziiert1437. Mit dem Begriff der Ausgestaltung von Grundrechten betritt die Untersuchung ein grundrechtsdogmatisch höchst unsicheres verfassungsdogmatisches Terrain. Schon im Grundrechtsbereich, wo diese Figur vornehmlich ihre Heimstatt hat und sich das Schrifttum des Topos der normativen Ausgestaltung bedient, herrschen weder Klarheit noch Eindeutigkeit über den Inhalt des Ausgestaltungsbegriffs. Am ehesten trifft man auf das Phänomen der normativen Ausgestaltung bei den rechtsgeprägten Gewährleistungen, der Koordination kollidierender Freiheitsverbürgungen sowie den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten, namentlich bei den grundrechtlichen Schutzwirkungen. Am unbestrittensten dürfte die Idee legislativer Formung und Ausgestaltung für die norm- oder rechtsgeprägten Grundrechte sein, also für all jene Grundrechtsbestimmungen, deren Schutzobjekte nicht außenweltlich vorfindbar sind, sondern sich mehr oder minder als „Produkt der Rechtsordnung“1438 erweisen. Exemplarisch seien die im Detail umstrittenen Garantien des Eigentums in Art. 14 Abs. 1 GG sowie die in Art. 6 Abs. 1  GG verbürgte Ehe genannt. Jenseits der klassischen normgeprägten Grundrechte greift der Gedanke einer Ausgestaltung aber weiter Platz. Einen hohen Verbreitungsgrad hat der Gedanke im Umkreis der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte, zu denen namentlich die grundrechtlichen Schutzpflichten zählen. Verbreitet ist ferner die Vorstellung, dass der Gesetzgeber dann, wenn er konfligierende Freiheitsausübungsansprüche zu einem Ausgleich zu bringen versucht, nicht den (strengen) verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen unterliegen könne, die ihn in ausschließlich abwehrrechtlichen Situationen treffen. Der Gesetzgeber gestalte vielmehr die Grundrechte aus, indem er unterschied­ liche Interessen einander zuordne und koordiniere, und greife nicht in sie ein1439. 1436

Sammlung bei Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 14 f. Im Überblick listet verbreitete Anwendungsbereiche normativer Ausgestaltung auf Geller­ mann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 21 ff. 1438 R. Herzog, Grundrechte aus der Hand des Gesetzgebers, in: W. Fürst / ders. / D. C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd. II, 1987, S. 1415 (1418); unzählige Male aufgegriffen etwa von Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 22. 1439 Hierzu und zu den zuvor genannten „ausgestaltungsgeneigten“ Konstellationen mit vielen Nachweisen Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 21 ff.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 408, sieht für den interkommunalen Konflikt ein Anwendungsfeld der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie durch den Gesetzgeber und greift die Idee Gellermanns einer „normativen Konturierung“ auf. Er ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber Interessen von verschiedenen Rechtsträgern, die jeweils verfassungsrechtlichen Schutz genießen, in bestimmten Fällen aber zu kollidieren drohen, einfachgesetzlich auszugleichen und abzugrenzen versuche und damit die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung 1437

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Das grundrechtliche Schrifttum wird nach wie vor nicht müde, ausgehend von anerkannten Anwendungsfeldern eine Typisierung normativer Ausgestaltungen vorzulegen oder bestehende Typisierungen fortzuentwickeln1440. Im Schrifttum mehren sich aber auch die Stimmen, die sich gegen eine Ausdehnung des Ausgestaltungsgedankens wenden. Sie arbeiten für eine Zurückdrängung des Ausgestaltungsdenkens oder fordern die Begrenzung des Ausgestaltungsgedankens auf klar(er) umrissene Anwendungsfelder1441. Einige Stimmen lehnen zumindest den Begriff der Ausgestaltung als eine der „diffusesten Kategorien der Grundrechtsdogmatik“1442 wegen des Mangels an begrifflicher Schärfe ab und schlagen statt seiner Verwendung trennschärfere Begrifflichkeiten vor. Überblickt man die Vielgestaltigkeit der Anwendungsfälle einer normativen Ausgestaltung, drängt sich hier und da die Vermutung auf, dass mit der offenen Kategorie der Ausgestaltung eher Festlegungen vermieden oder Unsicherheiten mit einem dehnbaren, nicht feststehenden Konzept verdeckt werden sollen. Vermeintlich legitime oder illegitime Anwendungsfelder der Ausgestaltung in der Grundrechtsdogmatik sagen nichts darüber aus, wie legitim oder illegitim der Gedanke einer normativen Ausgestaltung für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist. Wenn zudem unklar ist, was unter Ausgestaltung überhaupt zu verstehen ist, was eine Ausgestaltungsbefugnis auszeichnet und welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen eine Ausgestaltungsbefugnis hat, ist mit ihr ein zusätzlicher Begriff, aber keine inhaltliche Klarheit gewonnen. Die meisten, die sich für eine normative Ausgestaltung aussprechen, erachten es vermutlich als unbefriedigend, den Gesetzgeber den abwehrrechtlichen Rechtfertigungserfordernissen zu unterwerfen. Darin liegt vermutlich der Nukleus jedweder Kontroverse um eine wie auch immer geartete normative Ausgestaltung. Um zu vermeiden, dass verfassungsrechtliche Rechtfertigungslasten ausgelöst werden, die etwa bei einem Grundrechtseingriff auf dem Gesetzgeber lasten, wird angenommen, der Gesetzgeber „greife“ nicht in das Grundrecht ein, sondern er „gestalte“ dieses nur aus1443. Die Rede von Eingriff, der Rechtfertigungsbedürftigkeit, den

ausgestalte. Zum verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil für die normative Konturierung verhält er sich dann aber nicht weiter, sondern hält diese an denselben „Maßstäben […], wie sie auch für sonstige Eingriffsgesetze bestehen“, für überprüfbar Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 417. Auf eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Ansatz von Hug verzichtet die Untersuchung im Folgenden. 1440 Beachtlicher Versuch eines Entwurfs einer Ausgestaltungsdogmatik von Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), passim, insb. ab S. 90 ff., der eine frühe Typologie von Lerche, Schutzbereich (Fn. 1146), § 121 Rn. 38 ff., aufgreift und weiterentwickelt: Lerche unterscheidet die normative Konstituierung (Rn. 90 ff.), die normative Konturierung (Rn. 177 ff.) und die normative Konkretisierung (Rn. 230 ff.). 1441 Kritik an der „Ausgestaltung der Grundrechte“ und ihr zweifelhafter Einsatz im Bereich der Unionsgrundrechte Michl, Unionsgrundrechte (Fn. 100), S. 8 ff. 1442 Bumke, Ausgestaltung (Fn. 1367), S. 1 Fn. 1. 1443 Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 335.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

abwehr- bzw. eingriffsrechtlichen Rechtfertigungslasten oder den eingriffsrechtlichen Kautelen deutet auf ein bestimmtes verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für den Legislativakt hin, das sich maßgeblich durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszeichnet. Die Ausgestaltungsmetaphorik ist der verfassungsdogmatische Versuch, die Bindung des Gesetzgebers an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vermeiden bzw. zurückzudrängen oder den Weg dafür zu ebnen, dass gar keine oder kaum beschränkende verfassungsrechtliche Bindungen für den ausgestaltenden Gesetzgeber bestehen. Unbehagen bereitet aber schon die Vorstellung, dass der Gesetzgeber, da er nicht eingreifend, sondern ausgestaltend tätig werde, a priori gar keinen oder gänzlich anderen verfassungsrechtlichen Maßstäben unterworfen sein soll1444. Sind Ausgestaltungen nicht nur gänzlich rechtfertigungsfrei, sondern frei von jedweder Verfassungsbindung, und Eingriffe  – durchaus mit unterschiedlichen Rechtfertigungsniveaus  – voll rechtfertigungsbedürftig1445? Der Ausdruck der Ausgestaltung taugt nicht, um verlässlich Auskunft darüber zu geben, ob und in welchem Umfang sich der Gesetzgeber für bestimmte Regelungen rechtfertigen muss. Er hilft nicht, wenn es um die Art und die Intensität der Verfassungsbindung geht. Das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil bleibt konturlos. Besonders deutlich wird dies etwa, wenn zwar einerseits hervorgehoben wird, dass die Erfüllung einer Schutzpflicht Ausgestaltung sei und daher nicht rechtfertigungsbedürftig, andererseits aber mit Blick auf die Rechte Dritter die abwehrrechtliche Relevanz eben dieser Ausgestaltungsleistung in Relation zum Dritten betont wird1446. Akzeptabel ist der Gebrauch des Ausdrucks Ausgestaltung allenfalls als ein Sammelbegriff für all diejenigen Konstellationen, in denen sich der Gesetzgeber für eine Regelung nicht oder nicht vollumfänglich wie im Bereich der klassischen Eingriffsabwehr verfassungsrechtlich am Maßstab insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen muss oder nur partiell diesen Rechtfertigungslasten unterliegt. Die „Ausgestaltung“ könnte terminologisch für Regelungen reserviert werden, für die in jeder Relation keine verfassungsrecht­ lichen Bindungen bestehen1447. Eine solche strikte Binärcodierung zwischen Regelungen auf der einen Seite, die keinen Verfassungsbindungen unterliegen, namentlich gänzlich rechtfertigungsfrei sind, und solchen Regelungen auf der anderen Seite, für die variierende verfassungsrechtliche Anforderungen bestehen und die abgestufte Rechtfertigungsanforderungen stellen, hat Vorteile. Der Ausdruck Ausgestaltung hätte für Regelungen, die gänzlich rechtfertigungsfrei sind, wieder 1444 Eine Befreiung von jedweder verfassungsrechtlichen Bindung für die Ausgestaltung nehmen an W. Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 34; Eckhoff, Grundrechtseingriff (Fn. 77), S. 15; die völlige Freistellung zieht Kritik auf sich etwa durch Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), m. w. N. S. 30. 1445 Für unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe und auch bei Ausgestaltungsgesetzen keine vollständige Bindungsfreiheit annehmend etwa Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 329, 335. 1446 Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 285 f. 1447 Siehe dazu bereits Fn. 1444.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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einen klaren Inhalt1448. So versteht ihn aber wohl weder das Schrifttum noch die Rechtsprechung1449. Wird mit dem Ausdruck „Ausgestaltung“ keine Binärcodierung verstanden, dann verliert der Ausdruck seinen Sinn, da ohnehin eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Regelung in unterschiedlichen (Rechts-)Verhältnissen angezeigt ist, um über den Umfang verfassungsrechtlicher Bindungen Auskunft zu geben1450. Dass es Regelungen gibt, die von verfassungsrechtlichen Bindungen vollständig freigestellt sind oder einer strengen eingriffsrechtlichen Rechtfertigung unterliegen, stellt die Untersuchung nicht in Abrede. Zweifel bestehen aber daran, ob alle Phänomene sinnvoll mit dem Ausdruck Ausgestaltung erfasst werden können, in denen eine Rechtfertigung anderen Maßstäben unterliegt als der Grundrechtseingriff1451. Die Bezeichnung von Regelungen als normative Ausgestaltung erzeugt einen Klarstellungsbedarf, der sich eigentlich vermeiden lässt, indem auf die Kategorie der Ausgestaltung verzichtet wird. Gerade in Konstellationen, in denen ein und dieselbe Regelung in unterschiedlichen Relationen nicht kongruenten verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegt, wird die Bezeichnung als normative Ausgestaltung undeutlich1452. Der Begriff der Ausgestaltung, der für all diese Phänomene unterschiedslos zur Anwendung gelangt, ist irreführend1453. Illustriert sei der Gebrauch des Ausdrucks Ausgestaltung in der Rechtsprechung konkret am Beispiel des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: Das Bundesverfassungsgericht betont nach wie vor, dass der Gesetzgeber die Garantie kommunaler Selbstverwaltung ausgestalten und formen müsse. Es liegt im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG daher nahe, legislatorisches Handeln entweder als eine rechtfertigungsfreie Ausgestaltung oder einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff zu rubrizieren. 1448

Ob es gesetzliche Regelungen gibt, die gänzlich rechtfertigungsfrei sind und für die keine verfassungsrechtlichen Direktiven bestehen, die also nach obiger Begriffsbestimmung „Ausgestaltung“ sind, soll damit nicht gesagt werden. Jedenfalls hätte eine solche terminologische Erfassung den Wert klarer Abgrenzung. 1449 Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 21, 288 f.; Cornils, Ausgestaltung (Fn. 1040), S. 15 f.; Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 349; am Beispiel der Rundfunkfreiheit zu den „Maximen der Rundfunkfreiheit für die einfachrechtliche Ausgestaltung“ J. F. Ferreau, Öffentlich-recht­ licher Rundfunk und ökonomischer Wettbewerb, 2017, S. 179 ff. 1450 Der Aufwand, den die monographischen Behandlungen zum Verhältnis Grundrechte – einfaches Gesetz treiben z. B. Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 14 ff.; Cornils, Ausgestaltung (Fn. 1040), S. 13 ff., um den Ausdruck Ausgestaltung inhaltlich zu umreißen, verdeutlicht, dass mit seiner Verwendung nichts gewonnen ist. 1451 Auch diese Aussage ist mit Vorsicht zu genießen: Einheitliche Maßstäbe für die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers lassen sich wohl auch nur für jedes Grundrecht gesondert bestimmen. 1452 Auf den Doppelcharakter von „ausgestaltenden“ Gesetzen sowohl als eine „Ausgestaltung“ als auch ein „Eingriff“ weist hin Cornils, Ausgestaltung (Fn. 1040), S. 666 ff. 1453 Zu begrüßen ist daher das Bemühen um unterschiedliche Rechtfertigungsniveaus bei Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 206 ff., die er durch ein „Leitbild“ kommunaler Selbstverwaltung zu operationalisieren sucht. Gleichwohl bleibt er weitgehend der wenig klaren Ausgestaltungsmetaphorik verhaftet.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Erstaunlich ist aber, dass das Bundesverfassungsgericht dennoch die Ausgestaltungsgesetzgebung an seinen tradierten Maßstäben zu Eingriffen misst. Das Gericht unterscheidet, obwohl es zuvor die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers anmahnt, dass „[d]em Gesetzgeber […] bei der Ausgestaltung der gemeindlichen Organisationshoheit in doppelter Hinsicht Grenzen gesetzt“ seien1454. Das Bundesverfassungsgericht differenziert zwischen einem unantastbaren Kernbereich und einem diesen vorgelagerten Bereich. Je nach Fallgestaltung muss der Gesetzgeber in diesem vorgelagerten Bereich das verfassungsrechtliche Aufgabenverteilungsprinzip und / oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten oder der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung den „Gemeinden eine Mitverantwortung für die organisatorische Bewältigung ihrer Aufgaben“1455 einräumen1456. Die Rechtsprechung relativiert damit das Bemühen, das gewöhnlich anscheinend mit der Annahme normativer Ausgestaltung verbunden ist. Warum etablierte das Bundesverfassungsgericht Maßstäbe, die es teilweise für Eingriffe vorsieht, obwohl der Gesetzgeber doch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung (nur) ausgestalte? Möglicherweise versteht das Gericht Eingriff und Ausgestaltung nicht als eine strikte Binärcodierung im Sinne rechtfertigungsbedürftiger Eingriffe und rechtfertigungsfreier Ausgestaltung, sondern qualifiziert auch Ausgestaltungsakte als (teilweise) rechtfertigungsbedürftig und verfassungsrechtlich gebunden. Dann aber zerfließt, ungeachtet der Schwierigkeiten der Zuordnung einer Regelung als (bloß) ausgestaltend oder (schon) eingreifend, die klare Grenze zwischen Rechtfertigungsbedürftigkeit und Rechtfertigungsfreiheit, Bindungslosigkeit und Gebundenheit. Einige Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in verschiedenen Entscheidungen deuten an, dass es neben einer Ausgestaltung, die rechtfertigungsbedürftig sei, ausgestaltende Regelungen gebe, die vollständig rechtfertigungs- und bindungsfrei seien. Für letztere Bereiche gebraucht das Gericht keinen eigenständigen Begriff, sondern konstatiert, dass sie „stets als Sache des Gesetzgebers“ angesehen werden1457. Dem 1454 BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (228 Ls. 2) – Gleichstellungsbeauftragte. 1455 BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (241) – Gleichstellungsbeauftragte. 1456 Detaillierte Darstellung der unterschiedlichen Rechtfertigungsniveaus in Abhängigkeit der betroffenen Garantieelemente Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 171 ff., zusammenfassend S. 206 f. 1457 In der Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (228 Ls. 1, 240) – Gleichstellungsbeauftragte, konstatierte das Gericht, dass nicht „jede staatliche Vorgabe einer spezifischen Rechtfertigung bedürfe“, denn das Kommunalrecht „setzt mit seinen zahlreichen Regelungen zur Organisation der Gemeinden ersichtlich eine weitgehende Befugnis des staatlichen Gesetzgebers voraus, der Regelung von Organisationsstrukturen seine Vorstellung zugrundezulegen“; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (13) – Verwaltungsgemeinschaften: „Insbesondere die Entscheidung über die äußeren Grundbedingungen der Gemeindeverwaltung wurde in allen Ländern stets als Sache des Gesetzgebers angesehen [Kursivierung nicht im Original, M. J.]. Art. 28 Abs. 2 GG verpflichtet ihn, auch insoweit der verfassungsrechtlichen Verbürgung einer mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestatteten dezentralen Verwaltungsebene Rechnung zu tragen und die Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu befähigen.“

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Gesetzgeber kommt damit anscheinend ein bei seiner Ausfüllung keiner besonderen Rechtfertigung bedürfender Gestaltungsspielraum zu1458. Statt der habituellen Bezeichnung einer Regelung als Ausgestaltung und dem nachgeschobenen Hinweis, dass diese ausgestaltende Regelung auch abwehrrechtliche Relevanz besitzen könne, bietet es sich mehr an, dem Ausgestaltungsbegriff von vornherein eine relationale Betrachtung vorzuziehen. Diese lässt Raum für unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen und Bindungsniveaus in unterschiedlichen Relationen1459. Entscheidend ist nicht, ob Legislativakte eingreifend oder ausgestaltend sind, sondern, welchen verfassungsrechtlichen Bindungen sie unterliegen und in welcher Art und Intensität diese bestehen. Ob und in welcher Art sowie Intensität für den Gesetzgeber – sei es im Bereich der Grundrechte oder im Anwendungsbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung – Bindungen bestehen, ist der einschlägigen Verfassungsnorm selbst zu entnehmen1460. Die Konzepte „Schutz durch Eingriff“ oder „ausgestaltende Konfliktschlichtung“ lenken die Untersuchung in Bahnen, welche die Arbeit bei der Suche nach der Art und der Intensität von verfassungsrechtlichen Bindungen des Gesetzgebers in Pfadabhängigkeiten zwingen. Die Pfadabhängigkeiten erschweren erheblich die eigenständige Artikulation eines verfassungsrechtlichen Anforderungsprofils. Indem sich von der unklaren Kategorie der Ausgestaltung jedenfalls in der Dogmatik zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verabschiedet wird, öffnet dies den Blick für normabhängige, regelungsspezifische und relationssensible Bindungs- und Rechtfertigungsniveaus, die von Bindungs- und Rechtfertigungsfreiheit bis hin zu einer strengen Verfassungsbindung und Rechtfertigungsbedürftigkeit, von einer hohen Verfassungsdetermination bis hin zur völligen Indetermination reichen können. Abbilden lassen sich diese Bindungsniveaus durch Fallgruppen, die treffend mit den Begriffen der normativen Konstituierung und Konkretisierung beschrieben werden können1461.

1458

Rechtfertigungsfreie Regelungen des Gesetzgebers anerkennen unter Bezugnahme auf die Entscheidung zu den Verwaltungsgemeinschaften Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 991; schon zuvor bezugnehmend auf die Entscheidung in Sachen Gleichstellungsbeauftrage A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 723; zur rechtfertigungsfreien Einwirkung auf die Organisation der Gemeinden auch Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 67. 1459 Dass mit der Bezeichnung „Ausgestaltung“ unweigerlich eine relationale Betrachtung erschwert wird, belegt Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 286, selbst: Es sei „nochmals nachdrücklich“ zu betonen, dass ausgestaltende Maßnahmen auch abwehrrechtliche Relevanz besitzen können. 1460 Obwohl eine Ausgestaltung im Grundrechtsbereich anerkennend und fortentwickelnd, betont Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 290, 295, dass die „Reichweite der Bindungen von Regelungsgehalt und Regelungsdichte der einzelgrundrechtlichen“ Aussagen abhänge. 1461 Die Untersuchung diskutiert nicht, inwiefern sich die im Fortgang verwendeten Begriffe der normativen Konstituierung und Konkretisierung von der Terminologie Gellermanns und Lerches, Nachweise s. Fn. 1440, unterscheiden. Die Untersuchung gebraucht die Wörter, ohne dass damit gesagt ist, dass sie dieselben Begriffe beinhalten.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Bietet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG selbst Anhaltspunkte dafür, dass nicht jede gesetzliche Regelung, welche die Art und Weise der Aufgabenerledigung betrifft, ein verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das modale Gewährleistungselement ist? (f) Normative Konstituierung des Schutzgegenstandes des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG durch den Erlass von Schutznormen Wäre die Eigenverantwortlichkeitsgarantie darauf angewiesen, dass der Gesetzgeber den Schutzgegenstand erzeugt, unterlägen Regelungen, die den Schutzgegenstand schaffen (d. h. normativ konstituieren), nicht den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen. Die Eigenverantwortlichkeitsgarantie als Bindungsmaßstab für Schutzmaßnahmen würde von vornherein ausfallen: Der Gesetzgeber brächte mit dem Erlass von Schutznormen zugunsten der einen und zulasten der anderen Gruppe von Gemeinden überhaupt erst den Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zur Entstehung. Die Eigenverantwortlichkeitsgarantie wäre damit nur in der Form verfassungsrechtlich garantiert, wie sie eine unterverfassungsrechtliche Ausprägung findet. Mit der Annahme einer rechtlich konstituierungsbedürftigen Eigenverantwortlichkeitsgarantie entfiele  – zumindest bei konsequenter Fortführung des tabula-rasa-Ansatzes – das Schutzobjekt, zu dessen Schutz die Protektionspflicht den Gesetzgeber verpflichtet. Die Protektionspflicht setzt aber einen Schutzgegenstand voraus, der nicht erst mit dem Erlass von Schutznormen konstituiert werden kann. Es wäre paradox, einerseits anzunehmen, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zwar hinsichtlich der Nachbargemeinden verfassungsunmittelbar die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung garantierte, zu deren Schutz der Gesetzgeber verpflichtet ist, andererseits aber darauf zu beharren, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass von Schutznormen erst die Eigenverantwortlichkeitsgarantie konstituierte und sich jedwedes schützende Tätigwerden aus diesem Grund einer Rechtfertigungsbedürftigkeit am Maßstab der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der übergriffigen Gemeinden entzöge. Nur wenn der Schutzgegenstand etwaigen Schutzmaßnahmen vorausliegt, ist erkennbar, was überhaupt geschützt werden soll1462. Erlässt der Gesetzgeber zugunsten von Gemeinden Schutznormen, konstituiert er dadurch nicht erst den Schutzgegenstand von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Mit der Eigenverantwortlichkeitsgarantie existiert bereits ein Schutzgut, das nicht mehr auf normative Konstituierung angewiesen ist. Ihrer Substanz nach ist das modale Gewährleistungselement klar: Es garantiert den Gemeinden verfassungsunmittelbar, dass Gemeinden ihre Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ohne staatliche Fremdsteuerung, nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen erledigen dürfen. Der Gesetzgeber ist deshalb nicht per se von einer Rechtfertigungsbedürftigkeit befreit, wenn er Schutznormen erlässt. 1462

Ein „allenfalls eingeschränktes Einsatzfeld“ der grundrechtlichen Schutzaufgabe bei Grund­ rechten, die auf normative Konstituierung angewiesen sind, zugesteht Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 239; dazu bereits 1360.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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(g) Normative Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie durch den Erlass von Schutznormen – ‚gemeindliche Handlungsinfrastrukturen‘ Die Eigenverantwortlichkeitsgarantie muss nicht erst normativ konstituiert werden. Aus diesem Befund folgt nicht, dass der Gesetzgeber, der sich zum Erlass von Schutznormen zugunsten einer Gruppe von Gemeinden entschließt und zum Schutz von Nachbargemeinden die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung reglementiert, sich aus der Sicht von übergriffigen Gemeinden eingriffsrechtlich rechtfertigen muss. Bereits der Verfassungstext enthält gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass nicht jede gesetzliche Regelung der Art und Weise der Aufgabenerledigung die (Eingriffs-)Rechtfertigungslasten auslöst. Die Grundlage für diese Auffassung ist weniger die Formulierung „in eigener Verantwortung“ als mehr die Wendung „im Rahmen der Gesetze“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Die institutionelle Interpretation von Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG zieht als Beleg für die „typische gesetzgeberische Ausgestaltungsbefugnis“ die Formulierung „im Rahmen der Gesetze“ heran1463. Der Großteil des Schrifttums und das Bundesverfassungsgericht sehen in dieser Formulierung einerseits einen Regelungs-1464, anderseits auch einen Eingriffs-1465, Gesetzes-1466 oder Begrenzungsvorbehalt1467. Das Bundesverfassungsgericht spricht in jüngeren Entscheidungen ausdrücklich nicht mehr nur von einem Regelungs-, sondern auch von einem Gesetzesvorbehalt1468. Die Wendung in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG habe eine „ambivalente Doppelfunktion als Ausgestaltungsauftrag und Eingriffsvorbehalt“1469. Obwohl eigentlich in der Interpretation der Sentenz „im Rahmen der Gesetze“ als Ausgestaltungs- und Eingriffsvorbehalt angelegt, fehlt eine systematisch entwickelte Unterscheidung von Eingriff und Ausgestaltung1470. Die Anhänger einer institutionellen Interpretation von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG legen den Schwerpunkt auf den Charakter als Regelungsvorbehalt, der zwar den legislativen Gestaltungsspielraum nicht beliebig weit ziehe, diesen aber dem Grunde nach legitimiere. Für die Vertreter einer verfassungsunmittelbaren Aufgaben- und Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist die Qualifikation als Ausgestaltungsvorbehalt 1463 J. Hellermann, in: V. Epping / C. Hillgruber (Hrsg.), BeckOK zum Grundgesetz, Art. 28 (Februar 2019), Rn. 44. 1464 Gegen die Deutung als Eingriffsvorbehalt mehr für die Deutung der Sentenz als „Möglichkeit zur authentischen Begrenzung des Gewährleistungsgegenstandes [im Original Fettsetzung statt Kursivierung, M. J.]“ Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht (Fn. 1167), S. 486. 1465 Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 818. 1466 Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 103; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 59 f.; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 244. 1467 Schmidt-Jortzig, Gemeinde- und Kreisaufgaben (Fn. 1019), S. 975. 1468 Jüngst BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (20 Rn. 56) – Schulnetzplanung. 1469 Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 61. 1470 Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 99.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

durchaus problematisch, da Aufgaben der Gemeinden gerade keinen konstituierenden Regelungen, sondern maximal Eingriffen zugänglich sein können. Uneinig ist man sich zudem darüber, ob sich die Wendung auf alle Teilgewährleistungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bezieht. Obgleich richtig ist, dass sich die Wendung sowohl auf die Aufgaben- als auch die Eigenverantwortlichkeitsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bezieht, nivelliert die unbesehene Erstreckung des Vorbehaltes auf beide Garantieelemente zum Teil die schon normtextlich angelegte differenzierte Rigidität und Regelungsoffenheit der unterschiedlichen Garantieelemente1471. Weil man sich mehr darüber streitet, ob sich die Wendung „im Rahmen der Gesetze“ sowohl auf die Aufgaben- als auch die Eigenverantwortlichkeitsgarantie bezieht, entgeht beinahe die wichtige Konsequenz, dass sich normtextlich „im Rahmen der Gesetze“ vor allem auf die Eigenverantwortlichkeitsgarantie bezieht. Es ist nicht zufällig, dass syntaktisch „im Rahmen der Gesetze“ vorrangig auf die Art und Weise der gemeindlichen Aufgabenwahrnehmung, also auf das modale Gewährleistungselement Bezug nimmt1472. Das Grundgesetz steht Regelungen, welche die Ausübung der den Gemeinden zugeordneten Aufgaben betreffen, offener gegenüber als Änderungen im Aufgabenbestand. Nicht jede Regelung, welche die Art und Weise der Aufgabenwahr-

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Das Schrifttum und die Rspr. gehen überwiegend davon aus, dass die Wendung „im Rahmen der Gesetze“ sowohl auf die Aufgabengarantie als auch die Eigenverantwortlichkeitsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Bezug nehme Püttner, Selbstverwaltung (Fn. 10), § 144 Rn. 30; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 103; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 109; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 130; zögernd Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 186 f.; aus der Rspr. BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 2 BvR 584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (312) – Flugplatz Memmingen; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (12) – Verwaltungsgemeinschaften; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (143 ff.) – Rastede. Für die Bezugnahme nur auf die Aufgabengarantie v. Mutius, Gutachten E (Fn. 1140), E 37 f.; Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 353; mit umfangreichen Nachweisen Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 91 ff., der diese Rechtserkenntnis zu einem tragenden Argument seiner prinzipientheoretischen Rekonstruktion von Art. 28 II 1 GG macht. 1472 Syntaktisch liegt es nicht gerade nahe, die Wendung auf die Aufgabengarantie zu beziehen. Dadurch, dass der Verfassunggeber die Wendung „im Rahmen der Gesetze“ direkt hinter das Objekt im Infinitivsatz eingefügt hat, erweckt er den unrichtigen Eindruck, die Wendung beziehe sich nur auf die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“, nicht hingegen auf „in eigener Verantwortung“; einen solchen Eindruck bestätigt Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 130. Der Normtext spricht von seiner Syntax her dafür, „im Rahmen der Gesetze“ als eine adverbiale Bestimmung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie einzuordnen Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 91 f. Es könne, so eine verbreitete Auffassung, dem Vorbehalt im Rahmen der Gesetze aber kaum ein rechter Sinn abgewonnen werden, wenn zwar alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft der legislativen Beeinträchtigung entzogen seien, das Maß der Eigenverantwortlichkeit aber beliebig eingeschränkt werden könne Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 91; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 83; obgleich die gewichtigen Wortlautargumente anerkennend für den Bezug auf beide Garantieelemente Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 187. Weil der gesamte Infinitivsatz des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Inhalt des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts beschreibt und Art. 28 II 2 GG auf das so beschriebene Recht der Selbst­ verwaltung aus Satz 1 zurückverweist, bezieht sich der Vorbehalt auf beide Garantieelemente.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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nehmung zum Gegenstand hat, stellt sich daher als rechtfertigungsbedürftige Einschränkung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie dar. Die Wendung „im Rahmen der Gesetze“ schafft dem Gesetzgeber einen größeren – von eingriffsrechtlichen Rechtfertigungslasten freigestellten  – Regelungsfreiraum. Das Grundgesetz betont auf diese Weise die Verantwortung des Gesetzgebers eine rechtliche ‚Handlungsinfrastruktur‘ zu schaffen, um die Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen, die dann unbeeinflusst von staatlicher Reglementierung erfolgen muss. Der Gesetzgeber muss etwa, damit Gemeinden überhaupt sinnvoll von den ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben Gebrauch machen können, die rechtlichen Ausübungsvoraussetzungen schaffen1473. Ohne eine rechtliche Organisation und (Handlungs-)Infrastruktur können Gemeinden die zugewiesenen Aufgaben nicht wahrnehmen. Gemeinden als juristische Personen des öffentlichen Rechts erlangen ohne einen rechtlichen Rahmen keine rechtliche Handlungsfähigkeit1474. Die gemeindliche Selbstverwaltung muss, um das treffende Bild von Löwer zu bemühen, „arbeitsfähig gemacht werden“1475. Besonders deutlich wird die Angewiesenheit auf einen rechtlichen Rahmen, für dessen Zurverfügungstellung sich der Gesetzgeber nicht rechtfertigen muss, bei der Organisationshoheit1476. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnete es zutreffend als Sache des Gesetzgebers, rechtliche

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Es zeigt sich eine gewisse Ähnlichkeit zum Gedanken der sog. Grundrechtsvoraussetzungen, zu diesen Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 69, 81, der Regelungen, welche die tatsächliche Ausübung der Grundrechte ermöglichen, nicht als ein abwehrrechtlich relevantes Thema betrachtet; monographisch zu den (Rahmen-)Bedingungen der Grundrechtsausübung Krisor-Wietfeld, Rahmenbedingungen (Fn. 1366), S. 13 ff. Richtig heißt es in der Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (238) – Gleichstellungs­ beauftragte hinsichtlich Art. 28 II 1 GG: „Der Gesetzgeber muß […] die Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben befähigen.“ 1474 Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 104: „Dennoch ist die Ausübung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht denkbar ohne gesetzliche Ausgestaltungen. Dies folgt schon aus der Eigenschaft der Gemeinden als juristische Personen des öffentlichen Rechts. Solche – und damit auch die Gebietskörperschaften – sind nur handlungsfähig und fügen sich nur dann nahtlos in den Verwaltungsaufbau ein, wenn zumindest ein Entscheidungssystem, Vertretungsbefugnisse und die Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung geregelt sind.“; zu dem Erfordernis eines „institutionellen Rahmens“ und zu einem „Anspruch auf eine gesetzliche Regelung der örtlichen Planung“ Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 243; zuvor schon R.  Steinberg, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit  – BVerfGE 56, 298, in: JuS 1982, S. 578 (580); U. Berlit, Anmerkung zur Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/94, in: DVBl. 1995, S. 293 (294); Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 132, meint sogar, dass die Eigenverantwortlichkeitsgarantie „passiv dadurch gefährdet werden kann, daß den Gemeinden die erforderlichen rechtlichen oder tatsächlichen Mittel vorenthalten werden.“, er geht folglich von einem Anspruch auf Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘ aus; eher verhalten für einen „Leistungsanspruch auf die Schaffung rechtlicher Voraussetzungen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ Mehlhaf, Finanzausgleich (Fn. 985), S. 105. 1475 Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 67. 1476 Treffend meint Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 67, dass die „die Handlungsfähigkeit vermittelnde Organstruktur erst vom Gesetzgeber geschaffen werden“ muss bzw. sich die Selbst-

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Regelungen für die Organisation der Gemeinden zu schaffen, ohne dass er sich für diesen Bereich rechtfertigen muss. „Insbesondere die Entscheidung über die äußeren Grundstrukturen der Gemeinde wurde in allen Ländern stets als Sache des Gesetzgebers angesehen“, wozu „[d]ie Festlegung und Konturierung der Gemeindeverfassungstypen, wie etwa der Magistrats-, Bürgermeister-, süddeutschen oder norddeutschen Ratsverfassung“ zählt1477. Das Bundesverfassungsgericht sieht im Ergebnis aber einen Kernbereich eigenverantwortlicher Organisation geschützt und stellt organisatorische Regelungen nicht vollständig bindungsfrei1478. Eine gewisse Parallele zu der grundrechtlich verbürgten Privatautonomie ist nicht zu verkennen. Es dürfte unstrittig sein, dass Art. 2 Abs. 2 S. 1  GG die Privatautonomie schützt1479. Dennoch ist eine sinnvolle Ausübung der Privatautonomie auf ein gesetzgeberisches Tätigwerden angewiesen, ohne dass Regelungen sich eingriffsrechtlich rechtfertigen lassen müssen, die privatautonome Handlungen nur unter bestimmten Bedingungen ermöglichen1480. Die Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘ ist selbst nicht Konstituierung des Schutzgegenstandes, sondern der (verfassungsunmittelbaren) Konstituierung des Schutzgegenstandes nachgelagert1481. Der Schutzgegenstand der Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist

verwaltungsgarantie sogar „vom Eingriffsabwehrrecht hin zu einer Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung eines Rechtsrahmens für die angemessene Aufgabenerledigung“ wandle, ebd., Art. 28 Abs. 2 Rn. 69; jüngst auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage weist hin, ohne die „sich sonst keine Handlungsfähigkeit einstellen würde“ Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 194. – Dagegen meint Suerbaum, Wirkmächtigkeit (Fn. 988), S. 94, dass die „Relativierung der Organisationshoheit“ – konsequenterweise gilt seine Kritik (wohl) auch für die anderen Ausprägungen der Eigenverantwortlichkeitsgarantie – dadurch, dass Unterverfassungsrecht rechtfertigungsfrei erlassen werden kann, „im Verfassungstext keine Stütze“ finde. 1477 BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (239) – Gleichstellungsbeauftragte. 1478 Nicht „jede staatliche Vorgabe [bedürfe] einer spezifischen Rechtfertigung“. Jedoch sei ein „Kernbereich gesichert“, denn „den Gemeinden [müssen] insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben“ und ihnen müsse ein „hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der je einzelnen Aufgabenbereiche offengehalten werden“, so das BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (240 f.) – Gleichstellungsbeauftragte; dazu Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 348, 361. 1479 Statt Vieler H. Dreier, in: ders., GG I (Fn. 289), Art. 2 I Rn. 35 f., 62 ff.; aus der Rspr. stellvertretend BVerfG, Beschl. v. 06. 07. 2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 (300) – Honeywell. 1480 Obgleich er von einer überpositiven Fundierung der Privatautonomie ausgeht, meint z. B. M. Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 13 ff., insb. S. 19, 26 f., Zitat auf S. 26.: „Privatautonomie existiert über die Gewährleistung ihres Kerngehaltes hinaus daher überhaupt nur und insoweit, als dies von der Rechtsordnung bestimmt wird.“, siehe zu den Grundlagen der Vertragsfreiheit, ebd., S. 13 ff., insb. S. 19; ein Rechtsgeschäft ist nur dann ein rechtsnormerzeugender Tatbestand, wenn die Rechtsordnung Rechtsgeschäfte als rechtsnormerzeugende Tatbestände anerkennt Kelsen, Rechtslehre2 (Fn. 79), S. 261; dazu bereits Fn. 1304. 1481 Auch Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 415, anerkennt, dass Gemeinden auf die „rechtlichen Instrumentarien, die sie zur aktiven Wahrnehmung der ihnen zustehenden Aufgaben benötigen“, angewiesen sind. Er kennzeichnet dies allerdings als eine „partielle Konstituierungsbedürftigkeit“.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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auf konkretisierende und begleitende Normen angewiesen1482. Verfassungsrechtlich rechtfertigen muss sich der Gesetzgeber nicht, wenn er konkretisierende und begleitende Normen erlässt1483. Nur in diesem Sinne darf man die „besondere Normgeprägtheit“1484 des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verstehen. Die Normgeprägtheit ist keine allgemeine und umfassende, sondern nur eine besondere – und ergänze, partikulare  –, wie Schmidt-Aßmann zutreffend schreibt, ohne freilich den hier gewählten Ansatz vorzuzeichnen. Das modale Gewährleistungselement des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG erlaubt dem Gesetzgeber, den Inhalt und notwendigerweise (eingeschränkt) auch die Grenzen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden normativ zu konkretisieren, ohne zugleich in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie einzugreifen. Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen seiner gesetzlichen Konkretisierungsbefugnis offen, die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘1485 unter gleichzeitiger Formulierung von Bedingungen, unter denen Handlungsinstrumente genutzt werden dürfen, rechtlich zu ermöglichen1486. Just diese Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit sich Gemeinden eines bestimmten Handlungsinstruments bedienen dürfen, können zugleich als Schutzinstrumente zugunsten von Nachbargemeinden dienen. Regelungen, mit denen der Gesetzgeber eine ‚Handlungsinfrastruktur‘ schafft, konkretisieren die Eigenverantwortlichkeitsgarantie, ohne sie zu konstituieren oder in sie einzugreifen. (h) Bindungen des Gesetzgebers bei Schaffung von normativen ‚Handlungsinfrastrukturen‘ Für die Organisation der Gemeinden oder die Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘ bestehen für den Gesetzgeber  – wenn auch keine Rechtfertigungslasten im klassischen Sinne am Maßstab von Kern- und Rand 1482

Richtig Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 358, der zwischen der Eigenverantwortlichkeit auf der einen und der Schaffung von Handlungsmöglichkeiten, hier als ‚Handlungsinfrastruktur‘ begriffen, auf der anderen Seite unterscheidet. Eigenverantwortlichkeit ist ihm zufolge nur die „Autonomie, die durch die Einräumung von Rechtssubjektivität, Aufgabenbestand und Handlungsfähigkeit hervorgebracht wird“. Es ist damit durchaus vereinbar, zwar die Notwendigkeit einer normativen ‚Handlungsinfrastruktur‘ anzunehmen, ohne der verfassungsunmittelbaren Gewährleistung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie eine Absage erteilen zu müssen. 1483 Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 351 f., der die „Ausstattung mit Handlungsmöglichkeiten nicht am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ misst. 1484 Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 817. 1485 Ganz ähnlich spricht Oebbecke, Schutz (Fn. 1145), S. 26, von einem „Handlungsinstrumentarium“, und verknüpft die Verpflichtung des Gesetzgebers, ein solches zur Verfügung zu stellen mit der leistungsrechtlichen Dimension von Art. 28 II 1 GG; zur Angewiesenheit rechtlich geschaffener Handlungsinstrumentarien Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 415. 1486 Das modale Gewährleistungselement ist auf eine gesetzgeberische Konkretisierung angewiesen Ipsen, Schutzbereich (Fn. 965), S. 205.

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bereich und / oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes  – verfassungsrechtliche Bindungen1487. Für Art. 14 Abs. 1 GG ist es selbstverständlich, dass der Gesetzgeber bei der normativen Konstituierung des Eigentumsgrundrechts, die über die normative Konkretisierung hinausreicht, neben der Privatnützigkeit des Eigentums die Sozialbindung beachten muss. Das Grundgesetz stellt die Sozialbindung als Direktive der normativen Konstituierung des Eigentums in Art. 14 Abs. 2 GG normtextlich ausdrücklich heraus, denn „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich [Kursivierung nicht im Original, M. J.] dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Mit dem Wort „zugleich“ macht das Grundgesetz als gegenläufige Direktive die Privatnützigkeit bei der normativen Konstituierung des Eigentums deutlich1488. Für die Organisation von Gemeinden muss der Gesetzgeber etwa dafür Sorge tragen, dass Gemeinden einerseits ihre spezifisch verfassungsrechtliche Funktion als „politisch-demokratisches Gemeinwesen“1489 nicht verlieren: „Art.  28 Abs. 2 Satz 1 GG fordert für die örtliche Ebene insofern eine mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestattete Einrichtung der Selbstverwaltung, die den Bürgern eine effektive Mitwirkung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ermöglicht.“1490 Andererseits darf der Gesetzgeber bei der normativen Konkretisierung der Organisation und der ‚Handlungsinfrastruktur‘ der Gemeinden nicht aus den Augen verlieren, dass Gemeinden Träger öffentlicher Gewalt und Teil der Exekutive sind. Sie nehmen dezentralisiert Verwaltungsaufgaben wahr1491. Der Gesetzgeber muss berücksichtigen, dass Gemeinden die ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben im gesamtstaatlichen Interesse zuverlässig erfüllen. Zugleich nimmt der Verfassunggeber bewusst etwaige Abstriche bei der Effizienz der Aufgabenwahrnehmung, welche gerade durch die Dezentralisation der Verwaltung bedingt sind, in Kauf1492. 1487 Auf einer Linie mit dem BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR  1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (143)  – Rastede: „Der Vorbehalt ‚im Rahmen der Gesetze‘ überläßt dem Gesetzgeber diese Ausgestaltung und Formung jedoch nicht beliebig.“; jüngst, nur in der Formulierung abweichend BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfG 147, 185 (221 f. Rn. 75) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt: „Bei der somit gebotenen gesetzlichen Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber jedoch keine ungebundene Gestaltungsfreiheit zu“. 1488 H.-G.  Dederer, in: W.  Kahl / C.  Waldhoff / C.  Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. V, Art. 14 (Dezember 2017), Rn. 17, 231, 453 ff., insb. Rn. 457 f.; J. Wieland, in: Dreier, GG I (Fn. 289), Art. 14 Rn. 31 f., 90 f. 1489 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (11 f.) – Verwaltungsgemeinschaften; BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (18 Rn. 52) – Schulnetzplanung. 1490 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (18 f. Rn. 52) – Schulnetzplanung. 1491 Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 136 ff. 1492 Der Gesetzgeber hat nicht nur beim Entzug von Aufgaben „die widerstreitenden Belange der Verwaltungseffizienz und Bürgernähe in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen“ BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (20 Rn. 56) – Schulnetzplanung, sondern er hat die Belange auch bei der normativen Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeit zu einem vertretbaren Ausgleich zu bringen.

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Diese Bindungen sind in ihrer Art und Intensität nicht vergleichbar mit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsprozedur, die der Gesetzgeber durchlaufen muss, wenn er den Aufgabenbestand der Gemeinden verändert oder die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung jenseits der Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘ einschränkt. Die verfassungsrechtlichen Leitgedanken, denen der Gesetzgeber bei der Schaffung einer normativen ‚Handlungsinfrastruktur‘ berücksichtigen muss, belassen dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Der Rahmen zulässiger Rechtserzeugung ist aber auch bei der Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘ nicht unbegrenzt. Dem Gesetzgeber steht es nicht frei zu entscheiden, ob er den Gemeinden zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung überhaupt rechtliche Instrumente zur Verfügung stellt. Er muss ein Mindestmaß an Handlungsinstrumenten bereitstellen. Gleiches gilt für die Entscheidung des Gesetzgebers, ob Gemeinden letztverbindlich über die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung entscheiden dürfen. Der Gesetzgeber muss, damit Gemeinden eigenverantwortlich agieren können, beispielsweise den Kontrollauftrag von Gerichten oder der Staatsaufsicht begrenzen, indem er Gemeinden Letztentscheidungsbefugnisse für die Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuweist. Dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG etwa nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts den Gemeinden bei ihrer Organisation einen Kernbereich schützt, der dem Gesetzgeber vollends entzogen ist, deutet auf einen für den Gesetzgeber indisponiblen Minimalstandard hin1493. Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber frei, welche Instrumente er Gemeinden zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft einräumt oder ob er die Wahrnehmung bestimmter Instrumente von einschränkenden Voraussetzungen abhängig macht. Ergänzt wird die Bindung an einen Minimalstandard rechtlicher Handlungsinstrumente – tendenziell gegenläufig – durch die den Gesetzgeber treffende Protektionspflicht, wenn es um den Schutz von Gemeinden vor Störungen anderer Gemeinden geht. Qua der ihn treffenden Protektionspflicht muss der Gesetzgeber Gemeinden vor Störungen oder Gefährdungen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung wirksam schützen. Erfüllt der Gesetzgeber seine Protektionspflicht, indem er Gemeinden bestimmte Handlungsinstrumente nur unter der einschränkenden Bedingung zur Verfügung stellt, dass die handelnden Gemeinden beispielsweise die berechtigten Interessen der Nachbargemeinden wahren, sich mit den Nachbargemeinden abstimmen oder – auch nur flankierend – die Nachbargemeinden zuvor (förmlich) anhören, gestaltet er die rechtliche ‚Handlungsinfrastruktur‘ der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung auf eine bestimmte Art und Weise. Der Gesetzgeber muss sich nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen, wenn er auf diese Weise seine Protektionspflicht erfüllt. Vielmehr darf der Gesetzgeber den Gemeinden nur solche rechtlichen Handlungsinstrumente zur Verfügung stellen, deren Nutzung andere Gemeinden nicht unzumutbar stört. Sind Störungen vorhersehbar, muss er die ‚Handlungsinfrastruktur‘ so 1493 BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (241) – Gleichstellungsbeauftragte.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

gestalten, dass sie soweit wie möglich vermieden werden. Der Gesetzgeber muss Instrumente bereithalten, damit Gemeinden ihre Aufgaben nicht rücksichtslos zum Nachteil anderer Gemeinden ausüben. Er muss die Grenze angeben, ab der Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Aufgaben durch Nachbargemeinden nicht mehr hinnehmbar sind. Schafft der Gesetzgeber also im Zuge der ihm zustehenden normativen Konkretisierungsbefugnis den Gemeinden eine rechtliche ‚Handlungsinfrastruktur‘, ist es ihm grundsätzlich verfassungsrechtlich erlaubt, die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung im wechselseitigen Verhältnis der Gemeinden zu konkretisieren, das zwischengemeindliche Verhältnis zu organisieren und die sich gegenseitig womöglich beeinflussenden Aufgabenwahrnehmungen im Verhältnis zueinander verträglich zu stellen. (i) Mehr als Schaffung einer ‚Handlungsinfrastruktur‘ – verfassungsrechtliches Anforderungsprofil für Einschränkungen der Eigenverantwortlichkeitsgarantie Der Gesetzgeber überschreitet seine Befugnis zur rechtfertigungsfreien, nicht aber bindungsfreien normativen Konkretisierung des modalen Gewährleistungselements, wenn er mit Regelungen nicht mehr (nur) eine ‚Handlungsinfrastruktur‘ schafft. Er unterliegt dann nicht nur den verfassungsrechtlichen Direktiven im Spannungsfeld bürgernaher Partizipation, Verwaltungseffizienz und dem Schutz bestimmter Gruppen von Gemeinden, sondern muss sich für die Einschränkung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie verfassungsrechtlich rechtfertigen. Die Abgrenzung von rechtfertigungsfreier Schaffung einer ‚Handlungsinfrastruktur‘ und dem rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie ist losgelöst von einer konkreten Regelung nicht beantwortbar1494. Jede organisatorische Regelung zum Beispiel, mit welcher der Gesetzgeber den Gemeinden bestimmte Betätigungen rechtlich ermöglicht, wirkt sich, so das Bundesverfassungsgericht zutreffend, zwangsläufig auf den Entscheidungsprozess und den Inhalt gemeindlichen Handelns aus1495. Nicht jede Beeinflussung der Entschei 1494 Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen rechtfertigungsfreier Schaffung einer ‚Handlungsinfrastruktur‘ und eingreifenden Regelungen bereitet in der Praxis erhebliche Probleme, zuzustimmen ist daher Berlit, Anmerkung (Fn. 1474), S. 294: „Kommunale Handlungsfähigkeit erst konstituierende gesetzliche Regelungen sind trennscharf nicht von solchen zu scheiden, die in die kommunale Befugnis zur Ausgestaltung der inneren Organisation beschränkend eingreifen.“ 1495 BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (240 f.) – Gleichstellungsbeauftragte; zu den (inhaltlichen) Rückwirkungen des Organisations- und Verfahrensrechts auf das Handeln der Verwaltung knapp Gonsior, Letztentscheidungsbefugnisse (Fn. 858), S. 223. – Die Rückwirkungen einer bestimmten Gestalt des Verfahrens und der Organisation auf den Inhalt einer Entscheidung sind der Grund dafür, dass die Organisationshoheit auch auf Aufgaben erstreckt wird, die nicht zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zählen, s. dazu Fn. 1103.

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dungsfindung oder Begrenzung der Handlungsoptionen der Gemeinden durch ein beschränktes Handlungsinstrumentarium bedingt ein Überschreiten der Konkretisierungsbefugnis durch den Gesetzgeber mit der Folge der Rechtfertigungsbedürftigkeit. Je mehr die Regelung nicht nur Handlungsinstrumente zur Verfügung stellt, sondern auch inhaltlich auf die Aufgabenwahrnehmung Einfluss nimmt oder gemeindeinterne Entscheidungsprozesse beeinflusst, desto eher schafft der Gesetzgeber nicht nur Handlungsinstrumente, sondern verkürzt die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Es besteht ein fließender Übergang, der Raum für unterschiedliche Rechtfertigungsniveaus lässt. Indem der Gesetzgeber beispielsweise Gemeinden nur bestimmte Festsetzungen in dem Bebauungsplan gestattet, schränkt er die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung nicht ein, sondern stellt nur limitierte Handlungsinstrumente zur Verfügung. Der Gesetzgeber überschreitet in der Regel ebenfalls seine Konkretisierungsbefugnis nicht, wenn er Handlungsinstrumente nicht nur limitiert (d. h. nicht für jede Situation zur Verfügung stellt), sondern ihre Wahrnehmung von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht, solange diese nicht die Wahrnehmung der Aufgabe in einem hohen Maße fremdprogrammieren. Ersticken Regelungen die Eigenverantwortlichkeit, weil sie auf die sachlich-inhaltliche Aufgabenwahrnehmung verstärkt zurückwirken, dann ist die normative Konkretisierungsleistung des Gesetzgebers rechtfertigungsbedürftig. Vermutlich ist sie auch nicht rechtfertigungsfähig. Der Gesetzgeber überschreitet seine Konkretisierungsbefugnis und unterliegt abwehrrechtlichen Rechtfertigungskautelen. Er überschreitet seine Befugnis zur rechtfertigungs-, nicht jedoch bindungsfreien Schaffung einer rechtlichen ‚Handlungsinfrastruktur‘ ferner dann, wenn er die Zulässigkeit gemeindlicher Betätigung von einer vorherigen Genehmigung einer staatlichen Behörde abhängig macht. Unterstellt der Gesetzgeber die Gemeinden einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, dann muss er sich dafür verfassungsrechtlich rechtfertigen1496. Obwohl sich an den materiell-rechtlichen Einhegungen der Gemeinden nichts ändert, führt der Genehmigungsvorbehalt zur Rechtfertigungsbedürftigkeit der Schutznorm1497. 1496

Genehmigungsvorbehalte als rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ordnet ein Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 137 („direkte[r] Zugriff auf die Eigenverantwortlichkeit“); Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 460 ff. 1497 Macht der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Betätigung von einer vorherigen Genehmigung abhängig und ist die Genehmigung zu erteilen, wenn das Handeln der Gemeinde bestimmte Bedingungen erfüllt, etwa nachbargemeindliche Interessen wahrt, dann trifft die Gemeinde nur mittelbar die Pflicht, nachbargemeindliche Interessen zu wahren. Mittelbar deshalb, weil sie selbst nicht die Interessen wahren muss, sondern mangels Genehmigung nicht handeln darf, wenn sie diese nicht wahrt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Genehmigungstatbestandes binden unmittelbar nur die Genehmigungsbehörde. Das wirkt sich etwa darauf aus, ob die Nachbargemeinden Ansprüche gegenüber den übergriffigen Gemeinden haben, dass diese nachbargemeindliche Interessen wahren. Erteilt die Genehmigungsbehörde die Genehmigung, obwohl das Handeln der Gemeinde an sich die Interessen der Nachbargemeinde nicht wahrt, dann darf sich die Gemeinde trotz Beeinträchtigung nachbargemeindlicher Interessen wegen der formalen Legalisierungswirkung der Genehmigung betätigen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Über das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für Eingriffe in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG herrscht im Schrifttum nach wie vor eine unüberschaubare Debatte1498. Das Bundesverfassungsgericht entwickelte eine Sonderdogmatik, nach der es zwischen einem unantastbaren Kernbereich und einem diesem vorgelagerten Randbereich unterscheidet1499. Verkürze der Gesetzgeber den Kernbereich der Aufgaben- oder Eigenverantwortlichkeitsgarantie, sei die Verkürzung verfassungsrechtlich nicht rechtfertigungsfähig. Auch für Eingriffe in den dem Kernbereich vorgelagerten Randbereich müsse sich der Gesetzgeber verfassungsrechtlich rechtfertigen. Besonders im Nachgang der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stritt das Schrifttum lebhaft über die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes1500. In der Rastede-Entscheidung etablierte das Bundesverfassungsgericht bekanntlich das sog. Aufgabenverteilungsprinzip. Hat dieses den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verdrängt1501, ist es nur eine besondere Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes1502 oder tritt eine Überprüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit neben die Überprüfung am Maßstab des verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzips1503? Unklar ist auch, ob eine Überprüfung am Aufgabenverteilungsprinzip strenger als eine Überprüfung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist1504, ob das Aufgabenverteilungsprinzip auch für das Garantieelement der Eigenverantwortlichkeitsgarantie gilt1505 und ob in 1498

Andeutungsweise bereits bei der Frage der Operationalisierbarkeit von Art. 28 II 1 GG und der verfassungsdogmatischen Anleihe an der Grundrechtsdogmatik 3. Teil B. I. 2. b) (S. 340 ff.). 1499 Zur Kritik am Kern- und Randbereich s. die Nachweise unter Fn. 981; keine wesent­ lichen Unterschiede in der Sache, wenn die legislative Maßnahme nicht am Maßstab der Verhältnismäßigkeit überprüft wird, macht aus Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 55; nur einen geringen Rationalitätsgewinn der Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegenüber der Kernund Randbereichsdogmatik attestiert Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 260; eingehende Analyse des Kern- und Randbereichsdenkens bei Brodmerkel, Selbstverwaltung (Fn. 18), S. 171 ff. 1500 Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 135 ff.; Schmidt-Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 818 f.; Kenntner, Jahre (Fn. 965), S. 708 ff.; gegen die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stattdessen für ein „kompetenzrechtlich […] begründete[s] Subsidiaritätsprinzip“ A. Janssen, Über die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts, 1990, S. 133 ff. 1501 Schoch, Situation (Fn. 984), S. 32 ff. 1502 Schink, Selbstverwaltung (Fn. 985), S. 401 f. 1503 Jüngst BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (19 Rn. 54 f.) – Schulnetzplanung; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 257. 1504 Den Maßstab des Aufgabenverteilungsprinzips als strengeren Maßstab gegenüber dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ordnet ein Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 106; das BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (19 f. Rn. 54 f.) – Schulnetzplanung, deutet eher darauf hin, dass die „strengen Rechtfertigungsanforderungen“ aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen. 1505 Nach Auffassung des BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (389) – Krankenhausumlage, soll das sog. Aufgabenverteilungsprinzip auch für die Eigenverantwortlichkeitsgarantie gelten; in dieser Deutung Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 137; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 140; skeptisch Schoch, Situation (Fn. 984), S. 49; Schoch, Finanzautonomie (Fn. 1409), S. 111 f., wobei auch der Gesetzgeber den „Vorrang der kommunalen Eigenverantwortlichkeit respektieren“ müsse.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Situationen wie den vorliegenden der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überhaupt anwendbar sein kann1506. Gemeinsam ist allen Versuchen, die verfassungsrechtliche Rechtfertigung anzuleiten, dass der Gesetzgeber einen legitimen Zweck verfolgen muss, wenn er die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung verkürzt oder den Aufgabenbestand der Gemeinden beeinträchtigt1507. Das Bundesverfassungsgericht formulierte Gemeinwohlgründe, welche den Entzug von Aufgaben für sich genommen nicht rechtfertigen können1508. Auch wenn die Intensität der Rechtfertigungsbedürftigkeit bei 1506

Zweifel äußern vereinzelte Stimmen im Schrifttum an der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzw. des Übermaßverbotes, wenn es um einen Konflikt zwischen gleichrangigen Kompetenzträgern geht, vgl. allesamt im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen der Planungshoheit Brohm, Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 437; W. Brohm, Die Koordination der Raumplanungen im Spannungsverhältnis zwischen gemeindlicher Ortsplanung und überörtlicher Fachplanung, in: K. Grupp / M. Ronellenfitsch (Hrsg.), Planung – Recht – Rechtsschutz, 1999, S. 79 (86); das Übermaßverbot ist richtigerweise „an dem Grundkonzept der Über- und Unterordnung orientiert“ Brohm, Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 437; weniger rigoros hingegen Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 251 f., der die Erforderlichkeits- und Angemessenheitsprüfung für problematischer erachtet. Die nicht von der Hand zu weisenden Probleme bei der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei gleichrangigen Hoheitsträgern kommen hier aber nicht auf. Entweder ist der Gesetzgeber der Verursacher der Gefahr und es geht daher nicht um einen Konflikt zwischen gleichgeordneten Kompetenzträgern. Oder aber es fehlt schon an einem verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftigen Eingriff der einen Gemeinde in das Selbstverwaltungsrecht einer anderen Gemeinde, wenn z. B. die Gemeinde mit Auswirkungen auf eine andere Gemeinde plant. Es liegt kein Eingriff vor, der sich an der Schranken-Schranke des Übermaßverbotes messen lassen könnte. Art. 28 II 1 GG wirkt nach Auffassung dieser Untersuchung nicht zwischengemeindlich. Sollte man demgegenüber eine zwischengemeindliche Wirkweise annehmen, sind die Zweifel an der Anwendbarkeit des Übermaßverbotes durchaus berechtigt. 1507 Brohm, Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 431; Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1036, verweist sogar ausdrücklich darauf, dass unabhängig davon, wie die verfassungsrechtliche Rechtfertigung verfassungsdogmatisch strukturiert werde, Gründe für die Beschränkung zu benennen seien; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 119; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 257: „[D]as Handeln des Gesetzgebers [muss] durch einen legitimen, dem Gemeinwohl dienenden Zweck gerechtfertigt sein“; Mehlhaf, Finanzausgleich (Fn. 985), S. 105; die Gemeinwohlbindung betont auch das BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (127 Ls. 3, 153) – Rastede: „[E]ine Aufgabe mit relevantem örtlichen Charakter [darf der Gesetzgeber] den Gemeinden nur aus Gründen des Gemeininteresses, vor allem also dann entziehen, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre“; zuvor BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1987 – 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107 (119 f.) – Landes-­Raumordnungsprogramm Niedersachsen: „Die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie erlaubt mithin eine Beschränkung der Planungshoheit einzelner Gemeinden nur, wenn und soweit diese durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht erfordert werden.“; BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (384) – Krankenhausumlage: „Inhalt­ liche Vorgaben bedürfen damit eines rechtfertigenden Grundes des gemeinen Wohls, insbesondere etwa um eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen.“; gleichsinnig unlängst BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (21 Rn. 58) – Schulnetzplanung; BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (224 Rn. 81 ff.) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt. 1508 Weder das bloße Ziel der Verwaltungsvereinfachung noch der Zuständigkeitskonzentration genügen für sich genommen BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83,

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Eingriffen in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie eine andere sein mag als bei dem Entzug von Aufgaben, genügen Gründe der Verwaltungsvereinfachung oder der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht, die Eingriffe in die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung zu rechtfertigen. Als rechtfertigender Grund für die Einschränkung der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung kommt das zu schützende Selbstverwaltungsrecht anderer Gemeinden in Betracht1509. Dem Gesetzgeber ist es aber verwehrt, einen absoluten Schutz der Nachbargemeinden zulasten der Handlungsmöglichkeiten anderer Gemeinden verwirklichen zu wollen. Der Gesetzgeber hat zwischen beiden Rechtspositionen einen schonenden Ausgleich zu finden. Er darf nicht zu stark das Handeln der Gemeinden programmieren. Ferner muss der Gesetzgeber bei der Zuweisung von (partiellen) Letztentscheidungsbefugnissen die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der potentiell übergriffigen Gemeinden im Blick behalten. So sehr die (sekundäre) Protektionspflicht zugunsten von Nachbargemeinden für einen effektiven und umfassenden Rechtsschutz gegen Übergriffe anderer Gemeinden und die Versagung von Letztentscheidungsbefugnissen spricht, dürfen den potentiell übergriffigen Gemeinden Letztentscheidungsbefugnisse nicht zugunsten der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder der Staatsaufsicht flächendeckend entzogen werden. Kompensatorische Verfahrensregelungen, die selbst vollständig gerichtlich oder aufsichtlich kontrollierbar sind, stellen eine gangbare Alternative für den Gesetzgeber dar. Für die Genehmigungspflichtigkeit gemeindlichen Handelns gilt, dass der Gesetzgeber an die Erteilung einer Genehmigung keine derart strengen Anforderungen stellen darf, dass eine das Betätigungsverbot aufhebende Genehmigung nicht oder nur unter schwer überwindbaren Hürden erreicht werden kann. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsfähigkeit von Genehmigungsvorbehalten hängt einerseits von dem Umfang genehmigungsbedürftiger Betätigungen von Gemeinden, andererseits von der Qualität der Genehmigungsvoraussetzungen ab. Macht der Gesetzgeber etwa die Erteilung der Genehmigung von der Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen Nachbargemeinden abhängig, beschränkt der Gesetzgeber das präventive Betätigungsverbot einzig auf den Schutz von Nachbargemeinden. (4) Einzelne Regelungen der Referenzgebiete Die Analyse der Regelungen der Referenzgebiete zeigte, dass in der Art und der Weise, wie der Gesetzgeber seiner Protektionspflicht nachkommt, im Detail BVerfGE 79, 127 (153) – Rastede; zur Ausgrenzung solcher Zwecke für den Aufgabenentzug Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 56. 1509 Rechtfertigungsfähigkeit von Eingriffen durch kollidierendes Verfassungsrecht Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 107; Jarass (Fn. 1014), Art. 28 Rn. 36; zur grundrechtlichen Schutzpflicht als Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 560; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 289; in der Sache als kollidierendes Verfassungsrecht (Art. 140 GG i V. m. Art. 138 II WRV) haben herangezogen das BVerwG, Beschl. v. 31. 08. 1978 – VII B 127/77, BeckRS 1978, 839, sowie in derselben Sache VerfGH NRW, Urt. v. 16. 04. 1982 – VerfGH 17/78, NVwZ 1982, 431 (431 Ls. 2, 432).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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durchaus Unterschiede bestehen: Im Bauplanungsrecht mit dem Gebot zwischengemeindlicher materieller Abstimmung verpflichtet der Gesetzgeber die planenden Gemeinden zu einer bikriteriellen Abwägungsentscheidung der städtebaulichen Belange. Wegen der umfassenden Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht ist es formell zulässig, dass der Bundesgesetzgeber bundesweit alle planenden Gemeinden in die Pflicht nimmt. Materiell-rechtlich erweist sich die Regelung als eine zulässige Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie: Tangiert die Bebauungsplanung die städtebaulichen Belange der Nachbargemeinde, unterliegt die planende Gemeinde bestimmten Rechtfertigungslasten, da die planende Gemeinde nachbargemeindliche städtebauliche Belange nur mit eigenen städtebaulichen Belangen überwinden darf. Der Gesetzgeber begrenzt das Abwägungsmaterial auf einen bestimmten Typ von Belangen. Damit allein würde der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Protektionspflicht nicht gerecht, da den Nachbargemeinden auch hinsichtlich anderer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die jenseits der Bodennutzung liegen können, eine eigenverantwortliche Wahrnehmung garantiert ist. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber eine umfassende Abwägungspflicht in § 1 Abs. 7  BauGB vorgesehen. Anders als für § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB dürfen das Abwägungsmaterial und der Pool zulässiger Belange im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 7 BauGB nicht mehr nur auf städtebauliche Belange begrenzt werden. Im Ergebnis ist § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB eine partielle Besserstellung der Nachbargemeinden, weil der Pool abstimmungsrelevanter Belange beschränkt und die Abstimmung für die Nachbargemeinden subjektiviert wird. Der Gesetzgeber dürfte – ohne dadurch wohl das Mindestschutzniveau zu unterschreiten – auch nur hinreichend konkretisierte Planungsvorstellungen der Gemeinden als abstimmungserheblich qualifizieren1510. Der Gesetzgeber belässt der planenden Gemeinde eine Vielzahl möglicher Planungen, denn er stellt Planungsentscheidungen nur hinsichtlich ihrer Abstimmungs- und Abwägungsfehlerfreiheit zur gerichtlichen Kontrolle. Er weist Gemeinden die Letztentscheidungsbefugnis hinsichtlich aller 1510 Der von Kment, Rechtsschutz (Fn. 396), S. 352, identifizierte Wertungswiderspruch, dass gemeindlicher Rechtsschutz gegen staatliche Planungen erst bei hinreichend konkretisierten Planungsvorstellungen, Rechtsschutz gegen Nachbargemeinden nach § 2 II 1 BauGB hingegen ohne konkretisierte Planungsvorstellungen möglich sei, ließe sich daher auch anders als es Kment tut, auflösen: Der Gesetzgeber unterschreitet das zu erreichende Mindestschutzniveau nicht, wenn er Rechtsschutz von Nachbargemeinden gegen andere gemeindliche Planungen nur bei konkretisierten Planungen der Nachbargemeinde zulässt. Anders als bei staatlichen Planungsentscheidungen kommt Art. 28 II 1 GG nur gesetzesmediatisiert als Protektionspflicht zum Zuge. Bei staatlichen Planungsentscheidungen hingegen kommt Art. 28 II 1 GG unmittelbar in seiner abwehrrechtlichen Dimension zum Zuge. Zulässig wäre daher die Umkehrung, nachbargemeindlichen Rechtsschutz nur bei konkretisierten Planungsvorstellungen zuzulassen; kritisch zur unterschiedlichen Behandlung von Bauleitplanung und Fachplanung Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 247, der für eine – freilich unter der Prämisse, dass Art. 28 II 1 GG auch zwischen Gemeinden wirkt – einheitliche Bestimmung des Gewährleistungsbereichs sowie eine differenzierte Behandlung auf Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung plädiert und dort die Gleichordnung von Gemeinden bei der Rechtfertigungsfähigkeit berücksichtigt. Zur Argumentation, dass wegen des Gleichordnungsverhältnisses mehr Rücksicht zwischen Gemeinden erwartet werden könne s. bereits Fn. 399.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

abstimmungsfehlerfreien Planungen zu. Sofern man die Krabbenkamp-Formel als eine eigenständige Beschreibung der Intensität der Beeinträchtigungen im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB anerkennen sollte, ab der die planende Gemeinde zu einer bikriteriellen Abwägung verpflichtet ist, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die städtebaulichen Belange etwa bei einer geringeren Intensitätsschwelle von der planenden Gemeinde im Rahmen der allgemeinen bauleitplanerischen Abwägung Beachtung finden. Der dadurch vermittelte Schutz mag zwar schwächer sein, da dieser nicht bikriteriell und subjektiviert organisiert ist. Der Gesetzgeber unterschreitet damit jedoch nicht das verfassungsgeforderte Untermaß an Schutz von planbetroffenen Nachbargemeinden. Durch die Abstimmungs- und Abwägungsfehlerlehre schafft der Gesetzgeber ein System, in dem er einerseits dem Bedürfnis nach einer eigenverantwortlichen und letztverbindlichen Überplanung des eigenen Gemeindegebiets durch die Zuweisung gemeindlicher Letztentscheidungsbefugnisse, andererseits dem Verlangen nach effektiver Durchsetzung von Schutznormen gerecht wird. Das Baugesetzbuch hält in §§ 214 f. BauGB Regelungen vor, welche zwar nicht die konkrete Rechtsverletzung ungeschehen machen, aber den Aufhebungsanspruch der Nachbargemeinde ausschließen können1511. Dies führt dazu, dass die planauswirkungsbetroffenen Nachbargemeinden ihren einfachrechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegen zwischengemeindlich unabgestimmte Bebauungspläne nur unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 214 f. BauGB gerichtlich durchsetzen können. Der Gesetzgeber muss sich für den Verzicht oder die Einschränkung effektiver Durchsetzungsinstrumente vor der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht rechtfertigen. Er darf durch die Einschränkung des Nichtigkeitsdogmas als rechtsschichtspezifisches Rechtswidrigkeitsreaktionsregime zuungunsten von Nachbargemeinden nicht den verfassungsgeforderten Minimalstandard an Schutz unterschreiten. Da einhellig zumindest die abwägungs- bzw. abstimmungsdisproportionalen Bebauungsplanungen, d. h. Planungen, deren Abwägungs- bzw. Abstimmungsergebnisse mängelbehaftet sind, stets außerhalb des Unbeachtlichkeitsregimes der §§ 214 f. BauGB liegen sollen, steht Nachbargemeinden bei den sie unter Umständen schwer belastenden abstimmungsdisproportionalen Planungsentscheidungen ein wirk­ sames Durchsetzungsinstrument zur Verfügung1512. Im Gemeindewirtschaftsrecht genügt der Gesetzgeber seiner Protektionspflicht, indem er die ‚eingeschränkt gemeindeinterne Wirtschaftsbetätigung‘ von der Wahrung der berechtigten Interessen der benachbarten Gemeinden – auch der Gemeinden eines anderen Bundeslandes – abhängig macht. Der Gesetzgeber stellt ausschließlich eine Betätigung „außerhalb des Gemeindegebiets“ unter die Bedingung der Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Ge 1511

Zum Fehlerkalkül in Gestalt der Unbeachtlichkeitsregelungen der §§ 214 f. BauGB U. Battis, in: ders. / Krautzberger / Löhr, BauGB (Fn. 49), § 214 Rn. 2; Stock (Fn. 460), § 214 (August 2019), Rn. 1 ff.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 173. 1512 Fehler im Abwägungs- bzw. Abstimmungsergebnis sind stets beachtlich: Stock (Fn. 460), § 214 Rn. 6, 39e  f.; Uechtritz, in: Spannowsky / ders., BauGB (Fn. 71), § 214 (Februar 2020), Rn. 117.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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bietskörperschaften. Erfüllt der Gesetzgeber aus diesem Grund nur unzureichend seine verfassungsrechtliche Protektionspflicht? Tatbestand der Protektionspflicht ist der Übergriff auf den Schutzgegenstand. Störungen oder Gefährdungen der eigenverantwortlichen Wahrnehmung können auftreten, wenn die Gemeinde sich auf ihrem Gebiet wirtschaftlich betätigt. Die wirtschaftende Gemeinde erfüllt dann zwar regelmäßig eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft, sie kann gleichwohl die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung einer anderen Selbstverwaltungsaufgabe der Nachbargemeinde stören oder gefährden. Gemeinden können auch außergebietlich Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen. Die Außergebietlichkeit der Betätigung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass es zu Störungen oder Gefährdungen der Eigenverantwortlichkeit der nachbargemeindlichen Aufgabenwahrnehmung kommt. Dem Gesetzgeber steht bei der Erfüllung seiner Protektionspflicht ein zweifacher Spielraum zu: Erstens ein rechtlicher, ob sich eine Betätigung der handelnden Gemeinde auf die eigenverantwortliche Aufgabenerledigung auswirkt, d. h. die abstrakt-generelle rechtliche Beurteilung, ob es sich bei bestimmten Aufgaben um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt. Zweitens, ob es auf tatsächlicher Ebene zu Störungen kommen kann1513. 1513

Im Zusammenhang mit Art. 28 II GG thematisieren das Schrifttum und die Rspr. regelmäßig unterschiedliche Ausprägungen von Spielräumen s. dazu auch Fn. 1691. Erstens steht dem Gesetzgeber kein (Rechtserkenntnis-)Spielraum zu, was unter „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zu verstehen ist. Art. 28 II 1 GG gibt ihm verschiedene Kriterien an die Hand, anhand derer er entscheiden kann, ob es sich bei einer bestimmten Aufgabe um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt oder nicht. Der Gesetzgeber besitzt insoweit aber einen (Subsumtions-)Spielraum, ob eine von ihm vorgefundene Aufgabe eine „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ ist. Dem Gesetzgeber kommt die (Letzt-)Entscheidungsbefugnis über die Qualifikation einer konkreten Aufgabe zu s. nur Hellermann (Fn. 1463), Art. 28 (Februar 2019), Rn. 41; richtig daher die Betonung bei Heusch (Fn. 988), § 2 (März 2020), Rn. 3, dass die Entscheidung des Gesetzgebers trotz Spielraums an sich ein Erkenntnis- und kein Gestaltungsakt ist; für einen Entscheidungsspielraum auch Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 132; das BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153 ff.) – Rastede, anerkannte einen signifikanten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Anwendung oder Subsumtion der Kriterien der Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Ein ganz ähnlicher Spielraum kommt dem Gesetzgeber zu, wenn er beurteilen muss, ob das Handeln einer Gruppe von Gemeinden oder einer anderen Einheit die eigenverantwortliche Wahrnehmung von nachbargemeindlichen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beeinträchtigt. Zweitens, damit verbunden, kommt dem Gesetzgeber ein (Typisierungs-)Spielraum zu. Weil der Gesetzgeber notwendigerweise abstrakt-generell handelt, darf er dem Umstand, dass Aufgaben für die eine Gruppe von Gemeinden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft darstellen, jedoch für eine andere Gruppe nicht, bei der Beurteilung seiner verfassungsrechtlichen Bindungen typisierend berücksichtigen, vgl. Hellermann (Fn. 1463), Art. 28 (Februar 2019), Rn. 41; ohne Differenzierung wie hier zu den beiden zuerst genannten Spielräumen m. w. N. auch Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 53; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 102; andeutungsweise für einen Unterschied der beiden Spielräume P. J. Tettinger, Die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Mann / Püttner, HdKWP I (Fn. 93), § 11 Rn. 8; grundlegend auch hier BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153 f.) – Rastede. Drittens hat der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich tatsächlicher Entwicklungen, etwa ob mit Gemeindegebietsreformen die als Rechtfertigung herangezogenen Gemeinwohlbelange tatsächlich erreicht werden können Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 159; zur unklaren Unterscheidung von Beurteilungsspielraum und Typisierungsspielraum Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 354.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Anders als im Bauplanungsrecht, wo Konflikte immer von Betätigungen innerhalb des Gemeindegebiets der planenden Gemeinde ausgehen, sind die Ursachen für Konflikte im Gemeindewirtschaftsrecht in der Regel mit Grenzüberschreitungen und dem körperlichen Übertreten in fremdes Gebiet durch die wirtschaftenden Gemeinden verbunden. Aus diesem Grund unterschreitet der Gesetzgeber nicht den Mindestschutz, wenn er das Eingreifen der Schutznormen von Merkmalen abhängig macht, die typischerweise erfüllt sind, wenn es zu zwischengemeindlichen Konflikten kommt. Vielmehr liegt die Entscheidung, nur grenzüberschreitende Wirtschaftsbetätigungen von der Wahrung der berechtigten nachbargemeindlichen Interessen abhängig zu machen, noch im Typisierungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsorientierte Auslegung des Erfordernisses der Wahrung der berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften zwingt nicht dazu, die Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung von der Zustimmung der Nachbargemeinde abhängig zu machen, denn er unterschreitet nicht das Mindestmaß an Schutz, wenn er keine Zustimmung der betroffenen Gemeinde verlangt. Der Gesetzgeber kommt seiner Protektionspflicht nach, indem er durch die Interessenwahrungsklausel eine Abwägung der gemeindenachbarlichen Interessen zur Pflicht macht. Da der Gesetzgeber auch die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der wirtschaftenden Gemeinde beachten muss, würde er mit einem Zustimmungserfordernis seine Konkretisierungsbefugnis überschreiten. Die Pflicht zur Abwägung und die Kontrolle auf Abwägungsfehler ermöglichen eine sachangemessene, am Einzelfall orientierte Entscheidung. Allein die Pflicht zur Interessenwahrung besagt nicht, dass eine außergebietliche Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der wirtschaftenden Gemeinde per se unzulässig ist. Die Nachbargemeinde kommt allerdings in den Genuss der Rechtfertigungslast der wirtschaftenden Gemeinde. Begrenzt sind diese Aussagen ausschließlich auf den Regelungsgehalt von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1  GO NRW, mit dem der Gesetzgeber seiner Protektionspflicht nachkommt. Für den zuständigkeits- und kompetenzerweiternden Regelungsgehalt von § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW genügt eine Abwägungsentscheidung nicht. Erforderlich sind überwiegende Gemeinwohlbelange oder die Zustimmung der Nachbargemeinde1514. Weil die bundesverfassungsrechtliche Protektionspflicht nicht an den Landesgrenzen Halt macht, ist der Landesgesetzgeber bundesverfassungsrechtlich dazu verpflichtet, die Gemeinden anderer Länder vor den Übergriffen eigener Gemeinden zu schützen. Da der Gesetzgeber bei der Erfüllung der ihn treffenden Protektionspflicht an die bundesstaatliche Kompetenzordnung gebunden ist, darf der Gesetzgeber allerdings nur seinen eigenen Gemeinden Übergriffe auf landesfremde Gemeinden untersagen. Er unterschreitet in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht das Mindestschutzniveau, wenn er etwa eine verfestigte Absicht zur wirtschaftlichen Betätigung verlangen würde. Der Gesetzgeber müsste nicht die bewusste Entscheidung der Nachbargemeinde schützen, sich nicht wirtschaftlich betätigen zu wollen. Ähnlich 1514

Zum verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil für zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen s. 3.  Teil B. II. 2. b) (S. 484 ff.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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wie im Bauplanungsrecht kann er verlangen, dass Nachbargemeinden eine wirtschaftliche Betätigung konkret beabsichtigen1515. Auch die Regelungen des Sparkassengesetzes genügen dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil. Die Untersuchung beschränkt sich nachfolgend einerseits auf einzelne Regelungen über das Aktivgeschäft der Sparkassen, andererseits auf Regelungen betreffend die Sparkassenzweigstelleneröffnung. Die Eröffnung einer Sparkassenzweigstelle außerhalb des Gebiets des Trägers ist nur zulässig, wenn die Aufsichtsbehörde die Errichtung genehmigt. Bedingung für die Genehmigung ist, dass „besondere Umstände“ vorliegen und unter anderem die betroffenen Träger und Sparkassen angehört werden. Erfüllt die Sparkasse mit der Errichtung einer Zweigstelle im fremden Trägergebiet noch eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft, schränkt das Genehmigungserfordernis die an sich zulässige Betätigung im Interesse betroffener Sparkassen und Gemeinden ein. Die Eröffnung einer Zweigstelle im fremden Gemeindegebiet ist typischerweise dazu geeignet, die Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben anderer Sparkassen und / oder Träger zu beeinträchtigen. Die Gebietsüberschreitung macht Übergriffe auf Sparkassen und / oder Gemeinden wahrscheinlicher. Wie im allgemeinen Gemeindewirtschaftsrecht spricht eine Vermutung dafür, dass Aufgaben, die in dem Gebiet der Gemeinde erledigt werden, dieser verfassungsunmittelbar zugeordnet sind. Der Gesetzgeber kommt seiner Protektionspflicht nach, indem er die außergebietliche Zweigstelleneröffnung von der aufsichtsbehördlichen Genehmigung abhängig macht und der Aufsicht aufgibt, zu überprüfen, ob besondere Umstände die Zweigstelleneröffnung rechtfertigen. Die verfassungsorientierte Auslegung des Merkmals der besonderen Umstände lässt zu, dass die Aufsicht bei ihrer Genehmigungsentscheidung die involvierten Interessen der Sparkassen und Gemeinden gegeneinander fehlerfrei abwägt und die Zweigstelle nur dann genehmigt, wenn 1515

Allenfalls teilweise zuzustimmen ist z. B. Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 296, welche Regelungen im Stile von § 107 III 1 GO NRW in Gänze für verfassungsrechtlich bedenklich hält, wenn nur die wirtschaftliche Betätigung der Nachbargemeinde, nicht aber ihr bewusster Verzicht auf eine Betätigung als „berechtigtes Interesse“ der Nachbargemeinde anerkannt wird. Hier wirkt sich aus, dass Guckelberger nicht die unterschiedlichen Konstellationen gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung und die unterschiedlichen Regelungsgehalte von § 107 III 1 und IV 1 GO NRW unterscheidet. Unterschieden werden müssen zwingend die Konstellationen, in denen der Gesetzgeber zum einen die außergebietliche und überörtliche Wirtschaftsbetätigung durch Schaffung eines Zuständigkeits- und Kompetenztitels gestattet, zum anderen eine an sich zulässige Wirtschaftsbetätigung einschränkt. Macht der Gesetzgeber die ‚eingeschränkt gemeindeinterne‘ Betätigung von den berechtigten Interessen der Nachbargemeinden abhängig, handelt er mit diesen Regelungen, um seine Protektionspflicht zu erfüllen. Art. 28 II 1 GG bietet den Nachbargemeinden gesetzesmediatisiert Schutz, der ein Mindestniveau nicht unterschreiten darf. Der Gesetzgeber unterschreitet dieses Mindestschutzniveau auch dann nicht, wenn er bloße Absichten nicht schützt, die in einer abwehrrechtlichen Situation Schutz genössen. Er muss nicht alles, was (prima facie) Schutz ihm gegenüber genießt, auch vor Übergriffen Dritter schützen. Schafft der Gesetzgeber hingegen einen Zuständigkeits- und Kompetenztitel zur ‚gemeindeexternen Wirtschaftsbetätigung‘, dann muss er sich nach eingriffsrechtlichen Kautelen rechtfertigen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

nachbargemeindliche Sparkassen und Träger nicht unzumutbar betroffen sind. Demgegenüber genügt es nicht, wenn die Aufsicht die gemeindenachbarlichen Interessen gegeneinander abwägt, wenn mit der Zweigstelle vorrangig trägergebietsfremde Einwohner geld- und kreditwirtschaftlich versorgt werden sollen. Die Aufsicht muss entweder eine Zustimmung des betroffenen Trägers und / oder der Sparkasse einholen oder es müssen echte Versorgungslücken erkennbar werden, die den Eingriff in die Selbstverwaltungsrechte der betroffenen Sparkassen und Gemeinden rechtfertigen1516. Für den Fall, dass die Sparkasse im Aktivgeschäft in einem das Trägergebiet überschreitenden Satzungsgebiet tätig werden darf und dabei eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erfüllt, wird der Gesetzgeber gleichfalls seiner Protektionspflicht gerecht. Der Gesetzgeber macht die Wirksamkeit der Satzung nach § 6 Abs. 2 SpkG NRW von der aufsichtlichen Genehmigung abhängig. Durch die Einschaltung der Aufsichtsbehörde stellt der Gesetzgeber sicher, dass es durch die Erweiterung des Geschäftsgebiets zu keinen unzumutbaren Übergriffen auf Nachbarsparkassen bzw. -gemeinden kommt. Wird das Satzungsgebiet nachträglich erweitert, macht der Gesetzgeber die Erweiterung von den Zustimmungen betroffener anderer Sparkassen und ihrer Träger abhängig. Im Ausgangspunkt durfte der Gesetzgeber wiederum davon ausgehen, dass eine Betätigung, die das Trägergebiet überschreitet, typischerweise zu Konflikten mit anderen Gemeinden führen kann und Nachbarsparkassen und -gemeinden in der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben potentiell beeinträchtigt. Dort, wo jedoch keine nachbargemeindlichen Interessen berührt sein können, weil zum Beispiel die Sparkasse bzw. Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft trägergebietsüberschreitend erfüllt und auch die Wahrnehmung anderer Selbstverwaltungsaufgaben nicht beeinträchtigt wird, existiert kein Schutzbedarf. Die gesetzliche Schutzmaßnahme übersteigt das zum Schutz von Sparkassen bzw. ihren Trägern erforderliche Maß, weil gleichwohl die Zustimmungen der Sparkasse und des Trägers erforderlich sind. Der Landesgesetzgeber schränkt die Sparkasse bzw. die Gemeinde so weitgehend ein, dass diese nur noch trägergebietsüberschreitend die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllen können, wenn die Nachbarsparkasse und ihr Träger zustimmen. Das Sparkassengesetz umreißt tatbestandlich keine Gründe, welche materiellen Anforderungen an die Verweigerung der Zustimmungen zu stellen sind und wann die Verweigerung zulässig ist. Das Gesetz sieht auch keine Ersetzungsmöglichkeiten der Zustimmungen vor. Der Gesetzgeber überschreitet seine rechtfertigungsfreie Konkretisierungsbefugnis. Er muss sich folglich verfassungsrechtlich rechtfertigen. Weil die Regelung nicht erforderlich ist, um ausreichend Schutz sicherzustellen, ist die Regelung jedoch nicht rechtfertigungsfähig.

1516

Zum verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil für zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen s. 3.  Teil B. II. 2. b) (S. 484 ff.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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bb) Anspruch auf schützende Konkretisierung des zwischengemeindlichen Verhältnisses gegenüber dem Gesetzgeber Nach dem Modell Sterns soll Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG neben der institutionellen Rechtssubjektsgarantie und der objektiven Rechtsinstitutionsgarantie den Gemeinden zugleich eine subjektive Rechtsstellungsgarantie vermitteln1517. Aus der institutionellen Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folge aber, dass Schutz nur institutionell, nicht aber individuell gewährt werde1518. Heute ist jedoch anerkannt, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG etwa hinsichtlich der Existenz von Gemeinden eine beschränkt-individuelle Rechtssubjektsgarantie enthalten soll. Es stand wohl ferner seit jeher außer Streit, dass der Aufgabenbestand und die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung den Gemeinden subjektiv-individuell gewährleistet werden1519. Dafür spricht neben dem ausdrücklich in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG genannten Recht (heute) auch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG. Greift der Gesetzgeber in den Aufgabenbestand oder die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung ein, hat die betroffene Gemeinde einen Anspruch auf Unterlassung des Eingriffs, soweit sich dieser nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt. Beansprucht die Gemeinde nicht die Abwehr und die Unterlassung von legislativen Eingriffen in die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung, sondern verlangt vom Gesetzgeber den Erlass von sie schützenden Regelungen, ist unklar, ob sie auch individuell berechtigt ist. Haben Gemeinden überhaupt gegenüber dem Gesetzgeber einen Anspruch auf eine schützende Konkretisierung des zwischengemeindlichen Verhältnisses, weil der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht ein Protektionsanspruch der Gemeinden korrespondiert? Haben sie ferner einen Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber zu ihrem Schutz bestimmte Regelungen erlässt? Zwei Fragen müssen auseinandergehalten werden: An einer individuell-berechtigenden Qualität der Protektionspflicht zugunsten der eigenverantwortlichen

1517

Nachweise unter Fn. 957. Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 58. 1519 Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 58; zur beschränkt-individuellen Bestandsgarantie einzelner Gemeinden Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 42. – Zur umfangreichen Literatur zu den Gemeindegebietsreformen W. Thieme / G. Prillwitz, Durchführung und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform, 1981; zu ihren verfassungsrechtlichen Anforderungen F.-L. ­Knemeyer, Kommunale Gebietsreformen in den neuen Bundesländern, in: LKV 1992, S. 177 (182); S. Schmahl, Die brandenburgische Gemeindegebietsreform auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, in: DVBl. 2003, S. 1300 (1303 ff.); H. Mayer, Funktional- und Gebietsreform in den Bundesländern, in: DVBl. 2007, S. 78 (78 ff.); M. Nierhaus, Einführung, in: C. Büchner / J. Franzke / ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Anforderungen an Kreisgebietsreformen, 2008, S. 7 (7 ff.); M. Wallerath, Selbstverwaltungsgarantie und Kreisgebietsreform, in: H.  Butzer / M.  Kaltenborn / W.  Meyer (Hrsg.), Organisation und Verfahren im sozialen Rechtsstaat, 2008, S. 695 (698 ff.); J. Oebbecke, Materielle Verfassungsmäßigkeit kommunaler Gebietsreformen, in: V.  Mehde / U.  Ramsauer /  M. Seckelmann (Hrsg.), Staat, Verwaltung, Information, 2011, S. 715 (715 ff.). 1518

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Aufgabenwahrnehmung auf schützende Konkretisierung durch den Gesetzgeber bestehen keine Zweifel. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verleiht in Ausprägung der verfassungsunmittelbaren Eigenverantwortlichkeitsgarantie den Gemeinden individuelle Abwehr- und Unterlassungsansprüche. Konsequenterweise müssen auch aus den positiven Gehalten von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Ansprüche folgen können. Die Protektionspflicht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt individuell-berechtigend. Gemeinden haben einen Anspruch auf Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers. Damit ist nicht gesagt, dass Gemeinden auch einen Anspruch auf eine konkrete Schutzmaßnahme haben. Angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, wie er seiner Protektionspflicht nachkommt, kann ein Anspruch auf eine konkrete Regelung nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Sollte jedwede gesetz­ liche Maßnahme das notwendige Schutzniveau verfehlen und nur eine einzige Maßnahme der Protektionspflicht genügen, mag der Gesetzgeber zum Erlass einer ganz konkreten Regelung verpflichtet sein. Dass der Gesetzgeber aber insgesamt das verfassungsgeforderte Schutzniveau verfehlt, ist rechtspraktisch unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher ist es, dass es nur eine einzige Maßnahme geben soll, die ein ausreichendes Schutzniveau erreicht1520. cc) Abänderbarkeit schützender legislatorischer Konkretisierungsleistungen Bislang blendete die Untersuchung den Gesamtbestand des einfachen Rechts aus, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine legislativ vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung herauszuarbeiten. Wie stellt sich jedoch die Verfassungsrechtslage dar, wenn sich der Gesetzgeber zu einer bestimmten normativen Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie entschlossen hat1521? Ist der Gesetzgeber, der eine (auch) auf den Schutz vor Übergriffen von Gemeinden ausgerichtete normative ‚Handlungsinfrastruktur‘ schuf, an seine einstige Konkretisierungsleistung gebunden, wenn er gedenkt, Schutzmaßnahmen zuungunsten bestimmter Gemeindegruppen abzuschaffen? Kann er die Regelung ändern und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Konkret geht es bei all diesen Fragen um die Bestimmung des Maßstabsrechts für den Gesetzgeber: An welche Maßstäbe ist der zur Abschaffung der Schutznormen entschlossene Gesetzgeber gebunden1522? Dass der unterverfassungsrechtliche Normbestand, der Gemeinden eine rechtliche ‚Handlungsinfrastruktur‘ bereitstellt, Verfassungsrang haben könnte, liegt wegen der besonderen Angewiesenheit des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf

1520

Siehe dazu auch 3.  Teil B. II. 5. a) bb) (S. 543 ff.). Keine vergleichbaren Fragen ihres Rangs im Stufenbau der Rechtsordnung werfen eingreifende Schutznormen auf. Da solche Regelungen – auch nicht für die Zukunft – weder den Schutzgegenstand konstituieren noch konkretisieren (und aus diesem Grund überhaupt erst einen Eingriff darstellen), beeinflussen sie nicht den Gewährleistungsgegenstand und Gewährleistungsumfang der Eigenverantwortlichkeitsgarantie. 1522 Siehe dazu ausführlicher 3. Teil B. II. 5. (S. 538 ff.). 1521

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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normative Formung nahe. Die Folge wäre, dass sich der zur Änderung entschlossene Gesetzgeber (nunmehr) am Maßstab des Abwehrrechts rechtfertigen müsste. Im Bereich der Grundrechte wird über die Bindungswirkung „ausgestaltenden“ Rechts viel gestritten1523. Gerade bei den normgeprägten Grundrechten, wo das vermeintliche Bindungsdilemma besonders handgreiflich ist, besteht anscheinend teilweise ein Bedürfnis, den Regelungen des Gesetzgebers verfassungsrechtlichen Schutz zuzugestehen1524. Auch für Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gab es Versuche, den Gewährleistungsumfang des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zum Teil vom einfachen Recht abhängig zu machen: In Folge der Einführung des § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB diskutierte man im Schrifttum zum Beispiel, ob die Regelung zu einer „Erweiterung der Planungshoheit“ geführt habe1525. Ähnliche Vorstellungen sind im Gemeindewirtschaftsrecht anzutreffen1526. Die Konflikte um Gebietsreformen, Rück-Neugliederungen und etwa die Befürwortung eines beschränkt-individuellen Schutzes bei Gebietsreformen belegen ebenfalls die Tendenz, dass einfachgesetzliche 1523 Aus der Vielzahl an literarischen Meinungsäußerungen seien etwa die Stimmen herauszuheben, die namentlich im Erlass von Schutznormen in Erfüllung einer grundrechtlichen Schutzpflicht zugleich eine Erweiterung grundrechtlicher Gewährleistungsbereiche erblicken wollen wie z. B. Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 105 ff.; zu Recht ablehnend mit Ausnahme normgeprägter Grundrechte Huber, Konkurrenzschutz (Fn. 1377), S. 185 ff.; den Verfassungsrang des Schutzgesetzes verneint klar Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 291; knapp Jarass, Bedeutung (Fn. 577), S. 463. 1524 Umfassend bearbeitet m. w. N.  Gellermann, Grundrechte (Fn. 1040), S. 397 ff., 403 ff., 426 ff., der sich für eine differenzierte Behandlung von normativen Konstituierungs-, Konturierungs- und Konkretisierungsleistungen des Gesetzgebers ausspricht; knapp Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 115 f., 189 ff. 1525 Ausgangspunkt war die Feststellung der Expertenkommission, auf die der Vorschlag eines Satzes 2 zurückgeht: „Durch die vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 BauGB soll erreicht werden, dass die der Gemeinde durch die Raumordnung zugewiesene Position Bestandteil der Planungshoheit und damit klagebewehrt ist.“ s. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Novellierung des Baugesetzbuchs, Bericht der Unabhängigen Expertenkommission, 2002, Rn. 221; ähnlich die Begr. des Gesetzes, BT-Dr. 15/2250, S. 41; aus dem Schrifttum Hoppe / Otting, Erweiterung (Fn. 175); zu Recht skeptisch Kment, Bedeutung (Fn. 407), S. 999 f.; gleichsinnig Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 158 ff.; auf eine deut­ liche Unterscheidung zwischen „den grundgesetzlichen Vorgaben und der konkreten gesetz­ lichen Ausformung der verfassungsrechtlichen Planungshoheit“ mit Blick auf das „planungsrechtliche System“ weist richtigerweise hin auch Oebbecke, Planungshoheit (Fn. 2), S. 242. 1526 Lange, Orientierungsverluste (Fn. 636), S. 822. Er geht wohl davon aus, dass erstens der Aufgabenbestand der Gemeinden über Art. 28 II 1 GG hinaus erweiterbar sei. Habe der Gesetzgeber den Aufgabenbestand erweitert, dann stellen zweitens alle weiteren Regelungen, welche die Erledigung dieser zusätzlich einfachgesetzlich zugewiesenen Aufgaben reglementierten, Einschränkungen dar. Da die einfachgesetzliche Erweiterung des Selbstverwaltungsrechts (Aufgabenbestand und Eigenverantwortlichkeit der in diesen Bestand fallenden Aufgaben) drittens Verfassungsrang genieße, müsse sich der Gesetzgeber verfassungsrechtlich rechtfertigen, wenn er erst den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich erweitere, ihn dann aber wieder durch zusätzliche Voraussetzungen einschränke. Man könnte Lange jedoch auch so deuten, dass jedenfalls das modale Gewährleistungselement sich auch auf Aufgaben jenseits des Aufgabenbestands der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bezieht und dass nur unter diesem Aspekt einfachgesetzliche Aufgabenerweiterungen Verfassungsschutz genießen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Normen über den gemeindlichen Gebietszuschnitt den Gesetzgeber ähnlich wie Verfassungsrechtsnormen binden1527. Für das existentiale Gewährleistungselement bilden einfachgesetzliche Regelungen, welche den Bestand von Gemeinden betreffen, damit für künftiges Gesetzesrecht anscheinend (neues) Maßstabsrecht1528. Umstritten ist zum Teil beispielsweise, ob die Regelungen der Gemeindeordnungen, welche den (Neugliederungs-)Gesetzgeber binden, Verfassungsrang haben oder vom Gesetzgeber frei abänderbar sind1529. Zwei Fragen müssen, wenngleich sie oft im Zusammenhang miteinander beantwortet werden, voneinander geschieden werden: Erstens welchen Rang haben die Normen, die der Gesetzgeber zur Konkretisierung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und / oder dem Schutz einer Gruppe von Gemeinden erlassen hat? Zweitens – abhängig von dem Rang der Normen – darf der Gesetzgeber uneingeschränkt auf die von ihm erlassenen Normen in Erfüllung des Konkretisierungsauftrags zugreifen oder besteht insoweit eine Art „negatorischer Normbestandsschutz“1530? Ob und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber Schutzprogramme umgestalten darf oder ob sie negatorischen Normbestandsschutz genießen, steht in Abhängigkeit vom normhierarchischen Rang solcher Schutzprogramme1531. Wiesen die Re-

1527 Zu den besonderen Voraussetzungen an Rück- und Mehrfachneugliederungen BVerfG, Beschl. v. 12. 05. 1992 – 2 BvR 470/90 u. a., BVerfGE 86, 90 (90 Ls. 2, 110 ff.); zu Gebietsreformen Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 151 ff.; gegen ein höheres Gewicht des bestehenden Gebietsbestands gegenüber diesen modifizierende Gebietsreformen Waechter, Schutz (Fn. 988), S. 347 sowie S. 347 Fn. 52. 1528 Das existentiale Gewährleistungselement steht nicht im Zentrum des Interesses hier. Wie gesehen, ist es anders als die anderen beiden Garantieelemente des Art. 28 II 1 GG auf legislative Konstituierung angewiesen, sodass Aussagen zum existentialen Gewährleistungselement nicht umstandslos auf das modale Gewährleistungselement übertragbar sein werden. 1529 Seibert, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 1112), S. 16, 26 ff., meint zum Verfassungsrang „allgemeine[r] Gebietsänderungsvorschriften“, dass diese mittelbaren Verfassungsrang besitzen und der Gesetzgeber aus diesem Grund an die Vorschriften betreffend die Gebietsänderungen gebunden sei. „Mit den überlieferten einschlägigen Vorschriften haben die derzeit geltenden Bestimmungen den Rang einfachen Gesetzesrechts gemein, doch auch sie erlangen – wenn überhaupt – erst über die Rechtsfigur der ‚institutionellen (Verfassungs-)Garantie‘ – mittelbar – Verfassungsrang. Andererseits läßt sich nicht bestreiten, daß erst sie – ebenso wie die entsprechend überlieferten Vorschriften – die nur außerhalb der Verfassung vorhandene ‚Institution‘ ausmachen und daher – ebenso wie diese Vorschriften – über die Rechtsfigur der ‚institutionellen (Verfassungs-)Garantie‘ Verfassungsrang erlangen können [Kursivierung auch im Original, M. J.]. Auf die ‚institutionelle (Verfassungs-)Garantie‘ gemeindlicher Selbstverwaltung angewandt [,] folgt hieraus, daß bei der Ermittlung des Inhalts der garantierten ‚Institution‘ auch ein Rückgriff auf derzeit [Kursivierung auch im Original, M. J.] geltende einfachgesetzliche Regelungen, wie sie insbesondere in der GO des jeweiligen Landes enthalten sind, grundsätzlich möglich ist.“ 1530 Den Ausdruck „negatorische[r] Normbestandsschutz“ gebraucht etwa Gellermann, Grund­ rechte (Fn. 1040), S. 408 f. 1531 Ist vom normhierarchischen Rang einer Norm die Rede, sind damit genau besehen Aussagen über unterschiedliche Parameter aufgeworfen (unter anderem: Wer ist Rechtserzeuger, in welchem Rechtserzeugungsverfahren wurde die Norm erzeugt und, mit besonderer Bedeutung hier, mit welcher Rechtsverdrängungsmacht im Fall des Normkonflikts ist die Norm ausgestat-

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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gelungen des Gesetzgebers die Rechtsverdrängungsmacht auf, die typischerweise mit der Rangzugehörigkeit zum Verfassungsrecht einhergeht, folgte daraus vergleichsweise zwanglos, dass sich Umgestaltungen des Schutzprogramms durch den Gesetzgeber am Maßstab des Abwehrrechts des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG rechtfertigen müssten. Unterverfassungsrecht hat für die Verfassung nur (selbstandwahrende) Bedeutung, wenn sich die Verfassung dem Unterverfassungsrecht selbst gegenüber öffnet, indem sie (rechtsschichtübergreifend) Rechtserzeugungsleistungen eines anderen (nachrangigen) Normerzeugers beispielsweise statisch inkorporiert oder dynamisch auf Rechtserzeugungsleistungen nachgeordneter Rechtserzeuger verweist. Verweist die Verfassung dynamisch, delegiert sie dadurch die Macht, Verfassungsrecht (inhaltlich) zu beeinflussen, an andere Rechtserzeuger1532. Das Verfassungstet?) Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 4. Das positive Recht knüpft die Frage der Rechtsverdrängungsmacht häufig an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechtsschicht Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 40 f. Das entscheidende Kriterium ist in der Sache für die hier interessierende Frage nicht die Rechtsschichtzugehörigkeit, sondern mit welcher Rechtsverdrängungsmacht die Rechtserzeugungsleistung des Gesetzgebers in Konkretisierung des Art. 28 II 1 GG ausgestattet ist und ob der Gesetzgeber selbst noch die Macht zur uneingeschränkten Änderung besitzt. All diese Fragen muss das positive Recht beantworten Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 26. 1532 Ob Normen, mit denen der Gesetzgeber eine ‚Handlungsinfrastruktur‘ schafft und die Garantie der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung konkretisiert, Verfassungsrang haben, steht in einem größeren Problemzusammenhang, der sich mit dem Selbstand und der Offenheit der Verfassung beschreiben lässt. Aus der Perspektive des (einfachen) Gemeindewirtschaftsrechts bei der Analyse von § 107 I 1 Hs. 1 GO NRW durch die Inkorporation des Verfassungsrechtsbegriffs („zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ durch die weitere Formulierung „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ in § 107 I 1 Hs. 1 GO NRW) kam ein ganz ähnliches Phänomen bereits zur Sprache, dazu 2. Teil A. II. 2. a) aa) (2) (S. 184 ff.). Grundlegend zu Selbstand und Offenheit der Verfassung J. Isensee, Der Selbstand der Verfassung in ihren Verweisungen und Öffnungen, in: AöR 138 (2013), S. 325 (326 f.); Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 passim; diese Ansätze aufgreifend Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 189 ff. Treffend schreibt Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 2: „Selbststand und Offenheit sind […] in einem ganz grundlegenden Sinne Relationskonzepte, bestimmen sie doch den Standort der Verfassung im Verhältnis zu Normen anderer Rechtsquelle, anderer Rechtsverdrängungsmacht und / oder anderer Rechtsetzungsautorität.“ Im Kern geht es um die Frage, in welchem Verhältnis Normen stehen, die unterschiedlichen Rechtsnormerzeugungszusammenhängen angehören. Das Verhältnis mag man mit dem Begriff der „Offenheit“ treffend erfassen, denn „Offenheit in diesem generellen Sinne bedeutet das spezifische Inbeziehungsetzen von Regelungsinhalten eines Rechtserzeugungszusammenhangs mit jenen eines anderen Rechtserzeugungszusammenhangs“ Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 53. Soll die Verfassung ihren normativen Selbstand bewahren, kann es nur um eine endogene Öffnung gehen, d. h. einen durch die Verfassung selbst gesteuerten Prozess Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 6, 54. Das Grundgesetz, wie auch andere Rechtserzeugungszusammenhänge, steuert diese Öffnung zu Normen anderer Rechtsnormerzeugungszusammenhänge durch den Grundtatbestand der (Außenrechts-)Verweisung, die eine Mehrzahl von Öffnungsinstrumenten und -techniken umfasst. „Sie [scil. die (Außenrechts-)Verweisung, M. J.] bedeutet, daß eine Norm eines Rechtserzeugungszusammenhangs (Verweisungsnorm) auf eine Norm eines anderen Rechtserzeugungszusammenhangs (Zielnorm) […] Bezug nimmt“ Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 63; dazu zuvor Isensee, Selb­

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

recht delegiert damit Verfassungsrechtserzeugungsmacht an den (einfachen) Gesetzgeber durch Verweisung1533. Solange und soweit die Verweisung besteht, hat stand (Fn. 1532), S. 332 ff., zu einer Typologie der Verweisung S. 334 f.; zur Unterscheidung der rechtsschichtenübergreifenden Außenverweisung von der Verweisung auf Normen innerhalb derselben Rechtsschicht, der Binnenverweisung H.-U. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 12 f., 51 ff. Die Verweisungen können entweder statisch oder dynamisch erfolgen, zur Unterscheidung Karpen, Verweisung (Fn. 1532), S. 67 ff.; Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 58 ff.; Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 191 f. Die Art und der Umfang der Öffnung hängen von der Verfassungsrechtsnorm selbst ab Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 26 ff., 54. Die Verrechtlichung von außerrechtlichen Maßstäben pars pro toto Jestaedt, Maßstäbe (Fn. 855), § 11 Rn. 3; sowie bereits Fn. 909, 919, beruht ebenfalls auf einer Verweisung und einer endogenen Öffnung der Rechtsordnung für metajuridische Maßstäbe. 1533 Bei Grundrechten, die auf normative Konstituierung angewiesen sind, kann die Verfassung – partiell und dynamisch – auf Normen verweisen, die im (einfachgesetzlichen) Rechtsnormerzeugungszusammenhang stehen und so durch Verweisung der Verfassungsrechtsnorm selbst mit der typischen Rechtsverdrängungsmacht einer Verfassungsnorm in Verfassungsrang erwachsen, vgl. am Beispiel des Art. 14 GG Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 41, 59. Ob es sich um Verweisungen auf Normen anderer Rechtsschichten handelt, die wie bei den auf normative Konstituierung angewiesenen grundrechtlichen Gewährleistungen zur Folge haben, dass die Norm ‚ververfassungsrechtlicht‘ wird, hängt von der Verfassungsnorm selbst ab und ist daher durch Verfassungsrechtsnormerkenntnis zu ermitteln. Isensee, Selbstand (Fn. 1532), S. 338, meint dazu in (unausgesprochener) genereller Vorwegnahme der Auslegung von Verfassungsrechtsnormen, die auf normative Konkretisierung angewiesen sind: „[D]ie Anreicherung, welche die Verfassung [scil. durch das einfache Recht, M. J.] erfährt, erlangt nicht ihrerseits Verfassungsrang, sondern nur jenen Rang innerhalb der Normenhierarchie, der dem jeweiligen Anwender nach Maßgabe seiner Konkretisierungskompetenz im System der demokratischen Gewaltenteilung zukommt, also den Rang als (einfaches) Gesetz, als Exekutivakt oder als Richterspruch.“; ähnlich für die Ausgestaltungsvorbehalte meint Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 75, dass durch deren Inanspruchnahme der „verfassungsrechtliche Gewährleistungsgehalt […] angereichert […] [,] neues Recht im Verfassungsrang […] aber nicht gesetzt“ werde. Eine (Sonder-)Form der Öffnung stellen wohl die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. d. Art. 28 II 1 GG dar. Für Art. 28 II 1 GG betont das BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (221 Rn. 72) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt, seit jeher, dass der (verfassungsunmittelbare) Aufgabenbestand der Gemeinden Wandlungen unterliegen könne: „Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält jedoch keine Garantie des Status quo im Sinne eines einmal erreichten Aufgabenbestands. Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis, weil sich die örtlichen Bezüge einer Angelegenheit mit ihren sozialen, wirtschaftlichen oder technischen Rahmenbedingungen wandeln [Nachweise ausgelassen, M. J.]“; zuvor z. B. BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 2 BvL 2/13, BVerfGE 138, 1 (17 Rn. 47) – Schulnetzplanung; aus der Kommentarliteratur stellvertretend Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 51; Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 175 f.; ferner aus dem sonstigen Schrifttum z. B. Püttner, Selbstverwaltung (Fn. 10), § 144 Rn. 28. Dadurch zeigt sich der verfassungsunmittelbare Aufgabenbestand offen für Änderungen in beide Richtungen: Aufgaben können ihren Charakter als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verlieren BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (156 f.) – Rastede; VerfGH NRW, Beschl. v. 13. 01. 2004 – VerfGH 16/02, DÖV 2004, 662 (663), oder gesetzlich übertragene Aufgaben können mit der Zeit zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft werden, wie die Entscheidung des BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (227 ff. Rn. 89 ff.) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt, für die Gewährleistungsverpflichtung für die Kinderbetreuung eindrücklich belegt. Zum Einfluss gesetzlicher Gebietsbestimmungen auf den Umfang der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft s. auch Fn. 1026.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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der Rechtserzeuger der Rechtsschicht, auf die das Verfassungsrecht verweist, die Rechtsmacht, Normen im Rang des Verfassungsrechts zu ändern1534. Ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber Rechtserzeugungsleistungen umgestalten darf, auf die das Verfassungsrecht verweist, muss die Verfassung selbst bestimmen. Verbleibt Rechtserzeugungsmacht beim Gesetzgeber oder verliert der Gesetzgeber diese, weil er nunmehr selbst an das von ihm geschaffene Maßstabsrecht im Rang der Verfassung gebunden ist? Die nachträgliche Abänderung von Schutzmaßnahmen stellt keinen verfassungsrechtlichen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie derjenigen Gemeinden dar, zu deren Schutz die Regelungen einst erlassen wurden. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verleiht legislativen Konkretisierungsleistungen nicht die mit Verfassungsrechtsnormen typischerweise einhergehende Rechtsverdrängungsmacht. Konkretisierungsleistungen bilden daher für den Gesetzgeber selbst kein Maßstabsrecht. Der Gesetzgeber muss sich daher nicht fragen lassen, ob seine Umgestaltung dem Anforderungsprofil eingreifender Maßnahmen genügt. Dass durch den engen Zusammenhang zwischen normativer Konkretisierungsleistung und verfassungsunmittelbarer Eigenverantwortlichkeitsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG einfachgesetzliche Regelungen einen gewissen verfassungsrechtlich imprägnierten, nicht aber verfassungsrechtlichen Gehalt erhalten, ist dennoch unverkennbar. Das Anforderungsprofil an die Umgestaltung des gesetzgeberischen Schutzprogramms hängt nicht allein davon ab, welchen Rang Normen haben, die der Gesetzgeber zum Schutz von Nachbargemeinden als Teil der ‚Handlungsinfrastruktur‘ erlassen hat. Obwohl Umgestaltungen sich nicht abwehrrechtlich vor Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG rechtfertigen müssen, ist dem Gesetzgeber eine unbeschränkte Änderung versagt, selbst wenn er damit nicht unter das durch die Protektionspflicht geforderte Mindestschutzniveau zurückfällt. So können andere Normen als die verweisende Norm Einschränkungen enthalten. Der Gesetzgeber darf etwa nicht willkürlich handeln1535. Für die staatliche Exekutive, die Gemeinden und die Gerichte macht es keinen Unterschied, ob legislatorische Konkretisierungen der Eigenverantwortlichkeitsgarantie Verfassungsrang haben oder nicht. Sie sind umfassend nach Art. 20 Abs. 3 GG (ggf. i. V. m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) an „Gesetz und Recht“ gebunden. Auf den Rang materieller Schutzvorkehrungen durch den Gesetzgeber kann es aber ankommen, wenn durch das Handeln von Verwaltungsgerichten oder staatlichen Behörden einfachgesetzlich begründete Ansprüche zwischen Gemeinden im Horizontalverhältnis betroffen sind. Stellt eine staatliche Genehmigung eine rechtfertigungsbedürftige Verkürzung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Nachbargemeinde dar? Verletzt die gerichtliche Aufrechterhaltung einer staat­ lichen Genehmigung Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner Dimension als Abwehrrecht?

1534

Lenz, Kommunalverwaltung (Fn. 10), S. 192. Zur Geltung des Willkürverbots Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 126.

1535

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Der fehlende Verfassungsrang gesetzlicher Schutzvorkehrungen hat ferner zur Konsequenz, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch dann nicht zwischengemeindlich wirkt, wenn der Gesetzgeber sich zu einer schützenden Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie entschlossen hat1536. Eine sachbereichsspezifische zwischengemeindliche Zielrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG gibt es nicht. Eine Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts verdient deshalb uneingeschränkte Zustimmung: „Soweit im interkommunalen Bereich die Gemeinden ihre aus der Selbstverwaltungsgarantie fließende Planungshoheit gegen Nachbargemeinden in Stellung bringen dürfen, durch deren Bauleitplanungen sie sich betroffen fühlen, wird diese Drittwirkung nicht Art. 28 II  1  GG, sondern der einfach-­ gesetzlichen Norm von § 2 BauGB entnommen.“1537 In der Logik der Entscheidung folgt somit die Schutzwirkung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie nicht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, sondern aus dem einfachen Recht, ohne zugleich den Inhalt der Verfassungsgarantie inhaltlich um eine Wirkung zwischen Gemeinden anzureichern. dd) (Rechtspolitischer) Entwurf einer gesetzesmediatisierten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung Die konkrete Gestalt einer gesetzesmediatisierten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung muss davon abhängen, ob die übergriffigen Gemeinden selbst die ihnen verfassungsunmittelbar zugewiesenen Aufgaben erfüllen oder nicht. Usurpieren die störenden Gemeinden fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, sind die Betätigungen bereits ohne Zutun des Gesetzgebers in Ermangelung eines Zuständigkeits- und Kompetenztitels rechtswidrig. Der Gesetzgeber muss im Rahmen der Kompetenzordnung diese Handlung wegen der ihn treffenden Protektionspflicht unterbinden und sicherstellen, dass sich Gemeinden fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen nicht faktisch anmaßen. Das hat er getan, indem er Möglichkeiten vorsieht, zuständigkeits- und kompetenz 1536

Anders eindeutig Mann (Fn. 946), Art. 28 (Februar 2018), Rn. 211: „Auch das in § 2 Abs. 2 BauGB normierte interkommunale Abwägungs- und Abstimmungsgebot ist vom Gewährleistungsumfang der Planungshoheit umfasst und vermittelt daher eine ‚wehrfähige Rechtsposition‘“; eine ähnliche Vorstellung hatte der Gesetzgeber s. die Begründung zum Gesetzentwurf zur Einführung des § 2 II 2 BauGB, BT-Dr. 15/2250, S. 41. 1537 BVerwG, Urt. v.  15. 11. 2006  – 8  C  18/05, BVerwGE 127, 155 (158 Rn. 22); treffend auch die Feststellung des BVerwG, Urt. v. 23. 08. 1996 – 4 C 13/94, BVerwGE 101, 364 (373), in dem es darum ging, ob baunachbarlicher Rechtsschutz auch unter unmittelbarem Rückgriff auf Art. 14 I GG erlangt werden kann. Nachbarschutz bestehe, so meinte das BVerwG, „grundsätzlich nur dort, soweit ihn der Gesetzgeber auch normiert“. Obwohl das Gericht aus anderen Erwägungen – im Vordergrund stand wohl die Normgeprägtheit von Art. 14 I GG – zu dem Ergebnis kam, dass Nachbarschutz im Baurecht nicht unmittelbar auf Art. 14 I GG gestützt werden kann, ist die Parallele zur Gesetzesabhängigkeit gemeindenachbarlichen Rechtsschutzes unverkennbar; zumindest in der Tendenz auch H. Bickel, Sicherung der Selbstverwaltung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: v. Mutius, Selbstverwaltung (Fn. 965), S. 1035 (1043, 1045).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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widrige Betätigungen von Gemeinden mit den bekannten Rechtsschutzverfahren vor den Verwaltungsgerichten  – mit oder ohne Einschalten der Kommunalaufsichtsbehörden – abzuwehren. Da, wo es an einer den Nachbargemeinden zugewiesenen einfachrechtlichen Rechtsdurchsetzungsmacht von Pflichten im Verhältnis übergriffiger Gemeinde  – Nachbargemeinde fehlt, den Nachbargemeinden also kein Recht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO oder § 47 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO zusteht, erfüllt der Gesetzgeber seine Protektionspflicht durch die Etablierung der Kommunalaufsicht. Die Kommunalaufsicht wacht darüber, ob das Handeln von Gemeinden im Einklang mit dem (objektiven) Recht steht. Fehlt es an einer Zuständigkeit und Kompetenz, kann die Kommunalaufsicht mit aufsichtlichen Mitteln die fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen usurpierenden Gemeinden zu einem rechtmäßigen Handeln anhalten. Freilich kann die Aufsichtsbehörde das auch dann, wenn Nachbargemeinden im Horizontalverhältnis einen Direktanspruch gegenüber übergriffigen Gemeinden haben. Nur dann, wenn Nachbargemeinden gegenüber den anderen Gemeinden keinen Direktanspruch haben, sieht das Gesetzesrecht aber in der Regel einen Anspruch der Nachbargemeinden gegenüber der Aufsichtsbehörde auf Einschreiten vor. Unabhängig davon, ob Nachbargemeinden einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten haben oder nicht, unterschreitet der Gesetzgeber nicht den Minimalstandard an Schutz vor Gefährdungen von Gemeinden durch andere Gemeinden. Da flächendeckend die Landesgesetzgeber eine Kommunalaufsicht vorgesehen haben, besteht für den Gesetzgeber kein durch die Protektionspflicht des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundierter Handlungsauftrag (mehr). Es treten weitere Akteure auf den Plan, die zur Vermeidung und Lösung des zwischengemeindlichen Konflikts auch verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegen. (Verfassungs-)Rechtlich anspruchsvoller ist die Konfliktbewältigung, wenn jede der in den Konflikt involvierten Gemeinden eine Angelegenheit jeweils ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt. Hier kann sich der Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Protektionspflicht nicht auf die Rechtswidrigkeit des Handelns der übergriffigen Gemeinden wegen des Fehlens einer verfassungsunmittelbaren Zuständigkeit und Kompetenz verlassen. Anders als bei der faktischen Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen durch die übergriffige Gemeinde ist die Entscheidung des zwischengemeindlichen Konflikts in dieser Situation verfassungsrechtlich nicht vergleichbar vorgezeichnet. Dem Gesetzgeber fällt die Aufgabe zu, entscheiden zu müssen, unter welchen Voraussetzungen das Handeln der störenden Gemeinde rechtlich unzulässig sein soll und wie die betroffenen Nachbargemeinden das Handlungsverbot durchsetzen können. Der Gesetzgeber befindet sich im Spannungsfeld zwischen einem von ihm zu gewährleistenden Mindestschutzniveau auf der einen Seite und einem Mindestbestand an Handlungs­ instrumenten, die eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung ermöglichen, auf der anderen Seite, wenn er nicht seine Befugnis zur Schaffung einer ‚Handlungsinfrastruktur‘ überschreiten will. Überschreitet er seine Konkretisierungsbefugnis, unterliegt er zusätzlich den Anforderungen der Eingriffsrechtfertigung.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Da der Gesetzgeber notwendigerweise abstrakt-generell handelt und der konkreten zwischengemeindlichen Konflikte abstrakt-generell nur eingeschränkt Herr werden kann, muss er andere Wege finden, wie er einen sachgerechten Ausgleich zwischen der Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung durch die benachbarten Gemeinden ermöglichen kann. Mit materiell-rechtlichen, abstrakten Vorgaben wird sich der Gesetzgeber angesichts der Vielgestaltigkeit und Abhängigkeit bestimmter Vorrangrelationen von gemeindenachbarlichen Interessen zurücknehmen müssen und das Zwischengemeindeverhältnis sachbereichsspezifisch ausgestalten müssen1538. Aus diesem Grund haben die staatliche Verwaltung oder die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der konkreten Konfliktschlichtung im Einzelfall eine zentrale Rolle. Der Gesetzgeber kann im Kontinuum zwischen einem Mindestbestand an Handlungsinstrumenten und einem Mindestschutzniveau vor Gefährdungen anderer Gemeinden auf erprobte Regelungstechniken zurückgreifen, welcher er sich bereits mehrfach in konfliktgeneigten Konstellationen im zwischengemeindlichen Verhältnis bedient hat. Verstanden als ein explizit rechtspolitischer Vorschlag kann das Gebot zwischengemeindlicher Abwägung ein geeignetes Instrument sein, mit dem der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Bindungen entsprechen kann. Nach dem Konzept zwischengemeindlicher Abwägung ist das Handeln der Gemeinden rechtswidrig, wenn es an einem Abwägungsfehler leidet. Mit der Pflicht der handelnden Gemeinde zu einer zwischengemeindlichen Abwägungsentscheidung und der Etablierung einer zwischengemeindlichen Abwägungsfehlerlehre wird der Gesetzgeber der Multipluralität und der Mehrschichtigkeit des Konflikts zwischen Gemeinden gerecht, ohne dabei hinter die erforderlichen Mindeststandards sowohl hinsichtlich eines Mindestniveaus an Schutz als auch eines Mindestbestands an Handlungsinstrumenten, mit denen Gemeinden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen können, zurückzufallen. Er lässt den Gemeinden, welche zur zwischengemeindlichen Abwägung verpflichtet sind, angesichts ihrer Selbstverwaltungsrechte genügend Spielraum bei der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung. Er determiniert das Handeln rechtlich nicht (materiellinhaltlich), sondern belässt in den Grenzen der Abwägungsfehlerhaftigkeit den Gemeinden eine Vielzahl von Handlungsoptionen. Bedingt durch die Struktur der Entscheidungsfindung wahrt der Gesetzgeber der Gruppe störender Gemeinden eminente Eigenentscheidungsfreiräume. Diese substantiellen Freiräume sind verfassungsrechtlich zwingend. Zugleich stellt der Gesetzgeber sicher, dass eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung auch der Nachbargemeinden noch möglich ist, indem störende Gemeinden nicht abwägungsfehlerhaft, insbesondere nicht abwägungsdisproportional handeln dürfen. Wirkt sich das Handeln der übergriffigen Gemeinden rücksichtslos und unzumutbar auf Nachbargemeinden aus, handeln die störenden Gemeinden rechtswidrig. Sie sind zur Unterlassung 1538 Aus der Perspektive einer grundrechtlichen Schutzpflichtenkonkretisierung durch den Gesetzgeber Huber, Konkurrenzschutz (Fn. 1377), S. 253.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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verpflichtet. Der Gesetzgeber kann mit einer zwischengemeindlichen Abwägung zugleich der Schwierigkeit begegnen, dass die Realbedingungen gemeindlicher Betätigungen mit Blick auf die Größe, die Einwohnerzahl und die Wirtschaftskraft der Gemeinden sehr verschieden sein können. Diese Faktoren präzise in ein konkretes, materiell-rechtliches Programm zu gießen und in nicht nur vage Rechtsbindungen zu übersetzen, fällt dem Gesetzgeber naturgemäß schwer. Die zwischengemeindliche Abwägung bietet einen geeigneten Modus, um solche Faktoren in die Entscheidung über die (Un-)Zulässigkeit bestimmter (übergriffiger) Betätigungen einzubeziehen. Der Gesetzgeber ist zugleich verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass Nachbargemeinden wirksame Instrumente an die Hand gegeben werden, die Abwägungsfehlerfreiheit einfordern zu können. Dem Gesetzgeber stehen dafür mehrere Optionen zur Auswahl. Er darf es jedoch nicht der Entscheidung der handelnden Gemeinde überlassen, ob sie abwägungsfehlerfrei handelt. Der Gesetzgeber muss eine Kontrolle durch andere Instanzen sicherstellen und er muss Nachbargemeinden einen effektiven Rechtsschutz ermöglichen. Eine veritable Möglichkeit ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle. Der Gesetzgeber ist aber nicht frei in der Ausgestaltung dieser Kontrolle. Verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist nicht ausschließlich Rechtskontrolle. Sie bezieht sich sowohl auf die Einhaltung der Fremd- als auch der Selbstprogrammierungsanteile. Auch bei der zwischengemeindlichen Abwägungspflicht könnten Gerichte also vollumfänglich und letztverbindlich das Handeln der Gemeinden überprüfen, es sei denn den Gemeinden steht die Letztentscheidungsbefugnis zu. Die Verfassungsgarantie einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung streitet aber dafür, dass den Gemeinden im gewissen Umfang selbst Letztentscheidungsrechte zustehen müssen1539. Aus diesem Grund muss die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der zwischengemeindlichen Abwägungsentscheidung durch die Zuweisung (partieller) Letztentscheidungsbefugnisse auf die zwischengemeindliche Abwägungsfehlerfreiheit beschränkt bleiben. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aus der Warte der handelnden Gemeinden erlaubt dem Gesetzgeber nur Regelungen, welche verwaltungsgerichtlich auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt sind1540. Beschränkt sich der Gesetzgeber mit der Anordnung der Pflicht zur zwischengemeindlichen Abstimmung darauf, gemeindliches Handeln auf seine Abwägungsfehlerhaftigkeit zu überprüfen und

1539

Wie hier, freilich unter anderen strukturtheoretischen Vorzeichen Schmidt-Aßmann, Selbst­ verwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 133, der von einem „Gebot kommunalspezifischer Gesetzesgestaltung“ spricht. 1540 Im Ergebnis wie hier konstatiert Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 133, zutreffend: „[D]er Gesetzgeber [muß] verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch machen, Selbstverwaltungsorganen nach Maßgabe der normativen Ermächtigungslehre spezielle Beurteilungsermächtigungen bei der Konkretisierung planerischer, prognostischer oder gestalterischer Gesetzesbegriffe einzuräumen“; Bickel, Sicherung (Fn. 1537), S. 1051, erachtet namentlich die Abwägungsfehlerlehre als Möglichkeit, den durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gesicherten Gestaltungs- und Beurteilungsspielräumen der Gemeinden Rechnung zu tragen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

nur insoweit einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu unterstellen, bringt der Gesetzgeber die verfassungsgeforderte Letztentscheidungsbefugnis der störenden Gemeinden über ihr Handeln auf der einen und das Recht der Nachbargemeinden auf die unbeeinflusste Aufgabenwahrnehmung auf der anderen Seite in Balance. Der Gesetzgeber kann etwaig verbleibende Rechtsschutzdefizite, welche die verfassungsrechtlich zwingende Zuweisung von partiellen Letztentscheidungsbefugnissen potentiell übergriffiger Gemeinden verursacht, durch verfahrensrechtliche Regelungen und konkret einklagbare Verfahrensrechte von Nachbargemeinden kompensieren. Zwischengemeindliche Abwägungspflichten und die gerichtliche Kontrolle der Abwägungsfehlerfreiheit stellen einen gangbaren Weg gesetzesmediatisierter Konfliktbewältigung dar. b) Verfassungsrechtliche Maßstäbe und Grenzen für zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen der Gesetzgeber Vereinzelt schafft der Gesetzgeber Gemeinden einen zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel für Betätigungen jenseits der Angelegenheiten der ört­lichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Im Schrifttum entbrannte in Folge der Einführung solcher Regelungen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW durch viele Landesgesetzgeber eine lebhafte Debatte über die verfassungsrechtlichen Grenzen und das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für derartiges handlungsraumerweiterndes Gesetzesrecht. Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen finden sich dagegen nicht im Bauplanungsrecht. Bauleitplanung ist und bleibt die Steuerung der Bodennutzung im eigenen Gemeindegebiet. Die einfachrechtliche Erweiterung des gemeindlichen Aufgabenbestands zugunsten von Gemeinden geht in aller Regel zulasten anderer Gemeinden, wenn den Gemeinden Betätigungen gestattet werden, welche ihrer Art nach in den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anderer Gemeinden fallen1541. Realiter löst erst die Ausnutzung des einfachrechtlichen Zuständigkeitsund Kompetenztitels durch die handelnden Gemeinden den zwischengemeind­ lichen Konflikt aus, indem beispielsweise die Gemeinde für fremde Einwohner auf fremdem Gemeindegebiet unter Inanspruchnahme von § 107 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 107 Abs. 1 GO NRW wirtschaftet. Gleichwohl steht die Verfassungsmäßigkeit der handlungsraumerweiternden Regelungen im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung. Erst die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung schafft die rechtlichen Grundlagen für das die Nachbargemeinden beeinträchtigende Handeln der 1541

Statt Vieler Held, Wirtschaftsrecht (Fn. 552), S. 282; Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504; allerdings stärkt eine Zuständigeits- und Kompetenzerweiterung auch die Rechtsposition der von der Erweiterung betroffenen Gemeinde, denn die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung bedeutet nicht nur, dass die Nachbargemeinde eine Betätigung einer anderen Gemeinde auf ihrem Gebiet dulden muss, sondern auch, dass sie selbst Aufgaben außerhalb ihres verfassungsrechtlichen Aufgabenbestands wahrnehmen darf, darauf weist hin Heilshorn, Gebiets­ bezug (Fn. 554), S. 166 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Gemeinden1542. Die störende Gemeinde usurpiert in dieser Konstellation nicht fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen aus eigener Machtvollkommenheit. Sie kann ihr Handeln vielmehr auf legislativen Zuspruch stützen. Es ist daher gerechtfertigt, (nur) derartige Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen selbst am Maßstab von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu messen und nicht das Handeln der Gemeinden1543. Es mutet merkwürdig an, den Gemeinden vorwerfen zu wollen, das zu tun, was ihnen der Gesetzgeber unter bestimmten Bedingungen gestattet. Denkbar wäre es, sowohl das Legislativhandeln als auch das Handeln der expandierenden Gemeinden am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu messen. Wie sich zeigte, fehlt es aber an verfassungsrechtlichen Bindungen der Gemeinden untereinander1544. Bei Lichte besehen ermöglicht gelegentlich sogar erst der Gesetzgeber den Konflikt rechtlich. Jedenfalls erhöht er aber das Potential für Konflikte zwischen Gemeinden. Der Gesetzgeber schafft den Gemeinden durch den Erlass zuständigkeits- und kompetenzerweiternder Regelungen für Betätigungen jenseits ihres angestammten Aufgabenbereichs der Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft einen Rechtsrahmen und eröffnet ihnen neue legale Handlungsfelder1545. Es scheint damit reichlich euphemistisch, von ‚legislativ vermittelter zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung‘ zu sprechen, wenn doch der Gesetzgeber der eigentliche Verursacher des Zwischengemeindekonflikts ist. Je nach verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Expansionsklauseln kann der Gesetzgeber, der mit den landesrechtlichen Expansionsklauseln häufig ohnehin schon real bestehende Wirtschaftsbetätigungen rechtlich zu umhegen suchte, gleichwohl einen Beitrag zur Befriedung des zwischengemeindlichen Verhältnis 1542 Ohne viel Aufsehens misst das Schrifttum z. B. die kompetenzschaffenden Expansionsklauseln am Maßstab von Art. 28 II 1 GG Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 164 ff.; Heilshorn, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 496), S. 95; Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 145 ff. 1543 Eisenblätter, Kommunalwirtschaft (Fn. 4), S. 79 f.; zwischen einem mittelbaren Eingriff durch die Expansionsklausel und einem unmittelbaren durch die Wirtschaftsbetätigung des gemeindlichen Unternehmens unterscheidet Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 104 f. 1544 So unbedeutend, wie die Untersuchung glauben machen möchte, ist es dann doch nicht, wer der eigentliche Urheber der Störung der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung ist. Geht die Gefahr von den Gemeinden selbst aus, so käme Art. 28 II 1 GG in seiner Dimension als positiv verpflichtende Norm zum Zuge, Nachbargemeinden vor expandierenden Betätigungen anderer Gemeinden zu schützen. Ist der Gesetzgeber Gefahrverursacher, dann kommt Art. 28 II 1 GG in seiner Dimension als negativ verpflichtende Norm zum Tragen, eingehender zur verfassungsrechtlichen Weichenstellung mit Blick auf das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für die Legislativmaßnahme s. unter 3.  Teil B. II. 2. b) bb) (S. 488 ff.). 1545 Die Geschichte der Gebietsklauseln in den Gemeindeordnungen der Länder legt den gegenteiligen Schluss nahe: Nicht erst die Expansionsklauseln gaben den Anstoß für ein gemeindliches Handeln jenseits der angestammten Aufgabenfelder zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern die Gemeinden expandierten ohne legislatives Zutun. Rechtlich mögen daher die Konflikte auf den einfachgesetzlichen Expansionsklauseln beruhen, wenngleich sie faktisch auch ohne Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen zur Realität kommunalen Wirtschaftens gehörten. Die Gebietsklauseln wurden daher vielerorts als verspäteter, gesetzgeberischer Nachvollzug ohnehin bereits existierender Gegebenheiten kommunalen Wirtschaftens angesehen, Nachweise s. Fn. 514.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

ses leisten1546. Da in den meisten Kommunalverfassungen der Länder Expansionsklauseln zu finden sind, lohnt es das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für sie gebündelt aufzuzeigen. Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen wirken, wie Schmidt-Aßmann zu Recht bemerkt, „als teils beschränkende, teils ermächtigende Regelungen im Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 GG“1547. Aus diesem Grund muss zwischen den betroffenen Selbstverwaltungsrechten der involvierten Gemeinden differenziert werden. Welche Maßstäbe hält das Selbstverwaltungsrecht derjenigen Gemeinden bereit, zu deren Gunsten die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen erfolgen? Setzen die Selbstverwaltungsrechte derjenigen Gemeinden, zu deren Lasten die Erweiterungen erfolgen, der Erweiterung Grenzen1548? aa) Begrenzung durch die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe der handelnden Gemeinden Die Meinungen darüber, ob der Gesetzgeber zu zuständigkeits- und kompetenzerweiternden Regelungen befugt ist, sind geteilt. Überwiegend wird eine Kompetenz des Gesetzgebers für solche Regelungen anerkannt1549. Dafür spricht einerseits, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG normtextlich nicht darauf beschränkt ist, 1546

Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2593; w. N. s. Fn. 514. – Das gilt jedenfalls für die zukünftige wirtschaftliche Betätigung, denn bereits betriebene wirtschaftliche Unternehmen genießen, obwohl z. B. die gemeindewirtschaftlichen Vorschriften in NRW auf den Betrieb und (nicht mehr) auf die Errichtung abstellen, Bestandsschutz m. w. N. Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 14 Rn. 68; in NRW sah z. B. Art. XI § 1 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung – GO-Reformgesetz vom 09. 10. 2007, GV. NRW S. 380, Bestandsschutz vor. 1547 Schmidt-Aßmann, Verfassungsschranken (Fn. 655), S. 1023; diese Wendung greift auf Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 410, die diese allerdings auf das Handeln der Gemeinden selbst bezieht; dazu s. Fn. 1322. 1548 In diesem Sinne überprüft das Schrifttum z. B.  Schepers, Internet-Banking (Fn. 659), S. 95 f., 116 f., ob bestimmte sparkassenrechtliche Regelungen das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Sparkasse bzw. das des Trägers wahren; ähnlich im Gemeindewirtschaftsrecht ­Koehler, Reform (Fn. 564), S. 49; Lux, Wirtschaftsrecht (Fn. 564), S. 10; Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 30; Stüer / Schmalenbach, Rechtsgrundlagen (Fn. 564), S. 168. 1549 Für eine legislative Erweiterbarkeit gemeindlicher Handlungsräume Schmidt-Aßmann, Selbstverwaltung nach Rastede (Fn. 579), S. 131; Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1035; Heintzen, Tätigkeit (Fn. 520), S. 744; Hösch, Zweck (Fn. 602), S. 395; Oebbecke, Begrenzung (Fn. 502), S. 388; Kühling, Probleme (Fn. 499), S. 179; Britz, Funktion (Fn. 564), S. 385 f.; Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595; Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 296; Jarass, Aktivitäten (Fn. 585), S. 3; Ehlers, Entwicklung (Fn. 546), S. 461; Ehlers, Möglichkeiten (Fn. 522), S. 30; Lange, Orientierungsverluste (Fn. 636), S. 820 ff.; wohl auch das BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (152) – Rastede; gegen die Erweiterbarkeit wohl Enkler, Betätigung (Fn. 499), S. 350 f.; Attendorn / Schweitzer, Zulassung (Fn. 619), S. 16.  – Eine andere Frage ist, ob einfachgesetzliche Erweiterungen auch den Schutz durch Art. 28 II 1 GG genießen, was wegen fehlender Rezeption durch Art. 28 II 1 GG zu verneinen ist, dazu Fn. 1103, 1526 sowie 3.  Teil B. II. 2. a) cc) (S. 474 ff.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Beeinträchtigungen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden zu untersagen, andererseits, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine verfassungsrechtliche Mindestgarantie darstellt, also grundsätzlich nicht verbietet, Gemeinden zusätzliche Rechte, Zuständigkeiten und Kompetenzen einzuräumen1550. Eine gesetzliche Kompetenz ausschließlich zu beschränkenden Regelungen ist Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht zu entnehmen1551. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der handelnden Gemeinden begrenzt die Befugnisse des Gesetzgebers zur Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung nicht. Mit der Ausweitung des gemeindlichen Handlungsraums gestattet der Gesetzgeber den Gemeinden eine Betätigung, die in aller Regel allein aus Gründen der Gewinnerzielung erfolgt1552. Im Gemeindewirtschaftsrecht herrscht erheblicher Streit über die Auslegung des Merkmals des öffentlichen Zwecks in § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW oder in gleichlautenden Regelungen anderer Länder. Überwiegend erachtet das Schrifttum eine Betätigung allein zur Gewinnerzielung und nur mittelbaren Verfolgung eines öffentlichen Zwecks als nicht ausreichend. Eine andere Frage ist aber, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich daran gehindert ist, Gemeinden eine Betätigung allein aus Gründen der Gewinnerzielung zu gestatten1553.

1550

Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 85.  – Problematisch wird eine Aufgabenübertragung freilich dann, wenn eine Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung besteht. Eine solche steht bei den Expansionsklauseln, die einen zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereich eröffnen, ersichtlich nicht in Rede; zur Aufgabenübertragung als rechtfertigungsbedürftige Verkürzung kommunaler Selbstverwaltung, wenn die Wahrnehmung originärer Selbstverwaltungsaufgaben durch die Aufgabenüberbürdung erschwert wird Löwer (Fn. 565), Art. 28 Rn. 59; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 88, 111; Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 71; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 231; aus dem gemeindewirtschaftlichen Schrifttum Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2595. 1551 Zu Recht erteilt der hilfsweisen Überlegung, dass doch zumindest in der Erweiterung zugunsten der einen Gemeinde eine Beschränkung zulasten der anderen Gemeinde liege, mit der Überlegung eine Absage, dass für den Bereich, für den Zuständigkeiten und Kompetenzen erweitert werden sollen, der erweiternde Regelungsgehalt dieser Regelung gegenständlich überwiegt Brosius-Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 414; vom Erfordernis einer gesetzlichen Regelung wegen des Eingriffs der wirtschaftenden Gemeinde in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde gehen aus Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 49 sowie 49 Fn. 215; von dieser teils erweiternden, teils beschränkenden Wirkung der Expansionsklauseln muss der Bereich der ‚rein gemeindeinternen‘ und der ‚eingeschränkt gemeindeinternen Betätigung‘ unterschieden werden, bei der diese Hilfsüberlegung von vornherein nicht verfängt, da es ausschließlich um die Beschränkung zum Schutz von Nachbargemeinden geht. – Die kompetentielle Qualifikation von Gesetzesrecht erfolgt anhand des Gegenstandes und des Schwerpunktes der Regelung m. w. N. H.-W. Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeiten, in: Isensee / Kirchhof, HdStR VI (Fn. 10), § 135 Rn. 21, 41 ff.; J. Rozek, in: Mangoldt, GG II (Fn. 585), Art. 70 Rn. 49, 55 ff.; aus der Rspr. beispielhaft BVerfG, Urt. v. 17. 02. 1998 – 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228 (251 ff.). 1552 Statt Vieler aus dem Schrifttum Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 296. 1553 Eingehende Auseinandersetzung etwa bei Otting, Steuerungsmodell (Fn. 611), S. 137 ff.; Storr, Staat (Fn. 41), S. 119 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

bb) Begrenzung durch die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe von Nachbargemeinden Setzt die Garantie der Selbstverwaltung der Gruppe derjenigen Gemeinden der Erweiterung Schranken, zu deren Lasten die Erweiterung geht? Ist es dem Gesetzgeber aus diesem Grund verwehrt, Zuständigkeiten und Kompetenzen zu erweitern oder ist ihm (nur) eine bestimmte tatbestandliche Ausgestaltung der zuständigkeitsund kompetenzerweiternden Regelungen aufgegeben? Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kommt in seiner Dimension als negativ verpflichtende Norm zum Zuge. Dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension und nicht in seiner Dimension als Protektionspflicht zur Anwendung gelangt, ist eine zentrale Weichenstellung für das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für die handlungsraumerweiternden Legislativakte. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob die verfassungsrechtliche Überprüfung der Regelungen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW oder § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW in den Bahnen der Abwehr oder der Protektion verläuft. Als negativ verpflichtende Norm verlangt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die strikte Unterlassung des Handelns und löst verfassungsrechtliche Rechtfertigungslasten aus. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für grundsätzlich verbotene gesetzliche Regelungen erfordert, dass die Regelung der Überprüfung am Maßstab der Sonderdogmatik von Kern- und Randbereich und / oder der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Als Protektionspflicht belässt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG dem Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum, wie er seiner Pflicht zum Schutz nachkommt. Er ist nur an einen Minimalstandard gebunden. Verletzt der Gesetzgeber mit dem Erlass von zuständigkeits- und kompetenzerweiternden Regelungen seine Protektionspflicht, weil er es unterlässt, Gemeinden vor Störungen anderer Akteure zu schützen? Obwohl der Gesetzgeber aktiv handelt, kann er mit einer Regelung einen ausreichenden Schutz von Nachbargemeinden unterlassen haben, weil er etwa die Expansion an zu wenig strenge Anforderungen geknüpft hat1554. Der Gesetzgeber schafft jedoch erst die rechtlichen Voraussetzungen für Störungen durch andere Gemeinden. Ihm ist nicht ein Unterlassen ausreichenden Schutzes, sondern im Gegenteil vorzuwerfen, dass er den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich anderer Gemeinden zulasten von Nachbargemeinden erweitert. Mit der Erweiterung des Handlungsraums qua einfachgesetzlicher Ermächtigung geht zugleich die Verpflichtung der Nachbargemeinden einher, das körperliche Übertreten in ihr Gemeindegebiet sowie sehr wahrscheinlich die Wahrnehmung einer ihrer Aufgaben durch andere Gemeinden zu dulden. Mit der impliziten Duldungspflicht, die die Kehrseite der Handlungsraumerweiterung von Normen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW ist, ist es Nachbargemeinden verwehrt zu entscheiden, ob und wie sie bestimmte Aufgaben wahrnehmen 1554 In einem Tun kann ein Unterlassen ausreichenden Schutzes liegen Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 248.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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möchten1555. Im Vordergrund steht nicht ein Übergriff eines dritten, selbst nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebundenen Akteurs, vor dem der Gesetzgeber schützen muss. Es ist der Gesetzgeber selbst, nicht ein übergriffiger Nicht-Bindungs-­Akteur, vor dem die Gemeinden bei der Wahrnehmung von Angelegenheiten ihrer ört­ lichen Gemeinschaft geschützt werden müssen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG trifft den Gesetzgeber in seiner negativ verpflichtenden Funktion, wenn er aktiv die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung dadurch beeinträchtigt, dass er andere Gemeinden dazu ermächtigt, Aufgaben wahrzunehmen, die an sich der anderen Gemeinde verfassungsunmittelbar zugewiesen sind1556. (1) Gewährleistungsumfang der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie Die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung muss zuerst den Gewährleistungsbereich einer Teilgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der Gruppe der Nachbargemeinden betreffen1557. Das Schrifttum differenziert soweit ersichtlich nicht zwischen den unterschiedlichen Garantieelementen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, wenn es Regelungen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG misst. (a) Betroffensein der Aufgabengarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Erweitert der Gesetzgeber den Rahmen zulässiger Betätigung von Gemeinden über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hi­ naus, könnte die Erweiterung den Aufgabenbestand anderer Gemeinden betreffen. 1555

Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 166 f.; Scheps, Örtlichkeitsprinzip (Fn. 4), S. 135 f. – Die Argumentation erinnert an den im Schrifttum erheblich auf Ablehnung gestoßenen abwehrrechtlichen Ansatz zur Begründung der grundrechtlichen Schutzpflichten bei Schwabe, Drittwirkung (Fn. 1304), zusammenfassend ab S. 45 ff.; im Zugriff ähnlich bei Murswiek, Verantwortung (Fn. 1374), S. 58 ff.; Murswiek, Bedeutung (Fn. 1374), S. 182; dazu bereits knapp Fn. 1304. Anders als dort geht es bei handlungsraumerweiternden Regelungen des Gesetzgebers zugunsten einer Gruppe und zulasten einer anderen Gruppe von Gemeinden nicht darum, dass der Staat gemeindliches Handeln nicht untersagt und ihm aus diesem Grund das Handeln der Gemeinden als eigenes zugerechnet werden muss, in diesem Sinne die knappe Zusammenfassung des wesentlichen Gedankens der abwehrrechtlichen Lösung der Schutzpflichtenproblematik bei Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 36 ff., sondern darum, dass der Gesetzgeber Gemeinden störendes Handeln rechtlich überhaupt erst ermöglicht. 1556 In der Entscheidung, ob Art. 28 II 1 GG in seiner Dimension als negativ verpflichtende Norm (Abwehrrecht) oder als positiv verpflichtende Norm (Protektionspflicht) anwendbar ist, lehnt sich die Untersuchung an die Ausführungen zur grundrechtlichen Schutzpflicht von ­Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 247, an. Überträgt man seine Ausführungen auf Art. 28 II 1 GG, ist ausschlaggebend: Ist die Quelle der Gefahr in der Hemisphäre des Gesetzgebers oder in der der Gemeinden selbst belegen? 1557 Nach Auffassung von Britz, Funktion (Fn. 564), S. 386, bietet Art. 28 II 1  GG keinen Schutz vor Konkurrenz, sodass auch Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen den Gewährleistungsbereich von Art. 28 II 1 GG nicht beträfen.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Bei Regelungen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW kommt es scheinbar zu einer Umverteilung von Zuständigkeiten und Kompetenzen, sodass die Aufgabengarantie betroffen zu sein scheint. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Ausprägung der Aufgabengarantie schützt einen bestimmten Bestand von gemeindlichen Aufgaben. Die Aufgabengarantie bietet allein Schutz vor einer nachteiligen Veränderung des Aufgabenbestands. Der Aufgabenbestand ist dann betroffen, wenn der Gesetzgeber den Gemeinden Zuständigkeiten und Kompetenzen entzieht und zum Beispiel auf höhere Verwaltungsträger übertragt. Er zont mit anderen Worten einst gemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen auf andere, den Gemeinden organisationsrechtlich übergeordnete Verwaltungsträger hoch. Für die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung zugunsten von anderen Gemeinden nehmen Stimmen im Schrifttum an, dass der Gesetzgeber durch den Erlass von Regelungen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW die Zuständigkeit und Kompetenz zwar nicht hochzone, aber querzone. Die terminologische Anleihe am Ausdruck „Hochzonung“ deutet darauf hin, dass der Aufgabenbestand der Gruppe der (Nachbar-)Gemeinden betroffen ist. Aufgaben werden auf nebengeordnete Verwaltungsträger umverteilt. So spricht Gern von einem „Aufgabenentzug im Wege einer […] Querzonung“1558. Qua einfachgesetzlicher Regelung darf die wirtschaftende Gemeinde auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde Aufgaben wahrnehmen, die wahrscheinlich Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeine sind. Der Umstand, dass die Wahrnehmung der Aufgabe, welche grundsätzlich in die Kategorie der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft fällt, auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde erfolgt, spricht dafür, dass es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft derjenigen Gemeinde handelt, auf deren Gebiet die Betätigung stattfindet. Um ein fiktives Beispiel zu geben: Der Betrieb eines Schwimmbads auf dem eigenen Gemeindegebiet für die eigenen Gemeindeeinwohner ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, da diese einen spezifischen Bezug zu den Interessen und Bedürfnissen der eigenen Einwohner hat. Ermächtigt der Gesetzgeber eine andere Gemeinde dazu, auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde für deren Einwohner ein Schwimmbad zu betreiben, dann erfüllt die wirtschaftende Gemeinde mit dem Betrieb des Schwimmbads keine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft. Die das Schwimmbad betreibende Gemeinde nimmt eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde wahr. Allerdings wäre eine Verlagerung von Zuständigkeiten und Kompetenzen, wie sie etwa der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Rastede zugrunde lag, nur dann anzunehmen, wenn die Regelung zur Folge hätte, dass die an sich verfassungsunmittelbar zuständige und kompetente Gemeinde nach der Zuständigkeitsund Kompetenzerweiterung zugunsten anderer Gemeinden nicht mehr zuständig und kompetent wäre. Anders gesagt: Mit dem Erlass einer Expansionsklausel die

1558

Gern, Betätigung (Fn. 586), S. 2596; in diesem Sinne ebenfalls Gern, Kommunalrecht (Fn. 1458), Rn. 731, sowie in der Neuauflage Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 1008; eine „Aufgabenverlagerung“ nimmt auch an Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 168.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Nachbargemeinden ihre Zuständigkeiten und Kompetenzen verlören. Daran fehlt es. Den Nachbargemeinden ist es unbenommen, sich trotz einfachrechtlich zugelassener fremdgemeindlicher (Aufgaben-)Konkurrenz auf ihrem Gebiet der Aufgabe anzunehmen, die auf Grundlage des einfachgesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitels nunmehr auch von anderen Gemeinden wahrgenommen werden darf. Den Aufgabenbestand der Gruppe von Nachbargemeinden, auf deren Gebiet sich andere Gemeinden betätigen dürfen, verändert der Gesetzgeber nicht1559. Die Aufgabengarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist nicht betroffen. (b) Betroffensein des modalen Gewährleistungselements des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung könnte vielmehr das modale Gewährleistungselement betreffen. Indem der Gesetzgeber anderen Gemeinden die Betätigung auf fremdem Gemeindegebiet gestattet, sind die Nachbargemeinden je nach Art und Weise der gemeindeextern wahrgenommenen Aufgaben selbst daran gehindert, die in aller Regel in ihren Aufgabenbestand nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fallenden Aufgaben nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen wahrzunehmen. Die Aufgabenwahrnehmung durch die wirtschaftende Gemeinde kann die Nachbargemeinde faktisch aus der Wahrnehmung der Aufgabe verdrängen. Das gilt insbesondere für Gemeinden, die nach Größe und Wirtschaftskraft erheblich voneinander abweichen. Größere Gemeinden sind eher in der Lage, ihre verfassungsunmittelbar oder einfachgesetzlich zugewiesenen Zuständigkeiten und Kompetenzen wahrzunehmen. Für Aufgaben, die einerseits Aufgaben sind, welche in den Aufgabenbestand der Nachbargemeinden fallen, andererseits (nunmehr) durch die einfachgesetzliche Handlungsraumerweiterung auch von anderen Gemeinde wahrgenommen werden dürfen, kann es zu einem legislativ für zulässig erklärten Verdrängungswettbewerb zwischen Gemeinden kommen. Besonders handgreiflich ist die Betroffenheit des modalen Gewährleistungselements für die Gruppe der Nachbargemeinden, wenn die fremdgemeindliche Wirtschaftsbetätigung die Entscheidung der Nachbargemeinden konterkariert, sich zum Schutz des Mittelstandes nicht wirtschaftlich zu betätigen. Die Wirtschaftsbetätigung macht die eigenverantwortliche Entscheidung der Nachbargemeinden, sich nicht zu betätigen, zur Makulatur. Die Schaffung eines zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitels betrifft folglich die Eigenverantwortlichkeitsgarantie derjenigen Gemeinden, deren Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nunmehr (auch) durch andere Gemeinden wahrgenommen werden dürfen. 1559 Aus dem gemeindewirtschaftsrechtlichen Schrifttum Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 203 f.; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 106; nicht abzustreiten ist, dass es zu „Veränderungen im Kompetenzgefüge“ kommt wie Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 296, annimmt; gleichsinnig hinsichtlich eines etwaigen Aufgabenentzugs auch Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 60 f.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

(2) Eingriff in das modale Gewährleistungselement durch die Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung Erweitert der Gesetzgeber den Handlungsraum einer bestimmten Gruppe von Gemeinden, greift er in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gruppe von Nachbargemeinden ein. Er schafft nicht lediglich die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Aufgabe (Schaffung einer normativen ‚Handlungsinfrastruktur‘), die grundsätzlich rechtfertigungsfrei erlassen werden dürfen. Eine ‚Handlungsinfrastruktur‘ schafft der Gesetzgeber nur dann, wenn die Regelungen den Gemeinden einen Rahmen und die Instrumente zur Verfügung stellen, um Aufgaben, die ihnen verfassungsunmittelbar bereits zugewiesen sind, eigenverantwortlich zu erfüllen. Der Gesetzgeber schafft nur dann eine rechtfertigungsfreie normative ‚Handlungsinfrastruktur‘, wenn er Gemeinden die eigenverantwortliche Erfüllung von Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft ermöglicht. (3) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der legislativen Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung Der Gesetzgeber muss sich verfassungsrechtlich rechtfertigen, wenn er in das modale Gewährleistungselement der Selbstverwaltungsgarantie einer Gruppe von Gemeinden eingreift. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hält mit der Wendung „im Rahmen der Gesetze“ nicht nur die Möglichkeit einer gänzlich rechtfertigungsfreien Konkretisierung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie bereit. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gestattet es dem Gesetzgeber auch, die Eigenverantwortlichkeitsgarantie einzuschränken, wenn sich dies rechtfertigen lässt. (a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Der Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie durch die Zuständigkeitsund Kompetenzerweiterung ist nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn Regelung formell verfassungsgemäß ist. Relevant ist insbesondere, ob der Gesetzgeber gesetzgebungskompetent ist. Eröffnet der Gesetzgeber den Gemeinden im Gemeindewirtschaftsrecht die Möglichkeit, sich überörtlich zu betätigen, darf er eine überörtliche Betätigung nur auf dem Gebiet solcher Gemeinden gestatten, für die er über eine Gesetzgebungszuständigkeit verfügt. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Landesgesetzgebers beschränkt sich auf Gemeinden, die im eigenen Landesstaatsgebiet liegen. Aus diesem Grund ist es dem Gesetzgeber kompetentiell verwehrt, Gemeinden des eigenen Bundeslandes eine Betätigung auf dem Gebiet eines anderen Bundeslandes zu gestatten1560. Eine solche Kompetenzerweiterung bedarf der Mitwirkung des anderen Bundeslandes. 1560 Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1035; D.  Ehlers, Das neue Kommunalwirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, in: NWVBl. 2000, S. 1 (6); Kühling, Probleme (Fn. 499),

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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(b) Gemeinwohlbindung des Gesetzgebers und ‚zwischengemeindliches Aufgabenverteilungsprinzip‘ Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Beeinträchtigung des modalen Gewährleistungsbereichs unterliegt der Gesetzgeber einer Gemeinwohlbindung. Einschränkungen darf der Gesetzgeber bei aller Unklarheit des genauen Anforderungsprofils für Eingriffe in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur vorsehen, wenn er dafür Gründe vorbringen kann. Darüber hinaus genügt es nicht, dass der Gesetzgeber mit der Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts Gemeinwohlbelange verfolgt, die die (individuellen) Rechtspositionen betroffener Nachbargemeinden überwiegen. Die Gründe, die zum Beispiel für eine überörtliche Wirtschaftsbetätigung zulasten anderer Gemeinden sprechen, müssen gegenüber dem Recht der Gemeinden, ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen, derart gewichtig sein, dass sie eine Abweichung vom ‚zwischengemeindlichen Aufgabenverteilungsprinzip‘ rechtfertigen1561. In den Abwägungsvorgang, in dem der Gesetzgeber die unterschiedlichen Interessen der beiden Gruppen von Gemeinden gegenüberstellt und gewichtet, fließt maßgeblich eine grundlegende verfassungsrechtliche Entscheidung (mit) ein, die neben dem durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbürgten individuellen Schutz der Gemeinden mit dem Begriff des ‚zwischengemeindlichen Aufgabenverteilungsprinzips‘ beschrieben werden kann1562. Das zwischengemeindliche Aufgabenverteilungsprinzip gilt zwischen gleichrangigen Verwaltungsträgern derselben S. 181; Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 165; Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 103; Brosius-­ Gersdorf, Betätigung (Fn. 515), S. 402. 1561 Es wirkt sich abermals aus, dass das genaue Verhältnis zwischen Kern- und Randbereichslehre sowie dem Aufgabenverteilungsprinzip, das in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Randbereichsschutz steht auf der einen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite unklar ist, dazu Fn. 1501–1504. Es erscheint plausibel, dass das Aufgabenverteilungsprinzip zusätzliche oder gewichtigere Gründe verlangt, um Eingriffe in gemeindliche Verfassungsrechtspositionen zu rechtfertigen und damit Prüfpunkte der Verhältnismäßigkeit modifiziert. 1562 Das Aufgabenverteilungsprinzip, d. h. der „prinzipielle Vorrang einer dezentralen, also gemeindlichen, vor einer zentral und damit staatlich determinierten Aufgabenwahrnehmung“ BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (147 ff.) – Rastede (zur Aufgabengarantie), und BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1991– 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (384) – Krankenhausumlage (zur Eigenverantwortlichkeitsgarantie), kommt für Eingriffe des Gesetzgebers durch die Handlungsraumerweiterung zugunsten einer Gruppe von Gemeinden zulasten einer anderen Gruppe in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie nicht zur Anwendung. Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 167 f., sieht hingegen keine Probleme, dieses anzuwenden. Aufgaben werden jedoch dann nicht zentral auf staatlicher oder übergeordneter Verwaltungsebene erfüllt, wenn eine andere Gemeinde sich auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde betätigen darf. Anders gesagt: Die Aufgabenwahrnehmung bleibt dezentral, obgleich der Handlungsraumerweiterung vornehmlich zugunsten von wirtschaftlich stärkeren Gemeinden eine Zentralisierungstendenz innewohnt. Uhlenhut, Betätigung (Fn. 575), S. 162, meint, dass die gebietsüberschreitende Wirtschaftsbetätigung der Dezentralisation entgegenwirke. Zweifel an der Anwendbarkeit des Aufgabenverteilungsprinzips äußert Hauser, Betätigung (Fn. 520), S. 106, wenngleich er sich in der Sache ganz ähnlich wie hier dafür ausspricht, dass „die konkurrierende Betätigung mehrerer Verwaltungsinstitutionen mit identischem Handlungsauftrag in demselben Gebiet verhindert werden“ soll, ebd., S. 110.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

staatsorganisationsrechtlichen Ebene, nämlich den Gemeinden. Wie schon das Aufgabenverteilungsprinzip des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Rastede1563, ist auch das ‚zwischengemeindliche Aufgabenverteilungsprinzip‘ nicht mit einer zwischengemeindlichen Zielrichtung zu verwechseln. Indem jede Gemeinde nach Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich wahrnehmen darf, schuf der (Verfassungsrechts-)Gesetzgeber den Gemeinden Handlungsbefugnisse, derer sie sich unbesehen ihrer wirtschaftlichen Stärke oder Größe annehmen dürfen. Das Grundgesetz geht, trotz der gegenseitigen Beeinträchtigungspotentiale im gemeindenachbarlichen Verhältnis, davon aus, dass es zumindest nicht zu einer (Aufgaben-)Konkurrenz zwischen Gemeinden hinsichtlich ein und derselben Aufgabe kommen soll. Das Grundgesetz trägt damit (auch) dem partizipativen Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung als dezentralisierte Verwaltung Rechnung. Das Grundgesetz sieht gewissermaßen ein ‚zwischengemeindliches Aufgabenverteilungsprinzip‘ vor, von dem nur aus überwiegenden (Gemeinwohl-)Gründen abgewichen werden darf, die das Prinzip überwiegen. Erweitert der Gesetzgeber den Handlungsraum der einen Gemeinde, bringt er dieses Aufgabeverteilungsprinzip im Verhältnis von Gemeinden zu­einander ins Ungleichgewicht. Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sollen Gemeinden ihre Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen. Gemeinden sind dann, wenn der Gesetzgeber anderen Gemeinden zusätzliche Zuständigkeits- und Kompetenztitel schafft, der Zuständigkeits- und Kompetenzkonkurrenz anderer Gemeinden ausgesetzt, obwohl das Grundgesetz dieses an sich zu vermeiden sucht. Konkurrenz soll es jedenfalls nach der Aufgabenverteilung nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hinsichtlich derselben Aufgabe nicht geben. (c) Zustimmung der Nachbargemeinden Der Gesetzgeber darf anderen Gemeinden die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinden einfachgesetzlich gestatten, wenn die Nachbargemeinden die Betätigung freiwillig zulassen. Verzichtet die Gemeinde aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auf eine Betätigung und ist die fremdgemeindliche Betätigung aus ihrer Sicht erwünscht, spricht das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinde nicht dagegen, dass der Gesetzgeber zu ihren Lasten den Handlungsraum anderer Gemeinden erweitert. Stimmt die Nachbargemeinde der Betätigung zu, fehlt es schon an einem verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftigen Eingriff. Für die Ermöglichung der rechtfertigungsfreien Expansion im Fall der Zustimmung durch die Nachbargemeinden ist der Gesetzgeber gehalten, das Zustimmungserfordernis tatbestandlich zu erfassen und Handlungsraumerweiterungen auf nachbargemeindlich erwünschte Expansionen zu beschränken. 1563 BVerfG, Beschl. v.  23. 11. 1988  – 2  BvR  1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (152)  – ­Rastede.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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(d) Sicherung finanzieller Mindestausstattung durch Ermöglichen gemeindlicher Eigeninitiative in Gestalt überörtlicher Wirtschaftsbetätigung? Welche Gründe verfolgt der Landesgesetzgeber, wenn er zum Beispiel Gemeinden eine Wirtschaftsbetätigung jenseits ihres verfassungsrechtlichen Aufgabenbestands gestattet und damit die Eigenverantwortlichkeitsgarantie anderer Gemeinden beeinträchtigt? Teilweise geht das Schrifttum davon aus, dass sich Gemeinwohlgründe, welche eine Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterung einer Gruppe von Gemeinden zulasten einer anderen Gruppe von Gemeinden rechtfertigen können, nicht finden lassen1564. Die Erweiterung des gemeindlichen Handlungsraums ist unter Umständen gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für überörtliche Wirtschaftsbetätigungen eine finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden sicherstellt. Die Gesetzes­ begründung zum Ersten Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1999, mit dem § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW Eingang ins Gesetz gefunden hat, benannte zwei wesentliche Motive für die Erweiterung des gemeindlichen Wirtschaftsraums: Einerseits die veränderten Wettbewerbsbedingungen, unter denen Gemeinden nur bestehen könnten, wenn ihr Handlungsspielraum erweitert werde. Andererseits verwies der Gesetzgeber auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden für die Kommunalfinanzen und den Arbeitsmarkt1565. Rechtfertigen diese Gründe die Beeinträchtigung des nachbargemeindlichen Selbstverwaltungsrechts? Aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG soll ein Anspruch der Gemeinden auf eine finanzielle Mindestausstattung folgen1566. Verpflichtungsadressat des Anspruchs auf 1564

Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 504; Becker, Kommunalwirtschaft (Fn. 514), S. 1036 ff. Gesetzesbegründung der Landesregierung zum Entwurf des Ersten Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 25. 02. 1999, LTDrs. 12/3730, S. 105. 1566 Im Detail ist Vieles umstritten, aus dem umfangreichen Schrifttum s. etwa Otting, Steuerungsmodell (Fn. 611), S. 169 ff.; Schoch, Finanzautonomie (Fn. 1409), S. 137 ff.; Schmidt-­ Aßmann, Garantie (Fn. 575), S. 823; M. Nierhaus, Verfassungsrechtlicher Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, in: LKV 2005, S. 1 (1 ff.); Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 82 ff.; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 283 ff., insb. S. 288 ff.; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 146 ff.; Mehlhaf, Finanzausgleich (Fn. 985), S. 165 ff.; Schwarz (Fn. 585), Art. 28 Rn. 243 ff.; jüngst monographisch Petit, Mindestausstattungsanspruch (Fn. 1060); das BVerfG äußerte sich anders als die Landesverfassungsgerichte nur obiter dicta zu einem Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, BVerfGE 147, 185 (223 Rn. 78) – Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt; kurz danach relativierte das Gericht seine Andeutungen und ließ einen bundesverfassungsrechtlichen Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung ausdrücklich wieder dahinstehen BVerfG, Beschl. v. 07. 07. 2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310 (333 Rn. 55); zuvor ließ das Gericht einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung ebenfalls stets offen BVerfG, Beschl. v. 10. 06. 1969 – 2  BvR  480/61, BVerfGE 26, 172 (181); BVerfG, Beschl.  v.  15. 10. 1985  – 2  BvR  1808/82 u. a., BVerfGE 71, 25 (36 f.); BVerfG, Beschl. v.  07. 02. 1991  – 2  BvL  24/84, BVerfGE 83, 363 (386) – Krankenhausumlage; BVerfG, Kammerbeschl. v. 23. 09. 1994 – 2 BvR 1547/85, 1565

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

eine angemessene Finanzausstattung ist das jeweilige Land1567. Indem der Landesgesetzgeber ausnahmsweise eine Wirtschaftsbetätigung jenseits des Aufgabenbestands des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gestattet, könnte er seiner Verpflichtung zur angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden nachkommen. Nach umstrittener Auffassung soll der Gesetzgeber sogar unter bestimmten Bedingungen dazu verpflichtet sein, den Gemeinden eine Wirtschaftsbetätigung zum Zwecke der Gewinnerzielung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber schaffe hier mit anderen Worten den Gemeinden eine weitere (nichthoheitliche) Einnahmequelle1568. Die wirtschaftende Gemeinde kann von Skaleneffekten auf Grund ihrer Expansion auf fremdes Gebiet profitieren. Ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung würde die Beeinträchtigung des nachbargemeindlichen modalen Gewährleistungselements damit im Selbstverwaltungsrecht und der verfassungsrechtlich fundierten Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung einer ausreichenden finanziellen Mindestausstattung der wirtschaftenden Gemeinden finden. Der Gesetzgeber fördert die Eigen­initiative der Gemeinden und befähigt diese, sich durch eine überörtliche und außergebietliche Wirtschaftsbetätigung selbst die finanziellen Mittel zu beschaffen und ihre NVwZ 1995, 370 (370 Ls. 2, 371); BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, 2434/04, BVerfGE 119, 331 (361) – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften; das BVerwG, Urt. v. 25. 03. 1998 – 8 C 11/97, BVerwGE 106, 280 (287); BVerwG, Urt. v. 15. 06. 2011 – 9 C 4/10, BVerwGE 140, 34 (38 f. Rn. 22 f.), anerkannte einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung; ebenso exem­plarisch die Landesverfassungsgerichte zu den landesverfassungsrechtlichen Regelungen HessStGH, Urt. v. 21. 05. 2013 – P.St. 2361, NVwZ 2013, 1151 (1151 Ls. 1, 1152); diese Entscheidung besprochen von J. Oebbecke, Anmerkung zur Entscheidung des HessStGH, Urt. v.  21. 05. 2013  – P.St.  2361, in: NVwZ 2013, S. 1156 (1156 ff.); kürzlich erneut HessStGH, Urt. v.  16. 01. 2019  – P.St.  2606 u. a., NVwZ 2019, 1036 (1036 Ls.  1, 1037 ff.); VerfGH NRW, Urt. v. 27. 02. 2018 – VerfGH 17/15, KommJur 2018, 145 (145); ThürVerfGH, Beschl. v. 07. 03. 2018 – VerfGH 1/14, BeckRS 2018, 4200 Rn. 88 ff. 1567 Schoch, Finanzautonomie (Fn. 1409), S. 154 ff.; Engels, Verfassungsgarantie (Fn. 959), S. 299; Dreier (Fn. 17), Art. 28 Rn. 148 ff.; Mehlhaf, Finanzausgleich (Fn. 985), S. 163. 1568 Otting, Steuerungsmodell (Fn. 611), S. 166 ff., Zitat auf S. 180, nimmt an, dass die Selbstverwaltungsgarantie die Möglichkeit zur Erschließung sonstiger, nichthoheitlicher Einnahmequellen nicht nur nicht verbiete, sondern sie sogar garantiere. Das sei insb. unter den Bedingungen der Fall, wenn „aufgrund einer staatlichen Finanzkrise der Anteil der Kommunen am allgemeinen Steueraufkommen insgesamt das zur Erfüllung der Pflichtaufgabe erforderliche Maß unterschreitet oder aufgrund der im Finanzausgleich zulässigerweise vorgenommenen Typisierung individuell einer Kommune keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen [im Original mit Gliederungssymbolen, M. J.].“; kritisch zu diesem Ansatz Ehlers, Rechtsprobleme (Fn. 493), S. 499 f., wobei er sich mit der Argumentation Ottings zumindest hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Argumentation nicht auseinandersetzt und mehr behauptet, dass das Verfassungsrecht einer Erwerbswirtschaft ohnehin entgegenstehe. Otting zeigte mit überzeugenden Argumenten, dass das Verbot unter bestimmten Bedingungen nicht gilt; verfassungsrechtlich für unzulässig erachtet die reine Gewinnorientierung Mann, Unternehmen (Fn. 572), S. 819 f.; einen anderen Weg schlägt ein J. Oebbecke, Die unterfinanzierte Kommunalverwaltung, in: Die Verwaltung 29 (1996), S. 323 (323 ff., 331 f.), der statt der Zulässigkeit einer gemeindewirtschaftlichen Betätigung allein aus Gründen der Gewinnerzielung und damit eine Abweichung vom Gemeindewirtschaftsrecht eine Abweichung von haushaltsgesetzlichen Regelungen nach den Regeln des strafrechtlichen Notstands in Erwägung zieht. Die Pflichten des Gesetzgebers nimmt er dabei nicht in den Blick.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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finanzielle Mindestausstattung zu sichern. Der Gesetzgeber darf das Recht der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aber nur dann beeinträchtigen, wenn seine Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks überhaupt geeignet sind. Zudem darf der Zweck nicht durch weniger einschneidende, gleich geeignete Maßnahmen erreicht werden können1569. Die Maßnahmen müssen also erforderlich sein. Sowohl an der Geeignetheit als auch der Erforderlichkeit bestehen Zweifel. Unsicher ist bereits, ob die Gestattung einer überörtlichen Wirtschaftsbetätigung geeignet ist, Gemeinden eine finanzielle Mindestausstattung zu schaffen. Da der Gesetzgeber abstrakt-generell eine überörtliche Wirtschaftsbetätigung gestattet, betrifft die Regelung jede Gemeinde innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Gesetzgebers. Dadurch ermöglicht er den Gemeinden, sich auf Kosten anderer Gemeinden finanziell zu sanieren. Insgesamt fließen der gemeindlichen Ebene keine zusätzlichen Mittel zu. In Zeiten klammer Haushaltslagen, welche den Gesetzgeber dazu veranlassen, Wege zu finden, wie die gemeindlichen Haushalte finanziell aufgebessert werden können, verschlechtert sich potentiell die Haushaltslage derjenigen Gemeinden, auf deren Gebiet nunmehr auch andere Gemeinden zusätzlich wirtschaften und Einnahmequellen für sich beanspruchen. Weil den Gemeinden keine Fremdmittel zufließen und der Gewinn der einen Mindergewinn der anderen Gemeinde zur Folge hat, ist die Geeignetheit der Maßnahme zumindest fragwürdig. Es darf zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass von Regelungen im Stile von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW in aller Regel wohl nicht diejenigen Gemeinden profitieren, die auf eine finanzielle Mindestausstattung angewiesen sind. Zu einer Wirtschaftsbetätigung jenseits des eigenen verfassungsrechtlichen Aufgaben­ bestands entscheiden sich eher die Gemeinden, die bereits über eine ausreichende finanzielle Ausstattung verfügen und tatsächlich ausreichende Kapazitäten haben, ihren Wirtschaftsraum zu erweitern. Der positive Effekt, dass die Gruppe der Gemeinden selbst von der Ausdehnung ihres Handlungsraums profitiert, welche eine fremdgemeindliche Wirtschaftsbetätigung zu dulden hat, wirkt sich daher realiter nicht aus1570. Zweifel bestehen auch an der Erforderlichkeit handlungsraumerweiternder Regelungen. Der Gesetzgeber kann seiner Verpflichtung zur Sicherstellung einer finanziellen Mindestausstattung ohne Eingriff in das modale Gewährleistungselement einer Gruppe von Gemeinden nachkommen, indem er Gemeinden schlicht Landesmittel zuweist. Zweifelhaft wäre dann allenfalls, ob die Zuweisung von Landesmitteln gleich geeignet wäre, wenn dies zu einer Minderung der dem Land 1569 BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 2002 – 2 BvR 329/97, BVerfGE 107, 1 (14) – Verwaltungsgemeinschaften: „Inhaltliche Vorgaben müssen durch Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sein, etwa durch das Ziel, eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen […]. Sie sind auf dasjenige zu beschränken, was der Gesetzgeber zur Wahrung des jeweiligen Gemeinwohlbelangs für geboten halten darf.“; zur Erforderlichkeit auch Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 121. 1570 Im Ergebnis lässt auch Heilshorn, Gebietsbezug (Fn. 554), S. 166 f., die Möglichkeit der betroffenen Gemeinden, sich selbst überörtlich zu betätigen, als Kompensation nicht ausreichen.

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insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel führt. Jedenfalls aus der Sicht der Gemeinden ist aber die Finanzmittelzuweisung durch das Land, gesamtstaatliche fiskalische Erwägungen außen vor belassen, gleich geeignet1571. (e) Sicherstellung flächendeckender Versorgung Ein rechtfertigender Grund für den Gesetzgeber, eine Betätigung jenseits der Erfüllung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu gestatten, liegt womöglich vor, wenn der Gesetzgeber die Betätigung zulässt, um die ordnungs­gemäße Aufgabenerfüllung auf dem Gebiet der Nachbargemeinden sicherzustellen. Kann eine Gruppe von Gemeinden aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Versorgung auf ihrem Gebiet nicht gewährleisten, mag es gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber zum Zweck der Sicherung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung anderen Gemeinden die Wahrnehmung von Aufgaben gestattet, die an sich einer anderen Gemeinde verfassungsrechtlich zugewiesen sind. Erforderlich für eine solche Annahme ist aber, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Gruppe von Gemeinden ihrer Versorgungsfunktion nicht nachkommt1572. (4) Einzelne Regelungen der Referenzgebiete Zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen finden sich zum Beispiel im Gemeindewirtschaftsrecht oder im Sparkassenrecht. § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW schafft Gemeinden einen zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel für ‚gemeindeexterne Wirtschaftsbetätigungen‘. Normtextlich setzt § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW voraus, dass die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Verfassungsrechtlich zulässig sind derartige Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen nach dem oben entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil allerdings nur, wenn entweder überwiegende Gemeinwohlbelange für eine überörtliche Wirtschaftsbetätigung sprechen oder die betroffenen Gemeinden zustimmen. Den Stimmen im Schrifttum, welche eine Zustimmung der betroffenen Nachbargemeinden fordern, ist für den erweiternden Regelungsgehalt aus verfassungsrechtlicher Sicht daher zuzustimmen. Das ‚zwischengemeindliche Aufgabenverteilungsprinzip‘ spricht gegen eine Handlungsraumerweiterung. Aus diesem Grund zwingt eine verfassungsorientierte Auslegung des § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW zu einer differenzierten Interpretation des Merkmals der berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebiets 1571

Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der rein erwerbswirtschaftlich motivierten Gestattung einer überörtlichen Wirtschaftsbetätigung hegt aber auch Otting, Steuerungsmodell (Fn. 611), S. 197 ff. 1572 Zum Gemeinwohlinteresse der Versorgungssicherheit i. E. ebenfalls verneinend Held, Wirtschaftsrecht (Fn. 552), S. 282.

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körperschaften: Geht es um den erweiternden Regelungsgehalt von § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW, ist die Betätigung nur zulässig, wenn entweder die betroffene Nachbargemeinde zustimmt oder die auf fremdes Gemeindegebiet ausgreifende wirtschaftende Gemeinde konkret darlegen kann, dass die Versorgungssicherheit in der Nachbargemeinde nicht gewährleistet ist. Geht es hingegen um den Regelungsgehalt des § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW, mit dem der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Protektionspflicht nachkommt, ist eine zwischengemeindliche Abwägungsentscheidung, wie sie die Untersuchung oben vorschlug, verfassungsgemäß. Im Sparkassenrecht erweitert zum Beispiel § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW in einem Teil seines Regelungsgehalts den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich der Sparkassen, wenn ihnen eine Zweigstelleneröffnung zur Erfüllung überörtlicher Aufgaben gestattet wird. § 3 Abs. 1 lit. a SpkG NRW erweitert ebenso den Handlungsraum von Sparkassen, wenn das Satzungsgebiet das Trägergebiet übersteigt und Sparkassen das Aktivgeschäft jenseits der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaften ihrer Träger gestattet wird. Der Landesgesetzgeber trägt auf unterschiedliche Weise den Selbstverwaltungsrechten der betroffenen Sparkassen und Gemeinden Rechnung: Eine Zweigstelleneröffnung im fremden Trägergebiet ist nur zulässig, wenn die Sparkassenaufsicht diese genehmigt. Mit der Handlungsraumerweiterung greift der Gesetzgeber in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der betroffenen Sparkasse und des betroffenen Trägers ein. Sofern keine Zustimmungen der betroffenen Sparkasse und des betroffenen Trägers vorliegen, müssen etwa enge nachbarschaftliche Beziehungen oder Versorgungslücken manifest werden. Nur wenn sich solche Gründe finden lassen, kann der Eingriff in die Selbstverwaltungsrechte benachbarter Sparkassen und Träger verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Mit dem Genehmigungserfordernis zieht der Gesetzgeber eine zusätzliche Sicherung ein. Allerdings hat er es versäumt, tatbestandlich die besonderen Umstände zu konkretisieren, die den Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantien der betroffenen Sparkassen und Träger rechtfertigen können. Wegen der normtextlichen Weite des Merkmals der besonderen Umstände ist es jedoch einer verfassungsorientierten Auslegung zugänglich. Auch mit der Möglichkeit der Erweiterung des Geschäftsbereichs über das Trägergebiet hinaus greift der Gesetzgeber rechtfertigungsbedürftig in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der betroffenen Sparkasse und des Trägers ein, wenn die Erweiterung zur Folge hat, dass die Sparkasse keine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft mehr erfüllt. Verfassungsrechtlich zulässig ist die Zuständigkeitsund Kompetenzerweiterung nach dem oben entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil wiederum nur dann, wenn entweder überwiegende Gemeinwohlbelange für ein überörtliches Aktivgeschäft sprechen oder die betroffenen Sparkassen und Gemeinden zustimmen. Für die Rechtfertigungsfähigkeit ist danach zu unterscheiden, ob das Geschäftsgebiet über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu einem Zeitpunkt erweitert wird, in dem bereits eine Nachbarsparkasse vorhanden war oder nicht. War zu dem Zeitpunkt, als das Satzungsgebiet erweitert wurde, noch keine Sparkasse in dem

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Erweiterungsgebiet errichtet, dann ist diese Entscheidung der inaktiv bleibenden Gemeinde vom Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst. Die geld- und kreditwirtschaftliche Infrastruktur gehört heute zu der Basisausstattung modernen Lebens. Der Gesetzgeber durfte daher davon ausgehen, dass dieser wichtige Gemeinwohlbelang die Entscheidung der Gemeinde, keine Sparkasse in ihrem Gebiet zu errichten, überwiegt, um durch die Zulassung des Aktivgeschäfts eine geld- und kreditwirtschaftliche Grundversorgung der dortigen Einwohner sicherzustellen. Das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Sparkasse und des betroffenen Trägers, nicht zur Erfüllung eigener Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eine Sparkasse zu errichten, verdient weniger Schutz. Bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ist es für den Gesetzgeber zudem zulässig, dem Aspekt der zeitlichen Priorität bei der abstrakt-generellen Beurteilung der ausnahmsweisen Zulässigkeit eines das Trägergebiet übersteigenden Satzungsgebiets maßgebliche Bedeutung beizumessen. Anders verhält es sich für eine Erweiterung des Satzungsgebiets zu einem Zeitpunkt, zu dem beispielsweise schon eine Sparkasse in dem Erweiterungsgebiet errichtet wurde. Das Zustimmungserfordernis in § 3 Abs. 5 SpkG NRW gestattet die Erweiterung nur, wenn die betroffene Sparkasse und der betroffene Träger zustimmen. Weil § 3 Abs. 5 SpkG NRW die Erweiterung tatbestandlich von Zustimmungen und der Genehmigung durch die Aufsicht abhängig macht, fehlt es an einem rechtfertigungsbedürftigen Eingriff durch den Gesetzgeber. § 3 Abs. 1 lit. a i. V. m. § 3 Abs. 5 SpkG NRW genügen dem verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil für zuständigkeits- und kompetenzerweiternde Regelungen. c) Resümee Legislative Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen zulasten anderer Gemeinden sind verfassungsrechtlich nur eingeschränkt zulässig. Sie greifen in das modale Gewährleistungselement der Nachbargemeinden ein. Der Eingriff ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn die Nachbargemeinden zustimmen oder die Versorgungssicherheit konkret gefährdet ist. Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung durch den Gesetzgeber bewerkstelligt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG damit durch eine stark limitierte Zulässigkeit überörtlicher Betätigungen wie zum Beispiel der ‚gemeindeexternen Wirtschaftsbetätigungen‘. 3. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die staatliche Verwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit – exekutiv und judikativ vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung für den Einzelfall Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung ist zuvörderst eine Domäne des Gesetzgebers, denn die verfassungsrechtliche Protektionspflicht trifft zuallererst ihn. Er ist der Primäradressat der aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Pflicht zum

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schützenden Tätigwerden. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bindet aber auch seine anderen Verpflichtungsadressaten1573: Sie sind zum Schutz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden vor Übergriffen durch selbst nicht unmittelbar an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebundene Akteure verpflichtet. Der Gesetzgeber kann den Schutz der Gemeinden nur auf einer abstrakt-generellen Ebene gewährleisten. Die einzelne Gemeinde kann der Gesetzgeber wegen der notwendigerweise vom Einzelfall gelösten Regelungstechnik der Gesetz­ gebung nicht vor Übergriffen anderer Gemeinden konkret-individuell schützen. Aus diesem Grund nehmen die anderen staatlichen Akteure eine wichtige Rolle im Konfliktschlichtungsprogramm des Gesetzgebers ein, um Gemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden im Einzelfall zu bewahren. Sein regelungspraktisches Unvermögen kann der Gesetzgeber durch verfahrensrechtliche Regelungen zum Teil kompensieren. Nicht der Gesetzgeber entscheidet den Konflikt im Einzelfall, sondern er delegiert die konkrete Konfliktschlichtungsentscheidung auf die staatliche Exekutive oder die Judikative1574. a) Rolle der Staatsaufsicht bei der Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten Die staatliche Verwaltung im engeren Sinne als Adressatin von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nimmt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten ein. Der Gesetzgeber gibt der Verwaltung, wie Schmidt-Preuß in einem anderen Zusammenhang treffend konstatiert, „das Mandat zur Konfliktschlichtung im Einzelfall“1575. Ohne gesetzliche Regelung ist der Staatsaufsicht die Konfliktbewältigung für den Einzelfall versperrt. Die Verwirklichung der Protektionspflicht ist in aller Regel auf die Vermittlungsleistung durch das einfache Recht angewiesen1576. Das 1573 Zu den Grundrechten Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 181 f.; Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 155; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 102; anders als Huber, Konkurrenzschutz (Fn. 1377), S. 185, der meint, dass dort, „[w]o der Gesetzgeber dieser Pflicht [scil. d. h. der Schutzpflicht, M. J.] nicht nachgekommen ist, […] die Schutzpflichten auch an andere Gewalten gerichtet [sind]“, treffen die anderen Gewalten auch dann, wenn der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht nachgekommen ist, die verfassungsrechtlichen Bindungen. 1574 Ähnlich ist die Situation bei Streitigkeiten zwischen Privatrechtssubjekten: „[E]s [ist] Aufgabe der Gesetzgebung, im Privatrecht Schutzkonzepte zu entwickeln und normativ zu verwirklichen, in deren Rahmen sich dann die notfalls schöpferische Rechtsanwendung durch die Gerichte vollzieht. Die Delegation der Konfliktschlichtung im Einzelfall durch Generalklauseln bleibt möglich.“ Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 157, 230 f., Zitat auf S. 231; grundlegend zum Gedanken der Delegation J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, 1975, S. 63 ff. 1575 Zum (grundrechtlichen) Individualrechtsschutz Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 155; inhaltsgleich Huber, Konkurrenzschutz (Fn. 1377), S. 256; wiederholt Schmidt-Preuß, Multipolarität (Fn. 52), S. 601. 1576 Zur grundrechtlichen Schutzpflicht siehe stellvertretend nur Isensee, Sicherheit (Fn. 1314), S. 44; Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 71 f., 182; weitere Nachweise s. Fn. 1369.

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folgt erstens daraus, dass die Protektionspflicht primär, wenn auch nicht exklusiv, auf den Gesetzgeber ausgerichtet ist. Zweitens besteht ein Bedürfnis nach legislativer Vermittlungsleistung deshalb, weil die Protektionspflicht nur funktions- und gewaltenspezifisch umgesetzt werden kann1577. Einer einfachrecht­lichen Vermittlungsleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes bedarf es, weil die staatliche Verwaltung der störenden Gemeinde den Übergriff auf Nachbargemeinden in der Regel nur dann untersagen kann, wenn ihr dafür eine einfachrechtliche (Eingriffs-)Grundlage zur Verfügung steht. Eine verfassungsunmittelbare (Eingriffs-)Grundlage vermittelt die Protektionspflicht selbst nicht1578. Anders als für Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers, die sich nicht durchweg an eingriffsrechtlichen Kautelen messen lassen müssen, muss sich die Verwaltung, wenn sie zum Schutz von Gemeinden tätig wird, für ihre Schutzmaßnahmen durchweg verfassungsrechtlich rechtfertigen, falls sie mit der Schutzmaßnahme die verfassungsrechtliche Position der handelnden Gemeinde tangiert1579. Die Verwaltung hat nicht Teil an der (rechtfertigungsfreien) Schaffung einer normativen ‚Handlungsinfrastruktur‘. Die genaue Rolle der staatlichen Exekutive bei der Realisierung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags hängt davon ab, wie der Gesetzgeber zuvor seiner Protektionspflicht auf abstrakt-genereller Ebene nachgekommen ist. Je nachdem, auf welche Art und Weise der Gesetzgeber seine Protektionspflicht erfüllt hat, steigert das legislative Konfliktschlichtungsprogramm die (streitschlichtende) Bedeutung der staatlichen Exekutive. Die staatliche Exekutive hat besonders dort die Aufgabe gemeindenachbarliche Positionen zu schützen und zu koordinieren, wo sich der Gesetzgeber zwar zum Schutz anderer Gemeinden entschieden hat, der störenden Gemeinde Pflichten aufzuerlegen, sich aber zugleich dagegen entschlossen hat, dieser Pflicht einen Anspruch der betroffenen Nachbargemeinde zur Seite zu stellen. In dieser Situation wird die staatliche Exekutive zum eigentlichen Streitschlichter. Diese Funktion kann entweder die Rechtsaufsicht über Gemeinden oder – wenn spezialgesetzlich vorgesehen – die Fachaufsicht übernehmen.

1577

Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 559; zustimmend Höfling, Vertragsfreiheit (Fn. 1444), S. 54. 1578 Zur Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflicht für die Verwaltung, insb. dem Erfordernis einer Eingriffsgrundlage Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 557 ff.; Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 71, 182, 194; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 281 ff., 308; Masing, Rechtsstatus (Fn. 289), § 7 Rn. 56; Dreier (Fn. 1295), Vorbm. vor Art. 1 Rn. 102; anders dagegen Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 88 f., dessen Aussage jedoch auf die Judikative beschränkt ist. – Ob es Situationen gibt, die ausnahmsweise einen Eingriff ohne gesetzliche Grundlage gestatten wie es Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 308 ff., für präterlegale Notbefugnisse der Exekutive und der Judikative in Grenzsituationen diskutiert, kommt es bei der Protektionspflicht aus Art. 28 II 1 GG nicht an. Vergleichbare Grenzsituationen sind nur schwer vorstellbar. Aus diesem Grund ist es für Gemeinden in aller Regel zumutbar, die Erfüllung der Protektionspflicht durch den Gesetzgeber (bundes-)verfassungsgerichtlich einzufordern, dazu 3.  Teil B. II. 5. (S. 538 ff.). 1579 Zu den Grundrechten Masing, Rechtsstatus (Fn. 289), § 7 Rn. 47.

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Die Rechtsaufsicht über Gemeinden ist für den Gesetzgeber ein wichtiges In­ strument, mit dem er unter anderen (auch) seiner (sekundären) Protektionspflicht nachkommen kann und flächendeckend in allen Ländern nachgekommen ist. Nimmt man die Position der übergriffigen Gemeinde hinzu, vervollständigt sich die Funktion der Rechtsaufsicht über Gemeinden von einer Schutz- zu einer umfassenden Koordinationsfunktion1580. Nach § 119 Abs. 1 GO NRW unterliegen die Gemeinden der Rechtsaufsicht1581. § 11 GO NRW hält ausdrücklich fest, dass die Aufsicht des Landes die Gemeinden in ihren Rechten schützen und die Erfüllung ihrer Pflichten sichern soll1582. Auf diesen Typ staatlicher Aufsicht über Gemeinden konzentriert sich die Untersuchung. Um sicherzustellen, „dass die Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden“, steht den Aufsichtsbehörden ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung. Die aufsichtlichen Kontrollermächtigungsnormen der §§ 119 ff. GO NRW beziehen sich sowohl auf die Fremd- als auch die Selbstprogrammierungsanteile1583. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer flächendeckenden Zuweisung von Letztentscheidungsbefugnissen an die Gemeinden bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben. Mit den §§ 119 ff. GO NRW stellt der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber Durchsetzungsmittel bereit, um die Einhaltung der Fremdprogrammierung sicherzustellen. Die Aufsicht kann entweder Handlungsverbote, die bereits verfassungsunmittelbar bestehen oder einfachgesetzliche Handlungsverbote, welche der Gesetzgeber in Erfüllung der ihn treffenden (primären) Protektionspflicht erlassen hat, mit aufsichtlichen Mitteln durchsetzen. Besteht bereits ein verfassungsunmittelbares Handlungsverbot (etwa, weil die Gemeinde unzuständig und nicht kompetent ist), dann musste der Gesetzgeber sich nicht qua seiner ihn treffenden 1580 Treffend schreibt Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 407 f.: „Die Koordination erfolgt gegenüber autonomen Rechtsträgern vor allem durch Rechtsnormen, im nationalen Recht also durch das Verfassungsrecht und die einfachen Gesetze der jeweils übergeordneten Ebenen. Der Erlaß von Gesetzen hat für sich allein genommen aber noch keine Koordinationswirkungen, sie müssen auch beachtet werden. Es ist nun so, daß dezentralen Ordnungen wie dem Föderalismus oder der kommunalen Selbstverwaltung Anreize immanent sind, die es nötig machen, die Beachtung der Gesetze zu überwachen. Diese Ordnungen sind nämlich auf Wettbewerb angelegt, darauf, daß jede Einheit in dem ihr gesetzten Rahmen ihre eigenen Interessen verfolgt. Die daraus immer wieder erwachsende Versuchung, die rechtlichen Grenzen auch einmal zu überschreiten, verlangt effektive Instrumente, ihre Beachtung zu sichern. Das wichtigste Mittel dazu ist im Fall der kommunalen Selbstverwaltung die Staatsaufsicht.“ 1581 Schönenbroicher (Fn. 1135), § 119 (März 2019), Rn. 4 ff. 1582 Zur Schutzfunktion der Kommunalaufsicht Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 408, der sogar ausdrücklich anerkennt, dass es bei der Schutzfunktion der Aufsicht „um die Abwehr von Gefahren durch Zugriffe staatlicher Stellen und von privater Seite, nicht zuletzt auch um den Schutz vor anderen Gemeinden [Kursivierung nicht im Original, M. J.] und vor den Folgen eigener Fehlentscheidungen“ geht und sich auch auf den Fall der gebietsüberschreitenden Wirtschaftsbetätigung bezieht; gleichsinnig Oebbecke, Rechtsprechungsanalyse (Fn. 1141), S. 235; umfassend zur Schutzfunktion der Kommunalaufsicht Knemeyer, Staatsaufsicht (Fn. 1127), § 12 Rn. 15 ff.; Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 17 Rn. 6 ff. 1583 Vorbehaltlich verfassungsrechtlich zwingend gebotener legislativer Letztentscheidungsermächtigungen zugunsten von beaufsichtigten Gemeinden.

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(primären) Protektionspflicht veranlasst sehen, zusätzlich ein einfachgesetzliches Handlungsverbot zu statuieren. Bestehen solche verfassungsunmittelbaren Handlungsverbote dagegen nicht, muss der Gesetzgeber Schutzvorkehrungen zugunsten der Nachbargemeinden treffen, indem er die Zulässigkeit störenden gemeindlichen Handelns von bestimmten Bedingungen abhängig macht. Erfüllt die störende Gemeinde diese Bedingungen nicht, ist ihr Handeln formell und / oder materiell rechtswidrig. Dieses einfachgesetzliche Handlungsverbot kann oder muss die Staatsaufsicht über Gemeinden mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen. Für die Beurteilung der Rolle der Rechtsaufsicht einerseits sowie der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Handeln der staatlichen Akteure andererseits sind die unterschiedlichen Konstellationen gemeindlicher Betätigung in Erinnerung zu rufen:

aa) Aufsichtliches Einschreiten bei Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen der Nachbargemeinden Ist das Handeln der Gemeinde verfassungswidrig, weil die störende Gemeinde sich betätigt, ohne über einen verfassungsunmittelbaren oder einfachgesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel zu verfügen, usurpiert sie fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, wenn es sich bei der angemaßten Aufgabe um eine solche der Nachbargemeinde handelt. Gleiches gilt, wenn der Gesetzgeber unter bestimmten Bedingungen eine Betätigung jenseits der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gestattet, die Bedingungen dafür aber nicht gegeben sind. Der Gesetzgeber kann für den Fall der Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen einen einfachgesetzlichen Abwehranspruch im Horizontalverhältnis vorsehen, den die Nachbargemeinde gegenüber der usurpierenden Gemeinde unmittelbar durchsetzen kann. Horizontalansprüche muss es aber nicht geben. Derartige Abwehransprüche finden sich etwa für den Fall der überörtlichen gemeindewirtschaftlichen Betätigung in § 107 Abs. 1  GO NRW (die Gemeinde wirtschaftet nicht mehr, um „ihre Aufgaben“, d. h. die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen, sondern erfüllt eine Angelegenheit der Nachbargemeinde, welche den Anspruch geltend macht) oder in § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW (ausnahmsweise Gestattung der ‚gemeindeexternen Wirtschaftsbetätigung‘, deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben sind). Ist das Handeln der Gemeinde verfassungsunmittelbar rechtswidrig, bestehen für die Aufsichtsbehörden im Rahmen der ihnen eingeräumten Handlungsbefugnisse mehrere Handlungsoptionen, wie sie die Zuständigkeits- und Kompetenzusurpationen unterbinden kann. Die Aufsicht setzt – wenn vorhanden – die einfachgesetzlichen Ansprüche der Nachbargemeinde gegenüber der übergriffigen Gemeinde oder die nicht-relationalen Verpflichtungen der übergriffigen Gemeinden rechtsaufsichtlich durch. Einer Vermittlungsleistung des Gesetzgebers bedarf es wegen des verfassungsunmittelbaren Rechtswidrigkeitsurteils nur hinsichtlich der sekundären Protektionspflicht,

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sodass der Gesetzgeber für das rechtsaufsichtliche Einschreiten der Staatsaufsicht keine Unterlassungspflichten normieren muss. Da die handelnde Gemeinde selbst keine Aufgabe erfüllt, die in den Gewährleistungsbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung fällt, benötigt die Staatsaufsicht aus ihrer Sicht ferner keinen gesetzlichen Eingriffstitel1584. Der in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (auch) für die staatliche Exekutive zum Ausdruck kommende Gesetzesvorbehalt greift nicht1585. Die Konstellation der Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen fällt damit gewissermaßen aus dem als Bild herangezogenen Dreiecksverhältnis heraus, das der als Referenzproblem identifizierten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte oder dem Drittschutz im Bau- oder Immissionsrecht zugrunde liegt. Sowohl hinsichtlich des „Ob“ des Einschreitens als auch bei der Wahl des Aufsichtsmittels steht der Aufsichtsbehörde Ermessen zu1586. Bei der Ausübung ihres Ermessens ist die Behörde nicht frei. Sie ist bei der Ermessensausübung verfassungsrechtlichen Bindungen ausgesetzt1587. Greift die Aufsichtsbehörde in Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG der gestörten Nachbargemeinde ein und muss die SchrankenSchranken des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wahren oder versagt die Aufsichtsbehörde der Nachbargemeinde ausreichenden Schutz und muss sich deshalb am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG als Protektionspflicht sowie dem Untermaßverbot rechtfertigen? Funktional übernimmt (zunächst) die Aufsichtsbehörde die Aufgabe der Gerichte, den Gleichordnungskonflikt zu bewältigen. Die Rolle der Aufsicht ähnelt folglich der Rolle, die die Zivilgerichte bei der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Privatrechtssubjekten einnehmen. Die dogmatische Konstruktion des Einflusses der Grundrechte auf das Privatrechtsverhältnis, vermittelt über die 1584

Erfüllt die handelnde Gemeinde keine Aufgabe, die in den Aufgabenbestand des Art. 28 II 1 GG fällt, dann greift der Schutz der Verfassungsgarantie, welche zumeist eine Beschränkung auf eine Rechtskontrolle verlangt, nicht Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 302, 304. 1585 Dazu bereits Fn. 1140. 1586 J. Winkel, in: Held / ders. / Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW I (Fn. 510), § 119 (Dezember 2014), Anm. 6; eine alternative Auslegung, dass die Kontrollermächtigungsnormen nur (Auswahl-)Ermessen hinsichtlich des zu ergreifenden Aufsichtsmittels zulassen, hält für möglich Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 1 Rn. 42; zum kommunalaufsichtsrechtlichen Ermessen und der in der Rspr. aufkommenden Auffassung eines „intendierten kommunalaufsichtsrechtlichen Ermessens“, das für den Regelfall ein Einschreiten gebiete, sofern keine besonderen Gründe ein Nicht-Einschreiten rechtfertigen Lange, Kommunalrecht (Fn. 10), Kapitel 17 Rn. 43; Oebbecke, Rechtsprechungsanalyse (Fn. 1141), S. 250 ff.; aus der Rspr. z. B. das Nds. OVG, Beschl. v. 15. 08. 2007 – 10 LA 271/05, NVwZ-RR 2008, 127 (127 Ls. 2, 128). 1587 Zum Einfluss des Europarechts auf das rechtsaufsichtliche Ermessen D. Ehlers, Kommunalaufsicht und europäisches Gemeinschaftsrecht, in: DÖV 2001, S. 412 (415), der annimmt, dass der Effet-Utile-Gedanke auf eine Ermessensreduzierung der Kommunalaufsichtsbehörden hinauslaufe; das BVerfG, Urt. v. 30. 07. 1958 – 2 BvG 1/58, BVerfGE 8, 122 (138) – Atomwaffen, entnahm aus dem (umstrittenen) bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens, dass das Land zu einem staatsaufsichtlichen Einschreiten verpflichtet sein könne.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Gerichte, hat folglich Modellcharakter für den durch die Aufsicht vermittelten Einfluss von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf das Verhältnis zwischen Gemeinden. Die dogmatische Konstruktion des judikativ vermittelten Einflusses der Grundrechte auf das Privatrechtsverhältnis ist heute noch umstritten1588. Die Vorschläge reichen etwa von einer rein abwehrrechtlichen Deutung zu einer differenzierten Konstruktion, nach der die Grundrechte je nach Fallkonstellation und Inhalt des judikativen Rechtserzeugungsaktes mal abwehrrechtlich, mal schutzpflichtenrechtlich einschlägig sein sollen1589. Die Störung der Nachbargemeinde ist der Aufsichtsbehörde nicht als eigene Störung mit der Folge zurechenbar, dass sich die Aufsichtsbehörde deshalb am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht messen lassen muss1590. Zwar wird das Handeln der Gemeinden als mittelbare Landesverwaltung zu Recht dem Land und der Landesstaatsgewalt zugerechnet. Im Innenverhältnis des Staates im weiteren Sinne können differenzierte Zuständigkeiten und Kompetenzen sowie 1588

Pars pro toto Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 43 ff. Am prominentesten für eine abwehrrechtliche Deutung heute nach wie vor wohl Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 167 ff., 180 ff., 192 ff., der sich z. T. auf Vorarbeiten von Schwabe und Murswiek stützen kann; so auch Michl, Bedeutung (Fn. 1303), S. 1066 f.; jüngst erneute monographische Aufbereitung der „Horizontalwirkungskonstruktionen“ Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 43 ff., insb. zur Zurechnung privater Übergriffe mit der Folge einer abwehrrechtlichen Deutung S. 119 ff.; dagegen für eine differenzierte Erfassung der Rolle der Gerichte Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 36 ff.; aufbereitet jüngst ebenfalls von Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 101 ff.; fehl geht die Annahme von Kahl (Fn. 1293), Art. 1 Abs. 3 Rn. 334, der meint, dass „Schutzfunktion und Eingriffsabwehr […] im Regelfall kaum voneinander zu trennen sein“ werden, denn anders als Kahl annimmt, ist der Kern des Problems der verfassungsdogmatischen Konstruktion nicht die unbestrittene ambivalente Wirkweise von vielen staatlichen Schutzmaßnahmen, auch in Form von Gerichtsentscheidungen in unterschiedlichen Relationen (Staat – Bürger – Bürger), also der Umstand, dass der Schutz des eines Grundrechtsträgers meist zu einem Eingriff in ein Grundrecht eines anderen Grundrechtsträgers führt. Vielmehr ist die verfassungsdogmatische Konstruktion unklar, wenn sich der gestörte Bürger gegen eine für ihn ungünstige Gerichtsentscheidung unter Berufung auf seine Grundrechte wendet. Sind die Grundrechte in diesem Fall als Abwehrrecht oder als Schutzpflicht einschlägig? Klagt etwa der gestörte Private auf Unterlassung einer bestimmten Äußerung eines anderen Privaten, die ihn seiner Meinung nach in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und gibt das Gericht dieser Klage statt, ist eindeutig, dass die Entscheidung, die Äußerung zu unterlassen, einen Grundrechtseingriff für den Äußernden darstellt. Da nur der Unterlassungsschuldner grundrechtlich beschwert ist, wird nur dieser eine Verfassungsbeschwerde in Betracht ziehen, zu dieser eindeutigen Konstellation Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 31 f. Lehnt das Gericht hingegen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegen die Äußerung ab, ist hinsichtlich des gestörten Privaten unklar, ob sich dieser auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als Abwehrrecht oder als staatliche Schutzpflicht gegenüber dem Gericht berufen kann s. Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 39 ff. Streit herrscht daher eher über die grundrechtsdogmatische Konstruktion der mittelbaren Drittwirkung über das Abwehrrecht oder die Schutzpflicht, wenn Gerichte störendes privates Handeln nicht unterbinden s. Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 37 ff., 41 f. 1590 In der Grundrechtsdogmatik kritisch zum Zurechnungsmodell Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 99; die Zurechnungsmodelle referierend Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 119 ff. 1589

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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eigenständige Garantiebereiche aber nicht mit einem umfassenden Zurechnungsgedanken überspielt werden. Die Zurechnung gemeindlichen Handelns zur Landesstaatsgewalt würde zudem erneut die Frage aufkommen lassen, warum Gemeinden dann nicht selbst untereinander an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind, wenn ihr Handeln die Ausübung von Landesstaatsgewalt ist. Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, nicht zum Schutz der Nachbargemeinde einzuschreiten, nimmt der Nachbargemeinde nicht die Möglichkeit, etwaig bestehende verfassungsfundierte, aber einfachgesetzlich ausgeformte Abwehr- und Unterlassungsansprüche im Horizontalverhältnis gegenüber der störenden Gemeinde geltend zu machen, falls es solche gibt. Entscheidend kommt es dafür auf den Inhalt des Rechtserzeugungsaktes an. Es wird klarer, in welcher Dimension Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zum Zuge kommt, wenn man die individuelle Norm der Aufsichtsbehörde als eine abstrakt-generelle Gesetzesnorm denkt. (Re-)formuliert man die Entscheidung der Rechtsaufsicht im Einzelfall, nicht einzuschreiten, würde die so reformulierte Norm wahrscheinlich lauten1591: Die Nachbargemeinden haben keinen Anspruch auf schützendes Einschreiten der Rechtsaufsicht. Selbst dann, wenn die Aufsicht der Auffassung wäre, dass die Voraussetzungen der gesetz­ lichen Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungsnorm erfüllt sind und sie deshalb nicht einschreitet, ist der Inhalt der gedachten Gesetzesnorm weiterhin, dass sie den Nachbargemeinden Schutz vorenthält. Die Aufsicht stellt nicht rechtsverbindlich fest, dass die störende Gemeinde rechtlich befugt ist, sich überörtlich zu betätigen. So weit reicht die Entscheidung der Rechtsaufsicht inhaltlich nicht1592. 1591 Dass es sich bei der Entscheidung der Rechtsaufsicht – dasselbe gilt i. Ü. auch für Entscheidungen des Verwaltungsgerichts  – um Rechtsnormen handelt, überrascht auf Basis der hier befürworteten Strukturtheorie nicht. Entscheidend ist aber, dass bei der (Re-)Formulierung der Norm auch die die Entscheidung tragenden Gründe bei der Ermittlung des Norminhalts der konkret-individuellen Norm heranzuziehen sind. Das überrascht ebenfalls nicht, denn bei der exakten Ermittlung des Norminhalts müssen Entscheidungsgründe, auch wenn diese nicht selbst Rechtsnorm sind, herangezogen werden. Bei Gesetzesnormen etwa ist es selbstverständlich, dass die Gesetzesbegründung bei der Gesetzesnormerkenntnis herangezogen werden kann und ggf. auch muss. – Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 26 f., 31, operiert für die verfassungsdogmatische Konstruktion des Einflusses der Grundrechte auf das Privatrechtsverhältnis, vermittelt durch die Gerichte, mit einem ähnlichen Ansatz, indem er die „als Norm gedachte ratio decidendi als Gegenstand der Grundrechtsbindung und -kontrolle“ [im Original kursiviert, M. J.] heranzieht; ferner Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 128; Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 103. Bei der Ermittlung der vom BVerfG erzeugten Norm, die nach § 31 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden bindet, sind nach umstrittener Auffassung etwa „die Entscheidungsgründe zur Bestimmung des Verfahrensgegenstandes und zur Ermittlung der objektiven Rechtskraftgrenzen heran[zuziehen], ohne freilich selbst in Rechtskraft zu erwachsen.“ H. Bethge, in: T. Maunz (Begr.), Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Bd. I, § 31 (Februar 2019), Rn. 95 ff., Zitat in Rn. 95; zum fehlenden Rechtsnormcharakter von Entscheidungsgründen oder Begründungen allgemein Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 172. 1592 Usurpieren Gemeinden erstens fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, werden sich die störenden Gemeinden in aller Regel auf die einfachgesetzliche Zuständigkeitsund Kompetenzerweiterungsnorm berufen (sofern das Gesetzesrecht eine solche vorsieht). Es

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Eine verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige Verkürzung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der gestörten Gemeinde scheidet aus1593. Bei der Ausübung des Ermessens wirkt die Protektionspflicht ermessensleitend auf die Staatsaufsicht ein1594. Die Protektionspflicht engt bestehende Eigenentscheidungsfreiräume der Rechtsaufsicht ein, belässt der Aufsicht aber bis zur Grenze des Untermaßverbots eine große Bandbreite möglicher Entscheidungen1595. Die Aufsichtsbehörde hat nicht nur „in jedem Einzelfall sorgfältig zwischen den Selbstverwaltungsinteressen der Kommune und dem Interesse der Allgemeinheit an einer Beseitigung der Rechtsverletzung“1596 abzuwägen, sondern in der Situation eines zwischengemeindlichen Konfliktes zusätzlich das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde in ihre Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ ihres Einschreitens einzustellen. Bereits im Vorfeld der Verletzung des Untermaßverbots muss die Aufsicht bei der Ausübung des ihr gesetzlich zugewiesenen Entscheidungsfreiraums die Protektionspflicht beachten und sich bewusst sein, dass sie (auch) zum Schutz von Nachbargemeinden von ihren Kontrollermächtigungen Gebrauch machen muss. Tut sie das nicht und ist sie sich ihres Schutzauftrags im Einzelfall nicht bewusst, handelt sie ermessensfehlerhaft. In Abhängigkeit von den Umständen des einzelnen Falls kann die verfassungsrechtliche Protektionspflicht die Aufsicht so weit binden, dass sich das Entschließungs- und / oder Auswahlermessen der Aufsichtsbehörde so weit reduziert, dass sie nur dann rechtmäßig

wird daher bei der faktischen Usurpation wohl weniger die Ausnahme als die Regel sein, dass ihr ein (gescheiterter) Versuch vorausgeht, das Handeln etwa auf § 107 III 1 GO NRW in seinem erweiternden Anwendungsbereich zu stützen. Zweitens sind die faktische Usurpation und der Versuch der störenden Gemeinden, ihr Handeln auf die gemeindewirtschaftlichen Expansionsklauseln zu stützen, rechtlich nur dann gleich zu beurteilen, wenn es darum geht, ob die Rechtsaufsicht zum Einschreiten gegen die Betätigung verpflichtet ist. Entweder aus eigenem Antrieb oder weil die Nachbargemeinde die Rechtsaufsicht ersucht, den ihr durch § 107 III 1 GO NRW vermittelten Unterlassungs- und Abwehranspruch im Horizontalverhältnis mittels der ihr zustehenden Aufsichtsmittel durchzusetzen. Die Verfassungsrechtssituation ist eine andere, wenn entweder die Rechtsaufsicht die außergebietliche und überörtliche Wirtschaftsbetätigung genehmigt (dazu 3. Teil B. II. 3. a) cc) [S. 517 f.]), weil sie der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen, oder ein Gericht den Unterlassungsanspruch der Nachbargemeinde, den sie auf § 107 III 1 GO NRW stützt, mit der Begründung ablehnt, die störende Gemeinde sei dazu rechtlich befugt (dazu 3. Teil B. II. 3. b) aa) [S. 527]). 1593 Vgl. die Gedanken zur eingriffsdogmatischen Erfassung einer zivilgerichtlichen Entscheidung bei Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 174 f.; gedankliche Fortsetzung dieses Ansatzes bei der Einordnung von staatlichen Genehmigungen s. Fn. 1625. 1594 Zur grundrechtlichen Schutzpflicht Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 71 f., 187 ff.; zur schutzpflichtenkonformen Ausübung polizeilichen Ermessens sowie allgemein zur Steuerung der Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens U. Di Fabio, Die Ermessensreduzierung, in: VerwArch 86 (1995), S. 214 (220 f.); Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 307; zur ermessensleitenden Funktion der (einfachgesetzlichen) Schutzfunktion der Kommunalaufsicht Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 411; ebenfalls zur Schutzfunktion der Staatsaufsicht Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel V Rn. 149. 1595 Störring, Untermaßverbot (Fn. 1420), S. 48 f. 1596 Winkel (Fn. 1586), § 119 Anm. 6.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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handelt, wenn sie auf eine bestimmte Art und Weise einschreitet1597. Anders gesagt: Bis auf eine alle anderen denkbaren Entscheidungen das Untermaßverbot verletzen. Die Nachbargemeinde kann, je nach den Umständen des Einzelfalls, sogar einen Anspruch gegenüber der Aufsichtsbehörde auf Einschreiten, zumindest aber auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Staatsaufsicht über ihr Einschreiten haben1598. Die Grundlage für den Anspruch bildet die (kommunal-)aufsichtliche Befugnisnorm in Verbindung mit der materiellen Schutzvorkehrung oder der Konfliktschlichtungsentscheidung des Gesetzgebers1599. Denkbar wäre es, die Regelungen der Aufsicht über Gemeinden isoliert heranzuziehen. Ausweislich der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen dienen diese zumeist dem Schutz der Gemeinden (vgl. § 11 GO NRW)1600. Diese Funktion kann aber nicht bedeuten, dass Gemeinden gegenüber der Kommunalaufsicht jedwede Rechtswidrigkeit eigenen oder fremden gemeindlichen Handelns rügen und die Aufsicht zum Einschreiten zwingen können. Die Nachbargemeinden könnten die Aufsicht durchgehend dazu anhalten, die Einhaltung des objektiven Rechts durch andere Gemeinden sicherzustellen. Dies wäre die Konsequenz, wenn von einer globalen Schutzfunktion der Kommunalaufsicht schlechthin ausgegangen würde. Entscheidend ist, ob diejenigen Normen, welche die Rechtswidrigkeit gemeindlichen Handelns begründen, gerade auch dem Schutz von Gemeinden dienen und den Gemeinden die Rechtsdurchsetzungsmacht verleihen1601. Es bedarf dazu einer Entscheidung des Gesetzgebers. Dabei handelt es sich um eine Normerkenntnisfrage. Allein mit den Kontrollermächtigungs- und Befugnisnormen zum Beispiel der §§ 119 ff. GO NRW verleiht der Gesetzgeber den Nachbargemeinden diese Rechtsdurchsetzungsmacht nicht. Die Protektionspflicht ersetzt nicht die Entscheidung des Gesetzgebers, ob Nachbargemeinden einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten haben. Sieht der Gesetzgeber im Horizontalverhältnis von Gemeinden Direktansprüche vor, steht zu vermuten, dass der Gesetzgeber einer Konfliktbewältigung unmittelbar im Verhältnis von Gemeinden zueinander den Vorzug geben wollte. Vermutlich ist dem Gesetzgeber 1597 Zur schutzpflichtbedingten Ermessensreduktion auf „Null“ im Bereich der Grundrechte Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 562; Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 188 ff. (Entschließungsermessen) sowie S. 191 (Auswahlermessen); Di  Fabio, Ermessensreduzierung (Fn. 1594), S. 220 ff.; Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 307; zur Reduktion des aufsichtlichen Ermessens Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel V Rn. 150. 1598 Winkel (Fn. 1586), § 119 Anm. 6; zur Möglichkeit der Pflicht zum Einschreiten Sächs­ OVG, Urt. v. 31. 01. 2007 – 5 B 522/06, LKV 2008, 130 (131). 1599 Allgemein zum Anspruch auf behördliches Einschreiten und der Frage, ob bereits die Befugnisnorm als solche drittschützend ist oder erst in Zusammenspiel mit drittschützenden Normen, die etwa bei der ordnungsrechtlichen Generalklausel Bestandteil der öffent­ lichen Sicherheit als Tatbestandsvoraussetzung der Generalklausel sind D. Wilke, Der Anspruch auf behördliches Einschreiten im Polizei-, Ordnungs- und Baurecht, in: Achterberg / Krawietz /  Wyduckel, Recht (Fn. 363), S. 831 (836 f.); Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 224 f.; aus der Kommentarliteratur etwa Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 88 ff. 1600 Anders Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 297. 1601 Zur individualschützenden Wirkung aus der Verbindung der Eingriffsnorm mit einer individualschützenden sog. Sachnorm Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 89.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

wenig daran gelegen, dass Gemeinden zusätzlich auch die Aufsichtsbehörde in den Konflikt ziehen können. Der Gesetzgeber wird nur unter besonderen Umständen sowohl verwaltungsgerichtliche als auch aufsichtliche Kontrolle nebeneinander stellen wollen und damit gewissermaßen seinen Einsatz an „Überwachungsressourcen“ verdoppeln wollen1602. Ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten der Nachbargemeinden ist in dieser Situation unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar. Stehen Nachbargemeinden demgegenüber keine Ansprüche gegenüber anderen Gemeinden zu, dann kann es einen (Primär-)Rechtsschutz gegen störende Gemeinden nicht gegeben. Dort, wo Vorschriften vom Tatbestand der aufsichtlichen Befugnisnormen erfasst werden, die (auch) Nachbargemeinden schützen und kein direktes Vorgehen gegen die übergriffigen Gemeinden möglich ist, haben Nachbargemeinden einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten1603. Obwohl Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG Nachbargemeinden verfassungsunmittelbar das Recht zuweist, eigenverantwortlich ihre eigenen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen, genügt diese Position nicht. Anders als im Verhältnis Bürger und Staatsaufsicht über Gemeinden kann es also einen Anspruch auf kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten geben1604. Bei Konflikten zwischen Privaten und der Aufsichtsbehörde stehen den Bürgern regelmäßig Ansprüche direkt gegen Gemeinden im Horizontalverhältnis zu, weshalb ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten gegen die Gemeinden nicht notwendig ist. 1602

Treffend schreibt Schönenbroicher (Fn. 1135), § 119 (März 2019), Rn. 14, zum Drittschutz der Aufsicht gegenüber Privaten: „Private können und müssen ihre Rechte gegen die Gemeinde in Widerspruchs-, Verwaltungs- und Zivilgerichtsverfahren geltend machen. Der Staat wendet keine (doppelten) Überwachungsressourcen auf, um einem Bürger, der subjektiv meint, ihm sei von einer Gemeinde Unrecht geschehen, das – im Rechtsstaat selbstverständliche – Kosten- und Unterliegensrisiko vor Gericht abzunehmen“. 1603 Allgemein zum Anspruch auf kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten der Gemeinden gegen störende Wirtschaftsbetätigungen anderer Gemeinden Guckelberger, Betätigung (Fn. 499), S. 297.  – Für einen Anspruch auf kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten der Gemeinde spricht etwa die Zuerkennung der Drittbezogenheit der Amtspflicht der Kommunalaufsichtsbehörde, dazu BGH, Urt. v. 12. 12. 2002 – III ZR 201/01, BGHZ 153, 198 – Oderwitz; BGH, Urt. v.  18. 07. 2013  – III  ZR  323/12, NVwZ-RR 2013, 896; Winkel (Fn. 1586), § 119 Anm. 7. Allerdings ist der Schluss von einer Amtspflicht auf ein subjektiv-öffentliches Recht oder umgekehrt mit Vorsicht zu behandeln: Zwar mag es zutreffen, dass häufig aus der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht geschlossen werden kann. Amtspflichtverletzung und Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts sind jedoch nicht kongruent, sodass der Schluss von der Amtspflicht auf ein subjektivöffentliches Recht schwieriger ist, zum Zusammenhang der Drittbezogenheit und der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts Papier / Shirvani (Fn. 1338), § 839 Rn. 285, welche die Drittbezogenheit der Amtspflichtverletzung bejahen, wenn der Amtspflichtverstoß zugleich eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte darstellt; so auch C. Dörr, in: Gsell, Großkommentar BGB (Fn. 885), § 839 (März 2019), Rn. 282. 1604 Der Bürger hat keinen Anspruch auf kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten statt Vieler Winkel (Fn. 1586), § 119 Anm. 8; Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel VII Rn. 356; Schönenbroicher (Fn. 1135), § 119 (März 2019), Rn. 14 ff.; aus der Rspr. pars pro toto VGH BW, Urt. v. 25. 04. 1989 – 1 S 1635/88, juris Rn. 32; zu den Ausnahmen Schönenbroicher (Fn. 1135), § 119 (März 2019), Rn. 15 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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bb) Aufsichtliches Einschreiten bei sonstigem übergriffigen Handeln der Gemeinden Nicht nur dann, wenn Gemeinden Zuständigkeiten und Kompetenzen anderer Gemeinden usurpieren, sind die Aufsichtsbehörden zum schützenden Tätigwerden verfassungsrechtlich verpflichtet. Auch in anderen Situationen, in denen sich das Handeln der Gemeinden auf die Eigenverantwortlichkeit der Wahrnehmung der verfassungsunmittelbar zugewiesenen Aufgaben anderer Gemeinden negativ auswirken kann, ist die Aufsichtsbehörde zum schützenden Tätigwerden berufen. Anders als bei der Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen führt das Einschreiten der Aufsichtsbehörde dazu, dass die handelnde Gemeinde in der Garantie der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung beeinträchtigt wird. Die Aufsichtsbehörde greift in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der handelnden Gemeinde ein. Sie muss sich dafür verfassungsrechtlich rechtfertigen und ist deshalb auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage angewiesen. Der Exekutive ist es unter Beachtung der Schranken-Schranken des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG möglich, zum Schutz der Eigenverantwortlichkeitsgarantie von Nachbargemeinden die Eigenverantwortlichkeitsgarantie einer anderen Gemeinde gerechtfertigt zu verkürzen. In dieser Konstellation passt das Bild des Dreiecksverhältnisses, da sowohl die Nachbargemeinde als auch die übergriffige Gemeinde sich auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen können. Die Staatsaufsicht über Gemeinden kann ihrem Schutzauftrag mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln (vgl. §§ 119 ff. GO NRW) dann nachkommen, wenn das Handeln der Gemeinden kraft gesetzgeberischer Entscheidung rechtswidrig ist. Der Gesetzgeber muss artikulieren, unter welchen Voraussetzungen er das Handeln der Gemeinden wegen der (potentiell) negativen Auswirkungen auf Nachbar­gemeinden rechtlich missbilligt und den Gemeinden die Berufung auf ihren verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenztitel nicht mehr gestattet. Aus der primären Schutzaufgabe des Gesetzgebers folgt, dass dieser festlegen muss, unter welchen Voraussetzungen er das übergriffige Handeln anderer Gemeinden als rechtswidrig einstuft und deshalb untersagt1605. Der Gesetzgeber hat, wenn er das übergriffige Handeln der Gemeinde mit einem Rechtswidrigkeitsurteil belegt, der Rechtsaufsicht ein klares Mandat zum Schutz von Nachbargemeinden erteilt. Dieses ist nicht mit dem Zweifel etwaiger gemeindlicher Letztentscheidungsbefugnisse behaftet, die der Gesetzgeber den Gemeinden im Verhältnis zu Kontrollinstanzen zugestehen muss. Die Entscheidung, wie der Gesetzgeber seine (primäre) Protektionspflicht zu erfüllen gedenkt, zeichnet die Handlungsoptionen der Aufsichtsbehörden in zweierlei Hinsicht vor: Da die Protektionspflicht erstens zuvörderst eine Entscheidung des Gesetzgebers verlangt, kann nicht die Kommunalaufsichtsbehörde selbst festlegen, wann das Handeln anderer Gemeinden rechtswidrig ist. Das gilt auch dann, wenn sie der Auffassung 1605

Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 264.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

ist, dass der Gesetzgeber mit dem Schutzprogramm hinter seinen verfassungsrechtlichen Pflichten zurückbleibt, ein Mindestmaß an Schutz zu gewähren. Zweitens muss die Aufsicht dann, wenn das Handeln der übergriffigen Gemeinde (einfachrechtlich) rechtswidrig ist, die Entscheidung des Gesetzgebers akzeptieren. Sie darf sich nicht auf den Rechtsstandpunkt stellen, dass die vom Gesetzgeber als nicht mehr hinnehmbar qualifizierten Beeinträchtigungen störender Gemeinden für die Nachbargemeinden doch hinnehmbar seien. Der Gesetzgeber hat sich in Erfüllung seiner (primären) Protektionspflicht dafür entschieden, dass bestimmte Übergriffe auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Nachbargemeinden hinzunehmen oder nicht mehr hinzunehmen sind. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist das Ergebnis eines Ausgleichs zwischen gegenläufigen gemeindlichen Interessen auf abstrakt-genereller Ebene. Der Gesetzgeber grenzt auf dieser Ebene Handlungsspielräume von Gemeinden voneinander ab. Die Aufsichtsbehörde muss das legislativ vorgegebene Konfliktschlichtungsprogramm – insoweit gesetzlich programmiert – nachvollziehen und das Schutzanliegen des Gesetzgebers selbstprogrammiert fortschreiben1606. Wenn man so will, befindet der Gesetzgeber dort abschließend über den zwischengemeindlichen (Nachbar-) Schutz, wo er den zwischengemeindlichen Konflikt entscheidet und nicht an andere staatliche Akteure delegiert1607. Die Nachbargemeinde ist darauf verwiesen, die Erfüllung der (primären) Protektionspflicht vom Gesetzgeber, gegebenenfalls verfassungsgerichtlich, einzufordern, wenn der Gesetzgeber untätig geblieben ist oder seinem Schutzauftrag nur unzureichend nachgekommen ist1608. Das Erfordernis einer verbindlichen Entscheidung des Gesetzgebers darf freilich nicht dahin 1606

Zum Begriff des Konfliktschlichtungsprogramms und seinen Ursprüngen Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 8; aufgegriffen etwa von D. Mampel, Zum Anspruch Dritter auf bauaufsichtliches Einschreiten, in: DVBl. 1999, S. 1403 (1403, 1407). 1607 Zum Einfluss der grundrechtlichen Schutzpflicht sowie zum Prä des Gesetzgebers bei polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln J. Dietlein, Der Anspruch auf polizei- und ordnungsbehördliches Einschreiten, in: DVBl. 1991, S. 685 (686 f., insb. S. 689 ff.). 1608 Erfüllt der Gesetzgeber nicht den Mindeststandard verfassungsgebotenen Schutzes, weil entweder eine materielle Schutznorm gänzlich fehlt oder sie zwar vorhanden ist, aber hinter dem Mindeststandard zurückbleibt, muss das Verwaltungsgericht, falls es über den Konflikt zu entscheiden hat und ein formell sowie nachkonstitutionelles Gesetz vorliegt, mit welchem der Bundesgesetzgeber oder die Landesgesetzgeber ihrem Schutzauftrag nur ungenügend nachgekommen sind, nach Art. 100 I 1 Var. 2 GG (Bundesrecht) oder Art. 100 I 2 Var. 2 GG (Landesrecht) dem BVerfG vorlegen s. dazu stellvertretend J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 100 Rn. 19; zur konkreten Normenkontrolle bei gesetzgeberischem Unterlassen ferner Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 226 ff.; R.  Müller-Terpitz, in: Maunz, BVerfGG II (Fn. 1077), § 80 (April 2015), Rn. 79, 118 ff. Es handelt sich um eine Vorlagepflicht, wenn die Voraussetzungen des Art. 100 GG erfüllt sind Müller-Terpitz (Fn. 1608), § 80 Rn. 198. Alternativ kann die betroffene Nachbargemeinde Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG erheben; zur verfassungsgerichtlichen Durchsetzbarkeit grundrechtlicher Schutzpflichten Wahl / Masing, Schutz (Fn. 1293), S. 562; zum Einfluss der grundrechtlichen Schutzpflicht auf das Verfassungsprozessrecht D. Grimm, Verfassungsprozessuale Konsequenzen der grundrechtlichen Schutzpflicht, in: C.  Hohmann-Dennhardt /  P. Masuch / M. Villiger (Hrsg.), Grundrechte und Solidarität, 2011, S. 759 (759 ff.). Mutatis mutandis gilt für die Protektionspflicht.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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gehend missverstanden werden, dass der Gesetzgeber Detailvorgaben dafür macht, machen muss, geschweige denn machen kann, wann das Handeln der störenden Gemeinde im Einzelfall rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Die staatliche Aufsicht kann und gegebenenfalls muss mit ihren Mitteln bestehende Abwehr- und Unterlassungsansprüche zugunsten der Nachbargemeinden durchsetzen, weil immer dann, wenn ein Abwehr- und Unterlassungsanspruch besteht, die handelnde Gemeinde zugleich verpflichtet ist, Handlungen zu unterlassen, welche die Ansprüche auslösen. Betätigt sich die Gemeinde entgegen ihrer Verpflichtung, nicht zu handeln, so ist ihr Handeln rechtswidrig. Die staatliche Aufsicht ist nach §§ 119 ff. GO NRW zum schützenden Tätigwerden befugt. Entscheidet sich der Gesetzgeber etwa dafür, eine zwischengemeindliche Abwägungsentscheidung zu verlangen, ist das Handeln der Gemeinde (nur) rechtswidrig, wenn es abwägungsfehlerhaft ist. Darüber, ob ein Abwägungsfehler vorliegt, entscheidet nicht der Gesetzgeber auf abstrakt-genereller Ebene, sondern er überantwortet diese Entscheidung zum Beispiel der Aufsicht. Der Gesetzgeber determiniert durch die Installation einer zwischengemeindlichen Abwägungsentscheidung die Rechtmäßigkeit gemeindlichen Handelns nur rahmenhaft. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bindet die Aufsicht in dieser Konstellation unter zwei Aspekten: Bei der Auslegung des einfachen Rechts, das an die potentiell störende Gemeinde adressiert ist, muss sich die Aufsichtsbehörde des Einflusses von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seinen beiden Dimensionen bewusst sein, bevor sie zum Schutz von Nachbargemeinden tätig wird. Sie muss Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG interpretationsleitend bei der Rechtserkenntnis des legislativen Konfliktschlichtungsprogramms berücksichtigen1609. Die Aufsichtsbehörde muss sich aus der Sicht der Nachbargemeinde der Protektionspflicht, aus der Sicht der übergriffigen Gemeinde des Abwehrrechts bewusst sein. Der Aufsicht kommt dort, wo der Gesetzgeber das Handeln der Gemeinden determiniert, kein Rechtserkenntnisspielraum zu. Die Aufsicht muss bei der Auslegung von Schutznormen beachten, dass der Gesetzgeber sie gerade zum Schutz von Nachbargemeinden erlassen hat. Sind mehrere Norminhaltshypothesen denkbar und entspricht nur eine dem verfassungsgeforderten Mindestschutz, ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber diejenige Variante wählen wollte, die dem Schutzauftrag entspricht und diesen nicht verfehlt1610. Die Aufsicht muss das 1609 Knapp zum Einfluss der grundrechtlichen Schutzpflicht auf die Auslegung von Gesetzen Huber, Konkurrenzschutz (Fn. 1377), S. 188, 254, jedoch unter anderen methodologischen Vorzeichen bei der Rechtserkenntnis, ebd., S. 207; Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 184: „Für die Realisierung der staatlichen Schutzaufgabe bedeutet dies, daß schutzgewährende Normen des einfachen Rechts im Zweifel so auszulegen sind, daß sie den verfassungsrechtlichen Schutz rechtlich tatsächlich vermitteln können“. – Zu betonen ist, dass es nicht um Spielräume bei der Rechtserkenntnis geht, sondern dass sich die Aufsicht etwa bei der Zuordnung der Norm zum Sachverhalt (Subsumtionsspielräume) des Einflusses von Art. 28 II 1 GG bewusst ist. 1610 Nicht zu verwechseln ist diese Art der (widerleglichen) Vermutung mit der unter rechtserkenntnistheoretischen Auspizien unzulässigen Variante der verfassungskonformen Auslegung, wie sie die Untersuchung bereits unter Fn. 704 skizzierte. Es geht nicht darum, dass trotz eindeutigen Normsetzerwillens der Norminhalt mittels verfassungskonformer Norminhaltskorrektur

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

bestehende Konfliktschlichtungsprogramm im Lichte der Protektionspflicht interpretieren, zu deren Umsetzung der Gesetzgeber das Schutzprogramm erlassen hat. Bleibt die Aufsicht hinter dem legislativen Schutzprogramm zurück, muss sie sich dafür nicht vor der Protektionspflicht rechtfertigen, sondern vor dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG. Der Gesetzgeber hat mit seinem Schutzprogramm der abstrakten Protektionspflicht einen konkreten Inhalt gegeben1611. Weist der Gesetzgeber der störenden Gemeinde im Interesse einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung die Letztentscheidungsbefugnis bei der Ausfüllung von Eigenentscheidungsfreiräumen zu, darf sich die Aufsichtsbehörde nicht im Namen ihres Schutzauftrags darüber hinwegsetzen. Das störende Handeln der Gemeinde ist dann insoweit rechtsaufsichtlich kontrollfrei. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG steuert die Staatsaufsicht nicht nur beim Vorgang der Rechtserkenntnis einfachgesetzlicher Schutzvorkehrungen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt sich auch auf die Selbstprogrammierungsanteile der Aufsicht aus, welche der Aufsicht etwa in Form von Subsumtionsspielräumen oder planvoll belassenen Spielräumen zukommen. Die Entscheidung, ob und wie die Aufsicht einschreitet, steht unter dem doppelten Einfluss von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: Einerseits greift die Aufsichtsbehörde in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der störenden Gemeinde ein, wenn die Aufsicht gegen die Gemeinde zum Schutz der Nachbargemeinde einschreitet. Sie muss sich eingriffsrechtlich rechtfertigen. Andererseits leitet die Protektionspflicht die Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung über das Einschreiten und die Maßnahmenwahl an. Nicht bei jedem rechtswidrigen Handeln der übergriffigen Gemeinde besteht aber ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Aufsicht über ihr Einschreiten. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Einschreiten oder gar ein Anspruch auf Einschreiten besteht nur dort, wo die handelnde Gemeinde solche Vorschriften verletzt, die (zumindest auch) dem Schutz der Nachbargemeinden zu dienen bestimmt sind und der Gesetzgeber dadurch den Nachbargemeinden die Rechtsdurchsetzungsmacht verleiht, diese Interessen auch aufsichtlich durchzusetzen. An der Rechtsdurchsetzungsmacht fehlt es in der Regel, wenn ein Horizontalanspruch zwischen Gemeinden besteht. Anders als bei der Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen kommt es sowohl für das Urteil über die Rechtswidrigkeit so verändert wird, dass sich die Norm wieder im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen befindet. Das wäre in der Tat eine unzulässige Anmaßung von Rechtserzeugungsmacht oder Normkorrekturkompetenz des Norminterpreten. Vielmehr geht es darum, dass dort, wo mehrere gleichermaßen plausible Norminhaltshypothesen denkbar sind, eine Hypothese ausgeschlossen wird, weil sie gegen die Vermutung spricht, der Gesetzgeber wollte eine verfassungsmäßige Norm erlassen. Man kann dies wie hier als ‚verfassungsorientierte Auslegung‘ bezeichnen. 1611 Sähe man das anders, wäre jeder Verstoß gegen einfaches Recht, das zum Schutz von Nachbargemeinden erlassen wurde, zugleich und zwangsläufig ein Verstoß gegen Art. 28 II 1 GG. Aus grundrechtlicher Perspektive überzeugend Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 235: „Während der gesetzgeberische Freiraum bei der Schutzpflichtenerfüllung also nur durch das Untermaßverbot – und das Übermaßverbot auf der abwehrrechtlichen Seite – begrenzt ist, verengt sich der judikative Entscheidungsspielraum durch das gesetzliche Schutzkonzept.“

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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des Handelns als auch für die drittschützende Wirkung auf die Entscheidung des Gesetzgebers an. Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine rein objektiv-rechtliche aufsichtliche Kontrolle vorzusehen, welche durch die Nachbargemeinden nicht gegenüber der Aufsichtsbehörde eingefordert werden kann, darf nicht durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und die Figur der Protektionspflicht überspielt werden1612. Das Einschreiten der Aufsichtsbehörde mag einen Beitrag zur zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung leisten, hat dann aber in Ermangelung eines Rechts der Nachbargemeinden als rein objektiv-rechtliche Konfliktbewältigung einen nur eingeschränkten (rechtspraktischen) Wert für die Nachbargemeinden. Im Bauplanungsrecht etwa wacht (auch) die Rechtsaufsicht nach kommunalrechtlichen Regeln über die Gemeinden bei der Planaufstellung1613. Die Genehmigungsbedürftigkeit von bestimmten Bauleitplänen verdrängt nicht die (allgemeine) staatliche Aufsicht über die Gemeinden, wenn das Handeln der Gemeinden an Rechtsverstößen leidet1614. Bei der Wahrnehmung der (allgemeinen) Rechtsaufsicht und dem Einsatz aufsichtlicher Instrumente muss die Aufsichtsbehörde in ihre Entscheidung die Einschätzung der höheren Verwaltungsbehörde, das ist die nach § 10 Abs. 2 BauGB zuständige Genehmigungsbehörde, einfließen lassen. Der Grund dafür ist, dass der Gesetzgeber des Baugesetzbuchs für den Fall, dass er Bauleitpläne von einer vorherigen Genehmigung der höheren Verwaltungs­behörde abhängig macht, zuvörderst dieser die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bauleitplans zugewiesen hat1615. Verstößt ein Bebauungsplan gegen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, kann die Nachbargemeinde unmittelbar gegen die planende Gemeinde vorgehen. Die Nachbargemeinde hat gegenüber der Aufsichtsbehörde keinen Anspruch auf Einschreiten und / oder ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Einschreiten. Verstößt der Bebauungsplan gegen § 1 Abs. 7 BauGB, weil die planende Gemeinde andere Belange als die städtebaulichen Belange der Nachbargemeinden unzureichend abgewogen hat, steht der Nachbargemeinde kein unmittelbarer Anspruch im Horizontalverhältnis zu. Zur Durchsetzung anderer Belange als solche städtebaulicher Art steht der Nachbargemeinde auf Grund gesetzlicher Entscheidung gegenüber der Aufsichtsbehörde ein Anspruch auf Einschreiten und / oder ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einschreiten zu. Auch wenn § 1 Abs. 7 BauGB keinen Anspruch im Horizontalverhältnis direkt zwischen Gemein 1612

Zur Maßgeblichkeit der einfachgesetzlichen Konfliktbewältigung von Interessenskollisionen zwischen Privaten m. w. N. Schmidt-Preuß, Privatinteressen (Fn. 52), S. 238 ff. 1613 W. Schrödter / A. Kukk, in: Schrödter, BauGB (Fn. 69), § 10 Rn. 31 ff. 1614 Schrödter / Kukk (Fn. 1613), § 10 Rn. 33 ff.; in welchem Verhältnis die Kommunalaufsicht und die präventive Rechtsaufsicht des BauGB stehen, ist nicht ganz klar. Für eine Verdrängung etwa M. Krautzberger, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB I (Fn. 64), § 6 (Juli 2014), Rn. 20; H. Jaeger, in: Spannowsky / Uechtritz, BauGB (Fn. 71), § 5 (Mai 2018), Rn. 5, meint, dass „[d]ie allgemeinen landesgesetzlichen Regelungen der Kommunalaufsicht […] im Anwendungs­bereich des § 6 BauGB von dieser spezielleren Vorschrift verdrängt [werden]“. – Der Landes­gesetzgeber darf aus kompetentiellen Gründen keine zusätzlichen Genehmigungsvorbehalte für die Bauleitplanung schaffen, da das BauGB die präventive Aufsicht über Bauleitpläne abschließend regelt. 1615 Schrödter / Kukk (Fn. 1613), § 10 Rn. 33 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

den vermittelt, dient er über die Einbeziehung nachbargemeindlicher Interessen zumindest auch dem Schutz der Nachbargemeinde. Im Gemeindewirtschaftsrecht ist es die Aufgabe der Rechtsaufsicht sicherzustellen, dass sich Gemeinden nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn die Voraussetzungen des § 107 GO NRW vorliegen. Neben den Abwehranspruch im Horizontalverhältnis tritt kein Anspruch gegenüber dem Rechtsträger der Rechtsaufsichtsbehörde auf Einschreiten. Zum Teil schaltet der Gesetzgeber eine präventive (Rechts-)Kontrolle vor, ehe sich die (potentiell) störenden Gemeinden zulässigerweise betätigen dürfen. Er will damit sicherstellen, dass die Gemeinde die Schutzvorkehrungen im Gesetz zugunsten von Nachbargemeinden beachtet. Unterstellt der Gesetzgeber (potentiell) störendes Verhalten der Gemeinden einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, entscheidet er sich nicht für ein nachträgliches Einschreiten der Staatsaufsicht über Gemeinden, sondern für eine vorgelagerte Rechtskontrolle: Potentiell störendes Handeln der Gemeinden bedarf der „rechtsaufsichtliche[n] Unbedenklichkeitserklärung[en]“1616. Solche Regelungen finden sich zum Beispiel im Bauplanungsrecht1617. Nach § 6 Abs. 2 BauGB bedarf der Flächennutzungsplan der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, soweit nicht die Landesregierung durch Rechtsverordnung diese Aufgabe einer anderen staatlichen Behörde übertragen hat1618. Für bestimmte Typen von Bebauungsplänen sieht das Baugesetzbuch ebenfalls eine Genehmigungspflichtigkeit vor (vgl. § 10 Abs. 2, § 8 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2, 4 BauGB). Das Handeln der (potentiell) störenden Gemeinde ist ohne die vorgesehene Genehmigung formell rechtswidrig. Es mangelt an einer das Handlungsverbot aufhebenden Behördenentscheidung. Die (allgemeine) Aufsichtsbehörde darf auf Grundlage der §§ 119 ff. GO NRW einschreiten. Ob die Nachbargemeinde auch einen Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde hat, hängt davon ab, ob das Genehmigungserfordernis für die konkret betroffene Nachbargemeinde Schutzwirkung entfaltet. Das hängt wiederum von der Entscheidung des Gesetzgebers ab, ob er Nachbargemeinden die Rechtsdurchsetzungmacht verleihen wollte. Stellt der Gesetzgeber die Zulässigkeit gemeindlichen Handelns gerade deshalb unter Genehmigungsvorbehalt, um sicherzustellen, dass es nicht zu Übergriffen von Gemeinden auf Nachbargemeinden kommt, ist davon auszugehen, dass das Genehmigungserfordernis im Interesse der Nachbargemeinden besteht1619. Der Gesetzgeber erfüllt durch die Kombination 1616

Kahl, Staatsaufsicht (Fn. 1128), S. 558. Eingehenden Überblick über die Genehmigungen von Bauleitplänen bietet Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 363 ff. 1618 Zur wechselnden Rechtslage Schrödter / Kukk (Fn. 1613), § 10 Rn. 19 ff. 1619 Konkret zum Genehmigungserfordernis einer Sparkassenzweigstelle OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20. 02. 1991 – 7 B 10057/91.OVG, NVwZ-RR 1992, 240 (241); ferner Wahl / Schütz (Fn. 289), § 42 Abs. 2 Rn. 89; betreffend die Weigerung der Aufsichtsbehörde, gegen den Betrieb eines Kernkraftwerks einzuschreiten, obwohl das Genehmigungsverfahren noch nicht durch Erteilung einer Dauerbetriebsgenehmigung abgeschlossen war BVerwG, Urt. v. 07. 06. 1991 – 7 C 43/90, BVerwGE 88, 286 (288 f.): Eine Norm ist drittschützend für diejenigen, deren Schutz das Genehmigungsverfahren gewährleisten soll. 1617

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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materieller Schutzvorkehrungen und der vorgelagerten Rechtskontrolle seine Protektionspflicht. Stehen der staatlichen Genehmigungsbehörde einfachgesetzliche Befugnisse zu, um gegen formell rechtswidriges Handeln der (potentiell) störenden Gemeinde vorzugehen, ist zuvörderst sie und nicht die Rechtsaufsicht nach den §§ 119 ff. GO NRW zum schützenden Einschreiten berufen. cc) Genehmigungserteilung von (potentiell) störendem gemeindlichen Handeln Erfüllt der Gesetzgeber seine Protektionspflicht, indem er die Zulässigkeit gemeindlichen Handelns von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, für deren Erteilung bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen, muss die genehmigende Behörde die involvierten Selbstverwaltungsrechte bei der Entscheidung über die Genehmigung berücksichtigen. Der Fokus liegt auf der Entscheidung der Genehmigungsbehörde, das präventive Betätigungsverbot aufzuheben. Anders als zuvor geht es also um die verfassungsrechtlichen Bindungen bei Genehmigungs­erteilung und nicht darum, welchen verfassungsrechtlichen Einflüssen die staatliche Exekutive unterliegt, wenn das Handeln der störenden Gemeinde wegen fehlender Genehmigung formell rechtswidrig ist. Das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil für die Genehmigungsbehörden bei der Erteilung einer gesetzlich vorgesehenen Genehmigung hängt maßgeblich davon ab, ob die Genehmigungsbehörde Bindungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension oder in seiner Dimension als Protektionspflicht unterworfen ist. Der Einfluss des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf die Genehmigungsbehörden könnte ein anderer sein als der Einfluss des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf die Rechtsaufsicht bei einem Handeln der Gemeinden ohne Genehmigung. Der Gesetzgeber verkürzt rechtfertigungsbedürftig die Eigenverantwortlichkeitsgarantie derjenigen Gemeinden, die nur mit Genehmigung handeln dürfen. Er muss sich aus Sicht der störenden Gemeinden nach eingriffsrechtlichen Kautelen rechtfertigen, obwohl an sich die (materiellen) Rechtsbindungen der Gemeinde nicht von denen abweichen, die er ohne eine vorgeschaltete Rechtsprüfung rechtfertigungsfrei im Rahmen der Schaffung einer normativen ‚Handlungsinfrastruktur‘ erlassen dürfte1620. Aus der Sicht der Nachbargemeinden erfüllt der Gesetzgeber seine Protektionspflicht. Welches verfassungsrechtliche Anforderungsprofil gilt für die Genehmigungsbehörde, wenn sie über die Erlaubnis einer Betätigung entscheidet, die unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht? Über die grundrechtsdogmatische Behandlung von staatlichen Genehmigungen potentiell störenden Verhaltens Privater herrscht große Verunsicherung. Das Bundesverfassungsgericht verunklarte eine Zuordnung von staatlichen Genehmi 1620 Aus grundrechtlicher Perspektive Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 303; Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 460 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

gungen, indem das Gericht von einer Mitverantwortung des Staates für private Störungen sprach1621. Das Schrifttum streitet nach wie vor über die grundrechtdogmatische Einordnung von staatlichen Genehmigungen1622. Reduzieren lässt sich die Debatte auf die Kernfrage, ob der Staat in das Grundrecht eines Drittbetroffenen eingreift, wenn er einem anderen Privaten eine störende Betätigung gestattet, oder ob der Staat seine grundrechtliche Schutzpflicht verletzt, wenn er genehmigt. Zum Teil gehen Autoren im Schrifttum davon aus, dass sich die genehmigende Stelle das störende oder risikobehaftete Verhalten Privater als eigenes Handeln zurechnen lassen müsse. Durch die Zurechnung sei die Genehmigungserteilung zugleich als staatliches Eingriffshandeln zu qualifizieren. Die Gegenauffassung im Schrifttum lehnt eine Zurechnung privaten Handelns zu Recht ab. Die Folge ist, dass die Genehmigungsentscheidung keinen (verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftigen) Grundrechtseingriff in die Rechte des Drittbetroffenen darstellt1623. Erteilt die Genehmigungsbehörde der störenden Gemeinde eine Genehmigung, hebt sie das zum Schutz von anderen Gemeinden errichtete Betätigungsverbot des Gesetzgebers auf, wenn der Genehmigungsvorbehalt zum Schutz von Nachbargemeinden und nicht zur Gestattung von Handlungsraumerweiterungen erging. Die Behörde schafft damit aber keine neue Gefahrenquelle, sondern stellt nur die Rechtslage her, die ohne das Betätigungsverbot bestand. Sie gestattet der störenden Gemeinde nichts, was dieser nicht bereits nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsunmittelbar gestattet war. Dieser Umstand spricht dafür, dass die Aufgabe des Betätigungsverbots durch die Genehmigung weniger eine rechtfertigungsbedürftige Verkürzung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie als vielmehr eine mögliche unzureichende Erfüllung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags ist1624. Wichtiger ist allerdings folgende Überlegung, welche sich schon bei der verfassungsdogma­ tischen Erfassung der Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde, nicht zum Schutz von Nachbargemeinden einzuschreiten, als gewinnbringend erwies: Die Genehmigung störenden Handelns der Gemeinde durch die staatliche Exekutive hat zunächst ausschließlich Wirkungen im Verhältnis (staatliche) Behörde – Gemeinde. Die Genehmigung hebt das Betätigungsverbot auf. Andere Rechtsverhältnisse, 1621

BVerfG, Beschl. v. 20. 12. 1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (58) – Mülheim-Kärlich; BVerfG, Beschl. v. 14. 01. 1981 – 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54 (78 ff.) – Fluglärm; deutliche Kritik an dem Kriterium der Zurechnung kraft staatlicher Mitverantwortung und zu der verfassungsdogmatischen Mehrdeutigkeit dieses Kriteriums Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 92 f. 1622 Zum Streitstand exemplarisch Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 178 ff.; Dietlein, Schutzpflichten (Fn. 1354), S. 90 ff.; die unterschiedlichen Vorschläge unter eingehender Analyse der Rspr. Koch, Grundrechtsschutz (Fn. 1292), S. 304 ff.; eingehende Analyse der Rspr. des BVerfG zu drittbelastenden Genehmigungsverfahren Poscher, Grundrechte (Fn. 1046), S. 290 ff.; Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 390 ff.; Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 450 ff. 1623 Knapp dazu m. w. N. Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 450 ff. 1624 Mit diesem Argument bei der Frage der Genehmigungserteilung als Eingriff in Grundrechte Dritter Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 450 f.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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namentlich das gegebenenfalls bestehende Rechtsverhältnis zwischen Nachbargemeinde und störender Gemeinde bleiben von dem durch die Genehmigungserteilung gestalteten Rechtsverhältnis unberührt. Die Genehmigungserteilung schließt beispielsweise nicht aus, dass die Nachbargemeinde gegen einen genehmigten Bebauungsplan im Wege der prinzipalen Normenkontrolle vorgehen kann und Ansprüche im Horizontalverhältnis, falls vorhanden, durchsetzt. Ein Eingriff durch die staatliche Genehmigung liegt nur unter zwei Voraussetzungen vor, die für den Fall, dass der Gesetzgeber die (potentiell) störenden Handlungen der Gemeinden unter Erlaubnisvorbehalt stellt, nicht erfüllt sind: Erstens muss die staatliche Genehmigung bestehende Ansprüche im zwischengemeindlichen (Horizontal-)Verhältnis ausschließen, zweitens müssen diese Ansprüche verfassungsrechtlich fundiert sein und normhierarchisch der Verfassungsgarantie zugeordnet werden1625. Beides ist zumindest für einfachgesetzliche Konfliktschlichtungen durch präventive Betätigungsverbote nicht der Fall. Für die Beurteilung der staatlichen Genehmigung am Maßstab der Protektionspflicht spricht ferner folgende Überlegung: Der Gesetzgeber legt die Entscheidung, ob das Betätigungsverbot im Einzelfall bestehen soll, in die Hände der Genehmigungsbehörde. Indem der Gesetzgeber diese Entscheidung auf die Genehmigungsbehörde delegiert, setzt sich der legislative, verfassungsrechtlich fundierte Schutzauftrag in der Entscheidung der Genehmigungsbehörde fort. Mit der rechtsaufsichtlichen Genehmigungsentscheidung realisiert sich der verfassungsrechtliche Schutzauftrag, wenn und soweit die Genehmigungsbehörde das Betätigungsverbot aufrechterhält. Hält die Genehmigungsbehörde das Betätigungsverbot im Einzel 1625 Die Erkenntnis, „daß staatliche Erlaubnisse und Genehmigungen grundrechtseingreifenden Charakter dann und nur dann haben, wenn sie einfachgesetzlich konstituierte Grundrechtspositionen Dritter verkürzen“ Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 196 f., bildet den Schlüssel zur verfassungsrechtsdogmatischen Deutung von staatlichen Genehmigungsentscheidungen schlechthin: Schließt die Genehmigung etwa als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt die Geltendmachung eines privatrechtlichen, verfassungsrechtlich geschützten Unterlassungsanspruchs des privaten Baunachbarn gegen den Bauherren aus, mag es gerechtfertigt sein, die Genehmigung als Eingriff in grundrechtlich gesicherte Rechtspositionen des Baunachbarn zu deuten, die nicht nur das Verhältnis Baunachbar – Bauherr, sondern auch das Verhältnis Staat – Bürger gestaltet. Voraussetzung ist erstens, dass die Genehmigung (einfachgesetzliche) Abwehransprüche im Verhältnis Bauherr  – Baunachbar durch privatrechtsgestaltende Wirkung der Genehmigung ausschließt und zweitens die einfachgesetzlichen Abwehransprüche am grundrechtlichen Schutzgehalt eines Grundrechts Teil haben. Einfachgesetzliche Abwehransprüche haben jedoch allenfalls dann Anteil am Rang der Verfassung, wenn die Verfassung normativ einen Rangwechsel durch eine (Außen-)Verweisung, etwa wie bei manchen normgeprägten Grundrechten, anordnet. In allen anderen Fällen ist die staatliche Genehmigung aus der Perspektive der staatlichen Schutzpflicht zu beurteilen. Diesen im Ergebnis überzeugenden „Mittelweg zwischen Eingriff- und Schutzpflichtkonstruktion, in dem richtige Ansätze beider Auffassungen verarbeitet sind“, vertritt Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 178 ff., insb. S. 181 f., 194 ff., Zitat auf S. 197, wenngleich ihr in ihrer Prämisse des sog. Normanwendungs- und Normbestandsschutzes s. Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (Fn. 85), S. 103 ff., 197 ff., zumindest in der von ihr vertretenen Reichweite bei den Grundrechten nicht gefolgt werden kann.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

fall aufrecht, erfüllt sie das ihr einfachgesetzlich überantwortete Schutzanliegen des Gesetzgebers. Gestattet die Genehmigungsbehörde das störende Handeln der Gemeinde, dann bleibt sie unter Umständen hinter dem Schutzauftrag des Gesetzgebers zurück, wenn sie unter Verletzung der materiellen Schutzvorkehrungen im Genehmigungstatbestand das Betätigungsverbot aufhebt oder das Ermessen ohne Rücksicht auf ihren Schutzauftrag ausübt. Die Entscheidung der Genehmigungsbehörde ist durch die Tatbestandsvoraussetzungen und die materiellen Schutzvorkehrungen des Gesetzgebers vorgezeichnet, belässt der Genehmigungsbehörde aber etwa Subsumtionsspielräume und je nach Ausgestaltung der Genehmigungstatbestände absichtsvoll einen darüber hinausgehenden Entscheidungsspielraum. Genehmigt die Behörde und vernachlässigt die materiellen Schutzvorkehrungen des Gesetzgebers, verletzt sie ihren einfachgesetzlichen Schutzauftrag und Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG, wenn ihr mehr Schutz möglich gewesen wäre. Bleibt sie daneben hinter dem verfassungsgeforderten Mindestschutz zurück, verletzt sie zusätzlich die Protektionspflicht. Die Genehmigungsbehörde darf jedoch, wenn sie der Meinung ist, die Genehmigungsentscheidung trüge dem Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde nicht genügend Rechnung, nicht selbst ungeschriebene Genehmigungsvoraussetzungen schaffen. Zugleich beeinflusst Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension die Entscheidung der Genehmigungsbehörde: Die Aufrechterhaltung des Betätigungsverbots stellt aus Sicht der reglementierten Gemeinde einen Eingriff in ihre Eigenverantwortlichkeitsgarantie dar. Für den Eingriff muss sich die Genehmigungsbehörde für den Einzelfall – wie auch der Gesetzgeber für die Schaffung des Genehmigungsvorbehalts – verfassungsrechtlich rechtfertigen. Die Genehmigungsversagung perpetuiert das gesetzliche Betätigungsverbot und stellt damit einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit der reglementierten Gemeinde dar1626. Der Gesetzgeber kann Handlungsraumerweiterungen von Gemeinden zulasten der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung von Nachbargemeinden von unterschiedlichen formellen und materiellen Voraussetzungen abhängig machen. Unbenommen ist es ihm etwa, wenn er die rechtliche Zulässigkeit der überörtlichen Betätigung von der vorherigen Genehmigung der staatlichen Verwaltung (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt1627) abhängig macht1628. Im Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist vorgesehen, dass die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der betroffenen Sparkasse, ihres Trägers und des Sparkassen- und Giroverbandes ausnahmsweise der Sparkasse eine Zweigstelleneröffnung im fremden Gemeindegebiet gestatten darf (vgl. § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW). Genehmigt die Aufsichtsbehörde die Errichtung einer Sparkassenzweigstelle im fremden Träger 1626

Zum Grundrechtseingriff durch (administrative)  Genehmigungsversagung statt Vieler Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht (Fn. 1379), S. 442. 1627 Zur Abgrenzung zum präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bereits Fn. 807. 1628 Kolm, Regionalprinzip (Fn. 6), S. 175.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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gebiet, befreit sie in manchen Fällen nicht lediglich von einem Betätigungsverbot und gestattet Sparkassen oder Gemeinden, was diese auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ohnehin dürften. Stattdessen entscheidet die Aufsichtsbehörde im konkreten Fall darüber, ob eine Betätigung zur Erfüllung von Aufgaben, die jenseits des verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestands liegen, von der Gemeinde erfüllt werden darf, weil ihr eine einfachgesetzliche Zuständigkeit und Kompetenz zusteht. Die Genehmigung teilt das verfassungsrechtliche Schicksal der legisla­ tiven Handlungsraumerweiterung: Die Genehmigungsbehörde, welche die Errichtung einer Zweigstelle im fremden Trägergebiet gestattet, muss sich verfassungsrechtlich für den Eingriff in die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung des betroffenen Trägers rechtfertigen. Obwohl nach den hier zugrunde gelegten Maßstäben die Genehmigungserteilung an sich nur dann abwehrrechtlich zu beurteilen ist, wenn sie Abwehransprüche im Horizontalverhältnis ausschließt, die Verfassungsrang haben – an beiden Voraussetzungen fehlt es –, ist die Gestattung einer überörtlichen gemeindlichen Betätigung am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht zu messen. Zweifel an der Qualifikation der Genehmigung als Eingriff ruft möglicherweise ein Vergleich zu einer zuvor behandelten Konstellation hervor. Hier wird der vermeintliche Widerspruch besonders deutlich: In der ersten Situation usurpiert die übergriffige Gemeinde fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen und beruft sich etwa auf § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW. Die Nachbargemeinde versucht entweder  – soweit einfachgesetzliche Ansprüche im Horizontalverhältnis vorhanden sind und der Gesetzgeber den Gemeinden gegenüber der Aufsicht die Rechtsdurchsetzungsmacht verliehen hat  – den Abwehr- und Unterlassungsanspruch rechtsaufsichtlich durchzusetzen oder in Ermangelung von Ansprüchen im Horizontalverhältnis die Rechtsaufsicht anderweitig zu einem Einschreiten zu bewegen. Die Rechtsaufsicht lehnt ein Einschreiten etwa mit dem Argument ab, die Voraussetzungen der Handlungsraumerweiterung des § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW lägen vor. In der zweiten Situation genehmigt die Rechtsaufsicht die Handlungsraumerweiterung. Warum muss sich die Rechtsaufsicht in der ersten Situation vor der Protektionspflicht, in der zweiten Situation hingegen vor dem Abwehrrecht beweisen? Reformuliert man die Entscheidung der Genehmigungsbehörde als gedachte Gesetzesnorm, dann wird deutlich, dass sie Nachbargemeinden nicht Schutz versagt, sondern in ihr Selbstverwaltungsrecht eingreift. Die reformulierte Entscheidung lautet: Die störende Gemeinde ist rechtlich befugt, im fremden Gebiet eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinde zu erledigen. Außerdem sprechen die Rechtswirkungen der Genehmigung für eine unterschiedliche Behandlung: Genehmigt die Rechtsaufsicht die Betätigung, geht mit der Genehmigungserteilung eine Legalisierungswirkung einher. Selbst wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nicht vorliegen sollten, die Genehmigung daher zwar rechtswidrig, aber rechtswirksam ist, darf sich die Gemeinde (vorläufig, bis zur eventuellen Aufhebung der Genehmigung) überörtlich betätigen. Lehnt die Rechtsaufsicht dagegen ein Einschreiten ab, fehlt es an einer vergleichbaren Regelungswirkung der Ablehnung des rechtsaufsichtlichen Ein-

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

schreitens. Indem sie das Einschreiten ablehnt, trifft sie keine rechtsverbindliche Aussage über die Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit des Handelns der störenden Gemeinde. Verweigert sie ein Einschreiten, mögen andere Erwägungen (ermessens-)leitend gewesen sein. Die Genehmigung hingegen schließt (vorerst) jedweden gesetzlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch im Horizontalverhältnis aus. Die Nachbargemeinde muss das Handeln der störenden Gemeinde dulden und muss, ehe sie Abwehr- und Unterlassungsansprüche gerichtlich verfolgen kann, zusätzlich die Genehmigung mittels Anfechtungsklage aus der Welt schaffen. Die Genehmigungen, welche Gemeinden Handlungen jenseits ihres verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestands nach Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG gestatten, sind verfassungsdogmatisch als Eingriffe zu beurteilen. Sie sind damit anders einzuordnen als Genehmigungen, welche nur ein präventives Betätigungsverbot von an sich erlaubten Betätigungen aufheben, und auch anders als die Ablehnung des Einschreitens der Rechtsaufsicht bei genehmigungsbedürftigem Handeln, das ohne Genehmigung erfolgt. b) Verwaltungsgerichtsbarkeit als Schlichtungsstelle von zwischengemeindlichen Konflikten Neben dem Gesetzgeber als Primäradressaten der Protektionspflicht und der (staatlichen) Exekutive ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit ebenso Verpflichtungsadressatin des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Verwaltungsgerichte sind selbst sowohl Adressatinnen des Abwehrrechts als auch der Protektionspflicht. Die genaue Rolle der Gerichte als Schlichtungsinstanz von zwischengemeindlichen Konflikten hängt wie bei der staatlichen Exekutive von der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der zwischengemeindlichen Beziehungen ab. Gerichte können unmittelbare Schlichtungsstelle von Konflikten zwischen Gemeinden sein. Eine Gemeinde kann direkt gegen eine andere Gemeinde verwaltungsgerichtlich vorgehen. Die Nachbargemeinde möchte zum Beispiel einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch oder einen Leistungsanspruch gegenüber einer anderen Gemeinde vor den Verwaltungsgerichten durchsetzen, die der Gesetzgeber den Gemeinden im Horizontalverhältnis unter bestimmten Bedingungen einräumt. Anders als bei Konflikten zwischen Privatrechtssubjekten, wo die Gerichte regelmäßig die einzige neutrale Konfliktschlichtungsstelle sind und daher verstärkt zur Konfliktschlichtung zwischen Privaten beitragen, übernimmt diese Funktion für zwischengemeindliche Konflikte zum Großteil die staatliche Exekutive1629. Dort, wo die staatliche Exekutive bei der Schlichtung von Konflikten ausfällt oder nach Auffassung der involvierten Gemeinden ihren einfachgesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Bindungen nicht gerecht wird, treten die Ver 1629

Zu verwaltungsrechtlichen multipolaren Konflikten Schmidt-Preuß, Multipolarität (Fn. 52), S. 604.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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waltungsgerichte (zusätzlich) auf den Plan. Dazu kann es entweder kommen, weil die Aufsichtsbehörde aus der Sicht der Nachbargemeinde zu nachlässig oder aus Sicht der reglementierten Gemeinde zu harsch agiert. In der Rechtspraxis mag die Vermutung naheliegen, dass Gemeinden nicht selten den direkten Weg zu den Verwaltungsgerichten bevorzugen, falls ihnen Direktansprüche wie im Bauplanungsrecht zustehen. In aller Regel müssen sich die Nachbargemeinden auch direkt an die Verwaltungsgerichte wenden, weil ihnen gegenüber der Aufsichtsbehörde keine Ansprüche auf Einschreiten zustehen. Zum Teil ist die staatliche Exekutive selbst interessengeleitet und Opponentin der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung. Die Aufsicht agiert nicht ausschließlich im Interesse der Gemeinden, sondern im gesamtstaatlichen Interesse. Die gesamtstaatlichen und die gemeindlichen Interessen müssen keineswegs kongruent sein. Verwaltungsgerichte sind nicht nur dann neutrale Schlichtungsstelle, wenn eine Gemeinde unmittelbar gegen eine andere Gemeinde vorgeht und einen einfachgesetzlichen Anspruch im zwischengemeindlichen Horizontalverhältnis gerichtlich durchzusetzen versucht, sondern auch dann, wenn eine Gemeinde  – sei es die Nachbargemeinde oder die störende Gemeinde – die staatliche Verwaltung in einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit zieht. Vordergründig ist der Konflikt nur ein solcher zwischen den Gemeinden auf der einen, der staatlichen Exekutive auf der anderen Seite. In der Sache streiten jedoch die Gemeinden über den Umfang und die Grenzen des sich auf andere Gemeinden auswirkenden Handelns. Zu einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit, in den Gemeinden auf der einen, die staatliche Exekutive auf der anderen Seite involviert sind, kann es aus unterschiedlichen Gründen kommen: – Eine Nachbargemeinde möchte einen Anspruch auf staatsaufsichtliches Einschreiten verwaltungsgerichtlich durchsetzen, weil die störende Gemeinde materielle Schutzvorkehrungen missachtet und deshalb rechtswidrig handelt oder entgegen einem präventiven Betätigungsverbot agiert und sich damit formell rechtswidrig betätigt. – Eine Nachbargemeinde wehrt sich gegen eine staatliche Genehmigungsentscheidung, mit welcher die staatliche Aufsichtsbehörde der störenden Gemeinde eine ansonsten erlaubte Betätigung gestattet, die zum Schutz der Nachbargemeinde unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht oder der Gemeinde gar eine Betätigung jenseits ihres verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestands erlaubt und ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt aufhebt. – Eine Gemeinde wehrt sich gegen die Genehmigungsversagung und begehrt von der Genehmigungsbehörde die Erteilung der versagten Genehmigung, sei es eine Genehmigung, die an sich erlaubtes Handeln wegen Aufrechterhaltens des Betätigungsverbots nicht gestattet oder eine überörtliche Betätigung nicht erlaubt. Die Verwaltungsgerichtsordnung hält für alle genannten Konstellationen verwaltungsprozessual gangbare Wege für die Gemeinden bereit. Die Untersuchung

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

wirft einen kurzen Blick auf die wichtigsten verwaltungsgerichtlichen Konstellationen, ohne diese im Detail zu besprechen. Weniger geht es um die Darstellung der konkreten verwaltungsprozessualen Möglichkeiten als darum darzulegen, in welcher Dimension Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zum Zuge kommt und auf welche Art und Weise er die Verwaltungsgerichte bindet. Die Entscheidungsmaßstäbe, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Gerichte als Abwehrrecht oder Protektionspflicht bindet, sind dieselben wie für den Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden. Es wiederholt sich die grundlegende Weichenstellung. Die Kommunalverfassungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG ist nur gegen „Gesetze“ statthaft, unter die jedenfalls keine konkret-individuellen Exekutivmaßnahmen fallen1630. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit übernimmt aus diesem Grund für Bereiche, in denen Gemeinden deshalb der Weg zur (Bundes-)Kommunalverfassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, partiell die Funktion der (Bundes-)Verfassungsgerichtsbarkeit. Die zutreffende Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass „die Fachgerichte dazu aufgerufen“ seien, „der besonderen Bedeutung der den Gemeinden in Art. 28 II GG gewährleisteten Garantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und ihrer Konkretisierung in der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung zu tragen […], um bei der Auslegung und Anwendung“ von Gesetzen „der Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zur Wirksamkeit zu verhelfen“, bedarf noch einiger Präzisierung1631. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit tritt eine weitere Kontrollinstanz hinzu. Die Folge ist gewissermaßen eine geschichtete Kontrolle, wenn sowohl die Rechtsaufsicht als auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Konflikt zwischen Gemeinden hineingezogen werden, um zu kontrollieren, ob die Gemeinden das legislative Konfliktschlichtungsprogramm einhalten. Die Verwaltungsgerichte entscheiden nicht immer direkt über Ansprüche im gemeindenachbarlichen Horizontalverhältnis, wenn die Maßnahmen der Staatsaufsicht über Gemeinden die verwaltungsgerichtlichen Kontrollgegenstände bilden. Es entstehen dann, wenn aufsichtliche Aktivitäten oder Inaktivitäten auf dem verwaltungsgerichtlichen Prüfstand stehen, (noch) komplexe(re), vielschichtige(re)  (Rechts-)Beziehungsgeflechte zwischen Gemeinden, den Rechtsträgern der Aufsichtsbehörden, den Gerichten und dem Gesetzgeber. Im Zentrum des Beziehungsgeflechts steht der Gesetzgeber, der die Beziehungen – unter dem Einfluss des Verfassungsrechts – gestaltet. Der Kontrollumfang, der im Verhältnis zwischen der übergriffigen Gemeinde und der Rechtsaufsicht besteht, schlägt auf den Umfang der Kontrolle der Aufsichtsmaßnahme durch das Gericht und damit auf eine andere Kontrollbeziehung durch. Die Kontrolle der Aufsicht durch die Verwaltungsgerichte unterliegt somit einem doppelten Einfluss von (normativen und teilweise verfassungsrechtlich zwingenden, gelegent 1630

Dazu 3.  Teil. B. II. 5. a) aa) (S. 539 ff.). BVerfG, Kammerbeschl. v.  22. 08. 2016  – 2  BvR  2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1631 Rn. 23). 1631

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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lich nur partiellen) Letztentscheidungsbefugnissen in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen und im Verhältnis zwischen verschiedenen Rechtssubjekten als deren Endpunkte1632. In der Sache entscheidet das Gericht aber nach wie vor über das Rechtsverhältnis zwischen übergriffiger Gemeinde und Nachbargemeinde mit der Besonderheit, dass sich weitere (Kontroll-)Verhältnisse zu diesem Verhältnis gesellen. aa) Durchsetzung von gesetzlichen Ansprüchen im Horizontalverhältnis Im Bauplanungsrecht zum Beispiel steht Gemeinden gegen sie abstimmungsfehlerhaft berührende Bebauungspläne die prinzipale Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 VwGO offen. Der Abstimmungsanspruch und der damit ex negativo einhergehende Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegen unabgestimmte Bebauungspläne folgt für die Nachbargemeinden unmittelbar aus § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 7  BauGB. Den (positiven) Abstimmungsanspruch kann die Nachbargemeinde nicht eigenständig mittels Leistungsklage durchsetzen1633. Rügt die Nachbargemeinde die Abwägungsfehlerhaftigkeit des Bebauungsplans, weil die planende Gemeinde andere als städtebauliche nachbargemeindliche Belange unzureichend abgewogen hat, bleibt der Nachbargemeinde allein der Weg über die Rechtsaufsicht und der Versuch der gerichtlichen Erzwingung ihres Einschreitens, denn die Nachbargemeinde kann allein mit § 1 Abs. 7 BauGB nicht die Zulässigkeitshürde des Normenkontrollantrags überwinden. Das Gericht muss zuerst die Protektionspflicht zugunsten der klagenden Nachbargemeinde bei seiner Entscheidung über das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen des Antrags bzw. der Klage beachten, wenn ein gesetzlicher Anspruch im Horizontalverhältnis in abstracto existiert. Das Gericht darf nicht die Anforderungen, die es an die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht stellt, zu streng handhaben. Flankiert wird die 1632

Das Gericht kontrolliert die Aufsichtsmaßnahme allein darauf, ob sich die Aufsichtsmaßnahme innerhalb des durch die Kontrollermächtigungsnorm gezogenen rechtlichen Rahmens hält (d. s. die Tatbestandsvoraussetzungen der Kontrollermächtigungsnorm sowie etwaige Ermessensfehler). Hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ haben in aller Regel die Aufsichtsbehörden kraft normativer Zuweisung die Letztentscheidungsbefugnis. Die Aufsicht kontrolliert im Verhältnis zu den Gemeinden nach den einschlägigen Kontrollermächtigungsnormen z. B. der §§ 119 ff. GO NRW, etwaige Letztentscheidungsbefugnisse berücksichtigt, in aller Regel gleichfalls nur, ob die Gemeinde die Fremdprogrammierung ihres Handelns beachtet. Die Gemeinden sind im Verhältnis zum Rechtsträger der Aufsicht bei der Ausfüllung des rechtlich indeterminierten Bereichs in der Regel normativ zur Letztentscheidung befugt. Dem Verwaltungsgericht, welches das Aufsichtshandeln kontrolliert, ist es verwehrt, die Aufsichtsmaßnahmen deshalb zu beanstanden, weil es die kontrollierte Gemeinde nicht vollumfänglich, sondern nur auf ein Überschreiten des rechtlichen Rahmens kontrolliert hat. 1633 Schenke, Flächennutzungspläne (Fn. 274), S. 137; für das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses Schenke, Rechtsschutz I (Fn. 260), S. 454; für eine analoge Anwendung des § 44a VwGO m. w. N. Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 220 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Protektionspflicht durch das Recht der Gemeinden auf effektiven Rechtsschutz, das ebenfalls Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG entnommen wird1634. Auch bei der Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens der Nachbargemeinde muss sich das Gericht des Einflusses von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bewusst sein. Das Gericht muss seinen Verfassungsbindungen sowohl gegenüber der Nachbargemeinde als auch gegenüber der übergriffigen Gemeinde gerecht werden. Lässt das Gericht den verfassungsgeforderten Schutzauftrag unerfüllt, obwohl es ihm verfassungsrechtlich möglich gewesen wäre, verletzt das Gericht in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Protektionspflicht. Wegen der fehlenden verfassungsrechtlichen Fundierung des Abwehranspruchs im Horizontalverhältnis greift das den Anspruch der Nachbargemeinde ablehnende Gericht nicht in das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der Nachbargemeinde in seiner Dimension als Abwehrrecht ein. Vielmehr verletzt das Gericht unter Umständen Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG, wenn es hinter dem gesetzlichen Schutzprogramm zurückbleibt. Belässt das gesetzliche Schutzprogramm dem Gericht einen Spielraum, dann verletzt das Gericht weder Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG noch seinen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, wenn es nicht das Mindestschutzniveau unterschreitet. Belässt das Gesetz dem Gericht hingegen keinen relevanten Spielraum, dann kann und muss das Gericht gegebenenfalls nach Art. 100 GG die Schutznorm dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, wenn es davon überzeugt ist, dass das gesetzliche Schutzprogramm das Mindestschutzniveau verfehlt1635. Anders als die Kontrollermächtigungsnormen zugunsten der Rechtsaufsicht belassen die Kontrollermächtigungsnormen den Verwaltungsgerichten in der Regel – mit Ausnahme eines rechtswesenhaften Subsumtionsspielraums – keinen eigenen Entscheidungsspielraum, ob sie den Anspruch der Nachbargemeinde durchsetzen oder nicht, falls seine Voraussetzungen vorliegen. Gibt das Gericht dem Abwehr- und Unterlassungsbegehren der Nachbargemeinde statt, greift es rechtfertigungsbedürftig in das Selbstverwaltungsrecht der übergriffigen Gemeinde ein, falls diese eine Aufgabe erfüllt, die in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG fällt. Die Verwaltungsgerichte sind – wie auch die Rechtsaufsicht – von Verfassungs wegen gehalten, die abwehrrechtlich nach Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG gebotenen Eigenentscheidungsanteile der Gemeinden mit Letztentscheidungsbefugnis zu respektieren, falls der Gesetzgeber den Gemeinden Letztentscheidungsbefugnisse zuweist. Auch eine (echte)  Kontrolldichtenreduktion darf von den Gerichten nicht missachtet werden. Besonders dort, wo der Gesetzgeber zum Ausgleich der Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden eine zwischengemeindliche Abwägungsentscheidung vorsieht, determiniert das einfache Recht die Gemeinden nur rahmenhaft. Das Gericht muss bei seiner Entscheidung über den Konflikt eine sachgerechte Koordination der verfassungs 1634 BVerfG, Urt. v. 19. 09. 2018 – 2 BvF 1/15, 2/15, BVerfGE 150, 1 (105 f.) – Zensus 2011; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 45. 1635 Dazu bereits Fn. 1608.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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rechtlich geschützten Interessen im Einzelfall erzielen. Die Verwaltungsgerichte müssen Kriterien finden, um schutzadäquat über die zwischengemeindliche Abwägungsfehlerhaftigkeit gemeindlichen Handelns befinden zu können. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung der Beeinträchtigungsintensität für eine abstimmungsdisproportionale Entscheidung. Anders zu beurteilen sind die Fälle, in denen sich die Nachbargemeinden gegen außergebietliche und überörtliche Betätigungen wehren und ihre einfachgesetz­ lichen Abwehransprüche beispielsweise aus § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW verwaltungsgerichtlich verfolgen. Gibt das Gericht dem Abwehranspruch im Horizontalverhältnis statt, kann sich die handelnde Gemeinde nicht auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als negativ verpflichtende Norm berufen. Das Gericht muss sich gegenüber der expandierenden Gemeinde nicht abwehrrechtlich rechtfertigen. Lehnt das Verwaltungsgericht das Abwehr- und Unterlassungsbegehren der Nachbargemeinde ab, unterliegt das Gericht aus Sicht der von der Expansion betroffenen Nachbargemeinde allerdings den Bindungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als negativ verpflichtende Norm, falls der Gesetzgeber eine einfachgesetzliche Handlungsraumerweiterung vorgesehen hat und das Gericht auf diese abstellt. Doch wo liegt der exakte Unterschied zwischen Situationen, in denen eine Gemeinde fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen schlicht faktisch usurpiert, das Gericht den Abwehr- und Unterlassungsanspruch ablehnt und den Situationen, in denen ein Gericht den Abwehr- und Unterlassungsanspruch der Nachbargemeinde ablehnt, weil es meint, die Voraussetzungen einer einfachgesetzlich vorgesehenen Handlungsraumerweiterung lägen vor und die übergriffige Gemeinde sei dazu berechtigt, auf die Nachbargemeinde auszugreifen? Die unterschiedliche rechtliche Behandlung liegt abermals in dem (exakten) Norminhalt des judikativen Rechtserzeugungsaktes begründet. Liegen zum Beispiel die Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 S. 1  GO NRW in seinem erweiternden Regelungsgehalt nicht vor, dann verleiht das Gesetzesrecht den Gemeinden keinen (zusätzlichen) Zuständigkeits- und Kompetenztitel. Die gerichtliche Entscheidung, die ein Abwehr- und Unterlassungsbegehren der Nachbargemeinde als unbegründet abweist mit dem Argument, die Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW liegen vor, erklärt rechtsverbindlich, dass die wirtschaftende Gemeinde zur Expansion berechtigt und die Nachbargemeinde zur Duldung der Betätigung verpflichtet ist. Dass kein Abwehr- und Unterlassungsanspruch der Nachbargemeinde existiert, ist in diesem Fall äquivalent mit der Feststellung, dass die störende Gemeinde zur ‚gemeindeexternen Wirtschaftsbetätigung‘ befugt ist. Mit der Ablehnung des Unterlassungsbegehrens versagt das Gericht der Nachbargemeinde nicht (nur) den verfassungsgeforderten Schutz gegen übergriffiges Handeln anderer Gemeinden, sondern greift selbst in ihr Selbstverwaltungsrecht ein1636. Die judikativ erzeugte Norm gleicht der Hand 1636

Mit der Abweisung einer Leistungs- oder Unterlassungsklage steht rechtskräftig fest, dass die beantragte Leistung oder das beantragte Unterlassung nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beansprucht werden kann, B. Clausing / C. Kimmel, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO II (Fn.  872), § 121

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

lungsraumerweiterung des Gesetzgebers, die stets als Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Nachbargemeinden zu bewerten ist. bb) Durchsetzung von staatsaufsichtlichem Handeln zugunsten der Nachbargemeinde Je nachdem, auf welche Art und Weise die Staatsaufsicht in den Zwischengemeindekonflikt eingebunden ist, variieren sowohl die Rolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch die Art und Weise der Bindung der Verwaltungsgerichte an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Steht der Nachbargemeinde gegenüber der Aufsichtsbehörde ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Einschreiten, ausnahmsweise ein Anspruch auf ein konkretes Einschreiten zu, kann die Nachbargemeinde den Anspruch gegenüber der Aufsichtsbehörde verwaltungsgerichtlich durchsetzen. Begehrt sie von der Aufsichtsbehörde den Erlass eines Verwaltungsaktes, steht ihr dafür die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO, in allen anderen Fällen die allgemeine Leistungs- oder die Feststellungsklage zur Verfügung1637. Indem der Gesetzgeber der Aufsichtsbehörde regelmäßig Ermessen einräumt, ermächtigt er die Aufsichtsbehörde im Verhältnis zu ihm und zur Verwaltungsgerichtsbarkeit partiell zur Letztentscheidung über ihr Einschreiten. Das Verwaltungsgericht muss dafür sensibel sein, dass die staatliche Verwaltung als solche eine verfassungsrechtliche Absicherung im Grundgesetz erfahren hat (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG). Die Exekutive als ein Teil der funktionsgegliederten Staatsgewalt ist auf den Grundsatz der freiheitssichernden Gewaltengliederung ausgerichtet1638. Der Verwaltung kommt im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit ein vom Gericht zu respektierender Eigenentscheidungsfreiraum zu, der vom Grundsatz der Gewaltenteilung vorausgesetzt ist und vom Gesetzgeber durch die Zuweisung von (partiellen) Letztentscheidungsbefugnissen normativ umgesetzt wurde. Vorbehaltlich (Juli 2020), Rn. 86; J. F. Lindner, in: Posser / Wolff, BeckOK VwGO (Fn. 316), § 121 (Januar 2020), Rn. 44; problematisch ist die Reichweite der Rechtskraft von Unterlassungsurteilen, dazu aus zivilprozessualer Perspektive H. Rüßmann, Die Bindungswirkung rechtskräftiger Unterlassungsurteile, in: H. Prütting / ders. (Hrsg.), Verfahrensrechte am Ausgang des 20. Jahrhunderts, 1997, S. 675 (675 ff.). – Für die Unterlassungsklage gilt, dass die abweisende Gerichtsentscheidung wegen Unbegründetheit des Unterlassungsbegehrens in seiner Regelungswirkung der rechtsaufsichtlichen Genehmigung der überörtlichen Wirtschaftsbetätigung zulasten der Nachbargemeinde gleicht, falls eine Expansionsklausel existiert. Es ist angezeigt, beide gleich zu behandeln. Dagegen ist die Weigerung der Rechtsaufsicht, gegen ein überörtliches Wirtschaften rechtsaufsichtlich vorzugehen, kein Eingriff, sondern ggf. ein Zurückbleiben hinter dem Schutzauftrag von Art. 28 II 1 GG. 1637 Differenzierend die verschiedenen verwaltungsgerichtlichen Möglichkeiten gegen Aufsichtsmaßnahmen zeigen auf Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel VII Rn. 349 ff. 1638 Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit (Fn. 858), § 10 Rn. 39; eingehender zur Gewaltengliederung Fn. 1345.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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von (echten) Kontrolldichtenreduktionen kontrolliert das Verwaltungsgericht somit Aufsichtshandeln nur, wenn es die Fremdprogrammierungsanteile missachtet. Aufsichtshandeln kann insbesondere dann rechtswidrig sein, wenn die Aufsichtsbehörde die Tragweite ihrer verfassungsrechtlichen Protektionspflicht verkennt und sich aus diesem Grund ermessensfehlerhaft gegen ein Einschreiten entscheidet. Kein Ermessensfehler unterläuft der Aufsichtsbehörde allerdings dann, wenn sie die betroffene Nachbargemeinde – sofern einfachgesetzlich vorgesehen – auf die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der störenden Gemeinde verweist, welche der Nachbargemeinde im Horizontalverhältnis gegenüber der störenden Gemeinde zustehen. Häufig spricht die Möglichkeit, einen Direktanspruch verfolgen zu können allerdings gegen einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten. Schreitet die Rechtsaufsicht nicht ein, weil sie den definitiven Eigenentscheidungsfreiraum der Gemeinde achtet, kann nicht das Verwaltungsgericht der Aufsicht vorwerfen, sie hätte nicht den Eigenentscheidungsfreiraum der störenden Gemeinde bei der Ausübung ihrer Aufsicht kontrolliert1639. Das Gericht muss bei der (inzidenten) Überprüfung, ob die Voraussetzungen der Kontrollermächtigung der Aufsicht vorliegen, namentlich, ob das Handeln der störenden Gemeinde rechtswidrig im Sinne etwa der §§ 119 ff. GO NRW ist, im Blick haben, dass die störende Gemeinde im Verhältnis zur Aufsicht im bestimmten Umfang zur Letztentscheidung bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben befugt ist. Das Gericht muss also zwei verschiedene Letztentscheidungsbefugnisse in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen achten. Bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den von der Nachbargemeinde geltend gemachten Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten gegen das beeinträchtigende Handeln der Gemeinde muss das Gericht ferner im Blick haben, dass jedes aufsichtliche Handeln einen verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie derjenigen Gemeinde mit sich bringt, die Adressatin der Aufsichtsmaßnahme ist1640. Weil die verwaltungsgerichtliche Entscheidung den administrativen Eingriff in das modale Gewährleistungselement anordnet, muss die Verwaltungsgerichtsentscheidung den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht gerecht werden. Die gerichtliche Entscheidung über die Pflicht zum aufsichtlichen Einschreiten muss insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und / oder den Kern- und Randbereichsanforderungen genügen1641. Auch 1639 Dächte man die Aufsicht hinweg, dann würde derselbe definitive Eigenentscheidungsfreiraum der Gemeinden auch im Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten bestehen. 1640 Zur Einordnung von aufsichtlichen Maßnahmen als Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie bereits Fn. 1140; statt Vieler Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel VII Rn. 341 f., 355; nicht gegen jede aufsichtliche Maßnahme besteht verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, sodass sich je nach dem jeweiligen Aufsichtsinstrument ein differenziertes Bild verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes ergibt Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel VII Rn. 343 ff. 1641 Selbstverständlich ist die Bindung von Verwaltungsgerichten an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und / oder die Kern- und Randbereichsanforderungen, wenn die Gerichte über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer existenten Aufsichtsmaßnahme entscheiden, gegen die sich die reglementierte Gemeinde wehrt. Die Aufsichtsbehörde darf nur nicht un-

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

wenn es erst die Aufsichtsbehörde ist, welche den begehrten Verwaltungsakt erlässt oder das Realhandeln vornimmt, prägt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO – jedenfalls gilt das uneingeschränkt für das Vornahmeurteil – die Verwaltungsentscheidung derart vor, dass es gerechtfertigt ist, die Verwaltungsgerichtsentscheidung als Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der reglementierten Gemeinde einzuordnen1642. Ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff scheidet wiederum aus, wenn die störende Gemeinde fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen usurpiert. Macht die Nachbargemeinde einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten gegen die Usurpation fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen verwaltungsgerichtlich geltend, ist das Verwaltungsgericht nur an die sich aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ergebende Protektionspflicht gebunden. Verpflichtet das Gericht die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten gegen die faktische Anmaßung fremdgemeindlicher Zuständigkeiten und Kompetenzen, verkürzt das Gericht nicht die Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung der übergriffigen Gemeinde. Lehnt es einen Anspruch auf rechtsaufsichtliches Einschreiten ab, greift es nicht in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde ein, sondern versagt ihr Schutz. Diese Situation ist also verfassungsdogmatisch anders zu beurteilen als Situationen, in denen das Gericht entweder Abwehr- und Unterlassungsansprüche im Horizontalverhältnis unter Heranziehung der Expansionsklausel ablehnt oder rechtsaufsichtliche Genehmigungen überörtlicher Betätigungen bestätigt. cc) Abwehr von staatsaufsichtlichem Einschreiten durch die störende Gemeinde Umgekehrt kann es zu einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit kommen, wenn die Aufsichtsbehörde Maßnahmen zum Schutz der Nachbargemeinde ergreift. Die Aufsichtsbehörde versucht entweder die einem Anspruch korrespondierenden Pflichten im zwischengemeindlichen Horizontalverhältnis durchzusetzen verhältnismäßige Aufsichtsmaßnahmen ergreifen, statt Vieler Oebbecke, Kommunalaufsicht (Fn. 13), S. 409; Brüning / Vogelgesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel V Rn. 148 ff.; Mehde (Fn. 304), Art. 28 Abs. 2 Rn. 108. 1642 Weder im Fall des Vornahme- noch des Bescheidungsurteils kann das Verwaltungsgericht den begehrten Verwaltungsakt selbst erlassen, statt Vieler A.  Decker, in: Posser / Wolff, BeckOK VwGO (Fn. 316), § 113 (April 2019), Rn. 76. Dafür spricht bereits der Normtext des § 113 V VwGO sowie die Vollstreckbarkeit des Erzwingungstitels nach § 172 VwGO; knapp zum Streitstand zu der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den Staat als Hoheitsträger J. Pietzner / A. Möller, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO II (Fn.  872), Vorbm. § 167 (Juni 2017), Rn. 8 f., 23 ff.; J.  Pietzner / A.  Möller, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO  II (Fn.  872), § 172 (Juni 2011), Rn. 5 f.; aus der Rspr. z. B. BayVGH, Beschl. v. 18. 01. 2010 – 11 C 09.2813, juris Rn. 19 ff.; die Verwaltung hat sowohl im Fall des Vornahme- als auch des Bescheidungsurteils die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten BayVGH, Beschl. v. 18. 01. 2010 – 11 C 09.2813, juris Rn. 23.

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oder sie versucht, die objektiv-rechtlichen Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers zu erzwingen. Schreitet die Staatsaufsicht ein, kann die störende Gemeinde, die Adressatin der Aufsichtsmaßnahme ist, gegen den Einsatz bestimmter aufsichtlicher Instrumente verwaltungsgerichtlich vorgehen. Die verfassungsrechtlichen Bindungen bleiben dieselben: Das Verwaltungsgericht ist bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufsichtsmaßnahme, wenn und soweit diese Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein kann, aus der Perspektive der von der Aufsichtsmaßnahme betroffenen Gemeinde dem Einfluss des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als negativ verpflichtende Norm ausgesetzt1643. Das Gericht muss überprüfen, ob die Aufsichtsmaßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und / oder den Kern- und Randbereichsanforderungen genügt. Für die Nachbargemeinde bleibt es beim Einfluss des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Protektionspflicht. Usurpiert die störende Gemeinde fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, hat sie keine verfassungsrechtlich geschützte Position auf ihrer Seite, wenn sie sich gegen Aufsichtsmaßnahmen wehrt. Untersagt die Aufsichtsbehörde der störenden Gemeinde die Betätigung und bestätigt das Gericht die Rechtmäßigkeit des aufsichtlichen Einschreitens, ist das Gericht nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension gebunden. Das Gericht muss sich folglich nicht verfassungsrechtlich gegenüber der handelnden Gemeinde rechtfertigen. Das Gericht muss wiederum Letztentscheidungsbefugnisse der Aufsichtsbehörde ins Kalkül ziehen und dort, wo die Aufsichtsbehörde zur Letztentscheidung ermächtigt ist, ihren Spielraum achten. Ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, in dem sich die handelnde Gemeinde gegen das aufsichtliche Einschreiten wehrt, scheidet wegen der (vorrangigen) Ausrichtung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystems auf einen Individualrechtsschutz aus1644. Allenfalls die einfachgesetzlichen Expansionsklauseln könnten der handelnden Gemeinde einen Anspruch darauf verschaffen, dass sie sich überörtlich betätigen darf. Erscheint das zumindest möglich, ist die überörtlich agierende Gemeinde klage- oder antragsbefugt. Sollte es demnach zu einem Verfahren kommen, ist das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über das Begehren der störenden Gemeinde, das sich gegen die Aufsichtsmaßnahme richtet, die der Gemeinde ein überörtliches, sich auf eine einfachgesetzliche Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungsnorm stützendes Handeln untersagt, aus der Sicht der Nachbargemeinde an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Protektionspflicht gebunden. Das Urteil hebt allein die Aufsichtsmaßnahme auf und trifft darüber hinaus keine weiteren Feststellungen, die in Rechtskraft erwachsen. Sollte die Entscheidung darüber hinaus feststellen, dass die Gemeinde 1643 Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 351, zu den Rechtsschutzmöglichkeiten im Detail Rn. 355 ff.; ebenfalls zum verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Brüning / Vogel­ gesang, Kommunalaufsicht (Fn. 1126), Kapitel VII Rn. 341 ff. 1644 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (Fn. 56), S. 213 ff.; zur Systementscheidung Wahl (Fn. 289), Vorbm. § 42 Abs. 2 Rn. 6 ff.; Riese (Fn. 925), Vorbm. § 113 Rn. 1.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

kraft einfachen Rechts befugt ist, sich überörtlich zu betätigen, dann greift das Gericht in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde ein1645. Weil die störende Gemeinde sich in diesem Fall nur auf das einfache Recht, nicht hingegen auf das Verfassungsrecht berufen kann, überschreitet das Gericht früher die Grenze des Abwehrrechts der Nachbargemeinde, als wenn das Gericht zu einem wertenden Ausgleich konträrer Verfassungsrechtspositionen verpflichtet wäre. dd) Abwehr von belastenden Genehmigungsentscheidungen der staatlichen Exekutive Die rechtswidrige Genehmigung des Bebauungsplans durch die höhere Verwaltungsbehörde ist nicht eigenständig mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 Var. 1 VwGO durch die Nachbargemeinde anfechtbar. Zwar handelt es sich im Verhältnis zur planenden Gemeinde bei der Genehmigung ihres Bauleitplans um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG1646. Im Verhältnis zu Dritten, namentlich im Verhältnis zu Nachbargemeinden mangelt es aber an einer Regelungswirkung. Aus diesem Grund ist die (sonderaufsichtliche) Genehmigung im Verhältnis zu ihnen kein Verwaltungsakt; eine Anfechtungsklage scheidet nach nicht gänzlich unumstrittener Auffassung aus1647. Zumindest fehlt es aber an der Klagebefugnis1648. Gegen die Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde besteht für die Nachbargemeinde keine Rechtsschutzmöglichkeit1649. Vielmehr muss die Nachbargemeinde mittels prinzipaler Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Bebauungsplan vorgehen, wobei gegen den Flächennut-

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Eine solche Feststellung würde nicht in Rechtskraft erwachsen, da sie zu den Entscheidungsgründen zählt, vgl. Clausing / Kimmel (Fn. 1636), § 121 Rn. 45. Sollte die Nachbargemeinde womöglich als notwendige Beigeladene eine Zwischenfeststellungsklage gem. § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 256 II ZPO stellen dürfen, könnte die Nachbargemeinde unter Umständen eine Duldungspflicht aus § 107 II 1 GO NRW als ein vorgreifliches öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis feststellen lassen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass der Beigeladene grundsätzlich keine Zwischenfeststellungsklage erheben darf H. v. Nicolai, in: Redeker / v. Oertzen, VwGO (Fn. 286), § 42 Rn. 42; J. P. Terhechte, in: Fehling / Kastner / Störmer, Verwaltungsrecht (Fn. 918), § 43 Rn. 31. 1646 Schrödter / Kukk (Fn. 1613), § 10 Rn. 30; W. Schrödter / C.  W. Otto, in: Schrödter, BauGB (Fn. 69), § 6 Rn. 7. 1647 Schrödter / Otto (Fn. 1646), § 6 Rn. 9; Schrödter / Wahlhäuser (Fn. 69), § 2 Rn. 102; aus der Rspr. in diesem Sinne Nds. OVG, Urt. v. 17. 11. 1970 – I A 97/69, DVBl. 1971, 322 (322 f.); gegen den Ausschluss der Verwaltungsaktsqualität im Verhältnis zur Nachbargemeinde Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 213; Rechtsschutz gegen die Genehmigung halten demgegenüber für möglich Fingerhut, Gemeindenachbarklage (Fn. 2), S. 126 ff.; Reidt, Einkaufszentren (Fn. 182), S. 95. 1648 Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 214; Schenke, Flächennutzungspläne (Fn. 274), S. 137; Schenke, Rechtsschutz I (Fn. 260), S. 459; Battis (Fn. 91), § 2 Rn. 24. 1649 Insgesamt zum Streitstand der isolierten Anfechtung der Genehmigung des Plans m. w. N. Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 211 ff.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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zungsplan nur ausnahmsweise Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben sind1650. Für den Fall, dass in anderen Konstellationen die Nachbargemeinde unmittelbar gegen die Genehmigungserteilung einer staatlichen Behörde verwaltungsgerichtlich vorgehen können sollte und das Verwaltungsgericht die rechtswidrige Genehmigung aufrechterhält, greift das Gericht nicht in die Selbstverwaltungsgarantie der klagenden Nachbargemeinde ein. Es gilt dasselbe, was für die verfassungsdogma­ tische Beurteilung der Genehmigung des Bebauungsplans durch die Behörde gilt. Das Gericht schließt mit der Bestätigung der Genehmigung keinen Anspruch der Nachbargemeinde gegenüber der störenden Gemeinde im zwischengemeindlichen Horizontalverhältnis aus, der Teil am Verfassungsrang des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hat. Ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung scheidet daher aus. Anders verfassungsdogmatisch zu beurteilen ist wiederum die gerichtliche Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung, mit welcher die Aufsichtsbehörde der störenden Gemeinde eine Betätigung jenseits ihres verfassungsrechtlichen Aufgabenbestands gestattet. Wehrt sich eine Nachbargemeinde verwaltungsgerichtlich gegen eine solche Genehmigung und weist das Gericht die Anfechtungsklage der Nachbargemeinde gegen eine sie (dritt-)belastende Genehmigung ab, ist die gerichtliche Entscheidung an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht zu messen. ee) Klage auf Genehmigungserteilung Verweigert die höhere Verwaltungsbehörde hingegen die Genehmigung des Bauleitplans und erhebt die planende Gemeinde Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO auf Erteilung der Genehmigung, bindet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG das Gericht aus der Perspektive der planenden Gemeinde in seiner abwehrrechtlichen Dimension1651. Dasselbe gilt in anderen Fällen, in denen eine staatliche Behörde die Genehmigungserteilung für ein Handeln verweigert, das unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht und die Gemeinde, der die Genehmigungserteilung verwehrt wurde, gegen die Ablehnung verwaltungsgerichtlich vorgeht. Schon die gesetzliche Regelung, mit welcher der Gesetzgeber gemeind­ liches Handeln zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stellt, sowie die Behördenentscheidung, das Betätigungsverbot aufrechtzuerhalten, sind verfassungsrechtliche Eingriffe in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie. Daher muss sich das die Ablehnung der Genehmigung bestätigende Gericht ebenfalls gegenüber der Gemeinde,

1650

Siehe dazu bereits Fn. 274. Zur Klage auf Erlass der Genehmigung Hug, Gemeindenachbarklagen (Fn. 3), S. 211; aus allgemein staatsaufsichtlicher Perspektive Gern / Brüning, Kommunalrecht (Fn. 1019), Rn. 305 f., 356. 1651

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

der die Genehmigungserteilung verwehrt wurde, verfassungsrechtlich rechtfertigen. Ein rechtfertigender Grund kann etwa darin liegen, dass das die Ablehnung der Genehmigung bestätigende Gericht mit seiner Ablehnung und der Aufrechterhaltung des Betätigungsverbots seiner verfassungsrechtlichen, zum Beispiel durch § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB legislativ umgesetzten Protektionspflicht nachkommt. Verpflichtet das Gericht die staatliche Behörde zum Erlass der Genehmigung, dann greift es nicht in das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde ein, sondern verkennt seinen gesetzesmediatisierten Schutzauftrag. Die gerichtliche Entscheidung ist an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht zu messen, wenn das Gericht auf die Klage der störenden Gemeinde hin die Genehmigungsbehörde zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet, mit welcher die Aufsichtsbehörde der störenden Gemeinde eine Betätigung jenseits ihres verfassungsrechtlichen Aufgabenbestands gestattet. Weil sowohl der Gesetzgeber, die Behörde als auch das Gericht der störenden Gemeinde eine Betätigung aktiv im Aufgabenbereich von Nachbargemeinden gestatten, ist die Bestätigung der Betätigung im fremdgemeindlichen Aufgabenbestand für alle Akteure ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff. Es ergeben sich damit keine Unterschiede zu der Konstellation, in der keine Genehmigung erforderlich ist, aber das Gericht einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegen fremdgemeindliche Zuständigkeitsund Kompetenzusurpationen mit der Begründung ablehnt, der störenden Gemeinde stehe ein einfachgesetzlicher Zuständigkeits- und Kompetenztitel zu. Freilich ist dann, wenn der Eingriff auf einer ausreichenden und verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage beruht, die Entscheidung des Gerichts in beiden Fällen ebenso wie die Genehmigung selbst eine verfassungsrechtlich rechtfertigungsfähige Verkürzung der Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Nachbargemeinde. Lehnt die Aufsichtsbehörde die Gestattung einer Betätigung der störenden Gemeinde ab, obwohl der Gesetzgeber einfachgesetzlich eine Betätigung jenseits des Aufgabenbestands der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft vorsieht, hat die Gemeinde – je nach einfachgesetzlicher Ausgestaltung – einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Gestattung der Betätigung. Bestätigt das Gericht die ablehnende Entscheidung der Behörde, dann greift das Gericht nicht verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig in die Selbstverwaltungsgarantie der klagenden Gemeinde ein. Die gerichtliche Bestätigung der Verweigerung der Genehmigung einer Betätigung jenseits des Aufgabenbestands der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft kann sogar verfassungsrechtlich geboten sein, weil sowohl die Genehmigung als solche als auch ihre gerichtliche Bestätigung wegen der besonderen Legalisierungswirkung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Nachbargemeinde darstellen.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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4. Leitlinien für aufsichtliches und gerichtliches Entscheiden – Gefahr struktureller Asymmetrie? Bislang galt es herauszuarbeiten, in welcher Dimension Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in verschiedenen Konstellationen zum Zuge kommt. Bei der Bestimmung der Dimension, in der Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Akteur bindet, handelt es sich um die zentrale Weichenstellung für das verfassungsrechtliche Anforderungsprofil zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung. Für die beteiligten Gemeinden ist allerdings im Einzelfall nach wie vor nicht viel gewonnen, wenn die Staatsaufsicht oder die Verwaltungsgerichtsbarkeit darauf verpflichtet werden, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension oder in seiner Dimension als Protektionspflicht zu beachten. Mit der Bestimmung der Dimension fehlt es weiterhin an operationalisierbaren Maßstäben, unter welchen Umständen sich die Aufsichtsbehörde oder das Gericht für den Schutz der Nachbargemeinde und damit gegebenenfalls für den Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der reglementierten Gemeinde oder gegen den Schutz der Nachbargemeinde und damit regelmäßig für ein Absehen von einem Eingriff in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der übergriffigen Gemeinde verfassungsrechtlich entscheiden dürfen. Ähnlich sieht es bei der Frage aus, ob die Genehmigungsbehörde oder das Gericht Handlungsraumerweiterungen zulassen dürfen oder nicht. Ohne den rationalisierenden Wert des Unter- und des Übermaßverbotes in Abrede stellen zu wollen, bleiben die beiden Maßstäbe recht abstrakt. Es lassen sich aber gewisse Leitlinien formulieren, welche die Aufsichtsbehörden und die Gerichte bei ihrer Entscheidung für oder gegen den Schutz der Nachbargemeinde anleiten können. Usurpiert die übergriffige Gemeinde fremdgemeindliche Zuständigkeiten und Kompetenzen, weist ihr weder Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG noch eine einfachgesetzliche Norm einen Zuständigkeits- oder Kompetenztitel zu. Verfassungsrechtlich bindet ausschließlich das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Nachbargemeinde die Entscheidung der Staatsaufsichtsbehörde oder des Gerichts. Obgleich sich die Protektionspflicht nicht stets auf ein konkretes Handeln richtet, verbleiben weder der Aufsichtsbehörde noch der Verwaltungsgerichtsbarkeit Raum für die Abwägung widerstreitender Belange. An sich spricht einzig das Selbstverwaltungsrecht der Nachbargemeinde für eine Entscheidung zu ihren Gunsten. Gründe, die gegen den Schutz der Nachbargemeinde sprechen, lassen sich nicht aus dem Selbstverwaltungsrecht der störenden Gemeinde herleiten. Das Ermessen der Behörden ist in aller Regel zugunsten der Nachbargemeinden intendiert und die Rechtsaufsicht oder das Gericht dürfen nur in atypischen Fällen Nachbargemeinden Schutz versagen. Nimmt demgegenüber auch die übergriffige Gemeinde eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft wahr und verfügt daher über einen verfassungsunmittelbaren Aufgabentitel, stehen sich Abwehrrecht und Protektionspflicht gegenüber. Von Bedeutung für eine Entscheidung zugunsten der Nachbargemeinde ist zuerst, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch den Übergriff der störenden Gemeinde auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Nachbargemeinde ist.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Je schwerwiegender die Beeinträchtigungswirkung ist, desto eher verpflichtet die Protektionspflicht die Staatsaufsichtsbehörde oder das Verwaltungsgericht, sich für den Schutz der Nachbargemeinde zu entscheiden und desto eher handelt die Aufsichtsbehörde ermessensfehlerhaft, wenn sie sich gegen ein Einschreiten entscheidet. Relevant ist auch, ob die störende Gemeinde eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft erfüllt und dabei in ihrem Territorium verbleibt oder außergebietlich tätig wird. Auswirkungen, die von der Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft innerhalb des Territoriums der handelnden Gemeinde ausgehen, sind von der Nachbargemeinde, selbst wenn diese gewichtig sind, eher hinzunehmen als solche, die aus einer Betätigung im fremden Gebiet resultieren. Erfüllt die übergriffige Gemeinde im fremden Gebiet eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, spricht eine Vermutung dafür, dass die handelnde Gemeinde zum Schutz der Nachbargemeinde zulässigerweise auf ihr eigenes Territorium verwiesen werden darf. In diesem Fall spricht die Protektionspflicht für ein aufsichtliches Einschreiten oder eine Gerichtsentscheidung zugunsten der Nachbargemeinde. Aus der Sicht der Nachbargemeinde kommt Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG meist in seiner Dimension als Protektionspflicht, aus der Perspektive der übergriffigen Gemeinde meist in seiner abwehrrechtlichen Dimension zum Zuge. Das gilt nicht für behördliche Genehmigungen von Handlungsraumerweiterungen, gerichtliche Ablehnungen von Abwehr- und Unterlassungsbegehren gegen Usurpationen, falls eine Expansionsklausel vorgesehen ist und das Gericht seine Entscheidung darauf stützt, sowie die Aufrechterhaltung der handlungsraumerweiternden behördlichen Genehmigungen durch die Gerichte. Anders als im Privatrecht, wo die Grundrechte je nach Prozessrollenverteilung (umstrittenerweise) mal als Abwehrrecht, mal als Schutzpflicht zum Zuge kommen, kann jede Wirkweise von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in der Regel klar einer der in den Zwischengemeindestreit involvierten Gemeinde zugeordnet werden1652. Aus diesem Umstand der statischen Zuordnung der Protektionspflicht zur Nachbargemeinde folgt möglicherweise eine nur bedingt rechtfertigungsfähige faktische Asymmetrie in der Wertigkeit der Rechtspositionen der streitenden Gemeinden. Weil das Abwehrrecht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sich an eingriffsrechtlichen Kautelen, die Protektionspflicht hingegen nur am Untermaßverbot messen lassen muss, steht die übergriffige Gemeinde tendenziell besser, die Nachbargemeinde tendenziell strukturell schlechter1653. Nicht nur, dass der Nachbargemeinde die Initiative aufgebürdet wird, sich gegen Übergriffe anderer Gemeinden zu wehren, sondern auch der Umstand, dass die Protektionspflicht nur am Untermaßverbot zu messen ist, bewirken, dass die Nachbargemeinden insgesamt eine eher schwächere Rechtsposition innehaben. Eine vergleichbare Asymmetrie bei der Wirkweise der Grundrechte im Privatrecht ist dort mitunter

1652

Zur Kritik an der Zufälligkeit der Rollenverteilung exemplarisch bei Michl, Bedeutung (Fn. 1303), S. 1066 f.; Kulick, Horizontalwirkung (Fn. 1300), S. 164 f. 1653 Eingehende Auseinandersetzung mit umfassenden Nachweisen Störring, Untermaßverbot (Fn. 1420), S. 142 ff.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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auf heftige Kritik gestoßen1654. Im Verhältnis von Gemeinden zueinander ist diese Asymmetrie aber durchaus hinnehmbar: Zum einen sind die Zufälligkeiten der Prozessrollenverteilung, die darüber entscheiden, ob die Grundrechte die Zivil­ gerichte als Abwehrrechte oder als Schutzpflichten binden, in öffentlich-recht­ lichen Streitigkeiten unwahrscheinlich. In aller Regel, wenngleich nicht immer, sind die Nachbargemeinden darauf verwiesen, im eigenen Interesse die (verwaltungsprozessuale) Initiative zu ergreifen. Es ist die Nachbargemeinde, die Abwehrund Unterlassungsansprüche im Horizontalverhältnis gerichtlich erstreiten muss. Es ist wiederum die Nachbargemeinde, welche die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten bewegen oder sich gegen sie (dritt-)belastende Genehmigungen wehren muss. Zum anderen ist es auch deshalb gerechtfertigt, dass die Nachbargemeinde das schwächere Recht auf ihrer Seite hat und sie deshalb strukturell unterlegen ist, wenn es zu Übergriffen durch andere Gemeinden kommt, weil die übergriffigen Gemeinden oft selbst Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen. Zu ihren Gunsten spricht die verfassungsrechtliche Vermutung, dass dann, wenn ihr ein verfassungsunmittelbarer Zuständigkeits- und Kompetenztitel zusteht, sie als Erstinterpretin ihrer Zuständigkeiten und Kompetenzen über die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung entscheiden soll. Es kommt schon dann nicht mehr zu einer strukturellen Unterlegenheit, wenn die übergriffige Gemeinde fremde Zuständigkeiten und Kompetenzen usurpiert. In diesem Fall gibt es keine verfassungsrechtliche Entscheidung zugunsten der störenden Gemeinde. Im Gegenteil ist ihr Handeln unmittelbar verfassungswidrig. Zu einer Asymmetrie in der Wertigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten kommt es damit nur dort, wo der Grundsatz der Universalität beiden Gemeinden gleichermaßen die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung verfassungsrechtlich verbürgt. Die vermeintliche strukturelle Asymmetrie vermeidet es, dass der Staat im engeren Sinne – sei es die Staatsaufsicht oder die Gerichte – zum dauerhaften Wächter über zwischengemeindliche Beziehungen avanciert. Obgleich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Gemeinden eine Rechtsposition einräumt, die in dem Schutz der eigenverantwortlichen Wahrnehmung bestimmter Zuständigkeiten und Kompetenzen liegt, die wiederum nur unter bestimmten Bedingungen entzogen werden dürfen, handelt es sich bei Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vorrangig um eine staatsorganisatorische Norm der Kompetenz- und Zuständigkeitsverteilung in einer dezentralisierten Ordnung. Diese Ordnung verlöre viel von ihrem (dezentralisierten) Wert, wenn der Staat im engeren Sinne zur dauerhaften Überwachung und Intervention berufen wäre. Es ist vielleicht auch der immanente Wert von Selbstverwaltungskörperschaften, dass nicht durchgehend der Staat als Schiedsrichter auf den Plan gerufen werden soll. Die primäre Schutzrichtung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist gegen den Staat gerichtet und nicht gegen Akteure, die selbst nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden

1654

Heftige Kritik an der damit verbundenen „Asymmetrie des Grundrechtsschutzes“ etwa bei Hager, Grundrechte (Fn. 1299), S. 381 f.; unmittelbare Erwiderung bei Canaris, Grundrechte 1999 (Fn. 1298), S. 47 ff.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

sind. Hätte der Verfassunggeber die Gefahr der Beeinträchtigung von Gemeinden untereinander ebenso dringlich empfunden, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, auch Gemeinden untereinander an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu binden. Eine Ausnahme bilden die Situationen, in denen der Staat der Verursacher der Konflikte ist, weil er den Handlungsraum zugunsten einer Gruppe von Gemeinden zulasten einer anderen Gruppe erweitert. Er bringt damit das Gleichgewicht grundgesetzlicher Kompetenzverteilung ins Wanken. 5. Bundesverfassungsprozessuale Durchsetzbarkeit der exekutiv, judikativ und legislativ vermittelten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung Welche verfassungsprozessualen Möglichkeiten stehen den Gemeinden zur Verfügung, wenn der Gesetzgeber zu viel oder zu wenig Schutz bietet, wenn die staatliche Aufsicht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als negativ oder positiv verpflichtende Norm nicht gerecht wird oder wenn die Verwaltungsgerichte Entscheidungen treffen, die den Maßstäben des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in einer seiner beiden Dimensionen nicht genügen? Bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz von Nachbargemeinden gegen Rechtserzeugungsakte anderer Gemeinden scheidet von vornherein aus. Zwar ist im Schrifttum mitunter die Auffassung anzutreffen, dass etwa Satzungen von Nachbargemeinden tauglicher Beschwerdegegenstand im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs. 1 GG i. V. m. § 91 BVerfGG seien1655. In Ermangelung einer zwischengemeindlichen Zielrichtung können Gemeinden jedoch nicht Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG anderer (Nachbar-)Gemeinden verletzen. Da auch einfachgesetzliche Regelungen nicht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sachbereichsspezifisch eine zwischengemeindliche Zielrichtung verleihen und einfachrechtliche Schutznormen nicht Anteil am Verfassungsrang des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG haben, kommt bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht in Betracht. a) Durchsetzbarkeit legislativ vermittelter verfassungsrechtlicher Konfliktbewältigung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begründet für den Gesetzgeber sowohl negative als auch positive Verpflichtungen, denen Ansprüche der Gemeinden korrespondieren. Gemeinden können diese Ansprüche verfassungsgerichtlich durchsetzen. Rechtsprechungsmaterial des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsgerichtlichen Durchsetzbarkeit legislativer Schutzansprüche existiert soweit ersichtlich nicht.

1655

Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 35.

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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aa) Kontrollgegenstand der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG können Gemeinden die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, dass ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Art. 28 des Grundgesetzes verletzt. Ein tauglicher Kontrollgegenstand der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde liegt vor, wenn sich Gemeinden gegen handlungsraumerweiternde Maßnahmen wenden, sofern diese in Form eines formellen Bundes- oder Landesgesetzes ergehen. § 107 Abs. 3 S. 1 GO NRW wäre etwa – die etwaige Subsidiarität der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde ausgeblendet – als formelles Landesgesetz tauglicher Beschwerdegegenstand. Aus Sicht der reglementierten störenden Gemeinde bereitet bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz in aller Regel keine Probleme. Offener ist hingegen, ob Gemeinden die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundierten positiven Verpflichtungen des Gesetzgebers in Gestalt der Protektionspflichten bundesverfassungsgerichtlich durchsetzen können. Eine Gemeinde macht geltend, der Gesetzgeber sei seiner verfassungsrechtlichen Protektionspflicht, Gemeinden vor Übergriffen von Nicht-Bindungs-Akteuren des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu schützen, nicht hinreichend nachgekommen und verletze aus diesem Grund Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als positiv verpflichtende Norm. Ihr Sachbegehren gegenüber dem Gesetzgeber ist darauf gerichtet, dass er zum Schutz der Gruppe von Nachbargemeinden ein ausreichend effektives Schutzniveau schafft und aktiv wird. Ob Gemeinden überhaupt den Erlass von (Schutz-)Normen verfassungsprozessual vor dem Bundesverfassungsgericht verfolgen können, ist umstritten. Der Beschwerdegegenstand ist in diesem Fall nicht ein aktives gesetzgeberisches Tun, mit dem der Gesetzgeber eine konkrete verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition der Gemeinde möglicherweise verfassungsrechtlich nicht rechtfertigungsfähig verkürzt, sondern ein Untätigbleiben des Gesetzgebers. Das Maß an Untätigkeit des Gesetzgebers kann schwanken: Entweder bleibt der Gesetzgeber gänzlich untätig und erlässt keinerlei Schutznormen, oder er wurde zwar durch Normerlass zum Schutz von Gemeinden tätig, die Gemeinden sind aber der Auffassung, dass er damit kein ausreichendes Schutzniveau erreicht. Beide Male wirft die den Rechtsschutz suchende Gemeinde dem Gesetzgeber vor, er habe es versäumt, seinem verfassungsfundierten Schutzauftrag ausreichend nachzukommen und rügt, der Gesetzgeber habe den verfassungsgeforderten Schutz von Gemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden unterlassen. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung ist die Auffassung verbreitet, dass die Kommunalverfassungsbeschwerde nur dann statthaft sei, wenn bereits eine (abstrakt-generelle) Rechtsnorm erlassen wurde1656. Dass das unterlassene Gesetz nicht tauglicher Kontrollgegenstand der 1656

Stellvertretend Löwer, Zuständigkeiten (Fn. 1214), § 70 Rn. 77; Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 40; Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 24; ausdrücklich offenlassend BVerfG, Kammerbeschl. v. 18. 07. 2000 – 2 BvR 1501/91, NVwZ 2001, 66 (67).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

kommunalen Verfassungsbeschwerde sein soll, begründet das Schrifttum mit dem Normtext des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG, insbesondere im Vergleich zur Individualverfassungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. § 90 BVerfGG1657. Anders als in § 91 BVerfGG, wo sich die Kontrollermächtigungsnorm auf den Kontrollgegenstand „Gesetz“ festlegt, sind taugliche Beschwerdegegenstände der Individualverfassungsbeschwerde sowohl Legislativ-, Judikativ- als auch Exekutivakte, nämlich alle Akte der „öffentliche[n] Gewalt“1658. Mit dem Merkmal der öffentlichen Gewalt legt sich weder das Bundesverfassungsgerichtsgesetz noch das Grundgesetz auf einen bestimmten Rechtserzeuger oder eine bestimmte Form des Rechtserzeugungsaktes für die Statthaftigkeit der Individualverfassungsbeschwerde fest. Im Vergleich dazu erfasst die Kontrollermächtigungsnorm des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG nur Gesetze, also eine bestimmte Form eines Rechtserzeugungsaktes. Folgt aus der positiven Umschreibung des Kontrollgegenstands, dass das (partielle) Ausbleiben der Handlung kein tauglicher Beschwerdegegenstand ist1659? Die Beratungen im Deutschen Bundestag bestätigen, dass der Normtext der Normierung der Kommunalverfassungsbeschwerde im Vergleich zum Normtext der die Individualverfassungsbeschwerde normierenden Vorschrift tatsächlich nicht nur eine unbeabsichtigte normtextliche Abweichung ist. Zwischen der zweiten und dritten Lesung einigten sich die Abgeordneten darauf, den ursprünglichen Entwurf des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu modifizieren und die Kommunalverfassungsbeschwerde auf eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde zu beschränken1660. Aus der Beschränkung des Kontrollgegenstands und der Abkehr einer Kommunalverfassungsbeschwerde gegen alle Akte der öffentlichen Gewalt schließen zu wollen, dass ein Unterlassen des Gesetzgebers keinen tauglichen Kontrollgegenstand bilde, trägt jedoch nicht1661. Ein dahingehender Wille des Gesetzgebers und später des Verfassunggebers, der durch die abweichenden Formulierungen von Kommunal- und Individualverfassungsbeschwerde zum Ausdruck kommt, lässt sich nicht identifizieren. Angesichts der Eile des Gesetzgebungsverfahrens hinsichtlich der Kommunal 1657 Gar von einem „eindeutigen Wortlaut“, der gegen die Tauglichkeit eines absoluten Unterlassens als Beschwerdegegenstand spreche S. Detterbeck, in: Sachs, GG (Fn. 289), Art. 93 Rn. 101. 1658 Statt Vieler H. Bethge, in: Maunz, BVerfGG II (Fn. 1077), § 90 (Februar 2018), Rn. 16 ff.; Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn. 704), Rn. 213. 1659 Obwohl auch der „Akt“ der öffentlichen Gewalt auf ein positives Tun hindeutet, ist für die Individualverfassungsbeschwerde unumstritten, dass auch ein Unterlassen des Gesetzgebers tauglicher Beschwerdegegenstand sein kann Walter (Fn. 1235), Art. 93 (August 2018), Rn. 342; Bethge (Fn. 1658), § 90 Rn. 19; Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn. 704), Rn. 213; stellvertretend BVerfG, Urt. v. 21. 06. 2016 – 2 BvR 2728/13 u. a., BVerfGE 142, 123 (172) – OMT-Programm; zuvor etwa BVerfG, Beschl. v. 10. 02. 1960 – 1 BvR 526/53, 29/58, BVerfGE 10, 302 (306) – Aufenthaltbestimmungsrecht. 1660 Nachweise s. unter Fn. 1224 sowie Fn. 1225. 1661 C.  Pestalozza, Die Sicherung des Selbstverwaltungsrechts in der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: v. Mutius, Selbstverwaltung (Fn. 965), S. 1057 (1073); gleichsinnig K. Lange, Das Konnexitätsprinzip und die kommunale Verfassungsbeschwerde gegen gesetzgeberisches Unterlassen, in: DÖV 2014, S. 793 (797).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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verfassungsbeschwerde darf die Bedeutung des Normtextes für die Bestimmung des Kontrollgegenstands nicht überschätzt werden1662. Weder die Einordnung als Kommunalverfassungsbeschwerde, noch die Charakterisierung der kommunalen Verfassungsbeschwerde als Normenkontrolle (mit beschränktem Antragsrecht) geben sicher Auskunft darüber, ob das gesetzgeberische Untätigbleiben einen tauglichen Kontrollgegenstand darstellt1663. § 92 BVerfGG findet nicht nur auf die Individual-, sondern auch auf die Kommunalverfassungsbeschwerde Anwendung. Man könnte daher verleitet sein, aus der Nennung eines Tuns oder Unterlassens in § 92 BVerfGG auf den Kontrollgegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde zu schließen1664. Die Argumentation mit der Klassifizierung der Kommunalverfassungsbeschwerde als Normenkontrolle, für die ein gesetzgeberisches Unterlassen keinen tauglichen Antragsgegenstand darstellen soll, verfängt ebenfalls nicht. Nicht aus der Einordnung als Normenkontrolle folgen inhaltliche Vorgaben für das Verfahren, sondern erst aus bestimmten inhaltlichen Vorgaben kann die Einordnung in einen Grundtyp verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelfe gelingen1665. Die Unsicherheiten, ob auch das gesetzgeberische Unterlassen tauglicher Kon­ trollgegenstand ist, rühren wohl auch daher, dass die Verfassungsrechtsdogmatik im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG noch kein vergleichbar intensives Interesse an einer durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundierten Protektionspflicht gefunden hat. Aus diesem Grund steht legislatives Unterlassen nicht im Zentrum der bundesverfassungsprozessualen Auseinandersetzung. Dort, wo gesetzgeberisches Unterlassen im Raum steht, ist das Bundesverfassungsgericht wegen der Subsidiaritätsklausel des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs. 2 GG i. V. m. § 91 S. 2 BVerfGG in der Regel schon nicht zuständig, denn es geht um ein Unterlassen des Landesgesetzgebers1666. Dem Bundesverfassungsgericht ist es verfassungsprozessual verwehrt, sich dazu zu äußern, ob legislatives Unterlassen tauglicher Kontrollgegenstand ist. Geht es im Landesrecht um einen konnexitätsgerechten Ausgleich bei der Aufgabenübertragung durch den Landesgesetzgeber, sind in aller Regel die Landesverfassungsgerichte zuständig. Die Landesverfassungsgerichte erkennen das Unterlassen einer konnexitätsgerechten Ausgleichsregelung überwiegend als 1662 Wegen des Zeitdrucks im Gesetzgebungsverfahren relativiert den Wortlaut auch Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 17. 1663 Statt Vieler Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 9. 1664 Pestalozza, Sicherung (Fn. 1661), S. 1073. 1665 Mit Recht als petitio principii entlarvt von Lange, Konnexitätsprinzip (Fn. 1661), S. 788 f.; recht eindringlich auch der Widerspruch in dieser Hinsicht bei Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 1, 40, der einerseits betont, dass „[e]ine bruchlose systematische Klassifizierung und Zuordnung der kommunalen Verfassungsbeschwerde zu einem der Grundtypen verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelfe […] schwerlich gelingen [dürfte]“, andererseits aber konstatiert, dass „Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG als prinzipale Normenkontrolle ausgeformt [ist], die positivrechtliche Normen im Visier hat, aber auf keine präventive Überprüfung nichtexistenter Rechtssätze angelegt ist.“ 1666 Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 47 ff., 69 ff.; D.  Kettler, Zur Subsidiarität der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Bundesrecht gegenüber der nach Landesrecht für Gemeinden in den neuen Bundesländern, in: LKV 1995, 132 (132 ff.); zu denkbaren Ausnahmenden bereits Fn. 1162.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

tauglichen Beschwerdegegenstand der landesrechtlichen kommunalen Verfassungsbeschwerden an1667. Da dafür jedoch auch Besonderheiten der landesrechtlichen Beschwerdeverfahren und Kontrollermächtigungsnormen ursächlich sein können – §§ 12 Nr. 8, 52 Abs. 1 VGHG NRW stellen etwa darauf ab, dass „Landesrecht“ die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der Selbstverwaltung verletzt – bietet die Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte zu den landesrechtlichen Beschwerdeverfahren keinen Aussagewert für den bundesverfassungsgerichtlichen Kontrollgegenstand der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung ist die Unterscheidung zwischen einem „unechten“ und einem „echten“ Unterlassen verbreitet1668. Die Unterscheidung spielt insbesondere bei den konnexitätsgerechten Aufgabenübertragungen durch den Landesgesetzgeber eine Rolle. Dabei verschwimmen materielle Verfassungsrechtsfragen mit Fragen landesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Debatte nimmt dadurch an Unübersichtlichkeit zu. Ein „echtes Unterlassen“ des Gesetzgebers soll vorliegen, wenn der Gesetzgeber gänzlich untätig bleibe. Es soll keinen tauglichen Beschwerdegegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde darstellen1669. Habe der Gesetzgeber zwar eine Norm erlassen, dabei aber die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung nur unzureichend berücksichtigt, soll demgegenüber ein „unechtes Unterlassen“ vorliegen. Rüge eine Gemeinde, dass der Gesetzgeber seinen Bindungen aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG beim Erlass eines Gesetzes nur unzureichend nachgekommen sei, dann liege ein Gesetz vor, gegen das die Kommunalverfassungsbeschwerde statthaft sein soll1670. Sowohl bei dem „echten“ als auch dem „unechten“ Unterlassen wirft man dem Gesetzgeber allerdings weniger vor, was er getan hat, sondern das, was er nicht getan, also was er unterlassen hat. Dass die Unterscheidung zwischen einem „echten“ und einem „unechten“ Unterlassen nicht trägt, belegt etwa die Absurdität der Ergebnisse bei konnexitätsrelevanten Aufgabenübertragungen. Unterstellt 1667 VerfGH NRW, Urt. v. 12. 10. 2010 – VerfGH 21/09, NVwZ-RR 2011, 41 (41 f.); weitere Nachweise 1670. 1668 Mückl, Kommunale Verfassungsbeschwerde (Fn. 1150), § 14 Rn. 24; Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 40; für die Aufgabe der Unterscheidung Lange, Konnexitätsprinzip (Fn. 1661), S. 798 f.; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 17; Detterbeck (Fn. 1657), Art. 93 Rn. 101; zur Unterscheidung zwischen einem „echten“ und „unechten Unterlassen“ aus der Perspektive grundrechtlicher Schutzpflichten Störring, Untermaßverbot (Fn. 1420), S. 41; ähnlich für Art. 100, vgl. die Nachweise unter Fn. 1608. 1669 Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 40, 103; für die Äquivalenz von Tun und Unterlassen dagegen zu Recht Pestalozza, Sicherung (Fn. 1661), S. 1072 ff.; S. Magen, in: D. C. Umbach / T. Clemens /  F.-W. Dollinger (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar und Handbuch zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 91 Rn. 30; Barczak (Fn. 1150), § 91 Rn. 17 f. 1670 Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 40; Lange, Konnexitätsprinzip (Fn. 1661), S. 798 f.; verbreitet ist die Statthaftigkeit der kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen „unechtes“ Unterlassen in der Rspr. der Landesverfassungsgerichtsbarkeit BbgVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1997 – VerfGH 47/96, juris Rn. 43; LVerfG LSA, Urt. v. 08. 07. 2003 – LVG 4/01, juris Rn. 56; VerfGH NRW, Urt. v. 12. 10. 2010 – VerfGH 21/09, NVwZ-RR 2011, 41 (41 f.); jüngst VerfGH NRW, Urt. v. 10. 01. 2017 – VerfGH 8/15, NVwZ 2017, 780 (781).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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das Bundesverfassungsgericht wäre für die Entscheidung der Verfassungsmäßigkeit von konnexitätsrelevanten Ausgleichsregelungen zuständig, dann hinge die Statthaftigkeit der Verfassungsbeschwerde davon ab, ob der Gesetzgeber etwa das Finanzausgleichsgesetz änderte, dabei aber keinen konnexitätsgerechten Ausgleich schuf oder ob er das Finanzausgleichsgesetz nicht änderte und damit gänzlich untätig blieb. Änderte er es nicht, dann soll ein „echtes“ Unterlassen vorliegen mit der Folge, dass die Kommunalverfassungsbeschwerde unstatthaft sei1671. Dass diese willkürliche Handhabung nicht überzeugen kann, leuchtet ein. Im Ergebnis ist tauglicher Kontrollgegenstand der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde sowohl ein aktives gesetzgeberisches Tun als auch ein legislatives Unterlassen1672. bb) Kontrollmaßstab und Kontrolldichte der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde Eng verknüpft mit der rechten Bestimmung des Kontrollgegenstands der kommunalen Verfassungsbeschwerde ist die Bestimmung des Kontrollmaßstabs auf der einen und der Kontrolldichte auf der anderen Seite. Für die Kontrolle durch die Verfassungsgerichtsbarkeit ergeben sich – zumindest in dieser grundsätzlichen Abschichtung der mit der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle zusammenhängenden Fragen – keine Abweichungen im Vergleich zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Verwaltungshandeln1673. Der Maßstab der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle ist durchgehend darauf beschränkt, ob sich das kontrollierte rechtserzeugende Staatsorgan im Rahmen der Verfassung hält. Das Gericht überprüft, ob der Gesetzgeber die Fremdprogrammierungsanteile des Grundgesetzes für sein Handeln oder Unterlassen beachtet1674. „Deswegen reicht die Kontrollbefugnis [scil. des Bundesverfassungsgerichts, M. J.] nicht weiter als die Anforderungen, die das Grundgesetz“ an Rechtserzeugungsleistungen nachgeordneter Norm 1671 Die Absurdität im Ergebnis bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von konnexitätsgerechten Ausgleichsregelungen, je nachdem, ob der Gesetzgeber beim Erlass von Regelungen nur einen unzureichenden Ausgleich vorsieht oder gänzlich untätig bleibt, illustriert Lange, Konnexitätsprinzip (Fn. 1661), S. 798 f. 1672 Zumindest sucht A. Voßkuhle, in: Mangoldt, GG II (Fn. 585), Art. 93 Rn. 198, nach tragfähigen Gründen für den Ausschluss des Unterlassens als tauglichen Beschwerdegegenstand. 1673 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 195 Fn. 259, S. 197. 1674 Jestaedt, Verfassungsrecht (Fn. 925), S. 1314; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 196 ff., 374 ff.; M.  Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders. u. a., Gericht (Fn. 164), S. 77 (99 ff., 110 f.); Bickenbach, Einschätzungsprärogative (Fn. 1415), S. 390, 506; allgemein zur Verfassungsgerichtsbarkeit, dem Objekt, den Maßstäben sowie den Folgen verfassungsgerichtlicher Kontrolle H. Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: VVDStRL 5 (1929), S. 30 (53 ff. [allgemein zum Verfassungsgericht], S. 57 ff. [Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung], S. 65 ff. [Maßstab der verfassungsgerichtlichen Prüfung], S. 70 ff. [Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Prüfung]); unter denselben rechtstheoretischen Prämissen allein für eine Überprüfung der heteronomen Determinanten K. Korinek, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, in: VVDStRL 39 (1981), S. 7 (26 ff., insb. S. 29 f., 40 ff., 45 f.).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

erzeuger stellt1675. „Allein dort, wo verfassungsrechtliche Maßstäbe für politisches Verhalten normiert sind, kann das Bundesverfassungsgericht ihrer Verletzung entgegentreten.“1676 Ob sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Spruchpraxis tatsächlich allein auf die Kontrolle der Einhaltung der heteronomen Verfassungsdeterminanten beschränkt, steht hier nicht zur Entscheidung an – dabei handelt es sich mehr um eine empirische Frage1677. Zumindest analytisch betrachtet ist das Gericht nach den Kontrollermächtigungsnormen der Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b  GG i. V. m. § 91 BVerfGG auf eine reine Verfassungsrechtskontrolle beschränkt1678. Je nachdem, wie hoch die Determinierungsdichte des gesetzgeberischen Handelns ist, unterliegt der Gesetzgeber einer eher strikten oder schwachen bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle1679. Spielräume des Gesetzgebers bestehen dort, wo es an verfassungsrechtlicher Determination fehlt. Die bundesverfassungsgerichtliche Kontrollermächtigung ist für die Kommunalverfassungsbeschwerde ausweislich des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG im Kern auf Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG beschränkt. Allerdings sind eine Vielzahl sog. Erstreckungsgarantien anerkannt, die den ausdrücklich genannten normtextlichen Prüfungsmaßstab des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG erweitern sollen1680. Besonders umstritten ist, ob für die kommunale Verfassungsbeschwerde die vom Bundesverfas 1675

BVerfG, Beschl. v. 13. 02. 1996 – 1 BvR 262/91, BVerfGE 94, 1 (9 f.). BVerfG, Urt. v. 16. 02. 1983 – 2 BvE 1/83 u. a., BVerfGE 62, 1 (3 Ls. 9 a. E., 51) – Bundestagsauflösung I. 1677 Mit dem Vorwurf „Politik aus Karlsruhe“ setzt sich auseinander u. a. W. Hassemer, Politik aus Karlsruhe, in: JZ 2008, S. 1 (1 ff.); Programm ist auch der Titel der Sammlung mit Beiträgen von Jestaedt, Lepsius, Möllers und Schönberger „Das entgrenzte Gericht“ aus dem Jahr 2011. 1678 Darauf verweist zu Recht K. Korinek, Redebeitrag in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand, in: VVDStRL 39 (1981), S. 168; Hesse, Kontrolle (Fn. 1222), S. 542. 1679 Zuzustimmen ist daher der Feststellung von K. Schlaich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, in: VVDStRL 39 (1981), S. 99 (112): „Nicht das Gericht, sondern die Verfassung als Prüfungsmaßstab ist entweder zurückhaltend oder deutlich greifend.“ [im Original kursiviert, M. J.]. 1680 Zum bundesverfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstab, welcher der positiv-rechtlichen Kontrollbefugnis zu entnehmen ist Jestaedt, Verfassungsrecht (Fn. 925), S. 1314 ff.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 377 Fn. 60; zur Einschränkung des Prüfungsmaßstabs erneut Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 377 Fn. 61. – Obwohl der Prüfungsmaßstab der Kommunalverfassungsbeschwerde normtextlich auf Art. 28 II GG reduziert ist, dehnt das BVerfG mit Zustimmung des Schrifttums den Prüfungsmaßstab auf solche Normen des Grundgesetzes aus, die „das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind“ s. BVerfG, Urt. v. 20. 03. 1952 – 1 BvR 267/51, BVerfGE 1, 167 (181); BVerfG, Beschl. v.  07. 10. 1980  – 2  BvR  584/76 u. a., BVerfGE 56, 298 (310)  – Flugplatz Memmingen; BVerfG, Beschl. v.  15. 10. 1985  – 2  BvR  1808/82 u. a., BVerfGE 71, 25 (37); BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (242) – Gleichstellungsbeauftragte; BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, 2434/04, BVerfGE 119, 331 (357) – Hartz-IVArbeitsgemeinschaften; BVerfG, Urt. v.  07. 10. 2014  – 2  BvR  1641/11, BVerfGE 137, 108 (159 Rn. 126 f.) – Optionskommune; jüngst BVerfG, Beschl. v. 07. 07. 2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310 (323 f. Rn. 28, 32); stellvertretend aus dem Schrifttum Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 57, insb. Rn. 59 ff.; eine umfassende Studie zum Prüfungsmaßstab der Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem BVerfG sowie den Landesverfassungsgerichten legt vor Bauer, Prüfungsmaßstab (Fn. 1154). 1676

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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sungsgericht für die Individualverfassungsbeschwerde entwickelte Elfes-Konzeption greift1681. Das Bundesverfassungsgericht muss im Zuge seiner Kontrolle mittels Rechtserkenntnis die Bindungen des Grundgesetzes für legislatives Handeln oder Unterlassen herausarbeiten1682. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtserkenntnis ist, da gegen Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen keine weiteren Rechtsbehelfe statthaft sind, autoritativ1683. Letztlich ist es das Bundesverfassungsgericht selbst, dass autoritativ über die Grenzlinie zwischen heteronomer und autonomer Determination legislativen Handelns auf der einen Seite, den Umfang seiner Kontrollbefugnis durch autoritative Interpretation der Kontrollermächtigungsnormen auf der anderen Seite entscheidet1684. Von einem Auseinanderfallen der Handlungsmaßstäbe, welchen der Gesetzgeber bei seinen Rechtserzeugungsakten unterliegt, und der Kontrollmaßstäbe, welche das Bundesverfassungsgericht seiner Kontrollentscheidung über den gesetzgeberisch erzeugten Akt zugrunde legt, kann vorbehaltlich echter Kontrolldichtenreduktionen keine Rede sein1685.

1681

Pestalozza, Sicherung (Fn. 1661), S. 1060 ff.; Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 64 f. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 374 ff.; Hillgruber, Verfassungsinterpretation (Fn. 230), § 15 Rn. 58. 1683 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 374; Hillgruber, Verfassungsinterpretation (Fn. 230), § 15 Rn. 58; Jestaedt, Selbstand (Fn. 704), § 264 Rn. 50, 79 f. (Zitat in Rn. 80), definiert: „[A]utoritative Interpretation als solche bedeutet exklusiv, daß die Grundgesetz-Auslegung, die das Bundesverfassungsgericht in einer seiner Entscheidungen wählt, von allen nachfolgenden Rechtsanwendern bei deren eigenen Rechtsanwendungsüberlegungen als verbindlich zugrunde zu legen ist“; nichts an der Befugnis zur autoritativen Verfassungsrechtsnormerkenntnis ändert der Umstand, dass verfassungsgerichtliche Judikatur vielfacher Kritik ausgesetzt ist, zur Judikaturkritik etwa Korinek, Verfassungsgerichtsbarkeit (Fn. 1674), S. 49. 1684 Korinek, Verfassungsgerichtsbarkeit (Fn. 1674), S. 45; gerade die Bestimmung der Grenzlinie zwischen autonomer und heteronomer Determination als Kern des Problems im Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber R. Walter, Redebeitrag in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand, in: VVDStRL 39 (1981), S. 150 f. 1685 In der Sache wird dieses Phänomen als eine Frage von Handlungs- und Kontrollnormen diskutiert, auf den sich im Zusammenhang mit Art. 28 II 1  GG ausdrücklich beruft Seibert, Selbstverwaltungsgarantie (Fn. 1112), S. 32; zur Unterscheidung von Handlungsnorm und Kontrollnorm bereits mit weiteren Nachweisen Fn. 1222. Die Unterscheidung lehnt zu Recht ab Jestaedt, Grundrechtsentfaltung (Fn. 229), S. 186 ff., der gleichwohl (partielle) positiv-rechtliche Kontrollfreistellungen akzeptiert, ebd., S. 194 f.; zutreffend schreibt auch Hesse, Kontrolle (Fn. 1222), S. 558, welcher die Unterscheidung von Handlungs- und Kontrollnorm grundsätzlich akzeptiert, dass „[d]er Gesetzgeber verfassungsrechtlich zu mehr verpflichtet [sein kann, M. J.] als zu dem, was das Bundesverfassungsgericht kontrollieren kann“, sodass sich zumindest in der Sache keine Unterschiede ergeben; von einem Auseinanderfallen von Handlungspflicht und richterlicher Kontrollbefugnis, d. h. in der Nomenklatur von Handlungsnorm und Kontrollnorm, geht ebenfalls aus Denninger, Elend (Fn. 1420), S. 568. – Sollten die Maßstäbe, welche einerseits für den Gesetzgeber, andererseits für das kontrollierende Bundesverfassungsgericht gelten, tatsächlich auseinanderfallen, ist dies eine Frage einer geltendrechtlichen Kontrolldichtenreduktion. Sofern man diese dogmatisch mit der Unterscheidung von Handlungsnorm und Kontrollnorm zu erfassen sucht, bestehen gegen die Unterscheidung keine Bedenken. Präziser wäre es dann aber von einer nicht alle Verfassungsbindungen einschließenden Kontrollermächtigungsnorm zu sprechen. 1682

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

Steht der bundesverfassungsgerichtliche Kontrollmaßstab mit Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG im Grundsatz fest, hängt der konkrete Maßstab und der Umfang der Kontrolle weiter davon ab, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als positiv oder negativ verpflichtende Norm zum Zuge kommt. Die Unterscheidung ist nicht nur für den Gesetzgeber selbst, sondern auch für die Kontrolle des Gesetzgebers durch das Bundesverfassungsgericht folgenreich. Kommt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht zum Zuge, ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, welcher mangels Kontrollmaßstabs keiner Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zugänglich ist, ungleich enger als wenn Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG als Protektionspflicht den Prüfungsmaßstab der Kontrolle bildet. Anders als in seiner abwehrrechtlichen Dimension belässt Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG dem Gesetzgeber einen weiten, nur durch das Untermaßverbot limitierten Gestaltungsspielraum, wenn Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Protektionspflichtbegründungsnorm eingreift. Ist der Beschwerdegegenstand ein aktives, zumindest für eine Gruppe von Gemeinden eingreifendes gesetzgeberisches Tun, kommt Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG grundsätzlich in seiner abwehrrechtlichen Dimension zum Zuge. Angriffsgegenstand können zum einen Handlungsraumerweiterungen zugunsten einer bestimmten Gruppe von Gemeinden sein oder Regelungen, welche die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung zum Schutz von anderen Gemeinden reglementieren. Es sind vermutlich zumeist die störenden Gemeinden, welche sich gegen die sie (zu sehr) in die Pflicht nehmenden einfachgesetzlichen Regelungen wenden und sie mittels Kommunalverfassungsbeschwerde zur Überprüfung stellen. Das Bundesverfassungsgericht überprüft den Legislativakt am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG darauf, ob die Regelung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung darstellt und der Gesetzgeber seinen Rechtfertigungslasten nachgekommen ist. Das Gericht untersucht den Kon­ trollgegenstand darauf, ob er entweder den Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berührt und Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verletzt oder ob die Regelung den Randbereich gemeindlicher Selbstverwaltung betrifft und nicht mehr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie dem ‚zwischengemeindlichen Aufgabenverteilungsprinzip‘ genügt. Die Protektionspflicht bildet für den Gesetzgeber einen verfassungslegitimen Grund für den Erlass der Regelung. Nur dann, wenn die gesetzlichen Schutzvorkehrungen eingriffsindifferent sind, etwa weil der Gesetzgeber eine normative ‚Handlungsinfrastruktur‘ schafft, ist der Gesetzgeber nicht an das Übermaßverbot gebunden. Im Fall des „echten“ gesetzgeberischen Unterlassens – sofern man diese Kategorie überhaupt für zweckdienlich erachtet – greift Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hingegen als positiv verpflichtende Norm ein. Es ist regelmäßig die Gruppe der Nachbargemeinden, welche vom Gesetzgeber, der gänzlich untätig geblieben ist, den Erlass von Schutznormen zu ihren Gunsten einfordert. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob der Gesetzgeber durch sein Untätigbleiben das verfassungsgeforderte Mindestschutzniveau unterschreitet, dessen Grenze mit dem Untermaßverbot operationalisiert werden kann. Unsicherheiten hinsichtlich des verfassungsrechtlichen

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Maßstabs bestehen für das „unechte“ Unterlassen, also Situationen, in denen der Gesetzgeber zwar eine Materie auf eine bestimmte Art und Weise regelt, die Gruppe der gestörten Gemeinden aber geltend macht, dass die Regelungen nicht ausreichend sind, um sie vor Übergriffen anderer Gemeinden zu schützen. Die Unterscheidung zwischen einem „echten“ und „unechten“ Unterlassen des Gesetzgebers hat keine Bedeutung dafür, ob ein tauglicher Beschwerdegegenstand für die Kommunalverfassungsbeschwerde vorliegt oder nicht. Im Fall des „unechten“ Unterlassens liegt der Vorwurf, dem man dem Gesetzgeber macht ebenfalls darin, dass er es unterlassen habe, den aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgenden positiven Pflichten Taten folgen zu lassen. Der Kontrollmaßstab verändert sich gleichfalls nicht. Bedeutung hat die Unterscheidung eher für die Frage, ob das Mindestschutzniveau verfehlt wurde. Der Gesetzgeber verletzt seine Protektionspflicht, wenn er kein Mindestschutzniveau sicherstellt. Er unterschreitet damit den Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Inaktivität. Begehrt die Nachbargemeinde vom Gesetzgeber den Erlass von Schutznormen oder die Intensivierung des Schutzes durch den Gesetzgeber und trägt dieses Begehren vor das Bundesverfassungsgericht, dann kann das Gericht den Gesetzgeber nur zum Erlass solcher Schutznormen verpflichten, welche nicht die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe übergriffiger Gemeinden verletzen. Das Gericht muss die ambivalente Wirkweise von Schutznormen zugunsten einer Gruppe von Gemeinden zulasten einer anderen Gruppe von Gemeinden vor Augen haben. Eine Ausnahme bildet der Erlass von Schutznormen, mit dem die eingriffsindifferente Schaffung einer normativen ‚Handlungsinfrastruktur‘ einhergeht. Insgesamt hängt damit der bundesverfassungsgerichtliche Zugriff auf den Kontrollgegenstand zum einen davon ab, wer klagt, zum anderen – damit notwendigerweise zusammenfallend – aus welcher Perspektive die Norm überprüft werden soll1686. Weil dem Gesetzgeber einerseits zwischen Über- und Untermaßverbot ein breiter Gestaltungsspielraum verbleibt und andererseits das Bundesverfassungsgericht ausschließlich überprüft, ob sich der Gesetzgeber in diesen Grenzen hält, ist die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle des Gesetzgebers angesichts geringer Determinierungsdichte eher schwach ausgeprägt. Nur wenn der Gesetzgeber nach oben oder unten den verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vorgegebenen Rahmen über- bzw. unterschreitet, verletzt er Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Die Einhaltung des verfassungsgebotenen Mindestschutzniveaus bei der bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung von grundrechtlichen Schutzpflichten soll nach verbreiteter (Evidenz-)Formel des Gerichts darauf beschränkt sein, zu überprüfen, ob der Gesetzgeber gänzlich untätig geblieben ist oder die getroffenen Maßnahmen völlig ungeeignet oder offenkundig unzulänglich sind1687. Bleibt der Gesetzgeber 1686

Ganz ähnlich bei den Grundrechten Jarass, Grundrechte (Fn. 1414), S. 41. Zur grundrechtlichen Schutzpflicht BVerfG, Beschl. v.  14. 01. 1981  – 1  BvR 612/72, BVerfGE 56, 54 (71, 80 ff.) – Fluglärm; BVerfG, Beschl. v. 29. 10. 1987 – 2 BvR 624/83 u. a., BVerfGE 77, 170 (214 f.) – Chemiewaffen; BVerfG, Beschl. v. 26. 01. 1988 – 1 BvR 1561/82, BVerfGE 77, 381 (405); BVerfG, Beschl. v. 30. 11. 1988 – 1 BvR 1301/84, BVerfGE 79, 174 (202) – Straßenverkehrslärm; BVerfG, Urt. v. 10. 01. 1995 – 1 BvF 1/90 u. a., BVerfGE 92, 26 1687

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

untätig oder trifft gänzlich ungeeignete Schutzmaßnahmen, dann verletzt er seine Schutzpflicht. Die bundesverfassungsrechtliche Protektionspflicht sei, so hieße es wohl in Übertragung der für die grundrechtlichen Schutzpflichten geltenden Maßstäbe, nur begrenzt justiziabel1688. Ist das Gericht damit auf eine Kontrolle im genannten Sinne beschränkt, ist dies kein Ausdruck richterlicher Zurücknahme. Es fehlen schlicht heteronome Determinanten. Das Bundesverfassungsgericht ist aus diesem Grund daran gehindert, die Art und Weise der Erfüllung der Protektionspflicht zu überprüfen. Neben den Spielraum, der aus dem Fehlen normativer Determination resultiert, tritt ein weiterer, andersgearteter Spielraum. Dieser weist einen erkennbaren Tatsachenbezug auf. Spielräume, die aus einem Fehlen kontrollfähiger Maßstäbe resultieren, verbinden sich mit tatsachenbezogenen Einschätzungsprärogativen des Gesetzgebers1689. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber namentlich in Situationen eine (tatsachenbezogene) Einschätzungsprärogative ein, in denen Wertungen des Gesetzgebers über den Ablauf tatsächlicher Geschehnisse notwendig sind. Eine klare terminologische und inhaltliche Linie der unterschied­lichen Spielräume hat sich in der Rechtsprechung wohl noch nicht herausgebildet1690. Plausibel erscheint folgende Differenzierung, welche auf der Unterscheidung zwischen rechtlichen Spielräumen, also dem Fehlen heteronomer Determinanten auf der einen, und epistemischen, tatsachenbezogenen (Be-)Wertungsspielräumen auf der anderen Seite aufbaut1691. Anders als jene resultierten diese daraus, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber Wertungs- und Prognosespielräume zugesteht, die sich in ihrer Qualität von denjenigen Spielräumen unterscheiden, die ihren Grund in dem Fehlen von Fremdprogrammierung haben. Welche Folgen beispielsweise eine kommunale Gebietsreform haben wird, ist der tatsachenbezogenen (46) – Zweitregister; BVerfG, Urt. v. 01. 12. 2009 – 1 BvR 2857/07, 2858/07, BVerfGE 125, 39 (78 f.) – Adventssonntage Berlin; BVerfG, Beschl. v. 26. 07. 2016 – 1 BvL 8/15, BVerfGE 142, 313 (337 f. Rn. 70) – Zwangsbehandlung. 1688 Zur Justiziabilität grundrechtlicher Schutzpflichten statt Vieler Isensee, Grundrecht (Fn. 1079), § 191 Rn. 293 ff.; zu speziellen Kontrollmaßstäben statt Vieler Ruffert, Vorrang (Fn. 1366), S. 211 ff.; R. Alexy, Verfassungsrecht und einfaches Recht, in: VVDStRL 61 (2002), S. 7 (16), spricht von strukturellen Spielräumen, die „durch nichts anderes definiert [sind, M. J.] als auch die Abwesenheit von definitiven Geboten oder Verboten“. 1689 Alexy, Theorie (Fn. 300), S. 423 f. 1690 Zur schwankenden Terminologie Bickenbach, Einschätzungsprärogative (Fn. 1415), S. 128 f. 1691 Dazu bereits Fn. 1513. Eine solche Unterscheidung schlägt etwa vor Alexy, Verfassungsrecht (Fn. 1688), S. 15 ff., der einerseits von „strukturellen Spielräumen“, andererseits von „epistemischen Spielräumen“ spricht, wenngleich die Untersuchung die von ihm anerkannten normativen Erkenntnisspielräume zumindest analytisch besehen ablehnt; als Grundtyp von Spielräumen in der Rspr. des BVerfG identifiziert rechtliche und tatsachenbezogene Spielräume Bickenbach, Einschätzungsprärogative (Fn. 1415), S. 128; eingehend zu dem hier als tatsachenbezogenen Spielraum bezeichneten Umgang mit empirischen Unsicherheiten monographisch M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, 1998, S. 47 ff., zum Gegenstand des Einschätzungsspielraums S. 114 ff.; zur Kontrolle von Prognoseentscheidungen F. Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, in: C. Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. I, 1976, S. 458 (496 ff.).

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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Einschätzung des Gesetzgebers überantwortet1692. Wohl auch als tatsachenbezogener Spielraum zu charakterisieren ist der dem Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht zugestandene Spielraum bei der Zuordnung von gemeindlichen Aufgaben zum Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft1693. b) Bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz bei Verfehlung exekutiv und judikativ vermittelter zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG ist tauglicher Beschwerdegegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde „ein Gesetz des Bundes oder des Landes“. Steht eine Maßnahme der staatlichen Exekutive oder der Judikative in Streit, weil nach Auffassung der Gemeinden diese den verfassungsrechtlichen Bindungen nicht genügend Rechnung tragen, ist bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz nur dann eröffnet, wenn es sich bei ihren Maßnahmen um Gesetze im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i. V. m. § 91 BVerfGG handelt. Heute ist es nahezu unumstritten, dass gegen Gerichtsentscheidungen und Einzelfallentscheidungen der Exekutive kein Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht möglich ist. Beschwerdegegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde sollen alle Arten von Rechtsnormen sein, die vom Staat erlassen wurden und Außenwirkung gegenüber einer Kommune entfalten1694. Die Maßnahmen der staatlichen Verwaltung und die Entscheidungen von Gerichten sind strukturtheoretisch betrachtet Rechtsnormen, welche die Kommunen mit Außenwirkung betreffen. Dennoch ist es heute ausgemacht, dass sich die Kontrollermächtigung ausschließlich auf Normen im abstrakt-generellen Sinne erstreckt1695. Eindeutig ist der Wille des Verfassung­ 1692 Unter anderem zum tatsachenbezogenen Spielraum des Gesetzgebers BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1978 – 2 BvR 165/75, BVerfGE 50, 50 (51) – Laatzen. 1693 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153) – Rastede. 1694 BVerfG, Beschl. v.  24. 06. 1969  – 2  BvR  446/64, BVerfGE 26, 228 (235)  – Sorsum; BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1987 – 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107 (114) – Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen. 1695 BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1985 – 2 BvR 1808/82 u. a., BVerfGE 71, 25 (35 f.); BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1987 – 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107 (113 f.) – Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619/83, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (149)  – Rastede; BVerfG, Kammerbeschl. v.  11. 05. 2004  – 2  BvR  693/04, NVwZ 2004, 1349 (1350): „Andere Maßnahmen öffentlicher Gewalt als Rechtsnormen können in dieser Verfahrensart nicht zur Prüfung durch das BVerfG gestellt werden.“; BVerfG, Kammerbeschl. v. 12. 05. 2011 – 2 BvR 941/11, juris Rn. 2; BVerfG, Kammerbeschl. v. 22. 08. 2016 – 2 BvR 2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1631 Rn. 20); aus dem Schrifttum stellvertretend Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 37 f., 102; F. Scheffczyk, in: C. Walter / B. Grünewald (Hrsg.), BeckOK zum BVerfGG, § 91 (Dezember 2018), Rn. 19; Voßkuhle (Fn. 1672), Art. 93 Rn. 198; nicht durchweg konsequent ist es dann aber, wenn tauglicher Beschwerdegegenstand auch das einen Einzelfall regelnde Exekutivgesetz sein soll Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 34, da diese Regelung dann konkret-generell ist; zum Rechtsschutz gegen Raumordnungspläne M. Kment, Verfassungsgericht­ licher Rechtsschutz von Gemeinden gegen Raumordnungspläne, in: DVBl. 2004, S. 214 (214 ff.).

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

gebers, der sich die Erwägungen des Gesetzgebers des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu eigen machte. Der Wille des Verfassunggebers ist ausdrücklich darauf gerichtet, dass die bundesverfassungsgerichtliche Kontrollermächtigungsnorm nur abstrakt-generelle Rechtsnormen umfassen soll. Dass bundesverfassungsgericht­ licher Rechtsschutz nicht wie bei der Individualverfassungsbeschwerde auch gegen Exekutiv- und Judikativakte möglich ist, beruht auf einer bewussten Entscheidung des Verfassunggebers1696. Das gilt selbst für Entscheidungen von Höchstgerichten, deren Entscheidungen zum Teil eine über den Einzelfall hinausgehende Normwirkung zugesprochen wird1697. In einem singulär gebliebenen, rechtstheoretisch reflektierten Kammerbeschluss deutete das Bundesverfassungsgericht Zweifel an dem Ausschluss von bestimmten Formen richterlicher Normerzeugung von der kommunalen Verfassungsbeschwerde an1698. Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht auszuschließen, dass für rein richterrechtlich geprägte Bereiche Gerichtsentscheidungen taugliche Beschwerdegegenstände sein können1699. Vereinzelte Stimmen im Schrifttum nehmen an, dass zwar nicht „gerichtliche Entscheidungen“, wohl aber „Richterrecht“ wegen der „bestehenden (faktischen) Bindungswirkung“ tauglicher Beschwerdegegenstand sein soll1700. Wo die Grenzlinie zwischen bloßer gerichtlicher Entscheidung und Richterrecht verlaufen soll, bleibt aber unklar. Weil gegen Exekutivmaßnahmen kein Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht möglich ist und die Verwaltungsgerichte keiner Letztkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen, übernehmen die Verwaltungsgerichte partiell die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit1701. Dass es wegen der pro 1696 S. dazu nur die Äußerung des Abg. Arndt in der 116. Sitzung vom 01. 02. 1951, S. 4413C; s. ferner Fn. 1224. 1697 Siehe dazu Fn. 162. 1698 BVerfG, Kammerbeschl. v.  22. 08. 2016  – 2  BvR  2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1631 Rn. 20), die entscheidende Passage im Wortlaut wiedergegeben in Fn. 855. 1699 BVerfG, Kammerbeschl. v.  22. 08. 2016  – 2  BvR  2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1631 Rn. 21); für die „Auslegung“ einer Norm „durch ein Gericht“ als untauglichen Beschwerdegegenstand BVerfG, Kammerbeschl. v. 26. 02. 1999 – 2 BvR 1268/96, NVwZ-RR 1999, 417 (417). 1700 Voßkuhle (Fn. 1672), Art. 93 Rn. 198; konzis dagegen Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 37. 1701 Der Weg über die Individualverfassungsbeschwerde steht den Gemeinden auch dann nicht offen, wenn es um die verfassungsgerichtliche Geltendmachung der sog. Ergänzungsund Erstreckungsgarantien geht. Sind sie geeignet, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen, sind diese im Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren mit einzubeziehen, aus der Kommentarliteratur Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 59 ff.; einen Überblick über die Ergänzungsgarantien bieten Nierhaus / Engels (Fn. 957), Art. 28 Rn. 74 ff.; aus der Rspr. nur BVerfG, Urt. v. 20. 03. 1952 – 1 BvR 267/51, BVerfGE 1, 167 (181); BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, 2434/04, BVerfGE 119, 331 (357) – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften. Geht es hingegen darum, dass die Gemeinde die Verletzung von Prozessgrundrechten (Art. 101 I 2, 103 I GG) geltend macht, auf die sie sich ausnahmsweise berufen können soll Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 105; Bethge (Fn. 1658), § 90 (Februar 2018), Rn. 145; BVerfG, Beschl. v. 08. 07. 1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (104) – Sasbach; BVerfG, Urt. v. 19. 09. 2018 – 2 BvF 1/15, 2/15, BVerfGE 150, 1 (105 f.) – Zensus 2011, soll die Gemeinde diese auch im Wege der Individualverfassungsbeschwerde gegen Akte der Judikative

B. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln 

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zessualen Beschränkung der kommunalen Verfassungsbeschwerde auf bestimmte Beschwerdegegenstände zu Rechtsschutzlücken kommt, ist nicht erkennbar. Verwaltungsgerichte kommen zumindest bislang ihrem Rechtsschutzauftrag hinlänglich nach1702. Das belegen die unzähligen Versuche der Gerichte, unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Abwehr- und Unterlassungsansprüche von Nachbargemeinden zu kreieren, Schutznormen zugunsten von Nachbargemeinden auf andere Felder auszudehnen oder ungeschriebene Instrumente zu entwickeln, um nachbargemeindliche Interessen zu schützen und störende Handlungen anderer Gemeinden einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen1703. Der Gesetzgeber durfte daher bei Schaffung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes davon ausgehen, dass zur Vermeidung einer von ihm befürchteten hohen Anzahl von Kommunalverfassungsbeschwerden verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ausreichend ist, um das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden auch im Verhältnis zur staatlichen Exekutive wirksam zu schützen. 6. Resümee Gemeinden können sich mittels der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b  GG i. V. m. § 91  BVerfGG nur gegen den Gesetzgeber wehren, wenn er seinen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wurde. Sowohl aktives gesetzgeberisches Tun als auch sein Unterlassen bilden

verfassungsgerichtlich durchsetzen können, zur Verfassungsbeschwerde eines Sozialversicherungsträgers BVerfG, Beschl. v. 03. 10. 1961 – 2 BvR 4/60 – BVerfGE 13, 132 (139 ff.); eine Einschränkung gilt allerdings wegen der Subsidiarität der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde gegenüber der Landeskommunalverfassungsbeschwerde bei Entscheidungen von Landesverfassungsgerichten, bei denen das BVerfG keine Verfahrensgrundrechte prüfen darf BVerfG, Kammerbeschl. v. 25. 03. 2004 – 2 BvR 596/01, NVwZ 2004, 980 (980); zum Umgehungsverbot der Subsidiarität durch die Rüge von Prozessgrundrechten Bethge (Fn. 1077), § 91 Rn. 76. 1702 Zweifelsohne richtig daher die Feststellung des BVerfG, Kammerbeschl. v. 22. 08. 2016 – 2 BvR 2953/14, NVwZ 2016, 1630 (1631 Rn. 20): „Durch die mangelnde Angreifbarkeit gerichtlicher Urteile im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde entstehen auch keine Rechtsschutzlücken. Denn zum einen sind die Fachgerichte dazu aufgerufen, in den ihnen zur Entscheidung vorgelegten Verfahren […] der besonderen Bedeutung der den Gemeinden in Art. 28 II  GG gewährleisteten Garantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und ihrer Konkretisierung in der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung zu tragen, um bei der Auslegung und Anwendung des Energiewirtschaftsgesetzes wie auch des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zur Wirksamkeit zu verhelfen. Zum anderen besteht in Fällen, in denen sich die Fachgerichte an verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 28 II GG und Art. 72, 74 GG nicht hinreichend berücksichtigende Gesetzeslage wegen Art. 20 III GG gebunden sehen, die Verpflichtung, nach Art. 100 I GG, § 80 I BVerfGG die Entscheidung des BVerfG einzuholen.“ 1703 Stellvertretend für dieses Bemühen der Rspr. ist das Bauplanungsrecht zu nennen, auch wenn die von der Rspr. entwickelten Lösungen dogmatisch nicht (immer) vollauf überzeugen können.

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Dritter Teil: Bundesverfassungsrechtliche Fundierung 

taugliche Beschwerdegegenstände. Allerdings weichen die jeweiligen Kontrollmaßstäbe voneinander ab. Für Eingriffe in die Selbstverwaltungsgarantie muss sich der Gesetzgeber verfassungsrechtlich abwehrrechtlich rechtfertigen. Begehren Gemeinden hingehen ein Tätigwerden des Gesetzgebers, ist dieser nur an ein Mindestmaß gebunden. Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Exekutive und die Judikative scheidet aus, weil ihre Rechtserzeugungsakte keinen tauglichen Beschwerdegegenstand bilden.

Vierter Teil

Schlussbetrachtung Es ist das Recht, das Konflikte zwischen Gemeinden ermöglicht und die Konflikte zugleich zu bewältigen sucht. Konflikte zwischen Gemeinden sind alltägliche Erscheinungen, weshalb das Recht dort, wo Konfliktpotentiale bestehen, sie zu antizipieren und ihnen entgegenzuwirken versucht. Weitgehend einig sind sich die Rechtsprechung und das Schrifttum, dass es sich bei den gesetzlichen Konfliktschlichtungsprogrammen wie sie sich in den untersuchten Referenzgebieten darstellen, um Erscheinungen konkretisierten Verfassungsrechts handle. Zurückführen lasse sich ihr Geltungsgrund auf einen verfassungsunmittelbaren, durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundierten Abwehr- und Unterlassungsanspruch der einen Gemeinde gegenüber einer anderen Gemeinde. Das Verfassungsrecht selbst lässt den Konflikt zwischen Gemeinden aber zunächst (weitgehend) ungeregelt und überlässt die Schlichtung anderen Akteuren, allen voran dem Gesetzgeber. Eine Typologie unterschiedlicher (Konflikt-)Konstellationen zeigte, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG als eine (verfassungsunmittelbare)  Zuständigkeits- und Kompetenznorm zugunsten von Gemeinden die Zuständigkeiten und Kompetenzen überschneidungslos zuordnet, Konflikte zwischen Gemeinden jedoch nicht allein aus diesem Grund angemessen bewältigt. Einen Anspruch der einen Gemeinde gegenüber der anderen Gemeinde, der darauf gerichtet ist, dass die eine Gemeinde Übergriffe auf fremde Zuständigkeiten und Kompetenzen unterlässt, kann Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG selbst nicht begründen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt nicht zwischen Gemeinden, wenn sie Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen und begründet kein zwischengemeindliches Anspruchsverhältnis. Zuständigkeits- und Kompetenzusurpationen oder sonstige Beeinträchtigungen der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben, die das Grundgesetz den Gemeinden im Grundsatz verfassungsunmittelbar zuweist, können Nachbargemeinden nicht unter Berufung unmittelbar auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abwehren. Die Untersuchung stellte allerdings nicht grundsätzlich in Frage, dass der Konflikt zwischen Gemeinden erstens nicht ungeregelt bleiben darf und dass zweitens das Verfassungsrecht auf die Art und die Weise, wie der Konflikt bewältigt wird, maß-, struktur- und inhaltsgebenden Einfluss ausübt. Nicht das Verfassungs-, sondern das Gesetzesrecht ist die zentrale Rechtsschicht, die Konflikte zwischen Gemeinden unmittelbar regelt und ihre Bewältigung rechtlich anleitet. Es sind damit die Gesetzgeber, nicht der (Bundes-)Verfassunggeber, die im Stellwerk die Weichen stellen, ob es zu Kollisionen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch Gemeinden kommt und wie diese vermieden werden. Unverzichtbar ist eine legislative Vermittlungsleistung. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG stellt dabei seine eigen-

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Vierter Teil: Schlussbetrachtung

tümliche Angewiesenheit auf gesetzliche Formung unter Beweis, die nicht von der Einordnung als institutionelle Garantie abhängt. Im Laufe der Untersuchung zeigte sich, dass nur ein analytisch relationaler Zugang zum zwischengemeindlichen Konflikt diesem adäquat ist. Man kann den Konflikt zwischen Gemeinden auf Gleichordnungsebene bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben, obwohl er unentrinnbar auf einen Konflikt zwischen in der Regel zwei Gemeinden hinausläuft, die sich als Störerin und Gestörte gegenüberstehen, nicht dichotom begreifen. Begreifbar wird der Konflikt nur, wenn man sich auf die Polytomie der Rechtsverhältnisse zwischen verschiedenen Akteuren einlässt, die Anteil an der Entstehung, der Vermeidung und der Lösung des Konflikts zwischen Gemeinden haben können. Dass auch andere Akteure nicht unerheblichen Anteil am Entstehen von Konflikten zwischen Gemeinden haben können, wurde besonders deutlich in den Situationen, in denen zum Beispiel der Gesetzgeber zulasten von Gemeinden anderen Gemeinden einen zusätzlichen Zuständigkeits- und Kompetenztitel schafft. Abgesehen von diesen vergleichsweise gut handhabbaren legislativen Handlungsraumerweiterungen, sind die anderen Konfliktkonstellationen anspruchsvoller. Mit dem relationalen Verständnis des zwischengemeindlichen Konflikts und der Annahme, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kein Rechtsverhältnis zwischen Gemeinden begründet, offenbart sich eine bemerkenswerte Problemnähe des Konflikts zwischen Gemeinden auf Gleichordnungsebene zu möglichen Freiheitsausübungskonflikten zwischen Privatrechtssubjekten. Grundrechtliche Freiheitsausübungskonflikte zwischen Privaten verlangen nach Lösungen, auf welche die Grundrechtsdogmatik Antworten mit der sogenannten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte bereits gefunden hat. Eine verbreitete Konstruktion des Einflusses grundrechtlich begründeter Rechtsverhältnisse auf das Privatrechtsverhältnis ist – mutatis mutandis – für die verfassungsdogmatische Erfassung des Zwischengemeindestreits ebenfalls tragfähig. Die unterschiedlichen verfassungsdogmatischen Deutungen von Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG, die vermeintlichen historischen Zwänge bei der Interpretation von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sowie die damit einhergehenden nur schwer überwindbaren Pfadabhängigkeiten lassen einerseits schon die verfassungsdogmatische Operationalisierung des durch Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG fundierten Abwehrrechts zur Herausforderung werden, verbieten andererseits vordergründig jede Erwägung, ob Lösungen für ähnlich gelagerte Probleme im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG übertragbar sind, für welche die Grundrechtsdogmatik für die Grundrechte Lösungen suchte und schon gefunden hat. Ohne an den staatsorganisationsrechtlichen Grundfesten der verfassungsrechtsdogmatischen Deutung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu rütteln, spricht im Ergebnis aber kaum etwas dagegen, auf die Lösungspotentiale anderer verfassungsrechtswissenschaftlicher (Sub-)Disziplinen zurückzugreifen. Die ‚Freilegung‘, zumindest aber die klarere Konturierung der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht bildet die Schlüsselkomponente, um die Gesetzgeber als

Vierter Teil: Schlussbetrachtung

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die Zentralakteure der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden identifizieren zu können. Die Protektionspflicht tritt als eine bislang eher vernachlässigte (weitere) Wirkdimension des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG neben das Abwehrrecht des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, welches gegen Zugriffe der staatlichen Gewalten auf seine verfassungsunmittelbaren Garantieelemente schützt. Die Gesetzgeber sind verpflichtet, sich schützend vor Gemeinden zu stellen, um diese vor Übergriffen anderer Gemeinden zu bewahren. Der Übergriff, zunächst nur eine bildhafte und diffuse Beschreibung für Handlungen im gemeindenachbarlichen Verhältnis, entwickelte sich zu einem zentralen verfassungsrechtsdogmatischen Tatbestandsmerkmal für die staatliche Protektionspflicht. Gesetzliche Schutzmaßnahmen wirken häufig zulasten anderer Gemeinden, weshalb Regelungen des Gesetzgebers, mit denen er seinem verfassungsrecht­ lichen Schutzauftrag nachkommt, janusköpfig wirken. Der Gesetzgeber muss sich verfassungsrechtlich rechtfertigen, wenn er zum Schutz der einen Gemeinde tätig wird, falls er in eines der verfassungsunmittelbaren Garantieelemente des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der reglementierten Gemeinden eingreift. Allerdings muss sich der Gesetzgeber nicht durchgehend eingriffsrechtlich rechtfertigen. Er darf und muss rechtfertigungsfrei – was nicht gleichzusetzen ist mit bindungsfrei – gemeind­liche ‚Handlungsinfrastrukturen‘ schaffen. Bei der Schaffung der ‚Handlungsinfrastrukturen‘ kann der Gesetzgeber zugleich dem Anliegen von Nachbargemeinden Rechnung tragen, sie vor Übergriffen anderer Gemeinden auf die eigenverantwortliche Aufgabenerledigung zu schützen. Der Gesetzgeber agiert, wenn er sein Konfliktschlichtungsprogramm entwirft, im Spannungsfeld zwischen Über- und Untermaßverbot. Das legislative Konfliktschlichtungsprogramm, das mangels normativer Anordnung des Grundgesetzes nicht die typischerweise mit der Zugehörigkeit zum Verfassungsrecht einhergehende Rechtsverdrängungsmacht aufweist, gibt die Marschroute für die Konfliktbewältigung durch die anderen staatlichen Akteure vor. Obwohl sowohl die staatliche Aufsicht über die Gemeinden als auch die Gerichte Verpflichtungsadressaten des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sind und dem maß- und inhaltsgebenden Einfluss des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht sowie als Protektionspflicht ausgesetzt sind, hängt die Gestalt der judikativ und exekutiv vermittelten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung von der Form des legislativ geschaffenen Rechtsverhältnisses zwischen Gemeinden ab. Die Aufsichtsbehörden und die Gerichte müssen sich, abhängig davon, welcher Gemeinde gegenüber sie auftreten, mal abwehrrechtlich, mal vor der Protektionspflicht beweisen. Wirkt das Abwehrrecht unmittelbar gegenüber der Aufsicht und den Gerichten, so bedarf die nur gewaltenspezifisch umsetzbare Protektionspflicht dagegen zwingend einer Vermittlungsleistung durch den Gesetzgeber. Greifen das Gericht oder die Aufsicht zum Schutz der einen Gemeinde in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der übergriffig-usurpierenden Gemeinde ein, benötigen sie bis auf die Situationen, in denen sich die übergriffige Gemeinde selbst nicht auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen kann, eine gesetzliche Grundlage. Ferner bedarf es eines Rechtswidrig-

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Vierter Teil: Schlussbetrachtung

keitsurteils des Gesetzgebers, wenn sich beide Gemeinden gleichermaßen auf die Verfassungsgarantie der eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung berufen können und es deshalb an einem verfassungsunmittelbaren Rechtswidrigkeitsurteil fehlt. Der Gesetzgeber zeichnet durch seine Entscheidung die Eigenentscheidungsfreiräume der Gemeinden, der Aufsichtsbehörden sowie der Gerichte rahmenhaft vor. Indem der Gesetzgeber zugleich Instanzen der Kontrolle in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen und über unterschiedliche Rechtsverhältnisse installiert, muss er zusätzlich verbindlich darüber entscheiden, wer in welchem Umfang das Recht zur Letztentscheidung hat. Die (gelegentlich verfassungsnotwendige) Kontrollfreistellung entscheidet sich nur im Zusammenwirken von Kontrollermächtigungsnormen und dem materiellen Recht, das in bestimmtem Umfang normative Letztentscheidungsermächtigungen enthält. Ausgehend vom Verfassungsrecht zeigt sich also, dass das Bemühen, einfachgesetzliche Instrumente verfassungsrechtlich zu veredeln, der falsche Weg ist. Der Selbstand des Gesetzesrechts und die Entscheidungsfreiräume der Gesetzgeber, die das Grundgesetz ihnen beim Entwurf von Konfliktschlichtungsprogrammen belassen hat, sind als Stärken einer verfassungsdirigierten legislativen Konflikt­ bewältigung, nicht als ihre Schwächen zu deuten. Dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht bis in das zwischengemeindliche Verhältnis hineinreicht, darf nicht als eine nur unvollständige Normativität von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG missverstanden werden. Indem Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht unmittelbar zwischen Gemeinden wirkt und unterschiedslos einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch von Gemeinden gegenüber anderen Gemeinden begründet, sondern nur vermittelt über den Gesetzgeber zwischen Gemeinden wirkt, stehen (Sonder-)Dogmatiken, die bereichsspezifisch auf zwischengemeindliche Konflikte reagieren, nicht in Gefahr. Einem unmittelbar auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gestützten Anspruch wohnte ein Drang zur Vereinheit­ lichung inne, der keine Rücksicht auf eine situative Konfliktbewältigung zuließe, die zum Beispiel erst ab einer bestimmten Intensität oder dem Betroffensein von (nur) bestimmten Belangen von Nachbargemeinden zum Zuge käme. Sonderdogmatiken stünden jedenfalls unter Begründungszwang, warum ein und dieselbe Verfassungsnorm in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich normativ wirkte. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so er denn im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gilt, kann dem Verschwinden von sachbereichsspezifischen Sonderdogmatiken nur wenig entgegensetzen. Weil der Gesetzgeber sachbereichsspezifisch und sektoral agieren kann, besteht ein nach Konfliktszenarien abgeschichteter Spielraum für die Normierung unterschied­licher Bewältigungsstrategien. Am Ende steht also kein einheitlicher Konflikt­bewältigungsmechanismus. Stattdessen weist das Verfassungsrecht dem Gesetzgeber den Weg, Konfliktlösungsmechanismen zu schaffen. Diese können und müssen sensibel für unterschiedliche Kontexte, Akteure und Rechtsverhältnisse sein. Die Konfliktschlichtungsentscheidung des Gesetzgebers kann nur auf abstraktgenereller Ebene Erfolg versprechend sein, um der Vielgestaltigkeit von Konfliktszenarien zwischen Gemeinden gebührend Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber

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kann materielle Determinierungsdefizite in seinem Konfliktschlichtungsprogramm verfahrensrechtlich kompensieren und die Konfliktlösung im Einzelfall auf die staatliche Aufsicht oder die Gerichte delegieren. Aufbauend auf der Erkenntnis, dass mit jeder Rechtserzeugung dem Rechtsanwender prinzipiell unvermeidliche, häufiger auch planvolle Entscheidungsfreiräume belassen werden, die dieser nach eigenen Vorstellungen ausfüllen darf, haben auch Gemeinden Eigenentscheidungsfreiräume. Belässt der Gesetzgeber ihnen absichtlich Freiräume, bedeutet dies nicht, dass die Entscheidungsspielräume im Verhältnis zu anderen Akteuren definitiv bestehen. Die Kontrollermächtigungsnormen der Verwaltungsgerichtsordnung und der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen gestatten neben der Kontrolle der Einhaltung des rechtlichen Rahmens – vorbehaltlich der Zuweisung der Letztentscheidungsbefugnis an die Gemeinden – eine Ersetzung von Eigenanteilen des Rechtsanwenders. Unter dem Einfluss von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG muss der Gesetzgeber einerseits gemeindliche Letztentscheidungsbefugnisse vorhalten, andererseits zum Schutz von Gemeinden vor anderen Gemeinden eine wirksame Kontrolle ermöglichen. Orientiert an der bauleitplanerischen zwischengemeindlichen Abwägung zeigte sich, dass dieser legislative Balanceakt mit einer zwischengemeindlichen Abwägungsentscheidung, die gemeindliches Handeln (ausschließlich) auf Abwägungsfehler überprüfbar stellt und ansonsten den Gemeinden die Letztentscheidungsbefugnis zuweist, ein gangbarer Weg ist. Das zwischengemeindliche Abwägungsgebot und seine Struktur befriedigen einerseits das Bedürfnis nach Vereinheitlichung und Systematisierung der Strategien für die Auflösung ähnlich gelagerter Konfliktlagen. Andererseits lässt das zwischengemeindliche Abwägungsgebot durch seine geringe inhaltliche Vorprägung der Konfliktbewältigung es zu, Konflikte innerhalb dieses Gerüsts auf die jeweilige Gestalt des Konflikts auszurichten und sachbereichsspezifisch fortzuentwickeln.

(Haupt-)Thesen 1. Das Gesetzesrecht reagiert auf Konflikte zwischen Gemeinden, ermöglicht sie aber zum Teil auch erst. 2.  Die gesetzlichen Konfliktbewältigungsinstrumente lassen sich theoriefundiert zu einem zwischengemeindlichen Abwägungsgebot vereinheitlichen. Paradigmatisch für die gesetzliche Konfliktbewältigung sind das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung und die Abstimmungsfehlerlehre. 3. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundiert keine verfassungsrechtliche, unvermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung, weil Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG keine zwischengemeindliche Zielrichtung hat und nicht zwischen Gemeinden wirkt. 4. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundiert eine verfassungsrechtliche legislativ, judikativ oder exekutiv vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung.

Zusammenfassung 1. Gemeinden sind übergriffig: Ihr Handeln wirkt sich auf andere Gemeinden aus. Das Recht reagiert verschiedentlich auf diese Auswirkungen (S. 17 ff.). 2.  Ein zwischengemeindlicher Konflikt liegt vor, wenn sich Gemeinden auf Gleichordnungsebene bei der Wahrnehmung von Aufgaben streiten, die in den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fallen können. Der Konflikt bleibt zwischengemeindlich, wenn rechtlich verselbstständigte, aber den Gemeinden rechtlich zurechenbare Einheiten miteinander in Konflikt geraten. Konflikte zwischen Einheiten der mittelbaren Kommunalverwaltung sind zwischengemeindlich (S. 22 ff.). 3. Nur ein analytisch relationaler Zugang zum zwischengemeindlichen Konflikt ist diesem adäquat. Die ‚zwischengemeindliche Konfliktbewältigung‘ ermöglicht es, den Konflikt zwischen Gemeinden nicht nur dichotom zu begreifen, sondern sich offen dafür zu zeigen, dass neben den Gemeinden selbst auch andere (Rechtserzeugungs-)Akteure ihren Anteil an der Entstehung und der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden haben. Es entsteht eine Mehrzahl von Rechtsverhältnissen, die voneinander zu scheiden sind. Ein analytisch relationaler Zugang macht zudem erst das Zusammenwirken unterschiedlicher Rechtsschichten unter Behauptung ihres Selbstandes begreifbar (S. 29 ff., 306 ff., 337 ff.). Gesetzliche Instrumente zur Bewältigung von zwischengemeindlichen Konflikten 4. Das Gesetzesrecht eröffnet Gemeinden Handlungsfelder und gibt ihnen In­ strumente an die Hand, um sich auf ihnen zu betätigen. Nutzen sie die Instrumente, kann es zu Konflikten zwischen den Gemeinden kommen. Die Arbeit greift das Bauplanungsrecht mit dem Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung in § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB, das (allgemeine) Gemeindewirtschaftsrecht mit seinem Gebietsprinzip nach § 107 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 GO NRW sowie das Sparkassenrecht mit seinem sparkassengesetzlichen Regionalprinzip heraus (S. 37 ff., 41 ff., 167 ff., 229 ff.). Konfliktlösungsinstrumente in verschiedenen Referenzgebieten 5. Die Analyse der Referenzgebiete gehorcht einem einheitlichen Schema: Zuerst zeigt die Studie die Konfliktpotentiale im Anwendungsbereich der Referenzgebiete auf, ehe sie das Gesetzesrecht in den Referenzgebieten darauf untersucht,

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ob und bejahendenfalls welche Regelungen es bereithält, um potentiellen Konflikten rechtlich zu begegnen (S. 41). 6.  Das Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung im Bauplanungsrecht ist paradigmatisch für zwischengemeindliche Konflikte und deren Bewältigung im Zusammenwirken verschiedener staatlicher Akteure (S. 41 ff.). a) Die Effekte von Bebauungsplänen auf Nachbargemeinden sind vielgestaltig. Sie lassen sich jedoch einer bestimmten Typologie von Effekten gemeindlichen Handelns auf Nachbargemeinden zuordnen und in Fallgruppen systematisieren. Gemeindliches Handeln wirkt sich meist faktisch auf andere Gemeinden aus und betrifft sie nur selten rechtlich. Rechtlich betroffen ist eine Nachbargemeinde nur, wenn eine gemeindlich erzeugte Norm sie bindet. Weil Gemeinden in der Regel keine Normen erzeugen können, die andere Gemeinden binden, wirkt sich ihr Handeln nur faktisch auf andere Gemeinden aus. Abhängig davon, ob rechtlich relevante zwischenvermittelnde Ursachen zwischen das Handeln der Gemeinde auf der einen, der Betroffenheit oder der Auswirkung auf der anderen Seite treten, lassen sich (rechtliche) Erst- und Folgebetroffenheiten und (faktische) Erst- und Folgeauswirkungen ausmachen (S. 44 ff.). b) Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung im Bauplanungsrecht ist nicht allein eine Domäne des § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB. Auf materieller Seite ist die Abstimmung Teil der ganzheitlichen bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Die zwischengemeindliche Abstimmung ist in das allgemeine bauleitplanerische Abwägungsgebot zu integrieren. Zugleich modifiziert § 2 Abs. 2 S. 1  BauGB das Abwägungsgebot. Das Abstimmungsgebot betrifft einen Ausschnitt der bauleitplanerischen Abwägung und verlangt eine bikriterielle Abwägungsentscheidung von ausschließlich städtebaulichen gemeindenachbarlichen Belangen. Ferner subjektiviert § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zugunsten von Nachbargemeinden die Pflicht der planenden Gemeinde zur bikriteriellen Abwägung und verleiht Nachbargemeinden einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegenüber der planenden Gemeinde, wenn die Entscheidung an einem Abstimmungsfehler leidet. Vervollständigt wird das Abstimmungsgebot durch formelle Beteiligungsrechte der Gemeinden in § 4 BauGB (S. 68 ff., 164 f.). c) Zwischengemeindlich abstimmungsfehlerhaft ist ein Bebauungsplan, wenn in die Abstimmung an gemeindenachbarlichen Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Er ist ferner abstimmungsfehlerhaft, wenn die Bedeutung der betroffenen gemeindenachbarlichen Belange verkannt oder wenn ein Ausgleich zwischen den von der Planung berührten gemeindenachbarlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (S. 152 ff.). 7. Das nordrhein-westfälische Gemeindewirtschaftsrecht reagiert in § 107 GO NRW mit dem gemeindewirtschaftlichen Gebietsprinzip auf Konflikte zwischen Gemeinden, die ihre Ursache in der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden haben können. Den entscheidenden Anstoß für eine konfliktgeneigte Wirtschafts-

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betätigung von Gemeinden gibt das Gemeindewirtschaftsrecht, wenn es den Handlungsraum zulasten anderer Gemeinden ausdehnt, in dem sich Gemeinden betätigen dürfen (S. 167 ff.). a)  Wirtschaften Gemeinden, ist es nicht zwingend, dass sie innerhalb ihres Gebiets verbleiben. Anders als im Bauplanungsrecht, wo die Gemeinden die bodenrechtliche Nutzung des eigenen Gebiets steuern, ist es denkbar, dass die wirtschaftenden Gemeinden die Grenzen ihrer Gebiete körperlich überschreiten und auf fremdes Gebiet ausgreifen. Vielgestaltig sind die Konstellationen, in denen die Wirtschaftsbetätigungen von Gemeinden Konflikte mit anderen Gemeinden auslösen können: Gemeinden wirtschaften für die eigenen Einwohner innerhalb ihres Gebiets, sie wirtschaften für ihre eigenen Einwohner auf fremdem Gebiet, für fremde Einwohner auf ihrem Gebiet oder für fremde Einwohner auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde (S. 169 ff.). b) § 107 Abs. 1 GO NRW ist die zentrale Zulässigkeitsnorm für die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden. Sie beschränkt die Gemeinde indirekt auf ihr Gebiet und beugt der Entstehung von Konflikten zwischen Gemeinden vor. Die Gemeinden müssen einen öffentlichen Zweck verfolgen, der eine Wirtschafts­ betätigung jenseits ihres eigenen Gemeindegebiets ausschließt, wenn die Betätigung allein zur Erzielung von Gewinnen erfolgt. Grenzüberschreitungen sind ferner nicht gestattet, wenn sie zur Folge haben, dass die Betätigung nach Art und Umfang nicht (mehr) in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Nach § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW dürfen sich Gemeinden nur wirtschaftlich betätigen, um „ihre Aufgaben“ zu erfüllen. Im Regelfall verpflichtet § 107 Abs. 1 GO NRW die Gemeinden darauf, mit ihrer Betätigung eine Angelegenheit ihrer örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen (S. 178 ff.). c) § 107 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO NRW inkorporiert einen Verfassungsrechtsbegriff, für den umstritten ist, ob er die Gemeinden strikt gebietlich beschränkt oder ein Überschreiten der Gemeindegebietsgrenze zulässt. Der Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt die Gemeinden nicht auf ihre Gebiete. Die Gemeinden können auch dann noch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen, wenn die Angelegenheiten außergebietlich sind, aber in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln (S. 184 ff.). d) § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW schränken die an sich nach § 107 Abs. 1  GO NRW zulässige Wirtschaftsbetätigung zur Erfüllung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft der wirtschaftenden Gemeinden weiter ein. Die Zulässigkeit der Wirtschaftsbetätigung steht unter der Bedingung, dass die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind, falls die Betätigung außergebietlich erfolgt. Das Gesetz nimmt damit zur Kenntnis, dass der Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht strikt gebietlich beschränkt ist, sondern das Gebiet (nur) Indizcharakter für die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hat. Gewahrt sind die Interessen nur, wenn eine Abwägungsentscheidung zwischen

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den gemeindenachbarlichen Interessen ergibt, dass das Interesse an einer außergebietlichen, aber noch örtlichen Betätigung die Interessen der Nachbargemeinde überwiegt oder die Nachbargemeinde zustimmt (S. 197 ff.). e) § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 GO NRW schaffen Gemeinden einen Zuständigkeits- sowie Kompetenztitel. Sie erweitern den Handlungsraum zulässiger gemeindewirtschaftlicher Betätigung, wenn die Bedingungen des Absatzes 1 erfüllt und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Der Landesgesetzgeber gestattet mit § 107 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1  GO NRW Gemeinden Betätigungen, die den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überschreiten. Es kommt zu keinen Friktionen in der Verweistechnik des Absatzes 3 auf Absatz 1, weil „ihre Aufgaben“ begrifflich sowohl die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als auch die einfachgesetzlich gestatteten Aufgaben umfasst (S. 197 ff.). 8. Die geschäftliche Betätigung der Sparkassen im Aktivgeschäft und die sparkassenorganisatorischen Entscheidungen der Sparkassen bzw. der Träger können zu zwischengemeindlichen Verwerfungen führen, wenn die Sparkasse das Gebiet ihres Trägers überschreitet. Das Sparkassengesetz enthält Regelungen, die konfliktgeneigte Entscheidungen und Betätigungen von Sparkassen zum Gegenstand haben und ein sparkassengesetzliches Regionalprinzip fundieren (S. 229 ff.). a) Sparkassen sind rechtlich verselbstständigte Unternehmen und bilden Einheiten der mittelbaren Kommunalverwaltung, denn sie stehen in einer engen Beziehung zu ihren Trägergemeinden und sind mit ihnen durch diverse Ingerenzrechte verbunden (S. 240 f.). b) Vergeben Sparkassen Kredite an trägergebietsfremde Einwohner, sind die Sicherungsgeber oder die Sicherungsobjekte in den Gebieten anderer Träger belegen, kann es zu Konflikten zwischen Sparkassen und / oder ihren Trägern kommen. Die Organisationsentscheidungen der Sparkassen oder ihrer Träger, beispielsweise eine Sparkassenzweigstelle im fremden Gemeindegebiet zu eröffnen, bergen ähnliches Konfliktpotential (S. 234 ff.). c) Das Sparkassengesetz enthält verstreut Hinweise auf die Geltung eines sparkassengesetzlichen Regionalprinzips, das die Sparkassen im Grundsatz auf das Gebiet ihrer Träger beschränkt und auf eine Kongruenz zwischen Sparkassengeschäftsgebiet und Trägergebiet ausgerichtet ist. Das Sparkassengesetz beschränkt Sparkassen auf ihr Gebiet bei sparkassenorganisatorischen Entscheidungen oder in ihrem Aktivgeschäft, wenn die Sparkassen zwar noch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ihrer Träger erfüllen, dabei aber das Trägergebiet überschreiten (S. 242 ff.). d) Nach § 1 Abs. 2 S. 1 SpkG NRW sind Sparkassen grundsätzlich (nur) berechtigt, im Gebiet ihrer Träger Haupt- und Zweigstellen zu errichten. Nach § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW dürfen Sparkassen Haupt-, eher jedoch Zweigstellen im trägerfremden Gebiet errichten, wenn neben der Einhaltung formeller Voraussetzungen

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die Aufsichtsbehörde die Errichtung genehmigt, weil „besondere Umstände“ vorliegen. Die Genehmigung ist nur zu erteilen, wenn entweder die Nachbarsparkasse und der Nachbarträger zustimmen oder konkrete Versorgungsdefizite die Eröffnung rechtfertigen. Auch für neugliederungsbedingte gebietliche Verwerfungen sieht das Sparkassengesetz Mechanismen vor. Weniger strikt beschränkt auf das Gebiet der Träger sind die Sparkassen bei ihrer geschäftlichen Betätigung. § 3 Abs. 1 SpkG NRW sieht ein abgestuftes System gebietlicher Bindungen vor und lässt Ausnahmen von der Beschränkung der geschäftlichen Betätigung auf das Trägergebiet zu (S. 248 ff.). e) Das Sparkassengesetz sieht Handlungsraumerweiterungen der Sparkassen vor und verleiht ihnen zusätzliche Zuständigkeits- und Kompetenztitel. Nach § 1 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW dürfen beispielsweise die Sparkassen Zweigstellen im fremden Trägergebiet eröffnen, auch wenn sie damit keine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ihrer Träger erfüllen. Sie bedürfen dafür der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist nur zu erteilen, wenn entweder die Nachbarsparkasse und der Nachbarträger zustimmen oder konkrete Versorgungsdefizite die Eröffnung rechtfertigen. Auch das Geschäftsgebiet kann auf fremdes Trägergebiet zur Erfüllung überörtlicher Aufgaben unter bestimmten Bedingungen erweitert werden (S. 248 ff., 254 ff.). Zwischengemeindliches Abwägungsgebot als einheitliches Konzept der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden im Gesetzesrecht 9. Das Gesetzesrecht enthält unterschiedliche Instrumente der gemeindenachbarlichen Interessenkoordination sowie Konfliktbewältigung. Das Gesetzesrecht zieht den Rahmen zulässigen gemeindlichen Handelns mit Blick auf die Belange der Nachbargemeinden unterschiedlich weit oder eng. Aufbauend auf den Gemeinsamkeiten der gesetzlichen Regelungen in den Referenzgebieten lassen sich die Konfliktlösungsmechanismen von Zwischengemeindestreitigkeiten inhaltlich und terminologisch vereinheitlichen und zu einem (einfachgesetzlichen) einheitlichen Konzept zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung fortentwickeln (S. 261 ff.). a) Die Formen der Auswirkungen des Handelns von Gemeinden auf die Nachbargemeinden in den Referenzgebieten ähneln sich. Sie sind in aller Regel nur faktisch, unterscheiden sich aber danach, ob die störende Gemeinde auf ihrem Gebiet verbleibt oder auf fremdes Gebiet ausgreift (S. 264). b)  Alle Referenzgebiete weisen ungeachtet gewisser Besonderheiten und inhaltlicher Diversität im Detail eine Gemeinsamkeit auf: Das Tätigwerden der Gemeinden ist nur dann zulässig, wenn sie wenigstens die Belange der (auswirkungsbetroffenen) Nachbargemeinden bei ihren Entscheidungen berücksichtigen und die Belange in ihre Entscheidungen einbeziehen. Die Berücksichtigungs- und Einbeziehungspflichtigkeit von nachbargemeindlichen Belangen sind als Instrument zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung aber unterkomplex und über-

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wiegend konturlos; um zwischengemeindliche Konflikte zu vermeiden und zu lösen, taugen sie nicht. Ihnen fehlen rundweg geeignete Anwendungsroutinen für die handelnden Gemeinden (S. 265 f.). c)  Anwendungsroutinen lassen sich durch die Übertragung der Struktur der bauplanungsrechtlichen Abwägungs(fehler)lehre gewinnen. Abwägung – verstanden als die Abbreviation für einen bestimmten Modus der Entscheidungsfindung zur Ermittlung von Vorrangrelationen – kann eine Methode der nicht-normativen Rationalitätserwartungen verpflichteten selbstprogrammierten Rechtserzeugung sein. Unter bestimmten Voraussetzungen erwächst diese unverbindliche Methode selbstprogrammierter Rechtserzeugung in die normativ-verbindliche, anspruchsbegründende Methode der Rechtserzeugung. Die gesetzlichen Regelungen lassen sich theoriefundiert zu einem einheitlichen Konzept normativ-verbindlicher zwischengemeindlicher Abwägung ausbauen (S. 266 ff.). d) Administratives Handeln sowie das Handeln von Gemeinden sind nur rahmenhaft fremdprogrammiert. Gemeinden verbleiben substantielle Eigenentscheidungsfreiräume bei der Rechtsanwendung (S. 268 ff.). e) An die Ausfüllung von gesetzlich zugewiesenen administrativen Freiräumen können bestimmte Anforderungen gestellt werden, denn die Erzeugung von Recht unterliegt gewissen, zunächst (nur) metajuridischen Rationalitätsanforderungen oder Richtigkeitsmaßstäben (S. 275 f.). f) Muss die Verwaltung in einem komplexen, mehrpoligen Interessengeflecht eine Entscheidung treffen, durch welche die unterschiedlichen Interessen zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden, liegt für die prozeduraler Rationalität verpflichtete, gleichwohl aber noch selbstprogrammierte Auswahlleistung zwischen mehreren zulässigen Rechtserzeugungen die Methode oder Strukturierungshilfe der Abwägung nahe. Der Wert einer so verstandenen Methode der Abwägung liegt darin, dass sie die legislativ zugewiesenen Eigenentscheidungsanteile der Verwaltung anerkennt. Abwägung bedeutet, dass bestimmte (rationalisierende) Anforderungen an den Entscheidungsvorgang gestellt werden, ohne die Entscheidung in die eine oder andere Richtung inhaltlich vorauszubestimmen (S. 276 ff.). g) Abwägung als Modus administrativen Entscheidens trägt zur Rationalisierung von Verwaltungshandeln bei. Abwägung ist ein Konzept zur Rationalisierung von administrativen Entscheidungen mit Eigenentscheidungsfreiräumen, in denen die Koordination unterschiedlicher Interessen oder Ziele notwendig ist. Ist die Abwägung verbindliche Methode, gilt also ein Abwägungsgebot und mit ihm eine Abwägungsfehlerlehre, handelt es sich bei der Abwägung nicht mehr nur um eine Strukturierungshilfe für eine sachadäquate und sachbereichsübergreifende rationale Ausfüllung von administrativen Eigenentscheidungsfreiräumen. Abwägungsgebote können explizit oder implizit normiert werden. In den Referenzgebieten ist die Abwägung die verbindliche Methode der Rechtserzeugung, weil sich der Gesetzgeber des rationalisierenden Wertes bei der Statuierung der Interessenwahrungsklauseln bewusst war (S. 281 ff.).

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10. Die Verbindlichkeit der zwischengemeindlichen Abwägung als Instrument der Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden ist zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der rechtspraktisch, für die Nachbargemeinden wirksamen Bewältigung von Konfliktlagen. Für die Nachbargemeinden ist von entscheidender rechtspraktischer Bedeutung, ob sie die Einhaltung der rechtsverbindlichen zwischengemeindlichen Abwägung erzwingen und sie zum Beispiel einer gerichtlichen Kontrolle zuführen können (S. 290 ff.). a)  Mit der Kontrollierbarkeit des zwischengemeindlichen Abwägungsgebots werden die Fragestellungen virulent, was (Kontrollgegenstand), woran (Existenz eines verwaltungsgerichtskontrollfähigen Maßstabs) und in welchem Umfang (verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte)  Verwaltungsgerichte das Verwaltungshandeln im Allgemeinen, gemeindliches Handeln im Besonderen überprüfen. Maßgeblich für die Verwaltungsgerichtskontrolle ist einzig das positive Recht. Die unterschiedlichen Facetten der Kontrolle gilt es bei der Auslegung der Kontrollermächtigungsnormen auseinander zu halten (S. 290 ff.). b) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle bezieht sich im Grundsatz auf sämt­ liche (fremde wie eigene)  Programmierungsanteile. Die Verwaltungsgerichte überprüfen nicht nur, ob die rechtlichen Grenzen (heteronome Determinanten) administrativen Handelns eingehalten wurden. Sie kontrollieren in der Regel auch die administrativen Selbstprogrammierungsanteile und bestätigen oder ersetzen gegebenenfalls die administrative durch die eigene Programmierung (S. 292 f.). c) Entscheidend für administrative Spielräume, die nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegen, ist, welchem Rechtserzeuger die Letztkonkretisierungskompetenz für die Ausfüllung eines rechtlich zugewiesenen Spielraums normativ zugewiesen wurde. Der Grad (letztverbindlicher) administrativer Selbstprogrammierung hängt von der Verteilungsentscheidung des Gesetzgebers ab. Der Gesetzgeber ist bei der Entscheidung normativen Einflüssen des Grundgesetzes ausgesetzt, die in unterschiedliche Richtungen weisen (S. 293 ff.). d)  Die Einhaltung des Abwägungsgebots ist vorbehaltlich etwaiger (echter) Kontrolldichtenreduktionen der Kontrolle der Verwaltungsgerichte zugänglich. Verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist zuvörderst eine Abwägungs(fehler)kon­trolle, denn der Gesetzgeber hat die gemeindliche Entscheidung durch die Pflicht zur Abwägung und die gleichzeitige Zuweisung einer Letztentscheidungsbefugnis (partiell) kontrollfrei gestellt. Das zwischengemeindliche Abwägungsgebot ist nicht nur Erkennungszeichen für das Bestehen von Eigenentscheidungsfreiräumen der handelnden Gemeinden. Es ist zugleich der normative Hinweis darauf, dass die Gemeinden selbst letztverbindlich über ihr Handeln entscheiden können sollen, wenn sie die Anforderungen einhalten, die das zwischengemeindliche Abwägungsgebot an ihr Handeln stellt (S. 294 ff.).

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Bundesverfassungsrechtliche Fundierung von zwischengemeindlichen Konfliktbewältigungsinstrumenten 11.  Das Bundesverfassungsrecht hält mit Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG kein verfassungsunmittelbares Schlichtungsinstrument für Konflikte zwischen Gemeinden bereit. Stattdessen fundiert Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG legislativ, judikativ und exekutiv vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigungsinstrumente, deren konkrete Gestalt ihnen erst die Gesetzgeber geben (S. 303 ff., 346 ff., 403 ff.). Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der Gemeinden – (unvermittelte) zwischengemeindliche Konfliktbewältigung 12. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fundiert keine unvermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung in Gestalt von Abwehr- und Unterlassungsansprüchen im gemeindenachbarlichen Horizontalverhältnis (S. 309 ff.). a)  Art.  28 Abs. 2 S. 1  GG garantiert Gemeinden neben einem verfassungsunmittelbaren Aufgabenbestand, der durch die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft definiert wird, im Grundsatz ebenso verfassungsunmittelbar die Eigenverantwortlichkeit der Erledigung dieser Aufgaben. Ohne die staatsorganisationsrechtliche Qualität des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG infrage zu stellen, spricht wenig dagegen, sich rationalisierender Strukturen oder grundrechtsdogmatischer Lösungsangebote für ähnliche Probleme im Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu bedienen, soweit diese den spezifischen Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Rechnung tragen (S. 309 ff., 340 ff. 404 ff.). b) Die Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche von Gemeinden sind hinsichtlich ein und derselben Angelegenheit überschneidungslos. Gemeinden können Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen missachten oder missverstehen. Sie können bei der Erledigung von eigenen verfassungsunmittelbar zugewiesenen Aufgaben Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Nachbargemeinden anderweitig als durch Anmaßung beeinträchtigen. Ein überschneidungsloses Nebeneinander von Zuständigkeits- und Kompetenzbereichen befriedet die zwischengemeindlichen Beziehungen nur unzureichend und bietet keine Durchsetzungsmechanismen für betroffene Gemeinden (S. 315 ff.). c)  Die Kollision konfligierender Aufgabenwahrnehmungen von verfassungsunmittelbar zugewiesenen Aufgaben lässt sich nicht dadurch erreichen, dass der Aufgabenbestand reduziert wird. Die Auswirkungen gemeindlichen Tuns auf Nachbargemeinden sind vielgestaltig und häufig vom Zutun Dritter abhängig. Eine Reduktion des verfassungsunmittelbaren Zuständigkeits- und Kompetenzbereichs wegen zum Konflikt neigender Aufgabenwahrnehmungen läuft den Bedürfnissen einer klaren Zuständigkeits- und Kompetenzordnung zuwider (S. 331 ff.). d) Ein verfassungsunmittelbares Konfliktbewältigungsinstrument in Form von (Abwehr- und Unterlassungs-)Ansprüchen setzt voraus, dass Gemeinden in einem

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horizontalen Anspruchsverhältnis zueinander stehen. Ein Anspruch besteht, wenn ein Eingriff in den Gewährleistungsbereich ihres Selbstverwaltungsrechts vorliegt, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Den Eingriff in den Gewährleistungsbereich stellt das verfassungsrelevante Verhalten des durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Verpflichteten dar. Das zwischengemeindliche Anspruchsverhältnis zeichnet sich wie jedes Anspruchsverhältnis durch eine dreistellige Rechte-­ Verpflichtungs-Relation aus (S. 335 ff.). e) Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schützt mit seinem Garantieelement der Aufgabengarantie einen bestimmten Bestand von Aufgaben vor dem formalen, nicht jedoch vor dem faktischen Entzug. Das modale Gewährleistungselement schützt die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung dagegen sowohl vor der staatlichen Aufsicht, einer zu hohen Fremdprogrammierung gemeindlichen Tuns als auch vor der faktischen Erschwerung der Aufgabenwahrnehmung (S. 346 ff., 355 ff., 489 ff.). f) Obgleich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Gemeinden berechtigt, verpflichtet er sie nicht, wenn sie Aufgaben wahrnehmen, die in die Aufgabenkategorie der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft fallen, also nicht staatlich im engeren Sinne sind. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wirkt nicht unmittelbar im Verhältnis zwischen Gemeinden, sondern nur im Verhältnis der Gemeinden und den staatlichen Gewalten im engeren Sinne. Gemeinden können nicht in das Selbstverwaltungsrecht anderer Gemeinden eingreifen. Es sind daher keine Abwehr- und Unterlassungsansprüche von Gemeinden gegenüber anderen Gemeinden auf Basis von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG denkbar (S. 366 ff.). Verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Handeln der staatlichen Akteure im engeren Sinne – legislativ, judikativ und exekutiv vermittelte Konfliktbewältigung Verfassungsrechtliche Maßstäbe für den Gesetzgeber – Primat der legislativ vermittelten, generellen zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung 13. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gibt den staatlichen Akteuren den Auftrag zur Bewältigung von Konflikten zwischen Gemeinden. Im Zentrum stehen die Gesetzgeber, die ein Konfliktschlichtungsprogramm unter dem maß-, inhalts- und strukturgebenden Einfluss des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG entwerfen müssen. Die staatliche Exekutive und die Gerichte sind im Rahmen des gesetzgeberischen Konfliktschlichtungsprogramms gleichermaßen den Wirkungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausgesetzt und zur Konfliktbewältigung berufen (S. 403 ff., 412 ff., 500 ff.). a) Das Referenzproblem des zwischengemeindlichen Konflikts ist der Konflikt zwischen Privaten auf Gleichordnungsebene und der Einfluss der Grundrechte auf das Verhältnis zwischen ihnen. Die Situation fehlender Adressatenstellung und Bindung von Gemeinden an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG weist damit eine bemer-

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kenswerte Problemnähe zu der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf. Bei den grundrechtlichen Drittwirkungsfällen kommt zwischen einer privaten Streitpartei und dem Staat, nicht hingegen zwischen den privaten Streitparteien selbst ein grundrechtliches Anspruchsverhältnis zustande. Ersteres wirkt sich aber auf bestehende, gesetzesakzessorische Rechtsverhältnisse der Privaten aus oder beeinflusst die Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen Private Rechtsverhältnisse (autonom oder heteronom) untereinander begründen können. Der Einfluss der Grundrechte auf das Verhältnis zwischen Privaten erfordert eine differenzierte (verfassungsdogmatische) Konstruktion, welche die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte sowie als Schutzpflichten in Stellung bringt (S. 404 ff.). b) Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet seine Bindungsadressaten dazu, Eingriffe in seine Garantieelemente zu unterlassen. Die Adressaten müssen sich für Eingriffe verfassungsrechtlich rechtfertigen und die Schranken-Schranken der Selbstverwaltungsgarantie beachten. Neben der Dimension als Abwehrrecht verpflichtet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG seine Verpflichtungsadressaten zugleich zum Schutz vor Übergriffen auf die Selbstverwaltungsgarantie durch Akteure, die selbst nicht an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden sind (Protektionspflicht). Ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG löst das Abwehrrecht, ein Übergriff auf den Schutzgegenstand des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Pflicht zum schützenden Tätigwerden aus (S. 346 ff., 413 ff.). c) Die Gesetzgeber sind die Erstadressaten der verfassungsrechtlichen Protektionspflicht zugunsten von Gemeinden. Ihnen stehen erhebliche Entscheidungsfreiräume zu, wie sie der Protektionspflicht nachkommen. Die Gesetzgeber müssen dort, wo es an einem verfassungsunmittelbaren Rechtswidrigkeitsurteil fehlt, die gemeindlichen Interessen austarieren und über die (einfachgesetzliche) Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit übergriffigen gemeindlichen Handelns entscheiden (primäre Protektionspflicht). Sie müssen ferner wirksame Durchsetzungsinstrumente für die Nachbargemeinden bereitstellen, mit denen sie ihren Schutzrechten zur realen Wirksamkeit verhelfen können (sekundäre Protektionspflicht). Keinen Spielraum haben die Gesetzgeber hingegen, wenn die Voraussetzungen der Protektionspflicht vorliegen, ob sie überhaupt Maßnahmen zum Schutz von Gemeinden ergreifen (S. 424 ff.). d) Die Gesetzgeber dürfen nur dort zum Schutz von Gemeinden tätig werden, wo sie gesetzgebungskompetent sind. Schutzmaßnahmen der Gesetzgeber wirken in der Regel ambivalent zugunsten und zulasten von (Gruppen von) Gemeinden. Gesetzgeber müssen sich verfassungsrechtlich für Schutzmaßnahmen rechtfertigen, wenn sie das Handeln von Gemeinden reglementieren, falls es sich dabei um von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt. Wenngleich nicht bindungs-, so doch rechtfertigungsfrei ist den Gesetzgebern jedoch aufgegeben, gemeindliche ‚Handlungsinfrastrukturen‘ zu schaffen. Nur so können Gemeinden sinnvollerweise von den ihnen verfassungsunmittelbar zugewiesenen Zuständigkeiten und Kompetenzen Gebrauch machen. Im Zuge der Schaffung von ‚Handlungsinfrastrukturen‘ können und müssen die Gesetzgeber

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ihrem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag Rechnung tragen. Die Gesetzgeber agieren im Spannungsfeld zwischen Über- und Untermaßverbot. Sie müssen unter Beachtung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seinen beiden Dimensionen Letztentscheidungsbefugnisse verteilen (S. 436 ff.). e) Gemeinden haben einen Anspruch darauf, dass die Gesetzgeber Schutzmaßnahmen ergreifen, die das Mindestschutzniveau nicht verfehlen. Sie haben dagegen in aller Regel keinen Anspruch auf eine konkrete Schutzmaßnahme (S. 473 f.). f) Schutznormen, welche die Gesetzgeber in Erfüllung der Protektionspflicht erlassen, haben mangels verfassungsrechtlicher Anordnung keine mit der Zuordnung zum Verfassungsrecht typischerweise einhergehende Rechtsverdrängungsmacht. Sie sind gleichwohl nicht frei in der beliebigen Umgestaltung des gesetzlichen Schutzprogramms (S. 474 ff.). g)  Ein (rechtspolitischer) Entwurf einer gesetzesmediatisierten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung zielt darauf, zum Schutz von Nachbargemeinden die zwischengemeindliche Abwägungsentscheidung als ein probates Instrument für den Gesetzgeber ins Spiel zu bringen. Es bietet sich an, sich an der Struktur des bauleitplanerischen Gebots zwischengemeindlicher Abstimmung zu orientieren (S. 480 ff.). 14. Die Gesetzgeber müssen sich eingriffsrechtlich rechtfertigen, wenn sie zuungunsten bestimmter Gemeinden anderen Gemeinden zusätzliche Zuständigkeitsund Kompetenztitel schaffen und damit in die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gruppe der betroffenen Gemeinden eingreifen. Eine solche Rechtfertigung gelingt regelmäßig nur, wenn sie die überörtliche Betätigung tatbestandlich von der Zustimmung der Nachbargemeinden abhängig machen oder überwiegende Gemeinwohlgründe für eine Handlungsraumerweiterung sprechen, die die Selbstverwaltungsrechte der Nachbargemeinden überwiegen und das ‚zwischengemeindliche Aufgabenverteilungsprinzip‘ beachten (S. 484 ff.). a) Die Selbstverwaltungsrechte der Gruppe der handelnden Gemeinden begrenzen die Gesetzgeber nicht, ihr über den Aufgabenbestand der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zusätzliche Zuständigkeits- und Kompetenztitel zu schaffen (S. 486 f.). b) Erweitern die Gesetzgeber den Handlungsraum von einer Gruppe von Gemeinden zulasten einer anderen Gruppe von Gemeinden, müssen sie sich verfassungsrechtlich rechtfertigen. Lassen sich keine rechtfertigenden Gründe finden, müssen die Gesetzgeber die überörtliche Betätigung von Gemeinden von der Zustimmung derjenigen Gemeinden abhängig machen, die von der Handlungsraumerweiterung betroffen sind (S. 488 ff.).

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Zusammenfassung

Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die staatliche Verwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit – exekutiv und judikativ vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung für den Einzelfall 15. Zwischengemeindliche Konfliktbewältigung ist nicht nur legislativ, sondern auch judikativ und exekutiv vermittelt. Die staatliche Aufsicht über die Gemeinden sowie die Verwaltungsgerichtsbarkeit nehmen wichtige Rollen in den Konfliktschlichtungsprogrammen der Gesetzgeber ein, um Gemeinden vor Übergriffen anderer Gemeinden im Einzelfall zu bewahren. Die genaue Rolle der staatlichen Exekutive und der Gerichte bei der Realisierung ihrer verfassungsrechtlichen Schutzaufträge hängt davon ab, wie die Gesetzgeber zuvor dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag auf abstrakt-genereller Ebene nachgekommen sind. Je nach Konfliktkonstellation müssen sich die staatliche Aufsicht und die Gerichte mal eingriffsrechtlich, mal vor der Protektionspflicht rechtfertigen (S. 500 ff., 522 ff.). 16. Nur die legislativ vermittelte zwischengemeindliche Konfliktbewältigung können die Gemeinden bundesverfassungsgerichtlich mittels der Bundeskommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Hs.  1  GG i. V. m. § 91 BVerfGG durchsetzen. Bundesverfassungsgerichtlicher Kontrollmaßstab ist einzig Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Kontrollgegenstand kann auch ein Unterlassen des Gesetzgebers sein. Dagegen existiert kein bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen das Verfehlen einer exekutiv oder judikativ vermittelten zwischengemeindlichen Konfliktbewältigung. Die Fachgerichtsbarkeit übernimmt partiell die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit (S. 538 ff.).

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Dürr, Hansjochen: Die Antragsbefugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen, 1987. Dürr, Hansjochen: Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen, in: NVwZ 1996, S. 105–109. Eckhoff, Rolf: Der Grundrechtseingriff, 1992. Ehlers, Dirk: Rechtsprobleme der Kommunalwirtschaft, in: DVBl. 1998, S. 497–508. Ehlers, Dirk: Das neue Kommunalwirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, in: NWVBl. 2000, S. 1–14. Ehlers, Dirk: Die Befugnis natürlicher und juristischer Personen zur Beantragung einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, in: Wilfried Erbguth u. a. (Hrsg.), Planung. Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, S. 1041–1054. Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVBl. 2000, S. 1301–1308. Ehlers, Dirk: Empfiehlt es sich, das Recht der öffentlichen Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb national und gemeinschaftsrechtlich neu zu regeln?, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des vierundsechzigsten Deutschen Juristentages, Bd. I, 2002. Ehlers, Dirk: Kommunalaufsicht und europäisches Gemeinschaftsrecht, in: DÖV 2001, S. 412–417. Ehlers, Dirk: Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Wirtschaftsbetätigung, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), Kommunalwirtschaft im Umbruch – Kommunale Wirtschaftsunternehmen zwischen öffentlicher Aufgabe und Wettbewerb. 11. Bad Iburger Gespräche, 2001, S. 11–34. Ehlers, Dirk: Die Entwicklung des kommunalen Wirtschaftsrechts, in: Der Landkreis 2007, S. 456–464. Ehlers, Dirk: Verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle, in: ders. / Friedrich Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 27 (S. 725–743). Eichberger, Michael: Gerichtliche Kontrolldichte, naturschutzfachliche Einschätzungsprä­ rogative und Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis, in: NVwZ 2019, S. 1560–1566. Eisenblätter, Katja: Die extraterritoriale Kommunalwirtschaft, 2007. Ellerbrok, Torben: Die öffentlich-rechtliche Satzung. Dogmatische und theoretische Grundlagen einer Handlungsform der Verwaltung, 2020. Elsner, Thomas: Das Ermessen im Lichte der Reinen Rechtslehre. Rechtsstrukturtheore­tische Überlegungen zur Rechtsbindung und zur Letztentscheidungskompetenz des Rechtsanwenders, 2011. Engel-Boland, Stefanie: Gemeindliches Satzungsrecht und Gesetzesvorbehalt, 1999. Engels, Andreas: Die Verfassungsgarantie kommunaler Selbstverwaltung. Eine dogmatische Rekonstruktion, 2014. Engels, Andreas / Krausnick, Daniel: Kommunalrecht, 2. Aufl. 2020.

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Enkler, Claus: Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in neuen Geschäftsfeldern, in: ZG 13 (1998), S. 328–351. Epping, Volker: Grundrechte, 8. Aufl. 2019. Epping, Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): BeckOK zum Grundgesetz (Stand: 40. Edition Februar 2019). Erbguth, Wilfried: Bauplanungsrecht, 1. Aufl. 1989. Erbguth, Wilfried: Rechtsschutzfragen und Fragen der §§ 214 und 215 BauGB im neuen Städte­baurecht, in: DVBl. 2004, S. 802–810. Erbguth, Wilfried: Abwägung auf Abwegen? – Allgemeines und Aktuelles –, in: JZ 2006, S. 484–492. Erbguth, Wilfried / Schubert, Matthias: Öffentliches Baurecht mit Bezügen zum Umwelt- und Raumplanungsrecht, 6. Aufl. 2015. Erhard, Sebastian: Außer-Kraft-Treten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit nur bei „legaler“ oder behördlich geduldeter planabweichender Entwicklung?, in: NVwZ 2006, S. 1362–1366. Ernst, Werner / Zinkahn, Willy / Bielenberg, Walter (Begr.): Kommentar zum Baugesetzbuch, Bd. I (Stand: 139. Ergänzungslieferung August 2020). Ernst, Werner / Zinkahn, Willy / Bielenberg, Walter (Begr.): Kommentar zum Baugesetzbuch, Bd. V (Stand: 139. Ergänzungslieferung August 2020). Esser, Josef: Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung. Rationalitätsgrund­ lagen richterlicher Entscheidungspraxis, 1972. Eyermann, Erich / Fröhler, Ludwig: Kommentar zum Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, Bremen, Hessen und Württemberg-Baden, 1950. Eyermann, Erich / Fröhler, Ludwig: Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 1974. Faber, Wolfgang: Auslegung von EuGH-Entscheidungen. Eine Annäherung anhand von Beispielen aus dem Verbraucherprivatrecht, in: JBl 2017, S. 697–710 und S. 776–783. Faßbender, Karl-Josef: Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, in: DÖV 2005, S. 89–99. Fehling, Michael: Eigenwert des Verfahrens im Verwaltungsrecht, in: VVDStRL 70 (2011), S. 280–337. Fehling, Michael / Kastner, Berthold / Störmer, Rainer (Hrsg.): Handkommentar zum Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021. Feldmüller, Christian: Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, 1999. Ferreau, Jörg Frederik: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und ökonomischer Wettbewerb. Analyse und Perspektiven rechtlicher Spielräume zur Entfaltung kommerzieller Tätigkeiten durch die Rundfunkanstalten, 2017. Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband (Hrsg.): Geschäftszahlen Zahlen & Fakten 2019, 2020.

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Fingerhut, Reinhard: Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage (§ 2 Abs. 4 und 5 BBauG), 1976. Forsthoff, Ernst: Die Krise der Gemeindeverwaltung im heutigen Staat, 1932. Franz, Thorsten: Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge. Zugleich eine Untersuchung zu den Zwecken und Formen der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung, 2005. Franzius, Claudio: Modalitäten und Wirkungsfaktoren der Steuerung durch Recht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / A ndreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 4 (S. 179–257). Frenz, Walter: Gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie und Verhältnismäßigkeit, in: Die Verwaltung 28 (1995), S. 33–63. Friauf, Karl Heinrich / Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. II (Stand: 39. Ergänzungslieferung Dezember 2012). Friedrich, Lutz: Vom Recht zur Berechtigung. Subjektivierung des Rechts und Überindividualisierung des Rechtsschutzes am Beispiel des „Grundrechts auf Sonntag“, 2020. Frieling, Tino: Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers. Fallgruppen verbindlicher Willensäußerungen, 2017. Fuchs, Manfred: § 88 GO NW – ein Beispiel für totale Begriffsverwirrung, in: der gemeinde­ haushalt 1978, S. 100–101. Fuhrmanns, Achim: Vertrauensschutz im deutschen und österreichischen öffentlichen Recht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2004. Fürst, Dietrich / Ritter, Ernst-Hass: s. v. Planung, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Handwörterbuch der Raumordnung, 4. Aufl. 2004, S. 765–769. Gaentzsch, Günter: Die Planfeststellung als Anlagenzulassung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung, in: Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts u. a. (Hrsg.), Planung und Plankontrolle. Entwicklungen im Bau- und Fachplanungsrecht. Otto Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995, S. 517–538. Gallwas, Hans-Ullrich: Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte. Ein Beitrag zum Begriff der Nebenwirkungen, 1970. Gärditz, Klaus Ferdinand: Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts? Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes auf dem Prüfstand, in: NJW-Beilage 2016, S. 41–45. Gärditz, Klaus Ferdinand (Hrsg.): Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung mit Nebengesetzen, 2. Aufl. 2018. Gellermann, Martin: Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande. Untersuchung zur normativen Ausgestaltung der Freiheitsrechte, 2000. Gerke, Jürgen: Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, in: JURA 1985, S. 349–358. Gerlach, Rolf: Geschäftstätigkeit und Geschäftspolitik der Sparkassen, in: Thomas Mann /  Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. II, 3. Aufl. 2011, § 53b (S. 525–553).

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Gern, Alfons: Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden außerhalb des Gemeindegebiets, in: NJW 2002, S. 2593–2599. Gern, Alfons: Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003. Gern, Alfons / Brüning, Christoph: Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019. Giesberts, Ludger / Reinhardt, Michael (Hrsg.): BeckOK zum Umweltrecht (Stand: 56. Edition Juli 2020). Giese, Friedrich: Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 1. Aufl. 1919. Giese, Friedrich: Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl. 1931. Glum, Friedrich: Das Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Art. 127 der Reichsverfassung, in: AöR 56 (1929), S. 379–415. Gonsior, Florian: Die Verfassungsmäßigkeit administrativer Letztentscheidungsbefugnisse. Behördenorganisation und Verwaltungsverfahren als Mittel zur Kompensation materiellrechtlicher Defizite am Beispiel der Bundesnetzagentur im Telekommunikationsrecht, 2018. Goos, Christoph / Hillgruber, Christian: Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl. 2020. Grawert, Rolf: Zuständigkeitsgrenzen der Kommunalwirtschaft, in: Klaus Grupp / Michael Ronellenfitsch (Hrsg.), Planung – Recht – Rechtsschutz. Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999, 1999, S. 119–138. Grawert, Rolf: Kommunale Wirtschaftsbetätigung im System eines unverfälschten Wettbewerbs, in: Christoph Reichard (Hrsg.), Kommunen am Markt. Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen, 2001, S. 9–44. Grimm, Dieter: Verfassungsprozessuale Konsequenzen der grundrechtlichen Schutzpflicht, in: Christine Hohmann-Dennhardt u. a. (Hrsg.), Grundrechte und Solidarität. Durchsetzung und Verfahren. Festschrift für Renate Jaeger, 2011, S. 759–765. Groh, Bernd Martin: Konfliktbewältigung im Bauplanungsrecht. Umweltschutz durch Bebauungsplanung und Anlagengenehmigungsrecht, 1988. Groh, Gunnar: s. v. Auslegung (Interpretation), in: Carl Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch (Stand: 26. Edition März 2021). Grooterhorst, Johannes: Bestehende Planungspflichten als negatives Tatbestandsmerkmal in § 34 BauGB?, in: BauR 2017, S. 188–194. Groß, Thomas: Die Verwaltungsorganisation als Teil organisierter Staatlichkeit, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 (S. 905–952). Grziwotz, Herbert: Die Antragsbefugnis einer Gemeinde im verwaltungsgerichtlichen Normkontrollverfahren, in: DVBl. 1988, S. 768–774. Gsell, Beate u. a. (Hrsg.): beck-online Großkommentar BGB, 2020. Guckelberger, Annette: Die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen außerhalb [Kursivierung auch im Original, M. J.] des Gemeindegebiets, in: BayVBl. 2006, S. ­293–300.

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Güde, Udo: Geschäftspolitik der Sparkassen. Grundlagen und aktuelle Probleme, 6. Aufl. 1995. Gundlach, Ulf: Die Erweiterung des kommunalen Wirtschaftsrechts in Sachsen-Anhalt, in: LKV 2002, S. 264–266. Günther, Albert / Hassel, Volker: s. v. Gebietskörperschaft, in: Institut für Kommunal- und Verwaltungswissenschaften Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf (Hrsg.), Kommunal-­Lexikon von A-Z, 1991, S. 66. Gusy, Christoph: Die Weimarer Reichsverfassung, 1997. Gusy, Christoph: 100 Jahre Weimarer Verfassung. Eine gute Verfassung in schlechter Zeit, 2018. Häberle, Peter (Hrsg.): Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, 2010 (Neuausgabe des JöR 1 [1951]). Hager, Johannes: Grundrechte im Privatrecht, in: JZ 1994, S. 373–383. Hain, Karl-Eberhard: Der Gesetzgeber in der Klemme zwischen Übermaß- und Untermaßverbot?, in: DVBl. 1993, S. 982–984. Halama, Günter: Die Metamorphose der „Krabbenkamp“-Formel in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: DVBl. 2004, S. 79–83. Halfmeier, Axel: Popularklagen im Privatrecht. Zugleich ein Beitrag zur Theorie der Verbandsklage, 2006. Hanschel, Dirk: Konfliktlösung im Bundesstaat. Die Lösung föderaler Kompetenz-, Finanzund Territorialkonflikte in Deutschland, den USA und der Schweiz, 2012. Hartmann, Lucas: Die Kodifikation des Europäischen Verwaltungsrechts. Theoretische und dogmatische Grundlagen, 2020. Hassemer, Winfried: Politik aus Karlsruhe, in: JZ 2008, S. 1–10. Hauser, Dirk: Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen – Beschränkungen durch Verfassung, Gemeindeordnung und Wettbewerbsrecht, 2004. Häuser, Franz: Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip in der jüngeren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland- Pfalz, in: Meinhard Heinze / Jochen Schmitt (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S. 331–353. Hebeler, Timo: Anfertigung kostenloser Passfotos durch Gemeinde keine wirtschaftliche Betätigung, in: JA 2016, S. 79–80. Heilshorn, Thorsten: Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft, 2003. Heilshorn, Thorsten: Sollte die überörtliche kommunale Wirtschaftstätigkeit durch die Gemeindeordnungen zugelassen werden? Zur Reformfähigkeit und -bedürftigkeit des kommunalen Wirtschaftsrechts, in: VerwArch 96 (2005), S. 88–99. Heilshorn, Thorsten: Die Neufassung der kommunalwirtschaftlichen Subsidiaritätsklausel und des Gebietsbezuges kommunaler Unternehmen in Baden-Württemberg  – Das Gesetz zur Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts vom 30. 11. 2005 –, in: VBlBW 2007, S. 161–166. Heinevetter, Klaus (Begr.): Kommentar zum Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen (Stand: 7. Lieferung August 2020).

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Heinrichs, Wilhelm / Schwabedissen, Annette: Wirtschaftliche Betätigung  – Möglichkeiten und Grenzen, in: Städte- und Gemeinderat 1989, S. 160–162. Heintzen, Markus: Zur Tätigkeit kommunaler (Energieversorgungs-)Unternehmen außerhalb der kommunalen Gebietsgrenzen, in: NVwZ 2000, S. 743–746. Held, Friedrich Wilhelm: Die Neufassung des NRW-Gemeindewirtschaftsrechts – Ziele und Wege, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemeindewirtschaftsrecht, 1995, S. 18–28. Held, Friedrich Wilhelm: Änderungsnotwendigkeiten und Änderungsmöglichkeiten des Gemeindewirtschaftsrechts, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung. Optimierungspotentiale im Spannungsfeld von Demokratie und Effizienz. Professorengespräch 1997 des Deutsches Landkreistages am 20. und 21. März 1997 im Rhein-Sieg-Kreis, 1998, S. 113–130. Held, Friedrich Wilhelm: Ist das kommunale Wirtschaftsrecht noch zeitgemäß? – Zugleich ein Beitrag zur wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden –, in: WiVerw 1998, S. 264–294. Held, Friedrich Wilhelm / Winkel, Johannes / Wansleben, Rudolf (Hrsg.): Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Bd. I (Stand: 46. Nachlieferung Oktober 2020). Held, Jürgen: Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, 1984. Held, Jürgen: Rechtsschutz von Gemeinden gegen Maßnahmen der Fachplanung, in: LKRZ 2010, S. 246–251. Held, Jürgen: Individualschutz bei fehlerhaftem Verwaltungsverfahren, in: NVwZ 2012, S. 461–468. Held, Jürgen: Rechtsschutz von Gemeinden gegen Maßnahmen der Fachplanung, in: Jan ­Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2010. Vorträge auf den Zwölften Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 3. bis 5. März 2010 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 2011, S. 205–222. Helfritz, Hans: Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts seit der Revolution, in: VVDStRL 2 (1925), S. 223–248. Hellermann, Johannes: Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung. Zum kommunalen Betätigungs- und Gestaltungsspielraum unter den Bedingungen europäischer und staatlicher Privatisierungs- und Deregulierungspolitik, 2000. Hellermann, Johannes: Öffentliches Baurecht, in: Johannes  Dietlein / ders. (Hrsg.), Öffent­ liches Recht in Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl. 2016, § 4 (S. 473–616). Hellermann, Johannes / Wieland, Joachim: Die Ausweitung der Geschäftsfelder kommunaler Unternehmen aus verfassungsrechtlicher Perspektive, in: Reiner Schiller-Dickhut / K lausPeter Murawski (Hrsg.), Kommunale Unternehmen auf der Flucht nach vorn, 1999, S. 9–21. Hellermann, Johannes / Wieland, Joachim: Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen außerhalb ihres Gebiets, in: Günter Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, 2002, S. 117–141.

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Hendler, Reinhard: Modelle interkommunaler Zusammenarbeit im Raumplanungsrecht, in: UPR 2006, S. 325–329. Hendler, Reinhard: Die bundesrechtliche Konzeption der Raumordnung in den Ländern, in: Hans-Joachim Koch / ders. (Hrsg.), Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 4 (S. 71–77). Henneke, Hans-Günter: Gewinnerzielung und Arbeitsplatzsicherung als Legitimation kommunalwirtschaftlicher Betätigung? – Verfassungsrechtliche Aspekte –, in: NdsVBl. 1998, S. 273–283. Henneke, Hans-Günter: Verfassungsrechtlicher Schutz der Gemeindeverbände vor gesetz­ lichem Aufgabenentzug im dualistischen und monistischen Aufgabenmodell. Zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2001, in: ZG 2002, S. 72–103. Henneke, Hans-Günter: Die kommunalen Sparkassen – Der rechtliche Rahmen, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. II, 3. Aufl. 2011, § 53a (S. 441–524). Henneke, Hans-Günter: Die kommunalen Sparkassen. Verfassung und Organisation zwischen Selbstverwaltungsgarantie und Zentralisierungstrends, 2. Aufl. 2018. Henneke, Hans-Günter u. a. (Hrsg.): Praxis der Kommunalverwaltung Bund. Kommunale Sparkassen, Bd. L 17 (Stand: 1. Lieferung 2019). Hermes, Georg: Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, in: VVDStRL 61 (2002), S. 119–154. Herzog, Roman: Grundrechte aus der Hand des Gesetzgebers, in: Wolfgang Fürst / ders. / Dieter C[ ] Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd. II, 1987, S. 1415–1428. Hesse, Konrad: Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: Herta Däubler-Gmelin u. a. (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit. Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541–559. Hilbert, Patrick: Fehlerkalkül und Alternativbestimmungen. Zu den Strategien der Geburtshilfe im Stufenbau der Rechtsordnung, in: ZÖR 72 (2017), S. 549–576. Hill, Hermann: Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, Gutachten D für den 58. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des achtundfünfzigsten Deutschen Juristentag, Bd. I, 1990. Hill, Hermann: In welchen Grenzen ist kommunalwirtschaftliche Betätigung Daseinsvorsoge?, in: BB 1997, S. 425–431. Hillgruber, Christian: Der Nationalstaat in überstaatlichen Verflechtungen, in: Josef Isensee /  Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 32 (S. 929–992). Hillgruber, Christian: Verfassungsrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Wirklichkeit, in: VVDStRL 67 (2008), S. 7–56.

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Hillgruber, Christian: Verfassungsinterpretation, in: Otto Depenheuer / Christoph ­Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 15 (S. 505–534). Hillgruber, Christian: Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsausgestaltung und Grundrechtseingriff, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 200 (S. 981–1030). Hirsch, Günter: Auf dem Weg zum Richterstaat. Vom Verhältnis des Richters zum Gesetzgeber in unserer Zeit, in: JZ 2007, S. 853–858. Hoffmann, Martin: Der Schutz der Nachbargemeinden durch das interkommunale Abstimmungsgebot bei Einzelgenehmigungen für Vorhaben gem. § 11 III BauNVO, in: NVwZ 2010, S. 738–743. Hoffmann-Riem, Wolfgang: Enge oder weite Gewährleistungsgehalte der Grundrechte?, in: ders. (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft. Ausgewählte Schriften von Wolfgang HoffmannRiem mit begleitenden Analysen, 2004, S. 407–434. Hoffmann-Riem, Wolfgang: Grundrechtsanwendung unter Rationalitätsanspruch. Eine Erwiderung auf Kahls Kritik an neueren Ansätzen in der Grundrechtsdogmatik, in: Der Staat 43 (2004), S. 203–233. Hoffmann-Riem, Wolfgang: Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Eberhard Schmidt-Aßmann / ders. (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, 2004, S. 9–72. Hoffmann-Riem, Wolfgang: Eigenständigkeit der Verwaltung, in: ders. / Eberhard SchmidtAßmann / Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 10 (S. 677–776). Hoffmann-Theinert, Roland (Hrsg.): Rechtsprechung zum Sparkassenrecht. Fünfte Folge, 2011. Höfling, Wolfram: Vertragsfreiheit. Eine grundrechtsdogmatische Studie, 1999. Hofmann, Ekkehard: Abwägung im Recht. Chancen und Grenzen numerischer Verfahren im Öffentlichen Recht, 2007. Hofmann, Jochen: Kommunale Neugliederung in Bayern und Sparkassenorganisation, in: BayVBl. 1990, S. 641–647. Hofmann, Wolfgang: Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung von 1848 bis 1918, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 5 (S. 73–91). Hohfeld, Wesley Newcomb: Fundamental Legal Conceptions as Applied in Judicial Reasoning, in: The Yale Law Journal 26 (1917), S. 710–770. Hölscheidt, Sven: Abschied vom subjektiv-öffentlichen Recht?  – Zu Wandlungen der Verwaltungsrechtsdogmatik unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts  –, in: EuR 2001, S. 376–396. Hoppe, Werner: Bauleitplanung und Eigentumsgarantie – Zum Abwägungsgebot des § 1 Abs. 4 S. 2 Baugesetzbuch –, in: DVBl. 1964, S. 165–173.

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Hoppe, Werner: Die Schranken der planerischen Gestaltungsfreiheit (§ 1 Abs. 4 und 5 BBauG). Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom. 12. Dezember 1969 zum Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG) und seiner Rechtskontrolle, in: BauR 1970, S. 15–18. Hoppe, Werner: Zur Rechtskontrolle von Bebauungsplänen, in: Norbert Achterberg (Hrsg.), Öffentliches Recht und Politik. Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 70. Geburtstag, 1973, S. 121–143. Hoppe, Werner: Zwischengemeindliche planungsrechtliche Gemeindenachbarklagen. Zum interkommunalen Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG), in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), Fortschritte des Verwaltungsrechts. Festschrift für Hans J.  Wolff zum 75. Geburtstag, 1973, S. 307–323. Hoppe, Werner: Zur Struktur von Normen des Planungsrechts. Bemerkungen zu rechtsstaat­ lichen Anforderungen an die Begriffsbildung im Planungsrecht, in: DVBl. 1974, S. 641– 647. Hoppe, Werner: Die „Zusammenstellung des Abwägungsmaterials“ und die „Einstellung der Belange“ in die Abwägung „nach Lage der Dinge“ bei der Planung, in: DVBl. 1977, S. 136–144. Hoppe, Werner: Zur Diskussion um den Haftungszuschlag für die kommunalen Sparkassen, in: DVBl. 1982, S. 45–51. Hoppe, Werner: Regionalprinzip und Zweckverbandsbildung, in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 105  C. (S. 496–506). Hoppe, Werner: Die Bedeutung von Optimierungsgeboten im Planungsrecht, in: DVBl. 1992, S. 853–862. Hoppe, Werner: Planung, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl. 1996, § 71 (S. 653–716). Hoppe, Werner: Entwicklung von Grundstrukturen des Planungsrechts durch das BVerwG. Hommage an die Leitentscheidung zum planungsrechtlichen Abwägungsgebot vom 12. Dezember 1969 (BVerwGE 34, 301), in: DVBl. 2003, S. 697–706. Hoppe, Werner: Die Abwägung im EAG Bau nach Maßgabe des § 1 VII BauGB 2004 – Unter Berücksichtigung von § 2 III, IV BauGB 2004, in: NVwZ 2004, S. 903–910. Hoppe, Werner: Planung, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 77 (S. 313–366). Hoppe, Werner: Das Abwägungsgebot, in: ders. / Christian Bönker / Susan Grotefels (Hrsg.), Öffentliches Baurecht. Bauplanungsrecht mit seinen Bezügen zum Raumordnungsrecht, Bauordnungsrecht, 4. Aufl. 2010, § 7 (S. 166–224). Hoppe, Werner / Otting, Olaf: Zur Erweiterung der Planungshoheit und der gemeindenachbarlichen Klagebefugnis in § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB 2004 um raumordnungsrechtliche Belange, in: DVBl. 2004, S. 1125–1132. Horn, Hans-Detlef: Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung. Zur Dogmatik des Verhältnisses zwischen Gesetz, Verwaltung und Individuum unter dem Grundgesetz, 1999.

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Hösch, Ulrich: Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: DÖV 2000, S. 393–406. Huber, Peter Michael: Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht. Schutzanspruch und Rechtsschutz bei Lenkungs- und Verteilungsentscheidungen der öffentlichen Verwaltung, 1991. Huber, Peter M[ichael]: Bundesverfassungsrecht und Landesverfassungsrecht, in: NdsVBl. 2011, S. 233–239. Hubmann, Heinrich: Die Methode der Abwägung, in: ders. / Heinz Hübner (Hrsg.), Festschrift für Ludwig Schnorr von Carolsfeld zum 70. Geburtstag. 26. Januar 1973, S. 173–197. Hufen, Friedhelm: Staatsrecht II. Grundrechte, 8. Aufl. 2020. Hug, Christian: Gemeindenachbarklagen im öffentlichen Baurecht. Interkommunaler Rechtsschutz im Bauleitplanungs- und Baugenehmigungsrecht nach den „Zweibrücken“- und „Mülheim-Kärlich“-Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und den BauGB-­ Novellen 2004 und 2007, 2008. Hüttenbrink, Jost: Das Recht auf fehlerfreie Abwägung als subjektiv-öffentliches Recht i. S. der Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO n. F., in: DVBl. 1997, S. 1253–1258. Ibler, Martin: Die Differenzierung zwischen Vorgangs- und Ergebniskontrolle bei planerischen Abwägungsentscheidungen, in: DVBl. 1988, S. 469–474. Ibler, Martin: Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit im Planfeststellungsrecht, 1988. Ibler, Martin: Rechtspflegender Rechtsschutz im Verwaltungsrecht. Zur Kontrolldichte bei wertenden Behördenentscheidungen – vom Preußischen Oberverwaltungsgericht bis zum modernen Gerichtsschutz im Prüfungsrecht, 1999. Ibler, Martin: Verwaltungsrechtsschutz des Baunachbarn unmittelbar aus Art. 14 GG versus „Anwendungsvorrang des einfachen Rechts“, in: Peter Baumeister / Wolfgang Roth / Josef Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz. Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke zum 70. Geburtstag, 2011, S. 837–847. Impelmann, Norbert: Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Kredit- und Sparkassenwesens. Unter besonderer Berücksichtigung der Eigenkapitalregelung, 1990. Ingold, Albert: Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts, 2007. Ipsen, Jörn: Richterrecht und Verfassung, 1975. Ipsen, Jörn: Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie und Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, in: ZG 9 (1994), S. 194–212. Ipsen, Jörn: Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden als kommunalrechtliche und verfassungsrechtliche Fragestellung, in: ders. / Edzard Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Recht – Staat – Gemeinwohl. Festschrift für Dietrich Rausching, 2001, S. 645–667. Ipsen, Jörn: Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, in: JZ 2006, S. 789–796. Isensee, Josef: Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, 1983.

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Isensee, Josef: Staatsaufgaben, in: ders. / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 73 (S. 117–159). Isensee, Josef: Idee und Gestalt des Föderalismus, in: ders. / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 126 (S. 3–198). Isensee, Josef: Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: ders. / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 191 (S. 413–567). Isensee, Josef: Der Selbstand der Verfassung in ihren Verweisungen und Öffnungen, in: AöR 138 (2013), S. 325–362. Jachmann, Monika: Der Schutz gemeindlichen Eigentums nach der Bayerischen Verfassung, in: BayVBl. 1998, S. 129–133. Jäde, Henning: Terrorismus ist überall – oder: Die Auflösung des baurechtlichen Drittschutzes, in: ZfBR 2007, S. 751–758. Jaeckel, Liv: Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht. Eine Untersuchung der deutschen Grundrechte, der Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten der Europäischen Gemeinschaft, 2001. Jäger, Christian: Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, 2003. Jahn, Ralf: Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten in den neuen Bundesländern, in: LKV 1991, S. 258–262. Jahn, Ralf: Interkommunales Abstimmungsgebot und gemeindlicher Nachbarschutz bei Planung und Zulassung sog. Factory Outlets, in: GewArch 2002, S. 412–415. Janning, Hermann: Räumliche und trägerschaftliche Alternativen zur Organisation der Regionalplanung. Die Kreise als Träger der Regionalplanung, 1982. Janssen, Albert: Über die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts. Untersuchungen zu den demokratischen und grundrechtlichen Schranken der gesetzgeberischen Befugnisse, 1990. Jarass, Hans D[ieter]: Bausteine einer umfassenden Grundrechtsdogmatik, in: AöR 120 (1995), S. 345–381. Jarass, Hans D[ieter]: Die Grundrechte: Abwehrrechte und objektive Grundsatznormen. Objektive Grundrechtsgehalte, insbes. Schutzpflichten und privatrechtsgestaltende Wirkung, in: Peter Badura / Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50  Jahre Bundesverfassungs­gericht, Bd. II, 2001, S. 35–53. Jarass, Hans D[ieter]: Die Vorgaben des Gemeinderechts für rechtlich selbstständige Unternehmen der Kommunen, in: NWVBl. 2002, S. 335–344. Jarass, Hans D[ieter]: Kommunale Wirtschaftsunternehmen und Verfassungsrecht, in: DÖV 2002, S. 489–500. Jarass, Hans D[ieter]: Aktivitäten kommunaler Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr, in: DVBl. 2006, S. 1–11. Jarass, Hans D[ieter]: Bedeutung des einfachen Rechts für die Bestimmung verfassungsrechtlicher Begriffe, in: DÖV 2019, S. 458–468.

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Jarass, Hans D[ieter]/Pieroth, Bodo (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 15. Aufl. 2018. Jarass, Hans D[ieter]/Pieroth, Bodo (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020. Jellinghaus, Lorenz: Aktuelle Entwicklungen im Organisationsrecht der Sparkassen. Rahmenbedingungen für Fusionen, Verbundlösungen und Minderheitsbeteiligungen, in: NVwZ 2013, S. 407–410. Jensen, Henning: Kommunale Daseinsvorsorge im europäischen Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2015. Jeromin, Curt M[ ]: Normenkontrollen gegen Flächennutzungspläne, in: NVwZ 2006, S. 1374– 1376. Jestaedt, Matthias: Grundrechtsentfaltung im Gesetz. Studien zur Interdependenz von Grundrechtsdogmatik und Rechtsgewinnungstheorie, 1999. Jestaedt, Matthias: Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, in: DVBl. 2001, S. 1309–1322. Jestaedt, Matthias: Das mag in der Theorie richtig sein… – Vom Nutzen der Rechtstheorie für die Rechtspraxis, 2006. Jestaedt, Matthias: Die Abwägungslehre – ihre Stärken und ihre Schwächen, in: Otto Depenheuer u. a. (Hrsg.), Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee, 2007, S. 253–275. Jestaedt, Matthias: Perspektiven der Rechtswissenschaftstheorie, in: ders. / Oliver Lepsius (Hrsg.), Rechtswissenschaftstheorie, 2008, S. 185–205. Jestaedt, Matthias: Die Verfassung hinter der Verfassung. Eine Standortbestimmung der Verfassungstheorie, 2009. Jestaedt, Matthias: Verfassungstheorie als Disziplin, in: Otto Depenheuer / Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 1 (S. 3–56). Jestaedt, Matthias: Phänomen Bundesverfassungsgericht. Was das Gericht zu dem macht, was es ist, in: ders. u. a., Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren Bundesverfassungsgericht, 2011, S. 77–157. Jestaedt, Matthias: Richterliche Rechtsetzung statt richterliche Rechtsfortbildung. Methodologische Betrachtungen zum sog. Richterrecht, in: Christian Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 49–69. Jestaedt, Matthias: Die deutsche Staatsrechtslehre im europäisierten Rechtswissenschaftsdiskurs – Kennzeichen, Kernkompetenzen und Rezeptionshindernisse, in: JZ 2012, S. 1–10. Jestaedt, Matthias: Grundbegriffe des Verwaltungsorganisationsrechts, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / A ndreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 14 (S. 953–1004). Jestaedt, Matthias: Wissenschaftliches Recht – Rechtsdogmatik als gemeinsames Kommunikationsformat von Rechtswissenschaft und Rechtspraxis –, in: Gregor Kirchhof / Stefan Magen / Karsten Schneider (Hrsg.), Was weiß Dogmatik? Was leistet und wie steuert die Dogmatik des Öffentlichen Rechts?, 2012, S. 117–137.

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Jestaedt, Matthias: Selbstand und Offenheit der Verfassung gegenüber nationalem, supranationalem und internationalem Recht, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 264 (S. 327–382). Jestaedt, Matthias: Maßstäbe des Veraltungshandelns, in: Dirk Ehlers / Hermann, Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 11 (S. 325–371). Jestaedt, Matthias: Rechtswissenschaft als normative Disziplin, in: Eric Hilgendorf / Jan C[ ] Joerden (Hrsg.), Handbuch Rechtsphilosophie, 2017, S. 254–262. Joseph, Manuel: Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besoldung von kommunalen Wahlbeamten, in: NVwZ 2017, S. 750–755. Just, Jan-Dirk: Ermittlung und Einstellung von Belangen bei der planerischen Abwägung, 1996. Kahl, Wolfgang: Die Staatsaufsicht. Entstehung, Wandel und Neubestimmung unter besonderer Berücksichtigung der Aufsicht über die Gemeinden, 2000. Kahl, Wolfgang: Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsstaat, in: Der Staat 43 (2004), S. 167–202. Kahl, Wolfgang: Wissenschaft, Praxis und Dogmatik im Verwaltungsrecht, 2020. Kahl, Wolfgang / Waldhoff, Christian / Walter, Christian (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I (Stand: 207. Aktualisierung September 2020). Kahl, Wolfgang / Waldhoff, Christian / Walter, Christian (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. IV (Stand: 207. Aktualisierung September 2020). Kahl, Wolfgang / Waldhoff, Christian / Walter, Christian (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. V (Stand: 207. Aktualisierung September 2020). Kahl, Wolfgang / Waldhoff, Christian / Walter, Christian (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VI (Stand: 207. Aktualisierung September 2020). Kahl, Wolfgang / Waldhoff, Christian / Walter, Christian (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VII (Stand: 207. Aktualisierung September 2020). Kaiser, Anna-Bettina: Bauordnungsrecht, in: Dirk Ehlers / Michael Fehling / Hermann Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, § 41 (S. 208–303). Kapsreiter, Hans: Der Begriff des Nachteils als Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags natürlicher und juristischer Personen nach § 47 VwGO, Diss. 1986. Karpen, Hans-Ulrich: Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970. Katz, Alfred / Ritgen, Klaus: Bedeutung und Gewicht der kommunalen Selbstverwaltungs­ garantie. Ist das Recht auf Selbstverwaltung verfassungsrechtlich „wegwägbar“?, in: DVBl. 2008, S. 1525–1536. Kelsen, Hans: Hauptprobleme der Staatslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz (1911), in: Matthias Jestaedt (Hrsg.), Hans Kelsen Werke, Bd. II, 2008. Kelsen, Hans: Allgemeine Staatslehre, 1925. Kelsen, Hans: Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: VVDStRL  5 (1929), S. 30–88.

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Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre, 1. Aufl. 1934. Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960. Kelsen, Hans: Allgemeine Theorie der Normen, 1979. Kempen, Bernhard: Grundrechtsverpflichtete, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 54 (S. 1293–1330). Kemper, Markus: Die Europäische Bankenunion und die Sparkassen, 2017. Kempis, Friedrich Karl v.: Die Treuepflicht zwischen Gemeinden und Staat und den Gemeinden untereinander, Diss. 1970. Kempny, Simon: Verwaltungskontrolle. Zur Systematisierung der Mittel zur Sicherung administrativer Rationalität unter besonderer Berücksichtigung der Gerichte und der Rechnungshöfe, 2017. Kenntner, Markus: Zehn Jahre nach „Rastede“ – Zur dogmatischen Konzeption der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz –, in: DÖV 1998, S. 701–712. Kervégan, Jean-François: Was bedeutet es, Rechte zu haben?, in: Andreas Fischer-Lescano /  Hannah Franzki / Johan Horst (Hrsg.), Gegenrechte. Recht jenseits des Subjekts, 2018, S. 35–52. Kettler, Dietmar: Zur Subsidiarität der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Bundesrecht gegenüber der nach Landesrecht für Gemeinden in den neuen Bundesländern, in: LKV 1995, S. 132–135. Kierstein, Hans: Probleme der Beziehungen zwischen den Muttergemeinwesen und den von ihnen errichteten rechtsfähigen Anstalten, Diss. 1967. Kindhäuser, Urs / Neumann, Ulfrid / Paeffgen, Hans-Ullrich (Hrsg.): Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Aufl. 2017. Kingreen, Thorsten / Poscher, Ralf: Grundrechte. Staatsrecht II, 36. Aufl. 2020. Kirchhof, Paul: Hoheitsgebiet und Sparkassengebiet – Funktion und begriffliche Voraussetzungen der Sparkassenneuordnung bei Gebietsänderungen der Gewährträger –, in: DVBl. 1983, S. 921–926. Kirchhof, Paul: Die Rechtspflicht zur Übertragung von Zweigstellen nach einer kommunalen Neugliederung. Voraussetzungen und Inhalt der Übertragungspflicht, dargestellt am Beispiel des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen, 1984. Klein, Oliver: Das Untermaßverbot – Über die Justiziabilität grundrechtlicher Schutzpflichtenerfüllung, in: JuS 2006, S. 960–964. Kloepfer, Michael: Verfassungsrecht. Grundrechte, Bd. II, 2010. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 22. Aufl. 1989. Kluth, Winfried: Funktionale Selbstverwaltung. Verfassungsrechtlicher Status – verfassungsrechtlicher Schutz, 1997. Kment, Martin: Unmittelbarer Rechtsschutz von Gemeinden gegen Raumordnungspläne, in: DÖV 2003, S. 349–358.

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Kment, Martin: Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz von Gemeinden gegen Raumordnungspläne, in: DVBl. 2004, S. 214–227. Kment, Martin: Das Gebot interkommunaler Abstimmung als Abwehrrecht – zur Problematik des neuen § 2 Abs. 2 BauGB –, in: UPR 2005, S. 95–99. Kment, Martin: Die Bedeutung raumordnungsrechtlicher Zielfestlegungen im Rahmen des § 2 II 2 BauGB, in: NVwZ 2007, S. 996–1002. Knapp, Viktor: Einige Fragen der Legaldefinitionen, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 66 (1980), S. 511–533. Knauff, Matthias: Globale Kommunalwirtschaft?, in: VR 2005, S. 145–152. Knemeyer, Franz-Ludwig: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: Albert v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft. Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Christoph von Unruh, 1983, S. 209–226. Knemeyer, Franz-Ludwig: Das verfassungsrechtliche Verhältnis der Kommunen zueinander und zum Staat, in: DVBl. 1984, S. 23–29. Knemeyer, Franz-Ludwig: Kommunale Gebietsreformen in den neuen Bundesländern, in: LKV 1992, S. 177–182. Knemeyer, Franz-Ludwig: Die Staatsaufsicht über die Gemeinden und Kreise (Kommunalaufsicht), in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 12 (S. 217–243). Knemeyer, Franz-Ludwig / Wehr, Matthias: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Verw­ Arch 92 (2001), S. 317–343. Knies, Wolfgang: Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967. Koch, Hans-Joachim: Das Abwägungsgebot im Planungsrecht – Einige Bemerkungen zur Intensität verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, veranlaßt durch BVerwG, Urteil vom 21. 8. 1981 –, in: DVBl. 1983, S. 1125–1133. Koch, Hans-Joachim: Die normtheoretische Basis der Abwägung, in: Wilfried Erbguth u. a. (Hrsg.), Abwägung im Recht. Symposium und Verabschiedung von Werner Hoppe am 30. Juni 1995 in Münster aus Anlaß seiner Emeritierung, 1996, S. 9–24. Koch, Hans-Joachim: Die Rechtfertigung der Planung zwischen planerischer Gestaltungsfreiheit und rechtsstaatlichem Abwägungsgebot, in: ders. / Reinhard Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 17 (S. 357–395). Koch, Hans-Joachim: Die Rechtswirksamkeit von Bauleitplänen, in: ders. / Reinhard Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 18 (­ S. 396–422). Koch, Hans-Joachim / Rüßmann, Helmut: Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in Grundprobleme der Rechtswissenschaft, 1982. Koch, Manfred: Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik, 1992.

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Koch, Thorsten: Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen. Zur Rekonstruktion der Grundrechte als Abwehrrechte, 2000. Koehler, Matthias: Die Reform des Gemeindewirtschaftsrechts in Nordrhein-Westfalen – zu Inhalt und Verfassungsmäßigkeit des § 107 GO NW n. F., in: VR 2000, S. 44–49. Köhler, Helmut: Das neue kommunale Unternehmensrecht in Bayern, in: BayVBl. 2000, S. 1–12. Köhler, Klaus: Die Beschränkungen des Wirkungsbereiches der kommunalen Sparkassen durch die horizontale und vertikale Kommunalgliederung in Nordrhein-Westfalen. Zum Regional- und Subsidiaritätsprinzip im Sparkassenrecht, 1969. Köhler, Ludwig v.: Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts seit der Revolution in Württemberg, Baden und Hessen, in: VVDStRL 2 (1925), S. 181–222. Kolm, Dominik: Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip. Möglichkeiten und Grenzen des Wettbewerbs kommunaler Sparkassen, 2011. Kopf, Hannes: Die interkommunale Abstimmung bei Großprojekten – am Beispiel des Einzelhandels, in: LKRZ 2010, S. 167–171. Kopp, Ferdinand O[tto]: Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 1. Aufl. 1974. Kopp, Ferdinand O[tto]: Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 4. Aufl. 1979. Kopp, Ferdinand O[tto]: Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 5. Aufl. 1981. Kopp, Ferdinand O[tto]/Schenke, Wolf-Rüdiger: Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 1998. Korinek, Karl: Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, in: VVD­ StRL 39 (1981), S. 7–52. Korinek, Karl: Redebeitrag in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand, in: VVD­ StRL 39 (1981), S. 168. Korioth, Stefan: s. v. Föderalismus, in: Werner Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon. Neuausgabe, 2006, Sp. 596–600. Köttgen, Arnold: Die Krise der kommunalen Selbstverwaltung, 1931. Kramer, Urs (Hrsg.): Allgemeines Eisenbahngesetz, 2012. Krausnick, Daniel: Factory-Outlet-Center – Erfolgsmodell des Einzelhandels ohne bauplanungsrechtliche Zukunft? –, in: VerwArch 96 (2005), S. 191–212. Krebs, Walter: Verwaltungsorganisation, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 108 (S. 457–519). Kriener, Georg: Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage, in: BayVBl. 1984, S. 97–103. Krisor-Wietfeld, Katharina: Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung – insbesondere zu öffentlichen Foren als Rahmenbedingung der Versammlungsfreiheit, 2016. Kröger, Klaus: Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Grundrechtsträger, in: JuS 1981, S. 26–29.

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Kühling, Jürgen: Verfassungs- und kommunalrechtliche Probleme grenzüberschreitender Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden, in: NJW 2001, S. 177–182. Kuhlmann, Christoph: Die öffentliche Begründung politischen Handelns. Zur Argumentationsrationalität in der politischen Massenkommunikation, 1999. Kühne, Jörg-Detlef: Zur Kernbereichsbestimmung bei der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, in: Götz Frank / Heinrich-Wilhelm Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde. Verfassung, Planung, Wirtschaft und das kommunale Selbstverwaltungsrecht. Festschrift zum 70. Geburtstag von Heiko Faber, 2007, S. 35–56. Kulick, Andreas: Horizontalwirkung im Vergleich. Ein Plädoyer für die Geltung der Grundrechte zwischen Privaten, 2020. Kuschnerus, Ulrich: Das interkommunale Abstimmungsgebot in der Rechtsprechung, in: Hans D[ieter] Jarass (Hrsg.), Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung. Symposium des Zentralinstituts für Raumplanung am 26. September 2003 in Münster, 2003, S. 1–18. Ladeur, Karl-Heinz: Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik. Plädoyer für eine Erneuerung der liberalen Grundrechtstheorie, 2004. Lagodny, Otto: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte. Die Ermächtigung zum strafrechtlichen Vorwurf im Lichte der Grundrechtsdogmatik dargestellt am Beispiel der Vorfeldkriminalisierung, 1996. Lange, Klaus: Die öffentlichrechtliche Anstalt, in: VVDStRL 44 (1986), S. 169–210. Lange, Klaus: Orientierungsverluste im Kommunalrecht: Wer verantwortet was?, in: DÖV 2007, S. 820–826. Lange, Klaus: Das Konnexitätsprinzip und die kommunale Verfassungsbeschwerde gegen gesetzgeberisches Unterlassen, in: DÖV 2014, S. 793–799. Lange, Klaus: Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019. Langner, Mirjam Vanessa: Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2008. Leder, Martin: Kohärenz und Wirksamkeit des kommunalen Wirtschaftsrechts im wett­ bewerbsrechtlichen Umfeld – Probleme und Lösungen unter Einschluss der Rechtsfigur „Wettbewerbsunternehmen“ –, in: DÖV 2008, S. 173–183. Leisner, Walter: Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung. Betrachtungen zur möglichen selbstständigen Begrifflichkeit im Verfassungsrecht, 1964. Leisner, Wolfgang: Die Gesetzmäßigkeit der Verfassung, in: JZ 1964, S. 201–206. Leisner, Walter: „Abwägung überall“ – Gefahren für den Rechtsstaat, in: NJW 1997, S. 636– 639. Leisner, Walter: Der Abwägungsstaat. Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit?, 1997. Lembke, Ulrike: Einheit aus Erkenntnis? Zur Unzulässigkeit der verfassungskonformen Gesetzesauslegung als Methode der Normkompatibilisierung durch Interpretation, 2009. Lennartz, Jannis: Dogmatik als Methode, 2017.

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Lenz, Stefan: Kommunalverwaltung und Demokratieprinzip, 2020. Lepsius, Oliver: Themen einer Rechtswissenschaftstheorie, in: Matthias Jestaedt / ders. (Hrsg.), Rechtswissenschaftstheorie, 2008, S. 1–49. Lepsius, Oliver: Die maßstabssetzende Gewalt, in: Matthias Jestaedt u. a., Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren Bundesverfassungsgericht, 2011, S. 159– 279. Lepsius, Oliver: Kritik der Dogmatik, in: Gregor Kirchhof / Stefan Magen / Karsten Schneider (Hrsg.), Was weiß Dogmatik? Was leistet und wie steuert die Dogmatik des Öffentlichen Rechts?, 2012, S. 39–62. Lepsius, Oliver: s. v. Abwägung, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. I, 8. Aufl. 2017, Sp. 39–44. Lepsius, Oliver: Gesetzesstruktur im Wandel. Teil 1: Strukturmerkmale der Kodifikation, in: JuS 2019, S. 14–17. Lepsius, Oliver: Gesetzesstruktur im Wandel. Teil 2: Strukturmerkmale delegierter Rechtserzeugung, in: JuS 2019, S. 123–128. Lerche, Peter: Grenzen der Wehrfähigkeit kommunaler Planungshoheit, in: Theodor Maunz (Hrsg.), Verwaltung und Rechtsbindung. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, 1979, S. 223–237. Lerche, Peter: Übermaß und Verfassungsrecht. Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit, 1961. Lerche, Peter: Grundrechtswirkungen im Privatrecht, Einheit der Rechtsordnung und materielle Verfassung, in: Reinhard Böttcher / Götz Hueck / Burkhard Jähnke (Hrsg.), Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag am 17. Juli 1996, 1996, S. 215–232. Lerche, Peter: Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung und Grundrechtseingriff, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 1. Aufl. 1992, § 121 (S. 739–773). Lerche, Peter: Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Peter Badura / Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 2001, S. 333–361. Lindemann, Helena: Kommunale Governance. Die Stadt als Konzept im Völkerrecht, 2014. Lindner, Josef Franz: Rechtswissenschaft als Metaphysik. Das Münchhausenproblem einer Selbstermächtigungswissenschaft, 2017. Lindner, Josef Franz: Bundesverfassung und Landesverfassung. Zugleich ein Beitrag zur sogenannten Bestandteilslehre, in: AöR 143 (2018), S. 437–470. Llewellyn, Karl N[ickerson]: The Bramble Bush. On Our Law and Its Study, New York 1951. Lorenz, Dieter: Zur Problematik des verwaltungsgerichtlichen Insichprozesses, in: AöR 93 (1968), S. 308–340. Loschelder, Wolfgang: Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und gemeindliche Gebiets­ gestaltung, 1976.

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597

Löwer, Wolfgang: Die Stellung der Kommunen im liberalisierten Strommarkt, in: NWVBl. 2000, S. 241–245. Löwer, Wolfgang: Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, in: VVDStRL  60 (2000), S. 416–455. Löwer, Wolfgang: Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 70 (S. 1285–1526). Löwer, Wolfgang: Bundesverfassungstextliche Ergänzungen der Landesverfassungen zur Gewinnung landesverfassungsgerichtlicher Prüfungsmaßstäbe, in: NdsVBl. 2010, S. 138–144. Lübbe-Wolff, Gertrude: Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte. Struktur und Reichweite der Eingriffsdogmatik im Bereich staatlicher Leistungen, 1988. Lück, Dominik: Der Beitrag der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 2014. Lüdde, Jan Stefan: Das Sparkassenrecht der Länder. Bestand und Entwicklung seit 1949, 2010. Lux, Christina: Das neue kommunale Wirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, in: NWVBl. 2000, S. 7–14. Macher, Ludwig: Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens. Zur Aktualisierung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 II), 1971. Magen, Stefan: Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, in: JuS 2006, S. 404–410. Mager, Ute: Einrichtungsgarantien. Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und grundgesetzmäße Neubestimmung einer dogmatischen Figur des Verfassungsrechts, 2003. Mampel, Dietmar: Zum Anspruch Dritter auf bauaufsichtliches Einschreiten, in: DVBl. 1999 S. 1403–1408. Mangoldt, Hermann v. (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018 Mangoldt, Hermann v. (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. II, 7. Aufl. 2018. Mann, Thomas: Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb, in: JZ 2002, S. 819–826. Mann, Thomas: Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Wirtschaftstätigkeit, in: Jörn ­Ipsen (Hrsg.), Unternehmen Kommune? 17. Bad Iburger Gespräche zum Kommunalrecht, 2007, S. 45–72. Mann, Thomas / Elvers, Thorsten: Die Rechtsquellen des Kommunalrechts, in: Thomas Mann /  Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 10 (S. 169–186). Mann, Thomas / Sennekamp, Christoph / Uechtritz, Michael (Hrsg.): Großkommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019. Marco, Martin: Kriterien zur Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots, in: BWGZ 2001, S. 95–97. Martens, Wolfgang: Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969.

598

Schrifttumsverzeichnis

Martini, Mario / Finkenzeller, Xaver: Die Abwägungsfehlerlehre, in: JuS 2012, S. 126–131. Masing, Johannes: Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 7 (S. 437–542). Maunz, Theodor (Begr.): Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Bd. I (Stand: 60. Nachlieferung Juli 2020). Maunz, Theodor (Begr.): Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Bd. II (Stand: 60. Nachlieferung Juli 2020). Maunz, Theodor / Dürig, Günter (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I (Stand: 93. Nachlieferung Oktober 2020). Maunz, Theodor / D ürig, Günter (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. III (Stand: 93. Nachlieferung Oktober 2020). Maunz, Theodor / D ürig, Günter (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. IV (Stand: 93. Nachlieferung Oktober 2020). Maunz, Theodor / D ürig, Günter (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. V (Stand: 93. Nachlieferung Oktober 2020). Maunz, Theodor / D ürig, Günter (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VI (Stand: 93. Nachlieferung Oktober 2020). Maunz, Theodor / Dürig, Günter (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. VII (Stand: 93. Nachlieferung Oktober 2020). Maurer, Hartmut: Rechtsfragen kommunaler Satzungsgebung, in: DÖV 1993, S. 184–194. Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVBl. 1995, S. 1037–1046. Maurer, Hartmut / Waldhoff, Christian: Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020. Mayer, Hubert: Funktional- und Gebietsreform in den Bundesländern – Chancen und Risiken für die kommunale Selbstverwaltung, in: DVBl. 2007, S. 78–87. Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 1924. Mayer-Maly, Theo: Über die der Rechtswissenschaft und richterlichen Rechtsfortbildung gezogenen Grenzen, in: JZ 1986, S. 557–563. Mehlhaf, Eugen: Kommunen im Finanzausgleich des Grundgesetzes, 2017. Meißner, Andreas: Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), 1990. Meissner, Claus: Die Novellierung des Verwaltungsprozeßrechts durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung. Analyse und Konsequenzen für die Praxis, in: VBlBW 1997, S. 81–88. Menzel, Jörg: Landesverfassungsrecht. Verfassungshoheit und Homogenität im grundgesetzlichen Bundesstaat, 2002. Merkel, Marcus: Die Gerichtskontrolle der Abwägung im Bauplanungsrecht, insbesondere nach der Neuregelung der §§ 2 III und 214 BauGB durch das EAG Bau, 2012.

Schrifttumsverzeichnis

599

Merkl, Adolf Julius: Das Recht im Lichte seiner Anwendung. Recht und Wissenschaft vom Recht (1917), in: Dorothea Mayer-Maly / Herbert Schambeck / Wolf-Dietrich Grussmann (Hrsg.), Adolf Julius Merkl. Gesammelte Schriften, Bd. I/1, 1993, S. 85–146. Merkl, Adolf [Julius]: Das doppelte Rechtsantlitz. Ein Beitrag aus der Erkenntnistheorie des Rechts (1918), in: Hans Klecatsky / René Marcic / Herbert Schambeck (Hrsg.), Die Wiener rechtstheoretische Schule. Schriften von Hans Kelsen, Adolf Merkl, Alfred Verdross, 1968, Bd. I, S. 1091–1113. Merkl, Adolf Julius: Die Lehre von der Rechtskraft. Entwickelt aus dem Rechtsbegriff, eine rechtstheoretische Untersuchung, 1923. Merkl, Adolf [Julius]: Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927. Merkl, Adolf Julius: Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaues (1931), in: ­Dorothea Mayer-Maly / Herbert Schambeck / Wolf-Dietrich Grussmann (Hrsg.), Adolf ­Julius Merkl. Gesammelte Schriften, Bd. I/1, 1993, S. 437–492. Merten, Detlef: Sparkassenrechtliches Regionalprinzip und kommunale Neugliederung, in: DVBl. 1983, S. 1140–1144. Merten, Detlef: Grundrechtliche Schutzpflichten und Untermaßverbot, in: Klaus Stern / K laus Grupp (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Joachim Burmeister, 2005, S. 227–243. Merten, Detlef: Grundrechtlicher Schutzbereich, in: ders. / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 56 (S. 3–85). Merten, Detlef: Immanente Grenzen und verfassungsunmittelbare Schranken, in: ders. / HansJürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 60 (S. 201–256). Merten, Detlef: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, in: ders. / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 68 (S. 517–567). Meßerschmidt, Klaus: Gesetzgebungsermessen, 2000. Meyer, Hubert: Nichtwirtschaftliche Betätigung der Kommunen: Spiel ohne Grenzen?, in: LKV 2000, S. 321–324. Meyer, Hubert: Aktuelle Entfaltungen kommunaler Einflussmöglichkeiten im bundesdeutschen Verfassungsrecht, in: Utz Schliesky / Christian Ernst / Sönke E[ ] Schulz (Hrsg.), Die Freiheit des Menschen in Kommune, Staat und Europa. Festschrift für Edzard SchmidtJortzig, 2011, S. 113–132. Meyer, Werner: Kommunalwirtschaftsrecht und kommunale Handwerkstätigkeiten, in: WiVerw 2003, S. 57–98. Meyn, Karl-Ulrich: Gesetzesvorbehalt und Rechtssetzungsbefugnis der Gemeinden, 1977. Michael, Lothar: Methodenfragen der Abwägungslehre. Eine Problemskizze im Lichte von Rechtsphilosophie und Rechtsdogmatik, in: JöR 48 (2000), S. 169–203. Michael, Lothar: s. v. Verhältnismäßigkeit, in: Werner Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon. Neuausgabe, 2006, Sp. 2571–2577. Michaels, Sascha: Unzulässigkeit einer Kommunalverfassungsbeschwerde gegen die Rechtsprechung des BGH zum Verbot einer direkten Übernahme örtlicher Energieverteilnetze ohne vorherige Ausschreibung, in: IR 2017, S. 6–7.

600

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Michl, Fabian: Die Bedeutung der Grundrechte im Privatrecht, in: JURA 2017, S. 1062–1076. Michl, Fabian: Situativ staatsgleiche Grundrechtsbindung privater Akteure. Zugleich Besprechung von BVerfG, Beschluss vom 11. 4. 2018 – 1 BvR 3080/09, in: JZ 2018, S. 910–918. Michl, Fabian: Unionsgrundrechte aus der Hand des Gesetzgebers, 2018. Moench, Christoph / Sander, Wolfram: Die Planung und Zulassung von Factory Outlet Centern, in: NVwZ 1999, S. 337–345. Möllers, Thomas M[ ] J[ ]: Juristische Methodenlehre, 2017. Moraing, Markus: Kommunales Wirtschaftsrecht vor dem Hintergrund der Liberalisierung der Märkte – Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten aus Sicht der Kommunalwirtschaft –, in: WiVerw 1998, S. 233–263. Möstl, Markus: Landesverfassungsrecht  – zum Schattendasein verurteilt? Eine Positions­ bestimmung im bundesstaatlichen und supranationalen Verfassungsverbund, in: AöR 130 (2005), S. 350–391. Mückl, Stefan: Kommunale Verfassungsbeschwerde, in: Dirk Ehlers / Friedrich Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 14 (S. 343–361). Müller, Friedrich / Pieroth, Bodo / Fohmann, Lothar: Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie. [U]ntersucht an der staatlichen Förderung Freier Schulen, 1982. Müller, Martin: Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Kommunen zwischen Grundgesetz und Kommunalverfassungsrecht, in: NVwZ 2000, S. 769–772. Müller-Franken, Sebastian: Bindung Privater an Grundrechte? Zur Wirkung der Grundrechte auf Privatrechtsbeziehungen, in: Steffen Detterbeck / Jochen Rozek / Christian v.  Coelln (Hrsg.), Recht als Medium der Staatlichkeit. Festschrift für Herbert Bethge zum 70. Geburtstag, 2009, S. 223–250. Münch, Ingo v.: Die Drittwirkung von Grundrechten in Deutschland, in: ders. / Pablo ­Salvador Coderch / Josep Ferrer i Riba (Hrsg.), Zur Drittwirkung der Grundrechte, 1998, S. 7–31. Münch, Ingo v. / Kunig, Philip (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz, Bd. I, 6. Aufl. 2012. Munzinger Online / Duden: s. v. wahren, in: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl. 2012, abrufbar unter: www.munzinger.de/search/document?index=duden-dd& id=DD00010169&type=text/html&query.key=gNv7zbqz&template=/publikationen/duden/ document.jsp#DD0000182074 (zuletzt abgerufen am 21. 11. 2020). Murswiek, Dietrich: Die staatliche Verantwortung für Risiken und Technik. Verfassungsrechtliche Grundlagen und immissionsschutzrechtliche Ausformung, 1985. Murswiek, Dietrich: Zur Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflichten für den Umweltschutz, in: WiVerw 1986, S. 179–204. Murswiek, Dietrich: Zu den Grenzen der Abänderbarkeit von Grundrechten, in: Detlef Merten /  Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 28 (S. 157–219). Murswiek, Dietrich: Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte, in: Josef Isensee /  Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 192 (S. 569–619).

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601

Mutius, Albert v.: Sind weitere rechtliche Maßnahmen zu empfehlen, um den notwendigen Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung zu gewährleisten?, Gutachten E zum 53. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des dreiundfünfzigsten Deutschen Juristentages, Bd. I, 1980. Mutius, Albert v.: Status und Organisation, in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 105 A. (S. 453–477). Nierhaus, Michael: Sparkassen und kommunale Gebietsreform, in: ­­VerwArch 67 (1976), S. 267–287. Nierhaus, Michael: Zur kommunalen Bindung und Aufgabenstellung der Sparkassen, in: DÖV 1984, S. 662–671. Nierhaus, Michael: Verfassungsrechtlicher Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, in: LKV 2005, S. 1–7. Nierhaus, Michael: Einführung. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Kreisgebietsreformen, in: Christiane Büchner / Jochen Franzke / ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Anforderungen an Kreisgebietsreformen. Zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, 2008, S. 7–12. Nierhaus, Michael: Selbstverwaltungsgarantie und wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. II, 3. Aufl. 2011, § 40 (S. 35–56). Nierhaus, Michael / Stern, Klaus: Regionalprinzip und Sparkassenhoheit im europäischen Bankenbinnenmarkt, 1992. Nipperdey, Hans Carl (Hrsg.): Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung. Kommentar zum zweiten Teil der Reichsverfassung, Bd. II, 1930. Nipperdey, Hans Carl: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Ein Lehrbuch, Bd. I, 15. Aufl. 1959. Nipperdey, Hans Carl: Tatbestandsaufbau und Systematik der deliktischen Grundtat­bestände – Zum „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrecht­licher Vorschriften“, in: NJW 1967, S. 1985–1994. Nobbe, Gerd: Garantie und sonstige Mithaftung, in: Herbert Schimansky / Hermann-Josef Bunte / Hans-Jürgen Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2017, § 92 (S. 381–409). Numberger, Ulrich / Schönfeld, Thomas: Neuerungen in der VwGO, in: UPR 1997, S. 89–93. Odewald, Jendrik: Faktische und mittelbare Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit. Eine Untersuchung zu Beeinträchtigungen durch öffentliche Informationen und administrative Begünstigungen von Konkurrenten, 2008. Oebbecke, Janbernd: Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, 1986. Oebbecke, Janbernd: Mehrfachzuständigkeiten in der Verwaltung als Verfassungsproblem, in: Wilfried Küper / Jürgen Welp (Hrsg.), Beiträge zur Rechtswissenschaft. Festschrift für ­Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, 1993, S. 1119–1134.

602

Schrifttumsverzeichnis

Oebbecke, Janbernd: Die unterfinanzierte Kommunalverwaltung, in: Die Verwaltung 29 (1996), S. 323–339. Oebbecke, Janbernd: Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, in: ZHR 164 (2000), S. 375–393. Oebbecke, Janbernd: Der Schutz der kommunalen Aufgabenwahrnehmung durch die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II  GG, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform. Professorengespräch des Deutschen Landkreistages am 16. und 17. März 2000 im Landkreis Kitzingen, 2000, S. 11–30. Oebbecke, Janbernd: Die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit der Gemeinden, in: Wilfried Erbguth u. a. (Hrsg.), Planung. Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, S. 239–252. Oebbecke, Janbernd: Kommunalverfassungsrechtliche Aspekte wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand, in: Maximilian Wallerath (Hrsg.), Kommunen im Wettbewerb. Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, 2001, S. 13–37. Oebbecke, Janbernd: Kommunalaufsicht  – nur Rechtsaufsicht oder mehr?, in: DÖV 2001, S. 406–411. Oebbecke, Janbernd: Kommunale Satzungsgebung und verwaltungsgerichtliche Kontrolle, in: NVwZ 2003, S. 1313–1317. Oebbecke, Janbernd: Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, in: VVDStRL 62 (2003), S. 366–404. Oebbecke, Janbernd: Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, in: Eberhard Schmidt-Aßmann / K laus-Peter Dolde (Hrsg.), Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht: Verfassungsrechtliche Grundlagen, Liberalisierung und Regulierung, öffentliche Unternehmen, 2005, S. 183–201. Oebbecke, Janbernd: s. v. Dezentralisation, Dekonzentration, in: Werner Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon. Neuausgabe, 2006, Sp. 364–368. Oebbecke, Janbernd: Sparkassentätigkeit als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe, in: LKV 2006, S. 145–149. Oebbecke, Janbernd: Interkommunale Zusammenarbeit, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 29 (S. 841–934). Oebbecke, Janbernd: Verwaltungszuständigkeit, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 136 (S. 743–808). Oebbecke, Janbernd: Kommunalrechtliche Voraussetzungen der wirtschaftlichen Betätigung, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. II, 3. Aufl. 2011, § 41 (S. 59–74). Oebbecke, Janbernd: Materielle Verfassungsmäßigkeit kommunaler Gebietsreformen, in: Veith Mehde / Ulrich Ramsauer / Margrit Seckelmann (Hrsg.), Staat, Verwaltung, Information. Festschrift für Hans Peter Bull zum 75. Geburtstag, 2011, S. 715–728.

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603

Oebbecke, Janbernd: Anmerkung zur Entscheidung des HessStGH, Urt. v.  21. 5. 2013  – P.St 2361, in: NVwZ 2013, S. 1156–1157. Oebbecke, Janbernd: Öffentlicher Zweck und öffentlicher Auftrag, in: Martin Kment (Hrsg.), Das Zusammenwirken von deutschem und europäischem Öffentlichen Recht. Festschrift für Hans D. Jarass zum 70. Geburtstag, 2015, S. 572–585. Oebbecke, Janbernd: Rechtsprechungsanalyse Kommunalaufsicht, in: Die Verwaltung 48 (2015), S. 233–257. Oebbecke, Janbernd: Grundlagen, in: Josef Christ / ders. (Hrsg.), Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, S. 1–40. Oebbecke, Janbernd: Minimierung politischer Kosten durch Verwaltungsrecht, in: DÖV 2017, S. 749–755. Oebbecke, Janbernd: Die Aufsicht der Länder über den kommunalen Vollzug der Grund­ sicherung, in: DVBl. 2019, S. 1–8. Oebbecke, Janbernd: Die kommunalen Versorgungs- und Verkehrsbetriebe im Kommunalwirtschaftsrecht. Eine Untersuchung am Beispiel Nordrhein-Westfalen, in: der gemeindehaushalt 2019, S. 217–227. Ogorek, Markus: Die Anfechtung von Planfeststellungsbeschlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, in: NVwZ 2010, S. 401–405. Oldiges, Martin: Baurecht, in: Udo Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 375–575. Ortwin, Philipp: Zum Normenkontrollantrag gegen Bebauungspläne von Nachbargemeinden unter besonderer Berücksichtigung von Einzelhandelsvorhaben, in: DVBl. 2016, S. 821– 829. Ossenbühl, Fritz: Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jähigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I, 1976, S. 458–518. Ossenbühl, Fritz: Grundfragen zum Rechtsstatus der Freien Sparkassen, 1979. Ossenbühl, Fritz: Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, in: NVwZ 1982, S. 465–472. Ossenbühl, Fritz: 40 Jahre Bundesverwaltungsgericht. Bewahrung und Fortentwicklung des Rechtsstaates. Festvortrag, in: DVBl. 1993, S. 753–762. Ossenbühl, Fritz: Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit? [D]argestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung, Gutachten B für den 50. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des fünfzigsten Deutschen Juristentages, Bd. II, 2002. Ossenbühl, Fritz: Gesetz und Recht  – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 100 (S. 135–181).

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Ossenbühl, Fritz / Cornils, Matthias: Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013. Otting, Olaf: Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, 1997. Otting, Olaf: Factory Outlet Center und interkommunales Abstimmungsgebot, in: DVBl. 1999, S. 595–598. Otto, Christian: Die Grenzen gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung, 2001. Özdemir, Fatoş: Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau, 2009. Pache, Eckhard: Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum. Zur Einheitlichkeit administrativer Entscheidungsfreiräume und zu deren Konsequenzen im verwaltungs­ gerichtlichen Verfahren – Versuch einer Modernisierung, 2001. Pamp, Rüdiger: Erscheinungsformen, in: Herbert Schimansky / Hermann-Josef Bunte / HansJürgen Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2017, § 75 (S. 2446–2456). Papier, Hans-Jürgen: Interkommunale Kompetenzkonflikte, in: DVBl. 1984, S. 453–457. Papier, Hans-Jürgen: Normenkontrolle (§ 47 VwGO), in: Hans-Uwe  Erichsen / ders. / Albert v.  Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, 1985, S. 517–534. Papier, Hans-Jürgen: Drittwirkung der Grundrechte, in: Detlef Merten / ders. (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 55 (S. 1331–1361). Papier, Hans-Jürgen: Vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, in: Detlef Merten / ders. (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 64 (S. 365–404). Pappermann, Ernst: Das zwischengemeindliche Nachbarrecht – BVerwGE 40, 323, in: JuS 1973, S. 689–697. Pappermann, Ernst: Die Zielrichtung der Selbstverwaltungsgarantie, in: DVBl. 1976, S. 766– 769. Pappermann, Ernst: Funktionalreform auf der Kreisebene und im kreisangehörigen Raum, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Tagungsbericht Funktionalreform in Nordrhein-Westfalen, 1977, S. 213–226. Pappermann, Ernst / Roters, Wolfgang / Vesper, Emil: Maßstäbe für die Funktionalreform im Kreis, 1976. Pautsch, Arne / Hoffmann, Lutz (Hrsg.): Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2021. Payandeh, Mehrdad: Judikative Rechtserzeugung. Theorie, Dogmatik und Methodik der Wirkung von Präjudizen, 2017. Peine, Franz-Joseph: Der Grundrechtseingriff, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 57 (S. 87–111). Pestalozza, Christian: Die Sicherung des Selbstverwaltungsrechts in der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Albert v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft. Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Christoph von Unruh, 1983, S. 1057–1075.

Schrifttumsverzeichnis

605

Peter, Markus: Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommu­ nale Selbstverwaltungsgarantie – im Kontext europäischer Integration –, Bd. I und II, 2012. Peters, Hans: Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung in Preussen. Ein Beitrag zur Lehre vom Verhältnis zu Staat und Reich, 1926. Petersen, Niels: Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle. Eine rechtsempirische Studie verfassungsrechtlicher Rechtsprechung zu den Freiheitsrechten, 2015. Petit, Marc: Der kommunale Mindestausstattungsanspruch im Verfassungsrecht von Bund und Ländern, 2020. Pfeifer, Wolfgang u. a. (Hrsg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 1993, digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, s. v. gewährleisten, abrufbar unter: www.dwds.de/wb/gewährleisten (zuletzt abgerufen am 21. 11. 2020). Pfetsch, Frank R[ ]: Einleitung: Konflikt und Konfliktbewältigung, in: ders. (Hrsg.), Konflikt, 2005, S. 1–17. Pielow, Johann-Christian: Gemeindewirtschaft im Gegenwind? – Zu den rechtlichen Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme am Beispiel der Telekommunikation –, in: NWVBl. 1999, S. 369–380. Pieroth, Bodo: Was bedeutet „Gesetz“ in der Verfassung?, in: JURA 2013, S. 248–254. Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard u. a.: Grundrechte. Staatsrecht II, 31. Aufl. 2015. Pitschas, Rainer: Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren – Strukturprobleme, Funktionsbedingungen und Entwicklungsperspektiven eines konsensualen Verwaltungsrechts –, 1990. Pitschas, Rainer: Maßstäbe des Verwaltungshandelns, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / A ndreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 2012, § 42 (S. 1689–1811). Pöcker, Markus: Stasis und Wandel der Rechtsdogmatik. Von der rationalistischen Rechtsvorstellung zu einer rechtstheoretisch angeleiteten Dogmatik des Öffentlichen Rechts, 2007. Poetzsch-Heffter, Fritz: Handkommentar der Reichsverfassung vom 11. August 1919. Ein Handbuch für Verfassungsrecht und Verfassungspolitik, 3. Aufl. 1928. Poscher, Ralf: Grundrechte als Abwehrrechte. Reflexive Regelung rechtlich geordneter Freiheit, 2003. Poscher, Ralf: Funktionenordnung des Grundgesetzes, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 8 (S. 543–584). Posser, Herbert / Wolff, Heinrich Amadeus (Hrsg.): BeckOK zur VwGO (Stand: 55. Edition Oktober 2019). Preu, Peter: Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichen Drittschutzes, 1992. Pünder, Hermann: Verwaltungsverfahren, in: Dirk Ehlers / ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 13 (S. 405–436).

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Schrifttumsverzeichnis

Püttner, Günter: Die Rechtsformen kommunaler Unternehmen. Überblick über die Rechtsformen, in: ders. (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 95 A. (S. 119–127). Püttner, Günter: Diskussionsbeitrag zum Referat von Werner Hoppe, in: Klaus Grupp / Michael Ronellenfitsch (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung in Deutschland und Europa. Symposium zum 65. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr. Willi Blümel, 1995, S. 91–92. Püttner, Günter: Kommunale Selbstverwaltung, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 144 (S. 1141–1172). Raabe, Marius: Grundrechte und Erkenntnis. Der Einschätzungsspielraum des Gesetz­gebers, 1998. Raskin, Peter: Das Regionalprinzip und (neue) elektronische Vertriebswege im Retailbanking, 2001. Reck, Hans-Joachim: Kommunale Unternehmen brauchen fairen Zugang zu Markt und Wettbewerb, in: DVBl. 2009, S. 1546–1554. Redeker, Konrad: Entwicklungen und Probleme verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, in: Norbert Achterberg / Werner Krawietz / Dieter Wyduckel (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel. Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 80. Geburtstag, 1983, S. 861–879. Redeker, Konrad / Oertzen, Hans-Joachim v. (Begr.): Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2014. Rehn, Erich u. a. (Hrsg.): Kommentar zur Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Bd. II (Stand: 44. Ergänzungslieferung November 2016). Reidt, Olaf: Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe in der interkommunalen Abstimmung – Materieller Inhalt und Rechtsschutzmöglichkeiten, in: LKV 1994, S. 93–97. Reimer, Franz: Juristische Methodenlehre, 2016. Reimer, Philipp: Die Unabhängigkeit von Rechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit. Ein Beitrag zur Lehre vom Fehlerkalkül, in: Rechtstheorie 45 (2014), S. 383–414. Remmert, Barbara: Zur Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 im Land und für das Land Berlin, in: LKV 2004, S. 341–345. Rengeling, Hans-Werner: Gesetzgebungszuständigkeiten, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 (S. 567–741). Ress, Georg: Partieller Abschied von der Schutznormlehre durch Völkerrecht und Europarecht, in: Werner Meng / ders. / Torsten Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung. Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, 2010, S. 449–458. Richter, Gerd-Jürgen: Verfassungsprobleme der kommunalen Funktionalreform – zur dogmatischen Einordnung des Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz –, 1977. Riehm, Thomas: Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung. Argumentation – Beweis – Wertung, 2006.

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Ritgen, Klaus: Aufgabenverteilung im kreisangehörigen Raum. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schulnetzplanung (BVerfGE 138, 1 ff.) auf dem Prüfstand, in: ZG 31 (2016), S. 263–284. Ritgen, Klaus: Das Recht der kommunalen Selbstverwaltung in den Verfassungsräumen von Bund und Ländern, in: NVwZ 2018, S. 114–119. Ritgen, Klaus: Verwaltungsrecht und Politik, in: Wolfgang Kahl / Ute Mager (Hrsg.), Verwaltungsrechtswissenschaft und Verwaltungsrechtspraxis, 2019, S. 309–350. Robbers, Gerhard: s. v. Satzung, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. IV, 7. Aufl. 1988, Sp. 1001–1002. Robbers, Gerhard: Für ein neues Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit. Möglichkeit und Inhalt von „Formeln“ zur Bestimmung von verfassungsgerichtlicher Kompetenzweite, in: NJW 1998, S. 935–941. Röhl, Hans Christian / Röhl, Klaus Friedrich: Allgemeine Rechtslehre. Ein Lehrbuch, 3. Aufl. 2008. Ronellenfitsch, Michael: Rechtsfolgen fehlerhafter Planung, in: NVwZ 1999, S. 583–590. Ronellenfitsch, Michael / Stein, Antonia: Kommunalrechtlicher Begriff der privatwirtschaftlichen Betätigung, in: Werner Hoppe / Michael Uechtritz (Hrsg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2004, § 4 (S. 43–49). Roßbach, Matthias / Wischmeyer, Thomas: Grundrechtsschutz durch Organisation: Das erste Fernsehurteil und das Hochschulurteil, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Vorbereiter – Nachbereiter? Studien zum Verhältnis von Verfassungsrechtsprechung und Verfassungsrechtswissenschaft, 2019, S. 193–259. Rost-Haigis, Barbara / Hohmann, Frank-Peter: Auswirkungen der Gebietsreform auf das Sparkassenwesen, 1981. Roth, Wolfgang: Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum. Struktur und Dogmatik des Grundrechtstatbestandes und der Eingriffsrechtfertigung, 1994. Roth, Wolfgang: Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten. Das subjektive Recht im innerorganisatorischen Verwaltungsrechtskreis und seine verwaltungsgerichtliche Geltend­ machung, 2001. Rothardt, Jochen: Die Sparkassen in der kommunalen Gebietsreform, 1972. Rubel, Rüdiger: Planungsermessen. Norm- und Begründungsstruktur, 1982. Rückert, Joachim: Abwägung – die juristische Karriere eines unjuristischen Begriffs oder: Normstrenge und Abwägung im Funktionswandel, in: JZ 2011, S. 913–923. Rudloff, Wilfried: Die kommunale Selbstverwaltung in der Weimarer Zeit, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 6 (S. 93–118). Ruffert, Matthias: Kommunalwirtschaft und Landes-Wirtschaftsverfassung, in: NVwZ 2000, S. 763–765. Ruffert, Matthias: Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung zur Privatrechtsentwicklung des Grundgesetzes, 2001.

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Rüfner, Wolfgang: Grundrechtsadressaten, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 197 (S. 793– 842). Rüfner, Wolfgang: Leistungsrechte, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 40 (S. 697–708). Rühl, Bruno: s. v. Kommunale Bindung, in: Deutscher Sparkassenverlag (Hrsg.), Handwörterbuch der Sparkassen, Bd. II, 1982, S. 469–476. Rümker, Dietrich / Winterfeld, Jörn: Rechtliche Ordnung des übrigen Bankenwesens, in: ­Herbert Schimansky / Hermann-Josef Bunte / Hans-Jürgen Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2017, § 124 (S. 2496–2534). Rupp, Hans Heinrich: Anmerkung zur Entscheidung des HessVGH, Beschl. v. 06. 11. 1989 – 8 TH 685/89, in: JZ 1990, S. 91–92. Rupp, Hans Heinrich: Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 31 (S. 879–927). Rüßmann, Helmut: Die Bindungswirkung rechtskräftiger Unterlassungsurteile, in: Hanns Prütting / ders. (Hrsg.), Verfahrensrechte am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, 1997, S. 675–699. Rusteberg, Benjamin: Der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt. Eine veränderte Perspektive auf die Grundrechtsdogmatik durch präzise Schutzbereichsbestimmung, 2009. Rüthers, Bernd / Fischer, Christian / Birk, Axel: Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 11. Aufl. 2020. Sachs, Michael (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl. 2018. Sachs, Michael: Abwehrrechte, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 39 (S. 655–676). Säcker, Franz Jürgen u. a. (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, 8. Aufl. 2019. Säcker, Franz Jürgen u. a. (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. VII, 8. Aufl. 2020. Säcker, Franz Jürgen u. a. (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. VIII, 8. Aufl. 2020. Sander, Wolfram: Die Kollision von Fernstraßenplanung und gemeindlicher Siedlungstätigkeit im Lichte der landesplanerischen Vorgaben, in: UPR 1997, S. 279–284. Schaefer, Olaf: Energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen. Eine Literaturstudie der Kommunen im einem liberalisierten Energiemarkt, 1999. Schäfer, Hans: Die Verfassungsbeschwerde der Gemeinden und Gemeindeverbände, in: DÖV 1951, S. 572–576. Schäffer, Heinz: Verfassungsinterpretation in Österreich. Eine kritische Bestandsaufnahme, 1971.

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Scharpf, Christian: Rechtsprobleme der Gebietsüberschreitung – Kommunale Unternehmen extra muros?, in: NVwZ 2005, S. 148–153. Scheidler, Alfred: Der städtebauliche Schutz zentraler Versorgungsbereiche, in: V ­ erwArch 105 (2014), S. 388–409. Schenke, Wolf-Rüdiger: Anmerkung zu OVG NRW, Urt. v. 23. 1. 1997 – 7 a 70.93, in: DVBl. 1997, S. 853–855. Schenke, Wolf-Rüdiger: Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 VwGO, in: AöR 131 (2006), S. 117–141. Schenke, Wolf-Rüdiger: Der Rechtsschutz von Nachbargemeinden im Bauplanungsrecht, Teil I und Teil II, in: ­VerwArch 98 (2007), S. 448–471 und S. 561–586. Schenke, Wolf-Rüdiger: Rechtsschutz gegen Flächennutzungspläne, in: NVwZ 2007, S. 134– 144. Schenke, Wolf-Rüdiger (Hrsg.): Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Aufl. 2019. Schepers, Volker: Internet-Banking und sparkassenrechtliches Regionalprinzip, 2003. Scheps, Carolina: Das Örtlichkeitsprinzip im kommunalen Wirtschaftsrecht. Rechtliche Determinanten des räumlichen Wirkungskreises kommunaler Unternehmen, 2006. Scherer de Mello Aleixo, Pedro: Verantwortbares Richterrecht. Eine rechtstheoretische und methodenkritische Untersuchung, 2014. Scherzberg, Arno: Subjektiv-öffentliche Rechte, in: Dirk Ehlers / Hermann Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 12 (S. 374–404). Schiller, Gernot: N. N., in: Christian-Dietrich Bracher / Olaf Reidt / ders. (Hrsg.), Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014. Schink, Alexander: Kommunale Selbstverwaltung im kreisangehörigen Raum – Verfassungsrechtliche Determinanten für Zuständigkeitsdispositionen zwischen Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden, in: ­VerwArch 81 (1990), S. 385–414. Schink, Alexander: Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, in: NVwZ 2002, S. 129–140. Schlacke, Sabine: Überindividueller Rechtsschutz. Phänomenologie und Systematik überindividueller Klagebefugnisse im Verwaltungs- und Gemeinschaftsrecht, insbesondere am Beispiel des Umweltrechts, 2008. Schlag, Pierre: How to Do Things with Hohfeld, in: Law and Contemporary Problems 78 (2015), S. 185–234. Schlaich, Klaus: Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, in: VVD­ StRL 39 (1981), S. 99–146. Schlaich, Klaus / Korioth, Stefan: Das Bundesverfassungsgericht. Ein Studienbuch, 11. Aufl. 2018. Schlierbach, Helmut / Püttner, Günter: Das Sparkassenrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. 2003.

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Schrifttumsverzeichnis

Schlink, Bernhard: Abwägung im Verfassungsrecht, 1976. Schlink, Bernhard: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: Peter Badura / Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 445–465. Schmahl, Stefanie: Die brandenburgische Gemeindegebietsreform auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, in: DVBl. 2003, S. 1300–1309. Schmehl, Arndt: Zur Bestimmung des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung, in: BayVBl. 2006, S. 325–329. Schmid, Ludwig: Die Auslegung gesetzlicher Auslegungsregeln, in: Rechtstheorie 47 (2016), S. 199–216. Schmidt, Dirk: Das Regionalprinzip im Sparkassenwesen, insbesondere die Einrichtung von Zweigstellen der Kreissparkassen im Gewährträgerbereich kreisangehöriger Gemeindenund Amtssparkassen, in: V ­ erwArch 51 (1960), S. 315–342. Schmidt, Dirk: Zum Regional- und Subsidiaritätsprinzip im Sparkassenrecht, in: Sparkasse 1962, S. 181–185. Schmidt, Dirk: Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Sparkassenrecht?, in: Marcus Lutter / Helmut Kollhosser / Winfried Trusen (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag, 1975, S. 837–856. Schmidt, Thorsten Ingo: Kommunale Kooperation. Der Zweckverband als Nukleus des öffentlich-rechtlichen Gesellschaftsrechts, 2005. Schmidt, Thorsten Ingo: Kommunalsteuern, in: Josef Christ / Janbernd Oebbecke (Hrsg.), Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, Abschnitt C. (S. 41–85). Schmidt, Torsten: Schulnetzplanung. Verfassungs-, europa-, völker- und verwaltungsrecht­liche Fragen der räumlichen Planung des Schulwesens dargestellt an der Schulnetzplanung im sächsischen Schulrecht, 2016. Schmidt, Walter: Die „institutionelle Garantie“ der kommunalen Selbstverwaltung und das Grundgesetz. Zur Kritik der tradierten Auslegung des Art. 28  Abs.  2 GG, in: Götz Frank / Heinrich-Wilhelm Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde. Verfassung, Planung, Wirtschaft und das kommunale Selbstverwaltungsrecht. Festschrift zum 70. Geburtstag von Heiko Faber, 2007, S. 17–34. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Gesetzliche Maßnahmen zur Regelung einer praktikablen Stadtentwicklungsplanung – Gesetzgebungskompetenz und Regelungsintensität, in: Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Raumplanung – Entwicklungsplanung. Forschungsberichte des Ausschusses „Recht und Verwaltung“ der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 1972, S. 101–154. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Die kommunale Rechtssetzungsbefugnis, in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 53 B. (S. 182–200). Schmidt-Aßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“ – Funktionen und Dogmatik des Art. 28 Abs. 2 GG in der neueren Rechtsprechung –, in: Everhardt Franßen u. a. (Hrsg.), Bürger – Richter – Staat. Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt, 1991, S. 121–138.

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Schmidt-Aßmann, Eberhard: Grundrechtswirkungen im Verwaltungsrecht, in: Bernd B ­ ender u. a. (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz. Festschrift für ­Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, 1993, S. 225–243. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Peter ­Badura / Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 803–825. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Verfassungsschranken der Kommunalwirtschaft, in: Mathias Habersack u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 1015–1030. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee. Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 2. Aufl. 2006. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Entwicklungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, in: Hans-Günter Henneke / Hubert Meyer (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung zwischen Bewahrung, Bewährung und Entwicklung. Festgabe für Gernot Schlebusch zum 65. Geburtstag, 2006, S. 59–82. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Verwaltungsverfahren, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 109 (S. 521–556). Schmidt-Aßmann, Eberhard: Der Verfahrensgedanke im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / ders. / A ndreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 2012, § 27 (S. 495–555). Schmidt-Aßmann, Eberhard: Verwaltungsrechtliche Dogmatik. Eine Zwischenbilanz zu Entwicklung, Reform und künftigen Aufgaben, 2013. Schmidt-Jortzig, Edzard: Kommunale Organisationshoheit. Staatliche Organisationsgewalt und körperschaftliche Selbstverwaltung, 1979. Schmidt-Jortzig, Edzard: Kommunalrecht, 1982. Schmidt-Jortzig, Edzard: Die Selbstverwaltung von Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden nach der Verfassung, in: DÖV 1984, S. 821–830. Schmidt-Jortzig, Edzard: Gemeinde- und Kreisaufgaben – Funktionsordnung des Kommunalbereichs nach „Rastede“ –, in: DÖV 1993, S. 973–984. Schmidt-Preuß, Matthias: Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht. Das subjektiv öffentliche Recht im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis, 2. Aufl. 2005. Schmidt-Preuß, Matthias: Multipolarität und subjektives öffentliches Recht, in: Otto Depenheuer u. a. (Hrsg.), Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee, 2007, S. 597–611. Schmitt, Carl: Verfassungslehre, 1928. Schmitt, Carl: Die Grundrechte und Grundpflichten des deutschen Volkes, in: Gerhard Anschütz / R ichard Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, § 101 (S. 572–606). Schmitt Glaeser, Walter: Folter als Mittel staatlicher Schutzpflicht?, in: Otto Depenheuer u. a. (Hrsg.), Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee, 2007, S. 507–523.

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Schrifttumsverzeichnis

Schmitz, Holger: Factory-Outlet-Center in der Rechtsprechung  – Der Kaufkraftabzug als Maßstab für eine interkommunal rücksichtsvolle Einzelhandelsansiedlung?, in: BauR 1999, S. 1100–1113. Schnapp, Friedrich E[berhard]: Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973. Schnapp, Friedrich E[berhard]: Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, in: AöR 105 (1980), S. 243–278. Schnaudigel, Christoph: Der Betrieb nichtwirtschaftlicher Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts, 1995. Schneider, Egon: Urteilsanmerkung zu BGH, NJW 1967, S. 1749, in: NJW 1967, S. 1754–1755. Schoch, Friedrich: Der Beitrag des kommunalen Wirtschaftsrechts zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben, in: DÖV 1993, S. 377–383. Schoch, Friedrich: Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, in: NVwZ 1990, S. 801–810. Schoch, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: ­VerwArch 81 (1990), S. 18–54. Schoch, Friedrich: Die Kreise zwischen örtlicher Verwaltung und Regionalisierungstendenzen, in: Hans-Günter Henneke / Hartmut Maurer / ders. (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat. Zum Standort der Kreise im Verhältnis zu Bund, Ländern und Gemeinden, 1994, S. 9–60. Schoch, Friedrich: Verfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Finanzautonomie. Darstellung am Beispiel saarländischer Kommunen, 1997.  Schoch, Friedrich: Stand der Dogmatik, in: Hans-Günter Henneke / Hubert Meyer (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung zwischen Bewahrung, Bewährung und Entwicklung. Festgabe für Gernot Schlebusch zum 65. Geburtstag, 2006, S. 11–57. Schoch, Friedrich: Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch das Bundesverfassungsgericht?, in: DVBl. 2008, S. 937–946. Schoch, Friedrich: Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, § 50 (S. 743–1047). Schoch, Friedrich / Schneider, Jens-Peter / Bier, Wolfgang (Hrsg.): Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Bd. I (Stand: 39. Ergänzungslieferung Juli 2020). Schoch, Friedrich / Schneider, Jens-Peter / Bier, Wolfgang (Hrsg.): Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Bd. II (Stand: 39. Ergänzungslieferung Juli 2020). Schoch, Friedrich / Wahl, Rainer: Die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts in außenpolitischen Angelegenheiten, in: Eckart Klein u. a. (Hrsg.), Grundrechte, soziale Ordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit. Festschrift für Ernst Benda zum 70. Geburtstag, 1995, S. 265–309. Schoen, Hendrik: Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung, 2010.

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Scholler, Heinrich / Scholler, Jens: Kommunale Rechtssetzung, in: Thomas Mann / Günter ­P üttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 23 (S. 551–561). Scholz, Rupert / Pitschas, Rainer: Kriterien für die Wahl der Rechtsform, in: Günter P ­ üttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 95 B. (S. 127–152). Schröder, Jan: Recht als Wissenschaft. Geschichte der juristischen Methodenlehre in der Neuzeit (1500–1990), Bd. I, 3. Aufl. 2020. Schröder, Meinhard: Genehmigungsverwaltungsrecht, 2016. Schrödter, Wolfgang (Hrsg.): Kommentar zum Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2019. Schulte, Martin: Schlichtes Verwaltungshandeln. Verfassungs- und verwaltungsdogmatische Strukturüberlegungen am Beispiel des Umweltrechts, 1995. Schulz, Norbert: Anmerkungen zur Tätigkeit gemeindlicher Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, in: BayVBl. 1998, S. 449–452. Schulz, Norbert u. a. (Hrsg.): Kommunalverfassungsrecht Bayern (Stand: 7. Nachlieferung Mai 2009). Schuppert, Gunnar Folke: Redebeitrag in der Aussprache zum zweiten Beratungsgegenstand, in: VVDStRL 39 (1981), S. 193. Schütz, Peter: Das „Recht auf gerechte Abwägung“ im Bauplanungsrecht. Das Urteil des BVerwG vom 24. 9. 1998 und seine Folgeprobleme, in: NVwZ 1999, S. 929–932. Schütz, Peter: Die Antragsbefugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen nach dem 6. VwGOÄndG. Zugleich ein Beitrag zur Diskussion um ein subjektives öffentliches Recht auf gerechte Abwägung, 2000. Schütz, Peter: Rechtsschutz im Fachplanungsrecht, in: Jan Ziekow (Hrsg.), Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 8 (S. 231–286). Schwabe, Jürgen: Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte. Zur Einwirkung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr, 1971. Schwabe, Jürgen: Nochmals: „Der ‚mittelbare‘ Grundrechtseingriff“, in: DVBl. 1988, S. ­1055–1058. Schwanenflug, Noreen v.: Rechtsschutz von Kommunen in der Fachplanung. Erweiterter Rechtsschutz durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auch für Kommunen?, in: NVwZ 2007, S. 1351–1355. Seeberg, Hans: Die Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen nach den Regelungen der neuen Kommunalverfassung Brandenburg vom 15. 10. 1993, in: LKV 1995, S. 353–358. Seibert, Gerhard: Selbstverwaltungsgarantie und kommunale Gebietsreform. Eine kritische Zwischenbilanz der jüngeren Rechtsprechung zum Recht kommunaler Gebietsänderungen, 1971. Sendler, Horst: Gesetzes- und Richtervorbehalt im Gentechnikrecht, in: NVwZ 1990, S. ­231–236.

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Schrifttumsverzeichnis

Shapiro, Martin: The Logic of the Triad, in: Robert M[ ] Cover / Owen M[ ] Fiss / Judith R ­ esnik (Hrsg.), Procedure, New York 1988, S. 1232–1239. Sheplyakova, Tatjana (Hrsg.): Prozeduralisierung des Rechts, 2018. Sheplyakova, Tatjana: Prozeduralisierung des Rechts. Tema con Variazioni, in: dies. (Hrsg.), Prozeduralisierung des Rechts, 2018, S. 1–54. Sieckmann, Jan-R[einard]: Semantischer Normbegriff und Normbegründung, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 80 (1994), S. 227–245. Sieckmann, Jan-R[einard]: Beurteilungsspielräume und richterliche Kontrollkompetenzen, in: DVBl. 1997, S. 101–107. Sieder, Frank / Zeitler, Herbert / Dahme, Heinz (Begr.): Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, Bd. I (Stand: 53. Nachlieferung August 2019). Skouris, Wassilios: Die Legitimation zur Anfechtung von Bebauungsplänen – Eine Auseinandersetzung mit dem Beschluß des IV. Senats des BVerwG vom 9. 11. 1979 –, in: DVBl. 1980, S. 315–320. Sodan, Helge / Ziekow, Jan (Hrsg.): Großkommentar Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018. Spannowsky, Willy / Runkel, Peter / Goppel, Konrad (Hrsg.): Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018. Spannowsky, Willy / Uechtritz, Martin (Hrsg.): Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2018. Starck, Christian: Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes. Ein Beitrag zum juristischen Gesetzesbegriff, 1970. Starck, Christian: Der demokratische Verfassungsstaat. Gestalt, Grundlagen, Gefährdungen, 1995. Starck, Christian: Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichte, in: JZ 1996, S. 1033–1042. Starck, Christian: Maximen der Verfassungsauslegung, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 (S. 613–657). Starck, Christian: s. v. Gesetz [Rechtlich], in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. II, 8. Aufl. 2018, Sp. 1255–1261. Starck, Christian: s. v. Gewaltenteilung, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. II, 8. Aufl. 2018, Sp. 1314–1319. Steinbach, Armin: Rationale Gesetzgebung, 2017. Steinberg, Rudolf: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungs­ hoheit – BVerfGE 56, 298, in: JuS 1982, S. 578–583. Steinberg, Rudolf: Verwaltungsgerichtlicher Schutz der kommunalen Planungshoheit gegenüber höherstufigen Planungsentscheidungen, in: DVBl. 1982, S. 13–19. Stelkens, Paul / Bonk, Heinz Joachim / Sachs, Michael (Hrsg.): Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018. Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Grundbegriffe, Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, Bd. I, 2. Aufl. 1984.

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Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Allgemeine Lehren der Grundrechte, Bd. III, Teilband 1, 1988. Stern, Klaus: Das sparkassenrechtliche Regionalprinzip. Verfassungsrechtliche Verankerung und Europarechtsgemäßheit, 2014. Stern, Klaus / Burmeister, Joachim: Die kommunalen Sparkassen. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme, 1972. Stern, Klaus / Nierhaus, Michael: Rechtsfragen der Neuordnung des Sparkassenwesens als Folge kommunaler Neugliederung – Dargestellt am Raum Köln –, 1976. Stern, Klaus / Nierhaus, Michael: Das Regionalprinzip im öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesen. Seine Geltung und Reichweite im Sparkassenorganisations- und Sparkassengeschäftsrecht, 1991. Stern, Klaus / Püttner, Günter: Die Gemeindewirtschaft. Recht und Realität. Zum staats- und kommunalverfassungsrechtlichen Standort der kommunalen Wirtschaft, 1965. Stettner, Rupert: Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983. Stier-Somlo, Fritz: Die neuste Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts in Deutschland, in: VVDStRL 2 (1925), S. 122–180. Stier-Somlo, Fritz: Das Grundrecht der kommunalen Selbstverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Eingemeindungsrechts, in: AöR 56 (1929), S. 1–93. Stober, Rolf / Kluth, Winfried: Verwaltungsrecht I. Ein Studienbuch, 13. Aufl. 2017. Stolleis, Michael: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. III, 1999. Storbeck, Daniel: Grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit, 2016. Storr, Stefan: Der Staat als Unternehmer. Öffentliche Unternehmen in der Freiheits- und Gleichheitsdogmatik des nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts, 2001. Störring, Lars Peter: Das Untermaßverbot in der Diskussion. Untersuchung einer umstrittenen Rechtsfigur, 2009. Stüer, Bernhard: Funktionalreform und kommunale Selbstverwaltung, 1980. Stüer, Bernhard: Planungshoheit und Planungspflicht in der Abwägungs- und Rechtsschutzpyramide. Gemeindliche Belange in der interkommunalen Abstimmung und in der Fachplanung, in: NVwZ 2004, S. 814–819. Stüer, Bernhard: Planerische Steuerung des Einzelhandels durch Bauleitplanung, Regionalplanung und interkommunale Abstimmung, in: ZfBR 2006, S. 747–751. Stüer, Bernhard: Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts. Planung  – Genehmigung  – Rechtsschutz, 5. Aufl. 2015. Stüer, Bernhard  / Schmalenbach, Uwe: Rechtsgrundlagen der Kommunalwirtschaft, in: NWVBl. 2006, S. 161–170. Stühler, Hans-Ulrich: Gemeindenachbarrecht und zwischengemeindliches Abstimmungsgebot bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, in: VBlBW 1999, S. 206–209.

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Stürner, Rolf (Hrsg.): Jauernig Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Rom-I-, RomI-VO, EuUnthVO / H UntProt und EuErbVO, 17. Aufl. 2018. Suerbaum, Joachim: Die Wirkmächtigkeit der grundgesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, in: Horst Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes. Sechs Würzburger Vorträge zu 60 Jahren Verfassung, 2009, S. 75–105. Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Das rechtliche Wesen der deutschen Selbstverwaltung und die mecklenburg-schwerinsche Verwaltungsreform. Eine juristische Studie zum Entwurf der Deutschvölkischen Freiheitspartei, 1925. Tatarin-Tarnheyden, E[dgar]: Grundlegende Betrachtungen zur Flaggenfrage, in: AöR 52 (1927), S. 313–380. Teichmann, Arndt: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12. 12. 2002 – III ZR 201/01, Staatshaftung der Aufsichtsbehörde gegenüber einer Gemeinde, in: JZ 2003, S. 960–961. Tettinger, Peter J[ ]: Die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 23 (S. 187–253). Tettinger, Peter J[ ]/Erbguth, Wilfried / Mann, Thomas: Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 2009. Thieme, Werner: Subsidiaritätsprinzip im Sparkassenrecht, in: Sparkasse 1962, S. 179–181. Thieme, Werner: Die Gliederung der deutschen Verwaltung, in: Thomas Mann / Günter ­P üttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 9 (S. 147–168). Thieme, Werner / Prillwitz, Günther: Durchführung und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform, 1981. Thies, Carla: Kulturelle Vielfalt als Legitimationselement der internationalen Gemeinschaft, 2013. Thoma, Richard: Grundrechte und Polizeigewalt (1925), in: Horst Dreier (Hrsg.), Rechtsstaat  – Demokratie  – Grundrechte. Ausgewählte Abhandlungen aus fünf Jahrzehnten, 2008, S. 130–160. Thoma, Richard: Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen [sic] (1929), in: Horst Dreier (Hrsg.), Rechtsstaat – Demokratie – Grundrechte. Ausgewählte Abhandlungen aus fünf Jahrzehnten, 2008, S. 173–230. Thomas, Stefan: Die kartellrechtliche Bewertung des sparkassenrechtlichen Regionalprinzips, 2015. Thüsing, Gregor: Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am 6. März 2017 zum Thema „Transparenz von Entgeltstrukturen zu den BT-Drucksachen 18/11133, 18/4321, 18/6550, 18/847, Ausschussdrucksache 10(13)107k vom 02. 03. 2017. Tomerius, Stephan: Örtliche und überörtliche wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen. Zum aktuellen Diskussionsstand über die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen in Literatur und Rechtsprechung, 2004.

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Trute, Hans-Heinrich: Methodik der Herstellung und Darstellung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, in: Eberhard Schmidt-Aßmann / Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, 2004, S. 293–325. Tschira, Oskar: Die Funktionalreform in Bayern – aus Sicht eines bayerischen Kommunalpolitikers –, in: Walter Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Richard Boorberg Verlags, 1977, S. 279–302. Uechtritz, Michael: Interkommunales Abstimmungsgebot und gemeindliche Nachbarklage, in: NVwZ 2003, S. 176–179. Uechtritz, Michael: Die Änderungen im Bereich der Fehlerfolgen und der Planerhaltung nach §§ 214 ff. BauGB, in: ZfBR 2005, S. 11–20. Uechtritz, Michael: Die Neuregelungen zur standortgerechten Steuerung des Einzelhandels – Versuch einer Zwischenbilanz, in: DVBl. 2006, S. 799–810. Uechtritz, Michael: Großflächiger Einzelhandel und interkommunales Abstimmungsgebot, in: Hans D[ieter] Jarass (Hrsg.), Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung. Symposium des Zentralinstituts für Raumplanung am 26. September 2003 in Münster, 2003, S. 59–80. Uechtritz, Michael / Otting, Olaf / Olgemöller, Udo H[erbert]: Kommunalrechtliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung, in: Werner  Hoppe / Michael Uechtritz / Hans-­ Joachim Reck (Hrsg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 6 (S. 63–128).  Uerpmann, Robert: Das öffentliche Interesse. Seine Bedeutung als Tatbestandsmerkmal und als dogmatischer Begriff, 1999. Uhle, Arnd: s. v. Rechtsverordnung, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staats­ lexikon, Bd. IV, 8. Aufl. 2020, Sp. 1255–1257. Uhlenhut, Bernd: Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden außerhalb ihres Gebiets, 2004. Umbach, Dieter C[ ]/Clemens, Thomas / Dollinger, Franz-Wilhelm (Hrsg.): Mitarbeiterkommentar und Handbuch zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005. Vallendar, Willi: Rechtsschutz der Gemeinden gegen Fachplanungen, in: UPR 2003, S. 41–44. Vierhaus, Rudolf / Herbst, Ludolf (Hrsg.): Biographisches Handbuch des Deutschen Bundestages 1949–2002, Bd. II, 2002, S. 476–477. Vietmeier, Hans: Die staatlichen Aufgaben der Kommunen und ihrer Organe – Auftragsverwaltung und Organleihe in Nordrhein-Westfalen –, 1992. Vietmeier, Hans: Die Steuerung des großflächigen Einzelhandels nach §§ 2 und 34 BauGB, in: BauR 2005, S. 480–490. Viotto, Regina: Das öffentliche Interesse. Transformationen eines umstrittenen Rechts­begriffs, 2009. Vitzthum, Wolfgang: Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, in: VVDStRL 49 (1988), S. 8–56. Volkmann, Uwe: Der Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, in: DÖV 2001, S. 497–505.

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Voßkuhle, Andreas: Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Wolfgang Hoffmann-Riem /  Eberhard Schmidt-Aßmann / ders. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 1 (S. 1–63). Waechter, Kay: Einrichtungsgarantien als dogmatische Fossilien, in: Die Verwaltung 29 (1996), S. 47–72. Waechter, Kay: Verfassungsrechtlicher Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung gegen Eingriffe durch Gesetz, in: AöR 135 (2010), S. 327–362. Wahl, Rainer: Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, in: VVDStRL 41 (1983), S. 151–231. Wahl, Rainer: Rechtsschutz in der Fachplanung, in: NVwZ 1990, S. 923–928. Wahl, Rainer / Masing, Johannes: Schutz durch Eingriff, in: JZ 1990, S. 553–563. Waldhoff, Christian: s. v. Dezentralisation, in: Görres-Gesellschaft / Verlag Herder (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. I, 8. Aufl. 2017, Sp. 1349–1352. Waldhoff, Christian: Folgen – Lehren – Rezeption: Zum Nachleben des Verfassungswerks von Weimar, in: Horst Dreier / ders. (Hrsg.), Das Wagnis der Demokratie. Eine Anatomie der Weimarer Reichsverfassung, 2018, S. 289–315. Waldhoff, Christian / Grefrath, Holger: Staatsverfassungsrecht vergeht, Kommunalverfassungsrecht besteht. Zur Entstehung und Interpretation von Art. 127  WRV, in: Horst Dreier / Christian Waldhoff (Hrsg.), Weimars Verfassung. Eine Bilanz nach 100  Jahren, 2020, S. 275–304. Wallerath, Maximilian: Selbstverwaltungsgarantie und Kreisgebietsreform, in: Hermann ­Butzer / Markus Kaltenborn / Wolfgang Meyer (Hrsg.), Organisation und Verfahren im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Friedrich E. Schnapp zum 70. Geburtstag, 2008, S. 695– 721. Walter, Christian / Grünewald, Benedikt (Hrsg.): BeckOK zum BVerfGG (Stand: 6. Edition Dezember 2018). Walter, Robert: Redebeitrag in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand, in: VVD­ StRL 39 (1981), S. 150–151. Wank, Rolf: Juristische Methodenlehre. Eine Anleitung für Wissenschaft und Praxis, 2020. Weber, Klaus: s. v. Gesetz, in: Carl Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch (Stand: 26. Edition März 2021). Weber, Klaus: s. v. Gesetzgebung, in: Carl Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch (Stand: 26. Edition März 2021). Weber, Klaus: s. v. Rechtsverordnung, in: Carl Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch (Stand: 26. Edition März 2021). Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Aufl. 1980 (revidiert und besorgt von Johannes Wickelmann). Weides, Peter: Sparkassen und kommunale Gebietsänderungen, in: Städte- und Gemeinderat 1978, S. 85–97.

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Weides, Peter: Regionalgrundsatz, Bestandsschutz und Entschädigungspflicht im Sparkassenrecht, in: NVwZ 1983, S. 527–529. Weides, Peter: Zur Eigenständigkeit des Sparkassenrechts gegenüber dem Kommunalrecht, in: DÖV 1984, S. 41–51. Weides, Peter / Bosse, Burkhard Roderich (Hrsg.): Rechtsprechung zum Sparkassenrecht. Erste Folge, 1981. Wellmann, Anne: Die Reformpläne der NRW-Landesregierung für die kommunale Wirtschaft, in: NWVBl. 2007, S. 1–10. Wenar, Leif: s. v. Rights, in: Edward N[ ] Zalta (Hrsg.), The Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2020, abrufbar unter: https://plato.stanford.edu/archives/spr2020/entries/right/ (zuletzt abgerufen am 09. 06. 2020). Wendel, Matthias: Verwaltungsermessen als Mehrebenenproblem. Zur Verbundstruktur administrativer Entscheidungsspielräume am Beispiel des Migrations- und Regulierungsrechts, 2019. Wendel, Patricia: Das Ergebnis der Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt – Gemeinden ohne örtliche Gemeinschaft?, in: LKV 2011, S. 488–495. Wendland, Matthias: Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit. Subjektive und objektive Gestaltungskräfte im Privatrecht am Beispiel der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäfts­ bedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr, 2019. Wendt, Rudolf: Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen wirtschaftliche Betätigungen der Gemeinden, in: Thomas Mann / Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. II, 3. Aufl. 2011, § 42 (S. 75–102). Werner, Jan u. a. (Hrsg.): Praxis der Kommunalverwaltung Nordrhein-Westfalen. Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (Stand: Mai 2016). Wernicke, Georg / Booms, Hans (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. I, 1975. Wessels, Juliane: Inhalt und Grenzen der Steuerung des Landes bei der Wahrnehmung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Eine Untersuchung der Steuerungspraxis am Beispiel Nordrhein-Westfalen, 2016. Weyreuther, Felix: Rechtliche Bindung und gerichtliche Kontrolle planender Verwaltung im Bereich des Bodenrechts, in: BauR 1977, S. 293–309. Wickel, Martin: Bauplanung, in: Dirk Ehlers / Michael Fehling / Hermann Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, § 40 (S. 86–207). Wickel, Martin: Fachplanung, in: Dirk Ehlers / Michael Fehling / Hermann Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, § 39 (S. 40–85). Wickel, Martin / Bieback, Karin: Das Abwägungsgebot  – materiell-rechtliches Prinzip oder Verfahrensgrundsatz?, in: Die Verwaltung 39 (2006), S. 571–585. Wieacker, Franz: Zur praktischen Leistung der Rechtsdogmatik, in: Rüdiger Bubner / Konrad Cramer / Reiner Wiehl (Hrsg.), Hermeneutik und Dialektik. Sprache und Logik[,] Theorie der Auslegung und Probleme der Einzelwissenschaften, Bd. II, 1970, S. 311–336.

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Schrifttumsverzeichnis

Wieckhorst, Arno: Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren. Grundrechtlich induzierte Prozeduralisierung der Gesetzgebung und ihrer Kontrolle im Verfassungs- und Unionsrecht, 2017. Wieland, Joachim: Kommunalwirtschaftliche Betätigung unter veränderten Wettbewerbs­ bedingungen, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreis­ gebiet? Professorengespräch 1998 des Deutschen Landkreistages am 19. und 20. März 1998 im Landkreis Oberhavel, 1998, S. 193–198. Wieland, Joachim: Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung: Erstes Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/3730 und 12/3770 zur Vorbereitung der Öffentlichen Anhörung am 28. April 1999, Zuschrift 12/2864. Wilke, Dieter: Der Anspruch auf behördliches Einschreiten im Polizei-, Ordnungs- und Baurecht, in: Norbert Achterberg / Werner Krawietz / Dieter Wyduckel (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel. Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 80. Geburtstag, 1983, S. 831– 844. Willi, Philipp: Über Konfusion bei Obligationen nach römischem Rechte, 1857. Wimmer, Andreas: Rechtsverhältnisse im öffentlichen Recht. Ein Perspektivenwechsel, 2019. Windisch, Florian: „Abwägung“ als Relationsnorm-Konstruktion. Konstruktive Überlegungen zur Abwägung im Kontext der Strukturierenden Rechtslehre, in: Friedrich Müller /  Philippe Mastronardi (Hrsg.), „Abwägung“. Herausforderungen für eine Theorie der Praxis, 2014, S. 17–86. Wischmeyer, Thomas: Der „Wille des Gesetzgebers“. Zur Rolle der Gesetzesmaterialien in der Rechtsanwendung, in: JZ 2015, S. 957–966. Wißmann, Hinnerk: Funktionsfreiheiten in der öffentlichen Verwaltung – Prozessualer Schutz von Verwaltungskompetenzen –, in: ZBR 2003, S. 293–305. Wittig, Oliver: Fesselung kommunaler Unternehmen durch das Gemeindewirtschaftsrecht?, in: VR 2002, S. 90–96. Wolff, Hans Julius u. a.: Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010. Wolff, Hans Julius / Bachof, Otto: Verwaltungsrecht I. Ein Studienbuch, 9. Aufl. 1974. Wolff, Johanna: Verfassungs- und europarechtliche Fragen der wirtschaftlichen Betätigung deutscher Kommunen im Ausland, in: DÖV 2011, S. 721–728. Wurzel, Gabriele / Probst, Peter: Urteilsanmerkung zu BVerwG, Urt. v. 01. 08. 2002 – 4 C 5.01, in: DVBl. 2003, S. 197–201. Zacharias, Diana: Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, in: VR 2000, S. 271–277. Zeiss, Friedrich: Eigenbetriebe, in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, § 95 C. (S. 153–167). Ziekow, Jan (Hrsg.): Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. 2020. Zilkens, Martin: Kommunalwirtschaftliche Betätigung nach der Reform des Gemeindewirtschaftsrechts am Beispiel der Stadt Düsseldorf, in: NWVBl. 2002, S. 294–297.

Sachverzeichnis Die kursiv gesetzten Seitenangaben beziehen sich auf die Fußnoten. Abhängigkeitsbeziehungen, normative ​268  f. Abstimmungsanspruch 137 Abstimmungsausfall, siehe Abstimmungsfehlerlehre Abstimmungsbedarf, qualifizierter 7​ 9, 84, 151 Abstimmungsdefizit, siehe Abstimmungsfehlerlehre Abstimmungsdisproportionalität ​160–163 Abstimmungsdogmatik, bundeverwaltungsgerichtliche ​69 Abstimmungsfehleinschätzung, siehe Abstimmungsfehlerlehre Abstimmungsfehlerlehre 156, 157 f., 263 Abstimmungsgebot, formelles bauleitplanerisches ​164  f., 431 Abstimmungsgebot, materielles bauleitplanerisches – Abwägungsvorgang ​90 – Anspruch auf Abstimmung ​152–154 – Begriff ​68 – Eingreifschwelle ​76, 150–152 – Fehler, siehe Abstimmungsfehlerlehre – informationelle Basis ​164  f. – Integration in die Abwägung ​99, 130 f., 133–136 – Modifikation ​100  f. – Recht auf gerechte Abwägung ​116–127 – Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, materi­ elle ​89–94 – Rechtsschutzgewährungsfunktion ​103–127 – Spezialität gegenüber dem Abwägungsgebot ​129  f. – Strukturierung ​100 f., 131–133, 153 – Stufenverhältnis ​83  f. – Verfassungsrecht ​467  f. – Verletzen  ​138, 156–160 – Voraussetzungen ​138–152 Abstimmungsmangel, siehe Abstimmungsfehlerlehre

Abstimmungsmaterial ​142–149 Abstimmungspflicht, dynamische ​154 Abwägung – bikriterielle ​134, 153, 217 – Denk- und Entscheidungsweise ​277 – Gesetzesbindung ​277 – gestalterische ​279 – im Gemeindewirtschaftsrecht ​223, 229 – Irrationalität 276 f. – kategorieextern 133 – kategorieintern ​133 – kategorieübergreifend ​133  f. – Kontrolle ​ 158, 295 f. – Lehre ​131 f., 156, 278 – Material ​101–103, 133, 148, 217, 284, 289 – Modus der Entscheidungsfindung ​276 – nachvollziehende ​279 – Notstand, rechtfertigender  ​278 – Pflicht ​282, 285 – Planfeststellungsverfahren ​285 – Rationalität ​276–281 – Raumordnungsrecht ​285 – Rechtsstaatsprinzip ​286 – Struktur ​75, 131–133, 156 f., 223, 266 f., 279, 285 – Strukturierungshilfe ​276 – Vorgang ​90, 158 – Vorrangrelation ​277 Abwägungsbedarf, einfacher ​79, 151 Abwägungsdirektive ​65 Abwägungsdogmatik ​131–133, 278 Abwägungsenthusiasmus ​279 Abwägungsergebnis ​158, 295 Abwägungserheblichkeit ​101  f. Abwägungserheblichkeit, deklaratorische ​ 84 Abwägungsfehleinschätzung, siehe Abwägungsfehlerlehre Abwägungsfehlerlehre ​156, 262, 295

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Sachverzeichnis

Abwägungsgebot – bauleitplanerisches ​72, 95, 273, 278, 282 – fachplanerisches ​285 – gesetzliches ​287 – raumordnungsrechtliches ​285 – rechtsstaatliches ​286 – zwischengemeindliches 79, 289 Abwägungsgebot, allgemeines ​281 Abwägungsgebot, bauleitplanerisches ​72, 95, 273 f., 278, 282 – Doppelnatur ​273  f., 283, 284 – Integration ​99 – Integration, modifizierende ​131 – Modifikation 100 f. – Stufenverhältnis ​83–89 – Verletzen ​156  f. Abwägungsgebot, zwischengemeindliches  79, 289 – Abwägungsfehler ​296 – Abwägungsmaterial ​289, 295 – Anordnung ​288  f. – Struktur ​289, 295 158, 295 f. Abwägungskontrolle ​ Abwägungslehre ​131 f., 156, 278 Abwägungsmaterial ​101–103, 133, 148, 217, 284, 289 Abwägungspflicht ​278, 282 Abwägungsstruktur ​75, 131–133, 156 f., 223, 266 f., 279, 285 Abwägungsvorgang ​158 Abwanderung ​63 155– Abwehr- und Unterlassungsanspruch ​ 163, 226 f., 291, 343–345, 426 Abwehrrecht, grundrechtliches  343 f. Akteurskonstellationen ​306 Aktivgeschäft ​235 f., 246, 254 Allgemeine Aufsicht ​357–362 Allkompetenz ​316 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ​ 185, 325 – Begrenzungswirkung ​188–193, 326 – Definition ​188 – Exklusivität  ​217 f., 224, 326–328, 494 – Rechtserkenntnisspielraum ​469 – Subsumtionsspielraum ​469, 513 – Wandelbarkeit ​478 Anhörungspflicht ​249 f., 252, 429 f., 432 Anknüpfungsgrundsatz ​258

Anpassungspflicht ​154 Anspruch ​31, 112, 337–340 Anspruch auf gerechte Abwägung, siehe Recht auf gerechte Abwägung Anspruchsverhältnis, zwischengemeindliches ​ 336 – Anspruchsvoraussetzungen ​344  f. – Tatbestand ​336 Antragsbefugnis ​ 51, 56, 104–107 Anwendungsroutinen ​266 Anzeigepflicht ​249 Aufgaben, öffentliche ​96  f. Aufgabenarten, kommunale ​325  f. Aufgabenbereich, gemeindlicher ​185 Aufgabenentzug – faktischer ​312, 348–350 – formaler ​347 Aufgabengarantie ​309 – Aufgabenentzug 247–350 – Gesetzesvorbehalt ​456 – Gewährleistungsbereich ​346–350, 490 – Verfassungsunmittelbarkeit ​201, 316–325 Aufgabenüberbürdung ​349  f., 487 Aufgabenverteilungsprinzip ​342, 367, 452, 464, 493 Aufgabenverteilungsprinzip, zwischengemeindliches ​225, 493 f. Auftragsangelegenheiten ​325 Ausgestaltende Konfliktschlichtung ​453 Ausgestaltung – Anwendungsfelder ​448 – Begriff ​448 – Kritik ​449–454 – Metaphorik ​448 – normative ​455–459 – Normative Konkretisierung  453, 455, 475 – Normative Konstituierung  353, 454, 460, 475 f., 478 – Normative Konturierung ​448 f. – Typisierung ​ 449 Auslegung – autoritative ​545 – verfassungskonforme ​ 221 f., 303, 513 f. – verfassungsorientierte ​ 221 f., 252, 299, 303, 498, 513 f. Ausleihbezirk ​236, 255 Ausprägung, besondere ​74 Außenbereich ​81 f.

Sachverzeichnis Außen(interessen)koordination, siehe Außenkoordination Außenkoordination ​81 Außenrechtsverweisung, siehe Verweisung Außergebietliche überörtliche Betätigung ​ 202 f., 256 Außergebietliche Wirtschaftsbetätigung, siehe extraterritoriale Wirtschaftsbetätigung Außergebietlichkeit, gemeindewirtschaftliche ​ 192, 205–211 205 f. Außerörtlich ​ Ausstrahlen ​206 Auswahlleistung ​276 Auswirkungen – auf zentrale Versorgungsbereiche ​43, 146, 163 – Ausstrahlungen ​45 – faktische ​47–50, 264 – Folgebetroffenheiten ​64–68 – Folgewirkungen 49 – mittelbare ​48–50 – rechtliche 44 f. – unmittelbare ​47–50 Autoritative Rechtserkenntnis, siehe Rechts­ erkenntnis Bauleitplan ​96 Baunachbarstreit ​404  f. Bebauungsplanung – Auswirkungen ​53–64 – Bindungswirkung ​52  f. – Durchkreuzung von Planungskonzepten ​ 62 – Folgelasten, infrastrukturelle ​58–60, 143 – Genehmigungsbedürftigkeit ​515 – Immissionen ​58, 143 – Kaufkraftabfluss ​60 f., 143 f. – über den Eigenbedarf hinaus 63 Bedingung der Rechtserzeugung ​283 f., 294 Begrenzung, mittelbar räumliche ​190 Begründungs- und Begründbarkeitskontrolle ​ 158 Behördenbegriff, verwaltungsorganisationsrechtlich ​ 105 Belang – Abwägungserheblichkeit ​101, 224 – Gleichwertigkeit 135 – nachbargemeindlicher ​101

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– öffentlicher ​78, 123–125 Berechtigungs-Verpflichtungs-Relation ​338, 340 Bereichsdogmatik ​263 Berücksichtigungspflicht ​265  f. Bestandsgarantie ​ 473 Bestandteilnorm 374 Betätigung, hoheitliche ​190 Betroffenheit – gemeindewirtschaftliche ​213 – rechtliche ​46  f. – (un)mittelbare ​48–50 Beurteilungsermächtigung ​292 Beurteilungsspielraum ​292, 297 Beurteilungsspielraum, gemeindespezifischer ​ 194, 358 f. Beweislastumkehr ​ 221 Beweisverwertungsverbot ​278 Beziehungsgeflecht ​242 Bindungsadressat – Bebauungsplan ​50–52 – der Grundrechte ​406 – der Selbstverwaltungsgarantie, siehe zwischengemeindliche Zielrichtung Bindungsdilemma ​475 Binnen(interessen)koordination, siehe Binnenkoordination Binnenkoordination ​81 f. Binnenrechtsverweisung, siehe Verweisung Binnenwirkung ​365, siehe auch zwischengemeindliche Zielrichtung Bodenrecht ​146  f., 147 Bundesstaat ​381 Bundesverwaltungsgerichtsrecht ​71  f. Claim-right, siehe Hohfeld’sche incidents Darlehensvertrag ​236 Definitiver Schutz ​345 Deutsche Gemeindeordnung ​185, 201 Dezentralisation ​418  f., 460, 493 Dezisionismus ​277, 281 Dichotome Rechtsgewinnungstheorie ​268 f. Dienstleistungsgeschäft ​246 Disproportionalität, siehe Abwägungsfehlerlehre Dogmatik ​70 f., 262, 314 – Gebrauchswissenschaft ​70

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Sachverzeichnis

– Positivierungsnachweis ​71, 396 – Selbstermächtigung ​71 Doppelcharakter ​228, 443 Doppelhypothese ​278 Doppelter Grundrechtseinfluss ​409 Drittwirkung – echte ​ 4 04 – unechte ​404, 416 Dualismus von Staat und Gesellschaft ​400 f., 420 Dualistisches Aufgabenmodell ​326 Duldungspflicht ​422 f., 488 Durchgriffsnorm ​372–374 Eherecht ​448 Eigenentscheidungsfreiraum ​269–272, 274 – definitiver ​289, 292, 293, 296, 358 f. Eigener Wirkungskreis ​316, 325 Eigentumsgarantie ​318, 422, 446, 448, 460, 480 Eigenverantwortlichkeitsgarantie – Eingriff  ​140, 364, 443 f., 462–466, 492 – Gesetzesvorbehalt ​456  f. – Gewährleistungsbereich ​309  f., 353–364, 444, 491 – Handlungsinfrastruktur 457–459, 492, 502, 546 f. – normative Konkretisierung ​456–459 – Schutzobjekt der Protektionspflicht ​422, 454 – Verfassungsunmittelbarkeit ​353–355, 454 Eigenvorsorge, finanzielle ​235 Eingeschränkt gemeindeinterne Betätigung ​ 202, 217, 224, 228 f., 345, 468, 471, 487 Eingreifschwelle – Abstimmungsgebot ​76, 150–152 – Abwägungsgebot ​76, 150  f. – Krabbenkamp-Formel ​76, 150–152 – Stufenverhältnis ​83–84 Eingriff ​344, 346, 421, 479, 518 f. Eingriffszurechnung  ​4 05, 506 Einmischungsaufsicht  ​361 Einrichtungsbezogene Konzeption ​181 294, 469, 548 Einschätzungsprärogative ​ Einstellungsausfall, siehe Abwägungsfehlerlehre Einstellungsdefizit, siehe Abwägungsfehlerlehre

Einstweilige Anordnung ​278 Einstweiliger Rechtsschutz ​278 Einzelbaugenehmigung als Eingriff in die Planungshoheit ​80, 354, 402, 405 Elektrizitätswerk ​172 Elemente der Wirtschaftsbetätigung ​208 Elfes-Konzeption ​545 Energiewirtschaftliche Betätigung ​178 Entscheidungsergebnis ​267 Entscheidungskontext ​72 Entscheidungsrichtigkeit ​275 Entscheidungsvorgang ​90, 267, 280 Entstehungskontext ​376 Entzugsgleiche Wirkung ​348  f. Enumerationsprinzip ​254 Ermächtigung, normative ​187, 292 f. Ermessen ​274, 279 f., 292 f., 297 Ermessenermächtigung ​292 f. Ermittlungsausfall, siehe Abwägungsfehlerlehre Errichtungsbeschluss ​240 Erstreckungsgarantien ​544, 550 Erwerbswirtschaft, reine ​195 f. Erzwingbarkeit, verwaltungsgerichtliche 2​ 90– 301 Evidenzformel ​547 Ewigkeitsgarantie  ​219 f., 380 f., 390 f., 386 Existentiales Gewährleistungselement ​314, 399 f., 473, 476 Expansionsbestrebungen ​167, 229 Expansionsklausel ​174 f., 197–205, 484–486 Extraterritoriale Wirtschaftsbetätigung ​167, 173 Fachaufsicht ​357, 359 Fachgerichtlicher Rechtsschutz ​388, 390, 392, 524, 550 f. Fachplanung, gemeindlicher Rechtsschutz ​ 139–141, 467 Fehlerfolgenlehre ​335 Fehlerkalkül ​335 f. Fiktion der Nichtwirtschaftlichkeit ​183 Finanzausgleich, kommunaler ​348 Finanzhoheit ​145, 415 Finanzielle Mindestausstattung ​348 f., 415, 495–498 Flächennutzungsplan  ​23, 50, 104, 516 Flaggenstreit ​399

Sachverzeichnis Folgeauswirkung ​49  f. Folgebetroffenheit ​49  f. Folgenbewältigung, planerische ​63 Formen gemeindewirtschaftlicher Betätigung, siehe Typologie gemeindewirtschaftlicher Betätigung ​ Fremdprogrammierungsdichte ​305, 359 Funktionslosigkeit (eines Bauleitplans) ​54 Garantie effektiven Rechtschutzes  297 f., 432 Gebietsklausel ​174 f., 197–205, 485 Gebietsprinzip ​176–178, 211 f., 231 Gebietsreformen, kommunale ​231, 429 f. Gebot der Kompetenzklarheit ​333 Gebot gemeindewirtschaftlicher Abwägung ​ 223, 229 Gebot intergemeindlicher Abstimmung, siehe Abstimmungsgebot, materielles bauleitplanerisches Gebot zwischengemeindlicher Abstimmung, formelles, siehe Abstimmungsgebot, formelles bauleitplanerisches Gebot zwischengemeindlicher Abwägung ​289 Geldautomat ​239, 249, 315 Gemeinde – ausländische ​214 – Begriff ​364 f. – Behörde ​105, 106 – Benachbartsein ​141  f. – bundeslandfremde 215 – juristische Person ​106 – Teil der Exekutive ​379 f., 393, 460 Gemeindeexterne wirtschaftliche Betätigung ​ 202, 225 f., 228, 331, 345, 497 f., 504 Gemeindefreies Gebiet ​214 Gemeindegebietsreformen ​429  f., 473, 475 f. Gemeindehoheiten ​355  f. – Finanzhoheit ​145, 415 – Organisationshoheit ​351 f., 452, 457, 462 – Planungshoheit ​144, 146, 310, 312, 325, 354 f., 356, 403, 475 – Sparkassenhoheit ​313 Gemeindenachbarklagen, planungsrechtliche ​ 44, 368 f. Gemeindeverbandlicher Aufgabenbestand ​323 Gemeindeverbandsörtliche Angelegenheiten  193

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Gemeinschaft, gemeindeörtliche ​24 Gemeinwohlinteressen ​96, 123 Genehmigung, sparkassenrechtliche ​239, 256, 259, 499, 520 f. Genehmigungserfordernis, verfassungsunmit­ telbares ​ 428 Genehmigungserteilung ​517 Genehmigungsvorbehalt ​251, 256 f., 307 f., 427, 463, 466, 515 f. Generalklausel, staatsorganisatorische ​309, 324 Gericht – Dogmatik  ​70 – Methodik ​ 72 – Präjudizien ​69 – Rechtsnormerzeugung  70 – Rechtsschutz ​ 103, 291–294, 433–436, 538–551 – triadische Struktur ​433 Geringfügigkeitsschwelle ​76, 151, 155 Geschichtete Kontrolle ​524  f. Gesetz ​389 Gesetz und Recht ​269, 393 f. Gesetzesmediatisierung ​410  f., 425 Gesetzesnachvollzug ​271 Gesetzgebungskompetenz im Sparkassenrecht ​231, 254 Gesetzgebungsmaterialien ​377 Gestaltungsspielraum, planerischer ​273 f., 281, 283, 292 322, Gewährleistungspflicht des Bundes ​ 382–384 Gewährträger ​244 Gewaltengliederung ​419, 528 Gewerbesteueraufkommen ​145 Gewinnerzielungsabsicht ​181 f., 195 f., 225, 487, 496 Gleichordnung ​22, 141, 225 Gleichwertigkeit ​135 Gliederungsschema, horizontales  ​22, 260 Grundpfandrechte ​236  f. Grundrecht der Gemeinden ​343, 398 Grundrechtsähnliche Normen ​418 Grundrechtsbindung in Weimar 398 Grundrechtsdogmatik ​305, 340–343 Grundrechtsfunktionen ​411 Grundrechtsgehalte, objektiv-rechtliche ​415, 448

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332, 448, 554 Grundrechtskollision ​ Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation ​429 Grundrechtsverhältnis ​407 Grundrechtsvoraussetzungen ​457 Handlungsinfrastruktur ​457–459, 492, 502, 546 f. Handlungsinstrumentarium, siehe Handlungsinfrastruktur 387, 545 Handlungsnormen ​ Hauptstellenübertragung ​238 Hauptverwaltungsträger  ​24, 240 Hochzonung ​ 311 f., 347, 362, 490 – faktische ​312, 348–350 Hohfeld’sche incidents 337 f. Homogenitätsklausel  ​374, 378–382, 386, 393 Horizontalkonflikt ​404  f. Horizontalverhältnis 34 Horizontalwirkung, siehe zwischengemeindliche Zielrichtung Implementierbarkeit ​ 276 Individualinteresse ​112 Individualverfassungsbeschwerde ​388, 540, 550 Ingerenzrechte ​28 Innenbereich ​81 f. Interkommunalität ​22 Institutionelle Garantie ​309  f., 313 f., 317 f., 334, 399 f., 447, 455 Integrationsthese ​136 Intensitätsschwelle ​149–152, 224 Interessen – einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ​112 – gemeindliche ​96–98, 124–126 – intragemeindliche ​102 – normativ zugewiesene ​123, 215 – öffentliche ​ 95, 96, 123 Interessenkonflikte, multipolare ​276 Interessenkoordinierung, planerische ​81 Interessenträger ​96 Interessenwahrungsklausel ​212–226, 470 Intergemeindlichkeit, siehe Zwischengemeindlichkeit Interpretation, siehe Auslegung Isoliertheit, einzelgemeindliche ​20  f.

Janusköpfiger Regelungsgehalt ​203, 228, 247, 308, 410 Je-Desto-Formel, abstimmungsrechtliche ​ 160–162 Kaufkraftabfluss ​49, 60 f., 143 f., 290 Klagebefugnis ​109 Kommunalaufsicht ​357–362, 398 Kommunale Zusammenarbeit  ​43, 168 f. Kommunalkredit ​235 Kommunalverfassungsbeschwerde ​367 f., 385, 388–390, 512, 524 – Beschwerdegegenstand 3​ 68, 388–392, 524, 539–543, 549–551 – Exekutivmaßnahme ​549–551 – Kontrollmaßstab ​543–549 – Subsidiarität ​390  f., 541, 551 – Unterlassen ​539–543 Kommunalverwaltung – Anstalt des öffentlichen Rechts ​26–28, 242 – Dezentralisation ​418  f., 460, 493 – Eigenbetrieb ​25 – mittelbare ​24–27, 240 – Organisationsformen ​25 – Regiebetrieb ​25 – unmittelbare ​24 – Zurechnungsverhältnis ​27, 240 Kompetenz ​97 Kompetenzerweiterung ​187, 218, 484–498 Kompetenzkonkurrenz, siehe Zuständigkeitskonkurrenz ​ Kompetenzungebundenheit ​190 Konditionalprogramm ​80 Konflikt, zwischengemeindlicher ​37 Konfliktbewältigung – Abwehransprüche ​30 f., 155–163, 226 f., 259 f.  – gesetzesmediatisierte ​480–484 – Handlungsraumbegrenzung ​29  f. – Rechtsverhältnisse 32, 306 Konfliktbewältigung, zwischengemeindliche – exekutiv vermittelte 34, 500–522 – judikativ vermittelte ​34, 500 f., 522–534 – legislativ vermittelte ​34, 412–466 – objektiv–rechtliche ​34, 427  f. – subjektiv–rechtliche ​34, 427  f. – unvermittelte ​34, 335 f., 346–403

Sachverzeichnis Konfliktlösungsdogmatik ​39 Konfliktpotentiale, zwischengemeindliche ​18, 37 – im Bauplanungsrecht ​58–68 – im Gemeindewirtschaftsrecht ​169–173 – im Sparkassenrecht ​234–239 Konfliktschlichtungsauftrag ​425 Konfliktschlichtungsprärogative ​425 Konfusionsargument ​394 Konkretisierungsbefugnis ​456–459 – Bindungen ​459–462 – Überschreitung  ​462–466 Konkurrenz ​213, 226, 332, 494 Konnexitätsprinzip ​541 Kontext – Entscheidungskontext ​72 – Entstehungskontext ​376 – Regelungskontext ​ 396 Kontrolldichte ​291, 383, 386 Kontrolldichtenreduktion, echte  ​272, 292, 294 f., 434 f., 545 – Erkennungszeichen ​301 – Kompetenz ​296–298 – Rechtfertigung ​ 296–298, 434 f. Kontrolle, inzidente ​103 Kontrollermächtigungsnorm ​291 f., 357, 383, 386, 503, 525, 539 f. Kontrollfreistellung ​294 Kontrollgegenstand 2​91, 357, 383, 386, ­539–543 Kontrollierbarkeit ​291 Kontrollmaßstab ​291, 357, 383, 386, 433 Kontrollnormen ​387, 545 Kontrollüberhang ​382  f., 387 Kontrollumfang, siehe Kontrolldichte Konzept zwischengemeindlicher Konfliktbewältigung ​266–268, 288–290, 295–301, 482–484 Kooperationspflicht ​428 Koordination, abwägerische ​129 Krabbenkamp-Entscheidung ​73–76 – Eingreifschwelle ​76 – Krabbenkamp-Formel ​76, 84–86, 150–152 – Verhältnis zum Abwägungsgebot 73–75 Kreissparkasse ​235, 250 Kreissparkassenzweigstelle ​238, 250 Kreisumlage ​369, 431 Kureinrichtungen ​171

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Landeskommunalverfassungsbeschwerde ​ 368 Landesstaatsgewalt ​380 Landesverfassunggeber ​370, 375 Landesverfassungsrecht, materielles ​380 Legalität ​275 Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht ​110 f. Leistungsfähigkeit ​196  f. Letztentscheidungsbefugnis ​ 272, 292 f., 358 f., 434, 461, 466, 525, 528 – gewaltenintern ​ 279, 293 f. – gewaltenübergreifend ​ 279, 293 f. Letztentscheidungskompetenz, siehe Letztentscheidungsbefugnis ​ Letztkonkretisierungskompetenz ​292 Lockerung des Gesetzesbindung ​271 f. Lücken im Recht ​243 Maßstabsteil ​71  f. Mehrpolige Verwaltungsrechtsverhältnisse ​ 404 f. Methode der Rechtserzeugung ​279–281, 283, 294 Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte ​ 404–412, 506 Mittelbare Kommunalverwaltung, siehe Kom­ munalverwaltung Mitverantwortung, staatliche ​405, 518 Mitversorgung 209 Modales Gewährleistungselement, siehe Eigenverantwortlichkeitsgarantie Modi der Aufgabenwahrnehmung ​310 Monistischer Aufgabenkreis ​326 Nachbarbegriff, planungsrechtlicher ​142 Nachbarschaftsverhältnis, bauplanungsrecht­ liches ​141 Nachteilsrechtsprechung ​118 f. Nahverkehrsplanung ​19 Negatorischer Normbestandsschutz ​476, 519 Neugliederung, kommunale ​238  f. Nicht-Störenspflicht  ​330, 424 Nicht-wirtschaftliche Betätigung ​182, 205 Normativbestimmung ​373 f. Normative Konkretisierung ​453, 455, 475 Normative Konstituierung ​ 353, 454, 460, 475 f., 478 Normative Konturierung ​363, 448 f.

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Sachverzeichnis

Normenkontrolle – abstrakte ​388, 541 – konkrete ​ 512, 526 – prinzipale, siehe Normenkontrolle, prinzipale Normenkontrolle, prinzipale ​103, 525 – Antragsbefugnis ​73, 104, 105 – Bebauungsplan ​103 – Flächennutzungsplan ​104 – Rechtsbeanstandungsfunktion ​125 – Rechtschutzverfahren, subjektives ​125 – Statthaftigkeit ​104 Normerzeugerwille, siehe Wille des Gesetzgebers Normgeprägte Gewährleistungen ​354, 448, 454 Norminhaltshypothese ​90  f., 270, 513 f. 146, 474–480, 519 Normrangwechsel ​ 277, 280 Normstrenge ​ Normstruktur, finale ​274, 279 9 0 f., 100, 107 Normtext ​ Normverhältnis ​77, 90, 100 – Abhängigkeit vom Norminhalt ​72 Notstand, rechtfertigender ​278 Offenheit – der Verfassung ​477  f. – interpretierte  ​269  f. – zu interpretierende  269 f. Online-Banking ​229 Optimierungsgebot ​135  f. Organisation, sparkasseninterne ​231 Organisationshoheit ​351 f., 452, 457, 462 Organleihe ​4 02 f. Örtliche – Angelegenheiten ​191 – Gemeinschaft ​191 Örtlichkeitsprinzip ​176  f., 188 182 Passbilder ​ Passivgeschäft ​235, 246 Personalkredit ​235  f. Pfadabhängigkeit ​263 Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ​ 349 Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben  ​349, 356 Planabwägungsrecht, allgemeines ​143

Planerhaltung ​159 Planfeststellungsverfahren ​285  f. Plangebiet ​102 153 Planung ​ Planung, räumliche ​286 Planungsbedürfnis, siehe Planungserfordernis Planungsbefugnis ​286 Planungserfordernis ​80, 81 f. Planungsergebnis ​153  f. Planungsermessen  ​271, 273, 292 f., 297 Planungshoheit ​144, 146, 310, 312, 325, 353, 403, 475 – Ausformung ​144, 447 – Erweiterung ​475 Planungsspielraum ​273 Polytomie der Rechtsverhältnisse ​339 Positivierungsnachweis ​71, 396 Postkonstitutionelles Recht ​354, 512 Präkonstitutionelles Recht ​354, 396 Präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ​ 251, 427, 463, 516, 533 Prima facie Schutz ​135, 345 Priorität, zeitliche ​225, 257, 500 Privatautonomie ​458 Privatrechtsgesetzgeber ​4 08 Privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt ​519 Privatwirtschaft ​175 Privilegierte Wirtschaftsbetätigung ​183 Prognosespielraum ​548 Programmsatz ​399 Protektionspflicht ​414–420 – Abänderbarkeit von Schutzmaßnahmen ​ 479 – Adressaten ​424 f., 500–502, 522 – Anspruch ​473 – definitive ​426 – Ermessensdirektive ​505–509 – Ermessensreduktion auf Null ​509 – Gesetzesauslegung ​513 – Gesetzesmediatisierung ​425, 501  f. – Gesetzgebungskompetenz ​436 f., 467, 470, 515 – Gestaltungsspielraum ​425, 461 – Kommunalverfassungsbeschwerde 539 – Maßstabskonfusion ​445 – Präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ​517–520, 523

Sachverzeichnis – prima facie ​426 – Primäradressat ​424 f., 500–502, 511 f. – primäre ​426, 428–432 – Rechtsfolgen ​424–436, 440, 461 – Relationalität ​437 – Schutzobjekt ​422 – sekundäre ​426, 432–435, 466 – staatliche Exekutive ​501–522 – Tatbestand ​421–424, 440 – Übergriff ​421–424 – Untermaßverbot ​437–442 Prozedurale Rationalität ​280–282 Prozeduralisierung ​428–432, 435 f., 466 Prozessgrundrechte ​550 f. Querzonung ​490 Rahmencharakter des Rechts  2​ 70 Rastede-Entscheidung ​325 f., 342, 367 Rationalität – verwaltungsdogmatische  ​282 – verwaltungstheoretische  ​282 Rationalitätsanforderungen – metajuridische ​275, 279, 284 – rechtliche ​ 282, 284 Räumliche Radizierung ​191, 198 Realkredit ​235 Recht auf – etwas ​338 – gerechte Abwägung ​116–118, 148 – gerechte Abwägung, fachplanerische ​120 – gerechte Abwägung, nachbargemeindliche ​119–127 Recht des ersten Zugriffs ​225 Recht, kompetenzbegründend ​316 Recht, subjektiv-öffentliches ​109, 510 – Rechtskreis, organschaftlicher ​109 f. Rechte ​337 Rechtfertigungsasymmetrie ​ 410 Rechtfertigungsfreiheit ​450  f. Rechtfertigungslasten ​135 – erhöhte ​79, 84  f. Rechtsanwendung ​ 268 f. Rechtsbeanstandungsfunktion, objektive ​125 Rechtsbehauptung ​267 Rechtschutzgewährungsfunktion ​103 Rechtschutzmöglichkeiten  114, 140, 292, 427, 532 f., 537

629

Rechtsdurchsetzungsmacht ​33, 112, 291, 402, 509 268 f. Rechtserkenntnis ​ – autoritative ​545 – Spielraum ​ 268 f., 469, 513 Rechtserkenntnisspielraum, siehe Rechts­ erkenntnis Rechtserzeugung ​268–271 – Bedingung, siehe Bedingung der Rechts­ erzeugung – Dogmatik ​70, 314 – generelle  ​70 – Gerichte ​69 – judikative ​ 70 – Methode, siehe Methode der Rechtserzeu­ gung – Rechtserzeugungsakteure ​33 Rechtserzeugungsfreiraum – gewillkürter ​270, 292 – notwendiger ​270 Rechtserzeugungskompetenz, judikative ​70 f., 411 f. Rechtserzeugungsmodell, dualistisches ​268– 274, 280 Rechtserzeugungsverfahren, dynamisiertes ​ 270, 279 Rechtserzeugungsverständnis, integralistisches ​ 268 f., 277 Rechtsgebäude ​268 Rechtsgewinnungstheorie, dichotome, siehe dichotome Rechtsgewinnungstheorie ​ Rechtsherstellung ​269 268, 357 f. Rechtsindividualisierung ​ Rechtsinstitutionsgarantie  ​310, 352, 473 Rechtskontrolle 294, 361, 433 Rechtskreis, organschaftlicher ​109 f., 112 Rechtsmacht, siehe Rechtsdurchsetzungsmacht 477 Rechtsnormerzeugungszusammenhang ​ Rechtsposition, wehrfähige ​112, 217, 433 f. 70 f. Rechtsprechungskritik ​ Rechtssatzverfassungsbeschwerde ​540 Rechtsschichten ​174, 217, 334, 476–480 297 Rechtsschutzgarantie ​ Rechtssetzungsgewalt ​214 Rechtsstaatsprinzip ​287, 381, 393 Rechtsstrukturanalyse ​337–339 Rechtssubjektsgarantie ​473

630

Sachverzeichnis

467 f. Rechtsverdrängungsmacht ​ Rechtsverhältnistheorie ​339 f. Rechtswandel ​107 f. Rechtswidrigkeitsreaktionsregime ​335  f. Rechtswidrigkeitsurteil  ​359, 433, 481, 511 Rechtswissenschaftsbegriff ​21, 39, 45, 156, 174, 211 f., 233, 344, 408 Reduktion der Kontrolldichte, siehe Kontrolldichtenreduktion Referenzgebiet ​37–41, 262 f., 305 Regelung – deklaratorische ​ 91 – doppelte ​91 Regelungssituation, historische ​107 Regelungssystematik ​90 f., 99 f., 100, 108, 168, 222, 288, 378–392 Regelungstradition ​376 Region ​177 Regionalprinzip ​176 f., 232 f., 242–259 – Durchbrechung ​244, 249–252, 254–259 – geschäftliches ​234, 245, 254, 260 f. – organisatorisch–institutionelles ​234, 245, 260 f. – sparkassengesetzliches ​231–233, 242–259 – sparkassentypisches ​244 Rein gemeindeinterne wirtschaftliche Betätigung ​202, 228, 487 Relevanzschwelle, städtebauliche ​143 Repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ​ 427 f., 520–522 Reservezuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ​391 Richtigkeitsmaßstäbe 275 – materielle ​276, 280, 288 Richtung und Gehalt ​74 Rückschlussverfahren, gestuftes ​90  f., 100, 270 Rücksichtnahme, interkommunale ​75 Rundfunkanstalten ​315 Samtgemeinde, siehe Zwei-Ebenen-Verwaltung Satzung ​391 Satzungsgebiet ​236, 242, 255 – Erweiterung  257–259 Schädliche Umwelteinwirkungen ​65  f., 81 Schlachthof-Entscheidung ​77 Schrankentrias ​179, 183, 193–197, 200 f.

Schulnetzplanung ​19, 310–312, 349, 362 Schulstandortplanung ​ 310 f., 349 Schulträgerrecht ​145, 310–312, 349 Schulträgerschaft ​310–312 Schutz durch Eingriff ​443 f. Schutzbereich, grundrechtlicher ​332 f., 344 Schutzbereichsbegrenzung ​332 f. Schutznormlehre ​111, 112 Schutzpflicht – abwehrrechtliche Deutung ​489, 506 – Gesetzesauslegung ​513 – grundrechtliche ​ 4 05 f., 410 f. Schwerpunktbetrachtung ​211, 487 Selbstand der Verfassung ​477 Selbstbedienungsterminal ​249 Selbstermächtigung ​71 Selbstprogrammierungsanteile, rechtswesen­ hafte ​270, 358 Selbstprogrammierungsfreiraum ​270–272 Selbstverwaltung – Funktion ​418–420, 460 – Ideengeschichte ​396, 420 Selbstverwaltungsangelegenheiten ​325 Selbstverwaltungsaufgaben, freiwillige ​349, 356 Selbstverwaltungsgarantie – Abgrenzung Teilgewährleistungen ​310 f. – Abstimmungsgebot 467 f. – Abwehrrecht ​ 340, 343, 437–440, 442– 444, 485 – Aufgabengarantie ​309, 316 – Aufgabenreduktion ​332 – Aufgabenverteilungsprinzip ​342, 367, 452, 464, 493, 546 – Ausgestaltung ​317, 334, 445–462 – begrenzende Dimension ​303, 315, 326, 402 – Begrenzungsvorbehalt ​317, 455 – Binnenwirkung ​365, siehe auch Zielrichtung, zwischengemeindliche – Dezentralisation ​418  f., 460, 493 – Drittwirkung ​365, siehe auch Zielrichtung, zwischengemeindliche – Eigenverantwortlichkeitsgarantie ​309, siehe auch Eigenverantwortlichkeitsgarantie – Eingriffsrechtfertigung ​443  f., 464–466 – Eingriffsvorbehalt ​455

Sachverzeichnis – Entstehungsgeschichte  ​321–324, 377 f., 396–401 – Erstreckungsgarantien ​544, 550 – existentiales Gewährleistungselement ​314, 399 f., 473, 476 – Funktion ​418–420, 460 – Garantie effektiven Rechtschutzes ​298, 426, 432 f. – Gemeindliche Hoheiten ​355  f., siehe auch Gemeindehoheiten – Genehmigungserteilung ​517–522 – Gesetzesvorbehalt  ​319, 455 – Gewährleistungsbereich  ​346–352, 355– 364, 454 – Handlungsinfrastruktur  ​ 457–459, 492, 502, 546 f. – Horizontalwirkung ​365, siehe auch Zielrichtung, zwischengemeindliche – Institutionelle Garantie ​309  f., 313 f., 317 f., 334, 399 f., 416, 447, 455 – Kern- und Randbereichslehre ​317 f., 341 f., 367, 438, 452, 458, 461, 464 f., 493, 546 – Kollision ​ 332 – Kompetenzerweiterung ​484–498 – kompetenzrechtliche Auslegung ​313, 318 f. – Konnex Teilgewährleistungen ​351 f. – landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen  ​309 – legislative Spielräume ​469 – Makroperspektive ​445  f. – Mikroperspektive ​445  f. – Mindestanforderungen ​321 – modales Gewährleistungselement, siehe Eigenverantwortlichkeitsgarantie – Operationalisierung ​314, 340–343, 451 – Organisationshoheit ​351 f., 452, 457, 462 – Planungshoheit ​144, 146, 310, 312, 325, 353 f., 403, 475 – prinzipientheoretische Auslegung ​313 – Protektionspflicht ​414–420 – Querschnittsdimension ​436 – Rechtsinstitutionsgarantie  ​310, 352, 473 – Rechtsstellungsgarantie  ​310, 473 – Rechtssubjektsgarantie  3​ 10, 473 – Regelungsvorbehalt ​317, 455 – repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ​ 427 f., 520–522 – Sparkassenhoheit ​313

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– Staatsaufsicht ​357–362, 501–522, siehe auch Staatsaufsicht – subjektiv-rechtliche Auslegung ​313, 318 f. – Teilgewährleistungen ​310, 350  f. – Verfahrensdimension ​432, 436 – verfassungsdogmatische (Groß–)Deutungen ​313  f. – Verteilung Letztentscheidungsbefugnisse  359 f. – Weimar ​340, 396–401 – zwischengemeindliche Zielrichtung ​115, 126 f., 216, 300, 364–401, 480 Seveso-III-Richtlinie ​65  f. Sicherungsgeber ​236 Sonderaufsicht ​357, 515 Sonderdogmatik, sachbereichsspezifische 3​ 9 f., 556 Sparkasse – Aufsicht ​249, 251, 256, 307, 499 – Ausleihbezirk ​236, 255 – Beziehungsgeflecht zum Träger ​242 – Enumerationsprinzip ​254 – Errichtung ​248 – Errichtungsbeschluss ​240 – Geldautomat ​239, 249, 259, 315 – Geschäftsanweisungen  2​ 41 – Geschäftsgebiet ​242, 244 f., 247, 255–259, 472, 499 – Geschäftspolitik ​241 – Geschäftsrecht ​254–259 – Gesetzgebungskompetenz ​231, 254 – Gewährträger ​244 – Hauptstelle ​238, 248 – Jahresabschluss ​241 – Kreditgeschäft ​255 – Kreissparkasse ​235 – Satzung ​241 – Satzungsgebiet ​236, 242, 255–259, 499 – Selbstbedienungsterminal ​249 – Sparkassenträger ​26, 238, 241 – Stadtsparkasse ​235 – Träger ​26, 234, 240, 241 – Übertragungsanspruch ​253 – Verwaltungsrat ​ 241 – Vorstand  ​241 – Werbung ​255 Sparkassenerrichtungskompetenz ​242 Sparkassen-Finanzgruppe ​255

632

Sachverzeichnis

Sparkassengebiet ​253 Sparkassengemengelagen ​239, 253  f. Sparkassengeschäftsrecht ​254 Sparkassenhoheit ​313 Sparkassenorganisationsrecht ​231, 237 Sparkassensatzung ​241 Sparkassenträger ​26, 234, 240, 241 Sparkassenwesen ​230 Sparkassenzweckverband ​239 Sparkassenzweigstelle – Begriff ​248  f. – Betriebsverbot ​248 – Eröffnung ​238–252, 499 – Errichtungsverbot ​248, 250 – Geldautomat ​239, 249, 259, 315 – Übertragung ​238, 253 – Weiterbetrieb ​238, 248 Spielraum – Beurteilungsspielraum ​292, 297 – Einschätzungsprärogative ​ 294, 469, 548 – epistemischer ​548 – Gestaltungsspielraum ​425, 461 – Planungsspielraum ​273 – Prognosespielraum ​548 – Rechtserkenntnisspielraum  ​268 f., 469, 513 – struktureller  ​548 – Subsumtionsspielraum ​357  f., 469, 513 – Typisierungsspielraum  ​469, 470 Staatsaufsicht ​357–362, 418 – Absicherung ​ 360 f. – Amtshaftung ​417 – Anspruch auf Einschreiten ​ 427 f., 481, 509, 515, 523 – Aufsichtsmaßstäbe 358 – Einzelmaßnahmen ​362 – Ermessen ​505–509 – gerichtliche Kontrolle ​523–534 – Koordinationsfunktion ​503 – Letztentscheidungsbefugnis ​358, 525, 528 f. – notwendiges Korrelat zur Selbstverwaltung ​360 – Rechtfertigung ​ 361 f. – Schutzfunktion ​361 f., 417 f., 502 f. Staatsgewalt – Bundesstaatsgewalt ​ 393 – Dezentralisation ​418  f.

– Einheit ​395 – Landesstaatsgewalt ​373  f., 379–381, 393, 507 – Verfassungsbindung ​392–394 Staatshaftung ​417 Städtebauliche Relevanz ​143 Stadtsparkasse ​235 Störfallanlage ​66 Stufenbau der Rechtsordnung  ​268 f., 334, 408, 474 Stufenverhältnis ​83 Subjekivierungshebel ​113 Subsidiaritätsklausel ​180 Subsidiaritätsprinzip, sparkassenrechtliches ​ 232 – Durchbrechung ​250 268 Subsumtionsautomat ​ Subsumtionsspielraum ​357  f., 469, 513 Systemanspruch ​73, 130 Tabula-rasa-Ansatz ​353 f., 363 f., 454 Tatbestandsbildung  ​271 Tatbestandsergänzung  ​271 Tätigkeitsbezogene Konzeption ​181 Telekommunikationsdienstleistungen ​168, 172, 179 Telekommunikationsleitungsnetze  ​179 Territorialprinzip ​176  f. Trägergebiet ​237 f., 253, 255–259 trägergebietsfremd ​238, 250 Trennungsgebot ​66 Treuepflicht ​303 Triadische Struktur ​433 Typisierungsspielraum  ​469, 470 Typologie gemeindewirtschaftlicher Betätigung ​169–172, 202 Übergemeindliche Aufgaben ​193 Übergriff – Gemeindewirtschaft ​167 – grundrechtsdogmatisch ​421 – verfassungsrechtsdogmatisch ​421–424 Übermaßverbot ​410, 438  f., 465 – Kongruenz mit Untermaßverbot ​438 f. Überörtlichkeit ​191  f. Überregional  ​205 Übertragener Wirkungskreis ​325 Übertragungsanspruch ​253

Sachverzeichnis Ultra-vires  ​316, 329 Umformulierung, gesetzestechnisch notwendige ​98 Unbeachtlichkeitsregime  ​159, 296 Unbestimmter Rechtsbegriff ​274, 279, 292, 358 f. Universalprinzip, kompetentielles ​317 Unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ​ 406 f. Untere staatliche Verwaltungsbehörde ​402 Unterlassen – absolutes ​540 – echtes ​ 542 f., 546 – unechtes ​542  f., 547 Untermaßverbot ​410, 438 f., 440, 508, 546 – Kongruenz mit Übermaßverbot ​438 f. Unzumutbarkeit, siehe Abstimmungsdisproportionalität Unzumutbarkeitsschwelle, siehe Abstimmungsdisproportionalität Usurpation ​216 Verbandsgemeinde, siehe Zwei-Ebenen-Verwaltung Verbandskompetenz ​315 Verbrauchsgüter ​169 Verfassungsändernder Gesetzgeber ​381, 386 Verfassungskonforme Auslegung ​221 f., 303, 513 f. Verfassungsmäßige Ordnung  3​ 22, 379, 382– 384 – der Länder ​379, 382–384 – in den Ländern ​ 379, 382–384 Verfassungsorientierte Auslegung ​221 f., 252, 299, 303, 498, 513 f. Verfassungsprinzipien ​380 Verfassungsrang ​475–480 Verfassungsrechtsbegriff ​174, 188 Verfassungsrechtsdogmatik ​71, 314 Verfassungsunmittelbare Eigenverantwortlich­ keitsgarantie ​353–355, 454 Verfassungsunmittelbarer Aufgabenbestand ​ 201, 316–325 Verfassungswandel ​ 107 f. Verhaltensnormen, siehe Handlungsnormen ​ 387, 545 Verhältnismäßigkeitsprüfung ​278, 341, 345, 438 f., 440 f., 450, 464 f.

633

Verkehr, öffentlicher ​179 Vermögensanlagen ​170 Verpflichtung, nicht-relationale ​113, 338 f., 366, 427 Verrechtlichung ​281 f., 284, 287, 361, 477 f. Versorgungslücken ​252, 472 Versorgungssicherheit ​499 Verteidigungsfall ​420 Ververfassungsrechtlichung ​478 Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ​405 Verwaltungseffizienz ​460, 462 Verwaltungskraft ​ 226 Verweisung – Außenrechtsverweisung ​477  f., 519 – Binnenrechtsverweisung ​477 f. – dynamische ​477 f. – statische ​188, 477 f.  – Verweisungsnorm ​477 f. Vorgängernormierungen  3​ 76 Vorhabenzulassungsverfahren ​72 Vorkonstitutionelles Recht, siehe präkonstitutionelles Recht ​ Vorrang der Verfassung ​392–394 Vorrangrelation, situative  280 Vorverfassungsrechtssituation ​395–400 Vorverfassungssituation ​ 354, 395 f. Wahrnehmungsanmaßung ​216 Wahrnehmungskonkurrenz ​216 Wasserversorgung ​179 Wegwägen ​160  f. Weichenstellerthese ​304 Weisungsfreiheit ​355 Wertschöpfung ​207  f. Wille des Gesetzgebers ​40, 90 f., 100, 269 f., 299, 354, 376 f., 386, 395 f. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ​466 Wirtschaftsbetätigung – eingeschränkt gemeindeinterne ​202, 217, 224 f., 228 f., 331, 345, 468, 471, 487 – gemeindeexterne 202, 225 f., 228, 331, 345, 497 f., 504 – gemeindeinterne ​202, 228 Wohnbedarf ​63 Ziele der Raumordnung ​154 Zielnorm ​477  f.

634

Sachverzeichnis

Zielrichtung, zwischengemeindliche  ​115, 126 f., 216, 300, 364–401, 480 Zugangshürden, prozessuale ​122  f. Zurechnungsverhältnis ​27, 240 Zuständigkeit ​97 Zuständigkeitserweiterung, siehe Kompetenzerweiterung Zuständigkeitskonkurrenz ​218, 315 f., 326– 328, 491 Zuständigkeitsverdrängung ​491 Zustimmung 220, 223, 257, 470, 494 Zustimmungserfordernis ​220 f., 257, 470, 494

Zustimmungsverweigerung ​223 Zweck, öffentlicher ​193, 487 277 Zweck-Mittel-Relation ​ Zweckrationalität ​277 Zwei-Ebenen-Verwaltung ​23, 369 Zweigstelleneröffnung ​238, 248–252 Zwischengemeindliche Schutzrichtung, siehe Zielrichtung, zwischengemeindliche Zwischengemeindliche Wirkweise, siehe Zielrichtung, zwischengemeindliche Zwischengemeindlichkeit ​22–24