Zwischen Weltstadt und Wüste: Römische Asketinnen in der Spätantike: Eine Studie zu Motivation und Gestaltung der Askese christlicher Frauen Roms auf dem Hintergrund ihrer Zeit 9783666551628, 3525551622, 9783525551622


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German Pages [240] Year 1993

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Zwischen Weltstadt und Wüste: Römische Asketinnen in der Spätantike: Eine Studie zu Motivation und Gestaltung der Askese christlicher Frauen Roms auf dem Hintergrund ihrer Zeit
 9783666551628, 3525551622, 9783525551622

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VöR

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte

Herausgegeben von Adolf Martin Ritter

Band 54

Göttingen • Vandenhoeck & Ruprecht • 1993

Zwischen Weltstadt und Wüste: Römische Asketinnen in der Spätantike Eine Studie zu Motivation und Gestaltung der Askese christlicher Frauen Roms auf dem Hintergrund ihrer Zeit

von

Griet Petersen-Szemeredy

Göttingen • Vandenhoeck & Ruprecht • 1993

Meiner Tochter Janna Mareike

Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme Petersen-Szemeredy, Griet: Zwischen Weltstadt und Wüste: römische Asketinnen in der Spätantike; eine Studie zu Motivation und Gestaltung der Askese christlicher Frauen Roms auf dem Hintergrund ihrer Zeit / von Griet Petersen-Szemeredy. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 54) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-525-55162-2 NE: GT

© 1993 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Hannover Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort Dieses Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die unter dem Titel „Römische Asketinnen in der Spätantike. Eine Studie zu Motivation und Gestaltung der Askese christlicher Frauen Roms auf dem Hintergrund ihrer Zeit" im Jahr 1990 von der Theologischen Fakultät der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg angenommen wurde. Davor lag ein langer Weg, den ich ohne Begleitung und Ermutigung durch andere Menschen wohl nicht gegangen wäre. Am Beginn dieses Weges steht meine Mutter, die mich etwas sehr Wertvolles gelehrt hat, nämlich den Dingen auf den Grund zu gehen und sich nicht mit einfachen Antworten zufriedenzugeben. Die ersten Diskussionen über Fragen feministischer Theologie habe ich mit ihr geführt, und dieses Gespräch ist bis heute nicht abgerissen. Immer intensiver wurde das Nachdenken über die Stellung von Frauen in Kirche und Theologie während meines Studiums. Durch die Begegnung mit Dr. Ruth Albrecht „entdeckte" ich nun die Frauen der Alten Kirche; sie verstand es, in mir große Neugier auf diese Frauen und insbesondere die römischen Asketinnen zu wecken. Am intensivsten haben mein Mann und meine Eltern die Zeit bis zur Fertigstellung dieser Arbeit mit mir durchlebt, die schwierigen Phasen mit ausgehalten und mir ganz praktisch durch ihr geduldiges und gründliches Korrekturlesen geholfen. Auch viele andere Wegbegleiter bzw. vor allem Wegbegleiterinnen haben mir durch ihr Interesse und ihre ermutigende Kritik das Durchhalten leichter gemacht. Ihre Namen kann ich hier nicht alle nennen, doch ist mein Dank darum nicht weniger herzlich. Eigens genannt sei an dieser Stelle mein Doktorvater, Prof. Dr. Karl Christian Felmy. - Ein besonderer Dank gilt außerdem Bernhard Horn, der mir für die Endfassung der Dissertation seinen Computer geliehen hat. Der Zantner-Busch-Stiftung in Erlangen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern schließlich danke ich für die freundliche Gewährung von Druckkostenzuschüssen. Eschau, im Advent 1992

Griet Petersen-Szemeredy

Inhalt

1.

Die Farbe der Kirchengeschichte

11

2.

Die Quellen

17

2.1 Asketinnen als Autorinnen 2.1.1 Indirekte Erw ähnungen 2.1.2 Juliana 2.1.3 Albina 2.1.4 Paula und Eustochium 2.1.5 Die Autorin des Cento Vergilianus de laudibus Christi

17 17 18 18 18 21

2.2 Asketinnen in den Werken männlicher Autoren 2.2.1 Hieronymus 2.2.2 Ambrosius von Mailand 2.2.3 Augustinus 2.2.4 Pelagius, Innozenz I., Prosper von Aquitanien 2.2.5 Paulinus von Nola 2.2.6 Rufinus von Aquileja 2.2.7 Coelestin 1 2.2.8 Johannes Chrysostomus 2.2.9 Palladius 2.2.10 Evagrius Ponticus 2.2.11 Kyrill von Skythopolis 2.2.12 Johannes Rufus 2.2.13 Die Vita der Melania 2.2.14 Claudius Claudianus 2.2.15 Verlorengegangene Zeugnisse

22 22 24 25 25 26 26 27 27 27 28 28 29 29 34 34

2.3 Die Bewertung der Quellen

35

2.4 Inschriften

39

3.

Der Hintergrund: Die politischen und sozialen Verhältnisse der Spätantike

41

3.1 Einführung

41

3.2 Die Spätantike

42

3.3 Die Völkerwanderung und ihre Folgen

43

8

Inhalt

3.4 Die sozialen Verhältnisse 3.4.1 Die Krise des 3. Jahrhunderts und ihre Überwindung 3.4.2 Die Angehörigen der Oberschicht 3.4.3 Die Angehörigen der Unterschicht 3.4.4 Ergebnis

50 50 51 55 62

4.

63

Die römische Frau in der Spätantike

4.1 Einleitung

63

4.2 Das äußere Erscheinungsbild

63

4.3 Der Lebenszyklus einer römischen Frau 4.3.1 Kindheit und Jugend 4.3.2 Ehe und Mutterschaft 4.3.3 Witwenschaft 4.3.4 Weibliche Homosexualität 4.3.5 Freizeit und Beruf

68 68 70 75 78 80

4.4 Wunsch und Wirklichkeit

82

5.

Das pagane und das christlich-häretische Umfeld der römischen Asketinnen

86

5.1 Einführung

86

5.2 Das pagane Umfeld 5.2.1 Der Mithraskult 5.2.2 Der Kult der Magna Mater (Kybele) 5.2.3 Der Isiskult 5.2.4 Der Kult der Vesta 5.2.5 Ergebnis 5.3 Das Judentum

86 90 91 92 93 97 99

5.4 Der Manichäismus Exkurs: Die weibliche Dummheit als Topos paganer männlicher Polemik

101

5.5 Das christlich-häretische Umfeld 5.5.1 Der Montanismus 5.5.2 Der Priscillianismus 5.5.3 Der Streit um Origenes 5.5.4 Der Pelagianismus 5.5.5 Weitere Häresien und schismatische Bewegungen

108 109 114 119 123 129

5.6 Ergebnis

130

104

Inhalt

9

6.

Die Wegbereiter/innen: Frauen-Vor-Bilder

132

6.1

Einführung

132

6.2

Frauen aus der paganen Geschichte und Literatur

132

6.3

Frauengestalten der Bibel

136

6.4 Märtyrerinnen und Märtyrer

142

6.5

150

Die Begegnung mit den asketischen Vorläufer(inne)n

6.6 Ergebnis

160

7.

Gelebte Askese

162

7.1

Askese als Ortswechsel 7.1.1 Einführung 7.1.2 Die Familie 7.1.3 Die Heimat 7.1.4 Der Besitz 7.1.5 Der eigene Körper 7.1.6 Die männliche Frau

162 162 162 170 176 181 188

7.2

Das Leben als Asketin 7.2.1 Einführung 7.2.2 Die tägliche Beschäftigung 7.2.3 Die Wirkung der Asketinnen als Vorbilder für andere

191 191 191 195

7.3

Ausblick: Die Wirkungsgeschichte der römischen Asketinnen

198

8.

Askese und Frausein: Die Motivation asketischen Lebens und seine Auswirkungen auf die Stellung der Frau im Christentum der Spätantike

204

Literaturverzeichnis

211

Anhang

237

1. Die Farbe der Kirchengeschichte Diese Arbeit beschäftigt sich ganz bewußt und keineswegs zufällig mit der Geschichte von Frauen in der Kirche, denen sich bisher das Forschungsinteresse noch viel zu wenig zugewandt hat. Dadurch, daß in einer langen Geschichte Frauen durch Nicht-Nennen, durch „Vergessen" zum Verstummen gebracht wurden, haben auch Frauen von heute Schwierigkeiten, laut zu sprechen und sich selbst beim Namen zu nennen. Deshalb möchte ich in meiner Arbeit Frauen ins Zentrum stellen1, ihnen meine ganze Aufmerksamkeit und Kraft widmen. Es ist eine kleine Gruppe von Frauen - christliche Asketinnen im Rom der Spätantike - , die hier zum Sprechen gebracht wird. Ich selbst stieß immer wieder auf Erstaunen, wenn ich in Gesprächen das Thema meiner Arbeit nannte; kaum jemandem, auch Theologiestudent(inn)en nicht, waren die römischen Asketinnen ein Begriff. Stünde etwa Hieronymus, ein Zeitgenosse und Freund dieser Frauen, im Mittelpunkt meiner Arbeit, hätten die Reaktionen wohl anders ausgesehen. Er findet nämlich in Heussis „Kompendium der Kirchengeschichte" sowie in Chadwicks Buch „Die Kirche in der antiken Welt" mehrfach Erwähnung 2 , während die Namen der Asketinnen im Index beider Werke nicht auftauchen. Anders verhält es sich bei Darstellungen des abendländischen Mönchtums; hier werden die asketisch lebenden Römerinnen zumindest mehr oder weniger kurz genannt, etwa in dem von 1966 stammenden Aufsatz von Rudolf Lorenz über „Die Anfänge des abendländischen Mönchtums im 4. Jahrhundert" 3 oder in Karl Suso Franks ,,Grundzüge[n] der Geschichte des christlichen Mönchtums" 4 von 1975. Eine intensive Beschäftigung mit dieser Frauengruppe kann dort jedoch nicht geleistet werden. Ruth Albrecht - um noch eine Arbeit aus dem deutschen Sprachraum zu nennen - verweist in ihrer Dissertation über „Das Leben der heiligen Makrina auf dem Hintergrund der Thekla-Traditionen" von 1986 immer wieder auch auf die römischen Asketinnen; 5 sie behandelt außerdem im ersten Kapitel ihrer Arbeit, die sich schwerpunktmäßig den Ursprüngen des weiblichen Mönchtums im 4. Jahrhundert in Kleinasien (so der 1 2 3 4 5

Vgl. Brooten, Frauen, 62f. Heussi, Kompendium, 583; Chadwick, Kirche, 372. Lorenz, Anfänge, 3 - 1 2 . Frank, Grundzüge, 35-37; vgl. z.B. auch Gordini, Origine (siehe Lit.verz.). Siehe z.B. Albrecht, Leben, 119.126.143.

12

Die Farbe der Kirchengeschichte

Untertitel) widmet, auch die Forschungslage zur Geschichte des Mönchtums in der Alten Kirche, zum Thema „Frauen in der Alten Kirche" sowie zum Thema „Weibliches Mönchtum" 6 . Dabei stellte sich heraus, daß es zwar über die Frühzeit des männlichen Mönchtums eine Fülle von Literatur gibt, jedoch: „Der Beitrag der Frauen zur Entstehung des christlichen Mönchtums wurde noch kaum als eigenes Thema wahrgenommen." 7 - In Überblicken etwa über „Das Institut der gottgeweihten Jungfrauen. Sein Fortleben im Mittelalter" von Iniga Feusi aus dem Jahr 1917 oder die „Geschichte der Benediktinerinnen", verfaßt 1951 von Stephan Hilpisch, werden die Asketinnen zwar durchaus erwähnt, jedoch können hier ebenso wie bei den erwähnten Werken von Lorenz und Frank keine Einzelstudien betrieben werden, durch die noch genauer die Geschichte der römischen Asketinnen nachgezeichnet würde. 8 Besonders im englischsprachigen Raum gibt es allerdings einige Forscherinnen, die sich speziell mit den römischen Asketinnen beschäftigt haben; meist jedoch geschah dies in Form von Aufsätzen: So schrieb etwa Silvia Jannacone im Jahr 1966 über „Roma 384 (Struttura sociale e spirituale del gruppo geronimiano)", Anne Yarbrough 1976 über „Christianization in the Fourth Century. The Example of Roman Women" (in Antwort auf Peter Browns „Aspects of the Christianization of the Roman Aristocracy" von 1961). Rosemary Ruether behandelte in „Mothers of the Church: Ascetic Women in the Late Patristic Age" (in einem von ihr und Eleanor McLaughlin 1979 herausgegebenen Buch über „Women of Spirit. Female Leadership in the Jewish and Christian Traditions") die römischen Asketinnen, Elizabeth Clark tat dies 1982 in ihrem Aufsatz zum Thema „Ascetic Renunciation and Feminine Advancement: A Paradox of Late Ancient Christianity", ebenso wie Jo Ann McNamara mit ihrem Beitrag zu einem Sammelband über „Medieval Religious Women" von 1984, der den Titel trägt: „Muffled Voices. The Lives of Consecrated Women in the Fourth Century". Diese Aufsätze schildern anhand der Quellen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und auch mit - verschiedenen - Wertungen die Lebensweise der Asketinnen sowie ihre Beziehungen zueinander und zu ihren theologischen Lehrern. Der soziale, politische und religiöse Hintergrund dieser Frauen kann jedoch dort nur angedeutet und nicht ausführlich untersucht werden. Einzelne Themen aus dem Umfeld der römischen Asketinnen hat vor allem Elizabeth Clark aufgegriffen, von der die meisten Veröffentlichungen auf diesem Gebiet stammen, darunter neben Aufsätzen auch eine Übersetzung und ein Kommentar der Vita Melanias der Jüngeren, einer römischen Asketin, sowie ein Buch über „Jerome, Chrysostom, and Friends", in dem im Kapitel „Friendship between the sexes" auch die Beziehungen zwischen Hieronymus und den Asketinnen geschildert werden. 6 8

7 Albrecht, Leben, 14-24. Albrecht, Leben, 20. Zur Bibliographie dieser und der im folgenden genannten Titel siehe Lit.verz.

Die Farbe der Kirchengeschichte

13

Anne Ewing Hickey liefert in ihrer Dissertation zum Thema „Women of the Senatorial Aristocracy of Late Rome as Christian Monastics" (1986) eine soziologische und kulturelle Analyse von deren Motivation, wobei sie sich stark auf Paula konzentriert; sie befaßt sich außerdem genauer mit der sozialen Stellung der Asketinnen, dem sozialen, ökonomischen und politischen Status der römischen Frau der Spätantike sowie dem Frauenbild in der Literatur jener Zeit. Auf einige ihrer Erkenntnisse kann ich in meiner Arbeit zurückgreifen; über die politische und soziale Situation in der Spätantike, das religiöse Umfeld und die Vorbilder der Asketinnen, die ich für deren Verständnis als sehr wichtig erachte, schreibt Hickey jedoch nichts. Hier ist Mary Teresa Philomena Malone mit ihrer bereits von Ruth Albrecht genannten Arbeit über „Christian Attitudes towards Women in the Fourth Century: Background and New Directions" (1971) eher hilfreich. Die politischen Ereignisse jener Zeit behandelt sie zwar kaum, ebensowenig die in den Quellen genannten weiblichen Vorbilder der Frauen (abgesehen von Maria); sie widmet sich aber insbesondere anhand von Gesetzestexten der Situation der Frauen in Rom, wobei natürlich zu fragen ist, ob diese Gesetze auch ein Bild der Wirklichkeit abgeben. Auch mit dem sozialen Hintergrund sowie der heidnischen Religion jener Zeit beschäftigt sie sich, jedoch nicht in Einzelheiten und vor allem nicht jeweils auf die römischen Asketinnen bezogen. Dies aber ist mir in dieser Arbeit wichtig; ich möchte immer wieder anhand der Quellen nachprüfen, inwieweit die Asketinnen und ihr Umfeld z.B. von einzelnen Kulten oder Häresien Kenntnis hatten und sich an ihnen beteiligten, ob das, was wir über Frauen in Rom wissen, für die Asketinnen ebenso zutrifft oder nicht. Dadurch wird zum einen die Schilderung lebendiger, zum anderen aber kann neben dem, was über Frauen geschrieben wurde, auch geprüft werden, wie und ob sie selber diesem Bild entsprachen. Ich möchte mich mehr auf die Frauengestalten selbst konzentrieren und werde daher nicht wie Malone auf die Entwicklung der Stellung der Frau in den Jahrhunderten zuvor eingehen, ebensowenig im allgemeinen auf theoretische Aussagen der Kirchenväter über Frauen und Jungfräulichkeit. Nicht vorrangig die Einstellung (von Männern) zu Frauen (siehe den Titel von Malones Arbeit), sondern die Einstellung der Frauen, genauer der christlichen Asketinnen, zu bestimmten Fragen und Problemen, zu ihrer Umwelt sowie die Gründe für diese Einstellung sollen hier erforscht werden. Wer sich also mit der Geschichte der Alten Kirche nur überblicksweise beschäftigt und keine (am besten noch fremdsprachige) Spezialliteratur hinzuzieht, erfährt vermutlich nichts oder nur Weniges, Ungenaues über das Leben römischer Asketinnen der Spätantike. Meine Absicht war es daher, zum einen diese Frauen auch im deutschen Sprachraum bekannt(er) zu machen, zum anderen, ihr Leben und ihre Lebensumstände genauer und tiefgehender zu schildern, als es bisher geschehen ist. Gerade eine solche Zugangsweise aber,

14

Die Farbe der Kirchengeschichte

die nach dem Umfeld jener Frauen fragt und sie vor diesem Hintergrund sieht, scheint mir für ein wirkliches Verständnis ihrer asketischen Lebensweise sehr wichtig zu sein. Dabei könnte sich dann herausstellen, daß Askese für sie etwas anderes bedeutete als für die Männer ihrer Zeit. Um aber dies herausfinden und die Motivation der Askese sowie ihre Ausgestaltung bei Männern und Frauen vergleichen zu können, müssen wir erst mehr über die Frauen in Erfahrung bringen. - Erleichtert wird die Arbeit im übrigen dadurch, daß die Quellen zur Geschichte der Asketinnen bekannt sind und nicht erst neu entdeckt, sondern vielmehr „nur" anders gelesen und befragt werden müssen. Ich verstehe somit das Schreiben von Frauengeschichte, wie ich es in dieser Arbeit versuche, nicht allein als das Füllen der Lücken, die von der herkömmlichen Geschichtsschreibung übriggelassen worden sind, denn vom Totschweigen der Hälfte der an der Kirchengeschichte beteiligten Menschen können schließlich nicht nur kleine Ausschnitte betroffen sein. Daher bin ich überzeugt, daß es bei dem - notwendigen - Ausfüllen dieser „weißen Flecke" nicht bleiben kann, daß sich vielmehr hierdurch die Farbe der ganzen Kirchengeschichte ändern wird. Frauengeschichte bezieht sich ja immer wieder auf Männergeschichte - auch diese Arbeit hätte sich ohne diese gar nicht schreiben lassen - und verändert durch jene Verbindung auch das Bild dieser Geschichte. 9 Askese etwa ist immer Askese von Männern und von Frauen; wenn wir nur die eine Seite kennen, können wir nicht wahrheitsgemäß über „das" asketische Leben von Christen und Christinnen der Spätantike sprechen. Die Geschichte und die Geschichten von Männern und Frauen müssen gleichwertig nebeneinander gesehen und dann in Verbindung miteinander gebracht werden, gleich würdig der Erinnerung und gleich gültig. Neben dem Wunsch nach Vollständigkeit und Wahrheit steht hinter meiner Beschäftigung mit Frauengeschichte auch der Wunsch, die wiederentdeckten Frauengestalten endlich ihre Wirkung auf Frauen von heute entfalten zu lassen. Was würde geschehen, wenn kleine Mädchen im Geschichts- und Religionsunterricht auch von den Taten der Kirchenmütter, ihrer Glaubensschwestern, erfahren würden? Wenn wir den Frauen der Vergangenheit erlaubten, aus dem Schatten zu treten, und sie ins „rechte Licht" rückten, dann würde ein solcher Schritt vielleicht auch für heutige Mädchen und Frauen leichter. Sie könnten an ihnen Nachahmenswertes entdecken, zu anderen Aspekten ihres Lebens aber auch in kritische Distanz treten. Denn das Entdekken der eigenen Wurzeln fördert nicht nur Vörbildhaftes zutage, es fordert vielmehr auch zum Erkennen der Mittäterschaft von Frauen, d.h. ,,ihre[r] tätige[n] Verstrickung in die Normalität der Männergesellschaft" 10 , heraus 9

Zum Thema „Frauengeschichte" vgl. Lerner, Frauengeschichte (siehe Lit.verz.). Thürmer-Rohr, Querdenken, 146; Thürmer-Rohr führt dazu aus: „Das Eigenartige' dieses Zugriffs [feministischer Forschung; G.P.] ergibt sich nicht allein aus dem Bewußt10

D i e Farbe der Kirchengeschichte

15

und gibt damit gleichzeitig die Chance zu Veränderung und Richtungswechsel; es kann dazu beitragen, sich des eigenen Weges bewußter zu werden. Ein wichtiges Ziel dieser Arbeit ist nämlich, in einen Dialog mit den Quellen zu treten, um sie in unsere Gegenwart hinein wirken zu lassen. Ruth Albrecht schreibt in einem Aufsatz über feministische Kirchengeschichtsschreibung: „Kirchengeschichte wird dann lebendig, wenn ich meine eigenen Lebensauffassungen in das Gespräch mit den historischen Texten einbringe. Wenn ich meine eigenen Fragen an die aus einer anderen Zeit stammenden schriftlichen Quellen herantrage, kann es gelingen, daß die Gegenwart sich mir neu entschlüsselt."11 Diese Frage nach dem Umgang mit den Quellen behandle ich im folgenden, zweiten Kapitel meiner Arbeit genauer, in dem ich auch die verschiedenen Quellen kurz darstelle, die uns Auskunft über die römischen Asketinnen geben können. Diese Frauen lebten im 4. und 5. Jahrhundert n.Chr., und ohne die politischen und sozialen Verhältnisse in jener Zeit zu kennen, können wir sie bzw. die Quellen, die uns etwas über sie sagen, nicht verstehen. Von diesem Umfeld Notiz zu nehmen, ist auch deshalb wichtig, weil uns so unsere rein zeitliche Distanz zu den Asketinnen der Spätantike deutlich wird; dies kann dabei helfen, die Frauen nicht für unsere heutigen Wünsche und Erwartungen zu vereinnahmen. Daher wird das dritte Kapitel sich mit der politischen und sozialen Situation befassen, in der sich die Asketinnen befanden. Da diese Arbeit Frauen in den Mittelpunkt stellt, muß dann in einem vierten Kapitel die spezielle Situation der Frauen jener Zeit geschildert werden; Geschichte wird von Männern und Frauen je unterschiedlich erlebt, da ihre Möglichkeiten zur Beteiligung an ihrer Gestaltung verschieden sind. Von den Möglichkeiten einer Frau der damaligen Zeit, von den gesellschaftlichen Erwartungen an sie her kann erst beurteilt werden, was das asketische Leben für eine solche Frau bedeutet haben mag, wo Unterschiede und Gemeinsamkeiten lagen. Die Abweichungen vom gängigen Frauenbild darzulegen, ist nur dann möglich, wenn wir es kennen - und sie sahen gewiß anders aus als diejenigen eines Asketen vom Männerbild seiner Zeit. sein und der Empörung des Opfers Frau, das seine Ausgrenzung aus der patriarchalen Kultur und aus dem .Subjekt' der Geschichte erkennt, sondern ebenso aus dem Bewußtsein der Mittäterin Frau, die von ihrem Einschluß, ihrer Eingrenzung in diese gleiche Kultur weiß. Ihr Beitrag als Hausgenossin und Liebhaberin des Mannes, als Teilhaberin und Zuarbeiterin, als Mit-Funktionierende und Männer-Tat-Bejahende, als Protektorin männlicher Vorhaben, Muse männlicher Entwicklung, sorgende Stütze, akzeptierende Mitdenkerin oder Schweigerin, als Dulderin und damit auch Trägerin männlicher Überwertung und eigener Ich-Losigkeit macht sie zu einem ebenso ausgegrenzten wie zugehörigen Teil des Subjekts der Geschichte; einen Teil, dessen fragwürdiges Gewicht hinter dem Schwergewicht des Mannes verschwunden erscheint." (ebd.) 11 Albrecht, Kleider, 86.

16

Die Farbe der Kirchengeschichte

Die nächste zu beantwortende Frage ist die nach dem religiösen Hintergrund jener Zeit und insbesondere der in dieser Zeit lebenden römischen Frauen. Sowohl das pagane als auch das christliche Umfeld sollen daher im fünften Kapitel geschildert werden, um die Entscheidung gerade zur Askese dort einordnen oder dagegen abheben zu können. Auch hier werden, wenn bestimmte Gruppierungen behandelt werden, immer die Frauen im Mittelpunkt stehen: Nach ihrer Situation, ihren Rechten in einem heidnischen Kult oder einer häretischen Bewegung ist zu fragen, denn auch hier ist damit zu rechnen, daß Situation und Rechte der Männer ganz anders gewesen sein könnten. Während für die Bestimmung der Einflüsse, die politische Situation oder religiöser Hintergrund auf die römischen Asketinnen ausübten, oft auch Sekundärliteratur sowie Quellen, die sich nicht direkt auf die Asketinnen beziehen, herangezogen werden müssen, sagen die Quellen zu den Asketinnen uns deutlich, welche Frauengestalten ihnen als Vorbilder vor Augen gehalten und als Orientierungspunkte genannt wurden. Von diesen Frauen (und auch einigen als Vorbildern genannten Männern) handelt das sechste Kapitel. Es führt uns so in den engeren Umkreis der Asketinnen, denen wir im siebten Kapitel noch ein Stück näher kommen. In diesem Kapitel sollen die Fäden der vorhergehenden Kapitel zusammenlaufen; dort soll gezeigt werden, wodurch sich das Leben einer Asketin bestimmte und wo sie sich von anderen Lebensentwürfen absetzte. Dabei gewinnen die einzelnen Frauen an Individualität, an „Farbe", denn die relativ kleine Gruppe der Asketinnen bestand aus sehr verschiedenen Persönlichkeiten. (Um den Überblick nicht zu verlieren, sind in einem Anhang die einzelnen Frauen mit ihren wichtigen Lebensdaten, soweit bekannt, noch einmal gesondert aufgeführt.) Je bunter nun das Bild wird, desto weniger können Pauschalurteile gefällt werden, desto deutlicher wird, wieviel es noch zu entdecken gibt, bis das Wort Geschichte nicht mehr vor allem Männergeschichte bedeutet. Wenn am Ende dieses Kapitels auch angesprochen wird, wie die Asketinnen sich gegenseitig beeinflußten und auf Frauen außerhalb ihres Kreises weiterwirkten, wird von der Distanz schaffenden Betrachtung der Asketinnen in ihrer Zeit der Bogen geschlagen zu unserer Gegenwart, in der wir aus dem Gespräch mit ihnen eigene Wurzeln entdecken und neue Wege sehen können, die von ihnen zu uns und über uns hinaus führen.

2. Die Quellen 2.1 Asketinnen als Autorinnen 2.1.1 Indirekte

Erwähnungen

Ein grundlegendes Problem bei der Beschäftigung mit den römischen Asketinnen stellt die Quellenlage dar. Es existieren nämlich nahezu keine Texte von diesen Frauen, sondern fast nur Nachrichten über sie, und diese Nachrichten stammen ausschließlich von männlichen Zeitgenossen. So wird der Eindruck erweckt, die Asketinnen seien kaum oder gar nicht literarisch tätig gewesen. In Wirklichkeit jedoch standen diese Frauen in regem Briefwechsel mit Männern ihrer Zeit. Hier ist insbesondere der Kirchenvater Hieronymus zu nennen. Er tauschte während seines Romaufenthalts mit der Asketin Marcella häufig Briefe aus; dies bestätigen viele Bezugnahmen seinerseits auf Schreiben dieser Frau 1 , die ihm ihre Fragen in Briefform zu stellen pflegte. 2 Als Hieronymus nicht mehr in Rom lebte, blieben er und Marcella dennoch durch Briefe weiter miteinander in Verbindung. 3 Von der Römerin Eustochium erhielt Hieronymus ebenfalls einen Brief sowie Geschenke. 4 Immer wieder bemerkt Hieronymus, er schreibe auf Bitten einzelner Frauen. 5 Da diese Frauen meist räumlich von ihm getrennt waren, wie aus den Briefen hervorgeht 6 , haben wir uns diese Bitten sicher schriftlich zu denken, selbst wo dies nicht ausdrücklich erwähnt wird. - Auch Ambrosius von Mailand bekam nach eigenen Angaben Briefe von einer Asketin, nämlich von seiner Schwester Marcellina. 7 Augustinus schreibt, er habe Briefe von den Asketinnen Italica 8 , Albina 9 , Juliana 10 sowie einen von Proba und Juliana zusammen 11 erhalten. Auch Albina, Pinianus und Melania die Jüngere (d.J.) schrieben ihm. 12 Die Römerin Fabiola schließlich bat vor ihrem Tod viele

1

Hieronymus, ep.26,1; 29,1.2.4; 32,1; 42,1; Apol. adv. libros Rufini 1,1. 3 Hieronymus, ep.26,1. Hieronymus, ep. 127,8. 4 5 Hieronymus, ep.31,1. Hieronymus, ep.41,4; 54,1; 107,3; 121,1. 6 Hieronymus, ep.54,3; 107,13; 127,13. 7 Ambrosius, ep.20,1; 42,1. 8 Augustinus, ep.92,1; in ep.99,1 ist sogar von drei Briefen die Rede. 9 Augustinus, ep. 126,1. 10 Augustinus, ep.188,1,1; hier muß es sich um einen Brief an Augustin und Alypius handeln; anscheinend ging in diesem Fall ein längerer Briefwechsel bereits voraus. 11 12 Augustinus, ep.150. Augustinus, De gratia Christi 1,1. 2

Die Quellen

18

Mönche schriftlich um ihr Kommen. 13 - Offenbar hielt es in jener Zeit niemand - nicht einmal die Adressaten! - für nötig, die Briefe jener Frauen wie die von mehr oder weniger berühmten Männern aufzubewahren und zu sammeln. Lediglich in einigen wenigen Fällen scheint es möglich, daß wir Zeugnisse der Asketinnen selbst in Händen halten. 2.1.2 Juliana In ep,188,I,2f. zitiert Augustinus zwei kurze Abschnitte aus einem Brief der Römerin Juliana, die vor dem Jahr 410 n.Chr. Witwe geworden war14 und seitdem ein asketisches Leben führte 15 . Es wird sich hier um wörtliche Zitate handeln, da sie beide mit den Worten diceres bzw. dicis eingeleitet und in direkter Rede wiedergegeben werden. 2.1.3 Albina Ein Zitat aus einem Brief der Asketin Albina (Witwe seit etwa 406, gestorben 431/432 16 ) überliefert Augustinus in ep. 126,11. Er leitet es ein mit den Worten: scripsit mihi sanctitas tua ; daher haben wir auch in diesem Fall sicherlich ein - wenn auch sehr kurzes - wörtliches Zitat aus dem Brief einer römischen Asketin vor uns. 2.1.4 Paula und Eustochium Ep.46 des Hieronymus ist mit Paulae et Eustochiae ad Marcellam überschrieben; dessen ungeachtet halten die meisten Forscher/innen den Brief dennoch für ein Werk des Kirchenvaters 17 und nicht für eines der Asketin Paula (5.5.347-26.1.404 18 ) und ihrer Tochter Julia Eustochium (gestorben Ende 418/Anfang 41919). Es gibt jedoch auch Gegenstimmen: Gatier etwa stellt die Frage, ob es sich bei der Zuweisung des Briefes an Hieronymus um männlichen Chauvinismus oder um Philologie handele. 20 Rousseau meint, der Brief der beiden Frauen habe die Ansichten des Hieronymus wiedergegeben, schreibt aber nicht, er sei direkt von ihnen verfaßt worden 21 , Morin sieht 13

Hieronymus, ep.77,11. Jones, Prosopography 1,468; Hieronymus, ep. 130,3; in Zukunft wird die Zeitangabe „n.Chr." weggelassen, wenn es eindeutig um Lebensdaten von Asket(inn)en und ihren Zeitgenoss(inn)en geht. 15 Siehe z.B. Augustinus, De bon. vid. XVIIII,24. 16 Clark, Life, 92. 115. 17 Z.B. Nautin, Lettre, 441; Kelly, Jerome, 141. 18 Fasola, Art. Paula, 204. 19 Kelly, Jerome, 328 (zum Namen vgl. Hieronymus, ep. 108,4; Eustochium kommt vom griechischen Wort eixjTOxia [Geschicklichkeit]; Wimmer/Melzer, Lexikon, 466). 20 Gatier, Aspects, 166 Anm.7. 21 Rousseau, Ascetics, 114 Anm.2. 14

Asketinnen als Autorinnen

19

Hieronymus als Verfasser des Briefes in seiner Funktion als Sekretär der beiden Frauen an22 und Rousselle schließlich hält den Brief für echt23. Dronke stellt fest, es gäbe keinen vernünftigen Grund, anzunehmen, der Brief sei nicht von Paula und ihrer Tochter verfaßt worden. 24 Er macht zudem auf Kellys Beobachtung aufmerksam, daß ep.46 vom Stil her nicht zu den übrigen schriftlichen Äußerungen des Hieronymus in jenen Jahren (der Brief stammt von 388/389) passe.25 Außerdem sind von Hieronymus aus der Zeit zwischen Herbst 386 und Anfang 393 keine Briefe erhalten; dies wäre der einzige.26 Es gibt allerdings auch ein wichtiges Gegenargument. Ein vermutlich aus dem Jahr 406 stammender Zusatz zum Katalog der Schriften des Hieronymus in De viris inlustribus nennt nämlich als Titel von ep.46 ad Marcellam ex nomine Paulae de scs. locis.21 Sollte Hieronymus selbst Autor dieses Zusatzes sein, hätte er mit großer Wahrscheinlichkeit (wenn auch nicht mit Sicherheit) ebenso als Verfasser des Briefes zu gelten; doch dies läßt sich nicht zweifelsfrei nachweisen. Dafür spricht nach Feder die bewußte Gruppierung zusammengehöriger Schriften in dem genannten Zusatz, weiter die Ähnlichkeit des Anfangs der Liste mit zwei anderen, sicher von Hieronymus stammenden Zusätzen 28 . „Ferner deuten die Eingangsworte et post hunc librum dedicatum darauf hin, dass uns ein Dedikationsexemplar des Autors vorliegt." 29 Weiterhin sind in dem Zusatz die Kommentare zu Obadja und Jona in der chronologisch richtigen Reihenfolge aufgeführt, die nicht der biblischen entspricht, und einige von den herkömmlichen abweichende Titelangaben von Briefen des Hieronymus, die dort auftauchen, finden sich auch in guten HieronymusHandschriften. Da in diesen Fällen teilweise das Thema der Schrift im Titel enthalten ist, kannte der Verfasser die betreffenden Texte offenbar gut.30 Allerdings fehlen in der Liste einige Schriften aus den Jahren 393 bis 406;

22

Morin, Pages, 307 mit Anm.l. Rousselle, Ursprung, 243; 295 Anm.8 wird jedoch die Annahme, der Brief sei „eine Stiliibung von Hieronymus", unwidersprochen dargestellt. 24 Dronke, Writers, 17. 25 „It is an idyllic piece, radiating spiritual serenity and contentment, and an almost ecstatic joy in their nearness to the Saviour's birthplace, and stands in striking contrast with the querulous, often vituperative note which sounds through many of the prefaces to his formal publications during these years" (Kelly, Jerome, 141); Dronke, 286 Anm.70, kommentiert das folgendermaßen: „The possibility does not seem to have occurred to Canon Kelly that the reason for this striking contrast might be that the letter is not ,manifestly' by Jerome at all, but by the two women to whom it is ascribed in the MS tradition." 26 27 Kelly, Jerome, 141. Feder, Zusätze, 502. 28 29 Feder, Zusätze, 506-509. Feder, Zusätze, 509. 30 Feder, Zusätze, 509f. 23

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Die Quellen

Feder erklärt das damit, daß der Autor nur solche Schriften aufgenommen habe, „die keinen zu gelehrten Inhalt hatten und sich für weitere Verbreitung eigneten" 31 . Dies kann aber ebenso damit erklärt werden, daß Hieronymus nicht als Verfasser des Zusatzes zum Katalog seiner Schriften zu gelten hat. Auch verrät der dort angeführte Titel von ep.46 („im Namen der Paula ...") keine sehr gute Kenntnis des Briefinhalts, da neben Paula auch Eustochium als Autorin genannt werden muß: Schon im ersten Kapitel des Briefes bezeichnen sich die beiden als discipulae ihrer mater Marcella und zeigen so durch Gebrauch des Plurals (übrigens nicht nur hier, sondern fast durchwegs im ganzen Brief), daß ihr Schreiben nicht nur eine Verfasserin hat. Anhand des Stils allein läßt sich die Autor(in)schaft sicherlich nicht beurteilen, denn als theologische Schülerinnen und langjährige Lebensgefährtinnen des Hieronymus32 bestünde durchaus die Möglichkeit, daß sich die beiden Frauen dessen Stil angeeignet hatten33. Außerdem gibt es ja - wie oben bereits angeführt auch Vertreter der Ansicht, ep.46 passe seinem Stil nach gar nicht so gut zu Hieronymus. Weiterhin läßt sich schwer vorstellen, warum der Kirchenvater gerade ein weibliches Pseudonym gewählt haben sollte. Angesichts der Tatsache, daß Briefe von Frauen offensichtlich nicht aufbewahrt wurden, wäre eher der umgekehrte Fall anzunehmen, nämlich daß Frauen damals unter männlichem Pseudonym veröffentlichten (und wer weiß, wie viele von ihnen dies tatsächlich taten!34) oder daß man ihre Schriften später Männern zuschrieb. Ähnliches geschah immerhin in einigen Hieronymus-Handschriften tatsächlich; dort sollte nämlich die Erinnerung daran, daß Hieronymus die betreffenden Werke Paula und Eustochium gewidmet hatte, ausgelöscht werden, indem statt ihrer fratres dilectissimi bzw. charissimi als Adressaten auftreten 35 . Eine sichere Entscheidung für oder gegen die Autorinschaft der beiden Frauen läßt sich nach dem Gesagten nicht treffen; jedoch sprechen die genannten Tatsachen m.E. eher dafür. Die vielen verlorengegangenen Briefe nicht nur Paulas und Eustochiums können hierdurch jedoch nicht aufgewogen werden. Und: Als „nicht gerade schmeichelhafte Kritik ihrer brieflichen Leistungen" 36 ist die Tatsache, daß Hieronymus die Briefe seiner Freundinnen nicht sammelte, keinesfalls zu werten - eher wirft sie ein wenig schmeichelhaftes Licht auf den Kirchenvater!

31

Feder, Zusätze, 509. Vgl. hierzu z.B. Hieronymus, ep.108,26. 33 Gegen Grützmacher, Hieronymus, 33. 34 Vgl. Albrecht, Leben, 236. 35 Hieronymus, Praef. in Job (PL 29, 63f. Anm.2) und Praef. in Sal. (PL 29, 425f. Anm.3). 36 Grützmacher, Hieronymus, 33. 32

Asketinnen als Autorinnen

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2.1.5 Die Autorin des Cento Vergilianus de laudibus Christi Der Cento Vergilianus de laudibus Christi wird meist der römischen Aristokratin Faltonia Betitia Proba (um 322 - um 370)37 zugeschrieben und in die späten fünfziger oder frühen sechziger Jahre des 4. Jahrhunderts datiert38. Ähnlich wie bereits 1870 Joseph Aschbach 39 vermutet neuerdings Shanzer40, daß er in Wirklichkeit später, nämlich zwischen 384 und 388, von Anicia Faltonia Proba verfaßt worden sei. Diese Frau lebte nach dem Tod ihres Mannes etwa 38841 asketisch42 und starb wohl in der Zeit um 417, da sie noch nach 413/414 mit ihrer - oben bereits erwähnten - Schwiegertochter Juliana zusammen einen Brief des Augustinus erhielt und in seiner Schrift De bono viduitatis aus der Zeit um 414/415 erwähnt wird (ohne einen Hinweis auf ihren Tod), jedoch in einem Brief von Augustinus und Alypius von 417/418 Juliana allein als Adressatin angesprochen wird.43 Shanzer stützt sich bei ihrer These auf ein Zitat Faltonia Betitia Probas aus dem Carmen contra paganos,44 Es sind allerdings nur drei übereinstimmende Wörter, auf denen ihre Annahme beruht, und so wie die Datierung des Cento ist auch die des Carmen unsicher.45 Kastner und Miliin vermuten, daß der Cento zwischen 351 und 361 entstand (in diese Zeit verweist ihn auch ein heute verlorenes Manuskript aus dem 10. Jahrhundert, das bemerkt, Proba hätte den Cento nach ihrem Werk über den 353 beendeten Krieg des Constantius gegen den Usurpator Magnentius verfaßt), da der Prolog auf einen vergangenen Bürgerkrieg Bezug nimmt. Sie deuten diese Bemerkung auf die Reihe von Konflikten nach dem Tod Konstantins, wobei dann ihre Datierung besser paßt als die Aschbachs oder Shanzers.46 Clark und Hatch datieren ähnlich, nämlich zwischen 354 und 370 (Faltonia Betitia Proba starb etwa 370), und geben damit die gleiche Antwort auf die Frage nach der Verfasserin.47 Hieronymus zitiert in einem seiner Briefe Vergilstellen, die auch im Cento der Proba begegnen. Jedoch scheint er diese Form der Dichtung nicht beson37

Handbuch 5, 337. So bereits Isidor von Sevilla (ebd.); Schenkl, Proba-Ausg., 513-515; Clark, Faltonia, 127f.; Jones, Prosopography I, 732. 39 Aschbach, Anicier, 5 4 - 5 7 . 40 Shanzer, Carmen, 243f. 247. 41 Jones, Prosopography I, 739. 42 Siehe z.B. Augustinus, De bon. vid. XVIIII,24. 43 Krabbe, Prosper-Ausg., 29f.; die erwähnten Briefe des Augustinus sind ep. 150 und ep. 188. Proba starb spätestens 432, denn in diesem Jahr wird sie in einem Brief Caelestins I. an Theodosius II. als illustris et sanctae recordationis Proba (ep.33,4) bezeichnet. 44 Shanzer, Carmen, 235. 45 Shanzer, Carmen, 235-237; Clark, Faltonia, 127f.; kritisch auch Handbuch 5, 337. 46 Kastner/Millin, Proba Cento, 34f.; Schenkl, Proba-Ausg., 513-515; Taegert, Claudianus-Ausg., 28. 47 Clark/Hatch, Bough, 98. 38

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Die Quellen

ders zu schätzen, da er solche Werke u.a. als von einer „geschwätzigen Greisin" (garrula anus) verfaßt bezeichnet und damit vermutlich diejenige Proba meint, die den Cento schrieb,48 während er Anicia Faltonia Proba an anderer Stelle in den höchsten Tönen lobt49. Ein solcher Stimmungswechsel ist zwar gerade bei Hieronymus nicht ganz auszuschließen, aber doch unwahrscheinlich. Im Cento weist weiter keine Zeile darauf hin, daß seine Verfasserin mit dem asketischen Leben zumindest sympathisierte, wie es für Anicia Faltonia Proba doch wohl auch vor dem Tod ihres Mannes anzunehmen ist. Die Autorin des Cento schreibt nichts davon, daß ein/e Christ/in sich von seinem/ihren Besitz trennen solle, und fühlt sich wohl in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter.50 Wenn das Gedicht, wie von Kastner, Miliin, Clark und Hatch angenommen, aus der Mitte des 4. Jahrhunderts und damit von Faltonia Betitia Proba stammt, ist dies ganz verständlich, da die asketische Lebensform damals noch nicht von den Aristokratinnen Roms praktiziert wurde.31 Faltonia Betitia Probas vermutliche Enkelin Anicia Faltonia Proba, deren Schwiegertochter Juliana und Enkelin Demetrias 52 schlugen hier allerdings neue Wege ein, wie wir noch sehen werden, und es ist für unser Thema immerhin bedeutsam zu wissen, daß in ihrer Familie schon früh gebildete Christinnen zu finden sind. Für einen Cento wurden nämlich Zeilen anderer Gedichte - hier von Vergil - zu einem neuen zusammengesetzt, wobei christliche Autor(inn)en den Versen dadurch einen neuen, christlichen Sinn gaben.53 Proba (im folgenden immer für Anicia Faltonia Proba) muß also Vergil hervorragend gekannt haben, und dies spricht für ihre hohe Bildung, ebenso wie ihre Fähigkeit an sich, einen solchen Cento zu verfassen. 54

2.2 A s k e t i n n e n in d e n W e r k e n m ä n n l i c h e r A u t o r e n 2.2.1 Hieronymus Glücklicherweise sind wir nicht allein auf die wenigen und unsicheren Zeugnisse der Asketinnen angewiesen, da auch den Briefen und sonstigen Werken männlicher Autoren einiges über sie zu entnehmen ist. Als besonders ergiebige Quelle erweist sich der Kirchenvater Hieronymus (geboren 331 oder 347; gestorben am 30.9.42055), denn über ein Viertel seiner

48 Hieronymus, ep.53,7; Shanzer, Carmen, 239; Clark/Hatch, Bough, 104f.; zur Form des Cento s.u. 49 50 Hieronymus, ep. 130,7. Clark, Faltonia, 139-141. 51 52 Clark, Faltonia, 146. Jones, Prosopography I, 1144. 53 54 Clark, Faltonia, 125f. Clark, Faltonia, 138f. 55 Kelly, Jerome, 337-339; Nautin, Art. Hieronymus, 309.

Asketinnen in den Werken männlicher Autoren

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etwa 120 echten Briefe 56 ist an römische Asketinnen gerichtet. 18 Briefe schrieb er an Marcella57, drei an Paula58, zwei an Eustochium 59 , zwei an Fabiola60, zwei an Principia61, einen an Asella62, einen an Furia63, einen an Laeta64, einen an Pacatula65 und einen an Demetrias 66 . Während diese Briefe nicht in jedem Fall viel über die Person ihrer Adressatinnen hergeben, z.B. häufig Ratschläge enthalten, über deren Einhaltung nichts bekannt ist, haben wir in den biographischen Briefen des Hieronymus, die sich zum Teil unter den obengenannten Briefen finden, mehr oder weniger ausführliche Lebensbeschreibungen einzelner römischer Asketinnen vor uns67. Ep.23 berichtet von Lea, ep.24 von Asella, ep.38 und 39 erzählen von Blesilla (die bisher genannten Briefe wurden alle Ende 384 verfaßt), ep.77 an Oceanus (Sommer 400) von Fabiola, ep.108 (Frühling 404), überschrieben mit Epitaphium sanctae Paulae, von Paula und ep.127 (413) von Marcella. 68 Einzig ep.24 und 38 entstanden dabei nicht nach dem Tod der beschriebenen Frau. Hieronymus hat im übrigen auch einige seiner Werke für römische Asketinnen und auf ihre Bitten hin verfaßt; so für Paula und ihre Tochter Eustochium die Kommentare zu Nahum, Zephanja, Haggai, Prediger, Galater-, Epheser-, Titus- und Philemonbrief 69 , die Revisionen der lateinischen Übersetzungen des Jesajabuches, der Samuel- und Königebücher, der 12 kleinen Propheten, des Esther- und Danielbuches nach dem hebräischen Text70, die Revisionen der lateinischen Übersetzungen des Buches Hiob, des Psalters, der Bücher Salomos (Sprüche, Prediger, Hoheslied) nach dem Septuagintatext 71 , die Revision der lateinischen Übersetzung der sieben kanonischen Briefe des 56

Altaner, Patrologie, 401. Hieronymus, ep.23-29; 32; 37; 38; 40-44; 46(?); 59; ep.97 an Pammachius und Marcella; zur zeitlichen Einordnung dieser und der im folgenden genannten Hieronymusbriefe siehe Cavallera, Vie II, jeweils zum entsprechenden Brief. 58 Hieronymus, ep.30; 33; 39. 59 Hieronymus, ep.22; 31; siehe auch ep. 108,31. 60 Hieronymus, ep.64; 78 (dieser Brief wurde allerdings erst nach Fabiolas Tod verfaßt; vgl. Hieronymus, ep.77,7). 61 62 Hieronymus, ep.65; 127. Hieronymus, ep.45. 63 64 Hieronymus, ep.54. Hieronymus, ep. 107. 65 66 Hieronymus, ep. 128. Hieronymus, ep. 130. 67 68 Berschin, Biographie 1,144f. Cavallera, Vie II, 23. 46. 51. 53. 69 Hieronymus, Comm. in Naum, Prol.; Comm. in Soph., Prol.; Comm. in Agg., siehe Titel (ad Paulam et Eustochium); Comm. in Eccl., Praef. (der Kommentar war Blesilla verprochen gewesen, wurde aber erst nach ihrem Tod fertig); Comm. in Gal., Prol.; Comm. in Eph., Prol. (auch Marcella hatte nach diesem Kommentar verlangt; Comm. in Eph. II [PL 26,507]); Comm. in Tit., Prol.; Comm. in Phlm. (PL 26,639). 70 Hieronymus, Praef. in Sam. et Mal.; Praef. in Is.; Praef. in Proph.; Praef. in Dan.; Praef. in Est. 71 Hieronymus, Praef. in Job; Praef. in Ps.; Praef. in Sal. 57

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Die Quellen

NT72 sowie die Übersetzung der Homilien des Origenes zum Lukasevangelium73; die Kommentare zu Jesaja und Ezechiel und die Revision der Übersetzung des Josuabuches anhand des Hebräischen schrieb er allein für Eustochium (Paula, der er sie wie seinen Joelkommentar 74 versprochen hatte, lebte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr)75. Die Apologia adversus libros Rufini sowie seinen Danielkommentar widmete er Pammachius und Marcella. Des weiteren finden sich auch an anderen Stellen im Werk des Hieronymus Hinweise auf einzelne römische Asketinnen, die hier aber nicht im einzelnen aufgeführt werden sollen: Die Aufzählung würde sehr lang und enthielte Stellen, die inhaltlich recht unbedeutend sind, weil sie, etwa in einem Gruß, nur den Namen einer Asketin enthalten. Die Echtheit des jeweiligen Werkes steht zudem in keinem Fall in Frage. 2.2.2 Ambrosius von Mailand Ambrosius von Mailand (geboren vermutlich 339; gestorben am 4.4.397 77 ) stand, wie oben bereits angedeutet, mit seiner asketisch lebenden Schwester Marcelllina in Briefkontakt. Drei seiner Briefe 78 sind an sie gerichtet, ein weiterer erwähnt sie und andere Jungfrauen 79 . Des weiteren schrieb er im Jahr 377 für Marcellina das Werk De virginibus80, das auch Wissenswertes über Marcellina enthält. Der erste Teil von De excessu fratris aus dem Jahr 37881 gibt ebenfalls einige Informationen über sie, ebenso wie die Vita Sancti Ambrosii des Paulinus von Mailand von 42282, die an dieser Stelle noch genannt sei und die auch von der verwitweten Mutter des Ambrosius sowie von Marcellinas jungfräulicher Gefährtin Candida erzählt83. Insgesamt gesehen sind die Nachrichten über die Schwester des Ambrosius (sowie andere Asketinnen) jedoch selbst im Werk ihres Bruders eher spärlich.

72

Hieronymus, Prol. ep.can. Hieronymus, Transl. Horn. Orig. in Luc., siehe Titel (ad Paulam et Eustochium). 74 Hieronymus, Comm. in Ioel., Prol. 75 Hieronymus, Comm. in Es., Prol.; Comm. in Hiez., Prol.; Praef. in Jos. 76 Hieronymus, Apol. c. Ruf., siehe Titel (missa ad Pammachium et Marcellam); Comm. in Dan., Prol.; zur Datierung der in Anm.68-75 genannten Werke siehe wieder Cavallera, Vie II, zum entsprechenden Werk. 77 Dassmann, Art. Ambrosius, 362; Stäblein, Art. Ambrosius, 427. 78 Ambrosius, ep.20 (geschrieben um den 5.4.386; Palanque, Ambroise, 511); 22 (um den 20.6.386; Palanque, Ambroise, 515); 41 (Dezember 388; Palanque, Ambroise, 523). 79 Ambrosius, ep.5 (um 395-396; Palanque, Ambroise, 554). 80 Mara, Ambrose, 167. 81 Mara, Ambrose, 174. 82 Altaner, Patrologie, 379. 83 Paulinus von Mailand, Vita Sancti Ambrosii 1-4.9. 73

Asketinnen in den Werken männlicher Autoren

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2.2.3 Augustinus Augustinus (13.11.354—28.8.43084) schrieb an verschiedene römische Asketinnen: Zwei Briefe gingen an Italica (vielleicht eine Schwiegertochter der Proba)85, zwei an Proba86, einer an Albina, Pinianus und Melania d.J.87, einer an Albina88, einer an Proba und Juliana89 sowie einer an Juliana90; ein weiterer seiner Briefe behandelt eine Angelegenheit zwischen ihm und Albina, Pinianus und Melania d.J.91. Proba und Juliana sind identisch mit den oben im Zusammenhang mit dem Cento behandelten gleichnamigen Asketinnen. Weiterhin verfaßte Augustinus im Jahr 414 für Juliana das Werk De bono viduitatis Uber seu epístola92 sowie auf Bitten Albinas, Pinians und Melanias d.J. De gratia Christi et peccato originali libri duo in der Mitte des Jahres 41893.

2.2.4 Pelagius, Innozenz /., Prosper von Aquitanien Die folgenden drei Autoren werden zusammen genannt, weil ihre Schreiben alle in Beziehung zur römischen Jungfrau Demetrias stehen, die sich um 413/ 414 für ein asketisches Leben entschied94. Mit anderen römischen Asketinnen beschäftigten sie sich dagegen in ihren Werken nicht. In der Zeit nach 410 richtete Pelagius (geboren um 354; gestorben nach 41895) ein längeres Schreiben an Demetrias selbst96. Aus derselben Zeit stammt wahrscheinlich die epístola exhortatoria Innozenz I. (Papst vom 21.12.402 bis zum 12.3.41797) an Demetrias' Mutter Juliana98. Wohl um 440 wiederum richtete vermutlich Prosper von Aquitanien (geboren um 390, gestorben nach 455") ein umfangreiches Schreiben an Demetrias selbst, die Epistula ad Demetriadem de vera humilitate. 84

Schindler, Art. Augustin I, 645. 655. Augustinus, ep.92 (geschrieben um das Jahr 408; Augustinus, ep.-Ausg., PL 3 3 , 3 1 ; im folgenden nur als PL 33 angegeben); 99 (Ende 408 oder Anfang 409; PL 33,32); zu den Verwandtschaftsverhältnissen siehe Jones, Prosopography I, 466. 86 Augustinus, ep. 130; 131 (beide um 412; PL 33,37); Probaist hierund im folgenden immer die Bezeichnung für Anicia Faltonia Proba. 87 Augustinus, ep.124 (etwa Anfang 411; PL 33, 36). 88 Augustinus, ep.126 (etwa Anfang 411; PL 33, 36). 89 Augustinus, ep.150 (etwa Ende 413; PL 33, 39). 90 Augustinus, ep.188 (Ende 417 oder Anfang 418; PL 33, 42). 91 Augustinus, ep.125 (etwa Anfang 411; PL 33, 36). 92 Augustinus, De bon. vid., Präskript; Trape, Augustine, 370. 93 Augustinus, De gratia Christi 1,1; Trape, Augustine, 388. 94 95 Frutaz, Art. Demetrias, 215. Grossi, Adversaries, 465f. 96 Pelagius, ep.ad Dem.; Grossi, Adversaries, 474. 97 Schwaiger, Art. Innozenz I., 685. 98 Innozenz I., ep.15; zur Datierung siehe Krabbe, Prosper-Ausg., 3f. 99 Martin, Art. Prosper v.Aquitanien, 811. 85

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Die Quellen

2.2.5 Paulinus von Nola In seinen Gedichten und Briefen101 berichtet Paulinus von Nola (353/354— 22.6.431 102 ) mehrmals von der römischen Asketin Melania der Älteren (d.Ä.), ihrer Tochter Albina und ihrer Enkelin Melania sowie von deren Verwandten Avita und ihrer Tochter Eunomia103. Besonders viele Informationen enthalten carm.21 aus dem Jahr 407104 und ep.29 (an Severus), wohl aus dem Jahr 400105. 2.2.6 Rufinus von Aquileja Rufinus von Aquileja (345—410/411106) erwähnt im Vorwort seiner Übersetzung des Kommentars des Origenes zu Ps 36, 37 und 38 von 401 sowie seiner Übersetzung der Sextussprüche (vor 401) und der Homilien des Basilius (399), die er alle dem Apronianus widmete, implizit dessen Frau, die römische Asketin Avita.107 In der Apologia contra Hieronymum von 401108 kommen Marcella und Melania d.Ä. ebenfalls vor, ohne daß jedoch ihr Name genannt würde109.

100

Krabbe, Prosper-Ausg., 5f.47-52. Die Frau des Paulinus von Nola, Therasia (gestorben zwischen 408 und 415; Lienhard, Paulinus, 31) wird viele Male als Mitabsenderin ihrer beider Briefe genannt (ep.3-4; 6—7; 24; 26; 39; 40; 43-45), so wie sie auch gemeinsam mit ihrem Mann von Augustinus Briefe erhielt (ep.31; 42; 80; 95; 45 von Augustinus [und Alypius]). In welchem Ausmaß sie jeweils als (Ko-)Autorin zumindest dieser Briefe des Paulinus zu gelten hat, muß jedoch offen bleiben. - Therasia war zwar keine Asketin aus Rom, doch entweder selbst (Frend, Worlds, 129 Anm.24) oder durch ihren Ehemann (Murphy, Melania, 62) mit den dortigen Asketinnen - insbesondere Melaniad.Ä., wie sie spanischer Abstammung (Palladius, HL 46; Paulinus, carm.21,397-401) - bekannt und verbunden (in ep.29,5 weist Paulinus auf eine entfernte Verwandtschaft zu Melania d.Ä. hin). 102 Bürke, Art. Paulinus v. Nola, 208. 103 Zu den Verwandtschaftsverhältnissen siehe Jones, Prosopography 1,1142. 104 Walsh, Paulinus Übs. carm., 7; dieses Gedicht ist zugleich das 13. der Natalicia, geschrieben zum Fest des Konfessors Felix von Nola am 14. Januar (Walsh, Paulinus Übs. carm., 6f.; Kötting, Art. Felix, 69). 105 Walsh, Paulinus Übs. ep.II, 323; siehe auch ep.28,5 (geschrieben 403/404 an Severus; Walsh, Paulinus Übs. ep.II, 321); 31,1 (402/403 an Severus; Walsh, Paulinus Übs. ep.II, 327); 32,11 (403/404 an Severus; Walsh, Paulinus Übs. ep.II, 329); 45,2f. von Therasia und Paulinus (15.5.408 an Augustinus; Walsh, Paulinus Übs. ep.II, 352). 106 Murphy, Art. Rufinus, 91. 107 Rufinus, Prol. in explanationem Origenis super psalmos XXXVI-XXXVH-XXXVni; Praef. in Sexti Sententias; Praef. in Omelias Sancti Basilii; Avita wird hier als soror (iam) in Christo tua und matrona tua (bezogen auf Apronianus) bezeichnet; zu den Daten Gribomont, Translations, 250-252. 108 Gribomont, Translations, 249. 109 Rufinus, Apol. c. Hier. 1,19; 11,29 (zu diesen Stellen siehe S.120f.). 101

Asketinnen in den Werken männlicher Autoren

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2.2.7 Coelestin I. Im Jahr 432 richtete Papst Coelestin I. (Papst von 422-433) einen Brief an Theodosius II., in dem unter anderem von (wohl Anicia Faltonia) Proba und deren Besitz in der Provinz Asia die Rede ist.110 2.2.8 Johannes Chrysostomus Drei kurze Briefe aus dem Jahr 406 an Proba, Juliana und Italica111 sind von Johannes Chrysostomus (um 350-407 112 ) überliefert. Die hier angeschriebene Italica muß jedoch mit der gleichnamigen Briefpartnerin Augustins nicht identisch sein, da dieser Name häufiger begegnet. 113 2.2.9 Palladius In drei Kapiteln der 419/429 von Palladius (363/364-vor 431114) verfaßten Historia Lausiaca begegnet Melania d.Ä. als Hauptperson. Daß auch Kapitel 55 dieses Werkes von Melania und nicht von Silvania (wie in der kritischen Ausgabe der Historia Lausiaca115 von Butler angenommen 116 ) handelt, ist durch Turner festgestellt worden und seitdem allgemeiner Konsens 117 . Der Name der in diesem Kapitel sprechenden Frau wird zwar dort nicht genannt, doch der beschriebene asketische Eifer sowie die berichtete Origeneslektüre passen sehr gut zu Melania d.Ä., während wir über Silvania sonst nichts wissen. Außerdem weist der Eingangssatz des Kapitels auf das vorhergehende - das mit Sicherheit von Melania d.Ä. erzählt - zurück. 118 Weitere Abschnitte der Historia Lausiaca beschäftigen sich mit Melania d.J.119 sowie mit anderen, oben bereits erwähnten römischen Asketinnen (Paula, Eustochium, Asella, Avita, Eunomia) 120 .

110 111 112 113

Ep.Cael. ad Theod. 4 (ACO 1,2,90); vgl. Jones, Prosopography 1,732f. Johannes Chrysostomus, ep. 168-170; Quasten, Patrology III, 469. Leroux, Art. Chrysostomus, 118. Brown, Aspects, 5f.; so erwähnt etwa auch Symmachus (ep.IX,40) eine Italica

(ebd.). 114

Rahner, Art. Palladios v. Helenopolis, 6. Palladius, HL 46.54.55; Altaner, Patrologie, 238; erwähnt wird sie außerdem in HL 5. 9f. 18. 38.56. 116 Butler, Palladius-Ausg., 149. 117 Turner, Lausiac History, 352-354; vgl. Hunt, Silvia, 352. 118 Turner, Lausiac History, 352-354. 119 Palladius, HL 61; erwähnt wird sie außerdem in HL 58. 120 Palladius, HL 41; (zu Paula siehe auch HL 36); dieser Abschnitt begegnet zwar nicht in allen Handschriften, ist aber trotzdem ursprünglich; Butler, Palladius-Ausg., LILIV. 1,5

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D i e Quellen

2.2.10 Evagrius Ponticus Ein - wie das gesamte Briefcorpus - (bis auf Fragmente) nur in syrischer Übersetzung aus dem Griechischen erhaltener Brief des Evagrius Ponticus (346-399 121 ) an Melania d.Ä.122 ist wohl nicht wirklich an sie gerichtet. Die Überschrift mit der Nennung Melanias als Adressatin begegnet außerdem nur in einer der beiden Handschriften des Briefes (eine davon ist nur zur Hälfte erhalten), der sprachlich an eine männliche Person gerichtet ist, und selbst dabei könnte es sich um eine Glosse handeln123. Die maskulinen Formen beziehen sich auch sicher nicht auf den Namen Melanius, der Melania d.Ä. manchmal gegeben wurde124, denn in den Texten, die sie so bezeichnen, erscheinen dennoch nie wie hier durchgängig männliche Formen125. Zudem unterscheidet sich der Brief im Stil völlig von anderen Schreiben des Evagrius, die mit größerer Sicherheit an Melania d.Ä. gerichtet sind.126 Bunge - auf dessen deutsche Übersetzung der Evagriusbriefe ich mich in dieser Arbeit stütze - nimmt nämlich für einige weitere Briefe des Evagrius Melania als Adressatin an;127 zwar sind alle ohne Präskript und Titel, doch lassen sie sehr wohl erkennen, daß sie an eine Frau geschrieben wurden128. Außerdem bestand eine enge Verbindung zwischen Melania und Evagrius129, und daneben bezeugt Hieronymus, daß sie von ihm Briefe erhielt130. - Die Sententiae ad virginem des Evagrius, von Rufinus ins Lateinische übersetzt, sind ebenfalls möglicherweise für Melania d.Ä. verfaßt worden.131 2.2.11 Kyrill von Skythopolis Die drei Mönchsbiographien Kyrills von Skythopolis (um 523-558), das Leben des Euthymios (er starb 473), das Leben des Sabas (gestorben 532) 121

Altaner, Patrologie, 265. Bunge, Evagrius Übs., 167. 171. 123 Bunge, Evagrius Übs., 171. 193f. 124 So Moine, Art. Melanie l'ancienne, 959; Parmentier, Evagrius, 5f.; sicherlich handelt es sich auch nicht um den Fehler eines zerstreuten Abschreibers, wie Hausherr (Meterikon, 290) vermutet. 125 Vgl. Hieronymus, ep.39,5; Paulinus, ep.45,2. 126 Bunge, Evagrius Übs., 194. 127 Evagrius, ep.l; 8; 31; 3 5 - 3 7 ; ep.32 an Rufmus und Melania; Bunge, Briefe, 1 8 0 188; übrigens lassen beinahe „alle Handschriften das Corpus als Ganzes an Melania gerichtet sein. Selbst eine oberflächliche Lektüre der Briefe zeigt aber, daß die Mehrzahl weder an Melania noch überhaupt an eine Frau gerichtet sein kann" (Bunge, Evagrius Übs., 174). 128 Bunge, Evagrius Übs., 176. 129 Palladius, HL 38. 130 Hieronymus, ep.133,3. 131 Muyldermans, Evagrius-Ausg., 30; Clark, Authority, 219; Bunge, Evagrius Übs., 180; ediert wurde der Text von Greßmann, Evagrius-Ausg., 146-151. 122

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sowie das Leben des Theodosios (gestorben 529)132 erwähnen Melania d.J., beschäftigen sich jedoch nicht ausführlich mit ihr. 2.2.12 Johannes Rufus Melania d.J. wird auch im „Leben Petrus des Iberers" (er lebte von 411 bis 491) erwähnt, das nach 518 wahrscheinlich von seinem Nachfolger Johannes Rufus in griechischer Sprache verfaßt wurde, jedoch nur in einer syrischen Übersetzung (sowie einer kürzeren griechischen Rezension) erhalten geblieben ist.133 Raabe veröffentlichte 1895 eine deutsche Übersetzung dieses Werkes, die ich in dieser Arbeit verwenden werde.134 2.2.13 Die Vita der Melania In griechischer und lateinischer Sprache erhalten ist die Vita Melanias d.J., die ausführlichste Quelle, die wir über eine römische Asketin der Spätantike besitzen. In bezug auf diesen Text gibt es jedoch einige wichtige strittige Fragen, die im folgenden eingehend zu behandeln und, wo möglich, zu beantworten sind. Sowohl die griechische als auch die lateinische Fassung der Vita wurden erst um die Jahrhundertwende entdeckt. Zuvor war die einzige bekannte Lebensbeschreibung Melanias die griechische Vita des Simeon Logothetes, genannt der Metaphrast, aus dem 10. Jahrhundert, die im 16. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt wurde. Da dieser Text viel ausführlicher ist als die sonstigen Nachrichten über Melania etwa aus der Historia Lausiaca, muß dem Metaphrasten eine andere Quelle als die bis dahin bekannten vorgelegen haben. Eine lateinische Fassung dieser Quelle aus dem 10. Jahrhundert wurde 1884 von Rampolla gefunden, jedoch erst 1905 veröffentlicht. Rampolla zog für diese Veröffentlichung neben der von ihm entdeckten Handschrift noch acht weitere Bruchstücke von Handschriften der lateinischen Vita zu Rate, die zwischen dem 8. oder 9. und dem 15. Jahrhundert zu datieren sind und die ebenfalls in jenen Jahren entdeckt wurden. Zu diesem Zeitpunkt, genauer im Jahr 1900, hatten die Bollandisten aber eine Handschrift der griechischen Vita aus dem 11. Jahrhundert gefunden und veröffentlichten diese 1903. Jenen Text gab Rampolla gleichfalls und in verbesserter Form in seinem Buch „Santa Melania giuniore Senatrice Romana. Documenti contemporanei e note" 1905 neben dem lateinischen heraus, und Gorce griff in seiner Ausgabe der griechischen Vita aus dem Jahr 1962 im wesentlichen auf diesen Text zurück.135 132

Altaner, Patrologie, 241. Ebd.; von Melania, ihrem Mann und ihrer Mutter handeln Kap. 27-31 (Raabe, Johannes Rufus Übs., 32-36). 134 Raabe. Johannes Rufus Übs., 13-132. 135 Zu diesem Abschnitt siehe Clark, Life, 2 - 4 . 133

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Beiden Viten lag offenbar eine gemeinsame Vorlage zugrunde, da sie einerseits starke Übereinstimmungen bieten, andererseits jedoch jeweils Einzelheiten berichten, die in der anderen Fassung fehlen bzw. anders erzählt werden.136 Nun blieb die Frage zu klären, welche Rezension die ältere ist und in welcher Sprache die offensichtlich beiden Fassungen zugrundeliegende „Urvita" verfaßt wurde. Rampolla trat für die Priorität der von ihm gefundenen Handschrift ein, da die dortigen Wiederholungen und Verwirrungen in der zeitlichen Reihenfolge in der griechischen Ausgabe nicht mehr vorhanden seien.137 D' Ales gab dagegen mit Recht zu bedenken, daß der Herausgeber des griechischen Textes ebenso die im Urtext vorhandenen Schwierigkeiten beseitigt haben könne, worauf der Herausgeber der lateinischen Fassung verzichtete.138 Weiterhin vermutete Rampolla einen lateinischen Urtext139 und Diekamp stimmte ihm im Jahr 1906 darin zu140. Doch im gleichen Jahr erhoben sich dagegen zwei kritische Stimmen. Butler wies daraufhin, daß die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen (griechischer) Historia Lausiaca und der griechischen Vita (im ersten Kapitel der Vita wird aus dem 61. der Historia Lausiaca zitiert) zu groß sind, um eine Übersetzung der Worte aus dem Lateinischen ins Griechische anzunehmen. Zwar biete der lateinische Text eine wörtliche Übersetzung des Palladius, während der griechische eine Paraphrase darstelle, doch hätte eine Rückübersetzung aus dem Lateinischen niemals so große Ähnlichkeiten hervorgebracht. 141 Er vertrat zudem die Ansicht, es gäbe keinen zwingenden Grund zu vermuten, der Übersetzer der lateinischen Vita hätte das Palladiuszitat erkannt und eigens einer griechischen Handschrift der Historia Lausiaca entnommen. 142 - Auch für die Bibelzitate in der Vita hatte Rampolla anhand zweier Beispiele nachweisen wollen, sie seien aus der lateinischen Vita ins Griechische übersetzt und nicht direkt aus der Septuaginta entnommen worden.143 Der griechische Text weicht an den entsprechenden Stellen tatsächlich mit dem lateinischen Text von der Septuaginta ab, allerdings nur minimal; die Übereinstimmungen mit der Septuaginta sind wesentlich größer. Bei einer Rückübersetzung aus dem Lateinischen wäre dies laut Clark aber so nicht zu erwarten.144 Restlos überzeugen kann in diesem Fall keine Argumentation, dazu werden

136

Clark, Life, 4f.; Rampolla, Vita-Ausg., LXIf. 138 Rampolla, Vita-Ausg., LVIIIf. D'Alès, Vies, 413; Clark, Life, 5f. 139 140 Rampolla, Vita-Ausg., LXIV. Diekamp, Rampolla, 242. 141 Butler, Cardinal, 631 ; ebenso Clark, Life, 9f.; gegen Rampolla, Vita-Ausg., LXVIIf. 142 Butler, Cardinal, 631. 143 Im siebten Kapitel der griechischen und der lateinischen Vita wird LXX Ps 44,1 lf. zitiert, griechische Vita 63 bzw. lateinische Vita 64 zitieren LXX Jer 48,10; Rampolla, Vita-Ausg., LXVI. 144 Clark, Life, 8f. 137

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zu viele Vermutungen ausgesprochen. M.E. spricht aber das Textzeugnis eher gegen Rampolla und die Prioriät der lateinischen Vita. Während Butler nur diesem einen Punkt besondere Aufmerksamkeit zuwandte, untersuchte d'Alés die beiden Fassungen der Vita außerordentlich gründlich und kam so zu dem Urteil, daß mehr für eine griechische Urfassung der Vita spricht, wobei ihm Weyman 1908 zustimmte 145 . Einige seiner Argumente, die zum Teil auch von Clark aufgenommen wurden (sie nimmt ebenfalls eine griechische Urfassung 146 an146), werden im folgenden wiedergegeben. Im 20. Kapitel der lateinischen Vita ist von einem Iovius frater die Rede, einer ansonsten unbekannten Persönlichkeit. Im Griechischen steht an dieser Stelle „ó TOÚTOU ctöeAcpöc" (dort heißt es: „Augustinus und sein Bruder Alypius und Aurelius von Karthago"). Vermutlich wurde hier von einem Schreiber aus dem HVIVS der lateinischen Fassung ein IOVIVS gemacht; dies läßt sich jedenfalls sehr viel leichter erklären als die Verwechslung von ,,'I0ßio roß äppEvog, ¿TTEi5äv eppcorai ti irpoaipeoig" (Vita 12). 248 Paulinus, ep.29,6; vgl. auch seine Bezeichnung von Eunomia als virago (carm. 21,66). 249 250 Paulinus, ep.29,6. Paulinus, ep.29,7. 251 252 Paulinus, ep.45,2f. Goldschmidt, Churches, 104f. 253 Hieronymus, ep.45,4 (Melanium). 254 Paulinus, ep.31,1; 42,2f.; vgl. Ausonius, Par. 6,3: Dort wird aus der Tante Hilaria des Ausonius ein Hilarius. 255 Z.B. Augustinus, ep.31; 42; 80. 256 „virum inter fratres duos" (Ambrosius, De exc. fratr. 1.54). 257 258 Hieronymus, ep.75,2. Rom 16,7; Kol 4,15. 247

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Gelebte Askese

besonders häufig: Er und sein „Bruder" Therasia schickten Severus und seiner Schwiegermutter Bassula einen Splitter des Kreuzes; eigentlich war er von Therasia für Bassula, doch er sollte beiden gehören, da sie beide eines Sinnes seien und der Glaube das Geschlecht ablege, durch den sie beide zu einem vollkommenen Mann sich vereinigten.259 Hieronymus beschreibt die Beziehung des Lucinus zu seiner obengenannten Frau Theodora folgendermaßen: „Du hast mit dir früher im Fleisch, jetzt im Geist eine Gefährtin, von der Ehefrau zur Schwester, von der Frau zum Mann, von der Untergebenen zur Gleichgestellten, die unter demselben Joch zugleich zu den himmlischen Königreichen eilt."260 Wichtig ist dabei, daß die Frauen äußerlich dennoch von Männern unterscheidbar bleiben sollten; schließlich lehnt Hieronymus ja Männerkleidung und -haarschnitt an Frauen vehement ab.261 Auch bei seinem Bericht über Paulas Pilgerreise zeigt er sich erstaunt darüber, daß seine Freundin, ihr Geschlecht und ihre körperliche Schwäche vergessend, in der Wüste unter den Mönchen wohnen wollte.262 Bis zur völligen Gleichheit, wie es aufgrund der angeführten Äußerungen ja fast zu vermuten gewesen wäre, sollte es also nicht gehen (auch nicht nach dem Tode263); Lob verdiente eine Frau nur, wenn sie trotz ihres Geschlechtes „Männlichkeit" zeigte und damit sozusagen doppelt soviel leistete wie ein Mann. Eine männliche Frau zu sein, das hieß in erster Linie, die eigene Körperlichkeit vergessen zu lassen; ob die Asketinnen das überzeugt taten, wissen wir nicht - ihre asketisch lebenden Freunde erwarteten es auf alle Fälle von ihnen, und die neuen Möglichkeiten, die ihnen so offenstanden, waren nur auf diese Weise erreichbar. So stellte sich die Frage nicht, ob der Preis dafür vielleicht zu hoch sei, denn: „Es gab in säuberlicher Ausschließlichkeit nur noch zwei Aspekte des Weiblichen: erstens die Ehe- u. Haus-F. [F. für Frau; G.P:], im Anschluß an das Wunschbild der biederen Matrone ..., zum anderen das Virginitätsideal, Erbe älterer asketischer Anschauungen: dort privatisierte, unerotische Inferiorität, hier spiritualisierte, nur um den Preis der Geschlechtslosigkeit erreichbare Gleichstellung mit dem Mann" 264 .

255

Paulinus, ep.31,1; vgl. carm.21,96.287. „Habes tecum in came, nunc in spiritu sociam, de coniuge germanam, de femina uirum, de subiecta parem, quae sub eodem iugo ad caelestia simul regna festinet." (Hieronymus, ep.71,3) 261 Siehe S. 67. 262 Hieronymus, ep. 108,14. 263 Siehe S. 122f. 264 Thraede, Art. Frau, 245. 260

Das Leben als Asketin

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7.2 Das Leben als Asketin 7.2.1 Einführung Der zweite Teil dieses Kapitels hat die Aufgabe, sozusagen den Alltag einer Asketin nach ihrem „Ortswechsel" zu beschreiben, d.h. ihre tägliche Beschäftigung etwa mit Literatur oder auch Handarbeit. Außerdem werden die Beziehungen geschildert, die zwischen den einzelnen Frauen geknüpft wurden und auch die Wirkung, die von den Asketinnen auf Frauen und Männer außerhalb ihres Kreises ausging. Nachdem wir also bisher von verschiedenen Seiten auf die Asketinnen zugingen, soll nun der Blick wieder geweitet und auf ihr Umfeld gerichtet werden. 7.2.2 Die tägliche Beschäftigung Nun, da die Frauen auf Essen, Schlaf oder Körperpflege keine Zeit mehr verschwendeten, brachten sie ihre Tage anders zu als vorher. Sie verrichteten zum einen körperliche Arbeit: So „machten" Paula und Eustochium in Bethlehem „entweder Lampen zurecht oder zündeten Feuer an, sie fegten den Fußboden, putzten Hülsenfrüchte, warfen Büschel von Gemüse in den kochenden Topf, trugen das Essen auf, reichten Becher hin, gaben Speisen aus und liefen hierhin und dorthin." 265 Fabiola setzte sich in ihrem Krankenhaus für die Patient(inn)en ein, trug sie selbst auf den Schultern, wusch ihre Wunden aus und flößte Schwerkranken Süppchen ein.266 Die Jungfrau Asella widmete sich ebenfalls - nicht genauer beschriebener - Handarbeit.267 In Paulas Kloster beschäftigten sich die Jungfrauen damit, für sich oder andere Kleidungsstücke anzufertigen. 268 Spinnen und Weben - die Tätigkeit, die dem Idealbild der römischen Hausfrau entsprach - wurde auch anderen Asketinnen empfohlen, so Demetrias, Paula d.J. und Pacatula.269 Dies diente aber offensichtlich nicht ihrem Lebensunterhalt; Demetrias gegenüber betont Hieronymus, mit täglicher Beschäftigung würde keine Langeweile bei ihr aufkommen. Im allgemeinen mußten die Asketinnen von ihrer Hände Arbeit nicht leben, da sie ja den ererbten Reichtum besaßen. Die niedrigen Arbeiten, die sie ausübten, waren mehr Übungen der Demut als notwendig für den Lebensunterhalt. 270 Im übrigen ist daran zu erinnern, daß ihnen ja auch immer noch Sklavinnen zur Verfügung standen, die sie bedienten.271 Von Melania

265 „uel lucernas concinnant uel succedunt focum, pauimenta uerrunt, mundant legumina, holerum fascículos in feruentem ollam deiciunt, adponunt mensas, cálices porrigunt, effundunt cibos, huc illucque discurrunt" (Hieronymus, ep.66,13). 266 267 Hieronymus, ep.77,6. Hieronymus, ep.24,4. 268 Hieronymus, ep. 108,20. 269 Hieronymus, ep. 130,15 (Demetrias); 107,10 (Paula d.J.); 128,1 (Pacatula). 270 271 Clark, Renunciation, 250f. Siehe S. 5 9 - 6 1 .

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d.J. allerdings heißt es, sie habe sich in Jerusalem mit der Bearbeitung von Wolle abgemüht und damit sich selbst sowie vom Übrigbleibenden auch noch andere versorgt.272 Auch Pinianus arbeitete übrigens: Er trug aus der Wüste Holz herbei und verkaufte es auf dem Markt273; er hatte sich ja schon auf dem Land in Italien mit Gartenarbeit beschäftigt, wenn auch wohl nicht, um seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Ein großer Teil des Tages war für eine Asketin natürlich mit Gebet, Psalmensingen und dem Kirchgang ausgefüllt. Besonders erwähnt werden für Asella Gebete, Psalmensingen und Besuche bei den Gräbern der Märtyrer274, für Lea und Paula Gebete während der ganzen Nacht273, für Blesilla Psalmengebete276 und für Marcella Besuche der Basiliken der Apostel und Märtyrer zum stillen Gebet277. In den Klöstern gab es hierfür feste Regeln: In Paulas Kloster wurden Psalmen gesungen und die Frauen beteten morgens, um die dritte, sechste und neunte Stunde; abends und um Mitternacht sangen sie das Psalterium.278 In den Klöstern Melanias d.J. in Afrika und Jerusalem ging es ähnlich zu; hier wurden nachts Gottesdienste mit Gebet und Psalmengesang gehalten; Psalmen wurden ebenfalls morgens, zur dritten, sechsten, neunten Stunde sowie abends gesungen. 279 Des weiteren bestand ein großer Teil des Tages für eine römische Asketin, die wie andere aristokratische Frauen ihrer Zeit ja schon über eine recht umfangreiche Bildung verfügte und wie diese an Weiterbildung interessiert war, in der Beschäftigung mit der Schrift und Diskussionen über sie.280 In dieser Beziehung waren sie geradezu unermüdlich, wie Hieronymus immer wieder voll Staunen berichtet. Anders als etwa sein Zeitgenosse Rufinus, der gegenüber Avita immer wieder betont, die Lektüre seiner Übersetzungen würde keine allzu hohen intellektuellen Anforderungen an sie stellen und eigne sich daher auch für Frauen281, kennt er solche Bedenken nicht. Seine Freundinnen in Rom stellten vielmehr sein Wissen immer wieder auf die Probe: Marcella z.B. hatte ihn bei seinem Romaufenthalt gleich zu sich eingeladen, weil sie von ihm lernen wollte. Hieronymus berichtet, wie wissensdurstig sie gewesen sei und daß sie ihm bei jedem Treffen Fragen über die Schrift gestellt habe, dabei durch die Antwort zu neuen Fragen angeregt worden sei, um die Entgegnung auf mögliche Einwände zu erfahren. Dabei 272

Johannes Rufus, Leben Petrus' des Iberers 29 (Raabe, Johannes Rufus Übs., 34). Johannes Rufus, Leben Petrus' des Iberers 28 (Raabe, Johannes Rufus Übs., 33). 274 Hieronymus, ep.24,4. 275 Hieronymus, ep.23,2 (Lea); ep.108,15 (Paula). 276 277 Hieronymus, ep.38,4. Hieronymus, ep.127,4. 278 279 Hieronymus, ep. 108,20. Vita 23.42.46. 280 Siehe S. 81.141f. 281 Rufinus, Praef. in Sexti sententias; Praef. in Omelias S. Basilii; Prol. in explanationem Origenis super psalmos XXXVI-XXXVII-XXXVIII. 273

Das Leben als Asketin

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war sie anscheinend Hieronymus gegenüber so kritisch, daß er nach eigenen Angaben manchmal keine Schülerin, sondern einen Richter vor sich zu haben meinte.282 Von einem solchen Treffen mit gemeinsamem morgendlichen Gespräch über die Bibel (es fand um die dritte Stunde des Tages statt) berichtet er in einem seiner Briefe: Marcella und er (von weiteren Personen ist nicht die Rede, aber er traf sie sicher nicht allein) hatten gerade begonnen, den 72. Psalm zu lesen, und er hatte dazu erklärt, daß der Titel teilweise zum Ende des zweiten, teilweise zum Anfang des dritten Buches des Psalters gehöre, als die Nachricht vom Tode Leas eintraf.283 - Hieronymus ist begeistert von Marcellas Tugenden, ihrem Verstand, ihrer Heiligkeit und Reinheit sowie ihrer schnellen Auffassungsgabe. 284 Keiner Frau schrieb er ja auch so viele Briefe, besonders über theologische Fragen, wie ihr. Doch trotz ihrer großen Intelligenz ist es ihr nicht möglich gewesen bzw. wagte sie nicht, öffentlich zu lehren. Thraede schildert die Situation folgendermaßen: „Die Damen der Oberschicht werden als ökonomischer Rückhalt gern gesehen ..., theologisch zählten sie aber zur ,hörenden' Kirche, obwohl nicht wenige von ihnen, das zeigt die Überlieferung, dem höheren Klerus geistig sehr wohl das Wasser reichen konnte."285 Dies traf ganz offensichtlich auf eine Frau wie Marcella zu, denn obwohl diese nach der Abreise des Hieronymus aus Rom von vielen Seiten, auch von Priestern, bei Streitigkeiten über schwierige Schriftstellen nach ihrem Urteil gefragt wurde - immerhin legte man also Wert darauf! - , gab sie ihre Antworten als die des Hieronymus oder eines anderen Mannes aus, tat also, auch wenn sie lehrte, so, als sei sie eine Lernende.286 „Sie kannte nämlich das Wort des Apostels: ,Aber zu lehren gestatte ich einer Frau nicht'" 287 , und handelte so, „damit sie nicht dem männlichen Geschlecht, zuweilen auch Priestern, die sie über dunkle und zweifelhafte (Stellen) befragten, Unrecht zu tun schiene"288, also um sie nicht spüren zu lassen, daß eine Frau mehr wußte als sie. Marcella verhielt sich laut Hieronymus auf diese Weise, weil sie sehr klug war und überdies wußte, was sich gehört (TÖ irpeirov).289 Von Fabiola, die ihm bei ihrem Besuch in Bethlehem begegnete, berichtet Hieronymus Ähnliches. Mit Leidenschaft und Eifer habe sie sich mit den göttlichen Schriften beschäftigt, ja als ob sie einen Hunger stillen müsse, sei sie durch die Propheten, Evangelien und Psalmen geeilt, indem sie Fragen

282

Hieronymus, ep. 127,7; Comm. in Gal., Prol. 284 Hieronymus, ep.23,1. Hieronymus, ep.127,7. 285 286 Thraede, Ärger, 152f. Hieronymus, ep. 127,7. 287 „sciebat enim dictum ab apostolo: docere autem mulieri non permitto" (ebd.). 288 „ne uirili sexui et interdum sacerdotibus de obscuris et ambiguis sciscitantibus facere uideretur iniuriam" (ebd.). 289 Ebd. 283

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stellte, und habe die Lösungen in der „Truhe ihrer Brust" (in scriniolo pectoris sui) bewahrt. Ihr Wissensdurst wurde dadurch aber nur größer, und sie befragte Hieronymus über Ursache und Grund der einzelnen Lagerstätten der Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste: Hier wußte er selbst nicht genau Bescheid und Fabiola ließ sich versprechen, daß er für sie ein eigenes Werk hierüber abfassen würde, was er aber erst nach ihrem Tod tat.290 Fabiola nannte sich selbst „unwürdig so großer Geheimnisse" 291 , stellte also wohl selbst keine Forschungen an, sondern überließ sich hier der Führung des Hieronymus. Ähnliches gilt für Paula: Sie drängte Hieronymus heftig, mit ihr und Eustochium die Bibel zu lesen und zu diskutieren. Wenn er nicht weiter wußte, so schreibt er, habe sie ihn durch beständiges Fragen gezwungen, wenigstens die wahrscheinlichste Meinung zu nennen. An dieser Meinung orientierte sie sich dann auch, wie etwa der Bericht des Hieronymus über Paulas Auseinandersetzung mit dem Origenisten zeigt, wo sie sich von ihm überzeugen ließ.292 Paulas Tochter Blesilla zeigte (neben der auch von ihrer Mutter und Schwester gezeigten Sprachbegabung) ebenfalls ein großes Interesse an der Bibel, in der sie trotz ihrer Schwäche viel las.293 Auch Marcellina wollte die Bibel gar nicht aus der Hand legen, nicht einmal, um Nahrung zu sich zu nehmen. 294 Für Melania d.Ä. milderte der Genuß des Lesens die Härte ihres Lagers.295 Tag und Nacht soll sie große Mengen von Büchern gelesen haben; und da sie jedes Buch sieben- bis achtmal studierte, beschäftigte sie sich auch wirklich gründlich mit den jeweiligen Autoren und ihren Gedanken.296 Es gibt noch einen weiteren Hinweis auf ihre Lektüre: Zwei Handschriften von Rufins Übersetzung der Rede des Gregor von Nazianz De reconciliatione et unitate monachorum geben nämlich am Schluß des Textes der Rede an: „USQUE HUC CONTULI DE CODICAE SCAE MELANIAE ROMA", womit sicher Melania d.Ä. gemeint ist.297 Auch Paulinus kannte Melanias Leseeifer; daher las er ihr die Vita Martini seines Freundes Sulpicius Severus vor und fügte in seinem Brief an diesen hinzu, Melania sei höchst interessiert an solchen Geschichten. 298 - Melania d.J. stand ihrer Großmutter auf diesem Gebiet in nichts nach; ihr Biograph bezeichnet sie als cpiAoXÖYOC (Freundin gelehrter Gespräche). 299 Für jeden Tag nahm sie sich vor, eine bestimmte Menge zu schreiben und in den Werken

290

Hieronymus, ep.77,7; der erwähnte Brief ist ep.78. „indignam tantis mysteriis"(Hieronymus, ep.77,7). 292 293 Hieronymus, ep. 108,26. Hieronymus, ep.39,1. 294 295 Ambrosius, De virg. 111,4,15. Paulinus, ep.29,13. 296 Palladius, HL 55. 297 Rufinus, Orationum Gregorii Nazianzeni novem interpretatio 7,22; Engelbrecht, Rufinus-Ausg., XXXII. 298 299 Paulinus, ep.29,14. Vita 21. 291

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der Ausleger zu lesen. Nachdem sie sich daran „gesättigt" hatte ( I U E T O T Ö K O p E ( T & f | v o a ) , ging sie „gleichsam Kuchen essend" ( K a ö c n r e p irXaKoüvra ¿adiouaa) durch die Lebensbeschreibungen der Väter.300 Neben ihrer Schriftlektüre schrieb sie selbst talentiert und fehlerlos in Schönschrift - im Schreiben war sie sehr begabt - und verschenkte diese Handschriften an die Heiligen.301 Auch las sie eifrig alle Bücher der Heiligen, die sie finden konnte: „Manche kaufte sie, andere lieh sie aus und ging sie so gewissenhaft durch, daß ihr kein Ausdruck oder Gedanke entging." 302 Selbst wenn ihre Mutter in die Zelle kam, während Melania schrieb oder las, unterbrach sie ihre Arbeit nicht, sondern sprach erst mit ihr, wenn sie ihre Tätigkeit beendet hatte.303 Ambrosius führte mit seiner Schwester Marcellina häufig Diskussionen, bei denen sich die beiden nicht auf eine Meinung einigen konnten. Dann riefen die beiden ihren Bruder Saturus hinzu, der den Streit sehr gut schlichten konnte, ohne eine/n der beiden zu verletzen.304 Anscheinend ging es zwischen den Geschwistern manchmal sehr hitzig zu, und es sieht nicht so aus, als hätte Ambrosius' ältere Schwester immer gleich nachgegeben! - Auch andere Frauen bekamen durch den Einfluß der römischen Asketinnen die Chance, sich weiterzubilden: In Paulas Kloster mußte nämlich jede Schwester die Psalmen kennen und täglich etwas aus den heiligen Schriften lernen.305 So fanden die römischen Asketinnen für sich eine sinnvolle Tätigkeit besonders im Gottesdienst und im Lernen anhand von Büchern und Gesprächen mit anderen Menschen. Dafür nahmen sie, wie wir sahen, auch weite Reisen gerne auf sich. Als reiche Römerinnen hätten sie zwar ebenso die Möglichkeit zu reisen, auch Zugang zu Bildung und Zeit dafür gehabt, doch im Unterschied zu anderen wohlhabenden Frauen ihrer Zeit waren diese Dinge - Bildung, Gottesdienst, Konzentration auf das als wesentlich Erkannte - für sie von ganz zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund bemühten sich Männer wie Hieronymus auch so eifrig gerade um sie, diskutierten mit ihnen und nahmen sie als Gesprächspartnerinnen ernst. 7.2.3 Die Wirkung der Asketinnen als Vorbilder für andere Wie das Wirken Paulas und Melanias d.J. in ihren Klöstern zeigt, konnten Frauen anderen Frauen gegenüber sehr wohl auch Lehrende sein. Während von Paula mehr berichtet wird, wie sie durch ihr gutes Beispiel, Ermahnungen oder auch Strafen die Jungfrauen im Kloster zu einem asketischen Leben anleitete und für ihre Weiterbildung sorgte306, sind von Melania d.J. auch 300

301 Vita 23. Vita 23.26; vgl. auch 36. „öcAXä R Ä pev KTtonevr), T Ö ÖE Kixptopevn, OÖTCOC ¿PTTOVCÜC Ö I R I P X E T O , wcrre P H T Ö V priSe vöriMa ayvoeTv" (Vita 26). 303 304 Vita 33. Ambrosius, De exc. fratr. 1,41. 305 306 Hieronymus, ep. 108,20. Ebd. 302

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längere Abschnitte von Belehrungen überliefert, die sie den Frauen in ihrem Kloster gab.307 Gerontius gibt außerdem zu, daß er unmöglich all die häufigen und gotterfüllten Lehren, die sie gab, genau beschreiben könne. Melanias ganze Sorge sei es gewesen, die Schwestern gründlich in den geistlichen Werken und Tugenden zu unterrichten. 308 Obwohl sie das Kloster nicht leitete, übte sie so doch großen Einfluß auf die dort lebenden Frauen aus. Aber auch sonst bildeten sich Lehrerin-Schülerin-Verhältnisse: So lehrte etwa Marcella Paula und Eustochium 309 , und sie wird daneben von Hieronymus auch der Furia310 und außerdem - neben Asella - der Asketin Principia311 als nachahmenswertes Vorbild genannt. Asellas Lebenslauf wurde von Hieronymus aus dem Grund verfaßt, damit junge Mädchen ihr Beispiel als „Maßstab perfekten Lebens" (perfectae uitae normam) ansehen sollten.312 Eustochiums Rede, Erscheinung und Einhergehen wiederum kann nach seinen Worten Paula d.J. eine Unterweisung in den Tugenden sein.313 Der Demetrias empfiehlt Hieronymus die Nachahmung (imitatio) ihrer Großmutter und ihrer Mutter.314 Olympias schließlich trat voller Eifer in die Fußspuren Melanias d.Ä. und folgte ihr in ihrer Gesinnung nach.315 Diese Frau war 361 oder 369 geboren worden und wurde nach 20monatiger Ehe Witwe und Asketin. Eine besondere Freundschaft verband sie mit Johannes Chrysostomus, der ihr 17 Briefe schrieb. Sie starb 408/409. 316 Über eine Begegnung zwischen ihr und Melania erfahren wir aus den Quellen allerdings nichts. - Selbst Hieronymus nennt Melania d.Ä. als exemplum für Paula, da sie nicht so maßlos über den Verlust ihrer Angehörigen trauerte.317 - Nicht zuletzt ist Melania d.Ä. auch als Vorbild für ihre Enkelin zu nennen; Gerontius äußert dies zwar nicht, doch Palladius berichtet zum einen von Melanias Romreise aus Sorge um ihre Enkelin318, und er schreibt zum anderen auch, daß die Erzählungen über ihre Großmutter Melania d.J. zum Wunsch nach asketischem Leben und zum Widerwillen gegen die Ehe getrieben hätten319. Melania d.J. war ebenfalls für andere Frauen Vorbild: So wurde sie etwa zur Lehrerin und Mutter Eunomias; 320 auch hatte sie wohl Einfluß auf den Weg Paulas d.J. zur Askese. Die Herrscherin Eudokia wünschte sich, „indem sie den Eifer der von uns vorher erwähnten Melanie annahm" 321 , von Konstan308 Vita 42. Vita 42-46. Hieronymus, ep. 127,5; vgl. auch die Lobeshymne von Paula und Eustochium in ep.46,1! 310 Hieronymus, ep.54,18. 312 311 Hieronymus, ep.24,1. Hieronymus, ep.65,2. 314 313 Hieronymus, ep. 130,20. Hieronymus, ep. 107,13. 316 315 Kötting, Art. Olympias, 1153. Palladius, HL 56. 318 317 Palladius, HL 54. Hieronymus, ep.39,5. 320 319 Paulinus, carm.21,72f.; Vita 40. Palladius, HL 61. 321 Johannes Rufus, Leben Petrus' de Iberers 48 (Raabe, Johannes Rufus Übs., 49). 307 309

Das Leben als Asketin

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tinopel ins Heilige Land zu reisen. Melania reiste ihr bis nach Sidon entgegen und wurde da von der Kaiserin „mit aller Ehrfurcht wie eine wahrhaft geistliche Mutter" 322 empfangen. Hier wird ein dichtes Geflecht von Beziehungen zwischen den römischen Asketinnen erkennbar, das über diesen begrenzten Kreis noch hinausreichte und andere Frauen miteinbezog. Während weiterhin Paula oder Fabiola sich, wie im vorhergehenden Abschnitt berichtet, ganz der Führung des Hieronymus überließen und Marcella sich ebenfalls nur wenig mehr Selbständigkeit erhielt (immerhin lehnte sie es ab, auch nach Bethlehem zu reisen) und es trotz ihres großen Wissens nicht wagte, Männer zu belehren, nahm sich Melania d.J. genau diese Freiheit, nämlich Männer zu lehren, wie ihre Vita erzählt. Sie habe eigentlich, so heißt es dort, allein in ihrer Zelle beten und fasten wollen, aber weil sie vielen mit ihrer gotterfüllten Lehre (rrj ¿vdeio aürnc öiöaGKaXia) nützte und von allen belästigt wurde, setzte sie bestimmte Stunden für Zusammenkünfte zum Gespräch fest und zog sich nicht ganz zurück.323 Sie gab also sozusagen richtigen Unterricht, und es wird nicht einmal angedeutet, sie habe sich darin auf das weibliche Geschlecht beschränkt. Junge Männer und Frauen, Samaritaner, Heiden und Häretiker brachte sie durch Ermahnungen (und Geschenke, wie bereits erwähnt) dazu, ihren Lebenswandel zu ändern. Viele bekehrten sich daraufhin. 324 Während ihres Aufenthaltes in Konstantinopel nützte sie ebenfalls allen, die kamen, Senatorenfrauen und gelehrten Männern (!), durch ihre gottbegeisterte Lehre (rf| fteoTrveuGTip ai)xf|g 5i5aaKaXia). 325 Anscheinend war sie hier überhaupt nicht eingeschränkt, und auch ihr Schüler Gerontius fand offenbar nichts dabei, wenn eine Frau Männer lehrte, sonst hätte er diese Tatsache sicher wie die Existenz von Melanias Großmutter verschwiegen. Diese Großmutter hatte sich übrigens recht ähnlich verhalten: Anders als Marcella hatte sie keinerlei Vorsicht und Takt walten lassen, als sie den schwerkranken Evagrius Ponticus nach der wahren Ursache seiner Krankheit fragte - zwar ging es dabei nicht um eine Schriftstelle, aber dafür um eine wichtige Lebensentscheidung. Evagrius hatte nämlich asketisch leben wollen und war daher aus Konstantinopel, wo er sich in eine verheiratete Frau verliebt hatte, nach Jerusalem zu Melania d.Ä. gereist. Dort wurde er seiner Entscheidung aber untreu, wechselte seine Kleidung wieder, und in seiner Redeweise zeigte sich die Ruhmsucht (Kevoöo^ia). Doch nun erkrankte er sehr schwer, und die Ärzte konnten ihm nicht helfen. Melania jedoch erkannte, daß seine Krankheit eine tiefere Ursache hatte und ihm von Gott gesandt war; sie sprach ihn darauf an, wobei sie ihn mit (ue (Sohn) anredete, sich also selbst als seine (geistliche) Mutter betrachtete, und er gestand ihr alles. Nun 322 325 325

Vita58: „/JETCX m'mqt;aiöovcaürriv Vita 32. Vita 54.

uTrEÖE^axo WCÄKRI&Wc JrvevfjanKrtvfjqTipaö." 324 Vita 29.

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nahm sie ihm das Versprechen ab, in Zukunft dem einsamen Leben treu zu bleiben. Daraufhin wurde Evagrius in wenigen Tagen gesund. Melania kleidete ihn nun wiederum um (hier zeigt sich wieder einmal, wieviel von der eigenen Lebenseinstellung mit Kleidung ausgedrückt wurde), und er ging nach Ägypten; dort führte er wirklich ein asketisches Leben.326 Melania unterwies (hier wird das Wort Karrix^v verwendet) außerdem bei ihrer Rückkehr nach Rom Apronianus und ihre Schwiegertochter Albina im Glauben, ebenso wie ihren Sohn Publicóla.327 Die Unterschiede zwischen den Frauen um Hieronymus und dem Kreis, zu dem die beiden Melanien gehörten, zeigen sich gerade an diesem Punkt noch einmal sehr deutlich: Während die beiden Melanien neben Frauen auch Männer lehrten und daraus keinen Hehl machten, versteckte sich Marcella hinter ihrem Lehrer oder sonstigen Männern, und von den anderen Asketinnen wird eine solche Lehrtätigkeit gar nicht berichtet; Frauen gegenüber aber übten auch sie Einfluß aus. Für sie alle gilt, daß sie sich nicht damit begnügten, für sich selbst den richtigen Weg gefunden zu haben; sie wollten ihn auch anderen zeigen und wurden von ihnen als Vorbilder gesucht und gefunden. Sie bekamen durch ihre asketische Lebensform Autorität als Lehrerinnen, sowohl für Frauen als auch zum Teil für Männer ihrer Zeit - und auch späterer Zeiten.

7.3 Ausblick: Die Wirkungsgeschichte der römischen Asketinnen Die Wirkung der römischen Asketinnen beschränkte sich nicht auf ihre Zeit und ihr Umfeld - auch nach ihrem Tod, in späteren Jahrhunderten, waren Frauen und Männer über die gebildeten und engagiert christlichen Frauen Roms informiert und erwähnten sie in ihren Schriften immer wieder. Einige Beispiele dafür - ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben sollen nun angeführt werden. Der Dichter und Hagiograph Venantius Fortunatus (geboren um 535, gestorben nach 600)328 schreibt etwa in einem Gedicht an die Frankenkönigin Radegunde, die vor ihrem Mann, den zu heiraten man sie gezwungen hatte, geflohen war, um eine Nonne zu werden329, daß Radegunde Eustochium an karger Speise, Paula an Enthaltsamkeit übertroffen habe; sie habe wie Fabiola Wunden behandelt und käme an Eifer Melania gleich, an Frömmigkeit Blesil-

326 327 329

Palladius, HL 38. Palladius, HL 54. Wendehorst, Art. Radegundis, 963.

328

Payr, Art. Venantius, 656.

Ausblick

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la und Marcella in den Gelübden. 330 Zu ihrer Lektüre gehörten unter anderem die Schriften des Hieronymus. 331 Auch zur Zeit der Radegunde wurden also die Briefe des Hieronymus gelesen und seine römischen Briefpartnerinnen asketisch lebenden Frauen als Vorbilder vor Augen gestellt. Bald nach 610 entstand die Vita der Sadalberga (oder Sadlaberga).332 Sadalberga, nach zweimonatiger Ehe Witwe, dann zum zweiten Mal verheiratet und Mutter von fünf Kindern, begab sich laut dieser Lebensbeschreibung zusammen mit ihrer Familie in den geistlichen Stand. Sie gründete ein Frauenkloster und lebte nach dem Vorbild Melanias d.Ä. und Paulas (sowie der Kaiserin Helena) - so zumindest der Autor der Vita, der damit seine Kenntnis von Chronik und ep.108 des Hieronymus und zugleich deren Einfluß auch in späterer Zeit verrät.333 Aber auch umgekehrt konnte es geschehen, daß Frauen sich Männern gegenüber auf die römischen Asketinnen beriefen: Dies taten Gisla, die Schwester (und Äbtissin von Chelles), und Rodtruda, die Tochter Karls d.Gr., in einem Brief an den Gelehrten und Abt in Tours seit 796 Alkuin (etwa 730804)334 aus dem Jahr 800, in dem sie diesen bitten, seine Erklärung des Johannesevangeliums fertigzustellen. Sie erinnern ihn daran, daß Hieronymus die Bitten der adeligen Jungfrauen erfüllt habe, und bemerken, daß die Entfernung von Tours zu ihnen nach Paris doch viel geringer sei als die von Bethlehem nach Rom (auch sie kannten also die Briefe des Hieronymus) 335 . Nicht viel anders argumentierte Heloisa (gestorben 1164) gegenüber ihrem ehemaligen Geliebten Abaelard (1079-1142) - sie lebten inzwischen beide im Kloster336; beide nehmen auch sonst in ihrem Briefwechsel immer wieder auf Stellen aus den Briefen des Hieronymus an Asketinnen Bezug.337 In einem Begleitschreiben zu 42 an Abaelard gerichteten theologischen Fragen verweist Heloisa ganz besonders auf Marcella, die von Hieronymus in ihrem

330

Venantius Fortunatas, carm. lib. VIII, 1, 41-44. Venantius Fortunatus, carm. lib. VIII, 1, 57. 332 Berschin, Biographie II, 24f.; ebenso zum folgenden. 333 Vita Sadalbergae 25: „imitans sanctarum feminarum, Melaniae videlicet et Paulae". 334 Heil, Art. Alkuin, 266-268. 335 Ep.196 in der Sammlung der Briefe Alkuins; einen Hinweis auf die Bekanntheit und die Wirkungsgeschichte der Hieronymusbriefe gibt auch die Tatsache, daß sein Brief an Laeta über die Erziehung Paulas d.J. „von den Verfassern der zu Aachen 817 erlassenen institutio sanctimonialium allen Aebtissinnen ausdrücklich zum Studium anempfohlen wurde, damit sie daraus entnehmen könnten, ,wie man es bei der Erziehung kleiner Mädchen anzustellen habe'. In vieler Beziehung übte dieses Schreiben ... sogar auf die Erziehungsweise der in der Welt lebenden Töchter des Adels einen bedeutenden Einfluß aus." (Specht, Geschichte, 259). 336 Peppermüller, Art. Abaelard, 7 - 1 0 . 337 Z.B. ep.5 Heloisas; Abaelard, Institutio. 331

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Bibelstudium bestärkt wurde. Damit möchte sie Abaelard jedoch mahnend daran erinnern, daß er ihr und den Schwestern in ihrem Kloster Fragen, die bei ihrer Bibellektüre aufgekommen waren, doch beantworten solle.338 - Ein weiteres Beispiel für diese Art der Argumentation ist Caritas Pirckheimer (1467-1532), seit 1503 Äbtissin bei den Nürnberger Klarissen339, die ebenfalls eine Kennerin der Briefe des Hieronymus war. So schrieb ihr Sixtus Tucher nach 1501: „gehab dich wol allerliebste schwester und so du mit Paula und Eustochium unsers seligmachers und seiner hochwirdigen gepererin geschieht und that, als sant Hieronymus leret, bescheuelich betrachtest, wollest mein auch nit vergessen."340 In einem Brief von 1513, in dem sie Willibald Pirckheimer dafür dankt, daß er ein Buch von Plutarch ins Lateinische übersetzt hat, bezeichnet sie ersteren als Schüler des Hieronymus, der ja ebenfalls auf das Drängen von Jungfrauen hin einen größeren Teil der heiligen Schriften aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt habe.341 Dem Konrad Celtis dankt sie 1502 für die Übersendung der Werke der sehr gelehrten Jungfrau Rosuita, die er hatte drucken lassen, und sie lobt ihn, weil er diese kluge Frau nicht, wie andere Männer es getan hätten, wegen ihres Geschlechtes oder weil sie eine Nonne war, verachtete. Nicht alle Männer, so meint sie, würden erkennen, daß beide Geschlechter denselben Schöpfer, Erlöser und Heiland hätten. Darin habe er den heiligen Hieronymus nachgeahmt, der ebenfalls die Frauen niemals verachtet und sich nicht gescheut habe, mit gottgeweihten Jungfrauen auf ihre Bitte hin die heiligen Schriften zu besprechen, was untätige und müßige Männer von ihm zu erforschen vernachlässigt hätten.342 Als Christoph Scheurl ihr im September 1506 ein Buch schickt, bemerkt er in dem Begleitbrief, er habe wie sein Patron, der Probst Sixtus, der an sie und seine (Scheurls) Tante Appolonia Tucher Briefe sandte, ebenfalls nach der Art der Briefe des Hieronymus an Paula und Eustochium an sie schreiben wollen.343 Spalatin bat er 1512, doch auch einmal exemplo tui Iheronimi an Caritas und Appolonia zu schreiben.344 Argula von Grumbach (um 1490-1554, vielleicht aber auch später345) ist hier ebenfalls zu nennen. Diese bayerische Reformatorin trat in einem Brief von 1523 an die bayerische Landesuniversität Ingolstadt für Arsacius Seehofer ein, der zum Widerruf seiner - von Luther geprägten - theologischen

338

Heloisa, ep.ad Petrum Abaelardum. Pfeiffer, Art. Pirckheimer, 385. 340 Ep.6 in der Caritas-Pirckheimer-Briefsammlung.; vgl. auch ep.33 (Caritas Pirckheimer an Willibald Pirckheimer). 341 342 Caritas Pirckheimer, ep.40. Caritas Pirckheimer, ep.45. 343 Ep.66 in der Caritas-Pirckheimer-Briefsammlung. 344 Ep.73 in der Caritas-Pirckheimer-Briefsammlung. 345 Pfeiffer, Art. Grumbach, 1889. 339

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Anschauungen gezwungen worden war.346 Gegen Ende des Briefes bittet sie um Antwort, eventuell auch mit Berichtigung ihrer Irrtümer, und weist dabei auf Hieronymus hin: Auch er habe sich ja nicht geschämt, Frauen wie Blesilla, Paula und Eustochium häufig zu schreiben.347 Wie bekannt Hieronymus und seine Werke waren und daß sie auch von Frauen gelesen wurden, läßt sich weiterhin daran erkennen, daß Isotta Nogarola (1418-1466), eine humanistisch gebildete Frau aus einer Veroneser Patrizierfamilie, die sich mit 23 Jahren zur Askese entschloß und sich dem Gebet und Studium widmete,348 eine Jn beati Hieronymi laudem oratio" verfaßte. Diese oratio, gehalten 1453349, warnach Abel nicht direkt eine Rede, „sondern eher eine Abhandlung, ein kurzer Vortrag, den Isota auf Ansuchen eines gewissen Pater Victor de Rosatis ... vor ihm und einer ohne Zweifel zahlreichen Zuhörerschaft über das Leben und Wirken des heil. Hieronymus hielt."350 Der Veroneser Domherr Mattaeus Bossus schrieb ihr kurz nach 1451351 und nimmt in seinem Schreiben auf Hieronymus Bezug. Isotta habe ihn immer in Händen, teils wegen seiner Beredsamkeit, teils weil er mehr als andere an heilige Jungfrauen schrieb. Allerdings begründet er mit dem Verweis auf Hieronymus, daß er Isottas Einladung keine Folge leistete, da er den Verkehr mit Frauen scheue.352 - Noch eine weitere Frau, eine Zeitgenossin Isotta Nogarolas, ist hier zu nennen. Das Leben Alessandra de'Bardis (14111465)353 wurde von dem Florentiner Vespasiano da Bisticci (1421-1498) in seinen „Vite di uomini illustri del secolo XV" beschrieben, das auch die Viten von zwölf Frauen enthält.354 Sie habe, so schreibt er, Paula nachahmen wollen, die in der Erziehung ihrer Familie und ihrem Ende aller Welt ein Beispiel wurde.355 Als ihr Mann Lorenzo ermordet worden war, war Alessandra de'Bardi untröstlich, und sie rechtfertigte ihre große Trauer, indem sie unter anderem auf Paula verwies, die nach dem Tod ihres Mannes, der doch ein natürlicher gewesen war, so sehr getrauert habe, daß sie selbst fast gestorben wäre.356 Sie lebte von nun an als Witwe357 (und richtete sich somit auch hier nach dem Vorbild Paulas). 346

Heinen, Reformatorin, 21-26. „Ich bit euch und begere Antwurt/ob jr vermaynt des ich irret/ das ich ye nit waiß Dan Iheronymus hat sich nit geschempt/un zu 0 den weybern geschoben gar viL/als zu° Plessilla/Paula/Eustochia rc." (Argula von Grumbach, Wie ain christliche Fraw des Adels) 348 349 Rice, Renaissance, 95f. Abel, Isota, 464. 350 351 Abel, Isota, 465. King, Retreat, 812. 352 Ep.77 (Abel, Isota-Ausg.II, 129f.); zur weiteren Information über Isotta Nogarola vgl. King, Retreat, 807-822. 353 354 Schubrig, Bisticci Übs., 352. Schubrig, Bisticci Übs., V-VII. 355 Bisticci, Vite (Frati, Bisticci-Ausg., 258). 356 Bisticci, Vite (Frati, Bisticci-Ausg., 280). 357 Bisticci, Vite (Frati, Bisticci-Ausg., 282f.). 347

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Ein Beispiel aus dem folgenden Jahrhundert zeigt wiederum, daß eine gebildete Frau mit den römischen Asketinnen verglichen werden konnte, wie dies Nicholas Harpsfield in seiner 1556/1557 begonnenen Lebensbeschreibung des Thomas Morus 358 (1478-1535) 359 tat. Thomas Morus war ein „bedeutender englischer Humanist und Staatsmann, Lordkanzler Heinrichs VIII."360 Harpsfield vergleicht dessen gebildete und tugendhafte Tochter Margaret Roper zuerst mit gelehrten heidnischen Frauen (darunter Cornelia), fügt aber dann hinzu, sie sei eher noch „our Christian Fabiola, our Marcella, our Paula, our Eustochium" gewesen.361 Thomas Morus setzte sich für die Weiterbildung seiner drei Töchter ein362 und verteidigte diesen Wunsch gegenüber William Gonell, dem Hauslehrer seiner Kinder, indem er auf Hieronymus und Augustinus hinwies, die ebenfalls Frauen und Jungfrauen gelehrt hätten363. Im letzten Jahrhundert verfaßte Wilhelm Löhe für Frauen und Jungfrauen eine Sammlung von Lebensläufen heiliger Frauen, in der er auch von Paula und Marcellina erzählt.364 Für Versuche in unserer Gegenwart, die Asketinnen einem nichtwissenschaftlichen Publikum bekannt zu machen, seien als Beispiele das Buch „Great Women of the Christian Faith" von Edith Deen aus dem Jahr 1976 sowie das Buch „Great Women of Faith. The Strength and Influence of Christian Women" von Nancy A. Hardesty aus dem Jahr 1980 genannt, wo unter anderem von Marcella und Paula berichtet wird.365 Bildliche Darstellungen der Asketinnen Paula und Eustochium geben ebenfalls wieder, daß das Lernen dieser beiden Frauen von Hieronymus als typisch und wichtig für sie und ihren Lehrer angesehen wurde. Bereits aus der Mitte des 9. Jahrhunderts stammt ein Bild aus der ersten Bibel Karls des Kahlen, das als eine von drei Szenen aus dem Leben des Hieronymus diesen darstellt, wie er Paula, Eustochium und zwei anderen Frauen die Bibel auslegt.366 Eine Unterrichtsszene mit Hieronymus, Paula und Eustochium zeigt auch ein Initial „aus einer im Jahre 1238 für Abt Widukind im Zisterzienserkloster Bredelar in Westfalen geschriebenen dreibändigen Bibel"367, ebenso wie ein Apsismosaik aus S.Maria Maggiore in Rom aus den letzten Jahren des 13. Jahrhunderts. 368 Der Maler Francisco de Zurbarän schuf etwa 1638-1640 ein Bild, das darstellt, wie Hieronymus Paula und Eustochium die Schrift er-

358 359 361 362 364 365 366 367 368

Reynolds, Harpsfield-Ausg., IX. 360 Beetz, Art. Morus 2, 1142. Ebd. Harpsfield, Life (Reynolds, Harpsfield-Ausg., 98). 363 Sargent, Thomas More, 82. Thomas More, ep.63, 6 6 - 8 8 . Löhe, Rosen-Monate, VII. 13-24. 2 0 4 - 2 0 8 . Deen, Women, 17-21. 2 8 - 3 3 ; Hardesty, Faith, 15-19. Kelly, Jerome, II. Jungblut, Darstellung, 19; siehe Swarzenski, Handschriften, Tafel 30, Abb. 169. Jungblut, Darstellung, 19f.; Cecchelli, Mosaici, 279, Tav. LXXVI.

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klärt.369 - Auch in einem Kunstwerk unserer Zeit wird der Asketinnen gedacht: Am dreieckigen Tisch der „Dinner Party" Judy Chicagos (1979 in San Francisco, in den darauffolgenden Jahren an anderen Orten zu sehen, z.B. 1987 in Frankfurt 370 ), der für 39 Frauen der Geschichte und Sage bzw. Göttinnen gedeckt ist371, befindet sich Marcellas Platz am Anfang des zweiten Flügels des Tisches. Auf den Läufer unter ihrem Teller ist unter anderem eine Schriftrolle gestickt, die ihre Gelehrsamkeit symbolisieren soll.372 Die Namenszüge von Eustochium, Fabiola, Marcellina und Paula befinden sich auf dem mit den Namen von 999 bedeutenden Frauen beschriebenen Fundament, auf dem der Tisch steht373. Auch die Darstellungen der Asketinnen, die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt werden, belegen, daß sie als Lehrende und Lernende verstanden wurden. Blesilla wird in der Kunst „von Manuscripten umgeben, Schreibtafel und Griffel in den Händen" 374 dargestellt, Marcella „Mädchen oder Frauen unterrichtend. Mit Kruzifix, die Hl. Schrift betrachtend" 375 . Paula erscheint auf Bildern „mit Federkiel in einem Buch schreibend" 376 . Auch die Tatsache allein, daß diese drei Frauen sowie Eustochium, Asella, Fabiola, Lea und Melania d.J. als Heilige verehrt werden, weist auf ihre Wirkung weit über die Zeit der Spätantike hinaus hin.377 So wirkte die Wißbegier der Frauen des 4. und 5. Jahrhunderts, festgehalten in den viel gelesenen Briefen des Hieronymus, noch Jahrhunderte lang weiter, spornte die Frauen an und nahm den Männern die Argumente aus der Hand, ihnen Antworten auf theologische Fragen zu verweigern. Selbst wenn also die Frage, ob sie ein mit den Männern gleichberechtigtes Leben geführt hatten, nicht uneingeschränkt mit Ja beantwortet werden kann, half das Wissen um sie späteren Frauen, für ihr eigenes Leben Maßstäbe zu setzen und ihr Recht auf Bildung zu verteidigen.

369

Rice, Renaissance, 14 mit Fig.6. 371 Chicago, Dinner Party, 15. Chicago, Dinner Party, 16. 372 Chicago, Dinner Party, 56f. (die im Ausstellungskatalog zu Marcella gebotenen Informationen sind leider nicht immer korrekt; so wissen wir etwa nichts davon, daß sie zur Heirat gezwungen wurde, wie es hier heißt) und Abbildungsteil. 373 Chicago, Dinner Party, 16.122f. (auch hier sind die Informationen des Katalogs nicht ganz zutreffend). 374 375 Detzel, Ikonographie, 208. Wimmer/Melzer, Lexikon, 540. 376 377 Wimmer/Melzer, Lexikon, 641. Siehe Wimmer/Melzer, Lexikon. 370

8. Askese und Frausein: Die Motivation asketischen Lebens und seine Auswirkungen auf die Stellung der Frau im Christentum der Spätantike Auf verschiedenen Wegen haben wir uns in dieser Arbeit den römischen Asketinnen genähert und einiges über ihre Umwelt und ihren Lebens-Hintergrund erfahren. Ihre Zeit wurde erkennbar als eine Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit, in der sie sich nicht darauf verlassen konnten, Besitz, Heimat und Familie zu behalten; aus diesem Wissen heraus fiel es ihnen dann als Asketinnen leichter, jene Dinge freiwillig aufzugeben. Die tiefe Kluft zwischen arm und reich, die auch in ihrer direkten Umgebung - der Stadt Rom unübersehbar war, hoben sie zwar nicht auf, doch sie überbrückten sie durch ihr Engagement für Notleidende und Kranke. Von den Frauen ihrer Zeit unterschieden sie sich durch ihr einfaches Äußeres und durch die Gestaltung ihres Alltags. Ihr Leben verbrachten sie von Anfang an oder erst nach Jahren als Ehefrau und Mutter ohne Ehemann und Kinder bzw. getrennt von diesen; sie widmeten viel Zeit dem Gespräch und Zusammenleben mit anderen Frauen sowie der theologischen Weiterbildung, wobei sie häufig Männer als Lehrer hatten. Daß andere Frauen ihrer Zeit und gesellschaftlichen Stellung ebenfalls gebildet waren und sich auch an verschiedenen Kulten beteiligen konnten und beteiligten, zeigt, daß die Asketinnen sich nicht etwa strahlend hell von einem dunklen Hintergrund abheben, sondern vielmehr Teil eines Bildes mit vielen Farben in unterschiedlichen Schattierungen sind und nur von diesem Gesamtbild her verstanden werden können. - Das gilt auch bezüglich der Entscheidung für einen asketischen Lebensstil, denn wir sahen, daß dieser nicht nur von orthodoxen Christ(inn)en, sondern auch von anderen religiösen Gruppierungen gepflegt wurde. Aus diesem Grund gerieten asketisch lebende Menschen leicht in Häresieverdacht, und von Frauen glaubte man ohnehin, daß sie für Häresien besonders anfällig seien. Da aber Leichtgläubigkeit und Dummheit keine geschlechtsspezifischen Eigenschaften sind, war es wohl die asketische Grundeinstellung, die Frauen bei Bewegungen wie dem Montanismus oder dem Priscillianismus besonders anzog. Wesentlich größere Rechte oder gar Gleichberechtigung hatten Frauen nämlich in der Spätantike, als sich nach ihnen schließlich auch ihre männlichen Verwandten dem Christentum zuwandten, weder in den häretisch noch in den rechtgläubig genannten Gruppen im Christentum zu erwarten. Überall

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jedoch begegnen sie als aktive Mitglieder; die römischen Asketinnen bildeten hier keine Ausnahme, sondern ergriffen bei Lehrstreitigkeiten ganz entschieden Partei: Zum Stillschweigen haben sie sich nicht bringen lassen. Aus Geschichte und Literatur konnten die Asketinnen für ihr eigenes Leben Anregungen schöpfen: Das wurde bei der Untersuchung verschiedener nichtchristlicher Vorbilder deutlich, die sie auf ihrem Weg begleiteten und sie anspornten. Sie bewegten sich nicht sozusagen im luftleeren Raum und erlebten die Hinwendung zum Christentum und zur Askese nicht als Bruch. Sogar in ihrer Familie fanden sich hier und da - heidnische - Frauen, die eine zweite Ehe abgelehnt hatten und die sie nun nachahmen bzw. an Keuschheit noch übertreffen wollten. - In der biblischen Tradition begegneten sie anderen Frauen, die ihnen Vorbild sein konnten und deren Spuren sie manchmal sogar in Palästina folgten. Märtyrerinnen und Märtyrer übten insbesondere deshalb große Anziehungskraft auf sie aus, weil sie in der Lebensform der Askese eine Verwandtschaft zum Martyrium sahen; die Geschichte der frühen Kirche zeigte ihnen, daß es schon immer mutige Frauen gegeben hatte, die für ihren Glauben einstanden, selbst wenn sie das in Lebensgefahr brachte. Auch wenn diese Gefahr zur Zeit der römischen Asketinnen vorüber war, sahen sie doch gerade im Hinblick auf ihre (noch) nicht christlichen Ehemänner und anderen Verwandten die Notwendigkeit, eindeutig und unübersehbar für das Christentum Stellung zu beziehen - und das war gerade durch einen asketischen Lebenswandel möglich. So wagten sich die römischen Asketinnen an einen Aufbruch weg von der gewohnten Umgebung, gemeinsam mit Freundinnen und Freunden. Zwar ließen sie dabei, wie eingangs gesagt, einiges hinter sich - wenn auch oft nicht das Bewußtsein ihrer früheren hervorragenden gesellschaftlichen Stellung - , doch sie gewannen auch viel: eine neue Heimat, neue „Verwandte" und Freunde bzw. Freundinnen, einen „Schatz im Himmel". Durch das Loslassen der „weltlichen Dinge" konnten sie sich dem Gottesdienst widmen, sich weiterbilden, mit anderen Menschen theologische Probleme diskutieren und fühlten sich - so zumindest die Quellen - freier als vorher. Ob sie es wirklich waren, wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt: Eine Reihe von Forscherinnen und Forschern sieht in der Askese die einzige Möglichkeit für Frauen in jener Zeit, eine gewisse Autonomie zu erlangen, eine Art der Befreiung oder der Emanzipation. Wyss meint das Motiv römischer Frauen für das asketische Leben darin zu finden, daß die Herrschaft des römischen Mannes nur durch die Aufhebung (oder die Veränderung, jedoch habe dieser Weg, so schreibt er, „kaum gangbar" 1 geschienen) der sexuellen Praxis gebrochen werden konnte.2 Der Preis der sexuellen Askese habe riskiert werden können, „wenn erder selbstbewussten Frau den einzigen Weg bahnte, authenWyss, AskeSe, 114.

2

Ebd.

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tisch zu sein."3 Tavard spricht von der Befreiung der Frau durch das jungfräuliche Leben, durch das es ihr möglich gewesen sei, dem Mann auf geistlicher Ebene gleich zu werden. 4 Auch Elizabeth Clark 5 und Rosemary Ruether 6 heben die Befreiung der Frau durch das asketische Leben hervor. Wie sehr sich die Einstellung des Autors zu Frauen seiner Zeit in der Beurteilung der Askese widerspiegelt, zeigt zum einen die Beurteilung der asketischen Bewegung durch Hilpisch (1951), der betont, daß es den Asketinnen in ihrer christlichen Frauenbewegung „nicht um Rechte und die Beseitigung von Einengungen [gegangen sei], sondern um die Erfüllung ihres Frauentums durch geistige und geistliche Werte."7 Dagegen steht das Beispiel Schnürers, der die asketische Bewegung als eine Art geistige Emanzipation bezeichnet und mit dem „Drang der Frauen zum Universitätsstudium" 8 zu seiner Zeit (1924) vergleicht. Er sieht hier eine Hebung der Stellung der Frau durch das Christentum im Gegensatz zur Umwelt. 9 Auch Koch weist 1936 daraufhin, daß Frauen (als Asketinnen) mehr geachtet wurden: „Die christliche Jungfrau wußte nun, daß sie nicht mehr darauf angewiesen war, entweder ihre Hand einem Mann zu reichen oder ihr Leben als verfehlt und inhaltlos betrachten zu müssen - und der Mann wußte es auch, oder er bekam es zu spüren. Und wenn ... das Mädchen seine Werbung ausschlug, um sich Christus zu vermählen', so stieg dadurch der Eigenwert der Frau in den Augen des Mannes um so höher, als er selbst, wenn auch vielleicht widerwillig, die sittliche Größe der freien Hingabe an Gott bewundern mußte." 10 Im Gegensatz zu Schnürer betont Koch übrigens, daß der Unterschied zur Umwelt nicht so groß war wie manchmal geschildert, und beurteilt solche Schwarz-WeißDarstellungen folgendermaßen: „Vielleicht mag dabei unbewußt das Streben geleitet haben, auf solch dunklem Hintergrunde die Erlösung des Weibes durch Christus um so heller hervortreten zu lassen, obgleich man dann nicht so leicht zu erklären vermag, wie ein also geknechtetes, entseeltes, ja verkom-

3

4 Wyss, AskeSe, 115. Tavard, Tradition, 120. Clark, Gateway, 42: „...the ascetic movement, which had so many features denigrating of women and marriage, became the movement that, more than any other, provided ,liberation' of a sort for Christian women. If they could surmount their identification with sexual and reproductive functioning, women were allowed freedoms and roles they otherwise would not have been granted." (vgl. auch Clark, Renunciation, 251. 257). 6 Ruether, Mothers, 73: „1 would argue that asceticism could and was experienced as that kind of liberating choice [kurz vorher definiert als: ,the sense of taking charge of one's own life, of rejecting a state of being governed and defined by others'; G.P.] for women in the fourth century, for not only did it allow women to throw off the traditional female roles, but it offered female-directed communities where they could pursue the highest selfdevelopment as autonomous persons." 7 8 Hilpisch, Benediktinerinnen, 10. Schniirer, Kirche, 35. 9 10 Schniirer, Kirche, 34f. Koch, Aufstieg, 469f. 5

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menes Frauentum mit solcher Schnelligkeit sich den erhabenen Gedanken und Forderungen Christi erschließen konnte, wie dies tatsächlich der Fall war."11 Genau diese Gegenüberstellung findet sich noch 1958 bei Steinmann, der die Römerinnen des 4. Jahrhunderts in ausgesprochen düsteren Farben malt: „Wenn es dem Heidentum hier und da gelingt, die Frau auf der Höhe der alten römischen Tugenden zu halten, so sieht der Anfang der christlichen Zeit eine wachsende Zahl derer, die sich ausleben und jegliche Bindung abschütteln wollen. Sie führen das Haus nach Maßgabe ihrer Launen, wollen keine Kinder haben, mischen sich in die öffentlichen Angelegenheiten und brüsten sich mit literarischen Erfolgen ... Diese Frauen trieben Sport, gingen in Männerkleidung zu den Wagenrennen, übten sich im Ringkampf und im Fechten ... Selbstverständlich hintergingen sie ihre Männer, ja, sie wechselten sie so leichtfertig, wie die Amerikanerinnen es heute tun."12 Im Gegensatz zu diesen nichtchristlichen Frauen spricht er hingegen von den Asketinnen und ihrer Wißbegierde mit großem Respekt.13 Anders Seeck - was er über Frauen, genauer die Asketinnen, dachte, geht recht deutlich aus seinen (aus dem Jahr 1920 stammenden) Bemerkungen über „die tränenreiche Hysterie der ungewaschenen Frauenzimmer" bzw. das „verrückte Treiben der hochgeborenen Nonnen" 14 (gemeint sind die Frauen um Hieronymus) hervor. Auch Braun „befremdet ... jene unnatürliche Abstumpfung der mütterlichen Empfindungen" 15 , die er bei Paula bemerken will, während er für Marcella, die sich Hieronymus gegenüber eher zu behaupten wußte, lobendere Worte übrig hat - noch mehr allerdings für Monica, die Mutter Augustins. 16 - Besonders deutlich wird das Vorverständnis der Autoren auch dann, wenn sie betonen, daß die Frauen ihre „frauliche Eigenart" in der Askese bewahren konnten und weibliche Tugenden gefragt waren17, während doch gerade die „Männlichkeit" der Asketinnen von ihren Zeitgenossen immer wieder so lobend erwähnt wird. Daß asketisches Leben für Frauen aus der Oberschicht die Befreiung von familiären Pflichten bedeutete (und dann womöglich deshalb attraktiv wurde), konnte in dieser Arbeit so nicht nachgewiesen werden. Allerdings war die Unabhängigkeit einer Frau, die sich um ihre Kinder nicht nur wenig, sondern überhaupt nicht kümmern mußte und auf Wünsche eines Ehemannes keinerlei Rücksicht zu nehmen hatte, außerdem weniger mit der Verwaltung ihres Besitzes als mit dessen Verschenken beschäftigt war, sicherlich noch größer als diejenige verheirateter Frauen aus derselben Gesellschaftsschicht. Vor allem aber wurden sie durch das Erreichen von „Männlichkeit" als Gesprächs11 13 15 17

12 Koch, Aufstieg, 458. Steinmann, Hieronymus, 121f. 14 Steinmann, Hieronymus, 123f. Beide Zitate Seeck, Geschichte, 188. 16 Braun, Frau, 96. Braun, Frau, 97f. Hilpisch, Benediktinerinnen, 11; Koch, Aufstieg, 463.

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A s k e s e und Frausein

Partnerinnen ernstgenommen und beachtet. Wären sie Ehefrauen und Mütter geblieben oder hätten allein, jedoch nicht asketisch - etwa als Witwen gelebt, wäre das nicht möglich gewesen: Männer wie Hieronymus hätten sie als „Weibsbilder" verachtet oder als gefährliche Versuchung betrachtet. Daß diese Frauen für sich selbst etwas Erstrebenswertes erreicht hatten, scheinen auch Frauen und Männer späterer Jahrhunderte gespürt zu haben - sie beriefen sich in ihrem Wunsch nach theologischer Bildung auf Hieronymus und die römischen Asketinnen, so wie Hieronymus sich auf frühere Frauen und Männer berufen hatte, wenn er wegen seines Engagements für die theologische Weiterbildung von Frauen kritisiert wurde. Nach der anfänglichen Begeisterung über die Neuentdeckung der römischen Asketinnen jedoch finden sich in der Literatur auch kritische Anfragen. So wiesen etwa Franca Ela Consolino 18 1986 und Elisabeth Schüssler Fiorenza19 1988 darauf hin, daß die Askese nur Frauen der Oberschicht möglich war und nur auf sie ihre befreiende Wirkung ausüben konnte, so daß diese privilegierten Frauen damit ein weiteres Privileg erhielten (eine Tatsache, die auch Elisabeth Clark nicht außer acht ließ20). In der Tat zeigte sich im Lauf dieser Arbeit, daß die reichen Römerinnen ohnehin in vieler Hinsicht große Freiheiten hatten, eingeschränkt jedoch durch ihre zumindest theoretische Abhängigkeit vom Vater und den Zwang zur wenigstens einmaligen Ehe sowie dadurch, daß sie keine politischen Ämter ausüben durften. Ämter allerdings konnten auch die orthodoxen Christinnen nicht ausüben, und sie ließen sich weiterhin von Männern in unterschiedlichem Maße beeinflussen, auch bevormunden, und blieben auf sie bezogen. Das Konzept der „männlichen Frau" ließ den Asketinnen darüber hinaus nicht die Möglichkeit, Askese und Frausein wirklich in Einklang miteinander zu bringen, denn wenn eine Frau männlich ist, kann sie ja in Wahrheit nicht mehr Frau sein. Da es Männern kaum erstrebenswert oder erforderlich erschienen sein wird, durch Askese männlich zu werden, liegt an diesem Punkt zwischen den Geschlechtern ein wesentlicher Unterschied in der Motivation zur Askese und in ihrer Auswirkung auf das Selbstbild des oder der asketisch Lebenden. Die Verleugnung ihrer Sexualität, so hob Elizabeth Castelli 1986 hervor, habe für Frauen zu Selbstverleugnung, ja sogar Selbstzerstörung geführt; Männer seien davon nicht so betroffen gewesen, da das Männliche nicht wie das Weibliche mit Sexualität und Leidenschaft gleichgesetzt worden sei. Nach wie vor sei die weibliche Sexualität kontrolliert und wie eine Ware, ein Tauschobjekt behandelt worden; der Körper einer Jungfrau habe nun nicht einem irdischen Mann,

18 19 20

Consolino, Modelli, 298. Schiissler Fiorenza, Response, 326. Clark, Renunciation, 254; vgl. auch Cantarella, Daughters, 142f.

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sondern dem himmlischen Bräutigam gehört. Es sei die Frage, ob es sich für die Frauen gelohnt habe, diesen hohen Preis zu bezahlen. 21 Daß beide Wahlmöglichkeiten (Ehe oder Askese) und die Beschränkung auf diese beiden für Frauen große Nachteile mit sich brachten, bemerkte auch der bereits zitierte Klaus Thraede 22 . Die Asketinnen genossen nur begrenzte Freiheiten, und die Anerkennung, die sie fanden, wirkte sich nicht auf die anderen Frauen, Ehefrauen und Mütter, aus; vielmehr wurden diese noch geringer geachtet. Weder die Asketinnen noch ihre männlichen Freunde setzten sich für eine andere Kirche ein, in der Männer und Frauen gleichberechtigt - auch in der Ämterfrage - , geschwisterlich und menschlich statt männlich miteinander hätten leben können, als Ehefrauen und -männer, Mütter und Väter, Alleinlebende etc. Deshalb können sie m.E. auch für uns heute keine Vorbilder sein, denn wir sind als Christen und Christinnen ja gerade dazu befreit, ganze Menschen, mit unseren weiblichen und männlichen Anteilen, zu sein. Wenn aber das Weibliche in uns unterdrückt oder vergessen werden soll, dann kann dies nicht gelingen. Bei aller Begeisterung über die Entdeckung dieser Frauengruppe darf das nicht beiseitegewischt werden, sonst wird dem FrauenWunschbild von Seiten der Männer eines aus Frauensicht hinzugefügt, das nun wiederum die römischen Asketinnen nicht zur Sprache kommen läßt. Dann kann aber auch die Trauer darüber zugelassen werden, daß Frauen immer wieder so in ihren Lebensmöglichkeiten eingeengt wurden, daß es ihnen nicht gelang, etwas wirklich Eigenes zu entwickeln. „Ist es nicht ein weltfremdes und müßiges Beginnen, den Müttern des 20. Jahrhunderts jene sagenhaften Mütter des Urchristentums gegenüberzustellen, die noch die Spuren der Verfolgung an sich tragen? Sind wir nicht andern Blutes als sie, haben wir nicht ganz andere Aufgaben als jene statuenhaften Heldinnen grauer Vorzeit? Kommt uns doch ein leises Grauen an, wenn wir uns erinnern, wie rasch entschlossen und ohne Klage sie in den Tod gingen oder ihre Kinder Gott dem Herrn als Blutopfer darbrachten! Was also ist Gemeinsames zwischen uns und ihnen?" 23 So fragte 1930 Anna Maria Steiner zu Beginn ihres Aufsatzes über „Mütter des Urchristentums", in dem sie sich u.a. der Asketin Paula widmete. Auch ich habe mir diese Frage gestellt, gerade angesichts der Ernüchterung nach der ersten Faszination durch diese Frauen, angesichts der Erfahrung großer Distanz zwischen uns und ihnen. Ganz normale Frauen waren sie, meint Anna Maria Steiner, und dadurch uns verbunden, befähigt zu ihrem Tun durch ein „Miteinander von himmlischer Gnadenwirkung und menschlicher Glaubenskraft" 24 . Dafür müßten wir unsere Augen öffnen. - Als Protestantin würde ich das zwar nicht so formulieren,

21 23

Castelli, Virginity, 86-88. Steiner, Mütter, 287.

22 24

Siehe S. 190. Ebd., 288.

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Askese und Frausein

doch bin auch ich der Meinung, daß wir in der Tat jenen Frauen wohl kaum gerecht werden können, wenn wir nicht sehen, was sie in ihrem Verhalten leitete - und das war ihr Wunsch nach einem Leben, das keine andere Bindung als die an Gott zuließ. Aus heutiger Sicht nahm das manchmal seltsame Formen an, so daß die Beurteilung dieser Frauen zwischen „Exzentrikerin" und „Heilige" schwanken kann; vielleicht ist ja auch beides richtig. In eine Schublade passen sie sicherlich nicht, dazu ist vieles an ihnen zu widersprüchlich. Und gerade das macht sie gleichzeitig so anziehend: Die pure Perfektion bieten sie uns eben nicht. Sie waren unterwegs, wie Frauen es auch heute noch sind. Nicht nur ein kleiner Ausschnitt der Geschichte also wurde hier behandelt, der ebensogut hätte vergessen bleiben können, sondern ein Teil der ganzen Geschichte, der ohne seine Vor-Geschichte nicht verständlich wäre, ohne den aber auch später Geschehenes nicht richtig erfaßt werden könnte. Das Wissen davon kann uns dabei helfen, Entwicklungen zu verstehen, die bis in unsere heutige Zeit reichen, vielleicht, wenn wir aufmerksam werden gegenüber einem Frauenbild, das Frauen einerseits in geschlechtslose Neutra - etwa im Beruf, dessen Ausübung nicht durch Schwangerschaft etc. gestört werden darf - und andererseits in weiblich gekleidete und geschminkte, schlanke Wesen aufteilen bzw. beides in einer Frau vereint sehen möchte. Daß dieser Weg nicht gangbar ist, wenn Frauen wirklich menschlich leben und so behandelt werden wollen, zeigte das, was in dieser Arbeit über die Asketinnen in Erfahrung gebracht werden konnte, deutlich genug. Daneben aber erfuhren wir auch, daß es schon seit der frühesten Zeit der Kirche Frauen gab, die in ihr mitarbeiten und ihr ganzes Leben so gestalten wollten, daß es mit ihrem christlichen Glauben übereinstimmte. Durch diese Untersuchung wurden trotz der schwierigen Quellenlage Frauen in ihrer Verschiedenheit und Ähnlichkeit kenntlich; es wurde deutlich, daß Frauen - Christinnen - auch im 4. und 5. Jahrhundert n.Chr. nicht unscheinbar und still waren, sondern sich voll Engagement für die Sache einsetzten, die sie als richtig erkannt hatten. Selbst heute, etwa 1500 Jahre später, haben wir so die Möglichkeit, uns und andere an diese Geschichte zu erinnern, uns auf der Suche nach dem eigenen Weg von ihr inspirieren zu lassen.

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Anhang Im folgenden sollen die Lebensläufe und -daten der in dieser Arbeit behandelten römischen Asketinnen in alphabetischer Reihenfolge kurz dargestellt werden, um so eine schnelle Orientierung über die jeweilige Frauengestalt möglich zu machen. Kursiv gedruckte Namen weisen auf eine besondere Behandlung der jeweiligen Frau innerhalb dieses Anhangs hin. Der Wohnort der Asketinnen wird nur dann eigens erwähnt, wenn die Frauen Rom verließen. Albina:

Asella:

Avita:

Blesilla:

Demetrias:

Eunomia: Eustochium:

Fabiola:

Mutter Melanias d.J., Schwiegertochter Melanias d.Ä., nach dem Tod ihres Mannes um 406 Beginn eines asketischen Lebens gemeinsam mit der Tochter und deren Mann, Ende 408 oder 409 gemeinsame Reise nach Sizilien, 410 Ankunft in Thagaste, 417 Reise über Alexandrien nach Jerusalem, wo sie zunächst kurze Zeit mit ihrer Tochter zusammenwohnte, gestorben 431/432 in Jerusalem geboren 334, 344 auf Wunsch des Vaters zur Jungfrau geweiht, 346 eigener Entschluß zu strengerer Askese, lebte nun völlig zurückgezogen, später (405) in einem Kloster; möglicherweise Schwester Marcellas, doch ist dies eher unwahrscheinlich Nichte Melanias d.Ä., zwei Kinder (Eunomia und Asterius), die beide für das asketische Leben bestimmt wurden, bald nach 400 unter dem Einfluß ihrer Tante Beginn eines asketischen Lebens gemeinsam mit ihrem Ehemann Apronianus geboren um 364 als Tochter der Paula, nach siebenmonatiger Ehe Witwe, gestorben Oktober/November 384 zwanzigjährig nach vier Monaten asketischen Lebens; Schwägerin der Furia 410 Flucht aus Rom gemeinsam mit Mutter Juliana und Großmutter Proba nach Afrika, dort in Gesellschaft von Jungfrauen, 413/ 414 kurz vor der Hochzeit Entschluß zum asketischen Leben, vermutlich Rückkehr nach Rom bis 461 siehe Avita Tochter der Paula, aufgezogen zur Asketin im Haus Marcellas, 385 zusammen mit der Mutter Reise nach Palästina mit Besichtigung vieler biblischer Stätten, seit 404 Leitung des von Paula gegründeten Frauenklosters in Bethlehem, gestorben Ende 418/Anfang 419 in Bethlehem oder Umgebung vom ersten Ehemann geschieden, nach dem Tod des zweiten Mannes Entscheidung zum asketischen Leben und Bau eines Krankenhauses in Rom, Herbst 394 Reise gemeinsam mit Oceanus nach Jerusalem und Bethlehem, Besuch bei Hieronymus, Paula und

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Anhang

Eustochium, seit 397 wieder in Rom, Bau eines Pilgerhauses gemeinsam mit dem verwitweten Mann von Paulas Tochter Paulina in der römischen Hafenstadt Portus, gestorben Ende 399 Furia: Schwägerin Blesillas, spätestens seit 395 Witwe, Tochter der Titiana, die zusammen mit ihrem Mann lange Zeit asketisch lebte Italica: Witwe mit kleinen Söhnen Juliana: Tochter Probas, Mutter der Demetrias, Witwe vor 410, seitdem Asketin, seit 410 gemeinsam mit Mutter und Tochter in Gesellschaft von Jungfrauen in Afrika lebend Laeta: Schwiegertochter der Paula, Mutter Paulas d.J., bestimmte ihre Tochter zum jungfräulichen Leben, lebte spätestens seit 404 gemeinsam mit Ehemann Toxotius asketisch Lea: Witwe, lebte auf dem Land bei Ostia als Leiterin einer klösterlichen Gemeinschaft, gestorben 384 Marcella: geboren um 330 in Rom, Witwe nach siebenmonatiger Ehe, danach Entschluß zum asketischen Leben, Freundin der Paula, lebte mit verwitweter Mutter Albina zusammen, um 387/388 Rückzug auf ein Landgut gemeinsam mit jüngerer Freundin Principia, gestorben 410/411 einige Monate nach der Eroberung Roms Marcellina: geboren vor 339, zwei jüngere Brüder (darunter Ambrosius von Mailand), 353 in Mailand zur Jungfrau geweiht, lebte zusammen mit ihrer verwitweten Mutter und einer anderen Jungfrau namens Candida, auch noch einige Jahre nach 373, als ihre Mutter gestorben ist, möglicherweise außerhalb der Stadt, gestorben nach 388 Melania d.Ä.: frühe Heirat, Witwe mit 22, innerhalb eines Jahres Tod des Mannes und der zwei älteren ihrer drei Söhne, Reise nach Rom, 372 Reise nach Ägypten, zwischen 374 und 378 Gründung eines Frauenklosters in Jerusalem am Ölberg, Anfang 400 Reise über Nola nach Rom, dort Besuch ihrer Enkelin Melania d.J. und ihrer Nichte Avita und deren Ehemännern sowie ihrer Schwiegertochter Albina, um sie zu einem asketischen Leben zu führen, gestorben nach 408 in Jerusalem; Freundin des Rufinus Melania d.J.: geboren 385 als Tochter der Albina und Enkelin Melanias d.Ä„ Heirat etwa 399, zwei Kinder sterben früh, etwa 405 gemeinsam mit Ehemann Pinianus Beginn eines asketischen Lebens, Ende 408/409 Reise mit Ehemann und Mutter nach Sizilien, Ende 410 Ankunft in Afrika, Gründung zweier Klöster in Thagaste, 417 Reise über Alexandrien nach Jerusalem, von dort aus Ägyptenreise gemeinsam mit Pinianus, bald nach dem Tod ihrer Mutter Gründung eines Frauenklosters auf dem Ölberg, vier Jahre nach dem Tod des Pinianus (Ende 431/432) Bau eines Männerklosters, dazu noch Bauten von Kapellen, 436-437 Reise nach Konstantinopel, gestorben am 31.12.439 in Jerusalem Paula: geboren am 5.5.347, fünf Kinder (Blesilla, Paulina, Eustochium, Rufina und Toxotius), Witwe 378, danach Beginn eines asketi-

Anhang

Paula d.J.:

Principia: Proba:

Titiana:

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sehen Lebens, Freundin der Marcella und des Hieronymus, 385 gemeinsam mit Tochter Eustochium Reise nach Palästina mit Besuch vieler biblischer Stätten, ab 386 Klostergründungen in Bethlehem, gestorben am 26.1.404 in Bethlehem geboren um 400 als Tochter von Paulas Sohn Toxotius und seiner Frau Laeta, vor der Geburt von der Mutter zum jungfräulichen Leben bestimmt und dementsprechend erzogen, wohl um 410 Flucht aus Rom, bis 416 Ankunft in Bethlehem bei ihrer Tante, nach dem Tod Eustochiums möglicherweise Leitung des Frauenklosters in Bethlehem siehe Marcella Witwe seit etwa 388, lebte in Gesellschaft von Jungfrauen, 410 gemeinsam mit Tochter Juliana und Enkelin Demetrias Flucht nach Afrika, lebte dort wieder in Gesellschaft von Asketinnen, gestorben wohl um 417, spätestens vor 432 siehe Furia

Susanne Heine

Frauen der frühen Christenheit Zur historischen Kritik einer feministischen Theologie. 3., überarbeitete Auflage 1990.196 Seiten, kart. ISBN 3-525-60622-2 Eine kleine Geschichte des Urchristentums unter dem Aspekt des Interesses an den Frauen. Die Verfasserin zeichnet das differenzierte Bild eines Wechselprozesses zwischen dem Anspruch der Gleichheit von Mann und Frau »in Christus« und dem Widerstand der sozialen Realitäten. Sie gibt methodisch konsequent Rechenschaft davon, wie die Geschichte der frühen christlichen Frauen rekonstruiert werden kann. Dabei müssen überraschende Einsichten zur Kenntnis genommen werden. ». . . ein gutes Buch, engagiert für die Sache der Frauen und gleichzeitig fair gegenüber den Traditionen, gegen die es streitet.« Gerd Theißen in: Theologische

Literaturzeitung

Wolfgang Wischmeyer

Von Golgatha zum Ponte Molle Studien zur Sozialgeschichte der Kirchen im dritten Jahrhundert. (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 49). 1992. 265 Seiten, kart. ISBN 3-525-55157-6 Warum gab es das große Wachstum der Christenheit, als die Kirche in vorkonstantinischer Zeit noch verboten war, und was waren es für Leute, die Christen geworden sind? Dies sind die beiden Hauptfragen, die hinter diesen Studien zur Sozialgeschichte der Kirche im 3. Jh. stehen. Zu den überraschenden Ergebnissen dieser Studien gehört der Aufweis, wie groß die Konformität zwischen Kirche und römischer Gesellschaft war und welche entscheidende Bedeutung die städtischen Oberschichten für das Wachstum der Kirche hatten.

Manfred Jacobs

Das Christentum in der antiken Welt Von der frühkatholischen Kirche bis zu Kaiser Konstantin. (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1510). (Zugänge zur Kirchengeschichte 2). 1987. 202 Seiten, 4 Karten, kart. ISBN 3-525-33510-5 Wie konnte aus der Jesus-Bewegung und der Jerusalemer Urgemeinde innerhalb von rund zwei Jahrhunderten eine katholische Großkirche entstehen? Eine Kirche, die über feste Ämter und Organisationen, über Synoden und einen Schriftkanon, über Liturgien und Bußregeln verfügte, die trotz aller Verfolgungen immer mehr in eine öffentliche Bedeutung hineinwuchs bis schließlich auch der Weg zur Staatsund Reichskirche eröffnet wurde. Ist dieser Weg ein Abfall von den Ursprüngen, oder handelt es sich um eine sachgemäße Entfaltung dieser Ursprünge?

Vandenhoeck & Ruprecht • Göttingen und Zürich