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German Pages 60 [61] Year 1978
ABHANDLUNGEN DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER Abteilung Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Räte
DDR
Jahrgang 1977 • Nr. W 7
Tagung des Rates für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung an der Akademie der Wissenschaften der D D R vom 1. April 1977
Zur Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN
1977
Herausgegeben im Auftrage des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der D D R von Vizepräsident Prof. Dr. Heinrich Scheel Verantwortlich für dieses Heft: Prof. Dr. Gerhard Schüßler Vorsitzender des Rates für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung an der Akademie der Wissenschaften der D D R
Redaktionsschluß: 2 8 . 7 . 1 9 7 7 Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3 - 4 © Akademie-Verlag Berlin 1977 Lizenznummer: 2 0 2 - 1 0 0 / 3 8 7 / 7 7 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus Kothen Bestellnummer: 753 495 8 (2001/77/7/W). LSV 0465 Printed in G D R D D R 6,- M
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Michael Benja?nin D i e Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium
7
Gerhard
Schulze
Zur komplexen Leitung und Planung der ökonomischen und sozialen Entwicklung der Territorien durch die örtlichen Organe der Staatsmacht Willi
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Biichner-JJhder
Staatliche Leitung und Grundrechte
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Gerhard Pflicke Sozialistisches Recht und Komplexität der Leitungsaufgaben
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Oswald Unger D i e territoriale Rationalisierung als wesentliches Element zur Verwirklichung der höheren Verantwortung der örtlichen Staatsorgane und zur komplexen Leitung und Planung der ökonomischen und sozialen Entwicklung in den Territorien
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Werner Ostwald Wirtschafts- und Sozialpolitik im Territorium
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Gerhard Haney Sinn des Sozialismus, staatliche Leitung, Gemeinschaftlichkeit
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Helmut Melzer Zu einigen theoretischen Fragen der Komplexität in der staatlichen Leitung und Planung
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Hans-Jürgen
Schmalfeldt
Zu einigen ideologischen Problemen bei der komplexen territorialen Rationalisierung
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Ellenor Oehler Komplexe territoriale Entwicklung und Schutz der Umwelt
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Autorenverzeichnis
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Vorwort Auf seiner Tagung am 1. April 1977 erörterte der Rat für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung an der Akademie der Wissenschaften der D D R gemeinsam mit Vertretern örtlicher und zentraler Staatsorgane Probleme der Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium. Ausgehend davon, daß die weitere Erhöhung der Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die komplexe politische, ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium eine bedeutsame Stellung in den Beschlüssen der Partei der Arbeiterklasse einnimmt, wurden Probleme der Vervollkommnung der sozialistischen Staatsmacht und der sozialistischen Demokratie unter dem Aspekt der Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Leitungs- und Planungsprozesse aufgezeigt und beraten. Einheit und Komplexität der Entwicklung in den Territorien stellen an die Leitung und Planung dieser Prozesse durch die Volksvertretungen und ihre Organe erhöhte Anforderungen. Die gesellschaftliche Wirksamkeit der Arbeit der örtlichen Volksvertretungen ist untrennbar mit der Erhöhung ihrer Verantwortung und der Festigung der Beziehung Staat Bürger verbunden. Die politische, ideologische und soziale Bedeutung dieser gesellschaftlichen Prozesse stellt an die Staats- und Rechtswissenschaft die Forderung, für die Staats- und Rechtspraxis wissenschaftlich fundierte, den realen Prozessen Rechnung tragende Materialien zu erarbeiten, die dazu beitragen, die ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium noch wirksamer leiten und planen zu können.
Michael Benjamin Die Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium
1. Die komplexe politische, ökonomische und soziale Entwicklung der Territorien Bestandteil der Politik der Partei der Arbeiterklasse In den Beschlüssen der Partei der Arbeiterklasse nimmt die weitere Erhöhung der Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die komplexe politische, ökonomische und soziale Entwicklung im Territorium eine bedeutsame Stellung ein. Die Partei stellt die Aufgabe, die Möglichkeiten der Territorien voll zu nutzen, um die Hauptaufgabe - in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik - umfassend und planmäßig zu verwirklichen, die Lösung der grundlegenden ökonomischen Aufgaben des sozialistischen Staates sichern zu helfen, die sozialistischen gesellschaftlichen Beziehungen der Bürger weiter auszubilden, die sozialistische Demokratie zu entfalten, die Geborgenheit und Heimatverbundenheit der Bürger unseres Staates zu stärken, ihre sozialistische Persönlichkeit zu entwickeln. Unter Führung der Partei ist - so hob der Generalsekretär des ZK, Genosse Erich Honecker, hervor - die gemeinsame Verantwortung der staatlichen Organe, gesellschaftlichen Organisationen und Betriebe für eine kontinuierliche, aufeinander abgestimmte Entwicklung des Territoriums immer stärker wahrzunehmen. Verstärkte Beachtung fordert die SED für die langfristige Planung grundsätzlicher Entwicklungsprobleme der Territorien.1 Die Partei der Arbeiterklasse wendet dabei unter den gegenwärtigen Bedingungen schöpferisch ein grundlegendes Prinzip an, das der sozialistischen staatlichen Leitung wesenseigen ist. Bereits Lenin wies nachdrücklich darauf hin, welche Bedeutung für die Schaffung der sozialistischen Gesellschaft der komplexen wirtschaftlichen Entwicklung der territorialen Einheiten zukommt, der, wie er schreibt „mustergültigen Organisierung eines kleinen .Ganzen', aber eben eines g a n zen', d. h. nicht eines einzelnen Wirtschaftszweiges, nicht eines einzelnen Unternehmens, sondern der Summe aller wirtschaftlichen Beziehungen, der Summe des ganzen Wittschaftsverkehrs, sei es auch nur eines kleinen Bezirks."2 Die von ihm ausgearbeitete Direktive des Rates für Arbeit und Verteidigung verlangt, daß die örtlichen Sowjets alle wichtigen Probleme in ihrem Wirkungsbereich genau kennen - die Lage in allen Bereichen der Industrie und in der Landwirtschaft, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und Bauern, die Fragen des Handels, des Bauwesens, des Verkehrs usw. Wie auch immer die Aufgaben und die Struktur der Wirtschaft im örtlichen Bereich beschaffen sind, grundsätzlich fordert die Direktive: „Auf jeden Fall ist die Zusammenarbeit mit den Exekutivkomitees der Kreis-, Amtsbezirks- und Dorfsowjets bei den Maßnahmen zur Leitung des gesamten örtlichen Wirtschaftslebens in dieser oder jener Form eine unbedingte Notwendigkeit."3 Lenin verwies auf die Notwendigkeit des Zusammenwirkens von zentralen und örtlichen Organen, von Zweigen und Territorien zur komplexen und koordinierten Entwicklung der Wirtschaft im örtlichen Bereich: „Lebensmittel, örtliche Kleinindustrie, Brennstoff, gesamtstaatliche Großindustrie usw. - alle diese Gebiete hängen eng zusammen, und ihre .ressortmäßige' Trennung voneinander, die für die staatliche Arbeit 7
notwendig ist, bringt Schaden, wenn man nicht eine ständige Arbeit zur Koordinierung, zur Beseitigung der Reibungen . . . leistet."4 Komplexität der staatlichen Leitung im Territorium ist adäquater Ausdruck der objektiven Komplexität der gesellschaftlichen Beziehungen. Das Territorium ist nicht passiver Träger von Produktivkräften, Produktionsprozessen oder Schauplatz, auf dem gesellschaftliche Beziehungen eingegangen werden; es kann, wie die gesamte Gesellschaft, nur als ein sich entwickelndes, dynamisches System betrachtet werden. Es geht darum - wenn dieser Vergleich nicht als zu gewagt angesehen wird - , auch auf diesem Gebiet von der Newtonschen Konzeption des Raumes (als bloßen Behältnisses der Gegenstände) zur Einsteinschen (als Existenzform der Elemente der objektiven Realität in ihren Wechselbeziehungen) überzugehen. Für die Territorien ist nicht nur Komplexität, sondern auch Ganzheitlichkeit charakteristisch. Ihre spezifische Funktion in der Gesellschaft besteht darin - wie Borstschewski, Uspenski und Schkaratan bemerken - , daß sie den Austausch aller oder jedenfalls aller grundlegenden Arten menschlicher Tätigkeit zur Befriedigung der den Menschen wesenseigenen Bedürfnisse gewährleisten. „Im Unterschied zu den Produktionskollektiven und anderen ,zweigorientierten' Vereinigungen von Menschen treten die territorialen Gemeinschaften als Milieu ganzheitlicher Tätigkeit in Erscheinutrg; deshalb ist auch ihre soziale Struktur ganzheitlich."5 In der Periode der Errichtung des entwickelten Sozialismus und der Schaffung der Grundlagen des Kommunismus verstärken sich die Komplexität und die Ganzheitlichkeit der territorialen Entwicklung und die Notwendigkeit ihrer planmäßigen Leitung. 2. Die wachsenden ökonomischen und sozialen Aufgaben im Territorium Die konsequente Verwirklichung des sozialpolitischen Programms der Partei, der Kurs auf die stetige Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Werktätigen stellt hohe Anforderungen an die staatliche Leitung im Territorium. Es erhöht sich die ökonomische Potenz des Territoriums. Seine Funktion als Standort der Produktivkräfte als Grundlage der wichtigsten - des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens der Werktätigen, als materielle Basis wichtiger Produktionen und als Träger der technischen und sozialen Infrastruktur wird umfassender und komplizierter. Demographische Struktur, Siedlungsstruktur, Standortverteilung der Produktivkräfte und Infrastruktur in den Territorien entwickeln sich dynamisch und erfordern zugleich die Weiterentwicklung der Instrumente ihrer langfristigen planmäßigen Steuerung. Die Verantwortung der Staatsorgane im Territorium für die Lösung der volkswirtschaftlichen Aufgaben nimmt zu. Die aktive Unterstützung der Schwerpunktaufgaben des Fünfjahrplanes rückt deshalb gesetzmäßig immer mehr in den Mittelpunkt der Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen und Räte. Zugleich erhöhen sich die Anforderungen an die Territorien hinsichtlich der immer besseren Befriedigung der Bedürfnisse der Werktätigen. Die Partei der Arbeiterklasse trägt den durch die umfassende und langfristige Planung und Leitung des Städtebaus, insbesondere des Wohnungsbaus, des Handels und der Dienstleistungen wie auch der geistig-kulturellen Entwicklung, des Sozialwesens und der Volksbildung Rechnung. Eine besondere Rolle spielt hier auch die den örtlichen Organen unterstellte Industrie und das Dienstleistungswesen. Ihre Bedeutung für die wirksame Befriedigung der Bedürfnisse der Werktätigen, ihre Versorgung mit Waren des täglichen 8
Bedarfs und Dienstleistungen wie auch für Zulieferungen zur zentralgeleiteten Industrie wächst. Gerade im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der zentralgeleiteten Kombinate kommt es darauf an, auch die besten Erfahrungen der Leitung und Planung der bezirksgeleiteten Industrie zu verallgemeinern, die effektivsten Formen ihrer Leitung und ihrer Unterstützung zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität und der Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu finden. Im Ergebnis dieser Entwicklung vertieft sich notwendig in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens die Arbeitsteilung im Territorium und zwischen den Territorien. D i e Territorien werden zu Bereichen intensiver und vielfältiger Wechselwirkung zwischen Betrieben der gleichen, aber auch verschiedener Zweige. Mit dem immer stärkeren Übergang zur intensiv erweiterten Reproduktion wird diese Wechselwirkung - die wesentlich mit der koordinierten gemeinsamen Nutzung territorialer Ressourcen, des Arbeitskräftepotentials, der Infrastruktur sowie der gemeinsamen Beteiligung an der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen verbunden ist - zu einem grundlegenden Intensivierungsfaktor. Hieraus resultiert die wachsende Bedeutung der territorialen Rationalisierung - als Gesamtheit von Maßnahmen, die auf die rationellste Nutzung der territorialen Ressourcen der Produktion gerichtet sind. Es geht um die Nutzung aller Vorzüge, die durch eine sinnvolle, bewußte organisierte und rationell gestaltete Arbeitsteilung gewonnen werden können. Hervorzuheben ist die große Bedeutung des Territoriums als natürliche bzw. technische Umwelt des Menschen. Die bewußte und planmäßige Gestaltung der Umwelt des Menschen ist deshalb grundlegender Bestandteil der territorialen Leitung, dessen Bedeutung in der Perspektive noch wachsen wird. Das Territorium ist wichtige Grundlage der Entwicklung der sozialen Beziehungen der Menschen, der Herausbildung der sozialistischen Lebensweise. Hier verwirklicht sich die Einheit der produktiven Tätigkeit der Bürger mit der Befriedigung ihrer materiellen, sozialen, geistig-kulturellen und sonstigen gemeinsamen Bedürfnisse und der Ausübung der Staatsmacht durch die Volksvertretungen, die Einheit von Arbeit, Erholung und Freizeitgestaltung unter Einschluß der ehrenamtlichen gesellschaftlichen Tätigkeit. In den Städten und Gemeinden entwickeln sich vielfältige gesellschaftliche Beziehungen zwischen den Bürgern, die grundlegende Elemente der sich herausbildenden sozialistischen Lebensweise sind. Insgesamt läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß der Charakter der Territorien als komplexer und dynamischer Systeme sich immer stärker ausprägt. In zunehmendem Maße kommt es darauf an, d a ß solche Prozesse planmäßig geleitet werden, wie - die Sicherung des Zusammenwirkens der Zweige und Territorien zur Sicherung der territorialen Produktionsbedingungen; - die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen; die bewußte Gestaltung der Beziehungen zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Arbeiten, Wohnen und Erholung; - die weitere Herausbildung der Einheit zwischen Bildung, Erziehung und Produktion, die Entwicklung des Systems von Aus- und Weiterbildung; - die umfassende, allseitige und harmonische Entwicklung der Territorien als soziale Einheiten von Produktion, Wohnung, Erholung, des Zusammenlebens der Menschen einschließlich der Entwicklung einer umfassenden und rationellen Infrastruktur im gesamtgesellschaftlichen Maßstab. Bei der Analyse der Entwicklung der Territorien ist in vollem Maße die ihnen eigene Dialektik zu beachten. Komplexe Territorialentwicklung ist nicht gleichzusetzen mit lokaler Autarkie oder Isoliertheit. Die Notwendigkeit der komplexen Leitung im Terri9
torium ist Ausdruck der allgemeinen Entwicklungstendenz, die darin besteht, daß mit der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und der Errichtung der Grundlagen des Kommunismus der komplexe, ganzheitliche Charakter der staatlichen Leitung zunimmt. Ein Territorium kann heute - übrigens ebenso wie auch ein Zweig - nur dann geleitet werden, wenn die Komplexität seiner Entwicklung berücksichtigt, wenn es als Teil des gesamtgesellschaftlichen Ganzen geplant und geleitet wird, das darüber hinaus mit der weiteren Ausprägung der sozialistischen ökonomischen Integration auch immer stärker im Maßstab des gesamten sozialistischen Lagers und besonders mit der Sowjetunion verflochten ist. Das bedingt erstens, daß die Verantwortung der Territorien für die Lösung der gesamtstaatlichen politischen, ökonomischen und sozialen Aufgaben wächst; zweitens folgt, daß die politische, ökonomische und soziale Entwicklung der Territorien selbst gesamtgesellschaftlichen Charakter trägt und deshalb zentraler, gesamtstaatlicher Planung und Leitung bedarf; drittens schließlich gilt, daß die Lösung aller territorialen Aufgaben stets die umfassende Berücksichtigung einer immer größeren Vielfalt gesellschaftlicher Beziehungen in allen gesellschaftlichen Bereichen erfordert. Unter den Bedingungen der Errichtung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft wird die Aufgabe der Gestaltung dieses, wie Lenin sagte, „komplizierten und feinen Netzes" gesellschaftlicher Beziehungen immer komplizierter und umfassender, erfordert immer tieferes Eindringen in die sozialen Beziehungen, die effektive Leitung und Planung der Entwicklung der werktätigen Klassen und Schichten. 3. Die Entfaltung der sozialistischen Demokratie - Bestandteil der komplexen Entwicklung im Territorium Die hier dargelegten Entwicklungstendenzen machen die materielle Grundlage sichtbar, auf der die Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen sich weiterentwickelt. Vor allem sei hier der Gedanke unterstrichen, daß die komplexe Entwicklung der Territorien notwendig ihre politische Entwicklung einschließt, das heißt, daß die Ausübung der sozialistischen Staatsmacht und umfassende Entfaltung der sozialistischen Demokratie Wesensbestandteil der Gesamtentwicklung des Territoriums ist. Das Territorium ist in allen sozialistischen Staaten die Grundlage der Organisation der Staatsmacht und ihrer Ausübung durch die Arbeiterklasse und die mit ihr verbundenen Klassen und Schichten. Die Volksvertretungen als die Grundlage des Systems der Staatsorgane sind territorial - auf der gesamtstaatlichen Ebene, in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden der DDR - organisiert. Dabei geht es nicht nur um das territoriale Organisationsprinzip, sondern darum, daß im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Volksvertretungen aller Ebenen in den Territorien sich die verschiedensten Formen der aktiven Mitgestaltung der Bürger an der Leitung der staatlichen Angelegenheiten entfalten. Kennzeichnend für ihre Entwicklung ist die ständig weitere Vertiefung des Klassencharakters und des Demokratismus der staatlichen Leitung. So prägt sich in dem engen Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte unter Führung der örtlichen Parteiorganisationen bei der Entwicklung der territorialen Rationalisierung die führende Rolle der Partei der Arbeiterklasse immer weiter aus, die vor allem in dem engen Zusammenwirken zwischen der Kreisleitung und dem Rat des Kreises, der 10
Schaffung einer parteimäßigen Atmosphäre und der einheitlichen Orientierung aller gesellschaftlichen Kräfte besteht. In immer stärkerem Maße wird die Entfaltung der sozialistischen Demokratie, die unmittelbare aktive Teilnahme der Bürger an der Ausübung der Staatsmacht und der staatlichen Leitung, an der Durchsetzung des sozialistischen Rechts und der sozialistischen Gesetzlichkeit zum Bestandteil der sozialistischen Lebensweise, bestimmendes Element der komplexen territorialen Entwicklung; sie ist ein politisch-staatlicher Ausdruck ihrer Ganzheitlichkeit. Davon legen - um nur zwei Beispiele zu nennen - solche Formen wie die territorialen Rationalisierungskonferenzen unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte des Territoriums unter Führung der Partei der Arbeiterklasse ebenso Zeugnis ab wie die Entwicklung des Wettbewerbs um den Titel „Bereich der vorbildlichen Ordnung und Sicherheit" in Betrieben wie auch in Wohngebieten. Zugleich geht es auch um einen anderen Aspekt des Problems. Es geht um die Festigung der Beziehungen der Staatsorgane zur Bevölkerung, die ein wesentliches Element zur Erhöhung der Effektivität und Stabilität unserer staatlichen Leitung und zur Vertiefung des Vertrauensverhältnisses der Bürger zu ihrem sozialistischen Staat sind. Hierbei hat die aufmerksame und unbürokratische Erledigung der persönlichen Anliegen, mit denen sich Bürger an die Organe ihres sozialistischen Staates wenden, größte Bedeutung. Die politische Bedeutung dieser Frage wurde von der Partei der Arbeiterklasse nachdrücklich unterstrichen. Auch hier geht es um die sozialistische Demokratie, um die Mitgestaltung der Bürger. In dem Maße, wie die gesellschaftlich gerechtfertigten persönlichen Interessen der Bürger ihre schnelle und wirksame Befriedigung finden, wächst die Aktivität der gesellschaftlichen Mitarbeit. Das schafft jene Heimatverbundenheit und Geborgenheit, die wesentlicher Bestandteil des Verhältnisses von Staat und Bürger im Sozialismus ist. Es gehört zum sozialistischen Arbeitsstil der Funktionäre und Mitarbeiter der Staatsorgane, daß sie die Bedürfnisse der Menschen, ihre Sorgen und Probleme, genau kennen, gemeinsam mit ihnen nach Lösungswegen suchen und die Voraussetzungen für ihre effektive Mitarbeit schaffen. Viele Eingaben enthalten Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit der Staatsorgane auf verschiedenen Gebieten. Es ist wichtig, in der staatlichen Arbeit zu gewährleisten, daß diese Vorschläge so vollständig wie möglich genutzt werden, keine Anregung verloren geht. Hier ist die weitere Arbeit an der Nutzung der EDV zur Speicherung solcher Vorschläge - auch solcher, die nicht immer sofort genutzt werden können - eine perspektivisch wichtige Aufgabe. Die Erfahrungen der Staatsorgane bei der Arbeit mit den Eingaben, Beschwerden und Anliegen der Werktätigen beweisen praktisch die völlige Unhaltbarkeit der bürgerlichen verwaltungsrechtlichen These von der Unüberprüfbarkeit pflichtgemäßen Ermessens. Zugleich ist eine vertiefte verwaltungsrechtliche Untersuchung dazu erforderlich, welche Anforderungen im sozialistischen Staat konkret hinsichtlich der Entscheidungsfindung im Rahmen des gesetzlich festgelegten Entscheidungsraumes zu formulieren sind, und offenbar hat das Kriterium, auf der Grundlage des Gesetzes und im Rahmen der bestehenden materiellen Möglichkeiten die jeweils für den Bürger günstigste Lösung zu finden, wichtige Bedeutung. Die Frage nach der optimalen Einzelentscheidung (Entscheidung durch den Einzelleiter und/oder im Einzelfall) ist theoretisch noch wenig ausgearbeitet. Die große Vielzahl der gerade hier täglich und schnell zu treffenden Entscheidungen erfordert jedoch, diese Fragen gemeinsam durch Verwaltungsrecht und wissenschaftliche Organisation der staatlichen Leitung auszuarbeiten.
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Mit dem Gesagten wird zugleich deutlich, daß die komplexe ökonomische und soziale Entwicklung der Territorien, die die Machtausübung der Arbeiterklasse notwendig einschließt, eine wichtige Voraussetzung und Wirkungsfeld der umfassenden Persönlichkeitsentwicklung der Werktätigen, Voraussetzung, Garantie und Anwendungsbereich ihrer staatsbürgerlichen Rechte ist.
4. Wachsende Verantwortung der örtlichen Staatsorgane Die Entfaltung der sozialistischen Demokratie ist als Bestandteil der komplexen Territorialentwicklung zugleich auch Instrument ihrer planmäßigen Leitung. Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ist die Leitung der komplexen Entwicklung des Territoriums eines der wichtigsten Aufgabengebiete der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe. Es ist - wie § 2 GöV bestimmt - ihre Aufgabe, die staatliche, ökonomische, kulturelle und soziale Entwicklung in ihrem Territorium mit dem Ziel zu leiten, einen maximalen Beitrag zur Erfüllung der Hauptaufgabe in ihrer Einheit als Wirtschafts- und Sozialpolitik zu leisten. Dabei ist wesentlich, daß die Aktivität der örtlichen Volksvertretungen sich zunehmend auf die Sicherung grundlegender territorialer Voraussetzungen zur Verwirklichung der volkswirtschaftlichen Aufgaben - unabhängig von ihrer Unterstellung - richtet, wie . - bessere Nutzung der vorhandenen Grundfonds, insbesondere durch Unterstützung der Mehrschichtarbeit an den Produktiven Anlagen (Unterstützung der Arbeiterversorgung in den Betrieben, Berufsverkehr u. a.); - territoriale Koordinierung der Investitionen, der Schaffung gemeinsamer Anlagen zur Unterstützung der Rationalisierung; - Förderung der gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen der Infrastruktur; - Rationalisierungshilfe der Betriebe im Territorium untereinander einschließlich der Organisierung des Erfahrungsaustausches der Neuerer, Ingenieure und Techniker im Territorium. Zugleich sichern die örtlichen Volksvertretungen die Konzentration und Koordination der Mittel zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen. Besondere Bedeutung hat die weitere Vervollkommnung der Planung in der territorialen Ebene. Es stellt sich die Frage nach der Erhöhung der Komplexität der Planung. Die Erfahrungen besagen, daß die Koordinierung und Zusammenführung der Kräfte und Mittel der Betriebe und Einrichtungen zur Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Werktätigen wesentlich wirksamer werden, wenn sie unmittelbarer Bestandteil nicht nur der Jahresplanung der Betriebe und Territorien, sondern auch längerfristiger Pläne werden. Mit der Ausarbeitung der Fünfjahrpläne auch für Kreise und Großstädte sind günstige rechtlich-organisatorische Voraussetzungen hierfür geschaffen. Dabei ist anzustreben, in den Plänen nicht nur die verschiedenen Kennziffern und Vergaben der zentralgeleiteten und örtlichen Bereiche der Volkswirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens zusammengefaßt aufzuführen, sondern ihnen eine langfristige Konzeption der territorialen Entwicklung zugrunde zu legen, die mit der Entwicklung der Zweige abgestimmt ist, um so bereits vom langfristigen Plan her die Produktivitätsreserven aufzudecken, die in der komplexen, einheitlichen und proportionalen Planung der Territorialentwicklung enthalten sind. Als wichtiges Instrument haben sich hierbei auch die territorialen Sicherungsprogramme erwiesen, die von den örtlichen Volksver12
tretungen für volkswirtschaftliche Schwerpunktvorhaben für unterschiedliche Zeiträume beschlossen wurden. Sie bilden eine wesentliche Grundlage der komplexen Planung der territorialen Entwicklung und müssen mit dieser korrespondieren. Von wichtiger Bedeutung ist hier das Studium und die schöpferische Anwendung der Erfahrungen der U d S S R und der anderen Bruderländer. In besonderem Maße gilt das für die Erfahrungen der U d S S R zur komplexen sozialen Planung der gesellschaftlichen Entwicklung territorialer Einheiten, wie Städte, Rayons und Gebiete. In diesen Plänen wird der Zusammenhang von demographischer, politischer, soziologischer, ökonomischer, kultureller, sozialer (im engen Sinne), ideologischer Entwicklung hergestellt und zum Gegenstand der Planung gemacht. E s verstärkt sich die Rolle der Organisierung von Koordination und Kooperation. Bereits Marx hob hervor, daß Vertiefung der Arbeitsteilung vertiefte Kooperation und damit unmittelbar im Zusammenhang - verstärkte Direktion, das heißt Leitung erfordert. Die in der Entwicklung der sozialistischen Staatlichkeit bewährten Organisationsprinzipien der Leitung - wie z. B. das Zweigprinzip, das Territorialprinzip, das Prinzip der doppelten Unterstellung - entwickeln sich weiter. Zugleich bereichert sich das Arsenal der sozialistischen Leitungsmethoden durch eine wachsende Vielfalt von Mechanismen des Zusammenwirkens staatlicher Organe, von Betrieben und Einrichtungen. E s wird immer klarer, daß mechanistische Vorstellungen über das sozialistische Leitungssystem überholt werden und die Tendenz einer wachsenden Dynamik des Leitungssystems, bei Erhöhung der Verantwortung aller seiner Glieder sich durchsetzt. Dabei konzentrieren sich die zentralen staatlichen Organe zunehmend auf die Entscheidung der langfristigen, strategischen Grundfragen. Generell kann die Feststellung getroffen werden, daß die in den Gesetzen (z. B. § 4 GöV) enthaltenen Befugnisse der örtlichen Staatsorgane sich bewährt haben. Ohne die Notwendigkeit vertiefter Analyse in Frage zu stellen, ist doch von der praktisch bestärkten Erfahrung auszugehen, daß gegenwärtig vor allem die gesetzlich gegebenen Möglichkeiten in vollem Maße ausgeschöpft werden sollten. Als wirksames Mittel der zentralen staatlichen Leitung, Planung und Koordinierung haben sich insbesondere die Komplexberatungen des Ministerrates in den Bezirken erwiesen. Ihre Erfahrungen werden in den Bezirken immer besser auch für die Planberatungen in den Kreisen und Städten genutzt. Auf der Grundlage des Planes finden nach Vereinbarungen und Kommunalverträge ihren festen Platz in der Praxis der Staatsorgane. Ihre Wirksamkeit ist dort am höchsten, wo sie auf konkrete, abrechenbare Verpflichtungen der Betriebe und örtlichen Räte gerichtet sind und wo auf allgemeine Absichtserklärungen und globale, nicht spezifizierte Festlegungen verzichtet wird. Die gewachsenen Anforderungen an die komplexe Leitung und Planung im Territorium hat wesentliche Konsequenzen hinsichtlich der Weiterentwicklung der wissenschaftlich begründeten Arbeitsweise der örtlichen Volksvertretungen und Räte. D a s ist vor allem auch deshalb so bedeutsam, weil die örtlichen Staatsorgane zu jenen gehören, in deren Tätigkeit die Bürger am direktesten die Wesenszüge sozialistischer Demokratie im Alltag erleben, konkrete Erfahrungen mit ihnen machen. D i e zielstrebige, auf Problemdiskussion orientierte Vorbereitung und Durchführung der Tagungen der Volksvertretungen, der Kommissionsberatungen und Ratssitzungen erhöht die Lebendigkeit der Tagungen und kann einen wesentlichen Beitrag zur wirksameren Entscheidungsfindung leisten. D a s erfordert, die wissenschaftliche Arbeit hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung der Tagungen der örtlichen Volksvertretungen, Kommissionen und Räte 13
zu verstärken. E s gilt - z. B. auch unter Nutzung von Erkenntnissen der Problemtheorie - den staatlichen Leitern praktikable Materialien in die Hand zu geben, die ihnen helfen, zielstrebig die Beratungen so vorzubereiten und durchzuführen, daß die Erfahrungen der Abgeordneten, die Meinungen und Vorschläge der Werktätigen voll widergespiegelt und wirksam für die Entscheidungsfindung genutzt werden. Neue, hohe Anforderungen werden an die Kollektivität der Leitung gestellt. E s zeigt sich, daß die immer bessere Berücksichtigung der Komplexität der gesellschaftlichen Prozesse in den Territorien es erforderlich macht, die Potenzen, die in der Kollektivität, insbesondere der örtlichen Volksvertretungen und der örtlichen Räte liegen, vollständig zu nutzen. In zunehmendem Maße wird auf die Entscheidung vieler Einzelfragen in den kollektiven Leitungsorganen verzichtet, und sie werden in die Verantwortlichkeit der Fachorgane oder der nachgeordneten Räte gelegt. Dabei wird der Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit und der Einzelleitung (bei kollektiver Beratung) in den Fachorganen konsequent durchgesetzt. Damit werden zugleich die Anstrengungen unterstützt, ein höheres Niveau der Arbeitsplanung der Kollektive, die wissenschaftliche Fundierung der Beratungen und die genaue, problemorientierte und entscheidungsbezogene Information zu sichern. Die Qualität der kollektiven Beratung wird immer mehr daran gemessen, daß die vielseitigen komplexen und langfristigen Wirkungen der Entscheidungen im Prozeß der Vorbereitung und des Treffens der Entscheidungen geklärt werden; immer mehr wird angestrebt, daß sich die kollektive Beratung auf die exakte Bestimmung der Ziele und der gesellschaftlichen Wirkungen der Entscheidung richtet. Damit wachsen die Anforderungen an die Mitwirkung aller Glieder des Kollektivs an der Erarbeitung und Klärung der gemeinsamen Probleme, und die Überwindung von Erscheinungen des Ressourtdenkens wird stimuliert. Die Entwicklungstendenzen und die neuen Aufgaben der Staatsorgane, die sich aus der Entwicklung der Territorien ergeben, und die Erfahrungen ihrer Lösung belegen die Schlußfolgerung, die im 60. Jahr der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution unterstrichen zu werden verdient: E s ist der sozialistische Staat, das in der Oktoberrevolution zur Staatsmacht erhobene System der Sowjets, das seine Fähigkeit erwiesen hat und alle objektiven und subjektiven, klassenmäßigen und wissenschaftlichen Voraussetzungen besitzt, um die komplizierten Aufgaben der sozialistischen Gesellschaftsentwicklung auch weiterhin erfolgreich zu lösen.
Anmerkungen 1 2 3 4 5
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Vgl. Bericht des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den I X . Parteitag der S E D , Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, Berlin 1976, S. 112. W. I. Lenin, Über die Naturalsteuer, Werke Bd. 32, Berlin 1962. S. 369. W. I. Lenin, Direktive des Rates für Arbeit und Verteidigung, Werke Bd. 32, Berlin 1962, S. 398. Ebenda S. 403 f. Vgl. M. W. Borstschewski, S. W. Uspenski, O. I. Schkaratan, D i e Stadt, Methodologische Probleme der komplexen ökonomischen und sozialen Planung, Moskau 1975, S. 97 (russ.).
Gerhard Schulze
Zur komplexen Leitung und Planung der ökonomischen und sozialen Entwicklung der Territorien durch die örtlichen Organe der Staatsmacht
Bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und der Schaffung grundlegender Voraussetzungen für den allmählichen Ubergang zum Kommunismus, wie wir sie auf der Grundlage der Beschlüsse des IX. Parteitages der S E D vollziehen, prägt sich die planmäßige Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung immer stärker aus. Sie dient der Verwirklichung der Hauptaufgabe, in deren Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik wir ein objektives Erfordernis für das kontinuierliche Gedeihen unserer sozialistischen Gesellschaft sehen. Unter diesen Bedingungen sind alle gesellschaftlichen Prozesse stärker als je zuvor miteinander verbunden. In allen Lebensbereichen reifen engere, von kameradschaftlicher Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe geprägte Beziehungen der Menschen heran. Die planmäßige Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung muß dieser zunehmenden Verflechtung der gesellschaftlichen Prozesse Rechnung tragen und ihre proportionale, aufeinander abgestimmte Entwicklung sichern. Dabei tritt ihre Komplexität vor allen Dingen dadurch in Erscheinung, daß - die Bedeutung der gesamtstaatlichen Aufgaben sich erhöht und die Verantwortung der örtlichen Organe der Staatsmacht für deren Lösung wächst, - die praktische tägliche Arbeit sich enger mit den perspektiven Aufgaben verbindet und die Planung auf längere Zeiträume erstreckt wird, - die ökonomische Entwicklung und der wissenschaftlich-technische Fortschritt in immer engerem Zusammenhang zu den' sozialen Zielen, zu den Bedürfnissen der Werktätigen nach Erhöhung ihres materiellen und kulturellen Lebensniveaus tritt, - sich die Rolle der Arbeiterklasse und der mit ihr verbündeten Werktätigen im Prozeß der komplexen Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung erhöht.
1. D i e Verantwortung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer R ä t e für die komplexe Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung in den Territorien Mit dem Gesetz über den Ministerrat der D D R vom 16. 10. 1972 1 und dem Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe vom 12. 7. 1973 2 wurden wesentliche rechtliche Grundlagen geschaffen, um die gesellschaftliche Entwicklung in den Territorien langfristig und komplex zu leiten und zu planen. Vor allem das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und^ ihre Organe bestimmt, daß die örtlichen Volksvertretungen als Organe der einheitlichen sozialistischen Staatsmacht in ihrem Territorium unter Führung der S E D und auf der Grundlage der geltenden Gesetze und Rechtsvorschriften die
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Staatspolitik der Arbeiter-und-Bauern-Macht verwirklichen. Entsprechend dem Prinzip des demokratischen Zentralismus entscheiden sie - ausgehend von den gesamtstaatlichen Erfordernissen - in eigener Verantwortung über alle grundlegenden Angelegenheiten, die ihr Territorium und seine Bürger betreffen. Sie organisieren dazu das gemeinschaftliche Handeln der Organe der Volksvertretung, der unteren Volksvertretungen und ihrer Räte, der Betriebe, Genossenschaften und Einrichtungen sowie der gesellschaftlichen Kräfte und der Bürger. E s gilt der Grundsatz, daß die örtlichen Volksvertretungen vor allem über langfristige Konzeptionen und über die Pläne für die ökonomische, kulturelle und soziale Entwicklung des Territoriums entscheiden. Desgleichen verfügen die örtlichen Volksvertretungen und ihre Räte über wichtige Entscheidungsrechte hinsichtlich des rationellen Einsatzes des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens, der Standortbestimmung für Produktivkräfte, der Koordinierung von Investitionen, der Schaffung gemeinsamer Einrichtungen für die Energie- und Wärmeversorgung, die Reparaturen und Dienstleistungen und die gesellschaftliche Speisung sowie für die Koordinierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen. Den örtlichen Volksvertretungen und ihren Räten stehen dafür beträchtliche Fonds und Mittel zur Verfügung, die mit den Fortschritten bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft kontinuierlich wachsen. Besonders in den Bezirken, Kreisen und Städten sind sie für für Leitung und Planung zahlreicher Produktionskapazitäten verantwortlich. Dazu gehören die örtlich geleitete Industrie mit einem Anteil von 28 Prozent an der gesamten industriellen Warenproduktion und die örtlich geleitete Bauwirtschaft, die 49 Prozent der Bauproduktion der D D R erbringt. Ihre Verantwortung erstreckt sich auf die Land- und Nahrungsgüterwirtschaft, auf das örtlich geleitete Verkehrswesen, auf die kontinuierliche, stabile und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung und die örtliche Versorgungswirtschaft mit vielen wichtigen Dienstleistungsbetrieben. Fast alle staatlichen Mittel für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Wohnraumsubstanz, 75 Prozent der Mittel für das Gesundheits- und Sozialwesen und fast 70 Prozent der Mittel für Sport, Kultur und Erholung werden von den örtlichen Volksvertretungen und ihren Räten verwaltet. Sie sind zuständig für die Pflege und Unterhaltung der Oberschulen, der meisten Bibliotheken, Theater, Kinos und Museen und einer ständig steigenden Zahl von Kinderkrippen und -gärten, vieler Klubs und Kulturhäuser, Polikliniken, Ambulatorien und Krankenhäuser, Sportanlagen, Bäder und vieler anderer der Erholung der Bürger dienender Einrichtungen. 1977 verfügen die örtlichen Volksvertretungen und ihre Räte in unserer Republik über ein Haushaltsvolumen von etwa 30 Milliarden Mark, das sie um weitere 336,9 Millionen Mark aus eigenen finanziellen Mitteln und Fonds der örtlichen Volksvertretungen sowie aus dem zentralen „Fonds zur Förderung der Initiative in Gemeinden und kreisangehörigen Städten" erhöhen können. Ausgehend von den weitreichenden rechtlichen Befugnissen und den großen materiellen und finanziellen Möglichkeiten besteht der Beitrag der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte zur komplexen Entwicklung ihrer Territorien heute darin, „die schöpferische, eigenverantwortliche Leitung und Planung zur Lösung ihrer Aufgaben unter Nutzung der vielfältigen örtlichen Möglichkeiten, Bedingungen und Reserven immer mehr zu vervollkommnen 3 . Dabei eilangt die langfristige Planung grundsätzlicher Entwicklungsprobleme - auch über den Zeitraum des Fünfjahrplanes hinaus - zunehmend an Gewicht.
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2. D i e staatlichen Pläne als die wichtigsten Instrumente zur komplexen ökonomischen und sozialen Entwicklung der Territorien Ausgehend von der Direktive des IX. Parteitages der SED zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1976-1980 und auf der Grundlage des Gesetzes über den Fünfjahrplan 4 und der Gesetze über die jährlichen Volkswirtschafts- 5 und Staatshaushaltspläne 6 , die von der Volkskammer als dem obersten staatlichen Machtorgan der D D R beschlossen wurden, beschließen die örtlichen Volksvertretungen die Pläne der gesellschaftlichen Entwicklung ihrer Territorien. Für den Zeitraum 1976-1980 wurden erstmalig von den Volksvertretungen der Bezirke, Kreise und Stadtkreise Fünfjahrpläne zur gesellschaftlichen Entwicklung ihrer Territorien beschlossen. Diese Fünfjahrpläne der Bezirke, Kreise und Stadtkreise enthalten wichtige Maßnahmen zur territorialen Sicherung der Leistungsentwicklung der Betriebe, Kombinate, Genossenschaften und Einrichtungen sowie zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen. Sie umfassen: - die Planung der Standortverteilung der Produktivkräfte, - die Planung der ökonomischen, kulturellen und sozialen Entwicklung im Territorium, insbesondere die Koordinierung der Maßnahmen der Betriebe, Einrichtungen und örtlichen Räte, territoriale Bilanzierung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens und der Bauproduktion sowie den rationellen Einsatz der territorialen Ressourcen und - die Planung der Entwicklung der unmittelbaren Verantwortungsbereiche der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte. 7 Sie bestimmen damit die territoriale Einordnung volkswirtschaftlich wichtiger Vorhaben, die Inanspruchnahme territorialer Ressourcen sowie Maßnahmen der territorialen Rationalisierung vor allem im Hinblick auf eine effektivere Grundfondsauslastung, den mehrschichtigen Einsatz hochproduktiver Anlagen und Maschinen und gemeinsam zwischen Betrieben, Kombinaten, Genossenschaften und Einrichtungen und örtlichen Staatsorganen durchzuführender Aufgaben. Die Fünfjahrpläne zur gesellschaftlichen Entwicklung der Bezirke, Kreise und Stadtkreise sind darauf gerichtet, die Intensivierung der gesellschaftlichen Produktion in Industrie, Landwirtschaft und Bauwesen wirksam zu unterstützen und die materiellen und kulturellen Lebensbedürfnisse der Werktätigen immer besser zu befriedigen. Sie sind die wesentlichste Grundlage für die Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung in den Territorien. Sie dienen zugleich als Richtschnur für die Ausarbeitung der Jahrespläne und Haushaltspläne, die von allen örtlichen Volksvertretungen - der Bezirke, Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden - auf Vorschlag ihrer Räte beschlossen werden. Die Jahrespläne der örtlichen Volksvertretungen beinhalten staatliche Planaufgaben für - die Entwicklung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Bevölkerung, - die Versorgung der Werktätigen mit Reparatur- und Dienstleistungen und die Entwicklung des Handelsnetzes, - die Einhaltung und Erweiterung des Wohnungsbestandes und der gesellschaftlichen Einrichtungen, einschließlich des individuellen Wohnungsbaues, - die Nutzung, Erhaltung und Erweiterung von Einrichtungen des Bildungswesens, der Kultur, des Gesundheitswesens und Sozialwesens, der Körperkultur und des Sports, der Naherholung und Touristik. Sie umfassen weiterhin Aufgaben der örtlichen Versorgungswirtschaft, der Verbesserung 2 .KoII., Staatsorgane
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der gesellschaftlichen Speisenwirtschaft und der Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs. Darüber hinaus werden in die Jahrespläne geraeinsame Vorhaben der Betriebe, Genossenschaften und Einrichtungen und der örtlichen Räte zur Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen, zur Verschönerung der Städte und Gemeinden, zum Umweltschutz sowie zur Sauberkeit und Hygiene aufgenommen. Im Zusammenhang mit den Jahresplänen beschließen die örtlichen Volksvertretungen jährlich Haushaltspläne. In den Kreisen, Städten und Gemeinden und darüber hinaus Jugendförderungspläne. D i e Pläne der örtlichen Volksvertretungen sind alljährlich das Ergebnis breiter öffentlicher Diskussionen der Planaufgaben unter den Werktätigen. An den Beratungen der Aufgaben des Volkswirtschaftsplanes 1977 haben mehr als 85 Prozent der Beschäftigten in den Betrieben der Industrie, des Bauwesens, der Landwirtschaft, des Handels, des Verkehrs und der anderen gesellschaftlichen Bereiche teilgenommen und dazu über 600 000 Vorschläge unterbreitet. In Vorbereitung des Fünfjahrplanes und der Jahrespläne für die gesellschaftliche Entwicklung des Territoriums wird das Prinzip verwirklicht, daß die übergeordneten Organe den örtlichen Volksvertretungen und ihren Räten bilanzierte und aufeinander abgestimmte staatliche Plankennziffern und andere verbindliche Vorgaben rechtzeitig und vollständig übergeben und die nachgeordneten Volksvertretungen und ihre Räte in die Ausarbeitung der Planentwürfe einbeziehen. D i e entsprechenden rechtlichen Regelungen zielen sowohl darauf ab, die einheitliche Durchführung der staatlichen Aufgaben von oben bis unten zu sichern, als auch die kontinuierlich abgestimmte gesellschaftliche Entwicklung in den Territorien unter Nutzung der Vorzüge und Triebkräfte des Sozialismus zu gewährleisten. Als eine gute Methode haben sich dabei die Komplexberatungen bewährt, die vom Ministerrat der D D R unter Leitung eines Stellvertreters des Vorsitzenden bei Teilnahme aller zuständigen Minister und Leiter anderer zentraler Staatsorgane mit den Sekretariaten der Bezirksleitungen der S E D und den Räten der Bezirke durchgeführt werden. Sie dienen zur Klärung von Entwicklungsproblemen der Territorien und zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Bilanzierung materieller und finanzieller Fonds. Eine gleiche Rolle spielen auch die Koordinierungsberatungen, die die Räte der Bezirke mit den Räten der Kreise sowie diese mit den Räten der Städte und Gemeinden während der Planvorbereitung durchführen. In Vorbereitung der Pläne der örtlichen Volksvertretungen zur gesellschaftlichen Entwicklung ihrer Territorien ist auch die rechtzeitige und gründliche Abstimmung der Aufgaben mit den im Territorium ansässigen nicht unterstellten Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen bedeutsam. Auf diese Weise wird der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der sozialistischen Produktion und ihrer Effektivität und der immer besseren Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Werktätigen umfassender gestaltet und vertieft. Es bewährt sich, wenn die Ausarbeitung der Planentwürfe sowohl in den Betrieben, Kombinaten, Genossenschaften und Einrichtungen als auch in örtlichen Staatsorganen zeitlich aufeinander abgestimmt erfolgt. Als Grundlage für ihre Planung hat eine Reihe von Bezirkstagen in letzter Zeit langfristige Konzeptionen für wichtige Gebiete der ökonomischen und sozialen Entwicklung in ihrem Territorium beschlossen. So zur Entwicklung der bezirks- und kreisgeleiteten Bauwirtschaft, zur Intensivierung der bezirksgeleiteten Industrie und der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft, zur Entwicklung von Dienstleistungen und Reparaturen, zur Gestaltung des Siedlungsnetzes und zur Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens in den 18
Gemeinden. Diese Konzeptionen tragen langfristigen, über den Zeitraum des Fünfjahrplanes hinausreichenden Charakter. Sie werden in Gemeinschaftsarbeit von zentralen und örtlichen Staatsorganen, von Betrieben und wissenschaftlichen Einrichtungen unter Einbeziehung der Abgeordneten aus den örtlichen Volksvertretungen erarbeitet und in Ubereinstimmung mit der fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung ständig präzisiert und ergänzt. Über die langfristigen Konzeptionen und die darin enthaltene Entwicklungsrichtung des betreifenden gesellschaftlichen Bereichs berät in der Regel die Volksvertretung und beschließt sie als Arbeitsgrundlage für die Räte und deren Fachorgane. Das fördert das Treffen sachkundiger Entscheidungen, vor allem im Prozeß der Vorbereitung des Fünfjahrplanes und der Jahrespläne. Als nützlich erweisen sich auch die Stellungnahmen, die die Sekretariate der Bezirksurid Kreisvorstände der Gewerkschaften zu den Planentwürfen in Vorbereitung auf die Beschlußfassung in den örtlichen Volksvertretungen erstatten. Das gleiche trifft auf die Maßnahmen zu, die die Ausschüsse der Nationalen Front zu den Plänen und ihrer Durchführung in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden treffen. Ebenso trägt die Einbeziehung der Abgeordneten der örtlichen Volksvertretungen in die Ausarbeitung der Planentwürfe und die Problemberatungen in den ständigen Kommissionen im Prozeß der Vorbereitung der Pläne wesentlich zu deren Qualifizierung bei. Die Ausarbeitung und Durchführung des Planes bestimmt somit weitgehend den Inhalt und den Arbeitsrhythmus der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte. Daran zeigt sich am deutlichsten, wie sie die Fähigkeiten beherrschen, auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei der Arbeiterklasse reale Ziele und Aufgaben zu erarbeiten, die schöpferischen Kräfte der Werktätigen zu entwickeln, ihre Vorschläge und Ideen zu nutzen und die gesellschaftliche Arbeit der Menschen nach wissenschaftlichen Grundsätzen und mit hoher Sachkunde zu organisieren. Unsere Erfahrungen besagen, daß die Effektivität der Leitung und ihre Ergebnisse in hohem Maße von der Qualität des Planes und seiner Durchführung abhängen. Je besser der Plan und je genauer er bilanziert ist, um so stabiler und kontinuierlicher kann die Leitung wirken, um so wirksamer lassen sich Reserven erschließen, um so besser ist die bewußte Mitwirkung der Werktätigen zu entfalten. Ein Hauptanliegen für die örtlichen Organe der Staatsmacht besteht deshalb gegenwärtig darin, ihre Planung zu qualifizieren und sie immer wirksamer auf die gesamtgesellschaftlichen Erfordernisse und die Bedürfnisse der Bevölkerung ihres Territoriums auszurichten. In zunehmendem Maße wird dabei eine selbständige schöpferische Arbeit zur Ausarbeitung langfristiger Entwicklungsprobleme der Territorien und zur Verwirklichung der Einheit von ökonomischer und sozialer Planung geleistet. In allen Plänen der örtlichen Volksvertretungen wird der Einheit von ökonomischer und sozialer Entwicklung immer besser Rechnung getragen. Ein sogenannter komplexer Plan der ökonomischen und sozialen Entwicklung eines Kreises nach den l eningrader Erfahrungen wurde erstmalig für die Zeit von 1976-1980 im Kreis Riesa erarbeitet und beschlossen. 3. Di£ Befugnisse der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte zur Sicherung einer kontinuierlichen, aufeinander abgestimmten Entwicklung des Territoriums Im Zusammenhang mit der Qualifizierung der territorialen Planung gewinnt auch die territoriale Koordinierung immer größere Bedeutung. Sie erstreckt sich zunehmend auf alle Seiten des gesellschaftlichen Lebens. 2*
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Unter Beachtung des Prinzips der zweigmäßigen Leitung der Volkswirtschaft stattet das Gesetz übgr die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe diese mit grundlegenden Rechten aus, um die sozialistische Gemeinschaftsarbeit zwischen staatlichen Organen und Betrieben, Kombinaten, Genossenschaften und Einrichtungen umfassend zu entwickeln. D a s Gesetz geht dabei von der gemeinsamen Verantwortung für die kontinuierliche, aufeinander abgestimmte Entwicklung des Territoriums aus. D i e im Zeitraum 1976-1980 Zu lösenden Aufgaben der planmäßigen Erweiterung der Energie- und Rohstoffbasis unserer Volkswirtschaft und die beabsichtigte Produktionsentwicklung in den Betrieben der Export-, Zulieferer- und Konsumgüterindustrie erfordern gezielte Maßnahmen zu ihrer territorialen Sicherung. Der geplante Zuwachs an gesellschaftlichem Arbeitsvermögen ist in den Territorien so einzusetzen, d a ß er entsprechend den Erfordernissen der Intensivierung der Produktion zu einer hohen Auslastung der Grundfonds führt. All das erhöht die Verantwortung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte, zur Sicherung der gesamtstaatlichen Aufgaben für eine bessere Koordinierung der ökonomischen mit der sozialen Entwicklung zu sorgen. Im Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe ist deshalb die Aufgabe gestellt: „Die örtlichen Volksvertretungen und ihre Räte unterstützen die Betriebe, Kombinate und Einrichtungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere bei der Durchführung von Rationalisierungs- und anderen Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, bei der Einhaltung der Arbeitskräftepläne und bei der Produktion von Konsumgütern." Dabei wird die Bereitschaft zur territorialen Koordinierung nicht in das Belieben einzelner Betriebe oder Einrichtungen gestellt. Die örtlichen Volksvertretungen und ihre Räte können dazu verbindliche Entscheidungen treffen und durchsetzen. Sie haben das Recht, in Ubereinstimmung mit den erlassenen Gesetzen und Verordnungen Beschlüsse zu fassen, die für alle im Territorium gelegenen Betriebe, Kombinate, Genossenschaften und Einrichtungen sowie für die Bürger verbindlich sind. Darüber hinaus sind für die örtlichen Volksvertretungen und ihre Räte Befugnisse festgelegt, die es ihnen ermöglichen, die Durchführung ihrer Beschlüsse und die Realisierung gemeinsamer Vorhaben zu sichern. Solche Befugnisse sind: - die Berechtigung, entsprechend den Rechtsvorschriften Auflagen an nicht unterstellte Betriebe, Kombinate, Betriebsteile, Genossenschaften und Einrichtungen zur planmäßigen und effektiven Nutzung solcher Mittel und Kapazitäten zu erteilen, die diese zur Versorgung und Betreuung der Werktätigen und zur Entwicklung des geistigkulturellen Lebens unterhalten. Solche Auflagen können erteilt werden, wenn im Einzelfall eine Vereinbarung nicht zustande kommt, die gesellschaftlichen Interessen aber eine Entscheidung erforderlich machen. Rechtsvorschriften, die die Erteilung von Auflagen vorsehen, betreffen die Gewinnung von Arbeitskräften, die Organisierung der Gemeinschaftsverpflegung, die Verbesserung der Wohnbedingungen und die Versorgung mit Dienstleistungen und Reparaturen. Auch auf dem Gebiet der Landeskultur und des Umweltschutzes, der Ordnung, Sauberkeit und Hygiene und der Standortgenehmigung sehen normative Bestimmungen die Erteilung von Auflagen vor. - das Recht der Kontrolle über die Verwirklichung der von den örtlichen Volksvertretungen und ihren Räten getroffenen Einschätzungen, insbesondere aber die Erfüllung der Pläne der Konsumgüterproduktion, der Reparaturen und Dienstleistungen für die Bevölkerung, die Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Durchführung der Auflagen zum rationellen Einsatz und zur Freisetzung von Arbeitskräften.
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- die Berechtigung, über die Durchführung ihrer Entscheidungen, die im Rahmen der ihnen übertragenen Rechte Aufgaben f ü r die ihnen nicht unterstellten Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie die Genossenschaften enthalten, von den Leitern und Vorständen Rechenschaft zu fordern. Wenn die Beschlüsse der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe nicht erfüllt werden, können sie von den zuständigen übergeordneten Organen Maßnahmen, die die Durchführung der Beschlüsse sichern bzw. die Einhaltung disziplinarischer Maßnahmen fordern. Große Bedeutung hat auch die Festlegung im Gesetz, daß die örtlichen Volksvertretungen und ihre Räte den für die Leitung der Zweige und Bereiche verantwortlichen staatlichen Organen Vorschläge unterbreiten und in Übereinstimmung mit den für die Betriebe, Kombinate, Genossenschaften und Einrichtungen verantwortlichen zentralen Staatsorganen Entscheidungen treffen können. Gleichzeitig sind Festlegungen getroffen, um die notwendigen Voraussetzungen für eine sinnvolle Koordinierung zu schaffen. Dazu gehören die Verpflichtung der Betriebe, Kombinate, Genossenschaften und Einrichtungen, den örtlichen Räten Vorschläge für den gemeinsamen Einsatz von Mitteln und Kapazitäten zu unterbreiten, sowie die Pflicht, die Räte der Städte und Gemeinden über die in ihren Plänen enthaltenen Aufgaben für die Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen zu informieren. In Verwirklichung der Bestimmungen, die das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe iii der D D R f ü r die Zusammenarbeit von örtlichen Staatsorganen mit Betrieben, Kombinaten, Genossenschaften und Einrichtungen trifft, kommt es darauf an, die gemeinsame Verantwortung für eine kontinuierliche, aufeinander abgestimmte Entwicklung des Territoriums immer wirksamer wahrzunehmen.
Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7
GBl. I S. 253. GBl. I S . 313. Vgl. Bericht des ZK der S E D an den IX. Parteitag der S E D , Berichterstatter Genosse Erich Honecker, Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 112. Gesetz über den Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der D D R 1 9 7 6 - 1 9 8 0 vom 1 5 . 1 2 . 1 9 7 6 , GBl. I S . 519. Vgl. Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1977 vom 18. 12. 1976, GBl. I S. 533. Vgl. Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1977 vom 18. 12. 1976, GBl. I S. 535. Vgl. Anordnung über die Ordnung der Planung der Volkswirtschaft der D D R für die Jahre 1 9 7 6 - 1 9 8 0 vom 20. 12. 1974, GBl.-Sonderdruck Nr. 775.
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Willi Büchner-Uhder
Staatliche Leitung und Grundrechte
Prof. Dr. Benjamin betonte in seinem Beitrag die umfassende Verantwortung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte. Mit meinem Beitrag möchte ich darauf aufmerksam machen, daß politische, ökonomische und soziale Leitung auch Verwirklichung der Grundrechte der Bürger im umfassenden Sinn bedeutet. Diese Tatsache ist gegenwärtig besonders hervorzuheben. Leitung im Sozialismus dient der Befähigung der Menschen zur bewußten Gestaltung ihres gesellschaftlichen Lebens. Sozialistisch Leiten und Planen bedeutet insbesondere Teilnahme der Werktätigen und ihrer gesellschaftlichen Organisationen an der Leitung und Planung, bedeutet vorbehaltlose Achtung der sozialistischen Gesetzlichkeit, strikte Einhaltung der Staatsdisziplin und konsequente Anwendung des sozialistischen Rechts, weil es letztlich auch und vor allem um die Verwirklichung der Grundrechte der Bürger geht. Die imperialistische Propaganda über angebliche ,¡Verletzung der Menschenrechte" ist daher eine Fehlinvestition, denn die Existenz und Entwicklung von Menschenrechten ist gerade eine dem Sozialismus - oder präziser gesagt - nur eine dem Sozialismus/Kommunismus immanente Eigenschaft. Nur auf der Grundlage der sozialistischen Produktionsund Machtverhältnisse können sich reale Menschenrechte entwickeln. W i e kann die politische, ökonomische und soziale Leitung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe dazu beitragen, die Grundrechte der Bürger zu entwickeln? 1. So stellen die demokratische Wahl der Abgeordneten, die Tagungen der örtlichen Volksvertretungen unter Teilnahme einer breiten Öffentlichkeit, die Arbeit der Kommissionen und ihrer Aktivs unter Hinzuziehung vieler berufener und interessierter Bürger eine zutiefst demokratische Gewährleistung und Verwirklichung des Grundrechts auf umfassende Mitgestaltung dar. Eine solche Breite der Demokratie - verbunden mit den entsprechenden Kompetenzen - kann kein bürgerlicher Staat aufweisen, wobei unsere Möglichkeiten hier bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Solche Erscheinungen, mit einer relativ hohen Minusquote von fehlenden Abgeordneten Tagungen oder Sitzungen durchzuführen, widersprechen nicht nur der hohen politischen Funktion eines Abgeordnetenmandats, sondern schränken auch das Grundrecht der Bürger auf Mitgestaltung ein, da fehlende Abgeordnete nicht in der Lage sind, die Meinungen und Vorschläge ihrer Wähler und Arbeitskollektive zu vertreten und sachkundige Beratungen durchzuführen. So sind hohe Teilnehmerzahlen an den Tagungen und Beratungen der Volksvertretungen und ihrer Organe politische Fragen. Für sie tragen vor allem die örtlichen Räte die Verantwortung, da von ihnen die Tagungen einzuberufen und mit den Abgeordneten vorzubereiten sind. Die politische Leitung des Rates muß daher auch die Aktivierung der Abgeordneten selbst zum Inhalt haben. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang gleichfalls die Mitwirkung der gesellschaftlichen Organisationen und Vereinigungen der Bürger an der Vorbereitung und
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Durchführung der Entscheidungen der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe. Auch das ist ein Grundzug unserer sozialistischen Demokratie, der in vielen Fällen vorbildlich praktiziert wird. Aber auch er ist noch umfassender durchzusetzen. Die breite Einbeziehung der Vereinigungen in die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle der Entscheidungen der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe führt nicht nur zu einer noch umfassenderen und sachkundigeren Beschlußfassung, sondern auch zu einer höheren Qualität des Mitgestaltungsrechts der Bürger in ihren Vereinigungen. Das ist ein •wichtiger Aspekt der weiteren Verwirklichung der Rechte der Bürger. 2. Die politische und soziale Leitung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe bezieht sich nicht allein auf die Realisierung des Grundrechts auf Mitgestaltung. Die politische und soziale Leitung ist eine komplexe Leitung und dient als solche der Gestaltung und Verwirklichung aller Grundrechte, der weiteren Schaffung entsprechender Voraussetzungen für die volle Realität der Grundrechte und ihrer Garantien. Die hier behandelten Probleme der Verantwortlichkeit der Volksvertretungen und ihrer Organe für die komplexe Leitung und Entwicklung des Territoriums sind auch als Ausdruck der vielfältigen Rechte der Bürger und ihrer Entwicklung zu fassen. So finden die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit oder des Rechts auf Bildung ihren Niederschlag auch in einer Erhöhung der Qualität der staatlichen Leitung; denn ein wissenschaftlicher Leitungsstil ist wesentlich von der Qualifikation der Leiter und Mitarbeiter abhängig. Die Ausnutzung aller territorialen Möglichkeiten und Reserven zur Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes und für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen schaffen auch günstigere Möglichkeiten für die Verwirklichung aller Grundrechte, für ihre volle Realität. Die Durchsetzung der Wohnungsbauprogramme in den Städten und Gemeinden schaffen für viele Bürger nicht nur bessere Wohnmöglichkeiten und stellen eine Verwirklichung des Rechts auf Wohnraum entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen dar (Art. 37 der Verfassung der D D R ) , sondern sie berühren und beeinflussen auch die Wirksamkeit anderer Grundrechte. So ist ausreichender und moderner Wohnraum oftmals eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts auf Bildung (z. B. bei der Durchführung des Selbststudiums), für die Gestaltung der Freizeit und der Entwicklung der Familienbeziehungen. Letztlich werden mit einer auf hohem Niveau stehenden komplexen Leitung auch die Garantien für die Grundrechte der Bürger erhöht. Dabei sollte der Begriff der Garantien nicht zu eng aufgefaßt werden. Auch das aufmerksame und höfliche Verhalten von Mitarbeitern zu Anliegen der Bürger liegt zumindest im Vorfeld der Garantien. Prof. Dr. Benjamin hatte in seinem Beitrag bereits auf entsprechende Probleme und Anforderungen aufmerksam gemacht. Daher ist neben der vollen Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der strikten Einhaltung der Rechtsnormen bei der staatlichen Leitungstätigkeit auch der in der Leitung zum Ausdruck kommende ideologische, bewußtseinsbildende Faktor wesentlich für die Realität und Verwirklichung der Grundrechte. 3. Selbstverständlich bedeutet staatliche Leitung nicht nur Grundrechtsverwirklichung. Eine solche Betrachtung wäre einseitig und falsch. Ebenso einseitig und falsch aber ist es, diese Möglichkeiten vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe nicht akzentuiert zu betonen. Sozialismus ist ohne sozialistische Demokratie nicht möglich und damit auch ohne Grund- und Menschenrechte nicht denkbar. Diese Tatsache sollte mit der politischen, ökonomischen und sozialen Leitung durch die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe nicht nur praktiziert, sondern jedem Bürger auch stärker verständlich gemacht werden. Je besser uns das gelingt, um so um23
fassender und gefestigter sind unsere Positionen in der politischen Auseinandersetzung mit dem Klassengegner, um so günstiger sind unsere Voraussetzungen für die volle Verwirklichung einer sozialistischen Lebensweise aller Bürger. Daher ist das Bewußtmachen der Realität der Menschenrechte im Sozialismus ebenso wie ihre Verwirklichung ein zentrales Anliegen der Leitung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe.
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Gerhard Pflicke
Sozialistisches Recht und Komplexität der Leitungsaufgaben
Benjamin wies in seinem Beitrag auf die Komplexität der zu lösenden Aufgaben bei der Leitung der ökonomischen und sozialen Entwicklung im Territorium hin. D a b e i wurde sowohl auf den ganzheitlichen Charakter der Leitung bei der Lösung derselben als auch darüber hinaus bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft überhaupt aufmerksam gemacht. Diese außerordentlich wichtige Orientierung gilt auch hinsichtlich der Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die komplexe Entwicklung im Territorium. D a m i t wird zugleich die Verantwortung aller anderen Staats-, wirtschaftsleitenden Organe, anderer staatlicher Leitungsorgane, der Wirtschaftseinheiten und anderer E i n richtungen angesprochen, welche an solchen gesellschaftlichen Verhältnissen beteiligt sind, die die Entwicklung des betreffenden Territoriums tangieren und folglich integrierender Bestandteil der gesamtheitlichen Leitung des Territoriums sind. Für die Verflechtung zwischen den Bereichen und Zweigen der gesellschaftlichen Entwicklung sind diese Verhältnisse ebenso zahlreich wie vielfältig. Darunter nehmen jedoch jene, an denen Wirtschaftsleitungsorgane oder Wirtschaftseinheiten beteiligt sind, einen besonderen Platz ein. D i e Produktion ist der entscheidende Bereich des gesellschaftlichen Lebens. D i e Wirtschaftstätigkeit vollzieht sich in einem bestimmten Territorium. Sie muß, koordiniert mit der Leitung dieses Territoriums, geleitet werden. Folglich müssen alle diese Organe in allen Abschnitten der Planung und in allen Phasen der Durchführung des Reproduktionsprozesses ihrer Verantwortung für die Entwicklung des betreffenden Territoriums Rechnung tragen. Das ist eine unerläßliche Voraussetzung für die notwendige Qualität der Leitungstätigkeit, für die eigene Leistungssteigerung der Wirtschaftseinheiten. D a b e i hängt die Bedeutung der jeweiligen Koordinierungserfordernisse und Koordinierungshandlungen nicht von der Leitungsebene des Koordinierungspartners der örtlichen Staatsorgane, sondern von der Bedeutung des sachlichen Gegenstandes der Koordinierung ab. E s gibt hier also keine unwichtigen Koordinierungspflichten. Aus der objektiven K o m plexität ergibt sich, daß alle notwendigen Koordinierungshandlungen rechtzeitig und in hoher Qualität erforderlich sind. D i e Koordinierungsergebnisse müssen exakt in die eigene Leitungstätigkeit aller Beteiligten umgesetzt werden, um ein optimales Zusammenwirken und damit eine hohe gesellschaftliche Effektivität des Handelns aller Beteiligten zu erreichen. D a m i t sind auch hohe Anforderungen an die Wirksamkeit des sozialistischen Wirtschaftsrechts gestellt. E s hat wesentlich zur Bewältigung dieser Aufgabe beizutragen. Zugleich geht es dabei um eine ideologische Frage, um die Frage der Haltung vor allem der Leiter zur Koordinierung. Insbesondere Probleme der koordinierten Inanspruchnahme territorialer Ressourcen, der Unterstützung der politischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung im Territorium und damit der aktiven Einflußnahme
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auf die Umwelt der Menschen im umfassenden Sinne sind dabei von aktueller Bedeutung. Prof. Benjamin spricht zutreffend von der Ganzheitlichkeit der Leitung als generelle Tendenz. Sie äußert sich auch in der Komplexität der Leitung anderer großer Prozesse der gesellschaftlichen Entwicklung. Auf einige soll hier aus der Sicht des Wirtschaftsrechts hingewiesen werden. Bekanntlich ist sowohl die Wirtschaft als auch die Industrie nach Zweigen organisiert und geleitet. Das Zweigleitungssystem bestimmt die Industrieleitung in der Leitungslinie, die Gliederung in größere oder kleinere, in sich strukturierte Produktionssysteme (Vereinigungen, Kombinate) und Betriebe. Damit bestimmt es die Planungsbereiche, über die die demokratische Erarbeitung des Planes vermittelt wird und über die die verbindlichen staatlichen Planentscheidungen ergehen. Es legt die jeweilige Unterstellung unter übergeordnete Organe und deren sich daraus ergebendes Weisungsrecht fest. Dieses System der Industrieleitung wird auch in Zukunft die Grundstruktur der Leitung bestimmen. Aus der Sicht der territorialen Leitung hatte das in der Vergangenheit zur Folge, daß sich viele Probleme zweiglicher Koordinierung zugleich als Aufgabe der komplexen Koordinierung mit den territorialen Leitungsorganen darstellten, soweit sich Betriebe verschiedener Zweige im gleichen Territorium befinden. Außerdem sind die örtlichen Organe dort ihrerseits Bestandteil des Leitungssystems der jeweiligen Zweige, wo Teile des Zweiges den Räten der Bezirke oder anderen örtlichen Staatsorganen unterstellt sind und von diesen geleitet werden. Auf dem XXV. Parteitag der KPdSU und auf dem IX. Parteitag der SED wurde nachdrücklich eine Entwicklung hervorgehoben, die die Notwendigkeit ganzheitlicher Leitung in einer neuen Dimension hervortreten läßt. Die für die volkswirtschaftliche Dynamik wesentlichen ökonomischen Aufgaben, insbesondere die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts als der wichtigste Intensivierungsfaktor, reichen in zunehmendem Maße über die Zweige hinweg. Die Problembewältigung erfordert eine Koordinierung der Zweigleitungsorgane und ein kooperatives Zusammenwirken der Betriebe und Kombinate mehrerer Industriezweige und Industriebereiche bzw. Volkswirtschaftszweige auf neuem, höherem Niveau. Das betrifft die Forschung und Entwicklung, die Investition, trifft die Technologie und andere Fragen der Produktion. Es reicht bis zur Anwendungsvorbereitung, und zwar inhaltlich und im Zeitfaktor. Diese Aufgaben beziehen sich auf die Erzeugnis- und Verfahrensentwicklung ebenso wie auf den rationellen Einsatz von Energie, Rohstoffen, Grundfonds, auf das Arbeitsvermögen und den Umweltschutz. Diese zweigübergreifenden Probleme erfordern eine ganzheitliche Betrachtung und Bewältigung ihrer Leitung. Sie widerspiegeln zugleich vielfältig die Komplexität der Leitung der territorialen Entwicklung, angefangen von der Sicherung notwendiger Investitionen über zusammengeführte Rationalisierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen bis zur Durchsetzung des Umweltschutzes. Tempo und Effektivität ihrer Lösung hängen folglich wesentlich davon ab, wie es gelingt, die Komplexität dieser Größenordnung leitungsmäßig zu beherrschen. Ein anderer an Bedeutung nicht minder wichtiger und rasch wachsender Bereich ganzheitlicher Leitungsanforderungen besteht dort, wo die charakterisierten Aufgaben der wissenschaftlich-technischen und Produktionsentwicklung von RGW-Ländern nur gemeinsam gelöst werden können. Hier bestimmt der Integrationsaspekt entscheidend die Komplexität. Fragen der Ganzheitlichkeit der Leitung bestehen aber keineswegs nur in diesen sehr 26
großen Dimensionen. Die weitere Vergesellschaftung der Produktion innerhalb der bestehenden Kombinate als große, leistungsfähige Produktionssysteme unter Ausnutzung der Vorzüge der planmäßigen Vertiefung der Arbeitsteilung im Kombinat, die weitere Konzentration und Spezialisierung der Produktion ist Entwicklung in einer Ganzheit. Sie ist nicht nur für die Kombinate bedeutsam, sondern berührt insbesondere auch die Entwicklung der Territorien. Es bedarf folglich der Koordinierung mit der komplexen Entwicklung der Territorien. Dabei ist besonders zu beachten, daß die Entwicklung z. B. des Produktionsprofils der einzelnen Kombinatsbetriebe bzw. Produktionsstätten viele gesellschaftliche Prozesse berührt. Weiterhin darf nicht übersehen werden, daß auf Grund •dessen, daß die meisten Kombinatsbetriebe oder die Produktionsstätten von Betrieben ihren Standort in mehreren Bezirken bzw. Kreisen haben, eine mehrseitige Koordinierung erforderlich ist. Aus den erwähnten Prozessen resultieren zunächst große Anforderungen an die weitere Qualifizierung der zentralen staatlichen Planung. Solche Verflechtungen sind in ihren Grundzusammenhängen im Volkswirtschaftsplan und in den davon abgeleiteten anspruchsvollen und bilanzierten Planzielen der Zweige, Kombinate und Betriebe und Territorien erfaßt. Adressiert an diese liegen sie jetzt erstmalig als Fünfjahrplanentscheidungen vor. Damit werden schon die Anforderungen an die Koordinierungstätigkeit bei der Vorbereitung solcher Pläne und anderer zentraler staatlicher Entscheidungen deutlich. Diese Planentscheidungen bilden die Grundlage zu schöpferischem, eigenverantwortlichem Handeln im jeweiligen Verantwortungsbereich. Das bedarf jedoch auch im Konkreten der Koordinierung. Ausgehend von der ganzheitlichen Betrachtung ergeben sich Anforderungen an die Koordinierung im Prozeß der Entscheidungsvorbereitung, der Entscheidungsfindung und der Entscheidungsrealisierung. Das sozialistische Recht regelt die Pflicht dazu und muß die rechtlichen Mittel zur Bewältigung dieser Aufgabe zur Verfügung stellen. In den wissenschaftlichen Untersuchungen zur rechtlichen Relevanz dieser Koordinierungsprozesse und der möglichen Rechtsformen sowie ihrer Wirkungsweise sind 2weifellos Fortschritte festzustellen. Jedoch bedarf es noch intensiverer Forschungsarbeit, um zu größerer Wirksamkeit des sozialistischen Rechts beizutragen. Die wissenschaftliche Arbeit zu dieser Problematik sollte in hohem Maße interdisziplinär sein, da verschiedene Zweige des sozialistischen Rechts von diesen ganzheitlichen Leitungserfordernissen betroffen sind. Dabei ist ein ebenso zielstrebiges wie nüchternes Herangehen erforderlich. Es sind sowohl die noch nicht erschlossenen Wirkungsmöglichkeiten als auch die Wirksamkeitsgrenzen gründlich zu erforschen. Der Schwierigkeitsgrad dieser Aufgabe wird davon bestimmt, wie, ausgehend von einer allgemeinen Anerkennung der wachsenden Bedeutung der Komplexität, zum „Wie", zu Fragen der konkreten Gestaltung des Beitrages des Rechts zur Bewältigung dieser gesellschaftlich wichtigen Aufgabe vorgedrungen wird. Das Recht regelt mit der ihm eigenen Allgemeinverbindlichkeit Rechtsverhältnisse, das heißt konkrete Verhältnisse zwischen bestimmten Rechtssubjekten, die individualisierte Rechte und Pflichten besitzen und durch deren Verwirklichung die gesellschaftliche Praxis real vorangetrieben wird. Mit Hilfe jedes dieser Rechtsverhältnisse müssen notwendige Teilaspekte der ganzheitlichen Aufgabe realisiert werden. Das erfordert, daß daraus Anforderungen an Inhalt und Organisation der einzelnen Rechtsverhältnisse hergeleitet werden. Gesichert ist das aus der Komplexität resultierende, vielfältig zu koordinierende Handeln erst durch ein ganzes Gefüge einer mehr oder weniger großen Zahl von Rechtsverhältnissen, die in 27
Entstehung, Inhalt und Realisierung entsprechend synchronisiert sind. Die „großen Fragen" müssen durch eine gute Organisierung und zuverlässige Erfüllung vieler einzelner Rechtsverhältnisse gelöst werden. Zweifellos ist hier eine noch größere Wirksamkeit des Rechts möglich. Es wird auch nicht verkannt, daß das Recht dabei nur ein, allerdings wichtiges Mittel im Ensemble staatlicher Leitungsmittel zur Bewältigung der charakterisierten ganzheitlichen Aufgaben darstellt. Die Wirksamkeit dieses Leitungsinstrumentes zu erhöhen, ist unsere Aufgabe. In den rechtlich geregelten Koordinierungsbeziehungen erarbeiten die beteiligten Staats-, wirtschaftsleitenden und territorialleitenden Organe und Wirtschaftseinheiten gemeinsam Erlaß und Inhalt der notwendigen zu koordinierenden konkreten gesellschaftsgestaltenden Entscheidungen, sie organisieren ihr Zusammenwirken bei der Realisierung und sichern die exakte Erfüllung der dabei übernommenen Verpflichtungen. Indem die Beteiligten ihre Koordinierungsrechte und -pflichten in dieser Weise wahrnehmen, realisieren sie gesellschaftliche Erfordernisse und tragen zur Beherrschung der objektio bedingten Komplexität bei. Das schließt eine weitere, spezifische Aufgabe ein. Der Koordinierungsprozeß erstreckt sich auf einen mehr oder weniger langen Zeitabschnitt vom Beginn der Koordinierung bis zur Erfüllung der koordinierten Aufgaben. In dieser Zeit verändern sich auch die dem Prozeß zugrunde liegenden Bedingungen, und es sind neue Erkenntnisse vorhanden. Daher muß der rechtliche Regelungsmechanismus auch solche Elemente enthalten, welche es ermöglichen, die Koordiniertheit in solchen Fällen aufrecht zu erhalten und erforderlichenfalls die Abgestimmtheit auf einem neuen Niveau in jeder Phase sichern. Ein solcher Regelmechanismus ist von großer Bedeutung für die Gewährleistung der schöpferischen Arbeit der Beteiligten, für die Abgrenzung ihrer Verantwortung und Verantwortlichkeit, damit für die Leistungsbewertung und die an sie gebundene ideologische und materielle Stimulierung zu hohen Leistungen.
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O s w a l d Unger
Die territoriale Rationalisierung als wesentliches Element zur Verwirklichung der höheren Verantwortung der örtlichen Staatsorgane und zur komplexen Leitung und Planung der ökonomischen und sozialen Entwicklung in den Territorien
Mit der Erhöhung der Verantwortung der örtlichen Staatsorgane für die komplexe ökonomische und soziale Entwicklung verstärkt sich die Koordinierungsfunktion der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe. Das ist ein wesentlicher Aspekt der rechtlichen Regelung über die örtlichen Organe der Staatsmacht, wie sie vor allem in § 4 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe vom 12. Juli 1973 erfolgt ist. D i e Realisierung dieser Funktion erstreckt sich insbesondere auch auf die territoriale Rationalisierung zur Intensivierung der sozialistischen Produktion und zur besseren Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen in Verwirklichung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die territoriale Rationalisierung ist eine wichtige Form und Methode der Leitung und Planung komplexer ökonomischer und sozialer Prozesse in den örtlichen Bereichen durch die Volksvertretungen und ihre Organe unter Führung der territorialen Parteileitungen der S E D . Sie charakterisiert, wie der Generalsekretär des Z K der S E D , Genosse Erich Honecker, auf dem IX. Parteitag feststellte, „die höhere Rolle der örtlichen Organe der Staatsmacht, die ,vor allem in ihrer wachsenden Verantwortung für die Lösung gesamtstaatlicher Aufgaben' zum Ausdruck (kommt)". 1 Wesen, Inhalt und Zielstellung der territorialen Rationalisierung bestehen darin, d a ß die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe auf der Grundlage und in Verwirklichung der rechtlichen Regelungen unter Führung der Partei der Arbeiterklasse, in Zusammenarbeit mit den ihnen nicht unterstellten Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen, gemeinsam mit den von ihnen zu leitenden Zweigen und Bereichen und im Zusammenwirken mit den gesellschaftlichen Kräften des Territoriums solche komplexen Maßnahmen vorbereiten und durchführen, die der Intensivierung der sozialistischen Produktion und der besseren Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen dienen. Sie richten sich insbesondere darauf, die Grundfondsökonomie zu verbessern, die Schichtauslastung zu erhöhen, Investitionen zu koordinieren, die absolute und relative Freisetzung von Arbeitskräften zu erreichen, die Produktions- und Intensivierungshilfen zwischen den Betrieben zu erweitern, Reparaturkapazitäten und technische Maßnahmen zu koordinieren, die Berufsausbildung zu konzentrieren und die in den Betrieben und im Territorium vorhandenen Mittel und Kapazitäten zur Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen koordiniert und damit so rationell wie möglich zu nutzen. D i e vielfältigen Maßnahmen der territiorialen Rationalisierung werden in den Territorien - ohne Veränderung der leitungsmäßigen Unterstellung und Verantwortung - in sozialistischer Gemeinschaftsarbeit zwischen den Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen gemeinsam mit den staatlichen Organen vorbereitet. Als fester Bestandteil der Pläne in den Betrieben und in den Territorien werden sie als Planaufgaben durchgeführt. 29
Ein Hauptanliegen dieser Leitungs- und Planungstätigkeit der örtlichen Organe der Staatsmacht besteht gegenwärtig darin, bereits bei der Vorbereitung der Pläne zu prüfen, wie und durch welche Maßnahmen der territorialen Rationalisierung die Effektivität der Produktion erhöht und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen weiter verbessert werden können. Das bedeutet vor allem, daß die Maßnahmen der territorialen Rationalisierung nicht neben die Pläne gestellt oder erst im Nachhinein nach Beschlußfassung über die Pläne in diese hineinorganisiert werden. Unter dem Aspekt der Komplexität der ökonomischen und sozialen Entwicklung in den Territorien geht es bei der Verwirklichung der territorialen Rationalisierung um folgende Aufgaben: 1. Die Organisierung des Zusammenwirkens zwischen nichtunterstellten Betrieben und Einrichtungen, die in der Regel verschiedenen Industriezweigen angehören, durch die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe. So auf dem Gebiet der Auslastung der Maschinen, ihrer Umsetzung, der Produktions- und Intensivierungshilfen, der gemeinsamen Lagerhaltung, des Transports und insbesondere der Koordinierung von Investitionen. Insbesondere diese Art der territorialen Rationalisierungsmaßnahmen machen deutlich, wie umfassend die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe die ihnen übertragene Koordinierungsfunktion zu realisieren haben, denn es handelt sich dabei um Aufgaben der Intensivierung der sozialistischen Produktion, für die die Betriebe verantwortlich sind. In diesem Sinne wurde z. B. im Stadtbezirk Berlin-Köpenick im Rahmen der territorialen Rationalisierung eine Kooperationsgemeinschaft Hauptmechanik gegründet, in der fünf Großbetriebe zusammenarbeiten. Die Hauptmechaniker dieser Betriebe haben einen Katalog über die vorhandenen Werkzeugmaschinen und die dazu gehörenden Ersatzteile zusammengestellt. Dieser Katalog dient als Arbeitsgrundlage zur verbesserten planmäßig vorbeugenden Instandhaltung, schnelleren Beseitigung von Schäden und Havarien und für eine abgestimmte Ersatzteilhaltung und -lagerung. Für ein solches koordiniertes Zusammenwirken ^zwischen Großbetrieben und örtlich geleiteten Betrieben schaffen die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe ständig bessere Voraussetzungen. So wurde z. B. in der Stadt Dresden jetzt damit begonnen, schrittweise eine territoriale Reserve-Bank für produktive Fonds auf der Grundlage der modernen Rechentechnik aufzubauen. Als erster Schritt werden die produktiven Fonds der spanabhebenden Formgebung erfaßt. Das Ziel besteht darin, einerseits nicht ausgelastete Kapazitäten zu erfassen und andererseits den Bedarf zu ermitteln, um die produktiven Fonds besser auszulasten und zu verhindern, daß unnötig neue Kapazitäten geschaffen werden. In der Stadt Dresden werden auf diese Weise zur Zeit die Kapazitäten aus 75 Betrieben, die sieben verschiedenen Industriezweigen angehören, erfaßt. Die gesamte Arbeit wird von einem Kooperationsrat unter Leitung der Vorsitzenden der Stadt-Plankommission organisiert. In ihm arbeiten Vertreter der Betriebe und Einrichtungen. Die Ergebnisse werden vom Rat der Stadt ausgewertet, und es werden Schlußfolgerungen für die weitere Arbeit des Kooperationsorgans gezogen. Dieses Beispiel macht sichtbar, daß ein solches komplexes Zusammenwirken von Betrieben und Einrichtungen verschiedener Unterstellungsverhältnisse nur auf örtlicher Ebene organisiert werden kann. Von der Zentrale aus ist das überhaupt nicht überschaubar. 2. Die Organisierung des Zusammenwirkens von nichtunterstellten Betrieben und Einrichtungen mit den dem örtlichen Rat unterstellten Betrieben und Einrichtungen. Die Aufgaben erstrecken sich z. B. darauf, durch Produktions- und Intensivierungshilfen, 30
durch Übernahme von Maschinen, die in Großbetrieben ausgesondert wurden, durch die Zurverfügungstellung von Reparaturkapazitäten eine Intensivierung der Produktion und der Dienstleistungen in den dem örtlichen Rat unterstellten Betrieben und Einrichtungen zu erreichen. Ein solches organisiertes Zusammenwirken stellt für die örtlich geleiteten Betriebe und Einrichtungen einen wesentlichen Intensivierungsfaktor dar, der bei weitem noch nicht voll genutzt wird. 3. Es sei schließlich noch auf das Zusammenwirken der Betriebe, Kombinate und Einrichtungen mit den staatlichen Organen und allen gesellschaftlichen Kräften des Territoriums zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für die allseitige Nutzung der territorialen Ressourcen für eine rasche Produktionsentwicklung und f ü r die ständige weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Betrieben und in den Wohngebieten hingewiesen. Dieser Komplex macht insbesondere sichtbar, d a ß die territoriale Rationalisierung keinesfalls nur eine Aufgabe der Staatlichen Plankommission sein kann. Ausgehend davon, d a ß sie alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfaßt, muß sie von allen staatlichen Leitungsorganen beachtet und schon bei der Planausarbeitung berücksichtigt werden. Bei der Lösung dieser Aufgaben in den verschiedenen komplexen Bereichen der territorialen Rationalisierung sind viele Leitungs- und Planungsaufgaben der Volksvertretungen und ihrer Organe neu zu durchdenken und auf neue Weise zu lösen. Die angewendeten unterschiedlichen und differenzierten Formen und Methoden sind im Sinne der dynamischen Entwicklung unseres Leitungs- und Planungssystems weiter zu untersuchen, und es sind die notwendigen Schlußfolgerungen zu erarbeiten.
Anmerkung 1
Bericht des ZK der S E D an den IX. Parteitag der SED, Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 112.
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Werner O s t w a l d
Wirtschafts- und Sozialpolitik im Territorium
Inhalt meines Beitrages sind drei Bemerkungen aus der Sicht der interdisziplinären Forschung zur Territorialstruktur und zur Standortverteilung der Produktivkräfte. D a m i t sollen einige, mehrere Wissenschaftsdisziplinen gemeinsam interessierende Fragen und Probleme für die weitere Diskussion aufgeworfen werden. Erstens geht es um die territoriale Rationalisierung, zweitens um die territoriale Konzentration und drittens um Rechtsvorschriften für die Durchsetzung der einheitlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik im Territorium.
1. Z u r territorialen R a t i o n a l i s i e r u n g Zur territorialen Rationalisierung ist in der Sache den Ausführungen im Beitrag von Prof. D r . Benjamin nichts hinzuzufügen. D i e hier genannten Sachkomplexe entsprechen voll und ganz auch unseren Vorstellungen über das Wesen und die Aufgabenstellung der territorialen Rationalisierung. N u n gibt es jedoch eine solche Erscheinung, daß mit zunehmender Breite der territorialen Rationalisierung als massenpolitische Bewegung - eine Breitenentwicklung, die als Bestandteil unserer sozialistischen Demokratie sehr positiv einzuschätzen ist - sich auch Versuche mehren, der territorialen Rationalisierung alle möglichen Aufgabenstellungen zuzuordnen und die Aufgabenstellung der territorialen Rationalisierung in die Breite zu ziehen. D a z u gehören beispielsweise Überlegungen, der Aufgabenstellung für die territoriale Rationalisierung die ganze Breite der Wirksamkeit der Intensivierungsfaktoren im Territorium zugrundezulegen, dabei auszugehen von der Frage, wie das Territorium den wissenschaftlich-technischen Fortschritt als Hauptfaktor der Intensivierung fördern und unterstützen kann. E s handelt sich also um Fragen, die wir selbstverständlich indirekt bisher auch im Rahmen der territorialen Rationalisierung behandelt haben, aber nicht als vorrangige Schwerpunkte. In solchen Versuchen, die territoriale Rationalisierung in die Breite zu ziehen, besteht eine G e f a h r für den wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Effekt. D e s h a l b sind wir interessiert, zu diskutieren,, worauf sich exakt die territoriale Rationalisierung bezieht. K l a r e Schwerpunkte in dieser F r a g e brauchen wir nicht zuletzt, um den örtlichen Volksvertretungen und ihren Organen eine klare und konzentrierte Zielrichtung für den Gegenstand, die A u f g a b e n und den U m f a n g der territorialen Rationalisierung zu geben. Wir sehen vier Schwerpunkte, die wir unter dem Begriff, unter der Tätigkeit und unter der massenpolitischen Wirksamkeit der territorialen Rationalisierung zusammenfassen würden. D a b e i möchten wir kontinuierlich fortsetzen, was wir in den letzten Jahren unter dem Begriff der territorialen Rationalisierung aufgebaut haben. W i r gehen davon 32
aus, solche Aufgaben zu stellen, die durch die örtlichen Organe real beherrschbar sind und die uns zu höheren wirtschafts- und sozialpolitischen Effekten führen. Als ersten Schwerpunkt sehen wir, die vorhandenen Grundfonds besser zu nutzen, um damit die Leistungs- und Effektivitätsentwicklung der Produktion positiv zu beeinflussen. Unter diesem Schwerpunkt verstehen wir - dieser Gesichtspunkt sollte zum Beittrag von Professor Benjamin noch nachgetragen werden - vor allem die Unterstützung des verstärkten Übergangs zur Mehrschichtarbeit. Es geht um Erhöhung des Schichtfaktors zur besseren Auslastung der vorhandenen Grundfonds und zur höheren Effektivität im Einsatz des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens. Dabei besteht eine klare Verantwortung der Betriebe und Zweige für die Organisation der Schichtarbeit, für die Bestimmung ihrer Schwerpunkte. Aber die örtlichen Organe tragen dafür ebenfalls eine hohe Verantwortung, vor allem durch a) vorrangige Bereitstellung von Wohnraum für Schichtarbeiter, b) Verbesserung des Berufsverkehrs, vor allem durch solche Maßnahmen, die mit den vorhandenen Kapazitäten des Verkehrswesens eine höhere Leistung im Berufsverkehr bewirken, c) Verbesserung der Versorgung und Betreuung der Schichtarbeiter sowie d) Verbesserung der Kinderbetreuung, der medizinischen und kulturellen Betreuung. Dabei hängt viel von der politisch-ideologischen Führung dieses Prozesses durch die Bezirks- und Kreisleitungen der SED ab. Sie führen politisch die staatliche Leitung und Planung der territorialen Rationalisierung als organisierter Gemeinschaftsarbeit der beteiligten Betriebe, der Gewerkschaften, der F D J und weiterer gesellschaftlicher Kräfte. Als einen zweiten Schwerpunkt der territorialen Rationalisierung sehen wir die Herstellung von Rationalisierungsmitteln für Betriebe des Territoriums und die Organisierung einer Rationalisierungshilfe durch größere Betriebe für kleinere Betriebe. Es hat sich als möglich und richtig herausgestellt, wenn die Großbetriebe im Territorium, die bessere Voraussetzungen zur Herstellung von Rationalisierungsmitteln haben, den kleineren Betrieben dabei helfen. Als einen dritten Schwerpunkt der territorialen Rationalisierung sehen wir die Koordinierung von Investitionsvorhaben verschiedener Verantwortungsbereiche im Territorium. Hierbei denken wir nicht in erster Linie, sondern nur in Ausnahmefällen an die Bildung großer Investitionskomplexe, vielmehr im Sinne der Intensivierung an die Koordinierung gemeinsamer Produktionsanlagen der Betriebe zur Unterstützung der Rationalisierung, an die Koordinierung von Vorhaben der Wärmewirtschaft und ähnliches. Ein vierter Schwerpunkt ist die gemeinsame Nutzung und Schaffung von Einrichtungen zur Versorgung und Betreuung der Werktätigen in den Betrieben und der Bürger in den Wohngebieten zur allseitigen und raschen weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Auch hier darf es nicht darum gehen, Forderungsprogramme aufzustellen nach neuen, zusätzlichen Einrichtungen, sondern darum, die vorhandenen Einrichtungen besser zu nutzen. 2. Zur territorialen Konzentration Ich möchte unterstreichen, was Benjamin über das Territorium als ein dynamisches und komplexes System gesagt hat. Dabei bezieht sich die Dynamik nach meiner Auffassung auf die objektiven Prozesse einer ständigen Veränderung der territorialen Bedingungen für den Reproduktionsprozeß, sowohl für die Produktion als auch für die weitere Aus3
K o l l . , Staatsorgane
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prägung der sozialistischen Lebensweise. Diese Veränderung wird entscheidend bewirkt durch den territorialen Konzentrationsprozeß, der zum Ausdruck kommt in einer ständigen Konzentration der Produktivkräfte im Territorium, in einer ständigen Konzentration unserer Bevölkerung im Territorium, einer Konzentratioh der Infrastruktur, der Siedlungen usw. Diese Prozesse der territorialen Konzentration erhöhen u. a. auch die Anforderungen an die Arbeit der örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe. Ich möchte versuchen, diesen Prozeß der territorialen Konzentration unter unseren konkreten Bedingungen in der D D R etwas genauer zu kennzeichnen. In diesen letzten 15 Jahren, von 1960 bis 1975, hat sich bei rückläufiger Gesamt-Bevölkerungszahl die Einwohnerzahl unserer Städte über 10 000 Einwohner, das sind ungefähr etwa 100 Städte, um 700 000 Menschen erhöht. Im Schnitt hat jeder dieser etwa 200 Städte der D D R einen Einwohnerzuwachs von 10% gehabt. Wir rechnen damit, daß dieser Trend für die genannten Städte in den nächsten 15 Jahren etwa gleichmäßig anhalten wird. Dabei nimmt die Wanderungsbewegung insgesamt nach der Statistik ab. Im Jahre 1975 haben 3°,o weniger Menschen ihren Wohnsitz zwischen den Bezirken verändert als im Jahre 1971. W i r rechnen aber für die Zukunft mit einer stärkeren Wanderung innerhalb der Bezirke und innerhalb der Kreise, und zwar aus den kleinen Siedlungen, den Kleinstädten und Dörfern heraus in die größeren Städte. Eine solche Fortsetzung des Prozesses der territorialen Konzentration halten wir im Interesse der Erreichung der Ziele, die die Partei für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der D D R gestellt hat, auch für notwendig und legen sie deshalb auch der langfristigen Planung zugrunde. Diese territoriale Konzentration sehe ich als einen entscheidenden Inhalt der Dynamik der Territorialstruktur an. Sie ist notwendig, weil die Hauptstadt und weitere Städte unserer Republik als Zentren der Arbeiterklasse weiter gestärkt werden müssen. Die territoriale Konzentration ist weiter notwendig, weil wir mit einer weiter konzentrierten Standortverteilung der Produktivkräfte am wirkungsvollsten zur Intensivierung beitragen können. Die volkswirtschaftlich effektivsten Möglichkeiten für die territoriale Rationalisierung besitzen wir ja bekanntlich vor allem in unseren industriellen Ballungsgebieten. D e r Prozeß der territorialen Konzentration hat zwei hauptsächliche Erscheinungsformen, die wir mit dem Plan im Sinne des sozialpolitischen Programms der Partei aktiv beeinflussen und gestalten müssen. Einmal dort, wo die Konzentration stattfindet, also in den Städten und ihrem Umland. Hier kommt es vor allem darauf an, eine komplexe Entwicklung der Stadtregionen zu gewährleisten. Unter den vielen Planungsaufgaben, die es dazu gibt, möchte ich nur zwei hervorheben. Es geht u. a. üm die richtige, den volkswirtschaftlichen Erfordernissen und Möglichkeiten entsprechende Berechnung der Einwohnerzahlen, ausgehend von einer sorgfältigen wirtschafts- und sozialpolitischen Bestimmung der konkreten gesellschaftlichen Funktionen der Städte und ihrer arbeitsteiligen Beziehungen im Netz der Territorialstruktur des ganzen Landes und auch der sozialistischen Staatengemeinschaft. Eine weitere Aufgabe ist eine richtige Lagebestimmung von Wohngebieten und Arbeitsstätten innerhalb der Städte, die das Arbeiten und Wohnen in den Städten angenehm macht und unnötige Wegezeitaufwendungen der Bevölkerung sowie Belastungen des Transportwesens vermeidet. D i e Aufmerksamkeit unserer sozialistischen Planung gilt aber ebenso auch denjenigen Gebieten und Siedlungen, aus denen der Einwohnerzuwachs der größeren Städte kommt, den Kleinstädten und Dörfern. Das Ziel ist dabei, bei dem zum Einwohnerzuwachs der
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Städte analogen zwangsläufigen Rückgang der Einwohnerzahlen der Kleinstädte und Dörfer auch hier mit allen verfügbaren Mitteln und Kräften die vom I X . Parteitag beschlossene weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu gewährleisten. Das erfordert zunächst, die Veränderungen der Altersstruktur der Bevölkerung in den Kleinstädten und Dörfern, ihrer Sozialstruktur, ihrer Qualifikations- und Beschäftigtenstruktur sorgfältig vorausschauend zu analysieren. Darauf basierend muß durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt werden, daß das Angebot an Arbeitsplätzen, die Infrastruktur und die Versorgungsbedingungen in diesen Siedlungen ebenfalls immer weiter verbessert werden. Das ist ein konkreter Ausdruck der strategischen Aufgabe, die Arbeits- und Lebensbedingungen in Stadt und Land immer weiter anzunähern. D i e weitere Fortsetzung des Prozesses der territorialen Konzentration der Bevölkerung und der Produktion ist auch sozialpolitisch notwendig, weil eine bestimmte territoriale Konzentration des Neubaus und der Modernisierung der Wohnsubstanz und darüber hinaus der gesamten Infrastruktur eine wichtige territoriale Voraussetzung für die Erfüllung des Wohnungsbauprogramms ist, dafür gibt es in den Direktiven und Plänen ja auch bereits konkrete Festlegungen. D i e interdisziplinäre Forschungsarbeit zu diesen Problemen zielt darauf, die örtlichen Organe und auch die zentrale Territorialplanung mit objektivierten Entscheidungsunterlagen auszustatten, die sie immer besser befähigen, diese Prozesse in ihren Planentscheidungen richtig zu beherrschen.
3. Rechtsvorschriften Mit meiner letzten Bemerkung möchte ich die Frage aufwerfen, ob die Rechtsvorschriften, die wir in unserer Republik für die Gestaltung der Territorialstruktur, für die Leitung und Planung des Prozesses der Standortverteilung der Produktivkräfte haben, bereits ausreichend sind. Dabei meine ich Rechtsvorschriften nicht allein im Sinne methodischer Verfahrensvorschriften für örtliche und zentrale Staatsorgane, sondern im Sinne einer Kombination von wirtschafts- und sozialpolitischen Leitlinien für die Gestaltung der Territorialstruktur mit methodischen Vorschriften über das „Wie" der Durchsetzung dieser Leitlinien. Wir haben in der D D R sehr gute allgemeine gesetzliche Grundlagen für die Gestaltung der Territorialstruktur des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses in Gestalt des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe, des Gesetzes über den Ministerrat, der Gesetze über Betriebe und Kombinate usw. W i r haben jedoch noch eine Lücke in Rechtsvorschriften für die Gestaltung konkreter Bereiche unserer Territorialstruktur. Als Beispiel möchte ich die Siedlungsstruktur nennen. Wir arbeiten in der Forschung seit Jahren intensiv zur Siedlungsstruktur und zur Urbanisierung in der D D R . D i e Qualität der in dieser interdisziplinären Forschungsarbeit erzielten Ergebnisse wird auch international bestätigt. Aber wir gelangen mit unserer Arbeit immer nur bis kurz vor die Schwelle, wo die inhaltlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse umgesetzt werden müßten in eine fixierte Rechtsvorschrift. Dadurch wird die Durchsetzung und Anwendung der richtigen siedlungspolitischen Forschungsergebnisse eingeengt. Unsere interdisziplinäre Forschungsarbeit zur Territorialstruktur der D D R muß deshalb nach meiner Meinung durch eine stärkere Einbeziehung staats- und rechtswissenschaft3*
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licher Aspekte ergänzt werden. Wir haben eine gute Möglichkeit dazu. Wir sind mit dem zentralen Forschungsplan der Gesellschaftswissenschaftlichen Forschung beauftragt, in etwa zwei Jahren einen interdisziplinären, kollektiv erarbeiteten Forschungsbericht vorzulegen über die Standortverteilung der Produktivkräfte in der DDR. Wir halten es für notwendig, daß wir in diesem Forschungsbericht bis zu einer juristischen Fassung der zu erarbeitenden Entscheidungsvorschläge vordringen und bitten die Staats- und Rechtswissenschaftler deshalb, sich aktiv an unserer interdisziplinären Forschungsarbeit zur Standortverteilung der Produktivkräfte in der D D R zu beteiligen.
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Gerhard Haney
Sinn des Sozialismus, staatliche Leitung, Gemeinschaftlichkeit
Benjamin betonte in seinem Beitrag wiederholt den umfassenden, a l l e Lebensbereiche erfassenden Charakter der Leitung durch die örtlichen Organe der staatlichen Macht, und er wies darauf hin, d a ß sich durch die fortschreitenden Anforderungen auch die Mechanismen zur Koordination und Kooperation auf dieser Ebene verstärken müßten. Sicher genügt es aber nicht, nur die technisch-organisatorische Seite der leitenden Tätigkeit zu sehen, nur das notwendige Instrumentale, nur die Mittel und Methoden, die das Gesamtgesellschaftliche herstellen helfen. J e d e r leitenden Tätigkeit, jeder benutzten Methode, jeder Funktion und Struktur liegen jeweils auch Inhalte zugrunde. Über sie muß man sich verständigen, sollen die gesetzten Ziele erreicht werden. Es ist das Problem des Verhältnisses von Form und Inhalt, das sich immer w i e d e r neu stellt. Sinn des Sozialismus ist das W o h l des Menschen. Folglich liegt darin auch der Sinn der staatlichen Tätigkeit für die zu gestaltende Ganzheit des Sozialismus. Hager betonte, „ d a ß der innere Zusammenhang der M e r k m a l e der entwickelten sozialistischen Gesellschaft nicht nur von ihren Wechselbeziehungen, sondern vor allem vom Sinn des Sozialismus geprägt wird". 1 Zu diesen M e r k m a l e n gehört auch, d a ß „die sozialistische Staatsund Rechtsordnung allseitig zu festigen und die sozialistische Demokratie breit zu entfalten" 2 ist. U m diese A u f g a b e zu bewältigen, genügt es demnach nicht, beispielsweise nur die Wechselbeziehungen zwischen der Staats- und Rechtsordnung einerseits und der Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus andererseits zu sehen. Sie müssen vom Sinn des Sozialismus bestimmt und durchdrungen werden. W a s heißt „Sinn des Sozialismus"? Im allgemeinen w i r d unter dem Sinn zweierlei verstanden: einmal die Organe der unmittelbaren Wahrnehmung und zum anderen die Bedeutung, das Wesentliche oder das Allgemeine einer Sache. So erstreckt sich der Sinn einerseits auf die äußere Existenz einer Erscheinung, die mit den Sinnen wahrgenommen wird, und andererseits auf die Erkenntnis des Wesens dieser Erscheinung, als auf das Inhaltliche, Substantielle, das aus ihr gewonnen werden muß. Der „Sinn" haftet sonach nicht am Objekt, er ist nicht etwa zwangsläufig mit jeder Form der staatlichen Tätigkeit verbunden, er ist nicht objektiv-real gegeben, sondern er kann nur subjektiv im Verhältnis zum Objekt erfaßt und muß in bestimmten Formen bewußt w i r k s a m gemacht werden. Welchen Sinn man in einer Sache entdeckt, zum Beispiel in der eigenen Arbeit, im Wohnen, in der Kultur, hängt sehr davon ab, welchen Sinn man jeweils daraus selbst gewinnt, welche Bedeutung sie für einen hat. Dabei w i r d diese Bedeutung natürlich nicht etwa rein vom Subjekt her erzeugt, gesetzt und veranlaßt. Es kann nichts an Sinn gewonnen, erzeugt und vermittelt werden, was nicht auch objektiv durch die gesellschaftlichen Beziehungen möglich und potentiell in ihnen enthalten ist. Aber gewonnen werden im Sinne des Bewußtmachens, Gestaltens und Vermitteins kann er nur durch das Subjekt, also nicht zuletzt auch von der staatlichen Leitung her.
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Wenn die örtlichen Staatsorgane 70% der Mittel für Kultur verwalten, so geht es nicht um das Verwalten dieser Mittel schlechthin, sondern um die Formung einer kulturvollen Lebensweise. Diese hängt aber nicht zuletzt davon ab, wie sich die kulturvolle Lebensweise bei denen ausprägt, die diese Mittel verwalten, welche kulturellen Bedürfnisse bei den Mitarbeitern des Staatsapparates selbst existieren, welchen Sinn sie in kulturellen Leistungen der Vergangenheit und Gegenwart entdecken, welches Geschichtsverständnis, welches Verhältnis zur Literatur und anderen Äußerungsformen der Kunst ihnen gegeben ist. Dabei erschöpft sich hierin bekanntlich nicht das Kulturelle. Über dem Funktionellen und Strukturellen der staatlichen Leitung darf das Inhaltliche nicht vergessen werden; das Inhaltliche ist Voraussetzung für ein richtiges, zielgerichtetes Funktionieren der staatlichen Leitung überhaupt. Wenn der innere Zusammenhang zwischen den Merkmalen der entwickelten sozialistischen Gesellschaft prinzipiell vom Sinn des Sozialismus bestimmt wird, dann sind damit gestiegene Anforderungen vornehmlich auch an die subjektiven Bedingungen in allen Formen und Tätigkeitsmerkmalen staatlicher Leitung gestellt. Die gewachsene Bedeutung des sozialistischen Staates und Rechts tritt also vornehmlich dadurch zutage, daß in ihnen und mit ihrer Hilfe der Sinn des Sozialismus in allen wesentlichen gesellschaftlichen Beziehungen zu erfassen und zu gestalten ist. Das erlegt der staatlichen Tätigkeit und allen Formen der Verwirklichung des sozialistischen Rechts auch neue inhaltliche Anforderungen auf, die sich in realen subjektiven Verpflichtungen für jeden einzelnen Staatsfunktionär, in wachsenden Ansprüchen an sein Wissen, Können und kulturelles Niveau niederschlagen müssen, sollen sie nicht abstrakte, unwirkliche Forderungen bleiben. Diese Tätigkeit hat den Bürger zum teilhabenden Partner. Sein Wohlbefinden, Wohlergehen, Wohlgefühl, sein sinnerfülltes Leben, seine schöpferische, menschliche Existenz, eben als das Wohl des Menschen, stellen sich gleichfalls nicht in einer nur allgemeinen, abstrakten Beziehung des Bürgers zum sozialistischen Staat her. Diese ist immer durch die einzelne und konkrete Beziehung vermittelt. Der Bürger schließt seine primären Kontakte zur sozialistischen Staatsmacht vornehmlich über die Vielfalt und Vielgestalt der Bindungen zu den örtlichen Organen der Staatsmacht. Diese prägen sein Verhältnis zum sozialistischen Staat ganz unmittelbar. Die Tätigkeit der örtlichen Organe wird daher wesentlich davon bestimmt, auf welches Verantwortungsbewußtsein sie bei den Bürgern trifft und wie sie es vertiefen hilft. Fast alle Seiten des Lebens im Territorium werden hiervon berührt, entweder positiv oder negativ. Dieses Verantwortlichsein reicht von der Arbeit, über das Wohnen bis zur Versorgung mit den Dingen des Lebens, von der Kultur, über die Werte der Vergangenheit bis zum geschichtlichen Verständnis, von der Ordnung und Sauberkeit, über die allgemeine Umwelt bis zu den verschiedensten Formen des Zusammenlebens. Jedes Desinteresse am gesellschaftlichen Leben, jede Form der Unordnung, jegliche Störung der Ordnung, jede Zerstörung von Sachen, jede Form der Kriminalität offenbaren etwas vom mangelnden Verbundensein und von fehlender Verantwortung. Sie geben im negativen Sinne Auskunft vom Verbundensein des einzelnen mit seinem Staat. In seiner bekannten Rede über die Aufgaben der Jugendverbände stellt Lenin die Lebensweise der neuen Gesellschaft als die vom Klassenkampf der Arbeiterklasse und ihrer Bundesgenossen getragene Gemeinschaftsbildung gegen den Individualismus und Egoismus der alten Gesellschaft dar. Zusammenschluß, einheitlicher Wille, bewußte Disziplin, gemeinsame freie Arbeit nach einem gemeinsamen Plan, die Kräfte des ein38
zelnen in den Dienst der gemeinsamen Sache zu stellen, geschlossen und einmütig zu handeln, darin sieht er die höchste Form kommunistischer Sittlichkeit in ihrem allgemeinsten W e r t . Er erblickt ihn also im produktiven, gemeinschaftlichen, verantwortungsbewußten Handeln. „Kommunistische Gesellschaft, das heißt - alles ist gemeinsam: der Grund und Boden, die Fabriken und auch die Arbeit ist gemeinsam - das ist Kommunismus." 3 D i e zutreffende Kritik an klassenindifferenten Gemeinschaftsvorstellungen vergangener J a h r e hat vielleicht auch zu einer unbegründeten Scheu verführt, sich direkter zu Problemen sozialistischer Gemeinschaftsbildung zu äußern. Tatsächlich ist jedoch das Programm, das auf dem IX. Parteitag angenommen wurde, ein Programm der Gemeinschaftsbildung, national w i e international. D a s innere Verbundensein der M e r k m a l e der entwickelten sozialistischen Gesellschaft w i r d vor allem vom W e r t der Gemeinschaftlichkeit geprägt. Dabei muß man sich einerseits darüber verständigen, welcher Graben und Abstand uns hier von der Gesellschaft des Egoismus trennt und andererseits darüber nachdenken, welche neuen Probleme durch die Herausbildung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft selbst entstehen. Die Bedingungen der gemeinsamen Arbeit im Sozialismus verändern sich unausgesetzt. Technologische Veränderungen führen zur Einsparung von Arbeitskräften. Das M a ß der Verantwortung für den einzelnen wächst. W o einst viele arbeiteten, sind oft nur noch wenige tätig. D a s l ä ß t die einzelnen oft räumlich auseinanderrücken und bringt so zugleich neue Probleme für die Koordination und Kooperation der Kräfte und damit für die Herstellung der Gemeinschaftlichkeit mit sich. Aber nicht nur die Arbeitsbedingungen erzeugen diese Probleme. Auch die veränderten Lebensbedingungen im allgemeinen führen d a z u : so das Wohnen in neuen Wohngebieten, die neuen Freizeitgewohnheiten, das gestiegene kulturelle und materielle Lebensniveau, die vertiefte Bildung, die Veränderungen, die in der Arbeit für gemeinschaftliche Zwecke eingetreten sind. Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft im Sozialismus verändert sich unausgesetzt. D a bei m a g es dem einzelnen auch so erscheinen, als träte mitunter ein Verlust an Gemeinschaftlichkeit ein, w e i l Formen unmittelbaren Kontaktes durch eine vergrößerte räumliche Entfernung beeinträchtigt werden. Inhaltlich w i r d jedoch die Tätigkeit des einzelnen gesellschaftlich ungleich bedeutungsvoller, w e i l z. B. die ihm anvertrauten Grundfonds erheblich gewachsen sind, größere Auswirkungen von seiner Tätigkeit ausgehen, viel mehr Menschen als zuvor von bestimmten Entscheidungen betroffen sind, die innere Verbindung der einzelnen Lebensgebiete sich vertieft hat. Die im Beitrag von Benjamin angeführte Koordination und Kooperation der Kräfte ist also heute in ein inhaltlich verändertes Bezugsfeld gesetzt. W i r haben es mit einer vergrößerten relativen Selbständigkeit des einzelnen bei gleichzeitiger Vertiefung der Kollektivität oder Gemeinschaftlichkeit zu tun - einer Differenzierung der Individualität auf der Grundlage eines höheren Grades bewußter Vergesellschaftung. W e r d e n diese beiden Seiten nicht in ihrer objektiv gesetzten Widersprüchlichkeit, also in ihrer Einheit bewältigt, können sich durchaus Einseitigkeiten einstellen, etwa dem vergleichbar, als wenn die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik nur einseitig als Politik des Gewährtbekommens und der Nutznießung eines stetig vergrößerten Volumens für die individuelle Bedürfnisbefriedigung verstanden würde, oder wenn die Einheit von Rechten und Pflichten in ein unausgewogenes Verhältnis zugunsten der Rechte gesetzt würde. Hier scheint mir ein wesentliches inhaltliches Problem für die Leitung durch die örtlichen Organe der Staatsmacht zu liegen. Wenn w i r nicht die objektiv vertiefte Kollektivität 39
und Gemeinschaftlichkeit in neuer W e i s e auch b e w u ß t zum T r a g e n bringen, k a n n auch d i e I n d i v i d u a l i t ä t sich nicht entsprechend ausbilden, sie isoliert sich und I n d i v i d u a l i s m u s und Egoismus bleiben ihre W e g g e f ä h r t e n . Hier sind d a n n i m m e r w i e d e r Einbruchstellen für gegnerische Ideologie, f ü r f e h l e r h a f t e s V e r h a l t e n , ungenügend entwickeltes V e r a n t wortungsbewußtsein bis hin zu erheblichen Störungen des Z u s a m m e n l e b e n s gegeben. D i e objektiv vertiefte Gemeinschaftlichkeit kann nicht a n d e r s als staatlich-politisch, von den Interessen der A r b e i t e r k l a s s e geleitet, w i r k s a m w e r d e n . I n d i v i d u a l i t ä t w i e K o l l e k t i v i t ä t , Persönlichkeit w i e Gemeinschaft sind deshalb nie als Beziehungen schlechthin in einem bloß k a t e g o r i a l e n Sinne zu begreifen, also ohne den sozialistischen Staat, ohne sie zugleich als politische V e r h ä l t n i s s e zu sehen. Sie w ü r d e n sonst auf geschichtlich a b s t r a k t e W e r t - und M o r a l p o s t u l a t e g e g r ü n d e t und d a m i t ihrer n o t w e n d i g e n historischen W i r k samkeit f ü r uns beraubt. D a s bedeutet zugleich, d a ß d i e W e r t e des Sozialismus ohne den sozialistischen S t a a t und d^s sozialistische Recht nicht Zustandekommen, nicht w i r k s a m w e r d e n , noch überhaupt gedacht w e r d e n können. Sonst w ü r d e übrigens auch den bürgerlichen u n d revisionistischen Angriffen nicht begründet entgegentreten, d i e Persönlichkeit und Gemeinschaftlichkeit gern entstaatlicht vorgestellt sähen und deshalb auch i m m e r w i e d e r den M a r x i s mus-Leninismus durch eine w i e auch i m m e r geartete philosophisch-anthropologische K o m p o n e n t e ergänzt haben möchten. D i e Rechtsverwirklichung und Rechtsgestaltung bietet uns auf allen Gebieten eine F ü l l e von Problemen der Gemeinschaftsbildung. A l s Stichworte seien nur genannt das Streben nach Q u a l i t ä t s a r b e i t , der W e t t b e w e r b überhaupt, d i e breiten B e m ü h u n g e n um O r d n u n g und Sicherheit, die M i t v e r w a l t u n g von M i e t e r n und a n d e r e s mehr. V i e l e E i n z e l f r a g e n sind hierauf bezogen. D e r im A G B - E n t w u r f vorgesehene Ü b e r l e i t u n g s v e r t r a g w i e überhaupt d i e w e i t e r e E i n e n g u n g von K ü n d i g u n g s m ö g l i c h k e i t e n durch den Betrieb betonen d a s gesellschaftliche Verpflichtetsein. N e u e r e Entscheidungen des Obersten Gerichts zum V e r h ä l t n i s M i e t e r - V e r m i e t e r und ihren gegenseitigen Duldungspflichten bei der Renov i e r u n g von Grundstücken sind von d e m G e d a n k e n gemeinschaftlicher Interessen getragen. D i e erweiterten Möglichkeiten bei der V e r u r t e i l u n g auf B e w ä h r u n g mit den entsprechenden Rechten der A r b e i t s k o l l e k t i v e sprechen hierfür. V i e l e P r o b l e m e der E n t w i c k l u n g der sozialistischen D e m o k r a t i e , der Rechtserziehung, der Durchsetzung der Rechte und Pflichten w ä r e n zu nennen.
Anmerkungen 1 2 3
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K . Hager: Der IX. Parteitag und die Gesellschaftswissenschaften, Berlin 1 9 7 6 , S. 19. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin 1976, S. 2 1 . W . I. Lenin: Werke, Band 31, Berlin 1 9 5 9 , S. 286.
Helmut Melzer
Zu einigen theoretischen Fragen der Komplexität in der staatlichen Leitung und Planung
I. Die Komplexität in der staatlichen Leitung und Planung wird immer mehr zu einer zentralen Frage ihrer weiteren Vervollkommnung und für die fortschreitende Entfaltung der sozialistischen Demokratie. In gleichem Maße, wie sich im Prozeß des weiteren Aufbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft die objektiven Verflechtungen, die wechselseitige Bedingtheit und Abhängigkeit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse verstärken, wird auch das Tempo und die Effektivität dieser Prozesse in erheblichem und offenkundig zunehmendem Maße von der Fähigkeit des gesamten Systems der staatlichen Leitung und Planung bestimmt, sie planmäßig, vorausschauend und in ihren objektiv notwendigen Zusammenhängen komplex zu leiten. In der Komplexität der verschiedenen wirtschaftlichen, politischen, sozialen und geistigkulturellen Prozesse im örtlichen Territorium, wie auch zwischen der territorialen und der betrieblichen Entwicklung und in der Notwendigkeit ihrer ebenso komplexen und koordinierten Leitung und Planung - wie im Referat dargelegt - treten diese Erfordernisse, nicht zuletzt angesichts der relativen Überschaubarkeit der Vorgänge im örtlichen Bereich, besonders deutlich in Erscheinung. Deshalb sah auch in der hier schon zitierten Direktive des Rates für Arbeit und Verteidigung an die örtlichen Sowjetinstitutionen W. I. Lenin im „Fehlen koordinierter Arbeit der verschiedenen örtlichen Ressorts" ein den wirtschaftlichen Aufbau besonders behinderndes Übel und folglich in der koordinierenden Tätigkeit der örtlichen Sowjets und ihrer Organe einen wichtigen Faktor zur Qualifizierung der gesamtgesellschaftlichen Leitung. 1 Denn an „Ort und Stelle, in unmittelbarer Nähe der Arbeiter- und Bauernmassen treten - wie Lenin hervorhob - diese Mängel klarer hervor". Daraus erwächst die besondere Verantwortung gerade der örtlichen Sowjets und aller staatlichen Dienststellen im örtlichen Bereich, durch koordinierte Arbeit diese Mängel zu bekämpfen und nach Lenins Worten „eine Abnahme des Bürokratismus, eine Einschränkung der Transporte, einen Ansporn zur Produktion, eine Verbesserung der Lage der Bauern und Arbeiter zu erreichen". Aber in der gleichen Direktive hob W. I. Lenin auch hervor, daß es sich hier nicht um ein nur örtlich zu lösendes, sondern vielmehr um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Er unterstrich, daß „Lebensmittel, örtliche Kleinindustrie, Brennstoff, gesamtstaatliche Großindustrie usw.", d. h. die verschiedensten Elemente des gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses eng zusammenhängen. Und Lenin zog daraus den Schluß, daß neben der notwendigen ressortmäßigen, zweiglichen Leitung zur Verwaltung des Staates eine „ständige Arbeit zur Koordinierung", zur Beseitigung der sonst unausbleiblichen „Reibungen" und der „ressortmäßigen Beschränktheit" geleistet werden muß. II. Die Komplexität der Leitung und Planung, das zeigt bereits die hier angeführte Arbeit vom Mai 1921, in der Lenin die Notwendigkeit komplexer und koordinierter Arbeit eingehend untersuchte und begründete, ist für uns kein völlig neues Problem. 3a
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Komplexität war und ist vielmehr in jeder Etappe des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus ein charakteristisches Merkmal der Führungstätigkeit von Partei und sozialistischer Staatsmacht. Bei der Vorbereitung und Durchführung grundlegender staatlicher Entscheidungen ging und geht es stets darum, die vielfältigen und komplizierten politischen, wirtschaftlichen, sozialen und geistig-kulturellen Zusammenhänge zu berücksichtigen, die gesellschaftlichen Voraussetzungen, Bedingungen und Auswirkungen der zu treffenden Entscheidungen vorausschauend zu ermitteln und entsprechend in Rechnung zu stellen. Solche Komplexität ihres Wirkens - im Referat überzeugend dargestellt - charakterisiert auch und in zunehmendem Maße die Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte bei der gesellschaftlichen Leitung in ihrem Territorium. So notwendig es ist, hinsichtlich der konkreten Inhalte der Komplexität der Lösung und Planung zwischen den verschiedenen Ebenen zu differenzieren, wie das übrigens auch das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe mit seiner differenziert ausgestalteten Regelung der Aufgaben, Rechte und Pflichten der örtlichen Volksvertretungen in den Bezirken, den Stadt- und Landkreisen, den Stadtbezirken, Städte und Gemeinden tut, so ist allen örtlichen Volksvertretungen und ihren Räten als Organe allgemeiner Kompetenz, die in ihrer Leitungstätigkeit Aufgaben verschiedenster Zweige und Bereiche und vor allem darüber hinausgehende komplexe Aufgaben in sich vereinigen, die Komplexität als Leitungsprinzip immanent. Ihrem territorialen Aufbau liegen seit der im Jahre 1952 erfolgten Neugliederung unseres Staatsgebietes in Bezirke und Kreise auch wesentlich komplexe sozialökonomische und sozialpolitische Faktoren zugrunde. Es bestehen, mit geringfügigen Korrekturen seither, somit objektiv in den ökonomischen, sozialen und kulturellen Beziehungen und ihren Entwicklungstendenzen begründete territoriale Einheiten, die von vornherein eine komplexe Leitung und Entwicklung durch die örtlichen Machtorgane verlangten. Zugleich wurden diese dadurch in die Lage versetzt, einen effektiven Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zu leisten und, verbunden damit, eine zunehmend ausgewogene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung in ihrem Territorium zu gewährleisten. Gerade angesichts der neuen und gestiegenen Anforderungen an die Komplexität der staatlichen Leitung ist es deshalb angebracht, an die guten Traditionen zu erinnern und auf die bedeutenden Erfahrungen der örtlichen Machtorgane in dieser Hinsicht zurückzugreifen. Denn jede der großen gesellschaftlichen Umwälzungen bei der Errichtung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung wie beim sozialistischen Aufbau war mit großen Anstrengungen und Leistungen der örtlichen Machtorgane verbunden, verlangte gerade von ihnen stets einen komplexen, die verschiedenen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und geistig-kulturellen Zusammenhänge berücksichtigenden und an den gesamtstaatlichen Interessen orientierten Leitungsstil, gleich, ob es sich dabei um das Ingangsetzen der volkseigenen Industrie oder Jahre später um den Zusammenschluß aller Bauern zu LPG oder auch um die Überführung der letzten kleinen und mittleren kapitalistischen und halbstaatlichen Betriebe in Volkseigentum und ihre Einordnung in das System der planmäßigen Leitung der sozialistischen Volkswirtschaft handelte. Die bei der Lösung dieser, ihrem Wesen nach immer komplexen, über die ressortmäßige Leitung weit hinausreichenden gesellschaftlichen Entwicklungsprobleme, entwickelten Formen und Methoden der Leitung, der Führung der örtlichen Staatsorgane durch die Partei, ihres Zusammenwirkens mit allen gesellschaftlichen Organisationen und Kräften im Territorium sollten bei der Ausarbeitung der neuen Fragen komplexer Leitung, der Auswahl und Erprobung neuer Formen und Methoden ihrer Realisierung aufmerksam ausgewertet und berücksichtigt werden.
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III. M i t der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft intensivieren sich indessen, nicht zuletzt angesichts der sozialen Wirkungen der wissenschaftlichtechnischen Revolution, die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, Zweigen und Prozessen in besonderem M a ß e . D i e Einheit des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses und damit verbunden die Gewährleistung der Einheit von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung erfordern mehr denn je ein komplexes Herangehen an die Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung, an die Lösung der ökonomischen, wissenschaftlich-technischen und sozialen Probleme, das notwendig mit einer tieferen, wissenschaftlich begründeten Einsicht in diese objektiv zunehmende Komplexität verbunden ist. G e r a d e diese neuen Inhalte komplexer Entwicklung - im Territorium w i e in den Zweigen und im gesamtgesellschaftlichen M a ß s t a b - , die auch den entsprechenden Führungsstil, entsprechende Formen der Leitung und Planung unerläßlich machen, verlangen nicht nur die A u f m e r k s a m k e i t der Staats- oder Verwaltungsrechtswissenschaften. Ein wichtiger Beitrag kann dazu auch von der Staats- und Rechtstheorie, vom Wirtschaftsrecht und anderen juristischen Disziplinen in enger Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaftswissenschaften geleistet werden. In den in unserer Praxis immer sichtbarer in Erscheinung tretenden neuen Anforderungen an die Komplexität der staatlichen Leitung und Planung, wie sie im Referat dargelegt wurden, kommen offensichtlich neue Aspekte der Erscheinung und der A n w e n dung objektiver Gesetze des Sozialismus zum Ausdruck. Das gilt vor allem für das Grundgesetz des Sozialismus und das Gesetz der planmäßigen und proportionalen Entwicklung. Unter den fortgeschrittenen Bedingungen des entwickelten Sozialismus und der wissenschaftlich-technischen Revolution erweitert sich offenkundig die Wirkungssphäre und Wirkungsweise des Gesetzes der planmäßigen proportionalen Entwicklung. Uber die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft und die Sicherung der objektiv notwendigen Proportionen zwischen den verschiedenen Bereichen und Zweigen der materiellen Produktion wirkt es sehr intensiv auf die planmäßige Entwicklung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und bewirkt neue Wechselbeziehungen zwischen Produktion, Wissenschaft, Bildung, technischer und sozialer Infrastruktur etc. Wichtig für unsere Frage nach der Komplexität der Leitung ist auch die D i a l e k t i k des W i r k e n s dieses Gesetzes und des Grundgesetzes des Sozialismus. Denn diese planmäßige proportionale Entwicklung w i r d in ihrem Inhalt vom Ziel des Grundgesetzes bestimmt. Andererseits trägt die Form, in der dieses Ziel im gesamtgesellschaftlichen w i e territorialen Maßstab realisiert wird, streng planmäßigen Charakter und muß gesetzmäßig mit der Sicherung entsprechender Proportionen in der Entwicklung aller Bereiche der Gesellschaft verbunden sein. Diese Einheitlichkeit, Planmäßigkeit und Proportionalität erweist sich jedoch nicht nur als eine Frage der gesellschaftlichen Inhalte der Leitung, sondern zugleich auch als eine Frage einer entsprechenden Qualifizierung der Formen der Leitung und Planung, des Arbeits- und Leitungsstils aller Staats- und Wirtschaftsorgane. Ausgehend von der Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik charakterisierte Genosse Honecker auf dem IX. Parteitag die sich daraus ergebenden Voraussetzungen für die Führungstätigkeit der Partei: „Die zunehmende Verflechtung der gesellschaftlichen Prozesse sowie die Notwendigkeit einer proportionalen Entwicklung erhöhen auf allen Ebenen die Anforderungen an die komplexe Führungstätigkeit der Partei. W e n n w i r davon sprechen, die Arbeit komplex zu leiten, dann meinen w i r 43
damit einen Führungsstil, der alle Zusammenhänge berücksichtigt, die praktische tägliche Arbeit mit den perspektivischen Aufgaben verbindet. Das erfordert wachsende Kollektivität, die die volle persönliche Verantwortung unverzichtbar einschließt." 2 Bei aller Differenziertheit, in der die entsprechenden Konsequenzen für die staatliche Leitung und Planung auf den einzelnen örtlichen Ebenen bei der Lösung der konkreten Aufgaben in Erscheinung treten, ergeben sich aus diesen objektiv zunehmenden Anforderungen an die Leitung und Planung eine Reihe grundsätzlicher staats- und leitungswissenschaftlicher Probleme, die eingehender Untersuchung bedürfen. D a s erste Problem betrifft die Notwendigkeit, in der staatlichen Leitung und Planung die verschiedenen Bereiche und Prozesse des politischen, wirtschaftlichen und sozialkulturellen Aufbaus in ihren organischen Zusammenhängen und Wechselwirkungen zu erforschen und in Leitung und Planung entsprechend zu berücksichtigen. Es steht außer Frage, d a ß es bei der komplexen gesellschaftlichen Entwicklung in den Territorien um eine etwas andere Art Komplexität geht als die, die wir auch in den einzelnen Zweigen oder Bereichen haben, eine „komplexe ökonomische" oder eine „komplexe kulturelle" Entwicklung in gesamtgesellschaftlichem, zweiglichem oder territorialem Maßstab. Es ist richtig und findet Zustimmung, wenn im Referat gesagt wird, daß es bei der gesellschaftlichen Entwicklung in den Territorien nicht nur um eine spezifische Form komplexer Leitung, sondern um ihre Entwicklung als eine organische Ganzheit gesellschaftlicher Verhältnisse und Erscheinungen geht. Man muß hier natürlich untersuchen, inwieweit und in welcher Hinsicht dieser ganzheitliche Aspekt über die von unserer Verfassung als territoriale Gemeinschaften definierten Städte und Gemeinden hinaus auch f ü r solche Gebietseinheiten wie die Bezirke und Landkreise zutrifft. Es ist auch offen, inwieweit die Masse unserer Gemeinden und unserer kleineren Städte heute die daran zu knüpfenden Ansprüche noch und inwieweit die gerade entstehenden Gemeindeverbände solche Ansprüche bereits zu erfüllen in der Lage sind. Als gesichert kann angesehen werden, wenn das auch leitungsmäßig noch nicht befriedigend gelöst ist, d a ß die Städte, vor allem die mittleren und Großstädte, mit ihrem Umland eine organische Einheit bilden. Doch ungeachtet dieser und zahlreicher anderer Fragen komplexer Entwicklung der territorialen Gemeinschaften ergibt sich aus deren ganzheitlicher gesellschaftlicher Struktur notwendig auch die Notwendigkeit ihrer ganzheitlichen, komplexen gesellschaftlichen Entwicklung. Diese Idee liegt auch den grundsätzlichen Bestimmungen des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe zugrunde, das in den Bestimmungen seiner Paragraphen 2 bis 4 die generelle Verantwortung aller örtlichen Volksvertretungen für die komplexe wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in ihrem Territorium bestimmt und ihnen im § 4 ausdrücklich zur Aufgabe stellt, im Rahmen ihrer Verantwortung eine mit der Entwicklung der Zweige und Bereiche abgestimmte politische, ökonomische, kulturelle und soziale Entwicklung im Territorium zu gewährleisten. Das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen unterstreicht damit, d a ß für eine solche komplexe gesellschaftliche Entwicklung im Territorium, die sowohl alle territorialen Bedingungen für die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion und die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen als auch gleichzeitig damit alle Voraussetzungen und Bedingungen für eine harmonische Entwicklung der Persönlichkeit aller Werktätigen schafft, nicht nur die örtlichen Machtorgane Verantwortung tragen. Die Anforderungen, die sich heute allein für die Sicherung einer solchen komplexen Entwicklung in einem Bezirk oder einer größeren Stadt ergeben, betreffen bekanntlich das gesamte System der staatlichen Leitung und Planung, die Tätigkeit der zentralen und
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örtlichen Organe, der Wirtschaftsleitung wie der Warenproduzenten, d. h. der Betriebe, Kombinate usw. Sie stellen auch die örtlichen Organe vor neue, noch nicht gelöste Aufgaben hinsichtlich der Komplexität der Planung im umfassend gesellschaftlichen Sinne. Wir haben bekanntlich z. Z. erst für Berlin einen Generalplan für die Gesamtentwicklung der Stadt und erst in einigen Großstädten unter Führung der Partei ausgearbeitete langfristige ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungskonzeptionen, Generalbebauungs- und Generalpläne. D a s betrifft aber ebenso die wissenschaftliche Begründung dieser Planung im Territorium, insbesondere hinsichtlich der sozialen Prozesse, wie auch ihre Langfristigkeit, denn kompliziertere soziale Entwicklungen, besonders in der sozialen Struktur, kann man nicht in kurz- oder mittelfristigen Planungen erfassen. Sicher werden hier in Zukunft auch Fragen der Kompetenz auftauchen, z. B. hinsichtlich der Planungsbefugnisse und dazu notwendigen organisatorischen Voraussetzungen in mittleren Städten. Das betrifft aber ebenso Anforderungen an die Kollektivität der Leitung, in der Volksvertretung, im Rat, im Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte im Territorium bei der Vorbereitung und Realisierung der Entscheidungen, Anforderungen auch an die politisch-juristische Ausgestaltung der persönlichen Verantwortung der Leitung und Mitarbeiter wie an das Niveau und die Formen der Mitwirkung der Werktätigen, ihrer Arbeitskollektive und ihrer gesellschaftlichen Organisationen an der Leitung und Planung dieser komplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung im Territorium. Ein zweites Problem, das hervorzuheben ist und für dessen Beantwortung Genosse Hager auf der Beratung der Gesellschaftswissenschaftler wichtige Überlegungen vortrug 3 , besteht darin, zu gewährleisten, d a ß in der Leitung und Planung der innere Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bereichen und Prozessen nicht nur von deren unmittelbaren Wechselbeziehungen im einzelnen her bestimmt werden kann - die man natürlich genau erforschen und kennen muß - , sondern vor allem ausgehend vom Sinn des Sozialismus, vom Ziel und den Perspektiven des Sozialismus, die auch die gesellschaftliche Zielsetzung in allen Teilbereichen oder Teilsystemen, auch im territorialen Bereich, zu bestimmen haben. Daraus ergeben sich sowohl Prioritäten, wie sie vor allem auch für die gesellschaftliche Entwicklung in den Territorien im sozialpolitischen Programm der Partei und im Fünfjahrplan festgelegt sind, als auch wesentliche Konsequenzen für die zunehmende Rolle der örtlichen Machtorgane, aber auch für die wachsende Verantwortung der Organe der Zweigleitung und der Betriebe, um eine solche komplexe, dieser Zielsetzung entsprechende Entwicklung im Territorium zu gewährleisten. Hier gibt es vor allem einen unmittelbaren organischen Zusammenhang zwischen der Herausbildung dieser neuen Inhalte in der staatlichen Leitung und Planung und der weiteren Gestaltung der sozialpolitischen Funktion der Volksvertretungen, in der die wachsende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei bei der Gewährleistung einer komplexen Entwicklung im Territorium im gesamtgesellschaftlichen Interesse und im Interesse aller Werktätigen im Territorium zum Ausdruck kommt. Wichtige Voraussetzungen wurden in dieser Richtung durch die Maßnahmen zur Verstärkung der führenden Rolle der Partei in den örtlichen Machtorganen (das neue Statut der Partei, wie bereits auch der Beschluß des Sekretariats des Z K vom 25. 10. 1972 über die Aufgaben der territorialen Parteileitungen zur Stärkung der örtlichen Machtorgane) zur Erhöhung des Anteils der Produktionsarbeiter unter den Abgeordneten und den Mitarbeitern des Staatsapparates und zum engeren Zusammenwirken der Volksvertretungen und ihrer Räte mit den Arbeitskollektiven und den gesellschaftlichen Organisa4
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tionen, besonders mit den Gewerkschaften, geschaffen, die darauf gerichtet sind, den politischen Einfluß der Arbeiterklasse bei der Entscheidung aller Probleme der Entwicklung in den Territorien zu verstärken und alle gesellschaftlichen Kräfte unter Führung der Partei zur gemeinsamen und somit einheitlichen und koordinierten Lösung der komplexen Aufgaben zu vereinigen. Die objektiven Erfordernisse komplexer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung im Territorium für den weiteren erfolgreichen Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft bedingen somit in spezifischer Weise Notwendigkeit und Richtigkeit des im Programm der Partei festgelegten Kurses zur weiteren Erhöhung der Rolle der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe in der gesellschaftlichen Leitung. Das dritte theoretische Problem, das hervorzuheben ist, besteht schließlich darin, daß die Spezifik der zunehmenden Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und Prozessen nur in dem Maße richtig zu erfassen und zu gestalten ist, in dem das Verhältnis von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung genauer analysiert und mit Hilfe der staatlichen Leitung und Planung erfolgreich gestaltet wird. Auf der einen Seite verstärkt sich in zunehmendem Maße die Abhängigkeit des gesamtgesellschaftlichen Fortschritts vom wirtschaftlichen Wachstum, vom wirtschaftlichen Fortschritt, erhalten die Entscheidungen auf wirtschaftspolitischem Gebiet und ihre Resultate immer größeres gesellschaftliches Gewicht, und die gesellschaftlichen Auswirkungen verlangen immer größere Sorgfalt und Voraussicht der Staats- und Wirtschaftsorgane. Andererseits wird die Dynamik und Stabilität des Wirtschaftswachstums in zunehmendem Maße von einer entsprechend proportionalen Ausbildung aller anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens beeinflußt. In der immer enger werdenden Wechselwirkung und Abhängigkeit der wirtschaftlichen und sozialen Prozesse in den Betrieben und im Territorium (vor allem in den Städten) tritt das besonders anschaulich in Erscheinung. Kein Betrieb, auch kein großes Kombinat ist in der Lage, seine modernen Reproduktionsbedingungen ohne immer engeres Zusammenwirken mit dem Territorium zu gewährleisten. Das macht insbesondere der enge Zusammenhang zwischen der Intensivierung in den Betrieben und den Maßnahmen territorialer Rationalisierung sehr deutlich. Ebensowenig aber ist eine planvolle Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens in den Städten und Gemeinden denkbar ohne das enge Zusammenwirken mit den verschiedenen, den örtlichen Organen nicht unterstellten oder auch unterstellten Betrieben und Einrichtungen, die ja die wichtigsten stadtbildenden und -entwickelnden Faktoren darstellen und folglich die komplexe Entwicklung im Territorium entscheidend beeinflussen. Aus diesem Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und der Notwendigkeit, ihn zunehmend effektiver zu gestalten, resultiert vor allem die Notwendigkeit, die Komplexität in der Planung und ihre wissenschaftliche Fundierung zu verstärken und durch die Erweiterung des Rahmens, vor allem im Hinblick auf die sozialen Prozesse, „immer mehr von der Planung der Volkswirtschaft zur Planung der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung" überzugehen. Die in der Sowjetunion mit der sich entwickelnden Sozialplanung gewonnenen theoretischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen bilden dabei für uns einen wichtigen theoretischen und praktisch-politischen Ausgangspunkt. Sie werden von uns entsprechend unseren konkret-historischen Bedingungen, dem erreichten Entwicklungsniveau und der Größe unseres Landes und unter Berücksichtigung unserer eigenen Erfahrungen und Traditionen der Planung bei der weiteren schrittweisen Vervollkommnung der Leitung und Planung schöpferisch angewandt. Wesentlich ist hier vor allem, daß Zielstellung und
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Konzeption der Sozialplanung in der UdSSR und der Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung der Planung in der D D R im Sinne einer immer engeren Verbindung der wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen, sozialpolitischen und ideologischen Faktoren in einem einheitlichen, langfristig orientierten Planungsprozeß völlig übereinstimmen. Die in sowjetischen Industriebetrieben bei der betrieblichen Sozialplanung gewonnenen Erfahrungen tragen bei uns in zahlreichen Betrieben und Kombinaten zu einem verstärkten komplexen Herangehen an die Leitung und Planung der eng miteinander verflochtenen wissenschaftlich-technischen, wirtschaftlichen und sozialen Prozesse bei und fördern die Qualifizierung der betrieblichen Planung-, vor allem auf solch wichtigen Gebieten wie der Planung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen, des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens und der wissenschaftlichen Organisation der Arbeit. Damit entsteht zugleich eine neue Grundlage für eine komplexe gesellschaftliche Planung in den Territorien, in den Städten und Kreisen. So werden in einigen Großbetrieben und Kombinaten, wie beispielsweise ausgehend von den Erfahrungen der Sozialplanung in Leningrad, in dem hier bereits angeführten Stammbetrieb des Rohrkombinates Riesa und weiteren Betrieben dieser Stadt, ausgehend von der Bestimmung der ökonomischen Perspektive des Werkes in diesem Zeitraum, bereits komplexe Programme der sozialökonomischen Entwicklung der Kollektive der Werktätigen in den Jahren 1976-1980 ausgearbeitet. Im Rohrkombinat Riesa liegt diesem Programm eine eingehende Trendanalyse der ökonomischen Entwicklung und wichtiger Seiten der sozialen Entwicklung des Betriebskollektivs in den Jahren 1970-1975 zugrunde. Das sind reale Grundlagen des hier für die Stadt und den Landkreis Riesa erstmals unternommenen Versuches einer komplexen Planung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Territorium. Aber auch die in allen Großbetrieben und fast allen Landkreisen unter Führung der Kreisleitungen der Partei ausgearbeiteten und von den Volksvertretungen beschlossenen Programme zur territorialen Rationalisierung enthalten viele Züge, die mit den Erfahrungen sowjetischer Sozialplanung übereinstimmen. Und man sollte bei dem Versuch, die territoriale Rationalisierung in den Kreisen wieder stärker auf wirtschaftliche und technologische Maßnahmen zu konzentrieren, wie das von Ökonomen vorgeschlagen wird, unbedingt diesen Umstand in Rechnung stellen. Auf jeden Fall aber, wie sie auch im Konkreten auf die Vervollkommnung unserer Planungsarbeit in den Territorien einwirken, muß man die positiven Wirkungen der sowjetischen Sozialplanung in unserer Praxis hervorheben, weil sie uns die Bedeutung des mit ihr eingeschlagenen Weges auch für uns und die anderen sozialistischen Bruderländer bestätigen als Ausdruck eines gesetzmäßigen Prozesses in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. W a s nun den Mechanismus und die Subjekte komplexer Leitung der wirtschaftlichen und sozialen Prozesse im Territorium anbelangt, so muß man, ausgehend von unseren praktischen Erfahrungen, zumindest zwei Aspekte des Problems hervorheben. Erstens ist für die Planung sozialer Prozesse in der D D R charakteristisch, daß die Lösung aller damit verbundenen Fragen im Rahmen der einheitlichen staatlichen Planung mit ihrer weiteren Qualifizierung erfolgt. Zweitens kann dabei von einer klaren Bestimmung und Abgrenzung der Funktionen der Warenproduzenten, der Organe der Wirtschaftsleitung und der örtlichen Staatsorgane bei der komplexen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Territorium ausgegangen werden, die in Übereinstimmung mit der Verfassung der DDR vom 7. 10. 1974 mit der Gesetzgebung über den Ministerrat, über die Organe der Zweigleitung und über die 4*
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örtlichen Staatsmachtorgane erfolgt ist. Wenn gesagt ist, daß die Lösung aller Fragen der sozialen Planung in den Fünfjahrplänen und Jahresplänen und im Rahmen des einheitlichen Systems gesamtgesellschaftlicher Planung zu erfolgen hat, so bedeutet das, daß es nicht darum gehen kann, eine von der volkswirtschaftlichen Planung und ihren Plandokumenten unabhängige Planung mit gesonderten Sozialplänen zu entwickeln. Sie erfolgt vielmehr auf dem Wege der tieferen sozialen Durchdringung und Begründung aller Pläne und Planteile und deren zunehmende Komplexität. Der schrittweise Ausbau der langfristigen Planung und die Ausarbeitung von Fünfjahrplänen in ausgewählten Großbetrieben sowie in den Bezirken und Kreisen schafft wichtige Voraussetzungen für eine effektivere Planung sozialer Prozesse in ihren untrennbaren Zusammenhängen mit der Entwicklung der Volkswirtschaft. Was die komplexe Planung der gesellschaftlichen Entwicklung in den Territorien anbelangt, so muß man hinsichtlich ihrer Einordnung in das gesamtgesellschaftliche Planungssystem m. E. davon ausgehen, daß diese nicht allein durch die örtlichen Staatsmachtorgane sozusagen für ein „territoriales Teilsystem" erfolgen kann. Die objektiven Verflechtungen der verschiedenen Zweige, Bereiche und Prozesse bestehen ja nicht nur in horizontaler Hinsicht innerhalb der einzelnen territorialen Einheiten und zwischen ihnen. Sie bestehen und intensivieren sich vor allem auch in vertikaler Richtung sowohl innerhalb der einzelnen Zweige und Bereiche wie auch zwischen gesamtgesellschaftlicher Planung und der Planung in den Territorien bis hin zu deren Verflechtung mit den Prozessen der sozialistischen ökonomischen Integration. Daraus folgt, daß Subjekt komplexer Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung nicht nur die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe sind, sondern ebenso auch Organe der zentralen Leitung und Planung, von denen wichtige Prozesse und Voraussetzungen komplexer Entwicklung in den Territorien geplant und geleitet werden. In diesem Zusammenhang sind hervorzuheben: - die Erarbeitung langfristiger Konzeptionen der Zweige, die, mehr oder minder bereits abgestimmt mit den Erfordernissen der sozialistischen ökonomischen Integration, nicht nur wichtige Bedingungen für eine komplexe wirtschaftliche und soziale Planung schaffen, sondern auch selbst wichtige soziale Gesichtspunkte enthalten wie notwendige Veränderungen im» Charakter der Arbeit und den Arbeitsinhalten, Vorbereitung der Werktätigen auf künftige Aufgaben und andere für die Entwicklung der Werktätigen und ihre Kollektive wichtige soziale Fragen; - die Ausarbeitung und Verwirklichung komplexer Entwicklungsprogramme wie das Kohle- und Energieprogramm, das Wohnungsbauprogramm, die gerade und für die komplexe Leitung und Planung in den Territorien große praktische Steuerungswirkungen besitzen; - die Ausarbeitung und Realisierung territorial (insbesondere mit den Räten der Bezirke) abgestimmter Objektprogramme zur Sicherung bestimmter volkswirtschaftlicher Großvorhaben, die komplexen gesellschaftlichen Charakter tragen und die zusammen mit den wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Aufgaben in bedeutendem Maße auch die sozialen Voraussetzungen und Konsequenzen (gesellschaftliches Arbeitsvermögen, Wohnungsbau etc.) dieser volkswirtschaftlichen Maßnahmen, insbesondere der territorialen Einordnung der damit verbundenen Investitionen, zum Inhalt haben. Was die Leitungsverantwortung für die komplexe Entwicklung auf den territorialen Ebenen selbst anbelangt, so muß man von der in der bereits angeführten Gesetzgebung
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fixierten differenzierten Regelung der Funktionen und der Verantwortlichkeit der Betriebe, Kombinate, Genossenschaften, der V V B und der örtlichen Machtorgane ausgehen. Die leitungsmäßige Lösung für eine komplexe wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Territorien kann deshalb nicht in einer Rückkehr zu früheren Vorstellungen von einer „komplex-territorialen Planung" durch die örtlichen Organe gefunden werden. Sie muß vielmehr die tatsächliche Arbeitsteilung, die es hier gibt und die sich in den entsprechenden gemeinsamen Verantwortlichkeiten der o. g. Subjekte ausdrückt, in Rechnung stellen. Die prinzipielle Richtung der Gesetzgebung über die örtlichen Machtorgane wie über die Betriebe, Kombinate und V V B zielt deshalb zutreffend auf die koordinierte Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortlichkeiten und die weitere Ausgestaltung der koordinierenden Funktionen der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte bei der Gewährleistung einer abgestimmten, komplexen gesellschaftlichen Gesamtentwicklung in den Territorien.
Anmerkungen 1 2 3
W . I. Lenin: Direktive des Rates für Arbeit und Verteidigung an die örtlichen Sowjetinstitutionen, Entwurf, W e r k e Bd. 32, Berlin 1 9 6 1 , S. 4 0 3 , 4 0 4 . A l l e folgenden Angaben s. ebenda. Bericht des Z K an den IX. Parteitag der SED, Berichterstatter Gen. Erich Honecker, Berlin 1 9 7 6 , S. 1 2 6 . Vgl. K . Hager: D e r IX. Parteitag und die Gesellschaftswissenschaften, Berlin 1 9 7 6 , S. 13.
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Hans-Jürgen Schmalfeldt
Zu einigen ideologischen Problemen bei der komplexen territorialen Rationalisierung
im Zusammenhang mit den noch bestehenden Reserven auf dem Gebiet der komplexen territorialen Rationalisierung fordert die Parteiführung zu Recht, daß umfassender und qualifizierter als bisher die ideologischen Probleme, welche in den ökonomischen Aufgaben stecken, erkannt und geklärt werden. Dabei geht es darum, die sozialistischen Produktionsverhältnisse vom Standpunkt sozialistischer Eigentümer her voll im gesellschaftlichen Interesse zu nutzen. Diese Forderung scheint auf den ersten Blick auch völlig logisch, aber in der Praxis ihrer Umsetzung, im täglichen Leben zeigen sich doch noch eine Reihe echter dialektischer Widersprüche. Ich möchte im folgenden versuchen, aus unseren Erfahrungen heraus einige dieser Probleme darzulegen und unsere Lösungswege und Ergebnisse dabei aufzuzeigen : Unsere ersten Erfahrungen sammelten wir bei der Durchsetzung der Aufgabenstellung zur Schaffung einer Poliklinik für alle Bevölkerungskreise von Kirchmöser und z. T . auch Plaue und Wusterwitz aus der Entwicklung unseres Betriebsambulatoriums durch Kooperation zwischen unserem Betrieb, dem M D V , und dem staatlichen Gesundheitswesen Brandenburg. Wir waren der Meinung, daß es sowohl volkswirtschaftlich effektiver als auch für alle Beteiligten vorteilhafter ist, wenn die medizinische Versorgung zum Wohn- und Arbeitsort des Patienten kommt statt umgekehrt. Dabei dachten wir vor allem an die 2 7 2 - 3 Stunden Fahr- und Ausbleibzeit von Kirchmöser bzw. Plaue nach Brandenburg und zurück, die jeder Patient im Durchschnitt aufbringen mußte, um seine medizinische Betreuung zu sichern. Das sich die kooperative Zusammenarbeit zur besseren medizinischen Versorgung der Bevölkerung bewährt hat, verdeutlicht folgende Übersicht: 1969 - vor der Kooperation - erfolgten durchschnittlich etwa 15 000 Patientenbehandlungen. Im Zeitraum 1 9 7 1 - 1 9 7 5 - seit Bestehen der Kooperationsbeziehungen - erhöhten sich die durchschnittlichen jährlichen Behandlungszahlen auf etwa 30 000 bzw. auf maximal 38 000 ärztliche Konsultationen und Behandlungen als Spitzenleistung. Das bedeutet, daß bei 15 000 ärztlichen Konsultationen, die früher mit einer aufwendigen Fahrt nach Branden. bürg verbunden waren, 30 000 bis 40 000 Ausbleibestunden jährlich vermieden werden konnten. Nun könnte man angesichts dieser positiven Ergebnisse sagen, was es eigentlich im Hinblick auf die Umsetzung solcher Ideen des gemeinsamen Miteinanders für ideologische oder sonstige Probleme gegeben haben könnte? Müßten nicht alle Beteiligten von vornherein mit großer Begeisterung die Umsetzung dieser Zielsetzung begrüßt und aktiv gefördert haben? Nun, da gab es sowohl objektive als auch subjektive Probleme und Vorbehalte. So hatten z. B. vorher Ärzte und mittleres medizinisches Personal aus den zwei Bereichen des Gesundheitswesens der D D R , d. d. des M D V und des kommunalen Gesundheitswesens,
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nie in einer betriebseigenen Einrichtung dieser A r t zusammengearbeitet. Weiterhin gab es noch keine gemeinsame Grundmittelnutzung zugunsten des betrieblichen und kommunalen Gesundheitswesens in unserem Verantwortungsbereich. D a m i t tauchte die F r a g e auf, wie diese Poliklinik als kooperative Einrichtung von B e t r i e b und Territorium gestaltet werden muß, um im Sinne der Zielsetzung die materiell-technischen Voraussetzungen für eine qualifizierte A r b e i t zu sichern, welche anderen Leitungsprobleme werden sich zeigen, d. h. wer wird eigentlich was und wem zu sagen haben, da zur gleichen Zeit und am gleichen O r t K a d e r aus zwei unterschiedlichen Struktureinheiten so echt sozialistisch ohne formale Ordnungs- und Strukturschranken wirksam werden müssen? nahmen wir z. B . an, d a ß es kein Problem sein dürfte
So
mehrere Laboratorien, die in
einem G e b ä u d e k o m p l e x untergebracht waren, zusammenzuschließen. Diesen Vorstellungen wurde jedoch entgegengehalten, d a ß jedes L a b o r eine spezifische Aufgabenstellung habe und die K r ä f t e dementsprechend spezifisch qualifiziert seien. E r s t nach einigen vergeblichen Versuchen, die echten Sachstände zu ergründen, konnten wir das Grundproblem ermitteln - so gab es für die jeweils 2l'i
bis 3 V b E je L a b o r
jeweils lt. Stellenplan eine Leiterin, und es stellten sich die Fragen nach der neuen Stellenplansituation und der zu treffenden Kaderauswahl bei der Besetzung der Leiterplanstelle u. ä. E r s t nach K l ä r u n g der neuen Leitungsfunktionen, der Struktur, der Arbeits- und E n t lohnungsbedingungen verschwanden plötzlich die vorher angeblich so schwierigen und fast unlösbar erscheinenden Sachfragen. Inzwischen sind auch die Entscheidungsbefugnisse von M D V und kommunalem Gesundheitswesen des Territoriums auf Grund der täglichen Arbeitspraxis richtig eingeordnet und die ökonomischen Belastungen auf alle Beteiligten planmäßig verteilt. Ähnliche Erfahrungen haben wir seit 1 9 7 3 bei der Kooperation mit dem M ö b e l k o m b i n a t „neuzera" gemacht. H i e r ging e s ' darum, unsere spezifischen Leistungskapazitäten
zu-
gunsten des Betriebsteiles Kirchmöser des Möbelkombinates, d. h. für die sogenannte B e schickungsanlage, produktivitätssteigernd einzusetzen, ohne selbst ein eigenes Sortiment an Konsumgütern zu entwickeln. W i e war der Zustand v o r der Kooperation im Betriebsteil Kirchmöser? D i e Arbeitsmittel waren veraltet. E s war ein außerordentlich hoher Transportaufwand notwendig. E s fehlten vor allem für die 2. Schicht Transportarbeiter und Facharbeiter für die Instandsetzung. D i e Einsicht und Überzeugung, d a ß rationalisiert werden müßte, war vorhanden. J e d o c h gab es keine Vorstellungen, wie man das in den Griff bekommen könnte. D i e Erarbeitung einer Analyse verdeutlichte nochmals die Schwerpunkte unserer aktiven E i n f l u ß n a h m e : -
Aufbereitung der Transporttechnologie,
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Konstruktion und Fertigung von spezifischen Transportmitteln,
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Einsatz von Arbeitskräften im Transport im 2-Schicht-System, speziell zum Abfangen von Transportbelastungsspitzen, die bei E i n g a n g des schweren Plattenmaterials per L k w vor allem in der 2. Schicht ständig auftreten,
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Einsatz unserer "rund um die U h r " arbeitenden Instandsetzungsmeistereien bei auftretenden Schäden und Havarien zugunsten „neuzera".
Z u r Verwirklichung dieser Aufgabenstellung kam es zuerst darauf an, ausgehend vom Leitungskollektiv auch die Masse der Werktätigen von unserer Verantwortung für die Fertigung von Konsumgütern zu überzeugen und in ihnen die Bereitschaft zu wecken, die Lösung der A u f g a b e n im Arbeitsbereich „neuzera" als T e i l unserer Verantwortung der Arbeiterklasse zur Umsetzung der Beschlüsse von Partei und Regierung zu erkennen und
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entsprechend zu handeln. Da auch wir keine zusätzlichen Arbeitskräfte aus irgendwelchen „schwarzen Kisten" zaubern können, mußten also vor allem die produktionsvorbereitenden Abteilungen ständig und langfristig Arbeitskräfte zur Lösung der Aufgaben in den Bereich Transport und Beschichtungsanlage „neuzera" delegieren. Das geschah unter wesentlich schwereren und komplizierteren Arbeitsbedingungen von der Umwelt her, als das in unserem Betrieb üblich ist. Dementsprechend gab es auch solche Diskussionen wie: „Was haben wir mit ,neuzera' zu tun?" „Warum müssen wir ausgerechnet die schwersten und unangenehmsten Arbeiten machen?" „Soll ,neuzera' doch erst einmal die Arbeitsund Lebensbedingungen verbessern!" „Warum gehen wir überhaupt nach ,neuzera' und warum produzieren wir nicht unsere eigenen Massenbedarfsgüter?" Dazu kam, daß unser neuer Kooperationspartrier sich in der ersten Zeit auf den Standpunkt stellte, daß es unsere Aufgabe sei, die Rationalisierungsprobleme zu lösen. Wir mußten daher erst im eigenen Leitungskreis klären, daß es nicht darum ging, irgendwelche Konsumgüter zu fertigen, sondern entsprechend der Orientierung von Partei und Regierung die spezifischen Bedarfslücken - und dazu gehörten und gehören ja Möbel schnell zu schließen, und zwar mit hoher Qualität und Effektivität. Es mußte Klarheit darüber geschaffen werden, daß es den Aufgaben der territorialen Rationalisierung entspricht, wenn mit den entwickelten technischen Kapazitäten eines großen Produktionsbetriebes den bisher zurückgebliebenen Klein- und mittleren Betrieben und neuentwikkelten Kombinaten helfen, den Rückstand auf dem Gebiet der technologischen Arbeitsbedingungen zu beseitigen. Seit dem Jahre 1972 konnte als Erfolg unseres kooperativen Zusammenwirkens durch die Sicherung des durchgängigen 2-Schicht-Betriebes, der Investition einer Kurztaktpresse durch das Kombinat und einer Reihe von uns entwickelten Rationalisierungsmaßnahmen die Produktionskapazität in der Beschichtungsanlage fast um 100% Prozent gesteigert werden. Das entspricht ungefähr der Menge an beschichteten Platten, die man für die Herstellung von etwa 6500 Schrankwänden ä 4 m pro Jahr benötigt. Auf ähnlicher Basis wie diese Vorhaben ist inzwischen die geordnete Deponie in Kirchmöser auf der Grundlage des Landeskulturgesetzes durch uns geklärt worden. Weiterhin wurde z. B. die Fernwärmeversorgung für den gesamten Komplex „Platz der Einheit" von 135 W E , d. h. für über 400 Bürger, im Ergebnis rationeller Energieverwendung unseres Kraftwerkes realisiert. Durch zahlreiche Einzelvorhaben der Rationalisierungsmittelfertigung wurde für eine Reihe von Brandenburger Betrieben Hilfe bei der Lösung ihrer Planaufgaben geleistet. Im Hinblick auf die Durchsetzung der Einheit von Ideologie und Ökonomie sowie der richtigen Einordnung der territorialen Rationalisierung in das System der sozialistischen Planung und Leitung ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: - Es muß unter Führung der Parteiorganisation des Betriebes ein eindeutiger und einheitlicher Standpunkt zur Durchsetzung der territorialen Rationalisierung für alle leitenden Kader und alle Funktionäre erarbeitet werden. - Die jeweiligen Möglichkeiten der territorialen Rationalisierung sind vorher umfassend und exakt in Hinblick auf ihre echte Effektivität und Realisierbarkeit zu untersuchen und die beeinflussenden Faktoren zu ermitteln, d. h. Aufwand und Ergebnis müssen weitgehend aussagefähig sein und die Effektivität klar erkennen lassen. - Es sind eingehend die ideologischen Probleme, die sich aus der Umsetzung ergeben, nicht nur für die beteiligten Leitungen, sondern speziell für die durch die Maßnahmen direkt beeinflußten Werktätigen zu analysieren, darzustellen und mit diesen Kollegen 52
zu beraten. Aus unseren Erfahrungen ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: Alle direkt Beteiligten sind möglichst frühzeitig in den Prozeß der Entscheidungsfindung einzubeziehen und an ihm zu beteiligen. - Arbeitsrechtliche und leitungsspezifische Probleme sind zu analysieren und vorrangig einer Klärung zuzuführen. Es sollte im Prinzip gerade in dieser Hinsicht nicht einem späteren Zeitpunkt überlassen bleiben, über solche Entscheidungen zu befinden. - D i e Maßnahmen der territorialen Rationalisierung sind weitgehend in unser System der staatlichen Leitung und Planung so einzubeziehen, daß konkrete schriftliche Vereinbarungen über die materielle und ökonomische Zielstellung der Maßnahmen, die Verantwortlichkeit in leitungsmäßiger Hinsicht, in ökonomischer Hinsicht usw. langfristig konzipiert werden, d. h. der Grundsatz ist durchzusetzen, daß Maßnahmen der territorialen Rationalisierung weitgehend innerhalb und nicht neben oder außerhalb des betrieblichen und staatlichen Planungssystems umgesetzt werden. Diese Aufgabenstellung muß voll in die betriebliche Wettbewerbszielstellung und -abrechnung eingefügt werden. - E s muß eine kontinuierliche Berichterstattung gesichert werden. Wir haben die Feststellung gemacht, daß der Informationsverlust und der Bewußtseinsverschleiß in Hinblick auf die Anerkennung gerade solcher Aufgabenstellungen außerordentlich ist. Wir sehen das daran, daß wir noch nach 4 Jahren mit einer Reihe von Kollegen immer wieder über die Notwendigkeit des Einsatzes bei „neuzera''* oder für „neuzera" und der Fertigung von Rationalisierungsmitteln für das Territorium usw. diskutieren müssen. Bewährt hat sich in diesem Zusammenhang, daß die am gemeinsamen Vorhaben Beteiligten auch durch die jeweils verantwortlichen Leiter zu den Auswertungen der Planergebnisse hinzugezogen werden und ihre Tätigkeit sowohl durch die Kombinatsleitung als auch durch das örtliche staatliche Organ anerkannt wird. Ich denke, diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, um die in unseren sozialistischen Produktionsverhältnissen, in unserem gesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln liegenden ökonomischen Reserven zum Wohle unserer Werktätigen zu erschließen. Der Schritt von der Behandlung des gesellschaftlichen Eigentums als Gruppeneigentum zur echten volkswirtschaftlichen gesellschaftlichen Verwertung ist dabei eine bedeutsame ideologische Frage.
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Ellenor Oehler
Komplexe territoriale Entwicklung und Schutz der Umwelt
Mit der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der D D R erlangen entsprechend den Beschlüssen des IX. Parteitages der SED Schutz, Gestaltung und rationelle Nutzung der Natur als Lebens- und Produktionsgrundlage wachsendes Gewicht. Im Programm der SED kommen die weitreichenden politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Erfordernisse der Umweltpolitik in folgenden verpflichtenden Feststellungen zum Ausdruck: „Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands tritt für den1 Schutz der natürlichen Umwelt und ihre Gestaltung im Interesse der Werktätigen und einer effektiven Volkswirtschaft ein. Insbesondere die Industriebetriebe, die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und volkseigenen Güter haben dazu einen großen Beitrag zu leisten. Die Natur als Quell des Lebens, des materiellen Reichtums, der Gesundheit und der Freude der Menschen zu erhalten, rationell, auf wissenschaftlicher Grundlage zu nutzen ist notwendig, damit sie dem gesicherten und glücklichen Leben kommender Generationen in der kommunistischen Gesellschaft dienen kann. Durch wirksame gesellschaftliche Anstrengungen zum Schutz des Bodens, zur Reinhaltung von Luft und Wasser sowie zur Verhinderung des Lärms werden bessere Bedingungen für Arbeit und Freizeit geschaffen." 1 Die Verwirklichung dieser Anforderungen schließt ein, die Umweltaufgaben in die komplexe territoriale Entwicklung weitergehend zu integrieren. Das ergibt sich vor allem aus folgenden objektiv bedingten Zusammenhängen: - Die Naturressourcen, deren rationellste Nutzung und deren Schutz zu gewährleisten ist, gehören zu den territorialen Ressourcen. Territorial gebunden und umfangmäßig begrenzt, unterliegen sie bereits einer intensiven Nutzung. Die Beanspruchung für die vielfältigen wirtschafts- und sozialpolitischen Erfordernisse nimmt aber zu. Die naturgegebene Möglichkeit ihrer komplexen, mehrfachen, gleichzeitigen oder nacheinander folgenden Nutzung als Faktor der Intensivierung der Ressourcenwirtschaft umfassender wirksam zu machen, ist daher ein wichtiges Anliegen der Leitung und Planung der komplexen territorialen Entwicklung. - Die von Natur gegebene Dauerhaftigkeit vieler Naturressourcen, die ökologischen Wechselwirkungen im Naturhaushalt sowie die zeitlich weitreichenden Folgewirkungen von Beeinflussungen der Natur durch den gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozeß erfordern die Beachtung dieser Aspekte, vor allem bei der Vervollkommnung der langfristigen Planung der Entwicklung der Territorien. - Umweltschutz und Umweltgestaltung dienen der ständigen Verbesserung der Arbeitsund Lebensbedingungen der Werktätigen. Die gesellschaftlichen Anstrengungen zur Lösung der Umweltaufgaben werden dabei vorrangig auf die industriellen Ballungs-
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gebiete als Zentren der Arbeiterklasse gerichtet, um hier spürbare Verbesserungen bei hoher volkswirtschaftlicher Effektivität der eingesetzten Mittel zu erzielen. — Höchste wirtschaftliche und soziale Ergebnisse bei der Errichtung von Anlagen zum Umweltschutz und bei der Verwirklichung anderer Umweltaufgaben sind nur bei voller Nutzung der Vorteile territorialer Konzentration und Koordinierung und des gemeinsamen Einsatzes der Mittel von Betrieben und Territorien zu erzielen. — Große Bedeutung kommt zur Bewältigung der Umweltaufgaben der Aufdeckung und Nutzung aller örtlichen Reserven und der breiten Entfaltung der Initiativen der Werktätigen in den Territorien zu. Immer stärker sichtbar werden die Wechselbeziehungen der Naturnutzung für die wirtschaftliche Entwicklung und für die sozialen Zielstellungen der Gesunderhaltung und Erholung der Werktätigen. Dabei bringen die volkswirtschaftlichen Prozesse industrieller Ballung und Konzentration mit ihren auch für den Umweltschutz vorteilhaften ökonomischen Wirkungen zugleich besondere Umweltprobleme der Städte mit sich: z. B. Luft- und Gewässerreinhaltung, Eindämmung des Industrie- und Verkehrslärms, Verwertung und Beseitigung von Abprodukten. Andererseits unterstützen Umweltschutz und Umweltgestaltung die sozialen Prozesse der Angleichung der Lebensbedingungen auf dem Lande an die der Stadt, der immer besseren Befriedigung der grundlegenden Lebensbedürfnisse aller Bürger. Zugleich mit dem Wohnungsbauprogramm wird auf die Gestaltung einer gesunden Umwelt in allen Wohngebieten orientiert. Naherholungsgebiete entstehen unter Nutzung örtlicher Reserven und Möglichkeiten in den Städten und in den Dörfern. Die Natur wird für die Erholung immer weiter nutzbar gemacht. Mit der komplexen Entwicklung der Territorien - eingeordnet in die zunehmende Komplexität und Verflechtung aller gesellschaftlichen Beziehungen - gilt es, diese vielfältigen Wechselbeziehungen immer besser auf wissenschaftlicher Grundlage zu beherrschen. Dabei bleiben solche wichtigen Prinzipien des Landeskultugesetzes, wie die langfristig orientierte komplexe Lösung von Umweltaufgaben als Teil der planmäßigen Gesamtentwicklung der Zweige und Territorien, das schrittweise Vorgehen entsprechend den ökonomischen Möglichkeiten und Entwicklungsbedingungen, die Konzentration der Mittel und Kräfte auf Schwerpunkte, die gemeinsame Verantwortung aller Staats- und Wirtschaftsorgane, Betriebe, Genossenschaften und Einrichtungen, der Ausschüsse der Nationalen Front und der gesellschaftlichen Organisationen sowie der Bürger, bestimmend. Wie in der Präambel des Landeskulturgesetzes festgelegt, sind die Umweltaufgaben unter Verantwortung der Volksvertretungen als gemeinsame Aufgabe aller planmäßig zu verwirklichen. Für die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe gilt der verpflichtende Grundsatz, „auf der Grundlage der Pläne und durch die Nutzung der vielfältigen örtlichen Bedingungen" 2 die Umweltaufgaben planmäßig zu realisieren. Im folgenden soll auf einige ausgewählte aktuelle Problemstellungen etwas näher eingegangen werden. Die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung einer rationellen Ressourcennutzung wurde sowohl auf dem IX. Parteitag der SED als auch erneut auf der 5. Tagung des ZK der SED unterstrichen. Das bezieht sich auch auf die Naturressourcen. Insbesondere die einheimischen mineralischen Rohstoffe, die Wasserressourcen, die Bodenfläche, die Wald- und Holzressourcen usw., deren rechtzeitige Erkundung und Bilanzierung sowie die rationelle, verlustarme Nutzbarmachung stellen wichtige Erfordernisse der Intensivierung der volkswirtschaftlichen Produktion dar. Aus der Sicht der komplexen territorialen Entwicklung erlangen diese Aufgaben in der langfristigen kon55
zeptionellen Arbeit der Partei- und Staatsorgane in den Territorien immer stärkeres Gewicht. So heißt es im Referat des Genossen Junker auf der 5. ZK-Tagung: „Auf lange Sicht bleiben mineralische Baustoffe aus einheimischen Rohstoffen und Sekundärrohstoffen die entscheidende Materialgrundlage für das Bauwesen. Mit einem Produktionsumfang von rund 160 Millionen Tonnen im Jahre 1980 ist die Baumaterialindustrie der zweitgrößte Zweig in der Rohstoffgewinnung unserer Volkswirtschaft. Das erfordert, dem ausreichenden Vorlauf in der geologischen Erkundung und der maximalen Ausnutzung der Lagerstätten besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden." 3 Für die staatliche Leitung ergeben sich aus dieser Zielstellung komplizierte Aufgaben für die Einordnung der Erkundung und Erschließung der Naturressourcen in die langfristige Planung, für die Sicherung ihrer Vorrangnutzung durch Vorbehalts- und Schutzgebietserklärungen und für die Realisierung einer volkswirtschaftlich effektiven Mehrfachnutzung der Naturreichtümer. In der leitungsmäßigen Beherrschung dieser Prozesse liegen noch große volkswirtschaftliche Reserven. So haben z. B. Erkundungen hinsichtlich nutzbarer Sandvorkommen für die Sicherung des Wohnungsbauprogrammes gezeigt, daß ein großer Teil der ermittelten Lagerstätten durch Überbauung und andere Nutzungen für eine Erschließung bereits blockiert sind, da in den Vorjahren ein nicht genügend komplexes Herangehen bei der Vorbereitung der entsprechenden Investitionen die mögliche Nutzung dieser Sandlagerstätten außer Acht gelassen hat. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Probleme der Materialökonomie im Zusammenhang mit dem Anfall von Abprodukten. Es geht hier um die Entwicklung und Verwirklichung solcher technologischer Lösungen der Produktionsprozesse, die die Entstehung von umweltbelastenden Abprodukten verhindern bzw. die volkswirtschaftlich effektive Wiederverwendung der Abprodukte als Sekundärrohstoffe sichern. Das sind wichtige Aufgabenstellungen zur Realisierung der Umweltpolitik als Teil der komplexen territorialen Entwicklung. Genosse Erich Honecker betonte auf dem 5. Plenum im Zusammenhang mit der Behandlung der Rohstoffprobleme: „Wichtige Reserven - die Sekundärrohstoffe - befinden sich allerdings schon über der Erde. Die geplanten Maßnahmen zur Erweiterung und Rekonstruktion der Anlagen durchzuführen, mit denen wir ihre ständig wachsenden Mengen verwerten, und darüber hinaus zusätzliche Möglichkeiten zu erschließen - das ist volkswirtschaftlich notwendig. Sekundärrohstoffe sind unsere billigsten Rohstoffe." 4 Bisher wird aber nur ein Teil der verwertbaren Abprodukte als Sekundärrohstoffe wieder nutzbar gemacht Noch immer werden umfangreiche Flächen für Deponien der industriellen und kommunalen Rückstände in Anspruch genommen und wertvolle Mittel für die Anlage und Wartung dieser Deponien gebunden. Einer der Gründe hierfür liegt in der nicht genügenden Beherrschung der erforderlichen Koordinierungsprobleme (Bilanzierung des Sekundärrohstoffaufkommens und -bedarfs, Schaffung gemeinschaftlicher Verwertungsanlagen verschiedenster beteiligter Bereiche usw.). Die Verwertung scheitert mit an ungenügenden Informationsbeziehungen und „Ressortschranken". Erfahrungen zeigen, daß auf diesem Gebiet - wie beim Umweltschutz überhaupt - über die Investitionskoordinierung zur Schaffung von Gemeinschaftsanlagen und durch andere Maßnahmen der territorialen Rationalisierung hohe volkswirtschaftliche Effekte zu erreichen sind und gleichzeitig damit zur Lösung wichtiger Umweltaufgaben in den Territorien im Interesse der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen beigetragen werden kann. Wichtige Leitungserfordernisse der komplexen territorialen Entwicklung sind auch »mit den sozialpolitischen Aufgabenstellungen des Umweltschutzes und der Umweltgestaltung 56
verbunden. Ich möchte als Beispiele die verstärkte Erschließung, Entwicklung und Erhaltung von Landschaften für die Erholung nennen, sowohl für die Naherholung als auch für die Ferienerholung. Darin sind solche Fragen eingeschlossen wie die Gewährleistung der Erholung für alle Bürger an den Gewässerufern und auf den Gewässern, die Standortpolitik für den Bungalowbau, das Zeltplatz- und Campingwesen, Ordnung und Sauberkeit in den Erholungswäldern, wobei die Nutzung der Formen der Gemeinschaftsarbeit, vor allem in den Gemeindeverbänden und in Zweckverbänden und die Bildung von Interessengemeinschaften wachsende Bedeutung erlangt. Hervorgehoben sei weiterhin die Gestaltung und Pflege sowie Verschönerung der Wohngebiete und städtischen Grünanlagen, die Entwicklung der Kleingartenanlagen zu Kleingartenparks, verbunden mit der maximalen Erhaltung von Bäumen bei Baumaßnahmen. Auch auf diese Problemstellungen hat die Partei wiederholt hingewiesen. Hieraus ergeben sich vielfältige Aufgaben für die Wettbewerbsbewegungen, insbesondere für die Aktivitäten im Mach-mit-Wettbewerb und im Kampf um die Anerkennung als Bereich vorbildlicher Ordnung und Sauberkeit. Diese Probleme beinhalten zugleich wichtige Erziehungsaufgaben zur Herausbildung eines sozialistischen Umweltverhaltens aller Bürger. Eine leitungsrelevante Problemstellung der komplexen territorialen Entwicklung ist weiterhin das Erfordernis der Einordnung der Umweltaspekte in die verschiedensten langfristigen Planungsinstrumentarien, der Integration einer sich herausbildenden „Landschaftsplanung" in die wirtschaftliche und soziale Gesamtplanung in den Territorien. So z. B. in die Generalverkehrs- und Generalbebauungsplanung, in die Programme und Entwicklungspläne, wobei es vor allem auch um die Einordnung der speziellen „landeskulturellen" Planungsinstrumente wie Entwicklungspläne für Vorbehaltsgebiete, Landschaftspflegepläne, Sanierungsprogramme, Grenzwertvorgaben für Umweltbeeinflussungen, Programme für Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen, langfristige Bodennutzungsverträge geht. Die komplexe Gestaltung von Bergbaufolgelandschaften, wie z. B. der Senftenberger Seenlandschaft, an der über Jahrfünfte viele Wirtschaftszweige und Bereiche beteiligt waren und sind, demonstrieren anschaulich die Komplexität dieser Aufgabenstellungen der Planung, aber auch die hohen Ergebnisse für die Volkswirtschaft lind die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen, die ein solches komplexes Herangehen gewährleistet. Nicht zuletzt sind die Fragen des Umweltschutzes und der Umweltgestaltung eng mit der Entfaltung der sozialistischen Demokratie verbunden. Die grundsätzliche Verantwortung für die behandelten Umwelt-Problemstellungen der komplexen territorialen Entwicklung obliegt den Volksvertretungen und Räten. In der Praxis werden die Umweltaufgaben immer stärker zur Sache aller ständigen Kommissionen und Abgeordneten sowie zunehmend der Arbeitsgruppen der Gemeindeverbände. Zugleich entwickeln und bewähren sich viele gesellschaftliche Aktivitäten im Rahmen der Nationalen Front und der gesellschaftlichen Organisationen. Aus diesen Leitungserfordernissen der komplexen territorialen Entwicklung ergeben sich folgende Schlußfolgerungen für die weitere staats- und rechtswissenschaftliche Arbeit: - Die staats- und rechtswissenschaftliche Forschung der genannten Probleme bedingt eine breite Gemeinschaftsarbeit. So fordert sie die Auswertung von Erkenntnissen naturwissenschaftlicher und technischer Disziplinen sowie die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen; insbesondere mit den Wirtschaftswissenschaften. Eine effektive staats- und rechtswissenschaftliche Forschung zu den Umweltproblemen im Rahmen der Leitung und Planung der komplexen territorialen Entwick57
lung setzt die Gemeinschaftsarbeit mit dem Staats- und Verwaltungsrecht, dem Wirtschaftsrecht und mit anderen staats- und rechtswissenschaftlichen Disziplinen voraus. Dabei geht es z. B. um die Zusammenarbeit bei den wissenschaftlichen Verarbeiten zur Vorbereitung der Planungsordnung 1981-1985, bei der Koordinierung der skizzierten Leitungs- und Planungsinstrumente und bei der Begründung weiterer Leitungserfordernisse zur Sicherung der Dynamik der komplexen territorialen Entwicklung. - Auch weisen die Umweltprobleme erneut darauf hin, daß der Mechanismus der Integration derartiger neuer volkswirtschaftlicher Querschnittserfordernisse im Gesamtsystem der Leitung und Planung weiter erforscht werden muß, da es hier nicht um neue Ressorts, nicht um etwas neben der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sich vollziehendes geht. - Weitere Forschungen bedürfen die Probleme, welche die Sicherung der Umsetzung der Prinzipregelungen des Landeskulturgesetzes in konkrete Aufgaben, Rechte und Pflichten der Staats- und Wirtschaftsorgane, Betriebe und Bürger in den Territorien betreffen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die normativen Beschlüsse der örtlichen Staatsorgane, z. B. Ortssetzungen, Deponieordnungen, Baumschutzordnungen, mit denen die örtlichen Umweltbedingungen, die örtlichen Besonderheiten und Erfordernisse richtig erfaßt werden müssen. Außerdem werden vielfach zu den Umwelterfordernissen erst über Leitungsentscheidungen entsprechend den ökonomischen Möglichkeiten und konkreten Bedingungen die konkreten Rechtspflichten begründet. Weiterhin bedarf es der Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen aus Umweltschutzkonventionen in Rechtspflichten innerstaatlicher Adressaten. Eine widerspruchsfreie Regelung dieser Beziehungen ist eine wichtige Voraussetzung wirksamer Rechtsverwirklichung. - Schließlich bedarf es der Vervollkommnung der Verantwortlichkeitsregelungen und Sanktionen, des Systems der Inspektionen und der Kontrolle auf dem Gebiet des U m weltschutzes. Ordnung und Sicherheit sind auch auf diesem Gebiet, das mit einem hohen Grad von Gefährdungen verbunden ist, unbedingt zu sichern. Es gibt hier keine „Kavaliersdelikte". Auch bei diesen Fragen bedarf es der Gemeinschaftsarbeit mit anderen Rechtszweigen. Dieser Problemkreis umfaßt auch den ganzen Komplex der Rechts- und Leitungsformen der Beziehungen zwischen Umweltbelastern und Betroffenen, der Sicherung ihres Zusammenwirkens und der Ausgleichsmaßnahmen in den Territorien und über die Grenzen einzelner Territorien hinaus, die aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung durchzusetzen sind. Hierbei geht es um die rechtliche Ausgestaltung und leitungsmäßige Sicherung dieser Beziehungen unter weiterer Entfaltung und Vervollkommnung der sozialistischen Demokratie.
Anmerkungen 1 2 3 4
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Programm der SED, Dietz Verlag Berlin 1976', S. 26. Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der D D R , § 2 Abs. 3. W. Junker: Uber die Durchführung der Beschlüsse des IX. Parteitages der S E D im Bauwesen, Dietz Verlag Berlin 1977, S. 40. E. Honecker: Aus dem Bericht des Politbüros an das ZK der SED, Dietz Verlag Berlin 1977, S. 19/20.
Autorenverzeichnis
Prof. D r . Michael Benjamin D i r e k t o r der Sektion II der A k a d e m i e für Staats- und Rechtswissenschaft der D D R Prof. D r . G e r h a r d Schulze Akademie f ü r Staats- und Rechtswissenschaft der D D R Prof. D r . Willi Büchner-Uhder Martin-Luther-Universität Sektion Staats- und Rechtswissenschaft Prof. D r . D r . G e r h a r d Pflicke D i r e k t o r des Instituts f ü r Wirtschaftsrecht der Hochschule f ü r Ökonomie „Bruno Leuschner" D r . O s w a l d Unger Institut f ü r Theorie des Staates und des Rechts der A k a d e m i e der Wissenschaften der D D R Prof. D r . W e r n e r O s t w a l d Forschungsleitstelle für Territorialplanung der Staatlichen Plankommission der D D R Prof. D r . G e r h a r d Haney Friedrich-Schiüer-Universität, Sektion Staats- und Rechtswissenschaft D r . Helmut Melzer Institut f ü r Theorie des Staates und des Rechts der A k a d e m i e der Wissenschaften der D D R Reichsbahnhauptrat Hans-Jürgen Schmalfeldt Direktor des Werkes für Gleisbaumechanik der Deutschen Reichsbahn Brandenburg Prof. D r . Ellenor Oehler Leiterin des Lehrstuhls Umweltschutz und Bodenrecht der Akademie f ü r Staats- und Rechtswissenschaft der D D R