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German Pages 658 Year 2018
Schriften zum Strafrecht Band 320
Zur Dogmatik der Binnengliederung von Deliktsgruppen
Von
Jan Mädler
Duncker & Humblot · Berlin
JAN MÄDLER
Zur Dogmatik der Binnengliederung von Deliktsgruppen
Schriften zum Strafrecht Band 320
Zur Dogmatik der Binnengliederung von Deliktsgruppen
Von
Jan Mädler
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.
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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15326-8 (Print) ISBN 978-3-428-55326-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85326-7 (Print & E-Book)
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Siegfried Kindler (†)
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig im Sommersemester 2017 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2016 berücksichtigt. Meine Dankbarkeit gilt zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Diethelm Klesczewski, der die Anregung für die Bearbeitung der Thematik gegeben hat und mich während der Erstellung der Arbeit geduldig und mit großem Engagement betreut hat. Bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. i.R. Dr. Michael Kahlo für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Von Herzen möchte ich mich bei meiner Ehefrau Jenny Mädler, meinen Eltern Elke und Wolfgang Mädler sowie meiner Großmutter Hannelore Kindler bedanken. Ihnen danke ich für die fortwährende Unterstützung während meiner Studien- und der anschließenden Promotionszeit. Leipzig, im November 2017
Jan Mädler
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung
23
§ 1 Einführung in den Gegenstand der Untersuchung – Skizzierung der problematischen Fragestellungen sowie Umgrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . 23 § 2 Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Kapitel 2 Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
45
§ 3 Der Tatbestand als vertyptes Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 A. Der Zusammenhang zwischen den Begriffen Delikts- bzw. Unrechtstatbestand und dem Unwerttypus sowie die (verfassungsrechtlich gebotene) Umsetzung in Gesetzesform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Die Elemente des Delikts- bzw. Unrechtstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 § 4 Typik des Qualifikationstatbestandes und Abgrenzung zu anderen Gesetzgebungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 A. Einleitende Erläuterungen zur Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 B. Die Insuffizienz der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 C. Abgrenzung zur Regelung der (unbenannten) besonders schweren Fälle sowie zur Regelbeispielsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 D. Zur Terminologie im weiteren Verlauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 E. Gesetzgeberische Handlungsoptionen bei (vielgestaltigen) Delikten . . . . . . . . . . 61 I. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Schuldgrundsatz und dem Gebot der Rechtsfolgenbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Aufführung der verschiedenen Gesetzgebungstechniken zur Strafrahmenabstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Tatbestandliche Abwandlung sowie unbenannte besonders schwere Fälle 63 2. Regelbeispielsmethode als „Mischform“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Weite Grundstrafrahmen als Alternative zur Strafrahmenabstufung? . . . . . . 70 IV. Vergleichende Gegenüberstellung der Gesetzgebungsmethoden in Hinblick auf die Kriterien Wertgruppenbildung, -bewertung und -konkretisierung sowie Bewertung von Einzelfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
10
Inhaltsverzeichnis V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Kapitel 3 Die verfassungsrechtlich bedingte Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
76
§ 5 Defizite in der bisherigen Erörterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 § 6 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben bezüglich der Weite von Strafrahmen . . . . . . 83 A. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) an die Bestimmtheit der Sanktionsandrohung (namentlich die Weite von Strafrahmen)
83
I. Hinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Anknüpfung an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 84 III. Weitergehende Argumentation sowie Relevanz der Konkretisierung . . . . . . 86 IV. Die (aus dem Bestimmtheitsgebot folgende) Notwendigkeit der tatbestandlichen Abwandlung bei Ausschöpfung der gesamten Bandbreite zeitiger Freiheitsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 V. Der fiktive Gesamtstrafrahmen als Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 90 VI. Die Regelbeispielstechnik und die unbenannten besonders schweren Fälle im Lichte des Bestimmtheitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. Die Vorgaben des Schuldgrundsatzes sowie deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Vorgabenwirkung des Schuldgrundsatzes für die gesetzgeberische Strafrahmenschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Zwei Aspekte: Pflicht zur Bewertung sowie Pflicht zur Orientierung am niedergelegten Unwerttypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Folge: gestuftes Strafrahmensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Auswirkungen auf die Binnengliederung von Deliktsgruppen . . . . . . . . . 100 II. Die dem Strafrahmen innewohnenden gesetzgeberischen Wertungen . . . . . 102 1. Einordnung des Unwerttypus in die Straftatkategorien Verbrechen und Vergehen durch Mindeststrafenfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Bewertung durch den Ausschluss der Geldstrafenverhängung . . . . . . . . . 107 3. Bewertung durch die Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Das aus dem Schuldgrundsatz folgende Stringenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Allgemeines zum Stringenzgebot sowie zur gesetzgeberischen Bewertungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Die wesentlichen, mit der Strafrahmenbildung und -zuordnung verbundenen, gesetzgeberischen Entscheidungen als Ansatzpunkte für die Überprüfung der Stringenz der Unwerttypenbewertungstätigkeit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Inhaltsverzeichnis
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3. Zusammenfassung: Stringenz der Unwerttypenbewertungstätigkeit des Gesetzgebers – innerdeliktische Stringenz der Rechtsfolgenzuordnung (insb. Stringenz von Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung) 117 IV. Die idealtypische Gestaltung des Strafrahmens bei Vergehen (Soll-Zustand gesetzgeberischer Bewertung bei Vergehen) – determinierende Wirkung der Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen auf die Ausgestaltung des Strafrahmens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Festsetzung von Mindest- und Höchststrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Rückgriff auf die wesentlichen Rechtsfolgenfestsetzungen . . . . . . . . . . . 119 3. Das Stufensystem des § 56 StGB und die darin liegende, auf die Strafaussetzungsfähigkeit bezogene Distinktion zwischen den Straftatkategorien Verbrechen und Vergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Zum Stufensystem des § 56 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Verknüpfung mit dem System der Dichotomie der Straftaten . . . . . . . 122 4. Die Notwendigkeit der Fortsetzung dieser Privilegierung in der Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit – Die Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle als prägendes Merkmal der Deliktskategorie Vergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Zum „Ob“ – die Folgerichtigkeit der Ausgestaltung des Strafrahmens 125 aa) Verhinderung der faktischen Aufhebung des Privilegs . . . . . . . . . 125 bb) Herleitung aus den Geboten der Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (1) Allgemein zu den Postulaten der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Die in Hinblick auf die Privilegierung folgerichtige Strafrahmengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Das Fehlen eines unmittelbaren Verfassungsverstoßes . . . . . . 129 (4) Basis für die Konstruktion einer vergehensspezifischen/-typischen Strafandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Die Strafandrohung für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung als maßgeblicher Anknüpfungspunkt – Fokussierung auf die RegelfallStrafandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Regelfall-Strafandrohung und Regelfall-Bewertung als bedeutende Aspekte gesetzgeberischer Unwerttypus-Bewertung . . . . . . . . 133 bb) Gedanken zur Ermittlung der Regelfall-Strafdrohung . . . . . . . . . . 135 cc) Folgerung: Rückgriff auf die traditionelle Rechtsfolgen-Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Das „untere Drittel“ des Strafrahmens als Regelfall-Strafdrohung . . . 138
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Inhaltsverzeichnis d) Grundsatz: Die Strafaussetzungsfähigkeit aller Regelfälle als deliktsartspezifische (und damit notwendige) Rechtsfolgenanordnung bei Vergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Die Festlegung des Strafrahmens als Mittel zur Bestimmung der deliktsspezifischen Strafaussetzungsmöglichkeit sowie als Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung über die Strafaussetzungsfähigkeit der deliktischen Regelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Einschub: ergänzende Bemerkungen zur Fokussierung auf die Regelfall-Strafdrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Folgerung einer deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bei Vergehen – Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Hinführung durch Retrospektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Darlegung der deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 e) Sonderfall: Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung – Zulässigkeit einer Einschränkung der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit (insoweit Abweichung von der deliktsartspezifischen totalen Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle) . . . . . . . . . . . 152 f) Die idealtypische Gestaltung des Strafrahmens bei Vergehen . . . . . . . 156 V. Die verfassungsrechtliche Dimension eines Systembruchs: Die maximal zulässige Reichweite von Vergehens-Strafrahmen nach dem Schuldgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Rekapitulierung der Erläuterungen zum Stringenzgebot . . . . . . . . . . . . . 157 2. Die verfassungsrechtliche Dimension eines Systembruchs . . . . . . . . . . . . 158 3. Conclusio: die Vorgaben des Schuldgrundsatzes bzgl. der Reichweite von Strafrahmen bei Vergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Höchststrafenfestsetzung bei Vergehen mit im Mindestmaß erhöhter Strafandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 VI. Das Abweichen des gesetzlichen Strafrahmens von den aufgeführten Grundlagen – einseitiges Schutzkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 VII. Formulierung eines Ergebnisses hinsichtlich der Frage der zulässigen Reichweite von Strafrahmen bei grunddeliktischen Vergehen . . . . . . . . . . . 165
§ 7 Die Notwendigkeit der Strafrahmenabstufung sowie gesetzgeberische Umsetzungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 A. Das Erfordernis einer Strafrahmenabstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Kombination von grunddeliktischem Verbrechenstatbestand und Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“ (Strafrahmenabstufung „nach unten“) als Regelungsalternative? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Keine sachgerechte Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . . . 171 II. Gestörtes Regel-Ausnahme-Verhältnis – Ursache und Folge . . . . . . . . . . . . 173 III. Möglicherweise unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Inhaltsverzeichnis
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IV. Gänzliches Fehlen einer gesetzgeberischen Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 V. Die Ersetzung der Vorschrift für die „minder schweren Fälle“ durch einen Privilegierungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Die Unzulässigkeit der Verwendung der Regelungstechnik der „unbenannten besonders schweren Fälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Gleichsetzung der Schaffung einer Strafnorm für unbenannte besonders schwere Fälle mit der bloßen Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Strafrahmenabstufung ohne Entsprechung im Bereich des Unrechts . . . . 181 2. Gefahr der inkorrekten Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Die verfassungsrechtliche Dimension: Bedenken aus Sicht des strengen strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts sowie des Gewaltenteilungsprinzips 186 4. Folgerungen aus der Gleichsetzung mit der bloßen Strafrahmenerweiterung: Maßgeblichkeit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer fiktiven Regelstrafrahmenerweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 D. Die Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Unvollkommene Präzisierung der Wertgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Abschichtung im Bereich des Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Extensive bzw. umgekehrte Indizwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Unterschiede hinsichtlich der Überprüfbarkeit richterlicher Entscheidungen 198 V. Unterschied zur Strafrahmenausdehnung: Vorsatz-Erfordernis . . . . . . . . . . 199 VI. Zusammenfassung/Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 E. Die Abweichung von dem im Rahmen des Bestimmtheitsgebots ermittelten Ergebnis: Begründung anhand der divergierenden verfassungsrechtlichen Wurzeln 202 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Beleuchtung der beiden Verfassungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 F. Zwischenfazit sowie Überleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Kapitel 4 Die Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe (inkl. gesetzgeberischer Verpflichtung zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes)
209
§ 8 Die verfassungsrechtliche Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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Inhaltsverzeichnis
§ 9 Die Lückenhaftigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung bei Verwendung der Regelbeispielstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 § 10 Grundrechtswesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 A. Die Entscheidung über die Anwendung des Sonderstrafrahmens als „wesentliche“ Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Vorverlegung des Versuchsbeginns durch Beschreibung einer Vorbereitungshandlung – Vorverlagerung des Versuchsbeginns durch Regelbeispiele? . . . . . . . 225 I. Regelbeispiele sind kein verfassungsrechtlich zulässiges Instrument zur Vorverlagerung des Versuchsbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Folgerungen in Hinblick auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Versuchsbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 11 Die Entstehung eines wesensfremden Unrechtstypus durch Addition von Unrechtselementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 A. Die Notwendigkeit einer verbindlichen Unwerttypen-Bewertung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 I. Die Unwerttypenbewertung (sowie die diesbezügliche Strafrahmenzuordnung) als (grundlegende) Leitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Die Notwendigkeit der verbindlichen Strafrahmenzuordnung bei der Bildung neuer Unwerttypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 B. Die Entstehung eines neuen Unwerttypus im Rahmen der Durchführung einer Strafrahmenabstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 C. Das Fehlen einer (verbindlichen) gesetzgeberischen Bewertung der in den Regelbeispielen aufgeführten Unrechtsfaktoren als Grund für das Fehlen der (verfassungsrechtlich erforderlichen) gesetzgeberischen Bewertung des neuen Unwerttypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Resultierende Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums – determinierende Wirkung des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unrechts 240 E. Einordnung in den aktuellen Diskussionsstand sowie Präzisierung der Abgrenzungsformel (d. h. Bestimmung der maßgeblichen Kriterien) . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. Verortung des Ansatzes im bisherigen Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Kriterien für die Bestimmung des Vorliegens eines neuen, wesensverschiedenen (= wesensfremden) Unwerttypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Prolegomenon zur Abgrenzungsformelpräzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Die Prüfung der Wesensverschiedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Grundlegende Ausführungen zu strafrahmenschärfenden Merkmalen bzw. Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Kriterien zur Bestimmung des Vorliegens eines wesensverschiedenen Unwerttypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Art und Weise der Deliktsverwirklichung (u. a. Verwendung bestimmter Tatmittel, besondere Begehungsweise); Tatumstände . . . . . . 259 b) Angriff auf ein anderes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Inhaltsverzeichnis
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c) Erfolgsintensität bzw. -ausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 aa) Veranschaulichung anhand von Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 bb) Die dauerhafte und schwerwiegende Schädigung . . . . . . . . . . . . . 267 cc) Einordnung in Abhängigkeit vom grunddeliktischen Unwerttypus 269 d) Besondere Eigenschaften des Tatobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 e) Mehrzahl von Angriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 f) Besondere Pflichtenbindung des Täters (Sonderpflichtdelikte) . . . . . . 274 g) Ergänzung grunddeliktischen Schädigungsunrechts durch Elemente, die Erwerbs- oder Perpetuierungsunrecht beschreiben . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Erwerbsunrechts-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (1) Erläuterungen zu verschiedenen Erwerbsunrechts-Elementen 279 (2) Die Sonderpflichtverletzung als Erwerbsunrechts-Tatbestand 284 bb) Perpetuierungsunrechts-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 h) (Weitere) Subjektive Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 5. Die ambivalenten Komplementärnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Umschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Zusammenfassung und Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 6. Die Bildung ambivalenter Regelbeispielsnormen im Lichte des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
Kapitel 5 Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik (Form – Inhalt – Inkongruenz)
307
§ 12 Beschreibung eines wesensfremden Unwerttypus in einem Regelbeispiel . . . . . . . . 307 A. Keine bloße Teilverfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 B. Möglichkeit der verfassungskonformen Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 I. Die verfassungskonforme Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsvorschriften (der Lösungsvorschlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Zulässigkeit der Vorgehensweise (der Lösungsvorschlag als zulässige Rechtsfortbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 1. Lückenfeststellung und -ausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Die Schranke des Verbots des Contra-legem-Judizierens . . . . . . . . . . . . . 316 a) Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa) Maßgeblichkeit des Gesetzeszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 bb) Äußerungen des Gesetzgebers im Rahmen diverser Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
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Inhaltsverzeichnis cc) Strafschärfung als maßgeblicher Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . 324 (1) Allgemeine Erläuterungen zum Gesetzeszweck der Strafschärfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (2) Kein (darüber hinausgehender) eigenständiger Zweck der Strafrahmenobergrenzenanhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 dd) Aufrechterhaltung des Gesetzeszwecks – grundsätzliches Fehlen eines erkennbar entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens 331 (1) Bestehenbleiben der Strafschärfung für besonders schwere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (2) Strafschärfung durch Strafrahmenverengung . . . . . . . . . . . . . . 333 (3) Betrachtung aus dem Blickwinkel der gesetzgeberischen Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (4) Bestehenbleiben der sonstigen mit der Regelbeispielsnormbildung verbundenen Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 ee) Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (1) Zur notwendigen Eindeutigkeit einer weitergehenden Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (2) Anhaltspunkt: hypothetischer Wille des Gesetzgebers . . . . . . 341 (3) Einzelne (diffizile) Regelbeispielsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (a) § 266a Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (b) § 300 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 (c) § 335 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 (d) § 283a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Keine wesentliche Umstrukturierung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 c) Keine Reduktion auf „Null“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 III. Antizipierte Replik auf mögliche Einwände – ergänzende Begründung des Lösungswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Komplementärnormen in Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und strengem, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt . . . 354 2. Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung als Rechtsfortbildung in malam partem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 3. Annahme einer zwingenden Verknüpfung von Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen widerspräche der gesetzgeberischen Grundentscheidung 359 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung (Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus) als qualifiziertes Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 A. Grundsätzliche Deckung durch den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum . . . 362 B. Legitimationsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 I. Hinführung sowie Aufführung bisheriger Diskussionsfelder . . . . . . . . . . . . 362 II. Relevanz der Verortung im Qualifikationstatbestand – Irrelevanz des Bestehens eines Sonderstrafrahmens für minder schwere Fälle . . . . . . . . . . . . 366
Inhaltsverzeichnis
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III. Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 C. Das Gebot schuldangemessenen Strafens als Teil des Schuldgrundsatzes sowie spezifisch strafrechtliche Ausprägung des Übermaßverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Inhalt des Gebots schuldangemessenen Strafens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II. Vorgabenwirkung für die Schaffung qualifizierter Delikte . . . . . . . . . . . . . . 372 D. Gleichheitsrechtliche Problematik im Ausnahmefallbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 377 I. Annäherung an die Problematik – Rechtfertigung von Differenzierung im Gebiet des Strafrechts (speziell im Bereich der internen Deliktsgruppensystematik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 1. Allgemein zur Rechtfertigung von tatbestandlichen Differenzierungen – strafrechtsspezifische Ausformung der Rechtfertigungsanforderungen 377 a) Der Gleichheitssatz im Strafrecht, insb. im Bereich tatbestandlicher Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 b) Schuldbezogenheit der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 c) Exkurs: Der eigenständige Wert der Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Rechtfertigung von Differenzierungen im Bereich der internen Deliktsgruppensystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 II. Fehlen einer Rechtfertigung bei Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. Problemorientierte Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 a) Reichweite der Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 b) Das Erfordernis einer strukturierten verfassungsrechtlichen Prüfung 392 2. Wesentlich Gleiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 3. Ungleichbehandlung sowie Bezeichnung des Unterscheidungsmerkmals 396 4. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 a) Der einschlägige Rechtfertigungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b) Rechtfertigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 aa) Gegenüberstellung von Unterschieden und Ungleichbehandlung 403 bb) Kein Entgegenstehen des Grundsatzes „Keine Gleichheit im Unrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 cc) Kein Spannungsverhältnis mit dem Gebot präziser Tatbestandsformulierung (Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 III. Beschränkung auf die Fälle, in denen bloße Unrechtssteigerungen (-modifikationen) in den Rang von Qualifikationstatbestandsmerkmalen erhoben werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 IV. Ausnahmecharakter der gleichheitsrechtlichen Problematik; Einzelfallrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 E. Die negative Typenkorrektur als Ausweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 I. Verwerfung der ungeeigneten Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 II. Geeignetheit dieser Methode zur Behebung der verfassungsrechtlichen Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
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Inhaltsverzeichnis III. Allgemeine Ableitungen aus der Stellung als Mittel zur Herstellung von Verfassungskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 IV. Qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite sowie Kritierien der negativen Typenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 1. Folgerung der qualifikationstatbestandsspezifischen Reichweite der Rechtsfigur der negativen Typenkorrektur aus der Reichweite der gleichheitsrechtlichen Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 2. Vorrang der vertikal-systematischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 3. Die maßgeblichen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 V. Die negative Typenkorrektur als zulässige verfassungskonforme Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 1. Lückenfeststellung und -ausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 2. Die Schranke des Verbots des Contra-legem-Judizierens . . . . . . . . . . . . . 434 a) Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 b) Keine wesentliche Umstrukturierung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 c) Keine Reduktion auf „Null“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
§ 14 Der Blick auf die Gesamtkonzeption – Konvergenz der beiden entwickelten Ansätze zu den Eckpunkten der verfassungsrechtlichen Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 A. Keine Inkonsistenz der Zulassung der negativen Typenkorrektur zur vorangegangenen Kritik bezüglich der bloßen Indizwirkung von Regelbeispielen („Scheinkollision der beiden Ansätze“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 B. Unterschiede hinsichtlich des Maßes der Lockerung der Bindung des Richters an das einfache Recht (unterschiedlicher Umfang der richterlichen Entscheidungsmacht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 C. (Nicht-)Bestehen einer abstrakt-generellen Bewertung des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 D. (Nicht-)Bestehen eines verfassungsrechtlichen Erfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . 445 § 15 Zusammenfassung: Zuordnung der Regelungsmaterien zu den verschiedenen Regelungstechniken sowie Folgen der Nichtbeachtung der herausgearbeiteten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 § 16 Komplementärnormbildung de lege ferenda im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
Inhaltsverzeichnis
19
Kapitel 6 Der Ertrag der vorliegenden Grundlegung in Hinblick auf die Auslegung von Qualifikationstatbeständen (vertikal-systematische Auslegung)
453
§ 17 Verwendung materialer Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 A. Verortung im Bereich der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 B. Grundlegung: Orientierung am materialen Idealbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 C. Grenzen aufgrund der Stellung als Auslegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 D. Die Notwendigkeit der Formulierung eines (tatbestandsbezogenen) Differenzierungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 E. Stellung innerhalb des Gesamtsystems der Auslegungscanones – Ableitung der Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 I. Weder absolute Vor- noch absolute Nachrangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 II. Auslegungskriterium der 2. Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 III. Unterschiedliches Maß der Beachtlichkeit der sonstigen (klassischen) Auslegungsmethoden – absolute Ausschlusswirkung des eindeutig entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens sowie der Wortlautinkompatibilität 461 1. Hinführende Erläuterungen zu den Grenzen der Auslegung . . . . . . . . . . 461 2. Die absolute Ausschlusswirkung des eindeutigen (entgegenstehenden) gesetzgeberischen Willens sowie der Wortlautinkompatibilität . . . . . . . . 462 3. Sonstige Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 4. Maßgeblichkeit des „Mischungsverhältnisses“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 5. Der Zugriff auf die existierenden dogmatischen Ansätze . . . . . . . . . . . . . 469 IV. (Mögliche) Folge der deliktsgruppenspezifischen Auslegung – divergierende Auslegung gleichlautender Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 V. Zusammenfassung – Beschreibung der konkreten Herangehensweise . . . . . 470 § 18 Das Verhältnis der vertikal-systematischen Auslegung zur negativen Typenkorrektur 471
Kapitel 7 Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
474
§ 19 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB: Begehung einer Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs . . . . . . . . . . 474 A. Skizzierung des Meinungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 B. Auslegung unter Berücksichtigung der materialen Deliktsgruppensystematik . . 477 I. Beurteilung der Auslegungsvarianten aus materialem Blickwinkel . . . . . . . 477 II. Einschränkende Auslegung anhand eines Differenzierungskriteriums . . . . . 479 1. Entwicklung eines Differenzierungskriteriums unter Zugrundelegung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
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Inhaltsverzeichnis 2. Auswirkungen für den Anwendungsbereich des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 3. Zur Frage des erforderlichen Gefahrengrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 III. Beachtung der Grenzen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 1. Keine Wortlautinkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 2. Kein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 IV. Vereinbarkeit mit den sonstigen Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
§ 20 Der Geheimnisverrat in der Absicht, einen anderen zu schädigen (§ 203 Abs. 5 Var. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 A. Skizzierung des Meinungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 B. Auslegung unter Berücksichtigung der materialen Deliktsgruppensystematik . . 494 I. Beurteilung der bisherigen Ansätze aus materialem Blickwinkel . . . . . . . . . 494 II. Einschränkende Auslegung anhand eines Differenzierungskriteriums . . . . . 498 1. Entwicklung eines Differenzierungskriteriums unter Zugrundelegung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 2. Auswirkungen auf den Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 III. Beachtung der für die Auslegungstätigkeit geltenden Schranken . . . . . . . . . 502 1. Keine Wortlautinkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 2. Kein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 a) Die gesetzgeberischen Äußerungen zum Schutzzweck des § 203 StGB 503 b) Einschränkende Auslegung ¼ 6 Einführung neuer Schutzaspekte . . . . . 505 c) Notwendigkeit der Rechtswidrigkeit des Nachteils? . . . . . . . . . . . . . . 505 d) Die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation als Strafschärfungsgrund . . . 508 IV. Blick auf die sonstigen Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 § 21 Das Mordmerkmal der Mordlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 A. Skizzierung des Meinungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 B. Auslegung unter Berücksichtigung der materialen Deliktsgruppensystematik . . 514 I. Beurteilung der Auslegungsvariante der h.M. aus materialem Blickwinkel 514 II. Einschränkende Auslegung anhand eines Differenzierungskriteriums . . . . . 516 1. Entwicklung eines Differenzierungskriteriums unter Zugrundelegung des Mordmerkmals Mordlust sowie Stellungnahme zur (Un-)Geeignetheit der Formel der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 2. Auswirkungen auf den Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 3. Exkurs: Bloße Verschiebung in den Bereich der Motivgeneralklausel? – Zur praktischen Relevanz der Neuorientierung beim Merkmal der Mordlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 III. Beachtung der Grenzen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 IV. Blick auf die (sonstigen) Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 8 Folgerungen für die Definition der sonstigen „besonders schweren Fälle“
534
§ 22 Stand der Diskussion zu den sonstigen „besonders schweren Fällen“ . . . . . . . . . . . . 534 A. Gänzliche Ablehnung der Annahme sonstiger besonders schwerer Fälle . . . . . . 534 B. Vornahme einer Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 C. Einschränkende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 I. Verstärkte Bindung an die in der Norm aufgeführten Regelbeispiele . . . . . . 537 II. Abstellen auf einzelne, herausgehobene Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 1. Deliktsübergreifende Sichtweise – Orientierung an den Regelbeispielen/ Qualifikationstatbestandsmerkmalen anderer Normen . . . . . . . . . . . . . . . 537 2. Orientierung am jeweiligen Deliktstypus – Erfordernis eines neuen, die Eigenart kennzeichnenden Gepräges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 § 23 Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 A. Einschränkende Vorgaben in Hinblick auf die Bildung sonstiger besonders schwerer Fälle, insbesondere Verwerfung der „Gesamtwürdigungslösung“ . . . . 542 B. Ableitungen aus den herausgearbeiteten Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 I. Allgemeine Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 II. Positionierung hinsichtlich auftretender Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 III. Fortsetzung der Begründung (antizipierte Replik) – Auseinandersetzung mit den (möglichen) Gegenargumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 C. Zur Gegenschlusswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 D. Ergebnisformulierung: Voraussetzungen für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
Kapitel 9 Die Gestaltung des Sonderstrafrahmens, speziell der Weite des Sonderstrafrahmens, sowie die Teilnichtigkeit von (Sonder-)Strafrahmen
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§ 24 Vorgaben an die Weite von Sonderstrafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 § 25 Teilnichtigkeit führt nicht zu Gesamtnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 A. Hinführende Erläuterungen, insb. Identifizierung der Teilnichtigkeitsproblematik 559 B. Die Voraussetzungen einer Teilnichtigkeitserklärung bzw. Voraussetzungen für die Annahme einer bloßen Teilverfassungswidrigkeit bei Sonderstrafrahmen . . . 562 I. Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 II. Kein Entgegenstehen des Normzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 1. Entscheidungserheblichkeit des objektiven Gesetzeszwecks . . . . . . . . . . 563
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Inhaltsverzeichnis 2. Exkurs: zur (berechtigten) Koexistenz von verfassungskonformer Auslegung, verfassungskonformer Rechtsfortbildung und Teilnichtigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 3. Sinn und Zweck von Komplementärnormen („aufgesetzten“ Normen) 568 4. Nichtvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 a) Grundsätzliche Nichtvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 b) Ausnahme: § 51 Abs. 2 WaffenG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 III. Formulierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 C. Ergebnis: Teilnichtigkeit von Sonderstrafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
§ 26 Zur Teilnichtigkeit von Grunddelikten/-strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 § 27 Übersicht: Die Vorgaben des Schuldgrundsatzes – in seiner Ausprägung als Stringenzgebot – bezüglich der Strafrahmengestaltung sowie die Überprüfung von Strafrahmen in Hinblick auf ihre Weite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
Kapitel 10 Die Strukturierung einer Deliktsgruppe unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben
580
Kapitel 11 Zusammenfassung
583
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640
Kapitel 1
Einleitung § 1 Einführung in den Gegenstand der Untersuchung – Skizzierung der problematischen Fragestellungen sowie Umgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Ein Blick in das Strafgesetzbuch genügt, um zu erkennen, dass es der Gesetzgeber regelmäßig nicht bei der Formulierung von Grundtatbeständen belässt, sondern neben diese ergänzende Normen mit schärferen oder milderen Strafrahmen setzt.1 Das hieraus entstehende Gesamtgefüge aus Grundnorm und darauf aufbauenden Komplementärnormen wird als Deliktsgruppe bezeichnet. Gegenstand dieser Arbeit sind die strafrahmenschärfenden Komplementärnormen, d. h. diejenigen Normen, die an die Erfüllung weiterer (mithin nicht bereits grundtatbestandlicher) Merkmale eine schärfende Strafrahmenverschiebung knüpfen. Diese Normen werden „aufgepfropft“2 bzw. „aufgesetzt“ auf das jeweilige Grunddelikt, weshalb man auch von „aufgesetzten“ Normen sprechen kann. Sie umschreiben auf der Voraussetzungsseite Unrechts- und/oder Schuldelemente, mithin einen Unwertsachverhalt, der neben den grundtatbestandlichen Elementen weitere Elemente enthält.3 Auf ihrer Rechtsfolgenseite findet sich ein Sonderstrafrahmen,4 welcher schärfer ist als der jeweilige grundtatbestandliche Regelstrafrahmen. 1
Ein knappen Überblick über die Entwicklung im Bereich der strafrahmenschärfenden Normen gibt Schroeder, in: 130 Jahre Strafgesetzbuch, S. 381, 407 ff. 2 Vgl. in Hinblick auf die qualifizierten Delikte Maurach, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 251; siehe auch Stree, in: FS Peters, S. 179, 186 f.: kein Anbau, sondern Überbau i.S.e. weiteren Stockwerks; ebenso das Bild eines Bauwerks bemühend Nagler, ZAkDR 1940, 365, 366: Grunddelikt „[…] wird gewissermaßen ein weiteres Stockwerk aufgesetzt.“. 3 Siehe auch Kastenbauer, Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 193: „Es besteht ein Schichtverhältnis, das sich dadurch zeigt, daß das Grunddelikt sich stets nach Abzug der besonderen – privilegierenden und qualifizierenden – Merkmale […] wieder zeigt, gleichsam zum Vorschein kommt.“. 4 Jedenfalls in Hinblick auf die unbenannten minder schweren sowie die unbenannten besonders schweren Fälle spricht sich Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 14 f., für die Bezeichnungen „primärer und sekundärer Strafrahmen“ aus, da dies der Rechtswirklichkeit besser entspreche. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass die gesetzliche Systematik den Strafrahmen des Grunddelikts als Regelstrafrahmen auffasst, der Strafrahmen der (jeweiligen)
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Kap. 1: Einleitung
Im Hinblick auf solche deliktsgruppeninterne Strafrahmenschärfungen bedient sich der Gesetzgeber verschiedener Gesetzgebungstechniken. Ursprünglich5 enthielt das Strafgesetzbuch solche Strafrahmenschärfungen nur in Form von Qualifikationstatbeständen,6 mithin gab es lediglich tatbestandsförmige Komplementärnormen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die konkret umschriebenen strafrahmenschärfenden Umstände abschließend aufführen und zugleich bei Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale zwingend zur Strafrahmenverschiebung führen.7 Wegen dieser Struktur8 waren und sind9 Qualifikationstatbestände vielfach der Kritik ausgesetzt,10 denn aufgrund der fehlenden Flexibilität (insb. wegen des zwingenden Charakters der Tatbestandsmerkmale) kann es durchaus – namentlich wenn neben den Qualifkationstatbestandsmerkmalen auch unrechts-/schuldmindernde Umstände gegeben sind – zu Spannungen in Hinblick auf den Grundsatz schuldangemessenen Strafens kommen. Andererseits führt die kasuistische Ausgestaltung dazu, dass gleichwertige (u. U. sogar ähnliche) Fälle nicht vom Tatbestand erfasst werden und bei diesen infolgedessen trotz vergleichbarer Unrechts-/Schuldschwere die Komplementärnorm hingegen nur für den Ausnahmefall – also für bestimmte Konstellationen – vorgesehen ist. Dies zeigt sich bereits darin, dass von der Komplementärnorm, auch wenn sie lediglich auf die allgemeine Wertgruppe der besonders schweren Fälle Bezug nimmt, nur eine Teilmenge des Gesamtbereichs der deliktischen Handlungsformen erfasst wird. Letzterer wird andererseits vollständig vom Anwendungsbereich des Grunddelikts erfasst. So gesehen stellt das Grunddelikt die allgemeine Regelung dar, die durch die Komplementärnorm in Hinblick auf bestimmte Fälle spezifiziert wird. Das gesetzlich vorgegebene Stufensystem, welches die größere Reichweite des Grunddelikts abbildet, macht deutlich, dass das Grunddelikt den Grundund damit Regelfall abbildet, die Komplementärnorm hingegen den Sonderfall. 5 Siehe Maiwald, NStZ 1984, 433; Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 6 f.; Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 417 f. 6 Eingehend zur geschichtlichen Entwicklung der verschiedenen Regelungsformen Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 31 ff. (vor RStGB von 1871), S. 65 ff. (ab RStGB von 1871); Matthies, Exemplifikation und Regelbeispielstechnik, S. 5 ff. 7 Siehe nur Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 7; Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 5; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 8 ff.; siehe auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 25 f., der die jeweiligen Tatbestandsmerkmale des qualifizierten Delikts als strafrahmenbildend, mithin konstitutiv für den Sonderstrafrahmen, bezeichnet. 8 Deutlich in der Kritik Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 25: „Größe und Not der Kasuistik liegen eng beieinander und beruhen gemeinsam auf dem Ausschluß richterlicher Freiheit zugunsten strenger Rechtssicherheit durch formale Bindung.“. 9 Ganz aktuell unter Bezugnahme auf Gleichheitsaspekte J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 34 f. 10 Siehe dazu die Darstellungen bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 10 ff.; Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 9 ff.; kulminiert ist die Kritik an der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes bei der Diskussion um § 243 StGB a.F., der als „mißglückte Kasuistik“ eingestuft wurde; vgl. BGHSt 1, 158, 167; 3, 314, 316; Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 232 f.; Jescheck, GA 1955, 97, 101 f.; Maurach, JZ 1962, 380 ff.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 139; siehe auch BT-Drucks. IV/650, S. 400: „[…] starre kasuistische Regelung [führt] zu vielfältigen Ungerechtigkeiten […]“. Siehe auch Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 427, der befürchtet, dass „[…] gar nicht so selten eine gerechte Entscheidung des Einzelfalles verhindert [wird].“.
§ 1 Einführung in den Gegenstand der Untersuchung
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Strafrahmenschärfung zu unterbleiben hat.11 Mit Blick auf diese Problemstellung12 wurden in der Folgezeit vermehrt flexibel gestaltete Strafrahmenschärfungsregelungen in das StGB eingebracht. Neben der Regelbeispielsmethode sind hier die Normen für die unbenannten besonders schweren Fälle zu nennen. Während Letztere auf der Voraussetzungsseite lediglich vom „besonders schweren Fall“ sprechen und damit einen kaum zu überbietenden Abstraktionsgrad aufweisen,13 werden bei der Regelbeispielstechnik neben die entsprechende Generalklausel14 einzelne (einen konkreten Unwertsachverhalt umschreibende) Regelbeispiele gesetzt, aus deren Erfüllung – anders als bei den Tatbestandsmerkmalen eines Qualifikationstatbestandes – die Anwendung des Sonderstrafrahmens nicht zwingend folgt. Eine solche (scil. die Sonderstrafrahmenanwendung) wird durch die Erfüllung des Regelbeispiels lediglich indiziert.15 Aufgrund der Verknüpfung mit der Generalklausel ist es andererseits auch möglich, ohne die Erfüllung eines Regelbeispiels den Sonderstrafrahmen zur Anwendung zu bringen.16 Gerade durch ihre „Schmiegsamkeit“17 11 Siehe dazu Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 14 Rn. 15; Braunsteffer, Problematik der Regelbeispielstechnik, S. 6 f.; Hub, Ausgestaltung der besonders schweren Fälle, S. 6; Maiwald, NStZ 1984, 433; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 312; vgl. zu diesem Kritikpunkt auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 10. 12 Vgl. dazu BT-Drucks. IV/650, S. 400 zu den Vorteilen der Regelbeispielstechnik: „Der Vorteil gegenüber dieser Vorschrift liegt darin, daß der Richter einerseits Taten, die sich nicht unter die Beispiele bringen lassen, ihnen aber nach Schwere des Unrechts und der Schuld nahe stehen, ebenfalls aus dem schwereren Rahmen strafen kann, andererseits aber nicht gezwungen ist, jede Tat, die unter eines der Beispiele fällt, als schweren Diebstahl zu bestrafen.“; siehe auch Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 235 f.: „Dieser Vorteil [verstärktes Maß an Rechtssicherheit, J.M.] geht jedoch […] so sehr auf Kosten der Gerechtigkeit, daß der geringe Verlust an Rechtssicherheit, der bei dem System der besonders schweren Fälle mit Regelbeispielen eintritt, um der weit größeren Vorteile dieses Systems in Kauf genommen werden kann.“; siehe auch die Ausführungen zu § 243 StGB a.F. von Noll, JZ 1963, 297, 300: „[…] stellt den Sinn der ganzen Kasuistik wieder in Frage.“. Siehe auch – mit Bezug zur Regelung des „schweren Diebstahls“ – die Ausführungen der Mitglieder der zuständigen Unterkommission aus dem Jahr 1956 in den Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommissionen zur Vorbereitung des Entwurfs des Besonderen Teils eines Strafgesetzbuchs, 2. Band, II. Unterkommission, S. 19 f. 13 Kritisch hinsichtlich der Regelungsform der „unbenannten besonders schweren Fälle“ und der richtlichen Aufgabe der Bestimmung des Inhalts der Generalklausel Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 270 ff.: „[…] Gesetzgeber [bietet] den Gerichten Steine statt Brot.“ (Hettinger, a.a.O., S. 270). 14 Zur Einordnung der Formulierung „besonders schwerer Fall“ als Generalklausel Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 13; Kastenbauer, Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 108; Wessels, in: FS Maurach, S. 295. 15 Insoweit kann trotz Erfüllung des Regelbeispiels von der Anwendung des Sonderstrafrahmens abgesehen werden (sog. Indizwirkung der Regelbeispiele), siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18 f. 16 So jedenfalls die ganz h.M., siehe Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 50; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 20 f.; anders jedoch Calliess, JZ 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 935 unter Verwendung der plakativen Formel „nur, aber nicht immer“. 17 Siehe BT-Drucks. IV/650, S. 400; siehe dazu auch Wessels, in: FS Lackner, S. 423 f.
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Kap. 1: Einleitung
sollte die Regelbeispielstechnik Abhilfe schaffen in Hinblick auf die Kritikpunkte, welche gegen die Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes erhoben wurden.18 Bereits diese knappen Ausführungen zeigen, dass beiden Gesetzestechniken im Vergleich zur traditionellen Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes eine gesteigerte Vagheit19 innewohnt und hieraus eine größere Freiheit des Richters resultiert.20 Es nimmt daher nicht Wunder, dass sowohl die Regelbeispielsmethode als auch die Normen der unbenannten besonders schweren Fälle21 im wissenschaftlichen Schrifttum (trotz bestätigender Entscheidungen des Verfassungsgerichts22) teilweise heftig kritisiert wurden.23 In Bezug auf die Regelbeispielsmethode wird nicht nur auf 18 Vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 400 zur Umwandlung der Qualifikation des § 243 StGB a.F. in eine Regelbeispielsnorm. Nach Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 294 hätte eine Korrektur des Qualifikationstatbestandes (mithin eine Beseitigung der Friktionen) genügt. 19 In Hinblick auf die unbenannten besonders schweren Fälle spricht Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 296 von einer „konturlosen Unbestimmtheit“. 20 Vgl. Noll, JZ 1963, 297, 300. Siehe auch Schroeder, in: 130 Jahre Strafgesetzbuch, S. 381, 383, der zutreffend herausgestellt: „Häufig ist auch von der „Technik“ der Regelbeispiele oder Regelfälle für besonders schwere Fälle die Rede. Auch hierbei handelt es sich keineswegs um eine rein gesetzes“technische“ Frage, sondern um eine Bestimmung des Entscheidungsspielraums des Richters zwischen der strikten Bindung an Tatbestandsmerkmale und der Weite der unbenannten besonders schweren Fälle.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 21 Für eine Streichung der Normen für „unbenannte besonders schweren Fälle“ hat sich in jüngster Vergangenheit Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 270, ausgesprochen. Zur Kritik beispielsweise Hassemer, in: AK-StGB, § 1 Rn. 27, der seine Kritik an der mangelnden Bestimmtheit der unbenannten besonders schweren Fälle damit begründet, dass „[…] der Strafgesetzgeber dem Richter ohne Not Entscheidungsvorgaben vorenthält und die Betroffenen in Unklarheit über seine Wertung läßt […].“. 22 Siehe BVerfGE 45, 363 ff. sowie BVerfG, JR 1979, 28 (zum unbenannten besonders schweren Fall des Totschlags); Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 296 f. zweifelt indes an der Aktualität dieser verfassungsrechtlichen Einschätzung. Auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 184 sieht die verfassungsrechtliche Beurteilung der Regelbeispielsnormen trotz der verfassungsgerichtlichen Verdikte als noch nicht abgeschlossen an. 23 Siehe (mit teilweise verfassungsrechtlicher Argumentation) Calliess, JZ, 1975, 112, 117; ders. NJW 1998, 929, 934 f.; Freund, ZStW 109 (1997), 455, 470 f.; Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 291 ff.; ders., ZStW 84 (1972), 380, 386; „Zersetzung unserer Gesetzessystematik“; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 75 ff.; 79 ff.; 139 f.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 151; Sander/Hohmann, NStZ 1998, 273, 274; Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f., 567; die Verfassungskonformität der Regelbeispielsmethode hingegen bestätigend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 383 ff.; tendenziell positiv hinsichtlich des Einsatzes der Regelbeispielstechnik war hingegen die Einschätzung von Braunsteffer im Jahre 1976; siehe dazu Braunsteffer, Problematik der Regelbeispielstechnik, S. 140 ff.: „akzeptable Lösung“, „keine Untauglichkeit der Regelbeispielstechnik, sondern […] fehlerhafte Ausgestaltung einzelner Beispiele […].“ (jeweils Braunsteffer, a.a.O. S. 140); ebenso die Verwendung der Regelbeispielsmethode begrüßend Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 235 f., 239; Hassemer, in: GS Radbruch, S. 281, 290 Fn. 12; Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 84 (Empfehlung zur Verwendung der Regelbeispielsmethode); Noll, JZ 1963, 297, 300 f.; ders., Gesetzgebungslehre, S. 267; Walter, in: GS Walter, S. 831, 842; Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 122 ff.; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 309: sinn-
§ 1 Einführung in den Gegenstand der Untersuchung
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das Defizit an gesetzgeberischer Vor(ab)entscheidung, sondern auch auf das Fehlen systematischer Kritieren (mithin eines gesetzgeberischen Konzepts) dafür, wann welche Technik zum Einsatz kommt, hingewiesen.24 Das Bundesverfassungsgericht andererseits weist dem Gesetzgeber einen weiten – nahezu grenzenlosen – Gestaltungsspielraum zu.25 Bislang ist es den kritischen Stimmen in der Literatur nicht gelungen, durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände zu formulieren. Insoweit müssen diese näher beleuchtet und ggf. herausgearbeitet werden. Wie sich noch zeigen wird, muss hierfür eine neue Perspektive eingenommen werden. Die bisherigen verfassungsrechtlichen Topoi Bestimmtheitsgrundsatz26 und Analogieverbot27 müssen hierfür verlassen und neue Wege beschritten werden. Ausgangspunkt hierfür ist die Durchdringung der spezifischen Besonderheiten der verschiedenen Gesetzgebungstechniken sowie eine vergleichende Gegenüberstellung.28 voller Mittelweg; tendenziell auch Hassemer, Grundlagen des Strafrechts, S. 258 f.: „intelligente[r] Ausweg“; ders., in: AK-StGB, § 1 Rn. 29: „Soweit nur Programmsicherung erwartet werden kann, empfiehlt sich die exemplifizierende Methode […]“; Schröder, in: Verhandlungen zum 41. DJT, S. 86 ff., 95 f.(„Rechtsstaatliche Bedenken lassen sich dagegen nicht geltendmachen“); weitere Nachweise – auch zu kritischen Stimmen aus der älteren Literatur – finden sich bei Calliess, JZ 1975, 112, 113. Auch beim Marburger Strafrechtsgespräch 1997 gab es einige Vertreter aus der Wissenschaft, die dem Einsatz der Regelbeispielstechnik aufgeschlossen gegenüberstanden (siehe dazu den Tagungsbericht von Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 412 f.). Aus der jüngeren Vergangenheit Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 277 f., der für ein Nebeneinander beider Gesetzestechniken plädiert. Siehe auch J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 66, welche die Regelbeispielsmethode (im Vergleich zum Qualifikationstatbestand) für vorzugswürdig hält, da diese einen umfassenden strafrechtlichen Schutz gewährleiste (gleichwohl entwickelt J. Heinrich eine eigene – dritte – Regelungsmethode, dazu J. Heinrich, a.a.O., S. 158 ff.). Im Rahmen der aktuell anstehenden Neuregelung der Tötungsdelikte favorisiert Morsch, AnwBl. 2014, 873, 875 f., den Einsatz der Regelbeispielsmethode bei der Abgrenzung zwischen Totschlag und Mord. 24 Siehe Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 288, 291; Gössel, in: FS Hirsch, S. 188 ff., 198, Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 424 f. 25 Mit Blick auf die kaum vorhandenen beschränkenden Vorgaben des Bundesverfassungsgericht führt Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 279, aus: „Das BVerfG hat ihm [scil. dem Gesetzgeber] eine im Zentrum blütenweiße Leinwand zur Verfügung gestellt (oder: ihr verfassungsrechtlichen Vorhandensein bestätigt), auf der er, außerhalb des Willkürbereichs und des Übermaßverbots, ein „konservatives“ oder ein „liberales“ materielles Strafrecht mit groben oder feinen Strichen zeichnen, also schalten und walten kann, wie er möchte.“. 26 Siehe Calliess, JZ, 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 934 f.; Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 58 ff., 139 f.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 59. 27 Siehe Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f., 567. 28 Ohne entsprechendes Problembewusstsein BGHSt 26, 167, 173 („kein tiefgreifender Wesensunterschied“ zwischen Qualifikationstatbeständen und Regelbeispielsnormen; lediglich „formale Frage der Gesetzestechnik“; ebenso Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 233); BGHSt 29, 359, 368: zwischen Regelbeispielsnormen und Qualifikationen besteht „kein tiefgreifender Wesensunterschied“; diese Rechtsprechung wiedergebend (jedoch ohne eigene Stellungnahme: „Ob die Bemerkung über die formale Bedeutung der Gesetzestechnik allge-
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Kap. 1: Einleitung
Ausgehend davon können die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die deliktsgruppeninterne Strafrahmenabstufung (mithin die Binnengliederung von Deliktsgruppen) skizziert werden. Hierdurch kann aufgezeigt werden, wann der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum verlässt29 und die Verwendung der Regelbeispielsmethode bzw. der Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle verfassungsrechtlich unzulässig ist.30 Maßgebliche Bedeutung in Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Regelbeispielstechnik (und erst Recht der Gesetzestechnik der unbenannten besonders schweren Fälle) hat die Frage, ob und in welchen Fällen eine Pflicht des Gesetzgebers existiert, sich der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes zu bedienen.31 Die Klärung dieser Frage ist bislang nicht gelungen.32 Ein Ziel dieser Untersuchung ist es daher aufzuzeigen, dass und in welchen Konstellationen sich eine solche Pflicht des Gesetzgebers ergibt. Im aktuellen Stand der Wissenschaft finden sich dazu entweder nur Äußerungen dahingehend, dass die Verwendung der mein zutrifft, kann auf sich beruhen.“) BGHSt 33, 370, 374; folgend Reichenbach, Jura 2004, 260, 265; in eine ähnliche Richtung in jüngster Vergangenheit J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 154: „funktional äquivalent“; kritisch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 112, der eine „[…] nicht aufzuhaltende Erosion der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit von Art. 103 Abs. 2 GG“ befürchtet, wenn man beide Techniken für beliebig austauschbar hielte und konstatiert, dass einer solchen Beliebigkeit auch die Aufgabe des Strafrechts als Bürgerschutzrecht entgegenstehe (Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 142). Auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 197 f. wendet sich gegen die These, dass zwischen den Reglungstechniken kein tiefgreifender Unterschied bestehe. 29 Zu den kaum vorhandenen beschränkenden Vorgaben des Bundesverfassungsgericht Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 279: „Das BVerfG hat ihm eine im Zentrum blütenweiße Leinwand zur Verfügung gestellt (oder: ihr verfassungsrechtlichen Vorhandensein bestätigt), auf der er, außerhalb des Willkürbereichs und des Übermaßverbots, ein „konservatives“ oder ein „liberales“ materielles Strafrecht mit groben oder feinen Strichen zeichnen, also schalten und walten kann, wie er möchte.“. 30 Gänzlich anders, nämlich für eine umfassende gesetzgeberische Auswahlfreiheit, Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 421, 423, 428, nach dem die Wahl der Gesetzestechnik „im Raum freier Entscheidung“ des Gesetzgebers liegt (siehe Schröder, a.a.O., S. 421). Auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 152 spricht in diesem Zusammenhang von einem „Bereich kriminalpolitischen Ermessens“. Ähnlich auch Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 11 f., der eine gesetzgeberische Wahlfreiheit annimmt und lediglich rechtspolitische Überlegungen nachschiebt. Kritisch in Hinblick auf diesen Standpunkt (beliebige Austauschbarkeit der Gesetzestechniken) Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 112. 31 Die Notwendigkeit einer (kriminalpolitischen) Grundsatzdiskussion erkennend Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, Band II, § 62 Rn. 59; so bereits Zipf, Strafzumessung, S. 17. Die vorliegende Arbeit fasst bereits im Ansatz weiter, weil sie keine kriminalpolitische Diskussion führt, sondern die „harten“ verfassungsrechtlichen Grenzen des Einsatzes der Regelbeispielstechnik ermitteln will. 32 Wenngleich ihr noch immer Aktualität zukommt; siehe dazu die jüngst von J. Heinrich getroffene Feststellung: „Das nach wie vor bestehende Spannungsverhältnis zwischen (legislativer) Bestimmtheit und (Einzelfall-)Gerechtigkeit hat nach alledem bis heute nicht an Aktualität verloren. Der durch die Regelbeispielstechnik beschrittene „Mittelweg“ zwischen Kasuistik und Generalklausel muss nun auf die genannten Bedenken hin erneut untersucht werden.“ (J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 136 f.).
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Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes (rechtspolitisch) vorzugswürdig sei.33 Oder es wird zwar die Verpflichtung zur Verwendung der Regelungsform des qualifizierten Delikts in bestimmten Fällen befürwortet, jedoch nur unter Formulierung sehr vager bzw. inhaltsleerer Vorgaben.34 Dies wiederum bedingt die fehlende „Durchschlagskraft“ der kritischen Argumentation. 33 Siehe Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 59; Wilcken, Doppelverwertung, S. 163; Zieschang, Jura 1999, 561, 567 f.; Zipf, Strafzumessung, S. 17; siehe auch Eisele, der die Regelbeispielstechnik als verfassungsgemäß einstuft (siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 383 ff., 406) und meint, dass „[…] der Gesetzgeber schon aus Gründen der Rechtssicherheit vorrangig abschließend gefasste Qualifikationstatbestände normieren [sollte].“ (siehe Eisele, a.a.O., S. 413). Nach Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 59 f., ist der kasuistischen Methode (lediglich) der Vorzug zu geben (Wahle, a.a.O., S. 59), weshalb der Gesetzgeber „[…] also nicht verpflichtet [ist], ausschließliche und abschließende kasuistische Qualifizierungen zu schaffen.“ (Wahle, a.a.O., S. 60). Es wird sich noch zeigen, dass dieser Aussage in ihrer Absolutheit nicht zu folgen ist. Vielmehr gibt es durchaus Fälle, in denen sich der Gesetzgeber der Regelungsform des Qualifikationstatbestandes bedienen muss. 34 So bspw. die Ausführungen in der Begründung zum Alternativentwurf StGB aus dem Jahre 1969: „Wo der Gesetzgeber selbst höheres Unrecht oder höhere Schuld durch qualifizierte Tatbestände nicht eindeutig zu umschreiben vermag, sollte er dem Richter auch nicht die Generalklausel der besonders schweren Fälle hinwerfen, ob er sie nun mit Regelbeispielen geringfügig aufhellt oder nicht.“ (Alternativentwurf, S. 119; dies in seinen kritischen Ausführungen zur Variante der Umwandlung des Mordes in eine Regelbeispielsnorm aufgreifend Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 225); in Hinblick auf die Verwendung der Regelbeispielstechnik fordern Matthies und Scheffler die Verankerung eines charakteristischen (übergeordneten) Grundgedankens im Gesetz (siehe Matthies, Exemplifikation und Regelbeispiele, S. 114 f., 145; Scheffler, ZStW 117 (2005), 766, 780 ff.: übergeordneter „gemeinsamer Nenner“; mit ähnlicher Kritik bzgl. § 243 StGB bereits Calliess, JZ 1975, 112, 117; siehe auch Schröder, in: Verhandlungen zum 41. DJT, S. 95). Diesem Standpunkt fehlt es bereits deswegen an der notwendigen „Durchschlagskraft“, weil nicht klar ist, aus welchem verfassungsrechtlichen Ge- oder Verbot sich dies ableiten soll. Insoweit fehlt es an einer Zuordnung zu einer verfassungsrechtlichen Kategorie. Siehe zu einem weiteren Ansatz Dannecker, in: FS Roxin, S. 285, 303: „Die Regelbeispielstechnik ist allerdings nur so lange berechtigt, wie der Gesetzgeber damit die Erfordernisse der möglichst weitgehenden Bestimmtheit und der schuldangemessenen Strafe in ein angemessenes Verhältnis bringt. Wenn allerdings die Möglichkeit besteht, den Strafrahmen durch eine sachlich gerechtfertigte Normierung von Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen zu konkretisieren, ist der Gesetzgeber gehalten, hiervon Gebrauch zu machen und so zu einer erhöhten Bestimmtheit beizutragen.“; im Ansatz ähnlich (in Hinblick auf die Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle) Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f., 129: „[…] verfassungsrechtliche Bedenken [bestehen] nur, wenn der Gesetzgeber ohne hinreichenden Grund auf eine detaillierte rechtssatzmäßige Bindung des Richters verzichtet.“, insoweit sei die Möglichkeit der „[Auflösung] [durch] tatbestandsändernde Schärfungsmerkmale“ entscheidend (Waßner, a.a.O., S. 129). Neben der Vagheit dieser Formel(n) ist (auch) zu kritisieren, dass aus ihrer Anerkennung womöglich die Verfassungswidrigkeit eines Großteils der geltenden Regelbeispielsnormen folgt, ohne dass hierfür eine eingehende Begründung erfolgt ist. So fehlt die Aufführung eines Prüfungsschemas mittels dessen die Vorgaben konkretisiert werden. Angesichts dessen ist aus praktischer Sicht auch nicht zu erwarten, dass diese Formel entsprechenden Druck auf den Gesetzgeber in Hinblick auf die Hinterfragung des Einsatzes der Regelbeispielstechnik auslösen kann. Wenig präzise auch Hassemer, in: AK-StGB, § 1 Rn. 29, der insoweit danach unterscheidet, ob das Gesetz „Ergebnisse sichern kann“ (dann „zwingende Formulierung“) oder „nur Programmsicherung erwartet werden darf“ (dann „Regelbeispiels-
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Die bisherige Diskussion um die Regelbeispielsmethode sowie die sog. unbenannten besonders schweren Fälle weist Defizite auf. So findet die Betrachtung jeweils isoliert, d. h. einzig bzw. vornehmlich in Bezug auf die jeweilige Regelungstechnik, statt. Die verschiedenen Gesetzgebungstechniken werden mithin nicht zueinander ins Verhältnis gesetzt. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Bestimmung, wann welche Technik zu verwenden ist bzw. ob sich von Verfassung wegen eine Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ergibt. Die komparative Gegenüberstellung ist damit der Ansatzpunkt, um weitere verfassungsrechtliche Prüfungen vornehmen zu können. Denn durch sie zeigt sich, welche Unterschiede zwischen den Regelungstechniken bestehen und wie die Regelungstechniken mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Ge- und Verbote zu bewerten sind. Die Herausarbeitung der Unterschiede schärft hierbei den Blick in Bezug auf einzelne verfassungsrechtliche Vorgaben. Zudem zeigt sich erst bei einer solchen umfassenden Betrachtung, welche charakteristischen Besonderheiten die Regelungsform des Qualifikationstatbestandes aufweist. Gerade dies ist Voraussetzung für die Begründung, warum in bestimmten Konstellationen nur die Verwendung dieser Regelungsform verfassungsrechtlich statthaft ist. Eine Pflicht zur Schaffung von Qualifikationstatbeständen in bestimmten Konstellationen ergibt sich – wie sich noch zeigen wird – gerade wegen der besonderen Regelungsstruktur der Qualifikationstatbestände. Die Besonderheiten dieser Gesetzestechnik sind daher der Schlüssel zur Beantwortung der Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Strafrahmenabstufung „nach oben“. In die Überlegungen ist hierbei einzustellen, dass es sich nicht lediglich um zwei verschiedene Gesetzestechniken handelt, sondern diese Regelungsarten (darüber hinaus) auch aus inhaltlicher Sicht – namentlich mit Blick auf das unterschiedliche Maß an Bindung des Richters – maßgeblich voneinander abweichen.35 Die bisherige ausschließliche Betrachtung der Regelbeispielstechnik vermag dies nicht zu gewährleisten und ist daher defizitär, da sie gerade nicht die Besonderheiten methode“). Wann jedoch lediglich „Programmsicherung“ (also die gesetzliche Bereitstellung eines „Prüf- und Argumentationsprogramms der Strafrechtsanwendung“; dazu Hassemer, a.a.O., § 1 Rn. 20) erwartet werden kann (die Verwendung der Regelbeispielsmethode also genügt), wird nicht abschließend entfaltet; die genannten Beispiele für eine über die „Programmsicherung“ hinausgehende „Ergebnissicherung“ gesetzlicher Regelungen (numerische Angaben sowie Relationsbegriffe wie Verwandschaftsverhältnisse) dürften insoweit wenig aufschlussreich sein. Da diese im Rahmen der Bildung strafrahmenschärfender Normen praktisch nur äußerst selten vorkommen, dürfte es unter Zugrundelegung des Ansatzes von Hassemer letztlich dabei bleiben, dass der Gesetzgeber die „freie Auswahl“ zwischen beiden legislativen Techniken hat. 35 Dies hat bereits Schroeder, in: 130 Jahre Strafgesetzbuch, S. 381, 383, zutreffend herausgestellt: „Häufig ist auch von der „Technik“ der Regelbeispiele oder Regelfälle für besonders schwere Fälle die Rede. Auch hierbei handelt es sich keineswegs um eine rein gesetzes„technische“ Frage, sondern um eine Bestimmung des Entscheidungsspielraums des Richters zwischen der strikten Bindung an Tatbestandsmerkmale und der Weite der unbenannten besonders schweren Fälle.“ [im Original teilw. hervorgehoben].
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der qualifizierten Delikte betrachtet. Folglich kann sie auch nicht schlüssig begründen, warum es gerade die Technik des qualifizierten Delikts ist, die in bestimmten Fällen unbedingt Verwendung finden muss. Im Gegensatz zu den bisherigen Untersuchungen, welche den Fokus auf die Regelbeispielstechnik und/oder die Gesetzgebungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle gelegt haben, folgt die vorliegende Arbeit daher einem umfassenderen Ansatz. Es werden die strafrahmenschärfenden Komplementärnormen in ihrer Gesamtheit untersucht, sodass auch und gerade die Regelungsform des qualifizierten Delikts Beachtung findet. Insoweit erfolgt ein Perspektivenwechsel: weg von der Fokussierung auf die Regelbeispielstechnik, hin zur Betrachtung sämtlicher strafrahmenschärfenden Komplementärnormen.36 Wie sich zeigen wird, ist es diese ganzheitliche Betrachtung, die den Ansatz für die Beantwortung der Frage nach den Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hervorbringt. Dieser Problemstellung vorgeschaltet ist die Frage nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben bzw. Schranken für die Weite von Strafrahmen.37 Denn eine Verpflichtung, sich bei der Strafrahmenabstufung der Regelungstechnik des qualifizierten Delikts zu bedienen, kann den Gesetzgeber erst dann treffen, wenn er ob der Vielgestaltigkeit des jeweiligen Delikts eine (sehr) große Bandbreite von möglichen Rechtsfolgen für erforderlich hält, es ihm jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht verwehrt ist, lediglich einen einzigen (weiten) Strafrahmen zu formen. Dann nämlich ist eine Strafrahmenabstufung (mithin die deliktsgruppeninterne Ausdifferenzierung38) notwendig, da ein einziger Strafrahmen, der von der geringsten erforderlichen Strafe bis zur höchsten erforderlichen Strafe reicht, zu weit wäre und damit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügen würde.39 Wenn es gelingt, die ver36
Eine knappe vergleichende Gegenüberstellung findet sich auch bei Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 58 f. 37 Siehe dazu auch Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 290: „Dafür, daß er dies mit Hilfe der Regelbeispielstechnik tun kann, ließe sich vielleicht vorbringen, daß er die Höhe des Strafrahmens festsetzen könne und es deshalb gegenüber einer bloßen Strafrahmenerweiterung noch ein Vorteil sei, wenn er den Bereich, den er bei der Anhebung im Auge habe, durch strafschärfende Regelbeispiele markiere. Indes hat man hier zu beachten: Strafrahmen lassen sich nicht nach Belieben ausdehnen. Sie müssen in Relation zum jeweiligen Tattypus stehen.“. Diese Verknüpfung im Ansatz erkennend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 408: „Solange die einzelnen Strafrahmen weit gespannt sind und sich die überwiegende Zahl der Fälle, die von einem Sonderstrafrahmen erfasst werden, auch innerhalb des Normalstrafrahmens aburteilen lassen, sind rechtspolitische Bedenken gegen die besonders schweren Fälle nur schwer zu begründen.“. Den Zusammenhang hingegen nicht erkannt hat Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 76, der die Frage nach der Normierung von Straferhöhungsgründen nicht als verfassungsrechtliche Frage ansieht, sondern darin nur eine Frage der Zweckmäßigkeit erblickt. 38 Morsch, AnwBl. 2014, 873, 875, spricht von „Binnendifferenzierung“. 39 Prinzipiell gegen eine solche Verpflichtung zur Strafrahmenabstufung (bzw. Ausdifferenzierung der Deliktsgruppe) Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420; in der Sache gleich Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 11; mit entsprechender Tendenz auch Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 76, der die Frage nach der Normierung
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fassungsrechtlichen Grenzen für die Reichweite von Strafrahmen herauszuarbeiten und damit aufzuzeigen, dass in bestimmten Fällen (namentlich dann, wenn es sich um ein Delikt handelt, dass mit stark unterschiedlicher Unrechts-/Schuldschwere verwirklicht werden kann) eine Strafrahmenabstufung notwendig ist (da ein einziger Strafrahmen, der den Bereich der notwendigerweise vorzuhaltenden Strafandrohungen ausschreitet, wegen seiner Weite verfassungsrechtlich nicht haltbar wäre), dann entfällt zugleich das Argument, dass die Verwendung der Regelbeispielsmethode oder die Schaffung einer Norm für die unbenannten besonders schweren Fälle ein „Mehr an Bestimmtheit“/Rechtssicherheit gegenüber der bloßen Strafrahmenerweiterung bedeutet.40 In diesen Konstellationen muss der Gesetzgeber – will er entsprechend des Schuldgrundsatzes für jegliche Verwirklichungsform des Delikts die passende (mithin schuldangemessene) Strafandrohung bereitstellen – eine Strafrahmenabstufung durchführen und neben den grunddeliktischen Regelstrafvon Straferhöhungsgründen nicht als verfassungsrechtliche Frage ansieht, sondern darin nur eine Frage der Zweckmäßigkeit erblickt. Lediglich geringfügig einschränkend, vornehmlich mit Blick auf die Tötungsdelikte, Schröder, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 82: „Zwar wird es seine Pflicht sein, zu fest zu umreißenden und vor allem im äußeren Erscheinungsbild abweichenden Formen eines Delikts wertend Stellung zu nehmen […]. Aber das bedeutet keineswegs, daß stets der Versuch unternommen werden müßte, einen Deliktstyp aufzuspalten, und daß man sich nicht begnügen dürfte mit einem genügend weiten Strafrahmen, der die Differenzierung der Wertstufen dem Richter überlässt.“. Neuerdings in Hinblick auf die Ausgestaltung der Tötungsdelikte eine gesetzgeberische Verpflichtung zur Binnendifferenzierung annehmend Walter, NStZ 2014, 368 f., der sich insoweit gegen den Ansatz wendet, bei der anstehenden Neuregelung der §§ 211 ff. StGB lediglich einen „Einheitstatbestand“ vorzusehen, die Differenzierung zwischen Totschlag und Mord also aufzugeben (so jedoch der von Walter kritisierte Ansatz von Deckers/Fischer/König/Bernsmann, NStZ 2014, 9 ff.). 40 In der Sache bereits Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 290, der zutreffend darauf hinweist, dass Strafrahmen sich nicht nach Belieben ausdehnen lassen. Mit entsprechender Argumentation (teilweise (auch) in Hinblick auf das Verhältnis zwischen Regelbeispielsnormen und unbenannten besonders schweren Fällen) wird jedoch vielfach die Verwendung bestimmter Gesetzestechniken „gerechtfertigt“ und damit deren Mangelhaftigkeit relativiert; siehe Kudlich, JuS 1998, 468, 469; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 59: „Die Regelbeispielstechnik macht aus der Not der unbenannten Strafänderungsgründe zwar keine Tugend, aber einen erträglicheren Zustand.“; Noll, JZ 1963, 297, 301; Zipf, Strafzumessung, S. 17; siehe auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 407; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle; S. 61: „Und das [scil. die Schaffung einer Regelbeispielsnorm] ist jedenfalls besser, als wenn sich der Gesetzgeber durch Aufstellung weiter Strafrahmen jeglicher Verantwortung für eine differenzierende Betrachtung verschiedener Schwerestufen eines Delikts entziehen würde.“; ausdrücklich: Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 206 f.: „[…] berührt jedenfalls die Frage der Verfassungsmäßigkeit entsprechender Regelungen nicht; denn wenn dem Gesetzgeber erlaubt wäre, z. B. den Strafrahmen des § 212 unter Wegfall der derzeit bestehenden Variationen ohne weitere gesetzliche Differenzierung von 6 Monaten bis 15 Jahren zu erstrecken, so kann ihm nicht verwehrt sein, diesen Strafrahmen durch Beschreibung bestimmter für relevant erachteter Kriterien zu unterteilen.“; diesem folgend Reichenbach, Jura 2004, 260, 264; aus jüngster Vergangenheit: J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 147 (Fn. 668). In Hinblick auf die unbenannten besonders schweren Fälle Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f. Zweifelnd hinsichtlich der steten Stichhaltigkeit der Argumentation Scheffler, ZStW 117 (2005), 766, 779; ebenso kritisch Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschnitt Rn. 101, S. 179 f.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 164 f.
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rahmen einen Sonderstrafrahmen setzen, weil die Verklammerung der notwendigen Strafandrohungen in einem Strafrahmen aufgrund der starken Unrechts-/Schuldvarianz der deliktischen Verwirklichungsformen zu einem überweiten und damit verfassungswidrigen Strafrahmen führen würde.41 Der Verweis auf die Ausdehnung des grunddeliktischen Strafrahmens kann dann nicht mehr verfangen.42 Zugleich ist dann die (insb. im älteren Schrifttum anzutreffende)43 These widerlegt, dass die deliktsgruppeninterne Ausdifferenzierung, mithin die Durchführung einer Strafrahmenabstufung, (stets) im freien Belieben des Gesetzgebers stehe, die bloße Ausdehnung des grunddeliktischen Strafrahmens also stets eine zulässige Regelungsalternative sei.
41 A.A. Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420, der jedoch von der mittlerweile überholten Ansicht ausgeht, dass sich aus dem Grundgesetz keine Vorgaben an die Weite von Strafrahmen entnehmen ließen; diesem in der Sache folgend Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f. Mit entsprechender Tendenz einen zu weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzsgebers annehmend Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 1 Rn. 34: „Darüber hinaus steht es dem Gesetzgeber frei, den Versuch zu machen, mittels qualifizierter Tatbestandsmerkmale oder Regelbeispielen einen prinzipiell zu bösem Tun entschlossenen Täter von Schlimmeren abzuhalten […].“. Ähnlich Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 76, der die Frage nach der Normierung von Straferhöhungsgründen nicht als verfassungsrechtliche Frage ansieht, sondern darin nur eine Frage der Zweckmäßigkeit erblickt. Damit verkennen diese Stimmen jedoch, dass zwischen den verfassungsrechtlichen Schranken für die Weite von Strafrahmen und der Notwendigkeit der Durchführung einer Strafrahmenabstufung (sowie der damit verbundenen Schaffung einer Komplementärnorm) ein enger Bezug steht, da Erstere mittelbar Letztere erzwingen können (nämlich dann, wenn der Gesetzgeber für jegliche Form der Deliktsverwirklichung eine schuldangemessene Bestrafung vorsehen möchte, ein einziger Strafrahmen ob seiner Weite jedoch verfassungsrechtlich unzulässig wäre). 42 Siehe zur entsprechenden Argumentation Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420 ff.; Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f. 43 Siehe bspw. Braunsteffer, Problematik der Regelbeispielstechnik, S. 6: „Deshalb begnügt sich der Gesetzgeber auch nicht damit, einzelne Deliktstypen mit weiten Strafrahmen zu schaffen, sondern er bemüht sich – ohne freilich dazu gezwungen zu sein –, die einzelnen Rechtsgutverletzungen soweit wie möglich nach ihren verschiedenen Erscheinungsformen zu differenzieren.“ [Hervorhebung durch Verfasser]. Siehe auch Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420: „Ebenso wie danach der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, auf jede Differenzierung gegenüber dem Grunddelikt zu verzichten und den verschiedenen Erscheinungsformen des Delikts durch einen genügend weiten Strafrahmen Rechnung zu tragen, ohne mit dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ in Konflikt zu geraten […].“. Siehe auch Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f., der dies nur geringfügig relativiert und diesbezüglich ausführt: „Von einer Verfassungwidrigkeit könnte höchstens dann die Rede sein, wenn er dies ausschließlich auf Kosten des überkommenen und bewährten Bestandes an festen Tatbeständen tun würde oder wenn er seine Verpflichtung, möglichst fest umrissene Tatbestände zu schaffen, grundsätzlich und generell (etwa aus Bequemlichkeit oder sonstigen ermessensmißbräuchlichen Gesichtspunkten) negieren würde.“ (Waßner, a.a.O., S. 67); siehe auch Waßner, a.a.O., S. 129: „[…] verfassungsrechtliche Bedenken [bestehen] nur, wenn der Gesetzgeber ohne hinreichenden Grund auf eine detaillierte rechtssatzmäßige Bindung des Richters verzichtet.“, insoweit sei die Möglichkeit der „[Auflösung] [durch] tatbestandsändernde Schärfungsmerkmale“ entscheidend (Waßner, a.a.O., S. 129).
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Die Frage nach dem „Wie“ der Strafrahmenabstufung (mithin den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die gesetzgeberische Entscheidung über die Auswahl der Regelungstechnik) hängt damit eng mit der Frage nach dem „Ob“ der Strafrahmenabstufung44 (mithin den verfassungsrechtlichen Schranken für die Reichweite für Strafrahmen: Wann ist ein Strafrahmen wegen seiner Weite unvereinbar mit dem Grundgesetz?45 Wann kommt eine Ausdehnung des grunddeliktischen Strafrahmens zur Erfassung der (besonders) schweren Fälle der Deliktsverwirklichung nicht in Betracht und ist demzufolge die Schaffung einer Komplementärnorm mit Sonderstrafrahmen erforderlich?) zusammen.46 Dass unter der Geltung des Grundgesetzes die Rechtsfolgenandrohung im Strafgesetz jedenfalls in Form von Strafrahmen zu erfolgen hat, dürfte mittlerweile einhellige Meinung sein.47 Jedoch konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, wie weit die diesbezügliche Präzisierungsarbeit des Gesetzgebers gehen muss.48 44
In Hinblick auf die Neuregelung der Tötungsdelikte eine solche – verfassungsrechtliche – Pflicht des Gesetzgebers zur deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung bejahend Walter, NStZ 2014, 368 f. 45 Diese Frage wurde bereits im Jahr 1955 durch Schröder aufgeworfen; siehe Schröder, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 80: „Gibt es aber hier eine Grenze, einen Punkt also, wo die Weite des Rahmens in Widerspruch tritt zur Forderung nach gesetzlicher, wenn auch nur relativer, Festlegung der Deliktsfolgen?“. Seine Antwort fällt allerdings ernüchternd aus und resultiert in der Feststellung, dass „[…] hier u. E. echte Probleme nicht vorhanden sind“ und dass sich „Strafdrohungen, die wegen ihrer Unbestimmtheit rechtsstaatlichen Bedenken ausgesetzt wären, […] de lege ferenda kaum vorstellen [lassen].“ (Schröder, a.a.O., S. 81). 46 Hinsichtlich des „Ob“ einer Strafrahmenabstufung, mithin einer deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung, wurde insb. in der älteren Literatur wiederholt darauf verwiesen, dass dies dem freien gesetzgeberischen Ermessen unterfalle, dieser zu einer solchen nicht (bzw. unter keinen Umständen) verpflichtet sei und er anstelle einer Strafrahmenabstufung stets die Bildung eines (ausreichend) weiten grunddeliktischen Strafrahmens vornehmen könnte (so Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420 ff.; Braunsteffer, Problematik der Regelbeispielstechnik, S. 6). Jüngst in Bezug auf die Neuregelung der Tötungsdelikte eine solche – verfassungsrechtliche – Pflicht des Gesetzgebers zur deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung bejahend Walter, NStZ 2014, 368 f., der jedoch die vorliegend ausgemachte „Vorfrage“ nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der Gestaltung von Strafrahmenweiten – ob des begrenzten Umfangs seiner Ausführungen verständlicherweise – lediglich andeutet. 47 Bereits im Jahre 1954 hat Lange in seinem Gutachten festgestellt: „Die völlige Abschaffung der Strafrahmen ist unzulässig und praktisch nicht zu empfehlen.“ (siehe Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 87). Noll, Gesetzgebungslehre, S. 282, erblickt die Zulässigkeit von Strafrahmen im „[…] geringe[n] Präventionsinteresse und [dem] starke[n] Bedürfnis nach individualisierender Gerechtigkeit […].“. Deutlich weniger streng hingegen Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 22 ff., der nur die gesetzliche Bestimmung der Strafart fordert und konstatiert, dass das Verfassungsrecht „[…] die Fragen der Rechtsfolgebegrenzung und vor allem der Strafrahmenweite offen [lässt] […].“ (Peters, a.a.O., S. 26). 48 Zutreffend stellt Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 521, fest, dass der Bestimmtheitsgrundsatz bislang eine Beschränkungsfunktion nicht entfalten konnte. Siehe auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 164, nach dem die Anforderungen in Rechtsprechung (und überwiegendem Schrifttum) „niedrig angesiedelt“ sind. Mit der vorliegenden Arbeit wird beabsichtigt, dieses Defizit zu beheben und ausgehend von den einschlägigen
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Benannt ist damit die Fragstellung nach der zulässigen Weite von Strafrahmen.49 Die Weite der Strafrahmen im geltenden StGB wird vielerorts kritisch kommentiert.50 In Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Schranken für die Weite von Strafrahmen finden sich in Rechtsprechung und Literatur eher allgemein gehaltene Aussagen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen Strafrahmen nicht „uferlos“ sein.51 Diese Ausführungen sind nur wenig brauchbar, um den Gesetzgeber in Erklärungs- bzw. Rechtfertigungsnöte zu bringen.52 Es verwundert daher, insb. bei verfassungsrechtlichen Geboten konkrete Vorgaben an die Ausgestaltung der Weite von Strafrahmen zu formulieren. 49 Diese Fragestellung wurde bislang noch nicht abschließend geklärt; siehe dazu die Feststellung von Reichenbach, Jura 2004, 260, 263: „Wie diese Anforderungen nun im Einzelnen beschaffen sein sollen, m.a.W., welche Strafrahmen (noch) mit dem Bestimmtheitsgebot in Einklang stehen bzw. (schon) verfassungswidrig sind, ist daher auch noch nicht gezeigt worden.“. 50 Siehe nur Hettinger, in: FS Schünemann, S. 891, 903 f.; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 32; Schünemann, Nulla poene sine lege, S. 38, der von exorbitanten Strafrahmen spricht; ders., in: Krise des Strafrechts und der Kriminalwissenschaften?, S. 338: „drakonische Natur […] der heutigen gesetzlichen Strafrahmen“; Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 520 ff.; Zipf, Kriminalpolitik, S. 202 f., spricht von einem „[…] historisch bedingten Wildwuchs mit in der Regel viel zu weiten „Einheitsstrafrahmen“ […]“ sowie von einer Aushöhlung des Grundsatzes der Bestimmtheit von Rechtsfolgen; diesem folgend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 164 f.; in die selbe Richtung gehen die Ausführungen von Wilcken, Doppelverwertung, S. 163 ff., der u. a. feststellt, dass nach den Änderung durch das 6. StrRG „[…] aus den Strafdrohungen nun überhaupt keine Unwerturteile mehr ableitbar [sind].“ (Wilcken, a.a.O., S. 164). Für eine engere Fassung der Strafrahmen tritt auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 408, ein. Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 299 ff. fordert die (realitätsorientierte) Absenkung der Strafrahmenobergrenzen, da diesen in der richterlichen Praxis keine (bzw. kaum) Bedeutung zukomme. Insoweit verweist er darauf, dass der obere Bereich der Strafrahmen in der Strafzumessungspraxis kaum genutzt werde (siehe Schott, a.a.O.). In der Sache folgend Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 268 ff.; siehe auch Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 10: „Das bedeutet im einzelnen: Wo immer ein fester Tatbestand mit engen Strafrahmen geschaffen werden kann, sollte dieser Weg gewählt werden.“. 51 Siehe BVerfGE 105, 135, 156, wonach der Strafrahmen erst dann dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht mehr genügt, wenn er „uferlos“ ist. Insoweit hat das Verfassungsgericht ausgeführt: „Bei den Strafdrohungen in den einzelnen Straftatbeständen des Besonderen Teils muss sich der Gesetzgeber auf Strafrahmen festlegen, denen sich grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe ebenso wie die Sanktionsobergrenze entnehmen lassen und die so einen Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung nach Tatunrecht und Schuldmaß bilden.“ (BVerfGE 105, 135, 156). In der Sache folgend Fischer, StGB, § 1 Rn. 17; Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 25; Lenckner/Eser/Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 22; siehe auch Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57 f., der jedoch (zumindest) an der Verfassungsmäßigkeit einiger (bestehender) Sanktionsandrohungen zweifelt. Eine knappe Darstellung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht findet sich bei Hettinger, in: FS Schünemann, S. 891, 895; kritisch zum Kriterium „uferlos“ Gaede, in: AnwKomm-StGB, § 1 Rn. 22. 52 Zutreffend stellt Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 521, fest, dass der Bestimmtheitsgrundsatz bislang eine Beschränkungsfunktion nicht entfalten konnte. Zur Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe auch Hettinger, in: FS Schünemann, S. 891, 904: „Genötigt, daran etwas zu ändern, sähe der Gesetzgeber sich nur, wenn aus dem Karlsruher Schloss Ungemach drohte. Eben dies war damals und ist auch heute nicht zu
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Kap. 1: Einleitung
Betrachtung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex,53 nicht, dass der Gesetzgeber die Strafrahmen im StGB relativ weit fasst. Nur vereinzelt54 finden sich konkrete Vorgaben an die Strafrahmenweite.55 Schünemann ist der Ansicht, dass die Strafrahmen zur Erfüllung der Anforderungen des Bestimmtheitsgebots in „überschaubare Blöcke“ geteilt werden müssten.56 Vertretbar seien danach Spannweiten von 1 Monat bis 2 Jahre, 6 Monate bis 5 Jahre, 1 Jahr bis 10 Jahre sowie 2 Jahre bis 15 Jahre.57 Unter Zugrundlegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensstrafe58 leitet Hettinger ab, dass ein Strafrahmen nicht den gesamten Bereich zeitiger Freiheitsstrafen umspannen darf.59 Auch die Verfassungsmäßigkeit eines Strafrahmens, der von einem Monat Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe reicht, bezweifelt Hettinger.60 Leider sind beide Stellungnahmen relativ knapp gehalten, weshalb ihnen eine vertiefte Begründung fehlt. Fundierter sind die Ausführungen von Klesczewski, der ausgehend von der Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen die Ansicht vertritt, das bei Vergehen der Strafrahmen allenfallens eine Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe aufweisen darf.61 In seiner Begründung verweist Klesczewski auf die bestehenden Strafrahmen für diese beiden Deliktskategorien.62
befürchten.“. Siehe auch ders., in: FS Paeffgen, S. 267, 269: keine „ernstlich einhegende verfassungsgerichtliche Rechtsprechung“; siehe auch ders., a.a.O., S. 273 f. 53 Insoweit fehlte den kritischen Stimmen (bislang) die „Unterstützung“ des Bundesverfassungsgerichts; so die Feststellung von Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 522. Ebenso bereits die Feststellung von Hettinger, GA 1995, S. 399, 415. 54 Siehe Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 311 Fn. 96; Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81; Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 38; diesem folgend Lampe, Strafphilosophie, S. 44 f.; für eine Orientierung an der Ausgestaltung der Strafrahmen in Österreich Zipf, Kriminalpolitik, S. 202 f.; in Hinblick auf die (anstehende) Reform der Tötungsdelikte sieht Krehl, ZRP 2014, 98 f., einen weiten Strafrahmen, der von fünf Jahren Freiheitsstrafe bis zur lebenslangen Freiheitsstrafe reicht „[…] angesichts der Weite des Strafrahmens einigen verfassungsrechtlichen Bedenken […]“ ausgesetzt. Zudem verweist er darauf, dass „[…] jegliche inhaltliche Festlegung fehlt, in welchen Fällen die lebenslange Freiheitsstrafe in Betracht kommen soll.“ (Krehl, a.a.O., 99). Insoweit fehle die verfassungsrechtlich erforderliche Entscheidung durch den Gesetzgeber. 55 Siehe neben den folgenden auch Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, S. 1014, der fordert, dass „[…] die dem Wertverletzungsgehalt der Tat entsprechende Strafhöhe [wenigstens] [schwerpunktmäßig] gesetzlich bestimmt sein [muss].“. 56 Siehe dazu Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 38. 57 Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 38; folgend Lampe, Strafphilosophie, S. 45. Kritisch sieht Lampe, Strafphilosophie, S. 44, insb. diejenigen Konstellationen, in denen der Gesetzgeber (sei es auch durch Bildung von Komplementärnormen) eine Mindeststrafe von (unter) 6 Monaten mit der Höchststrafe der lebenslangen Freiheitsstrafe kombiniert. 58 BVerfGE 105, 135 ff. 59 Siehe Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 311. 60 Siehe Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 311 Fn. 96. 61 Siehe Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 62 Siehe Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81.
§ 1 Einführung in den Gegenstand der Untersuchung
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Alle diese Ansichten haben gegenüber der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung den Vorteil, dass sie die Grenzen zulässiger Strafrahmenweite „zahlenmäßig“ benennen und damit durchaus geeignet sind, dem Gesetzgeber Vorgaben für die Strafrahmenbildung zu geben. Hierdurch kann dieser in „Erklärungsnot“ gebracht werden. Gleichwohl bedarf es einer fundierten Begründung. Insoweit wurde diesem Themenbereich bislang noch nicht die Beachtung geschenkt, die ihm ob seiner praktischen Relevanz zuteil werden sollte.63 Diese soll in dieser Arbeit erfolgen. Einen weiteren Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden die Folgerungen, die aus der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen zu ziehen sind. Falls sich nämlich am Maßstab der gewonnen Erkenntnisse die Unzulässigkeit von Strafnormen bzw. Teilen von Strafnormen ergeben sollte, hat dies auf der Ebene der Anwendung der Komplementärnormen zwingend Berücksichtigung zu finden. Nur so ist sichergestellt, dass die Vorgaben auch tatsächlich Wirkung entfalten. Andererseits muss es Ziel sein, von den Normen bzw. vom Norminhalt – freilich in den Grenzen zulässiger Auslegung und Rechtsfortbildung – soviel wie möglich aufrecht zu erhalten. Denn ein solches Vorgehen gebietet der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt.64 Einen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet auch die Skizzierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bildung von tatbestandsförmigen Komplementärnormen, mithin Qualifikationstatbeständen. Es soll hierbei insb. aufgezeigt werden, welche verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Normbildung sich aus dem Übermaßverbot sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG ergeben. Darauf aufbauend werden die verfassungsrechtlichen Spannungen aufgezeigt und erörtert, wie diese Problemlagen gelöst werden können. Die vorliegende Untersuchung bewegt sich damit im Ausgangspunkt entlang der Schnittstelle zwischen Straf- und Verfassungsrecht, einem Bereich, der bereits wiederholt bearbeitet wurde.65 Anders als diese Arbeiten beschäftigt sich diese Abhandlung jedoch mit den spezifischen verfassungsrechtlichen Problemstellungen 63 Insoweit besitzt die Feststellung Bergmanns aus dem Jahre 1987, dass „[…] die Strafrechtswissenschaft diesem Problem bisher wenig Beachtung geschenkt [hat] […]“ (siehe Bergmann, Milderung der Strafe, S. 40) weiterhin Aktualität. 64 Zutreffend Schenke, Rechtsschutz, S. 317 Fn. 4, der insoweit für verfassungskonforme Auslegung und das Institut der Teilnichtigkeit(-serklärung) feststellt, dass „[…] der Wille des Normgebers, soweit er nicht im Widerspruch zum Verfassungsrecht steht, respektiert werden und damit das Verdikt der Nichtigkeit auf das verfassungsrechtlich gebotene Minimum beschränkt bleiben [muss].“. Siehe auch BVerfGE 86, 288, 320 (Fall einer verfassungskonformen Analogie, siehe zu dieser Einordnung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 156, 159): „Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat.“; ebenso BVerfGE 110, 226, 267. Zweifelnd in Hinblick auf dieses Postulat im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 415 f. 65 Einen Überblick über die wissenschaftlichen Abhandlungen zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben bzw. Grenzen für das Strafrecht gibt die aus jüngerer Vergangenheit stammende Arbeit von Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 32 ff.
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Kap. 1: Einleitung
bzw. -lagen bei der Abschichtung von Komplementärnormen, also der deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob und wie die gewonnenen Erkenntnisse für die Anwendung von Komplementärnormen fruchtbar gemacht werden können. Hierbei geht es darum, die Auslegung bzw. die Anwendung von Komplementärnormen an den herausgearbeiteten Grundsätzen auszurichten, um eine größtmögliche Konsistenz zu erreichen. Ziel ist es aufzuzeigen, dass die Erarbeitung der Erkenntnisse über die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die interne Deliktsgruppengestaltung nicht lediglich ein juristisches Glasperlenspiel bedeutet, sondern Ausgangspunkt konkreter Folgerungen für die Rechtsanwendung ist. Insoweit ist es beabsichtigt, die abstrakte Ebene zu verlassen, um anhand verschiedener Beispiele den praktischen Nutzen der Grundlegung(en) aufzuzeigen. Namentlich soll der Einfluß auf die Auslegung konkreter Qualifikationstatbestände sowie die Konkretisierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ vertieft dargestellt werden. Nicht abgehandelt werden soll die teilweise vorgenommene,66 zum Teil jedoch kritisierte67 Differenzierung zwischen Qualifikationsdelikt und delictum sui generis.68 Hierzu werden keine Ausführungen erfolgen. Eine solche Differenzierung nimmt die vorliegende Arbeit nicht vor, weshalb auch eine sprachliche Unterscheidung unterbleibt. Vorliegend wird entweder von der tatbestandsförmigen Komplementärnorm oder – insoweit gleichbedeutend – vom Qualifikationstatbestand (bzw. dem qualifizierten Delikt/der Qualifikation) die Rede sein. Dies umfasst Normen, die zwingend und abschließend die strafrahmenschärfenden (konkreten) Faktoren aufführen, mithin Qualifikationstatbestandsmerkmale und gerade keine Regelbeispiele enthalten. Der Fokus liegt dabei auf der gemeinsamen Form (zwingende und abschließende Umschreibung der strafrahmenschärfenden Faktoren in Form von Qualifikationstatbestandsmerkmalen). Eine weitere Differenzierung nach „einfacher“ Qualifikation und delictum sui generis kann unterbleiben, weil es in der vorliegenden Arbeit um die Abgrenzung der tatbestandsförmigen Komplementärnormen von den Regelbeispielsnormen sowie den Normen zu den unbenannten besonders schweren Fällen geht. Abgegrenzt wird vorliegend also nach der Regelungstechnik (zwingende und abschließende gesetzliche Aufführung der strafrahmenschärfenden Faktoren: Ja oder Nein?). Da sich „einfache“ Qualifikation und delictum siu generis diesbezüglich nicht unterscheiden, kann eine differenzierte Betrachtung bzw. Analyse unterbleiben.
66 Siehe dazu Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 64. Einschränkend Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 135: Bezeichnung hat keinen dogmatischen Eigenwert. 67 Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschnitt Rn. 98, S. 177 f. 68 Mit dieser Problematik beschäftigt sich eingehend das Gutachten von Maurach, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 249 ff.
§ 2 Gang und Ziel der Untersuchung
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Verkürzt lässt sich der Gegenstand der Arbeit wie folgt zusammenfassen: Zum einen sollen die im Besonderen Teil des StGB verorteten strafrahmenschärfenden Normen einer umfassenden Betrachtung unterzogen werden. Hierbei geht es u. a. um die Analyse der verschiedenen Gesetzestechniken (Qualifikation, Regelbeispielsmethode sowie unbenannte besonders schwere Fälle). Zum anderen sollen darüber hinaus die verfassungsrechtlichen Grenzen bzw. Rahmenbedingungen für die interne Deliktsgruppengestaltung aufgezeigt und vertieft dargestellt werden. Hierbei geht es um das Ob und Wie einer Strafrahmenabstufung „nach oben“. Die hierdurch gewonnenen Grundlegungen sollen anschließend auf der Ebene konkreter Rechtsanwendung fruchbar gemacht werden. Die strafrahmenmildernden Normen (sog. „minder schwere Fälle“ sowie tatbestandliche Privilegierungen) werden in der Arbeit nicht explizit thematisiert. Einzig punktuell findet die Strafrahmenabstufung „nach unten“ Erwähnung.69
§ 2 Gang und Ziel der Untersuchung Ziel der Untersuchung ist es, die zuvor aufgeführten Themenbereiche eingehend zu beleuchten und möglichst aussagekräftige Antworten in Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen zu geben. Hierbei soll durch einen globalen Ansatz – anders als in den bisherigen monographischen Untersuchungen – nicht nur die Regelbeispielsmethode oder die Regelungsform der unbenannten besonders schweren Fälle einer punktuellen (Einzel-)Analyse unterzogen werden, sondern alle Formen der Strafrahmenabstufung „nach oben“ in die Betrachtung einbezogen werden. Denn durch die Herausarbeitung der Unterschiede wird eine differenzierte Betrachtung im Lichte der verfassungsrechtlichen Grundsätze an die Strafnormgestaltung ermöglicht. Mit der verfassungsrechtlichen Überprüfung der verschiedenen Gesetzgebungsmethoden soll es jedoch nicht sein Bewenden haben. In einem Folgeschritt soll – falls sich aus verfassungsrechtlicher Sicht Defizite ergeben – geprüft werden, ob und wie (bzw. in welchem Maße) die Normen trotz verfassungsrechtlicher Unzulänglichkeiten aufrechterhalten werden können. Der vorliegende Ansatz ist damit lösungsorientiert und zielt darauf ab, nicht nur das verfassungsrechtliche Defizit zu beschreiben sowie die Verfassungswidrigkeit festzustellen, sondern darüber hinaus auch Lösungen zur Behebung dieser Defizite zu entwickeln. Freilich stellen hierbei die Grenzen zulässiger Rechtsanwendung unübersteigbare Hürden dar, sodass es einer eingehenden Prüfung bedarf. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist es, die praktischen Folgerungen für die Rechtsanwendung herauszuarbeiten. Insoweit soll aufgezeigt werden, dass den gewonnenen Grundlegungen durchaus Erkenntnisse in Hinblick auf die praktische
69
Siehe Kapitel 3 § 7 B.
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Kap. 1: Einleitung
Rechtsanwendung entnommen werden können und sie damit bis in den Bereich der Strafnormanwendung hineinwirken. Anders als in den bisherigen monographischen Bearbeitungen erfolgt im Rahmen dieser Arbeit nicht nur die verfassungsrechtliche Überprüfung bestimmter Regelungskonzepte bzw. Gesetzestechniken. Vielmehr sollen in einem Folgeschritt die entsprechenden Konsequenzen dargestellt und konkrete Lösungsmöglichkeiten für spezifische verfassungsrechtliche Problemlagen erarbeitet werden. Beabsichtigt ist damit nicht nur die Identifizierung der neuralgischen Punkte, sondern darüber hinaus eine weitergehende Bearbeitung der Problempunkte. Letzteres erfolgt dabei stets unter Zugrundelegung und strenger Beachtung der Grenzen zulässiger Auslegung bzw. Rechtsfortbildung. Im Rahmen dessen wird beispielsweise aufgezeigt, wie mit verfassungsrechtlich nicht haltbaren Regelbeispielsnormen auf der Ebene der Rechtsanwendung umgegangen werden kann – wie sich zeigen wird, kann diesbezüglich eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung vorgenommen werden. In einem anderen Abschnitt wird zudem thematisiert, inwieweit sich aus den verfassungsrechtlichen Schranken für die Verwendung der Regelbeispielstechnik Vorgaben für die Anwendung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ und damit die Bestimmung der sonstigen besonders schweren Fälle bei Regelbeispielsnormen ergeben. Insoweit soll diese Arbeit einen weiteren, sich anknüpfenden Schritt vollziehen. Um diese Ziele zu erreichen, wird folgendermaßen vorgegangen: Der erste Abschnitt (Kapitel 2) beschäftigt sich mit der Struktur von Qualifikationstatbeständen. Zunächst erfolgt eine Klärung der Begriffe Delikts- bzw. Unrechtstatbestand sowie Unwerttypus. Bereits hier werden die verfassungsrechtlichen Bezüge aufgezeigt. Das Hauptthema dieses Abschnitts bildet die Herausarbeitung der Typik des Qualifikationstatbestands, wobei dies vornehmlich durch eine Abgrenzung von den anderen Gesetzestechniken der Strafrahmenabstufung „nach oben“ (Regelbeispielsmethode sowie unbenannte besonders schwere Fälle) erfolgt. Anhand diverser Kriterien werden die Unterschiede, jedoch auch die Gemeinsamkeiten verdeutlicht. Hierauf aufbauend werden die Handlungsoptionen des Gesetzgebers bei vielgestaltigen Delikten, d. h. Delikten, welche mit stark variierenden Unrechts-/Schuldgehalt verwirklicht werden können, aufgezeigt. In diesen Konstellationen steht der Gesetzgeber vor der Aufgabe, das Spannungsverhältnis zwischen Schuldgrundsatz und Gebot der Rechtsfolgenbestimmtheit70 aufzulösen. Die Ausgangsfrage von Kapitel 3 ist, in welchen Fällen die verfassungsrechtlich induzierte Notwendigkeit einer Strafrahmenabstufung besteht. Ein Blick auf das soeben erwähnte Spannungsverhältnis bei vielgestaltigen Delikte zeigt, dass dies mit der (Vor-)Frage nach der Weite von Strafrahmen im Zusammenhang steht. Entscheidende Bedeutung kommt daher den verfassungsrechtlichen Vorgaben an die 70 Zu diesem Spannungsverhältnis Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 217 ff., 230 ff.
§ 2 Gang und Ziel der Untersuchung
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Strafrahmengestaltung (konkret: die zulässige Reichweite von Strafrahmen) zu. Denn wenn das Delikt aufgrund des (stark) schwankenden Unrechts-/Schuldgehalts der verschiedenen Verwirklichungsvarianten die (gesetzliche) Bereitstellung einer großen Bandbreite möglicher Strafen erfordert, dann folgt daraus zwingend eine Auswahlentscheidung zwischen Fassung eines weiten, sämtliche erforderliche Strafen umspannenden, Strafrahmens einerseits und Durchführung einer Strafrahmenabstufung andererseits. Während es bei ersterer Lösung bei einem Grunddelikt bleibt, wird bei Letzterer das Grunddelikt durch eine Komplementärnorm nebst Sonderstrafrahmen ergänzt, weshalb der Grundstrafrahmen relativ „eng“ gehalten werden kann. Ob der Gesetzgeber in Hinblick auf diese Auswahlentscheidung stets frei ist oder ob an einem gewissen Punkt sein Gestaltungsspielraum eine Einschränkung erfährt, wurde bislang in der wissenschaftlichen Diskussion nicht geklärt.71 Entscheidender Hebel hierfür ist die Beantwortung der Frage, wann die (weitere) Ausdehnung des Strafrahmens keine verfassungsrechtlich zulässige Handlungsoption darstellt. Angesprochen ist damit der Problemkreis der verfassungsrechtlichen Schranken für die Strafrahmenausdehung, mithin die grundgesetzlichen Vorgaben bezüglich der Weite von Strafrahmen. Regelmäßig wird dies unter dem Topos der Rechtsfolgenbestimmtheit erörtert. Dies verkennt jedoch, dass auch dem Schuldgrundsatz Vorgaben für die Gestaltung von Strafrahmen, insb. auch die Weite von Strafrahmen, entnommen werden können. Die darauf folgende eingehende Analyse beschäftigt sich mit der Konkretisierung der Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Strafrahmengestaltung und soll aufzeigen, dass sich diese mittels Anknüpfung an das System der Straftaten bis auf einen „zahlenmäßig“ bezifferten Wert für die maximal zulässige Höchststrafenandrohung herunterbrechen lassen. Mit dieser Erkenntnis bezüglich der Grenzen zulässiger Strafrahmenweite lässt sich formulieren, wann (bzw. in welchen Konstellationen) der Gesetzgeber eine Strafrahmenabstufung durchzuführen hat und er diese nicht durch eine Ausdehung des Grundstrafrahmens ersetzen kann.72 Damit ist das „Ob“ der Strafrahmenabstufung ausgemacht. 71
Im Ausgangspunkt ist der (Grund-)Aussage von Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 50, zu folgen, welcher betont, dass der Bestimmtheitsgrundsatz der Kriminalpolitik übergeordnet ist. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen stellen (gerade) für den Gesetzgeber und dessen Strafgesetzgebung „unverrückbaren Grundfesten“ dar. Freilich bedarf es – um die konkreten Grenzen zulässiger Strafgesetzgebung aufzuzeigen – einer Entfaltung der (zwingenden) verfassungsrechtlichen Vorgaben. In Hinblick auf den Gegenstand dieser Arbeit soll dies erfolgen. 72 Parallel zur Frage nach der Verwendung der Gesetzestechnik des Qualifikationstatbestandes („Wie“ der Strafrahmenabstufung) wird auch in Hinblick auf das „Ob“ der Strafrahmenabstufung vielfach ein weiter, wenn nicht sogar grenzenloser, Gestaltungsspielraum des Gesetgebers angenommen. Infolgedessen erschöpfen sich Stellungnahmen in der kriminalpolitischen Zweckmäßigkeit solcher Strafrahmenabstufungen; siehe dazu Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420; mit entsprechender Tendenz auch Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 76, der die Frage nach der Normierung von Straferhöhungsgründen nicht als verfassungsrechtliche Frage ansieht, sondern darin nur eine Frage der Zweckmäßigkeit erblickt; siehe Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 11, 26 ff.
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Kap. 1: Einleitung
Hierauf aufbauend widmet sich die Untersuchung (nochmals) dem Thema der Durchführung der Strafrahmenabstufung, mithin dem „Wie“ der Strafrahmenabstufung. Die verschiedenen Umsetzungsvarianten werden im Lichte der Erkenntnisse zur Strafrahmengestaltung erneut einer Untersuchung zugeführt und die Zulässigkeit ihrer Verwendung eingehend beurteilt. In einem nächsten Abschnitt sollen die Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe näher beleuchtet werden. Unter Anknüpfung an den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt (Art. 103 Abs. 2 GG) wird der Frage nachgegangen, in welchen Fällen der Gesetzgeber sich der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes bedienen muss. Dies soll verfassungsrechtlich begründet werden, weshalb eine entsprechende Entfaltung des Inhalts dieses verfassungsrechtlichen Postulats vorangestellt wird. Um die Vorgaben an die Binnengliederung von Deliktsgruppen einer gewissen Griffigkeit zuzuführen, erfolgt die Formulierung einer Abgrenzungsformel, welche durch zahlreiche Beispiele flankiert wird. Zugleich findet hierbei eine vertiefte Darstellung, Analyse sowie Kategorisierung der im StGB enthaltenen strafrahmenschärfenden Faktoren statt. Mit diesem Abschnitt soll aufgezeigt werden, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Auswahl der Regelungstechnik (Fassung als Qualifikationstatbestand oder Regelbeispielsnorm) – anders als teilweise von der strafgerichtlichen Rechtsprechung behauptet73 – nicht völlig frei ist, sondern sich in bestimmten Fällen der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes bedienen muss. Der darauf folgende Abschnitt (Kapitel 5) dient dazu, die Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik aufzuzeigen. Stellt sich heraus, dass eine Regelbeispielsnorm den Anforderungen des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts nicht genügt, so ist dies von einschneidender Bedeutung. Gleichwohl soll dargetan werden, dass solche fehlerhaften Regelbeispielsnormen nicht vollends verloren sind, sondern mittels verfassungskonformer Reduktion „gerettet“ werden können. Dazu erfolgt die Entwicklung eines Lösungsvorschlags sowie dessen strukturierte Überprüfung anhand der Grenzen bzw. Grundsätze zulässiger Rechts73 Siehe BGHSt 26, 167, 173 („kein tiefgreifender Wesensunterschied“ zwischen Qualifikationstatbeständen und Regelbeispielsnormen; lediglich „formale Frage der Gesetzestechnik“; ebenso Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 233); BGHSt 29, 359, 368: zwischen Regelbeispielsnormen und Qualifikationen besteht „kein tiefgreifender Wesensunterschied“; diese Rechtsprechung wiedergebend (jedoch ohne eigene Stellungnahme: „Ob die Bemerkung über die formale Bedeutung der Gesetzestechnik allgemein zutrifft, kann auf sich beruhen.“) BGHSt 33, 370, 374; folgend Reichenbach, Jura 2004, 260, 265; in der Sache auch Krehl, ZRP 2014, 98, 100, der ausführt: „Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers erfährt aus diesem Grund keine Einschränkung durch die Verfassung.“; kritisch jedoch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 112, der eine „[…] nicht aufzuhaltende Erosion der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit von Art. 103 Abs. 2 GG“ befürchtet, wenn man beide Techniken für beliebig austauschbar hielte und konstatiert, dass einer solchen Beliebigkeit auch die Aufgabe des Strafrechts als Bürgerschutzrecht entgegenstehe (Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 142). Auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 197 f. wendet sich gegen die These, dass zwischen den Reglungstechniken kein tiefgreifender Unterschied bestehe. Siehe auch Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 424 f.: nicht uneingeschränkt zuzustimmen.
§ 2 Gang und Ziel der Untersuchung
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fortbildung. In Hinblick auf mögliche Einwände wird eine antizipierte Replik geführt. Im zweiten Teil dieses Abschnitts werden Fragen zur Legitimation von Qualifikationstatbeständen behandelt. Dieser Problembereich ist gerade bei dieser Regelungsform virulent, weil bei ihr die schärfende Strafrahmenverschiebung zwingend vorgesehen ist. Der Gesetzestechnik des Qualifikationstatbestands hat dieser Punkt seit jeher viel Kritik beschert,74 weil diese gesetzlich vorgesehene automatische Strafrahmenschärfung (scheinbar) wenig bzw. kaum Raum für Einzelgerechtigkeitserwägungen bietet. Namentlich bei kumulativem Vorliegen von qualifizierenden Merkmalen und unrechts-/schuldmindernden Umständen wird die Frage nach der Legitimation der Strafrahmenschärfung (im konkreten Fall) aktuell.75 Extrem zugespitzt zeigt sich dies beim Übergang vom Totschlag zum Mord, da die dortige Qualifizierung zur lebenslangen Freiheitsstrafe führt.76 Aber auch in anderen Fällen der rasanten Strafrahmenschärfung (so bspw. bei § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) finden sich entsprechende Hinweise im Schrifttum.77 Ob die bloße Erfüllung der qualifzierende Merkmale die Strafrahmenschärfung (stets) zu tragen vermag und damit (stets) verfassungsrechtlich haltbar ist, wird hier ausführlich zu erörtern sein.78 Insoweit wird zunächst untersucht, worauf sich eine Strafrahmenschärfung als solche (d. h. im Normalfall) stützen lässt. In einem zweiten Schritt soll sodann in Bezug auf den Ausnahmefall erörtert werden, ob sich in Hinblick auf die (verfassungsrechtliche) Rechtfertigung von Strafrahmenschärfungen Änderungen ergeben, wenn nicht nur die qualifizierenden Faktoren, sondern zugleich erhebliche unrechts-/schuldmindernde Umstände vorliegen. Die hierbei zu Tage geförderten Erkenntnisse sind auch mit Blick auf die anderen Regelungstechniken interessant. Denn gerade der zwingende Charakter der Qualifikationstatbestände, mithin die mit ihnen verbundene Inflexibilität, hat wesentlich zur Verbreitung der Regelbeispielstechnik als „bevorzugte Technik moderner Strafgesetzgebung“79 beigetragen.80 74 Siehe dazu die Darstellungen bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 10 ff.; Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 13 ff.; siehe auch BT-Drucks. IV/650, S. 400: „[…] starre kasuistische Regelung [führt] zu vielfältigen Ungerechtigkeiten […]“. Siehe auch Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 233 f. 75 Siehe dazu Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 233, der insoweit darauf hinweist, dass bei qualifizierten Delikten, die die Strafrahmenverschärfung an ein einzelnes erschwerendes Merkmal knüpfen, außer Acht gelassen wird, dass die Anwendung des Sonderstrafrahmens aufgrund entgegenstehender (mildernder) Umstände ungerecht sein kann. 76 Siehe zu den diversen Versuchen, diese Problemlage zu lösen Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 23 ff. 77 Dazu Fischer, StGB, § 306b Rn. 9, der feststellt, dass es die (erhebliche) Steigerung der Mindeststrafdrohung nicht zu rechtfertigen vermag, dass der Täter die Brandstiftung als Voraussetzung für die Begehung einer anderen Straftat ansieht. Ausführlich dazu Noltenius, HRRS 2009, 499, 506 ff. 78 Diese Frage in Hinblick auf § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB verneinend LG Itzehoe, Beschluss vom 12. 03. 2009 – jug 3 KLs 19/08, juris Tz 47, mit Bezugnahme auf die Konstellation des Vorliegens gesetzlich nicht vertypter Milderungsgründe. 79 So der Gesetzgeber in BT-Drucks. 13/7164 S. 36.
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Kap. 1: Einleitung
Kapitel 6 beschäftigt sich damit, ob und wie die herausgearbeitete(n) Grundlegung(en) für die Auslegung von qualifizierten Delikten nutzbar gemacht werden kann/können. Insbesondere soll dargestellt werden, wie entsprechende Erwägungen in den Ablauf der gängigen Auslegungstätigkeit „eingebettet“ werden können. Denn nur so ist gewährleistet, dass die Grenzen der Auslegung gewahrt und die klassischen Auslegungsmethoden ihrer Bedeutung nicht beraubt werden. Ohne eine solche Bezugnahme zu den klassischen Auslegungsmethoden bestünde die Gefahr, dass die Ergebnisse dieser Auslegungscanones ohne Weiteres „überspielt“ werden würden und so eine freie (mithin vom Gesetz bzw. Gesetzestext losgelöste) Rechtsfindung erfolgte. Ziel ist es, die vertikal-systematische Auslegung im Gesamtsystem der Auslegungscanones darzustellen. In einem Folgeabschnitt soll eine Anwendung anhand dreier Beispiele erfolgen. Hierbei werden problematische Qualifikationstatbestände herausgegriffen und u. a. anhand der entwickelten vertikal-systematischen Auslegung konkretisiert. Hierbei wird jeweils anknüpfend an den jeweiligen Meinungsstand eine eigene Auslegung der Normen vorgenommen, wobei die Impulse vertikal-systematischer Erwägungen besonders hervorgehoben werden. Gleichwohl sollen auch hier die Grenzen solcher Erwägungen deutlich gemacht werden. Die Folgerungen für die Definition der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ werden in Kapitel 8 behandelt. Hier wird zunächst zur bisherigen Diskussion Stellung genommen. Anschließend wird unter Bezugnahme zu den Grundlegungen ein Standpunkt entwickelt. Das letzte Kapitel widmet sich zunächst der Frage nach der Gestaltung (der Weite) von Sonderstrafrahmen. Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Klärung der Frage, ob aus der verfassungswidrigen Weite eines Strafrahmens die Gesamtnichtigkeit der jeweiligen Strafnorm folgt oder ob in den Fällen, in denen der Strafrahmen in Hinblick auf seine Weite nicht den Anforderungen des Grundgesetzes genügt, eine bloße Teilnichtigkeit gegeben ist. Anhand der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen für eine Teilnichtigkeit bzw. Teilnichtigkeitserklärung wird diese Fragestellung bearbeitet. Hierbei wird u. a. auch aufgeführt, wie eine entsprechende Teilnichtigkeitserklärung zu formulieren wäre.
80 Vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 400: „[…] starre kasuistische Regelung [führt] zu vielfältigen Ungerechtigkeiten […]“; weiter heißt es zu den Vorteilen der Regelbeispielstechnik in BTDrucks. IV/650, S. 400: „Der Vorteil gegenüber dieser Vorschrift liegt darin, daß der Richter einerseits Taten, die sich nicht unter die Beispiele bringen lassen, ihnen aber nach Schwere des Unrechts und der Schuld nahe stehen, ebenfalls aus dem schwereren Rahmen strafen kann, andererseits aber nicht gezwungen ist, jede Tat, die unter eines der Beispiele fällt, als schweren Diebstahl zu bestrafen.“.
Kapitel 2
Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen § 3 Der Tatbestand als vertyptes Unrecht A. Der Zusammenhang zwischen den Begriffen Deliktsbzw. Unrechtstatbestand und dem Unwerttypus sowie die (verfassungsrechtlich gebotene) Umsetzung in Gesetzesform Dem Begriff Tatbestand werden unterschiedlich(st)e Bedeutungen zugeschrieben.1 Nach Beling enthält der Tatbestand „[…] den Inbegriff der Merkmale, die ergeben, um welches Verbrechen es sich typisch handelt; also für § 303 StGB die ,Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache‘, für § 211 StGB die ,Tötung eines Menschen‘ usw.“.2 Dies entspricht nach dem heutigen Begriffsverständnis dem Deliktstatbestand3 bzw. (unter Beschränkung auf die unrechtsspezifischen Merkmale)4 dem Unrechtstatbestand5. Letzterer wird teilweise auch als Tatbestand im 1
Siehe dazu die Ausführungen bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 110 ff.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 7 ff., 15 ff., 22 ff. 2 Siehe Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 3. Daran anknüpfend Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 1 ff., der dem Tatbestand eine systematische, eine kriminalpolitische und eine dogmatische Funktion zuschreibt. Nach Kindhäuser, Strafrecht AT, § 8 Rn. 1 ist der Deliktstatbestand „[…] die Zusammenfassung der das strafbare Verhalten kennzeichnenden („typisierenden“) Merkmale […]“. 3 Siehe Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 43/44, nach denen der Deliktstatbestand „[…] lediglich die den spezifischen Unrechts- und Schuldgehalt der betreffenden Deliktsart konstituierenden Merkmale enthält, nicht aber die außerhalb des Typus liegenden Umstände, welche als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe die konkrete Tat als rechtswidrig oder entschuldigt erscheinen lassen […]“. Schuldtatbestand und Unrechtstatbestand bilden zusammen den Deliktstatbestand (Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 15). Dazu auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 13; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 115 f. 4 Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 43/44: „Soweit der Deliktstypus Unrechtstypus ist, d. h. Merkmale umfasst, die das spezifische Unrecht einer bestimmten Deliktsart im Vergleich zu anderen Delikten ausmachen, ergibt sich daraus der Unrechtstatbestand […]“ [im Original teilweise hervorgehoben]. 5 Vgl. dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11 ff. Auch den Begriff „Unrechtstatbestand“ verwendend Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 43/44. Siehe auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 116 ff. Eine Unterteilung nach den
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
Sinne der allgemeinen Verbrechenslehre6 bezeichnet.7 Der Tatbestand in diesem Sinne (Deliktstatbestand) beschreibt (wie auch das eingangs aufgeführte Zitat zeigt) den Unwerttypus und bezeichnet bzw. kennzeichnet damit das rechtswidrige Verhalten und dessen prägenden Charakter nebst Unrechts- und gegebenenfalls Schuldtypik.8 Dieser Begriffsinhalt wird vorliegend zu Grunde gelegt. Auf ihn wird bei der Betrachtung abgestellt. Die anderen Bedeutungen des Begriffes Tatbestand9 hingegen können (weitgehend) ausgeblendet bleiben, da sie in Hinblick auf die Analyse der Regelungsform des Qualifikationstatbestandes nicht ergiebig sind. Dies zeigt ein Blick auf die Regelungssystematik des StGB. Die gesetzliche Beschreibung des Deliktstypus im Besonderen Teil des StGB beschränkt sich auf die unrechts- und schuldtypischen Merkmale, die das Verbrechen „individualisieren“ (mithin die jeweilige Verbrechensart als solche kennzeichnen) und von anderen Deliktsarten sowie von straffreien Handlungen abgrenzen.10 Dies entspricht gerade dem Begriff des Deliktstatbestands, wobei die gesetzlichen Tatbestände dahingehend die Verkörperung des jeweiligen Deliktstypus/Unwerttypus bilden11. Beschränkt man die Betrachtung darüber hinaus auf „[…] alle Merkmale, die den spezifisch strafrechtlichen […] Unrechtsgehalt einer bestimmten Deliktsart begründen […]“12, so meint dies – entsprechend der oben angesprochenen Distinktion – den Unrechtstatbestand, also verschiedenen Funktionen des Tatbestandes in System-, Garantie- und Irrtumstatbestand nimmt Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 1 ff. vor. 6 Siehe zur Gleichstellung der Begrifflichkeiten „Unrechtstatbestand“ und „Tatbestand im Sinne der allgemeinen Verbrechenslehre“ die Übersicht bei Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40. 7 Einen Überblick über die verschiedenen Tatbestandsbegriffe gibt Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40. Eingehend zu den unterschiedlichen Bedeutungsgehalten, die dem Begriff „Tatbestand“ zugeordnet werden Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 7 ff.; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 110 ff. 8 Nach Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 41 dient der Tatbestand der Vertypung des Unrechts, wobei dies im Sinne einer „methodischen Regelhaftigkeit“ zu verstehen sei. 9 Bspw. „Gesamttatbestand“, „Garantietatbestand“; eingehend dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 7 ff., 15 ff., 22 ff. Eine Unterteilung nach den verschiedenen Funktionen des „Tatbestandes“ in System-, Garantie- und Irrtumstatbestand nimmt Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 1 ff. vor. Die im Haupttext zugrunde gelegten Tatbestandsbegriffe dürften am ehesten noch dem Systemtatbestand entsprechen, wobei dieser teilweise jedoch auf Unrechtsmerkmale begrenzt wird. 10 So Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 16 f., der jedoch den terminus „Gesamttatbestand“ verwendet; folgend Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45; entsprechende Ausführungen für den Unrechtstatbestand finden sich bei Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 25 I 2, S. 245. 11 Siehe Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 17; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45; Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 15. 12 Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45 [Hervorheb. im Original]; so auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11: „[…] diejenigen Merkmale der Strafrechtsnorm, die das strafrechtserhebliche Unrecht einer bestimmten Deliktsart begründen […]“.
§ 3 Der Tatbestand als vertyptes Unrecht
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die Verkörperung des Unrechtstypus.13 Insoweit beinhaltet der Unrechtstatbestand die Merkmale, die dem „[…] jeweiligen Delikt das individuelle Gepräge geben […]“14, mithin „[…] dem speziellen Deliktstyp Form und Gestalt verleihen […]“15. Im Sinne dieser Begriffe dient der Tatbestand in seiner Ausformung als Unrechtstatbestand der Beschreibung des spezifischen Unrechtsgehalts. Beim Deliktstatbestand tritt zusätzlich die Beschreibung des spezifischen Schuldgehalts hinzu,16 weshalb es sich bei diesem um den „weiteren“ Tatbestandsbegriff handelt. Beide Tatbestandsbegriffe erfassen aber lediglich den spezifischen, den Deliktstyp konstituierenden, materiellen Unrechts-/Unwertgehalt.17 Der Deliktstatbestand spiegelt damit im Wesentlichen den jeweiligen Unwerttypus wider. Beide (also sowohl der Unrechts- als auch der Deliktstatbestand) haben den materialen Unrechtsgehalt des jeweiligen Delikts als Ausgangspunkt. Der Deliktstatbestand umschreibt damit letztlich in systematischer Weise den jeweiligen Unwerttypus.18 Insoweit besteht zwischen diesen beiden Begriffen eine enge Verbindung. Verfassungsrechtlich garantiert ist hierbei die Umsetzung in Gesetzesform. Das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), welches eine genaue gesetzliche Umschreibung des inkriminierten Verhaltens fordert,19 hat die Notwendigkeit der Beschreibung des Unrechtstatbestands im Gesetz zur Folge. Insoweit bedarf es aufgrund dieses verfassungsrechtlichen Erfordernisses einer gesetzlichen Vertatbestandlichung des Unwerttypus. Die Elemente des Unwerttypus sind im Wortlaut 13
Vgl. dazu Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45. Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 15: Tatbestand ist die „[…] abstrakte Vertypung einer Handlung, deren konkrete Vornahme rechtswidrig ist, wenn sie nicht durch einen vorgehenden Erlaubnissatz gestattet wird (Unrechtstypus […]“. 14 Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 118; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11. 15 Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11; siehe auch Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 118: Charakterisierung des typischen Unrechtsgehalts. 16 Insoweit bleiben allgemeine Rechtfertigungsgründe und allgemeine Schuldmerkmale außer Betracht. 17 Vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 25 I 2, S. 245; Engisch, in: FS Mezger, S. 127, 132: „[…] diejenigen […] Verbrechensmerkmale […], die den sachlichen Unrechtsgehalt des Verbrechens (die Interessenverletzung, die Sozialschädlichkeit oder dgl.) erfassen […]“. Dazu auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 118. 18 Welcher sich aus dem typischen Unrecht des jeweiligen Delikts und gegebenenfalls der Schuldtypik der Deliktsverwiklichung ergibt. 19 Insoweit ist der Gesetzgeber aufgrund des in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Bestimmtheitsgebots dazu verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen (st. Rspr. BVerfGE 25, 269, 285; 41, 314, 320 f.; 57, 250, 262 f.; 126, 170, 195; siehe auch BVerfG, NJW 2006, 3055 ff.; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 103 Rn. 32; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 67). Verhaltenspflichten müssen daher konkret und nicht bloß abstrakt bestimmt werden (BVerfG-K, NVwZ 2007, 1172, 1175).
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
einer gesetzlichen Strafvorschrift aufzuführen. Die gesetzliche Vertypung erfolgt also durch Schaffung eines entsprechenden gesetzlichen Tatbestands, mithin einer entsprechenden gesetzlichen Strafvorschrift. Mittels der einzelnen Tatbestandsmerkmale wird dabei das strafbare Handeln umschrieben.20 Eine Strafnorm definiert damit auch entsprechende Verhaltensanforderungen, indem sie (zumindest mittelbar)21 Verbote bzw. Gebote aufstellt.22 Der Tatbestand umgrenzt hierbei mittels Abstrahierung des strafwürdigen Lebenssachverhaltes23 den Bereich strafbaren Verhaltens und grenzt dieses von tatbestandslosem und damit nicht strafbarem Verhalten ab. Letztlich fordert das Bestimmtheitsgebot damit eine Verkörperung des Unwerttypus im Gesetzestext. Diese Umsetzung in den Gesetzestext birgt jedoch das Risiko des Informationsverlustes. Daher werden der Delikts- bzw. der Unrechtstypus nicht stets vollständig durch den gesetzlichen Wortlaut der entsprechenden Strafvorschrift abgebildet. So kann es durchaus sein, dass der Wortlaut hinter dem Delikts- bzw. Unrechtstypus zurückbleibt, was durch die (dogmatisch bedingte) Hinzufügung ungeschriebener Tatbestandsmerkmale sichtbar wird.24 Auf der anderen Seite kann der Wortlaut jedoch auch Teile enthalten, die der allgemeinen Rechtswidrigkeit zuzuordnen sind und damit gerade nicht den spezifischen Unrechtsgehalt des Delikts beschreiben.25 Zwischen dem geschriebenen Wortlaut im Besonderen Teil des StGB (dem Gesetzestext26) und dem Tatbestand im Sinne des Delikts- bzw. Unrechtstatbestandes ist daher zu unterscheiden. Der materielle Unrechtstypus (dessen Verkörperung im Unrechtstatbestand liegt) ist damit nicht begrenzt auf den im Gesetzestext umschriebenen Sachverhalt. Insoweit können auch ungeschriebene Merkmale im Unrechtstatbestand zu berücksichtigen sein.27 Daher hat die Einordnung als Element des Unrechtstatbestands unabhängig davon zu erfolgen, ob es dem Ge20 Siehe Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rn. 3: Tatbestand „[…] [umschreibt] das menschliche Verhalten […], das Strafe nach sich zieht, wenn es rechtswidrig und schuldhaft ist […].“. 21 Insoweit stehen die Ver- oder Gebote „hinter den gesetzlich geformten Tatbeständen“; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rn. 8. 22 Kern des Unrechtstypus ist gerade das „[…] sachliche Substrat einer Verbots- oder Gebotsnorm […]“ (Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 46). Ähnlich Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 15: „Er [scil. der Unrechtstatbestand] umfasst die Summe derjenigen Merkmale, die ein bestimmtes Verbot (oder Gebot) begründen.“. 23 Insoweit enthält der Tatbestand eine „[…] abstrakte Umschreibung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts in Gestalt einer menschlichen Handlung oder Unterlassung.“ (Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 43/44). 24 Vgl. Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40, der jedoch terminologisch vom Zurückbleiben des „gesetzlichen Straftatbestands“ hinter dem „Tatbestand im Sinne der allgemeinen Verbrechenslehre“ (dem er dem Unrechtstatbestand gleichstellt, siehe ders., a.a.O., Vor § 13 Rn. 40) spricht. 25 Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40. 26 Insoweit liegt dem eine strenge Orientierung am Wortlaut der Norm zu Grunde. 27 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 117.
§ 3 Der Tatbestand als vertyptes Unrecht
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setzgeber tatsächlich gelungen ist, die Merkmale (im Gesetzestext) gegenständlich zu beschreiben.28 In der Rechtsanwendung äußert sich eine entsprechende defizitäre Gesetzesformulierung darin, dass dem Gesetzeswortlaut einzelne ungeschriebene Tatbestandsmerkmale hinzugefügt werden (müssen) bzw. – soweit der Gesetzeswortlaut zu weit gefasst ist29 – dieser durch restriktive Auslegung eingeengt wird (bzw. werden muss30). Insofern ist jeweils ein Vergleich von Gesetzestext und Unrechtstatbestand (Unrechtstypus) erforderlich. Die formalen Tatbestandsmerkmale sind entsprechend kritisch zu hinterfragen.31 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Deliktstatbestand im Wesentlichen die Entsprechung zum Unwerttypus darstellt. Beide Begriffe beziehen sich auf den materialen Unrechtsgehalt des jeweiligen Delikts sowie die damit verbundenen Schuldtypik.32 Der Deliktstatbestand bietet letztlich eine systematische Umschreibung des Unwerttypus. Das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) macht die Umsetzung des Unwerttypus in einer gesetzlichen („geschriebenen“) Strafvorschrift notwendig. Die Strafvorschrift bildet danach die formale Verkörperung des Unwerttypus und enthält damit eine Darstellung vertypten Unrechts. Sie beschreibt den Unwerttypus jedoch nicht zwingend abschließend. Vielmehr kann ihr eine Unvollkommenheit innewohnen, die im Rahmen der Rechtsanwendung (bspw. durch die Anerkennung ungeschriebener Tatbestandsmerkmale) zu berücksichtigen ist.33 Gleichwohl umreißt sie jedoch die äußeren Grenzen, da das Analogieverbot
28 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 117; so auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 25 I 2, S. 245 f.; Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 25. 29 Mithin die Gesetzesformulierung in ihrem Anwendungsbereich den Bereich des Unrechtstypus (den spezifischen materialen Unrechtsgehalt, siehe zu dieser Formulierung Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 25 I 2, S. 245) übersteigt. 30 Allgemein zur Beseitigung von Abstraktionsüberschüssen (zu weit gefasste Strafbarkeit bzw. Vorwurfsermächtigung) mittels teleologischer Reduktion Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 451 ff.; 464 ff. 31 Für den Fall einer „zu weit geratenen“ Gesetzesformulierung ist aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben (insbesondere in Hinblick auf das Übermaßverbot) ggf. eine einschränkende Auslegung vorzunehmen. 32 Ein Delikt kann insoweit auch durch besonders markante reine Schuldelemente (mit-) geprägt sein. 33 Auf ähnlichen Überlegungen fußt der Ansatz von Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 31 ff., nach dem, „[…] die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen so aufgefaßt, konkretisiert und notfalls ergänzt werden [müssen], daß die erforderlichen Legitimationsbedingungen für den Einsatz des spezifischen Mittels der Strafe gewährleistet sind.“ [Freund, a.a.O., Rn. 31]. Zu Recht geht Freund dabei von einer Unvollkommenheit der Strafvorschriften aus; siehe Freund, a.a.O., Rn. 31: „Die wortlautmäßige Erfassungsbreite einer Sanktionsnorm ist freilich nicht identisch mit ihrem sachlichen Regelungsbereich […]. Was eine bestimmte Straftat ist, kann nicht im Wege wortlautmäßiger Ableitung (Deduktion) und formal-begrifflicher Unterordnung (Subsumtion) ,festgestellt‘ werden.“.
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
(Art. 103 Abs. 2 GG) eine den Wortlaut überschreitende Normanwendung34 verbietet.35 Zu unterscheiden sind damit der Begriff des Unwerttypus einerseits, welcher den materialen Unrechtsgehalt sowie gegebenenfalls die Schuldtypik des jeweiligen Delikts wiedergibt, und der Begriff der Strafvorschrift andererseits, welche die formale Umsetzung in Gesetzesform ist.
B. Die Elemente des Delikts- bzw. Unrechtstatbestandes Der Unrechtstatbestand besteht aus objektiven und aus subjektiven Elementen.36 Zur Umschreibung dieser verwendet der Gesetzgeber deskriptive und normative Tatbestandsmerkmale.37 Als Elemente kommen u. a. die Nennung von Deliktssubjekt („Wer“) und Angriffsobjekt, die Beschreibung der erforderlichen (d. h. tatbestandlichen) Handlung sowie des (tatbestandlichen) Erfolges in Betracht.38 Vereinzelt finden sich auch Elemente, welche die besondere Tatsituation umschreiben. Im subjektiven Bereich werden des Öfteren besondere Absichten im Tatbestand aufgeführt. In ihrer Gesamtheit bilden die Elemente einen Unwertsachverhalt ab und zeigen damit auf, welches Verhalten von der inkriminierenden Wirkung der Norm erfasst sein soll.
§ 4 Typik des Qualifikationstatbestandes und Abgrenzung zu anderen Gesetzgebungstechniken A. Einleitende Erläuterungen zur Struktur Beim Qualifikationstatbestand handelt es sich um eine (formale) Strafvorschrift im oben genannten Sinne. Der Qualifikationstatbestand ist eine Form der tatbestandlichen Abwandlung,39 dessen normtechnisches Gegenstück die Privilegierung ist. Beim Qualifikationstatbestand wird die tatbestandliche Abwandlung dadurch 34
Zum Analogieverbot Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 50. Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 28 bezeichnet dies als „formale Begrenzungswirkung des Wortlauttatbestandes“. 36 Siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 54 ff.; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 61 ff. 37 Siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 57 ff.; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 64. 38 Eine Aufführung tatbestandlicher Elemente findet sich bei Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 54. 39 Siehe Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 132. 35
§ 4 Qualifikationstatbestand und Abgrenzung zu Gesetzgebungstechniken
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gebildet, dass dem Grunddelikt weitere Elemente hinzugefügt werden und eine neue, höhere Strafandrohung zugeordnet wird.40 Insoweit handelt es sich um die Addition typisch unrechtserhöhender Elemente. Der Deliktstyp wird damit im Umfang seiner Strafbarkeit durch die Erhöhung von Unrechts- und Schuldgehalt einengend spezifiziert.41 Dass das ergänzte Element als abstrakt unrechtserhöhend eingeordnet wird,42 zeigt sich bei einer Betrachtung von grunddeliktischem Strafrahmen (Regelstrafrahmen) und Strafrahmen des Qualifikationsdelikts (Sonderstrafrahmen). Der gedankliche Durchschnittsfall des Grunddelikts43 wird von der Strafhöhe niedriger sanktioniert, als der gedankliche Durchschnittsfall des Qualifikationsdelikts. Während ersterer nämlich seine Entsprechung in etwa der Mitte des grunddeliktischen Strafrahmens findet, ist letzterer der Mitte des schärferen Strafrahmens des qualifizierten Delikts zuzuordnen.44 Die Erfüllung des grunddeliktischen Tatbestands zuzüglich Vorliegens des qualifikationstatbestandsspezifischen Merkmals wird damit, so man in der Strafrahmenzuordnung eine Bewertung des zugehörigen (vertatbestandlichten) Unrechtssachverhalts erblickt, als „schwerer“ bewertet als die alleinige Erfüllung des grunddeliktischen Tatbestands.45 Das Hinzutreten des qualifizierenden Merkmals führt ceteris paribus zur Anhebung der Strafe. Vermittelt wird dies durch den Wechsel der Strafenskala,46 weg vom Grund- bzw. Regelstrafrahmen, hin zum verschärften Sonderstrafrahmen. 40
Siehe die Darstellung bei Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 132 ff. Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 135 f. 42 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 7: „Der Gesetzgeber umschreibt damit diejenigen Umstände abschließend, die den Unrechtsgehalt gegenüber dem Grundtatbestand erhöhen […]“. 43 Zum Begriff siehe Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208; kritisch Streng, in: NKStGB, § 46 Rn. 115. Ablehnend in Hinblick auf die Verwendung dieser Rechtsfigur bei der Strafzumessung i.e.S. BGH, NStZ-RR 2010, 75. 44 Für die Verortung des gedanklichen Durchschnittsfalles in die Mitte des jeweiligen Strafrahmens Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 63; ders., das Recht der Strafzumessung, S. 61; ähnlich BGH, NJW 1976, 2355; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208 f. verweist ergänzend zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem Begriff um ein „[…] fiktives Konstrukt handelt, das sich normativer Validierung weitgehend entzieht.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Vorliegend soll der Terminus nur zur Veranschaulichung des Stufenverhältnisses zwischen Grundnorm und abgeschichtetem Delikt dienen. Damit ist freilich nicht gesagt, dass sich diese Figur zur Auffindung des richtigen Einstiegs in den Strafrahmen eignet. Kritisch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 129 ff. 45 Vgl. dazu auch Freund, GA 1999, S. 509, 513. Fraglich ist freilich, ob das hinzugefügte Qualifikationsmerkmal eine bestimmte Beschaffenheit aufweisen muss, um diese (durch die Zuordnung des schärferen Strafrahmens erfolgende) Neubewertung zu rechtfertigen. Siehe dazu Kapitel 5 § 13. 46 Vgl. Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 58: „[…] jede Änderung des Strafrahmens führt zu einer Änderung der Maßeinheiten für die Bestimmung der Tatschwereschuld im konkreten Fall.“. Siehe auch Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 48, der feststellt, dass „[j]ede Änderung des Rahmens […] dieselbe Tat innerhalb des neuen Rahmens gegenüber dem alten an eine neue Stelle rücken [lässt] […].“. Zutreffend Horn, in: GS 41
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
B. Die Insuffizienz der bisherigen Diskussion Die bislang verbreitete Betrachtung der Qualifikationstatbestände stellt auf den formalen gesetzgeberischen Akt der Hinzufügung einzelner Elemente zum Grunddelikt ab, lässt hierbei jedoch eine Erörterung vermissen, welchen materiellen Gehalt diese Elemente aufweisen müssen. Des Weiteren fokussieren die Ausführungen auf der, mit der tatbestandlichen Abwandlung verbundenen, Zuordnung der verschärften Rechtsfolge. Es wird jedoch dabei belassen festzustellen, dass eine verschärfte Rechtsfolge festgestetzt wird. Nicht hinreichend wird thematisiert, welche Grundgedanken (bzw. gesetzgeberischen Grundwertungen) diesem Vorgehen zugrunde liegen. Legt man jedoch den Begriff des Unrechtstatbestandes hinsichtlich der Regelungsform des Qualifikationstatbestandes zu Grunde, so beinhaltet dieser (d. h. der Unrechtstatbestand des Qualifikationsdelikts) gerade (auch) diejenigen Merkmale, die den spezifisch grunddeliktischen Unrechtsgehalt erhöhen (sollen).47 Insoweit geht es beim Qualifikationstatbestand (materiell gesehen) um diejenigen Merkmale, die den materiellen Gehalt des Grunddelikts erhöhen (sollen).48 Damit stellt sich jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber frei in seiner Entscheidung ist, zu bestimmen, welche Merkmale er zum Grunddelikt addiert, um daraus einen Qualifikationstatbestand zu formen, oder ob er dabei bestimmten Vorgaben unterliegt.49 Dies spitzt sich zu der folgenden Frage zu: Ergibt sich der materielle Gehalt der „addierten“ Merkmale aus deren Festsetzung im Qualifikationstatbestand50 oder sind entsprechend vertatbestandlichte Merkmale dahingehend zu überprüfen, ob sie einen beKaufmann, S. 573, 584, nach dem der Sonderstrafrahmen die „[…] wichtige (und – wenn man es richtig macht – auch höchst praktische) Funktion [hat] […] die Maßstäbe des Normalstrafrahmens zu verschieben; er „wirkt“ also auch dann, wenn die Strafe für den Einbruch im Regeldiebstahls-Rahmen festgesetzt wird.“. Nicht zu folgen ist jedoch den Ausführungen Horns, dass die „besonders schweren Fälle“ qualitativ abzuschichten seien. 47 Ähnlich Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11, nach dem der Unrechtstatbestand diejenigen Merkmale beinhaltet, die das strafrechtserhebliche Unrecht einer bestimmten Deliktsart begründen oder diesen Unrechtsgehalt erhöhen (qualifizierende Merkmale); siehe auch Jescheck, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 46. 48 Siehe dazu, dass der Unrechtstatbestand des Grunddelikts diejenigen Merkmale enthält, die den materiellen Unrechtsgehalt des Grunddelikts prägen Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 25 I 2, S. 245; Engisch, in: FS Mezger, S. 127, 132: „[…] diejenigen Verbrechensmerkmale […], die den sachlichen Unrechtsgehalt des Verbrechens (die Interessenverletzung, die Sozialschädlichkeit oder dgl.) erfassen […]“. Dazu auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 11; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 118: „[…] Beschreibung derjenigen Merkmale […], die dem jeweiligen Delikt das individuelle Gepräge geben und seinen typischen Unrechtsgehalt charakterisieren.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 49 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66, der zutreffend die Frage aufwirft, „[…] ob die Verfassung dem Gesetzgeber bei der Klassifikation von Tatbeständen Grenzen setzt“ und bei der folgenden Prüfung entscheidend auf die Elemente abstellt, die dem Unwerttypus des Grunddelikts hinzugefügt werden (dazu ausführlich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 67 ff.). 50 Führt also jegliche Schaffung von qualifizierten Delikten zur Entstehung etwas „Wesensverschiedenen“? Mit entsprechender Tendenz scheinbar Küper, JZ 1991, 910, 913.
§ 4 Qualifikationstatbestand und Abgrenzung zu Gesetzgebungstechniken
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stimmten materiellen Gehalt aufweisen? Anders formuliert: Müssen qualifizierende Elemente bestimmte Merkmale aufweisen? Insoweit zeigt sich hier eine Parallele zur kritischen Hinterfragung des Gesetzestextes bei Grunddelikten. Auch bei diesen muss u. U. geprüft werden, inwieweit eine defizitäre Gestaltung des Gesetzeswortlauts (mithin die Abweichung51 des Gesetzeswortlauts vom materiellen Unwerttypus) Folgen für die Auslegung der Norm zeitigt. Letztlich geht es vorliegend um die kritische Hinterfragung des formalen Qualifikationstatbestandsmerkmals, also die kritische Betrachtung desjenigen Merkmals, welches der Gesetzgeber durch die Schaffung des Qualifikationstatbestandes formal in den Rang eines Qualifikationstatbestandsmerkmals erhoben hat.52 Damit angesprochen ist die Bedeutung des materialen Unwertgehalts. Es geht um die Gegenüberstellung von materialem Unrechtsgehalt und formaler Gesetzestechnik des Qualifikationstatbestands. Die vorliegende Arbeit zielt damit auf eine materiale Durchdringung der Regelungsform des qualifizierten Delikts.53
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Diese kann bspw. darin liegen, dass spezifische Merkmale des materiellen Unwerttypus keine Erwähnung im Wortlaut des Gesetzes finden (insoweit diese Merkmale also bei der Anwendung der Norm als ungeschriebene Tatbestandsmerkmale Berücksichtigung finden müssen). Auch kann der Gesetzeswortlaut „zu weit gezogen“ sein, sodass er Bereiche erfasst, die nicht dem materiellen Unwerttypus zuzuordnen sind. In diesem Falle können verfassungsrechtliche Vorgaben, aber auch die Beschränkungsfunktion des Rechtsgutsbegriffs, eine einschränkende Auslegung verlangen. 52 Mit entsprechendem Ansatz bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66: Ebenso wie ein einzelner Tatbestand dem materiellen Verbrechenstatbestand entsprechen muss, steht das Verhältnis der Tatbestände zueinander nicht im Belieben des Gesetzgebers. Grob angedeutet auch in BVerfGE 45, 363, 372. Selbstverständlich kann diese Betrachtung von Komplementärnormen nach materialen Gesichtspunkten (mithin die Ermittlung des jeweiligen Unrechtsgehalts) auch in Bezug auf Regelbeispielsnormen durchgeführt werden. Wie sich noch zeigen wird, ist dies ein entscheidender Hebel zur Aufdeckung der (verfassungsrechtlichen) Grenzen bzw. Vorgaben, welchen der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Deliktsgruppen (insb. bei der Auswahlentscheidung zwischen den verschiedenen Gesetzestechniken der Strafrahmenabstufung) unterliegt. 53 Dies wurde bereits von anderer Seite als gangbarer Weg zur Formulierung der Grenzen der Verwendungsmöglichkeit der Regelbeispielsmethode (bzw. maßgebliche Vorfrage) ausgemacht, siehe Gössel, in: FS Hirsch, S. 201 ff., der insoweit von einem umfangreichen Arbeits- und Forschungsprogramm spricht. Entsprechend in Bezug auf den Streit um die Eigenständigkeit des Mordtatbestandes Gössel, Strafrecht Fälle und Lösungen, S. 36: „ Die damit aufgeworfene Frage nach den Kriterien für die Eigenständigkeit eines Unrechtstypus ist bis jetzt nur in ihrer Notwendigkeit und Problematik erkannt; endgültige Ergebnisse liegen noch nicht vor.“; siehe dazu weitergehend Gössel, ZIS 2008, 153, 155 f.
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
C. Abgrenzung zur Regelung der (unbenannten) besonders schweren Fälle sowie zur Regelbeispielsmethode Sowohl die Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes als auch die der „besonders schweren Fälle“ (unbenannt oder mit Regelbeispielen versehen) sind dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Elemente dem Grunddelikt hinzugefügt werden und (dieser Gesamtheit an Elementen) ein neuer Strafrahmen (Sonderstrafrahmen)54 zugeordnet wird. Dies geschieht mittels Schaffung neuer Strafvorschriften bzw. entsprechender Ergänzung von Absätzen, mithin durch die Aufstellung eines neuen konditionalen Rechtssatzes.55 Bei beiden Regelungstechniken werden die neuen Elemente zur Bedingung für die Anwendung des Sonderstrafrahmens gemacht. Letztlich stellen die hinzugefügten Elemente damit Strafrahmenänderungsgründe dar, welche dazu führen, dass nicht der Regelstrafrahmen des Grunddelikts Anwendung findet, sondern der Sonderstrafrahmen.56 Bezüglich der Strafrahmenänderungsgründe wird zwischen den benannten und den unbenannten Strafrahmenänderungsgründen unterschieden.57 Die im Qualifikationstatbestand aufgeführten Elemente sind genau beschrieben (insoweit benannt) und führen zwingend und abschließend58 (dies wird gewährleistet durch das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG59) zum Strafrahmenwechsel.60 Infolgedessen werden sie von der h.M. als Tatbestandsmerkmale eingestuft.61 Anders hingegen liegt es bei der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“. Bei diesen werden die Strafrahmenänderungsgründe nur mittels der Generalklausel62 54
Die Begrifflichkeiten Regelstrafrahmen und Sonderstrafrahmen verwendend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 6. 55 Zur Einordnung von Straftatbeständen als Konditionalprogramme Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 26 f.; auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 206 legt ein solches zu Grunde. 56 Siehe zum Terminus „Strafrahmenänderungsgrund“ Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 6 ff. 57 Siehe dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 7 ff. 58 Damit verbunden sind die Nachteile, die mit dieser Gesetzestechnik verbunden sind: „Je präziser und ,deskriptiver‘ das einzelne Gesetz ist, um so sicherer ist, daß Fälle von ihm nicht erfaßt werden, die dem Unrechts- oder Schuldgehalt nach gleich schwer (oder schwerer) wiegen als die geregelten Fälle.“; so zutreffend Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 139. 59 Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG das Verbot strafschärfender Analogie, siehe BVerfGE 14, 174, 185; 26, 41, 42; 64, 389, 393 f.; BVerfG, NJW 2007, 524, 525; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 25. 60 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 7. 61 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 7; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 10. Siehe dazu auch Reichenbach, Jura 2004, 260, 262 f. 62 Für die Einordnung des unbenannten „besonders schweren Falles“ als Generalklausel Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 13; Kastenbauer, Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 108; Wessels, in: FS Maurach, S. 295; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 130; siehe auch Maiwald, NStZ 1984, 433, 435: „[…] normatives Tatbestandsmerkmal höchster Stufe […]“.
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„besonders schwerer Fall“ beschrieben. Insoweit bedeutet dies keine nähere Konkretisierung der strafrahmenändernden Elemente. Es fehlt an einer Nennung der konkreten Voraussetzungen für die Anwendung des Sonderstrafrahmens.63 Zwar liegt auch hier eine abschließende und zwingende64 Regelung dahingehend vor, dass der Sonderstrafrahmen immer und nur Anwendung finden soll, wenn ein „besonders schwerer Fall“ vorliegt.65 Jedoch mangelt es dieser Generalklausel („besonders schwerer Fall“) an Bestimmtheit.66 Um67 die (drohende) Einordnung als verfas63 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 8; Maiwald, NStZ 1984, 433, 434 stellt fest, dass es an einer Umschreibung der Fälle fehlt, die schwerer bestraft werden sollen; ähnlich Hassemer/ Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27: Vorenthaltung von Entscheidungsvorgaben. 64 Siehe zu Beispielen für zwingende unbenannte Strafrahmenänderunggründe Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 15. Der Zusatz Theunes, dass die unbenannten Strafrahmenänderungsgründe nur in der Regel zwingend sind, ergibt sich daraus, dass es „minder schwere Fälle“ gibt, bei denen die Milderung fakultativ ist (so § 90 Abs. 2 StGB). Siehe auch Horn, in: GS Kaufmann, S. 573, 586, welcher zutreffend ausführt, dass „[…] der mit dem jeweiligen Begriff verknüpfte Rahmen […] die obligatorische Rechtsfolge [ist].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 65 So auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 133. In diese Richtung geht auch die Feststellung von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 142: „Unabhängig davon, wie diese [scil. die unbenannten Strafrahmenänderungsgründe „besonders schwerer Fall“ und „minder schwerer Fall] in den Straftataufbau einzuordnen und wie sie zu bestimmen sind, führen diese jedenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen obligatorisch zur Anwendung des jeweiligen Sonderstrafrahmens.“. Nach Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 58 kommt dem Richter insoweit kein Ermessen zu, da – wenn die gesetzlichen Merkmale erfüllt sind – der Sonderstrafrahmen automatisch ausgelöst wird; es gehe daher um Begriffsauslegung und Anwendung. Zuzugeben ist diesen Ausführungen zwar, dass sie zutreffend das Nichtbestehen eines richterlichen Ermessens hervorheben. Jedoch greifen sie im Ergebnis zu kurz, da bei der Regelungsform der „unbenannten besonders schweren Fälle“ keinerlei gesetzgeberische Konkretisierungsarbeit in Hinblick auf diese Wertgruppe vollzogen wird und daher dem Richter – quasi unter dem „Deckmantel“ der Begriffsauslegung und -anwendung – weitreichende Kompetenzen und damit Freiheiten übertragen werden. Insofern mangelt es völlig an gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Wertgruppe und ihrer Konkretisierung, sodass es letztlich der Richter ist, der die strafrahmenändernden Faktoren (vollständig) ausformt. Anders hingegen liegt es bei der Regelbeispielsmethode, bei der zumindest eine unvollkommene Konkretisierung der Wertgruppe der besonders schweren Fälle gegeben ist und damit die strafrahmenändernden Faktoren (jedenfalls teilweise) vorgezeichnet werden. 66 So auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 133, der daraus die Unvereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG folgert (siehe auch Krahl, a.a.O., S. 131); schwere Bedenken in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot haben Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27. 67 Mit entsprechender Tendenz Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 15. Zu Recht ablehnend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 111 f.: es verbietet sich eine Einordnung als Strafzumessungsregel mit dem Argument, dass die Regelung ansonsten (d. h. bei Einordnung als Tatbestandsmerkmal) zu unbestimmt und daher verfassungswidrig wäre (ähnlich bereits Calliess, JZ 1975, 112, 115: „[…] zwei Perspektiven, die nicht miteinander vermischt werden dürfen […].“. Geboten ist eine solche Sichtweise, um eine Umgehung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafnormen zu verhindern (Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 112; ebenso J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 56). Kritisch auch Calliess, NJW 1998, 929, 933 f.; Duttge, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 243 Rn. 2; J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Straf-
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sungswidrig68 abzuwenden,69 werden entsprechende Normen von der Rechtsprechung und einem Großteil der Literatur als Strafzumessungsregelung qualifiziert.70 Durch diese Zuordnung in der Bereich der Strafzumessungsregeln kommen nämlich die (gegenüber der Tatbestandsseite) abgeschwächten Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit der Rechtsfolgenandrohung zur Anwendung.71 Die Generalklausel des „besonders schweren Falles“ stellt einen unbenannten Strafrahmenänderungsgrund dar.72 Eine Zwischen- bzw. Mischform73 bildet die Regelbeispielstechnik. Bei dieser ergänzt der Gesetzgeber die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ durch die Aufzählung einzelner, genau umschriebener („greifbarer“) Elemente,74 welche jeschärfungen, S. 55 f., 143; Kastenbauer, Die Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 129 ff.; Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 125 f.: weder nötig noch überzeugend. 68 Insoweit Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot bejahend (bzw. die Verfassungsmäßigkeit zumindest (stark) anzweifelnd) Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 131; Calliess, NJW 1998, 929, 933 f.; Gropp, JuS 1999, 1041, 1049; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 46 ff.; 79 ff.; 139 ff.; Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 292 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 154 f. Weitere Nachweise zur Kritik an den „unbenannten besonders schweren Fällen“ bei Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 132 Fn. 122. 69 Siehe dazu bspw. Mitsch, Strafrecht BT II, S. 81. Siehe auch Schmitt, in: FS Tröndle, S. 313, 314, 317: „Ein Regelbeispiel kann wegen § 1 (= Art. 103 Abs. 2 GG) kein Straftatbestand sein.“. 70 Siehe zur Einordnung als Strafzumessungsregel BGHSt 23, 254, 256 f. (keine tatbestandliche Qualifikation, sondern „Vorschrift gehört nunmehr zu den allgemein umschriebenen Strafänderungen.“); Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 297 ff.; Fischer, StGB, § 46 Rn. 84; Kastenbauer, Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 175; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 7, 11; Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 45; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Gössel, in: FS Hirsch, 183, 196 ff.; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 15; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 297 ff.; Schmitt, in: FS Tröndle, S. 313, 317. Siehe auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 148: „[…] zwar formell Tatbestandsbildung […] materiell jedoch Strafzumessungsregel […]“. Entsprechende Erwägungen zu den verfassungsrechtlichen Problemen bei einer Einordnung der „besonders schweren Fälle“ bzw. der Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale finden sich bei Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 15. Für eine Einordnung als Tatbestandsmerkmal Calliess, JZ 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 933 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschnitt Rn. 99, S. 178; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 123 ff.; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 189. 71 Kritisch zu dieser folgenorientierten dogmatischen Einordnung Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 111 f.; Kindhäuser, Strafrecht AT, § 8 Rn. 9. 72 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 8. 73 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 9: „Mischform“; ähnlich Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134: „Übergangsform“. Insoweit kritisch Fischer, StGB, § 46 Rn. 96a: „[…] recht unklare Mischung von (unvollständigen) Qualifikationen und Auslegungshinweisen des Gesetzgebers.“. 74 Zu Recht spricht Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 175, davon, dass die Regelbeispiele „scharf umrissen wie echte Qualifikationstatbestandsmerkmale sind“, einen „bestimmten Unrechts- und Schuldgehalt verkörpern“ und damit eine „Präzisierungsfunktion“ übernehmen. Ähnlich Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 16: „tatbestandsmäßig umschriebene Umstände“. Siehe auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 154, der meint, dass der Gesetzgeber mittels der Regelbeispiele einen bestimmten, jedoch inhaltlich offenen, Unrechtstypus be-
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doch weder einen zwingenden Charakter aufweisen, noch den Kreis möglicher „besonders schwerer Fälle“ abschließend bestimmen.75 Insoweit spricht der Wortlaut der entsprechenden Normen (siehe beispielsweise § 243 Abs. 1 S. 1 StGB) davon, dass ein „besonders schwerer Fall“ „in der Regel“ vorliegt, wenn einer der „greifbar“ umschriebenen Umstände gegeben ist, mithin eines der gesetzlich aufgeführten Regelbeispiele erfüllt wurde. Damit zeigt bereits die gesetzliche Formulierung die Möglichkeit auf, Ausnahmefälle zu berücksichtigen; und zwar in beide Richtungen: so können – je nachdem ob sich die Ausnahmesituation aus unrechtsmindernden oder unrechtserhöhenden besonderen Umständen ergibt – Ausnahmekonstellationen sowohl die Anwendung des Sonderstrafrahmens verhindern als auch die Anwendung des Sonderstrafrahmens begründen76. In der Normanwendung macht sich das Fehlen eines zwingenden und abschließenden Charakters der aufgeführten Regelbeispiele dadurch bemerkbar, dass diesen nach ganz h.M. lediglich eine Indizwirkung77 zukommt und zudem die Nichterfüllung eines Regelbeispiels die Feststellung des Vorliegens eines (sonstigen) besonders schweren Falles und die damit verbundene Anwendung des Sonderstrafrahmens nicht hindert (sog. Analogiewirkung)78. Letzteres zeigt deutlich, dass es sich bei den schreiben wollte (siehe dazu auch BT-Drucks. 13/7164, S. 42: „Diese Regelbeispiele sind tatbestandsähnlich, weil sie einen gegenüber dem Grundtatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt typisieren.“). Daraus folgert Krahl die Tatbestandseigenschaft der Regelbeispiele, siehe Krahl, a.a.O., S. 154. Krahls Aussage, dass der Gesetzgeber einen Unrechtstypus beschreiben wollte, bedarf jedoch weiterer Präzisierung. Insoweit ist nämlich danach zu unterscheiden, ob durch die Addition des im Regelbeispiel verkörperten Faktors ein wesensgleicher oder ein wesensverschiedener Unwerttypus „kreiert“ wird (diesen Ansatz verwendend Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff.). Dies ist ein Ansatzpunkt für die Entscheidung über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode. Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 75 Siehe nur Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134. 76 Letzteres hat zu dem Vorwurf geführt, dass darin eine Umgehung des Analogieverbots liege; siehe Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f.; Paeffgen, in: NK-StGB, § 113 Rn. 83; für eine verfassungskonforme (restriktive) Auslegung der Regelbeispielsregelung dahingehend, dass eine (zu Ungunsten des Täters wirkende) Analogiewirkung insgesamt ausscheidet Calliess, NJW 1998, 929, 934 f.; so auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162. 77 Insoweit kann trotz Erfüllung des Regelbeispiels von der Anwendung des Sonderstrafrahmens abgesehen werden. Siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LKStGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18 f. 78 Siehe nur BGHSt 23, 254, 257; 29, 319, 322; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 14; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 50, Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21; weitere Nachweise bei Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 28 Fn. 109. Ein besonders schwerer Fall wird dabei angenommen, wenn bei Gesamtwürdigung von Tat und Täter unter Abwägung aller Umstände zur äußeren und inneren Tatseite das Tatbild vom Durchschnitt der praktisch in Betracht kommenden Delikte in einem Maß abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint, BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 322 f.; BGH NStZ 1984, 436. Unterschieden wird zwischen enger und weiter Analogiewirkung (die Begrifflichkeiten gehen auch Dreher zurück, siehe Dreher/Tröndle34, StGB, § 243 Anm. 1a und b; eine eingehende Betrachtung findet sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 201 ff.; Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele,
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in der jeweiligen Norm umschriebenen Regelbeispielen insgesamt bzw. der Gesamtheit der in diesen umschriebenen Unwertsachverhalten aus mengentheoretischer Sicht um eine Teilmenge der Gesamtmenge der „besonders schweren Fälle“ handelt.79 Die Gesamtmenge der „besonders schweren Fälle“ umschließt neben den Regelbeispielen die sonstigen besonders schweren Fälle.80 Andererseits zeigt sich jedoch, dass der Gesetzgeber die Festsetzung der Regelbeispiele (und damit die Umschreibung der entsprechenden Teilmenge) teilweise selbst wieder zurücknimmt bzw. relativiert, indem er der Erfüllung der Regelbeispiele lediglich eine Indizwirkung beimisst, keine Vorgaben in Hinblick auf die Entscheidung über die Widerlegung der Indizwirkung „liefert“ und damit maßgebliche Entscheidungen offen lässt. Die dogmatische Einordnung dieser Regelbeispiele wird unterschiedlich vorgenommen.81 Während Rechtsprechung und der Großteil der Literatur eine Einordnung als Strafzumessungsregel82 favorisieren, sind insbesondere in der jüngeren Vergangenheit Stimmen laut geworden, die die Einordnung als Tatbestandsmerkmale83
S. 88 ff.). Im Ergebnis stellen die Regelbeispiele lediglich einen Vergleichsmaßstab dar für die Beurteilung des konkreten Einzelfalls (also die Beantwortung der Frage, ob dieser Einzelfall ein „besonders schwerer Fall“ ist; so auch Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21; BGHSt 28, 318, 320: „maßstabbildende Bedeutung“). Siehe dazu Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21., der betont, dass die Umstände nicht gleichartig, sondern lediglich gleichwertig sein müssen zu den Umständen, die in den Regelbeispielen aufgeführt sind. Die Bedeutung des Leitbildcharakters der Regelbeispiele für die Normanwendung stellt Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 158 f. heraus. 79 Vgl. dazu W. Schünemann, JZ 2005, 271, 273, der allgemein (d. h. rechtsgebietsübergreifend) zur Regelbeispielstechnik ausführt: „Definitionslogisch, speziell mengentheoretisch, handelt es sich bei Regelbeispielen um Elemente einer Menge abstrakter Tatbestände, die sich über die Kriterien der Generalklausel definiert.“. 80 Vgl. dazu allgemein (d. h. rechtsübergreifend) zur Regelbeispielsmethode W. Schünemann, JZ 2005, 271, 273. 81 Schwierigkeiten in Hinblick auf die dogmatische Einordnung der Regelbeispiele sieht Fabry, NJW 1986, 15, 17. Infolgedessen vertritt er eine topische Argumentation bezüglich auftretender Einzelprobleme (siehe Fabry, a.a.O., 17). 82 BGHSt 23, 254, 256; 26, 104, 105; 33, 370, 373; Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 54 ff.; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 47; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 81; Reichenbach, Jura 2004, 260, 262 f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 111a.; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 297 ff.; siehe auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159: Tatbestände zwar im formellen, nicht jedoch im materiellen Sinne. Weitere Nachweise finden sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 144. Ablehnend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 154, der eine Einordnung als Strafzumessungsregel als offene Umgehung des Bestimmtheitsgebots bzw. Analogieverbots qualifiziert. In eine ähnliche Richtung J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 143. Differenzierend hinsichtlich der dogmatischen Verortung von Regelbeispielen Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 86. 83 Calliess, JZ 1975, 112, 115 ff., 117; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 189; Gropp, Strafrecht AT § 3 Rn. 45t: „Quasi-Tatbestandsmerkmale”; J. Heinrich, Gesetzliche Bestim-
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bzw. als Mischform84 vornehmen.85 Aufgrund der Kombination von „greifbar“ umschriebenen Elementen und der generalklauselartigen Formulierung „besonders schwerer Fall“ lassen sich die Regelbeispiele im vorliegenden Zusammenhang86 (d. h. ohne damit eine bestimmte dogmatische Einordnung vorzunehmen) als Mischform zwischen benannten und unbenannten Strafrahmenänderungsgründen einordnen.87 Neben diesen häufig anzutreffenden Regelungsarten gibt es im StGB vereinzelt Fälle, in denen genau umschriebene (und damit „greifbare“) Elemente als zwingende Strafrahmenänderungsgründe fungieren, diese jedoch durch die Verknüpfung mit der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ einen abschließenden Charakter nicht aufweisen. Beispiele dafür sind die Regelungen in § 129 Abs. 4 StGB und § 241a Abs. 4 StGB.88 Insoweit handelt es sich um benannte besonders schwere Fälle.89 Ob diese als Qualifikationstatbestände anzusehen bzw. diesen gleichzustellen sind, ist umstritten.90 Da diese Regelungstechnik im Rahmen des StGB nur eine Ausnahmeerscheinung darstellt, bleibt sie in der vorliegenden Betrachtung unberücksichtigt. Je nachdem, ob man diese Regelungsart eher mit der Schaffung eines Qualifikationstatbestandes gleichsetzt91 oder sie als Sonderform der Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ einordnet92, können die Untersuchungsergebnisse zu der entsprechenden artverwandten Regelungsform auf diese benannten besonders schweren Fälle übertragen werden. mung von Strafschärfungen, S. 144, 153; Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 127; ders., Strafrecht AT, § 8 Rn. 9; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 146 ff.; 154, 161 f. 84 Fassin, Strafzumessung im Urteiltenor?, S. 76; Lange, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. II, D 84; ders., Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 83 („etwas Neues, Drittes), Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 122 f.; kritisch dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 73 f. 85 Eine eingehende Auseinandersetzung mit den vertretenen Ansichten findet sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 143 ff. 86 Also in Hinblick auf die Einordnung der Regelbeispiele in die Kategorien (benannt und unbenannt) der Strafrahmenänderungsgründe. 87 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 9; wohl auch für eine Einordnung als Mischform im untechnischen Sinne Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 16; nach Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 51, liegen Regelbeispiele im „Grenzbereich zwischen Tatbestand und Strafzumessung“. Abweichend von dieser Umschreibung als Mischform werden die Regelbeispiele von diesen Autoren dogmatisch nicht als „Mischform“ eingeordnet. Kritisch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 73 f. 88 Siehe dazu auch Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 5 ff. 89 Siehe dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 19 ff. 90 Siehe zum Streitstand Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 19 ff. 91 Insoweit unter Betonung des zwingenden Charakters dieser benannten besonders schweren Fälle; so Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 11. 92 Dies käme in Betracht, wenn man auf die Verknüpfung mit der Generalklausel „sonstiger besonders schwerer Fall“ abstellt und damit darauf, dass eine abschließende Regelung (d. h. die abschließende Aufzählung der Strafrahmenänderungsgründe) nicht vorliegt. Für eine entsprechende Einordnung BGH, NJW 1967, 1330 f.
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D. Zur Terminologie im weiteren Verlauf der Untersuchung In Hinblick auf die in dieser Untersuchung zugrunde gelegte Terminologie gilt: Soweit es nicht anders gekennzeichnet ist, orientiert sich die Verwendung der Begrifflichkeiten für die verschiedenen Komplementärnormarten – Qualifikation bzw. Qualifikationstatbestand, Regelbeispielsnorm sowie unbenannte besonders schwere Fälle – an der gängigen Terminologie, welche – wie soeben dargestellt wurde – ausschließlich auf den formalen Charakter der verschiedenen Gesetzestechniken abstellt. Ist also von einem Qualifikationstatbestand die Rede, so ist dies eine Norm, die eine abschließende, präzise Aufführung der strafrahmenschärfenden Elemente in Form von Tatbestandsmerkmalen enthält93 und die nach der gesetzlichen Ausgestaltung bei Erfüllung dieser genau umschriebenen Tatbestandsmerkmale zwingend zur Strafrahmenverschiebung (mithin zur Anwendung des vorgesehenen Sonderstrafrahmens) führt. Auf den materialen Gehalt des im Voraussetzungsbereich umschriebenen (also durch die Qualifikationstatbestandsmerkmale abgebildeten) Unwertsachverhalts kommt es insoweit für die Verwendung der Begrifflichkeit nicht an.94 Entsprechendes gilt hinsichtlich der anderen legislativen Techniken. Wenn beispielsweise auf den terminus Regelbeispielsnorm bzw. -technik zurückgegriffen wird, geht es um eine Norm, welche die in ihr enthaltenen Merkmale (= Regelbeispiele) mittels der Wortgruppe „in der Regel“ sowie der Generalklausel „in besonders schweren Fällen“ mit dem Sondertrafrahmen verbindet und bei der dementsprechend den aufgeführten Merkmalen weder zwingender noch abschließender Charakter in Bezug auf die Sonderstrafrahmenanwendung zukommt. Ausschlaggebend ist auch hier die formale Gestaltung, nicht der materiale Gehalt der Norm: Eine Vorschrift wird insoweit auch dann als Regelbeispielsnorm bezeichnet, wenn sie inhaltlich, also in der Beschreibung eines ihrer Regelbeispiele, einen Unwerttypus umschreibt, der sich maßgeblich vom jeweiligen Grunddelikt abhebt und diesem wesensfremd ist.
93 In der sich also weder die Generalklausel „in besonders schweren Fälle“, noch die Wortgruppe „in der Regel“ findet. 94 Zur Unterscheidung zwischen formaler und materialer Einteilung der Strafrahmenschärfungsnormen im Besonderen Teil des StGB bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 64 ff., Rn. 67 ff.
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E. Gesetzgeberische Handlungsoptionen bei (vielgestaltigen) Delikten I. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Schuldgrundsatz und dem Gebot der Rechtsfolgenbestimmtheit Im Strafrecht gilt das Gebot schuldangemessenen Strafens.95 Dieses Gebot betrifft nicht nur die richterliche Strafverhängung.96 Es müssen bereits Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein.97 Damit muss auch der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung dieses Gebot beachten.98 Gerade bei Deliktsarten, die in verschiedenen Ausprägungen begangen werden können (dazu gehören bspw. die Körperverletzung und der Diebstahl99) und bei denen daher der Unrechtsgehalt zwischen den verschiedenen Verwirklichungsformen des Delikts stark variiert,100 gerät dieses Gebot der sachgerechten Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge in Konflikt mit dem Gebot der Rechtssicherheit (i.S.d. Vorhersehbarkeit der Rechtsfolge).101 Zwar ist es auf der einen Seite geboten, dem Richter – mittels Festlegung eines entsprechend weiten Strafrahmens – die Möglichkeit zu verschaffen, eine sachgerechte (mithin schuldangemessene) Strafe zu verhängen.102 Die
95 Siehe dazu BVerfGE 6, 389, 439; 20, 323, 331; 25, 269, 285 ff.; 45, 187, 227; 50, 5, 12; 86, 288, 312 f.; eine eingehend Analyse der entsprechenden bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung findet sich bei Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 66 ff. 96 Siehe dazu BVerfGE 54, 100, 108, 111. 97 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, siehe BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 90, 145, 173; 120, 224, 241; in der Sache gleich BVerfGE 105, 135, 156: Angemessenheit von Tatbestand und Rechtsfolge; Tatbestand und Strafrahmen müssen gemessen an der Gerechtigkeit einander entsprechen (BVerfGE 105, 135, 154). 98 Siehe BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255. 99 Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 425, nennt zudem den Betrug. 100 Am Beispiel der Körperverletzung zeigt sich dies besonders deutlich. So reicht das Spektrum von leichten Körperverletzungen (Ohrfeige, (leichter) Schlag gegen den Brustkorb) über mittelschwere Körperverletzungen bis hin zu Taten mit gravierenden Folgen, die die Gesundheit bzw. körperliche Unversehrtheit des Opfers massiv und/oder dauerhaft beeinträchtigen (bspw. Verursachung eines Schädel-Hirn-Traumas). 101 Zum Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit (Bestimmtheit) und Gerechtigkeit (schuldangemessene Bestrafung) bei den verschiedenen Formen tatbestandlicher Formulierung (kasuistische Gesetzesfassung, Generalklausel, Exemplifikationsmethode) siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 9 ff. 102 Siehe dazu BVerfGE 45, 187, 260: „Die angedrohte Strafe hat […] in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters zu stehen […]. Wo die Tat verschiedene Grade des Verschuldens und der Schwere aufweisen kann, muß dem Richter grundsätzlich die Möglichkeit gelassen werden, die Strafe dem anzupassen […]“. Insoweit ist es geboten, dem Richter die Möglichkeit flexibler Reaktion zu ermöglichen, Dannecker, in: LKStGB, § 1 Rn. 232. Zutreffend weist Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 5 darauf hin, dass nur so dem Gebot der Gerechtigkeit genügt werden kann und Gleiches gleich sowie Ungleiches ungleich behandelt werden kann.
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Weite des idealen Strafrahmens bestimmt sich hierbei genau nach der „[…] Amplitude zutreffender richterlicher Strafzumessungsargumentationen […]“.103 Auf der anderen Seite bedeutet dies jedoch einen Verlust an Rechtsicherheit, da die drohende Strafe dann kaum vorausberechenbar ist.104 Insoweit besteht zwischen beiden Geboten ein Spannungsverhältnis.105 Unter Berücksichtigung dieses Aspekts ist es geboten, Wertstufen (untechnisch gesprochen: „leichte Fälle“, „normale Fälle“, „schwere Fälle“) zu bilden.106 Dies kann grundsätzlich entweder durch den Gesetzgeber geschehen107 oder durch die Rechtsprechung.108 Fraglich ist freilich, ob die Befugnis des Gesetzgebers, sich einer 103 Hassemer, in: GS Radbruch, S. 281, 288; dem folgend Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 5. Ähnlich bereits Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 149, 154: der gesetzliche Strafrahmen umfasst mit der Strafrahmenuntergrenze den denkbar leichtesten Fall und mit der Obergrenze den denkbar schwersten Fall. 104 Zu den Stimmen, die eine engere Ausgestaltung der bestehenden Strafrahmen fordern siehe Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 6 m.w.N. 105 Mit entsprechender Feststellung auch das Bundesverfassungsgericht; siehe BVerfGE 105, 135, 155: „Bei der Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsfolgenregeln zu stellen sind, geraten also zwei Verfassungsprinzipien in ein Spannungsverhältnis, das weder durch einen allgemeinen Verzicht auf Strafrahmen noch durch eine grundsätzliche Entscheidung für möglichst weite richterliche Strafzumessungsspielräume aufgelöst werden kann. Schuldprinzip und Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite sowie Rechtsfolgenbestimmtheit und Rechtssicherheit auf der anderen Seite müssen abgewogen und in einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich gebracht werden […].“. In der Grundlegung ist diesen Ausführungen des Gerichts zu folgen. Jedoch greifen sie zu kurz. Nicht nur der Verzicht auf Strafrahmen ist unstatthaft, sondern – wie in Kapitel 3 § 6 B. ausführlich aufgezeigt wird – auch die Schaffung überweiter Strafrahmen. Den Gesetzgeber trifft damit nicht nur die Verpflichtung, Strafrahmen zu schaffen. Es gilt zusätzlich das Gebot, diese nicht zu weit auszugestalten, wobei es in der vorliegenden Untersuchung gelungen ist, für die Deliktskategorie Vergehen eine maximal zulässige Höchststrafenandrohung zu beziffern (zu den Einzelheiten Kapitel 3 § 6 B.). Ausführlich zum Spannungsverhältnis Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 217 ff., 230 ff., der insoweit von einer „Vorrangstellung des Bestimmtheitsgebots“ (Schier, a.a.O., S. 231) ausgeht. 106 Ähnlich die Bestandsaufnahme bei Wessels, in: FS Maurach, S. 295: „Das Erscheinungsbild der Straftat wird häufig von erschwerenden Umständen geprägt, die ihren Unwert im Vergleich zum Grundtypus des betreffenden Delikts nachhaltig steigern. In dem Bestreben, die jeweilige Strafdrohung der Schwere des Unrechts und dem Maß der Schuld anzupassen, hat der Gesetzgeber für Fälle dieser Art im StGB besondere Strafrahmen geschaffen […]“. Siehe dazu auch Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 425 f., der insoweit für eine Ausdifferenzierung, mithin die Schaffung von Sonderstrafrahmen, eintritt. 107 Dass verschiedene Wertgruppen existieren, bringt der Gesetzgeber (insoweit hat dies jedoch nur deklaratorischen Charakter) zum Ausdruck, indem er für die unterschiedlichen Begehungsformen eines Delikts mehrere Strafrahmen zur Verfügung stellt, siehe Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 155; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 82 II 2, S. 873. Freilich unterscheiden sich die verschiedenen Gesetzgebungstechniken stark voneinander, insbesondere in Hinblick auf das Vorliegen einer gesetzgeberischen Wertgruppenabschichtung. 108 Eingehend zur Wertgruppenbildung im Rahmen der richterlichen Strafzumessung Wilcken, Doppelverwertung, S. 135 ff.; vgl. auch Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 416: „Je allgemeiner nun die Tatbestände formuliert sind, je weniger sie über die Bewertung einer Tat
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Wertstufenabschichtung zu enthalten und diese auf die Rechtsprechung zu „übertragen“ grenzenlos ist oder ob er dabei etwaigen verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegt. Für letzteren Fall wäre weitergehend zu untersuchen, wie die entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtungen des Gesetzgebers konkret aussehen, d. h. es müsste herausgearbeitet werden, wann die Grenzen der Gestaltungsfreiheit („Delegationsfreiheit“) des Gesetzgebers überschritten sind.109 Letztlich geht es um die Frage „[…] ob die Verfassung dem Gesetzgeber bei der Klassifikation von Tatbeständen Grenzen setzt.“110. Zunächst sollen jedoch lediglich die verschiedenen Handlungsoptionen des Gesetzgebers (d. h. die zur Verfügung stehenden Regelungstechniken) aufgezeigt und einer komparativen Bewertung unterzogen werden. Grundsätzlich bieten sich dem Gesetzgeber drei Regelungsvarianten, um solche (vielgestaltig vorkommenden) Deliktsarten gesetzlich zu normieren und den Unrechtsgehalt der verschiedenen Verwirklichungsformen auf der Rechtsfolgenseite vollständig zu erfassen.111 II. Aufführung der verschiedenen Gesetzgebungstechniken zur Strafrahmenabstufung 1. Tatbestandliche Abwandlung sowie unbenannte besonders schwere Fälle Zum einen kann der Gesetzgeber innerhalb der Deliktsgruppe dahingehend Wertgruppen bilden,112 dass er einzelne unrechtserhöhende Elemente herausnimmt, diese tatbestandlich vertypt und ihnen eine neue Rechtsfolge (d. h. einen Sonderstrafrahmen) zuordnet (Strafrahmenabstufung). Dabei handelt es sich um die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes. Sowohl Wertgruppenbildung als auch Wertgruppenbewertung werden in diesem Fall durch den Gesetzgeber vorgenommen. So wird ein neuer (Qualifikations-)Tatbestand gebildet, der die unrechtsstei-
aussagen und die Deliktsstufen unterscheiden, um so weiter muß der Strafrahmen sein, um die Vielfalt der Erscheinungsformen des Delikts gerecht werden zu können. Das Schwergewicht der Wertabstufung liegt dann beim Richter und ist Aufgabe der Strafzumessung.“. 109 Siehe dazu Kapitel 4. 110 Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66. 111 Siehe zu einer weitergehenden Ausdifferenzierung hinsichtlich der „Modelle der Abstufung der Tatschwere“ Morawski, Systeme der Ein- und Abstufung der Tatschwere, S. 5 ff. 112 Nach Bruns stellt lediglich die Einfügung einer Regelbeispielsnorm bzw. einer Norm für die unbenannten besonders schweren Fälle eine Wertgruppenbildung dar; vgl. Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 49. Selbiges ist jedoch auch hinsichtlich qualifizierter Delikte anzunehmen, denn auch bei diesen wird von gesetzgeberischer Seite ein Teil der Deliktsverwirklichungsvarianten aus dem Bereich des Grunddelikts auf eine neue (schwerere) Ebene „gezogen“. Damit schafft der Gesetzgeber eine abgeschlossene Wertgruppe und fixiert diese im Gesetz.
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gernden Umstände vertypt und insoweit mittels Abstraktion vertatbestandlicht.113 Daneben erfolgt eine vollkommene Wertgruppenabschichtung durch den Gesetzgeber. Die Wertgruppe („schwere Fälle“)114 wird durch die genaue Formulierung der Tatbestandsmerkmale konkretisiert (Wertgruppenkonkretisierung)115 und durch die Zuordnung des Strafrahmens bewertet (Wertgruppenbewertung). Anders verhält es sich bei der Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“.116 Rein von der äußeren Erscheinungsweise ähnelt diese dem Qualifikationstatbestand dahingehend, dass der Gesetzgeber eine neue Norm mit konditionalem Charakter117 und einem neuen Strafrahmen (Sonderstrafrahmen) schafft, insoweit also eine Strafrahmenabstufung erfolgt. Jedoch fehlt es bei einer solchen Regelung an einer tatbestandlichen Vertypung.118 Die unbestimmte Formulierung „besonders schwerer Fall“ erschöpft sich in der Wiederholung der Wertgruppe, zeigt jedoch nicht auf, was typisch, also kennzeichnend sein soll für diese.119 Es fehlt mithin eine Definition, also eine inhaltliche Umschreibung,120 sodass es an einer hinreichend bestimmten Abgrenzung der Wertgruppe fehlt.121 Infolgedessen unterlässt der Gesetzgeber in einem solchen Fall die Wertgruppenkonkretisierung.122 Einzig die Bewertung der Wertgruppe der „besonders schweren 113 Gemeint ist damit die genaue Umschreibung derjenigen Umstände, die als unrechtserhöhend angesehen werden (die als kennzeichnend, mithin „typisch“, für eine Unrechtserhöhung angesehen werden). Diese Umschreibung erfolgt durch die Formulierung der jeweiligen strafrechtlichen Vorschrift. 114 Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 299 verwendet die Begrifflichkeit „abgestufte Tatgruppe“. Siehe auch Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 417: „Wertstufen“. 115 Mithin legt der Gesetzgeber durch die abschließende Formulierung der Tatbestandsmerkmale des Qualifikationstatbestands fest, welche Elemente ein Fall zwingend aufweisen muss, um ein Fall der Wertgruppe „schwerer Fall“ zu sein. Bildlich gesprochen handelt es sich um die Extraktion der „besonders schweren Fälle“ aus der Gesamtheit der möglichen Fälle. 116 Vgl. dazu, dass es sich bei diesen Regelungen um „[…] das tatbestandliche Delikt konkretisierende Wertgruppen […]“ handelt, Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 156. 117 Insoweit wird der Eintritt der Rechtsfolge (d. h. die Anwendung des Sonderstrafrahmens) von der Bedingung des Vorliegens eines „besonders schweren Falles“ abhängig gemacht; allgemein zum konditionalen Charakter von Strafgesetzen Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 26 f. 118 Zutreffend bereits Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 148 f. 119 Mit entsprechender Kritik Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 296, der eine konturlose Unbestimmtheit attestiert und ausführt, dass „[…] der Gesetzgeber bei ihnen auf jede Beschreibung der erschwerenden Umstände verzichtet und es völlig der Wertung des Richters überläßt, wann und unter welchen Voraussetzungen ein „schwerer“ oder „besonders schwerer Fall“ anzunehmen ist.“. 120 So auch die Kritik von Zipf, Strafzumessung, S. 12 f.: Gesetzgeber gibt keine Definitionsmerkmale vor; in dieselbe Richtung Hettinger, in: FS Goltdammer’s Archiv, S. 77, 82: Fehlen eines „[…] hinreichend bestimmten und praktikablen Inhalt[s] […].“. 121 Folgerichtig fällt es daher auch schwer zu bestimmen, wann der Sonderstrafrahmen eingreifen soll; so auch die Kritik von Wilcken, Doppelverwertung, S. 158. 122 In der Sache auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 148: „Verzicht auf Typenbildung“, weshalb Regelung „Bindung des Richters an ein generalisiertes Unwert-Leitbild vermissen läßt“. In der Sache auch Hassemer, in: GS Radbruch, S. 281, 290 Fn. 12: „Das StGB gibt dem
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Fälle“ wird von Seiten des Gesetzgebers durch die mit dieser Regelungstechnik verbundene Strafrahmenabstufung (Zuordnung des Sonderstrafrahmens in der neuen Rechtsnorm) vorgenommen.123 Eine vollständige Wertstufenabschichtung liegt jedoch – mangels Wertstufenkonkretisierung (i.S.e. Extraktion derjenigen Fälle aus dem „Gesamtpool“ möglicher Fallkonstellationen, die der Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ zugeordnet werden) – nicht vor.124 2. Regelbeispielsmethode als „Mischform“ Keine andere Beurteilung, zumindest in Hinblick auf einige Punkte, ist angebracht, wenn die „besonders schweren Fälle“ durch Regelbeispiele exemplifiziert werden (sog. Regelbeispielstechnik). Letztlich stellt nämlich die Generalklausel125 „besonders schwerer Fall“ den (entscheidungserheblichen und damit den Sonderstrafrahmen eröffnenden) Oberbegriff dar, unter den der vorliegende Sachverhalt subsumiert wird. Erst die Einordnung als „besonders schwerer Fall“ garantiert die Anwendung des Sonderstrafrahmens. Dies zeigt sich, wenn ein näherer Blick auf die „Mechanik“ der Regelbeispielsnormen erfolgt. Mangels abschließenden Charakters der Aufzählung der Regelbeispiele126 kann auch ohne Verwirklichung eines solchen ein (sonstiger) besonders schwerer Fall angenommen und damit der verschärfte
Strafrichter kein Argument an die Hand, welches das Verfahren zur Feststellung solcher Fälle leiten, begrenzen und verifizieren könnte.“. 123 Diese Schaffung eines Sonderstrafrahmens beinhaltet zudem folgendes: der Gesetzgeber bringt dadurch zum Ausdruck, dass für das Delikt unterschiedliche Wertgruppen bestehen (Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 155; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 82 II 2, S. 873). Dies hat indes lediglich deklaratorische Bedeutung, denn es ist selbstverständlich, dass bei einem Grunddelikt verschiedene Wertgruppen/Wertstufen gebildet werden können. Dies folgt daraus, dass im Grundtatbestand lediglich eine abstrakte Umschreibung des Unwerttypus erfolgt; diesem Unwerttypus in der Realität jedoch vielfältige Verwirklichungsvarianten (mit unterschiedlichem Unwertgehalt) gegenüberstehen. Neben der binären Entscheidung nach dem „Ob“ der Tatbestandsverwirklichung tritt bei genauer Betrachtung das „Wie“ bzw. „Wie viel“ des verschuldeten Unrechts (vgl. Hettinger, in: FS Goltdammer’s Archiv, S. 77, 78 f.; dazu auch Wilcken, Doppelverwertung, S. 155 f., der vorschlägt, Ersteres auf Tatbestandsebene, Letzeres hingegen (ausschließlich) im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen). Bereits die Weite der deshalb notwendigen grunddeliktischen Strafrahmen zeigt, dass verschiedene Wertgruppen existieren (diese ist gerade erforderlich, um alle Wertgruppen des Grunddelikts auf der Rechtsfolgenseite zu erfassen; vgl. auch Hettinger, a.a.O., S. 78 f.). Ansonsten würde nämlich ein enger grunddeliktischer Strafrahmen genügen (nämlich ein Strafrahmen für die „Normalfälle“). 124 Ähnlich Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 298: bei der Schaffung einer Regelung der „besonders schweren Fälle“ enthält sich der Gesetzgeber einer Wertung; überlässt durch die Verwendung der Generalklausel die Entscheidung, ob eine Straftat als schwer oder besonders schwer zu bewerten ist, dem Richter. 125 Zur Bezeichnung als Generalklausel siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 13; Kastenbauer, Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 108; Wessels, in: FS Maurach, S. 295. 126 Siehe dazu Kapitel 2 § 4 C.
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Sonderstrafrahmen zur Anwendung gebracht werden.127 Andererseits kommt den Regelbeispielen lediglich eine Indizwirkung zu, sodass selbst bei Erfüllung des Regelbeispiels nicht zwingend der schärfere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt.128 Da diese Widerlegung der Indizwirkung des Regelbeispiels – insoweit spiegelbildlich zur Feststellung des Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles129 – nach der h.M. durch eine Gesamtwertung von Tat und Täter130 erfolgt und damit letztlich (zumindest indirekt) auch bei Erfüllung eines solchen Regelbeispiels geprüft wird, ob der konkrete Fall als „besonders schwerer“ einzustufen ist, kann mit Blick auf diesen Punkt eine abweichende Bewertung der Regelbeispielstechnik nicht vorgenommen werden. Entscheidend ist nämlich (legt man die Auffassung der h.M. zu Grunde) auch bei der Verwendung der Regelbeispielstechnik letztlich, ob der zu beurteilende Fall ein „besonders schwerer Fall“ ist (und damit unter die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ fällt). Die Regelbeispielstechnik weist mit Blick auf diese Funktionsweise (mithin mit Blick auf die vom Gesetzgeber festgelegte Systematik) starke Gemeinsamkeiten zur Gesetzgebungstechnik der „besonders schwerer Fälle“ auf. Ein differenziertes Bild ergibt sich aber bei näherer Betrachtung der Vergleichskriterien. Auch bei der Regelbeispielsmethode findet eine Strafrahmenabstufung und damit eine gesetzgeberische Bewertung der Wertgruppe der „schweren Fälle“ statt.131 Es fehlt jedoch auch hier die tatbestandliche Vertypung,132 weil es den Regelbeispielen an einem abschließenden Charakter fehlt.133 127 Siehe nur BGHSt 23, 254, 257; 29, 319, 322; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 14; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 50; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21; weitere Nachweise bei Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 28 Fn. 109. 128 Trotz Erfüllung des Regelbeispiels kann von der Anwendung des Sonderstrafrahmens abgesehen werden. Siehe dazu Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18 f. 129 Ein besonders schwerer Fall wird dabei angenommen, wenn bei Gesamtwürdigung von Tat und Täter unter Abwägung aller Umstände zur äußeren und inneren Tatseite das Tatbild vom Durchschnitt der praktisch in Betracht kommenden Delikte in einem Maß abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint, BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 322 f.; BGH NStZ 1984, 436. 130 Die Indizwirkung kann widerlegt werden, wenn die strafmildernden Strafzumessungstatsachen im Rahmen der Gesamtbewertung von Tat und Täter den Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat so erheblich mildern, dass sie nicht mehr dem im Regelbeispiel typisierten besonders schweren Fall entspricht und ihre Einordnung in den Sonderstrafrahmen unangemessen wäre; siehe BGHSt 23, 254, 257; 24, 248, 249; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 19. 131 Aus Sicht des Rechtsanwenders kommt den Regelbeispielsnormen „Strafrahmenbestimmungsrelevanz“ zu; siehe Mitsch, Strafrecht BT II, S. 81. Die Norm zeigt dem Richter auf, welcher Strafrahmen im Falle des Vorliegens eines besonders schweren Falles anzuwenden ist; siehe Mitsch, a.a.O., S 81. Freilich zeigt bereits ein flüchtiger Blick auf die Normkonstruktion, dass der Gesetzgeber bei dieser Regelungsform deutlich weniger „vorbestimmt“ als bei den Qualifikationstatbeständen. 132 Für eine Einordnung der Regelbeispiele als Strafzumessungsregel BGHSt 23, 254, 256; 26, 104, 105; 33, 370, 373; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den
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Anders jedoch liegt es in Hinblick der Wertgruppenkonkretisierung. Letztere wird (nur) teilweise dem Richter übertragen. Es fehlt an einer abschließenden, also hinreichenden bzw. vollkommenen Wertgruppenkonkretisierung durch den Gesetzgeber.134 So werden – da ein Rückgriff auf die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ möglich ist – durch den Gesetzgeber gerade keine bestimmten Umstände aus der Gesamtzahl der Erscheinungsformen des Delikts „herausgegriffen“ und zu typischen (abschließenden) Merkmalen der Wertgruppe der schweren Fälle gemacht. Der Aufzählung mangelt es an Verbindlichkeit;135 sie stellt keine hinreichende Beschreibung (und damit keine hinreichende Konkretisierung) der Wertgruppe „besonders schwere Fälle“ dar. Dazu trägt auch bei, dass den Regelbeispielen ein zwingender Charakter nicht zukommt. Daraus resultiert letztlich eine Unverbindlichkeit, welche sich gerade darin zeigt, dass den Regelbeispielen lediglich eine Indizwirkung zuerkannt wird. Der Gesetzgeber legt damit gerade nicht verbindlich fest, welche Umstände konstitutiv sind für die Verortung/Zuordnung eines Falles in die Wertgruppe der „schweren Fälle“. Da es den Regelbeispielen zudem an einem abschließenden Charakter fehlt,136 können sie auch nicht die exakte Konturierung der Wertgruppe bewirken. Insoweit fehlt es an einer abschließenden und zwingenden Festlegung des Gesetzgebers, wann die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ vorliegt. Nicht verkannt werden darf jedoch, dass der Gesetzgeber bei der Regelbeispielsmethode – im Gegensatz zur Regelungungsform der unbenannt besonders
§§ 38 ff. Rn. 47; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 81; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 111a. Weitere Nachweise finden sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 144. Ablehnend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 154, der eine Einordnung als Strafzumessungsregel als offene Umgehung des Bestimmtheitsgebots bzw. Analogieverbots qualifiziert. Jeweils für die Einordnung als Tatbestandsmerkmale Calliess, JZ 1975, 112, 115 ff., 117; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 189; Gropp, AT § 3 Rn. 45t: „Quasi-Tatbestandsmerkmale”; Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 127; ders., Strafrecht AT, § 8 Rn. 9; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 146 ff.; 154, 161 f. 133 So auch die Argumentation bei BGHSt 23, 254, 256 f.; Degener, in: FS Stree/Wessels, S. 305, 322 f.; Graul, JuS 1999, 852, 853; Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 427 (hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der Regelbeispiele). Siehe auch Reichenbach, Jura 2004, 260, 262, der insoweit ausführt, dass sich in diesem Unterschied (nicht abschließende Regelung bei Verwendung der Regelbeispielsmethode einerseits, abschließende Regelung bei den Qualifikationstatbeständen andererseits) die „[…] verschiedenen Aufgaben von Rechtsprechung und Gesetzgebung (gerechte Straffindung einerseits, Unrechtsdefinition andererseits) [widerspiegeln] […].“. 134 Insoweit wird deutlich, dass die Frage nach dem Maß der gesetzlichen Wertgruppenkonkretisierung das Verhältnis Gesetzgeber – Richter betrifft und damit die Kompetenzverteilung zwischen diesen Instanzen; mit ähnlichem Gedanken auch Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 426. 135 Dies folgt unmittelbar aus dem fehlenden zwingenden Charakter der Regelbeispiele (sog. bloße Indizwirkung). 136 Siehe nur Theune, in: LK-StGB, Vor § 46 Rn. 20 f.
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schweren Fälle – zumindest Beispiele für besonders schwere Fälle aufzeigt.137 Obgleich darin – wie aufgezeigt – keine hinreichende Wertgruppenpräzisierung zu erblicken ist,138 hat er (scil. der Gesetzgeber) damit zumindest Vorarbeit geleistet.139 Insoweit kann man von einer Grundpräzisierung, mithin einer unvollkommenen Präzisierung sprechen, denn der Gesetzgeber hat mittels der Aufführung der Regelbeispiele zumindest die erforderliche Unrechts-/Schuldsteigerung umrissen.140 137
Insoweit zeigt er – aus mengentheoretischer Sicht – durch die gesetzliche Umschreibung der Regelbeispiele eine Teilmenge der Gesamtmenge der „Wertgruppe der besonders schweren Fälle“ auf (vgl. dazu – insoweit jedoch rechtsgebietsübergreifend und damit allgemein – die Ausführungen von W. Schünemann, JZ 2005, 271, 273). Gleichwohl wird damit diese Gesamtmenge („Wertgruppe der besonders schweren Fälle“) nicht abschließend durch den Gesetzgeber konturiert. Einerseits bleiben Unsicherheiten über die sonstigen besonders schweren Fälle. Andererseits nimmt der Gesetzgeber die Festsetzung der Regelbeispiele (und damit die Umschreibung der entsprechenden Teilmenge) selbst wieder zurück bzw. relativiert diese, indem er der Erfüllung der Regelbeispiele lediglich eine Indizwirkung beimisst, keine Vorgaben in Hinblick auf die Entscheidung über die Widerlegung der Indizwirkung „liefert“ und damit maßgebliche Entscheidungen offen lässt. 138 Etwas ungenau daher Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 83, der insoweit von einer Wertgruppenbildung (mithin „[…] echter Normenbildung, […] ein generalisierendes und typisierendes Verfahren […]“) spricht. Dies erweckt den Eindruck als stünde diese Regelungsmethode dem Qualifikationstatbestand gleich. Indes zeigen die Ausführungen im Haupttext und die darin enthaltene eingehende Analyse der beiden Gesetzestechniken, dass dem nicht so ist. Gesetzlich abschließend bestimmt wird bei der Regelbeispielsmethode die Zuordnung des Sonderstrafrahmens zur allgemeinen Wertgruppe der besonders schweren Fälle. Offen bleibt jedoch, jedenfalls zum Teil, wie diese Wertgruppe der besonders schweren Fälle beschaffen ist. Zwar geben die Regelbeispiele darüber beispielhaft Auskunft und zudem ist ihnen die erforderliche Unrechts-/Schuldsteigerung zu entnehmen, weshalb die Wertgruppe der besonders schweren Fälle eine Grundpräzisierung erfährt. Jedoch darf nicht verkannt werden, dass – anders als bei qualifizierten Delikten – erhebliche weitere Präzisierungsarbeit auf richterlicher Ebene notwendig ist. Außerdem entfalten die Regelbeispiele lediglich Indizwirkung. Der Richter kann von der Regelwirkung der Regelbeispiele (Anwendung des Sonderstrafrahmens) abweichen. Für diese Entscheidung gibt die Regelbeispielsnorm keine Vorgaben, sodass diesbezüglich ein Entscheidungsvakuum auf gesetzlicher Ebene besteht. Der Richter hat daher eine Betrachtung im Einzelfall vorzunehmen, wozu ihn die Mechanik der Regelbeispielsnorm (bloße Indizwirkung anstelle verbindlicher Festsetzung als Tatbestandsmerkmal) letztlich auffordert. Dies alles zeigt, dass die Annahme einer „reinen“ bzw. „vollkommenen“ Wertgruppenbildung bei Einsatz der Regelbeispielsmethode verfehlt ist. Auch kann von einer reinen bzw. ausschließlichen „spezialisierenden Methode“ nicht ausgegangen werden. 139 In der Sache gleich Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 299: „Der Unterschied der gänzlich unbenannten besonders schweren Fälle gegenüber den an Regelbeispiele geknüpften besteht daher allein darin, daß bei ersteren die strafschärfende Tatbestandsbildung völlig dem Ermessen der Richter überlassen worden ist. Geht es bei den Generalklauseln in der Regelbeispielstechnik um eine gesetzliche Analogieermächtigung, so hier um die Ermächtigung zur freien Rechtsfindung.“. Siehe dazu auch Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 141: „gewisse Vorarbeit“ des Gesetzgebers bei der Regelbeispielstechnik; sowie S. 139: unterschiedlicher Konkretisierungsgrad. 140 Dies verkennt Hoyer, in: SK-StGB [47. Lfg. Februar 1999], wenn er moniert, dass „[d]ie Voraussetzungen für einen solchen atypischen besonders schweren Fall […] jeglicher gesetzlicher Festlegung [entbehren].“. Hingegen spricht Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz,
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Außerdem führen die Regelbeispiele Fälle der Wertgruppe auf, machen das abstrakte Konstrukt damit greifbarer. In plastischer Weise hat Lange die Regelbeispiele als Halbfabrikate bezeichnet.141 Diese gesetzgeberische Grundpräzisierung genügt jedoch nicht, um die Wertgruppe abschließend zu definieren. Es ist daher weitere Präzisierungsarbeit durch den Rechtsanwender vonnöten.142 Damit lässt sich bezüglich der Regelbeispielstechnik folgendes festhalten: Zwar wird bei dieser die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ bewertet, indem dieser in einer neuen Strafvorschrift mittels konditionaler Verknüpfung verbindlich ein Sonderstrafrahmen143 zugeordnet wird. Doch fehlt es an der Bewertung konkreter Umstände (typisch unrechtserhöhender Umstände) durch den Gesetzgeber.144 Insoweit folgt aus dem Fehlen einer Konkretisierung der Wertgruppe, dass es bereits am Bewertungsgegenstand fehlt. Mangels eines zwingenden Charakters der Regelbeispiele (dies wird durch den Gesetzgeber durch die Formulierung „in der Regel“ festgesetzt)145 fehlt es an einer gesetzgeberischen Entscheidung, welche konkreten Umstände kennzeichnend sein sollen, damit ein Fall als „besonders schwerer Fall“ anzusehen ist. Die Regelbeispiele stellen aufgrund ihrer relativen Unverbindlichkeit keine festen Bestandteile der Wertgruppe der besonders schweren Fälle dar. Damit liegt eine (hinreichende) verbindliche Wertgruppenkonkretisierung durch den Gesetzgeber nicht vor. Zugleich fehlt es deshalb (d. h. weil aus der Erfüllung eines Regelbeispiels nicht zwingend die Strafrahmenschärfung folgt) an einer hinreichend festen Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen. Wegen des Fehlens eines Bewertungsgegenstandes (dies wären die im Tatbestand der Rechtsnorm verbindlich festgesetzten typisch unrechtserhöhenden Umstände) kann dieses gesetzgeberische Vorgehen nicht als eine Bewertung von Einzelumständen angesehen werden. In der Zuordnung des Sonderstrafrahmens ist daher keine gesetzgeS. 141, bei seiner Gegenüberstellung von Regelbeispielstechnik und „unbenannten besonders schweren Fällen“ davon, dass bei ersterer der Gesetzgeber dem Rechtsanwender eine „gewisse Vorarbeit“ abgenommen hat. 141 Siehe Lange, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. II, D 84; auch anschaulich: „Maßkonfektion“, Lange, a.a.O, D 84; ders., Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 1958, Band IV, Allgemeiner Teil, S. 297. 142 Siehe auch Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 124: „[…] vollständige Tatbestandsbildung – […] „Vertatbestandlichung – noch nicht gelungen […]“. 143 Mithin ein vom grunddeliktischen Strafrahmen abweichender Strafrahmen. 144 Anders hingegen bei den Tatbestandsmerkmalen des Qualifikationstatbestandes. Die das Grunddelikt qualifizierenden Merkmale (mithin diejenigen Tatbestandsmerkmale des Qualifikationstatbestandes, welche nicht zugleich Tatbestandsmerkmale des Grundtatbestandes sind) sind konstitutive, wertende Merkmale für den an sie geknüpften Strafrahmen (Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 145). Umgekehrt (aufgrund der konditionalen Verknüpfung zwischen den Tatbestandsmerkmalen des Qualifikationstatbestandes und dem Sonderstrafrahmen) stellt der an sie geknüpfte Strafrahmen (der Sonderstrafrahmen des Qualifikationstatbestandes) eine (gesetzgeberische) Bewertung der in den Qualifikationstatbestandsmerkmalen vertypten Umständen dar. 145 Siehe zum nicht zwingenden Charakter der Regelbeispiele nur Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134.
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
berische Bewertung der in den Regelbeispielen umschriebenen Umstände zu erblicken. Der Gesetzgeber hat damit nicht abschließend über den Anwendungsbereich der verschiedenen Strafrahmen (grunddeliktischer Strafrahmen und Sonderstrafrahmen) entschieden. III. Weite Grundstrafrahmen als Alternative zur Strafrahmenabstufung? Die (aus Sicht des Gesetzgebers) einfachste Möglichkeit ist es, den Strafrahmen so weit auszudehnen, dass sämtliche Erscheinungsformen des jeweiligen Delikts erfasst werden und in sämtlichen Fällen eine schuldangemessene Strafverhängung möglich ist. Hier erfolgt keine Schaffung einer neuen Strafvorschrift. Es wird keine Strafrahmenabstufung vorgenommen. Infolgedessen fehlt es sogar an einer gesetzgeberischen Bewertung der Wertgruppe „besonders schwerer Fall“. Eine solche muss vielmehr durch die Rechtsprechung erfolgen. Letztlich stellt diese Handlungsmöglichkeit aus dem Blickwinkel der Rechtssicherheit die „unsicherste“ Gesetzgebungsmethode dar. Angesichts der sehr geringen Anforderungen, die dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) von der h.M.146 in Hinblick auf die Rechtsfolgenandrohung entnommen werden, ist diese Vorgehensweise jedoch nicht ohne weitere Begründung für verfassungswidrig zu erklären. Vielmehr ist zunächst zu klären, wo genau die verfassungsrechtlichen Grenzen in Hinblick auf die Weite von Strafrahmen liegen.147 Eine Verwerfung dieser gesetzgeberischen Handlungsalternative kann an diesem Punkt der Bearbeitung daher nicht erfolgen. IV. Vergleichende Gegenüberstellung der Gesetzgebungsmethoden in Hinblick auf die Kriterien Wertgruppenbildung, -bewertung und -konkretisierung sowie Bewertung von Einzelfaktoren Um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesetzestechniken nochmals zu verdeutlichen und herauszuarbeiten, sollen die Regelungstechniken in diesem Abschnitt anhand verschiedener Kriterien (welche teilweise schon in den vorangegangenen Abschnitten angeklungen sind) analysiert und verglichen werden. Die Handlungsoptionen des Gesetzgebers lassen sich danach wie folgt darstellen. Der Erweiterung des Strafrahmens steht die Möglichkeit gegenüber, eine Strafrahmenabstufung (mittels Schaffung einer neuen Strafvorschrift) durchzuführen. Diese Strafrahmenabstufung kann der Gesetzgeber beispielsweise so vornehmen, dass er im Tatbestand148 der neuen Rechtsnorm einen bestimmten Unwerttypus beschreibt und diesem ein Rechtsfolgenspektrum (einen Sonderstrafrahmen) ver146
Siehe dazu BVerfGE 105, 154 f.; Lenckner/Eser/Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 22; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 82; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. 147 Dies ist Gegenstand des Kapitels 3 § 6. 148 Gemeint ist in diesem Zusammenhang der Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne. Siehe zu diesem Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 111 f.
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bindlich zuordnet. Aus der Vielzahl unrechtserhöhender Umstände wählt der Gesetzgeber in diesem Falle einen oder mehrere aus und macht diese(n) zur zwingenden Voraussetzung für die Eröffnung des Sonderstrafrahmens. Dies stellt die Bildung eines Qualifikationstatbestands dar. Damit einher geht die Konkretisierung der Wertgruppe. Zudem stellt die konditionale Verknüpfung mit dem Sonderstrafrahmen eine (abstrakte) Bewertung der Einzelumstände149 dar.150 Die das Grunddelikt qualifizierenden Merkmale (mithin diejenigen Tatbestandsmerkmale des Qualifikationstatbestandes, welche nicht zugleich Tatbestandsmerkmale des Grundtatbestandes sind) sind konstitutive, wertende Merkmale für den an sie geknüpften Strafrahmen.151 Der Gesetzgeber selbst legt damit verbindlich fest, wie er die Verwirklichung des qualifizierenden Elements unter dem Gesichtspunkt der (erhöhten) Strafwürdigkeit wertet. Je höher der Sanktionssprung ist, desto schwerer wiegt nach Ansicht des Gesetzgebers das Hinzutreten des Qualifikationstatbestandsmerkmals. Die Abgrenzung zwischen den Strafrahmen erfolgt abstrakt (durch die Festsetzung verbindlicher, konkreter Tatbestandsmerkmale) und nicht erst durch Gesamtbetrachtung der konkreten Tat. Die Bildung eines Qualifikationstatbestandes ist damit eine
149 In diese Richtung auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 143, der meint, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes einzelne, bestimmte Merkmale abstrakt-generell als Erhöhung des Unrechts- und/oder Schuldgehalts des Grundtatbestandes bewerten will. Nicht zu folgen ist jedoch der Ansicht Krahls (siehe dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 143), dass die „[d]ie Tat hinsichtlich ihres Unrechts- und Schuldgehalts qualifizierenden Merkmale […] demzufolge […] dem Unrechts- und Schuldgehalt des Grunddelikts abstrakt-generell eine diese erhöhende andere Qualität [geben]“. Ob eine solche „neue“ Qualität vorliegt, muss anhand einer Betrachtung des Unrechts- und Schuldgehalts der addierten Elemente nach materiellen Kriterien entschieden werden. Nicht ausreichend ist die Vertatbestandlichung etwaiger Umstände durch den Gesetzgeber (d. h. die Erfassung dieser Umstände in einem Qualifikationstatbestand). Krahls Ausführungen gleichen einer (zu) positivistischen Betrachtungsweise und vernachlässigen die Trennung zwischen formaler Gesetzgebungstechnik und materiellem Gehalt eines Merkmals (und insoweit auch das gesetzgebungskritische Potential einer solchen Trennung). Diese ist jedoch zwingend zu beachten, will man nicht dem Gesetzgeber einen unbeschränkten Gestaltungsspielraum bei der Strafrahmenabstufung zugestehen. Dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht unbegrenzt ist, wird in Kapitel 4 dargelegt. Es gilt mithin zu prüfen, ob der Gesetzgeber bei der Strafrahmenabstufung Beschränkungen unterliegt, also ggf. bspw. eine Pflicht besteht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestands oder die Pflicht besteht einen bestimmten Umstand lediglich in einer Strafzumessungsregel aufzuführen (er es also zu unterlassen hat, diesen Umstand in einem Qualifikationstatbestand zu vertypen). 150 Durch die (zwingend wirkende) Verknüpfung der Einzelumstände mit dem Sonderstrafrahmen legt der Gesetzgeber fest, unter welchen konkret umschriebenen Voraussetzungen der Strafrahmen anzuwenden ist. Damit besteht im Grundsatz keine Freiheit des Richters, innerhalb einer Gesamtabwägung sämtliche Umstände bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen. 151 Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 145, der darüber hinaus die Bedeutung der Verwendung einer solchen Regelungstechnik (Schaffung eines Qualifikationstatbestandes) in Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG und das darin enthaltene Gebot der relativen Bestimmtheit von Rechtsfolgenandrohungen herausstellt. Vgl. auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 25 f.: Merkmale sind konstitutiv für den Sonderstrafrahmen.
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Kap. 2: Zur Struktur von Qualifikationstatbeständen
Unrechtsvertypung mit Strafrahmenzuordnung, insoweit also eine gesetzgeberische Wertgruppenbildung, -konkretisierung und -bewertung. Die zweite Möglichkeit stellt die Strafrahmenabschichtung mittels Schaffung einer neuen Strafvorschrift für die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ dar (sog. unbenannte besonders schwere Fälle). Hier enthält sich der Gesetzgeber einer Wertgruppenkonkretisierung152 und einer Bewertung von Einzelumständen153. Es fehlt nämlich bereits an der Umschreibung konkreter unrechtserhöhender Einzelumstände.154 Einzig wird die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ durch die Strafrahmenzuordnung im Rahmen der Schaffung der neuen Strafvorschrift bewertet.155 Die Konkretisierung der Wertgruppe überträgt der Gesetzgeber jedoch (vollständig) dem Richter.156 Dieser hat dabei nach h.M. eine Gesamtabwägung sämtlicher Umstände vorzunehmen.157 Die Abgrenzung zwischen den Strafrahmen erfolgt damit erst bei der richterlichen Gesamtbetrachtung der konkreten Tat.158 Die 152 Ähnlich Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 298: bei der Schaffung einer Regelung der „besonders schweren Fälle“ enthält sich der Gesetzgeber einer Wertung; überlässt durch die Verwendung der Generalklausel die Entscheidung, ob eine Straftat als schwer oder besonders schwer zu bewerten ist, dem Richter. Kritisch dazu Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 217 ff. (die von Hettinger verwendete Begrifflichkeit „Wertgruppenbildung“ entspricht der vorliegenden Begrifflichkeit der Wertgruppenkonkretisierung). 153 Das Gesetz enthält in einer solchen Regelung keine abstrakte Wertung einzelner Unrechtsmerkmale. 154 So Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 296 zu den unbenannten Strafrahmenänderungsgründen. 155 Anders liegt es bei der bloßen Ausweitung des Grundstrafrahmens; eine solche bedeutet den „[…] Verzicht auf jeden Versuch einer Differenzierung gegenüber dem Grunddelikt.“ (Schröder, in: FS Mezger, S. 414, 418). 156 Mit dieser Feststellung auch Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 298: bei der Schaffung einer Regelung der „besonders schweren Fälle“ enthält sich der Gesetzgeber einer Wertung; überlässt durch die Verwendung der Generalklausel die Entscheidung, ob eine Straftat als schwer oder besonders schwer zu bewerten ist, dem Richter; ebenso Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 213 f.: „[…] Delegation an den Richter […] nach den Umständen des Falls die Wertstufe des Delikts zu bestimmen. […] Richter [muß sich] hier die Wertgruppe quasi selbst schaffen […].“; ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 149, der feststellt, dass eine solche Regelung die „[…] Bindung des Richters an ein generalisiertes Unwert-Leitbild vermissen lässt.“. Krahl, Tatbestand und Rechtfolge, S. 74 stellt fest, dass bei der Regelbeispielstechnik die Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgeber und Richter zugunsten Letzteren verschoben wird. Erst Recht gilt dies nach seiner Auffassung bei den gänzlich unbenannten besonders schweren Fällen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung ist zu prüfen, ob die durch den Gesetzgeber vorgenommene Kompetenzverschiebung zulässig ist und wo die Zulässigkeit dieser Regelungsform ihre Grenze findet. Siehe dazu Kapitel 3 § 7 C. 157 BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 323; BGH NStZ 1984, 436; 1992, 229. Ebenso Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 14; Maiwald, NStZ 1984, 433, 439; Rengier, Strafrecht BT I, § 3 Rn. 4; Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1147; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 50; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 46 Rn. 17; Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 67. 158 Vgl. dazu die Kritik von Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 296.
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vom Richter entwickelte, konkretisierte und konturierte Wertgruppe der besonders schweren Fälle dient dazu, den Regelstrafrahmen vom Sonderstrafrahmen zu scheiden, und entspricht damit aus funktioneller Sicht den Merkmalen eines Qualifikationstatbestands.159 Die unbenannten besonders schweren Fälle stellen infolgedessen eine bloße Strafrahmenabstufung dar (insoweit also lediglich Wertgruppenbewertung). Formell ist die Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ zwar Tatbestandsbildung, denn es wird eine neue Strafvorschrift geschaffen, bei der die Voraussetzung des Vorliegens eines „besonders schweren Falles“ mit der Anwendung eines Sonderstrafrahmens verknüpft wird. Materiell hingegen liegt gerade ein Verzicht auf Typenbildung vor.160 Als Sonder- bzw. Mischform161 kann die Regelbeispielsmethode angesehen werden. Zwar enthält diese eine Umschreibung konkreter Einzelumstände.162 Jedoch werden diese mangels zwingenden Charakters163 durch die Strafrahmenzuordnung keiner gesetzgeberischen Bewertung unterzogen. Es bleibt daher bei der bloßen Bewertung der Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“. Die Regelbeispiele stellen auch keine hinreichende (i.S.e. finalen gesetzgeberischen) Wertgruppenkonkretisierung dar, da es letztlich – unabhängig davon, ob ein solches Regelbeispiel im konkreten Fall verwirklicht wurde oder nicht – nach der gesetzlichen Fassung bzw. der „Mechanik“ der Regelbeispielsnorm auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände ankommt.164 Auch hier erfolgt die Abgrenzung zwischen den Strafrahmen 159
So bereits Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 214. Im Gegensatz dazu muss der Richter bei Vorliegen eines qualifizierten Delikts lediglich die vorweggenommene gesetzgeberische Wertentscheidung nachvollziehen; in diesem Falle wurde die Wertgruppenkonkretisierung bereits auf gesetzgeberischer Ebene durchgeführt (so zutreffend Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 214). 160 So Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 148 f., der daraus folgend eine Einordnung als Strafzumessungsregel vornimmt. 161 Siehe Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 425; ähnlich Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134: Übergangsform. Siehe auch Fabry, NJW 1986, 15, 16: „Zwitterstellung“. 162 Bei den Regelbeispielen liegt eine „[…] gesetzestechnisch exakte Umschreibung ihrer einzelnen Merkmale“ vor (Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 299). Insoweit liegt in dieser formalen gesetzestechnischen Gestaltung eine Gemeinsamkeit mit den Qualifikationstatbeständen, Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 299. 163 Siehe zur Indizwirkung der Regelbeispiele Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 13. 164 Mangels abschließender Aufzählung der in Betracht kommenden Umstände bei der Regelbeispielsmethode kann ein besonders schwerer Fall auch dann vorliegen, wenn kein Regelbeispiel verwirklicht wurde (sog. sonstiger besonders schwerer Fall). Ob ein solcher sonstiger besonders schwerer Fall vorliegt, ist wiederum (nach h.M.) anhand einer Gesamtabwägung zu bestimmen (siehe BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 322; BGH NStZ 1984, 436; 1992, 229). Selbst wenn ein Regelbeispiel verwirklicht wurde, führt das nicht zwingend dazu, dass ein besonders schwerer Fall anzunehmen ist (und damit der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt). Insoweit kommt den Regelbeispielen nämlich nur Indizwirkung zu (siehe dazu Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 13). Die Regelbeispiele sind nicht zwingend, weshalb bei Verwirklichung eines solchen im Rahmen einer Gesamtbewerung von Tat und Täter geprüft werden muss, ob die strafmildernden Strafzumessungstatsachen den Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat so erheblich mildern, dass sie nicht mehr dem im Re-
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final durch die richterliche Betrachtung des Einzelfalles, weshalb insoweit keine hinreichend bestimmte abstrakte Strafrahmenabgrenzung vorliegt.165 Bei der Regelbeispielsmethode führt der Gesetzgeber lediglich eine Grundpräzisierung durch, da die enthaltene Konkretisierung der Wertgruppe unvollkommen ist und einer weitergehenden Präzisierung durch den Rechtsanwender bedarf.166 Dies zeigt jedoch auch, dass zumindest ein Teil der Präzisierungsarbeit durch den Gesetzgeber vorweggenommen wird und – im Gegensatz zur Regelungsform der unbenannten besonders schweren Fälle – eine vollumfängliche Übertragung dieser Tätigkeit auf die Ebene des Rechtsanwenders unterbleibt. V. Zusammenfassung Zwischen den verschiedenen Regelungsformen bestehen gravierende Unterschiede. Während die Bildung eines qualifizierten Delikts mit einer abschließenden Konkretisierung der Wertgruppe verbunden ist, fehlt eine solche Wertgruppenkonkretisierung bei den „unbenannten besonders schweren Fällen“ vollständig. Regelbeispielsnormen als Mischform enthalten zumindest eine (gesetzliche) Grundpräzisierung. Entsprechend dieser Unterschiede gestaltet sich das Maß der gesetzgeberischen (Vor-)Entscheidung und spiegelbildlich der Grad richterlicher Entscheidungsfreiheit. Während aus der abschließenden gesetzgeberischen Wertgruppenkonkretisierung bei den Qualifikationstatbeständen eine strikte Bindung des Richters folgt, kommt dem Rechtsanwender bei der Gesetzestechnik der unbeannten besonders schweren Fälle ein sehr weit reichender Entscheidungsspielraum zu. Unterschiede ergeben sich auch, wenn man nach der gesetzgeberischen Bewertungstätigkeit fragt: Mangels Aufführung von Einzelumständen enthalten die Normen für die unbeannten besonders schweren Fälle lediglich eine gesetzgeberische Bewertung der (allgemeinen) Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“. Im Ergebnis selbiges gilt für Regelbeispielsnormen. Da es bei dieser Gesetzgebungsgelbeispiel typisierten besonders schweren Fall entspricht und ihre Einordnung in den Sonderstrafrahmen unangemessen wäre; siehe BGHSt 23, 254, 257; 24, 248, 249; Theune, in: LKStGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 19. Auch im Falle des Vorliegens eines Regelbeispiels ist damit eine Gesamtabwägung vorzunehmen, welche im Ergebnis auf eine (indirekte) Prüfung des Vorliegens eines besonders schweren Falles hinausläuft (freilich insoweit unter Berücksichtigung der Verwirklichung des Regelbeispiels als unrechtserhöhendes Moment). 165 Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 149 stellt (für die Regelungstechnik „besonders schwerer Fall“ zutreffend fest, dass es bei dieser an einer „[…] Bindung des Richters an ein generalisiertes Unwert-Leitbild […] fehlt. 166 In Hinblick auf die Regelbeispielsmethode wurde im Rahmen der Beratungen zu Gesetzgebungsverfahren wiederholt darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Implementierung von Regelbeispielen die Arbeit des Richters erleichtern soll; siehe dazu Lange, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 1959, Band XII, Allgemeiner Teil, S. 278. Siehe auch Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 51: Richter muss bei Regelbeispielsnormen „[…] vor der Subsumtion eigene normative Wertungen vornehmen.“.
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technik an einer zwingenden Verknüpfung zwischen den gesetzlich aufgeführten Regelbeispielen und dem Sonderstrafrahmen fehlt – die Verwirklichung eines Regelbeispiels führt gerade nicht zwingend zur Anwendung des Sonderstrafrahmens (bloße Indizwirkung der Regelbeispiele) – kann in dieser Gestaltung keine (endgültige) Bewertung der in den Regelbeispielen erfassten Einzelumstände durch den Gesetzgeber erblickt werden. Dieser, d. h. der Gesetzgeber, hat sich bei einer Regelbeispielsnorm einer abschließenden Entscheidung und damit einer (endgültigen) Bewertung der in den Regelbeispielen enthaltenen Einzelumstände gerade enthalten, indem er dem Richter durch die Verwendung der Wortgruppe „in der Regel“ ein Abweichen von der Indizwirkung gestattet und damit bewusst auf eine „feste“ Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen verzichtet. Anders liegt es hingegen bei den qualifizierten Delikten, welchen eine solche zwingende Verknüpfung zwischen Qualifikationstatbestandsmerkmal und Sonderstrafrahmenanwendung gerade immanent ist.
Kapitel 3
Die verfassungsrechtlich bedingte Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen § 5 Defizite in der bisherigen Erörterung Betrachtet man die bisherige Diskussion im Bereich der aufgeführten Gesetzgebungstechniken Qualifikationstatbestand, Regelbeispielsmethode und unbenannte besonders schwere Fälle (insb. darüber, wann welche der Gesetzestechniken zum Einsatz zu kommen hat) so zeigt sich, dass diese lückenhaft ist. Zudem lässt sich die Vermengung unterschiedlicher Gesichtspunkte feststellen. Aus der Lückenhaftigkeit folgt die fehlende Wirkkraft der verfassungsrechtlichen Argumentation. Es verwundert daher nicht, dass sich die Stellungnahmen häufig darin erschöpfen, dass die Schaffung von Qualifikationsnormen „wünschenswert“ sei.1 Auf der anderen Seite wird die Regelbeispielsmethode im Vergleich zu den unbenannten besonders schweren Fällen als das „geringere Übel“ angesehen.2 Was fehlt, ist die Eruierung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die interne Deliktsgruppengestaltung. Ebenso bleibt die Vorfrage ausgeklammert, warum (und in welchen Konstellationen) der Gesetzgeber überhaupt dazu veranlasst sein sollte, neben einen Grundtatbestand eine neue Strafvorschrift mit Sonderstrafrahmen (d. h. eine Komplementärnorm) zu setzen, mithin eine neue Strafvorschrift mit Sonderstrafrahmen zu schaffen („Ob“ der deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung).3 Dieser Ausgangspunkt hängt entscheidend mit der Frage nach der zulässigen Weite von
1 Problembewusst hingegen Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff.; siehe auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff. 2 So Kudlich, JuS 1998, 468, 469; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 58: „erträglicherer Zustand“; Noll, JZ 1963, 297, 301; Zipf, Strafzumessung, S. 17. Siehe auch Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle; S. 61: „Und das [scil. die Schaffung einer Regelbeispielsnorm] ist jedenfalls besser, als wenn sich der Gesetzgeber durch Aufstellung weiter Strafrahmen jeglicher Verantwortung für eine differenzierende Betrachtung verschiedener Schwerestufen eines Delikts entziehen würde.“. 3 Eine solche Verpflichtung zur Binnendifferenzierung – jedenfalls für den Bereich der Tötungsdelikte – aus dem strengen Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG ableitend, Walter, NStZ 2014, 368 f.; insoweit muss der Gesetzgeber „[…] alle wesentlichen Unterscheidungen abbilde[n]“ (siehe Walter, a.a.O., 368).
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Strafrahmen4 zusammen, welche bisher noch keine eingehende Erörterung erfahren hat.5 Zwar existieren einzelne Stellungnahmen, die die maximal zulässige Strafrahmenweite – insoweit zumindest präziser als die wenig konkreten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema6 – „zahlenmäßig“ benennen.7 Jedoch fehlt es bei diesen an einer hinreichenden Herleitung.8 Aufgrund dieser offenen Vorfrage9 wird dann auch in Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit der 4 Die Weite der existierenden Strafrahmen wird bereits seit langer Zeit stark kritisiert; siehe nur Wilcken, Doppelverwertung, S. 163 m.w.N. 5 Siehe bereits im Einleitungsteil Kapitel 1. 6 Siehe BVerfGE 105, 135, 156, wonach der Strafrahmen erst dann dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht mehr genügt, wenn er „uferlos“ ist. Insoweit hat das Verfassungsgericht ausgeführt: „Bei den Strafdrohungen in den einzelnen Straftatbeständen des Besonderen Teils muss sich der Gesetzgeber auf Strafrahmen festlegen, denen sich grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe ebenso wie die Sanktionsobergrenze entnehmen lassen und die so einen Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung nach Tatunrecht und Schuldmaß bilden.“ (BVerfGE 105, 135, 156). In der Sache folgend Fischer, StGB, § 1 Rn. 6; Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 25; Lenckner/Eser/Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 22; siehe auch Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57 f., der jedoch an der Verfassungsmäßigkeit einiger (bestehender) Sanktionsandrohungen zweifelt. 7 Siehe dazu Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 311 Fn. 96; Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81; Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 38; diesem folgend Lampe, Strafphilosophie, S. 44 f.; für eine Orientierung an der Ausgestaltung der Strafrahmen in Österreich Zipf, Kriminalpolitik, S. 202 f. 8 Einzig Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, liefert eine (knappe) Begründung, indem er § 12 StGB als Ansatzpunkt nimmt und infolgedessen differenziert zwischen Verbrechen und Vergehen. Aus der Betrachtung der bestehenden Strafrahmen für diese beiden Deliktskategorien gewinnt er für Vergehen eine zulässige Strafrahmenobergrenze von 5 Jahren (mithin darf nach Klesczewski bei Vergehen die angedrohte Höchststrafe nicht mehr als 5 Jahre betragen; in Hinblick auf diese Obergrenze sind nach Klesczewski auch die Sonderstrafrahmen für „unbenannte besonders schwere Fälle“ und Regelbeispielsnormen einzubeziehen). Eine höhere Höchststrafe kann bei einem Vergehen nach den Ausführungen von Klesczewski nur dann festgesetzt werden, wenn die Komplementärnorm als Qualifikation ausgestaltet ist. 9 Diesen Zusammenhang zwischen den verfassungsrechtlichen Schranken für die Ausgestaltung der Strafrahmenweite und der (Notwendigkeit einer) Ausdifferenzierung von Deliktsgruppen mittels Strafrahmenabstufung andeutend Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 8: „Doch ist es herrschende Meinung, daß ein Gesetz nicht zugleich lebenslanges Zuchthaus und die geringstmögliche Strafe androhen darf, ohne durch qualifizierende oder privilegierende Merkmale eine Abstufung zu schaffen.“. Auch aus einem anderen Blickwinkel erhellt sich der Zusammenhang zwischen Strafrahmenweite und der Schaffung von Komplementärnormen. So stellt Noll, Gesetzgebungslehre, S. 266 f., dar, das mit einer zu weiten Rechtsfolgenanordnung sowie einer daraus resultierenden weitgehenden Überschneidung von Grund- und Sonderstrafrahmen letztlich die „Auflösung“ der im Voraussetzungsbereich enthaltenen Differenzierung einhergeht und entsprechende Kasuistik (inkl. der Regelbeispielsformung) „überflüssig“ wird. Die Ausführungen von Noll treffen damit einen wesentlichen Punkt (nämlich die Gefahr der Entwertung von deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierungen durch weitgreifende (Einheits-)Strafrahmen), obgleich ihnen in ihrer Absolutheit nicht zu folgen ist. Wie eine genaue Analyse der Folgen des Strafrahmenwechsels zeigen wird, ist auch bei einer Überschneidung von Grund- und Sonderstrafrahmen von wesentlichen Änderungen im gesetzlichen Rechtsfolgenprogramm auszugehen (bspw. bewirkt bereits der Wechsel zur höheren Mindeststrafe eine wesentliche Änderung). Hinzu tritt bei qualifizierten Delikten die verschärfte
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Verwendung der Regelbeispielsmethode bzw. der Strafvorschriften für unbenannte besonders schwere Fälle auf das „Mehr“ an Rechtssicherheit im Vergleich zur bloßen Strafrahmenausdehnung verwiesen.10 Da es an einer Identifizierung der entsprechenden, zu einer Strafrahmenabstufung veranlassenden, Konstellationen fehlt, mangelt es den Erörterungen auch an einem Ansatz für die Begründung einer gesetzgeberischen Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes.11 So kann nämlich (zur Bestätigung der Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode bzw. der Schaffung einer Strafnorm für unbenannte besonders schwere Fälle) stets darauf verwiesen werden, dass der Gesetzgeber auch völlig auf eine Abstufung innerhalb der Deliktsgruppe verzichten und lediglich eine Ausweitung des grunddeliktischen Strafrahmens vornehmen könne.12 Primärsanktion, welche sich in einem verschärften Schuldspruch äußert. Eine Überschneidung der beiden Strafrahmen ebnet die Wirkungen des Strafrahmenwechsels und damit die Unterscheidung zwischen Grundnorm und Komplementärnorm weder vollständig noch weitgehend ein. Die Strafrahmenüberschneidung hat sogar ihre Berechtigung, wenn man eine sachgerechte Anwendung von Regelbeispielsnormen (insb. ohne Vornahme einer Gesamtwürdigung) vornimmt (vgl. Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313 für den Fall der Verwirklichung eines Regelbeispiels und Nichtwiderlegung der Indizwirkung, wenn zugleich jedoch mehrere „nicht erhebliche“ (d. h. nicht die Widerlegung der Indizwirkung herbeiführende) unrechts-/schuldmindernde Gesichtspunkte gegeben sind). Der Hinweis von Noll auf die Gefahr der Entwertung der deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung durch weitgehende Strafrahmenüberschneidung zeigt einen beachtenswerten Aspekt auf und schafft insoweit Problembewusstsein (insoweit mahnt sie dazu, bei der Komplementärnormbildung auch die Rechtsfolgenseite in den Blick zu nehmen; vgl. Noll, Gesetzgebungslehre, S. 267). Von einer Verwirklichung dieser Gefahr kann jedoch – wie die genaue Analyse des Strafrahmenwechsels zeigen wird – nicht die Rede sein, da insoweit trotz Überschneidungen zahlreiche strafschärfende Aspekte mit dem Strafrahmenwechsel verbunden sind. 10 So eine häufig zu findende Argumentation (teilweise auch im Verhältnis Regelbeispielsnorm zu unbenannten besonders schweren Fall): Kudlich, JuS 1998, 468, 469; Maurach/ Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 58; Noll, JZ 1963, 297, 301; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle; S. 61. Ausdrücklich: Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 206 f.: „[…] berührt jedenfalls die Frage der Verfassungsmäßigkeit entsprechender Regelungen nicht; denn wenn dem Gesetzgeber erlaubt wäre, z. B. den Strafrahmen des § 212 unter Wegfall der derzeit bestehenden Variationen ohne weitere gesetzliche Differenzierung von 6 Monaten bis 15 Jahren zu erstrecken, so kann ihm nicht verwehrt sein, diesen Strafrahmen durch Beschreibung bestimmter für relevant erachteter Kriterien zu unterteilen.“. Diesem folgend Reichenbach, Jura 2004, 260, 264. 11 Dann nämlich steht einer solchen Verpflichtung stets der Einwand entgegen, dass der Gesetzgeber gänzlich auf die Schaffung einer neuen Strafnorm verzichten und lediglich eine Strafrahmenerweiterung durchführen könne (vgl. Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 206 f.). Dies zeigt die Notwendigkeit der Identifikation der entsprechenden Konstellationen (mithin der Konstellationen, bei denen die Durchführung einer Strafrahmenabstufung erforderlich ist), was wiederum eine vorausgehende Erörterung über die maximal zulässige Weite von Strafrahmen erfordert. 12 So die Argumentation bei Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 206 f.: „[…] berührt jedenfalls die Frage der Verfassungsmäßigkeit entsprechender Regelungen nicht; denn wenn dem Gesetzgeber erlaubt wäre, z. B. den Strafrahmen des § 212 unter Wegfall der derzeit bestehenden Variationen ohne weitere gesetzliche Differenzierung von 6 Monaten bis 15 Jahren zu erstrecken, so kann ihm nicht verwehrt sein, diesen Strafrahmen durch Beschreibung be-
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Es verwundert daher nicht, dass der Hinweis auf die Verwendung der legislativen Technik Qualifikationstatbestand lediglich als kriminalpolitischer Vorschlag13 formuliert wird und nicht als verfassungsrechtliches Postulat. Insoweit ist es völlig ungeklärt, ob der Gesetzgeber in bestimmten Konstellationen (verfassungsrechtlich) dazu verpflichtet ist, sich der Regelungsform des Qualifikationstatbestands zu bedienen.14 Einzig Klesczewski hat sich dieser Frage angenommen und einige Gesichtspunkte herausgearbeitet.15 Auf diese soll in den entsprechenden Abschnitten hingewiesen werden. Verstellt wird der Blick auf die Frage nach der gesetzgeberischen Pflicht zur Verwendung der Gesetzgebungstechnik Qualifikationstatbestand zusätzlich dadurch, dass in der Diskussion verschiedene Aspekte vermengt werden. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass zwischen Regelbeispielen und den Tatbestandsmerkmalen eines Qualifikationstatbestands kein „tiefgreifender Wesensunterschied“ bestehe und es sich daher um eine (bloße) „Frage der formalen Gesetzstimmter für relevant erachteter Kriterien zu unterteilen.“; folgend Reichenbach, Jura 2004, 260, 264. Vgl. auch die Darstellung der h.M. bei Wilcken, Doppelverwertung, S. 50 f. 13 Vgl. dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 413; Schröder, in: Verhandlungen zum 41. DJT, S. 83: „[…] empfiehlt sich nur dort, wo die modifizierenden Umstände in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht genau zu übersehen und abzugrenzen sind, also die Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, das Urteil wegen besonderer Umstände im Einzelfall korrigieren zu müssen.“ [Hervorhebung durch J.M.]); Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle S. 58 ff.; Zipf, Strafzumessung, S. 17. Nur geringfügig abweichend Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f., der den Verfassungsverstoß (mithin die Verfassungswidrigkeit einer Norm der unbenannten besonders schweren Fälle) einzig in den eher theoretischen Fällen annimmt, dass der Gesetzgeber die Schaffung von „unbenannten besonders schweren Fällen“ „[…] ausschließlich auf Kosten des überkommenen und bewährten Bestandes an fest umrissene[n] Tatbestände[n] [vollzieht] […] oder wenn er seine Verpflichtung, möglichst fest umrissene Tatbestände zu schaffen, grundsätzlich und generell (etwa aus Bequemlichkeit oder sonstiger ermessensmißbräuchlichen Gesichtspunkten) negieren würde.“ (Waßner, a.a.O., S. 67); siehe auch Waßner, a.a.O., S. 129: „[…] verfassungsrechtliche Bedenken [bestehen] nur, wenn der Gesetzgeber ohne hinreichenden Grund auf eine detaillierte rechtssatzmäßige Bindung des Richters verzichtet.“, insoweit sei die Möglichkeit der „[Auflösung] [durch] tatbestandsändernde Schärfungsmerkmale“ entscheidend (Waßner, a.a.O., S. 129). Im Übrigen belässt Waßner es bei dem Hinweis auf die Vorzugswürdigkeit der Regelungsform des qualifizierten Delikts (siehe Waßner, a.a.O., S. 10: „Weg“ des Qualifikationstatbestandes sollte gewählt werden, wo immer dies möglich ist, S. 66: Gesetzgeber sollte sich bemühen, besonderes Unrecht in einem Tatbestand zu vertypen; siehe auch Waßner, a.a.O., S. 79 ff. zur Stufenfolge der verschiedenen Gesetzestechniken). Eine solche von Waßner angesprochene komplette Abschaffung der qualifizierten Delikte dürfte nicht zu erwarten sein, weshalb seine Begrenzung de facto niemals greifen würde. Auch ist das Kriterium der Möglichkeit der Ersetzung durch präzise Qualifikationstatbestandsmerkmale zu unbestimmt. Überdies scheint diese Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zu „schwach“, um den verfassungsrechtlichen Postulaten hinreichend Wirkkraft zu verleihen. Letztlich sind seine Ausführungen daher nicht geeignet, um dem Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen in Hinblick auf die Auswahl der Gesetzestechnik aufzuzeigen. 14 Thematisiert jedoch von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff. 15 Siehe dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff. Eingehend Kapitel 4.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
gebungstechnik“ handele.16 Dogmatisch ordnen sowohl der Bundesgerichtshof als auch ein Großteil der Lehre die Regelbeispiele (und auch die Generalklausel „besonders schwerer Fall“) als Strafzumessungsregeln ein.17 Einige hingegen vertreten (insoweit entgegen der gesetzlichen Ausgestaltung dieser Gesetzgebungstechnik)18 eine Einordnung als Tatbestandsmerkmale.19 Insoweit wird von einigen Vertretern u. a. mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG argumentiert.20 Denjenigen, die eine Einordnung als Strafzumessungsregel vornehmen, wird vorgeworfen, dass dies nur der Herstellung von Verfassungskonformität diene.21 Aufgrund der Tatbestandsqualität der Regelbeispiele wird sodann auf die Notwendigkeit einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung geschlossen („Nur, aber nicht immer“-Auslegung bei der Regelbeispielstechnik).22 Nach dieser Interpretation („Nur, aber nicht immer“) kann die Anwendung des Sonderstrafrahmens ausschließlich („nur“) dann erfolgen, wenn eines der gesetzlich aufgeführten Regelbeispiele verwirklicht ist; die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles (d. h. die Anwendung des Sonderstrafrahmens trotz Nichtverwirklichung eines Regelbeispiels) wird demgegenüber von den Vertretern dieser Auffassung strikt abgelehnt.23 Insoweit sei die Generalklausel „besonders schwere Fälle“ zu unbestimmt.24 Die täterbegünstigende Indizwirkung der Regelbeispiele – also die Mög16 Siehe BGHSt 26, 167, 173 f.; ebenso Reichenbach, Jura 2004, 260, 265; kritisch dazu Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 197 f.; Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 424 f.: nicht uneingeschränkt zuzustimmen. 17 BGHSt 23, 254, 256 f.; 26, 104, 105; 33, 370, 373; OLG Köln, NStZ-RR 2003, 298, 299; Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 49; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 47; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 111a. Weitere Nachweise finden sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 144. 18 Siehe Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 288, 292 Fn. 25. 19 Calliess, JZ 1975, 112, 115 ff., 117; ders., NJW 1998, 929, 933; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 189; Gropp, AT § 3 Rn. 45t: „Quasi-Tatbestandsmerkmale”; J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 144 f., 153; Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 127; ders., Strafrecht AT, § 8 Rn. 9; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 146 ff.; 154, 161 f. 20 Siehe Calliess, JZ, 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 934 f.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 151. 21 So insb. der Vorwurf von Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 111 f.: es verbietet sich eine Einordnung als Strafzumessungsregel mit dem Argument, dass die Regelung ansonsten (d. h. bei Einordnung als Tatbestandsmerkmal) zu unbestimmt und daher verfassungswidrig wäre; ähnlich bereits Calliess, JZ 1975,112, 115. 22 Siehe Calliess, JZ 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 935; folgend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162; Gropp, Strafrecht AT, § 3 Rn. 45t; einschränkend folgend Scheffler, ZStW 117 (2005), 766, 782. Kritisch zu dieser „Formel“ Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 297 f., der insoweit eine Überschreitung der Grenzen der Auslegung ausmacht. 23 Siehe dazu Calliess, JZ 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 935; folgend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162 24 Siehe dazu Calliess, NJW 1998, 929, 934 f.; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 58 ff., 139 f.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159;
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lichkeit, trotz Erfüllung eines Regelbeispiels den grunddeliktischen Strafrahmen anzuwenden – wird den Regelbeispielen durch diese Ansicht nicht genommen („aber nicht immer“). Letztlich wird damit zwar aufgezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung von Strafnormen nicht vollkommen frei ist, sondern gewissen verfassungsrechtlichen Bindungen (von den Vertretern dieser Ansicht wird auf das Bestimmtheitsgebot abgestellt)25 unterliegt. Dies ist insoweit auch zutreffend. Auch ist richtig, dass eine dogmatische Einordnung als Strafzumessungsregel nicht die verfassungsrechtlichen Bindungen zu beseitigen vermag.26 Jedoch setzt die Erhebung verfassungsrechtlicher Bedenken – wie sich noch zeigen wird – nicht die dogmatische Einordnung als Tatbestandsmerkmale voraus. Insoweit treten die einer solchen Einordnung entgegenstehenden Bedenken (wieder) in den Vordergrund. Diese dogmatische Qualifizierung steht in Widerspruch zur gesetzlichen Ausgestaltung der Regelbeispielsmethode.27 Sie ist daher im Ergebnis abzulehnen. In der bislang geführten Diskussion wurde dabei ein wesentlicher Punkt verkannt. Es muss streng unterschieden werden zwischen dem Aspekt der dogmatischen Einordnung der einzelnen Gesetzgebungstechniken und dem Aspekt der Zulässigkeit der Verwendung der einzelnen Gesetzgebungstechniken. Die dogmatische Einordnung der Regelbeispielstechnik als Strafzumessungsregel ist gerade nicht gleichbedeutend mit der Anerkennung einer grenzenlosen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit.28 Andererseits ist die Einordnung als Tatbestandsmerkmal nicht Vorskeptisch in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29, Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 59. Einen Verstoß gegen das Analogieverbot ausmachend Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f., 567: Umgehung des Analogieverbots und infolgedessen Einstufung als nicht legitimes Gesetzgebungskonzept. Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162 konstatiert, dass „[…] die Regelbeispiele [als qualifizierende Tatbestandsmerkmale] aufgrund der gesetzlich zugelassenen Analogie zu Lasten des Täters verfassungswidrig [sind], es sei denn, die Analogie wird restriktiv in Übereinstimmung mit Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB ausgelegt.“. Eine Verstoß gegen das Analogieverbot nimmt auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 66 ff., 139 f., an. 25 Vgl. Calliess, JZ 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 934 f. 26 Vgl. Calliess, NJW 1998, 929, 933: „Die Rechtsprechung und ein Teil der Lehre haben auf das Problem der Tatbestandsunbestimmtheit damit reagiert, daß sie die unbenannten besonders schweren und minder schweren Fälle sowie die mit Regelbeispielen versehenen besonders schweren Fälle kurzerhand in Strafzumessungsregeln umdefiniert haben. Die Vermutung liegt nahe, daß hier nach dem Motto verfahren wurde, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Nicht ganz auszuschließen ist, daß dabei die Überlegung eine Rolle gespielt hat, das Undenkbare nicht zu denken, daß nämlich das Strafgesetzbuch selbst Normen enthält oder daß der Gesetzgeber Vorschriften geschaffen hat, die mit der Verfassung nicht in Einklang stehen. In der Sache bereits Calliess, JZ 1975, 112, 115. In eine ähnliche Richtung J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 143. 27 So bereits Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 288, 292 Fn. 25. 28 Daher befreit eine entsprechende dogmatische Einordnung der Regelbeispiele auch nicht von den verfassungsrechtlichen Bindungen; es handelt sich vielmehr um zwei voneinander zu trennende Fragestellungen; vgl. Calliess, JZ 1975, 112, 115.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
aussetzung für die Erhebung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Verwendung dieser Gesetzestechnik. Es ist vielmehr darauf zu fokussieren, dass diese Gesetzgebungstechnik (scil. die Regelbeispielsmethode) mit einer Delegation von Entscheidungen verbunden ist. Beispielsweise wird, durch die nicht zwingende und nicht abschließende Ausgestaltung der Regelbeispiele, die Letztentscheidung über die Anwendung des Sonderstrafrahmens auf den Richter übertragen.29 Auch unterlässt es der Gesetzgeber, dem Sonderstrafrahmen bestimmte Einzelfaktoren verbindlich zuzuordnen, da den Regelbeispielen lediglich Indizwirkung zukommt.30 Damit enthält sich der Gesetzgeber, wenn er die Regelbeispielsmethode verwendet, auch in diesem Punkt einer Entscheidung. Die entscheidende Frage ist daher – wie bereits erwähnt, unabhängig von der dogmatischen Einordnung – inwieweit dies mit dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt vereinbar ist.31 Entscheidend ist daher die Frage nach den Grenzen der Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode (Stichwort: Grenzen der Verwendbarkeit dieser Regelungstechnik).32 Die Ausführungen gelten – mit Ausnahme derjenigen zum strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt – entsprechend für die unbenannten besonders schweren Fälle. Auch hier ist die dogmatische Einordnung von der Frage nach der Zulässigkeit der Verwendung dieser Regelungstechnik zu trennen. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage sind (auch hier) die in der gesetzlichen Formulierung liegenden (besonderen) Eigenschaften dieser Gesetzestechnik. Erst nach Betrachtung dieser Eigenschaften kann geprüft werden, inwieweit verfassungsrechtliche Schranken der Verwendung dieser Gesetzestechnik entgegenstehen. Wie sich noch zeigen wird, stellt diese Gesetzestechnik (bereits) kein zulässiges Mittel zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung dar.33
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So auch ein häufig anzutreffender Kritikpunkt an der Regelbeispielsmethode, siehe Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 186: „[…] richterliches Auswahlermessen schon bei der Strafrahmenwahl […].“. 30 Eingehend dazu Kapitel 4 § 9 und § 11. 31 Eingehend dazu Kapitel 4. 32 Diese Frage auch aufwerfend Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff. 33 Eingehend dazu Kapitel 3 § 7 C.
§ 6 Verfassungsrechtliche Vorgaben bezüglich der Weite von Strafrahmen
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§ 6 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben bezüglich der Weite von Strafrahmen A. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) an die Bestimmtheit der Sanktionsandrohung (namentlich die Weite von Strafrahmen) I. Hinleitung Wie bereits erwähnt, kann der Gesetzgeber dem Gebot schuldangemessenen Strafens grundsätzlich auch dadurch gerecht werden, dass er einen entsprechend weiten Strafrahmen schafft.34 Insoweit bietet dies die Gewähr dafür, dass eine schuldangemessene Bestrafung im Einzelfall möglich ist. Gerade35 bei vielgestaltigen Delikten (bspw. Körperverletzung, Diebstahl) müsste der entsprechende Strafrahmen jedoch eine sehr große Weite aufweisen.36 Es fragt sich jedoch in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), welches auch für die Strafandrohung gilt37, wie weit ein Strafrahmen sein darf, damit die Strafandrohung noch als „bestimmt“ i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG angesehen werden kann. Zunächst ist festzustellen, dass wegen des bestehenden Spannungsverhältnisses zwischen Sanktionsbestimmtheit und dem Prinzip schuldangemessenen Strafens im Einzelfall geringere Anforderungen an die Bestimmtheit der Strafandrohung zu 34 Siehe zu den verschiedenen Handlungsoptionen Kapitel 1 § 4 E. Siehe dazu auch Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 507, der meint, dass der abstrakten Abfassung von Straftatbeständen (welche eine Vielzahl von Begehungsvarianten erfasst) zwingend eine Vielzahl möglicher Rechtsfolgen entsprechen muss. Insoweit ermöglichen weite Strafrahmen eine angemessene Bestrafung für jede Begehungsvariante. Dass dies freilich nicht die Lösung für diese Problemstellung sein kann, merkt auch Streng an, indem er die Gefahr „unerwünschte[r] Formen der Individualisierung“ benennt und daher die engere Gestaltung der weiten Strafrahmen fordert. Siehe dazu auch Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 132 f., der feststellt: „Besteht unvermeidbar eine gewisse Schwankungsbreite auf tatbestandlicher Seite, die sich auch auf Strafwürdigkeitsgesichtspunkte auswirkt, so erfordert dies, soll denn die Strafe stets der Tat angemessen sein, zwingend auch Flexibilität auf der Rechtsfolgenseite.“. 35 Jedoch nicht nur, denn bereits die abstrahierende Umschreibung von Unwertsachverhalten auf Tatbestandsseite bewirkt, dass dem Delikt eine Vielzahl deliktischer Erscheinungsformen unterfallen und damit die gesetzliche Bereitstellung einer großen Bandbreite möglicher Strafen notwendig wird, um auf richterlicher Ebene jeweils eine angemessene Strafe auswerfen zu können. Die Abstraktheit des Tatbestandes wirkt damit im Bereich der Strafandrohung fort; siehe dazu auch Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 132 f.; in eine ähnliche Richtung Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 145 f., der zudem auf die Steigerungsfähigkeit des Unrechts hinweist. Ausführlich zur Steigerungsfähigkeit von Unrecht und Schuld Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 401 ff., 418 ff. 36 Insoweit sieht Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 144 die Schwierigkeit darin „[…] die ganze Skala möglicher Strafzumessungserwägungen bereits „am grünen Tisch“ vorwegzubedenken […].“. 37 Siehe nur BVerfG, NJW 2007, 1193; Lackner/Kühl, StGB, § 1 Rn. 1; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 22; Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 223 ff.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
stellen sind als an die Tatbestandsbestimmtheit.38 Freilich verstoßen jedoch überweite (und damit letztlich eine unbestimmte Strafandrohung beinhaltende) Strafrahmen gegen Art. 103 Abs. 2 GG und sind damit verfassungswidrig. Fraglich ist, inwieweit die entsprechende Grenze durch zahlenmäßige Angabe einer bestimmten Strafrahmenweite bestimmt werden kann.39 II. Anknüpfung an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung Unabhängig von einer solchen weitergehenden „zahlenmäßigen“ Konkretisierung lässt sich jedoch feststellen, dass ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz jedenfalls dann vorliegt, wenn der in der Strafvorschrift enthaltene Strafrahmen vom (im Allgemeinen Teil des StGB festgesetzten) absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (1 Monat, vgl. § 38 Abs. 2 StGB) bis zum absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe40 (15 Jahre, vgl. § 38 Abs. 2 StGB) reicht.41 Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz soll erkennbar sein, welche Strafe droht.42 Insoweit wird der Gesetzgeber dazu gezwungen, aus dem Gesamtbereich möglicher Strafen (bei der zeitigen Freiheitsstrafe sind dies Freiheitsstrafen mit einer Dauer zwischen einem Monat und 15 Jahren43) einen (Teil-)Bereich herauszugreifen und diesen einem 38 Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 22; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 82; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57; a.A. Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtfolgen, S. 207 ff. Zum Spannungsverhältnis siehe Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 224. Aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfGE 105, 135, 154 f. 39 So beispielsweise Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 40 Zutreffend zur Parallelfrage bei der Geldstrafrenandrohung Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 81, nach dem innerhalb derselben Strafart ein grenzenloser Strafrahmen als verfassungswidrig einzuordnen ist und deswegen das geltende Geldstrafensystem „rechtsstaatlich nicht vertretbar“ ist; ebenso Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 3 Rn. 17; zweifelnd Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 225: „[…] in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot rechtsstaatlich bedenklich und deshalb schwerlich hinzunehmen.“; anders hingegen wohl BGHSt 3, 259, 262; Rudolphi/Jäger, in: SK-StGB [Stand: 144. Lfg. August 2014], § 1 Rn. 16; Sax, in: Bettermann/ Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, S. 1012 f. 41 Erst Recht gilt dies natürlich, wenn als Höchststrafe die lebenslange Freiheitsstrafe festgesetzt ist. Weniger streng Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 25, die jedoch zumindest dann einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz annehmen, wenn der Strafrahmen „[…] von geringst möglicher Vermögensstrafe bis zur höchstzulässigen (lebenslangen) Freiheitsstrafe ohne Vorgabe eines Entscheidungsprogramms“ reicht (ebenso Lampe, Strafphilosophie, S. 44; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 80; Rüping, in: BonnKomm-GG [Stand: 60. Lfg. Mai 1990], Art. 103 Abs 2 Rn. 70; in der Sache auch Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 3 Rn. 17; noch nicht einmal dann die Unbestimmtheit ausmachend hingegen BGHSt 13, 190, 191). 42 Insoweit muss der Strafrahmen so beschaffen sein, dass der Bürger das Maß der verwirkten Strafe abschätzen kann, siehe Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. 43 Begrenzt wird dies durch § 39 StGB, der festlegt, in welche Zeiteinheiten die zeitige Freiheitsstrafe zu bemessen ist. So kann bei Freiheitsstrafen unter einem Jahr lediglich nach vollen Wochen und Monaten, bei Freiheitsstrafen von längerer Dauer lediglich nach vollen Monaten und Jahren bemessen werden.
§ 6 Verfassungsrechtliche Vorgaben bezüglich der Weite von Strafrahmen
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bestimmten Delikt zuzuordnen.44 Der einem bestimmten Delikt zugeordnete Strafrahmen darf nicht deckungsgleich sein mit dem Gesamtbereich möglicher zeitiger Freiheitsstrafen.45 Dies ergibt sich zumindest implizit (auch) aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber bei den Strafdrohungen in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB einen Strafrahmen festlegen, der das Mindestmaß einer Strafe und die Sanktionsobergrenze beinhaltet.46 Zulässig ist es dabei, dass sich „[…] hinsichtlich der konkreten Strafandrohung das Mindestmaß […] aus den Bestimmungen des Allgemeinen Teils zu der betreffenden Strafart (§§ 38 ff. StGB) […]“ ergibt.47 Andererseits ist es auch als zulässig anzusehen, wenn sich die für das Delikt angedrohte Höchststrafe aus der entsprechenden Vorschrift des Allgemeinen Teils (insoweit also aus dem zulässigen (absoluten) Höchstmaß einer zeitigen Freiheitsstrafe, vgl. § 38 Abs. 2 StGB: 15 Jahre) ableitet. Damit zeigt sich jedoch auch eine Begrenzung der „Verweisungsmöglichkeiten“48 des Gesetzgebers. Eine Bezugnahme auf die Vorschriften des Allgemeinen Teils (entweder durch direkte Verweisung auf die entsprechenden Vorschriften des Allgemeinen Teils oder – wie im StGB üblich – durch das Unterlassen der Festlegung einer entsprechenden speziellen Strafandrohung im Straftatbestand des Besonderen Teils) sowohl bei Mindest- als auch bei Höchststrafe ist nach dieser Rechtsprechung als unzulässig anzusehen.49 Hätte das Bundesverfassungs44
Weniger streng Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 25, welche auf die Gesamtheit möglicher Strafen (nicht – wie vorliegend – nur auf die Strafart Freiheitsstrafe) abstellen und infolgedessen einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (erst dann) annehmen, wenn der Strafrahmen „[…] von geringst möglicher Vermögensstrafe bis zur höchstzulässigen (lebenslangen) Freiheitsstrafe ohne Vorgabe eines Entscheidungsprogramms“ reicht. Wie die folgenden Ausführungen im Haupttext zeigen werden, lassen sich strengere Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes an die Strafandrohung entwickeln. Gleichwohl zeigt dieser Standpunkt von Hassemer/Kargl jedoch auf, dass eine bestimmte Konkretisierungsarbeit des Gesetzgebers verfassungsrechtlich notwendig ist, dieser sich also bei der Formung von Strafrahmen nicht mit der Wiedergabe von (gesetzlich vorgesehener) mildester Geldstrafe sowie höchster Freiheitsstrafe begnügen kann. 45 Im Ansatzpunkt wohl gleich Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 81: „Aber auch innerhalb derselben Strafart muss ein grenzenloser Strafrahmen als verfassungswidrig beurteilt werden.“. 46 Siehe BVerfGE 105, 135, 156. 47 BVerfGE 105, 135, 156; folgend Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 209 f. 48 Gemeint ist damit der Verzicht des Gesetzgebers, für ein bestimmtes Delikt im Besonderen Teil des StGB eine besondere Mindest- oder Höchststrafe festzusetzen. In diesen Fällen bestimmen sich Mindest- bzw- Höchststrafe für das Delikt nach den allgemeinen Vorschriften über das absolute Mindest- bzw. Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe. Gesetzgebungstechnisch kann dies entweder durch eine direkte Verweisung auf die im Allgemeinen Teil des StGB befindlichen Normen zum absoluten Mindest- bzw. Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe erfolgen oder – wie es im StGB geschieht – durch Verzicht auf die Festsetzung einer Mindest – bzw. Höchststrafe im Strafrahmen des entsprechenden Delikts. 49 Zutreffend zieht auch Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 311, diese Schlussfolgerung aus der (Begründung der) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensstrafe.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
gericht die Verwendung einer solchen – beide Strafrahmenenden erfassenden – umfassenden Verweisungstechnik für zulässig erachtet, so hätte es die Aussage, dass „[…] sich hinsichtlich der konkreten Strafandrohung das Mindestmaß auch aus den Bestimmungen des Allgemeinen Teils zu der betreffenden Strafart (§§ 38 ff. StGB) ergeben [kann]“50, nicht auf die angedrohte Mindeststrafe begrenzt. III. Weitergehende Argumentation sowie Relevanz der Konkretisierung Ungeachtet dieser verfassungsgerichtlichen Ausführungen gebietet der Bestimmtheitsgrundsatz ein solches Verbot der (kumulativen) „Verweisung“ an beiden Strafrahmenenden. Würde man eine solche zulassen, so wären Strafrahmen letztlich obsolet. Der Gesetzgeber könnte dann nämlich bei den Straftatbeständen des StGB generell auf die Festlegung eines Strafrahmens (also einer Mindest- und Höchststrafe) verzichten. Es kämen damit für jedes Delikt die im Allgemeinen Teil des StGB festgelegten Werte für das absolute Mindest- und Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe zur Anwendung.51 Folge dessen wäre eine noch größere Unbestimmtheit der Strafandrohung. Denn in diesem Falle würde sich der gesamte deliktische Strafrahmen erst aus der Betrachtung der entsprechenden (im Allgemeinen Teil des StGB befindlichen) Vorschriften zum (absolutem) Mindest- und Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ergeben. Die Rechtsfolgenandrohung im Besonderen Teil des StGB als solche enthielte dann keinerlei Anhaltspunkt hinsichtlich des Strafrahmens. Diesem Vorgehen steht jedoch die allgemein anerkannte (aus dem Bestimmtheitsgrundsatz hergeleitete) verfassungsrechtliche Pflicht, im Besonderen Teil des StGB Strafrahmen zu schaffen, entgegen.52 Vom Vorliegen eines solchen kann nämlich keine Rede mehr sein, wenn die Rechtsfolgenseite eines Delikts weder Mindest- noch Höchststrafe benennt, sondern sich darin erschöpft, dass die Bestrafung des Täters angeordnet wird und (je nach Regelungstechnik indirekt53 oder direkt durch Verweisung) die Anwendung der Vorschriften über das absolute Mindestmaß und das absolute Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (vgl. dazu § 38 Abs. 2 StGB) eröffnet wird. In diesem Fall enthält der Straftatbestand im Besonderen Teil des StGB keinen Strafrahmen, denn die Rechtsfolgenandrohung dieses Delikts
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BVerfGE 105, 135, 156. Selbiges würde eintreten, wenn der Gesetzgeber auf der Rechtsfolgenseite der Delikte im Besonderen Teil des StGB ausdrücklich auf die Normen zum absolute Mindest- bzw. Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe verweisen würde. Auch in diesem Fall würde sich die Strafandrohung nicht aus dem deliktischen Strafrahmen ergeben, sondern aus den entsprechenden Vorschriften zum absoluten Mindest- und Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe. Erst bei Betrachtung dieser Normen des Allgemeinen Teils wäre ersichtlich, welche Mindeststrafe und welche Höchststrafe bei Begehung des entsprechenden Delikts drohen. 52 Siehe dazu nur BVerfGE 105, 135, 156. 53 Durch den Verzicht auf die Festlegung einer Mindest- und Höchststrafe für die Begehung des Delikts. 51
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gibt keinerlei Anhaltspunkte über Mindest- bzw. Höchststrafe;54 es fehlt mithin an der Festlegung zumindest eines Fixpunktes im Besonderen Teil des StGB.55 Soll diese Pflicht, Strafrahmen zu schaffen, jedoch kein Selbstzweck sein, so muss sie bewirken, dass auch tatsächlich eine höhere Bestimmtheit der Strafandrohung mit ihr verbunden ist. Insoweit folgt aus dieser Pflicht der Schaffung von Strafrahmen, dass diese (scil. die Strafrahmen) enger sein müssen als der Rahmen zwischen absolutem Mindestmaß und absolutem Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (also diejenige Strafandrohung, welche bestehen würde, wenn der Gesetzgeber gänzlich auf die Festlegung eines Strafrahmens im Besonderen Teil des StGB verzichten würde56). Insoweit sind Strafrahmen als unbestimmt zu qualifizieren, wenn sie sowohl hinsichtlich ihrer Mindeststrafe als auch in Hinblick auf ihre Höchststrafe dem im Allgemeinen Teil des StGB festgelegten absoluten Mindestmaß und absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entsprechen,57 mithin die Strafrahmenenden deckungsgleich sind mit dem absoluten Mindest- und dem absoluten Höchstmaß der 54
Auch ergibt sich kein Strafrahmen daraus, dass absolutes Mindestmaß und absolutes Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (mithin die entsprechenden Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB) Anwendung finden. Diese umschreiben lediglich „[…] die Reichweite der zeitigen Freiheitsstrafe überhaupt“ (Häger, in: LK-StGB, § 38 Rn. 45). Es handelt sich dabei um keinen Strafrahmen, siehe Häger, in: LK-StGB, § 38 Rn. 45; v. Heintschell-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 38 Rn. 9. Fehlt es an einem, einem bestimmten Delikt zugeordneten, Strafrahmen im Besonderen Teil des StGB (fehlt es also sowohl an der Festlegung einer Mindest- als auch einer Höchststrafe), so wird ein Strafrahmen nicht dadurch begründet, dass durch das absolute Mindestmaß und absolute Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe der Bereich zulässiger zeitiger Freiheitsstrafen umgrenzt wird. 55 Darüber hinaus wäre die Statthaftigkeit eines solchen Vorgehens auch in Hinblick auf den Schuldgrundsatz, aus dem sich die Notwendigkeit eines gestaffelten Strafrahmensystems ableitet (siehe dazu Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 144 ff.; Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 76), sehr fraglich (die Unzulässigkeit eines Strafrahmens, der mit Ausnahme der Todesstrafe sämtliche Strafen androht, feststellend Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 144). Könnte nämlich jeder Strafrahmen prinzipiell vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe bis zum absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe reichen, so widerspräche dies dem Gebot der Schaffung eines ausdifferenzierten (am jeweiligen (im Voraussetzungsbereich der Norm beschriebenen) Unrechts- und Schuldgehalt orientierten) Strafrahmensystems. Ein solches läge dann nämlich gerade nicht vor. Diese Vorgabe an den Gesetzgeber wird vor allem dann drängend, wenn im Voraussetzungsbereich der Strafnorm ein solches Delikt (abstrakt) beschrieben wird, welches im Konkreten eine Vielzahl von Verwirklichungsformen aufweisen kann, deren Unrechtsgehalt so stark voneinander abweicht, dass das Bestrafungsbedürfnis vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe bis zum absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe reicht (es also Begehungsvarianten gibt, bei denen die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 1 Monat angemessen ist und es Verwirklichungsformen gibt, bei denen das Bedürfnis besteht, eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren zu verhängen). 56 Bzw. auf der Rechtsfolgenseite des im Besonderen Teil befindlichen Delikts lediglich auf das absolute Mindestmaß und das absolute Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe verwiesen werden würde. 57 Auch Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 311, leitet diese Erkenntnis aus der verfassungsgerichtlichen Entscheidung zur Vermögensstrafe ab („durch BVerfGE 105, 135 ausdrücklich verworfen“, siehe Hettinger, a.a.O., S. 311 Fn. 96). Im Ergebnis wohl gleich Lampe, Strafphilosophie, S. 44.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
zeitigen Freiheitsstrafe, der Strafrahmen also sämtliche zulässige zeitige Freiheitsstrafen umfasst.58 Dieses Ergebnis ergibt sich überdies auch aus der Systematik des StGB. Der Besondere Teil des StGB stellt den spezielleren Teil dar. Bezogen auf die Rechtsfolgenseite erfolgt in diesem Teil des StGB die Zuordnung eines Ausschnitts aus der Gesamtheit möglicher zeitiger Freiheitsstrafen zu den einzelnen Delikten.59 Wäre es zulässig, einen, einem bestimmten Delikt zugeordneten, Strafrahmen so weit zu fassen, dass dieser sämtliche zugelassene Strafen (hier: die Gesamtheit möglicher zeitiger Freiheitsstrafen) umfasst, würde dies die Systematik der beiden Teile des StGB auflösen. Die deliktische Rechtsfolgenandrohung im Besonderen Teil wäre dann nämlich nicht spezieller als die im Allgemeinen Teil enthaltene. Insoweit gebietet diese Systematik, dass der einem Delikt zugeordnete Strafrahmen enger ist als der Rahmen, der sich aus absolutem Mindestmaß und absolutem Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ergibt.60 Als Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass ein Strafrahmen jedenfalls dann gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG verstößt, wenn er in seiner Weite vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe bis zum absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe reicht. Dies ist der Fall, wenn die im Strafrahmen festgesetzte Mindeststrafe dem (im Allgemeinen Teil des StGB festgelegten) absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht und die im Strafrahmen festgesetzte Höchststrafe dem (im Allgemeinen Teil des StGB festgelegten) absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht.61 Freilich stellt diese Konkretisierung des Bestimmtheitsgrundsatzes nur ein sehr grobes Raster dar. Sie enthält jedoch bereits erste Anhaltspunkte hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Deliktsgruppengestaltung. So zeigt sich, dass die soeben entwickelte Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen bereits genügt, um die Deliktsgruppe der Körperverletzungsdelikte (zumindest teilweise) zu erklären. Das geltende Recht sieht für die einfache Körperverletzung – lässt man die Geldstrafenandrohung außen vor – eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat vor (vgl. § 223 Abs. 1 StGB i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB). Für die absichtliche bzw. wissentliche schwere Körperverletzung (§ 226 Abs. 2 StGB), welche in der gesetzlichen Systematik der Körperverletzungsdelikte die schwerste Form der Körperverletzung darstellt, ist im Maximum das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (15 Jahre) vorgesehen (vgl. § 226 Abs. 2 StGB i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB). 58
D. h. die gesamte Reichweite der zeitigen Freiheitsstrafe ausschreitet, siehe zu dieser Formulierung Häger, in: LK-StGB, § 38 Rn. 45. 59 Insoweit stellen Strafrahmen nämlich einen Aussschnitt aus der Menge zugelassener Strafen dar, siehe Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 29. 60 Insoweit gibt es im Besonderen Teil des StGB auch keinen Strafrahmen, der den, durch das absolute Mindestmaß und das absolute Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe umgrenzten, Gesamtbereich möglicher zeitiger Freiheitsstrafen ausschreitet, siehe Häger, in: LK-StGB, § 38 Rn. 45. 61 Vgl. auch Häger, in: LK-StGB, § 38 Rn. 45.
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Will der Gesetzgeber in Hinblick auf die verschiedenen Varianten des Phänomens der Körperverletzung mit einer solchen Bandbreite an Strafdrohungen reagieren, so kann er es nicht bei einem Grundtatbestand der Körperverletzung mit entsprechend weitem Strafrahmen belassen. Denn dieser wäre, legt man die vorstehend ermittelte Konkretisierung des Bestimmtheitsgebots zu Grunde, zu unbestimmt und damit unvereinbar mit Art. 103 Abs. 2 GG.
IV. Die (aus dem Bestimmtheitsgebot folgende) Notwendigkeit der tatbestandlichen Abwandlung bei Ausschöpfung der gesamten Bandbreite zeitiger Freiheitsstrafen Wie das soeben genannte Beispiel zeigt, wird diese verfassungsrechtliche Vorgabe in bestimmten Konstellationen virulent. Diese sollen nachfolgend erörtert werden. Bei Delikten, welche in stark differierenden Erscheinungsformen auftreten können (bspw. Körperverletzung, Diebstahl, Brandstiftung) und bei denen daher zwischen den einzelnen Erscheinungsformen starke Schwankungen des Unrechtsund Schuldgehalts auftreten können, besteht durchaus ein Bedürfnis, dem Richter die gesamte Reichweite möglicher zeitiger Freiheitsstrafen zur Verfügung zu stellen. Denn dies ist erforderlich, um eine schuldangemessene Bestrafung im Einzelfall zu gewährleisten. Aufgrund der soeben skizzierten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an die Rechtsfolgenandrohung in Straftatbeständen ist es jedoch verfassungsrechtlich unzulässig, den Strafrahmen des Grunddelikts entsprechend auszuweiten (d. h. als Mindeststrafe das Mindestmaß möglicher zeitiger Freiheitsstrafe (ein Monat) und als Höchststrafe das Höchstmaß möglicher zeitiger Freiheitsstrafe (15 Jahre) festzusetzen). Folglich bedarf es in diesem Fall einer Strafrahmenabstufung. Diese muss insoweit durch die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes (möglich ist jedoch auch die Schaffung eines Privilegierungstatbestandes)62 erfolgen. Zwar ist auch mit den Regelungsformen der „unbenannten besonders schweren Fälle“ und der Regelbeispielstechnik eine Strafrahmenabstufung verbunden, nämlich insoweit als eine neue Strafvorschrift mit einem Sonderstrafrahmen geschaffen wird.63 Jedoch sind, wie bereits aufgezeigt wurde, bei diesen die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Sonderstrafrahmens nicht hinreichend bestimmt festgelegt.64 Während bei der Regelungsform der „unbenannten besonders schweren Fälle“ lediglich eine Generalklausel gesetzlich niedergelegt wird, liegt bei der Regelbeispielsmethode die mangelnde Bestimmtheit darin, dass die (zwar „greifbar“ umschriebenen) Regel62
Da es in der vorliegenden Abhandlung jedoch um die Strafrahmenabstufungen „nach oben“ geht, wird im Folgenden nur auf die Regelungstechniken Qualifikationstatbestand, unbenannter besonders schwerer Fall sowie Regelbeispielsmethode eingegangen. 63 Eingehend dazu Kapitel 2 § 4 E. 64 Eingehend dazu Kapitel 2 § 4 E. II. sowie IV.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
beispiele weder einen zwingenden Charakter aufweisen, noch eine abschließende Aufführung der besonders schweren Fälle sind und es daher letztlich auch bei dieser gesetzlichen Ausgestaltung darauf ankommt, ob ein „besonders schwerer Fall“ vorliegt.65 Bei diesen beiden Regelungstechniken kommt damit der Einordnung des konkreten Falles als „besonders schwerer Fall“ entscheidende Bedeutung zu. Damit ist aus Sicht des Bürgers, auf die es beim Bestimmtheitsgebot maßgeblich ankommt,66 nicht hinreichend vorhersehbar, wann der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt.67 Gerade weil beim Bestimmtheitsgrundsatz die Sicht des Bürgers im Mittelpunkt steht,68 genügt eine bloße Generalklausel („besonders schwerer Fall“) nicht, um die notwendige Trennung zwischen Grund- und Sonderstrafrahmen zu gewährleisten. Für den Bürger ist aufgrund der vagen Formulierung nicht erkennbar, wo die Grenze zwischen den Anwendungsbereichen der beiden Strafrahmen verläuft. Er kann dies anhand des Wortlauts nicht erkennen. Damit handelt es sich jedoch aus Sicht des Bürgers auch nicht um zwei klar voneinander abgrenzbare Strafrahmen.
V. Der fiktive Gesamtstrafrahmen als Prüfungsgegenstand Freilich sagt dies noch nichts über die prinzipielle verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Regelungstechniken aus.69 Insbesondere kann die Verfassungswidrigkeit nicht daraus hergeleitet werden, dass die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ sowie die Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale qualifiziert werden und diese sodann an den strengen Anforderungen bezüglich der Tatbestandsbestimmtheit gemessen werden.70 Betrachtet werden müssen nämlich, wie bereits wiederholt erwähnt, zunächst die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung (insbesondere an die zulässige Weite) des (grunddeliktischen) Strafrahmens. Insoweit ist es nämlich nicht einsichtig, dass der Gesetzgeber – getragen durch die relativ geringen Anforderungen an die Bestimmtheit der Strafandrohung71 – ohne weiteres 65
Eingehend dazu Kapitel 2 § 4 E. II. sowie IV. Vgl. BVerfGE 71, 108, 115 (Normadressat muss im Regelfall voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist; Abstellen auf den für den Adressaten erkennbaren und verstehbaren Wortlaut). 67 Teilweise wird daher angenommen, die Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ bzw. die Regelbeispielsmethode verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot; siehe dazu Calliess, NJW 1998, 929, 934; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 58 ff., 139 f.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159. 68 Vgl. BVerfGE 71, 108, 115. 69 So auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, der feststellt, dass die verbreitete Kritik an der Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot im Ansatz zutrifft, es jedoch hinsichtlich des Verdikts der Verfassungswidrigkeit einer „[…] Differenzierung und Präzisierung“ bedarf. 70 So jedoch Calliess, NJW 1998, 929, 934 f.; siehe auch Calliess, JZ 1975, S. 112, 117. 71 Insoweit lässt es die verfassungsgerichtliche Judikatur genügen, wenn Strafrahmen gebildet werden, solange diese nicht uferlos sind; siehe BVerfGE 105, 135, 156. 66
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eine Erweiterung des Strafrahmens vornehmen könnte, es jedoch andererseits verfassungsrechtlich unzulässig sein soll, mittels der Schaffung einer Strafvorschrift des „besonders schweren Falles“ (bzw. der Schaffung einer Regelbeispielsnorm) die entsprechende Deliktsgruppe durch eine neue Strafvorschrift (und einen neuen Strafrahmen) zu ergänzen.72 Dabei haben die beiden letzten Varianten zumindest den Vorteil, dass zum einen der Strafrahmen des Grunddelikts unangetastet bleibt und zum anderen für die Anwendung des neu geschaffenen Strafbereichs73 auf Gesetzesebene Bedingungen (Einordnung des konkreten Falles als „besonders schweren Fall“) festgelegt werden. Insoweit ist zuzugeben, dass dieses Vorgehen eine größere Bestimmtheit schafft als die bloße Ausweitung des grunddeliktischen Strafrahmens.74 Zutreffenderweise sind daher diese beiden Regelungstechniken75 daran zu messen, ob bei Betrachtung des gesamten Strafrahmens76 (d. h. Betrachtung des Strafrahmens, der sich zusammensetzt aus dem grunddeliktischen Strafrahmen und dem Sonderstrafrahmen)77 ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (bzgl. der Sankti-
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In diese Richtung gehen auch die Überlegungen von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, der meint, dass für die Beurteilung der Zulässigkeit der Regelbeispielstechnik erst geklärt werden muss, ob der gesamte Strafrahmen (insoweit also der Strafrahmen, der sich ergibt aus der Untergrenze des Strafrahmens des Grunddelikts und der Obergrenze des Strafrahmens für den besonders schweren Fall) zu unbestimmt ist. Vgl. auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 402, der es als wenig überzeugend ansieht „[…] Strafrahmenunterteilungen durch besonders schwere Fälle als verfassungswidrig anzusehen, wenn entsprechend weit gespannte Strafrahmen für zulässig erachtet würden“ und konstatiert, dass „[…] durch die Strafrahmenabschichtung mithilfe der besonders schweren Fälle doch ein höheres Maß an Bestimmtheit erreicht [wird]“ (S. 403 f.). So auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 206 f.; im Ansatz auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 131, der bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ sowohl die Notwendigkeit der Bestimmtheit der Strafbarkeitsvoraussetzungen als auch das Erfordernis der Rechtsfolgenbestimmtheit in Ansatz bringt. Für das Verhältnis Regelbeispielstechnik und Gesetzgebungstechnik der besonders schweren Fälle Arzt, JuS 1972, S. 515 f. 73 Mithin die Anwendung des, in der neuen Strafvorschrift enthaltenen, Sonderstrafrahmens und somit die Verhängung einer über der grunddeliktischen Höchststrafe liegenden Strafe an gesetzliche Bedingungen geknüpft wird. 74 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 403 f. 75 Gemeint sind die der „besonders schweren Fälle“ und die Regelbeispielsmethode. 76 Darauf hingewiesen wird, dass damit nicht gemeint ist, dass Regel- und Sonderstrafrahmen einen sog. Gesamtstrafrahmen darstellen (so jedoch Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1165; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 518 ff.; ders., NStZ 1989, 393, 398; Zipf, Strafmaßrevision, S. 28: „erweiterter Gesamtstrafrahmen“; ablehnend – wie hier – Dreher, in: FS Bruns, S. 156 Fn. 46; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 951 f.; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 57 f.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; ders., Strafrahmen, S. 94 f.; Wilcken, Doppelverwertung, S. 159). 77 Letztlich reicht dieser Gesamtstrafrahmen damit von der Mindeststrafe des Grunddelikts bis zur Höchststrafe für einen „besonders schweren Fall“. Siehe dazu auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81: „Die Kritik [in Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelungsfigur der besonders schweren Fälle] setzt voraus, dass der gesamte, zum einen durch die
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
onsandrohung) vorliegt.78 Dieses Abstellen auf den gesamten Strafrahmen ist geboten, da es aufgrund der Vagheit79 der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ aus Sicht des Bürgers nicht erkennbar ist, wann der Sonderstrafrahmen und wann der grunddeliktische Strafrahmen Anwendung findet. Beschränkt auf die hier erfolgende Betrachtung hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots80 ist die Strafrahmenabstufung mittels der Regelungstechnik der besonders schweren Fälle sowie mittels der Regelbeispielsmethode damit letztlich so zu behandeln (und bzgl. ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit in Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG so zu beurteilen) wie die bloße Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens.81 In Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot ist damit nicht pauschal davon auszugehen, dass die Regelungsformen der „besonders schweren Fälle“ bzw. die RegelUntergrenze des Regelstrafrahmens, zum anderen durch die Obergrenze des besonders schweren Falles auf ein Delikt gesetzte Strafrahmen seinerseits zu unbestimmt ist.“. 78 So auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 79 Siehe auch Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 128: ziemlich nichtssagende Wendung. 80 Völlig anders verhält es sich hingegen, wenn man den Fokus auf die mit der Schaffung der neuen Strafvorschrift erfolgende Strafrahmenabstufung legt. Dieser kommt besondere Bedeutung dahingehend zu, dass sie eine Bewertung der Wertgruppe der besonders schweren Fälle darstellt (siehe dazu bereits Kapitel 2 § 4 E. IV.). Auch führt sie – insoweit im Gegensatz zur bloßen Strafrahmenerweiterung – dazu, dass die abstrakte gesetzgeberische Bewertung des Grunddelikts unangetastet bleibt (allgemein zu den aus dem Schuldgrundsatz fließenden Vorgaben hinsichtlich der Bewertung von Unrechtstypen Kapitel 3 § 6 B. I.). Insoweit kommt der Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ (mit bzw. ohne Exemplifizierung durch Regelbeispiele) im Bereich der Erfüllung der Vorgaben des Schuldgrundsatzes eine besondere Bedeutung zu, welche der Gleichsetzung mit bloßen Strafrahmenerweiterungen in diesem Bereich entgegensteht. Während die Gleichsetzung im Bereich des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) auf der Vagheit der tatbestandlichen Formulierung der Voraussetzungen (infolge der Verwendung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“) beruht, resultiert die Ablehnung einer Gleichsetzung im Bereich der Erfüllung der Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Ausdifferenzierung der Deliktsgruppen daraus, dass mit der Schaffung einer Strafvorschrift für besonders schwere Fälle die Schaffung eines neuen Strafrahmens (Sonderstrafrahmens) verbunden ist und damit eine Abstufung von Strafrahmen. Ersteres nimmt damit Bezug auf die tatbestandliche Ausgestaltung dieser Regelungsform, letzteres auf die mit dieser Regelungstechnik verbundene Schaffung einer neuen Strafvorschrift, also die Verknüpfung eines neuen Strafrahmens (des Sonderstrafrahmens) mit gesetzlich festgelegten Voraussetzungen. 81 Darauf hingewiesen wird, dass damit nicht gemeint ist, dass Regel- und Sonderstrafrahmen einen sog. Gesamtstrafrahmen darstellen (so jedoch Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1165; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 518 ff.; ders., NStZ 1989, 393, 398; Zipf, Strafmaßrevision, S. 28: „erweiterter Gesamtstrafrahmen“; ablehnend – wie hier – Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 951 f.; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 57 f.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; ders., Strafrahmen, S. 94 f.; Wilcken, Doppelverwertung, S. 159). Insoweit trägt eine solche Einordnung nämlich nicht den Unterschieden zwischen den verschiedenen Regelungsalternativen (Strafrahmenerweiterung einerseits, Strafrahmenabstufung mittels Regelbeispielstechnik bzw. besonders schwerer Fälle andererseits) hinreichend Rechnung und verklärt zudem den Blick hinsichtlich der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit solcher Strafrahmenabstufungen zur Erfüllung anderer verfassungsrechtlicher Anforderungen (eingehend dazu Kapitel 3 § 7 C. und D.).
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beispielsmethode verfassungswidrig sind.82 Es muss stattdessen danach differenziert werden, ob der (fiktive) gesamte Strafrahmen (Regelstrafrahmen plus Sonderstrafrahmen) noch bestimmt genug ist.83 Ist dieser als zu unbestimmt zu qualifizieren, so muss ein Qualifikationstatbestand geschaffen werden, mithin der „Gesamtstrafrahmen“ durch die zwingende und abschließende Festlegung von Qualifikationstatbestandsmerkmalen84 in einen grunddeliktischen Strafrahmen und einen Qualifikationsstrafrahmen geteilt werden.85 Diese Überlegungen lassen sich durch Weiterführung des obigen Beispiels veranschaulichen. Im Bereich der Deliktsgruppe der Körperverletzungsdelikte zeigt sich die Notwendigkeit, das Delikt der schweren Körperverletzung als Qualifikationstatbestand auszugestalten. Wäre § 226 StGB mittels der Regelbeispielstechnik ausgestaltet, d. h. wären die Tatbestandsmerkmale von § 226 StGB lediglich Regelbeispiele, so müsste man (mangels abschließenden und zwingenden Charakters der Regelbeispiele bei einer solchen Regelung) bei der Überprüfung anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes von einem „Gesamtstrafrahmen“ ausgehen, der von der Mindeststrafe der einfachen Körperverletzung bis zur Höchststrafe, die für die Verursachung einer schweren Folge i.S.v. § 226 StGB verhängt werden kann, reicht. Insoweit ergäbe sich ein (fiktiver) Gesamtstrafrahmen, der Freiheitsstrafen zwischen einem Monat (§ 223 Abs. 1 StGB i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB) und 15 Jahren (absichtliche bzw. wissentliche Verursachung der schweren Folge, § 226 Abs. 2 StGB) vorsieht. Dies würde jedenfalls nach den oben entwickelten Kriterien einen zu weiten und damit unbestimmten Strafrahmen darstellen. Insofern läge damit ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor. Folglich ergibt sich aus der Androhung einer Höchstfreiheitsstrafe von 15 Jahre für die absichtliche bzw. wissentliche schwere Körperverletzung (§ 226 Abs. 2 StGB), dass diese Formen der schweren Körperverletzung zwingend als Qualifikationstatbestand zu regeln sind.
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So jedoch Calliess, NJW 1998, 929, 934 f.; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 58 ff., 139 f.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 151 f., 162 f.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159. 83 So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 84 Dabei muss die Formulierung des Qualifkationstatbestands und der Qualifikationstatbestandsmerkmale dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) genügen. 85 Diese zwingende und abschließende Festlegung der Merkmale, die eine Bestrafung aus dem Sonderstrafrahmen (Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes) ermöglichen, führt (vorausgesetzt die Merkmale des Qualifikationstatbestands weisen die durch Art. 103 Abs. 2 GG gebotene hinreichende Bestimmtheit auf) dazu, dass hinreichend bestimmt gesetzlich festgelegt ist, wann welcher Strafrahmen Anwendung findet und infolgedessen ein Gesamtstrafrahmen nicht mehr vorliegt. Dass bei der Formulierung des Qualifikationstatbestandes und seiner einzelnen Tatbestandsmerkmale dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) hinreichend Rechnung getragen wird, wird hier vorausgesetzt.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
VI. Die Regelbeispielstechnik und die unbenannten besonders schweren Fälle im Lichte des Bestimmtheitsgebots Im Bereich des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) sind die besonders schweren Fälle und die Regelbeispielsnormen wie bloße Strafrahmenerweiterungen zu behandeln. Deren Verwendung führt (nur) dann zur Verfassungswidrigkeit, wenn der (fiktive) Gesamtstrafrahmen von 1 Monat Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reicht.86 Beide Gesetzestechniken sind damit nicht per se unvereinbar mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Maß des Auseinanderliegens dieser beiden Strafwerte zeigt freilich, dass sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz nur ein grobmaschiges „Netz“ ergibt. Der Gesetzgeber ist aus Sicht des Bestimmtheitsgebots nur dann zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes verpflichtet, wenn der fiktive Gesamtstrafrahmen den gesamten Bereich zulässiger zeitiger Freiheitsstrafen abdeckt (mithin von 1 Monat bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reicht). Innerhalb dieses weiten Bereichs ist er, jedenfalls aus Sicht des Bestimmtheitsgrundsatzes (weitergehende Vorgaben ergeben sich aus dem Schuldgrundsatz)87, vollkommen frei hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ einer Strafrahmenabstufung. Er kann also frei darüber disponieren, welcher Regelungstechnik er sich bedient oder ob er eine Strafrahmenabstufung vollkommen unterlässt. Im Bereich der Strafrahmenabstufung dürfte dem Bestimmtheitsgebot daher (von den aufgeführten Beispielen abgesehen) kaum praktische Relevanz zukommen, denn aus ihm ergibt sich lediglich in krassen Ausnahmefällen die Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes. Es ist daher geboten, weitere verfassungsrechtliche Vorgaben ausfindig zu machen, welche das Erfordernis einer Strafrahmenabstufung begründen bzw. Vorgaben für die Wahl der Regelungstechnik beinhalten.
86 Auch Reichenbach, Jura 2004, 260, 264 legt in Hinblick auf die Überprüfung entsprechender Normen (Komplementärnormen für „unbenannte besonders schwere Fälle“ sowie Regelbeispielsnormen) am Maßstab des Bestimmtheitsgebots die Vorgaben dieses Verfassungsgebots an die Weite von Strafrahmen zugrunde, geht aber hierbei von deutlich niedrigeren Anforderungen aus. So lässt er es genügen, dass das StGB Leitlinien enthält (insb. § 46 StGB), die die richterliche Strafzumessung (i.V.m. dem Schuldprinzip) leiten (siehe Reichenbach, a.a.O., 264). 87 Dazu Kapitel 3 § 6 B. und § 7.
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B. Die Vorgaben des Schuldgrundsatzes sowie deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Strafrahmen I. Vorgabenwirkung des Schuldgrundsatzes für die gesetzgeberische Strafrahmenschaffung 1. Zwei Aspekte: Pflicht zur Bewertung sowie Pflicht zur Orientierung am niedergelegten Unwerttypus In Hinblick auf die Strafnormschaffung fordert der Schuldgrundsatz, dass eine gesetzgeberische (Be-)Wertung der umschriebenen Unrechtsmaterie erkennbar ist.88 Insoweit hat der Gesetzgeber den (niedergelegten) Unwerttypus abstrakt zu bewerten.89 Diese abstrakte90 Wertung des Unrechtstyps erfolgt durch die Zuordnung 88 Ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 147 f., der anknüpfend an das Schuldprinzip und die damit einhergehende (Be-)Wertung von strafrechtlichen Handlungen nach ihrem Unrechtsgehalt feststellt: „Und daß dieser Schweregrad verbindlich und für jedermann feststellbar im Gesetz zum Ausdruck gebracht werde, ist dann auch ein legitimer Anspruch gegenüber dem Gesetzgeber.“ (Maiwald, a.a.O., S. 147). Unter Rekurrierung auf das Bestimmtheitsgebot auch BVerfGE 105, 135, 155: „Der Strafgesetzgeber erfüllt seine Pflicht, wenn er durch die Wahl der Strafandrohung sowohl den Strafrichter als auch die betroffenen Bürger so genau orientiert, dass seine Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte deutlich wird, der Betroffene das Maß der drohenden Strafe abschätzen kann und dem Strafrichter die Bemessung einer schuldangemessenen Reaktion möglich ist.“; folgend Graßhof, in: BonnKomm-GG [Stand: 115. Aktualisierung Dezember 2004], Ergänzung zu Art. 103 Abs 2 Rn. 19. In der Tendenz auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 75 ff., der aus dem Schuldprinzip heraus die Notwendigkeit eines gestaffelten Strafrahmensystems ableitet (siehe Hettinger, a.a.O., S. 76). Ebenso bereits Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 144, der aus dem Schuldprinzip (nicht jedoch aus dem Bestimmtheitsgebot) die Notwendigkeit eines „differenzierten (gestaffelten) Strafrahmensystems“ folgert. Siehe auch Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 229, der im Rahmen seiner Kritik an den weiten Strafrahmen des geltenden Rechts ausführt: „Ein weiter Strafrahmen gibt keine Wertung wieder, sondern enthält mit der schwammigen Aussage, dass derartige Taten sowohl besonders leicht als auch besonders schwere sein können, den weitgehenden Verzicht auf Wertung. Die vorweggenommene Schuldbewertung durch den Gesetzgeber erfordert vielmehr, dass eine Abstufung des Strafrahmens in Relation zur Verwirklichung weiterer oder besonders stark ausgeprägter Merkmale stattfindet.“. 89 Vgl. Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 147 f.: „Weil die Strafe stets (auch) etwas sein soll, das die sozial-ethische Mißbilligung proportional zum schuldhaft verwirklichten Unrecht zum Ausdruck bringt, […] ist es notwendig, daß die Repräsentation der Staatsbürger im Parlament die sozial-ethischen Maßstäbe vorentscheidet, an denen das Handeln des Einzelnen gemessen wird […]. […] Man kann also sagen: Weil unser Strafrecht ein Schuldstrafrecht und damit ein tatbezogenes Strafrecht ist, ist es erforderlich, es in die demokratische Kontrolle einzubeziehen.“ (Maiwald, a.a.O., S. 148); „Angabe der Unwertstufe“ (Maiwald, a.a.O., S. 153). Eine Herleitung aus dem Demokratieprinzip unter Anwendung der „Wesentlichkeitsformel“ des Bundesverfassungsgerichts nimmt E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff. vor. Nach E. Horn hat der Gesetzgeber „[…] die verschiedenen Umstände in abstracto [zu bewerten]“ (S. 80); Aufgabe des Gesetzgebers ist also neben der Festsetzung der Strafbarkeit auch „[…] [den] groben Umfang der Strafhöhe […] zu regeln und zu normieren […]“ (S. 82). Siehe auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 63: „[…] die Bewertung im Einzelnen und die Festlegung des Strafmaßes obliegt dem Gesetzgeber.“. So in der Sache auch BVerfGE 45, 187, 267 f. Allgemein zur Strafrahmen-
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
eines Strafrahmens.91 Dabei hat der Gesetzgeber von der Typik des umschriebenen (missbilligten) Verhaltens bzw. Unwertsachverhalts auszugehen, weshalb der Unrechtstypus bei der Bemessung des Strafrahmens berücksichtigt werden muss.92 Die im StGB angegebene Strafandrohung (bzw. deren Höhe) gibt damit grob das Maß der Sozialschädlichkeit des jeweilis pönalisierten Verhaltens wieder.93 Hieraus folgt (jedenfalls indirekt) ein System gestaffelter Strafrahmen.94 Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein.95 Tatbestand bildung, dem damit einhergehenden Bewertungsvorgang sowie den auftretenden Widrigkeiten – unter Zugrundelegung der österreichischen Rechtslage – Dittrich, Angemessenheit von Strafrahmen, S. 39 ff. 90 Zutreffend Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 76. 91 Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 29; Siehe dazu auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts: „Andererseits läßt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung.“ (so BVerfG, NJW 1969, 1059, 1061); Miebach, in: MK-StGB, § 46 Rn. 75: „Die Strafrahmen, die durch die Strafdrohungen der einzelnen Tatbestände im Besonderen Teil festgelegt werden, bringen in typisierter Form eine abstrakte Unrechts- und Schuldbewertung zum Ausdruck.“; siehe auch Freund, GA 1999, 509, 513: „Die vorgesehenen unterschiedlichen Strafrahmen und Strafarten spiegeln unterschiedliche Schwereeinschätzungen in bezug auf die jeweiligen Straftattypen […] wider.“; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 6: „[…] abstrakte Unrechts- und Schuldbewertung […]“; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40: „Der Strafrahmen vermittelt einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts, den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe gestellten Verhalten verbunden hat.“ [im Original teilweise hervorgehoben]. So auch Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57: Die gesetzgeberische Bewertung des strafrechtlich verbotenen Verhaltens wird auf der Rechtsfolgenseite verdeutlicht. Siehe dazu auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 135: Art und Höhe der gesetzlichen Strafandrohung sind damit Indikatoren für die Schwere des umschriebenen Unrechts und der umschriebenen Schuld. Nach Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 76, sind die Strafdrohungen (jedenfalls primär) Unrechts- sowie Schuldbewertung. 92 Siehe dazu die Ausführungen in BVerfGE 105, 135, 153, nach denen „[…] die Strafandrohung […] in einem vom Schuldprinzip geprägten Straftatsystem gerecht auf den Straftatbestand und das in ihm vertypte Unrecht abgestimmt sein muss […]“. Mit anderen Worten: „[…] Tatbestand und Rechtsfolge [müssen] sachgerecht aufeinander abgestimmt sein […]“ BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312. Ähnlich Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40: „Aus dem Schuldprinzip ergibt sich ferner, dass der Gesetzgeber in der Bestimmung seiner Strafen und Strafrahmen nicht frei ist, sondern Strafart sowie Mindest- und Höchststrafen so festzusetzen hat, dass dem Unrechts- und Schuldgehalt eines Deliktstypus Rechnung getragen werden kann.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 93 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 63. 94 Siehe zu dieser Verknüpfung Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 76. In Hinblick auf die Staffelung der Strafrahmen auf den Gleichheitssatz rekurrierend J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 43. 95 BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 105, 135, 154, 156; BVerfG, NJW 2009, 1061, 1063; folgend Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40.
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und Rechtsfolge stehen mithin nicht beziehungslos nebeneinander. Der Gesetzgeber muss die Strafandrohung vielmehr orientiert am umschriebenen Unwertsachverhalt fassen. Folgerichtig setzt die gesetzliche Verschärfung der Strafandrohung erhöhte Schuld voraus,96 wobei die Verschärfung nicht außer Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld stehen darf.97 Wie bereits erwähnt wurde, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die in Betracht kommenden Sanktionen festzulegen.98 Der Gesetzgeber hat dabei einen solchen Strafrahmen festzulegen, der sowohl dem Bürger als auch dem Rechtsanwender die gesetzgeberische Wertung verdeutlicht.99 Zum einen hat der Gesetzgeber dabei den Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten, welcher die Festlegung unbestimmter Strafandrohungen verbietet. Darüber hinaus ergeben sich jedoch auch Vorgaben aus dem Schuldgrundsatz. Wie bereits erwähnt wurde, verlangt dieser, dass Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt werden.100 Insoweit muss die Strafrahmenbildung und -zuordnung sich am im Voraussetzungsbereich der Norm umschriebenen Unrecht orientieren. Der Strafrahmen hat dieses Unrecht zu bewerten. Es muss eine gesetzgeberische Bewertung des Unrechts erkennbar sein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Strafrahmen so auszugestalten, dass ihm die Bewertung des jeweiligen Delikts entnommen werden kann, insb. auch in Abgrenzung zu den anderen Delikten. Deshalb verbietet sich unter Geltung des Schuldgrundsatzes die Einführung eines (zwar hinreichend bestimmten, aber nicht zwischen den einzelnen Delikten des StGB differenzierenden) „Einheitsstrafrahmens“; es ist vielmehr ein gestaffeltes Strafrahmensystem erforderlich.101 Ebenso unzulässig wäre ein Strafrahmen, der eine solche Weite aufweist, dass er die gesetzgeberische Wertung nicht mehr hinreichend klar zum Ausdruck bringt. Wäre 96
Da im Tatbestand der Norm regelmäßig ein Unwertsachverhalt beschrieben wird (die Aufführung „reiner“ Schuldelemente hingegen die Ausnahme darstellt), resultiert die erhöhte Schuld bei diesen Konstellationen regelmäßig daraus, dass der Tatbestand ein Delikt mit einem (im Gegensatz zum Ausgangsdelikt) erhöhten Unrechtsgehalt erfasst. Allgemein zur Abhängigkeit des Schuldgehalts vom Unrechtsgehalt Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 165 f. (insoweit stellt sich das Unrecht als Bezugspunkt der Schuld dar) 97 BVerfG, NJW 1979, 1037; folgend Joecks, in: MK-StGB, Einleitung Rn. 25. 98 BVerfGE 105, 135, 153 f.; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57; Rudolphi/Jäger, in: SKStGB [Stand: 144. Lfg. August 2014], § 1 Rn. 11. 99 BVerfGE 105, 135, 155; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. Kritisch in Hinblick auf die sehr geringen bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben an die Strafrahmengestaltung des Gesetzgebers Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 273 f. 100 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, siehe BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 90, 145, 173; 120, 224, 241; in der Sache gleich BVerfGE 105, 135, 156: Angemessenheit von Tatbestand und Rechtsfolge; Tatbestand und Strafrahmen müssen gemessen an der Gerechtigkeit einander entsprechen (BVerfGE 105, 135, 154). 101 So auch Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 144 ff.; im Ergebnis ebenso Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 76; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 153: gesetzliche Bestimmtheit fordert Angabe der Unwertstufe, auf der Handlung steht, daher sind differenzierte Strafrahmen notwendig. Mit entsprechender Tendenz, jedoch abstellend auf die „relative Gleichheit der Strafen der verschiedenen Delikte“ Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Sanktionen, S. 234 f.
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nämlich ein Strafrahmen von solcher Weite zulässig, so könnte der Gesetzgeber ein Strafrahmensystem installieren, bei dem sich die Strafrahmen der einzelnen Delikte nur in Nuancen unterschieden. Damit würde jedoch für jedes der Delikte ein nahezu identischer Strafrahmen gelten, weshalb die Situation de facto der des Bestehens eines „Einheitsstrafrahmens“ gleichzustellen wäre. In diesem Fall wäre dann nämlich gerade nicht mehr erkennbar, wie („wie schwer“) der Gesetzgeber ein bestimmtes Delikt einschätzt und wie er im Vergleich dazu andere Delikte einstuft. Damit ergibt sich aus dem Schuldgrundsatz die Pflicht des Gesetzgebers solche Strafrahmen zu schaffen, die seiner Bewertung hinreichend deutlich Ausdruck verleihen. Diese Pflicht, bereits bei der Strafnormbildung eine erkennbare Bewertung des abstrakten Unwerttypus vorzunehmen, sowie die aus der Gesetzesbindung des Richters resultierende Verpflichtung des Richters, diese Bewertung zu akzeptieren,102 dienen dazu sicherzustellen, dass der Schuldgrundsatz auf allen Ebenen staatlichen Strafens Geltung erlangt. Es wäre wenig einsichtig, wenn der Schuldgrundsatz zwar bei der Strafzumessung im Einzelfall (insoweit Bewertung der Einzeltat) zu beachten wäre, jedoch nicht bei der Strafnormschaffung (Bewertung des abstrakten Unwerttypus). Letztlich lassen sich danach in Hinblick auf den Schuldgrundsatz zwei Anforderungen an die gesetzgeberische Strafrahmenbildung aufstellen. Zum einen muss der Strafrahmen so gestaltet sein, dass er – insoweit einer seiner Funktionen entsprechend – hinreichend die gesetzgeberische Bewertung des im Tatbestand103 der Strafnorm abstrakt umschriebenen Unwertsachverhaltes verdeutlicht.104 Andererseits muss der jeweilige Strafrahmen auch sachgerecht sein in Hinblick auf den im Tatbestand umschriebenen Unwert, mithin gerecht (namentlich verhältnismäßig) auf diesen (den Tatbestand) abgestimmt sein.105 Während bei der ersten Vorgabe auch Einflüsse des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) sowie des Parlamentsvorbehalts (insb. in Hinblick auf die 102
Insoweit ist es diesem nämlich untersagt, den Strafrahmen zu überschreiten. Insoweit meint der Begriff Tatbestand an dieser Stelle den Tatbestand i.S.d. Rechtstheorie; zu den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Tatbestand siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 110 ff. Tatbestandlich ist hier also im rechtstheoretischen Sinne zu verstehen, sodass darunter alle auf der Voraussetzungsseite einer Norm befindlichen Elemente fallen. Damit sind auch die Voraussetzungselemente solcher Normen als tatbestandlich anzusehen, die nach der h.M. lediglich als Strafzumessungsregeln eingeordnet werden (dies betrifft die Regelungen der „besonders schweren Fälle“ und die Regelungen mit Regelbeispielen). Insoweit ist bei den genannten Regelungsarten das Element „besonders schwerer Fall“ als tatbestandlich (im rechtstheoretischen Sinne) einzuordnen. Gleiches gilt für die genau umschriebenen Regelbeispiele. 104 I. E. auch (jedoch unter Anknüpfung an das Bestimmtheitsgebot) BVerfGE 105, 135, 154 f.; Miebach, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. 105 Siehe BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 90, 145, 173; 105, 135, 154; 120, 224, 241. 103
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Wesentlichkeitstheorie) auszumachen sind,106 richtet sich beim zweiten Gebot der Fokus auf das Übermaßverbot.107 In der Sache handelt es sich um zwei verschiedene Teilaspekte des Schuldgrundsatzes. 2. Folge: gestuftes Strafrahmensystem Aus dem Schuldgrundsatz108 ergibt sich daher zum einen die Notwendigkeit eines gestuften Strafrahmensystems.109 So wäre es unzulässig (ohne weiteres) für Mord den gleichen Strafrahmen vorzusehen wie für den Diebstahl, denn es handelt sich um vollkommen verschiedene Unrechtstypen, sodass jeweils eine eigenständige gesetzgeberische Wertung vorzunehmen ist. Diese (scil. die gesetzgeberische Bewertung) wiederum wird in diesen beiden Fällen nicht gleich, sondern muss – in Entsprechung zur unterschiedlichen Unrechtsschwere,110 die den beiden Unwerttypen zu Grunde liegt – unterschiedlich ausfallen. Denn die Bewertungsarbeit hat sich am jeweiligen Unwerttypus zu orientieren, wobei in diesem Beispiel die vollkommen unterschiedlichen Unwerttypen zu stark voneinander abweichenden Bewertungsergebnissen führen. Nichts anderes verbirgt sich letztlich hinter der verfassungsgerichtlichen Aussage, dass die Strafrahmengestaltung abgestimmt sein muss auf den entsprechenden Unrechtstypus.111 Soll es sich bei dem Strafrahmen um eine sachgerechte Bewertung des (auf Ebene der Strafnormvoraussetzungen) umschriebenen Unwertsachverhalts handeln, so muss nach den Vorgaben des Schuldgrundsatzes bei der Strafrahmenbildung an den Unwertsachverhalt angeknüpft und der Strafrahmen diesem angepasst werden. Aus der Erfüllung dieser Verpflichtung, mithin der Schaffung von Strafrahmen in Anknüpfung an den jeweiligen deliktischen Unrechtsgehalt, ergibt sich, da die ver-
106 Daher wird die gesetzgeberische Verpflichtung zur Verdeutlichung der gesetzgeberischen Bewertung des Delikts mitunter auch bei diesen Verfassungsgrundsätzen verortet, siehe BVerfGE 105, 135, 154 f.; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57 (jeweils mit Anknüpfung an das Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG); E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff., S. 82 hingegen entnimmt diese Verpflichtung dem Demokratieprinzip/Gewaltenteilungsgrundsatz. 107 Einen enstprechenden Zusammenhang zwischen Schuldgrundsatz und Übermaßverbot zeigt auch Kau, in: FS Kriele, S. 761, 768 auf. 108 Zur Beziehung zwischen Strafrahmen und Schuldgrundsatz siehe Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 71 ff. 109 So bereits Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 144 ff.; siehe auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 76. 110 Zur Graduierbarkeit des Unrechts Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 111 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 166 ff. 111 Siehe dazu BVerfGE 105, 135 ff.: Angemessenheit von Tatbestand und Rechtsfolge (BVerfGE 105, 135, 156); Tatbestand und Strafrahmen müssen gemessen an der Gerechtigkeit einander entsprechen (BVerfGE 105, 135, 154).
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schiedenen Delikte des StGB einen stark voneinander abweichenden Unrechtsgehalts aufweisen, automatisch ein gestuftes Strafrahmensystem. 3. Auswirkungen auf die Binnengliederung von Deliktsgruppen Die aufgeführten Vorgaben des Schuldgrundsatzes wirken auch auf die Binnengliederung112 von Deliktsgruppen ein.113 Dies betrifft vor allem diejenigen Delikte, die in einer Vielzahl von Verwirklichungsformen auftreten können und bei denen die verschiedenen Verwirklichungsformen einen deutlich voneinander abweichenden Unrechtsgehalt aufweisen können. Hierzu zählen bspw. die Körperverletzung, der Diebstahl, der Raub sowie die Brandstiftung. In diesen Fällen besteht ein Bedürfnis sowohl die besonders leichten als auch die gravierenden Fälle angemessen bestrafen zu können, also eine entsprechend weit reichende Bestrafungsermächtigung zu schaffen.114 Dies gerät jedoch in Konflikt mit den soeben herausgearbeiteten Vorgaben des Schuldgrundsatzes. Zu weite Strafrahmen lassen nämlich eine Anknüpfung an den Unwerttypus nicht erkennen.115
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Diesen Begriff verwendend Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 63. So auch Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 145: „Ein nicht nach Unrechts- und Schuldbewertungen ausdifferenziertes und auf entsprechend abgewogene Strafzumessung bedachtes Strafrecht könnte sich für Diebstahl und Raub je mit einem einzigen Strafrahmen begnügen und könnte sich die Mühe sparen, so vielgliedrige Strafrahmenstaffeln [jeweils einen Strafrahmen für Diebstahl, Diebstahl in besonders schweren Fällen, Diebstahl mit Waffen und Bandendiebstahl bzw. Raub, schweren Raub, Raub mit Todesfolge] aufzustellen.“. 114 In diese Richtung gehen auch die Überlegungen von Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 507, der meint, dass der abstrakten Abfassung von Straftatbeständen (welche eine Vielzahl von Begehungsvarianten erfasst) zwingend eine Vielzahl möglicher Rechtsfolgen entsprechen muss. Insoweit ermöglichen weite Strafrahmen eine angemessene Bestrafung für jede Begehungsvariante. Dass dies freilich nicht die Lösung für diese Problemstellung sein kann, merkt auch Streng an, indem er die Gefahr „unerwünschte[r] Formen der Individualisierung“ benennt und daher die engere Gestaltung der weiten Strafrahmen fordert. 115 So auch Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 145, der feststellt, dass der in Art. VIII MilRegG 53 a.F. (dazu BGHSt 13, 190 ff.) enthaltene Strafrahmen, der (mit Ausnahme der Todesstrafe) eine Androhung sämtlicher Strafen enthält (mithin reicht von der geringsten Geldstrafe bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe), gegen den Schuldgrundsatz verstößt. Weiterhin führt Dreher aus, dass sich „[e]in nicht nach Unrechts- und Schuldbewertungen ausdifferenziertes und auf entsprechend abgewogene Strafzumessung bedachtes Strafrecht […] für Diebstahl und Raub je mit einem einzigen weitgespannten Strafrahmen begnügen [könnte] und […] sich die Mühe sparen [könnte], so vielgliedrige Strafrahmenstaffeln aufzustellen“ (S. 145). Damit leitet Dreher aus dem Schuldgrundsatz auch die Pflicht ab, innerhalb der Deliktsgruppen in Hinblick auf die Strafrahmen zu differenzieren. Leider enthalten Drehers Ausführungen keine Maßstäbe dafür, wann eine solche Differenzierung (in der vorliegenden Abhandlung als Strafrahmenabstufung bezeichnet) notwendig wird. Zur Gewährleistung der praktischen Anwendbarkeit dieser Vorgaben des Schuldgrundsatzes müssen diese (scil. die Vorgaben des Schuldgrundsatzes) weitergehend konkretisiert und daraus folgend operabel gemacht werden. Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. III. 113
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Auch verdeutlichen sie nicht hinreichend die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus.116 Bei Delikten solcher Art reicht es daher nach den herausgearbeiteten Vorgaben des Schuldgrundsatzes nicht aus, lediglich die Grundform des Delikts gesetzlich zu regeln, also ein Grunddelikt zu schaffen und diesem (um eine angemessene Bestrafung sämtlicher Verwirklichungsformen zu ermöglichen) einen entsprechend weiten Strafrahmen zuzuordnen.117 Denn ein solches Vorgehen widerspricht insbesondere der Pflicht des Gesetzgebers, den umschriebenen Unwerttypus hinreichend deutlich zu bewerten.118 Insoweit muss der Strafrahmen, als Ausdruck dieser gesetzgeberischen Bewertung,119 diese (scil. die gesetzgeberische Bewertung) sowohl dem Rechtsanwender als auch dem Bürger verdeutlichen.120 Unzulässig (weil unvereinbar mit dem Schuldgrundsatz) sind demnach solche Strafrahmen, die eine gesetzgeberische Bewertung des im Tatbestand121 abstrakt umschriebenen Unwertsachverhalts nicht mehr erkennen lassen. So würde es jedoch gerade liegen, wenn 116 In dieselbe Richtung geht auch die Kritik von Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 164 f.: „Demgegenüber wird zu recht beanstandet, daß die heutigen Strafrahmen nicht die wirkliche Bewertung der Sozialschädlichkeit des pönalisierten Verhaltens ausdrückten, sondern einen historisch bedingten Wildwuchs darstellten mit in der Regel zu weiten „Einheitsstrafrahmen“.“ Ebenso bereits Zipf, Kriminalpolitik, S. 202. 117 So auch Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 145 für die Beispiele Diebstahl und Raub. Lediglich eine entsprechende Zweckmäßigkeit (jedoch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit) der Schaffung von Komplementärnormen ausmachend Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 27: „Soll die primäre Strafandrohung der Ausdruck des Gewichts des Straftatbestandes hinsichtlich seiner sozialethischen und rechtlichen Bedeutung sein, so erfordert das um Klarheit und Eindruckskraft des Gesetzes willen keine allzu weiten Strafrahmen. Sind die Strafrahmen nicht allzu weit gespannt, so ergibt sich die Notwendigkeit, für die den Kernbereich nicht treffenden Fälle, sei es in sachlicher, sei es in persönlicher Hinsicht, besondere Strafrahmen zur Verfügung zu stellen.“. 118 Siehe zu dieser gesetzgeberischen Pflicht BVerfGE 105, 135, 155: „ Der Strafgesetzgeber erfüllt seine Pflicht, wenn er durch die Wahl der Strafandrohung sowohl den Strafrichter als auch die betroffenen Bürger so genau orientiert, dass seine Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte deutlich wird, der Betroffene das Maß der drohenden Strafe abschätzen kann und dem Strafrichter die Bemessung einer schuldangemessenen Reaktion möglich ist.“ [Hervorhebung durch Verfasser]; i.E. folgend Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57; nach E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff., hat der Gesetzgeber (aufgrund des Demokratieprinzips/Gewaltenteilungsgrundsatzes) „[…] die verschiedenen Umstände in abstracto [zu bewerten]“ (S. 80); Aufgabe des Gesetzgebers ist also neben der Festsetzung der Strafbarkeit auch „[…] [den] groben Umfang der Strafhöhe […] zu regeln und zu normieren […]“ (S. 82). 119 Siehe nur Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 29; Miebach, in: MK-StGB, § 46 Rn. 75; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40: „Die Strafrahmen vermitteln einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts, den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe gestellten Verhalten verbunden hat“. 120 Dazu BVerfGE 105, 135, 155; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. 121 Gemeint ist hier der Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne. Zu den verschiedenen Bedeutungsgehalten des Begriffs „Tatbestand“ siehe die Ausführungen bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 110 ff.
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man einem solchen vielgestaltigen Delikt einen einzigen Strafrahmen zuordnen würde, der weite Bereiche der zeitigen Freiheitsstrafe umfasst. Denn hier wäre nicht mehr erkennbar, ob der Unwerttypus an sich ausweislich der niedrigen Mindeststrafe leicht wiegt oder es sich ausweislich der hohen Strafobergrenze um ein schweres Delikt handelt. Die Möglichkeit der Konkretisierung auf richterlicher Ebene ist indes nicht genügend. Der grunddeliktische Unwerttypus muss nämlich einer gesetzgeberischen Wertung zugeführt werden (insoweit besteht ein Delegationsverbot).122 Der Gesetzgeber hat den grunddeliktischen Unwerttypus abstrakt zu bewerten.123 Dabei ist eine hinreichend deutliche Bewertung notwendig. Folge davon sind enge Strafrahmen hinsichtlich des grunddeliktischen Unwerttypus.124 Diese abstrakten Ausführungen vermögen es jedoch nicht, das Problem vollends auszuleuchten. Es drängt sich vielmehr die weitergehende Frage auf, wann ein Strafrahmen die gesetzgeberische Bewertung des abstrakt umschriebenen Unwertsachverhalts (bei den Grunddelikten des grunddeliktischen Unwerttypus) noch hinreichend verdeutlicht und wann nicht mehr.125 Es ist daher zu ermitteln, wann ein Strafrahmen dieser Bewertungsfunktion nicht mehr gerecht wird (mithin ein „Verschwimmen“ der gesetzgeberischen Wertung vorliegt) und welche Vorgaben sich daraus ergeben für die Ausgestaltung von Strafrahmen. Letztlich geht es damit auch um die Frage nach der zulässigen Weite von Strafrahmen. Jedoch ergeben sich die Vorgaben hier nicht aus dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG,126 sondern sind der Bewertungsfunktion des Strafrahmens (und den Erfordernissen zum Erhalt dieser Funktion) zu entnehmen. Für die weitere Bearbeitung ist damit folgende Frage aufzuwerfen: Wann hat ein Strafrahmen eine solche Weite erreicht, dass er die (gesetzgeberische) Bewertung des Unwerttypus nicht mehr hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt?
II. Die dem Strafrahmen innewohnenden gesetzgeberischen Wertungen Um diese Frage beantworten zu können, ist es jedoch notwendig, zunächst aufzuführen und zu verdeutlichen, welche Wertungen einem Strafrahmen innewohnen. Die (Grund-)Strafrahmen geben sowohl die Mindest- als auch die Höchststrafe für 122 I. E. ebenso E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff. unter Herleitung aus dem Demokratieprinzip/Gewaltenteilungsgrundsatz. 123 Ähnlich Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 31: Bewertung des Gesetzgebers des abstrakten Schwere-/Unrechtsgehalts der einzelnen Delikte. 124 Vorausgesetzt, dieser enthält auch tatsächlich eine umfassende Umschreibung des Unwerttypus, so auch Hettinger, GA 1995, S. 399, 411. 125 Am Beispiel der Grunddelikte bedeutet dies, dass entscheidend ist, ob der Strafrahmen eine Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus erkennen lässt oder nicht. 126 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3 § 6 A.
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die Verwirklichung des im Tatbestand umschriebenen Unwerttypus an. Während erstere dem denkbar leichtesten Fall der Deliktsverwirklichung zuzuordnen ist, entspricht letztere dem denkbar schwersten Fall.127 Darin lässt sich ersehen, wie der Gesetzgeber die Extremvarianten der Deliktsbegehung bewertet. Art und Höhe der angedrohten Strafen zeigen damit die gesetzgeberische Bewertung des umschriebenen Unwertsachverhalts an.128 Indes erschöpft sich die Aussagekraft des Strafrahmens hinsichtlich der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus nicht darin. Im Folgenden werden daher die wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung dargestellt und es wird aufgezeigt, welche gesetzgeberischen Wertungen diesen zu entnehmen sind, wie also von diesen Festsetzungen auf die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus geschlossen werden kann. 1. Einordnung des Unwerttypus in die Straftatkategorien Verbrechen und Vergehen durch Mindeststrafenfestsetzung Das geltende StGB knüpft an die abstrakte Mindeststrafenandrohung die Einordnung eines Delikts als Vergehen bzw. Verbrechen (siehe § 12 StGB).129 Die Entscheidung für die Festsetzung einer bestimmten Mindeststrafe bewirkt damit die Klassifizierung des im Tatbestand umschriebenen Unwerttypus als Vergehen oder Verbrechen. Aus der Zuordnung zu letzterer Kategorie (also aus der Einordnung als Verbrechen) ergeben sich besondere Folgen.130 So ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar (siehe § 23 Abs. 1 StGB). Der Bereich der Strafbarkeit wird auch dadurch erweitert, dass bei Verbrechen bereits im Stadium vor dem Versuchsbeginn bestimmte Verhaltensweisen inkriminiert werden (so die versuchte Anstiftung zum Verbrechen und die Verabredung zum Verbrechen, siehe § 30 StGB). Auf der Seite der Rechtsfolgen eröffnet sich mit der Einordnung als Verbrechen die Möglichkeit 127 Siehe zu dieser Zuordnung Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 149. Folgend Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 82 II 4, S. 874; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, § 62 Rn. 9; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 207; Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1165; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 44; aus der Rechtsprechung BGH, NJW 1976, 2355; NStZ 1983, 217. Aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – BvL 12/09, juris Tz 75. Kritisch Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 115 ff.; siehe auch Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 45. 128 Ebenso Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Sanktionen, S. 209. Siehe auch Hassemer, Grundlagen des Strafrechts, S. 292: „Man kann an dem Strafrahmen, und insbesondere an den Mindeststrafdrohungen, den Wert ablesen, den der Strafgesetzgeber einem Rechtsgut beilegt.“. 129 v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 4 spricht von einem „formalquantitativen Kriterium“. So auch Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 10 f. Insoweit entscheidend ist die generelle Strafandrohung (abstrakte Betrachtungsweise, Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 12). 130 Insoweit handelt es sich dabei um die „gesetzestechnische Bedeutung“ der Abgrenzung (Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 6.). Durch die Bezugnahme auf die Deliktsart (Verbrechen oder Vergehen) werden Verweisungen erleichtert (Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 6).
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des Entzugs der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit bei Verurteilung wegen einer solchen Tat (siehe § 45 Abs. 1 StGB). Strafprozessual verschließt die Eigenschaft als Verbrechen die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO) sowie die Möglichkeit des Absehens von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO). Daneben ist die Durchführung einiger eingriffsintensiver Ermittlungshandlungen ausschließlich bei Verbrechen zulässig (bspw. die Durchführung molekulargenetischer Reihenuntersuchungen nur, wenn die gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung gerichtete Tat ein Verbrechen ist (vgl. § 81h Abs. 1 StPO); erweiterte Befugnis, verdeckte Vermittler einzusetzen (vgl. § 110a Abs. 1 S. 2, 4 StPO).131 Damit ist jedoch der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen nicht abschließend beschrieben. Der Unterscheidung kommt eine weitere Funktion zu. In der Zweiteilung in Verbrechen und Vergehen liegt eine – wenn auch grobe – abstrakte132 Abstufung der Delikte nach Unrechtsgehalt und Strafwürdigkeit.133 Straftaten wer131 Eine Aufzählung der an die Verbrechenseinordnung knüpfenden Regelungen der StPO findet sich bei Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 8. 132 Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass sich aus der abstrakten Einordnung i.S.v. § 12 StGB nicht entnehmen lässt, welche von zwei verschiedenen Taten in concreto schwerer wiegt, v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2. Insoweit geht es bei der Einordnung nach § 12 StGB (also bei der Einordnung als Verbrechen oder Vergehen) letztlich lediglich um die Einordnung des abstrakten Unwerttypus. 133 Siehe v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 1; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der auf die unterschiedliche Strafwürdigkeitsbeurteilung des Gesetzgebers abstellt. In diese Richtung auch Saliger, in: NK-StGB, § 12 Rn. 5: „Trotz formaler Abgrenzung wird man aber der Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen in § 12 mit Blick auf die Proportionalität von Tatunrecht und Strafdrohung nach wie vor die (materielle) Aussage entnehmen können, dass der Begriff des Verbrechens in der Regel ein (relativ) schwereres Strafunrecht beschreibt als der Begriff des Vergehens.“. Diese Abstufung der Straftaten als Funktion des geltenden Rechts (§ 12 StGB) anerkennend Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 225 f. (de lege ferenda jedoch für die Abschaffung des § 12 StGB, siehe Mirow, a.a.O., S. 278 ff., 282). Auch der Gesetzgeber hat entsprechende Äußerungen getätigt; vgl. BR-Drucks. 74/90, S. 97: Verwerflichkeit der Tatmodalität rechtfertigt Schaffung eines Verbrechenstatbestandes; (in umgekehrter Richtung) BT-Drucks. 15/ 1311, S. 24: Ablehnung der Umwandlung in ein Vergehen, da dies „[…] der Schwere und dem Unrechtsgehalt einer Rückfalltat nicht gerecht [werde].“. Abweichend Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 9, der betont, dass die Zweiteilung vornehmlich formal zu verstehen sei; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 26. Lfg. Juni 1997], § 12 Rn. 2 f.; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 12 Rn. 1: „[…] in erster Linie gesetzestechnische Bedeutung […]“; Satzger, in: SSW-StGB, § 12 Rn. 2: „rein formale Differenzierung“. Zwar ist Letzteren zuzustimmen, dass die Frage, ob ein Verbrechen (i.S.v. § 12 StGB) vorliegt formal nach der Strafandrohung (genauer: der Höhe der angedrohten Mindeststrafe) zu beantworten ist. Doch ändert dies nichts daran, dass mit der Einordnung eines Unwerttypus (der in der abstrakten gesetzlichen Umschreibung des Unwertsachverhalts zum Ausdruck kommt) als Verbrechen der besondere Unrechtsgehalt des Unwerttypus und die damit verbundene besonders Strafwürdigkeit hervorgehoben wird. Dies nicht nur, weil mutmaßlich der Großteil der Bevölkerung mit dem Begriff des Verbrechens schwerwiegendes Unrecht assoziiert (dies stellt Radtke selbst fest, siehe ders., in: MK-StGB, § 12 Rn. 9). Insoweit erblickt Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 225 f. in der durch das geltende Recht
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den dann als Verbrechen qualifiziert, wenn sie als besonders sozialschädlich angesehen werden. Bei der Schaffung einer Strafnorm ordnet der Gesetzgeber damit nicht nur Mindest- und Höchststrafe zu einer tatbestandlichen Unrechtsumschreibung zu, sondern ordnet – vermittelt durch die Festlegung der Mindeststrafandrohung – diese tatbestandliche Unrechtsumschreibung auch in die Dichotomie der (straf-)rechtswidrigen Taten ein. Dies bestätigt ein Blick in die Gesetzgebungsmaterialien zum 6. StrRG, welche an vielen Stellen134 zeigen, dass sich der Gesetzgeber gerade hinsichtlich der Einordnung eines Delikts als Verbrechen bzw. Vergehen Gedanken gemacht hat. Er bewertet damit die entsprechende Unrechtsumschreibung dahingehend, ob es sich um ein Verbrechen oder um ein Vergehen handelt. Ordnet er den Unwerttypus als Verbrechen ein (durch entsprechende Strafrahmenausgestaltung, genauer: Festsetzung einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr), so bringt er damit zum Ausdruck, dass er mit ihm einen besonderen Unrechtsgehalt135
vorgenommenen Abstufung die „legislative Bekräftigung des Volksbewusstseins“. Bestätigt wird dies, betrachtet man die in Wörterbüchern enthaltenen Umschreibungen des Wortes Verbrechen: Verbrechen wird in diesen mit „schwere Straftat“ beschrieben, siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1882: „schwere Straftat: ein brutales, schweres, gemeines, scheußliches V. […]“; Göttert, Neues Deutsches Wörterbuch, S. 925; ähnlich Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 1563: „schwere Rechtsverletzung, Straftat, die mit Gefängnis bestraft wird“). Es zeigt sich auch darin, dass mit der gesetzgeberischen Einordnung als Verbrechen vielfältige Verschärfungen verbunden sind. Neben der Ausweitung des Bereichs strafbaren Verhaltens (generelle Strafbarkeit des Versuchs, Inkriminierung von bestimmten zeitlich vor Versuchsbeginn liegenden Verhaltensweise) folgt aus der gesetzgeberischen Einordnung als Verbrechen eine Ermächtigung zur Festsetzung zusätzlicher, belastender Nebenfolgen (vgl. § 45 Abs. 1 StGB). Auch strafprozessual sind durch den Verbrechensstatus vornehmlich negative Folgen für den (potentiellen) Täter verbunden (Eröffnung der Möglichkeit der Vornahme eingriffsintensiver Ermittlungsmaßnahmen, Wegfall von Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung). All diese Verschärfungen können – gerade in Hinblick auf das Übermaßverbot – eine Rechtfertigung nur finden im besonderen Unrechtsgehalt des Unwerttypus. Insoweit wird mit der Einordnung als Verbrechen i.S.d. § 12 StGB grundsätzlich durch den Gesetzgeber verdeutlicht, dass es sich um einen Unwerttypus mit besonderem Unrechtsgehalt handelt. Diese Überlegungen gehen freilich davon aus, dass mit der Einordnung als Verbrechen ein entsprechender materieller Unrechtsgehalt korrespondiert. In Fällen eines massiven Abweichens kann freilich eine verfassungsrechtliche Überprüfung erforderlich sein (zwar ist die Bewertung des Unrechtsgehalts des Unrechtstypus (der insoweit den Bewertungsgegenstand darstellt) Aufgabe des Gesetzgebers, jedoch ist der ihm zustehende Bewertungsspielraum nicht unbegrenzt). Mit der Einordnung als Verbrechen bringt der Gesetzgeber damit zum Ausdruck, dass der Unwerttypus (seiner Meinung nach) einen besonderen (erhöhten) Unrechtsgehalt aufweist; ob dies auch tatsächlich der Fall ist, ist durchaus einer Überprüfung zugänglich, welche jedoch – insoweit in Anerkennung des gesetzgeberischen Bewertungsspielraums – nur bei krassen Fehleinschätzungen zur Unzulässigkeit führt. 134 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 30, 48, 50 f. zur Rechtfertigung der Verbrechens-Einstufung diverser Delikte sowie BT-Drucks. 13/8587, S. 31 zur Feststellung, dass die bisherige Einordnung eines Delikts als Vergehen mit Blick auf den Unrechtsgehalt unzureichend ist. 135 Vgl. dazu bspw. BT-Drucks. 13/8587, S. 30, 31, 48, 50 f., wo der Gesetzgeber jeweils auf das im Voraussetzungsbereich umschriebene Unrecht abstellt.
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und eine besondere Strafwürdigkeit verbindet.136,137 Der Gesetzgeber kennzeichnet den Unrechtstypen damit als besonders schwerwiegende Rechtsgüterverletzung. Die Einstufung als Verbrechen ist damit ein Akt gesetzgeberischer Bewertung des Unrechtstypus. Insoweit stellt dies einen ersten Ansatzpunkt dar in Hinblick auf die nähere Beschreibung der Bewertungstätigkeit des Gesetzgebers bei der Strafnormschaffung (insb. der Strafrahmenzuordnung).138 Festzuhalten ist damit, dass einem Strafrahmen – vermittelt über die Festsetzung der Mindeststrafe – eine Bewertung dahingehend zu entnehmen ist, ob der Gesetzgeber den Unwerttypus als Verbrechen (und damit als im besonderen Maße sozialschädlich) oder als Vergehen i.S.v. § 12 StGB einstuft. Dies ist zum einen dahingehend relevant, dass der Gesetzgeber mit der Einordnung als Verbrechen stets den besonderen Unrechtsgehalt139 des Unwerttypus verdeutlicht.140 Darüber hinaus
136 Dazu, dass die Zweiteilung von Delikten in Verbrechen und Vergehen eine Abstufung der Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt und ihrer allgemeinen Strafwürdigkeit bedeutet, siehe v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 1; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der auf die unterschiedliche Strafwürdigkeitsbeurteilung des Gesetzgebers abstellt. In diese Richtung auch Saliger, in: NK-StGB, § 12 Rn. 5: „Trotz formaler Abgrenzung wird man aber der Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen in § 12 mit Blick auf die Proportionalität von Tatunrecht und Strafdrohung nach wie vor die (materielle) Aussage entnehmen können, dass der Begriff des Verbrechens in der Regel ein (relativ) schwereres Strafunrecht beschreibt als der Begriff des Vergehens.“ Diese Abstufung der Straftaten als Funktion des geltenden Rechts (§ 12 StGB) anerkennend Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 225 f. (de lege ferenda jedoch für die Abschaffung des § 12 StGB, siehe Mirow, a.a.O., S. 278 ff., 282). 137 Dies verdeutlicht sich zudem, wenn man die verschärfenden Folgen (materiellrechtlich und prozessual) dieser Einordnung in den Blick nimmt. Diese sind dem Gesetzgeber bekannt. Durch die willentliche Einordnung als Verbrechen durch den Gesetzgeber bringt dieser diese Folgen auf den Unwerttypus (bzw. die Begehung dieses Unwerttypus) zur Anwendung. Gerade darin zeigt sich, dass der Gesetzgeber von einem besonderen Unrechtsgehalt des Unwerttypus ausgeht, denn ansonsten würde er die Anwendung der schärfenden Folgen für diesen Unwerttypus nicht als erforderlich erachten. 138 Ähnlich der Gedankengang von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, der die in § 12 StGB festgelegte Dichotomie der Straftaten jedoch fruchtbar macht für die Konkretisierung der Anforderungen an die Bestimmtheit der Rechtsfolge. 139 Und die besondere Strafwürdigkeit. 140 Dazu, dass die Zweiteilung von Delikten in Verbrechen und Vergehen eine Abstufung der Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt und ihrer allgemeinen Strafwürdigkeit bedeutet, siehe v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 1; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der auf die unterschiedliche Strafwürdigkeitsbeurteilung des Gesetzgebers abstellt. In diese Richtung auch Saliger, in: NK-StGB, § 12 Rn. 5: „Trotz formaler Abgrenzung wird man aber der Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen in § 12 mit Blick auf die Proportionalität von Tatunrecht und Strafdrohung nach wie vor die (materielle) Aussage entnehmen können, dass der Begriff des Verbrechens in der Regel ein (relativ) schwereres Strafunrecht beschreibt als der Begriff des Vergehens.“. Diese Abstufung der Straftaten als Funktion des geltenden Rechts (§ 12 StGB) anerkennend Mirow, Neue Formen der Dichotomie
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(und dies ist gerade aus Sicht der Bürger entscheidend) sind mit einer solchen Einordnung (als Verbrechen i.S.v. § 12 StGB) vielfältige Belastungen der Rechtsunterworfenen verbunden, namentlich die Ausdehnung des Bereichs strafbarer Handlungen, der Wegfall von Verfahrenseinstellungsmöglichkeiten und die Ermächtigung zur Vornahme (besonders) eingriffsintensiver Ermittlungsmaßnahmen. Vermittelt durch das Einhergehen der Verbrechenseinordnung mit diesen Folgen wird damit die Bewertung des Unrechtstypus durch den Gesetzgeber anhand praktischer Folgen sichtbar. Durch die Einordnung eines Unwerttypus in die Kategorie Verbrechen bringt der Gesetzgeber damit letztlich zum Ausdruck, dass es sich (seiner Meinung nach) um eine Straftat mit besonderem Unrechtsgehalt handelt. Er kennzeichnet den Unwerttypus damit als besonders sozialschädlich.141 Diese Einordnung stellt damit eine gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus dar. Verkürzt ist damit festzuhalten: Dem Strafrahmen ist zu entnehmen, ob der Gesetzgeber den Unwerttypus als Verbrechen und damit besonders sozialschädlich ansieht.142 2. Bewertung durch den Ausschluss der Geldstrafenverhängung Auch wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe ausschließt, mithin lediglich die Freiheitsstrafe zulässt, enthält dies eine Bewertung des Unwerttypus.143 Insoweit wird dadurch nämlich sichtbar, dass es sich (nach Ansicht des Gesetzgebers) bei diesem um einen solchen handelt, der stets (d. h. unabhängig vom Einzelfall) die Verhängung einer Freiheitsstrafe erforderlich macht. Dadurch zeigt sich, dass (nach Ansicht des Gesetzgebers) bei der Verwirklichung dieses Unwerttypus stets ein, den (absoluten) Bagatellbereich übersteigender Unrechtsgehalt gegeben ist. Ein Beispiel hierfür ist der Straftatbestand der Gefangenenmeuterei (§ 121 StGB). In diesem sieht das Gesetz – im Gegensatz zum Delikt der der Straftaten, S. 225 f. (de lege ferenda jedoch für die Abschaffung des § 12 StGB, siehe Mirow, a.a.O., S. 278 ff., 282). 141 Ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der feststellt, dass „[…] Vergehen […] solche Straftaten [sind], die der Gesetzgeber für (relativ) geringer, Verbrechen solche, die er für (relativ) höher strafwürdig hält […]“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 142 Ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der feststellt, dass „[…] Vergehen […] solche Straftaten [sind], die der Gesetzgeber für (relativ) geringer, Verbrechen solche, die er für (relativ) höher strafwürdig hält […]“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 143 Dies hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1952 zutreffenderweise festgestellt: „Denn der Unrechtsgehalt der Verfehlungen, für die an sich eine Geldstrafe überhaupt nicht oder nur neben Freiheitsstrafen zulässig ist, wiegt schwerer als der jener Vergehen und Übertretungen, bei denen das Strafgesetz die Möglichkeit einer Geldstrafe von vornherein eröffnet.“ (Siehe BGHSt 3, 259, 262). Auch Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, S. 1013, sieht nicht nur in der Höhe der angedrohten Strafe, sondern auch in der Art der angedrohten Strafen eine Bewertung. Ebenso Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Sanktionen, S. 209.
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Gefangenenbefreiung nach § 120 StGB – in der Strafandrohung nicht auch die Geldstrafe, sondern lediglich Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Zwar bleibt bei dem Delikt der Gefangenenmeuterei damit die Vergehensqualität erhalten, der Gesetzgeber schließt jedoch die Option der Geldstrafenverhängung aus. Erklärung hierfür dürften die mit der Tatbestandsverwirklichung einhergehende Anwendung von Gewalt gegen Personen oder Sachen bzw. die (sonstige) nötigende Einwirkung auf einen Anstaltsbeamten, Amtsträger oder einen zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Untersuchung Beauftragten sein sowie die „charakteristische Aktionsgefahr“144 des gemeinsamen Vorgehens der Gefangenen. Anschaulich zeigt sich dies an der in § 121 Abs. 1 Nr. 3 StGB enthaltenen Variante („gewaltsam einem von ihnen oder einem anderen Gefangenen zum Ausbruch verhelfen“), welche eine Qualifikation zu § 120 Abs. 1 StGB darstellt.145 Hier erfolgt die Qualifizierung im Wesentlichen durch die Merkmale der „Gewaltsamkeit“ und des „Zusammenrottens“. Letzteres fordert ein räumliches Zusammentreten von Gefangenen, die den Vorsatz haben, mit vereinten Kräften eine Nötigungs- oder Gewalthandlung durchzuführen.146 Dieses Merkmal umschreibt eine „charakteristische Aktionsgefahr“ und damit die besondere Gefährdung der Anstaltssicherheit.147 Wie sich aus den Unterlagen des Gesetzgebungsverfahrens ergibt, war es gerade diese Gefährlichkeit der Begehungsweise, welche der Schaffung dieser qualifizierenden Regelung und deren Verortung in §121 StGB zu Grunde lag.148 Daraus lässt sich durchaus ableiten, dass der Grund für den Ausschluss der Möglichkeit der Geldstrafenverhängung bei § 121 StGB in der gesetzgeberischen Einschätzung liegt, dass es bei der Gefangenenmeuterei keine Fälle im absoluten Bagatellbereich gibt. 3. Bewertung durch die Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung Mit dieser Einordnung als Verbrechen bzw. Vergehen und die Entscheidung über die Zulassung der Verhängung einer Geldstrafe ist die mit der Strafrahmenzuordnung verbundene Bewertung des Unrechtstypus durch den Gesetzgeber jedoch nicht abschließend gezeichnet. So zeigt ein Blick auf das Sanktionensystem des StGB einen weiteren Gesichtspunkt. Es besteht die Möglichkeit, bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (vgl. § 56 StGB), die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Gerade dies hat für den betroffenen Bürger eine hohe Relevanz, kann er doch bei einer entsprechenden Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung
144 145 146 147 148
Vgl. Bosch, in: MK-StGB, § 121 Rn. 7. Siehe Lackner/Kühl, StGB, § 221 Rn. 9; Ostendorf, in: NK-StGB, § 121 Rn. 14, 25. Siehe nur Bosch, in: MK-StGB, § 121 Rn. 7 m.w.N. Vgl. Bosch, in: MK-StGB, § 121 Rn. 7. Siehe BT-Drucks. 7/550, S. 220.
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sein Leben weiterhin im gewohnten gesellschaftlichen Umfeld verbringen.149 Aus Sicht der Unwerttypusbewertung ist damit eine entscheidende Problemstellung aufgeworfen. Insoweit ist es nämlich aufschlussreich, ob der Gesetzgeber den Strafrahmen so bemisst, dass eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung stets ausgeschlossen ist (Festsetzung einer Mindeststrafe von 2 Jahren 1 Monat oder mehr) oder ob – und zwar auch in welchem Maße – er die Möglichkeit einer solchen Strafaussetzung zur Bewährung zulässt durch entsprechende Justierung von Strafrahmenunter- und Strafrahmenobergrenze. In der Eröffnung der Möglichkeit einer solchen Strafaussetzung zur Bewährung und der Reichweite dieser Möglichkeiten spiegelt sich die Bewertung des Unrechtstypus durch den Gesetzgeber wider. Mit der Strafrahmenzuordnung bestimmt der Gesetzgeber, inwieweit eine solche Aussetzung der Freiheitsstrafenvollstreckung zur Bewährung möglich ist. Insoweit stellt auch dies eine Bewertung des Unwerttypus dar. Je niedriger der Gesetzgeber den Unrechts-/Schuldgehalt ansetzt, desto weitreichender wird er die (deliktsbezogene) Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung ausgestalten. Andererseits zeigt der Ausschluss der Möglichkeit einer Aussetzung zur Bewährung (durch Festsetzung einer Mindeststrafe von mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe), dass der Gesetzgeber das entsprechende Delikt (und den damit enthaltenen Unwerttypus) als so schwer ansieht bzw. wertet, dass er eine stationäre Freiheitsstrafe als unabdingbar zur Einwirkung auf den Täter und zur Rehabilitierung der Rechtsnorm ansieht. Auch unter diesem Gesichtspunkt (dem „Ob“ und „Wie weit“ der Aussetzungsmöglichkeit) enthält der gebildete Strafrahmen also eine Bewertung des Gesetzgebers. Noch deutlicher wird dies, wenn man die dogmatische Einordnung der Strafaussetzung zur Bewährung in die Betrachtung einbezieht.150 Nach zutreffender Ansicht stellt diese eine eigenständige Strafart dar.151 In der Entscheidung über das „Ob“ und die Reichweite der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung liegt damit eine gesetzgeberische Entscheidung über die Zuordnung der Strafart „Be-
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Zu den mit der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe verbundenen desintegrierenden Wirkungen siehe Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 77. 150 Siehe zum Streitstand Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 1. 151 Radtke, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 38 ff. Rn. 77; Mosbacher, in: SSWStGB, § 56 Rn. 1; Geerds, JZ 1969, 341, 342; Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 73 ff.; in diese Richtung auch BGHSt 24, 40, 43: Eigenständigkeit im Sinne einer besonderen ambulanten Behandlungsart; folgend Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 65 Rn. 13; ähnlich Ostendorf, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 56 bis 58 Rn. 1: „[…] nicht nur Modifikation der Strafvollstreckung […]“, sondern „[…] ambulante Alternative zur stationären Freiheitsstrafe, […] Bewährung in Freiheit.“ [im Original teilw. hervorgehoben]; siehe auch Schall, in: SK-StGB [Stand: 121. Lfg. April 2010], § 56 Rn. 3: „dritte Spur im Strafrecht“ a.A. (lediglich Modifikation der Vollstreckung der Freiheitsstrafe) Hubrach, in: LK-StGB, § 56 Rn. 1; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 Rn. 4; Lackner/Kühl, StGB, § 56 Rn. 2; Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 1; das Vollstreckungselement betonend BGHSt 31, 25, 28. Beide Ansätze anerkennend Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 79 I 2, S. 834.
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währungsstrafe“ zum Unwerttypus.152 Auch dies zeigt, dass darin eine gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus zu sehen ist. Der Gesetzgeber entscheidet nämlich verbindlich darüber, ob angesichts des mit dem Unwerttypus verbundenen Unrechtsgehalts die richterliche Verhängung der Strafart „Bewährungsstrafe“ sachgerecht erscheint. Stellt der Unwerttypus (nach Ansicht des Gesetzgebers) besonders schweres Unrecht dar, so wird der Gesetzgeber diese Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung durch entsprechende Gestaltung der Mindeststrafe verschließen (oder zumindest sehr stark einschränken153). Hierin wird die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus deutlich. Straftaten (Unwerttypen), bei denen die deliktsbezogene Strafaussetzungsmöglichkeit sehr weitgehend ist, stellen damit (nach Ansicht des Gesetzgebers) milderes Unrecht dar als solche, bei denen die Möglichkeit der Strafaussetzung vollständig verschlossen oder (sehr) stark eingeschränkt ist. Von der Ausgestaltung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit lässt sich auf die Bewertung des Unwerttypus durch den Gesetzgeber schließen. 4. Zusammenfassung Damit kann – zunächst – festgehalten werden, dass die Straftatkategorien Verbrechen und Vergehen existieren und der Gesetzgeber bei der Strafrahmenschaffung sowie -zuordnung (genauer: bei der Bestimmung der Mindestfreiheitsstrafe154) eine Entscheidung über die Einordnung des im Voraussetzungsbereich (der Strafnorm) umschriebenen Unwertsachverhalts (des Unwerttypus) in eine der beiden Kategorien trifft. Ordnet er den umschriebenen Unwertsachverhalt als Verbrechen ein, so bringt der Gesetzgeber damit zum Ausdruck, dass diesem ein besonderer Unwertgehalt (mithin eine besondere Sozialschädlichkeit155) innewohnt, der Unwertsachverhalt (abstrakt betrachtet) also einen höheren Unrechtsgehalt aufweist als diejenigen Delikte, die aufgrund ihrer Mindeststrafe lediglich Vergehen sind. Darin erschöpft sich jedoch nicht die in der Strafrahmenzuordnung enthaltene gesetzgeberische Bewertung. Wie bereits ausgeführt,156 kommt es, gerade aus Sicht des Bürgers (besonders in Hinblick auf die Schwere des drohenden Strafübels)157, darauf an, inwieweit der zugeordnete Strafrahmen die Möglichkeit der Strafaus152
Letztlich handelt es sich dabei um die gesetzgeberische Entscheidung bzgl. der Zulassung der Strafart „Bewährungsstrafe“ („Ob“) und die gesetzgeberische Entscheidung über die Reichweite der Befugnis des Richters, diese Strafart zu verhängen (Reichweite der Eröffnung der Möglichkeit der richterlichen Verhängung dieser Strafart; „Wie weit“). 153 Bspw. durch Schaffung einer Mindeststrafe von 1 Jahr und 6 Monaten oder einer Mindeststrafe von 2 Jahren. 154 Vgl. § 12 Abs. 1 und 2 StGB. 155 Vgl. Fischer, StGB, § 12 Rn. 2. 156 Dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 157 Insoweit liegt das Strafübel bei Vollstreckung der Freiheitsstrafe in der Entziehung der Fortbewegungsfreiheit. Siehe Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 77.
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setzung zur Bewährung eröffnet („Ob“ und Maß der Zulassung der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung)158. Dies erfolgt (in indirekter Weise) über die Strafrahmengestaltung. Da sich der Strafrahmen stets auf den Tatbestand bezieht,159 ist auch darin eine gesetzgeberische (Be-)Wertung des im Tatbestand erfassten Unwerttypus zu sehen. So macht es einen erheblichen Unterschied, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung vollständig ausgeschlossen hat (weil er eine Mindeststrafe höher als 2 Jahre festgelegt hat), eine solche nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt oder diese für den Regelfall der Tatbestandsverwirklichung (Regelfälle des Delikts) besteht.160 Vereinfacht gesagt geht es um die (Reichweite der) Zulassung der Strafart „Bewährungsstrafe“ (genauer: die Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit). Auch darin bringt der Gesetzgeber seine Bewertung des umschriebenen Unwertsachverhalts zu Ausdruck. Diese Überlegungen finden letztlich – jedenfalls indirekt – (auch) in der im StGB angelegten Unterscheidung zwischen „kurzer“ (unter 6 Monaten), „mittlerer“ (sechs Monate bis zu 2 Jahren) und „langandauernder“ Freiheitsstrafe (über 2 Jahre) einen Anhalt.161 Während bei der „kurzen Freiheitsstrafe“ auf die Regelung des § 47 StGB – grundsätzliche Ersetzung durch Geldstrafe – abgestellt wird, knüpft die Unterscheidung zwischen „mittlerer“ und „langandauernder“ Freiheitsstrafe an die Aus158 Also die Frage, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung schafft und in welchem Maß er diese zulässt. 159 Vgl. zur Interdependenz von Tatbestand und Rechtsfolge Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 68 ff. 160 Hierin zeigt sich, dass dem Regelfall und dessen Entsprechung im Strafrahmen nach der hier entwickelten Konzeption eine gewisse Bedeutung zukommt. Jedoch wird – und darin liegt der entscheidende Vorteil der hier entwickelten Konzeption gegenüber einer Vorgehensweise, die zur Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung des Unrechtstypus ausschließlich auf einen zahlenmäßig bestimmten Punkt im Strafrahmen (bspw. die arithmetischen Mitte) abstellt – ein bestimmter Bereich des Strafrahmens (nämlich das für den Regelfall vorgesehene „untere Drittel“ des Strafrahmens) nicht unvermittelt als Ausdruck gesetzgeberischer Wertung verstanden, sondern danach gefragt, welche Bedeutung der Festsetzung der Strafandrohung für den Regelfall zukommt bei Berücksichtigung des subtil ausgestalteten Sanktionensystems des StGB (welche Möglichkeiten des Sanktionensystems also „Wie“ eröffnet oder verschlossen werden). Zudem wird der Strafbereich nicht zum alleinigen Kriterium für die Ermittlung der gesetzgeberischen Wertung erhoben. Insoweit ist die Strafandrohung für den Regelfall durchaus ein Ansatzpunkt für die Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus, kann jedoch nicht unvermittelt mit dieser gleichgesetzt werden, sondern bedarf einer Bezugnahme zum geltenden Sanktionensystem des StGB (teilweise wird nämlich erst dadurch die gesetzgeberische Bewertung hinreichend sichtbar; bspw. wenn hinsichtlich der oberen Grenzen des unteren Drittels des Strafrahmens nur eine geringfügige Abweichung zwischen zwei Delikten besteht, diese sich jedoch (ggf. in Verbindung mit der Mindeststrafe) entscheidend auswirkt in Hinblick auf die Reichweite der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung für die „Regelfälle“ der Deliktsverwirklichung) sowie einer Ergänzung durch die anderen, in der Strafrahmenbildung und -zuordnung enthaltenen, Wertungen des Gesetzgebers (bspw. Qualifizierung als Vergehen oder Verbrechen). 161 Dazu Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 59 Rn. 8; folgend Morawski, Systeme der Ein- und Abstufung der Tatschwere, S. 175.
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setzungsfähigkeit der Freiheitsstrafe (§ 56 Abs. 2 StGB) an.162 Bildet der Gesetzgeber einen Strafrahmen dergestalt, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung aufgrund der Mindeststrafe von mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommt, so ordnet er dem entsprechenden Delikt ausschließlich die „langandauernden“ Freiheitsstrafen zu. Seine Einstufung dieser Straftat ist dann als „schwerer“ anzusehen als die eines Deliktes, bei welchem auch die Verhängung einer aussetzungsfähigen „mittleren“ Freiheitsstrafe grundsätzlich in Betracht kommt (bei der also die Mindeststrafe – gegebenenfalls deutlich – unter dem Strafwert von 2 Jahren Freiheitsstrafe liegt). III. Das aus dem Schuldgrundsatz folgende Stringenzgebot In diesem Abschnitt soll u. a. der Zusammenhang zwischen dem Gebot der hinreichend erkennbaren Bewertung des Unwerttypus und den wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung aufgezeigt werden. 1. Allgemeines zum Stringenzgebot sowie zur gesetzgeberischen Bewertungstätigkeit Wie bereits ausgeführt, genügt es nach dem Schuldgrundsatz nicht, dass der Gesetzgeber einem Unwerttypus einen Strafrahmen zuordnet.163 Insofern existieren nämlich besondere Anforderungen an die Beschaffenheit von Strafrahmen. Diese müssen so ausgestaltet sein, dass sie die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen.164 Dies bedeutet freilich auch, dass die Bewertung stringent und damit widerspruchsfrei sowie nachvollziehbar sein muss (Stringenzgebot). Denn nur so ist gewährleistet, dass die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus erkennbar ist. Wie soeben dargestellt, kommt die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus in den verschiedenen Festsetzungen zum Ausdruck, die der Gesetzgeber auf der Rechtsfolgenseite der Strafnorm trifft (also in der Einordnung in das System der Dichotomie der Straftaten (Qualifikation als Verbrechen oder Vergehen); in der Zulassung bzw. Nichtzulassung der Geldstrafe; in der Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung).165 Die Strafrahmenzuordnung stellt also nicht lediglich einen gesetzgeberischen Akt dar, 162
Siehe Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 59 Rn. 8. Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. I. 164 Siehe nur BVerfGE 105, 135, 155; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. 165 Aus der jeweiligen Festsetzung im Bereich der Strafandrohung kann entnommen, welchen Unrechtsgehalt der Gesetzgeber dem (im Voraussetzungsbereich der Norm beschriebenen) Unwerttypus beimisst. Insoweit vermittelt die Rechtsfolgenandrohung einen Eindruck über die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus (siehe statt vieler Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57: Die gesetzgeberischen Bewertung des strafrechtlich verbotenen Verhaltens wird auf der Rechtsfolgenseite verdeutlicht). 163
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mit dem der Gesetzgeber die Mindest- und die Höchststrafe für die Begehung eines bestimmten Delikts festlegt. Der Gesetzgeber bringt mit der Strafrahmenschaffung vielmehr auch seine Bewertung des Unwerttypus zum Ausdruck. Liegt in der Strafrahmenzuordnung eine Bewertung des Unwerttypus durch den Gesetzgeber,166 so kann – um diese Bewertung sichtbar zu machen – durchaus darauf abgestellt werden, welchen „Ausschnitt“ aus dem Gesamtbereich möglicher strafrechtlicher Sanktionen der Gesetzgeber dem jeweiligen Unwerttypus zuordnet. Insoweit kann dies als Indikator für die gesetzgeberische Bewertung begriffen werden. Indikatoren für diese gesetzgeberische Bewertung sind aber nicht nur die festgelegte Mindestund Höchststrafe. Die (gesetzgeberische) Bewertung findet vielmehr vornehmlich ihren Ausdruck in den Entscheidungen des Gesetzgebers bezüglich der bereits aufgeführten wesentlichen Bereiche der Sanktionszuordnung, mithin in den aufgeführten wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung – Einordnung als Vergehen oder Verbrechen, Zulassung der Geldstrafe u.s.w.167 2. Die wesentlichen, mit der Strafrahmenbildung und -zuordnung verbundenen, gesetzgeberischen Entscheidungen als Ansatzpunkte für die Überprüfung der Stringenz der Unwerttypenbewertungstätigkeit des Gesetzgebers Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass sowohl das Stringenzgebot als auch die wesentlichen Festsetzungen im Bereich der gesetzlichen Strafdrohung in Verbindung stehen mit der (auf den jeweiligen Unwerttypus bezogenen) Bewertungstätigkeit des Gesetzgebers. Das Stringenzgebot formuliert Vorgaben an die Bewertungstätigkeit des Gesetzgebers. Die wesentlichen Festsetzungen ihrerseits bilden gerade die entäußerte Willensbekundung des Gesetzgebers in Hinblick auf seine Bewertung des jeweiligen Unwerttypus (bilden mithin das Ergebnis gesetzgeberischer Bewertungstätigkeit ab), sodass sie den Anknüpfungspunkt für die Rekonstruktion der gesetzgeberischen Bewertung bilden. Es besteht damit ein Zusammenhang zwischen dem Erfordernis, eine erkennbare Bewertung des Unwerttypus vorzunehmen (Stringenzgebot), und den Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung (mithin der Gestaltung des Strafrahmens). Ersteres wirkt – da die Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung Ausdruck einer gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus
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Statt vieler Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. Aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfGE 105, 135, 153: Strafdrohung gibt „[…] Aufschluss über die gesetzgeberische Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestands, der das strafwürdige Verhalten beschreibt […].“. 167 Als Wesentlich sind anzusehen: die Entscheidung über die Zulassung der Geldstrafe sowie die Entscheidung über das „Ob“ der Schaffung einer Möglichkeit zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (i.E. Zulassung der Strafart „Bewährungsstrafe“) und bejahendenfalls der Reichweite dieser Möglichkeit (insb. inwieweit die RegelfallKonstellationen davon erfasst sind). Daneben kommt selbstverständlich auch der Einordnung des Delikts in das System der Dichotomie der Straftaten maßgebliche Bedeutung zu. Siehe zu diesen Kapitel 3 § 6 B. II.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
sind – auf die gesetzgeberische Gestaltung dieser Rechtsfolgenfestsetzungen ein. Insoweit ergeben sich Vorgaben an die gesetzgeberische Rechtsfolgenanordnung. Die einzelnen Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung müssen daher stringent aufeinander abgestimmt sein, dürfen sich also nicht widersprechen. Sie dürfen keine unterschiedlichen Bewertungen des Unwerttypus verkörpern. Freilich beschränkt sich dieses Gebot der stringenten (widerspruchsfreien) Straffolgenformulierung nur auf die wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung,168 denn nur diesen kann eine gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus entnommen werden. An der (vom Schuldgrundsatz geforderten)169 Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Bewertung fehlt es in den Fällen, in denen die den Strafrahmenfestsetzungen entnehmbaren Bewertungen sich widersprüchlich zueinander verhalten, also eine Festsetzung im Strafrahmen auf eine bestimmte Bewertung schließen lässt, eine andere Festsetzung hingegen auf eine entgegenstehende Bewertung deutet. Dann sind Festsetzungen gegeben, welche diametral entgegenstehende Bewertungen widerspiegeln. Dies wäre bspw. der Fall, wenn einerseits die Mindeststrafe von 1 Jahr angedroht werden würde (insoweit eine Einordnung des Unwerttypus als Verbrechen und damit eine Kennzeichnung als besonders schweres und besonders strafwürdiges Unrecht vorläge), anderseits jedoch auch die Geldstrafe als zulässige Strafart festgelegt werden würde (was insoweit darauf hindeuten würde, dass der Gesetzgeber die besonders leichten Verwirklichungsformen als Bagatellunrecht kennzeichnet). In einem solchen Falle könnten Bürger und Rechtsanwender nicht mehr erkennen, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Unwertsachverhalt zuordnet; „wie schwer“ er diesen einschätzt. Es käme nicht zum Ausdruck, welches Maß an Sozialschädlichkeit der Gesetzgeber dem inkriminierten Verhalten zuordnet. Insoweit fehlt es in diesen Fällen, aufgrund der Unvereinbarkeit der aus den Festsetzungen zu ziehenden Schlüsse, an einer verbindlichen Bewertung des Unwerttypus durch den Gesetzgeber. Wie sich in den Ausführungen des vorangegangenen Abschnitts gezeigt hat, kann der Gesetzgeber seiner Einschätzung des Unwerttypus durch die Strafrahmenausgestaltung unter verschiedenen Gesichtspunkten Ausdruck verleihen. Letztlich artikuliert er seine Bewertung dadurch, welche Strafarten er zulässt (Schaffung der Möglichkeit der Festsetzung einer Geldstrafe; Schaffung der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung), wie weit er die Strafaussetzung zur Bewährung ermöglicht (Möglichkeit einer solchen nur in Ausnahmefällen oder Möglichkeit 168 Dazu gehören die in Kapitel 3 § 6 B. II. aufgeführten Festsetzungen: Einordnung in die Kategorie Verbrechen oder Vergehen; Zulassung der Strafart Geldstrafe; Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung. 169 Siehe Kapitel 3 § 6 B. I.; i.E. ebenso (jedoch unter Ableitung aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) BVerfGE 105, 135, 155: „Der Strafgesetzgeber erfüllt seine Pflicht, wenn er durch die Wahl der Strafandrohung sowohl den Strafrichter als auch die betroffenen Bürger so genau orientiert, dass seine Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte deutlich wird […].“; folgend Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57.
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einer solchen auch bei Vorliegen eines normativen Normalfalles oder eines Regelfalles) und ob er den Unwerttypus als Verbrechen oder Vergehen qualifiziert.170,171 Es hat sich gezeigt, dass nicht nur aus der unmittelbaren Betrachtung der Höhe der jeweiligen Mindest- und Höchststrafe auf die gesetzgeberische Bewertung des umschriebenen Unrechts (sowie der umschriebenen Schuld) geschlossen werden kann, sondern auch daraus, wie sich die konkrete Strafrahmengestaltung auswirkt auf die Einordnung des Deliktes in das System der Dichotomie der Straftaten sowie auf die Möglichkeiten einer Vermeidung stationärer Sanktionen.172 In Hinblick auf letzteren Punkt kann aus der Zulassung bzw. aus der Reichweite der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung durchaus auf die gesetzgeberische Bewertung geschlossen werden. Je weiter der Ausschluss dieser Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung reicht, desto schwerer scheint der Gesetzgeber das umschriebene Unrecht zu bewerten. Insoweit genügt es bei der Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung nicht, lediglich die absolute Höhe der Mindest- und der Höchststrafe zu betrachten.173 Es ist vielmehr erforderlich, die Auswirkungen der konkreten Strafrahmengestaltung in den o.g. Bereichen einzubeziehen. Die aufgeführten Gesichtspunkte bilden damit Ansatzpunkte für die Überprüfung, ob die (tatsächliche) Bewertung eines Unwerttypus durch den Gesetzgeber den Vorgaben des Stringenzgebotes an die Bewertung von Unwerttypen entspricht. Lässt man die einzelnen Nuancen der verschiedenen Strafrahmen174 außer Betracht und beschränkt sich darauf, die wesentlichen Entscheidungen bzw. Wertungen des Ge170
Ähnlich Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 135, der feststellt, dass Art und Höhe der gesetzlichen Strafandrohung Indikatoren sind für die Schwere des umschriebenen Unrechts/der umschriebenen Schuld. Begreift man die Strafaussetzung zur Bewährung zutreffenderweise als Strafart eigener Art (so Radtke, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 38 ff. Rn. 77; Mosbacher, in: SSW-StGB, § 56 Rn. 1; Geerds, JZ 1969, 341, 342; Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S, 73 ff.; in diese Richtung auch BGHSt 24, 40, 43: Eigenständigkeit im Sinne einer besonderen ambulanten Behandlungsart; folgend Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 65 Rn. 13; ähnlich Ostendorf, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 56 bis 58 Rn. 1: „[…] nicht nur Modifikation der Strafvollstreckung […]“, sondern „[…] ambulante Alternative zur stationären Freiheitsstrafe, […] Bewährung in Freiheit.“ [im Original teilw. hervorgehoben]; ähnlich Schall, in: SK-StGB [Stand: 121. Lfg. April 2010], § 56 Rn. 3: dritte Spur im Strafrecht), so stellt gerade die gesetzgeberische Entscheidung darüber, inwieweit er dem Richter für das konkrete Delikt die Möglichkeit einer solchen Strafaussetzung zur Bewährung eröffnet, die Entscheidung über die Zuordnung dieser Strafart zum umschriebenen deliktischen Unrecht dar. Letztlich befindet der Gesetzgeber – vermittelt über die Ausgestaltung von Mindest- und Höchststrafe (eingehend zu diesem Zusammenhang Kapitel 3 § 6 B. II. 3.) – damit über die Zuordnung der Strafart „Bewährungsstrafe“, mithin über die Art der angedrohten Strafe. 171 Ausführlich dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 172 Im Ansatz auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 135, der neben der Höhe der gesetzlichen Strafandrohung auch die Art der gesetzlichen Strafandrohung als Indikator für die Schwere des Unrechts (bzw. der Schuld) ansieht. 173 Und diese ggf. anderen Strafandrohungen komparativ gegenüberzustellen. 174 Eine aufschlussreiche Darstellung zur kaum überschaubaren Vielfalt an Strafrahmen im geltenden Recht findet sich bei Hettinger, in: FS Küper, S. 95 ff.; zur Entwicklung der Strafrahmen des StGB seit dem 1. Januar 1872 siehe Hettinger, in: FS Schünemann, S. 891, 897 ff.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
setzgebers zu ermitteln, so kann die gesetzgeberische Rechtsfolgenzuordnungstätigkeit fokussiert werden auf diese in Kapitel 3 § 6 B. II. beschriebenen (teils mittelbaren) Effekte der gesetzgeberischen Strafrahmenfestsetzung. Dies sind die Einordnung als Verbrechen oder Vergehen durch entsprechende Mindeststrafenfestsetzung, die Auswirkungen der Strafrahmenfestsetzung auf die Reichweite der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung und zudem die Festlegung der Strafart Geldstrafe. Gerade bei Betrachtung dieser (mittelbaren) Folgen der Strafrahmengestaltung verdeutlicht sich die gesetzgeberische Bewertung des im Voraussetzungsbereich der Norm umschriebenen Unrechts. Zunächst qualifiziert der Gesetzgeber durch die Bestimmung der Mindeststrafe den umschriebenen Unwertsachverhalt als Verbrechen oder Vergehen i.S.v. § 12 StGB. Gerade wegen der vielfältigen sowie weitreichenden Folgen, die mit der Einordnung als Verbrechen i.S.v. § 12 StGB verbunden sind,175 stellt dies eine Zuordnung mit besonderer Bedeutung dar. Dies gilt auch für die Bewertung des umschriebenen Unwertsachverhalts durch den Gesetzgeber, welche dieser Zuordnung zu Grunde liegt. Die Häufung entsprechender Ausführungen in Gesetzgebungsmaterialien176 zeigt, dass es sich um einen maßgeblichen Aspekt der Normschaffung und -änderung handelt. Es ist daher zu konstatieren, dass sich der Gesetzgeber über die Einordnung oder Nichteinordnung eines Delikts als Verbrechen durchaus in maßgeblicher Weise Gedanken macht und infolgedessen aus dieser kategorialen Zuordnung die gesetzgeberische Bewertung des Delikts abgeleitet werden kann. Will man also überprüfen, ob ein Strafrahmen dem (aus dem Schuldgrundsatz entwickelten) Gebot stringenter Bewertung bzw. dessen Vorgaben genügt, so hat man zunächst die (konkreten) wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Strafdrohung zu ermitteln (Vergehen/Verbrechen; Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit) und diese sodann einander gegenüberzustellen. Nach dem Stringenzgebot müssen dieser Einordnung als Vergehen die sonstigen Festsetzungen im Bereich der Strafandrohung entsprechen, da ansonsten nicht deutlich ist, welchen Stellenwert der Gesetzgeber dem niedergelegten Unwertsachverhalt beimisst. Damit bilden diese Festsetzungen im Rechtsfolgenbereich den Anknüpfungspunkt zur Überprüfung von Strafnormen anhand des Stringenzgebots.
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Ausführlich dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 1. Dazu auch Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 6 ff. Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 30, 31, 48, 50 f.; BT-Drucks. 15/1311, S. 24; BR-Drucks. 74/90, S. 97. An diesen Stellen betont der Gesetzgeber wiederholt die Einordnung als Vergehen bzw. Verbrechen. Damit zeigt sich, dass der Gesetzgeber bei der Strafnormschaffung durchaus Überlegungen zur Einordnung in die Straftatkategorien Vergehen und Verbrechen vornimmt und dieser Einordnung ein besonderes Gewicht beimisst. 176
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3. Zusammenfassung: Stringenz der Unwerttypenbewertungstätigkeit des Gesetzgebers – innerdeliktische Stringenz der Rechtsfolgenzuordnung (insb. Stringenz von Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung) Mit diesen Erörterungen ist der Boden für die weitere Untersuchung gelegt. Bilden nämlich alle der genannten Festlegungen im Bereich der Strafandrohung die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus ab, so unterliegen sie als Ausdruck gesetzlicher Bewertung auch den Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Bewertungstätigkeit des Gesetzgebers. Dieser verlangt, dass der Gesetzgeber die Bewertung von Unwerttypen so vornimmt, dass sie hinreichend erkennbar ist.177 Da diese Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Bewertung bei Vorliegen widersprüchlicher „Aussagen“ nicht mehr gegeben ist, ergibt sich – insoweit spiegelbildlich – das Erfordernis einer innerdeliktischen Stringenz der Rechtsfolgenzuordnung. D. h., dass die maßgeblichen Festlegungen im Bereich der Strafandrohung nicht in Widerspruch zueinander stehen dürfen, sondern jeweils eine zumindest ähnliche gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus zum Ausdruck bringen müssen.178 Ein Widerspruch liegt bspw. vor, wenn eine maßgebliche Festlegung im Gegensatz steht zur Einordnung des Unwerttypus in das System der Dichotomie des Strafrechts (die Einordnung als Verbrechen oder Vergehen). Die Strafrahmengestaltung muss sich dieser Klassifizierung (als Vergehen oder Verbrechen)179 anpas177
I. E. ebenso (jedoch unter Ableitung aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) BVerfGE 105, 135, 155: „Der Strafgesetzgeber erfüllt seine Pflicht, wenn er durch die Wahl der Strafandrohung sowohl den Strafrichter als auch die betroffenen Bürger so genau orientiert, dass seine Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte deutlich wird […].“; folgend Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57. 178 Dieses Postulat der Widerspruchsfreiheit der Strafrahmengestaltung und -zuordnung entspricht zudem der rechtsstaatlichen Forderung nach Widerspruchsfreiheit von Rechtsnormen. Nach dieser müssen Rechtsnormen in sich widerspruchsfrei sein (und zwar zur Gewährleistung inhaltlicher Klarheit), so Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 56; siehe auch Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 289: Gebot der „Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit“). Insoweit muss auch die Rechtsfolgenzuordnung (-gestaltung) in sich widerspruchsfrei sein; sie muss eine bestimmte gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus erkennen lassen (nur so erfüllt der Gesetzgeber seine Verpflichtung, den Unwerttypus abstrakt zu bewerten (mithin diese Bewertung erkennbar zum Ausdruck zu bringen); siehe zu dieser gesetzgeberischen Pflicht Kapitel 3 § 6 B. I. 1.). Ein Widerspruch entsteht dann, wenn eine Rechtsfolgenfestsetzung eine bestimmte gesetzgeberische Bewertung anzeigt und diese unvereinbar ist mit dem Aussagegehalt einer anderen Festsetzung (letztere also eine andere gesetzgeberische Bewertung anzeigt; bspw. Bewertung als schweres Unrecht durch Einordnung in die Straftatkategorie Verbrechen und parallel Zulassung der Geldstrafe). Ob darüber hinaus auch Systemgerechtigkeit (siehe zum Streitstand im Verfassungsrecht Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 56) zu fordern ist, was ggf. die Pflicht beinhalten würde auch interdeliktische Widerspruchsfreiheit sicherzustellen (d. h. die „Richtigkeit“ der Strafrahmenzuordnung im Vergleich zu anderen Unwerttypen und deren Strafrahmen), kann hier offen bleiben. 179 Abhängig von der festgesetzten Mindeststrafe.
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sen, dieser also entsprechen (Stringenz von Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung). Diese Erkenntnis bildet das Fundament für die Formulierung einer Anwort auf die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen für die Weite von Strafrahmen. Sie bildet den Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen. Um aus ihr tragfähige Ableitungen erzielen zu können, bedarf es jedoch einer Betrachtung der gesetzlichen Systematik des StGB unter dem Blickwinkel der vergehensspezifischen Rechtsfolgenanordnungen. IV. Die idealtypische Gestaltung des Strafrahmens bei Vergehen (Soll-Zustand gesetzgeberischer Bewertung bei Vergehen) – determinierende Wirkung der Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen auf die Ausgestaltung des Strafrahmens? Eine der wesentlichen Entscheidungen des Gesetzgebers im Rahmen der Bewertung eines Delikts ist, ob er das Delikt in die Straftatkategorie Vergehen oder die Straftatkategorie Verbrechen einordnet.180 Mit der Einordnung als Verbrechen ist stets die Kennzeichnung als besonders schweres Unrecht verbunden.181 Demgegenüber zeigt eine Einordnung als Vergehen, dass zumindest die leichten Verwirklichungsformen des Delikts einen geringen Unrechts-/Schuldgehalt aufweisen. Im Folgenden soll geklärt werden, ob die Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen dazu führt, dass der bei der Ausgestaltung der Rechtsfolgenfestsetzung bestehende gesetzgeberische Spielraum mit Blick auf das Stringenzgebot eingeengt wird. Dabei ist insb. von Interesse, ob bestimmte Festsetzungen bei Vergehen zwingend vorzunehmen sind, ob also bei der Einordnung eines Delikts als Vergehen obligatorisch bestimmte Rechtsfolgenentscheidungen zu treffen sind. Es geht also letztlich darum, ob der Einordnung als Vergehen zwingend bestimmte Festsetzungen im Strafdrohungsbereich folgen müssen. Mit anderen Worten: Folgen aus der Einordnung als Vergehen bestimmte Vorgaben in Hinblick auf die Ausgestaltung des Strafrahmens? 1. Festsetzung von Mindest- und Höchststrafe Gemäß § 12 Abs. 2 StGB sind Vergehen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe als einem Jahr oder die mit Geldstrafe bedroht sind. Das Gesetz knüpft die Einordnung als Vergehen unmittelbar an die festgelegte Mindeststrafe an. Insoweit definiert gerade die Mindeststrafenfestsetzung die Straftatkategorie Vergehen. Dieser ist es damit immanent, dass eine Mindeststrafe 180
Dazu bereits Kapitel 3 § 6 B. II. 1. Siehe nur Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 1; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2: „unterschiedliche Strafwürdigkeitsbeurteilung des Gesetzgebers.“. 181
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von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen ist. Die Ausgestaltung eines Delikts als Vergehen ist daher zwingend mit einer Mindeststrafenfestsetzung von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe verbunden. Eine Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr ist (nach unserem Strafrecht) insoweit (denknotwendig) unvereinbar mit der Stellung als Vergehen, da sie gerade die Vergehensqualität des jeweiligen Delikts beseitigen würde. In der Diskussion über die zulässige Reichweite von Strafrahmen wurde versucht, Entsprechendes für die Höchststrafenfestsetzung zu konstruieren.182 Aus der Vergehensqualität unmittelbar eine bestimmte Höchststrafenfestsetzung bzw. unmittelbar Vorgaben an die Ausgestaltung der Strafrahmenobergrenze (mithin ein maximal zulässiges Höchstmaß) abzuleiten, stellt (leider) ein aussichtsloses Unterfangen dar. Allgemeine Regelungen zu den Höchststrafenfestsetzungen finden sich im StGB – abgesehen von der in § 38 Abs. 2 StGB enthaltenen Bestimmung des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe (15 Jahre) – nicht. Daher ist auch keine allgemeine Regelung auszumachen, welche in Hinblick auf die Strafrahmenobergrenzen zwischen Vergehen und Verbrechen unterscheidet. Damit fehlt es jedoch an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt, weshalb einer so vorgenommenen Formulierung von Vorgaben hinsichtlich der Strafrahmenobergrenzen bei Vergehen wenig Überzeugungskraft zukommt. Auch ist der Begriff selbst zu inhaltsleer, um zu einem überzeugenden Ergebnis zu gelangen. Nach der gesetzlichen Systematik wird das Begriffspaar Vergehen – Verbrechen nach der Mindeststrafandrohung unterschieden (vgl. § 12 StGB), was bereits die Hinwendung hierauf bei gleichzeitiger Ausblendung der Höchststrafenfestsetzung zeigt. Es nimmt deshalb nicht Wunder, dass in Bezug auf die Höchststrafenandrohung keinerlei gesetzlicher Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung zwischen den Straftatkategorien auszumachen ist. Daher ist es nicht möglich, ausgehend vom Vergehensbegriff unmittelbar Vorgaben an die Ausgestaltung der Strafrahmenobergrenze abzuleiten, d. h. ohne einen „Umweg“ die maximal zulässige Höchststrafenandrohung zu benennen. 2. Rückgriff auf die wesentlichen Rechtsfolgenfestsetzungen Da eine unmittelbare Herleitung von Vorgaben für die Festlegung der Strafrahmenobergrenze ausscheidet, bietet sich ein Blick auf die bereits aufgeführten wesentlichen Rechtsfolgenfestsetzungen an. Hier verdient die Festsetzung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit Beachtung. Denn die Frage nach dem Ausschluß der Geldstrafenverhängung ist unmittelbar mit der Einordnung als Vergehen beantwortet, da eine Zulassung der Geldstrafe bei Verbrechen bereits definitionsgemäß ausgeschlossen ist (vgl. § 12 Abs. 1 StGB). Im Folgenden wird daher zu klären sein, ob sich aus dem Gesetz herleiten lässt, dass die Einordnung eines Delikts als Vergehen zu einer bestimmten Ausgestaltung 182
Siehe Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81.
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der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit zwingt. Als Ausgangspunkt für die weiteren Ausführungen ist demnach die Fragestellung aufzuwerfen, ob bei Vergehen eine bestimmte Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit obligatorisch, d. h. zwingend, ist. Verlässt man diese gesetzgeberische Perspektive und rückt die Deliktsform des Vergehens in den Mittelpunkt der Betrachtung, so wandelt sich die Fragestellung dahingehend, ob und inwieweit der gesetzlichen Systematik eine vergehensspezifische bzw. vergehenstypische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit entnommen werden kann. Dabei geht es letzten Endes um die idealtypische Gestaltung der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bei Vergehen. Als Frage kann damit formuliert werden: Hat die Einordnung als Vergehen Vorgabenwirkung für die Entscheidung über die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit? Existiert eine vergehensspezifische bzw. vergehenstypische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit? Um dies beantworten zu können, muss zunächst die gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung näher betrachtet und aus dem Blickwinkel der beiden Straftatkategorien (Vergehen und Verbrechen) analysiert werden. 3. Das Stufensystem des § 56 StGB und die darin liegende, auf die Strafaussetzungsfähigkeit bezogene Distinktion zwischen den Straftatkategorien Verbrechen und Vergehen Aus der Systematik des § 56 StGB, der zentralen Regelung für die Strafaussetzung zur Bewährung, ergeben sich Hinweise darauf, wie Vergehen in Hinblick auf die deliktsbezogene Strafaussetzungsfähigkeit auszugestalten sind. Für die Herleitung dieser Erkenntnis sind zwei Schritte durchzuführen. Zunächst ist die gesetzliche Regelung über die Aussetzung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung (§ 56 StGB) zu analysieren. Im Anschluss ist die im StGB verankerte Abgrenzung zwischen den Straftatkategorien Vergehen und Verbrechen im Lichte der zuvor gewonnen Erkenntnisse näher zu betrachten bzw. (in umgekehrter Richtung) die Regelungsmechanik des § 56 StGB im Lichte der Dichotomie von Vergehen und Verbrechen. a) Zum Stufensystem des § 56 StGB Der Regelung § 56 StGB liegt ein Stufensystem zu Grunde.183 Das Gesetz unterscheidet dabei nach der im konkreten Fall verwirkten Freiheitsstrafe, wobei sich 183 Siehe Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 7: „Zeitstufen“; in der Sache auch Hubrach, in: LKStGB, § 56 Rn. 8, der feststellt, dass das Gesetz drei Gruppen (Strafen unter 6 Monaten; Strafen von 6 Monaten bis zu einem Jahr; Strafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren) unterscheidet.
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aus der gesetzlichen Systematik drei Strafstufen ableiten lassen: Strafen unter 6 Monaten (Stufe I); Strafen von 6 Monaten bis zu einem Jahr (Stufe II); Strafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (Stufe III).184 Für jede höhere Stufe sieht das Gesetz zusätzliche materielle Voraussetzungen vor für die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung.185 Auf der höchsten Stufe (verwirkte Strafe von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren) wandelt sich die zwingende Rechtsfolge der Aussetzung sogar zu einer fakultativen Rechtsfolge.186 In § 56 StGB ist damit in Form der Strafstufen und den an diese anknüpfenden unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Strafaussetzung die Grundentscheidung enthalten, die Strafaussetzung mit zunehmender Höhe der Freiheitsstrafe zu erschweren.187 Das Gesetz differenziert hauptsächlich zwischen Strafen bis einschließlich 1 Jahr und solchen, die höher sind als 1 Jahr (d. h. Freiheitsstrafen zwischen 1 Jahr 1 Monat und 2 Jahren). Wird eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr verhängt, so soll die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in aller Regel zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies ergibt sich aus der soeben aufgeführten Stufensystematik des § 56 StGB, nach der für Strafen dieser Stufen (Stufe I und Stufe II) die niedrigsten Anforderungen an eine Strafaussetzung zur Bewährung gestellt werden. Bei diesen müssen gerade keine „besonderen Umstände“ vorliegen.188 Außerdem sieht das Gesetz bei Strafen dieser Stufe die obligatorische Strafaussetzung vor, wenn die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 und ggf. des Absatzes 3 StGB erfüllt sind. Auch in der gerichtlichen Praxis wird angenommen, dass einem Täter, der sonst nicht vorbelastet ist, bei erstmaliger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr die günstige Kriminalprognose „kaum zu versagen“ ist, mithin bei solchen Fällen regelmäßig auszusetzen ist.189 Anders hingegen liegt es, wenn die verwirkte Freiheitsstrafe mehr als ein Jahr beträgt. Dann nämlich ist es gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 StGB für eine Aussetzung der Freiheitsstrafe erforderlich, dass „besondere Umstände“ vorliegen.190 Bereits im Gesetzgebungsverfahren hat man den Ausnahmecharakter der Strafaussetzung nach 184
Siehe dazu Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 7; Hubrach, in: LK-StGB, § 56 Rn. 8. Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 7. 186 Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 7. Zu den damit einhergehenden Problemen in Hinblick auf die Bestimmung von Maßstäben für die Ermessensausübung Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 54. 187 Vgl. Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 54. 188 Anders hingegen, wenn die verwirkte Strafe mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe beträgt; vgl. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB. Das Erfordernis „besonderer Umstände“ sowie die Stufensystematik des § 56 StGB machen deutlich, dass Strafen über einem Jahr bis 2 Jahre an sich vollstreckt werden müssen, so Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 106. 189 Siehe dazu OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25. 07. 2007 – 5 Ss 96/07-41/07 I, 5 Ss 96, 41/ 07. 190 Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 106 konstatiert: Das Erfordernis „besonderer Umstände“ sowie die Stufensystematik des § 56 StGB machen deutlich, dass Strafen über einem Jahr bis 2 Jahre an sich vollstreckt werden müssen. Eine Betonung der Voraussetzung „besondere Umstände“ findet sich auch bei Trüg, in: AnwKomm-StGB, § 56 Rn. 27. 185
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Absatz 2 betont.191 Darüber hinaus steht nach der Fassung des Gesetzes die Aussetzungsentscheidung dann im Ermessen des Richters.192 Es zeigt sich also, dass das Gesetz die Aussetzung von Freiheitsstrafen über einem Jahr restringieren will durch das Aufstellen erhöhter Voraussetzungen sowie durch die fakultative Fassung des § 56 Abs. 2 StGB.193 Nach dem gesetzlichen Stufensystem sollen Freiheitsstrafen von mehr als 1 Jahr vollstreckt werden.194 b) Verknüpfung mit dem System der Dichotomie der Straftaten Nach dem StGB sind Verbrechen solche Straftaten, für die im Gesetz eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr angedroht wird (vgl. § 12 Abs. 1 StGB). Vergehen hingegen sind solche Straftaten, für die eine Mindeststrafe unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe gesetzlich festgesetzt ist (vgl. § 12 Abs. 2 StGB). Projiziert man diese dem StGB innewohnende Dichotomie auf die gesetzliche Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung und deren Stufensystem, so zeigt sich, dass den Regelungen zur Strafaussetzung zur Bewährung nicht nur die bloße Unterscheidung nach dem Maß der im konkreten Einzelfall verwirkten Freiheitsstrafe innewohnt, sondern (indirekt) auch eine Unterscheidung nach Verbrechen und Vergehen.195 Freilich darf dies nicht so verstanden werden, dass für erstere bei Übereinstimmung der konkret verwirkten Freiheitsstrafe höhere Anforderungen (für eine Strafaussetzung zur Bewährung) gelten.196 Jedoch zeigt sich, dass die niedrigen Anforderungen der Stufen I und II (Anforderungen an die Strafaussetzung gemäß § 56 Abs. 1, 3 StGB) fast ausnahmslos bei Vergehen zur Anwendung kommen. Diese Anforderungen betreffen nämlich die Fälle, bei denen eine Strafe verwirkt wurde, die nicht mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe beträgt (Stufe I: Strafen 191 Siehe BT-Drucks. V/4094, S. 11. Kritisch bezüglich des „Unterlaufens“ dieses gesetzgeberischen Willens durch die Rechtsprechung Horn, in: GS Kaufmann, S. 573, 577 f. 192 Zu den damit einhergehenden Problemen in Hinblick auf die Bestimmung von Maßstäben für die Ermessensausübung Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 54. 193 Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 54, der zudem feststellt, dass das Gesetz für diesen Strafenbereich eine „gewisse Zurückhaltung“ hinsichtlich der Gewährung einer Strafaussetzung vorgibt (siehe Groß, a.a.O.). 194 Zutreffend Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 106, der daraus ableitet, dass solche Strafen an sich vollstreckt werden müssen. Auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Ausnahmecharakter des Absatzes 2 betont, siehe BT-Drucks. V/4094, S. 11. De lege ferenda für eine (noch) stärkere Orientierung an der Höhe der verwirkten Strafe und eine (noch) stärkere Betonung der Grenzziehung bei 1 Jahr Freiheitsstrafe, Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Sanktionen, S. 291. 195 Eine Betonung der Grenzziehung bei 1 Jahr Freiheitsstrafe findet sich auch in den Gesetzgebungsmaterialien, siehe BT-Drucks. V/4094, S. 10 f. 196 Zutreffend ist daher der Hinweis, dass es in Hinblick auf die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung unerheblich ist, ob es sich bei der begangenen Straftat um ein Verbrechen oder ein Vergehen handelt, siehe Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 Rn. 10; Hubrach, in: LK-StGB, § 56 Rn. 2; ebenso bereits BGHSt 6, 298, 299 f.
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unter 6 Monaten; Stufe II: Strafen von 6 Monaten bis zu einem Jahr). Die Verhängung einer Strafe dieses Ausmaßes (d. h. einer Freiheitsstrafe aus dem Bereich 1 Monat bis 1 Jahr) kommt jedoch zumeist nur bei Vergehen in Betracht. Da bei Verbrechen die Mindeststrafe stets mindestens 1 Jahr Freiheiststrafe beträgt (vgl. § 12 Abs. 1 StGB), können bei Verbrechen die niedrigen Anforderungen von § 56 Abs. 1 und 3 StGB nur zur Anwendung kommen, wenn die absolute Mindeststrafe für die Verbrechensverwirklichung (1 Jahr, vgl. § 12 Abs. 1 StGB) verhängt wurde. Für Verbrechen kommen damit regelmäßig – außer es handelt sich um eine außergewöhnlich leichte Verwirklichungsform, die (soweit dies der konkrete deliktische Strafrahmen überhaupt zulässt) mit der absoluten Mindeststrafe für Verbrechen (1 Jahr, vgl. § 12 Abs. 1 StGB) bestraft wird – nur die schärferen Anforderungen für die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2, 3 StGB zur Anwendung. Damit müssen – von der soeben erwähnten Ausnahme abgesehen – bei Verbrechen stets „besondere Umstände“ (vgl. § 56 Abs. 2 StGB) vorliegen, damit eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe festgesetzt wird. Zudem steht bei diesen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe in aller Regel (d. h. von der genannten Ausnahme abgesehen) im Ermessen des Richters. Anderes gilt hingegen für Vergehen. Aufgrund deren Mindeststrafenandrohung (Mindeststrafe geringer als 1 Jahr, häufig entspricht die Strafrahmenuntergrenze sogar dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe, 1 Monat) kommen häufig (im Gegensatz zu den Verbrechen also nicht nur für außergewöhnlich leichte Verwirklichungsformen, die mit der Mindeststrafe sanktioniert werden) die niedrigeren Anforderungen der Stufe I oder II zur Anwendung (§ 56 Abs. 1, 3 StGB). Wird für ein Vergehen eine Strafe aus dem Strafbereich „bis ein Jahr“ festgesetzt, so soll es nach der Systematik des § 56 StGB regelmäßig zur Strafaussetzung zur Bewährung kommen. Es zeigt sich also eine in § 56 StGB enthaltene, und im Gesetzgebungsverfahren auch betonte,197 Grenzziehung bei einem Jahr Freiheitsstrafe. Diese korrespondiert im Wesentlichen mit der Abgrenzung zwischen dem Strafbereich, der nahezu exklusiv den Vergehen zugeordnet ist (Freiheitsstrafe unter 1 Jahr) und dem sonstigen Strafbereich. Die Freilegung dieser Erkenntnis zeigt, dass § 56 StGB durch sein Stufensystem die Deliktskategorie Vergehen zumindest mittelbar privilegiert. Bei abstrahierender Betrachtung des Stufensystems des § 56 StGB im Lichte der Zweiteilung der Delikte in Verbrechen und Vergehen tritt zu Tage, dass der Norm eine Privilegierung der Vergehen innewohnt. Denn die Regelung verortet die Abschichtung in Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Strafaussetzung (zieht also die Trennlinie zwischen den Stufen I/II und der Stufe III)198 nahezu exakt an dem Punkt der Strafenskala, an dem die Grenze verläuft zwischen
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Siehe dazu BT-Drucks. V/4094, S. 10 f. Wobei diese Trennlinie übrigens auch durch den Gesetzgeber hervorgehoben wurde; siehe BT-Drucks. V/4094, S. 10 f. 198
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dem Strafenbereich, welcher exklusiv den Vergehen zugeordnet ist und dem sonstigen Strafenbereich. Für leichte Verwirklichungsformen von Vergehen, denen eine Bestrafung im Bereich 1 Monat bis 1 Jahr entspricht, gelten daher nach dem abgestuften System des § 56 StGB niedrigere Anforderungen als für leichte Verwirklichungsformen von Verbrechen, denen eine Bestrafung im Bereich 1 Jahr bis 2 Jahre entspricht. Das Gesetz bringt damit zum Ausdruck, dass bei Vergehen häufiger die Strafaussetzung zur Bewährung vorgenommen werden soll.199 Dem Stufensystem des § 56 StGB lässt sich damit entnehmen, dass das Gesetz bei Verbrechen die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe restringieren will.200 Dies zeigt sich darin, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht gleich sind für alle prinzipiell strafaussetzungsfähigen Strafen (Freiheitsstrafen bis 2 Jahren). Stattdessen legt das Gesetz nahezu201 parallel zum Strafbereich, der ausschließlich Vergehen vorbehalten ist (dies ist der Strafbereich zwischen 1 Monat und 11 Monaten 3 Wochen), die niedrigsten Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe fest (vgl. § 56 Abs. 1, 3 StGB) und bestimmt damit für diesen ausschließlich Vergehen vorbehaltenen Strafenbereich die grundsätzliche Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. Darin liegt eine indirekte Privilegierung der Vergehen. Festzuhalten ist danach: Die Regelung des § 56 StGB und das darin enthaltene Stufensystem zeigen, dass die gesetzliche Systematik hinsichtlich der Strafaussetzungsfähigkeit zwischen Verbrechen und Vergehen differenziert. Nach der Grundentscheidung des Gesetzes sollen bei Vergehen die verwirkten Strafen, soweit sie in den Strafbereich fallen, der ausschließlich Vergehen zugeordnet ist (1 Monat bis 11 Monate 3 Wochen), regelmäßig ausgesetzt werden. In Hinblick auf die Strafaussetzung zur Bewährung werden Vergehen damit privilegiert behandelt (denn bei Verbrechen ist diese „regelmäßige“ Aussetzung (d. h. die Strafaussetzung, ohne, dass es „besonderer Umstände“ bedürfte) beschränkt auf die denkbar leichtesten Fälle, denen die Mindeststrafe für Verbrechen von 1 Jahr entspricht; sie (scil. die „regelmäßige“ Aussetzung) ist damit bei Verbrechen faktisch nahezu niemals einschlägig).
199 Im Ansatz, jedoch ohne Bezug zur Dichotomie des StGB, Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 54, der feststellt, dass das Gesetz die Aussetzung von Freiheitsstrafen über einem Jahr restringieren will durch das Aufstellen erhöhter Voraussetzungen sowie durch die fakultative Fassung des § 56 Abs. 2 StGB. 200 Im Ansatz, jedoch ohne Bezug zur Dichotomie des StGB, Groß, in: MK-StGB, § 56 Rn. 54, der feststellt, dass das Gesetz die Aussetzung von Freiheitsstrafen über einem Jahr restringieren will durch das Aufstellen erhöhter Voraussetzungen sowie durch die fakultative Fassung des § 56 Abs. 2 StGB. 201 Insoweit gelten die niedrigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Freiheitsstrafe (§ 56 Abs. 1, 3 StGB) auch, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verwirkt wurde, also in einem Strafbereich, der sowohl Vergehen als auch Verbrechen zugeordnet ist und nicht ausschließlich ersteren vorbehalten ist.
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4. Die Notwendigkeit der Fortsetzung dieser Privilegierung in der Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit – Die Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle als prägendes Merkmal der Deliktskategorie Vergehen a) Zum „Ob“ – die Folgerichtigkeit der Ausgestaltung des Strafrahmens aa) Verhinderung der faktischen Aufhebung des Privilegs Die vorangegangene Analyse des Stufensystems des § 56 StGB hat offenbart, dass dieser Norm eine Privilegierung von Vergehen innewohnt. Diese hat der Gesetzgeber auch bei der Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit zu beachten. Würde es eine diesbezügliche Pflicht des Gesetzgebers nicht geben, so bestünde die Gefahr, dass die Privilegierung konterkariert werden würde. Denn dann könnte der Gesetzgeber die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit derart einengen, dass die Privilegierung der Vergehen in Hinblick auf die Strafaussetzungsfähigkeit faktisch aufgehoben werden würde. So würde bspw. die Festlegung einer Strafrahmenobergrenze von 15 Jahren dazu führen, dass lediglich ein geringer Teil der Deliktsverwirklichungsvarianten der Möglichkeit der Strafaussetzung unterfiele. Stellt man diese (scil. die Spielarten der Deliktsverwirklichung) einen solchen weiten Strafrahmen gegenüber, ordnet man also den einzelnen Varianten der Deliktsverwirklichung (orientiert an ihrer relativen Schwere) jeweils einen Punkt auf dem (weiten) Strafrahmen zu, so wird klar, dass viele dem Bereich nicht-aussetzungsfähiger Strafen (Strafen von mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe; vgl. § 56 StGB) zugeordnet wären. Damit zeigt sich jedoch, dass sich ein Vergehen, welchem ein solch weiter Strafrahmen beigefügt ist, hinsichtlich des Aspekts der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit kaum von einem Verbrechen unterscheidet. Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrahmens wäre die Privilegierung für das konkrete Vergehen faktische aufgehoben. Die im Allgemeinen Teil des StGB statuierte Privilegierung von Vergehen hinsichtlich der Möglichkeit der Strafaussetzungsfähigkeit kann daher nur dann gewährleistet werden, wenn sie auch bei der Formung des Strafrahmens im Besonderen Teil des StGB Berücksichtigung findet. bb) Herleitung aus den Geboten der Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit (1) Allgemein zu den Postulaten der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit Die Gebote der Systemgerechtigkeit bzw. der Folgerichtigkeit der Gesetzgebung finden sowohl in der verfassungsgerichtlichen Praxis202 als auch in der verfas-
202 Siehe BVerfGE 9, 20, 28; 81, 156, 207; 104, 74, 87: Systemwidrigkeit einer Regelung als Indiz für einen Gleichheitsverstoß. Weitergehend BVerfGE 121, 317, 360 ff.
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sungsrechtlichen Literatur203 Beachtung.204 Ihrem Inhalte nach weisen beide Gebote eine große Ähnlichkeit auf.205 Systemwidrigkeit liegt vor bei einer Verletzung der „[…] vom Gesetzgeber selbst statuierten Sachgesetzlichkeit […]“206 bzw. der selbst gesetzten Grundregeln.207 Systemgerecht ist eine Regelung bzw. gesetzgeberische Entscheidung wiederum, wenn sie in das vorhandene System „passt“.208 Insoweit nehmen diese Gebote das positive Recht und die in ihm enthaltene systematische Ordnung in den Blick.209 Das (maßgebliche) System konstituiert sich dabei (vornehmlich) aus den Grundwertungen.210 Folgerichtigkeit verlangt nicht nur Konsequenz, sondern auch Stetigkeit und Widerspruchsfreiheit.211 Die beiden Gebote gelten, auch wenn sie hauptsächlich im Bereich des Steuerrechts thematisiert werden, für alle Rechtsgebiete.212 Damit ist auch das materielle Strafrecht erfasst.213 Hinsichtlich der dogmatischen Verortung dieser Topoi wird traditionell auf den allgemeinen Gleichheitssatz verwiesen,214 obgleich – wie häufig betont wird – die Systemwidrigkeit als solche noch keinen Gleichheitsverstoß darstellt,215 sondern lediglich ein Indiz für einen solchen ist.216 Insoweit kann der Gesetzgeber von einem bestehenden Regelungssystem dann abweichen, wenn dafür ausreichende Gründe 203 Eine Aufführung findet sich bei Bulla, Freiheit der Berufswahl, S. 314 ff.; zu einem weitgreifenden Ansatz Bumke, Der Staat 49 (2010), 77, 96 ff., der insoweit ein Konsistenzgebot erblickt. Kritisch Kischel, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 3 Rn. 96 ff. 204 Zum Überblick siehe Bulla, Freiheit der Berufswahl, S. 308 ff. 205 Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 29. 206 BVerfGE 13, 331, 340. 207 Vgl. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 19; siehe auch Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers, S. 4: „Systemwidrigkeit liegt damit in widersprüchlichen Verhalten des Gesetzgebers zu seinen eigenen Prinzipien.“. Eingehend zur Begriffsbestimmung Bulla, Freiheit der Berufswahl, S. 308 f. 208 Bulla, ZJS 2008, 585, 592. 209 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 214. 210 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 46 f.; siehe auch Bulla, ZJS 2008, 585, 592, der jedoch (insoweit weitergehend) neben den Grundwertungen auch bestimmte Einzelwertungen und sonstige Rechtssätze (der jeweiligen Teilrechtsordnung) für maßgeblich hält. 211 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 209. 212 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 215. 213 Vgl. dazu die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Folgerichtigkeit der Strafnorm für Unterhaltspflichtverletzungen, BVerfGE 50, 142, 164. Siehe auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 228. 214 Zur Verbindung zwischen Gleichheitssatz und Systemgerechtigkeit/Folgerichtigkeit Stern, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, S. 1830. 215 BVerfGE 78, 104, 122 f.; 81, 156, 207; 85, 238, 247; 104, 74, 87; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 29; siehe auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 219: gesetzliche Widersprüche sind zunächst bloße gesetzespolitische Unzulänglichkeit, können jedoch zu Gleichheitsverstoß führen. 216 Bulla, Freiheit der Berufswahl, S. 318; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 29; siehe auch BVerfGE 9, 20, 28; 81, 156, 207; 104, 74, 87.
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vorliegen,217 die Abweichung also mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hinreichend sachlich gerechtfertigt ist.218 Die Gründe für die Durchbrechung des Systems müssen dabei „[…] in ihrem Gewicht der Intensität der Abweichung von der zu Grunde gelegten Ordnung entsprechen […]“.219 Vereinzelt wird (daneben) eine Berücksichtigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Eingriffen in Freiheitsrechte befürwortet.220 Nach ganz h.M. stellt ein Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit bzw. den Gedanken der Folgerichtigkeit, mithin die Schaffung einer Norm, welche sich nicht stimmig in das bestehende System einfügt bzw. nicht folgerichtig erscheint, nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen die Verfassung dar.221 Weder dem Prinzip der Systemgerechtigkeit noch dem Grundsatz der Folgerichtigkeit kommt unmittelbarer (eigenständiger) Verfassungsrang zu,222 sodass die jeweilige Überprüfung von Rechtsnormen nicht am Maßstab dieser Postulate erfolgt, sondern am Maßstab der jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmung (Gleichheitssatz bzw. Freiheitsgrundrecht).223 Die Prüfung wird jedoch ggf. durch diese Grundsätze modifiziert.224
217 BVerfGE 9, 20, 28; 81, 156, 207; 104, 74, 87; 124, 199, 223; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 29. Bulla, ZJS 2008, 585, 593, leitet ein Begründungserfordernis ab; eingehend ders., Freiheit der Berufswahl, S. 318 ff.; einen weitgreifenden Ansatz vertritt Bumke, Der Staat 49 (2010), 77, 96 ff. 218 Siehe BVerfGE 9, 20, 28; 81, 156, 207; 104, 74, 87; 124, 199, 223; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 19. 219 Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 19; weniger streng jedoch BVerfGE 85, 238, 247: hinreichende Gründe; BVerfGE 124, 199, 223: plausibler Grund. 220 So insb. BVerfGE 121, 317, 362 ff.; Bulla, ZJS 2008, 585, 593 ff. 221 Siehe nur Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 219: „Gesetzliche Widersprüche sind zunächst bloße gesetzespolitische Unzulänglichkeiten. Sie werden zur Gleichheitswidrigkeit, wenn der Widerspruch zu Rechtsfolgeunterschieden führt, die sich nicht – sachbereichsbezogen – auf einen vernünftigen oder sonst einleuchtenden Grund zurückführen lassen.“. 222 Siehe dazu Brückner, Folgerichtige Gesetzgebung, S. 251 ff. 223 Deutlich BVerfGE 59, 36, 49: eine Regelung kann nur nach den Maßstäben der Verfassung für verfassungswidrig erklärt werden, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit. 224 Siehe Bulla, Freiheit der Berufswahl, S. 318: „Vielmehr kann das Gebot des Systemstimmigkeit dazu beitragen, die Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu konkretisieren und mit Gehalt zu füllen, indem der (bzw. die) Gesetzeszwecke den gemeinsamen Oberbegriff und das Vergleichsmerkmal präjudizieren.“; siehe auch Dannecker, NZWiSt 2014, 6, 10: „[…] Argumentationsfigur, die mittelbar auf den Inhalt der Verhältnismäßigkeits- und der Gleichheitsprüfung Einfluss nimmt […].“; Gebot der Folgerichtigkeit ist eine Maßgabe, „[…] die die Frage nach der gebotenen verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte betrifft.“. Siehe bspw. in Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung Bulla, ZJS 2008, 585, 594 f.; in der Sache auch BVerfGE 121, 317, 362 ff.
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Gleichwohl handelt es sich um Postulate, die der Gesetzgeber bei der Normschaffung zu beachten hat.225 Indem diese Gebote die gleichheitsrechtliche Prüfung dahingehend modifizieren, dass der rechtfertigende Grund im Lichte der gesetzlich angelegten Logik und Billigkeit betrachtet wird, verpflichten sie den Gesetzgeber (mittelbar) auf die Einhaltung seiner Grundentscheidungen bzw. -wertungen.226 Insoweit hat der Strafgesetzgeber bei der Schaffung von Strafnormen deren Systemstimmigkeit und Folgerichtigkeit – auch wenn dies grundsätzlich (d. h. unbeachtet eines – durch eine Verfassungsnorm vermittelten – „Durchschlagens“ der Systemwidrigkeit/der mangelnden Folgerichtigkeit auf die verfassungsrechtliche Ebene) nicht Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der Strafnorm ist227 – zumindest anzustreben. Fügt er eine Norm in den Besonderen Teil des StGB ein, so hat er nach den Postulaten der Systemgerechtigkeit und der Folgerichtigkeit die der Systematik des StGB immanenten Grundsätze zu beachten und sich an diesen zu orientieren. Nur dann wird die Norm dem bestehenden System gerecht und fügt sich folgerichtig in dieses ein. Da die Gebote von zeitlichen Aspekten unabhängig sind,228 diese mithin für die entsprechende Prüfung bedeutungslos sind,229 ist es auch unerheblich, welche der Normen zuerst geschaffen wurde.230 (2) Die in Hinblick auf die Privilegierung folgerichtige Strafrahmengestaltung Es wurde bereits festgestellt, dass sich aus dem Stufensystem des § 56 StGB eine Privilegierung von Vergehen ableiten lässt. Insoweit enthält der Allgemeine Teil des strafrechtlichen Sanktionensystems eine Privilegierung von Vergehen in Hinblick 225 Insoweit mit einem weitgreifenden Ansatz Bumke, Der Staat 49 (2010), 77, 96 ff., der ein Konsistenzgebot ausmacht; mit ähnlicher Tendenz Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 98: „[…] zwingende […] Forderung nach hinreichender Wertungs- und Begründungsrationalität, ohne die sich über verfassungsrechtlich ausreichende Gründe für Gleich- oder Ungleichbehandlung kaum reden lässt.“. Ähnlich Bulla, ZJS 2008, 585, 592: „Der Gesetzgeber muss also seine Entscheidungen, schafft er kein umfassendes neues System, was der Ausnahmefall sein wird, in das bestehende System einfügen; er muss die bestehenden Wertungen und Grundentscheidungen berücksichtigen – zumindest im Sinne einer argumentativen Auseinandersetzung.“. 226 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 213. 227 Anders verhält es sich freilich, wenn in dem Verstoß gegen die Grundsätze der Systemgerechtigkeit bzw. der Folgerichtigkeit zugleich ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz liegt. Dies ist der Fall, wenn mit der Systemwidrigkeit bzw. mangelnde Folgerichtigkeit der Strafnormbildung (insb. der Rechtsfolgenfestsetzung) die mangelnde Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus (und damit ein Verstoß gegen das aus dem Schuldgrundsatz abgeleitete Stringenzgebot) zusammenfällt, letztere also durch die Systemwidrigkeit/mangelnde Folgerichtigkeit verursacht wird. Ausführlich dazu im weiteren Verlauf der Abhandlung in Kapitel 3 § 6 B. V. zur verfassungsrechtlichen Aufladung des Systemverstoßes in diesem Falle. Allgemein die Unterscheidung zwischen Systemwidrigkeit einerseits und Verfassungswidrigkeit andererseits aufzeigend Gärditz, Der Staat 2010, 331, 362. 228 Brückner, Folgerichtige Gesetzgebung, S. 95. 229 Brückner, Folgerichtige Gesetzgebung, S. 96. 230 Siehe auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 210: „Die Folgerichtigkeit kann dabei das hinzutretende, ebenso vorgefundene Recht in Frage stellen.“.
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auf die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. Soll eine Rechtsfolgenfestsetzung im Besonderen Teil des StGB, mithin eine Strafrahmengestaltung, stimmig zu dieser Grundentscheidung sein, so hat sie diese zu respektieren. Hierbei ist namentlich darauf zu achten, dass diese Grundentscheidung nicht im Einzelfall durch die Strafrahmengestaltung konterkariert wird. Sollen die (im Besonderen Teil des StGB enthaltenen) Strafrahmen systemgerecht und folgerichtig gestaltet werden, so darf ein Strafrahmen nicht so gefasst werden, dass die im allgemeinen Sanktionensystem enthaltene Grundentscheidung (im Einzelfall) faktisch aufgehoben wird. Angesprochen ist damit die auf Rechtsfolgenseite erfolgende Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit. Bei der Entscheidung über diese ist aus Gründen der Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit die im allgemeinen Sanktionensystem enthaltene Grundwertung zu berücksichtigen. Die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit darf deshalb nicht in einem solchen Maße eingeengt werden, dass in Hinblick auf diese Festsetzung der Unterschied zwischen den beiden Deliktskategorien eingeebnet wird. Mit Blick auf den Grundsatz der Folgerichtigkeit ist daher die im Allgemeinen Teil enthaltene Privilegierung bei der Strafrahmengestaltung zu berücksichtigen. Insoweit findet diese, soweit es sich dabei um Vergehen handelt, ihre Fortsetzung im Bereich der Schaffung einzelner Delikte, namentlich bei der Festlegung der jeweiligen Sanktion. Nur so gelingt es, die Strafandrohung systemgerecht und folgerichtig auszugestalten. (3) Das Fehlen eines unmittelbaren Verfassungsverstoßes Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um eine „harte“ verfassungsrechtliche Pflicht. Die bloße Systemwidrigkeit kann – mangels eigenständigen Verfassungsrangs dieses Postulats231 – nicht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit begründen.232 Sie deutet indes nur auf einen gesetzespolitischen Mangel hin.233 Anders gewendet bedeutet dies, dass der Grundsatz der Systemgerechtigkeit als solcher eine Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht bewirkt, dieser vielmehr seine Grenze erst in den grundgesetzlichen Normen findet.234 Vorliegend fehlt es – um das Ergebnis bereits vorwegzunehmen – sowohl an einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz als auch an der Verletzung eines Freiheitsrechts. Bildet der Gesetzgeber den Strafrahmen ohne Rücksichtnahme auf die
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Siehe dazu Brückner, Folgerichtige Gesetzgebung, S. 251 ff. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 220. 233 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 219. 234 Siehe Dannecker, NZWiSt 2014, 6, 10: „Die verfassungsrechtlichen Grenzen rechtspolitischer Regelungen ergeben sich nicht aus einem aus wissenschaftlicher Vernunft deduzierbaren Ergebnis rationaler Folgerichtigkeit, sondern erst durch den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.“. Allgemein zum Verhältnis zwischen gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum und dem Grundgedanken der Systemgerechtigkeit Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 44. 232
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Grundentscheidung der Privilegierung von Vergehen, so bedarf er eines Grundes.235 Ein solcher ist zwar nicht in dem Verweis auf die Mannigfaltigkeit der Verwirklichungsvarianten zu sehen. Die Weite des Strafrahmens kann nicht damit begründet werden, dass diese notwendig sei, um für die besonders schweren Verwirklichungsvarianten eine angemessene Strafdrohung bereitzustellen. Denn dem Gesetzgeber bleibt es unbenommen, eine Strafrahmenabstufung durchzuführen und damit neben das Grunddelikt eine „aufgesetzte“ Norm mit verschärften Strafrahmen zu setzen. Auch angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber hiervon regen Gebrauch gemacht hat, würde eine entsprechende Argumentation nicht verfangen. Gleichwohl wäre es jedoch zu weit gegriffen, einen Verstoß gegen Art. 3 GG236 oder die Verletzung eines Freiheitsrechts anzunehmen. Für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz müsste wesentlich Gleiches, ohne rechtfertigenden Grund, ungleich behandelt werden.237 Als Vergleichsobjekt könnten allenfalls andere Vergehen dienen, welche ohne Systemverstoß gebildet worden sind. Aufgrund der wesentlichen Unterschiede hinsichtlich des Unrechts-/Schuldgehalts, mithin wegen der Tatsache, dass es sich um völlig verschiedene Unrechtssachverhalte handelt, bliebe genügend Raum, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Nebenbei bemerkt ist dies auch der Grund, warum unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots nicht die deliktsgruppenübergreifende interdeliktische Abstimmung von Strafrahmen gefordert werden kann.238 Entsprechende systematische Friktionen führen daher nicht zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.239 235 Vgl. allgemein dazu die Rechtsprechung zur Systemwidrigkeit BVerfGE 85, 238, 347; 124, 199, 223; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 29. Bulla, ZJS 2008, 585, 593, leitet ein Begründungserfordernis ab. 236 Vgl. auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 181 Rn. 219: gesetzliche Widersprüche sind zunächst nur gesetzespolitische Unzulänglichkeiten. 237 Vgl. nur BVerfGE 98, 365, 385: „Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln […].“. 238 Vgl. zu dieser Problemlage Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 191, der insoweit jedoch Strafandrohungsunterschiede innerhalb der Gruppe der Vermögensdelikte anhand des Gleichheitssatzes überprüft. Darüber hinaus – namentlich im Verhältnis der Delikte gegen „Leib und Leben“ zu den Vermögensdelikten – scheint Lewisch Gleichheitswidrigkeit a priori abzulehnen (anders wohl der Gedankengang bei Mitsch, ZIS 2007, 197, 202, der in Bezug auf § 211 StGB mit den Strafrahmen anderer Delikte argumentiert). Die Konstruktion der Gleichheitswidrigkeit der Strafandrohung für das Delikt A mittels vergleichender Heranziehung der Strafandrohung für ein völlig anderes Delikt B (scil. ein Delikt einer anderen Deliktsgruppe) ist angesichts des „gleitenden“ Rechtfertigungsmaßstabs, welcher maßgeblich (auch) auf die Unterschiede des Vergleichspaares (in diesem Falle: unterschiedliche Rechtsgüter sowie unterschiedlicher Unrechts-/Schuldgehalt) abstellt, wenig erfolgsversprechend, selbst wenn man (in einem ersten Schritt) die Vergleichbarkeit beider „Sachverhalte“ annimmt. Kritisch (bzw. als nicht zwingend) zu betrachten sind daher auch die – freilich ausdrücklich nicht der verfassungsrechtlichen Prüfung dienenden (siehe Dittrich, Angemessenheit von Strafrahmen, S. 69, 107), jedoch letztlich auf Harmonisierung von Strafrahmen zielenden – Ausführungen von Dittrich zum StGB Österreich und die dort festgelegten Strafandrohungen (siehe dazu Dittrich, a.a.O., S. 68 ff.). Die „Quervergleiche“ zwischen Straftatbeständen ver-
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Auch die Veränderung des Betrachtungswinkels hilft im Ergebnis nicht entscheidend weiter, vermag also die Einstufung als verfassungswidrig nicht zu begründen. Man könnte daran denken, die Vergehen mit systemwidriger Rechtsfolgenfestsetzung den Verbrechen gegenüberzustellen und danach zu prüfen, ob dies eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Fälle darstellt. Insoweit umfasst Art. 3 GG auch das Gebot, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.240 Jedoch dürfte die Gleichbehandlung angesichts des recht großzügigen Rechtfertigungsmaßstabs gerechtfertigt sein.241 Denn eine Verpflichtung zur Differenzierung ist nur dann gegeben, „[…] wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf […].“.242 Dass hier bereits der Gerechtigkeitsgedanke berührt ist, dürfte kaum zu begründen sein. Dass in diesen Fällen (Vergehen mit hoher Höchststrafenfestsetzung) die Strafrahmenfestsetzung bereits wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit gegen das Grundgesetz verstößt, scheint nur in Ausnahmefällen denkbar. Hierbei gilt es nämlich zu beachten, dass der Strafrahmen aufgrund seiner Weite sowie der vergehenstypischen Strafrahmenuntergrenze weit in den Bereich der niedrigen Freiheitsstrafen hineinreicht (zudem womöglich sogar die Verhängung einer Geldstrafe ermöglicht). Dadurch ist jedoch in aller Regel die Verhängung einer schuldangemessenen Strafe auch bei den (besonders) leichten Fällen gewährleistet.243 Die Unverhältnismäßigkeit der Strafandrohung kann mit einem Verweis auf die Höhe der Strafrahmenobergrenze wohl nur in extremen Ausnahmefällen begründet werden. Denn aufgrund der Mannigfaltigkeit unrechts-/schulderhöhender Faktoren sind zumindest theoretische Fälle denkbar, deren Unrechts-/Schuldgehalt so massiv vom Normalfall der Deliktsverwirklichung abweicht, dass auch die Verhängung einer hohen Freiheitsstrafe schiedener Deliktsgruppen und deren Strafrahmen sowie die Gegenüberstellung der jeweiligen deliktsgruppenspezifischen Strafrahmenverschiebungen (mithin Vergleich der Sanktionssprünge in der Deliktsgruppe A mit den Sanktionssprüngen in der Deliktsgruppe B; dazu Dittrich, a.a.O., S. 114 ff.) sind angesichts der maßgeblichen Unterschiede zwischen den Vergleichspaaren (jedenfalls aus bundesdeutscher Sicht) nicht geeignet, aus verfassungsrechtlicher Sicht Druck auf den Gesetzgeber auszuüben. 239 Gleichwohl soll an dieser Stelle bereits Erwähnung finden, dass dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) innerhalb einer Deliktsgruppe (deliktsgruppenintern), namentlich im Verhältnis zwischen Grund- und Qualifikationsdelikt, in bestimmten Fällen Bedeutung zukommen kann. Ausführlich dazu Kapitel 5 § 13 D. 240 BVerfGE 98, 365, 385; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 28. Zur Frage der Geltung dieses zweiten Postulats des Gleichheitssatzes im Rahmen der Strafzumessung Grosse-Wilde, in: Gleichheit und Universalität, S. 45, 54. 241 Zum Rechtfertigungsmaßstab Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 28. 242 BVerfGE 98, 365, 385. 243 Siehe zu dieser Anforderung an Strafrahmen BVerfGE 45, 187, 260: Strafrahmen muss es (insb. auch in den Fällen, in denen das Delikt mit unterschiedlicher Schwere verwirklicht werden kann) dem Richter ermöglichen, eine schuldangemessene Strafe auszuwerfen. Siehe auch BVerfGE 105, 135, 154: Richter darf durch die gesetzliche Straffestsetzung nicht gezwungen sein, eine nicht (schuld-)angemesene Strafe zu verhängen.
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schuldangemessen ist. Dann jedoch stellt sich auch die Androhung solcher Strafen nicht als unverhältnismäßig dar. Unabhängig davon wird sich jedoch noch zeigen, dass dem Systembruch zumindest mittelbar verfassungsrechtliche Bedeutung beikommt. Insoweit wird die Strafrahmenbildung an späterer Stelle nochmals unter dem Blickwinkel des Schuldgrundsatzes (insb. des Stringenzgebots) näher beleuchtet. (4) Basis für die Konstruktion einer vergehensspezifischen/-typischen Strafandrohung Darauf beschränkt sich jedoch der Ertrag dieser Überlegungen nicht. Sie können auch herangezogen werden, um aus dem gesetzlichen Sanktionensystem des StGB heraus eine vergehenstypische Sanktionsanordnung zu konstruieren. Durch die gewonnene Erkenntnis gelingt die Verknüpfung zwischen der im allgemeinen Sanktionensystem enthaltenen Grundentscheidung und der deliktsspezifischen Strafrahmenfestsetzung. Insoweit ist es möglich, die deliktsspezifische Strafrahmenbildung im Lichte der deliktsartspezifischen Grundwertungen zu analysieren. Dieser Konnex bildet damit den Ausgangspunkt für die Konstruktion einer vergehenstypischen Strafandrohung. Denn er ermöglicht es, bei der Untersuchung von Strafrahmen bzw. der Strafrahmenfestsetzung eine vergehensspezifische Perspektive einzunehmen und darauf aufbauend Erkenntnisse über eine vergehenstypische Rechtsfolgenfestsetzung und Strafrahmenbildung zu gewinnen. An diesem Punkt der Untersuchung kann Folgendes festgehalten werden: Will man aus dem geltenden Sanktionensystem eine vergehensspezifische bzw. vergehenstypische Sanktionsandrohung ableiten, so hat man die im Allgemeinen Teil enthaltene Privilegierung von Vergehen hinsichtlich der Möglichkeit der Strafaussetzung heranzuziehen. Diese Privilegierung stellt eine dem Sanktionensystem des StGB immanente Grundwertung dar (ist also ein für das System konstitutives Element) und ist deshalb auch – sollen Systemstimmigkeit sowie Folgerichtigkeit gewahrt bleiben – bei der Bildung von Strafrahmen zu beachten. Wenn jedoch die Fortsetzung der Bewährungsaussetzungs-Privilegierung von Vergehen bei der Strafrahmenbildung sowohl folgerichtig als auch systemgerecht ist, diese Grundentscheidung des Gesetzgebers also auch im Bereich des Besonderen Teils des StGB zum tragen kommt, so liegt es nahe, bei der Ermittlung des vergehensspezifischen Strafrahmens auf diesen Aspekt abzustellen. Denn dann unterscheidet sich die Deliktsart Vergehen hinsichtlich dieses Punktes von der Deliktsart Verbrechen auch auf der Ebene der Strafrahmenbildung (mithin im Besonderen Teil des StGB). Der Bewährungsaussetzungs-Privilegierung von Vergehen kann daher (auch) eine Privilegierung im Bereich der Strafrahmenbildung entnommen werden. Letztere ist im allgemeinen Sanktionensystem angelegt und damit systemimmanent. Die Aufdeckung dieser Zusammenhänge zeigt, dass dem Sanktionensystem des StGB eine vergehenstypische Strafrahmengestaltung zu entnehmen ist.
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Damit ist der Ausgangspunkt gelegt für die Definition des dem strafrechtlichen Sanktionensystem inhärenten, vergehenstypischen Strafrahmens. b) Die Strafandrohung für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung als maßgeblicher Anknüpfungspunkt – Fokussierung auf die Regelfall-Strafandrohung Zur Konkretisierung dieses Ansatzes bedarf es eines Anknüpfungspunktes. Dieser ermöglicht es, den vergehenstypischen Strafrahmen zu umschreiben. Nachdem also über das „Ob“ der Privilegierung entschieden wurde, ist nunmehr darüber zu befinden, wie sich die Fortsetzung der Privilegierung auf der Ebene der Strafrahmenbildung konkret gestaltet. Bereits die Überschrift zeigt, dass die Figur der Regelfälle (und die diesen zugeordnete Rechtsfolgenfestsetzung) dabei eine wesentliche Rolle spielt. aa) Regelfall-Strafandrohung und Regelfall-Bewertung als bedeutende Aspekte gesetzgeberischer Unwerttypus-Bewertung Wie bereits mehrfach erwähnt, bewertet der Gesetzgeber mittels des Strafrahmens den Unwerttypus.244 Diese Bewertungstätigkeit erschöpft sich jedoch nicht darin, dass der Gesetzgeber eine Mindest- und eine Höchststrafe festsetzt. Zwar hat dies – unabhängig davon, dass es bereits aus Gründen der Rechtsfolgenbestimmtheit geboten ist245 – seine Berechtigung, da der Gesetzgeber damit sowohl den denkbar leichtesten als auch den denkbar schwersten Fall bewertet.246 Der Strafrahmen enthält jedoch auch eine Bewertung der Regelfälle.247 Da diese Bewertung die regelmäßige (d. h. die am häufigsten vorkommende) Verwirkli244
Siehe BVerfGE 105, 135, 153: Charakterisierung und Bewertung des Straftatbestandes; aus dem Schrifttum Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 29; Miebach, in: MK-StGB, § 46 Rn. 75; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40: „Die Strafrahmen vermitteln einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts, den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe gestellten Verhalten verbunden hat“. 245 Siehe dazu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der es notwendig ist, im Gesetz einen Strafrahmen mit Unter- und Obergrenze festzusetzen, vgl. BVerfG 105, 135, 156. 246 Siehe zu dieser Zuordnung Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 149. Folgend Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 82 II 4, S. 874; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 9; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 207; Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1165; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 44; aus der Rechtsprechung BGH, NJW 1976, 2355; NStZ 1983, 217. Aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – BvL 12/09, juris Tz 75. Siehe jedoch auch Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 45. 247 Insoweit ist nämlich davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Bewertung des im Tatbestand in abstrakter Form niedergelegten Unrechtssachverhaltes (mithin bei der Bildung des deliktischen Strafrahmens) der „Normalfall“ der Deliktsverwirklichung vorschwebte (dafür, dass anzunehmen ist, der Gesetzgeber habe bei der Bildung von Strafrahmen die „ty-
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chungsform betrifft,248 kommt ihr herausgehobene Bedeutung zu. Diese Verwirklichungsform (die Regelfälle) spiegelt das regelmäßige Erscheinungsbild des Unwerttypus wider, insoweit ist sie frei von besonderen (nur ausnahmsweise auftretenden) unrechtserhöhenden oder -mindernden Faktoren. Sie ist damit Kennzeichen der regelmäßigen Begehungsintensität. Gerade in der Bewertung der Verwirklichungsform „Regelfälle“ zeigt sich, wie der Gesetzgeber den Unwerttypus „schlechthin“ – d. h. unter Ausklammerung möglicher besonderer (lediglich ausnahmsweise auftretender) unrechtsmindernder oder unrechtserhöhender Faktoren – beurteilt. Auch ist aufgrund der Häufigkeit dieser Verwirklichungsform davon auszugehen, dass es diese Fälle waren, die der Gesetzgeber bei der Strafrahmenschaffung (mithin der Unwerttypusbewertung) im Sinn hatte und sie daher den Ausgangspunkt der Rechtsfolgenzuordnung (Strafrahmenbildung) bilden.249 Hierfür (d. h. für eine Orientierung am Regelfall) spricht pischerweise verwirklichten Umständen“ im Auge gehabt, Neumann, StV 1991, 256, 257; ähnlich Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 55: „Der Gesetzgeber setzt die Grenzen eines Normalstrafrahmens für ein bestimmtes Delikt im allgemeinen mit Blick auf die „erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle“ fest.“; a.A. wohl Hettinger, GA 1993, S. 1, 11; seine Auffassung einschränkend jedoch Hettinger, GA 1995, S. 399, 416; die Auffassung Hettingers ist mit Blick auf die Pflicht des Gesetzgebers, sich am Typischen zu orientieren, abzulehnen; zu dieser gesetzgeberischen Pflicht siehe BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.; Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63) und dem Strafrahmen daher auch eine Bewertung der Regelfälle entnehmbar ist. Soll nämlich der Tatbestand das Typische der Unrechtsmaterie (der Rechtsgutverletzung) „einfangen“, so ist nicht einsichtig warum nicht auch der Strafrahmen die Bewertung des Typischen (insoweit des Regeltatbildes) bezwecken soll (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 91: „Der Gesetzgeber darf und muss bei der Bemessung des Strafrahmens für einen Straftatbestand von der Typik des von ihm missbilligten Verhaltens ausgehen […].“). 248 So stellt die Verwirklichungsform „Regelfall“ die häufigste Verwirklichungsform dar. Siehe dazu bereits die Definition des Regelfalles: Regelfall ist diejenige Verwirklichungsform, die in der (gerichtlichen) Praxis am häufigsten vorkommt; siehe Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208. 249 Vgl. Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 55: „Der Gesetzgeber setzt die Grenzen des Normalstrafrahmens für ein bestimmtes Delikt im allgemeinen mit Blick auf die „erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle“ fest.“. A.A. wohl Hettinger, GA 1993, S. 1, 11: „Die Tatumstände „normaler Ausprägung“ können mithin den Gesetzgeber bei Aufstellung der Strafrahmen – insbesondere ihrer Endpunkte – nicht geleitet haben.“ [im Original teilw. hervorgehoben]; seine Auffassung selbst stark relativierend Hettinger, GA 1995, S. 399, 416; diese strenge Auffassung Hettingers verkennt die (allgemeine) Pflicht des Gesetzgebers, sich bei der Normbildung am Typischen zu orientieren (dazu BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.; Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63; explizit für die Strafrahmengestaltung BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 91: Gesetzgeber darf und muss sich an der Typik des missbilligten Verhaltens orientieren), und ist daher abzulehnen. Zu Recht daher Neumann, StV 1991, 256, 257, nach dem die Argumentation näher liegt, „[…] der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des Strafrahmens nicht nur die für die Tatbestandsverwirklichung konstitutiven, sondern auch die bei der Deliktsbegehung typischerweise verwirklichten Umstände vor Augen gehabt.“; entsprechende Tendenz haben auch die Ausführungen von Hettinger, GA 1995, S. 399, 416.
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auch die Pflicht des Gesetzgebers, sich bei der Normgebung am „Typischen“ zu orientieren.250 Die Bewertung der Regelfälle der Deliktsverwirklichung stellt damit einen maßgeblichen Aspekt für die gesetzgeberische Einschätzung (gesetzgeberische Bewertung) des Unwerttypus dar. Um die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus zu erfassen, kann daher (auch), wenn nicht sogar entscheidend, auf die, die Regelfälle der Deliktsverwirklichung betreffende, Rechtsfolgenfestsetzung geblickt werden. bb) Gedanken zur Ermittlung der Regelfall-Strafdrohung Die gesetzgeberische Bewertung der Regelfälle lässt sich allerdings – im Gegensatz zur Bewertung des denkbar leichtesten und des denkbar schwersten Falles, welche ihre Entsprechung in Strafrahmenuntergrenze bzw. Strafrahmenobergrenze haben – nicht ohne weiteres (d. h. unmittelbar) aus dem festgesetzten Strafrahmen entnehmen. So bereitet es bspw. Schwierigkeiten, den Regelfällen einen (zahlenmäßig) bestimmten Punkt auf dem Strafrahmen zuzuordnen.251 Darüber hinaus würde ein solches Vorgehen (scil. das Begreifen eines (zahlenmäßig) bestimmten Punktes auf der Skala des Strafrahmens als Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung der Regelfälle, bspw. das Abstellen auf die arithmetische Mitte des Strafrahmens252) dazu führen, dass die mit der Mindeststrafenfestsetzung einhergehenden (und zwar maßgeblichen) Wertungen des Gesetzgebers (bspw. die Einordnung als Verbrechen) unberücksichtigt blieben. Einer solchen Vorgehensweise gelingt es nicht, die wesentlichen – mit der Strafrahmenzuordnung verbundenen – gesetzgeberischen Wertungen vollständig zu erfassen. So würden bei der komparativen Gegenüberstellung von zwei Delikten bei einem solchen Vorgehen (d. h. bei einem Abstellen auf die Strafandrohung in der arithmetischen Mitte des Strafrahmens) bedeutende (dem Strafrahmen entnehmbare) Wertungen übergangen werden. Dies 250 Siehe zu dieser Pflicht des Gesetzgebers BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.; Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63. 251 Regelfälle sind vielmehr (regelmäßig) „aus dem unteren Drittel“ des Strafrahmens zu bestrafen (siehe Bruns, JZ 1988, 1053, 1055, 1057 f.; ders., Neues Strafzumessungsrecht?, S. 64, 69; Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis; S. 61 f., 214 ff., 223 ff.; ders., NStZ 1998, 542, 546; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 87 f.; ders., StV 1986, 168, 169; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 824; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208 ff.; Schall/Schirrmacher, Jura 1992, 514, 519; wohl auch Montenbruck, NStZ 1987, 311, 314 Fn. 24; teilweise wird (insoweit unschärfer) auf den „Bereich unter der Mitte“ verwiesen, so BGHSt 27, 2, 4 f.; BGH, NStZ 1983, 217; 1984, 20; OLG Brandenburg, Beschluss vom 04. 04. 2011 – (1) 53 Ss 25/11 (20/11) – juris Tz 28; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 59); siehe auch Günther, JZ 1989, 1025, 1029: „[…] [gehört] in den unteren Bereich der Strafrahmenskala […].“. Kritisch (zur Orientierung am Regelfall) jedoch Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 48; Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 179; Theune, in: LK-StGB, § 46 Rn. 314 ff. Die Anknüpfung an die Regelfälle hingegen befürwortend Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, 112 f., 123. 252 Die arithmetische Mitte des Strafrahmens wird dem normativen Durchschnittsfall zugeordnet; siehe nur Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208.
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betrifft bspw. Fälle, in denen die (im Verhältnis zum Vergleichsdelikt) höhere Mindeststrafe durch eine entsprechend niedrigere Höchststrafe kompensiert wird; so bspw. wenn ein Delikt einen Strafrahmen von 1 Jahr bis 8 Jahre (arithmetische Mitte: 4,5 Jahre) aufweist, bei dem Vergleichsdelikt hingegen eine Freiheitsstrafe „bis zu 9 Jahren“ (arithmetische Mitte: 54,5 Monate = 4,5416 Jahre)253 angedroht wird. Ein alleiniges Abstellen auf die arithmetische Mitte des Strafrahmens würde zur (insoweit unbrauchbaren) Folgerung führen, dass beiden Delikten nach der Bewertung des Gesetzgebers (nahezu) ein gleicher Unwertgehalt innewohnt. Dies verkennt jedoch, dass der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Mindeststrafe gerade zum Ausdruck bringt, dass er das eine Delikt als Verbrechen ansieht und damit als vergleichsweise schwereres Unrecht.254 Auch fehlt es an einer Berücksichtigung der differierenden deliktsbezogenen Strafaussetzungsmöglichkeit. Die Methode des Abstellens auf die arithmetische Mitte des Strafrahmens, welche auf den ersten Blick eine besonders hohe Genauigkeit suggeriert, verkehrt sich also in ihr Gegenteil, indem sie gerade diejenigen, mit der Strafrahmenschaffung und -zuordnung verbundenen, Wertungen des Gesetzgebers verdeckt, die dieser ausdrücklich (also in eindeutiger Weise) getroffen hat und denen wesentliche Bedeutung zukommt. Namentlich betrifft dies die Einordnung als Verbrechen (mit den damit verbundenen Folgen)255 durch Festsetzung einer Mindeststrafe von 1 Jahr oder mehr sowie die Festlegung der Reichweite der deliktsbezogenen Strafaussetzungsmöglichkeit. Die gesetzgeberische Bewertung der Regelfälle kann also nicht dadurch ermittelt werden, dass man auf einen bestimmten Punkt (bspw. die arithmetische Mitte) des Strafrahmens abstellt. In diesen Überlegungen zeigt sich zudem, dass die Rechtsfigur des normativen Durchschnittsfalles (gedanklicher Durchschnittsfall)256 und die ihr entsprechende Rechtsfolgenzuordnung in der arithmetischen Mitte des Strafrahmens257 für sich genommen nicht geeignet sind, die gesetzgeberische Wertung des Unwerttypus sichtbar zu machen. Auch die Alternative, den gesamten Strafrahmen als maßgebliche gesetzgeberische Bewertung anzusehen, scheidet aus. Dieser soll gerade sämtliche Begehungsarten (von der leichtesten bis zur schwersten) erfassen und weist damit eine sehr große Weite auf. Mit Blick auf die Regelfälle ist festzustellen, 253 Insoweit findet Berücksichtigung, dass das absolute Mindestmaß der Freiheitsstrafe 1 Monat beträgt, vgl. § 38 Abs. 2 StGB. 254 Allgemein dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 255 Ausführlich zu diesen Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 256 Gemeint ist damit der Fall, der „[…] gewichtsmäßig in der Mitte zwischen dem denkbar leichtesten und dem denkbar schwersten Fall einzuordnen ist.“; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208. 257 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208. Ablehnend in Hinblick auf die Orientierung der Strafzumessung i.e.S. am normativen Durchschnittsfall BGH, NStZ-RR 2006, 270, 271: „Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass durch eine Einordnung der Tat anhand des rechnerischen Mittels des Strafrahmens die Gefahr einer Mathematisierung oder einer schematischen Vorgehensweise entsteht; solches ist jedoch dem Wesen der Strafzumessung grundsätzlich fremd […].“.
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dass der gesamte Strafrahmen deren Bewertung nicht erkennbar zu Tage fördert.258 Es ist daher auch aus diesem Blickwinkel einsichtig, im Rahmen der Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus auf die maßgebliche Rechtsfolgenanordnung des Gesetzgebers für die Regelfälle abzustellen und die eben genannten Anknüpfungspunkte (normativer Durchschnittsfall et cetera) unberücksichtigt zu lassen. Damit bestätigt sich die im vorangegangenen Abschnitt gewonnene Erkenntnis, dass in der Bewertung der Regelfälle der Deliktsverwirklichung ein maßgeblicher Aspekt für die gesetzgeberische Einschätzung (gesetzgeberische Bewertung) des Unwerttypus zu sehen ist. cc) Folgerung: Rückgriff auf die traditionelle Rechtsfolgen-Zuordnung Wie soeben festgestellt wurde, verbietet es sich, den Regelfällen einen bestimmten (Fix-)Punkt auf dem Strafrahmen zuzuordnen. Bei der Suche nach einer anderen Lösung, empfiehlt sich ein Blick auf die bisherige Handhabung. Als Ausgangspunkt ist deshalb zu nehmen, dass Regelfälle259 aus dem unteren Drittel des Strafrahmens zu bestrafen sind.260 Dieses Entsprechungsverhältnis ist seit langem in Theorie261 und obergerichtlicher Praxis262 anerkannt. Darüber hinaus greift auch die 258 Dies ist daher auch ein Kritikpunkt, der gegen die vorherrschenden weiten Strafrahmen vorgebracht wird. Siehe dazu Zipf, Kriminalpolitik, S. 202: „Die heutigen Strafrahmen spiegeln zumeist nicht die wirkliche Bewertung der Sozialschädlichkeit des pönalisierten Verhaltens wider, sondern stellen einen historisch bedingten Wildwuchs mit in der Regel viel zu weiten „Einheitsstrafrahmen“ dar.“. 259 Die Anknüpfung an die Regelfälle befürwortend Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, 112 f., 123. 260 Für eine Bestrafung der Regelfälle aus dem unteren Drittel des Strafrahmens siehe Bruns, JZ 1988, 1053, 1055, 1057 f.; ders., Neues Strafzumessungsrecht?, S. 64, 69; Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis; S. 61 f., 214 ff., 223 ff.; ders., NStZ 1998, 542, 546; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 87 f.; ders., StV 1986, 168, 169; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 824; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208 ff.; Schall/Schirrmacher, Jura 1992, 514, 519; wohl auch Montenbruck, NStZ 1987, 311, 314 Fn. 24; teilweise wird (insoweit unschärfer) auf den „Bereich unter der Mitte“ verwiesen, so BGHSt 27, 2, 4 f.; BGH, NStZ 1983, 217; 1984, 20; OLG Brandenburg, Beschluss vom 04. 04. 2011 – (1) 53 Ss 25/11 (20/11) – juris Tz 28; Stree/ Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 59; siehe auch BVerfG, Beschluss v. 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 76. Ebenso Günther, JZ 1989, 1025, 1029: „[…] [gehört] in den unteren Bereich der Strafrahmenskala […].“; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 35: „deutlich unterhalb der Strafrahmenmitte zu verorten“; Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 150. Kritisch (zur Orientierung am Regelfall) jedoch Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 48; Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 179. 261 Siehe Bruns, JZ 1988, 1053, 1055, 1057 f.; ders. Neues Strafzumessungsrecht?, S. 64, 69; Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis; S. 61 f., 214 ff., 222 ff.; ders., NStZ 1998, 542, 546; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2011], § 46 Rn. 87 f.; ders., StV 1986, 168, 169; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 824; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208 ff.; Schall/Schirrmacher, Jura 1992, 514, 519; wohl auch Montenbruck, NStZ 1987, 311, 314 Fn. 24. Kritisch jedoch Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 48; Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 179. Siehe auch Günther, JZ 1989, 1025, 1029: „[…] [gehört] in den unteren Bereich der Strafrahmenskala […].“.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
sonstige gerichtliche Praxis darauf zurück, was empirisch belegt werden konnte.263 Im folgenden Abschnitt wird aufgezeigt, dass sehr gute Argumente dafür sprechen, den Regelfällen normativ das untere Drittel des Strafrahmens zuzuordnen. Die dementsprechende gerichtliche Praxis ist daher zu befürworten. In Hinblick auf den hier entwickelten Gedankengang spricht zudem ein weiterer Aspekt für eine solche Sichtweise. Durch die Zuordnung dieses Strafbereichs werden die maßgeblichen Verkörperungen gesetzgeberischer Bewertungstätigkeit (die Einordnung als Verbrechen oder Vergehen; die Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Strafaussetzungsoption) umfassend in die Betrachtung einbezogen und zur Grundlage der weiteren Überlegungen gemacht. Damit ist das bestechende Argument für die vorgenommene Grundlegung genannt. c) Das „untere Drittel“ des Strafrahmens als Regelfall-Strafdrohung Wie bereits erwähnt wurde, ergibt sich auch aus normativer Sicht eine Zuordnung des „unteren Drittels“ des Strafrahmens zu den Regelfällen. Diese teilweise als unumstritten bezeichnete264 (normative) Verortung der regelmäßigen Deliktsverwirklichung (= Regelfälle) im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens dürfte mittlerweile – jedenfalls stillschweigend – eine gesetzgeberische Billigung erfahren haben. Dass die Gerichte überwiegend und regelmäßig Strafen aus dem unteren Strafrahmenbereich verhängen, wurde bereits in den 1930er-Jahren durch Exner265 aufgezeigt und mittlerweile wiederholt bestätigt.266 Angesichts dessen, dass diese 262 Insoweit jedoch unschärfer unter der Formulierung „Bereich unter der Mitte“ BGHSt 27, 2, 4 f.; BGH, NStZ 1983, 217; 1984, 20; OLG Brandenburg, Beschluss vom 04. 04. 2011 – (1) 53 Ss 25/11 (20/11) – juris Tz 28. Siehe auch BVerfG, Beschluss v. 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 76. 263 Siehe dazu Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis; S. 223 f.; siehe auch Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 248: „Insgesamt gesehen, kann aber bereits an dieser Stelle die Aussage getroffen werden, dass die Gerichte den Regelfall als am häufig vorkommenden Fall offensichtlich entsprechend der nach BGHSt 27, 2 festgelegten Grundsätze deutlich unterhalb der arithmetischen Mitte des gesetzlichen Strafrahmens ansiedeln.“. Siehe auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 375 m.w.N.: Rechtstatsächlich bewegt sich die Strafzumessung überwiegend im unteren Drittel des Strafrahmens; Schünemann, in: Krise des Strafrechts und der Kriminalwissenschaften?, S. 338: „Die Gerichte pflegen seit langem den gesetzlichen Strafrahmen nicht im Sinne einer Gaußschen Normalverteilung auszuschöpfen, vielmehr bewegt sich die überwiegende Anzahl der verhängten Strafen im unteren Strafrahmendrittel.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 264 Siehe Haas, Strafbegriff, Staatsverständnis und Prozessstruktur, S. 283 Fn. 221. 265 Siehe dazu Exner, Strafzumessungspraxis, S. 75 ff., 81 ff. 266 Siehe Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis; S. 223 f.; Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 248: „Insgesamt gesehen, kann aber bereits an dieser Stelle die Aussage getroffen werden, dass die Gerichte den Regelfall als am häufig vorkommenden Fall offensichtlich entsprechend der nach BGHSt 27, 2 festgelegten Grundsätze deutlich unterhalb der arithmetischen Mitte des gesetzlichen Strafrahmens ansiedeln.“. Siehe auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 375 m.w.N.: Rechtstatsächlich bewegt sich die Strafzumessung überwiegend im unteren Drittel des Strafrahmens; Schünemann, in: Krise des
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Erkenntnisse bereits vor geraumer Zeit gewonnen sowie wiederholt aufgegriffen bzw. bestätigt wurden, ist die diesbezügliche Untätigkeit des Gesetzgebers als stillschweigende Billigung der Praxis und damit der normativen Zuordnung des unteren Strafrahmendrittels zu den Regelfällen zu begreifen. Denn aufgrund der weitreichenden Verbreitung der Feststellungen zur strafgerichtlichen Praxis ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber seit längerem Kenntnis von dieser Strafzumessungspraxis hat,267 wofür sich auch in einem Gesetzgebungsdokument zum 27. Strafrechtsänderungsgesetz Anhaltspunkte finden.268 In dieser Drucksache wird in Hinblick auf die damalige (nach Ansicht des Gesetzgebers nicht abschreckend wirkende) Strafandrohung für den Handel mit Kinderpornographika festgestellt, dass „[…] sich die von den Gerichten verhängten Strafen erfahrungsgemäß im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen.“.269 Gerade angesichts der praktischen Bedeutung der Verortung der Regelfälle auf der gesetzlichen Strafenskala wäre es zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber bei einer die gängige Praxis ablehnenden Haltung eine allgemeine Strafzumessungsvorschrift geschaffen hätte, um der gerichtlichen Strafzumessungspraxis die Grundlage zu entziehen.270 Dies ist jedoch nicht geschehen. Auch aus einem anderen Gesichtspunkt rechtfertigt sich die Verortung der regelmäßigen Deliktsverwirklichungsformen in das untere Drittel des gesetzlichen Strafrechts und der Kriminalwissenschaften?, S. 338: „Die Gerichte pflegen seit langem den gesetzlichen Strafrahmen nicht im Sinne einer Gaußschen Normalverteilung auszuschöpfen, vielmehr bewegt sich die überwiegende Anzahl der verhängten Strafen im unteren Strafrahmendrittel.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 267 Zur Bedeutung gesetzgeberischer Kenntnis von einer bestimmten Rechtsprechung in Hinblick auf die Auslegung von (neuen) Normen BGH, NJW 2002, 692, 693: „[…] [D]ie Kenntnis des Gesetzgebers von der bisherigen Rechtsprechung [ist] ein gewichtiger Gesichtspunkt bei der Auslegung neuer Gesetze […].“; kritisch dazu Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 336 f., 349 f. Auf Grundlage dieser Feststellung des Bundesgerichtshofs dürfte auch im vorliegenden Fall der anzunehmenden Kenntnis des Gesetzgebers von der Strafzumessungspraxis der Strafgerichte Bedeutung zukommen und eine stillschweigende Billigung begründet sein. 268 Siehe BT-Drucks. 12/3001, S. 4. 269 Siehe BT-Drucks. 12/3001, S. 4. 270 Dass der Gesetzgeber in Bezug auf einzelne Straftatbestände mittels Anhebung von Mindest- und/oder Höchststraffestsetzung auf die richterliche Strafzumessung eingewirkt hat, steht diesem Befund nicht entgegen. Zum einen wäre die Schaffung einer allgemeinen Strafzumessungsregel der angemessene Weg gewesen, um der strafgerichtlichen Praxis den Boden zu entziehen. Zum anderen lässt die Verschiebung von Mindest- und/oder Höchststrafe im Ergebnis die allgemeine (abstrakte) normative Zuordnung von Regelfällen unberührt, da diese relativ zum jeweils geltenden Strafrahmen ausgestaltet ist und damit resistent gegen Änderungen eines einzelnen Strafrahmens ist (lediglich die tatsächliche/„zahlenmäßige“ konkrete Verortung der Regelfälle des konkreten Delikts verschiebt sich, da die Regelfall-Strafandrohung an den jeweils geltenden Strafrahmen anknüpft; vgl. Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 150). Mit einer Änderung einzelner Strafrahmen hätte der Gesetzgeber eine Änderung der allgemeinen (abstrakten) normativen Verortung von Regelfällen also gar nicht bewirken können. Sie kann daher auch nicht als Ausdruck einer gesetzgeberischen Ablehnung der gängigen Praxis zur Regelfall-Verortung aufgefasst werden.
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Strafrahmens: Sie bewirkt, dass auf der Ebene der richterlichen Strafzumessung auf nicht mehr zeitgemäße Strafrahmen angemessen reagiert werden kann und nimmt überalterten Strafrahmen damit ihre Schärfe.271 Durch dieses Richtmaß wird sichergestellt, dass im Einzelfall trotz gegebenfalls zu hoher gesetzlicher Strafandrohung – welche sich häufig darin äußert, dass die Höchststrafe zu hoch angesetzt ist – eine schuldangemessene Strafe erzielt wird.272 Würde man den Regelfällen hingegen die arithmetische Mitte des jeweiligen Strafrahmens zuordnen, so käme man (insbesondere wenn es sich um einen überalterten Strafrahmen handelt) in den allermeisten Fällen zu einer zu rigiden Bestrafung,273 was unter Umständen sogar zu Konflikten mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens führen würde.274 Darüber hinaus hätte eine Verortung in die Strafrahmenmitte oder in das mittlere Drittel zur Folge, dass die Regelung des § 47 Abs. 1 StGB („Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen“) in der überwiegenden Zahl der Fälle der Deliktsverwirklichung von vornherein nicht eingreifen würde275 und der darin enthaltene Schutzmechanimus letztlich leer liefe. Dies jedoch würde den Regelungszweck des § 47 StGB, der auf ein Entgegenwirken gegen die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen zielt,276 in der Sache (mittelbar) torpedieren, da damit das Anwendungsfeld dieser Norm in faktischer Hinsicht weitreichend beseitigt werden würde. Die Verortung der Regelfälle in die Mitte des Strafrahmens ist auch deshalb abzulehnen. Auch dies zeigt, dass die verbreitete Zuordnung des unteren Drittels des gesetzlichen Strafrahmens zu den Regelfällen der Deliktsverwirklichung sachgerecht und Ausgangspunkt für eine praxisgerechte Strafzumessung (i.e.S.) ist. Überdies wird so gewährleistet, dass die besonders gravierenden Fälle der Deliktsverwirklichung im Vergleich zu den Re271
Mit entsprechendem Gedanken Köhler, Strafrecht AT, S. 596 f. Vgl. Köhler, Strafrecht AT, S. 597, der die (richterliche) Regelfall-Verortung als „methodologisch notfalls legitim“ bezeichnet, solange der Gesetzgeber überkommene Strafrahmen nicht „nach unten“ anpasst. 273 Vgl. Köhler, Strafrecht AT, S. 596, der insoweit die Regelfälle der Deliktsverwirklichung nicht in der Mitte des Strafrahmens ansiedelt. In der Sache ebenso (jedoch ohne den Aspekt der Überalterung von Strafrahmen) BVerfG, Beschluss v. 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 76: „Da die Mehrzahl der erfahrungsgemäß immer wieder vorkommenden Fälle der betreffenden Straftat nur einen verhältnismäßig geringen Schweregrad erreicht und auch die weit weniger häufigen schweren sowie schwersten Fälle bei der Ermittlung eines Durchschnittswerts der Tatschwere zu berücksichtigen sind, muss der den Regelfall kennzeichnende Wert notwendig in einem Bereich unterhalb der Mitte der vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Tatbestandsverwirklichungen liegen, die er mit der durch Höchst- und Mindeststrafe begrenzten Strafandrohung sämtlich treffen will.“. 274 Zu Recht ablehnend daher bereits BGHSt 27, 2, 4 f. (freilich ohne Berücksichtigung des Aspekts der Überalterung von Strafrahmen): Regelfall-Verwirklichung rechtfertigt die Verhängung einer Strafe aus der Mitte des Strafrahmens nicht. 275 Denn selbst bei einer gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe wäre für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung dann eine Strafe von 1,5 Jahren bzw. ein Strafbereich von 1 bis 2 Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen, weshalb die Regelung des § 47 Abs. 1 StGB, welcher sich auf Freiheitsstrafen bis 6 Monate bezieht, nicht greifen würde. 276 Siehe Fischer, StGB, § 47 Rn. 2. 272
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gelfällen angemessen hart bestraft werden (können).277 Der obere Bereich der im Besonderen Teil des StGB festgesetzten Strafrahmen wird insoweit für die Bestrafung von besonders gravierenden Fällen vorgehalten. In Hinblick auf die Regelfälle der Deliktsverwirklichung kommt der (absoluten Höhe der) festgesetzten Höchststrafe demgegenüber nur eine untergeordnete bzw. jedenfalls keine unmittelbare Bedeutung zu. Die Funktion der Höchststrafe liegt primär darin, hinsichtlich der besonders gravierenden Verwirklichungsvarianten eine angemessene staatliche (Straf-)Reaktion zu ermöglichen, was angesichts der gesetzgeberischen „Großzügigkeit“ auch tatsächlich der Fall ist. Entsprechendes wurde auch im Rahmen der Einführung der – zwischenzeitlich aufgehobenen – Rückfallvorschrift des § 48 StGB a.F. geäußert: In Hinblick auf die Streichung der in den ersten Entwürfen angelegten Anhebung der Höchststrafenandrohung für den Fall des Rückfalls wurde unter anderem auf den Gedanken verwiesen, dass die dann „[…] einstweilen fortgeltenden Strafdrohungen des Besonderen Teils in ihrem Höchstmaß ausreichen […].“.278 Für die Konstellation des Rückfalls wurden die jeweiligen „normalen“ gesetzlichen Höchststrafenandrohungen als angemessen und genügend eingeschätzt, weshalb die finale gesetzgeberische Entscheidung, im Falle des Rückfalls ausschließlich das Mindeststrafmaß anzuheben, begrüßt wurde.279 Dies zeigt, dass die (absolute) Höhe der geltenden Höchststrafen nicht gegen die Verortung der Regelfälle in das „untere Drittel“ des gesetzlichen Strafrahmens spricht; vielmehr spricht – wie bereits ausgeführt – angesichts ihrer Rigidität einiges für diesen Ansatz (also für die Zuordnung der Regelfälle in das „untere Drittel“ des Strafrahmens). Schlussendlich spricht für die Verortung der Regelfälle in den unteren Teil des Strafrahmens auch das (Mengen-)Verhältnis zwischen unrechtserhöhenden und unrechtssenkenden Faktoren. Die Zahl denkbarer unrechtserhöhender Faktoren dürfte die Zahl möglicher unrechtsmindernder Umstände weit überwiegen.280 Demzufolge weist die Spannweite möglicher Deliktsverwirklichungsformen vom Regelfall aus gesehen ein Ungleichgewicht auf: Die Palette möglicher Varianten der Deliktsverwirklichung reicht ausgehend vom Regelfall „nach oben“ weiter als „nach unten“. Die theoretische Mitte der damit abgebildeten Schwereskala liegt daher nicht 277
Mit diesem Argument bereits Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 35. Siehe auch BGHSt 27, 2, 4 f.: Würde man einen solchen Regelfall mit einer Strafe aus der Mitte des gesetzlichen Strafrahmens ahnden, so bliebe für Fälle, deren Schwere die Alltagskriminalität übersteigt, ein zu geringer Spielraum für eine dem Einzelfall angepaßte individuelle Strafzumessung. Die Strafe für leichtere Fälle stände auch nicht mehr in einem gerechten Verhältnis zu den dann noch möglichen Strafen für schwere und schwerste Taten […].“. 278 Siehe Horstkotte, JZ 1970, 152 f. 279 Siehe dazu Frosch, Die allgemeine Rückfallvorschrift des § 48 StGB, S. 148: „Angesichts der (auch nach einigen Korrekturen) nicht gerade zimperlichen Strafdrohungen des BT kann die kriminalpolitische Richtigkeit dieser Entscheidung nicht zweifelhaft sein. Es sind kaum Fälle denkbar, bei denen die normale Höchststrafe auch für den Rückfall nicht ausreichen würde.“ (im Original teilw. hervorgehoben]. 280 Siehe auch Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 150: „[…] Umfang der kleinen Kriminalität [übertrifft] den der großen bei weitem […].“.
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beim Regelfall, sondern „darüber“ (nämlich letztlich beim schwereren gedanklichen Durchschnittsfall).281 Stellt man diesen Punkten auf der Schwereskala (Regelfall sowie gedanklicher Durchschnittsfall) die entsprechende Strafenskala (= Strafrahmen) gegenüber, so zeigt sich, dass die Regelfälle notwendigerweise deutlich unter der Mitte des Strafrahmens zu verorten sind.282 Abschließend ist damit festzuhalten, dass der gängigen Praxis der Verortung der Regelfälle der Deliktsverwirklichung in das untere Drittel des jeweiligen Strafrahmens auch aus normativer Sicht zu folgen ist. d) Grundsatz: Die Strafaussetzungsfähigkeit aller Regelfälle als deliktsartspezifische (und damit notwendige) Rechtsfolgenanordnung bei Vergehen Bevor begonnen wird mit der Präzisierung der (aus der Vergehenseinordnung folgenden) deliktsartspezifischen Rechtsfolgenanordnung, soll zunächst nochmals verdeutlicht werden, wie der Gesetzgeber die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit bestimmt. Im Anschluss wird nochmals auf die Regelfall-Fokussierung eingegangen. aa) Die Festlegung des Strafrahmens als Mittel zur Bestimmung der deliktsspezifischen Strafaussetzungsmöglichkeit sowie als Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung über die Strafaussetzungsfähigkeit der deliktischen Regelfälle Wie bereits erkannt wurde, bestimmt der Gesetzgeber mit der Fixierung des Strafrahmens auch die deliktsspezifische Reichweite der Option der Strafaussetzung zur Bewährung.283 Weitere wichtige Aspekte zeigen sich, wenn man die Auswirkungen der Mindeststrafenfestsetzung auf die Möglichkeiten einer Strafaussetzung zur Bewährung betrachtet. Letztlich geht es hierbei (auch) um die gesetzgeberische Entscheidung über die Reichweite der Zulassung der Strafart „Bewährungstrafe“ für die Ver-
281 Mit ähnlichem Gedankengang wohl BGHSt 27, 2, 4 f.: „Falsch wäre es dagegen, eine Strafe aus der Mitte des Strafrahmens zu wählen, wenn die Schwere der Tat im mittleren Bereich der erfahrungsgemäß immer wieder vorkommenden Fälle liegt. Denn die große Mehrzahl der Straftaten erreicht schon wegen der weiten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nur einen verhältnismäßig geringen Schweregrad. Verwendet man diese zahlreichen Fälle zusammen mit den bei weitem weniger häufigen schweren und schwersten Fällen bei der Ermittlung eines Durchschnittswertes der Tatschwere, so muß dieser Wert, der den Regelfall kennzeichnet, notwendig in einem Bereich unter der Mitte der vom Gesetzgeber ins Auge gefaßten Tatbestandsverwirklichungen, die er sämtlich mit der durch Höchst- und Mindeststrafe begrenzten Strafandrohung treffen will, liegen.“. 282 Siehe Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 150. 283 Siehe bereits Kapitel 3 § 6 B. II. 3.
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wirklichung des Unwerttypus.284 Anders gewendet ist dies die Entscheidung des Gesetzgebers darüber, welchen Verwirklichungsformen des Delikts (sehr leichte Fälle, leichte Fälle, Regelfälle, normativer Durchschnittsfall, schwere bzw. besonders schwere Fälle) er die Möglichkeit einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (plakativ: die Möglichkeit der Verhängung einer „Bewährungsstrafe“) zuordnet.285 Je höher die vom Gesetzgeber festgesetzte Mindeststrafe ist, desto geringer sind die Möglichkeiten einer Strafaussetzung zur Bewährung. Setzt der Gesetzgeber bspw. eine Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten fest, so kommt eine Strafaussetzung zur Bewährung nur in Betracht, wenn (im konkreten Fall) eine Freiheitsstrafe zwischen 1 Jahr und 6 Monaten und 2 Jahren verhängt wird. Anders hingegen, wenn der Gesetzgeber keine Mindestfreiheitsstrafe festsetzt und diese sich infolgedessen nach dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe bestimmt (gemäß § 38 Abs. 2 StGB: 1 Monat). Es ist offensichtlich, dass in letzterem Fall bei mehr Verwirklichungsformen des Unwerttypus eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt. In der ersten Konstellation dürfte sich dies – eine entsprechende Höchststrafenausgestaltung vorausgesetzt – auf die Fälle beschränken, bei denen (aufgrund Vorliegens besonderer unrechtsmindernder Umstände) ein (im Vergleich zu den sonstigen Verwirklichungsformen des jeweiligen Unwerttypus) besonders niedriger Unrechtsgehalt vorliegt. Jedoch spielt auch die festgestetzte Höchststrafe in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Auch hier gilt: Je höher diese (d. h. die Höchststrafe) angesetzt ist, desto geringer sind – gleich bleibende Mindeststrafenandrohung vorausgesetzt – die Möglichkeiten einer Strafaussetzung zur Bewährung, mithin desto (relativ) enger ist der Bereich aussetzungsfähiger Verwirklichungsformen.286 Geht man davon aus, dass der Strafrahmen eine kontinuierliche Schwereskala darstellt,287 so findet der denkbar schwerste Fall seine Entsprechung in der Höchststrafe und der denkbar leichteste Fall seine Entsprechung in der Mindeststrafe.288 Die Regelfälle289 finden 284 Mithin die Frage, inwieweit der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des konkreten Strafrahmens die Möglichkeit eröffnet, für die Verwirklichung eines bestimmten Unwerttypus die „Bewährungsstrafe“ zu verhängen, für welche konkreten Verwirklichungsformen er also diese Strafart zulässt (Maß der Zulassung der Strafart „Bewährungsstrafe“). 285 Gesetzgeberische Entscheidung über das Maß der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung. 286 Desto weniger lässt der Gesetzgeber die Verhängung einer „Bewährungsstrafe“ zu (desto geringer ist also die Zahl der Verwirklichungsformen des Unwerttypus, bei der die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung besteht). 287 Siehe zu diesem Ansatz Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 149; folgend Frisch, Revisionsrechtliche Probleme, S. 161 ff.; teilweise auch als kontinuierliche Wertungsskala bezeichnet, siehe Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 9. Weitere Nachweise bei Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 33 f.; kritisch jedoch Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 36 ff., 286 f. 288 Siehe Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 149; aus der Rechtsprechung BGHSt 27, 2 ff.; BGH NStZ 1983, 217.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
ihre Entsprechung im unteren Drittel des Strafrahmens.290 Erhöht sich (bei gleich bleibender Mindeststrafenandrohung) die Höchststrafe, so vergrößert sich der den Regelfällen zugeordnete Strafbereich. Denn der Bereich „unteres Drittel des Strafrahmens“ dehnt sich (aufgrund seiner Abhängigkeit von der Reichweite des Strafrahmens) anteilig zur Ausweitung des Strafrahmens „nach oben“ aus. Daraus resultiert eine Erhöhung der (fiktiven) „Höchststrafe“ für die regelmäßige Deliktsverwirklichung (d. h. Erhöhung der „fiktiven Höchststrafe“ für Regelfälle). Für den Bereich der Strafaussetzung zur Bewährung wird dies virulent, wenn sich die Erhöhung der Strafrahmenobergrenze dahingehend auswirkt, dass die fiktive Höchststrafe für Regelfälle in einen Bereich verschoben wird, bei dem die Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr möglich ist. Dies ist der Fall, wenn die Obergrenze des unteren Drittels des Strafrahmens (= „fiktive Höchststrafe“ für die Regelfälle) bei 2 Jahren 1 Monat oder einer höhereren Freiheitsstrafe liegt.291 Es stellt in Hinblick auf die Bewertung des Unrechtstypus einen großen Unterschied dar, ob der Gesetzgeber den Strafrahmen so gestaltet hat, dass für sämtliche Formen der regelmäßigen Verwirklichung (also für sämtliche Regelfälle) die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung besteht oder ob er dies durch entsprechende Festsetzungen292 (teilweise) ausschließt. Unwerttypen, bei denen der Gesetzgeber für die Regelfälle die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung (teilweise) verschlossen hat, stellen – sieht man darin einen Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus293 – somit auch aus Sicht des Gesetzgebers 289
Die Anknüpfung an die Regelfälle befürwortend Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, 112 f., 123. 290 Siehe Bruns, JZ 1988, 1053, 1055, 1057 f.; ders., Neues Strafzumessungsrecht?, S. 64, 69; Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis; S. 61 f., 214 ff., 223 ff.; ders., NStZ 1998, 542, 546; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 87 f.; ders., StV 1986, 168, 169; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208 ff.; Schall/Schirrmacher, Jura 1992, 514, 519; wohl auch Montenbruck, NStZ 1987, 311, 314 Fn. 24; teilweise wird (insoweit unschärfer) auf den „Bereich unter der Mitte“ verwiesen, so BGHSt 27, 2, 4 f.; BGH, NStZ 1983, 217; 1984, 20; OLG Brandenburg, Beschluss vom 04. 04. 2011 – (1) 53 Ss 25/11 (20/11) – juris Tz 28; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 59). Ebenso BVerfG, Beschluss v. 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 76: „Da die Mehrzahl der erfahrungsgemäß immer wieder vorkommenden Fälle der betreffenden Straftat nur einen verhältnismäßig geringen Schweregrad erreicht und auch die weit weniger häufigen schweren sowie schwersten Fälle bei der Ermittlung eines Durchschnittswerts der Tatschwere zu berücksichtigen sind, muss der den Regelfall kennzeichnende Wert notwendig in einem Bereich unterhalb der Mitte der vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Tatbestandsverwirklichungen liegen, die er mit der durch Höchst- und Mindeststrafe begrenzten Strafandrohung sämtlich treffen will.“. Siehe auch Günther, JZ 1989, 1025, 1029: „[…] [gehört] in den unteren Bereich der Strafrahmenskala […].“. Dies scheint auch die Praxis in Österreich zu sein, siehe Dittrich, Angemessenheit von Strafrahmen, S. 28, 41, 68 m.w.N. 291 Eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist nämlich nur zulässig, wenn die (im konkreten Fall) verhängte Freiheitsstrafe maximal 2 Jahre beträgt (vgl. § 56 StGB). 292 Mithin entsprechende Festlegung von Mindest- und Höchststrafe. 293 Allgemein dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 3.
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schwereres Unrecht dar als solche, bei denen diese Möglichkeit für sämtliche Regelfälle eröffnet ist. Solche Unrechtstypen unterliegen damit erkennbar einer anderen gesetzgeberischen Bewertung. Gerade weil die Frage nach der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung für den Straftäter von besonderer Bedeutung ist, stellt die Entscheidung des Gesetzgebers über die Reichweite dieser Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung ein klares Zeichen für die Unwerttypusbewertung dar. Über die Festsetzung der Reichweite der deliktsspezifischen Strafaussetzungsmöglichkeit bringt der Gesetzgeber seine Bewertung des Unwerttypus zum Ausdruck. Determinanten für die Reichweite sind dabei – wie soeben aufgezeigt – die Mindest- und Höchststrafe des zugeordneten Strafrahmens. Mittels dieser Festsetzungen kann der Gesetzgeber u. a. bestimmen, inwieweit die Regelfälle des Deliktes einer Strafaussetzung zur Bewährung zugänglich sind. Der Gesetzgeber differenziert zwischen den Delikten damit auch nach der Strafaussetzungsfähigkeit des Regelfalles der Deliktsverwirklichung. Diese Entscheidung über die (Reichweite der) Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle der Deliktsverwirklichung hat insbesondere deswegen auch aus praktischer Sicht enorme Wichtigkeit, weil sie für den Großteil der regelmäßig vorkommenden Fälle und damit für die Vielzahl von Tätern relevant ist. Zudem sind es gerade auch die Regelfälle, die das typische Bild des jeweiligen Delikts wiedergeben. bb) Einschub: ergänzende Bemerkungen zur Fokussierung auf die Regelfall-Strafdrohung In Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. b) wurde festgestellt, dass bei der Freilegung der gesetzgeberischen Bewertung zweckmäßigerweise nur auf den Strafbereich Zugriff genommen werden sollte, der den Regelfällen der Deliktsverwirklichung zugeordnet ist. Im Lichte der Ausführungen des vorangegangenen Abschnitts können diesbezüglich weitere Argumente formuliert werden. Für die Bestimmung der Reichweite der deliktsbezogenen Strafaussetzungsmöglichkeit stellen die Regelfälle auch aus weiteren Gründen den (einzig) geeigneten Anknüpfungspunkt dar. Zum einen sind damit diejenigen Fälle erfasst, die (praktisch) am Häufigsten auftreten. Überdies resultiert aus der Zuordnung eines Strafbereichs („unteres Drittel des Strafrahmens“) die Möglichkeit, Abstufungen der deliktsbezogenen Strafaussetzungsmöglichkeit zu erfassen. Dies bedeutet, dass (theoretisch) auch die Variante der partiellen Strafaussetzungsfähigkeit der entscheidungsrelevanten Fälle (hier also der Regelfälle) Berücksichtigung finden kann. Würde man hingegen auf einen bestimmten Punkt auf dem Strafrahmen abstellen (bspw. Mindest- oder Höchststrafe für denkbar leichtesten/denkbar schwersten Fall bzw. arithmetische Mitte als Entsprechung des normativen Durchschnittsfalles), so wäre die Erfassung einer solchen Abstufung nicht möglich. Vielmehr könnte dann lediglich eine binäre Kategorisie-
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
rung (nach dem Muster: Strafaussetzungsfähigkeit – ja oder nein) erfolgen. Graduelle Unterschiede würden hierdurch völlig überspielt bzw. von vornherein der Betrachtung entzogen. Die anzustrebende größtmögliche Genauigkeit darf jedoch nicht ohne zureichenden Grund beiseite geschoben werden. Ein solcher Grund, der die Einbußen im Bereich der Genauigkeit rechtfertigen würde, ist indes nicht ersichtlich. Eine Anknüpfung an den denkbar leichtesten bzw. denkbar schwersten Fall, mithin die Fokussierung auf die Strafrahmenunter- bzw. Strafrahmenobergrenze hätte zudem den Nachteil, dass der Einfluss des jeweils anderen Strafrahmenpols auf die Strafaussetzungsfähigkeit völlig außer Acht bliebe. Wie jedoch aufgezeigt wurde, hängt diese von beiden Faktoren ab. Aufgrund dieses Zusammenhangs wäre es verfehlt, einen der beiden völlig auszublenden. Eine Bezugnahme auf die Regelfall-Strafandrohung hingegen vermag es gerade zu gewährleisten, dass sowohl Strafrahmenunter- als auch Strafrahmenobergrenze Berücksichtigung finden. Denn diese nimmt Bezug auf einen Teil des festgesetzten Strafrahmens („unteres Drittel“) und hängt damit mittelbar von den Festsetzungen am oberen und unteren Ende des Strafrahmens ab. Zudem käme man auch zu dem verwunderlichen Ergebnis, dass bei (fast) allen Delikten die deliktsspezifische Strafaussetzungsfähigkeit identisch wäre, da im existierenden Strafrahmensystem die Höchststrafe in den allermeisten Fällen aus dem Bereich der Strafaussetzungsfähigkeit herausfällt (da sie mehr als 2 Jahre beträgt) bzw. andererseits bzgl. der Mindeststrafe sehr häufig eine solche gegeben ist und nur in Ausnahmefällen fehlt. Wesentliche Unterschiede zwischen den Delikten würden damit außer Betracht bleiben. Insgesamt ist damit festzustellen, dass ein Abstellen auf einen bestimmten Punkt auf der Strafenskala nicht geeignet ist, um die zwischen den Delikten bestehenden Unterschiede betreffs der Strafaussetzungsmöglichkeit aufzudecken. Eine solche Vorgehensweise wäre zu ungenau, um die Unterschiede sachgerecht aufzuzeigen. Je nach konkretem Anknüpfungspunkt würde sie diese sogar vollends einebnen. Als Bezugspunkt hat daher die für die Regelfälle geltende Strafandrohung zu dienen. Nur so wird gewährleistet, dass die maßgeblichen Aspekte berücksichtigt und nicht ausgeblendet werden. Durch die Fokussierung auf die Regelfälle gelingt es somit, die gesetzgeberische Entscheidung über die Reichweite der deliktsbezogenen Strafaussetzungsfähigkeit freizulegen. cc) Folgerung einer deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bei Vergehen – Grundsatz (1) Hinführung durch Retrospektive Es wurde bereits mehrfach die besondere Bedeutung der Regelfall-Strafandrohung betont. Auch wurde ausgeführt, dass es in diesem Rahmen relevant ist, ob und in
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welchem Umfang die Regelfälle eines Delikts der Möglichkeit der Strafaussetzung unterliegen. Die Regelfälle bieten überdies einen geeigneten Anknüpfungspunkt, um die Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit sichtbar zu machen und insoweit die Grundlage dafür zu schaffen, verschiedene Delikte anhand dieses Kriteriums miteinander zu vergleichen. Sie ist als Anknüpfungspunkt geeignet, um Unterschiede zwischen verschiedenen Delikten zu verdeutlichen. Sie bildet daher einen zentralen Bezugspunkt in diesem Teil der Untersuchung. Aufgrund dieser Attribute ist sie auch auf der übergeordneten Ebene der Straftatkategorie von Belang. In Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. wurde herausgearbeitet, dass die in der gesetzlichen Systematik enthaltene Privilegierung von Vergehen in Hinblick auf die Strafaussetzung zur Bewährung zwingend Berücksichtigung zu finden hat bei der Konstruktion von Strafrahmen. Greift man bei der Konkretisierung dieses Berücksichtigungserfordernisses auf die Eingangs aufgeführten Überlegungen zurück, so kommt man dazu, dass hierbei der Frage nach der Strafaussetzungsfähigkeit der deliktischen Regelfälle Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Darin ist letztlich der entscheidende Hebel zur Präzisierung des Fortsetzungsgebots zu sehen. Es ist damit möglich, eine deliktsartspezifische (also vergehensspezifische) Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit zu konstruieren. Die Definition der deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit nimmt daher auch die Regelfälle und die auf diese bezogene Rechtsfolgenanordnung zum Ausgangspunkt. Es geht anschließend um die Verknüpfung der soeben (aus der Systematik des § 56 StGB) gewonnenen Erkenntnis mit dem Bezugspunkt der Regelfall-Strafandrohung. Wie sich zeigen wird, ist es mittels der Bezugnahme auf die Regelfälle möglich, eine (auf das Maß der Strafaussetzungsmöglichkeit bezogene) deliktsartspezifische Rechtsfolgenanordnung für Vergehen zu formulieren. Die Einbindung der rechtlichen Figur des „Regelfalls“ ermöglicht es damit, die Verbindung herzustellen zwischen der in § 56 StGB enthaltenen Privilegierung der Straftatkategorie Vergehen und dem Konstrukt „Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit“. Damit wird der Weg dafür geebnet, für die Straftatkategorie des Vergehens eine Rechtsfolgenzuordnung zu definieren. (2) Darlegung der deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit Wie soeben nochmals erwähnt, liegt dem Sanktionensystem des StGB eine Privilegierung von Vergehen hinsichtlich der Strafaussetzung zur Bewährung zu Grunde. Diese Wertung muss auch bei der Ermittlung der deliktsartbezogenen Strafaussetzungsfähigkeit beachtet werden. Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, bedarf es im Folgenden der Verknüpfung der Elemente Straftatkategorie Vergehen, (deliktsspezifische) Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit und Regelfall-Strafandrohung, um die vergehensspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit zu Tage zu fördern. Der durch
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
§ 12 StGB den Verbrechen zugeordnete Strafenbereich stellt den Ausgangspunkt dar. In Anbetracht dessen, dass bei Verbrechen stets eine Mindeststrafe von einem Jahr oder mehr vorgesehen ist (vgl. § 12 Abs. 1 StGB), kommt bei diesen – eine adäquate Höchststrafenfestsetzung vorausgesetzt – allenfalls294 für den leichteren Regelfallbereich eine Strafaussetzung in Betracht. Stets ist bei Verbrechen damit eine umfassende Aussetzungsfähigkeit der Regelfälle (d. h. die Möglichkeit, bei sämtlichen Regelfällen eine Strafaussetzung zur Bewährung vorzunehmen) nicht gegeben. Stattdessen entscheidet der Gesetzgeber bei Verbrechen dahingehend, ob überhaupt eine Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung eröffnet wird. Der Gesetzgeber trennt (bei den Verbrechen) durch die Entscheidung, ob er überhaupt die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung zulässt, zwischen solchen, die er als so schwer ansieht, dass er diese Möglichkeit a priori ausschließt (die er also als nicht strafaussetzungsfähig ansieht; Kategorie der Hochkriminalität) und solchen, die er zwar wegen ihres Unrechtsgehalts als Verbrechen i.S.v. § 12 Abs. 1 StGB einordnet, bei denen er jedoch die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung für die leichten Verwirklichungsformen zulässt. Soll die Privilegierung der Vergehen bzgl. der Strafaussetzungsfähigkeit, wie sie im Stufensystem des § 56 StGB zum Ausdruck kommt, greifen, so muss bei diesen grundsätzlich die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle gegeben sein. Nur dann spiegelt sich die Privilegierung der Vergehen auch in der deliktsartbezogenen Strafaussetzungsfähigkeit wider. Würde man dies nicht fordern, so wäre nicht gewährleistet, dass Verbrechen hinsichtlich dieses Punktes (der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit) nie besser gestellt sind als Vergehen. Dies ist jedoch geboten, da ansonsten eine faktische Aufhebung der Privilegierung der Vergehen droht. Zudem findet nur so eine angemessene Abgrenzung der Deliktsart Vergehen von der Deliktsart Verbrechen auch auf der Ebene der Entscheidung über die Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit statt.295 Der Deliktsart Vergehen ist damit obligatorisch die grundsätzliche Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle als Sanktionsanordnung zuzuordnen. Nur dann sind Vergehen bei abstrakter Betrachtung hinsichtlich dieses Kriteriums (Strafaussetzungsfähigkeit) in aller Regel besser, jedenfalls jedoch niemals schlechter, gestellt als Verbrechen. Denn bei 294
Insoweit ist selbstverständlich auch eine noch weitergehende Einschränkung der Strafaussetzungsfähigkeit möglich, bspw. der Ausschluss der Strafaussetzungsfähigkeit durch Festlegung einer Strafrahmenuntergenze von mehr als 2 Jahren. 295 Insoweit stellen die leichten Vergehen den Gegenpol zu den schweren Verbrechen (Bereich der Hochkriminalität) dar. Wenn bei letzteren die Strafaussetzungsfähigkeit für sämtliche Fälle ausgeschlossen ist (und damit auch für sämtliche Regelfälle diese Möglichkeit nicht besteht; insoweit Mindeststrafe für diese Verbrechen höher als 2 Jahre), so muss bei dem Gegenpol der leichten Vergehen für sämtliche Regelfälle die Möglichkeit der Aussetzung der Strafe zur Bewährung gegeben sein. Geht es bei den Verbrechen daher um die Frage, ob die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung (durch entsprechende Strafrahmengestaltung) überhaupt eröffnet wird (und damit die Möglichkeit geschaffen wird, bei manchen Regelfällen der Deliktsverwirklichung die Strafe auszusetzen), ist bei den Vergehen zu fragen, ob und inwieweit die grundsätzliche Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle eine Einschränkung erfährt.
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Letzteren wird, verursacht durch die angehobene Strafrahmenuntergrenze von mindestens einem Jahr, die Strafaussetzungsfähigkeit entweder gar nicht oder nur für den leichteren Bereich der Regelfälle gegeben sein, während die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle allenfalls theoretisch denkbar, nicht jedoch eine praktisch vorkommende bzw. praktisch denkbare Konstellation ist.296 Die zwingende Festlegung der totalen Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle bei Vergehen sorgt dafür, dass keine Konstellation denkbar ist, in der ein Verbrechen hinsichtlich der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit besser gestellt ist als ein Vergehen. Insoweit wird durch diese Vorgabe die Fortsetzung der Privilegierung der Vergehen in diesem Bereich gewährleistet. Eine solche besondere Sanktionszuordnung zu den Deliktsarten ist dem geltenden Recht nicht fremd. Dass es eine solche kennt, zeigt sich in der Abgrenzung von Vergehen und Verbrechen (vgl. dazu § 12 StGB), ist mithin in dieser angelegt. Der Strafbereich von 1 Monat Freiheitsstrafe bis 11 Monate 3 Wochen Freiheitsstrafe ist ausschließlich der Deliktsart Vergehen vorbehalten (vgl. § 12 Abs. 1 StGB, wonach Verbrechen stets mit einer Mindeststrafe von einem Jahr oder mehr „ausgestattet“ sind). Gleichzeitig wird damit (d. h. mit dem Grundsatz der Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle bei der Deliktsart Vergehen) gewährleistet, dass die leichtere Hälfte der Regelfälle aufgrund des ihr zugeordneten Strafbereichs (Freiheitsstrafe bis 1 Jahr)297 den niedrigen Anforderungen des § 56 Abs. 1, 3 StGB an eine Strafaussetzung unterliegt (eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung bei diesen Fällen somit regelmäßig erfolgt) und damit im Vergleich zu den allermeisten leichten Verwirklichungsformen von Verbrechen die (der gesetzlichen Normierung zugrunde liegende) Privilegierung von Vergehen erhalten bleibt. Diesen leichten Verwirklichungsformen von Verbrechen entspricht nämlich der Strafbereich zwischen 1 Jahr und 2 Jahren Freiheitsstrafe. Damit erfolgt die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei diesen – außer für die leichtesten Verwirklichungsformen, denen die Freiheitsstrafe von einem Jahr entspricht – nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ (vgl. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB). Auch die gesetzliche Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen gebietet dieses Ergebnis. Wie bereits ausgeführt, können Verbrechen dahingehend von Vergehen abgegrenzt werden, dass ihnen ein besonderer Unrechtsgehalt und damit
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Denn selbst wenn man die für ein Verbrechen denknotwendig niedrigste Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe annimmt, dürfte die Höchststrafe bei maximal 3 Jahren Freiheitsstrafe liegen, um die volle Aussetzungsfähigkeit der Regelfälle zu gewährleisten. Nur so könnte die Strafrahmenobergrenze die erhöhte Mindeststrafenandrohung „auffangen“. Das geltende Recht kennt indes eine solche Konstellation (Verbrechen mit einer Höchststrafenandrohung von weniger/gleich 3 Jahren Freiheitsstrafe) verständlicherweise nicht. Eine solch niedrige Strafrahmenobergrenze wäre bei einem Verbrechen völlig unverständlich. 297 Bzw. Geldstrafe, welche bei den vorgenommenen Überlegungen jedoch außer Betracht bleibt.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
eine besondere Strafwürdigkeit innewohnt.298 Insoweit stellen sie besonders sozialschädliche Rechtsgüterbeeinträchtigungen dar.299 Zwischen Vergehen und Verbrechen besteht daher bzgl. ihres Unwertes ein qualitativer Unterschied. Dieser wird auch darin sichtbar, dass das Gesetz an die Einordnung als Verbrechen besonders schwerwiegende Folgen knüpft (Ausdehnung des Bereichs strafbarer Handlungen (zwingende Strafbarkeit des Versuchs, Strafbarkeit der Verabredung zum Verbrechen); Möglichkeit der Festsetzung (weiterer) Strafen; Beschränkung der Verfahrenseinstellungsmöglichkeiten).300 Diesem qualitativen Unterschied zwischen den beiden Deliktsarten (Vergehen und Verbrechen) muss auch in Hinblick auf die Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit Rechnung getragen werden. Zumal auch § 56 StGB, also der Norm des Sanktionensystems über die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung, die Grundentscheidung entnommen werden kann, Vergehen hinsichtlich der Strafaussetzung zu privilegieren.301 Insoweit besteht, angesichts der niedrigeren Anforderungen an die Strafaussetzung in dem Strafenbereich, der ausschließlich Vergehen zugeordnet ist (1 Monat bis 11 Monate 3 Wochen) und aufgrund der Tatsache, dass bei Vergehen der Strafenbereich (bei Freiheitsstrafen) bereits bei einem Monat beginnt, bei Vergehen (abstrakt) die höhere Wahrscheinlichkeit einer Strafaussetzung. Zahlenmäßig ausgedrückt reicht bei Vergehen der deliktsartbezogene aussetzungsfähige Strafbereich von 1 Monat bis 2 Jahre; bei Verbrechen hingegen ist der Bereich durch die notwendige Mindeststrafe von mindestens 1 Jahr (vgl. § 12 Abs. 1 StGB) gekürzt auf die Spanne 1 Jahr bis 2 Jahre. Um dieses Verhältnis zu wahren sowie um dem qualitativen Unterschied zwischen den Deliktsarten (Vergehen und Verbrechen) auch in Hinblick auf die Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit Rechnung zu tragen, muss diesem aussetzungsfähigen Strafbereich (1 Monat bis 2 Jahre) auch ein angemessener Bereich der deliktischen Verwirklichungsformen zugeordnet werden. Hier ist – wie eingangs angedeutet – entscheidend auf die Regelfälle der Deliktsverwirklichung abzustellen. Aus Sicht des Täters ist bei der Rechtsfolgenzuordnung zu einem Delikt von entscheidender Bedeutung, ob für eine dem Regelfall entsprechende Verwirklichung des Deliktes die Möglichkeit der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (und damit die Vermeidung einer stationären Sank298 Vgl. v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 1; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der auf die unterschiedliche Strafwürdigkeitsbeurteilung des Gesetzgebers abstellt; eingehend dazu bereits in Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 299 Vgl. v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2: Abstufung nach Unrechtsgehalt und (allgemeiner) Strafwürdigkeit; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2, der von einer höheren Strafwürdigkeit spricht. Vereinzelt wurde der Zusammenhang zwischen Verbrechenseinordnung und Unrechtsgehalt auch in Gesetzgebungsverfahren angesprochen; vgl. BR-Drs. 74/90, S. 97: aufgrund der Verwerflichkeit der Tatmodalitäten rechtfertigt sich die Formung eines qualifizierten Verbrechenstatbestandes); mit ähnlicher Tendenz (jedoch in umgekehrter Richtung) BT-Drs. 15/1311, S. 24. 300 Eingehend Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 301 Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. IV. 3. und 4.
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tion) besteht. Insoweit ist die Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit in Hinblick auf die Regelfälle von maßgeblicher Bedeutung. Auch ein weiterer Wechsel des Betrachtungswinkels bestätigt dies. Bei Verbrechen sind entweder sämtliche Regelfälle nicht aussetzungsfähig (wenn die Mindeststrafe höher als 2 Jahre liegt) oder es ist – eine adäquate Strafrahmenobergrenze vorausgesetzt – zumindest für einen Großteil der Regelfälle diese Möglichkeit nicht eröffnet. Bei Verbrechen ist also allenfalls ein (kleiner) Teil der Regelfälle dem aussetzungsfähigen Strafbereich zugeordnet. In Hinblick auf Vergehen folgt daraus, dass bei diesen grundsätzlich sämtliche Regelfälle der Strafaussetzungsfähigkeit unterliegen (müssen) (also dem aussetzungsfähigen Strafbereich zuzuordnen sind), da nur dies eine Entsprechung sein kann zum qualitativen Unterschied zwischen den Deliktsarten Vergehen und Verbrechen. Aus der Privilegierung von Vergehen in Hinblick auf die Strafaussetzung zur Bewährung sowie der Notwendigkeit, dem qualitativen Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen auch hinsichtlich dieses Bereichs (dem Bereich der Strafaussetzung zur Bewährung) hinreichend Rechnung zu tragen, ergibt sich damit, dass es als prägendes Merkmal von Vergehen anzusehen ist, dass hinsichtlich sämtlicher Regelfälle die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung besteht. Diese Zuordnung sämtlicher Regelfälle zum aussetzungsfähigen Strafbereich (mithin die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle) ist damit charakteristisches sowie unabdingbares Merkmal der Deliktsart Vergehen. Festzuhalten ist damit im Grundsatz, dass bei Vergehen der Strafrahmen (da dieser die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bestimmt)302 so zu gestalten ist, dass hinsichtlich sämtlicher regelmäßiger Verwirklichungsformen des Delikts (Verwirklichungsformen, die in praxi häufig auftreten und einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen und daher unter den Begriff der „Regelfälle“ gefasst werden303) die Möglichkeit einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung besteht. Prägnant kann dies bezeichnet werden als Grundsatz der deliktsartspezifischen totalen Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle. Weil sich die Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle aus den Festsetzungen des Strafrahmens ergibt, folgen hieraus Vorgaben an die Gestaltung des Strafrahmens. Hierbei ist an die Festlegung der Strafrahmenobergrenze zu denken. Diese muss bei Vergehen grundsätzlich so bemessen werden, dass die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle gegeben ist. Der Gesetzgeber hat daher bei Vergehen die Justierung der Strafrahmenobergrenze grundsätzlich daran auszurichten, dass die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle gewährleistet ist.
302 Dass der Strafrahmen Mittel zur Festsetzung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit ist, wurde bereits in Kapitel 3 § 6 B. II. 3. festgestellt. 303 Vgl. zu dieser Definition Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Damit ist der Grundsatz herausgearbeitet. Mit Blick auf die Vergehen, welche eine im Mindestmaß erhöhte Strafandrohung aufweisen, bedarf dieser Grundsatz freilich einer Modifizierung. Dies soll im nächsten Abschnitt dargestellt werden. e) Sonderfall: Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung – Zulässigkeit einer Einschränkung der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit (insoweit Abweichung von der deliktsartspezifischen totalen Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle) Nach der gesetzlichen Systematik steht es dem Gesetzgeber frei, bei Vergehen eine Mindeststrafe festzusetzen, die das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (1 Monat, vgl. § 38 Abs. 2 StGB) überschreitet, ohne damit den Unwerttypus der Deliktsart Verbrechen zuzuordnen (vgl. § 12 Abs. 2 StGB). Insoweit ist die Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen nicht zwingend mit der Zuordnung des absoluten Mindestmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe als Strafrahmenuntergrenze verbunden. Der Gesetzgeber kann die Einordnung als Vergehen – wohlgemerkt in den Grenzen, die das Gesetz in § 12 StGB vorgibt – mit verschiedenen Anordnungen im Bereich der Mindeststrafenfestsetzung kombinieren. Freilich sind diese Kombinationsmöglichkeiten nicht unbegrenzt. Die Mindeststrafe muss – soll die Einordnung in die Straftatkategorie der Vergehen erhalten bleiben – weniger als 1 Jahr Freiheitsstrafe betragen (vgl. § 12 Abs. 2 StGB). I. E. muss der Gesetzgeber damit für Vergehen eine Mindeststrafe aus dem Bereich zwischen 1 Monat und 11 Monaten 3 Wochen vorsehen.304 Wie bereits erwähnt,305 beeinflussen sowohl Mindest- als auch Höchststrafenfestsetzung die Reichweite der deliktsbezogenen Strafaussetzungsmöglichkeiten. Insoweit ergibt sich diese mittelbar aus der Strafrahmengestaltung (mithin aus den Strafrahmenkomponenten Mindest- und Höchststrafe). Ordnet der Gesetzgeber einem Vergehen einen Strafrahmen zu, bei dem die Strafrahmenuntergrenze (also die deliktsbezogene Mindeststrafe) nicht dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (1 Monat, vgl. § 38 Abs. 2 StGB) entspricht (schafft er mithin ein Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung), so hat dies – unabhängig von der Festsetzung der Höchststrafe – Auswirkungen auf die deliktische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit. Selbst wenn man in einem solchen Falle nicht gleichzeitig die Höchststrafenandrohung heraufsetzt (man es also bei einer Strafrahmenobergrenze von 6 Jahren Freiheitsstrafe belässt), folgt bereits aus der im Vergleich zum absoluten Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe, dass nicht mehr hinsichtlich sämtlicher Regelfälle der Deliktsverwirklichung die Möglichkeit der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung gegeben ist. Denn durch die 304 Legt er eine höhere Mindeststrafe fest, so ist dies nicht kompatibel mit der Einordung des Unwerttypus in die Straftatkategorie Vergehen. Nach der gesetzlichen Systematik „rutscht“ das entsprechende Delikt damit nämlich automatisch in die Straftatkategorie Verbrechen (vgl. § 12 Abs. 1 StGB). 305 Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 3.
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Anhebung der Mindeststrafe verschiebt sich automatisch der den Regelfällen zugeordnete Strafbereich „nach oben“. Während dieser bei der Festlegung einer Strafrahmenuntergrenze von 1 Monat im Bereich „bis 2 Jahre“ liegt (unteres Drittel des Strafrahmens), verschiebt er sich bei der Festsetzung einer Mindeststrafe von 6 Monaten – trotz Gleichbleibens der Höchststrafenandrohung von 6 Jahren – in den Bereich 6 Monate bis 2 Jahre 4 Monate. Allein die Erhöhung der Mindeststrafe führt dazu, dass nicht (mehr) sämtliche Regelfälle der Deliktsverwirklichung in den Bereich der Strafaussetzungsmöglichkeit fallen. Würde man strikt an dem Postulat festhalten, dass bei Vergehen – unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung der deliktischen Mindeststrafe – stets bzgl. sämtlicher Regelfälle die Möglichkeit der Strafaussetzungsfähigkeit bestehen muss, so würde daraus die Notwendigkeit folgen, bei Anhebung der Mindeststrafe über das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitststrafe (mithin bei Festlegung einer Mindeststrafe von mehr als einem Monat) die Höchststrafe entsprechend anzupassen. Diese müsste in solchen Fällen dann entsprechend abgesenkt werden, damit das „untere Drittel“ des Strafrahmens lediglich bis maximal 24 Monate reicht. Bspw. dürfte bei der Festsetzung einer Mindeststrafe von 6 Monaten die Höchststrafe 5 Jahre nicht überschreiten. Dies ist freilich widersinnig. Es ist gerade unter Betrachtung des verfassungsrechtlichen Bezugspunktes dieser Ausführungen (Schuldgrundsatz, der die Bildung zu weiter Strafrahmen verbietet) nicht einsichtig, warum die Erhöhung der Mindeststrafe zur Festsetzung einer niedrigeren Höchststrafe zwingen soll.306 Denn bereits durch die Anhebung der Mindeststrafe verringert sich die Reichweite des Strafrahmens. Für ein Gebot zur doppelten Verengung des Strafrahmens fehlt es an einem verfassungsrechtlichen Bedürfnis. Auch die nähere Betrachtung der Konstellation ergibt das Fehlen einer Notwendigkeit der Absenkung der Strafrahmenobergrenze. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass der Schuldgrundsatz eine eindeutig erkennbare Bewertung des Unwerttypus durch den Gesetzgeber fordert und sich daher die wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Rechtsfolgen nicht widersprechen dürfen.307 Determinanten der deliktsspezifischen Reichweite der Möglichkeit der Strafaussetzung zur 306 Wenn es nämlich bei Vergehen, die nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung (bei denen die Mindeststrafe also dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht, 1 Monat) versehen sind, zulässig ist, eine Höchststrafe von 6 Jahren festzusetzen (siehe dazu den vorangegangenen Abschnitt), dann muss dies folgerichtig auch gelten bei Vergehen, bei denen die Mindeststrafe höher liegt als das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe. Bei Letzteren ist der Strafrahmen – ein Gleichbleiben der Höchststrafe von 6 Jahren vorausgesetzt – aufgrund der Anhebung der Mindeststrafe dann nämlich enger als bei Ersteren. Der Schuldgrundsatz soll in der hier entfalteten Ausprägung die Entstehung zu weiter Strafrahmen verhindern. Ist in der ersten Konstellation eine Weite von 1 Monat bis 6 Jahren zulässig, ist in letzterer Konstellation Erst-Recht die Zulässigkeit eines Strafrahmens anzuerkennen, der enger ausgestaltet ist (bspw. ein Strafrahmen, dessen Strafrahmenuntergrenze bei 6 Monaten liegt, dessen Strafrahmenobergrenze bei 6 Jahren). 307 Siehe dazu ausführlich Kapitel 3 § 6 B. III.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Bewährung sind die im Strafrahmen festgesetzte Mindest- und Höchststrafe.308 Die wesentliche Festsetzung der Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit bestimmt sich daher mittelbar aus den Festsetzungen auf Rechtsfolgenseite zu Mindest- und Höchststrafenandrohung, also aus der Gestaltung des Strafrahmens. Verursacht die festgesetzte Höchststrafe, dass nicht sämtliche Regelfälle strafaussetzungsfähig sind, obwohl der Unwerttypus zur Straftatkategorie der Vergehen zugeordnet wurde, so stellt sich dies als widersprüchlich dar, da es der Deliktsart Vergehen gerade immanent ist, dass bezüglich sämtlicher Regelfälle die Strafaussetzungsmöglichkeit besteht.309 In dieser Konstellation wird die Abweichung der verschiedenen Festsetzungen im Rechtsfolgenbereich gerade durch die Höchststrafenfestsetzung verursacht. Anders hingegen liegt es bei den hier interessierenden Konstellationen, in denen sich das Fehlen der totalen Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle aus der – im Vergleich zum absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe – erhöhten deliktischen Mindeststrafe ergibt. Insoweit handelt es sich nur um einen „Scheinwiderspruch“. Mit der Festsetzung der erhöhten Freiheitsstrafe (die jedoch unter 1 Jahr liegt) bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass es sich um ein Vergehen handelt (Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen), jedoch um ein solches mit „angehobenem“ Unrechtsgehalt. Der Ausschluss einiger Regelfälle aus dem Bereich der Strafaussetzungsmöglichkeit, welcher aus der Überschreitung des absoluten Mindestmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe resultiert, steht damit nicht in Widerspruch, sondern zeigt gerade auch, dass es sich um ein Delikt handelt, welches sich durch einen „angehobenen“ Unrechtsgehalt gegenüber sonstigen Vergehen (bei denen die deliktische Mindeststrafe dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht) abhebt. In dieser Konstellation beruht die Einschränkung der Strafaussetzungsmöglichkeit (hinsichtlich der Regelfälle) einzig auf der erhöhten Mindeststrafe. Eine von einer einzigen Strafrahmenkomponente verursachte Abweichung führt jedoch nicht zur Widersprüchlichkeit der Rechtsfolgenfestsetzungen (und damit auch nicht zu einer solchen der gesetzgeberischen Bewertung). Widersprüche in den wesentlichen Festsetzungen müssen vielmehr auf verschiedene Rechtsfolgenkomponenten (Strafrahmenkomponenten: Mindeststrafe und Höchststrafe; festgelegte Strafarten) zurückzuführen sein, d. h. zwei verschiedene Komponenten müssen zu divergierenden Festsetzungen führen. Am Beispiel der im Mindestmaß erhöhten Vergehen bedeutet dies Folgendes. Trotz der – im Vergleich zum absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe – erhöhten Mindeststrafe liegt eine Einordnung als Vergehen vor (also gerade keine Einordnung in die Straftatkategorie Verbrechen). Die Erhöhung der Mindeststrafe bis zu einem bestimmten Punkt (maximal 11 Monate 3 Wochen, vgl. § 12 Abs. 2 StGB) entspricht nach der gesetzlichen Systematik der Deliktsart Vergehen (vgl. § 12 308 309
Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 3. Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. d).
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StGB). Diese Erhöhung wirkt sich auch auf den Bereich strafaussetzungsfähiger Taten aus. So kann durch eine solche Erhöhung auch (und zwar automatisch) die umfassende Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle entfallen. Sie kann – bei Gleichbleiben der Höchststrafe bzw. bei Vorliegen einer verfassungsrechtlich legitimen Strafrahmenobergrenze von 6 Jahren – dazu führen, dass die Verortung sämtlicher Regelfälle in den Strafenbereich, bei dem die Möglichkeit der Aussetzung der Strafe zur Bewährung besteht, beseitigt wird. Dies ist insb. dann gegeben, wenn die festgesetzte Höchststrafe bei 6 Jahren Freiheitsstrafe liegt. Insoweit ist aber zu bedenken, dass dies nicht durch eine andere Rechtsfolgenkomponente (sondern vielmehr durch die Festsetzung der vergehenstypischen Mindeststrafe selbst) verursacht wird, insb. dass die festgesetzte Höchststrafe (soweit sie die zulässige Grenze von 6 Jahren nicht überschreitet) nicht entscheidend dafür ist. Ist nach der gesetzlichen Systematik in Hinblick auf Vergehen eine Erhöhung der Mindeststrafe bis zum Wert 11 Monate 3 Wochen zulässig, dann können auch die darin liegenden mittelbaren Folgen auf die deliktsbezogene Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit den Charakter als Vergehen nicht beseitigen bzw. maßgeblich sein zur Begründung der Widersprüchlichkeit der Rechtsfolgenzuordnung.310 In diesem Falle steht das Entfallen der umfassenden Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle nicht in Widerspruch zur Kategorieeinordnung (Einordnung des Unwerttypus in die Straftatkategorie Vergehen). Gerade das Gesetz eröffnet nämlich die Möglichkeit (durch Festsetzung einer entsprechenden Mindeststrafe) einen Unwerttypus einerseits als Vergehen einzuordnen, andererseits jedoch nur eine eingeschränkte Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle zuzulassen. Diese Ausführungen gelten freilich nur, wenn Letzteres Folge der – im Vergleich zum absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe – erhöhten Mindeststrafe ist. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass sich die Regelung des § 12 Abs. 2 StGB nur auf die Mindeststrafenfestsetzung bezieht, mithin ihr keine Aussage zu entnehmen ist über zulässige Höchststrafenausgestaltungen. Für diese bleibt es daher bei den im vorigen Abschnitt ausgearbeiteten Zulässigkeitsgrenzen, nach denen bei Vergehen die Höchststrafenandrohung maximal 6 Jahre betragen darf. Letztlich stellen sich bei der Überprüfung der Zulässigkeit eines bestimmten Strafrahmens damit folgende Prüfungsfragen: Verursacht die Höchststrafenfestset310
Insoweit lässt sich dem Gesetz entnehmen, dass es an die Erhöhung der Mindeststrafe bis zur Grenze 11 Monate 3 Wochen keine Neueinordnung des Unwerttypus in das System der Straftatkategorien (Vergehen und Verbrechen) knüpft. In der Folge kann dies auch nicht aus etwaigen mittelbaren Effekten einer solchen Erhöhung der Mindeststrafe geschlossen werden. Damit steht die mit der Mindeststrafenerhöhung verbundene Beseitigung der totalen Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle in diesen Fällen der Einordnung als Vergehen nicht entgegen. Die beschränkte Strafaussetzungsfähigkeit der Regelfälle stellt vielmehr eine typische Rechtsfolgenanordnung dar für solche Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung. Insoweit zeigt sich die Abgrenzung zu Vergehen, welche nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung versehen sind.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
zung „an sich“, dass nicht sämtliche Regelfälle der Strafaussetzungsmöglichkeit unterliegen oder ist dies lediglich Folge des Abweichens der deliktischen Mindeststrafe vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe? Wäre die Einschränkung der Strafaussetzungsmöglichkeit bzgl. der Regelfälle auch dann gegeben, wenn die Mindeststrafe nicht erhöht wäre, mithin dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspräche? f) Die idealtypische Gestaltung des Strafrahmens bei Vergehen Die vorangegangenen Ausführungen weisen auch auf die Beantwortung der Frage nach der idealtypischen Gestaltung der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit sowie den idealtypischen Strafrahmen für Vergehen hin. Der Strafrahmen ist – legt man die gewonnenen Erkenntnisse zu Grunde – bei Vergehen so auszugestalten, dass für sämtliche Regelfälle der Deliktsverwirklichung die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung besteht. Nur dann entspricht die Rechtsfolgenfestsetzung der vergehensspezifischen und damit vergehenstypischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit. Dies bedeutet, dass der für Vergehen idealtypische Strafrahmen maximal eine Obergrenze von 6 Jahren Freiheitsstrafe aufweist. Der idealtypische Strafrahmen eines Vergehens reicht daher maximal bis zu einem Strafwert von 6 Jahren. Kennzeichnend für die Deliktsart Vergehen ist damit – neben einer Strafrahmenuntergrenze von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe (vgl. § 12 StGB) – eine Strafrahmenobergrenze von maximal 6 Jahren Freiheitsstrafe. Dies ist die typische Ausgestaltung der Strafdrohung bei einem Vergehen. Denn nur bei einer solchen Strafrahmenobergrenze von maximal 6 Jahren Freiheitsstrafe ist gewährleistet, dass der den Regelfällen zugeordnete Strafbereich (unteres Drittel des Strafrahmens) vollends in den Bereich aussetzungsfähiger Freiheitsstrafen (Freiheitsstafen bis 2 Jahren; vgl. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB) fällt und sich so die in § 56 StGB angelegte Privilegierung der Deliktskategorie Vergehen im konkreten Strafrahmen widerspiegelt. Nur eine solche Ausgestaltung des Vergehens-Strafrahmen (d. h. die Festlegung einer solchen Strafrahmenobergrenze bei einem Vergehen) ist mit Blick auf die im Stufensystem des § 56 StGB enthaltene Grundwertung der Privilegierung von Vergehen in Hinblick auf das Merkmal der Strafaussetzungsfähigkeit systemgerecht und folgerichtig. Setzt der Gesetzgeber stattdessen eine höhere Strafdrohung fest, so entspricht seine Strafrahmenbildung nicht dieser für Vergehen idealtypischen Strafrahmengestaltung. Überdies fehlt es dann an einer hinreichenden Berücksichtigung der Privilegierung der Deliktsart Vergehen hinsichtlich der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit. Der damit verbundene Systembruch, der in der Abweichung von der im Allgemeinen Teil des StGB statuierten Privilegierung von Vergehen liegt, bleibt jedoch auf dieser Ebene – d. h. vor bzw. ohne Anknüpfung an eine verfassungsrechtliche Vorgabe an die Strafrahmengestaltung – praktisch folgenlos. Im
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folgenden Abschnitt wird sich jedoch zeigen, dass eine solche gesetzgeberische Strafrahmenbildung mit Blick auf die Vorgaben des Schuldgrundsatzes unzulässig ist. Nachfolgend soll dargestellt werden, dass sich die bislang formulierten Überlegungen durchaus mit verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Strafrahmengestaltung verknüpfen lassen, zu deren Konkretisierung und Entfaltung beitragen und damit eine entsprechende „Aufladung“ zu verbindlichen Vorgaben an die gesetzgeberische Ausgestaltung von Strafrahmen erfahren. V. Die verfassungsrechtliche Dimension eines Systembruchs: Die maximal zulässige Reichweite von Vergehens-Strafrahmen nach dem Schuldgrundsatz 1. Rekapitulierung der Erläuterungen zum Stringenzgebot Der Schuldgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber zu einer erkennbaren Bewertung von Unwerttypen.311 Hieraus ergibt sich u. a. ein Stringenzgebot.312 Eine nicht stringente Bewertung ist unzulässig, da sie widersprüchlich ist. Sie bringt insoweit die Bewertung des Gesetzgebers nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Anknüpfungspunkte für die Überprüfung der Stringenz sind die wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Rechtsfolgeanordnung, bspw. die Einordnung als Verbrechen oder Vergehen, die Festsetzung der Strafart Geldstrafe sowie die Entscheidung über die Reichweite der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung. Hervorzuheben ist hierbei die Gegenüberstellung von Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung. Letztlich bedarf es also eines stimmigen Strafrahmens, welcher in eindeutiger Weise die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus zum Ausdruck bringt. Mit der Einordnung des Delikts in die Straftatkategorie Vergehen müssen daher die sonstigen (in der Strafandrohung enthaltenen) wesentlichen Festsetzungen im Bereich der Rechtsfolgen korrespondieren. Soll nämlich dem Delikt, welches durch seine Mindeststrafenandrohung als Vergehen i.S.v. § 12 StGB durch den Gesetzgeber eingeordnet wurde, dieser Charakter als Vergehen nicht (nachträglich) entzogen werden, so muss die Ausgestaltung der Höchststrafe dieser Einordnung als Vergehen gerecht werden. Auch die Rechtsfolgenfestsetzung für den Bereich der Verwirklichungsform „Regelfälle“ muss insoweit stimmig sein zu den sonstigen Festsetzungen sowie zur (mittels der Mindeststrafenfestsetzung vorgenommenen) Kategoriezuordnung (also der Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen oder Verbrechen).313 Ordnet der Gesetzgeber einen Unwerttypus in die Straftatkategorie Vergehen ein,314 so muss er – 311
Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. I. Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. III. 313 Insoweit muss also die Bewertung der deliktischen Regelfälle vereinbar sein mit der sonstigen Bewertung des Delikts. 314 Durch Festlegung einer Mindeststrafe von weniger als einem Jahr. 312
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
soll der Strafrahmen eine stimmige Bewertung des Unwerttypus wiedergeben – auch bei der Festsetzung der Rechtsfolge für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung dem (von ihm selbst festgelegten) Vergehenscharakter gerecht werden. Die Rechtsfolgenandrohung für die deliktischen Regelfälle muss dem Vergehenscharakter des Deliktes entsprechen. Insoweit ist bei der Überprüfung, inwieweit eine hinreichend deutliche (und damit auch widerspruchsfreie) gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus vorliegt, darauf abzustellen, ob die wesentlichen Entscheidungen/Festsetzungen im Bereich der Rechtsfolgen einander entsprechen. In einem ersten Zugriff kann dabei ein Abgleich von Kategoriezuordnung (Einordnung als Verbrechen oder als Vergehen) und Strafrahmengestaltung (insb. dem sich aus dem Strafrahmen ergebenden Maß der Strafaussetzungsfähigkeit der deliktischen Regelfälle) erfolgen. Wie bereits erwähnt, muss die Rechtsfolgenandrohung für die deliktischen Regelfälle dem Vergehenscharakter des Delikts entsprechen. Ist dies nicht der Fall, so beinhaltet die Rechtfolgenseite der Norm einen inneren Widerspruch. Sie verstößt dann gegen den Schuldgrundsatz, weil die gesetzgeberische (Be-)Wertung des Unwerttypus unklar bleibt. Im Folgenden soll nun das Stringenzgebot nochmals im Lichte der im vorangegangenen Abschnitt gewonnenen Erkenntnisse beleuchtet und konkretisiert werden. Im Fokus steht dabei weiterhin die Frage nach der zulässigen Reichweite von Strafrahmen bei Vergehen. 2. Die verfassungsrechtliche Dimension eines Systembruchs Als Quintessenz des in Kapiteln 3 § 6 B. IV. 4. d) und e) Gesagten lässt sich ausmachen, dass der Gesetzgeber die in der gesetzlichen Systematik verankerte Privilegierung von Vergehen dergestalt bei der Festlegung des konkreten Strafrahmens berücksichtigen muss, dass er diesen (d. h. den Vergehen) die vergehensspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit zuzuordnen hat. Die Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bezieht sich hierbei auf die Festlegung der Strafrahmenobergrenze, welche für sich genommen (d. h. auch bei hypothetischer Annahme des Mindestmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe als Strafrahmenuntergrenze) nicht dazu führen darf, dass ein Teil der Regelfälle der Möglichkeit der Strafaussetzung entzogen wird. Diese, u. a. auf dem Grundgedanken der Systemgerechtigkeit basierende,315 Erkenntnis kann mit dem, aus dem Schuldgrundsatz ableitbaren, Stringenzgebot verknüpft und so auf verfassungsrechtliche Ebene gehoben werden. Aus dem Stringenzgebot folgt das Verbot kontradiktorischer Rechtsfolgenfestsetzungen. Es dürfen sich demnach zwei Komponenten, bspw. Mindest- und Höchststrafenfestsetzung, nicht widersprechen. Notwendig ist hierbei eine Betrachtung der wesentlichen 315
Dazu Kapitel 3 § 6 B. IV. 4.
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Festsetzungen auf der Rechtsfolgenseite, bspw. die Einordnung in die Kategorie Vergehen bzw. Verbrechen sowie die Entscheidung über die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzung. Letztere ergibt sich – wie aufgezeigt wurde316 – aus dem Zusammenspiel von Mindest- und Höchststrafenfestsetzung. Daher muss beispielsweise die Strafrahmenbildung, und damit u. a. auch die Höchststrafenfestsetzung, der Einordnung als Vergehen entsprechen. Ordnet der Gesetzgeber ein Delikt mittels Festlegung einer Mindeststrafe von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe als Vergehen ein (vgl. 12 Abs. 2 StGB), legt er jedoch andererseits eine Strafrahmenobergrenze fest, durch die als solche bereits – d. h. selbst bei Ersetzung der gewählten Strafrahmenuntergrenze durch das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe, nach § 38 Abs. 2 StGB 1 Monat – ein Teil der Regelfälle in den Strafbereich von mehr als 2 Jahren verortet wird, so entsteht ein Widerspruch zwischen Strafrahmenunter- und Strafrahmenobergrenze. Denn während erstere die Einordnung als Vergehen bewirkt und somit eine Bewertung als Vergehen zeigt, resultiert aus der Strafrahmenobergrenze gerade nicht die Bewertung als Vergehen. Denn die Strafrahmenobergrenze verursacht gerade, dass die vergehensspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit nicht gegeben ist. Bei isolierter Betrachtung der Strafrahmenobergrenze und der wesentlichen Festsetzung der Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit ergibt sich gerade nicht die Bewertung als bloßes Vergehen. Denn selbst wenn man an die Stelle der konkreten Strafrahmenuntergrenze das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe, nach § 38 Abs. 2 StGB 1 Monat, setzen würde, so bestünde bedingt durch die Höhe der Strafrahmenobergrenze nicht für sämtliche Regelfälle der Deliktsverwirklichung die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung. Dann jedoch fehlt die Anordnung der vergehensspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit, was einer Bewertung als Vergehen entgegensteht. Dass womöglich bereits aufgrund einer Anhebung der Strafrahmenuntergrenze über das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ein Teil der Regelfälle in den nicht aussetzungsfähigen Strafenbereich „verschoben“ wird (und damit die totale Aussetzungsfähigkeit der Regelfälle entfällt), ist hierbei unbeachtlich. Denn das Gesetz selbst erklärt die Festsetzung einer über diesem absoluten Mindestmaß liegenden Mindeststrafe bis zu einer bestimmten Höhe (konkret: 11 Monate 3 Wochen) auch bei Vergehen für zulässig (vgl. § 12 StGB). Eine hierdurch bedingte Verortung von Regelfällen in den Bereich nicht strafaussetzungsfähiger Strafen ist daher auch als zulässig anzusehen. Bei der Überprüfung der Höchststrafenfestsetzung hat die Anhebung der Mindeststrafe daher unberücksichtigt zu bleiben (was mittels (fiktiver) Ersetzung der konkreten Strafrahmenuntergrenze durch das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe zu bewerkstelligen ist),317 um die alleinige Wirkung der Höchststrafenfestsetzung herauszuarbeiten.
316 317
Dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 3. Ansonsten entstünden unsinnige Ergebnisse; dazu bereits Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. e).
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist Folgendes zu konstatieren. Betrachtet man vorliegend (d. h. in einem Fall, in dem der Strafrahmen eines Vergehens eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht) die Höchststrafenfestsetzung, so erweist sich diese als nicht stringent zur Kategoriezuordnung (Einstufung als Vergehen durch entsprechende Mindeststrafenfestsetzung von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe). Erstere entspricht nicht der Einordnung als Vergehen. Denn die Höchststrafenfestsetzung als solche bedingt bereits das Nichtvorliegen der vergehensspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit. Die Bewertung des Untwertypus ist infolgedessen, da insoweit widersprüchlich, nicht erkennbar. Es fehlt der Rechtsfolgenandrohung deshalb an der notwendigen Konsistenz, weil einerseits die Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen erfolgt, andererseits in der Rechtsfolgenandrohung jedoch (und zwar bedingt durch die festgesetzte Höchststrafe) ein charakteristisches Merkmal der Straftatkategorie Vergehen fehlt, nämlich die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle. Dem Strafrahmen wohnt die deliktsartbezogene (Vergehen) Aussetzungsfähigkeit dann nicht inne. Dies offenbart, dass in der Festlegung einer zu hohen Höchststrafenandrohung nicht nur ein Systembruch (weil Nichtfortsetzung der Privilegierung von Vergehen) liegt, sondern darüber hinaus ein Verstoß gegen das, auf die gesetzgeberische Bewertungstätigkeit bezogene, dem Schuldgrundsatz entnehmbare Stringenzgebot. Der Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit erfährt damit eine verfassungsrechtliche Rückkoppelung. Jedoch ist nochmals klarzustellen, dass vorliegend nicht bereits der Systembruch als solcher zur Verfassungswidrigkeit führt. Vielmehr bewirkt die damit verbundene Inkonsistenz der Rechtsfolgenzuordnung, dass der Pflicht zur erkennbaren Bewertung des Unwerttypus (aus welchem sich die Notwendigkeit der Stringenz der Strafrahmenbildung ergibt) nicht genügt wird. Insoweit fehlt es an einer stringenten Strafrahmenbildung. Ohne diese, aus dem Schuldgrundsatz resultierende, Pflicht hätte die systemingerechte Ausgestaltung der Rechtsfolgenanordnung keine Folgen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. In diesem Sinne ist der Schuldgrundsatz in der vorgenannten Ausprägung das Vehikel für die Heraufstufung des Systemverstoßes auf verfassungsrechtliche Ebene. 3. Conclusio: die Vorgaben des Schuldgrundsatzes bzgl. der Reichweite von Strafrahmen bei Vergehen Daraus ergibt sich die Antwort auf die Frage nach der zulässigen Weite von Strafrahmen bei Vergehen respektive die Vorgaben des Schuldgrundsatzes diesbezüglich. Da die festgesetzte Höchststrafe der Festsetzung der Strafrahmenuntergrenze (welche die Einordnung als Vergehen bedingt und Ausdruck einer entsprechenden Bewertung des Unwerttypus ist) nicht widersprechen darf, ist sie so zu
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wählen, dass die vergehensspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit gewährleistet ist. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass aus der Höchststrafe als solcher (d. h. auch bei Annahme des absoluten Mindestmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe als Strafrahmenuntergrenze) nicht resultieren darf, dass einige Regelfälle aus dem Bereich aussetzungsfähiger Strafen „herausfallen“. Unzulässig ist bei Vergehen daher die Festsetzung einer Höchststrafe, die – auch wenn man die konkrete Strafrahmenuntergrenze durch das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ersetzt – bedingt, dass nicht alle Regelfälle der Strafaussetzungsmöglichkeit unterliegen.318 Der Gesetzgeber hat sich folglich bei der Entscheidung über die Höhe der Strafrahmenobergrenze an seiner eigenen Einordnung des Delikts als Vergehen zu orientieren. Er hat insoweit auf vergehenstypische Festsetzungen zurückzugreifen. Es gilt daher der Grundsatz, dass bei Vergehen der Strafrahmen (da dieser die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bestimmt)319 so zu gestalten ist, dass hinsichtlich sämtlicher regelmäßiger Verwirklichungsformen des Delikts (Verwirklichungsformen, die in praxi häufig auftreten und einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen und daher unter den Begriff der „Regelfälle“ gefasst werden320) die Möglichkeit einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung besteht. Determinanten der Reichweite der deliktischen Strafaussetzungsfähigkeit sind die im deliktischen Strafrahmen festgesetzte Mindest- und Höchststrafe.321 Den genannten Grundsätzen muss daher bei der gesetzgeberischen Festlegung der Höchststrafenandrohung Rechnung getragen werden. Bei der gesetzgeberischen Festsetzung der Strafrahmenobergrenze322 besteht infolgedessen die Notwendigkeit, entsprechende Auswirkungen der Höchststrafenfestsetzung auf die deliktsspezifische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit zu berücksichtigen. Daher darf bei der Bestimmung der deliktischen Höchststrafe nicht ausschließlich auf die (atypischen) Fälle der schweren und besonders schweren Deliktsverwirklichung abgestellt werden.323 Vielmehr ist bei der Festlegung der Strafrahmenobergrenze im Auge zu behalten, dass dem Vergehenscharakter Rechnung getragen wird, indem die für diese Straftatkategorie charakteristische Rechtsfolgenandrohung für die Verwirklichungsform der Regelfälle implementiert wird. Insoweit hat die deliktsbezogene 318 Unerheblich ist hierbei, ob bereits die Mindeststrafenfestsetzung dies verursacht. Dies ist nämlich bei Betrachtung des § 12 StGB, der bei Vergehen die Anhebung der Strafrahmenuntergrenze bis zu einem bestimmten Punkt (11 Monate 3 Wochen) zulässt, möglich und zulässig. 319 Dass der Strafrahmen Mittel zur Festsetzung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit ist, wurde bereits in Kapitel 3 § 6 B. II. 3. festgestellt. 320 Zu dieser Definition Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208. 321 Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 3. 322 Mithin der Festsetzung der Höchststrafe für den Unwerttypus. 323 In der Wirkrichtung gleich ist das verfassungsrechtliche Erfordernis, sich bei der Normschaffung am „Typischen“, und nicht am Ausnahmefall, zu orientieren; dazu BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.
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Aussetzungsmöglichkeit der deliktsartbezogenen Aussetzungsfähigkeit zu entsprechen. Dies wiederum ist bei Vergehen die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle, welche insoweit zu gewährleisten ist. Diese Verpflichtung des Gesetzgebers, sich bei der Festlegung der Strafrahmenobergrenze an den Auswirkungen (dieser Festlegung) für die Regelfall-Strafandrohung zu orientieren (mithin das Verbot, sich bei der Schaffung der Strafrahmenobergrenze ausschließlich am denkbar schwersten Fall zu orientieren) entspricht auch den rechtstaatlichen Erfordernissen an die Strafgesetzgebung. Diese fordern nämlich hinsichtlich der Normschaffung, dass der Gesetzgeber nicht den atypischen Fall, sondern den typischen Fall als Leitbild nimmt.324 Für die konkrete Festsetzung der Strafrahmenobergrenze bedeutet dies das Folgende: Aus der Notwendigkeit, sämtliche deliktische „Regelfälle“ strafaussetzungsfähig „zu halten“ ergibt sich, dass der diesen zugeordnete Strafbereich („unteres Drittel“ des Strafrahmens)325 maximal bis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren reichen darf.326 Aus der Obergrenze dieses Strafbereichs leitet sich – nach ggf. notwendiger Ersetzung der Strafrahmenuntergrenze durch das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe – ab, dass bei Vergehen die maximal zulässige Höchststrafenandrohung bei 6 Jahren Freiheitsstrafe liegt (insoweit Verdreifachung der Höchstgrenze des Strafbereichs für Regelfälle (2 Jahre Freiheitsstrafe). Bei Vergehen darf der Gesetzgeber damit als Strafrahmenobergrenze maximal eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren festlegen. Die Festsetzung einer höheren Strafrahmenobergrenze hingegen ist unzulässig, da in diesem Falle bereits aufgrund der Höhe der Strafrahmenobergrenze (d. h. unabhängig von der Festsetzung der Strafrahmenuntergrenze) ein Teil der Regelfälle aus dem Bereich strafaussetzungsfähiger Strafen herausfällt und damit eine vergehensspezifische Rechtsfolgenanordnung (Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle) fehlt. 4. Höchststrafenfestsetzung bei Vergehen mit im Mindestmaß erhöhter Strafandrohung Für diejenigen Vergehen, bei denen die Strafrahmenuntergrenze nicht dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht, gilt nichts anderes. Ein Verstoß gegen das Stringenzgebot ist bei solchen Vergehen (d. h. Vergehen, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung versehen sind) nicht schon dann begründet, wenn nicht sämtliche Regelfälle der Deliktsverwirklichung der Strafaussetzungsfähigkeit unterliegen. Wird dies lediglich durch die, diesen Vergehen immanente, angehobene Mindeststrafenandrohung verursacht, so bleibt die Regelung in sich schlüssig, da sich nämlich gerade nicht zwei Strafrahmenkomponenten 324
Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63. Siehe nur Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208 ff. 326 Und damit vollständig im Bereich der strafaussetzungsfähigen Freiheitsstrafen liegt (vgl. § 56 StGB). 325
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widersprechen. Es liegt dann nur ein Scheinwiderspruch vor. Die Strafrahmenobergrenze327 setzt sich in diesem Fall nämlich nicht in Widerspruch zur Einordnung des Unwerttypus als Vergehen.328 Erst wenn die Höchststrafe „an sich“ dazu führt, dass nicht sämtliche Regelfälle der Strafaussetzungsmöglichkeit unterliegen, kann von einem Verstoß gegen den Schuldgrundsatz ausgegangen werden. Als „Kontrollfrage“ kann daher danach gefragt werden, ob die Einschränkung der Strafaussetzungsmöglichkeit bzgl. der Regelfälle auch dann gegeben wäre, wenn die Mindeststrafe nicht erhöht wäre, diese also dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspräche. Dies ist – wie im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt – erst dann der Fall, wenn die Strafrahmenobergrenze bei mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe liegt. Ansonsten ist zu konstatieren, dass die Reduzierung der Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit unproblematisch ist. Denn sie beruht auf der Anhebung der Mindeststrafenandrohung. Führt diese Überschreitung des absoluten Mindestmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe jedoch nicht dazu, dass dem Delikt der Vergehenscharakter entzogen wird (gemäß § 12 StGB bleibt das Delikt ein Vergehen, soweit die Mindeststrafe von einem Jahr nicht erreicht wird), so können auch daraus folgende (mithin mittelbare) Auswirkungen auf das Gefüge der Strafandrohung nicht herangezogen werden, um die Widersprüchlichkeit der Rechtsfolgenfestsetzung zu begründen. Denn sie sind gerade in dieser Anhebung der Strafrahmenuntergrenze begründet. Diese jedoch wird durch § 12 StGB für die Straftatkategorie Vergehen gerade zugelassen. VI. Das Abweichen des gesetzlichen Strafrahmens von den aufgeführten Grundlagen – einseitiges Schutzkonzept Wie bereits dargelegt, gebietet es der Schuldgrundsatz, dass der Gesetzgeber seine Bewertung eines Unwerttypus in erkennbarer Weise zum Ausdruck bringt.329 Diese erfolgt nicht ausdrücklich, sondern durch die Zuordnung eines Strafrahmens im Besonderen Teil des StGB.330 Aus dem Strafrahmen kann die Einordnung als Ver327
Dazu, dass auch keine Absenkung der Höchststrafenandrohung erforderlich ist, siehe Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. e). 328 Die Strafrahmenobergrenze ist nämlich in diesem Fall nicht Ursache für den Ausschluss einiger Regelfälle aus dem aussetzungsfähigen Strafbereich; eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. e). 329 Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. I.; im Ergebnis gleich (jedoch unter Anknüpfung an das Bestimmtheitsgebot) BVerfGE 105, 135, 153 ff. 330 An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass bei der Ermittlung dieser gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus ausschließlich auf den im Besonderen Teil des StGB zugeordneten Strafrahmen zurückgegriffen werden kann. Dieser dient der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus. Ihm ist die abstrakte Bewertung des Unwerttypus zu entnehmen. Gravierenden Unrechts- und/oder Schuldminderungen im Einzelfall (bspw. die Nichtvollendung des Delikts bzw. das Vorliegen von eingeschränkter Schuldfähigkeit) wird hingegen (zumindest teilweise) durch die entsprechenden Sonderstrafrahmen (bzw. durch Strafrah-
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brechen bzw. Vergehen abgeleitet werden. Auch sind ihm die Möglichkeiten der Strafenverhängung (insb. die Zulassung bzw. Nichtzulassung bestimmter Strafarten) zu entnehmen. Die idealtypische Bewertung eines Unwerttypus ist von Stringenz geprägt. Jedoch kann es sein, dass die tatsächliche Bewertung (Strafrahmenzuordnung) nicht dieser idealtypischen Bewertung entspricht. Wie bereits ausführlich dargelegt,331 darf bei Vergehen die Strafrahmenobergrenze nicht höher liegen als 6 Jahre Freiheitsstrafe. Beachtet der Gesetzgeber dies nicht, legt er die Strafrahmenobergrenze also höher als 6 Jahre, so widerspricht dies der Einordnung des Unwerttypus als Vergehen. Insoweit stellt sich die festgesetzte Höchststrafe in Widerspruch zur Indikation der Mindeststrafe, welche die gesetzgeberische Einordnung als Vergehen anzeigt. Damit ist eine hinreichend erkennbare gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus nicht mehr gegeben. Ein solcher (in seinen „Aussagen“ widersprüchlicher) Strafrahmen verstößt gegen den Schuldgrundsatz, welcher – wie anfangs des Kapitels aufgezeigt332 – die eindeutige und erkennbare gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus fordert. Er ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden. Die Darstellung der praktischen Folgen dieser Beurteilung, namentlich die Beantwortung der Frage nach der Nichtigkeit entsprechender Strafnormen, soll den Ausführungen im letzten Kapitel der Untersuchung vorbehalten bleiben. Auf Folgendes ist jedoch vorliegend hinzuweisen. Für Verbrechen besteht keine Verpflichtung als Strafrahmenobergrenze einen „Wert“ über 6 Jahren Freiheitsstrafe festzusetzen. Vielmehr kann der Gesetzgeber bei Verbrechen auch eine niedrigere Höchststrafe (6 Jahre oder weniger) im Strafrahmen festsetzen. Dies kann einen Verstoß gegen den Schuldgrundsatz nicht begründen. Dieser greift nämlich nur dann ein, wenn der Widerspruch zwischen den Indikatoren für die Unwerttypusbewertung (ein Indikator indiziert die Einordnung als Vergehen, ein anderer die Einordnung als Verbrechen) auf einer zu großen Weite des Strafrahmens beruht. Gestaltet der Gesetzgeber die Strafrahmen jedoch so eng, dass ein solcher Widerspruch entsteht (bspw. wenn die Strafrahmenuntergrenze eine Einordnung als Verbrechen angibt (da mindestens 1 Jahr festgesetzt), die Strafrahmenobergrenze (da nicht höher als 6 Jahre) hingegen eine Einordnung als Vergehen), so ist dies nicht vom Schutzbereich umfasst. Der Schuldgrundsatz soll in der hier entfalteten Ausprägung lediglich die Entstehung zu weiter Strafrahmen unterbinden und nicht den Gesetzgeber daran hindern, besonders enge Strafrahmen zu fassen. Denn diese (scil. die besonders engen Strafrahmen) geben die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus bemenverschiebungen) im Allgemeinen Teil des StGB Rechnung getragen. Diese im Allgemeinen Teil des StGB befindlichen Sonderstrafrahmen dienen dazu, dass auch in atypischen Fällen (bei denen eine Unrechts- und/oder Schuldminderung von großem Ausmaß vorliegt) dem Unrechtsgehalt der konkreten Verwirklichung hinreichend Rechnung getragen werden kann. Sie dienen daher nicht der abstrakten Bewertung des Unwerttypus und bleiben daher bei der Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus unberücksichtigt. 331 Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. V. 332 Siehe dazu Kapitel 3 § 6 B. I.
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sonders genau wieder. Ein zu enger Strafrahmen kann daher denknotwendig nicht gegen den Schuldgrundsatz in der hier entwickelten Ausprägung verstoßen. VII. Formulierung eines Ergebnisses hinsichtlich der Frage der zulässigen Reichweite von Strafrahmen bei grunddeliktischen Vergehen Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass bei grunddeliktischen Vergehen die Strafrahmenausgestaltung dann unzulässig ist, wenn die festgesetzte Höchststrafe an sich (d. h. auch bei Hinwegdenken333 der ggf. vorliegenden erhöhten334 Mindeststrafe) dazu führt, dass nicht sämtliche Regelfälle der Deliktsverwirklichung der Strafaussetzungsmöglichkeit unterliegen und diese daher ursächlich ist für das Nichtvorliegen dieses prägenden Merkmals der Deliktsart Vergehen. Bereits die Höchststrafenfestsetzung allein335 muss das Abweichen der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit von der deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit verursachen.336 Bei einem Grunddelikt, welches ein Vergehen ist, darf damit die Strafrahmenobergrenze bei maximal 6 Jahren liegen.337 Setzt der Gesetzgeber für ein Grunddelikt, welches als Vergehen ausgestaltet ist, eine höhere Freiheitsstrafe fest, so verstößt er gegen den Schuldgrundsatz in der hier entwickelten Ausprägung. 333
Insoweit muss bei dieser Prüfung an die Stelle der erhöhten Mindeststrafe das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe gesetzt werden (insoweit also hypothetisch die Konstellation zu Grunde gelegt werden, dass es sich um ein Vergehen handelt, bei dem die deliktische Mindeststrafe dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht, mithin 1 Monat beträgt). 334 Erhöht meint hierbei die Abweichung der deliktischen Mindeststrafe vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (dies ist der Fall, wenn im Strafrahmen als Mindeststrafe eine Strafe von mehr als einem Monat festgesetzt ist). 335 D. h. unabhängig von einer etwaigen Anhebung der Strafrahmenuntergrenze über das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (also nicht erst i.V.m. einer Anhebung der Strafrahmenuntergrenze über das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe). 336 Daraus folgt, dass bei Festsetzung einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung (also Festlegung der Strafrahmenuntergrenze über dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe) keine Pflicht besteht, die Strafrahmenobergrenze so weit abzusenken, dass sämtliche Regelfälle der Deliktsverwirklichung strafaussetzungsfähig bleiben. Auch wenn die Strafrahmenuntergrenze nicht dem Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht (mithin mehr als 1 Monat Freiheitsstrafe als Mindeststrafe festgesetzt ist), kann als Strafrahmenobergrenze ein Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe festgesetzt werden. Dass in diesem Fall nicht sämtliche Regelfälle der Möglichkeit der Strafaussetzung unterliegen, ist nicht durch die Strafrahmenobergrenze ansich verursacht, denn würde man die erhöhte Mindeststrafe wegdenken, so wäre bzgl. sämtlicher Regelfälle die Möglichkeit der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung gegeben (da das untere Drittel dieses Strafrahmens dann von 1 Monat Freiheitsstrafe bis 2 Jahren Freiheitsstrafe reichen würde). 337 A.A. Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420, 421 f., der in Hinblick auf die Strafrahmenweite scheinbar keine Grenzen sieht.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
An diese Feststellung der Unvereinbarkeit solcher Strafrahmen mit den Vorgaben des Schuldgrundsatzes knüpft sich die Frage an, wie sich dieser Befund auf entsprechenden Strafnormen (also mit solchen Strafrahmen ausgestattete Vergehen) auswirkt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Laufe seiner Rechtsprechung neben der Nichtigkeitserklärung weitere Entscheidungsvarianten entwickelt.338 Letztlich geht es bei diesen darum, die Rigitität der Folgen einer allumfassenden Nichtigkeitserklärung abzumildern. In der vorliegenden Situation verfassungswidriger – weil zu weit geratener – Vergehens-Strafrahmen kommt zum einen die Teilnichtigkeitserklärung in Betracht. Diese ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die im letzten Kapitel dieser Arbeit aufgezeigt und geprüft werden. Folge einer solchen bloßen Teilnichtigkeit ist, dass die Norm im Übrigen weiterhin Geltung beansprucht und angewandt werden kann; lediglich der als verfassungswidrig und damit nichtig ausgemachte Teil müsste unangewendet bleiben. Bezogen auf die Vergehenstatbestände mit zu weitem Strafrahmen bliebe zumindest eine Strafvorschrift mit kupiertem Strafrahmen. Hierdurch werden ein ansonsten möglicherweise entstehendes strafrechtliches Vakuum sowie die damit einhergehenden Schutzlücken vermieden. Alternativ käme wohl auch eine bloße Unvereinbarkeitserklärung entsprechender Vergehenstatbestände durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht, was – im Gegensatz zur Nichtigkeitserklärung – die Möglichkeit der Anordnung der übergangsweisen Weitergeltung339 (Übergangsfrist)340 dieser Strafnormen schaffen würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verfassungswidrige Rechtsnormen für eine Übergangszeit ausnahmsweise voll bzw. teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm dies aus verfassungsrechtlichen Gründen, beispielsweise aus Gründen der Rechtssicherheit, notwendig macht, damit während dieser Zeit kein Zustand eintritt, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige.341 Diese Tenorierung einer übergangsweisen Weitergeltung dürfte vorliegend wohl aufgrund den bereits erwähnten, durch eine vollständige Nichtigkeitserklärung entstehenden, strafrechtlichen Schutzlücken zu rechtfertigen sein. Gleichwohl dürfte es auch bei dieser Tenorierungsart nur hinnehmbar sein, dass die Strafvorschrift in Hinblick auf ihre Rechtsfolgenanordnung nur im Umfang des gerade noch zulässigen Strafrahmens bis zum Zeitpunkt der Neuregelung weitergilt.342 Eine Bestrafung wäre dann nur noch unter Zugrundelegung des entsprechend 338
Eingehend dazu Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 378 ff. Siehe bspw. BVerfGE 93, 37 ff. 340 Siehe allgemein zur Anordnung einer Übergangsfrist Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 406 f., 417 ff. 341 Siehe BVerfGE 61, 319, 356; 73, 40, 101 f.; 111, 191, 224 f. 342 Diese Kappung des Strafrahmens im Zuge der Tenorierung einer Übergangsregelung dürfte unter Zugrundelegung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zulässig sein. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit in einigen Entscheidungen eine eigene Übergangsregelung getroffen, die so vom Gesetzgeber nicht vorgesehen war; siehe BVerfG, NJW 2009, 209, 213 f.; BVerfGE 93, 37, 84 f. 339
§ 7 Strafrahmenabstufung sowie gesetzgeberische Umsetzungsalternativen
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kupierten Strafrahmens zulässig. Nur so ist gewährleistet, dass ein Angeklagter nicht aus einem überweiten – und damit verfassungsrechtlich nicht haltbaren – Strafrahmen bestraft wird, gleichwohl aber den staatlichen Schutzpflichten in Form der Gewährleistung strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes ausreichend Rechnung getragen wird.
§ 7 Die Notwendigkeit der Strafrahmenabstufung sowie gesetzgeberische Umsetzungsalternativen A. Das Erfordernis einer Strafrahmenabstufung Die im vorangegangenen Kapitel besprochenen Anforderungen an die Strafrahmenbildung sowie -zuordnung entfalten auch Wirkung im Bereich der Strukturierung einzelner Deliktsgruppen. Denn eine Strafrahmenabstufung ist dann zwingend vorzunehmen, wenn an ihre Stelle die Ausdehnung des (grund-)deliktischen Strafrahmens aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht treten kann; Letzteres also keine zulässige Regelungsalternative für den Gesetzgeber darstellt.343 So ist es, wie soeben aufgezeigt wurde, nach den Anforderungen des Schuldgrundsatzes344 dem Gesetzgeber verwehrt, bei Vergehen eine Strafrahmenobergrenze festzusetzen, die mehr als 6 Jahre Freiheitsstrafe beträgt. Insoweit kann der Gesetzgeber bei der Strafrahmenbildung nicht nach freiem Belieben verfahren, sondern unterliegt bestimmten Grenzen. Die Kombinationsmöglichkeiten in Hinblick auf Mindeststrafen- und Höchststrafenfestsetzung sind damit beschränkt. Es ist dem Gesetzgeber beispielsweise verwehrt, bei einem Strafrahmen eine Mindeststrafe unter einem Jahr festzusetzen, gleichwohl jedoch als Obergrenze des Strafrahmens eine Freiheitsstrafe von mehr als 6 Jahren vorzusehen. Damit kann der Gesetzgeber nicht eine Strafrahmenuntergrenze von weniger als einem Jahr mit einer Strafrahmenobergrenze von mehr als 6 Jahren kombinieren. Virulent wird diese Problematik, wenn es um die Regelung von Delikten geht, die auf vielfältige Weise verwirklicht werden können, bei denen daher die verschiedenen Begehungsformen einen stark voneinander abweichenden Unrechtsgehalt aufweisen (also Tatbeständen mit „weitgespannten Schweregraden“345) und die infolgedessen unterschiedlicher Strafen bzw. gesetzlicher Strafandrohungen bedürfen.346 Hier (d. h. 343 Dieser Zusammenhang wird zutreffend von Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 290 erkannt. Im Ansatz auch Walter, NStZ 2014, 368 f. mit Blick auf die anstehende Neuordnung der Tötungsdelikte. 344 Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. V. 345 So die Bezeichnung in der Begründung zum Entwurf 1962, siehe BT-Drucks. IV/650, S. 97. 346 Diese Grundsatzproblematik wurde auch im Rahmen des Entwurfs 1962 thematisiert; siehe BT-Drucks. IV/650, S. 183 f.: „Zahlreiche Tatbestände des Besonderen Teils sind infolge
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
bei Delikten, bei denen es – neben (besonders) schweren Begehungsarten – vermehrt Verwirklichungsformen mit sehr geringem Unrechtsgehalt gibt) ist es dem Gesetzgeber wegen des Übermaßverbots verwehrt, die Mindeststrafe bei einem Jahr festzusetzen, um damit die Möglichkeit zu eröffnen als Strafrahmenobergrenze einen Strafwert von mehr als 6 Jahre Freiheitsstrafe anzusetzen.347 Der Gesetzgeber ist damit (aufgrund des Erfordernisses, eine Mindeststrafe von weniger als 1 Jahr Freiheitsstrafe vorzusehen) daran gehindert, dem Delikt (auch) den Strafbereich über 6 Jahren Freiheitsstrafe unmittelbar, d. h. durch ein und denselben Strafrahmen, zuzuordnen. Wie soeben erwähnt wurde, würde bei einem solchen Delikt (mithin einem Delikt, bei dem auch die Begehung unter Verwirklichung eines sehr geringen Unrechtsgehalts möglich ist und auch regelmäßig vorkommt) die Festsetzung einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe einen Verstoß gegen das Übermaßverbot darstellen. Insoweit weist der denkbar leichteste Fall nämlich gerade keinen solchen Unrechtsgehalt auf, der die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr rechtfertigen würde.348 Da andererseits – wie ausführlich aufgezeigt – die Kombination einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe mit einer Mindeststrafe unter 1 Jahr Freiheitsstrafe aus Sicht des Schuldgrundsatzes unzulässig ist, bedarf es in diesen Fällen einer Strafrahmenabstufung.
ihrer abstrakten Ausformung so geartet, daß sie Taten von außerordentlich unterschiedlichem Unrechts- und Schuldgehalt umfassen. Das bedingt eine große Spannweite des zugehörigen Strafrahmens, der sowohl für die leichtesten wie auch die schwersten Fälle eine gerechte Strafe ermöglichen muß. Da auf der anderen Seite aber gegen übermäßig weite Strafrahmen rechtsstaatliche Bedenken bestehen, weil sie dem Richter keinen hinreichenden Anhalt für die Bewertung des in dem Tatbestand beschriebenen Unrechts bieten, muß sich das Gesetz um eine sachgemäße Unterteilung solcher Strafrahmen bemühen.“; angesprochen ist damit die Notwendigkeit einer Strafrahmenabstufung „nach oben“. Siehe dazu auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 93 f. 347 Insoweit verstößt eine solche Strafandrohung, die auch für Bagatellfälle eine Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitstrafe vorsieht, gegen das Übermaßverbot. Letztlich würde dies nämlich dazu führen, dass der Richter aufgrund der zwingenden Mindeststrafenfestsetzung gezwungen wäre, eine übermäßig hohe Strafe zu verhängen. Dies jedoch soll das Gebot schuldangemessenen Strafens verhindern, weshalb entsprechende Normen verfassungswidrig sind; vgl. dazu BVerfGE 28, 191, 197; 50, 205, 216; weitere Nachweise bei Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 70. Auch der Hinweis auf die „Ausweichmöglichkeiten“ (so in BVerfGE 50, 205, 215 f.), die der Allgemeine Teil des StGB bietet (bspw. § 47 StGB – kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen; § 56 StGB – Aussetzung zur Bewährung; § 59 StGB – Verwarnung mit Strafvorbehalt; § 60 StGB – Absehen von Strafe), vermag bei dieser Höhe der Mindststrafe (1 Jahr Freiheitsstrafe) nicht mehr zu verfangen, da insoweit einige (§ 47 und § 59 StGB) dieser Optionen bereits tatbestandlich ausscheiden, die anderen hingegen faktisch kaum einschlägig sein dürften. 348 Der Verfassungsverstoß würde sich demzufolge daraus „speisen“, dass der Richter gewzungen wäre, eine übermäßige (mithin unverhältnismäßige) Strafe festzusetzen; vgl. zu dieser Ausprägung der Gebot schuldangemessenen Strafens Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 70 m.w.N.
§ 7 Strafrahmenabstufung sowie gesetzgeberische Umsetzungsalternativen
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Der Gesetzgeber hat dann (aufgrund des Schuldgrundsatzes) für das Grunddelikt einen (Regel-)Strafrahmen vorzusehen, dessen Obergrenze maximal 6 Jahre beträgt.349 Die Beschränkung des gesetzgeberischen Spielraumes bei der Strafrahmenbildung führt mittelbar zur Notwendigkeit, für die schweren und besonders schweren Verwirklichungsformen des Delikts einen oder mehrere Sonderstrafrahmen vorzusehen.350 Diese Abschichtung von Sonderstrafrahmen dient damit (auch) dazu, den Anforderungen des Schuldgrundsatzes (speziell dem Gebot, mittels der Zuordnung des Strafrahmens zum Unwerttypus eine erkennbare gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus vorzunehmen, insoweit Gebot der inneren Stringenz des Strafrahmens bzw. Widerspruchsfreiheit der Strafrahmenkomponenten) an den Normalstrafrahmen (Strafrahmen des Grunddelikts) Rechnung zu tragen. Ein Zweck dieser Strafrahmenabschichtung ist es damit, die Voraussetzungen dafür zu schaffen,351 dass der Strafrahmen des Grunddelikts (der Regelstrafrahmen) so eingeengt werden kann, dass er eine sachgerechte gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus erkennen lässt. Insoweit ist die Möglichkeit der Strafrahmeneinengung dann gerade bedingt durch die Vornahme einer Strafrahmenabschichtung.352 Bei den in Frage stehenden Delikten dient die Strafrahmenab349
Die Notwendigkeit einer Mindeststrafenandrohung von unter 1 Jahr Freiheitsstrafe ergibt sich – wie bereits dargelegt – aus den Erfordernissen des Übermaßverbots (der Unrechtsgehalt der leichten Fälle würde nämlich die Verhängung von einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr nicht rechtfertigen; die Festsetzung einer solchen Mindeststrafe (Mindeststrafe 1 Jahr oder mehr) bedeutet dann nämlich bereits einen Verstoß gegen das Übermaßverbot; siehe allgemein zu den verschiedenen (vom Bundesverfassungsgericht entwickelten) Ausprägungen des Gebots schuldangemessenen Strafens Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 68 ff. 350 Im Ansatz erkannt von Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 290, der zutreffend darauf hinweist, dass Strafrahmen nicht beliebig ausgeweitet werden können; a.A. Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420, 421 f., der jedoch verkennt, dass Strafrahmen nicht beliebig weit sein dürfen. Insoweit ergeben sich aus dem Schuldgrundsatz sowie aus dem Bestimmtheitsgebot bzgl. der Strafrahmenweite Zulässigkeitsschranken (eingehend dazu Kapitel 3 § 6 A. sowie B.). 351 Indem die besonders schweren Verwirklichungsformen in eine andere Strafnorm gefasst und damit aus dem Anwendungsbereich des Grunddelikts herausgenommen werden, entfällt die Notwendigkeit der Bereitstellung einer angemessenen Strafandrohung für diese Verwirklichungsformen im grunddeliktischen Bereich. Durch diese Verschiebung aus dem Bereich des Grunddelikts wird damit das bereits erwähnte Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit, für sämtliche Erscheinungsformen des Delikts eine angemessene Strafdrohung bereitzustellen, und dem Gebot überweite Strafrahmen zu vermeiden „entschärft“. Insoweit sind die besonders schweren Verwirklichungsformen nunmehr nämlich ausschließlich durch die Strafandrohung der „aufgesetzten“ Norm (den Sonderstrafrahmen) zu erfassen. Da der grunddelikitsche Strafrahmen für die besonders schweren Begehungsarten eine angemessene Strafandrohung daher nicht mehr bereithalten muss, kann dessen Obergrenze herabgesetzt werden, ohne dass „Strafandrohungslücken“ entstehen. 352 Siehe dazu auch – freilich ohne die vorliegend entwickelten verfassungsrechtlichen Grundlagen und Vorgaben für die gesetzgeberische Gestaltung von Deliktsgruppen – die Ausführungen von Koffka aus dem Jahr 1956 in den Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommissionen zur Vorbereitung des Entwurfs des Besonderen Teils eines Strafgesetzbuchs, 2. Band, II. Unterkommission, S. 26: „Von Bundesrichterin Dr. Koffka, die zu einer geringeren Höchststrafe neigte, wurde erwidert, je mehr bei der Normierung der Tatbestände differenziert werde, desto enger müsse der jeweilige Strafrahmen sein.“. Siehe auch Walter, in:
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
schichtung damit der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Rechtssicherheit (Gebot der „engen“ Strafrahmen) und Gerechtigkeit (Bereitstellung angemessener Strafdrohungen für sämtliche Begehungsformen des Delikts).353 Zudem hat dieses Vorgehen auch einen praktischen Vorteil. Es bewirkt, dass bei der Bildung des Regelstrafrahmens (Strafrahmen des Grunddelikts) auf das Regeltatbild (mithin die regelmäßigen Verwirklichungsformen) fokussiert werden kann.354 Bei Delikten, bei denen die verschiedenen Verwirklichungsformen einen stark voneinander abweichenden Unrechtsgehalt aufweisen (bspw. Körperverletzung, Diebstahl) und bei denen den besonders leichten Verwirklichungsformen nur ein geringer Unrechtsgehalt innewohnt (Bsp.: Ohrfeige, Stehlen eines Apfels), erfordern Schuldgrundsatz und Übermaßverbot in ihrem Zusammenspiel – will der GesetzGS Walter, S. 831, 842, der in Bezug auf die derzeit geltenden weiten Strafrahmen ausführt: „Solche Spannen hat der Gesetzgeber zu vermeiden, indem er noch genauer als bisher die wichtigsten Varianten einer Tat, zum Beispiel eines Diebstahls, unterschiedlichen, enger gestuften Strafrahmen zuordnet; am besten mit Regelbeispielen, da sie ein guter Kompromiss sind zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit.“. 353 Siehe dazu BT-Drucks. IV/650, S. 101, wo folgendermaßen ausgeführt wird: „Auch sonst ist er bemüht, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit allenthalben zu verwirklichen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß der Entwurf sich bemüht, die Strafrahmen möglichst eng zu halten, weite Strafrahmen zu unterteilen und besonders schwere Fälle durch Anführung von Beispielen tatbestandlicher Bestimmtheit anzunähern.“; siehe auch BT-Drucks. IV/650, S. 97 f., 183 f. Allgemein zum Spannungsverhältnis BVerfGE 105, 135, 155; siehe zudem Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 67, der von einem rechtsstaatlichen In-Sich-Konflikt spricht (einerseits mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot die Notwendigkeit der „Voraussehbarkeit der Sanktion“, andererseits „[erfordert] das Verhältnismäßigkeitsgebot […] Schuldangemessenheit und damit abgestufte Reaktionsmöglichkeiten […]“). 354 Diese Orientierung am Regeltatbild ermöglicht es, die Strafrahmen für den grunddeliktischen Unwerttypus enger zu gestalten. Ähnlich, für den Fall der Bildung von Qualifikations- bzw. Privilegierungstatbeständen, Hettinger, GA 1995, S. 399, 411, der es jedoch (in Hinblick auf die Unrechtsbescheibung) als Erfordernis ansieht, dass „[…] die besonders hervorzuhebenden Verwirklichungsweisen umfassend auf den spezielleren Begriff […]“ gebracht werden. Dies mag man zwar als allgemeine Zielsetzung für die Gesetzesformulierung anerkennen. Jedoch ist eine solche Genauigkeit der Formulierung der Voraussetzungen für die Eröffnung des Sonderstrafrahmens nicht notwendige Bedingung für die Tauglichkeit einer Strafnorm als Strafrahmenabschichtungsinstrument (mithin als (mittelbar wirkendes) Instrument zur Erfüllung der Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Ausgestaltung des grunddeliktischen Strafrahmens). Die Vorgaben des Schuldgrundsatzes beziehen sich in diesem Fall nämlich nur auf die Ausgestaltung des grunddeliktischen Strafrahmens und erfordern lediglich, dass dieser so eng ist, dass er eine gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus erkennen lässt (mithin muss der Strafrahmen in sich schlüssig sein). Dies bedingt lediglich die Notwendigkeit, den grunddeliktischen Strafrahmen entsprechend eng auszugestalten, besagt jedoch nichts über die Ausgestaltung der Strafnorm, welche als Strafrahmenabschichtungsinstrument dient. Jedoch hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung dieser Norm andere (verfassungsrechtliche) Vorgaben zu beachten, die eine bestimmte Gestaltung dieser Strafnorm erfordern können (ausführlich dazu u. a. Kapitel 4). Allenfalls festzustellen ist, dass die Regelungsform der unbenannten „besonders schweren Fälle“ nicht geeignet ist zur Durchführung einer Strafrahmenabschichtung in Hinblick auf die entfalteten Vorgaben des Schuldgrundsatzes (siehe dazu die folgenden Ausführungen in Kapitel 3 § 7 C.).
§ 7 Strafrahmenabstufung sowie gesetzgeberische Umsetzungsalternativen
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geber für sämtliche Formen der Deliktsverwirklichung eine adäquate Strafdrohung gesetzlich bereitstellen – die Abschichtung von Sonderstrafrahmen und damit eine Ausdifferenzierung der Deliktsgruppe. In diesen Fällen ist der Gesetzgeber also dazu gezwungen, neben das Grunddelikt weitere Strafnormen mit eigenen Strafrahmen (den Sonderstrafrahmen) zu setzen.
B. Kombination von grunddeliktischem Verbrechenstatbestand und Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“ (Strafrahmenabstufung „nach unten“) als Regelungsalternative? Bevor auf die verschiedenen Regelungsalternativen des Gesetzgebers eingegangen wird, muss zunächst erörtert werden, inwieweit eine Strafrahmenabstufung „nach unten“ (Ausgestaltung des Grundelikts als Verbrechen355 und Ergänzung dieses Grunddelikts durch einen Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“356) eine Möglichkeit darstellt, den soeben aufgezeigten Anforderungen des Schuldgrundsatzes an die Strafrahmengestaltung zu genügen.357 Zu untersuchen ist also, ob ein solches Vorgehen ein taugliches Mittel sein kann zur Durchführung der notwendigen Strafrahmenabstufung. Es geht darum zu klären, ob dieses Vorgehen stets eine Alternative darstellt zu den bereits aufgeführten Regelungstechniken „Qualifikationstatbestand“, „Regelbeispielstechnik“, „unbenannte besonders schwere Fälle“ (mithin den Formen der Strafrahmenabstufung „nach oben“).358 I. Keine sachgerechte Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge Es soll zunächst das Ergebnis der Überlegungen vorangestellt werden. Diese Art der Ausgestaltung der Deliktsgruppe (Strafrahmenabstufung „nach unten“) kann nicht pauschal als Alternative zu den anderen Regelungsformen (Strafrahmenabstufung „nach oben“) angesehen werden. Nach (ständiger) verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein, was aus dem Schuldgrundsatz abgeleitet wird.359 Die Ausgestaltung des grunddeliktischen Strafrahmens 355 Infolgedessen besteht die Möglichkeit als Höchststrafe eine Freiheitsstrafe von mehr als 6 Jahren festzusetzen. 356 Insoweit Eröffnung der Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von weniger als 1 Jahr unter der Voraussetzung des Vorliegens eines minder schweren Falles. 357 Angesprochen, jedoch mit anderem Fokus, und letztlich verworfen hat diese Möglichkeit der relativierenden Strafrahmenabstufung „nach oben“ Montenbruck, NStZ 1987, 311, 312. Allgemein kritisch bezüglich der Verwendung des „[…] problematischen Regelungstyp[s] der minder schweren Fälle […] [als] Auffangbecken für missratene oder […] eindeutig falsche […] Regelungen […]“ Hettinger, in: FS Roxin, S. 273, 283. 358 Siehe allgemein zu diesen Kapitel 2 § 4 E. II., IV. und V. 359 Siehe nur BVerfGE 45, 187, 259 f.; 105, 135, 154.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
(Regelstrafrahmen) muss sich daher am grunddeliktischen Unwerttypus orientieren, er wiederum (scil. der grunddeliktische Strafrahmen) muss diesem (dem grunddeliktischen Unwerttypus) entsprechen.360 Ist der grunddeliktische Strafrahmen nach „Art“ eines Verbrechens361 ausgestaltet, so muss der grunddeliktische Unwerttypus auch tatsächlich einen entsprechenden Unrechtsgehalt aufweisen.362 Dies wiederum ist bei den hier interessierenden Konstellationen nicht gegeben. Es handelt sich nämlich um Delikte (bspw. Diebstahl, Körperverletzung), bei denen die regelmäßige Verwirklichungsform lediglich mit einem geringen Unrechtsgehalt verbunden ist. Erst das Vorliegen bestimmter Unrechtsfaktoren (bspw. Einbruch in eine Wohnung bzw. Verursachung einer Erblindung) bewirkt ein (sehr) starkes Ansteigen des Unrechtsgehalts. Die Ausgestaltung des grunddeliktischen Strafrahmens nach „Art“ eines Verbrechens entspräche damit nicht dem Unrechtsgehalt des grunddeliktischen Unwerttypus. Infolgedessen wäre die notwendige sachgerechte Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge363 nicht gegeben.
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Nach Appel, Verfassung und Strafe, S. 527 „[…] [muss] der Strafrahmen allgemein einen Bezug zu dem Zweck der bewehrten Verhaltensnorm und deren Bedeutung innerhalb der Rechtsordnung aufweisen […]“. Ist es jedoch Zweck einer Strafnorm, eines oder mehrere Rechtsgüter zu schützen (siehe dazu Freund, in: MK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 153 ff.), so ergibt sich die Verpflichtung sich an der „Wertigkeit“ des geschützten Rechtsguts zu orientieren. Damit ist jedoch lediglich ein Faktor angesprochen. Zu beachten sind neben der Wertigkeit des Rechtsguts auch andere Faktoren, bspw. die Art der Beeinträchtigung, das Maß der Verletzung, subjektive Unrechtselemente (insofern sind die Ausführungen Appels etwas ungenau, da er „[…] die Modalitäten und die Intensität der defizitären Einstellung zur Norm […]“ scheinbar lediglich beim „Auswerfen“ der Sekundärsanktion (mithin bei der Strafzumessung im Einzelfall) berücksichtigen will (siehe Appel, a.a.O., S. 527). Besser ist es daher das verschuldete Unrecht als Bezugspunkt für die Strafrahmengestaltung zu nehmen (ähnlich das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 45, 187 ff., BVerfGE 45, 187, 254: „[…] Wert des verletzten Rechtsguts und […] Maß der Sozialschädlichkeit der Verletzungshandlung […]“ sowie BVerfGE 45, 187, 260: […] Schwere der Tat und […] Maß der Schuld […]“). Bezogen auf die abstrakte Bewertung des Unwerttypus (durch Strafrahmenbildung sowie -zuordnung) sind dies Unrechts- und Schuldgehalt des niedergelegten Unwerttypus. 361 Gemeint ist damit die Festsetzung einer Mindeststrafe von mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe sowie die Festsetzung einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe. 362 Insoweit ist die Straftatkategorie Verbrechen nämlich gekennzeichnet durch einen besonderen Unrechtsgehalt und eine daraus folgende besondere Sozialschädlichkeit (ausführlich dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 1.; in diese Richtung auch v. Heintschell-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 1; ähnlich Fischer, StGB, § 12 Rn. 2; Saliger, in: NK-StGB, § 12 Rn. 5). Soll die Einordnung eines Unwerttypus als Verbrechen (mithin die Ausgestaltung des konkreten Strafrahmens nach „Art“ eines Verbrechens) „richtig“ sein, so muss der Unwerttypus tatsächlich auch einen entsprechenden Unrechtsgehalt und eine entsprechende Sozialschädlichkeit aufweisen. 363 Vgl. zu dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe BVerfGE 45, 187, 259 f.; 105, 135, 154.
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II. Gestörtes Regel-Ausnahme-Verhältnis – Ursache und Folge Zudem wäre die gerichtliche Praxis bei einer solchen Regelung in Hinblick auf das Übermaßverbot gehalten, den Großteil der Fälle als „minder schwere Fälle“ zu deklarieren und entsprechend den Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“ anwenden. Damit wären die Gerichte jedoch dazu gezwungen, sich gegen die gesetzliche Systematik zu stellen.364 Dies zeigt, dass eine solche Deliktsgruppengestaltung (bei Delikten, bei denen die regelmäßigen Verwirklichungsformen lediglich einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen) von einem gestörten Regel-AusnahmeVerhältnis geprägt wäre. Dieses folgt letztlich daraus, dass es bei einer solchen Deliktsgruppenausgestaltung an einer Orientierung am typischen Fall fehlt. Hierin ist die Ursache für die Störung auszumachen. Wenn der typische Fall bei solchen Delikten einen relativ geringen Unrechtsgehalt aufweist, so muss sich dies auch in der Gestaltung des grunddeliktischen Strafrahmens widerspiegeln. Dieser muss – da das Grunddelikt gerade die Funktion hat, diese typischen Fälle zu erfassen – an diesen typischen Fällen der Deliktsverwirklichung und demnach auch an deren geringen Unrechtsgehalt orientiert sein. Ist dies nicht der Fall (ist also der Strafrahmen nach „Art“ eines Verbrechens ausgestaltet), so kann keine Rede mehr davon sein, dass sich der Gesetzgeber bei der Strafrahmenschaffung am typischen Fall orientiert hat. Gleichwohl besteht jedoch eine solche (nicht strafrechtsspezifische, sondern rechtsgebietsübergreifende) Verpflichtung des Gesetzgebers, wie ein Blick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zeigt.365 Beachtet der Gesetzgeber dies bei der Strafnormschaffung nicht, ordnet er also einem Unwerttypus, dessen regelmäßige Verwirklichungsformen einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen, als Verbrechen ein, so kommt es zu derart „schiefen“ Regelungen.366 Er verursacht damit ein gestörtes Regel-Ausnahme-Verhältnis, was weitreichende Folgen für die Rechtsanwendung (und damit die gerichtliche Praxis) hätte. Wäre beispielsweise die einfache Körperverletzung im Grundtatbestand als Verbrechen nebst Sonderstrafrahmen für minder schweren Fälle ausgestaltet, so müsste angesichts der überwiegend vorkommenden leichten Formen der Deliktsverwirklichung sehr häufig auf einen
364 Unabhängig von dem genannten Konflikt mit dem Übermaßverbot wurde bereits frühzeitig die Tendenz der Gerichte, den „[…] gesetzlichen Ausnahmestrafrahmen zum richterlichen Regelstrafrahmen […]“ zu machen, erkannt; siehe dazu Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 76; siehe auch Schröder, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 89. Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 15 f., hält dieses Vorgehen der gerichtlichen Praxis scheinbar für unbedenklich. 365 Zur Pflicht des Gesetzgebers, sich am Typischen zu orientieren BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.; Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63. 366 Zutreffend weist Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 426, darauf hin, dass die Schaffung eines Sonderstrafrahmens für die leichten Fälle der Deliktsverwirklichung „[…] nicht dazu verführen [darf], das Minimum des ordentlichen Strafrahmen[s] zu hoch festzusetzen.“.
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minder schweren Fall erkannt werden, um eine völlig unverhältnismäßige Freiheitsstrafenverhängung von einem Jahr zu vermeiden. III. Möglicherweise unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Daneben ist eine solche Deliktsgruppengestaltung – soweit sie bei Delikten angewandt wird, bei denen die regelmäßigen Verwirklichungsformen lediglich einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen (bspw. Körperverletzung, Diebstahl) – auch problematisch in Hinblick auf das Übermaßverbot. Zwar besteht die Möglichkeit des Richters, bei Fällen mit geringem Unrechtsgehalt auf den Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“ auszuweichen. Damit kann die Verhängung einer unverhältnismäßig hohen Strafe „umgangen“ werden.367 Jedoch bleibt auch dann die Einordnung der Tat als Verbrechen bestehen (vgl. § 12 Abs. 3 StGB).368 Neben den täterungünstigen Folgen der Verbrechenseinordnung369 dürfte unter dem Blickwinkel des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von besonderer Bedeutung sein, dass eine Verurteilung wegen eines Verbrechens (und eine damit verbundene besondere Stigmatisierung des Täters durch die Bezeichnung als „Verbrecher“) erfolgt,370 obwohl vom Täter tatsächlich nur eine Tat mit (sehr) geringem Unrechtsgehalt verwirklicht wurde.371 Hier drängt sich die Frage auf, ob in der Ver367 Insoweit besteht wohl kein Zwang zur Verhängung einer unverhältnismäßigen Strafe; vgl. zu dieser Ausprägung des Gebots schuldangemessenen Strafens Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 70. 368 In Bezug auf die Qualifikation des § 243 StGB a.F. spricht Gallas, in: FS Maiwald, S. 137, 152, 154, vom Bestehenbleiben der „plakativen Wirkung“, die im Verbrechenscharakter liegt. 369 Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 370 Es ist dabei dem Ansatz von Günther, NJW 1982, 353, 356 zu folgen, der (im Rahmen der Begründung, dass die „Rechtsfolgenlösung“ des BGH eine unverhältnismäßige Mordstigmatisierung darstellt) zutreffend konstatiert, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur der Verhängung einer dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat übersteigenden Strafe entgegensteht, sondern auch „[…] eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht entsprechende straftatbestandliche Zuordnung zum Nachteil des Angeklagten“ verbietet. Unterschieden werden muss daher zwischen dem „Unrechts- und Schuldvorwurf“ und der „Kriminalstrafe“ (Günther, NJW 1982, 353, 356). Ersterer führt zu einer Stigmatisierung des Betroffenen und stellt – wenn er nicht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entspricht – einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar (Günther, NJW 1982, 353, 356; eingehend auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 374 ff.). 371 Im Ansatz ähnliche Ausführungen finden sich bereits in der kritischen Diskussion der „Rechtsfolgenlösung“ des BGH beim Mordtatbestand. Sie werden vorgebracht, um die Unzulänglichkeit der Rechtfolgenlösung des BGH zu begründen; siehe dazu Günther, NJW 1982, 353, 355 f. (Günther, a.a.O., S. 356: Verurteilung des Täters als Mörder greift in Recht auf freie Entfaltung des Angeklagten ein, wenn Unrechts- und Schuldgehalt seiner Tat in Wahrheit nicht über dem eines „Totschlags“ liegt); folgend Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 79; im Ansatz, jedoch ohne grundrechtliche Rückkopplung, Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder,
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urteilung wegen eines Verbrechens und der damit einhergehenden besonderen Stigmatisierung des Täters als „Verbrecher“372 ein unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Täters liegt.373 Für den Fall der Bejahung würde bei solchen Delikten (d. h. Delikten, bei denen die regelmäßigen Verwirklichungsformen lediglich mit einem geringen Unrechtsgehalt verbunden sind) im Regelfall eine Verurteilung gänzlich ausscheiden müssen. Soweit deliktische Verwirklichungsformen mit geringem Unrechtsgehalt betroffen sind, wäre die Verurteilung wegen eines Verbrechens nämlich unverhältnismäßig. Der Richter wäre angehalten, eine Reduktion der Strafnorm vornehmen. Soweit die Strafnorm die Ermächtigung dazu enthält, dem Täter einer deliktischen RegelfallVerwirklichung (die gekennzeichnet ist durch einen geringen Unrechtsgehalt) den Vorwurf zu machen, er sei ein „Verbrecher“, ist nämlich bereits diese unvereinbar mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.374 Darin zeigt sich die Unzulänglichkeit eines solchen gesetzgeberischen Vorgehens. Bei Delikten, bei denen die regelmäßigen Verwirklichungsformen lediglich einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen, ist eine Strafrahmenabstufung „nach unten“ (d. h. die Ausgestaltung des Grundelikts als Verbrechen nebst Ergänzung eines Sonderstrafrahmens für die „minder schweren Fälle“) kein taugliches Mittel zur Deliktsgruppengestaltung bzw. zur Durchführung der notwendigen Strafrahmenabstufung. StGB, § 211 Rn. 10b: Täterstigmatisierung; Hirsch, in: FS Tröndle, S. 19, 28. Dazu, dass hinsichtlich jeden staatlichen Vorwurfs (und in Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage dazu) das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundrechtlicher Prüfungsmaßstab ist, siehe Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 116 ff., 127 f., 287; Minderheitsvotum Graßhof zu BVerfGE 90, 145 ff., BVerfGE 90, 145, 200; so auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 559, 575, den Begriff Primärsanktion („Vorhalt der defizitären Einstellung zur Norm“, siehe Appel, a.a.O., S. 467 ff.) verwendend. 372 Gerade aus Sicht der breiten Bevölkerung stellt ein Verbrechen (besonders) schwerwiegendes Unrecht dar (so die Feststellung bei Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 9; ähnlich Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 225 f., der in der durch das geltende Recht vorgenommenen Abstufung die „legislative Bekräftigung des Volksbewusstseins“ erblickt, sich jedoch de lege ferenda für die Abschaffung des § 12 StGB ausspricht (siehe Mirow, a.a.O., S.278 ff., 282). Infolgedessen ist mit der Bezeichnung als Verbrecher (bzw. der Verurteilung wegen der Begehung eines Verbrechens) auch eine bestimmte, über die normale Stigmatisierungswirkung einer strafrechtlichen Verurteilung hinausgehende, gesteigerte Stigmatisierungswirkung (ein ähnlicher Ansatz findet sich bei Günther, NJW 1982, 353, 356, für die Verurteilung eines Täters wegen Mordes) verbunden (die Verurteilung wegen eines Verbrechens ist mit einem besonderen Unwerturteil verbunden). 373 Zur Feststellung, dass eine Stigmatisierung bzw. Bemakelung unverhältnismäßig sein kann (jeweils in Bezug zu einer Verurteilung wegen Mordes, obwohl der Unrechts-/Schuldgehalt der Tat nicht über dem eines „Totschlags“ liegt) siehe Günther, NJW 1982, 353, 356 (anknüpfend an das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG); Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 79 („unzulässige Beeinträchtigung [des] Persönlichkeitsrechts“). 374 Allgemein zur teleologischen Reduktion als Mittel zur Beschränkung einer zu weit geratenen Vorwurfsermächtigung Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 464 ff.
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IV. Gänzliches Fehlen einer gesetzgeberischen Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus? Auch für den Fall, dass man die Einordnung als Verbrechen und die daraus folgende Verurteilung wegen eines Verbrechens für zulässig erachtet, ergeben sich Probleme. Dann nämlich ist fraglich, ob überhaupt eine erkennbare gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus vorliegt. Die Heranziehung des Sonderstrafrahmens für die „minder schweren Fälle“ als Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus kommt bereits aufgrund der Gesetzessystematik nicht in Betracht. Dieser (scil. der Sonderstrafrahmen für die „minder schweren Fälle“) soll nämlich nach der gesetzlichen Systematik (mithin der vom Gesetzgeber bestimmten Systematik) lediglich diesen „minder schweren Fällen“ vorbehalten sein und bezieht sich damit gerade nicht auf die regelmäßigen Verwirklichungsformen, welche den Kernbereich des grunddeliktischen Unwerttypus darstellen. Doch auch auf den grunddeliktischen Strafrahmen kann nicht abgestellt werden. Ist nämlich offensichtlich, dass der grunddeliktische Strafrahmen (Regelstrafrahmen) aufgrund der hohen Mindeststrafenandrohung mit Blick auf das Übermaßverbot bei der Regelfall-Verwirklichung des Grunddelikts regelmäßig keine Anwendung finden kann (würde also die strikte Anwendung des Gesetzestextes bei den deliktischen Regelfällen stets bzw. sehr häufig zur Verhängung einer unverhältnismäßigen Strafe führen),375 so kann dieser auch nicht als Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus aufgefasst werden.376 Andernfalls müsste man dem Gesetzgeber unterstellen, dass dieser wissentlich eine (teilweise)377 unverhältnismäßige Strafandrohung geschaffen hat bzw. den grunddeliktischen Unwerttypus mit einer unverhältnismäßigen Strafandrohung verknüpfen wollte.378 In solchen Fällen ist es indes wahrscheinlicher, dass es der 375 Handelt es sich also um ein Delikt, bei dem die regelmäßigen Verwirklichungsformen keinen solchen Unrechtsgehalt aufweisen, der eine Bestrafung mit einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr rechtfertigt. 376 Zwar ist die Strafnorm nicht verfassungswidrig (da insoweit eine verfassungskonforme Rechtsanwendung durch extensive Auslegung der Sondervorschrift für „minder schwere Fälle“ möglich ist), jedoch bleibt es dabei, dass der Gesetzestext für die Regelverwirklichung des Delikts eine Strafandrohung enthält, die unverhältnismäßig hoch und daher korrekturbedürftig ist. 377 Nämlich in Hinblick auf die deliktischen Regelfälle (mithin die Verwirklichungsformen, die lediglich einen geringen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen). 378 Insoweit muss nämlich beachtet werden, dass nach der (vom Gesetzgeber geschaffenen) gesetzlichen Systematik gerade für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung die Strafandrohung des Grunddelikts Anwendung finden soll und gerade nicht der Sonderstrafrahmen für die „minder schweren Fälle“. Enthalten diese Regelfälle ausnahmslos keinen solchen Unrechts-/ Schuldgehalt, der die Bestrafung nach der Mindeststrafe (1 Jahr) rechtfertigen würde, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine solche Reichweite der Unverhältnismäßigkeit bewusst in Kauf genommen hat. Dass der Gesetzgeber die richterliche verfassungskonforme Rechtsanwendung (Verschiebung dieser regelmäßigen Verwirklichungsformen in den Bereich der „minder schweren Fälle“) im Blick hatte, stellt angesichts der klaren gesetzlichen Systematik lediglich eine (unbegründete) Vermutung dar.
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Gesetzgeber (aufgrund der zu starken Fokussierung auf die atypischen schweren Fälle der Deliktsverwirklichung) schlicht versäumt hat, eine sachgerechte Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus vorzunehmen, es sich also um ein gesetzgeberisches Versehen handelt. V. Die Ersetzung der Vorschrift für die „minder schweren Fälle“ durch einen Privilegierungstatbestand Angesichts der im vorangegangenen Abschnitt thematisierten Einwendungen könnte man dazu geneigt sein, die „minder schwere Fälle“ zu einem Privilegierungstatbestand umzuformen und dies als Lösung des Problems anzusehen. Es ist zuzugeben, dass damit das Problem eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) entfallen würde, weil die „Verschiebung“ von Fallgruppen in den Privilegierungstatbestand den Verbrechenscharakter beseitigen würde. Denn nach allgemeiner Meinung unterfallen Privilegierungstatbestände nicht der in § 12 Abs. 3 StGB enthaltenen Unbeachtlichkeits-Klausel. Sie sind vielmehr beachtlich im Rahmen der Einordnung als Verbrechen bzw. Vergehen und können daher – wenn durch den Wechsel zum Privilegierungstatbestand die maßgebliche Mindeststrafe unterschritten wird – zum Wandel der Deliktsnatur führen.379 Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sämtliche der anderen aufgeführten Punkte gegen eine Strafrahmenabstufung „nach unten“ auch gegen die Gestaltungsvariante mittels eines Privilegierungstatbestands (mithin eine Strafrahmenabstufung „nach unten“ in Form der Ergänzung eines Privilegierungstatbestandes) sprechen. Letztlich liegt dies darin begründet, dass die Modifizierung (Privilegierungstatbestand statt Regelung von „minder schweren Fällen“) das Grunddelikt und dessen Regelstrafrahmen unberührt lässt. Diese bilden den Gegenstand der formulierten Kritik. Sie bleiben unverändert erhalten, sodass damit hinsichtlich der Kritikpunkte keine Abhilfe geschaffen wird. Wenn man anstelle einer Regelung für „minder schwere Fälle“ einen Privilegierungstatbestand in die Deliktsgruppe einfügt, bleibt nach der gesetzlichen Systematik der Grundtatbestand die „Regel“. Der Privilegierungstatbestand hingegen bildet die Ausnahmeregelung. Damit wird jedoch das systematische Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen beiden Normen aufrechterhalten. Die Art der Regelungsform wirkt sich damit auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht aus. Deshalb bleibt jedoch auch die Störung dieses Verhältnisses mit den daraus (zwingend) folgenden systematischen Brüchen bei der Rechtsanwendung erhalten. Der dahingehend formulierte Kritikpunkt ist damit unabhängig von der formalen Ausgestaltung der Strafrahmenabstufung „nach unten“.
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Siehe nur Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 18; Saliger, in: NK-StGB, § 12 Rn. 10.
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Ebenso fehlt es weiterhin an der erforderlichen Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge. Blickt man nämlich auf den Regelstrafrahmen so zeigt sich, dass dieser keineswegs den grunddeliktischen Unwerttypus wiedergibt. Denn er entspricht dem eines Verbrechens (und führt aufgrund seiner Mindeststrafenfestsetzung zu einer Einordnung als solches), obwohl die Regelfälle des Delikts lediglich einen geringen Unrechtsgehalt aufweisen. Es zeigt sich darin, dass es der Gesetzgeber – entgegen seiner Verpflichtung380 – versäumt hat, sich bei der Normschaffung (konkret: der Strafrahmenzuordnung) am Typischen zu orientieren. Auch dieser Kritikpunkt bleibt erhalten, weil die Art der Ausgestaltung der Strafrahmenabstufung „nach unten“ keine Auswirkungen auf die Bildung des Grunddelikts, insb. die Zuordnung des grunddeliktischen Strafrahmens zum grunddeliktischen Unwerttypus, hat. Die Ersetzung der Regelungsform der „minder schweren Fälle“ durch die Gesetzestechnik des Privilegierungstatbestands betrifft eben nur die Strafrahmenabstufung („nach unten“), nicht aber die Bildung des Grunddelikts und lässt damit die Defizite auf dieser Ebene unberührt. Schlußendlich ist auch bei der Regelung mittels eines Privilegierungstatbestandes zweifelhaft, ob überhaupt eine gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus erkennbar ist. Unabhängig davon ist auch nicht zu verkennen, dass die Schaffung eines Privilegierungstatbestandes mit Schwierigkeiten verbunden ist. Privilegierungstatbestände bilden das Gegenstück zum Qualifikationstatbestand. Die in ihnen enthaltenen Tatbestandsmerkmale haben damit sowohl zwingenden als auch abschließenden Charakter.381 Letzteres führt bei der Ausgestaltung des Grunddelikts als Verbrechen, welche (mit Blick auf das Übermaßverbot) die Notwendigkeit einer beträchtlichen Verschiebung von Fallgruppen in den Anwendungsbereich des Privilegierungstatbestandes erzeugt, zu Problemen. So ist fraglich, ob es gelingen würde, sämtliche Milderungsgründe gesetzlich abzubilden und damit die notwendige mildernde Strafrahmenverschiebung stets zu ermöglichen. Somit würde eine solche gesetzliche Ausgestaltung den Gesetzgeber zu einer weitgehenden Verwendung von Generalklauseln drängen bzw. – soweit der Gesetzgeber eine solche unterlassen hat – den Rechtsanwender zu einer extensiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Privilegierungstatbestands. Dies zeigt, dass darin keine sachgerechte Deliktsgruppenausgestaltung gesehen werden kann.
VI. Fazit Als Ergebnis ist daher Folgendes festzuhalten: Für Delikte, bei denen die regelmäßige Verwirklichungsform lediglich mit einem geringen Unrechtsgehalt ver380
Zur Pflicht des Gesetzgebers, sich am Typischen zu orientieren BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.; Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63. 381 Vgl. nur Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 18.
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bunden ist, stellt es in Hinblick auf eine notwendige Strafrahmenabstufung keine gesetzgeberische Alternative dar, als Grunddelikt einen Verbrechenstatbestand zu schaffen und diesen mit einem Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“ zu verknüpfen.382 Selbiges ist in Hinblick auf eine Strafrahmenabstufung „nach unten“ durch Schaffung eines Privilegierungstatbestandes zu konstatieren. Hinsichtlich solcher Delikte ist vielmehr als Grunddelikt ein Vergehenstatbestand vorzusehen, also das Grunddelikt als Vergehen auszugestalten. Bei diesen Delikten muss die Strafrahmenabstufung deshalb derart vorgenommen werden, dass neben das Grunddelikt, welches als Vergehen ausgestaltet ist (und damit maximal eine Höchststrafe von 6 Jahren androht), eine Strafnorm gestellt wird, die für bestimmte Fälle der Deliktsverwirklichung einen schärferen Strafrahmen vorsieht. Insoweit bedarf es also einer Strafrahmenabstufung „nach oben“.
C. Die Unzulässigkeit der Verwendung der Regelungstechnik der „unbenannten besonders schweren Fälle“ I. Vorbemerkungen In Hinblick auf die Erfüllung dieser Verpflichtung zur Strafrahmenabschichtung („nach oben“) kommen grundsätzlich verschiedene Gesetzgebungstechniken in Betracht. Neben der Schaffung eines Qualifikationstatbestandes sind dies grundsätzlich auch die Regelung von unbenannten „besonders schweren Fällen“ und die Verwendung der Regelbeispielstechnik. Nach den bisher ausgeführten Vorgaben des Schuldgrundsatzes genügt es zur Erfüllung der Verpflichtung zur Strafrahmenabschichtung, eine Strafnorm zu schaffen, welche an bestimmte Voraussetzungen einen neuen Strafrahmen (den Sonderstrafrahmen) knüpft. Damit schafft der Gesetzgeber die Voraussetzung für eine enge Gestaltung des Regelstrafrahmens.383 Dieser muss dann nämlich nicht mehr für diejenigen deliktischen Verwirklichungsformen eine (angemessene) Strafandrohung beinhalten, die dem Sonderstrafrahmen zugeordnet sind.384 Dem Gesetzgeber ist es dadurch möglich, seiner Verpflichtung zur erkennbaren Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus zu genügen.385 382
Freilich bedeutet dies nicht, dass die Verknüpfung eines Verbrechenstatbestandes und eines Sonderstrafrahmens für minder schwere Fälle per se unzulässig ist. In Betracht kommt diese gesetzliche Gestaltung vielmehr, wenn das Grunddelikt ein solches ist, bei dem die regelmäßige Verwirklichung mit einem hohen Unrechts-/Schuldgehalt verbunden ist oder auch in den Fällen, in denen neben einen Qualifikationstatbestand eine Sondervorschrift für „minder schwere Fälle“ gestellt wird. 383 D. h. des Strafrahmens des Grunddelikts. 384 Durch die Verschiebung der besonders schweren Verwirklichungsformen in den Bereich des Sonderstrafrahmens entfällt die Notwendigkeit, diese durch den Regelstrafrahmen zu erfassen. Damit wird der „Boden gelegt“ für eine enge Fassung des Regelstrafrahmens.
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Die gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus findet dann allein im grunddeliktischen Strafrahmen (Regelstrafrahmen) ihren Ausdruck. Bereits durch die Schaffung einer neuen Strafvorschrift mit eigenständigem Strafrahmen (dem Sonderstrafrahmen) zeigt der Gesetzgeber, dass es sich dabei nicht um die Bewertung des Unwerttypus des Grunddelikts handelt. Der Sonderstrafrahmen bewertet vielmehr den, durch die im Voraussetzungsbereich der neuen Strafvorschriften umschriebenen Umstände ergänzten, (neu gebildeten) Unwertsachverhalt.386 Letzterer kann sich freilich auch – so bei der Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle – in der Abbildung der abstrakten Wertgruppe der besonders schweren Fälle erschöpfen. Der grunddeliktische Unwerttypus hingegen wird – wie soeben erwähnt – durch den ihm zugeordneten Strafrahmen (den grunddeliktischen Strafrahmen/ Regelstrafrahmen) bewertet. Diese Strafrahmenabstufung dient dazu, das Spannungsverhältnis aufzulösen, welches besteht zwischen einerseits dem Bedürfnis, für sämtliche Verwirklichungsformen des Delikts eine angemessene Strafandrohung zu schaffen (und damit eine gesetzliche Ermächtigung zu schaffen, die es erlaubt, für sämtliche Begehungsformen eine am Unrecht orientierte, schuldangemessene Strafe zu verhängen) und andererseits der, aus dem Schuldgrundsatz resultierenden, Verpflichtung, den (grunddeliktischen) Strafrahmen so zu gestalten, dass er die gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus hinreichend erkennbar zum Ausdruck bringt (mithin die Weite des Strafrahmens387 hinreichend eng auszugestalten).388 Die Beseitigung dieses Spannungsverhältnisses vermag die bloße Strafrahmenerweiterung (Erweiterung des Regelstrafrahmens/grunddeliktischen Strafrahmens) nicht zu bewirken. Denn sie führt letztlich dazu, dass die erste Komponente (Bereitstellung einer angemessenen Strafandrohung für sämtliche Formen der Deliktsverwirklichung) auf Kosten der zweiten Komponente (die Notwendigkeit, Strafrahmen so zu bilden bzw. die Strafrahmenweite so festzulegen, dass die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt)389 realisiert wird.390 385 Vgl. zu dieser verfassungsrechtlichen Pflicht bereits (freilich unter anderweitiger verfassungsrechtlicher Anknüpfung) BVerfGE 105, 135, 153 ff.; Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57; ausführlich dazu Kapitel 3 § 6 B. I. 386 Liegt die Regelungstechnik des Qualifikationstatbestands vor, so kann der Sonderstrafrahmen die Bewertung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus darstellen (vorausgesetzt, dass im Voraussetzungsbereich der Norm überhaupt ein solcher umschrieben wird). 387 Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. 388 Diese Problematik wurde bereits erkannt während der Arbeiten zum Entwurf 1962 (siehe BT-Drucks. IV/650, S. 183 f.). 389 Insoweit als Ausfluß des Schuldgrundsatzes. Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. 390 Für das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsfolgenbestimmheit und Schuldgrundsatz (in der Ausprägung der Pflicht zur Bereitstellung einer Bestrafungsermächtigung, welche eine schuldangemessene Bestrafung ermöglicht) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass beide Prinzipien „[…] abgewogen und in einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich gebracht werden [müssen], der beiden für das Strafrecht unverzichtbaren Prinzipien möglichst
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Fraglich ist, ob sich der Gesetzgeber bei einer solchen Strafrahmenabstufung sämtlicher Regelungsformen bedienen kann oder ob er diesbezüglich bestimmten Beschränkungen unterliegt. Problematisch sind diesbezüglich die Regelungen der unbenannten „besonders schweren Fälle“. Sieht man in diesen nichts anderes als eine bloße (Grund-)Strafrahmenerweiterung,391 dann drängt sich die Ungeeignetheit dieser legislativen Technik auf. Ob jedoch diese Beurteilung der legislativen Technik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ tatsächlich zutrifft, soll im Folgenden geprüft werden. II. Gleichsetzung der Schaffung einer Strafnorm für unbenannte besonders schwere Fälle mit der bloßen Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens? 1. Strafrahmenabstufung ohne Entsprechung im Bereich des Unrechts Wie bereits festgestellt wurde,392 ist die Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle mit erheblicher (Rechtsanwendungs-)Unsicherheit verbunden. Gerade aus Sicht des Bürgers ist nicht erkennbar, wann bzw. in welchen konkreten Fällen der Sonderstrafrahmen Anwendung findet.393 Geschuldet ist dies der Verwendung der Generalklausel394 „in besonders schweren Fällen“. Bei dieser gesetzgeberischen Regelungsmethode fehlt es an einer Konkretisierung der allgemeinen Wertgruppe der „besonders schwere Fälle“. Diese wird nicht näher spezifiziert, sondern lediglich wiederholend im Voraussetzungsbereich der Strafnorm aufgeführt. Die Wertgruppe wird damit nicht konturiert.395 Dem Richter viel an Substanz belässt.“ (BVerfGE 105, 135, 155). Dem Grundgedanken ist zuzustimmen. Angesichts des weitmaschigen Maßstabs, den das Verfassungsgericht hinsichtlich des Gebots der Rechtsfolgenbestimmtheit annimmt, kommt es jedoch lediglich zu einer Pflicht der Schaffung von Strafrahmen. Dies ist kritikwürdig. Wie die Ausführungen in Kapitel 3 § 6 B. gezeigt haben, genügt es nicht, Strafrahmen zu schaffen. Diese dürfen darüber hinaus auch nicht zu weit gefasst werden. Zu den Einzelheiten siehe Kapitel 3 § 6 B. 391 So Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 150; ders., NStZ 1984, 433, 435: „Die Funktion der unbenannten Strafschärfungsgründe besteht […] in Wahrheit in der Erweiterung des Strafrahmens nach oben hin.“; Zieschang, Jura 1999, 561, 564; Zipf, Strafzumessung, S. 12 f.. Siehe auch Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 46: „[…] kaum getarnte Strafrahmenerweiterung“; dem folgend Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 10; Wilcken, Doppelverwertung, S. 160, 162. 392 Siehe allgemein Kapitel 2 § 4 E. II. 1. sowie IV. 393 Vgl. Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27. 394 Zur Einordnung als Generalklausel Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 9; Kastenbauer, Die Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 108 f.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 150 spricht von einem „normativen Tatbestandsmerkmal höchster Stufe“. 395 Teilweise wird den unbenannten besonders schweren Fällen eine „konturlose Unbestimmtheit“ attestiert; siehe dazu Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 7.
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wird nicht aufgezeigt, welches Maß an Unrechts- bzw. Schuldsteigerung notwendig ist für eine Anwendung des Sonderstrafrahmens.396 Es fehlt an der Aufführung von bestimmten Fällen, die als besonders schwer eingeordnet werden. Betrachtet man hingegen ausschließlich die Rechtsfolgenseite, so kann diese legislative Technik durchaus als Strafrahmenabstufung begriffen werden. Im Ergebnis wird nämlich neben den bestehenden grunddeliktischen Strafrahmen (Regelstrafrahmen) ein Sonderstrafrahmen für „besonders schwere Fälle“ der Deliktsverwirklichung gesetzt. Jedoch verkürzt dies die notwendige Betrachtung dieser Regelungstechnik. Ein Blick auf den Voraussetzungsbereich entsprechender Strafnormen zeigt nämlich, dass der Abschichtung im Bereich der Strafrahmen keinerlei Abschichtung im Bereich des deliktischen Unrechts entspricht.397 Es wird lediglich die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Sonderstrafrahmens festgesetzt. Unklar bleibt jedoch, durch welche Eigenschaften sich Fälle dieser Wertgruppe auszeichnen, insb. welches Maß an Unrechts- und/oder Schuldsteigerung notwendig ist, damit ein bestimmter Fall (also eine bestimmte Verwirklichungsform) als „besonders schwer“ anzusehen ist.398 Es fehlt damit an 396
Siehe auch Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27: Vorenthalten von Entscheidungsvorgaben. 397 In eine ähnliche Richtung gehen die Ausführungen von Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 148 f., der infolgedessen von zwar formeller, nicht jedoch materieller Tatbestandsbildung spricht; ähnlich auch Arzt, JuS 1972, 385, 387. Dieser meint, dass aufgrund der Vagheit der Rechtsvoraussetzungen auf der Rechtsfolgenseite nur scheinbar eine größere Differenzierung erreicht worden ist (vgl. Arzt, a.a.O.). 398 Zuzustimmen ist daher der Kritik von Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27, welche feststellen, dass „[…] der Strafgesetzgeber dem Richter ohne Not Entscheidungsvorgaben vorenthält und die Betroffenen in Unklarheit über seine Wertung lässt.“. Wegen Unbestimmtheit die Verfassungswidrigkeit konstatierend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 123 ff., 130 f.; Calliess, JZ 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 934; ähnlich Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rn. 85: „bedenkliche Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz“; Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27 äußern schwere Bedenken; Zieschang, Jura 1999, 561, 564 meint, dass „[…] angesichts der völligen Offenheit des Begriffs „besonders schwerer Fall“ erhebliche Bedenken in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG“ bestehen; teilweise wird den unbenannten besonders schweren Fällen eine „konturlose Unbestimmtheit“ attestiert; siehe dazu Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 7; Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschnitt Rn. 99, S. 178; Maiwald, NStZ 1984, 433, 434. Im Gegensatz dazu hat das Bundesverfassungsgericht (siehe dazu BVerfG, JR 1979, 28) jedoch entschieden, dass § 212 Abs. 2 StGB (eine Strafnorm für unbenannte besonder schwere Fälle des Totschlags) vereinbar ist mit Art. 103 Abs. 2 GG. Zutreffend weist jedoch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 129 auf die fehlende Verallgemeinerungsfähigkeit dieses Verdikts auf sämtliche Regelungen für unbenannte „besonders schwere Fälle“ hin (insofern ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nämlich maßgeblich davon beeinflusst, dass die in § 211 StGB enthaltenen Mordmerkmale Hinweise darauf geben, welchen Unrechts-/Schuldgehalt der Gesetzgeber fordert für die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe; vgl. BVerfG, JR 1979, 28: „sichere Kriterien für die Auslegung des § 212 II StGB“). Kritisch zu dieser Entscheidung und der Begründung der Verfassungsmäßigkeit des § 212 Abs. 2 StGB Bruns, JR 1979, 28, 30 f.
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einer inhaltlichen Konkretisierung dieser Wertgruppe. Somit gibt die Norm für die unbenannten besonders schweren Fälle letztlich nur das wieder, was ohnehin klar ist:399 Besonders schwere Fälle der Deliktsverwirklichung sind schärfer zu bestrafen400 als die „normalen“ Fälle.401 Einziger Vorteil gegenüber einer bloßen Strafrahmenerweiterung ist, dass der Strafrahmen für die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ gesetzlich festgelegt wird.402 Da es jedoch an einer erkennbaren Abschichtung bestimmter deliktischer Verwirklichungsformen (i.S.e. Heraushebung bestimmter Deliktsverwirklichungsformen aus der Gesamtheit möglicher Deliktsverwirklichungsformen) fehlt, bleibt die enge Verzahnung mit dem grunddeliktischen Unwerttypus bestehen. Es ist aufgrund der Verwendung der Generalklausel im Voraussetzungsbereich403 der Strafnorm nicht möglich zu beschreiben, welchen konkreten Unrechts- und Schuldgehalt die Verwirklichungsformen aufweisen müssen, damit sie dieser Strafnorm (und damit auch dem Sonderstrafrahmen) zugeordnet werden können. Insoweit kann das „Erscheinungsbild“ nicht abgebildet werden.
399 Nimmt man hingegen die Sanktionsseite in den Blick, so zeigt sich, dass die Strafnorm für die „besonders schweren Fälle“ die Bestrafungsermächtigung des Richters erweitert. Diesem ist es aufgrund der gesetzlichen Festsetzung des Sonderstrafrahmens möglich, eine den grunddeliktischen Strafrahmen (Regelstrafrahmen) übersteigende Strafe festzusetzen (vorausgesetzt, der Sonderstrafrahmen enthält eine höhere Höchststrafe als der grunddeliktische Strafrahmen). Dies entspricht der Wirkung einer Strafrahmenerweiterung „nach oben“. 400 Freilich in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung des Richters, d. h. in den Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens. 401 Gerade dies zeigt, dass es berechtigt ist, die Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ gleichzusetzen mit der bloßen Strafrahmenerweiterung. Zutreffend sind die Ausführungen von Maiwald, NStZ 1984, 433, 440: „Soweit die besonders schweren Fälle eine Strafrahmenerweiterung nach oben schaffen, werden mit dieser Rechtsfigur dem Richter Steine statt Brot gegeben. Denn daß der obere Bereich eines Strafrahmens auf schwere Fälle anzuwenden ist und nicht etwa auf mittlere und leichte Fälle – das hat der Richter sicher auch ohne den Hinweis des Gesetzgebers gewußt.“. Insoweit ist mit der Schaffung einer Strafnorm für unbenannte „besonders schwere Fälle“ – mit Ausnahme der damit einhergehenden gesetzlichen Fixierung des Strafbereichs, der den besonders schweren Fällen der Deliktsverwirklichung zugeordnet ist – kein Mehrwert verbunden gegenüber der bloßen Strafrahmenausdehnung. 402 Was im Übrigen in vielen Fällen nicht einmal in konsistenter Weise erfolgt. So ist die Tatsache, dass sich Grund- und Sonderstrafrahmen (weitreichend) überschneiden häufiger Kritikpunkt, siehe Maiwald, NStZ 1984, 433, 436: „Fehlgriff des Gesetzgebers“; Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 150 ff.; Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 217 ff.; ders., in: FS Paeffgen, S. 267, 281 f.; Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 287 ff.; Freund, ZStW 109 (1997), 455, 471 fordert die Verringerung der Strafrahmenüberschneidungen. Freilich ist dies meist Produkt zu weiter Grundstrafrahmen. 403 Siehe zur Einordnung der Formulierung „besonders schwere Fälle“ Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 9; Kastenbauer, Die Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 108 f.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Damit bestätigt sich, dass es an einer Abschichtung im Bereich des deliktischen Unrechts fehlt.404 Der vorgenommenen Strafrahmenabstufung fehlt es somit an einer Entsprechung im Bereich des deliktischen Unrechts. Die Anwendungsbereiche von Regelstrafrahmen (grunddeliktischer Strafrahmen) und Sonderstrafrahmen (Strafrahmen der Strafvorschrift für die „besonders schweren Fälle“) sind nicht hinreichend genau voneinander abgegrenzt. Wie bereits mehrfach erwähnt, fehlt es namentlich an der Bestimmung, welchen Unrechtsgehalt Taten aufweisen müssen, damit auf sie der Sonderstrafrahmen Anwendung findet.405 Insoweit lassen diese Normen – anders als die Vorschriften, welche mittels der Regelbeispielstechnik gebildet werden – einen diesbezüglichen Maßstab vermissen.406 Letztlich stellt die Gesetzgebungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ damit – wie bereits vielfach von anderer Seite konstatiert wurde – tatsächlich nur eine „getarnte Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens“407 dar. Somit ist es zutreffend, wenn darauf verwiesen wird, dass die Verwendung dieser Gesetzestechnik nichts anderes sei als eine bloße Ausdehnung des Strafrahmens.408 404 Arzt, JuS 1972, 385, 387 folgert daraus (bzw. aus der Unbestimmtheit der Voraussetzungen) für die Rechtsfolgenseite, dass in Hinblick auf diese „[…] nur scheinbar eine größere Differenzierung […] erreicht worden ist.“. 405 Zutreffend konstatiert Hassemer, in: GS Radbruch, S. 281, 290 Fn. 12: „Das StGB gibt dem Strafrichter kein Argument an die Hand, welches das Verfahren zur Feststellung solcher Fälle leiten, begrenzen und verifizieren könnte […].“. 406 Bei der Regelbeispielsmethode, bei der den aufgeführten Regelbeispielen „maßstabbildender Charakter“ (siehe nur BGH, NJW 1990, 1489) bzw. eine „Leitbildfunktion“ (siehe Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9) zukommt, liegt es indes anders. Näher zu diesen im folgenden Haupttext. 407 So die Bewertung der Gesetzgebungstechnik bei Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 42: „[…] kaum getarnte Strafrahmenerweiterung“; dem folgend Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 10; Wilcken, Doppelverwertung, S. 161. In der Sache ebenso Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 218 f.; Maiwald, NStZ 1984, 433, 435; Zieschang, Jura 1999, 561, 564. Dies bedeutet freilich nicht, dass von einem Gesamtstrafrahmen auszugehen ist (so jedoch Schäfer/ Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1165; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 518 ff.; zu Recht ablehnend Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 156 Fn. 46; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 951 f.; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 57 f.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; ders., Strafrahmen, S. 94 f.; Wilcken, Doppelverwertung, S. 159). Tatsächlich existieren nämlich zwei unterschiedliche Strafrahmen (nämlich ein grunddeliktischer Strafrahmen und der Sonderstrafrahmen für „besonders schwere Fälle“), was aus der Strafrahmenabstufung auf Rechtsfolgenseite resultiert. Die Annahme eines Gesamtstrafrahmens würde dies und die damit verbundene Kanalisierung der Strafzumessung (vgl. für die Regelbeispielsmethode Blei, in: FS Heinitz, 419, 423) leichtfertig übergehen und damit diese Funktion der Komplementärnorm vereiteln. Wegen des Fehlens einer Abgrenzung bzw. Ausdifferenzierung im Bereich des Unrechts ist dennoch von inhaltlicher Seite aus von einer „getarnten“ Strafrahmenerweiterung auszugehen. Es fehlt insoweit an einer korrespondierenden Abschichtung auf Unrechts-Ebene. 408 So Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 150; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 46; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 511; Wilcken, Doppelverwertung, S. 160; Zieschang, Jura 1999, 561, 564; Zipf, Strafzumessung, S. 12 f.; 162; ebenso Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 218 f.
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2. Gefahr der inkorrekten Ermittlung der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus Daneben stellt sich ein weiteres Problem. Durch die mangelnde Abgrenzbarkeit der Anwendungsbereiche der beiden Strafrahmen (grunddeliktischer Strafrahmen und Sonderstrafrahmen) wird nicht hinreichend sichtbar, für welche besonderen Formen der Deliktsverwirklichung der schärfere Sonderstrafrahmen gelten soll. Insofern fehlt es an einer klaren Abgrenzungswirkung, d. h. der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, dass dieser Sonderstrafrahmen lediglich für bestimmte „herausgehobene“ Fälle gelten soll, sowie die gesetzliche Bestimmung, wie diese Fälle „aussehen“. Dies birgt die Gefahr, dass (auch) der Sonderstrafrahmen herangezogen wird bei der Bestimmung der gesetzgeberischen Bewertung des grunddeliktischen Unwertypus. Dass dies nicht völlig abwegig ist, zeigt die teilweise anzutreffende Tendenz, bei Vorliegen einer Regelung für unbenannte besonders schwere Fälle einen Gesamtstrafrahmen anzunehmen.409 Dann jedoch – würde man also einen solchen „Gesamtstrafrahmen“ annehmen und diesen als Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus verstehen – nimmt man eine völlig falsche gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus an, welche zudem aufgrund der Weite des „Gesamtstrafrahmens“ kaum aussagekräftig wäre. Die Verwendung der Regelungstechnik der besonders schweren Fälle birgt also die Gefahr (nämlich, wenn fälschlicherweise410 ein „Gesamtstrafrahmen“ angenommen wird), dass die gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus (welche tatsächlich ausschließlich durch den Regelstrafrahmen ihren Ausdruck findet) in inkorrekter Weise ermittelt wird, nämlich durch Betrachtung des „Gesamtstrafrahmens“ aus Regelstrafrahmen und Sonderstrafrahmen. Realisiert sich diese Gefahr, dann ist womöglich eine hinreichend deutliche (erkennbare) gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus zwar tatsächlich vorhanden (nämlich im grunddeliktischen Strafrahmen, dem Regelstrafrahmen), jedoch für denjenigen, 409 So Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1165; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 518 ff.; ders., NStZ 1989, 393, 398; Zipf, Strafmaßrevision, S. 28: „erweiterter Gesamtstrafrahmen“; zu Recht ablehnend Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 156 Fn. 46; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 951 f.; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 57 f.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; ders., Strafrahmen, S. 94 f.; Wilcken, Doppelverwertung, S. 159. 410 Die Annahme eines Gesamtstrafrahmens verkennt, dass tatsächlich zwei unterschiedliche Strafrahmen, Grundstrafrahmen und Sonderstrafrahmen für die „besonders schweren Fälle“, existieren (vgl. dazu auch Schröder, in: FS Mezger, S. 414, 418, der zutreffend feststellt, dass diese Konstellation der bloßen Erweiterung des Strafrahmens „[…] zwar nahe[steht], […] sich jedoch [von] [dieser] [unterscheidet] […].“). Es ist deshalb von zwei selbstständigen Strafrahmen auszugehen. Wegen des Fehlens einer Ausdifferenzierung auf Unrechts-Ebene entspricht die Konstellation bei inhaltlicher Betrachtung gleichwohl der einer Strafrahmenausdehnung, wenn man die Vagheit der Abschichtung bzw. Abgrenzung der beiden Strafrahmen voneinander in den Fokus stellt. Im Ergebnis ist daher von zwei unterschiedlichen Strafrahmen auszugehen, die jedoch (inhaltlich) nicht hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt werden können, weil es insoweit an einer gesetzgeberischen Wertgruppen-Konturierung fehlt.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
der einen „Gesamtstrafrahmen“ annimmt, nicht verfügbar. Sie wird dann nämlich aufgrund einer, auf den Unzulänglichkeiten der Regelungsart der unbenannten „besonders schwere Fälle“ (mangelnde Abgrenzungswirkung im Unrechtsbereich) beruhenden, Fehlinterpretation als „Gesamtstrafrahmen“ nicht erkannt. Im Ergebnis entspricht dies der Situation der bloßen Strafrahmenerweiterung.411 In beiden Fällen wäre es nicht möglich, ausgehend von einer ermittelten, hinreichend bestimmten gesetzgeberischen Bewertung des Unwerttypus Auslegungsfragen zu klären bzw. diese im Rahmen der Strafzumessung zu „verwerten“. 3. Die verfassungsrechtliche Dimension: Bedenken aus Sicht des strengen strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts sowie des Gewaltenteilungsprinzips Darüber hinaus trifft die Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung412 auch Bedenken in Hinblick auf den im Strafrecht geltenden strengen Gesetzesvorbehalt und das Gewaltenteilungsprinzip.413 Insoweit ist nämlich zu konstatieren, dass der Gesetzgeber dem Richter unzulässigerweise eine weitere Aufgabe, nämlich die der (abstrakten) Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens, überträgt.414 Wenn diese Technik zum Einsatz gekommen ist, ist der Richter dazu 411
Bei dieser ist es freilich so, dass wegen der großen Weite des Strafrahmens eine hinreichend bestimmte gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus tatsächlich nicht vorhanden ist. 412 Umgekehrt bedeutet das, dass die Verwendung der Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ unbedenklich ist, soweit das Erfordernis einer Strafrahmenabstufung nicht besteht. Kann der Gesetzgeber nämlich auf eine Strafrahmenabstufung verzichten (bspw. weil der grunddeliktische Strafrahmen (bei einem Vergehen) keine Höchsstrafe von mehr als 6 Jahren vorsehen soll), so muss Erst-Recht die Verwendung der Regelungstechnik der „besonders schweren Fälle“ zulässig sein. Im Ansatz bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 413 Auf den Konflikt der Regelungsform der unbenannten besonders schweren Fälle mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz hat frühzeitig Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 72, hingewiesen. Insoweit spricht sich Lange für den Einsatz der Regelbeispielsmethode aus (siehe Lange, a.a.O., S. 85), die „[…] eine starke rechtsstaatliche Bindung und vor allem eine Wahrung der Gewaltenteilung“ beeinhaltet (Lange a.a.O., S. 85). Dass Letzterem in dieser Absolutheit nicht zu folgen ist, wird sich im späteren Verlauf der Untersuchung noch zeigen. 414 Siehe dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 126 ff. („Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, wann ein besonders schwerer oder minder schwerer Fall gegeben ist.“, Krahl, a.a.O., S. 126; „Nicht der Gesetzgeber, sondern der rechtsanwendende Richter definiert die Voraussetzungen für eine schwerere Bestrafung des Täters und dies nach der Tat.“, Krahl, a.a.O., S. 131), der jedoch verkennt, dass dies nur für die Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ gilt (und gerade nicht hinsichtlich der Verwendung der Regelbeispielstechnik). Mit entsprechender Tendenz und Hinweis auf das Prinzip der Gewaltenteilung Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 510, der des Weiteren darauf verweist, dass die Strafrahmenbestimmung nicht etwa anhand gesetzlicher Voraussetzungen erfolgt, sondern
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angehalten, abstrakt Kriterien für die Strafrahmeneröffnung zu bilden. Er selbst muss festlegen, welchen Unrechts- und Schuldgehalt die Fälle aufweisen, die der allgemeinen Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ zugehören.415 Erst der Richter konturiert den Anwendungsbereich der Norm.416 Die zeigt, dass die dieser Regelungstechnik innewohnende Unbestimmtheit im Voraussetzungsbereich aus einem legislativen Entscheidungsdefizit herrührt und damit die verfassungsrechtlichen Vorgaben des strengen Gesetzesvorbehalts und des Gewaltenteilungsprinzips tangiert sind.417 4. Folgerungen aus der Gleichsetzung mit der bloßen Strafrahmenerweiterung: Maßgeblichkeit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer fiktiven Regelstrafrahmenerweiterung Die vorangegangenen Erläuterungen zeigen, dass die Schaffung einer Strafnorm mittels der Gesetzestechnik der unbenannten besonders schweren Fälle zwar nicht identisch mit einer Strafrahmenerweiterung, jedoch einer solchen gleichzusetzen ist.418 Gleichwohl begründet dies (natürlich) nicht das Verdikt der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit dieser Regelungstechnik. Aufgrund der Gleichsetzung mit einer bloßen Strafrahmenerweiterung ist die Verwendung dieser Regelungstechnik (erst) dann unzulässig, wenn an ihre Stelle (aus verfassungsrechtlichen Gründen) eine Strafrahmenerweiterung bzw. -ausdehnung „nach oben“ nicht treten könnte, d. h. eine Ausweitung des grunddeliktischen vielmehr durch die vom Richter zu treffende Bewertung der Strafwürdigkeit (siehe Streng, a.a.O., Rn. 511). Entsprechende Probleme sieht Hettinger, GA 1995, S. 399, 415, sogar bei der Regelbeispielstechnik. Mit einem Appell Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 278: „Der Gesetzgeber darf die Rechtsprechung nicht (regelmäßig verdeckt, versteht sich) zum Gesetzgeber machen wollen!“. 415 In dieselbe Richtung geht die Kritik von Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 72, der insoweit ausführt, dass der Richter „[…] die verschärfte Deliktstypizität selbst bestimmen [müsste] […] durch Auswahl neuer unrechts- oder schuldgestaltender Elemente (etwas besonderer Absichten, Angriffsmittel, Umstände).“. Damit legt Lange den „Finger in die Wunde“, indem er auf das Fehlen jeglicher gesetzgeberischer Führung hinweist. Gleichwohl ist seinen Ausführungen nicht vollends zu folgen, da es bei den besonders schweren Fällen – wenn man aus den noch zu entwickelnden Grundlegungen die folgerichtigen Ableitungen trifft – nicht um Bildung neuer Unwerttypen, sondern um die Erfassung quantitativer Unrechts-/Schuldsteigerungen geht. 416 Insoweit ist der Schlussfolgerung von Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 27, zuzustimmen, dass „[…] dem Richter ein Spielraum eröffnet [wird], der sich gesetzgeberischer Kontrolle entzieht.“. 417 Hinsichtlich eines anderen Problemkreises den Zusammenhang zwischen legislativen Entscheidungsdefizit und Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) aufzeigend, Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 188. Allgemein zum Zusammenhang zwischen GeneralklauselVerwendung und Gewaltenteilung Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 47. 418 Diese Einschätzung teilt auch Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 418. Ebenso Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 150: der Sache nach eine Erweiterung des Grundstrafrahmens nach oben.
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Strafrahmens bis zu dem Punkt der (vorgesehenen) Obergrenze des Sonderstrafrahmens dem Schuldgrundsatz nicht mehr entsprechen würde.419 Dies ist dann gegeben, wenn der Strafrahmen zu weit wäre, um eine hinreichend deutliche gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus darzustellen.420 Dann kann die Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ nicht mehr mit dem Argument421 „gerettet“422 werden, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt werden könne, sich dieser Regelungstechnik (unbenannte „besonders schwere Fälle“) zu bedienen, wenn er alternativ sogar eine bloße Strafrahmenausweitung vornehmen könnte. Konkret bedeutet dies (soweit es sich beim Grunddelikt um ein Vergehen handelt) das Folgende. Weil die Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ letztlich der bloßen Strafrahmenerweiterung entspricht, bestimmt sich die Zulässigkeit der Verwendung dieser Gesetzgebungstechnik423 parallel zur Zulässigkeit der Strafrahmenausweitung. Liegt die Obergrenze des Sonderstrafrahmens (Strafrahmen für die unbenannten „besonders schweren Fälle“) bei maximal 6 Jahren Freiheitsstrafe, so ist die Verwendung dieser legislativen Technik zulässig.424 Sieht der Sonderstrafrahmen jedoch als Höchststrafe eine höhere Freiheitsstrafe vor (ist als Höchststrafe demnach eine Freiheitsstrafe von mehr als 6 Jahren vorgesehen), so ist die Verwendung der legislativen Technik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ unzulässig.425 Dann nämlich kann der Gesetzgeber nicht 419 In der Sache bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. Siehe auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 150, der eine Identität des Problems der „genügenden rechtsstaatlichen Bestimmtheit der Rechtsfigur der „besonders schweren Fälle“ mit dem der „Zulässigkeit weiter Strafrahmen“ konstatiert. 420 Siehe zu diesen Anforderungen an die Strafrahmengestaltung Kapitel 3 § 6 B. 421 Dies zeigt die Notwendigkeit, vor Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der unbenannten „besonders schweren Fälle“ die Grenzen zulässiger Strafrahmenweiten zu klären (so auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81). 422 So bspw. Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 66 f., der dies nur geringfügig relativiert und diesbezüglich ausführt: „Von einer Verfassungwidrigkeit könnte höchstens dann die Rede sein, wenn er dies ausschließlich auf Kosten des überkommenen und bewährten Bestandes an festen Tatbeständen tun würde oder wenn er seine Verpflichtung, möglichst fest umrissene Tatbestände zu schaffen, grundsätzlich und generell (etwa aus Bequemlichkeit oder sonstigen ermessensmißbräuchlichen Gesichtspunkten) negieren würde.“ (Waßner, a.a.O., S. 67). 423 Gemeint ist die Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“. 424 Ein entsprechender Ansatz findet sich bereits bei Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 425 Anders Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 421 ff., 428, der davon ausgeht, dass sämtliche Regelungsformen stets zulässig sind. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, denn Schröder verkennt bereits, dass der Gesetzgebers in bestimmten Konstellationen zur Strafrahmenabstufung verpflichtet ist (Schröder geht vielmehr davon aus, dass der Gesetzgeber auf jede Differenzierung verzichten und den verschiedenen Erscheinungsformen des Delikts durch genügend weite Strafrahmen Rechnung tragen könne, Schröder, a.a.O., S. 415, 420, 421 f. Wie bereits aufgeführt (siehe Kapitel 3 § 6 B.) steht der Schuldgrundsatz jedoch zu weiten Strafrahmen
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anstelle der beiden Strafnormen (Grunddelikt mit grunddeliktischen Strafrahmen (Regelstrafrahmen) und Strafnorm für unbenannte „besonders schwere Fälle“ mit Sonderstrafrahmen) eine einzige Strafnorm mit einem Strafrahmen setzen, der von der Untergrenze des grunddeliktischen Strafrahmens bis zur Obergrenze des Sonderstrafrahmens reicht. Dies wäre nämlich unvereinbar mit dem Schuldgrundsatz, da der Strafrahmen aufgrund seiner Weite eine gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus nicht mehr hinreichend erkennbar zum Ausdruck bringen würde.426 Daraus folgt, dass die legislative Technik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ keine Verwendung finden kann, wenn (bei der gesetzlichen Gestaltung einer Deliktsgruppe) die Vorgaben des Schuldgrundsatzes einer entsprechenden Erweiterung427 des grunddeliktischen Strafrahmens entgegenstehen (d. h. wenn die Strafrahmenausdehnung keine gesetzgeberische Regelungsalternative darstellt)428 und daher die Notwendigkeit einer Strafrahmenabstufung (d. h. die Schaffung einer neuen Strafnorm mit Sonderstrafrahmen für bestimmte Fälle der Deliktsverwirklichung) besteht. Entscheidend ist damit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer fiktiven Regelstrafrahmenerweiterung, wobei die Strafrahmenobergrenze des Sonderstrafrahmens als Obergrenze des fiktiv erweiterten Regelstrafrahmens anzunehmen ist. Damit ist letztlich zu prüfen, ob ein (fiktiver) Regelstrafrahmen, welcher sich aus der Strafrahmenuntergrenze des (tatsächlichen) Regelstrafrahmens und der Strafrahmenobergrenze des (tatsächlichen) Sonderstrafrahmens429 zusammensetzt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. entgegen. Somit kann in bestimmten Konstellationen die Strafrahmenabschichtung erforderlich sein (zumindest wenn man sämtlichen deliktischen Erscheinungsformen eine angemessene Strafandrohung zuordnen will). Ist eine solche erforderlich, so muss sich die verwendete Gesetzgebungstechnik jedoch auch hinreichend von einer bloßen Strafrahmenerweiterung unterscheiden (darf dieser also nicht gleichzusetzen sein). Letzteres ist jedoch gerade bei der Gesetzgebungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ der Fall (eingehend zur Begründung siehe Haupttext). 426 Insoweit würde es der Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen nämlich widersprechen, wenn der Gesetzgeber im Strafrahmen eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe festsetzt. Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. 427 Gemeint ist damit die Ausdehnung des Strafrahmens in einem solchen Maß, dass dieser für sämtliche Verwirklichungsformen des Delikts eine angemessene Strafandrohung enthält. 428 Dies ist der Fall, wenn das Bedürfnis besteht für ein Delikt (bzw. für bestimmte Verwirklichungsformen des Delikts) eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorzusehen. Dann kann der grunddeliktische Strafrahmen nicht auf den Strafbereich „über 6 Jahre“ ausgedehnt werden, wenn es sich beim Grunddelikt um ein Vergehen handelt. Dies würde nämlich der Einordnung in die Straftatkategorie Vergehen widersprechen. Der grunddeliktische Strafrahmen würde dann (aufgrund dieses Widerspruchs zwischen Kategorieeinordnung und Höchststrafenfestsetzung) keine hinreichend erkennbare gesetzgeberische Bewertung des grunddeliktischen Unwerttypus enthalten. Dies wäre unvereinbar mit der entsprechenden, aus dem Schuldgrundsatz abgeleiteten, gesetzgeberischen Verpflichtung. Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. V. 429 Dies ist der Strafrahmen, den das Gesetz für die (unbenannten) besonders schweren Fälle vorsieht.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist dies vornehmlich von Relevanz bei Delikten, deren Verwirklichungsformen einen stark voneinander abweichenden Unrechtsgehalt aufweisen, sodass einerseits (aufgrund des Übermaßverbots) für die leichten Fälle der Deliktsverwirklichung eine (Mindest-)Strafandrohung von unter einem Jahr Freiheitsstrafe vorzusehen ist.430 Andererseits besteht jedoch mit Blick auf die schweren Fälle der Deliktsverwirklichung ein Bedürfnis, Strafandrohungen über 6 Jahren Freiheitsstrafe bereitzustellen. Beispiele dafür sind die Delikte Diebstahl sowie Körperverletzung.
D. Die Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode Anders verhält es sich mit der Regelbeispielsmethode. Diese ist nicht einer bloßen Strafrahmenausdehnung gleichzusetzen. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Regelbeispiele431 kann man Regelbeispiele als eine Mischform zwischen benannten und unbenannten Strafrahmenänderungsgründen bezeichnen.432 Die Gesetzgebungstechnik Regelbeispielsmethode ist daher eine Übergangsform, die zwischen den Gesetzgebungstechniken Qualifikationstatbestand und Strafnorm für unbenannte „besonders schwere Fälle“ steht, denn sie vereint Elemente der beiden anderen Regelungstechniken.433 Die Regelbeispielsmethode unterscheidet sich in vielen Punkten von den unbenannten „besonders schweren Fällen“. Daher ist bei ihr im Ergebnis eine Entsprechung mit der bloßen Strafrahmenerweiterung nicht gegeben. I. Unvollkommene Präzisierung der Wertgruppe So werden bei der Regelbeispielstechnik (ebenso wie bei den qualifizierten Delikten)434 einzelne, genau umschriebene („greifbare“) Elemente (die Regelbeispiele) aufgezählt.435 Diese sind zwar – anders als die Tatbestandsmerkmale eines 430
Mithin das Grunddelikt zwingend als Vergehen auszugestalten ist. Ausführlich zum Streitstand Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 143 ff. 432 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 9; wohl auch für eine Einordnung als Mischform im untechnischen Sinne Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 16. Beide ordnen, abweichend von dieser Umschreibung als Mischform, die Regelbeispiele dogmatisch nicht als „Mischform“ (bzw. Regelungstyp sui generis) ein; ebenso bereits Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 425 f.; Siehe auch Fabry, NJW 1986, 15, 16: „Zwitterstellung“. 433 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2 § 4 II. 2. 434 Siehe Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 299, der in diesem „[…] formale[n] Prinzip des „Benanntseins“, d. h. […] [der] gesetzestechnisch exakte[n] Umschreibung ihrer einzelnen Merkmale“ dies einzige Übereinstimmung von Regelbeispielsnormen und Qualifikationstatbeständen erblickt. 435 Zu Recht spricht Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 175, davon, dass die Regelbeispiele „scharf umrissen wie echte Qualifikationstatbestandsmerkmale sind“, einen „bestimmten 431
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Qualifikationstatbestandes – weder zwingend noch geben sie abschließend die Strafrahmenänderungsgründe an.436 Jedoch kommt ihnen ein Leitbildcharakter zu.437 Einerseits zeigen sie (d. h. die Regelbeispiele) durch die genaue Umschreibung, welche Faktoren regelmäßig („in der Regel“) zur Strafrahmenverschiebung führen.438 Dahingehend findet eine Präzisierung der Wertgruppe „besonders schwere Fälle“ durch den Gesetzgeber statt,439 wenngleich diese lediglich unvollkommen ist, mithin weitere Präzisierungsarbeit durch den Richter erforderlich macht.440 Insoweit wird aber – anders als bei der Gesetzgebungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ – im Voraussetzungsbereich der Strafnorm nicht lediglich die Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ wiederholt, sondern es findet eine „Grundpräzisierung“ statt.441 Unrechts- und Schuldgehalt verkörpern“ und damit eine „Präzisierungsfunktion“ übernehmen. Ähnlich Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 16: tatbestandsmäßig umschrieben. 436 Siehe nur Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1141 ff. Eingehend dazu Kapitel 2 § 4 C. 437 Siehe Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210; ähnlich Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: „Die Regelbeispiele […] machen eine Wertung des Gesetzgebers mit Leitfunktion deutlich […]“; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 26 V 2, S. 271: „Kennzeichnung von erschwerenden Umständen“. Siehe auch die Begründung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StRG), BT-Drucks. 13/7164, S. 42: die Regelbeispiele sollen wesentliche Richtlinien sein für die Bestimmung, ob (trotz Nichtvorliegens eines Regelbeispiels) ein sonstiger besonders schwerer Fall gegeben ist („maßstabbildende Bedeutung“). 438 Insofern stellt es eine vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung dar, dass das Vorliegen eines dieser Faktoren regelmäßig zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führt. Die Indizwirkung der Regelbeispiele hat auch der Richter zu beachten. Prozessrechtlich wird dies dadurch abgesichert, dass der Richter verpflichtet ist bei einem Abweichen von dieser Indizwirkung der Regelbeispiele (d. h. bei Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens trotz Erfüllung eines Regelbeispiels) seine Entscheidung näher zu begründen hat (vgl. § 267 Abs. 3 S. 3 StPO; dazu BGH, NJW 2011, 2450; siehe auch Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: Abweichen von Vermutungswirkung der Regelbeispiele verlangt besonderen Begründungsaufwand; Wessels/ Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 209). Freilich ist bei der Regelbeispielsmethode die gesetzgeberische Entscheidung dahingehend (im Vergleich zur Regelungstechnik Qualifikationstatbestand) defizitär, dass (insoweit im Unterschied zur Regelungstechnik Qualifikationstatbestand) eine verbindliche Zuordnung des Sonderstrafrahmens fehlt (insoweit ist mit Blick auf den Umfang der gesetzgeberischen Entscheidung ein „minus“ auszumachen). Dies steht jedoch nicht der prinzipiellen Verwendbarkeit dieser Gesetzgebungstechnik als Strafrahmenabstufungs-Instrument entgegen. Andererseits wirft dieses „Weniger“ an gesetzgeberischer Entscheidung jedoch mit Blick auf die Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts verfassungsrechtliche Fragen auf (eingehend dazu und zu den daraus folgenden Konsequenzen Kapitel 4). 439 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 175 spricht von einer „Präzisierungsfunktion“ der Regelbeispiele. 440 Kritischer ist die Einschätzung von Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159, der meint, dass damit nicht viel gewonnen sei. Deutlich positiver in Hinblick auf den Einsatz der Regelbeispielsmethode Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 85: „Gesetzgeber gibt die entscheidenden und grundsätzlichen Wertmaßstäbe an […].“. 441 Vgl. dazu auch Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 299: „Der Unterschied der gänzlich unbenannten besonders schweren Fälle gegenüber den an Regelbeispiele geknüpften besteht daher
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Dies stellt letztlich auch eine gewisse „Wertung“ der in den Regelbeispielen enthaltenen Faktoren durch den Gesetzgeber dar,442 die freilich – im Unterschied zur tatbestandlichen Fassung – den Rechtsanwender bei Vorliegen des Einzelfaktors nicht zur Anwendung des Sonderstrafrahmens zwingt443 und damit nicht als unbedingte gesetzgeberische Bewertung der Einzelumstände (i.S.e. endgültigen und vollständigen Bewertung der Einzelumstände durch den Gesetzgeber)444 begriffen werden kann.445 Insoweit sind Regelbeispiele – legt man den Idealtypus des Qualifikationstatbestandes zu Grunde – gekennzeichnet durch eine Unvollständigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung. Regelbeispielsnormen enthalten dahingehend ein „Weniger“ an gesetzgeberischer Entscheidung“.446 Andererseits kommt durch die Regelbeispiele aber zum Ausdruck, welcher Unrechts- und Schweregehalt vorliegen muss, damit das Vorliegen eines sonstigen besonders schweren Falles angenommen werden kann.447 Insoweit dienen sie als allein darin, daß bei ersteren die strafschärfende Tatbestandsbildung völlig dem Ermessen der Richter überlassen worden ist. Geht es bei den Generalklauseln in der Regelbeispielstechnik um eine gesetzliche Analogieermächtigung, so hier um die Ermächtigung zur freien Rechtsfindung.“. 442 Vgl. Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 66: „Regelbeispiele enthalten die vom Gesetzgeber abstrakt-generell vorweggenommene Wertung, daß ein besonders schwerer Fall vorliegt […]“; Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: „Die Regelbeispiele […] machen eine Wertung des Gesetzgebers mit Leitfunktion deutlich […]“. 443 Insoweit kann der Rechtsanwender, da den Regelbeispielen lediglich ein Indizcharakter zukommt, von der gesetzgeberischen Bewertung der Einzelumstände abweichen, mithin trotz Erfüllung eines Regelbeispiels den grunddeliktischen Strafrahmen (Regelstrafrahmen) zur Anwendung bringen. 444 Die sich aus dem Fehlen einer endgültigen gesetzgeberischen Bewertung der Einzelumstände ergebenden Folgen, werden in Kapitel 4 dargestellt. Das Fehlen einer gesetzgeberischen Bewertung der Einzelumstände bei der Regelbeispielsmethode hat – dies sei bereits hier erwähnt – maßgeblichen Einfluss auf die Reichweite der Verwendbarkeit dieser Gesetzgebungsmethode. Eingehend wird dies behandelt in Kapitel 4. 445 Zutreffend werden die Regelbeispiele daher auch als „Halbfabrikate“ bezeichnet, so bereits frühzeitig Lange, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. II, D 84; ders., Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 83. Ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159: Gesetzgeber hat „ein bißchen“ vorentschieden. 446 Zu den daraus folgenden Konsequenzen Kapitel 4; Kohlmann, JZ 1970, 590, 591 konstatiert diesbezüglich gar eine „Kaschierung gesetzgeberischer Unfähigkeit“. 447 Betont in der Entscheidung BGH, NJW 1990, 1489: „Dabei kann den Regelbeispielen maßstabbildende Bedeutung zukommen […]. Ein besonders schwerer Fall kann auch dann naheliegen, wenn ein dem Regelbeispiel zwar nicht seiner Art, wohl aber seinem Gewicht nach vergleichbarer Umstand gegeben ist.“; das Leitbild der Regelbeispiele hervorhebend: Wessels/ Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210 der fordert, dass die erschwerenden Umstände „[…] dem Leitbild der Regelbeispiele und damit dem gerade ihnen eigenen Schutzzweck qualitativ entsprechen und [dass] die[se] den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat so sehr steigern, dass die Anwendung des normalen Strafrahmens unangemessen wäre.“; ähnlich Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 14; zum Teil wird die „Leitbildfunktion“ der Regelbeispiele auch dazu benutzt, um besondere Anforderungen festzulegen in Hinblick auf die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles: siehe Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 42a, die fordern,
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Vergleichspunkt (haben also „maßstabbildende Bedeutung“448).449 Demgegenüber fehlt ein solcher bei Regelungen, die für unbenannte „besonders schwere Fälle“ einen Sonderstrafrahmen vorsehen, völlig. Die Regelbeispielsmethode unterscheidet sich daher in einem wesentlichen Punkt von den Regelungen für unbenannte besonders schwere Fälle. Bei ihr formuliert der Gesetzgeber nämlich bestimmte unrechtserhöhende Faktoren und konturiert damit die allgemeine Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“. Diese (wenn auch unvollkommene) Präzisierung450 stellt dahingehend eine gesetzgeberische Vorentscheidung451 dar, dass dieser (scil. der Gesetzgeber) bestimmt, welcher Unrechts- und Schuldgehalt notwendig ist, damit eine deliktische Verwirklichungsform als „besonders schwerer Fall“ einzuordnen ist. Insoweit dienen die Regelbeispiele, wie bereits gesagt, als Vergleichspunkt452 und haben damit „maßstabbildende Bedeutung“453. Regelbeispiels-Normen sind im Vergleich zu den unbenannten besonders schweren Fällen durch ein „Mehr“ an gesetzgeberischer Entscheidung454 (konkret: „Mehr“ an gesetzgeberischer Konturierung der Wertgruppe der besonders schweren Fälle) gekennzeichnet.455 Auch wird der Richter durch die gesetzliche Aufstellung von Regelbeispielen stärker gebunden als bei der bloßen Verwendung der Generalklausel „besonders schwere Fälle“. Das Vorliegen eines Regelbeispiels indiziert die Anwendung des Sonderstrafrahmens (sog. Indizwirkung der Regelbeispiele).456 Insoweit handelt es sich um die widerlegbare Vermutung, dass die Tat einen bedass „[…] die konkreten Tatumstände einem der den Regelbeispielen zugrunde liegenden Leitbilder vergleichbar sind […]“, ablehnend Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu §§ 38 ff. Rn. 50. 448 Siehe BT-Drucks. 13/7164, S. 42. 449 Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21: „Vergleichsmaßstab“. Diese maßstabbildende Bedeutung übersieht Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159 in seinen Ausführungen. Der Richter bewertet die konkrete Tat gerade nicht nach eigenen Maßstäben (so jedoch Maiwald, a.a.O., S. 159), sondern nach dem Maßstab, den ihm das Gesetz vermittelt über die Festlegung der Regelbeispiele vorgibt. 450 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 175, der den Regelbeispielen eine „Präzisierungsfunktion“ zuschreibt. 451 Vgl. Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 66 nach dem in den Regelbeispielen eine abstraktgenerell vorweggenommene Wertung des Gesetzgebers enthalten ist. 452 Ähnlich Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21: „Vergleichsmaßstab“. 453 So auch die Begründung im Gesetzentwurf zum 6. StrRG, siehe BT-Drucks. 13/7164, S. 42. 454 Vgl. dazu W. Schünemann, JZ 2005, 271, 272, der allgemein, mithin rechtsgebietsübergreifend, in Hinblick auf die Verwendung der Regelbeispielsmethode feststellt: „Andererseits geht es darum, der Rechtspraxis und den dort auftauchenden Auslegungs- und Anwendungsproblemen dadurch entgegenzukommen, dass man ihr Normen auf abgesenkter Abstraktionshöhe zur vereinfachten Subsumtion zur Verfügung stellt und dadurch zugleich im rechtsstaatlichen Interesse die Berechenbarkeit der Rechtsprechung erhöht.“. 455 Freilich, wie bereits erwähnt, ohne dabei die Entscheidungsdichte von Qualifikationstatbeständen zu erreichen. 456 Siehe nur Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 13.
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sonders schweren Fall darstellt.457 Will der Richter von dieser Indizwirkung abweichen, so muss er dies näher begründen.458 Während also die Generalklausel der unbenannten „besonders schweren Fälle“ einzig die Gesamtwürdigung des Richters erfordert, binden die Regelbeispiele den Richter459 dahingehend, dass er (bei Erfüllung der Voraussetzungen eines Regelbeispiels) „in der Regel“ aus dem Sonderstrafrahmen zu bestrafen hat460 und er, für den Fall, dass er von dieser gesetzlichen Regel abweichen will, einer besonderen (prozessualen) Begründungspflicht461 unterliegt.462 Da es bei den unbenannten „besonders schweren Fällen“ keine solche gesetzliche Regel gibt, kann auch keine besondere Begründungspflicht bei Regelabweichung existieren.463 Die nähere Betrachtung der den Regelbeispielsnormen 457 BGH, NStZ-RR 1997, 121 (indizielle Bedeutung); Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 6; Eisele, JA 2006, 309, 310; in der Sache auch Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 13: in der Regel ist ein besonders schwerer Fall anzunehmen. 458 Vgl. § 267 Abs. 3 S. 3 StPO; siehe BGH, NJW 2011, 2450, bei Abweichung von der Vermutungswirkung eines Regelbeispiels ist „[…] die Wahl des (milderen) Strafrahmens nachvollziehbar darzulegen […]“; Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: Abweichen von Vermutungswirkung der Regelbeispiele verlangt besonderen Begründungsaufwand. Grosse-Wilde, in: Gleichheit und Universalität, S. 45, 51, spricht von einer „Prima-facie“-Regel, die bei Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel eine entsprechende Argumentationslast „aufbürdet“. Siehe auch Hassemer, Grundlagen des Strafrechts, S. 258 f., der von einer Bindung des Richters im „Darstellungsbereich“ spricht. 459 Unter Bezugnahme auf den Bestimmtheitsgrundsatz sieht Hassemer, Grundlagen des Strafrechts, S. 258 f., in der Verwendung der Regelbeispielstechnik eine Bindung des Richters im „Darstellungsbereich“. 460 Mithin das Vorliegen eines besonders schweren Falles anzunehmen hat. 461 Insoweit ist der Richter bei der Regelbeispielstechnik „[…] zu einer genaueren Argumentation angehalten […]“, Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 400 f.; in diese Richtung auch Gropp, JuS 1999, 1041, 1048. 462 Siehe dazu auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 267 Rn. 21: Abweichen von der Regel muss begründet werden. 463 In Hinblick auf die Regelungsalternative der bloßen Strafrahmenausdehnung stellt Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 432, fest, dass die Begründungspflicht eine eingehendere Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht ermöglicht. Allgemein dazu auch Grosse-Wilde, in: Gleichheit und Universalität, S. 45, 51, der (benannte) Regelbeispiele als „Prima-facie“-Regel ansieht, die bei Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel (Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens trotz Regelbeispiels-Erfüllung) eine entsprechende Argumentationslast „aufbürdet“. Insoweit führt er aus: „Jede Prima facie-Regel hat aber einen erheblich höheren Informationsgehalt und eine erheblich größere Steuerungswirkung als der diffuse Verweis auf die umfassende Würdigung aller Umstände […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Siehe auch Hassemer, in: AK-StGB, § 1 Rn. 29, der hinsichtlich des Vorzuges der Regelbeispielsmethode mit Blick auf den Aspekt der „Programmsicherung“ (also die gesetzliche Bereitstellung eines „Prüf- und Argumentationsprogramms der Strafrechtsanwendung“; dazu Hassemer, a.a.O., § 1 Rn. 20) ausführt, dass diese Methode sich empfiehlt, „[…] um den Strafrichter zu einer möglichst differenzierten Argumentation zu zwingen, welche seine Entscheidungsgründe offenlegt: nicht nur zum Vorliegen eines Beispiels, sondern zusätzlich zur Fähigkeit dieses Beispiels, das (Zwischen-)Ergebnis der Entscheidung zu tragen. Diese Methode vermindert wengistens die Gefahr, daß der Richter seine Entscheidungsunsicherheit hinter einer hermetischen Begründung verbirgt.“.
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innewohnenden Regel-Ausnahme-Mechanik führt zu der Erkenntnis, dass sich beide Regelungsformen (Regelbeispielsnormen einerseits, Vorschriften der unbenannten besonders schweren Fälle andererseits) erheblich voneinander unterscheiden und bei Ersteren (scil. den Regelbeispielsnormen) eine wesentlich höhere Steuerungs- bzw. Vorgabenwirkung vorhanden ist.464 Dieser in der Normstruktur angelegte Unterschied bedingt fundamentale Abweichungen in der Normanwendung. Außerdem ist zu konstatieren, dass der Richter bei Vorliegen einer Regelbeispielsnorm – anders als bei den unbenannten besonders schweren Fällen – Vorgaben hinsichtlich der von ihm zu leistenden finalen Wertgruppenkonkretisierung unterliegt, welche sich aus der gesetzlichen Normierung ableiten. Bei dieser Präzisierung der Wertgruppe hat er sich an den, durch den Gesetzgeber vorformulierten, Regelbeispielen zu orientieren. Diesen kommt ein maßstabbildender Charakter zu,465 sodass aus ihnen der erforderliche Unrechts- und Schuldgehalt abzuleiten ist. Sie (scil. die Regelbeispiele) geben gerade das die Wertgruppe kennzeichnende Maß an Unrechts-/Schuldsteigerung an. Auch hieraus speist sich eine stärkere Bindung des Richters durch das Gesetz. II. Abschichtung im Bereich des Unrechts Wie bereits erwähnt, beschreibt der Gesetzgeber in den Regelbeispielen bestimmte Erscheinungsformen des Delikts und hebt diese hervor. Damit schichtet er auch im Bereich des Unrechts ab. Zum einen beschreibt er in genauer Weise bestimmte Erscheinungsformen des Delikts.466 Darüber hinaus folgt aus der Leitbildfunktion467 der Regelbeispiele, dass diesen auch (mittelbar) zu entnehmen ist, welche Formen der Deliktsverwirklichung dem Sonderstrafrahmen (sowie der Wertgruppe der besonders schweren Fälle) zuzuordnen sind. Zwar ist die Aufzählung
464 Vgl. allgemein dazu Grosse-Wilde, in: Gleichheit und Universalität, S. 45, 51, der (benannte) Regelbeispiele als „Prima-facie“-Regel ansieht, die bei Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel (Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens trotz Regelbeispiels-Erfüllung) eine entsprechende Argumentationslast „aufbürdet“. Insoweit führt er aus: „Jede Prima facieRegel hat aber einen erheblich höheren Informationsgehalt und eine erheblich größere Steuerungswirkung als der diffuse Verweis auf die umfassende Würdigung aller Umstände […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 465 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf zum 6. StrRG, siehe BT-Drucks. 13/7164, S. 42. 466 Zu Recht stellt Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 175 fest, dass die Regelbeispiele „scharf umrissen wie echte Qualifikationstatbestandsmerkmale sind“. 467 Zur Leitbildfunktion: Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210; ähnlich Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: „Die Regelbeispiele […] machen eine Wertung des Gesetzgebers mit Leitfunktion deutlich […]“; dazu auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 26 V 2, S. 271 f. Siehe auch die Begründung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StRG), BT-Drucks. 13/7164, S. 42: die Regelbeispiele sollen wesentliche Richtlinien sein für die Bestimmung, ob (trotz Nichtvorliegens eines Regelbeispiels) ein sonstiger besonders schwerer Fall gegeben ist („maßstabbildende Bedeutung“).
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der Regelbeispiele nicht abschließend,468 weshalb sie den Anwendungsbereich der Strafnorm nicht vollumfänglich beschreiben. Jedoch ist ihnen der (für eine Zuordnung zum Sonderstrafrahmen) erforderliche Unrechts- und Schuldgehalt zu entnehmen.469 Damit schichtet der Gesetzgeber auch, zwar nicht exakt bzw. punktgenau, sondern grob, innerhalb der Gesamtheit möglicher Verwirklichungsformen ab. Nur solche Verwirklichungsformen, die einen den Regelbeispielen entsprechenden Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen, sind der Regelbeispiels-Strafnorm (und damit dem Sonderstrafrahmen) zuzuordnen.470 Diese Verwirklichungsformen bilden in ihrer Gesamtheit die Wertgruppe der besonders schweren Fälle des Delikts. Die Wertgruppe der besonders schweren Fälle wird also mittels der erforderlichen Unrechts-/Schuldschwere definiert.471 Im Gegensatz zu den unbenannten besonders schweren Fällen liegen bei der Regelbeispielsmethode damit sowohl eine Abschichtung im Unrechtsbereich als auch eine Strafrahmenabschichtung vor.472 Diese Abschichtung im Bereich des Unrechts bewirkt auch eine (erheblich stärkere) Bindung des Normanwenders. Dieser muss sich bei der Ermittlung, ob ein sonstiger besonders schwerer Fall vorliegt, am in den Regelbeispielen verkörperten Unrechts- und Schuldgehalt orientieren. Er darf einen sonstigen besonders schweren Fall nur dann annehmen, wenn im Einzelfall ein solcher Unrechts- und Schuldgehalt der Tat vorliegt, der dem mit den Regelbeispielen verbundenen Unrechts- und Schuldgehalt gleichkommt.473 468
Siehe nur BGHSt 23, 254, 257; 29, 319, 322; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 14; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 47; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 20 f.; weitere Nachweise bei Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 28 Fn. 109. 469 Dies betont auch Eisele, JA 2006, 309, 310; siehe dazu überdies Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11, 14. 470 Vgl. BGHSt 28, 318, 320 („maßstabbildende Bedeutung“); BGH, NJW 1990, 1489: „[…] ein dem Regelbeispiel zwar nicht seiner Art, wohl aber seinem Gewicht nach vergleichbarer Umstand gegeben ist.“; Eisele, JA 2006, 309, 310; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11, 14; siehe auch Fischer, StGB, § 46 Rn. 94: „[…] die Bewertung einer nicht dem Regelbeispiel unterfallenden Tat als besonders schwer hat sich am Maß der gesetzlichen Vertypung einer Erhöhung von Unrecht und Schuld zu orientieren.“ [Hervorheb. im Original]. 471 Der erforderliche Unrechts-/Schuldgehalt ist dabei (auch) gesetzliche (d. h. gesetzlich festgelegte) Voraussetzung für die Sonderstrafrahmenanwendung. 472 Freilich ist jedoch zu konstatieren, dass die Abschichtung im Unrechtsbereich, da Regelbeispielsnormen lediglich eine Definition der Wertgruppe der besonders schweren Fälle mittels der Unrechts- und Schuldschwere enthalten, weniger Präzision aufweist als eine Abschichtung im Rahmen eines Qualifikationstatbestandes. Bei Letzterem findet sich nämlich die abschließende Aufführung konkreter Verwirklichungsformen. Hinzu kommt das bereits erwähnte Fehlen einer abschließenden gesetzgeberischen Bewertung der in den Regelbeispielen aufgeführten Verwirklichungsformen (da es insoweit an einer verbindlichen und zwingenden Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen fehlt, den Regelbeispielen mithin dahingehend keine zwingende Wirkung zukommt); zu den Folgen dieser Unvollständigkeit siehe Kapitel 4. 473 Siehe BGHSt 28, 318, 320; BGH, NJW 1990, 1489; Eisele, JA 2006, 309, 310; Lackner/ Kühl, § 46 Rn. 11, 14; Fischer, StGB, § 46 Rn. 94: Orientierung „[…] am Maß der gesetzlichen
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Daraus folgt letztlich auch, dass er seine Entscheidungsgründe präziser fassen, insoweit seine Begründung offenlegen muss.474 III. Extensive bzw. umgekehrte Indizwirkung Darüber hinaus wird den Regelbeispielen teilweise auch eine negative Aussage zugeschrieben.475 Diese wird als „extensive Indizwirkung“476 bzw. „umgekehrte Indizwirkung“477 bezeichnet. Danach soll bei Nichtvorliegen/Nichtverwirklichung eines Regelbeispiels die Annahme eines besonders schweren Falles (und damit die Anwendung des Sonderstrafrahmens) nur unter engen Voraussetzungen möglich sein.478 I.d.R. soll dann die Anwendung des Sonderstrafrahmens ausscheiden.479 Folgt man diesem Ansatz, so zeigt sich, dass mit der Verwendung der Regelbeispielstechnik der Anwendungsbereich des Sonderstrafrahmens durch den Gesetzgeber beschränkt wird auf die Erfüllung eines Regelbeispiels bzw. das Vorliegen besonderer Umstände (je nachdem, wie die „engen Voraussetzungen“480 konkret definiert werden). Auch darin zeigt sich ein Differieren von den Strafnormen für unbenannte besonders schwere Fälle. Bei diesen ist lediglich die Zuordnung zur Wertgruppe der besonders schweren Fälle entscheidend, mithin der Anwendungsbereich (durch den Gesetzgeber) viel weiter gefasst. Es zeigt sich also auch hier, dass
Vertypung einer Erhöhung von Unrecht und Schuld […]“; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21: Umstände müssen gleichwertig sein, jedoch nicht gleichartig. Teilweise wird sogar eine noch strengere Orientierung an den gesetzlichen Leitbildern (Regelbeispielen) gefordert. Insoweit wird Merkmalsähnlichkeit bzw. Vergleichbarkeit mit den, in den Regelbeispielen zum Ausdruck kommenden, Leitbildern gefordert, siehe Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 42a; explizit dagegen Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 Rn. 50; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21: gleichwertig, nicht gleichartig; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210: nicht auf Merkmalsähnlichkeit beschränkt (jedoch betonend, dass Normanwender zur engen Auslegung an den gesetzlichen Leitbildern verpflichtet ist). 474 Vgl. Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29. 475 Siehe dazu Arzt, JuS 1972, 385, 390; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 14 Rn. 19: „umgekehrte Indizwirkung“; ähnlich Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 7 sowie Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 243 Rn. 11 f.; weniger streng Wittig, in: BeckOK-StGB, § 243 Rn. 3. Ablehnend Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 66. 476 Siehe Arzt, JuS 1972, 390. 477 So Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 14 Rn. 19; Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 7; siehe auch Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 243 Rn. 11, der mit einem Umkehrschluss operiert. 478 Siehe Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 7, der deswegen die vom Bundesgerichtshof entwickelte Gesamtwürdigung ablehnt. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 14 Rn. 19 ff., leiten daraus die Geltung des Analogieverbots für Regelbeispiele ab, sodass bei bloßer Ähnlichkeit die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles auszuscheiden hat. 479 Vgl. dazu Arzt, JuS 1972, 385, 390. 480 Dazu Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 7.
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die Regelbeispielstechnik mit einem „Mehr“ an gesetzgeberischer Entscheidung und damit einer stärkeren Bindung des Normanwenders verbunden ist. IV. Unterschiede hinsichtlich der Überprüfbarkeit richterlicher Entscheidungen Die unbenannten „besonders schweren Fälle“ sind dadurch geprägt, dass aus dem Gesetzestext heraus nicht erkennbar ist, welche Formen der Deliktsverwirklichung als „besonders schwer“ anzusehen sind.481 Anders liegt es hingegen, wenn Regelbeispiele existieren und aus diesen der erforderliche Unrechts- und Schuldgehalt abgeleitet werden kann. Dieser „maßstabbildende Charakter“482 der Regelbeispiele verbessert die Möglichkeiten einer Überprüfung von richterlichen Entscheidungen. Der konkrete Fall kann nämlich am Vergleichspunkt „Regelbeispiele“ gemessen werden. Diese Vergleichspunkte weisen einen höheren Präzisionsgrad auf als die allgemeine Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“. Daher ist es möglich, den in Frage stehenden Fall anhand konkreter Einzelelmente (Erfolgsunrecht, Handlungsunrecht, Vorliegen (besonderer) Schuldkomponenten) mit dem Vergleichspunkt (den Regelbeispielen) zu vergleichen. Dies schafft eine bessere Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der richterlichen Entscheidung.483 Damit verbunden ist eine bessere Vorhersehbarkeit.484 Die Regelbeispielstechnik ist infolgedessen auch einer besseren revionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich als die unbenannten „besonders schweren Fälle“. So unterliegt die Frage, ob ein bestimmtes Regelbeispiel erfüllt ist, der vollen rechtlichen Prüfung des Revisionsgerichts.485 Daneben sorgt die bereits angeführte be481
Daher verwundert es auch nicht, dass gegen die Gesetzgebungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle häufig der Vorwurf der Unbestimmtheit vorgebracht wird, siehe dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 123 ff., 130 f.; Calliess, NJW 1998, 929, 934; Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rn. 85: „bedenkliche Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz“; Zieschang, Jura 1999, 561, 564 meint, dass „[…] angesichts der völligen Offenheit des Begriffs „besonders schwerer Fall“ erhebliche Bedenken in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG“ bestehen. 482 BT-Drucks. 13/7164, S. 42. 483 Zutreffend ist daher die Feststellung von Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29, dass die Regelbeispielsmethode „[…] die Gefahr [vermindert], dass der Richter seine Entscheidungsunsicherheit hinter einer hermetischen Begründung verbirgt, und sie […] deshalb die Möglichkeit der Kontrolle richterlichen Handelns [verbessert].“. In der Sache bereits Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 426, der von einem Begründungszwang spricht, woraus die verbesserte Durchschaubarkeit der Strafzumessung folge. 484 Entsprechend räumen die Kritiker der Regelbeispielstechnik auch ein, dass diese im Vergleich zur Regelungsform der unbenannten besonders schweren Fälle „erträglicher“ sei (Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 58) und ein „Mehr an Klarheit und Rechtssicherheit“ biete (Kudlich, JuS 1998, 468, 469). 485 Insoweit stellt dies nämlich eine Subsumtion unter ein gesetzliches Merkmal dar; siehe BGH, NJW 2011, 2450; so bereits Arzt, JuS 1972, 515, 516.
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sondere Begründungspflicht486 beim Abweichen von der gesetzlichen Regel (Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens trotz Erfüllung eines Regelbeispiels; Anwendung des Sonderstrafrahmens trotz Nichterfüllung eines Regelbeispiels, d. h. Annahme eines sontigen besonders schweren Falles)487 für verbesserte Überprüfungsmöglichkeiten des Rechtsmittelgerichts.488 Wird der Sonderstrafrahmen wegen Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles angewendet, so hat der Verurteilte im Rahmen der Revision die zusätzliche Möglichkeit, ein Begründungsdefizit zu rügen. V. Unterschied zur Strafrahmenausdehnung: Vorsatz-Erfordernis Ein (für den Angeklagten günstiger) Unterschied der Regelbeispielstechnik gegenüber der Vornahme einer bloßen Strafrahmenerweiterung liegt darin, dass in Hinblick auf die Umstände, die das Vorliegen eines Regelbeispiels begründen, Vorsatz489 bzw. (in der Sache gleich) Quasi-Vorsatz490 vorliegen muss.491 Allerdings 486 In dieser prozessualen Konsequenz sieht Geerds das Entscheidende (siehe Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 426 Fn. 91). Grosse-Wilde, in: Gleichheit und Universalität, S. 45, 51, bezeichnet dies als „Prima-facie“-Regel, die bei Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel eine entsprechende Argumentationslast „aufbürdet“. Siehe auch Hassemer, in: AK-StGB, § 1 Rn. 29, der darin den Vorzug der Regelbeispielsmethode sieht und mit Blick auf den Aspekt der „Programmsicherung“ ausführt, dass diese Methode sich empfiehlt, „[…] um den Strafrichter zu einer möglichst differenzierten Argumentation zu zwingen, welche seine Entscheidungsgründe offenlegt: nicht nur zum Vorliegen eines Beispiels, sondern zusätzlich zur Fähigkeit dieses Beispiels, das (Zwischen-)Ergebnis der Entscheidung zu tragen. Diese Methode vermindert wenigstens die Gefahr, daß der Richter seine Entscheidungsunsicherheit hinter einer hermetischen Begründung verbirgt.“. 487 Siehe dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 267 Rn. 21. Die in diesen Fällen vorzunehmende „Gesamtabwägung“ ist jedoch nur eingeschränkt der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich, siehe BGH, NJW 2011, 2450. 488 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 432, der (jedoch mit Blick auf die Alternative der bloßen Strafrahmenausdehnung) darauf verweist, dass die mit der Regelbeispielsmethode einhergehende richterliche Begründungspflicht eine eingehendere Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht ermöglicht. Dieser Aspekt wird auch vorgebracht im Rahmen der Begründung der Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 400 f. 489 In Konsequenz zur Einordnung als Tatbestandsmerkmale verlangt Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 284, Vorsatz. Ebenso Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 61. Siehe auch Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 426. 490 Vgl. Arzt, JuS 1972, 515, 520; Fischer, StGB, § 16 Rn. 11; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 29 II 3c, S. 296; Joecks, in: MK-StGB, § 16 Rn. 107; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 12; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 143; Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 72; SternbergLieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 27; Vogel, in: LK-StGB, § 16 Rn. 94; in der Sache auch Zieschang, Jura 1999, 561, 566: Heranziehung der in §§ 15, 16 StGB verkörperten Grundgedanken. 491 In der Sache ergeben sich hierbei keine Unterschiede. Die unterschiedliche Terminologie ist lediglich bedingt durch die unterschiedliche dogmatische Einordnung der Regelbeispiele (nach h.M. stellen diese Strafzumessungsregeln dar; eine starke Mindermeinung ordnet
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
ist zuzugeben, dass dies die Regelbeispielsmethode nicht von den unbenannten besonders schweren Fällen abhebt, da auch bei diesen Vorsatz erforderlich ist hinsichtlich der Umstände, die das Vorliegen eines „besonders schweren Falles“ begründen.492 Jedoch zeigt sich darin die prinzipielle Vorteilhaftigkeit der Strafrahmenabstufung gegenüber der bloßen Erweiterung des (grunddeliktischen) Strafrahmens. Wenn dem Täter die Kenntnis bzgl. der entsprechenden Umstände fehlt, so kommen die (täterbegünstigenden) Irrtumsregelungen (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) zur Anwendung.493 Werden diese Umstände stattdessen (mangels Existenz einer Regelbeispiels-Strafnorm bzw. einer Strafnorm für unbenannte „besonders schwere Fälle“) als Strafzumessungsgründe bei der Strafzumessung innerhalb des erweiterten494 grunddeliktischen Strafrahmens verwertet, so genügt es nach h.M.495, wenn die Umstände für den Täter vorhersehbar gewesen sind. Virulent wird der Unterschied bspw., wenn es um die Folgen bzw. Auswirkungen der Tat geht. Denn dann bedarf es bei einer Ausgestaltung als Regelbeispiel eines voluntativen Elements in Hinblick auf die Auswirkungen bzw. Folgen der Tat. Auch hier zeigt sich (nach Täterschutzgesichtspunkten) die Vorteilhaftigkeit einer Strafrahmenabstufung mittels Verwendung der Regelbeispielstechnik bzw. der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ gegenüber der bloßen Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens. Denn diese Gesetzgebungstechniken ziehen – wie aufgezeigt -erhöhte Anforderungen im subjektiven Bereich nach sich. VI. Zusammenfassung/Fazit Als Fazit ist damit festzuhalten: Regelbeispiels-Strafnormen unterscheiden sich in ihrer Struktur wesentlich von Strafnormen für unbenannte „besonders schwere Fälle“. Sie enthalten (anders als diese) neben der Strafrahmenabschichtung auch eine Abschichtung im Bereich des Unrechts, führen beispielhaft bestimmte unrechtsund/oder schulderhöhende Faktoren auf (es erfolgt mithin eine Aufführung konkreter
Regelbeispiele hingegen als Tatbestandsmerkmale ein). Folge dessen ist, dass die Vorsatzregeln nur entsprechend bzw. direkt angewendet werden können; siehe dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 283 ff. 492 Siehe dazu eingehend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 288 ff. m.w.N.; siehe auch Roxin, Strafrecht At I, § 12 Rn. 145. 493 Siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, Rn. 143 ff. 494 Damit gemeint ist die Situation, dass anstelle der Schaffung einer RegelbeispielsStrafnorm bzw. einer Strafnorm für unbenannte „besonders schwere Fälle“ lediglich eine bloße Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens (des Regelstrafrahmens) vorgenommen wird. 495 So BGH NStZ 1986, 85, 86; BGH, NStZ-RR 2010, 170; Fischer, StGB, § 46 Rn. 34; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II § 63 Rn. 42. Strenger jedoch Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 146.
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Verwirklichungsformen)496 und enthalten damit zumindest eine unvollkommene Präzisierung bzw. Konkretisierung der allgemeinen Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“. Regelbeispielsnormen stellen dem Rechtsanwender, durch die präzise Umschreibung bestimmter Faktoren, „Leitbilder“ zur Verfügung. Letztlich beinhalten sie damit eine Definition der Wertgruppe anhand der notwendigen Unrechts- und Schuldschwere. Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass der Gesetzgeber bei der Regelbeispielstechnik wesentlich mehr vorentscheidet als bei der Schaffung einer Strafnorm, welche für unbenannte besonders schwere Fälle einen Sonderstrafrahmen vorsieht.497 Ausgehend davon bestehen (zwischen den beiden Gesetzgebungstechniken) auch Unterschiede in der Normanwendung.498 Von besonderer Bedeutung ist dabei die Bindung des Richters499 an die (bei der Regelbeispielsmethode vorhandene) gesetzgeberische Entscheidung.500 Die Normanwendung (insb. auch die Bestimmung, ob ein sonstiger besonders schwerer Fall vorliegt) muss sich bei einer Regelbeispielsnorm an den im Gesetz niedergelegten „Leitbildern“ orientieren.501 Zu beachten ist also einerseits die Indizwirkung der Regelbeispiele. Andererseits wird aus 496
Der Gesetzgeber hebt mit ihnen also bestimmte Erscheinungsformen hervor. Mit entsprechender Tendenz Gropp, JuS 1999, 1041, 1049: „Und bedeutete die Abschaffung der Regelbeispiele nicht sogar eher einen Verlust an Transparenz und Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen? Es gilt deshalb: Abschaffung der Regelbeispiele allenfalls bei gleichzeitiger Abschaffung der besonders bzw. minder schweren Fälle.“. Damit zeigt Gropp auf, dass seiner Meinung nach in der Regelungsform der „unbenannten besonders schweren Fälle“ das „Grundübel“ liegt (ebenso Zieschang, Jura 1999, 561, 564: „Wurzel allen Übels“). Dem mag an dieser Stelle der Untersuchung zuzustimmen sein, jedoch darf dies nicht den Blick dahingehend verklären, dass die Regelbeispielstechnik bzw. deren Verwendung daraus folgend über jeden Zweifel erhaben ist. Auch der Einsatz der Regelbeispielstechnik unterliegt verfassungsrechtlichen Grenzen. Insoweit bedarf es einer komparativen Gegenüberstellung mit der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes, um dies aufzuzeigen. 498 Die entsprechende Struktur der Regelbeispiels-Strafnormen muss bei der Normanwendung hinreichend Berücksichtigung finden. Dies wird insb. virulent bei der Frage nach der Bestimmung der sonstigen besonders schweren Fälle. Zutreffend weist Eisele, JA 2006, 309, 311 darauf hin, dass die Bestimmung der sonstigen besonders schweren Fälle nicht die verschiedenen „Wirkungen“ der Regelbeispiele „überspielen“ darf. Insoweit steht er einer Gesamtwürdigung (wie diese von der Rechtsprechung und großen Teilen der Literatur vorgenommen wird) kritisch gegenüber. Ausführlich dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 191 ff. 499 Dies verkennt Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 27 f., in seinen Ausführungen. 500 Die Struktur der Regelbeispiels-Strafnormen muss bei der Normanwendung hinreichend Berücksichtigung finden. Nur so wird der vorgenommenen gesetzgeberischen Entscheidung hinreichend Rechnung getragen. Insbesondere sind die verschiedenen „Wirkungen“ der Regelbeispiele zu beachten. Vgl. dazu Eisele, JA 2006, 309, 311, der zutreffend feststellt, dass die Bestimmung der sonstigen besonders schweren Fälle nicht die verschiedenen „Wirkungen“ der Regelbeispiele „überspielen“ darf. Konsequenterweise muss dies für sämtliche Fragen der Normanwendung gelten. 501 Flankiert wird dies durch die besondere prozessuale Begründungspflicht bei Abweichung von der gesetzlichen Regelung (vgl. § 267 Abs. 3 S. 3 StPO). Siehe dazu BGH, NJW 2011, 2450; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 267 Rn. 21. 497
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
den Regelbeispielen die gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der notwendigen Unrechtsbzw. Schuldschwere sichtbar. Mittels der Regelbeispiele (und der in diesen verkörperten Unrechts- und Schuldschwere) wird die Wertgruppe der besonders schweren Fälle definiert und von den „normalen“ Verwirklichungsformen abgegrenzt. Diese vom Gesetzgeber vorgenommene Abgrenzung hat der Richter zu beachten. Er kann eine Einordnung als „besonders schwerer Fall“ nur dann vornehmen, den Sonderstrafrahmen also nur dann zur Anwendung bringen, wenn der konkrete Fall eine entsprechende Unrechts- und Schuldschwere aufweist.502 Daraus folgt eine gegenüber den unbenannten „besonders schweren Fällen“ verbesserte Überprüfbarkeit der richterlichen Entscheidung. Im Vergleich zur Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle ist die Regelbeispielsmethode durch eine höhere gesetzliche Regelungsdichte und eine daraus folgende stärkere Bindung des Normanwenders gekennzeichnet,503 weshalb diesem ein geringerer eigener Entscheidungsspielraum zukommt. Die Regelbeispielsmethode kann daher weder mit der Regelungsform der unbenannten „besonders schweren Fälle“ noch mit einer bloßen Strafrahmenausdehnung gleichgesetzt werden. Infolgedessen stellt sie eine taugliche Methode zur praktischen Verwirklichung einer notwendigen Strafrahmenabstufung dar. Insbesondere erlaubt es die Abschichtung im Bereich des Unrechts, die Verwirklichungsformen der Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ von denjenigen zu trennen, die dem Grunddelikt zuzuordnen sind. Damit kann eine Abgrenzung zwischen dem Grunddelikt und der Regelbeispiels-Strafnorm vorgenommen werden. Daraus folgernd kann auch bestimmt werden, für welche Verwirklichungsformen des Delikts der grunddeliktische Strafrahmen die gesetzgeberische Bewertung enthält.
E. Die Abweichung von dem im Rahmen des Bestimmtheitsgebots ermittelten Ergebnis: Begründung anhand der divergierenden verfassungsrechtlichen Wurzeln I. Problemstellung Das soeben ermittelte Resultat scheint auf den ersten Blick von dem in Kapitel 3 § 6 A. VI. enthaltenen abzuweichen. Während hier die Zulässigkeit der Regelbeispielstechnik als Instrument zur Strafrahmenabstufung festgestellt werden konnte, wurde sie – jedenfalls implizit – in Kapitel 3 § 6 A. VI. abgelehnt, indem dort die Verwendung dieser Regelungstechnik mit der bloßen Strafrahmenerweiterung gleichgesetzt wurde. Dies mag verwundern, geht es doch in beiden Abschnitten um 502
Vgl. BT-Drucks. 13/7164, S. 42: „maßstabbildende Funktion“ der Regelbeispiele. Dies ist im Ergebnis auch die Feststellung von Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 59 f. 503
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die zulässige Reichweite von Strafrahmen und die Mittel bzw. Werkzeuge der (notwendigen) Strafrahmenabstufung. An dieser Stelle bedarf es jedoch einer näheren Betrachtung. Zwar haben die beiden Abschnitte jeweils die Frage nach der zulässigen Reichweite von Strafrahmen zum Gegenstand und damit auch die Frage, ob eine bestimmte Regelungstechnik eine „echte“ Strafrahmenabstufung darstellt oder nur eine „verdeckte“ Strafrahmenerweiterung. Bei beiden geht es um die Ableitung von Vorgaben an die Gestaltung des Strafrahmens bzw. der Strafrahmenreichweite. Jedoch unterscheiden sich die Abschnitte hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Zugriffs. Während in Kapitel 3 § 6 A. VI. auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) abgestellt wurde, liegt den soeben getätigten Ausführungen der Schuldgrundsatz zu Grunde. Die Vorgaben bezüglich der Strafrahmenweite bzw. der Notwendigkeit einer Strafrahmenabstufung wurzeln damit in unterschiedlichen Verfassungsgrundsätzen. Damit gelten jeweils eigene Prinzipien. Insbesondere unterscheiden sich die beiden Verfassungspostulate in Hinblick auf ihre Schutz- bzw. Zweckrichtung. Dies legt den Boden dafür, dass sich Abweichungen in Hinblick auf die Einordnung bzw. Bewertung der Regelbeispielstechnik ergeben können. Gleich ist beiden Verfassungsgrundsätzen, dass sich aus ihnen Vorgaben für die Gestaltung von Strafrahmen bzw. die Weite von Strafrahmen ergeben. Diese Vorgaben sind jedoch zum einen unterschiedlich streng. Zum anderen führen sie – was im Folgenden aufgezeigt werden soll – zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Regelbeispielsmethode in Hinblick auf ihre Eignung als StrafrahmenabstufungsInstrument. II. Beleuchtung der beiden Verfassungsprinzipien Im Einzelnen ist dazu wie folgt auszuführen: Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Zweck des jeweiligen Verfassungsgebotes. Das Bestimmtheitsgebot verfolgt einen doppelten Zweck.504 Neben der Sicherung der Entscheidungszuständigkeit des Gesetzgebers steht auch der Schutz des Bürgers (mithin des Normadressaten) im Vordergrund.505 Insoweit soll Jedermann vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.506 Das Bestimmtheitsgebot dient damit auch dem Schutz des Normadressaten,507 welcher grundsätzlich508 mit Blick auf die gesetzliche 504
BVerfGE 47, 109, 120; 71, 108, 114; 87, 209, 224; BVerfG, NJW 1989, 1663; 2008, 3627; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 16; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 178. 505 Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 16; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 179 f. unterscheidet entsprechend zwischen der freiheitsgewährleistenden Funktion und der kompetenzwahrenden Funktion. 506 BVerfG, NJW 1989, 1663. 507 Ebenso (mit Blick auf die freiheitsgewährleistende Funktion) Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 179.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
Regelung in der Lage sein muss, vorauszusehen, ob ein Verhalten strafbar ist.509 Wegen dieser freiheitsgewährleistenden Funktion510 müssen die einzelnen Elemente der Garantie (Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit, Verstehbarkeit von Strafnormen) auf die Bedürfnisse des Bürgers zugeschnitten werden.511 Bei der Ermittlung des Wortsinns einer Norm ist deshalb auf die Bürgersicht abzustellen.512 Entsprechendes gilt in Hinblick auf die Rechtsfolgenbestimmtheit.513 Es muss für den Normadressaten daher vorhersehbar sein, welche Sanktion für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Strafnorm droht.514 Legt man diese Prinzipien einer Betrachtung der Regelbeispielstechnik aus der Blickrichtung des Bestimmtheitsgebots zu Grunde, so erweist sich diese als problematisch. Denn aufgrund der unvollkommenen Präzisierung/Wertgruppenbildung ist es aus Sicht des nicht juristisch vorgeprägten Bürgers (d. h. des juristischen Laien) – auf dessen Standpunkt es nach dem oben Gesagten i.R.d. Bestimmtheitsgrundsatzes und dessen Erfüllung ankommt – nicht vorhersehbar, wann diese Norm zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führt. Einerseits kann dieser dem Irrtum unterliegen, dass es sich bei den Regelbeispielen um eine abschließende Aufzählung der Strafrahmenschärfungsgründe handelt. Andererseits ist es aus Sicht des juristischen Laien nicht ermittelbar, wann der in der Regelbeispielsnorm enthaltene Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Denn aus Sicht des Normadressaten ist es nicht möglich zu bestimmen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles. Dies zeigt sich bereits durch einen Blick auf die (vielfältigen) Schwierigkeiten, die sich bei der Diskussion um die Definition der sonstigen besonders schweren Fälle stellen.515 Die Konkretisierung des Anwendungsbereichs von Regelbeispielsnormen stellt ein komplexes Problem dar, welches durch den juristischen Laien nicht gelöst werden kann. Infolgedessen ist es für diesen nicht erkennbar, wann der Sonderstrafrahmen Anwendung findet. Für den Bereich des Bestimmtheitsgebots fehlt der Regelbeispielstechnik damit die erforderliche Abgrenzungswirkung. 508 Siehe dazu BVerfG, NJW 2001, 1848, 1849: „Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar.“. 509 BGH, NJW 2007, 524, 525. 510 Siehe zur Unterscheidung zwischen freiheitsgewährleistender Funktion und kompetenzwahrender Funktion, Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 179 f. 511 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 179. 512 BVerfGE 71, 115, 121; 73, 206, 235 f.; Hill, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI1989, § 156 Rn. 66; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 179. 513 Dass das Bestimmtheitsgebot auch für die Strafandrohung gilt, dürfte mittlerweile allgemeine Meinung sein; siehe nur BVerfGE 105, 135, 153. 514 Vgl. BVerfGE 105, 135, 155 f.. Der Bestimmtheitsgrundsatz soll dabei letztlich die zu erwartende Sanktion erkennbar machen. 515 Zum Streitstand siehe Kapitel 8 § 22.
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Anders ist jedoch hinsichtlich des Schuldgrundsatzes und einer aufgrund dieses Verfassungsprinzips erfolgenden Strafrahmenabstufung zu entscheiden. Im Gegensatz zum Bestimmtheitsgebot spielt beim Schuldgrundsatz (in allen seinen Ausprägungen)516 die Sicht des Bürgers grundsätzlich keine wesentliche Rolle. Hinsichtlich des Gebots der schuldangemessenen Bestrafung bspw. ist die Einschätzung bzw. Sicht des Bürgers unerheblich. Entsprechendes gilt für das Gebot der widerspruchsfreien Bewertung des Unwerttypus. Anders als beim Bestimmtheitsgebot steht beim Schuldgrundsatz die Perspektive des Bürgers nicht im Zentrum der Überlegungen, konstituiert also nicht den Maßstab der verfassungsrechtlichen Beurteilung. Damit ist klar, dass die Regelbeispielstechnik in Hinblick auf den Schuldgrundsatz (und eine wegen des Schuldgrundsatzes erforderliche Strafrahmenabstufung) ggf. anders zu bewerten ist. Die Einschätzung hat unabhängig von der im Rahmen des Bestimmtheitsgebots getätigten zu erfolgen. Sie hat vorliegend ergeben, dass die Schaffung einer Regelbeispielsnorm nicht einer bloßen Strafrahmenerweiterung gleichkommt und dies damit ein zulässiges Instrument der Strafrahmenabstufung ist.517
III. Folgerungen Damit ist aufgezeigt, dass die Ausführungen nicht widersprüchlich sind, sondern vielmehr zu differenzieren ist. Während eine Regelbeispielsnorm mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz kein zulässiges Instrument der Strafrahmenabstufung darstellt, mithin mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG letztlich einer bloßen Strafrahmenerweiterung gleichkommt, kann sie, wenn der Schuldgrundsatz eine Strafrahmenabstufung erforderlich macht, im Rahmen der gesetzlichen Durchführung der Strafrahmenabstufung Verwendung finden. Bei der (Über-)Prüfung des deliktsgruppeninternen Normgefüges anhand des Schuldgrundsatzes ist sie damit nicht als bloße Strafrahmenausdehnung anzusehen. Misst man einen Strafrahmen anhand des Bestimmtheitsgebots, so ist dem Grundstrafrahmen der in der Regelbeispielsnorm enthaltene Sonderstrafrahmen – soweit er den Grundstrafrahmen übersteigt – hinzuzurechnen. Überprüft man hingegen den Grundstrafrahmen anhand des Schuldgrundsatzes (in der Ausprägung des Gebots der erkennbaren gesetzgeberischen Bewertung), ist der Sonderstrafrahmen unberücksichtigt zu lassen. Daraus ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode. In Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz ist der Einsatz der Regelbeispielsmethode verfassungsrechtlich unzulässig, wenn der aus der Mindeststrafe des Regelstrafrahmens und der Höchststrafe des Sonderstrafrahmens zu bildende (fiktive) Gesamtstrafrahmen als zu unbestimmt zu qualifizieren ist. Bezüglich des Schuldgrundsatzes ist in diesem Zusammenhang eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit 516 517
Dazu Kapitel 3 § 6 B. I. Dazu ausführlich Kapitel 3 § 7 D.
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
der Verwendung der Regelbeispielsnorm bereits dem Grunde nach ausgeschlossen, denn eine etwaige Prüfung bezieht den in der Regelbeispielsnorm enthaltenen Sonderstrafrahmen nicht ein. Nur die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots an die Strafrahmenreichweite können daher die Verfassungswidrigkeit einer Regelbeispielsnorm begründen, nicht jedoch die Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Weite von Strafrahmen. Dies darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Verstoß eines Strafrahmens gegen das Bestimmtheitsgebot (auch bei Einbezug des Sonderstrafrahmens und der Bildung eines fiktiven Gesamtstrafrahmens) nur in seltenen Ausnahmefällen auszumachen sein dürfte, weil dem Bestimmtheitsgrundsatz hinsichtlich der Weite von Strafrahmen nur sehr großzügige Vorgaben zu entnehmen sind.518 Insoweit ist nämlich erst dann eine Unbestimmtheit des fiktiven Gesamtstrafrahmens anzunehmen (liegt mithin erst dann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor), wenn dieser (scil. der fiktive Gesamtstrafrahmen) den gesamten Bereich der zeitigen Freiheitsstrafen (1 Monat bis 15 Jahre) abdeckt.519 Faktisch ist eine Regelbeispielsnorm nur dann wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) verfassungswidrig, wenn sie eine Höchststrafe von 15 Jahren Freiheitsstrafe (oder sogar lebenslange Freiheitsstrafe) vorsieht und mit einem Grundelikt verknüpft ist, dessen Strafrahmenuntergrenze dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe entspricht, welches mithin im Mindestmaß nicht erhöht ist und daher eine Strafrahmenuntergrenze von 1 Monat Freiheitsstrafe hat. Die derzeitige Ausgestaltung der Strafrahmen im Bereich der Erpressung (§ 253 StGB) ist daher mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar: An das Grunddelikt (§ 253 Abs. 1 StGB), welches eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe nicht vorsieht, sondern lediglich „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren“, knüpft in Absatz 4 eine Regelbeispielsnorm, welche einen Sonderstrafrahmen enthält, der von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reicht. In der Kombination dieser beiden gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen in den Absätzen 1 (grunddeliktischer Regelstrafrahmen) und 4 (Sonderstrafrahmen) erfasst diese Norm den gesamten Bereich zeitiger Freiheitsstrafen.
F. Zwischenfazit sowie Überleitung Darüber hinaus ergeben sich im vorliegenden Zusammenhang (zu den Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts jedoch im folgenden Kapitel) keine weiteren Vorgaben für die Art und Weise der Ausgestaltung der Strafrahmenabschichtung. Somit kann grundsätzlich – d. h. vorbehaltlich weiterer verfassungsrechtlicher Vorgaben520 – auch eine Norm, in der lediglich Regelbeispiele
518 519 520
Zur Begründung siehe Kapitel 3 § 6 A. Siehe bereits Kapitel 3 § 6 A. V. und VI. Diese sind Gegenstand des folgenden Kapitels.
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genannt werden, zur notwendigen Strafrahmenabschichtung dienen.521 Der Gesetzgeber kann daher im Grundsatz zwischen der Gesetzgebungstechnik Qualifikationstatbestand und der Regelbeispielstechnik wählen. Ausgeschlossen als Mittel zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung ist jedoch die Schaffung einer Strafvorschrift für unbenannte besonders schwere Fälle,522 da diese Regelungstechnik aufgrund der mit ihr verbundenen Inhaltsleere einer bloßen Strafrahmenerweiterung, welche in den Fällen der notwendigen Strafrahmenabstufung523 gerade nicht zulässig ist,524 gleichsteht. Festzuhalten ist damit Folgendes: In Hinblick auf die Durchführung der notwendigen deliktsgruppeninternen Strafrahmenabstufung zur Erfüllung der Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Strafrahmengestaltung (erkennbare Bewertung des Unwerttypus) hat der Gesetzgeber im Grundsatz (d. h. unter ausschließlicher Berücksichtigung der Vorgaben von Bestimmtheitsgrundsatz525 und Schuldgrundsatz 521
Dass sich freilich noch weitere Vorgaben aus dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt ergeben können, bleibt hier zunächst unberücksichtgt. Wie diese aussehen, wird in den folgenden Kapiteln dargelegt. 522 A.A. Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 420, 421 ff., der jedoch unzutreffenderweise davon ausgeht, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, auf jede Differenzierung zu verzichten und den verschiedenen Erscheinungsformen des Delikts mit einem genügend weiten Strafrahmen Rechnung zu tragen (Schröder, a.a.O., S. 420, 421 f.) und infolgedessen jede der Gesetzgebungstechnik als stets zulässig anzusehen ist (Schröder, a.a.O., S. 423, 428). Schröder verkennt jedoch bereits in seinem Ansatz, dass es dem Gesetzgeber nicht möglich ist, beliebig weite Strafrahmen zu schaffen (eingehend dazu Kapitel 3 § 6). 523 Notwendig ist eine Strafrahmenabstufung, wenn der Gesetzgeber für ein bestimmtes Delikt, welches ein Vergehen ist, als Höchststrafe einen höheren Strafwert androhen will als 6 Jahre Freiheitsstrafe. In diesen Fällen ist es dem Gesetzgeber verwehrt, das Vergehen mit einem Strafrahmen zu versehen, welcher in seiner Strafrahmenobergrenze über den Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe reicht. Ein solcher Strafrahmen wäre aufgrund seiner Weite unvereinbar mit den Vorgaben des Schuldgrundsatzes (siehe eingehend Kapitel 3 § 6 B.). Ist es dem Gesetzgeber aufgrund des Übermaßverbots auch verwehrt, das Grunddelikt als Verbrechen auszugestalten, so muss er eine Strafrahmenabstufung „nach oben“ vornehmen. Relevant ist dies v. a. bei solchen Straftaten, deren regelmäßige Verwirklichungsformen mit einem geringen Unrechts- und Schuldgehalt verbunden sind, bei denen jedoch andererseits Verwirklichungsformen existieren, für die aufgrund des besonderen Unrechts- und Schuldgehalts eine Strafandrohung jenseits der 6 Jahre Freiheitsstrafe (Strafandrohung von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe) notwendig ist. 524 Eine Ausdehnung des Strafrahmens scheidet in diesen Fallkonstellationen nämlich aus, da der Strafrahmen dann (d. h. nach seiner Ausdehnung) wegen seiner Weite unvereinbar wäre mit dem Schuldgrundsatz. Wie bereits festgestellt, darf ein Strafrahmen für ein Vergehen höchstens bis zur Strafrahmenobergrenze von 6 Jahren reichen [eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. V.)]. Will der Gesetzgeber für ein bestimmtes Delikt als Höchststrafe eine höhere Freiheitsstrafe androhen, ist es ihm daher verwehrt lediglich den (grunddeliktischen) Strafrahmen bis zu dem entsprechenden Strafwert auszuweiten. Notwendig ist vielmehr die Durchführung einer Strafrahmenabstufung. 525 Zu Grunde gelegt wird hier, dass entweder die Untergrenze des grunddeliktischen Strafrahmens höher liegt als das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (1 Monat) oder der Strafrahmen der Regelbeispiels-Norm in seiner Obergrenze nicht bis zum absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (15 Jahre) reicht. Wäre dies nicht der Fall, so würde es
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Kap. 3: Verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen
für die Strafrahmengestaltung)526 freie Wahl zwischen den Gesetzgebungstechniken Qualifikationstatbestand und Regelbeispielsmethode.527 Fraglich ist jedoch, ob sich aus sonstigen verfassungsrechtlich fundierten Postulaten Vorgaben ergeben für die Binnengliederung von Deliktsgruppen. der Bestimmtheitsgrundsatz erfordern, dass anstelle der Regelbeispielsmethode die Gesetzgebungstechnik des Qualifikationstatbestandes Anwendung findet. Siehe dazu Kapitel 3 § 6 A. V. und VI. 526 Weitere Vorgaben ergeben sich aus dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt, dazu Kapitel 4. 527 Das Gebot der Bestimmtheit der Rechtsfolgenandrohung (Art. 103 Abs. 2 GG) enthält für diese Konstellation keine Vorgaben, da es die Schaffung relativ weiter Strafrahmen zulässt (aus ihm lässt sich lediglich entnehmen, dass ein Strafrahmen nicht vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (1 Monat) bis zum absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (15 Jahre) reichen darf; sobald entweder die deliktsgruppeninterne Mindeststrafe höher liegt als 1 Monat oder die deliktsgruppeninterne Höchststrafe weniger als 15 Jahre beträgt, wäre selbst bei der Festlegung eines weiten Gesamtstrafrahmens die Rechtsfolgenandrohung „bestimmt“ i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG, woraus folgt, dass Erst-Recht die Schaffung neuer Strafnormen mit Sonderstrafrahmen zulässig ist (daher ist – beschränkt man die Betrachtung auf die Vorgaben des Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG – sogar die Verwendung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ auf der Voraussetzungsseite zulässig); zutreffend (in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz) ist daher der Hinweis von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, dass in Hinblick auf die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelbeispielsmethode differenziert werden muss und Voraussetzung für das Verdikt der Verfassungswidrigkeit dieser Gesetzgebungstechnik (wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz) ist „[…] dass der gesamte, zum einen durch die Untergrenze des Regelstrafrahmens, zum anderen durch die Obergrenze des besonders schweren Falles auf ein Delikt gesetzte Strafrahmen seinerseits zu unbestimmt ist.“; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 402 betont, dass es wenig überzeugend wäre, Strafrahmenabschichtungen durch die Schaffung von Strafvorschriften für „besonders schwere Fälle“ als verfassungswidrig anzusehen, wenn entsprechend weite Strafrahmen für zulässig erachtet würden; so auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 206 f.). Innerhalb des vorgegebenen Rahmens verpflichtet das Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber nicht zur Strafrahmenabstufung (wie soeben erwähnt, wäre (aus Sicht des Bestimmtheitsgebotes) sogar ein weiter Gesamstrafrahmen zulässig). Aufgrund der wenig strengen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an die Ausgestaltung der Strafrahmenweite ergeben sich aus dem Bestimmtheitsgebot in aller Regel keine Anforderungen an die Art der Strafrahmenabstufung (Ausnahme: Untergrenze des grunddeliktischen Strafrahmens ist identisch mit dem absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (1 Monat) und Obergrenze des Sonderstrafrahmens entspricht dem absoluten Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe, 15 Jahre). Infolgedessen enthält das Bestimmtheitsgebot in diesen Fällen in aller Regel auch keine Vorgaben an die Durchführung (das „Wie“) der Strafrahmenabstufung (keine Beschränkung auf bestimmte Gesetzgebungstechniken). Dass jedoch der Schuldgrundsatz innerhalb des, vom Bestimmtheitsgebot gezogenen, Rahmens eine Strafrahmenabstufung erforderlich machen kann, wurde im Haupttext ausführlich dargelegt (siehe dazu Kapitel 3 § 6 B.). Vorgaben, wie diese. (scil. die Strafrahmenabstufung) durchzuführen ist, enthält der Schuldgrundsatz dahingehend, dass die Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schwere Fälle“ ausgeschlossen ist (siehe dazu den Haupttext). Weitere Anforderungen (insb. eine Einschränkung des gesetzgeberischen Auswahlermessens hinsichtlich der Verwendung der legislativen Techniken Regelbeispielsmethode und Qualifikationstatbestand) lassen sich jedoch dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt entnehmen (siehe dazu Kapitel 4).
Kapitel 4
Die Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe (inkl. gesetzgeberischer Verpflichtung zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes) § 8 Die verfassungsrechtliche Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt Fraglich ist, ob der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Verwendung der beiden Gesetzgebungstechniken (Qualifikationstatbestand, Regelbeispielsmethode) unbegrenzt ist1 oder ob er bestimmten Beschränkungen unterliegt.2 Zu untersuchen ist also, ob die Auswahlentscheidung zwischen den beiden Regelungsarten wirklich lediglich eine „formale Frage der Gesetzgebungstechnik“3 1 So Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 421 ff., 428, der sogar davon ausgeht, dass jede Form (Qualifikationstatbestand, Regelbeispielsmethode, unbenannte „besonders schwere Fälle“) stets zulässig sei. Jedoch gehen die Ausführungen von Schröder bereits im Ansatz fehl. Unzutreffenderweise geht er nämlich davon aus, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, auf jede Differenzierung gegenüber dem Grunddelikt zu verzichten und die verschiedenen Erscheinungsformen durch genügend weite Strafrahmen abzudecken (siehe Schröder, a.a.O., S. 420, 421 f.). Dies verkennt jedoch, dass in bestimmten Fälle eine Strafrahmenabstufung erforderlich ist (siehe dazu Kapitel 3 § 6 A. und B.) und der Gesetzgeber bei Durchführung einer solchen den verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt (dazu Kapitel 3 § 7 C. zur Unzulässigkeit der Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten „besonders schweren Fälle“ sowie Kapitel 4 zu den Vorgaben aus dem strengen Parlamentsvorbehalt). 2 Eine Pflicht zur tatbestandsförmigen Unterscheidung von Mord und Totschlag nimmt Walter, NStZ 2014, 368 f. an. Allgemein nimmt Walter an, dass der Gesetzgeber (innerhalb einer Deliktsgruppe) „[…] alle wesentlichen Unterscheidungen abbilde[n]“ muss (siehe Walter, a.a.O., 368). 3 So BGHSt 26, 167, 173; 29, 359, 368 („kein tiefgreifender Wesensunterschied“ zwischen beiden Gesetzestechniken); diese Rechtsprechung wiedergebend (jedoch ohne eigene Stellungnahme: „Ob die Bemerkung über die formale Bedeutung der Gesetzestechnik allgemein zutrifft, kann auf sich beruhen.“) BGHSt 33, 370, 374; in der Sache gleich Dannecker, in: LKStGB, § 1 Rn. 233; nach Reichenbach, Jura 2004, 260, 265 besteht kein „qualitatives Gefälle“ zwischen beiden Regelungsarten; in der Sache (aus Gründen der Praktikabilität) eine gesetzgeberische Wahlfreiheit annehmend Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 11; kritisch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 112, der eine „[…] nicht aufzuhaltende Erosion der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit von Art. 103 Abs. 2 GG“ befürchtet, wenn man beide Techniken für beliebig austauschbar hielte und konstatiert, dass einer solchen Beliebigkeit auch die Aufgabe des Strafrechts als Bürgerschutzrecht entgegenstehe (Krahl, Tatbestand und
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
ist, der Gesetzgeber sich also (im Rahmen der in den vorangegangenen Punkten beschriebenen Grenzen) beliebig der verschiedenen Regelungstechniken bedienen kann.4 Zwar ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber auch im Bereich des Strafrechts einen Gestaltungsspielraum hat.5 Jedoch ist dieser nicht grenzenlos. Der Gesetzgeber unterliegt verfassungsrechtlichen Beschränkungen.6 Eine wesentliche Beschränkung (für die gesetzgeberische Tätigkeit allgemein) ergibt sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes. Nach der zu diesem entwickelten Wesentlichkeitsdoktrin7 des Bundesverfassungsgerichts „[…] [muss] der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen […]“.8 Damit verbunden ist auch ein Delegationsverbot.9 Der Gesetzgeber ist, will oder soll er einen bestimmten Sachbereich, der als „wesentlich“ einzuordnen ist, regeln, verpflichtet dies selbst zu tun und darf dies nicht einem anderen überlassen.10 Zudem muss das entsprechende Gesetz hinreichend bestimmt und genau sein.11 Der Grad der Genauigkeit hängt von der „Wesentlichkeit“ ab,12 wobei auch der jeweilige Sachbereich/Regelungsgegenstand zu beachten ist.13 Insoweit betrifft die Wesentlichkeitstheorie auch die Frage nach der erforderlichen
Rechtsfolge, S. 142). Auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 197 f. wendet sich gegen die These, dass zwischen den Reglungstechniken kein tiefgreifender Unterschied bestehe. Gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit der Aussagen des BGH spricht sich Fabry, NJW 1986, 15, 16, aus. Aus rechtspolitischer Perspektive kritisch in Hinblick auf das Fehlen einer legislativen Systematik bei der Auswahl der Regelungstechnik Schott, Gesetzliche Strafrahmen, S. 49 ff. 4 So (in Hinblick auf die Reform der Tötungsdelikte und die von ihm vorgeschlagene Fassung der Mordmerkmale als Regelbeispiele) Krehl, ZRP 2014, 98, 100: „Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers erfährt aus diesem Grund keine Einschränkung durch die Verfassung.“. 5 Dies wird betont in der Entscheidung BVerfGE 45, 187, 223. 6 Dies betonend – mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG – Gaede, in: AnwKomm-StGB, § 1 Rn. 25: kein unbegrenzter Vorrang der Prärogative des Gesetzgebers. 7 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 113. 8 BVerfGE 49, 89, 126; 84, 212, 226; 101, 1, 34; folgend Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 47. Eingehend zur Wesentlichkeitstheorie Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 52 ff. 9 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 53. 10 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 53. Siehe dazu auch BVerfGE 83, 130, 142; 95, 267, 307; 116, 24, 58. 11 Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54. 12 Siehe BVerfGE 83, 130, 152; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54. So auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 106: „Mit zunehmender Wesentlichkeit der Entscheidung nimmt auch die erforderliche Regelungsdichte des Gesetzes zu.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Siehe für den Bereich des Strafrechts Gaede, in: AnwKomm-StGB, § 1 Rn. 24: Steuerung der Praxis durch gesetzgeberische Bestimmungstiefe. 13 BVerfGE 111, 191, 217; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54.
§ 8 Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums
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Regelungsdichte.14 Der Gesetzgeber ist hierbei verpflichtet, „[…] die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst [festzulegen] […]“15. Als „wesentlich“16 sind dabei solche Entscheidungen anzusehen, die „[…] wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte […]“17 sind. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber auch Entscheidungen treffen bzgl. „[…] demokratisch fundamentaler Grundsatzentscheidungen[,] [die] von Bedeutung für die Allgemeinheit […]“18 sind.19 Auch diese sind als „wesentlich“ einzuordnen. Insoweit ist also bei der Bestimmung der „Wesentlichkeit“ nicht ausschließlich auf den Grundrechtseingriff abzustellen.20 Im Übrigen gilt dieser Verzicht auf das Kriterium des Eingriffs auch bei der ersten Fallgruppe (der Wesentlichkeit für die Verwirklichung der Grundrechte).21 14 Siehe Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 106; vgl. dazu auch BVerfGE 101, 1, 34: „[…] nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch wie weit diese Regelung im Einzelnen zu gehen hat.“. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 9 Rn. 47 bezeichnet diese Komponente der Wesentlichkeitstheorie als „Regelungsdichteanweisung“. Eingehend Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54. Aus dieser „Regelungsdichteanweisung“ des Art. 103 Abs. 2 GG leitet Walter, NStZ 2014, 368 f., hinsichtlich der Neuregelung der Tötungsdelikte eine gesetzgeberische Pflicht ab, zwischen Mord und Totschlag in tatbestandsförmiger Art zu unterscheiden. Insoweit muss der Gesetzgeber „[…] alle wesentlichen Unterscheidungen abbilde[n]“ (siehe Walter, a.a.O., 368). 15 BVerfGE 49, 89, 127. 16 Zu den Problemen in Hinblick auf die Bestimmung dessen, was als „wesentlich“ anzusehen ist Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 56 ff. 17 BVerfGE 47, 46, 79; 98, 218, 251; ähnlich BVerfGE 77, 170, 230 f.: wesentlich für die Grundrechtsausübung. Dem folgend Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 48. 18 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 114. 19 Ebenso Huster/Rux, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 20 Rn. 176; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 186, 273 f.; in der Sache auch Kisker, NJW 1977, 1313, 1318 (politisch kontroverse Entscheidungen); in eine entsprechende Richtung tendiert auch BVerfGE 40, 237, 249; siehe auch BVerfGE 49, 89, 126; 88, 103, 116: „alle wesentlichen Entscheidungen“, die „grundlegende normative Bereiche“ betreffen (ebenso Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 107, der für eine „bereichsspezifische Bestimmung“ des „Wesentlichen“ (dazu Herzog, a.a.O., Rn. 104 ff.) eintritt). Enger jedoch BVerfGE 68, 1, 108 ff.: Ablehnung eines Gesetzesvorbehalts für alle objektiv wesentlichen Entscheidungen. 20 Ebenso Huster/Rux, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 20 Rn. 176: Erweiterung des Vorbehalts des Gesetzes über den Eingriffsbereich hinaus. Siehe zudem Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 238 f., 247 ff.: auch außerhalb des grundrechtsrelevanten Bereichs wesentliche Entscheidungen denkbar (Staupe, a.a.O., S. 238 f.); ebenso Hermes, Parlamentsgesetz, S. 114. Restriktiver Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 101, 122: „kein genereller Parlamentsvorbehalt für alle bedeutsamen oder „staatsleitenden“ Akte“ (S. 122), „[g]leichwohl kann der demokratische Ansatz der „Wesentlichkeitslehre“ im Einzelfall doch als Argument dafür angeführt werden, daß eine Angelegenheit von grundlegender Bedeutung für das Gemeinwesen vom Gesetzgeber geregelt wird.“ 21 Siehe Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 330. Siehe auch Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 69: „Das Vorliegen eines Eingriffs ist hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung der Wesentlichkeit.“. Siehe aus der verfassugsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfGE 49, 89, 126: „Heute ist es ständige Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber verpflichtet
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
Abzustellen ist bei dieser nämlich auf die Grundrechtswesentlichkeit, maßgeblich ist also, ob die Entscheidung wesentlich ist für die Ausübung eines oder mehrerer Grundrechte.22 In Hinblick auf das Strafrecht enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen besonders strengen Gesetzesvorbehalt (i.S.e. Parlamentsvorbehalts).23 Insoweit lässt sich auch aus Art. 103 Abs. 2 GG ein Delegationsverbot ableiten.24 Bei der Betrachtung von Strafnormen in Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG wird zwar meist auf die Wirkung als Bestimmtheitsgebot abgestellt. Jedoch enthält diese grundgesetzliche Vorschrift – wie soeben erwähnt – auch ein Delegationsverbot.25 ist, – losgelöst vom Merkmal des ,Eingriffs‘ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen […].“. 22 Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 330 f. Näher dazu BVerfGE 47, 46, 78 ff. 23 Höfling/Burkiczak, in: BerlKomm-GG [Stand: 26. Erg.-Lfg. IV/09], Art. 103 Rn. 145; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 184; Schmahl, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 103 Rn. 26; Radtke/Hagemeier, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 103 Rn. 23; Appel, Verfassung und Strafe, S. 121; Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 49; Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 165 f.; Eschelbach, in: Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 30 Rn. 118; siehe auch BVerfGE 126, 170, 194; BVerfG, NJW 2008, 3627: strenger Gesetzesvorbehalt. Auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 II Rn. 29 geht davon aus, dass der Vorbehalt des Strafgesetzes streng zu beachten ist, meint aber, dass die Anforderungen letztlich wohl die des allgemeinen Parlamentsvorbehalts nicht übersteigen. 24 Ausdrücklich Jahn, JuS 2009, 859, 860; in der Sache auch BVerfG, NJW 2008, 3627: Art. 103 Abs. 2 GG soll „[…] gewährleisten, dass die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten im Voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich von der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt gefällt wird.“; Eschelbach, in: Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 30 Rn. 118: Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, „[…] dass nur der Gesetzgeber die strafwürdigen Rechtsgutsverletzungen bestimmt.“; ähnlich Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 114; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 184: strenger Gesetzesvorbehalt i.S.e. Parlamentsvorbehalts; Appel, Verfassung und Strafe, S. 120 f.: Kompetenzverteilungsregel; ähnlich Sternberg-Lieben, objektive Schranken der Einwilligung, S. 335: „[…] Sicherung der Bestimmungsmacht des Parlaments über den Einsatz des Strafrechts (kompetenzwahrende Funktion) […].“. Siehe auch Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 40 ff., 44, der in der Wahrung des Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzips die Aufgabe von Art. 103 Abs. 2 GG erblickt. Für eine verstärkte Berücksichtigung des Demokratiegebots im Bereich des Strafrechts tritt Gärditz, Der Staat 2010, 331, 342 ff., ein. 25 Ausdrücklich Jahn, JuS 2009, 859, 860; in der Sache auch BVerfG, NJW 2008, 3627: Art. 103 Abs. 2 GG soll „[…] gewährleisten, dass die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten im Voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich von der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt gefällt wird.“; Eschelbach, in: Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 30 Rn. 118: Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, „[…] dass nur der Gesetzgeber die strafwürdigen Rechtsgutsverletzungen bestimmt.“; ähnlich Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 114; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 103 Rn. 26: Gesetzgeber darf Entscheidung darüber, in welchen Bereichen und in welchem Umfang das Mittel Strafrecht eingesetzt werden soll, nicht der Judikative überlassen; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 184: strenger Gesetzesvorbehalt i.S.e. Parlamentsvorbehalts; Appel, Verfassung und Strafe, S. 120 f.: Kompetenzverteilungsregel; in der Sache gleich Sternberg-Lieben, objektive Schranken der Einwilligung, S. 334 ff.; siehe auch Ransiek, Gesetz
§ 8 Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums
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Insoweit kann man von einem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt sprechen.26 Der parlamentarische Gesetzgeber und nicht die Gerichte sollen über die Strafbarkeit entscheiden.27 Der strenge Gesetzesvorbehalt fordert, dass sowohl die Voraussetzungen der Strafbarkeit als auch die Art der Strafe im formellen Parlamentsgesetz enthalten sind.28 Damit kommt dieser Verfassungsnorm (auch) kompetenzwahrende Funktion zu.29 Insoweit liegt darin die Entsprechung zum Parlamentsvorbehalt in Hinblick auf grundrechtswesentliche Fragen.30 Art. 103 Abs. 2 GG enthält somit eine Konkretisierung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts.31 Daraus folgt, dass der Gesetzgeber (auch) im Bereich des Strafrechts die „wesentlichen“ Entscheidungen selbst treffen muss.32 Insoweit ist es möglich, auf die und Lebenswirklichkeit, S. 40 ff., 44, der in der Wahrung des Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzips die Aufgabe von Art. 103 Abs. 2 GG erblickt. Ebenso das Delegationsverbot betonend Gaede, in: AnwKomm-StGB, § 1 Rn. 2. 26 Siehe Höfling/Burkiczak, in: BerlKomm-GG [Stand: 26. Erg.-Lfg. IV/09], Art. 103 Rn. 145 (Parlamentsvorbehalt); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 184; Appel, Verfassung und Strafe, S. 121; Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 49. Siehe auch BVerfGE 126, 170, 194; BVerfG, NJW 2008, 3627: strenger Gesetzesvorbehalt. Siehe auch Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 166: „[…] Sonderregel, die für das Gebiet des Strafrechts besonders enge Vorgaben durch das Parlament fordert.“. 27 BVerfGE 87, 399, 411; 126, 170, 194; BVerfG, NJW 2008, 3627; Radtke/Hagemeier, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 103 Rn. 23; Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 114; Eschelbach, in: Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 30 Rn. 118; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 103 Rn. 26. 28 BVerfGE 75, 329, 342; 126, 170, 194 f.; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 103 Rn. 26. Siehe auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 120: der Gesetzgeber muss „[…] die Grundentscheidung über eine Strafbewehrung und den Rahmen der Strafandrohung […]“ treffen. 29 So Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 180. Siehe auch Gärditz, Der Staat 2010, 331, 342 f.: „Soziale Sinngebung mit Strafrechtsrelevanz ist aber beim parlamentarischen Gesetzgeber monopolisiert (Art. 103 Abs. 2 GG) und damit an das demokratische Verfahren rückgebunden.“. 30 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63. Siehe auch BVerfGE 126, 170, 195: „Die allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen […] und dass er Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist […], gelten danach für den besonders grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt.“. 31 So Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 II Rn. 28, der jedoch davon ausgeht, dass „[…] die Anforderungen […] letztlich wohl nicht über den allgemeinen Parlamentsvorbehalt hinaus [gehen]“ (Schulze-Fielitz, a.a.O., Rn. 29). Weitergehend wohl Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolge, S. 166: „[…] Sonderregel, die für das Gebiet des Strafrechts besonders enge Vorgaben durch das Parlament fordert.“. 32 Siehe BVerfGE 126, 170, 195: Der Grundsatz, dass der Gesetzgeber alle für die Grundrechtsausübung wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss, gilt im Bereich des Strafrechts besonders strikt. Siehe auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 387, der von den wesentlichen Grundentscheidungen spricht. Auch Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 135 i.V.m. Rn. 124 betont den Zusammenhang zwischen Wesentlichkeitstheorie und Bestimmtheitsgebot. Eine Verknüpfung zwischen dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
Ausprägungen der „Wesentlichkeitstheorie“ abzustellen, um die Mindestanforderungen des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts zu ermitteln.33 Normiert Art. 103 Abs. 2 GG einen besonders strengen Parlamentsvorbehalt, so sind die Anforderungen an die gesetzliche Regelungsdichte34 mindestens genauso hoch wie beim allgemeinen Parlamentsvorbehalt.35 Dies leuchtet auch ein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass aus Sicht des Bürgers die Strafe als schwerster staatlicher Eingriff36 einzuordnen ist.37 dem Parlamentsvorbehalt (i.S.d. „Wesentlichkeitstheorie“) stellt auch Park, in: FS Rissing-van Saan, S. 405, 408 ff. her. Auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff. legt zu Grunde, dass der Gesetzgeber im Bereich des Strafrechts das „Wesentliche“ zu entscheiden hat und überprüft die Regelungsfigur der unbenannten besonders schweren Fälle am Maßstab der Wesentlichkeitsdoktrin (siehe E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff.). 33 Auch das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der „Wesentlichkeitsgrundsatz“ im Bereich des Strafrechts gilt und zwar besonders strikt (siehe BVerfGE 126, 170, 195). Im Ansatz auch Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63, der feststellt, dass der strenge Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG dem „[…] Parlamentsvorbehalt in grundrechtswesentlichen Fragen […]“ entspricht. Zur Parallelität von allgemeinem (öffentlich-rechtlichem) Gesetzesvorbehalt und strafrechtlichem Gesetzesvorbehalt (jedoch mit Blick auf die sich daraus ergebenden Folgen für die Reichweite des Verbots analoger Rechtsfindung) Krey, Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 242 ff.; den Zusammenhang zwischen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und Wesentlichkeitstheorie aufzeigend Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 135 i.V.m. Rn. 124; ähnlich ist der Ansatz von Park, in: FS Rissing-van Saan, S. 405, 408 ff. Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 16 bezeichnet Art. 103 Abs. 2 GG als „[…] positiv konstitutionelle Ausprägung […]“ der Wesentlichkeitstheorie. Zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der legislativen Technik der unbenannten besonders schweren Fälle anhand der „Wesentlichkeitstheorie“ siehe E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff. 34 Aus der Wesentlichkeitstheorie ergeben sich auch Anforderungen an die Regelungsdichte des Gesetzes, siehe Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 106. 35 Nach BVerfGE 126, 170, 195 gilt der allgemeine rechtstaatliche Grundsatz, dass der Gesetzgeber im Bereich der Ausübung der Grundrechte alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss („Wesentlichkeitslehre“) im Strafrecht besonders strikt. Siehe auch Sternberg-Lieben, objektive Schranken der Einwilligung, S. 313 f., der von einem „[…] dichtere[n] Gewährleistungsgehalt der spezielllen Schutznorm des Art. 103 II GG […]“ ausgeht. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 II Rn. 29 geht hingegen davon aus, dass „[…] die Anforderungen […] letztlich wohl nicht über den allgemeinen Parlamentsvorbehalt hinaus [gehen]“. 36 Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bereits frühzeitig festgestellt, dass es sich bei einem „[…] Eingriff durch ein Strafgesetz […] um die schärfste Sanktion [handelt], über die die staatliche Gemeinschaft verfügt.“ (so BVerfGE 6, 389, 433). Siehe auch BVerfGE 88, 203, 258: „[…] am stärksten eingreifenden Charakters […]“. Ähnlich BVerfGE 126, 170, 194: „[…] [zählt] zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit […]“. Eingehend dazu Appel, Verfassung und Strafe, S. 25 ff. m.w.N. 37 Aus dieser besonders schweren Eingriffswirkung staatlichen Strafens wird häufig abgeleitet, dass die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Garantien über die allgemeinen rechtstaatlichen Gewährleistungen hinausgehen, siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 384; Appel, Verfassung und Strafe, S. 528 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 II Rn. 11: besondere staatliche Sicherung. Dem ist zuzustimmen. Die hier verwendete Vorgehensweise
§ 8 Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums
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Damit kann hinsichtlich der notwendigen gesetzlichen Regelungsdichte im Strafrecht zumindest Folgendes gesagt werden: Der Gesetzgeber verstößt jedenfalls dann gegen den (in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen) strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt, wenn eine bestimmte Regelung nicht den Anforderungen der „Wesentlichkeitsdoktrin“ entspricht.38 Dies ist der Fall, wenn etwas „Wesentliches“ nicht geregelt ist, sondern der Entscheidung der Gerichte überantwortet wird.39
steht dem nicht entgegen. Es wird nämlich mit der Anknüpfung an die „Wesentlichkeitstheorie“ zur Ausformung des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt lediglich ermittelt, wann eine gesetzliche Regelung „jedenfalls“ dem in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt nicht entspricht (bzw. welche Regelungen in Hinblick auf den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt „jedenfalls“ unzulässig sind). Nicht beabsichtigt ist es (positiv) abschließend festzulegen, wann der Bereich des verfassungsrechtlich Zulässigen beginnt, wann also gesetzliche Regelungen dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt entsprechen. Ziel ist es letztlich zu untersuchen, ob der strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt der Verwendung der Regelbeispielstechnik Grenzen setzt. Mithin ist aufzuzeigen, in welchen Fällen die Verwendung der Gesetzestechnik Regelbeispielsmethode mit Blick auf den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt unzulässig ist und daher die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes zu erfolgen hat. Dazu erforderlich ist lediglich, die Unzulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielstechnik in einer bestimmten Konstellation nachzuweisen und für diese Konstellation die Zulässigkeit der Schaffung eines Qualifikationstatbestandes zu belegen. Es bedarf keiner abschließenden Bestimmung der Grenze zwischen zulässig und unzulässig. Daher genügt es festzustellen, dass die Regelbeispielsmethode „jedenfalls“ unzulässig ist, ohne dass die Notwendigkeit besteht, die Anforderungen des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts abschließend zu zeichnen. Im Ergebnis kann es offen bleiben, wie die (gegenüber dem allgemeinen Parlamentsvorbehalt strengeren) besonderen Anforderungen des strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts aussehen. Denn wenn sich die Regelbeispielstechnik schon bei Anlegen des „Wesentlichkeits“-Maßstabs als unzulässig erweist, dann gilt dies Erst-Recht bei Anlegen des schärferen Maßstabs des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts (da dieser in Hinblick auf die verfassungsrechtlich notwendige Regelungsdichte mindestens so hohe Anforderungen stellt wie die „Wesentlichkeitstheorie“). 38 Vgl. dazu BVerfGE 126, 170, 195. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der „Wesentlichkeitsgrundsatz“ auch im Bereich des Strafrechts gilt und zwar besonders strikt (siehe BVerfGE 126, 170, 195). Im Ansatz auch Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63, der feststellt, dass der strenge Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG dem „[…] Parlamentsvorbehalt in grundrechtswesentlichen Fragen […]“ entspricht. Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 16 bezeichnet Art. 103 Abs. 2 GG als „[…] positiv konstitutionelle Ausprägung […]“ der Wesentlichkeitstheorie. Den Zusammenhang zwischen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und Wesentlichkeitstheorie aufzeigend Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 135 i.V.m. Rn. 124; ähnlich auch der Ansatz von Park, in: FS Rissingvan Saan, S. 405, 408 ff. Siehe auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff.; in Hinblick auf die Neuregelung von Mord und Totschlag Walter, NStZ 2014, 368 f. 39 Vgl. BVerfGE 126, 170, 195. Nach Ansicht von Walter, NStZ 2014, 368 f., ist dies (bezogen auf die anstehende Neuregelung der Tötungsdelikte) anzunehmen, wenn der Gesetzgeber die Entscheidung, wie zwischen Mord und Totschlag abzugrenzen ist, auf die Gerichte überträgt. Denn dann kommt der Gesetzgeber seiner Pflicht, alle wesentlichen Unterscheidungen abzubilden, nicht nach. Walter lehnt daher Ansätze, die einen einheitlichen Tötungsparagraphen favorisieren (und dessen Ausdifferenzierung der Rechtsprechung überlassen), ab.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
Hat der Gesetzgeber etwas „Wesentliches“ nicht selbst geregelt, so verstößt er gegen Art. 103 Abs. 2 GG in der Ausprägung als strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt.
§ 9 Die Lückenhaftigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung bei Verwendung der Regelbeispielstechnik Wie bereits aufgezeigt wurde,40 unterscheidet sich die Regelbeispielsmethode von der Gesetzgebungstechnik Qualifikationstatbestand dadurch, dass sich der Gesetzgeber einer abschließenden und zwingenden Festlegung der strafrahmenändernden Einzelfaktoren enthält.41 Er benennt vielmehr beispielhaft („in der Regel“) bestimmte Einzelfaktoren, die zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führen können (und „in der Regel“ auch sollen). Über die Installation der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ eröffnet er dem Normanwender (dem Richter) die Möglichkeit, trotz Nichtvorliegens eines Regelbeispiels den Sonderstrafrahmen anzuwenden. Durch die relative Unverbindlichkeit der Regelbeispiele (bloße Indizwirkung)42, der Richter kann trotz Erfüllung eines Regelbeispiels das Vorliegen eines besonders schweren Falles ablehnen,43 entscheidet letztlich der Richter darüber, ob ein bestimmter, im Regelbeispiel verkörperter, Einzelfaktor im Einzelfall strafrahmenändernd wirkt.44 Damit hat der Gesetzgeber dem Richter die endgültige Entscheidung45 übertragen.46 Die Entscheidung darüber, ob die Erfüllung eines der aufge40
Siehe dazu unter anderem Kapitel 2 § 4 C. sowie E. II. und E. IV. Zutreffend Kindhäuser, in: NK-StGB, § 243 Rn. 4:„Die Befugnis des Richters bezieht sich bei Regelbeispielen nicht auf die Änderung des Strafrahmens, sondern auf die Bestimmung der Anwendungsbedingungen eines vorgegebenen Strafrahmens […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 42 Siehe zur Indizwirkung der Regelbeispiele Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 13. 43 Siehe nur Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18 f. 44 Kritisch zur Möglichkeit der Durchbrechung der Indizwirkung Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 62, 64; Stächelin, StV 1998, 98, 102. Nach Ansicht von Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29 resultiert daraus, dass die Strafrahmenverschiebung nur „in der Regel“ erfolgt, ein „[…] Maß an Unbestimmtheit, dass den Bedingungen von Verlässlichkeit und Voraussehbarkeit des Gesetzes schwerlich genügt […]“. Sie stehen daher mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) der Regelbeispielstechnik skeptisch gegenüber (siehe Hassemer/Kargl, a.a.O.). Siehe auch Kohlmann, JZ 1970, 590, 591, der kritisiert, dass das „[…] StGB herabgedrückt [wird] zu bloßen Orientierungshilfe für den Richter, von der er nach allen Seiten abweichen kann.“. Mit entsprechender Kritik gegen die Umformung der Mordmerkmale in Regelbeispiele Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 225 ff.; anders (d. h. für die Umformung der Mordmerkmale in Regelbeispiele) Krehl, ZRP 2014, 98, 100 f. 45 Zutreffend Kindhäuser, in: NK-StGB, § 243 Rn. 4: „Die Befugnis des Richters bezieht sich bei Regelbeispielen nicht auf die Änderung des Strafrahmens, sondern auf die Bestimmung 41
§ 9 Gesetzgeberische Entscheidung bei Verwendung der Regelbeispielstechnik
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führten Regelbeispiele zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führt, hat der Gesetzgeber folglich also auf den Richter delegiert.47 Darüber hinaus gibt der Gesetzgeber auch keine Kriterien bzw. Richtlinien dafür vor,48 wann eine Abweichung der Anwendungsbedingungen eines vorgegebenen Strafrahmens […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 51, spricht davon, dass der Richter bei Regelbeispielsnormen „[…] vor der Subsumtion eigene normative Wertungen vornehmen“ muss. Der Verzicht auf die abschließende und zwingende (präzise) Aufzählung der Strafrahmenänderungsgründe betrifft (insoweit ist Gramsch, a.a.O., S. 51 beizupflichten) die Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgeber und Richter. Siehe auch Fischer, StGB, § 46 Rn. 96a: „Die Regelbeispielstechnik verschiebt die Verantwortung für die Vervollständigung des Tatbestands vom Gesetzgeber auf das Gericht.“. 46 Zudem überträgt der Gesetzgeber mittels der Regelbeispielstechnik auch die Entscheidung darüber, was konkret als „besonders schwerer Fall“ anzusehen ist, dem Richter. Dieser ist aufgrund der Gesetzesfassung dazu berufen, die allgemeine Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ abschließend zu konkretisieren, nämlich durch eine Ausformung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“. Zwar geben die aufgeführten Regelbeispiele zumindest einen (insoweit verbindlichen) Hinweis darauf, welcher Unrechts-/Schuldgehalt zu fordern ist [darin liegt eine Abschichtung im Bereich des Unrechts; eingehend dazu Kapitel 3 § 7 D. II.)]. Insoweit liegt bei der Regelbeispielstechnik ein deutliches „Mehr“ an gesetzgeberischer Entscheidung vor, als bei der Gesetzgebungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle bzw. der bloßen Strafrahmenausdehnung (weshalb sie auch mit diesen nicht gleichzusetzen ist, dazu bereits Kapitel 3 § 7 D.). Jedoch verbleibt beim Richter die (mittels der Gesetzesfassung übertragene) Aufgabe der endgültigen Konkretisierung der Wertgruppe „besonders schwere Fälle“. Kritisch zu dieser Aufgabendelegation Maiwald, NStZ 1984, 433, 440. Allgemein kritisch zur Möglichkeit der Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles Calliess, NJW 1998, 929, 934 f.; Freund, ZStW 109 (1997), 455, 471: „Erfindungsrecht“. Zur Anwendung der Generalklausel Kapitel 8. 47 Die Erfüllung eines Regelbeispiels ist nicht hinreichende Bedingung für die Strafrahmenänderung (d. h. die Anwendung des Sonderstrafrahmens), siehe Radtke, in: MK-StGB, § 12 Rn. 16. Voraussetzung ist nämlich darüber hinaus, dass keine die Indizwirkung entkräftenden Faktoren vorliegen (d. h. das Nichtvorliegen besonderer unrechts-/schuldmindernder Umstände). Die Entscheidung über das (Nicht-)Vorliegen solcher Faktoren und damit die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung (Anwendung des Sonderstrafrahmens) trifft letztlich der Richter (mittels Betrachtung der Umstände der konkreten Tat). 48 Zutreffend hat dies bereits Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 62, erkannt: „Art und Maß der Gegenfaktoren, die die „gesetzliche Vermutung“ widerlegen, bleiben also völlig im Entscheidungsbereich des Richters. Wird aber dem Richter das „Hintertürchen“ des „in der Regel“ offengehalten, so wird er „hinausschlüpfen“, wenn er nicht zur Annahme eines „besonders schweren Falles“ kommen möchte.“. Hieran anknüpfend kritisiert er die Verwendung der Regelbeispielsmethode im Entwurf 1962, da dies dem Prinzip vernünftiger Arbeitsteilung (zwischen Gesetzgeber und Richter) widerspreche; eingehend dazu Wahle, a.a.O., S. 62 ff. Gleichwohl ist sein Appell nur rechtspolitischer Natur (siehe Wahle, a.a.O., S. 63: „Zuvor ist allerdings festzustellen, daß auch unverbindliche Beispielsfälle im Rahmen gesetzgeberischer Freiheit liegen. Denn der Grundsatz vernünftiger Arbeitsteilung ist […] kein verfassungsrechtliches Gebot, sondern ein Problem der Praktikabilität, ein Gebot praktischer Bewältigung verfassungsrechtlich bereits „verteilter“ Arbeit.“). Damit verkennt Wahle jedoch, dass dem aus Art. 103 Abs. 2 GG fließenden strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt durchaus Grenzen hinsichtlich der Verwendung der Regelbeispielsmethode zu entnehmen sind, da mit der Wahl gerade dieser Gesetzestechnik die Delegation von Aufgaben einhergeht.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
von der Indizwirkung erfolgen darf.49 Dadurch dass der Regelbeispielsverwirklichung durch die gesetzliche Einbindung der Wortgruppe „in der Regel“ nur eine Indizwirkung beigemessen wird, nimmt der Gesetzgeber die gesetzliche Festsetzung der Regelbeispiele (und die damit einhergehende Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen) selbst wieder zurück bzw. relativiert diese, zumal er keine Vorgaben in Hinblick auf die Entscheidung über die Widerlegung der Indizwirkung „liefert“ und damit eine maßgebliche Entscheidungen offen lässt. Der Unterschied zwischen den beiden Regelungstechniken wird damit deutlich, wenn man die Strafrahmenzuordnung in den Blick nimmt. Während diese bei Qualifikationstatbeständen zwingend ist (die Verwirklichung eines Qualifikationstatbestandsmerkmals führt zwingend zur Anwendung des Sonderstrafrahmens),50 ist sie dies bei der Regelbeispielsmethode zwar in Hinblick auf die allgemeine Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“51, jedoch nicht in Hinblick auf die aufgeführten Regelbeispiele.52 Denn der Richter kann trotz Verwirklichung eines Regelbeispiels das Vorliegen eines besonders schweren Falles verneinen und den Regelstrafrahmen zur Anwendung bringen. Infolgedessen kann der Sonderstrafrahmen auch nicht als Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung der, in den Regelbeispielen ausgeformten, Einzelumstände angesehen werden. Dieser (scil. der Sonderstrafrahmen) ist gerade nicht zwingend an das Vorliegen eines Regelbeispiels geknüpft. Die Verwirklichung des im Regelbeispiel umschriebenen Unwertsachverhalts führt nicht automatisch und ausnahmslos zur Anwendung des Sonderstrafrahmens. Insoweit hat der Gesetzgeber den Sonderstrafrahmen gerade nicht zwingend mit dem Unwertsachverhalt verknüpft, sondern enthält sich vielmehr einer abschließenden Strafrahmenzuordnung. Diese ist nach der gesetzlichen Regelung 49 Darin liegt ein Unterschied zur Frage nach der Bestimmung des Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles. Für die Ermittlung des Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles gibt der Gesetzgeber mittels der gesetzlichen Aufstellung der Regelbeispiele verbindliche Richtlinien vor (er skizziert damit den (für die Eröffnung ds Sonderstrafrahmens) erforderlichen Unrechts- und Schuldgehalt). Insoweit kommt den Regelbeispielen „maßstabbildender Charakter“ (so erwähnt in BT-Drucks. 13/7164, S. 42) zu; siehe Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21: Vergleichsmaßstab. Siehe dazu auch J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 151 f., die mit Blick auf die notwendige gesetzgeberische „Grundwertung“ nicht nur auf die gesetzlich aufgeführten Regelbeispiele, sondern sogar auch auf die „[…] Funktion des jeweiligen (rechtswidrig und hinreichend schuldhaft verwirklichten) Tatbestands selbst“ (J. Heinrich, a.a.O., S. 148; siehe auch J. Heinrich, a.a.O., S. 153) abstellen will und unter Zugrundelegung einer „personalen Straftatlehre“ weitere strafrahmenändernde Faktoren entwickelt (dazu J. Heinrich, a.a.O., S. 80 ff.). 50 Insoweit weist diese Regelungsform eine „Endgültigkeit“: „Hier ist die Grenzlinie zwischen Grunddelikt und Sonderform endgültig vom Gesetzgeber gezogen.“; so Schröder, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 83. 51 Das Vorliegen eines „besonders schweren Falls“ (bzw. die Einordnung eines Falles als „besonders schweren Fall“) führt stets dazu, dass der Sonderstrafrahmen anzuwenden ist. Eingehend zur Struktur von Regelbeispielsnormen Kapitel 2 § 4 C. und E. II.2 sowie E. IV. 52 Vgl. dazu auch Mitsch, Strafrecht BT II, S. 81, der feststellt, dass bei der Regelbeispielstechnik die „[…] Verknüpfung von Rechtsfolgenvoraussetzungen und Rechtsfolgenanordnung nicht strikt genug ist.“.
§ 9 Gesetzgeberische Entscheidung bei Verwendung der Regelbeispielstechnik
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vielmehr durch den Richter vorzunehmen. Im Gegensatz zur Regelungsform des Qualifikationstatbestandes liegt bei der Regelungsform der Regelbeispielsmethode daher eine gesetzgeberische Bewertung von Einzelumständen nicht vor.53 Es fehlt mithin an der (vollständigen) gesetzgeberischen Wertung bzgl. der aufgeführten Regelbeispiele bzw. der in diesen verkörperten Unwertsachverhalten. Besonders klar tritt dies zu Tage, wenn man bedenkt, dass es der Richter ist, der die Kriterien für die Widerlegung der Indizwirkung der Erfüllung eines Regelbeispiels aufzustellen hat. Insoweit gibt der Gesetzgeber selbst nicht vor, in welchem Umfang unrechts- und/ oder schuldmindernde Faktoren vorliegen müssen, damit von der Anwendung des Sonderstrafrahmens abzusehen ist54 (so wird bei Lektüre des Gesetzes nicht klar, ob bereits das Vorliegen geringfügiger unrechts-/schuldmindernder Faktoren zur Widerlegung der Indizwirkung genügt, oder ob diese erheblicher Natur sein müssen).55 Mangels Bezeichnung des erforderlichen Gewichtes der Gegenindikatoren im Gesetz vermag man aus diesem nicht zu entnehmen, wie schwer die Verwirklichung eines Regelbeispiels wiegt, welche Durchsetzungskraft den Regelbeispielen gegenüber unrechts-/schuldmindernden Faktoren zukommt. Die Regelbeispielsnorm lässt damit offen, mit welcher Regelmäßigkeit aus der Regelbeispielsverwirklichung die Sonderstrafrahmenanwendung folgen soll. Infolgedessen wird nicht vollends klar, in welcher Beziehung die Regelbeispiele zum Sonderstrafrahmen stehen. Eine eindeutige (gesetzgeberische) Bewertung dieser durch den Sonderstrafrahmen fehlt daher. Der Gesetzgeber entscheidet damit bei der Regelbeispielsmethode weniger vor als bei Verwendung von (Qualifikations-)Tatbestandsmerkmalen.56 Er delegiert bestimmte Entscheidungen auf den Richter.57 Zwar führt dies nicht dazu, dass die Regelbeispielsmethode als solche (mithin die Gesetzestechnik der Regelbeispiele 53
Siehe bereits Kapitel 2 § 4 E. IV. Vgl. dazu die Ausführung zur Widerlegung der Indizwirkung von Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 243 Rn. 3: „[…] Voraussetzungen, unter denen sich der Strafrahmen verschiebt, bleiben gesetzlich teilweise unbenannt.“ (im Original hervorgehoben). 55 Ähnlich bereits die Kritik von Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 62. 56 Ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159. Siehe auch Schroeder, in: 130 Jahre Strafgesetzbuch, S. 381, 383, der zutreffend herausgestellt: „Häufig ist auch von der „Technik“ der Regelbeispiele oder Regelfälle für besonders schwere Fälle die Rede. Auch hierbei handelt es sich keineswegs um eine rein gesetzes“technische“ Frage, sondern um eine Bestimmung des Entscheidungsspielraums des Richters zwischen der strikten Bindung an Tatbestandsmerkmale und der Weite der unbenannten besonders schweren Fälle.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 57 Maiwald, NStZ 1984, 433, 440; Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 147, spricht insoweit davon, dass „[…] die Schaffung von Regelbeispielen […] eingestandenermaßen eine solche Verschiebung der Gewichte vom Gesetzgeber zum Richter dar[stellt].“. Damit ist freilich noch nicht die verfassungsrechtliche Unhaltbarkeit dieser Regelungstechnik ausgemacht. Denn im gewissen Maße kann der Gesetzgeber Befugnisse übertragen. Entscheidend ist vielmehr, ob er (d. h. der Gesetzgeber) die Grenzen, welche aus dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt folgen und eine Operationalisierung durch die Wesentlichkeits-Formel erfahren haben, wahrt. Entsprechend ist – wie später noch ausgeführt wird – nach dem materialen Gehalt der Unrechtsumschreibung zu differenzieren. 54
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
stets) unzulässig ist.58 Jedoch kann dieses „Weniger“ an gesetzgeberischer Vorentscheidung in bestimmten Fällen (dies soll in den folgenden Abschnitten behandelt werden)59 zum Konflikt mit dem (strafrechtlichen) Parlamentsvorbehalt (in der Ausformung der „Wesentlichkeitstheorie“) führen.60 Dann zeigt sich, dass die Ge58 Die Verfassungskonformität der Regelbeispielsmethode konstatieren BVerfGE 45, 363, 372; BVerfG, NJW 2008, 3627, 3628; folgend Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 11; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 47; wegen der „verbindlichen Ansicht des BVerfG“ die Verfassungskonformität bejahend Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 274 ff.; eingehend zur Verfassungskonformität der Gesetzgebungsmethode Eisele, Regelbeispielsmethode. S. 383 ff.. Für Verfassungswidrigkeit hingegen: Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f., 567: Umgehung des Analogieverbots und infolgedessen Einstufung als nicht legitimes Gesetzgebungskonzept. Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162 konstatiert, dass „[…] die Regelbeispiele [als qualifizierende Tatbestandsmerkmale] aufgrund der gesetzlich zugelassenen Analogie zu Lasten des Täters verfassungswidrig [sind], es sei denn, die Analogie wird restriktiv in Übereinstimmung mit Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB ausgelegt.“. Eine Verstoß gegen das Analogieverbot nimmt auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 66 ff., 139 f., an. Andere machen (zudem) einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Calliess, JZ, 1975, 112, 117; ders., NJW 1998, 929, 934 f.; dazu auch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 151; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 139 f., macht darüber hinaus noch Verstöße gegen das Rückwirkungsverbot (dazu E. Horn, a.a.O., S. 75 ff.) sowie das Demokratie- und das Gewaltenteilungsprinzip (dazu E. Horn, a.a.O., S. 79 ff.) aus. Jedenfalls an der Verfassungskonformität zweifelnd Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29, welche ihre Skepsis damit begründen, dass die Strafrahmenverschiebung nur „in der Regel“ erfolgt und damit „[…] den Bedingungen von Verlässlichkeit und Voraussehbarkeit des Gesetzes schwerlich genügt […]“ werde; ähnlich Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 59. 59 Dieser nachfolgend thematisierte Problembereich sowie die Unterscheidung zwischen prinzipieller Verfassungskonformität der Gesetzestechnik einerseits und Verfassungswidrigkeit einer bestimmten Regelbeispielsnorm aufgrund der konkreten Gestaltung im Einzelfall andererseits werden fast ausnahmslos übersehen und infolgedessen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumindest „akzeptiert“; siehe bspw. Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 274 ff. 60 Im Ausgangspunkt ähnlich E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 79 ff., der die Gesetzgebungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle am Maßstab der „Wesentlichkeits“-Formel misst. Dem Ergebnis der Verfassungswidrigkeit der Regelungsform der unbenannten besonders schweren Fälle wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip bzw. den Gewaltenteilungsgrundsatz (siehe E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 82) kann freilich nicht beigepflichtet werden. Wie bereits erwähnt wurde, ist die Gesetzgebungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle nicht pauschal als verfassungswidrig zu verwerfen. Selbiges gilt für die Regelbeispielsmethode. Die Schaffung einer Regelbeispiels-Strafnorm kann sogar der Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung dienen (dazu Kapitel 3 § 7 D.). Jedoch kann die Regelbeispielsmethode nicht stets dazu (zur Strafrahmenabstufung) verwendet werden, insoweit ergeben sich nämlich aus dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt verfassungsrechtliche Grenzen hinsichtlich der Verwendbarkeit dieser legislativen Technik. Letztlich ist bei der Regelbeispielsmethode die entscheidende Frage, ob der Gesetzgeber eine wesentliche Entscheidung nicht selbst getroffen hat, sondern diese auf den Richter delegiert hat. Die Abgrenzung zwischen Zulässigkeit und Unzulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielstechnik bemisst sich daher am Maßstab der sog. Wesentlichkeitstheorie. Insoweit können Regelbeispiels-Strafnormen gegen den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt verstoßen, sie müssen es jedoch nicht zwangsläufig.
§ 10 Grundrechtswesentlichkeit
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setzgebungstechnik Regelbeispielsmethode ein unzulässiges Mittel zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung sein kann. Führt die Regelbeispielsmethode nämlich dazu, dass wesentliche Entscheidungen auf den Richter übertragen werden, so ist sie in Hinblick auf den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt als unzulässig anzusehen. Sie stellt dann keine Regelungsalternative zum Qualifikationstatbestand dar. Es besteht dann vielmehr die Pflicht des Gesetzgebers zur Durchführung der notwendigen Strafrahmenabstufung die Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes zu benutzen. In den nächsten Abschnitten wird aufgeführt, welche Entscheidungen als wesentlich anzusehen sind.
§ 10 Grundrechtswesentlichkeit A. Die Entscheidung über die Anwendung des Sonderstrafrahmens als „wesentliche“ Entscheidung? Nach allgemeiner Meinung fordert der in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt, dass sowohl die Voraussetzungen der Strafbarkeit als auch die Art der Strafe im formellen Parlamentsgesetz enthalten sind, mithin durch den Gesetzgeber bestimmt werden.61 Der Gesetzgeber muss im Bereich des Strafrechts die „wesentlichen“ Entscheidungen selbst treffen,62 d. h. er muss selbst entscheiden über das „Ob“ der Strafbarkeit (die Strafbewehrung als solche)63 und über die Strafandrohung (wobei jedoch die Festsetzung eines Strafrahmens genügt)64. Bei der Regelbeispielstechnik wird die endgültige Entscheidung darüber, ob die Erfüllung eines Regelbeispiels zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führt auf den Richter delegiert. Regelbeispielen kommt nämlich nur eine Indizwirkung zu,65 von welcher der Richter abweichen kann. Letztlich trifft daher der Richter bei Erfüllung eines Regelbeispiels die Entscheidung, ob die Norm und damit der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommen. Durch die unverbindliche Fassung der Regelbeispiele sowie das Fehlen gesetzlicher Entscheidungsparameter für das Ab61
Vgl. BVerfGE 75, 329, 342; 126, 170, 194 f.; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 103 Rn. 26. Siehe auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 120: der Gesetzgeber muss „[…] die Grundentscheidung über eine Strafbewehrung und den Rahmen der Strafandrohung […]“ treffen. 62 Vgl. Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 387, der von den wesentlichen Grundentscheidungen spricht. 63 Appel, Verfassung und Strafe, S. 120. 64 Appel, Verfassung und Strafe, S. 120. Zur Vereinbarkeit der Festsetzung von Strafrahmen mit dem Bestimmtheitsgebot BVerfGE 105, 135, 154. 65 Siehe nur BGH, NStZ 2004, 265, 266. Eingehend dazu Kapitel 2 § 4 C. sowie E. II. 2.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
weichen von der Indizwirkung wurde diese Entscheidung weitgehend vom Gesetzgeber auf den Richter übertragen. Diese Letztentscheidungskompetenz des Richters (bzgl. der Anwendung des Sonderstrafrahmens) steht jedoch der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Regelbeispielstechnik nicht prinzipiell entgegen. Es fehlt nämlich an einer „Wesentlichkeit“ dieser Frage (Wahl des Strafrahmens). Insoweit ist zu beachten, dass die Wesentlichkeitstheorie nicht überdehnt werden darf.66 In der vorliegenden Konstellation ist angesichts dessen, dass sich die Sonderstrafrahmen (der mittels Regelbeispielstechnik verfassten Strafvorschriften) häufig67 in weiten Teilen mit denjenigen des Grunddelikts (den Regelstrafrahmen) überschneiden, die Entscheidung (bzgl. der Anwendung von Regelstrafrahmen oder Sonderstrafrahmen), mithin die Strafrahmenwahl, nicht zwingend mit besonderen Auswirkungen für die Position des Betroffenen verbunden. Dies insb., weil im Rahmen der (nachfolgenden) Strafzumessung i.e.S. primär auf den konkret verwirklichten Unrechts- und Schuldgehalt abgestellt wird und sich daher die Vorgaben des schärferen Sonderstrafrahmens nicht zwingend im konkreten Strafmaß widerspiegeln. Damit ist diese Entscheidung (über den anwendbaren Strafrahmen) für sich genommen grundsätzlich nicht als „wesentlich“ anzusehen,68 denn es fehlt regelmäßig eine besondere Relevanz für den Betroffenen.69 Freilich ändert sich dies, wenn die Regelbeispiels-Norm eine exorbitante Steigerung der Strafandrohung enthält.70 Dies dürfte jedenfalls gegeben sein, wenn der Sonderstrafrahmen so hoch ist, dass eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht mehr möglich ist (wenn also die Untergrenze des Sonderstrafrahmens über dem Wert von 2 Jahren Freiheitsstrafe liegt).71 Für eine solch grund66 Vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2001, 311, 313; siehe zur restriktiven Handhabung der Wesentlichkeitsformel auch BVerfGE 98, 218, 251 ff.; Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 105 stellen fest, „[…] dass das BVerfG die Schwelle der Wesentlichkeit in der Tendenz eher restriktiv bestimmt.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 67 Siehe dazu die Bestandsaufnahme von Hettinger, in: FS Küper, S. 95, 106 ff. 68 Anders wohl Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Sanktionen, S. 198 f., der insoweit wohl von einer steten Grundrechtswesentlichkeit im Bereich des Strafrechts ausgeht. Dies scheint jedoch zu undifferenziert zu sein und würde die Anforderungen an die Regelungsdichte übersteigern. 69 Die unverbindliche Strafrahmenzuordnung ist jedoch dann problematisch in Hinblick auf die „Wesentlichkeitsformel“ (und damit hinsichtlich des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts), wenn im Voraussetzungsbereich der Strafnormen (in einem Regelbeispiel) ein neuer, wesensfremder Unwerttypus beschrieben wird. Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 70 Mit ähnlicher Tendenz in Bezug auf die Vereinbarkeit von Regelbeispielsnormen (sowie unbenannten besonders schweren Fällen) mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Gaede, in: AnwKomm-StGB, § 1 Rn. 22: „Sie dürfen jedoch nur graduelle Abstufungen bedeuten, nicht hingegen eine völlig frei gegriffene Festlegung durch die Rspr. zulassen. Sogar die Zulassung eines unbenannten besonders schweren Falles, der z. B. bei § 263 Abs. 3 Satz 1 zur Verdoppelung der Freiheitsstrafenandrohung führt, wird als verfassungskonform beurteilt (sehr zw.).“. 71 Mithin beim Grunddelikt (bzw. Anwendung des grunddeliktischen Strafrahmens) eine Strafaussetzung zur Bewährung möglich wäre, bei Anwendung des Sonderstrafrahmens hingegen nicht.
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rechtswesentliche Angelegenheit (Bestehen bzw. Nichtbestehen der Strafaussetzungsmöglichkeit) bedarf es einer endgültigen Entscheidung des Gesetzgebers. Ob nämlich für den Fall der Verwirklichung eines Delikts die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung prinzipiell besteht oder diese Möglichkeit (aufgrund der Höhe der Strafrahmenuntergenze) a priori ausgeschlossen ist, ist in Hinblick auf das allgemeine Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) von erheblicher Bedeutung. Selbiges ist dann anzunehmen, wenn mit dem Strafrahmenwechsel der Wegfall der Möglichkeit einer Geldstrafenverhängung einhergeht. Dies ist der Fall, wenn das Grunddelikt eine Geldstrafenandrohung enthält, in der Regelbeispielsnorm hingegen einzig Freiheitsstrafe vorgesehen ist.72 Im Übrigen erhellt sich bei der Betrachtung des „Wesentlichkeitsprinzips“ auch die Bedeutung von § 12 Abs. 3 StGB. Nach dieser Vorschrift bleiben Schärfungen und Milderungen, die für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, für die Einordnung eines Delikts als Verbrechen oder Vergehen unberücksichtigt. Dies gilt auch für Strafrahmenschärfungen durch Regelbeispiele.73 Gerade weil bei diesen die Letztentscheidung bzgl. der Anwendung des Sonderstrafrahmens auf den Richter delegiert ist, muss die Anwendung des Sonderstrafrahmens für die Einordnung in die Dichotomie der Straftaten unbeachtlich sein. Die Frage, ob ein bestimmtes Delikt ein Verbrechen bzw. Vergehen darstellt, ist – gerade weil damit eine Qualifizierung als „besonders sozialschädlich“74 (und eine entsprechende Beurteilung des Täters als „Verbrecher“75) sowie vielfältige negative Folgen (für den potentiellen Täter) verbunden sind76 – eine „Wesentliche“. Sie kann daher dem Richter nicht übertragen werden und zwar auch nicht mittelbar, indem diesem (scil. dem Richter) die Letztentscheidung zwischen zwei verschiedenen Strafrahmen (grunddeliktischer Regelstrafrahmen einerseits; Sonderstrafrahmen andererseits) überlassen wird,77 welche mit einer divergierenden Einordnung in die Dichotomie der Straftaten verbunden sind (Vergehen einerseits, Verbrechen andererseits).78 72
Hinsichtlich dieser Konstellation die Verfassungswidrigkeit der Regelbeispielsnorm annehmend Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81. 73 Lackner/Kühl, StGB, § 12 Rn. 4. 74 Dazu bereits Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 75 Dies stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, eingehend dazu Kapitel 3 § 7 B. III. 76 Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. II. 1. 77 Anders Dreher, GA 1953, 129, 135 f., der darin „[…] keinen Verstoß gegen Art. 103 II GG sehen [möchte] […]“, andererseits entsprechende gesetzliche Regelungen jedoch (immerhin) als „mißlich“ bezeichnet. 78 Zutreffend sind diesbezüglich auch die Ausführungen von Roxin, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 13, der insoweit darauf verweist, dass bei Beachtlichkeit der Strafrahmenverschiebungen infolge der Annahme eines (unbenannten) besonders schweren Falles (mit bzw. ohne Verwirklichung eines Regelbeispiels) aufgrund der (besonderen) Entscheidungsstruktur (Einzelfallentscheidung des Richters) letztlich der Richter über die Einordnung als Verbrechen und damit die Eröffnung der Versuchsstrafbarkeit entscheiden würde. Dann jedoch wäre das „Ob“ der (Versuchs-)Strafbarkeit nicht durch den Gesetzgeber (hinreichend abschließend) festgelegt.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
Die Regelung des § 12 Abs. 3 StGB lässt sich damit als Mittel zur einfachgesetzlichen Absicherung des (verfassungsrechtlichen) strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts begreifen.79 Die Verwendung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ i.R.d. Regelbeispielsnorm stellt bereits keine verbotene Delegation von Entscheidungsbefugnissen dar, sodass dieser Aspekt der Regelungstechnik als Anknüpfungspunkt ausscheidet. Zwar hat der Gesetzgeber durch die gesetzliche Formulierung als Generalklausel dem Richter die Entscheidung übertragen, zu bestimmen, wann ein sonstiger besonders schwerer Fall vorliegt. Mithin obliegt dem Richter damit die Konkretisierung der allgemeinen Wertgruppe „besonders schwere Fälle“. Auch kann diese Entscheidung „wesentlich“ sein, nämlich wenn die „Regelbeispiels“-Strafnorm eine exorbitant schärfere Strafandrohung aufweist als das Grunddelikt. Jedoch enthalten die „Regelbeispiels“-Vorschriften verbindliche Richtlinien dafür, welchen Unrechts- und Schuldgehalt die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles voraussetzt, denn insoweit wirken die Regelbeispiele „maßstabbildend“80.81 Der Gesetzgeber hat damit mittels der Formulierung der Strafnorm eine Abschichtung im Bereich des Unrechts vorgenommen.82 Diese stellt eine für den Richter verbindliche Vorgabe dar. Der Gesetzgeber hat damit in Hinblick auf die Ermittlung sonstiger besonders schwerer Fälle in hinreichender Weise selbst entschieden, indem er mittels der Regelbeispiele festgelegt hat, welcher Unrechts- und Schuldgehalt notwendigerweise vorliegen muss für die Qualifizierung einer Tat als „besonders schwerer Fall“. Es liegt damit keine verbotene Delegation auf die Judikative vor. Wie bereits am Anfang dieses Abschnitts erläutert, liegt es jedoch anders, wenn man die bloße Indizwirkung der Regelbeispiele in diesem Zusammenhang verfassungsrechtlich würdigt. Der Richter kann danach trotz Vorliegens (d. h. Verwirklichung) eines Regelbeispiels den Regelstrafrahmen zur Anwendung bringen. Für diese Entscheidung (d. h. die Entscheidung über die Widerlegung der Indizwirkung des Regelbeispiels) enthält das Gesetz83 keine Vorgaben bzw. Richtlinien.84 Damit Auch dieser weiterführende Gedanke spricht dafür, an der abstrakten Betrachtungsweise des § 12 Abs. 3 StGB festzuhalten. Er zeigt anschaulich, dass dies sogar verfassungsrechtlich geboten ist. 79 Anschaulich Roxin, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 13 mit dem Blick auf die Folgen für die Entscheidung über die Versuchsstrafbarkeit. 80 Siehe BT-Drucks. 13/7164, S. 42: die Regelbeispiele sollen wesentliche Richtlinien sein für die Bestimmung, ob (trotz Nichtvorliegens eines Regelbeispiels) ein sonstiger besonders schwerer Fall gegeben ist („maßstabbildende Bedeutung“); teilweise auch Leit(bild)funktion der Regelbeispiele genannt, siehe Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210; ähnlich Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: „Die Regelbeispiele […] machen eine Wertung des Gesetzgebers mit Leitfunktion deutlich […]“. 81 Eingehend zur Sruktur von Regelbeispielsvorschriften Kapitel 2 § 4 C. sowie E. II. 2. und E. IV. 82 Eingehend dazu Kapitel 3 § 7 D. II. 83 So werden weder konkrete unrechts-/schuldmindernden Faktoren genannt, die geeignet sind die Indizwirkung eines Regelbeispiels zu widerlegen. Noch wird aus dem Gesetz deutlich,
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hat sich der Gesetzgeber jedoch einer (wegen des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts) verfassungsrechtlich erforderlichen Entscheidung enthalten. Die gesetzliche Regelung ist damit (gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen) unvollständig. Die Relevanz dieser Unvollständigkeit zeigt sich darin, dass der Richter bei der Prüfung über die Widerlegung der Indizwirkung zugleich über die Anwendung von Regel- oder Sonderstrafrahmen entscheidet. Freilich kommt dem – wie Eingangs dieses Abschnitts bereits erwähnt wegen der sehr häufig anzutreffenden weitgehenden Deckungsgleichheit von Regel- und Sonderstrafrahmen – regelmäßig nicht die erforderliche „Wesentlichkeit“ (i.S.d. verfassungsgerichtlich entwickelten „Wesentlichkeitsdoktrin“) zu (Ausnahme: exorbitanter Strafrahmensprung, insb. wenn mit dem Strafrahmenwechsel ein Wegfall der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung verbunden ist). Der Mangel an gesetzgeberischer Entscheidung (hinsichtlich der Frage nach der Widerlegung der Indizwirkung) und die damit einhergehende Entscheidungs-Delegation auf die richterliche Ebene führen daher nicht ohne weiteres zum Verdikt der Verfassungswidrigkeit. Insoweit ist unter Zugrundlegung der Wesentlichkeitsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts nach anderen Gesichtspunkten, die als „wesentlich“ zu qualifizieren sind, zu suchen.
B. Vorverlegung des Versuchsbeginns durch Beschreibung einer Vorbereitungshandlung – Vorverlagerung des Versuchsbeginns durch Regelbeispiele? I. Regelbeispiele sind kein verfassungsrechtlich zulässiges Instrument zur Vorverlagerung des Versuchsbeginns Bei der Analyse der Regelbeispielsmethode sind auch die mittelbaren Folgen zu betrachten, die mit der Schaffung einer Regelbeispiels-Strafnorm einhergehen. Wie bereits erwähnt, kommt den Regelbeispielen lediglich eine Indizwirkung zu.85 Die Letztentscheidung über die Anwendung des Sonderstrafrahmens bei Verwirklichung eines Regelbeispiels ist daher auf den Richter übertragen, wobei das Gesetz überdies noch nicht einmal Vorgaben in Form von Richtlinien (bzw. Leitliwie weit der Unrechts- bzw. Schuldgehalt durch etwaige Faktoren gemindert sein muss, damit die Anwendung des Sonderstrafrahmens ausscheidet. Auch findet sich im Gesetz keine Vorgabe darüber, ob eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist oder ob lediglich hinreichend gewichtige Einzelumstände die Indizwirkung der Regelbeispiele zu widerlegen vermögen. Ähnlich bereits Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 62. 84 Die weit überwiegende Meinung will dabei eine Gesamtwürdigung vornehmen und hält die Indizwirkung dann für widerlegt, wenn die strafmildernden Strafzumessungstatsachen im Rahmen der Gesamtbewertung von Tat und Täter den Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat so erheblich mildern, dass sie nicht mehr dem im Regelbeispiel typisierten besonders schweren Fall entspricht und ihre Einordnung in den Sonderstrafrahmen unangemessen wäre; vgl. BGHSt 23, 254, 257; 24, 248, 249; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 19. 85 Siehe nur Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 13.
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nien) für diese richterliche Entscheidung enthält.86 Dies ist für sich genommen – soweit der Sonderstrafrahmen keine exorbitante Strafschärfung enthält87 bzw. das Regelbeispiel keinen neuen, (dem Grunddelikt) wesensfremden Unwerttypus verkörpert88 – als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen. Problematisch wird es jedoch, wenn das im Regelbeispiel erfasste Unrechtselement eine Handlung beschreibt, die (zeitlich) vor dem grunddeliktischen Versuchsbeginn liegt.89 Dann nämlich würde, jedenfalls für den Fall, dass eine gesetzliche Anordnung dahingehend bestünde (bspw. eine Anordnung, dass der Versuchsbeginn entsprechend90 vorverlagert wird, wenn die „Regelbeispiels“-Strafnorm zur Anwendung kommt), der Versuchsbeginn vorverlagert werden.91 Dies würde zugleich eine Erweiterung des Bereichs strafbarer Handlungen bedeuten, weil Handlungen, die nach Maßgabe des grunddeliktischen Versuchsbeginns lediglich Vorbereitungshandlungen darstellen, hierdurch dem Bereich des Versuchs unterstellt werden würden. Dann jedoch geht es um das „Ob“ der Strafbarkeit, was ein Bereich ist, der nach dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt zwingend einer gesetzgeberischen Entscheidung bedarf.92 Dies zeigt, wie kritisch eine solche Regelung in Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu betrachten wäre. Die im vorangegangenen Gedankengang angesprochene Problematik wird besonders deutlich, wenn man sich die Entscheidungsstruktur vergegenwärtigt, welche den Regelbeispielsnormen zu Grunde liegt. Durch die Verwendung der Regelbeispielstechnik erhält der Richter die Befugnis, von der Indizwirkung der Regelbeispiele abzuweichen und damit die Anwendung der „Regelbeispiels“-Strafnorm zu verneinen. Hinsichtlich dieser Entscheidung enthält das Gesetz, wie bereits mehrfach erwähnt wurde, keinerlei Vorgaben. Für den Fall der (gesetzlichen) Zulassung der „Versuchsvorverlagerung“ durch ein Regelbeispiel würde der Richter, je nachdem, ob er der Indizwirkung des Regelbeispiels folgt oder von dieser abweicht, über das Vorliegen einer Versuchsstrafbarkeit entscheiden. Das Fehlen einer zwingenden Wirkung der Regelbeispiele sowie das Fehlen von Richtlinien für das Abweichen von der Indizwirkung der Regelbeispiele würden dazu führen, dass der Richter über die Versuchsstrafbarkeit und damit über das „Ob“ der Strafbarkeit entscheidet. Da es an gesetzlichen Richtlinien hinsichtlich der Abweichung von der Indizwirkung der Regelbeispiele fehlt (und damit an einer entsprechenden verbindlichen gesetzge86 Siehe dazu Kapitel 4 § 9; in eine ähnliche Richtung bereits Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 62. 87 Siehe dazu den vorigen Abschnitt. 88 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 89 Dieses Problem aufwerfend Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85. 90 Mithin auf den Zeitpunkt des Beginns der Verwirklichung des Regelbeispiels, d. h. den Zeitpunkt, in dem der Täter zur Regelbeispielsverwirklichung ansetzt. 91 Zum Streitstand, ob Regelbeispiele dazu geeignet sind, den Versuchsbeginn vorzuverlagern siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 294 ff. 92 Siehe BVerfGE 126, 170, 194 f.: Gesetzgeber hat über die Strafbarkeit zu entscheiden, die Voraussetzungen der Strafe festzulegen (BVerfGE 126, 170, 195).
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berischen Entscheidung), würde es an einer abschließenden (gesetzlichen) Bestimmung der Voraussetzungen der Versuchsstrafbarkeit (mithin der Entscheidung über das „Ob“ der Strafbarkeit) durch den Gesetzgeber93 fehlen.94 Dies jedoch ist unvereinbar mit dem in Art. 103 Abs. 2 StGB enthaltenen strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt.95 Festzustellen ist auch, dass es sich um eine „grundrechtswesentliche“ Materie handelt. Durch die Vorverlagerung des Versuchs werden nämlich weitere Verhaltensweisen inkriminert. Dies stellt eine zusätzliche Beeinträchtigung von Grundrechten dar. Eine solche, den Bereich der Versuchsstrafbarkeit ausdehnende, Regelung muss demnach tatbestandlich gefasst werden. Die Vorverlagerung des Versuchs bedarf einer verbindlichen gesetzgeberischen Entscheidung. Der Gesetzgeber muss dabei sämtliche Voraussetzungen für den Versuchsbeginn (verbindlich) festlegen und darf diese nicht der richterlichen Disposition unterstellen. Will der Gesetzgeber mit der Schaffung der „Regelbeispiels“-Strafnorm eine Vorverlagerung des Versuchsbeginns erreichen,96 so ist dies unzulässig. Er ist aufgrund des strengen verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts verpflichtet, eine tatbestandliche Fassung des Gesetzes vornehmen, mithin abschließend und zwingend die Erschwerungsgründe aufführen. Dem Gesetzgeber ist es daher verfassungsrechtlich verwehrt, den Versuchsbeginn mittels Schaffung einer „Regelbeispiels“-Strafnorm vorzuverlagern. Freilich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass auch eine Ausgestaltung als Qualifikationstatbestand (nach den allgemein anerkannten dogmatischen Grundsätzen) die Vorverlagerung des Versuchsbeginns nicht herbeizuführen vermag.97 Letztlich 93
Deshalb lehnt auch Stree, in: FS Peters, S. 179, 182, mit Recht die Vorverlagerung des Versuchsbeginns durch ausschließliche Vornahme einer Regelbeispiels-Handlung (bspw. bei § 243 StGB das Einbrechen, Einsteigen) bzw. unmittelbares Ansetzen zu einer solchen ab: „Denn sonst würde entgegen Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr das Gesetz, sondern der Richter bestimmen, wann jemand sich strafbar gemacht hat.“. 94 Dies widerspricht dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt. Nach diesem sind nämlich die Voraussetzungen der Strafbarkeit vom Gesetzgeber zu bestimmen, siehe BVerfGE 126, 170, 195, 197. 95 Denn nach diesem hat der Gesetzgeber über das „Ob“ der Strafbarkeit zu entscheiden; siehe BVerfGE 123, 267, 408; 126, 170, 194 f.; weitere Nachweise bei Appel, Verfassung und Strafe, S. 117 f.). Diese Entscheidung kann der Gesetzgeber nicht auf die Judikative delegieren. 96 Entsprechende Tendenzen hat es bereits in der Vergangenheit gegeben. In der Begründung zum Entwurf 1962 wird zumindest festgestellt, dass die Regelbeispiele maßgeblich seien für den Zeitpunkt des Versuchsbeginn, siehe BT-Drucks. IV/650, S. 144, 403, 409. 97 Hillenkamp, in: LK-StGB, § 22 Rn. 123: „Qualifizierende Handlungen können […] nicht lösgelöst vom Grundtatbestand zu einer Vorverlegung des Versuchsbeginns führen.“; so auch Kühl, Strafrecht AT, § 15 Rn. 50 f.; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 26 Rn. 51a; Jakobs, Strafrecht AT, 25. Abschnitt Rn. 70, S. 732 f.; Roxin, Strafrecht AT II, § 29 Rn. 170 f.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 607; Zaczyk, in: NK-StGB, § 22 Rn. 53; in der Sache gleich Fischer, StGB, § 22 Rn. 36: Täter muss zugleich zum Grunddeliktsversuch ansetzen; so auch Beckemper, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 22 Rn. 43; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 58; Lackner/Kühl, § 22 Rn. 10.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
kommt eine Vorverlagerung des Versuchsbeginns daher nur in Betracht bei sog. zusammengesetzten Delikten (z. B. Raub).98 Gleichwohl ist festzuhalten, dass es der strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt verbietet, mittels Regelbeispielen den Versuchsbeginn vorzuverlagern.99 Unabhängig von den soeben aufgeführten dogmatischen Grundsätzen wird dies (mithin die Vorverlagerung des Versuchsbeginns durch Regelbeispiele) damit bereits von Verfassung wegen verhindert. II. Folgerungen in Hinblick auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Versuchsbeginns Folgerichtig ist es daher in Hinblick auf die Anwendung bestehender „Regelbeispiels“-Strafnormen, den Versuchsbeginn (zum Grundelikt) nicht gleichzusetzen mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung eines Regelbeispiels.100 Die in
98 Siehe Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 38: Versuchsbeginn bereits mit Beginn des 1. Aktes, wenn der Täter bereits zur Verwirklichung des Gesamttatbestandes handelt. Vgl. dazu auch den Streitstand zum Versuchsbeginn beim Raub. Die überwiegende Meinung lässt bereits das unmittelbare Ansetzen zur Nötigungshandlung genügen, siehe Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 49 IV 4 S. 520 f.; Fischer, StGB, § 249 Rn. 17; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 249 Rn. 11; Kühl, Strafrecht AT, § 15 Rn. 48; Rengier, Strafrecht BT I, § 7 Rn. 41; Kindhäuser, Strafrecht BT II, § 13 Rn. 27; Kudlich, in: SSW-StGB, § 249 Rn. 21; Lackner/Kühl, StGB, § 249 Rn. 7; Sander, in: MK-StGB, § 249 Rn. 39; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 38; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 249 Rn. 10; so bereits RGSt 69, 327, 329 a.A. Hillenkamp, LK-StGB, § 22 Rn. 126; Wessels/Beulke/ Satzger, Strafrecht AT, Rn. 605; Gropp, Strafrecht AT, § 9 Rn. 37b; enger als die h.M. auch Zaczyk, in: NK-StGB, § 22 Rn. 52. 99 Interessant sind insoweit auch die (mit ähnlicher Stoßrichtung erfolgenden) Ausführungen von Roxin, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 13, der die abstrakte Betrachtungsweise bei der Einordnung eines Delikts als Verbrechen bzw. Vergehen (mithin die Unbeachtlichkeit etwaiger Strafrahmenverschiebungen durch unbenannte besonders schwere Fälle bzw. Regelbeispielsnormen) aufgrund des Bestimmtheitsgebots für verfassungsrechtliche erforderlich hält. Ansonsten – so Roxin – würde sich die Frage nach der Strafbarkeit des Versuchs erst nachträglich, nämlich „[…] daraus ergeben, ob der Richter einen besonders schweren oder minder schweren Fall annimmt.“ (Roxin, Strafrecht AT I, a.a.O.). Dann jedoch würde nicht der Gesetzgeber, sondern der Richter über das „Ob“ der Strafbarkeit entscheiden. 100 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 297 ff.; Eisele, JA 2006, 309, 313; Hillenkamp, in: LK-StGB, § 22 Rn. 127; Beckemper, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 22 Rn. 46; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 26 Rn. 52; Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 193; Kühl, Strafrecht AT, § 15 Rn. 54; Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85; Roxin, Strafrecht AT II, § 29 Rn. 172; Rudolphi, in: SK-StGB [Stand: 20. Lfg. April 1993], § 22 Rn. 18; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 58; Stree, in: FS Peters, S. 179, 181 f.; Wessels/Beulke/ Satzger, Strafrecht AT, Rn. 607; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 219; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 305. Weitere Nachweise bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 298; a.A. OLG Hamm, MDR 1976, 155 f.; BayObLG, NStZ 1997, 442 f.; siehe auch BGHSt 33, 370 ff.; so auch Dencker, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, 1. Teil, Rn. 9; der Rechtsprechung zuneigend Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 74.
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dieser Richtung tendierende Rechtsprechung101 ist daher abzulehnen.102 Zwar kann Letzteres (d. h. das Ansetzen zur Verwirklichung des Regelbeispiels) mit dem Versuchsbeginn durchaus zeitlich „zusammenfallen“.103 Entscheidend ist jedoch, ob ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Grundtatbestandes gegeben ist.104 Beim Diebstahl muss daher ein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme vorliegen.105 Nicht ausreichend ist das unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung eines Regelbeispiels des § 243 StGB (bspw. Einbrechen) bzw. die (Teil-)Verwirklichung eines solchen.106 Die verfassungsrechtliche Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums findet damit ihre Entsprechung in der Anwendung der „Regelbeispiels“Strafnormen. Dem Gesetzgeber ist es nicht gestattet, die Entscheidung über die Versuchsstrafbarkeit dem Richter zu überlassen. Folgerichtig kann sich dieser (scil. der Richter) eine solche Entscheidungsgewalt auch nicht mittels einer Ausdehnung des Wirkbereichs der Regelbeispiele (Zugrundelegung dieser zur Bestimmung des Zeitpunkts des Versuchsbeginns) aneignen. Dies bedeutet nämlich eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Befugnisse des Richters, denn diesem ist es verwehrt, eigenmächtig (durch Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit) neue Bereiche der Strafbarkeit zu begründen. Insoweit wirkt der strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt bei der Normanwendung fort und beschränkt die Möglichkeiten der richterlichen Normanwendung.
101 Siehe OLG Hamm, MDR 1976, 155 f.; BayObLG, NStZ 1997, 442 f.; siehe auch BGHSt 33, 370 ff.; ebenso Dencker, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, 1. Teil, Rn. 9; der Rechtsprechung zuneigend Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 74. Entsprechend auch die Begründung zum Entwurf 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 144, 403, 409. Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 193 erblickt hierin eine verbotene Analogie; ebenfalls verfassungsrechtliche Einwände erhebt Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85: Auflösung der gesetzlichen Bestimmtheit. 102 Eingehend Hillenkamp, in: LK-StGB, § 22 Rn. 127 f.; siehe auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 297 ff. 103 Für den „Einbruchsdiebstahl“ führen Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 219 aus: „Da § 22 allerdings auch Ausführungshandlungen erfasst, die noch nicht selbst „tatbestandsmäßig“ sind, aber im unmittelbaren Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung liegen, kann die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch naturgemäß auch schon mit dem Beginn des Einbrechens, Einsteigens usw überschritten sein, sofern dieses Ansetzen zur Tat nach dem Gesamtplan des Täters bei ungestörtem Verlauf unmittelbar anschließend zur „Wegnahme“ iS des § 242 führen sollte.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 104 Hillenkamp, in: LK-StGB, § 22 Rn. 127; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 26 Rn. 52; Fabry, NJW 1986, 15, 18; Kühl, Strafrecht AT, § 15 Rn. 54; Roxin, Strafrecht AT II, § 29 Rn. 172; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 58; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 607; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 219; Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 299; Eisele, JA 2006, 313; so auch Rudolphi, in: SK-StGB [Stand: 20. Lfg. April 1993], § 22 Rn. 18; Beckemper, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 22 Rn. 46: Einzelbetrachtung. 105 Wittig, in: BeckOK-StGB, § 243 Rn. 31; Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 91. 106 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 299; siehe auch Hillenkamp, in: LK-StGB, § 22 Rn. 127; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 243 Rn. 31.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
§ 11 Die Entstehung eines wesensfremden Unrechtstypus durch Addition von Unrechtselementen A. Die Notwendigkeit einer verbindlichen Unwerttypen-Bewertung durch den Gesetzgeber I. Die Unwerttypenbewertung (sowie die diesbezügliche Strafrahmenzuordnung) als (grundlegende) Leitentscheidung Wie bereits ausgeführt, fordert der Parlamentsvorbehalt neben der Regelung grundrechtswesentlicher Fragen auch eine gesetzliche Regelung bei wesentlichen Entscheidungen ohne Grundrechtsbezug.107 Nicht erforderlich ist daher ein unmittelbarer grundrechtlicher Bezug der zu regelnden Materie.108 Dem Gesetzgeber obliegt es daher, (unabhängig von einer Grundrechtsrelevanz) die besonders wichtigen, grundsätzlichen sowie richtungsweisenden Entscheidungen zu treffen.109 Dazu gehören jedenfalls die Leitentscheidungen bzgl. des jeweiligen Bereichs.110 Auch im Bereich des Strafrechts hat der Gesetzgeber die entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen.111 Im Gebiet des Strafrechts gehört die abstrakte Bewertung von Unwerttypen zu den grundsätzlichen Entscheidungen. Diese Bewertung erfolgt durch die Zuordnung von Strafrahmen.112 Die Strafrahmen bringen hierbei zum einen die Bewertung des im 107 Hermes, Parlamentsgesetz, S. 114; ebenso Huster/Rux, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 20 Rn. 176: Erweiterung des Vorbehalts des Gesetzes über den Eingriffsbereich hinaus; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 238 f., 247 ff.: auch außerhalb des grundrechtsrelevanten Bereichs wesentliche Entscheidungen denkbar (Staupe, a.a.O., S. 238 f.). 108 Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 238 f.: auch außerhalb des grundrechtsrelevanten Bereichs wesentliche Entscheidungen denkbar; Hermes, Parlamentsgesetz, S. 114; Huster/Rux, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 12. 2014], Art. 20 Rn. 176: Erweiterung des Vorbehalts des Gesetzes über den Eingriffsbereich hinaus. 109 Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 237. 110 Siehe dazu Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 257 f., der die Einordnung einer Regelungsmaterie als Leitentscheidung zum Indikator für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung („Indikator für die Geltung des Parlamentsverbehalts“) macht. Siehe auch Sternberg-Lieben, objektive Schranken der Einwilligung, S. 508: „Dem Gesetzgeber und nicht den (Verfassungs- bzw. Straf-)Gerichten sind die gesellschaftsgestaltenden Leitentscheidungen übertragen.“. 111 Vgl. Freund, ZStW 109 (1997), S. 455, 470: „Die entscheidenden Weichen bei der Rechtsfolgenkonkretisierung muß der Gesetzgeber selbst stellen.“. 112 Siehe Miebach, in: MK-StGB, § 46 Rn. 75: „Die Strafrahmen, die durch die Strafdrohungen der einzelnen Tatbestände im Besonderen Teil festgelegt werden, bringen in typisierter Form eine abstrakte Unrechts- und Schuldbewertung zum Ausdruck.“; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 6: „[…] abstrakte Unrechts- und Schuldbewertung […]“; Stree/Kinzig, in: Schönke/ Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40: „Der Strafrahmen vermittelt einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts, den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe ge-
§ 11 Wesensfremder Unrechtstypus durch Addition von Unrechtselementen
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Tatbestand gefassten Unwerttypus zum Ausdruck,113 bilden darüber hinaus auch den (ersten) Anknüpfungspunkt für die richterliche Strafzumessung.114 Insoweit hat der Strafrahmen auch maßgebliche Bedeutung für die Strafzumessung im Einzelfall. Zudem wird erst durch die abstrakte Bewertung des Unwerttypus (mithin die Verknüpfung des Unwerttypus mit einem Strafrahmen) dessen Stellenwert im Gesamtgefüge der Straftaten115 sichtbar.116 Dieses Ordnen der verschiedenen Unwerttypen nach ihrer Unrechtsschwere stellt sich als eine bedeutende Entscheidung dar. Denn erst durch die Strafrahmenzuordnung wird der abstrakte Unrechtsgehalt des Unwerttypus deutlich,117 die Strafnorm wird damit erst durch die Zuordnung des Strafrahmens komplettiert.118 Der Unwerttypus wird mithin erst durch die Verknüpfung mit einer Strafandrohung abschließend festgelegt. Diese ist daher von entscheidender Bedeutung für die Charakterisierung des Unwerttypus.119 Dies zeigt die besondere Bedeutung der Tätigkeit der Unwerttypen-Bewertung. Die entsprechende Strafrahmenzuordnung ist damit als zentrale Entscheidung zu qualifizieren. Darin erschöpft sich jedoch die Bedeutung des Strafrahmens bzw. der abstrakten Bewertung des Unwerttypus nicht. Sie prägt in vielerlei Hinsicht die Normanwendung. Die abstrakte Bewertung wirkt sich u. a. auf die Auslegung der Strafnormvoraussetzungen aus (bspw. im Rahmen der rechtsfolgenorientierten Auslegung120: Art und Höhe der Strafandrohung sind bei der Auslegung des Tatbestandes zu be-
stellten Verhalten verbunden hat.“ [im Original teilweise hervorgehoben]. So auch Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 57: Die gesetzgeberischen Bewertung des strafrechtlich verbotenen Verhaltens wird auf der Rechtsfolgenseite verdeutlicht. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, NJW 1969, 1059, 1061; BVerfGE 105, 135, 153. 113 Siehe BVerfGE 105, 135, 153: Strafandrohung gibt Aufschluss über gesetzgeberische Bewertung und Charakterisierung. 114 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 143. 115 Siehe Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 29: „Die Strafrahmen enthalten zugleich eine Bewertung der Unrechts- und Schuldschwere des jeweiligen Delikts und weisen damit die Bedeutung und den Stellenwert der Verbotsnorm innerhalb der Rechts- und Sozialordnung aus.“. 116 Vgl. auch BVerfGE 25, 269, 286: nach Auffassung des Gerichts „[…] läßt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen.“. Weiter führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung.“ (BVerfGE 25, 269, 286; so auch BVerfGE 27, 18, 29). Ähnlich Eser/Hecker, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 1 Rn. 49: „[…] Maßstab für die gesetzgeberischen Wertungen.“. 117 So auch BVerfGE 25, 269, 286; 27, 18, 29. 118 Vgl. zur Wechselwirkung zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, S. 138 ff., 229, 138 ff. 119 Siehe BVerfGE 25, 269, 286: „Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung.“. 120 Siehe dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 135 f.
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achten und können daher das Auslegungsergebnis beeinflußen121).122 Auch ist die abstrakte Bewertung des Unwerttypus, wie bereits erwähnt, Ausgangspunkt für die Strafzumessung im Einzelfall. Insoweit dient der Strafrahmen als Maßstab für die Bewertung des Einzelfalles durch den Richter.123 All dies zeigt die fundamentale Wichtigkeit der Bewertung von Unwerttypen. II. Die Notwendigkeit der verbindlichen Strafrahmenzuordnung bei der Bildung neuer Unwerttypen Zunächst soll das Ergebnis dieses Abschnittes vorangestellt werden. Dieses lautet folgendermaßen: Soweit im Voraussetzungsbereich der (aufgesetzten) Strafvorschrift (Komplementärnorm) ein (neuer) Unwerttypus beschrieben wird, bedarf es einer verbindlichen Strafrahmenzuordnung, da nur so in verbindlicher Weise der unwerttypusspezifische Maßstab festgelegt wird; das bedeutet letztlich: Neue Unwerttypen dürfen nur in Form von Qualifikationstatbeständen gefasst werden, nicht hingegen als Regelbeispiele.124 Die Verwendung der Regelbeispielstechnik ist in diesen Fällen der Bildung eines neuen Unwerttypus ist verfassungsrechtlich unzulässig, weil diese Gesetzestechnik wegen der bloßen Indizwirkung der Regelbeispiele keine verbindliche Zuordnung des Sonderstrafrahmens zu den, in den Regelbeispielen formulierten, gesetzlich aufgeführten Unwertsachverhalten beinhaltet. 121
BVerfGE 25, 269, 286: „[…] die Strafandrohung [ist] für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung.“; so auch BVerfGE 27, 18, 29. Die rechtsfolgenorientierte Auslegung bejahend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 135 f.; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 1 Rn. 17 f.; Freund, GA 1999, S. 509, 514; Gropp, JuS 1999, 1041, 1048; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 49; Günther, NJW 1982, 353, 356; Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 145; siehe dazu auch BGH, NJW 2001, 1802, 1805: restriktive Auslegung wegen des Strafrahmens. Die Brauchbarkeit der Strafrahmen als Auslegungshilfe anzweifelnd Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 71: wenn überhaupt, dann nur geringe Bedeutung. Zur Kritik an der rechtsfolgenorientierten Auslegung siehe Krahl, a.a.O., S. 225 ff. 122 (Kritisch) zur Interdependenz zwischen Tatbestand und Rechtsfolge Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 68 ff., 201 ff. 123 Siehe Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 3: Strafrahmen als Wertmaßstab; eingehend dies., in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 44: Wertskala. 124 Auch Walter, NStZ 2014 368 f., macht die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene „Regelungsdichteanweisung“ in Bezug auf die Frage nach der Ausdifferenzierung von Deliktsgruppen fruchtbar. Insoweit muss der Gesetzgeber „[…] alle wesentlichen Unterscheidungen abbilde[n]“ (siehe Walter, a.a.O., 368). Mit Blick auf die Neugestaltung der Tötungsdelikte fordert er angesichts dessen, dass es sich hierbei um die „schwersten Verbrechen [handelt], die unser Recht kennt“, dass der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag in tatbestandsförmiger Art festlegt. Anders als der hier entwickelte Ansatz geht Walter diesbezüglich jedoch nicht auf die Unrechtsumschreibung im Voraussetzungsbereich der geplanten Komplementärnorm ein. Dies jedoch ist notwendig, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts weiter entfalten zu können. Dazu weitergehend in den nachfolgenden Abschnitten im Haupttext.
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Die angesprochene Verbindlichkeit der Strafrahmenzuordnung ist notwendig, weil die Angabe von Maßstäben die Aufgabe des Gesetzgebers ist.125 Wird (im Rahmen der Durchführung einer Strafrahmenabstufung) durch eine Strafnorm ein neuer Unwerttypus geformt, so hat der Gesetzgeber verbindlich einen Maßstab für die Beurteilung der Einzelfälle festzulegen (mithin den Strafrahmen verbindlich zuzuordnen), weil ein solcher Maßstab (d. h. ein Maßstab für diesen neu gebildeten Unwerttypus) im Gesetz gerade noch nicht vorhanden ist. Denn der Grundstrafrahmen bezieht sich ausschließlich auf den grunddeliktischen Unwerttypus, nicht jedoch auf denjenigen, der gerade durch die Schaffung der aufgesetzten Norm geformt wird. Die Festlegung dieses Maßstabes, mithin die Bewertung des neu gebildeten Unwerttypus durch Zuordnung eines Strafrahmens, ist eine Leitentscheidung, welche in den nicht delegationsfähigen Kompetenzbereich des Gesetzgebers fällt.126 Wie bereits festgestellt wurde, ist die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus in vielfältiger Weise leitend für die Anwendung der Strafnorm. Auch trägt die gesetzgeberische Bewertung (welche in der zugeordneten Strafandrohung zum Ausdruck kommt) maßgeblich für die Charakterisierung des Unwerttypus bei.127 Die Strafrahmenzuordnung zum Unwerttypus (mithin die abstrakte Bewertung des Unwerttypus) ist daher als Leitentscheidung anzusehen und muss infolgedessen durch den Gesetzgeber vorgenommen werden.128 Die Zuordnung eines Strafrahmens zum im Tatbestand niedergelegten Unwerttypus (mithin die abstrakte Bewertung des Unwerttypus) ist demnach als „wesentliche Entscheidung“ zu qualifizieren. Der Gesetzgeber darf die Aufgabe der Bewertung des neuen Unwerttypus deshalb nicht auf den Richter übertragen (Delegationsverbot), es ist mithin eine gesetzgeberische Bewertungstätigkeit erforderlich.129 Daher muss der Gesetzgeber in den Fällen, in denen er mit einer Strafvorschrift einen neuen Unwerttypus bildet, für den das Gesetz noch keine Unwerttypenbewertung enthält, eine eigenständige Bewertung dieses 125
Siehe dazu Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 285. Damit ist die von Kudlich erwähnte notwendige Grenzziehung erfolgt; zutreffend hat dieser nämlich in Hinblick auf den Einsatz der Regelbeispielstechnik ausgeführt: „Gerade aus diesem Grund muß aber in einer vom geschriebenen Gesetz geprägten Rechtsordnung genau abgegrenzt werden, welcher Teil der Rechtserzeugung dem Richter überlassen werden darf und was – weniger aus methodischen als aus verfassungsrechtlich-normativen Gründen – dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß.“ (siehe Kudlich, JuS 1998, 468, 469 Fn. 12). 127 Vgl. BverfGE 25, 269, 286; 27, 18, 29. 128 Vgl. dazu Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 257 f., der die Einordnung einer Regelungsmaterie als Leitentscheidung zum Indikator für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung („Indikator für die Geltung des Parlamentsverbehalts“) macht. Ähnlich Freund, ZStW 109 (1997), S. 455, 470, der meint, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Weichenstellungen (in Hinblick auf die Rechtsfogenkonkretisierung) selbst vorzunehmen hat. 129 Dazu, dass der Schuldgrundsatz eine gesetzgeberische Bewertung von Unwerttypen notwendig macht, vgl. Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 144 ff., der hieraus die Notwendigkeit eines differenzierten (gestaffelten) Strafrahmensystems ableitet. 126
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neuen Unwerttypus durchführen. Denn weil für den neu gebildeten Unwerttypus eine gesetzgeberische Bewertung (noch) nicht existiert, muss eine solche durch den Gesetzgeber (nunmehr) erfolgen. Die gesetzgeberische Bewertung vollzieht sich in der verbindlichen Zuordnung eines Strafrahmens, weshalb hieraus die Verpflichtung zur Vornahme einer zwingenden (und damit für den Richter verbindlichen) Strafrahmenzuordnung folgt. Die Verwendung der Regelbeispielsmethode ist infolgedessen in diesen Fällen (soweit ein neuer, wesensfremder Unwerttypus entsteht130) unzulässig,131 da bei dieser Gesetzgebungstechnik gerade keine zwingende Zuordnung des Sonderstrafrahmens zu den Regelbeispielen (und damit zum neuen Unwerttypus) erfolgt.132 Findet in diesen Fällen (Bildung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus) die Regelbeispielsmethode Anwendung, so unterbleibt die notwendige gesetzgeberische Bewertung des neuen Unwerttypus, weshalb diese Gesetzgebungstechnik dann als unzulässig einzuordnen ist. Anders liegt es hingegen, wenn die Regelbeispiele keinen neuen, wesensfremden Unwerttypus beschreiben, sondern lediglich eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttyps.133 Dann existiert bereits eine gesetzgeberische Bewertung dieses Unwerttypus, nämlich in Form des grunddeliktischen Strafrahmens (mithin des Regelstrafrahmens). Einer verbindlichen Zuordnung des Sonderstrafrahmens bedarf es dann nicht, da – wie soeben erwähnt – im Voraussetzungsbereich der neuen 130
Die von Krehl, ZRP 2014, 98, 100 f., vorgeschlagene pauschale Umformung der Mordmerkmale in Regelbeispiele (ebenso auch von Morsch, AnwBl. 2014, 873, 875 f., favorisiert) ist daher abzulehnen. Denn soweit ein Mordmerkmal einen neuen, dem Grunddelikt des Totschlags wesensfremden, Unwerttypus erfasst, stellt seine Fassung als Regelbeispiel keinen verfassungsrechtlich gangbaren Weg dar, weil insoweit der strenge, strafrechtliche Parlamentsvorbehalt entgegensteht. Die entwickelten Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts an die Wahl der Regelungstechnik verkennt Krehl, wenn er ausführt: „Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers erfährt aus diesem Grund keine Einschränkung durch die Verfassung.“ (Krehl, a.a.O., 100). 131 So auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f.; in diese Richtung wohl auch tendierend BVerfGE 45, 363, 372 (jedoch unter dem Gesichtspunkt eines Mangels an Bestimmtheit, der daraus folgen würde, dass das Grunddelikt ob der Wesensverschiedenheit des Unrechtsgehalts der Regelbeispielsnorm keine trafgfähige Grundlage für deren Auslegung bieten würde). In eine entsprechende Richtung gehen auch die Ausführungen von Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff., nach welchem unrechts- oder schuldbestimmende Merkmale in Regelbeispielen nicht verwendet werden dürfen (Gössel, a.a.O., S. 200), in diesen also lediglich solche Elemente aufgeführt werden dürfen, die geeignet sind, als Maßstab der Schwere der Straftat zu dienen (Gössel, a.a.O., S. 204 f.). Gössel unterscheidet insoweit zwischen „eigenständigen Rechtsgutsbeeinträchtigungen“ und „modifizierenden Abwandlungen derselben normwidrigen Rechtsgutsbeeinträchtigung“ (Gössel, a.a.O., S. 202). 132 Die verfassungsrechtliche Dimension erkennt Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 62 ff., nicht, wenngleich seine rechtspolitische Kritik an der Regelbeispielsmethode auch an die (relative) Unverbindlichkeit der Regelbeispiele anknüpft. 133 Im Ansatz ähnlich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f., 80; in der Sache wohl gleich hinsichtlich der Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Verwendung der Regelbeispielsmethode Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff.
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Strafnorm kein neuer Unwerttypus enthalten ist, sondern lediglich ein Unwertsachverhalt aufgeführt wird, der aus dem grunddeliktischen Unwerttypus „abgeleitet“ ist. Tatsächlich ist der Sonderstrafrahmen dann lediglich Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung der allgemeinen Wertgruppe der besonders schweren Fälle.134 Darin zeigt sich, dass die Regelbeispielsmethode durchaus eine Existenzberechtigung hat, der Gesetzgeber diese legislative Technik jedoch nicht nach freiem Belieben einsetzen kann. Der strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt setzt dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum vielmehr Grenzen. Insoweit kann der Gesetzgeber dazu verpflichtet sein, sich der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestands zu bedienen.135
B. Die Entstehung eines neuen Unwerttypus im Rahmen der Durchführung einer Strafrahmenabstufung Im Gegensatz zu den Strafvorschriften für unbenannte besonders schwere Fälle enthalten sowohl Qualifikationstatbestände als auch Strafvorschriften, bei denen die Regelbeispielsmethode Verwendung gefunden hat, eine greifbare Beschreibung bestimmter Umstände bzw. Faktoren, d. h. eine Beschreibung einzelner Unrechtselemente.136 Die Elemente des Grunddelikts und diejenigen der Norm, die auf das Grunddelikt aufbaut (Qualifikationstatbestand oder Regelbeispiels-Strafnorm), bilden gemeinsam die Voraussetzungen für die Eröffnung des Sonderstrafrahmens. Sie beschreiben in ihrer Gesamtheit auch einen Unwertsachverhalt. Die Addition von Unwertelementen zum grunddeliktischen Unwerttypus kann dazu führen, dass dieser „neue“ Unwertsachverhalt (Unwertsachverhalt, der sich ergibt aus den Elementen des Grunddelikts und denen der aufbauenden Norm) (sehr) stark vom ursprünglichen, grunddeliktischen Unwertsachverhalt abweicht. So unterscheidet sich der in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB umschriebene Sachverhalt von dem des § 242 Abs. 1 StGB dahingehend, dass der Täter bereits vor Beginn des Diebstahls (also vor der eigentlichen Ausführungshandlung der Wegnahme) eine bestimmte (Vorbereitungs-) Handlung vornimmt (nämlich das Einbrechen in ein Gebäude oder einen um-
134
Siehe bereits Kapitel 2 § 4 E. IV. Freilich steht dies unter der Annahme, dass der Gesetzgeber überhaupt eine auf das Grundelikt aufbauende Strafvorschrift mit Sonderstrafrahmen schaffen will. Dem Gesetzgeber bleibt es unbelassen, sich jeglicher Strafrahmenabstufung zu enthalten und stattdessen lediglich einen grunddeliktischen Straftatbestand vorzuhalten. Dann jedoch besteht möglicherweise nicht für sämtliche Begehungsvarianten eine angemessene Strafandrohung, da der Strafrahmen des Grunddelikts (bei Vergehen) allenfalls bis zu einer Höchststrafe von 6 Jahren Freiheitsstrafe reichen darf (siehe dazu Kapitel 3 § 6 B.). Insoweit kann bei besonders schweren Begehungsvarianten u. U. eine angemessene Bestrafung nicht erfolgen. 136 Siehe zum Vergleich der verschiedenen Gesetzestechniken Kapitel 2 § 4 E. IV. 135
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schlossenen Raum), damit regelmäßig137 ein weiteres Rechtsgut (das Hausrecht) verletzt138 und darüber hinaus (soweit gegeben) diese Rechtsgutsverletzung (Verletzung des Hausrechts) zum Mittel für die Durchführung des Diebstahls macht („zur Ausführung der Tat“). Insoweit wird bei dem in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB beschriebenen Tatbild typischerweise das Unrecht des Hausfriedensbruchs mit dem Unrecht des Diebstahls verknüpft.139 Die Norm (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) dient damit auch dem Schutz des Hausrechts und damit eines Rechtsguts, welches vom Grunddelikt (§ 242 StGB) nicht geschützt ist.140 Dies zeigt, dass die Abweichung der Abwandlung vom grunddeliktischen Unwertsachverhalt so groß sein kann, dass ein neuer, (dem Grunddelikt) wesensfremder Unwerttypus vorliegt.141 Im Falle des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB ergibt sich dies insb. aus der Beeinträchtigung eines weiteren (diebstahlsfremden) Rechtsguts, des Hausrechts. Betrachtet man beide Konstellationen (einfacher Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB sowie „Einbruchsdiebstahl“ gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) so zeigt sich bei letzterer aufgrund der zusätzlich hinzutretenden Verletzung des Hausrechts ein völlig anderes Tatbild. Noch deutlicher wird dies beim sog. „Wohnungseinbruchsdiebstahl“ (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Diese Taten sind gekennzeichnet durch ein Eindringen in den Kernbereich des Privat- und Intimlebens.142 Insoweit ergibt sich – bei Vergleich mit dem einfachen Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) – eine völlig andere Qualität des Unrechts, denn der „Wohnungseinbruchsdiebstahls“ ist (auch) maßgeblich durch diese Verletzung der Privat- bzw. Intimsphäre gekennzeichnet. Aufgrund dieser besonderen Verletzungsqualität ist der 137 Jedoch nicht notwendigerweise. Insoweit wird nämlich nicht vorausgesetzt, dass sich der Täter unberechtigt im Gebäude bzw. Raum aufhält; siehe Kindhäuser, in: NK-StGB, § 243 Rn. 19: „Der Tatbestand wird in allen Alternativen nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter im Allgemeinen berechtigt ist, sich in dem Gebäude […] aufzuhalten.“ [im Original teilw. hervorgehoben]; so auch Lackner/Kühl, StGB, § 243 Rn. 14; aus der Rechtsprechung siehe RGSt 53, 262, 263; BGHSt 15, 146, 147 ff.; 22, 127, 128 f. 138 Mitsch, Strafrecht BT II, S. 92: „In der Regel verletzt die Verwirklichung des Regelbeispiels zugleich fremdes Hausrecht […].“. Insoweit liegt sehr häufig auch ein Hausfriedensbruch vor; siehe Mitsch, Strafrecht BT II, S. 92. 139 Ähnlich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85: Angriff auf weiteres Rechtsgut wird vorgeschaltet. Hieraus folgert Mitsch, Strafrecht BT II, S. 92 f., dass auf der Ebene der Konkurrenzen § 123 StGB im Wege der Konsumtion „zurücktritt“. 140 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 257. 141 Zu den entscheidenden Kriterien siehe Kapitel 4 § 11 E. II. Ähnlich auch die Ausführungen von Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 153, der anhand des § 243 StGB aufzeigt, dass die dort umschriebenen Konstellationen „[…] nicht nur […] [ein] amorphe[s] Mehr an Unrecht und Schuld, sondern […] eine neue Qualität […]“ umschreiben. Deutlich enger Maurach, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 250 f., der eine solche Loslösung vom Grunddelikt bei Qualifikationstatbeständen (und damit erst Recht bei Regelbeispielsnormen) ablehnt und dieses den eigenständigen Verbrechen (= delictum sui generis) vorbehält. Ähnlich bereits Nagler, ZAkDR 1940, 365, der das eigenständige Verbrechen als „Neubildung aufgrund einer Wertsynthese“ und das qualifizierte Delikt als „Weiterbildung infolge einer bloßen Wertänderung (Abwandlung der Wertstärke)“ begreift. 142 BGH, NStZ 2008, 514, 515; Fischer, StGB, § 244 Rn. 45.
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„Wohnungseinbruchsdiebstahl“ häufig mit Folgen verbunden (namentlich die psychische Beeinträchtigung des Opfers), die beim „einfachen“ Diebstahl (nahezu) nie auftreten, jedenfalls für Letzteren nicht kennzeichnend sind. Die Ergänzung des Grundtatbestandes durch die Tatbestandsmerkmale eines Qualifikationstatbestands bzw. die Regelbeispiele kann143 daher zur Formung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus führen.144 Sie erfolgt durch Formulierung von Unrechtssachverhalten im Voraussetzungsbereich des jeweiligen Qualifikationstatbestandes bzw. der jeweiligen Regelbeispielsnorm. Wann dies der Fall ist, insbesondere welche Kriterien für das Vorliegen eines neuen Unwerttypus sprechen, wird an späterer Stelle noch zu erörtern sein (siehe dazu Kapitel 4 § 11 E. II.). Typischerweise liegt eine Umwandlung in einen neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus u. a. vor, wenn in der Komplementärnorm ein Angriff auf ein weiteres, d. h. grunddeliktsfremdes Rechtsgut (im 143
A.A. wohl Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 56. Jedoch führt die Addition qualifizierender Tatbestandsmerkmale nicht zwingend bzw. nicht stets zur Bildung eines solchen neuen, wesensfremden Unwerttypus. Insoweit existieren durchaus qualifizierte Delikte, die lediglich eine Modifikation grunddeliktischen Unrechts verkörpern. Scharf zu trennen ist demnach zwischen Form und Inhalt. Die Form des Qualifikationstatbestandes ist gerade nicht gleichbedeutend mit der inhatlichen Bildung eines neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus. Weiter geht hingegen Stree, in: FS Heinitz, S. 277, 290 ff., der im Rahmen seiner Erörterungen zur „Aufstiftung“ konstatiert, dass „[…] eine qualifizierte Tat identitätsmäßig dem Grunddelikt nicht gleichsteht.“ (Stree, a.a.O., S. 293). Seiner Meinung nach erfährt die Tat „[m]it dem Hinzutreten eines qualifizierenden Merkmals […] eine Umgestaltung […], die das ganze Geschehen generell unter unrechtsbezogenen Aspekten in ein anderes Licht rückt.“ (Stree, a.a.O., S. 292). Dies verkennt jedoch, dass es durchaus strafrahmenschärfende Elemente gibt, die den grunddeliktischen Unwerttypus in seinem Kern unberührt lassen. Die Auffassung Stree’s ist damit zu pauschal. In die entgegengesetzte Richtung gehen die Ausführungen von Maurach, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 250 f., der eine solche Loslösung vom Grunddelikt bei Qualifikationstatbeständen (und damit erst Recht bei Regelbeispielsnormen) ablehnt und dieses den eigenständigen Verbrechen (= delictum sui generis) vorbehält (in der Sache gleich Nagler, ZAkDR 1940, 365, der das eigenständige Verbrechen als „Neubildung aufgrund einer Wertsynthese“ und das qualifizierte Delikt als „Weiterbildung infolge einer bloßen Wertänderung (Abwandlung der Wertstärke)“ begreift, in Letzterem also lediglich eine Erhöhung der „Unwertstärke“, jedoch „nichts qualitativ Neues“ erblickt (siehe Nagler, a.a.O., S. 366). Damit bleibt Maurach jedoch zu stark an der formalen Struktur der Normen verhaftet und unterlässt die notwendige Analyse des materialen Unrechts. Diese zeigt gerade auf, dass auch „einfache“ Qualifikationen und Regelbeispielsnormen, mithin also Komplementärnormen jeglicher Form, Ausdruck bzw. Abbild eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus sein können. Die Neubildung eines wesensfremden Unwerttypus nur dem delictum sui generis vorzubehalten, entspricht dieser Erkenntnis gerade nicht. Die entsprechende Ansicht ist daher zu eng, da sie zu stark auf die äußere Form fokussiert und die tatsächliche Varianz gesetzgeberischer Komplementärnormbildung nicht vollständig erfasst. Eine Folgefrage ist dann freilich, ob sich der Gesetzgeber, wenn er aus materialer Sicht einen solchen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus umschreibt bzw. umschreiben will, bezüglich der Wahl der Regelungsform frei ist oder ob er diesbezüglich verfassungsrechtlichen Vorgaben bzw. Schranken unterliegt. Dies zielt auf die Beantwortung der Frage nach der determinierenden Wirkung des umschriebenen Unrechts. 144
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vorgenannten Beispiel des (Wohnungs-)Einbruchsdiebstahls das Hausrecht) beschrieben wird. Auch die Ergänzung von grunddeliktischem Schädigungsunrecht durch ein Element, welches Erwerbsunrecht verkörpert (bspw. die Ergänzung des Tötungsunrechts des § 212 Abs. 1 StGB durch das Mordmerkmal der Habgier), führt dazu, dass sich der grunddeliktische Unwert in einen neuen – insoweit abgelösten – Unwerttypus wandelt.
C. Das Fehlen einer (verbindlichen) gesetzgeberischen Bewertung der in den Regelbeispielen aufgeführten Unrechtsfaktoren als Grund für das Fehlen der (verfassungsrechtlich erforderlichen) gesetzgeberischen Bewertung des neuen Unwerttypus Bildet der Gesetzgeber eine Strafnorm, welche auf einem Grundtatbestand aufbaut und einen besonderen Unrechtssachverhalt umschreibt, so muss auch diese mit einem Strafrahmen (dem Sonderstrafrahmen) versehen werden. Jedoch enthält dieser Strafrahmen nicht stets eine Bewertung der im Tatbestand145 dieser Strafvorschrift aufgeführten einzelnen Unrechtselemente.146 An einer solchen Bewertung fehlt es nämlich, wenn diese Unrechtsfaktoren nicht zwingend mit dem Strafrahmen verknüpft sind. Gerade so liegt es bei der Regelbeispielstechnik, bei welcher den umschriebenen einzelnen Unrechtsfaktoren lediglich eine Indizfunktion zukommt, mithin das Vorliegen eines solchen Unrechtsfaktors (d. h. die Verwirklichung eines Regelbeispiels) nicht zwingend zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führt.147 Der Gesetzgeber enthält sich hier einer endgültigen Entscheidung über die An-
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Tatbestand meint hier Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne. Siehe dazu bereits Kapitel 2 § 4 E. IV. 147 Siehe bereits Kapitel 2 § 4 C. Kritisch hinsichtlich der bloßen Indizwirkung der Regelbeispiele Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 296: „Ebensowenig wie bei diesen dem Ermessen des Richters freigestellt wird, das Vorliegen der in ihren Merkmalen erfüllten Qualifizierung wertend zu verneinen, verhält es sich hier. Wann ein der Strafschärfung unterliegender Tattyp vorliegt, kann nach dem Nullum crimen-Satz nicht gesetzlich offenbleiben.“. Ohne diesbezügliches Problembewusstsein im Rahmen ihrer Überprüfung von Regelbeispielsnormen am Maßstab des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) hingegen J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 146, nach der die „Widerlegbarkeit der Indizwirkung […] keinen ernsthaften Bedenken ausgesetzt ist […]“. Damit verkennt sie jedoch, dass sich aus Art. 103 Abs. 2 GG auch ein strenger, strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt ergibt. Auch im Rahmen der Sitzungen der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte wurde kurz auf den hier herausgestellten Problempunkt hingewiesen; insoweit hat Schneider im Rahmen seiner kritischen Äußerung zum vorgetragenen Regelbeispiels-Ansatz darauf hingewiesen, dass bei der Regelbeispielsmethode nicht ersichtlich sei „[…] welche Sachverhaltsgesichtspunkte gegeben sein müssten, um die Ablehnung eines solchen besonders schweren Falles zu rechtfertigen – wodurch der Täter entlastet würde, müsse nämlich ebenfalls gesetzlich geregelt werden.“ (siehe dazu Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 156). 146
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wendung des Sonderstrafrahmens148 und damit einer verbindlichen Bewertung dieser einzelnen Unrechtsfaktoren.149 Insoweit sind die Regelbeispiele aufgrund ihrer bloßen Indizwirkung nicht in zwingender Weise mit dem Sonderstrafrahmen verknüpft. Letzterer kann daher auch nicht als Ausdruck einer abschließenden (gesetzgeberischen) Bewertung der Regelbeispiele begriffen werden, da insoweit die finale Zuordnung erst auf richterlicher Ebene stattfindet. Darüber hinaus gibt der Gesetzgeber für diese richterliche Entscheidung keinerlei Vorgaben, wenn er die Regelbeispielsmethode verwendet.150 Wann die Indizwirkung widerlegt ist, wann also trotz Verwirklichung des Regelbeispiels nur der Regelstrafrahmen anzuwenden ist, ergibt sich aus der Norm nicht.151 Insbesondere lässt es das Gesetz offen, wie stark die Indizwirkung der Regelbeispiele ist, welche Intensität den unrechts-/schuldmindernden Faktoren also zukommen muss, um zur Widerlegung der Indizwirkung zu führen. Damit bleibt die Verknüpfung zwischen Regelbeispielen und Sonderstrafrahmen zum Teil unklar. Die Sonderstrafrahmenzuordnung ist damit auf Gesetzesebene nicht hinreichend verbindlich ausgestaltet,152 weshalb die Regelbei148 Zutreffend Kindhäuser, in: NK-StGB, § 243 Rn. 4: „Die Befugnis des Richters bezieht sich bei Regelbeispielen nicht auf die Änderung des Strafrahmens, sondern auf die Bestimmung der Anwendungsbedingungen eines vorgegebenen Strafrahmens […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Mit ähnlicher Tendenz Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 296, der insoweit feststellt, dass aufgrund der bloßen Indizwirkung gesetzlich offenbleibt, wann die Strafschärfung eintritt; Duttge, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 243 Rn. 1: „Die gerichtliche Feststellung der Voraussetzung eines „besonders schweren Falles“ ist daher „wertungsoffen“, dh durch den Gesetzgeber nicht abschließend vorgegeben.“. Siehe auch Fischer, StGB, § 46 Rn. 96a: „Die Regelbeispielstechnik verschiebt die Verantwortung für die Vervollständigung des Tatbestands vom Gesetzgeber auf das Gericht.“. 149 In eine ähnliche Richtung geht die von Hettinger formulierte Kritik an den Regelbeispielsnormen während der Marburger Strafrechtsgespräche 1997: „Darüber hinaus werde bei einem qualifizierenden Tatbestand – im Gegensatz zur Formulierung von Regelbeispielen – eine völlig neue Unrechts- und Schuldbewertung durch den Gesetzgeber vorgenommen, an die der Richter gebunden sei.“; siehe dazu den Tagungsbericht von Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 410. 150 Ähnlich bereits Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 62. Siehe auch Fischer, StGB, § 46 Rn. 96a, der konstatiert, dass bei der Regelbeispielstechnik der Richter den Tatbestand zu „vervollständigen“ hat. 151 Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 12 sieht darin eine „[…] offene Frage und das Eingangstor für richterliche Beliebigkeit.“. J. Heinrich hingegen sieht dies („die Widerlegbarkeit der Indizwirkung“) scheinbar als unproblematisch an, siehe J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 146. 152 Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 147, spricht insoweit davon, dass „[…] die Schaffung von Regelbeispielen […] eingestandenermaßen eine solche Verschiebung der Gewichte vom Gesetzgeber zum Richter dar[stellt].“. Damit ist freilich noch nicht die verfassungsrechtliche Unhaltbarkeit dieser Regelungstechnik ausgemacht. Denn im gewissen Maße kann der Gesetzgeber Befugnisse übertragen. Entscheidend ist vielmehr, ob er (d. h. der Gesetzgeber) die Grenzen, welche aus dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt folgen und eine Operationalisierung durch die Wesentlichkeits-Formel erfahren haben, wahrt. Entsprechend ist – wie im Folgenden ausgeführt wird – nach dem materialen Gehalt der Unrechtsumschreibung zu differenzieren.
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spiele im Sonderstrafrahmen keine Bewertung finden. Einzig eine gesetzgeberische Bewertung der allgemeinen Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“ liegt vor.153 Soweit die Einzelumstände lediglich eine bestimmte Ausformung des grunddeliktischen Unwerttypus beschreiben, ist dies unproblematisch, da dieser Unwerttypus bereits eine gesetzgeberische Bewertung mittels des grunddeliktischen Strafrahmens (des Regelstrafrahmens) erhalten hat. Anders liegt es jedoch, wenn durch die Addition des, in einem Regelbeispiel beschriebenen, Unrechtselements ein vom grunddeliktischen Unwerttypus verschiedenener Unwerttypus entsteht (mithin im Regelbeispiel ein wesensfremder Unwerttypus verkörpert ist). Dann fehlt es nämlich an der Bewertung dieses neuen, wesensfremden Unwerttypus.154 Der grunddeliktische Strafrahmen (Regelstrafrahmen) bezieht sich lediglich auf den grunddeliktischen Unwerttypus, der Sonderstrafrahmen seinerseits stellt mangels verbindlicher Verknüpfung mit dem Regelbeispiel keine Bewertung des (im Regelbeispiel aufgeführten) Unwerttypus dar. Es fehlt deshalb in diesen Fällen an einer gesetzgeberischen Bewertung dieses neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus. Damit fehlt es einer entsprechenden Regelung an einer erforderlichen Entscheidung des Gesetzgebers. Dieser hat es unterlassen, eine wesentliche Entscheidung (nämlich die abstrakte Bewertung des im Tatbestand155 niedergelegten Unwerttypus) zu treffen.156
D. Resultierende Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums – determinierende Wirkung des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unrechts Die Notwendigkeit der Bewertung des neuen Unwerttypus zeigt, dass die Regelbeispielsmethode nicht unbegrenzt einsetzbar ist. Insbesondere kann diese Ge153
Insoweit lässt sich der Struktur der Gesetzgebungstechnik Regelbeispielsmethode nämlich eine verbindliche Verknüpfung zwischen der Rechtsfolgenvoraussetzung „besonders schwerer Fall“ und der Strafandrohung entnehmen. Liegt ein „besonders schwerer Fall“ vor, so muss der Sonderstrafrahmen Anwendung finden. Siehe dazu bereits Kapitel 2 § 4 C. 154 Diese Begrifflichkeit verwendend BVerfGE 45, 363, 372: „wesensverschiedener Unwerttypus“; siehe auch Klesczewsk, Strafrecht BT I, S. 6 ff. 155 Tatbestand meint hier (d. h. im jetzigen Zusammenhang) Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne. 156 Die ausgeführte Problematik behandelt J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 145 ff., in ihrer verfassungsrechtlichen Bewertung der Regelbeispielsmethode nicht. Ihre Ausführungen beschäftigen sich primär mit der Frage, ob der Gesetzgeber in Hinblick auf die sonstigen besonders schweren Fälle genügend vorentschieden hat (dazu J. Heinrich, a.a.O., S. 153). Damit übersieht sie jedoch, dass gerade die bloße Indizwirkung der Regelbeispiele verfassungsrechtlich problematisch sein kann – und zwar – wie im Haupttext aufgezeigt wird – mit Blick auf den in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt.
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setzestechnik nicht unabhängig von dem im Voraussetzungsbereich niedergelegten Unrechtssachverhalt Anwendung finden. Dieser muss vielmehr Berücksichtigung finden bei der Auswahlentscheidung bzgl. der Verwendung der Gesetzgebungstechniken. Soweit in der aufbauenden Strafnorm ein neuer, wesensfremder Unwerttypus beschrieben wird, bedarf es einer verbindlichen gesetzgeberischen Bewertung dieses Unwerttypus und daher einer verbindlichen (zwingenden) Zuordnung des Sonderstrafrahmens. Die Verwendung der Regelbeispielsmethode ist daher unzulässig, wenn in den Regelbeispielen ein neuer, wesensfremder Unwerttypus gebildet wird.157 Insoweit verstößt ein solches Vorgehen nämlich gegen den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt, der die verbindliche Bewertung von Unrechtstypen durch den Gesetzgeber verlangt.158 In solchen Fällen muss der Gesetzgeber daher die Gesetzgebungstechnik Qualifikationstatbestand verwenden. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass dies nicht zugleich bedeutet, dass jeder Qualifikationstatbestand zwingend einen neuen Unwerttypus beschreibt159 bzw. jeder Qualifikationstatbestand zwingend einen solchen enthalten muss.160 Die Ge157
So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f.; im Ansatz ähnlich (jedoch unter Verweis auf die daraus folgende mangelnde Bestimmtheit) BVerfGE 45, 363, 372. 158 Im Ansatz ähnlich – jedoch ohne die vorliegend entwickelte Differenzierung anhand des Kriteriums der Bildung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus – Gössel in seinen regelbeispielskritischen Ausführungen im Rahmen des „Marburger Strafrechtsgesprächs 1997“; Gössel hat insoweit auf eine mögliche Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips durch den Gesetzgeber hingewiesen und hierzu ausgeführt: „Mit der Formulierung von weiten Strafrahmen und zusätzlichen „besonders schweren Fällen“ komme er seiner Befugnis, aber auch seiner Pflicht zur eindeutigen Strafgesetzgebung nicht mehr nach. Somit werde die Unrechtsbewertung in zu großem Maß an die Judikative abgeschoben.“ (siehe dazu den Tagungsbericht von Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 408). 159 Dies verkennt Stree, in: FS Heinitz, S. 277, 290 ff., der im Rahmen seiner Erörterungen zur „Aufstiftung“ konstatiert, dass „[…] eine qualifizierte Tat identitätsmäßig dem Grunddelikt nicht gleichsteht.“ (Stree, a.a.O., S. 293). Seiner Meinung nach erfährt die Tat „[m]it dem Hinzutreten eines qualifizierenden Merkmals […] eine Umgestaltung […], die das ganze Geschehen generell unter unrechtsbezogenen Aspekten in ein anderes Licht rückt.“ (Stree, a.a.O., S. 292). Damit verkennt er jedoch, dass es durchaus strafrahmenschärfende Elemente gibt, die den grunddeliktischen Unwerttypus in seinem Kern unberührt lassen. Die Auffassung Stree’s ist damit zu pauschal und übergeht das Erfordernis einer genauen Normanalyse. 160 Daneben geht auch die Annahme fehl, dass neue Unwerttypen nur beim delictum sui generis auftreten; so jedoch Maurach, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 250 f.; in der Sache bereits Nagler, ZAkDR 1940, 365 f., der das eigenständige Verbrechen als „Neubildung aufgrund einer Wertsynthese“ und das qualifizierte Delikt als „Weiterbildung infolge einer bloßen Wertänderung (Abwandlung der Wertstärke)“ begreift. Insoweit verkennt eine solche Auffassung, dass der Inhalt der jeweiligen Komplementärnorm entscheidend ist und die äußere Form hierauf keinen Einfluss hat, d. h. diesbezüglich unbeachtlich ist. Zu trennen ist zwingend zwischen Inhalt und Form. Hat man diesen Schritt vollzogen, so zeigt die (unbefangene) Analyse der jeweiligen Komplementärnorm auf, ob diese Abbild eines neuen, vom Grunddelikt gelösten und diesem wesensfremden, Unwerttypus ist. Die einschränkende Ansicht von Maurach vermag nicht zu überzeugen, da sie die Varianz der gesetzgeberischen Komplementärnormbildung nicht zu erfassen vermag. Insoweit existieren nämlich durchaus
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setzgebungstechnik Qualifikationstatbestand kann insoweit unabhängig vom Vorliegen eines besonderen (neuen) Unwerttypus verwendet werden, weshalb grundsätzlich auch bloße Modifikationen im Qualifikationstatbestand erfasst werden können.161 Das Vorliegen eines neuen, vom grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschiedenen Unwerttypus ist nicht Voraussetzung für die Verwendung dieser Gesetzgebungstechnik (d. h. für die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes). Freilich können sich dann jedoch im Einzelfall Probleme in Hinblick auf das Übermaßverbot bzw. den allgemeinen Gleichheitssatz ergeben.162 Anders ausgedrückt bedeutet dies: Will der Gesetzgeber einen neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen, Unwerttypus in das Gesetz einfügen, so muss er sich der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes bedienen. Soll hingegen lediglich eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus Eingang in das Gesetz finden, so kann der Gesetzgeber dies (grundsätzlich) mittels der Schaffung eines qualifizierten Delikts bewerkstelligen. Aus dem Vorliegen der (Regelungs-) Form des qualifizierten Delikts kann daher nicht abgeleitet werden, dass eine bestimmte Komplementärnorm einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus enthält. Nicht jeder im StGB enthaltene (formelle) Qualifikationstatbestand enthält zugleich die Umschreibung eines neuen, dem Grundtatbestand wesensverschiedenen, Unwerttypus. Diese Frage (ob ein neuer Unwerttypus vorliegt) ist nicht durch eine Heranziehung der formalen Normgestaltung, sondern vielmehr mittels einer materialen, d. h. eine auf den Norminhalt bezogene, Betrachtung zu beantworten. Festzuhalten ist damit: Bei der Ermittlung der verfassungsrechtlichen Schranken des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Verwendung der Gesetzgebungstechniken Regelbeispielsmethode und Qualifikationstatbestand ist es notwendig, die Voraussetzungsseite der Strafnormen in den Blick zu nehmen. Enthält die Voraussetzungsseite einer konkreten Strafnorm die Beschreibung eines neuen, (dem Grunddelikt) wesensfremden Unwerttypus, so macht dies die gesetzgeberische Bewertung dieses neuen Unwerttypus erforderlich. Da eine solche Bewertung nur durch eine zwingende Zuordnung des Strafrahmens erfolgen kann, ist die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes notwendig und demzufolge die Verwendung der Regelbeispielsmethode unzulässig.163 Regelbeispielsnorm (und auch Qualifikationstatbestände), die ihrem Inhalte nach einen neuen, vom jeweiligen Grunddelikt losgelösten und diesem wesensfremden, Unwerttypus umschreiben bzw. erfassen. 161 Vgl. Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 119 Fn. 102, der zutreffend feststellt, dass der Gesetzgeber auch graduelle Abstufungen des Unrechts als Qualifikationstatbestände fassen kann. 162 Eingehend dazu Kapitel 5 § 13. 163 Bei der Regelbeispielsmethode fehlt es nämlich (aufgrund des Fehlens einer zwingenden Zuordnung des Sonderstrafrahmens) gerade an einer verbindlichen gesetzgeberischen Bewertung der in den Regelbeispielen aufgeführten Unrechtselemente. Beschreiben diese Unrechtselemente einen neuen (dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremden) Unwerttypus, so fehlt daher auch die Bewertung dieses neuen Unwerttypus. Einzig die Wertgruppe der
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E. Einordnung in den aktuellen Diskussionsstand sowie Präzisierung der Abgrenzungsformel (d. h. Bestimmung der maßgeblichen Kriterien) I. Verortung des Ansatzes im bisherigen Diskussionsstand Entscheidend ist also nach dem hier vertretenen Ansatz, ob ein neuer, wesensfremder Unwerttypus vorliegt. Ist ein solcher in der Komplementärnorm verkörpert, so ist die Verwendung der Regelbeispielsmethode verfassungsrechtlich unzulässig.164 Zur Feststellung, ob ein neuer, wesensfremder Unwerttypus gegeben ist, bedarf es des Vergleichs165 der Unrechts- und Schuldelemente des Grundtatbestands mit denen der „aufgesetzten“ Strafnorm (Sonderstrafnorm mit Sonderstrafrahmen).166 Fokussiert werden muss daher auf die Voraussetzungen der Strafnorm und „besonders schweren Fälle“ wird bei der Regelbeispielsmethode verbindlich durch den Gesetzgeber bewertet. Siehe dazu bereits Kapitel 2 § 4 E. IV. 164 So auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f. Ähnlich sind auch die Ausführungen von Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff., nach welchem unrechts- oder schuldbestimmende Merkmale in Regelbeispielen nicht verwendet werden dürfen (Gössel, a.a.O., S. 200), in diesen also lediglich solche Elemente aufgeführt werden dürfen, die geeignet sind, als Maßstab der Schwere der Straftat zu dienen (Gössel, a.a.O., S. 204 f.). Gössel unterscheidet insoweit zwischen „eigenständigen Rechtsgutsbeeinträchtigungen“ und „modifizierenden Abwandlungen derselben normwidrigen Rechtsgutsbeeinträchtigung“ (Gössel, a.a.O., S. 202). In diese Richtung tendierend BVerfGE 45, 363 ff. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit von § 94 Abs. 2 StGB (einer Regelbeispiels-Norm) mit dem Bestimmtheitsgebot u. a. darauf gestützt, dass „[i]n § 94 II StGB […] kein neuer, von § 94 I StGB wesensverschiedener Unwerttypus gebildet [wird] […]“ und daher „§ 94 I StGB […] der Rechtsprechung eine feste Grundlage für die Auslegung und Anwendung des Absatzes 2 dieser Vorschrift [bietet].“ (BVerfGE 45, 363, 372). Insoweit hat es das Bundesverfassungsgericht als maßgeblich erachtet bzw. zur Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Regelbeispiels-Strafnorm mit Art. 103 Abs. 2 GG gemacht, dass in der Regelbeispiels-Strafnorm (im konkreten Fall: § 94 Abs. 2 StGB) kein vom Grundtatbestand wesensverschiedener Unwerttypus verkörpert ist (so auch die Einschätzung von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66). 165 Eine ähnliche vergleichende Analyse nimmt Kastenbauer, Die Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 154 ff., im Rahmen seiner Ausführungen zur Rechtsnatur der Regelbeispiele mit Blick auf § 242 StGB sowie § 243 StGB vor. Anders als hier geht es Kastenbauer jedoch nicht um die verfassungsrechtlichen Grenzen des Einsatzes der Regelbeispielsmethode, sondern um die Entscheidung über die Einordnung der Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale oder Strafzumessungsregeln. Überdies geht es bei ihm nicht um die Beantwortung der Frage nach dem Entstehen eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus. 166 Insoweit ist der vorliegende Ansatz material-fundiert und rückt die in den Strafnormen (Grunddelikt und Komplementärnorm) auf Voraussetzungsseite niedergelegten Beschreibungen von Unwertsachverhalten in den Fokus der Betrachtung. Nicht gefolgt werden kann daher den Erörterungen von Küper, JZ 1991, 910, 913, der scheinbar jedem Qualifikationstatbestand eine entsprechende „Wesensverschiedenheit“/“neue Qualität“ zusprechen will. Wie die Analyse diverser Komplementärnormen noch zeigen wird, ist mitnichten davon auszugehen, dass ein qualifiziertes Delikt stets etwas Wesensverschiedenes darstellt. Mithin führt die Addition der strafrahmenändernden Faktoren (qualifizierenden Tatbestandsmerkmale) nicht zwangsläufig (also stets) zur Entstehung eines neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen/-fremden
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den in diesen verkörperten Unrechts- und Schuldgehalt.167 Damit ähnelt die hier entwickelte Vorgehensweise im Ansatz denjenigen Stimmen in der Diskussion um die Regelbeispielstechnik, die bei der dogmatischen Einordnung der Regelbeispielsmethode auf den Inhalt des umschriebenen Unrechts abstellen.168 Anders sind jedoch die gezogenen Konsequenzen. Während aufgrund der Tatsache, dass die Regelbeispiele (teilweise)169 qualitativ anderes Unrecht beschreiben, von Calliess170 die Tatbestandseigenschaft der Regelbeispiele bejaht wird, zieht der vorliegende Ansatz diesen Schluss nicht. So existieren nämlich durchaus Regelbeispiele, die lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung umschreiben, bspw. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB: „Vermögensverlust großen Ausmaßes“. Regelbeispiele umschreiben also gerade nicht stets qualitativ anderes Unrecht.171 Die Tatsache, dass in einigen Regelbeispielen qualitativ anderes Unrecht enthalten ist (bspw. in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB), ist daher nicht verallgemeinerungsfähig und kann folglich für eine dogmatische Einordnung der Regelungstechnik der Regelbeispiele nicht herangezogen werden.172 Aus dem Inhalt der Strafnorm kann demnach nicht auf die dogmatische Einordnung der Strafnorm geschlossen werden.173 Die von Calliess Unwerttypus. Der Schluss von der formalen Fassung auf die Entstehung einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus greift daher zu kurz. 167 Entscheidend ist der Inhalt der jeweiligen Komplementärnorm. Die äußere Form hat hierauf keinen Einfluss und ist diesbezüglich unbeachtlich. Zu trennen ist zwingend zwischen Inhalt und Form. Hat man diesen Schritt vollzogen, so zeigt die (unbefangene) Analyse der jeweiligen Komplementärnorm auf, ob diese Abbild eines neuen, vom Grunddelikt gelösten und diesem wesensfremden, Unwerttypus ist. 168 So Calliess, JZ 1975, 112, 116; ders., NJW 1998, 929, 934; ähnlich E. Horn, der jedoch daraus (im Gegensatz zu den vorherig genannten Vertreter) keine dogmatische Einordnung der Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale ableitet (siehe E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch S. 27: Strafzumessungsregel), sondern feststellt, dass diese lediglich „der Sache nach“ Tatbestandsmerkmale/Qualifikationstatbestände darstellen (siehe E. Horn, a.a.O., S. 117); zur Betrachtung des umschriebenen Unrechts E. Horn, a.a.O., S. 109 ff. (E. Horn, a.a.O., S. 109: keine nur quantitative Abschichtung; nicht nur ein „Mehr“, sondern „etwas anderes“). Die Unterscheidung qualitativ – quantitativ mit Blick auf die Rechtsfolgenseite vornehmend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 144 f., ansatzweise auch bezüglich des auf Voraussetzungsseite umschriebenen Unrechts Krahl, a.a.O., S. 140 f. 169 Insoweit existieren nämlich durchaus Regelbeispiele, welche lediglich eine quantitative Unrechtserhöhung umschreiben, siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. Implizit auch Maiwald, in: FS Gallas, S, 137, 154: „Andererseits wohnt den Regelbeispielen – jedenfalls zum Teil – so viel Typizität inne, daß es schwer fällt, sie als bloße Gradstufen von Unrecht und Schuld zu begreifen.“. 170 Calliess, JZ 1975, 112, 116; ders., NJW 1998, 929, 934. 171 Vgl. dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 157 ff.; siehe auch J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 145: „Sowohl unter den Regelbeispielen als auch unter den Qualifikationsmerkmalen lassen sich quantitative ebenso wie qualitative Merkmale finden.“. 172 In diese Richtung geht auch die Kritik von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. Siehe auch J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 145. 173 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 157 ff.; in der Sache auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137 ff.
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vertretene Auffassung ist abzulehnen, weil sie die dogmatische Einordnung der Kategorie „Regelbeispielstechnik“ (welche insoweit das Gegenstück zur Kategorie „Qualifikationstatbestand“ bildet) mit einzelnen fehlerhaften Anwendungen derselben verwechselt. Es handelt sich bei Regelbeispiels-Strafnormen wegen des mit ihnen verbundenen Entscheidungsvakuums vielmehr um Strafzumessungsregeln.174 Entscheidend ist nämlich, dass sich der Gesetzgeber bei dieser Regelungstechnik einer abschließenden und zwingenden Regelung (genauer: der abschließenden und zwingenden Festlegung der strafrahmenändernden Einzelaspekte)175 enthält176 und damit dem Richter entsprechende Entscheidungsbefugnisse überträgt177. 174 Im Ergebnis ebenso BGHSt 23, 254, 256; 26, 104, 105; 33, 370, 373; OLG Köln, NStZRR 2003, 298, 299; Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 197 f.; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 47; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 111a; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 297 ff. Weitere Nachweise finden sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 144. 175 Insoweit enthält die Regelbeispiels-Strafnorm nämlich durchaus eine abschließende und zwingende Regelung. Liegt ein „besonders schwerer Fall“ vor, so ist der Sonderstrafrahmen anzuwenden. Siehe dazu bereits Kapitel 2 § 4 C. 176 Zur entsprechenden Argumentation siehe BGHSt 23, 254, 256 f.; ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159: „Sie [scil. die Regelbeispiele] sind „Tatbestände“ zwar im formellen, nicht aber im materiellen Sinne, weil der Gesetzgeber hier nichts vorentschieden hat. Man könnte zwar sagen, er habe die Wertung im Sinne eines Typus „ein bißchen“ vorentschieden, denn er hat mit den Beispielen immerhin „Vermutungen“ geliefert. Doch ist damit nicht viel gewonnen. Denn in concreto muß der Richter doch immer die Gesamttat würdigen, und zwar nach seinen eigenen Maßstäben.“. Letztlich ist damit für Maiwald entscheidend, dass die Regelung eine „[…] die Bindung des Richters an ein generalisiertes Unwert-Leitbild vermissen lässt.“ (siehe Maiwald, a.a.O., S. 149). Siehe auch Reichenbach, Jura 2004, 260, 262, der insoweit ausführt, dass sich in diesem Unterschied (nicht abschließende Regelung bei Verwendung der Regelbeispielsmethode einerseits, abschließende Regelung bei den Qualifikationstatbeständen andererseits) die „[…] verschiedenen Aufgaben von Rechtsprechung und Gesetzgebung (gerechte Straffindung einerseits, Unrechtsdefinition andererseits) [widerspiegeln] […].“. Diese Argument scheinbar ablehnend J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 143. 177 Insoweit ist die Regelbeispielsmethode mit einer Delegation von Aufgaben auf den Richter verbunden, siehe Maiwald, NStZ 1984, 433, 440; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 298; ähnlich E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 118: „[…] andersartige Gesetzgebungstechnik, die […] eine Änderung der „Arbeitsteilung“ […] indiziert.“. Siehe auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 186, der ein Auswahlermessen des Richters bezüglich der Strafrahmenwahl annimmt. Dies greift jedoch zu weit, da dem Richter durch die Einfügung der Regelbeispiele ein hinreichend verbindlicher Maßstab dafür gegeben wird, wann der Sonderstrafrahmen anzuwenden ist. Freilich bedarf es hierbei richterlicher Präzisierungsarbeit, sodass zwar nicht von einem freien richterlichen Ermessen gesprochen werden, jedoch von einer (eingeschränkten) Befugnisübertragung auf die richterliche Ebene; mit ähnlicher Tendenz hinsichtlich der Abgrenzung der Regelbeispielsmethode von der Gesetzestechnik der unbenannten besonders schweren Fälle Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 299: „Geht es bei den Generalklauseln in der Regelbeispielstechnik um eine gesetzliche Analogieermächtigung, so hier um die Ermächtigung zur freinen Rechtsfindung.“.
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Jedoch zeigt nach der vorliegenden Konzeption eine Betrachtung des Inhalts der Strafnorm die Grenzen der Verwendbarkeit der Regelbeispielsmethode auf.178 Die Auswahl der Gesetzestechnik steht gerade nicht im freien Belieben des Gesetzgebers.179 Dieser hat sich vielmehr zwingend am niederglelegten (mithin auf Voraussetzungseite umschriebenen) Unrecht zu orientieren.180 Es wird damit sichtbar, wenn sich der Gesetzgeber in unzulässiger Weise einer Gesetzgebungstechnik bedient hat, mithin die „falsche“ Gesetzgebungstechnik Verwendung gefunden hat. Damit wird es ermöglicht, im Gegensatz zur herrschenden Konzeption, welcher es bisher nicht gelungen ist die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (des Auswahlermessens hinsichtlich der Verwendung der Gesetzestechniken Qualifikationstatbestand und Regelbeispielstechnik) aufzuzeigen181 und die daher allenfalls kriminalpolitische Ratschläge an den Gesetzgeber richtet,182 Vorgaben für die gesetzgeberische Strafrahmenabstufung zu formulieren und damit eine sachgerechte Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zu bewirken. Sie deckt diejenigen Regelungen auf, bei denen der Gesetzgeber sich der „falschen“ Regelungsform bedient hat. Denn, wie bereits erwähnt, ist die Verwendung der Regelbeispielsmethode verfassungsrechtlich unzulässig, wenn ein neuer, wesensfremder Unwerttypus vorliegt, mithin ein solcher Inhalt auf der Voraussetzungsseite der
178 So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66, der die Begrenzung des „gesetzgeberischen Beliebens“ betont. 179 So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f. In der Sache auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 198, 200: „Mit der etwaigen Verwendung unrechts- oder schuldbestimmender Merkmale in Regelbeispielen würde der Gesetzgeber gegen den Grundsatz der tatbestandlichen Bestimmtheit der Rechtsfolgenvoraussetzungen in Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen, damit in unzulässigerweise gesetzgeberische Kompetenzen auf den Richter übertragen und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen – der Gesetzgeber würde die allein ihm obliegende Pflicht zur Schaffung bestimmter Straftatbestände in unzulässigerweise auf den Richter abwälzen.“ (siehe Gössel, a.a.O. S. 200). Gänzlich anders BGHSt 26, 167, 173; 29, 359, 368: formale Frage der Gesetzgebungstechnik; folgend Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 233; Reichenbach, Jura 2004, 260, 265; in der Sache auch Krehl, ZRP 2014, 98, 100, in seinen Ausführungen zur von ihm vorgeschlagenen Umwandlung des Mordtatbestandes in eine Regelbeispielsnorm: „Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers erfährt aus diesem Grund keine Einschränkung durch die Verfassung.“. 180 Ebenso Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 198, 200, 202, 204 f.; Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff. 181 In der Stoßrichtung wie hier jedoch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 198, der sich gegen die beliebige Austauschbarkeit der Gesetzestechniken wendet und auf den tiefgreifenden Unterschied zwischen tatbestandlichem Unrecht und Strafzumessung verweist. 182 Vgl. dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 413; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle S. 58 ff.; Zipf, Strafzumessung, S. 17. Siehe auch Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 425, der mutmaßt, dass „[…] der Gesetzgeber bei der Neugestaltung von Strafgesetzen die Form der tatbestandlichen Qualifikation lediglich dann zu wählen pflegt, wenn er den Kreis der Erschwernisgründe abschließend festlegen oder wenn er aus kriminalpolitischen Erwägungen sicherstellen will, daß wegen der Schwere des Delikts oder der besonderen Gefährlichkeit des mit Strafe bedrohten Verhaltens eine bestimmte Mindeststrafe nicht unterschritten wird.“ [im Original teilw. hervorgehoben].
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Strafnorm zu finden ist.183 Ist ein solcher dem Grundedelikt wesensverschiedener Unwerttypus in einer Regelbeispiels-Strafnorm enthalten, so ist diese zwar dogmatisch als Strafzumessungsregel einzustufen (insoweit ist entscheidend, dass sich der Gesetzgeber einer abschließenden und zwingenden Regelung enthalten hat).184 Fest steht dann aber auch, dass der Gesetzgeber die „falsche“ Gesetzgebungstechnik verwendet hat. Die dogmatische Qualifizierung der Regelbeispielsmethode als Strafzumessungsregel steht also einer verfassungsrechtlichen Überprüfung entsprechender Normen am Maßstab des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts nicht entgegen. Der Gesetzgeber kann sich daher durch die Verwendung dieser Regelungstechnik seiner verfassungsrechtlichen Bindungen nicht entledigen, vielmehr können diese (scil. die verfassungsrechtlichen Bindungen, hier: der strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt) sogar einer Verwendung der Gesetzgebungstechnik Regelbeispielsmethode entgegenstehen und diese in den entsprechenden Fällen zur unzulässigen Regelungstechnik machen. Zusammengefasst bedeutet dies Folgendes: Die Gesetzgebungstechnik Regelbeispielsmethode als solche ist nicht unvereinbar mit den Vorgaben des Grundgesetzes (Bestimmtheitsgrundsatz; Analogieverbot),185 weshalb nicht jede mittels dieser Technik gebildete Norm (automatisch) einem entsprechenden Verdikt an183 So auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f. Ähnlich Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 198 ff., nach welchem die Formung von Regelbeispiele (nur) geeignet bzw. verfassungsrechtlich zulässig ist, wenn es sich nicht um (konstitutive) unrechts-/schuldbestimmende Merkmale handelt (Gössel, a.a.O., S. 200), sondern um Elemente, die den Maßstab für die Schwere des Unrechts bilden können (Gössel, a.a.O., S. 204 f.); insoweit unterscheidet Gössel zwischen eigenständigen Rechtsgutsbeeinträchtigungen und modifizierenden Abwandlungen derselben normwidrigen Rechtsgutsbeeinträchtigung (Gössel, a.a.O., S. 202). In diese Richtung tendierend BVerfGE 45, 363 ff. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit von § 94 Abs. 2 StGB (einer Regelbeispiels-Norm) mit dem Bestimmtheitsgebot u. a. darauf gestützt, dass „[i]n § 94 II StGB […] kein neuer, von § 94 I StGB wesensverschiedener Unwerttypus gebildet [wird] […]“ und daher „§ 94 I StGB […] der Rechtsprechung eine feste Grundlage für die Auslegung und Anwendung des Absatzes 2 dieser Vorschrift [bietet].“ (BVerfGE 45, 363, 372). Insoweit hat es das Bundesverfassungsgericht als maßgeblich erachtet bzw. zur Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Regelbeispiels-Strafnorm mit Art. 103 Abs. 2 GG gemacht, dass in der Regelbeispiels-Strafnorm (im konkreten Fall: § 94 Abs. 2 StGB) kein vom Grundtatbestand wesensverschiedener Unwerttypus verkörpert ist (so auch die Einschätzung von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66). 184 So hinsichtlich der dogmatischen Einordnung auch BGHSt 23, 254, 256; 26, 104, 105; 33, 370, 373; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 47; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 134; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 111a. Weitere Nachweise finden sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 144. Ablehnend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 154, der eine Einordnung als Strafzumessungsregel als offene Umgehung des Bestimmtheitsgebots bzw. Analogieverbots qualifiziert. 185 Dies hat Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 383 ff. umfassend dargelegt. Freilich übersieht er in seinen Ausführungen, dass die Regelbeispielsmethode nicht stets ein zulässiges Gesetzgebungskonzept ist und deshalb in bestimmten Fällen durchaus von einer verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit auszugehen ist. Entsprechendes findet sich auch nicht in den Ausführungen von J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 145 ff.
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heimfällt. Jedoch kann eine (einzelne) Regelbeispielsnorm verfassungswidrig sein; und zwar dann, wenn in einem Regelbeispiel ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener Unwerttypus erfasst ist.186 Dann liegt ein Verstoß gegen den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG vor. Der Schwerpunkt des Vorwurfs liegt hierbei auf dem (verfassungsrechtlich unzulässigen) Einsatz dieser Regelungstechnik zur gesetzlichen Implementierung eines neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus.187 Für diese Fälle stellt die Komplementärnormbildung mittels Verwendung der Regelbeispielsmethode kein verfassungsrechtlich zulässiges Gesetzgebungskonzept dar. Eine (Folge-)Frage ist wiederum, wie sich dies auf den (verfassungsrechtlichen) Bestand der Norm und die Normanwendung auswirkt.188 Dieser erstmals von Klesczewski189 entwickelte Ansatz rückt damit (durch die Fokussierung auf den niedergelegten Unwerttypus) den materiellen Gehalt der Strafnorm in den Vordergrund, um die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aufzuzeigen und entsprechende Grenzüberschreitungen sichtbar zu machen. II. Kriterien für die Bestimmung des Vorliegens eines neuen, wesensverschiedenen (= wesensfremden) Unwerttypus 1. Prolegomenon zur Abgrenzungsformelpräzisierung Sowohl in Qualifikationstatbeständen als auch in Regelbeispiels-Strafnormen werden bestimmte Unrechts- und/oder Schuldfaktoren umschrieben. Bei Letzteren gilt dies freilich nur hinsichtlich der Regelbeispiele, nicht jedoch in Hinblick auf die Generalklausel „besonders schwere Fälle“, weil diese lediglich eine allgemeine Wertgruppe erwähnt bzw. wiedergibt. Der durch die Beschreibung der Unrechtsund/oder Schuldfaktoren umrissene Unwertsachverhalt kann auch einen dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus darstellen.190 Wann dies der Fall ist, muss durch Vergleich mit dem im Grundtatbestand niedergelegten Unwerttypus ermittelt werden. Ob ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus gegeben ist, ist daher komparativ zu bestimmen.191 186 Erfüllung des Bestimmtheitsgrundsatzes einerseits und Vereinbarkeit mit dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt sind hierbei zwei voneinander zu trennende Fragestellungen; vgl. bereits Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 184. 187 In der Sache gleich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f.; vgl. auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 204: „Nicht der Einsatz der Regelbeispielstechnik ist zu verwerfen, sondern deren Verwendung ohne Berücksichtigung des tiefgreifenden Unterschieds zwischen Rechtsfolgenvoraussetzungen und Strafzumessung […].“. 188 Siehe dazu Kapitel 5 § 12. 189 Siehe dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff. 190 Dazu bereits Kapitel 4 § 11 B. 191 Die Beantwortung dieser Frage durch den Richter hält Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 157 f., für ausgeschlossen. Dem ist nicht zu folgen, denn wie sich noch zeigen wird, kann man die Abgrenzungsformel weiter präzisieren, wozu insb. die Bildung von Kritierien dient.
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Für die Prüfung ist die folgende Vorgehensweise vorzunehmen. Den Ausgangspunkt bildet die Ermittlung des grunddeliktischen Unwerttypus, denn die komparative Bestimmung setzt denknotwendig die Festlegung des Vergleichspunkts voraus. Dieser kann dem grunddeliktischen Tatbestand entnommen werden.192 Der Tatbestand enthält nämlich diejenigen Umstände, „[…] die den Strafwürdigkeitsgehalt der jeweiligen Deliktsart begründen“193. Der Deliktstatbestand umschreibt die „[…] unrechts- und schuldtypischen Merkmale, die das Verbrechen „individualisieren“, d. h. die jeweilige Verbrechensart als solche kennzeichnen und von anderen Deliktsarten und nicht strafbaren Handlungen unterscheiden.“.194 Insoweit werden durch Tatbestände in abstrakter Weise „[…] Bilder generell verpönter Verhaltensweisen […]“195 umschrieben. Der grunddeliktische Unwerttypus kann hierbei sowohl aus deliktsspezifischen Unrechts- als auch aus deliktsspezifischen Schuldelementen bestehen. Insoweit ist der hier verwendete Unwerttypus-Begriff dem des Deliktstypus gleichzusetzen196 und reicht daher über den Begriff des Unrechtstypus hinaus,197 welcher lediglich diejenigen Merkmale umfasst, die den spezifischen Unrechtsgehalt eines bestimmten Delikts kennzeichnen.198 Zu beachten ist hierbei, dass der Unwerttypus nicht stets vollständig durch den im Gesetz formulierten Tatbestand abgebildet ist.199 Insoweit sind ggf. auch die ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des Grunddelikts von Bedeutung. Der Unwerttypus ist also dem Deliktstatbestand zu entnehmen, wobei dieser durchaus Elemente erfassen kann, die 192
Insoweit kennzeichnet der Deliktstatbestand nämlich einen bestimmten Deliktstypus; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45; Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 17. 193 Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 20. Ähnlich Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45: „In den Deliktstatbeständen des Bes. Teils umschreibt das Gesetz im Wege der Abstraktion strafwürdiges rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten, dies freilich unter Beschränkung auf die unrechts- und schuldtypischen Merkmale, die das Verbrechen „individualisieren“, d. h. die jeweilige Verbrechensart als solche kennzeichnen und von anderen Deliktsarten und nicht strafbaren Handlungen unterscheiden.“; so bereits Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 16 f. 194 Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45; in der Sache bereits Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 16. 195 Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 20. 196 Siehe zum Begriff des Deliktstypus Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45; Gallas, ZStW 67 (1955), S. 1, 17. 197 Der Unwerttypus (bzw. Deliktstypus) umfasst dabei alle Elemente des Unrechtstypus sowie die deliktsspezifischen Schuldelemente. Übertragen auf eine „tatbestandsorientierte“ Betrachtung bedeutet dies: Schuldtatbestand und Unrechtstabestand bilden zusammen den Deliktstatbestand; siehe Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 15; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 43/44. 198 Siehe zum Begriff des Unrechtstypus Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 43/44, 45; Eisele, Regelbeispielsmethode, S 116 ff. 199 Zum Abweichen der gesetzlichen Formulierung vom Unwerttypus siehe Heidingsfelder, Der umgekehrte Subsumtionsirrtum, S. 146 f. Siehe auch, jedoch bezogen auf das Zurückbleiben des Wortlauts der Strafvorschrift hinter dem Unrechtstatbestand, Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40.
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in der gesetzlichen Formulierung (im Wortlaut der Strafvorschrift) keine Erwähnung finden.200 Entscheidend sind damit die deliktstypischen bzw. deliktsspezifischen Unrechts- und Schuldelemente.201 Verkürzt ausgedrückt geht es in diesem 1. Schritt darum, mittels Analyse des Deliktstypus das „Urbild des Übels“202 (was letzten Endes den (materialen Gehalt des) Unwerttypus ausmacht)203 freizulegen, um damit eine Grundlage für die nachfolgende Gegenüberstellung zu schaffen. Den Ausgangspunkt bildet hierbei der Tatbestand der jeweiligen Strafvorschrift. Denn der Tatbestand einer Strafnorm soll nach seinem Zweck das „Urbild des Übels“ (nach hiesiger Terminologie damit auch den Unwerttypus) möglichst umfassend, eindeutig und präzise erfassen.204 Insoweit ist der Tatbestand letztlich eine (gesetzgeberische) Verlautbarung des Unwerttypus. Jedoch können – wie bereits erwähnt – ungeschriebene Elemente hinzutreten und damit konstitutive Wirkung entfalten. Nach der Feststellung des grunddeliktischen Unwerttypus ist diesem derjenige Unwerttypus gegenüberzustellen, der im Voraussetzungsbereich (im „Tatbestand“, wobei Tatbestand hier den Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne meint und somit auch die Regelbeispielsformulierungen)205 der „aufgesetzten“ Strafnorm umschrieben wird. 2. Die Prüfung der Wesensverschiedenheit Es ist anschließend zu prüfen, ob sich die in der Sondervorschrift enthaltenen Elemente im Vergleich zu den Elementen des grunddeliktischen Unwerttypus als wesensverschieden (bzw. wesensfremd) darstellen. Entscheidend ist, ob durch die Addition der Elemente der „aufgesetzten“ Strafnorm neue, besonders prägende Elemente zum grunddeliktischen Unwerttypus hinzutreten, durch die sich eine maßgebliche Entfernung von der grunddeliktischen „Urform“ ergibt, mithin ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus geformt wird. Dies ist der Fall, wenn der durch Grundnorm und Komplementärnorm umschriebene Unwertsachverhalt durch 200
Walter, in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 40. Vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen zum Deliktstatbestand bei Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 45. 202 Begriff bei Walter, Der Kern des Strafrechts, S. 63, welcher eine Funktion des Typus in der Zeichnung des „Urbilds des Übels“ sieht. 203 Zutreffend sieht Walter, Der Kern des Strafrechts, S. 63, eine Funktion des Typus in der Zeichnung des „Urbilds des Übels“. Der Tatbestand einer Strafvorschrift wiederum soll dieses „Urbild des Übels“ (nach hiesiger Terminologie damit auch den Unwerttypus) möglichst umfassend, eindeutig und präzise erfassen. Insoweit ist der Tatbestand letztlich eine (gesetzgeberische) Verlautbarung des Unwerttypus; ähnlich, jedoch mit Abweichung in der Terminologie, Walter, a.a.O. 204 Im Ausgangspunkt gleich Walter, Der Kern des Strafrechts, S. 63. 205 Zu Begriff siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 111 ff.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 8 f. 201
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neue, mithin dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremde, charakteristische Kernelemente gekennzeichnet ist. Das Vorliegen eines neuen Unwerttypus liegt hierbei nahe, wenn die Kernelemente dieses Unwertsachverhaltes kein Pendant im grunddeliktischen Unwerttypus haben. Entscheidend ist damit einerseits, dass die in der Komplementärnorm enthaltenen (den Grundtatbestand ergänzenden) Elemente dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremd sind206 und sie darüber hinaus dazu führen, dass der grunddeliktische Unwerttypus in einen neuen, wesensfremden Unwerttypus transformiert wird. Dazu bedarf es einer gewissen Dominanz der addierten Elemente. Diese müssen prägende Attribute des neu gebildeten Unwertsachverhalts sein. Auf der anderen Seite ist dann nicht von einem neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus auszugehen, wenn der in der Komplementärnorm umschriebene Sachverhalt eine ausgeprägte (dominierende) Affinität zum grunddeliktischen Unwerttypus aufweist. Im Falle einer solchen ausgeprägten Wesensverwandschaft liegt lediglich eine (bloße) Modifikation (i.S.e. Abwandlung) des grunddeliktischen Unwerttypus vor. Klassischerweise ist dies gegeben, wenn bloße Modalitäten der Begehung des grunddeliktischen Unwerttypus, d. h. die Art und Weise der Deliktsverwirklichung bzw. die Ausführungsart, umschrieben werden und diese bei wertender Betrachtung des „Gesamtbildes“ nur von untergeordneter Bedeutung sind.207 Das Erfordernis der Wertung zeigt bereits, dass jedwede Annahme von Automatismen bei der Abgrenzung fehlgeht. Entscheidend sind stets die Gegenüberstellung von Grunddelikt und Komplementärnorm sowie die genaue Analyse der darin enthaltenen Unwertsachverhalte. So nimmt es nicht wunder, dass in bestimmten (Ausnahme-)Konstellationen durch die Hinzufügung der Ausführungsart ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus gebildet wird.208 Gleichwohl trifft dies dann nicht zu (was insoweit den o.g. Regelfall darstellt), wenn das addierte Element ausschließlich eine bloße Modalität der Tatbegehung umschreibt und es sich darin (bei materialer Betrachtung) erschöpft. Als grobe Leitlinie kann der Unterschied zwischen quantitativer Unrechts- und Schuldsteigerung und qualitativer Unrechts- und Schuldsteigerung209 (Unrechts-/ 206
Ein starkes Indiz dafür ist, dass dem ergänzenden Element – bei abstrahierender Betrachtung – kein Pendant im Grundtatbestand gegenübersteht. 207 Siehe dazu die Beispiele in Kapitel 4 § 11 E. II. 4 a). 208 Dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4 a). 209 Allgemein zur Unterscheidung zwischen Unrechtsquantität und Unrechtsqualität Roxin, Strafrecht AT I, § 14 Rn. 7 ff.; siehe auch Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 18: „Unwert […], der nach Qualität und Quantität differieren kann.“. Mit Blick auf verschiedene Qualifikationstatbestände hat auch das Schweizerische Bundesgericht danach unterschieden, ob sich die Qualifikation qualitativ vom Grundtatbestand abhebt, siehe dazu BGE 124 IV 97, 101. Freilich kam das Schweizerische Bundesgericht aufgrund des abweichenden Straf- und Verfassungssystems nicht zu den hier entwickelten Schlussfogerungen. Gleichwohl zeigt ein Blick auf diese Entscheidung jedoch, dass es im Einzelnen durchaus Tendenzen gibt, Qualifikationstatbestände nach materiellen Kriterien voneinander zu unterscheiden und hierbei der Maßstab der qualitativen Abweichung Verwendung findet.
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Schuldabwandlung) zu Grunde gelegt werden.210 Während sich erstere lediglich als ein „Mehr“ darstellt,211 liegt bei einer qualitativen Unrechts- und Schuldsteigerung ein „aliud“ zum grunddeliktischen Unwerttypus vor, mithin „etwas anderes“212 und damit ein Unwerttypus, der dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremd ist.213
210 Insoweit entspricht diese Fokussierung auf das Vorliegen einer quantitativen bzw. qualitativen Unrechtssteigerung dem Ansatz von Calliess (JZ 1975, 112, 116; ders., NJW 1998, 929, 934). Dieser leitet daraus jedoch fälschlicherweise die Tatbestandsqualität sämtlicher Regelbeispiele ab (siehe Calliess, a.a.O.). Tatsächlich geht es aber nur um den inhaltlichen (d. h. materialen) Charakter der entsprechenden Strafnorm, mithin die Frage, ob sie (scil. die Strafnorm) einen neuen, (dem Grunddelikt) wesensverschiedenen Unwerttypus beschreibt. Dies hat keine Auswirkungen auf die dogmatische Einordnung der entsprechenden Strafnorm (kann also die dogmatische Einordnung entsprechend ausgestalteter Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale nicht begründen), zeigt jedoch, dass sich der Gesetzgeber der falschen Regelungstechnik bedient hat und daher ggf. ein Verstoß gegen den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt gegeben ist. Diese Problemlage im Ansatz erkennend E.Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, der jedoch das identifizierte Spannungsverhältnis (siehe E. Horn, a.a.O., S. 117: faktisch Qualififkationstatbestände, formal nur anders bezeichnet; S. 118 Fn. 449, S. 157) zwischen Form (Ausgestaltung als Strafzumessungsregel; siehe zur entsprechenden dogmatischen Einordnung E. Horn, a.a.O., S. 27) und Inhalt (Erfassung qualitativ anderen Unrechts; siehe dazu die Festellungen E. Horns, dass die besonders schweren Fälle (mit bzw. ohne Regelbeispiele) mit den Tatbestandsmerkmalen weitestgehend inhaltsgleich sind (E. Horn, a.a.O., S. 115 f.) und sie daher „[…] der Sache nach nichts anderes dar[stellen] als Qualifikationen“ (E. Horn, a.a.O., S. 117); zur Betrachtung der Voraussetzungsseite siehe auch E.Horn, a.a.O., S. 109 ff.) der entsprechenden Regelbeispiele nicht zufrieden stellend behandelt. Zum einen fehlt den Ausführungen eine eingehende verfassungsrechtliche Betrachtung dieser Situation (E. Horn meint lediglich, dass eine „Durchbrechung des Gesetzlichkeitsprinzips“ vorliegt; siehe E. Horn, a.a.O., S. 115 f.). Außerdem ist E. Horns abschließendes Fazit, dass es sich bei der Regelbeispielmethode um eine „untragbare Strafschärfungsmethode“ (E. Horn, a.a.O., S. 157) handelt, zu pauschal. Er verkennt nämlich, dass es durchaus Regelungsmaterien gibt, die durch die Gesetzgebungstechnik der Regelbeispielsmethode erfasst werden können, bei denen die Verwendung der Regelbeispielsmethode also statthaft ist (zudem erkennt E. Horn nicht, dass es auch Regelbeispiele gibt, die keine qualitative Unrechts-/Schuldsteigerung, sondern lediglich eine quantitative Unrechts-/ Schuldsteigerung erfassen; so auch die Kritik von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158 f.). In welchen Fällen dies der Fall ist, kann jedoch nur gesagt werden, wenn zuvor eine nähere Bestimmung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgt, mithin die von der Verfassung gezogenen Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums eruiert werden. 211 In eine ähnliche Richtung auch Gössel, in: FS Hirsch, 183, 204.: Eignung als Maßstab für Tatschwere. 212 Vgl. dazu die entsprechende Argumentation von Calliess, JZ 1975, 112, 116 in Hinblick auf die dogmatische Einordnung der Regelbeispiele. Ähnlich E. Horn, jedoch ohne die (verfehlte) dogmatische Einordnung der Regelbeispiele als Tatbestandsmerkmale. 213 Eine ähnliche Abgrenzung hat Dreher in Hinblick auf die Änderung des Deliktscharakters (i.R.v. § 20a StGB a.F.) vorgenommen: „Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob die schärfere Strafandrohung nur schweres Unrecht gleicher Art […] oder ob sie ein andersartiges Unrecht treffen will.“ (siehe Dreher, GA 1953, 129, 131). Die besonders schweren Fälle sollen dabei „schweres Unrecht gleicher Art“ sein (siehe Dreher, GA 1953, 129, 131).
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Im Folgenden sollen nun, freilich aufgrund der Fülle möglicher Unrechts-/ Schulderhöhungsmomente214 ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit, einzelne Faktoren aufgeführt werden, die bei der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines wesensverschiedenen Unwerttypus zu betrachten sind und entweder für oder gegen das Vorliegen eines wesensverschiedenen Unwerttypus sprechen. Ausgangspunkt einer Prüfung des materiellen Gehalts einer („aufgesetzten“) Vorschrift muss jedoch stets die Frage nach dem Vorliegen eines im Verhältnis zum grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschiedenen Unwerttypus sein. Die im Folgenden aufgeführten Kriterien sind daher nicht als abschließender Katalog zu verstehen, sondern lediglich als Beispiele für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus. Sie können bei der Prüfung von Vorschriften zwar „in einem ersten Zugriff“ herangezogen werden. Doch darf eine Prüfung, soweit die aufgeführten Kriterien ein eindeutiges Ergebnis nicht liefern, nicht auf sie beschränkt bleiben. Insoweit ist der umschriebene Unwertsachverhalt stets einer Gesamtwürdigung unter Betrachtung sämtlicher ergänzender Faktoren zu unterziehen. Darüber hinaus ist auch das Folgende zu beachten: Analysiert man einen Unwertsachverhalt nach Maßgabe eines Kriteriums und kommt man zu dem Ergebnis, dass bei Betrachtung dieses Kriteriums vom Vorliegen eines neuen, wesensfremden Unwerttypus nicht auszugehen ist, so entfaltet dies keine generelle Ausschlusswirkung. Es kann in diesem Fall also dennoch die Einordnung als neuer, wesensfremder Unwerttypus vorgenommen werden, wenn die Betrachtung aus einem anderen Blickwinkel, also anhand eines anderen Kriteriums, zu einem solchen Ergebnis führt. So liegt es beispielsweise bei dem in § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB erfassten Regelbeispiel. Nach diesem soll – in der Regel – ein besonders schwerer Fall des Landesverrats vorliegen und infolgedessen eine schärfende Strafrahmenverschiebung stattfinden, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen verpflichtet, missbraucht. Zwar kann die Umwandlung des Grunddelikts des Landesverrats in einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus hier nicht damit begründet werden, dass das Regelbeispiel einen Verstoß des Täters gegen (s)eine besondere Pflichtenstellung im Staatsgefüge beschreibt und damit eine 214 Die im Besonderen Teil des StGB normierten Regelbeispiele bzw. Qualifikationmerkmale werden häufig verschiedenen Kategorien zugeordnet. So differenziert Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 233 nach Umständen, die die Tatausführung beschreiben, solchen die bestimmte Tatfolgen zum Gegenstand haben und solchen Merkmalen, die die Person des Täters betreffen. Ähnlich ist die Einteilung von Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 76 f., 87 f., der in „objektive Tatmodalitäten“, „Erfolgsqualifikationen“ und subjektive Qualifikationsmerkmale“ einteilt. Weitere Ansätze werden aufgeführt bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 233 Fn. 237. Eine Einteilung im Rahmen eines deutsch-polnischen Rechtsvergleichs findet sich bei Morawski, Systeme der Ein-und Abstufung der Tatschwere, S. 213 ff., der insoweit de lege ferenda die Orientierung an bestimmten „standardisierten Strafrahmenänderungsgründen“ vorschlägt (siehe ders., a.a.O., S. 210 ff.). Unter Zugrundlegung einer „personalen Straftatlehre“ (und den dabei maßgeblichen Einzelvoraussetzungen der Strafbarkeit) entwickelt J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 80 ff., verschiedene potentielle Strafrahmenschärfungsgründe.
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besondere – insoweit zur grunddeliktischen Schädigung hinzutretende – Verletzung eines Allgemeininteresses. Denn angesichts des vom Grunddelikt des § 94 Abs. 1 StGB geschützten Rechtsguts – der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland215 – stellt bereits die Grunddeliktsverwirklichung einen Angriff auf ein Kollektivrechtsgut dar, sodass diese weitere Verletzung der besonderen Pflichtenstellung durch den Täter (welche in der Offenbarung entgegen dieser besonderen Verpflichtung liegt) aus diesem Blickwinkel nicht zu einer neuen, völlig verschiedenen Situation führt. Gleichwohl kann man die Bildung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus durch die Addition des Regelbeispiels des § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB in der hierdurch erfolgenden Ergänzung des grunddeliktischen Schädigungsunrecht durch das im Regelbeispiel umschriebene Erwerbsunrecht erblicken.216 Durch die Kombination dieser beiden unterschiedlichen Unrechtstypen setzt sich das in der Komplementärnorm Umschriebene erheblich vom grunddeliktischen Unwerttypus ab. Dieser neue Unwerttypus hätte in Form eines qualifizierten Delikts gefasst werden müssen. Schließlich ist es auch möglich, dass in einem Fall gleich mehrere Kriterien die Einordnung des Unwertsachverhalts als „wesensfremd“ bzw. gerade nicht „wesensfremd“ zu begründen vermögen. 3. Grundlegende Ausführungen zu strafrahmenschärfenden Merkmalen bzw. Faktoren Bevor auf die einzelnen (strafrahmenverschiebenden) Faktoren eingegangen wird und anhand diverser Beispiele die im vorangegangenen Abschnitt entwickelte Abgrenzungsformel veranschaulicht wird, sollen zunächst allgemeine Ausführungen zu solchen strafrahmenschärfenden Merkmalen getätigt werden. Geht man mit der weit überwiegenden Meinung im Schrifttum zutreffenderweise davon aus, dass sich strafrechtliches Unrecht sowohl aus Erfolgs- als auch aus Handlungsunrecht zusammensetzt,217 so folgt für die Ebene der einzelnen (strafrahmenschärfenden) Merkmale, dass diese einerseits auf das Erfolgsunrecht, andererseits jedoch auch auf das Handlungsunrecht bezogen sein können. Insoweit existieren objektive und subjektive Unrechtselemente, daneben jedoch auch solche Merkmale, die rein schuldbezogen sind. Da das Unrecht – im Gegensatz zur Rechtswidrigkeit – steigerungsfähig ist,218 können strafrahmenschärfende Merkmale 215
Siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 94 Rn. 2. Vertieft zum Regelbeispiel des § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB in Kapitel 4 § 11 E. II. 4. f) und Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (2). 217 Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rn. 52/53; Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 20; siehe auch Puppe, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu §§ 13 ff. Rn. 20. 218 Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rn. 51; Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 111 ff.; Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 18: „[kann] nach Qualität und Quantität differieren […].“. Siehe auch Roxin, Straf216
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u. a. auch die Steigerung eines grundtatbestandlichen Merkmals (bspw. des grundtatbestandlichen Erfolgs) ausdrücken.219 Eine solche Steigerung wäre ansonsten auf der Ebene der Strafzumessung i.e.S. zu berücksichtigen,220 wird jedoch durch die gesetzliche Einbindung in Form eines strafrahmenschärfenden Merkmals auf die
recht AT I, § 14 Rn. 7, der zutreffend ausführt, dass die „[…] formelle Rechtswidrigkeit […] keine Steigerungen und keine qualitativen Unterscheidungen [erlaubt].“, Anderes hingegen für das materielle Unrecht gilt. Selbiges gilt auch für die Schuld. Auch diese ist steigerungsfähig, was sich bereits ergibt aus der Abhängigkeit des Maßes der Schuld von der Höhe des Tatunrechts (siehe Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 119 f.). 219 Freilich nur, soweit dem grundtatbestandlichen Merkmal überhaupt einen steigerungsfähigen Inhalt zukommt. Zur Existenz solcher Merkmale Hettinger, in: FS Frisch, S. 1153, 1169: steigerungsfähige/quantifizierbare Tatbestandsmerkmale; eingehend Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 91 ff. (nach ihm sind sind die entsprechenden Tatbestandsmerkmale „[…] aus sich heraus steigerungsfähig, weil sie schon selbst Maßbegriffe darstellen.“, Hettinger, a.a.O., S. 98), daneben benennt Hettinger noch die Gruppe der konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale (diese sind nach Hettinger solche, die „[…] einer „messenden“ Bewertung deshalb zugänglich [sind], weil dem jeweiligen Merkmal seinem sozialen Sinngehalt nach im Kontext der gesamten Verbotsnorm ein unterschiedlicher Wertgehalt zukommen kann.“, Hettinger, a.a.O., S. 98), eingehend zu den konkretisierungsfähigen bzw. -bedürftigen Merkmalen Hettinger, a.a.O., S. 94 ff. 220 Dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 45 ff.; in Hinblick auf die steigerungsfähigen Tatbestandsmerkmale weist Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 94 zutreffend darauf hin, dass diesen eine Doppelfunktion zukommt. I.R.d. Prüfung als Strafbarkeitsvoraussetzung reicht für deren Erfüllung das Vorliegen eines „quantitativen Minimums“ (Hettinger, a.a.O., S. 94). Bei der Strafzumessung geht es dann um das konkrete Maß ihrer Verwirklichung, was Hettinger als „konkrete Erscheinungsform“ bezeichnet (Hettinger, a.a.O., S. 94; siehe auch Hettinger, a.a.O., S. 95: „[…] daß der Grad, in dem sie in concreto verwirklicht werden, für die StrZ innerhalb des Strafrahmens Berücksichtigung finden kann.“.). In der Sache gleich liegt es bei den „konkretisierungsfähigen Tatbestandsmerkmalen“ (dazu Hettinger, a.a.O., S. 94 ff., 98 ff.). Beiden Arten von Tatbestandsmerkmalen ist gemein, dass sie auf der Ebene der Strafzumesung zu berücksichtigen sind, „[…] und zwar insofern, als ihnen Tatsachen unterfallen, die unterschiedlichste „Wertigkeit“ haben können.“ (Hettinger, a.a.O., S. 99). Hettinger übersieht jedoch in seinen Ausführungen, dass sich die einzelnen Verwirklichungsformen von Tatbestandsmerkmalen nicht lediglich quantitativ voneinander unterscheiden können, sondern auch qualitativ. Insoweit mag der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals zwar für sich genommen auch eine gewisse Qualität zukommen. Jedoch kommt darüber hinaus auch bestimmten Verwirklichungsformen eine besondere Qualität zu, da sie sich von den regelmäßigen Erscheinungsformen („Normalfall“) in erheblicher Weise unterscheiden. Insoweit kann auch innerhalb der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals nach den Gesichtspunkten qualitativ und quantitativ unterschieden werden. Damit ist der Boden für die Erkenntnis gelegt, dass strafrahmenschärfende Merkmale, auch wenn sie verschiedene Erscheinungsformen eines grundtatbestandlichen Merkmals umschreiben, sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Unrechtssteigerung bewirken können. Dies liegt letztlich begründet im hohen Abstraktionsgrad von Tatbestandsmerkmalen, welche Erscheinungsformen unterschiedlichster Couleur (unter die abstrakte Begrifflichkeit) zusammenfassen (vgl. zu dieser „Sammelwirkung“ der Tatbestandsmerkmale auch Hettinger, a.a.O., S. 94 Fn. 60). Damit wird auch deutlich, dass eine genaue Analyse des jeweiligen strafrahmenschärfenden Merkmals erforderlich ist, um festzustellen, ob seine Addition zu einem neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus führt.
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Ebene der Strafrahmenzuordnung (bzw. -bestimmung) gehoben.221 Darin zeigt sich deutlich, dass mit der Schaffung einer strafrahmenschärfenden Komplementärnorm („aufgesetzten“ Norm“) zumindest auch,222 wenngleich nicht ausschließlich, eine Antizipierung der Strafzumessung einhergeht.223 Die Schaffung entsprechender Normen betrifft damit (auch) das Zusammenspiel zwischen Legislative und Judikative. Wie bereits erwähnt, kann die Steigerung des Unrechts sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erfolgen.224 Bei den Komplementärnormen drückt sich 221
In Bezug auf Regelbeispiele ist Degener, in: FS Stree/Wessels, S. 305 der Ansicht, dass „[…] sie damit ab[zielen] auf die Nahtstelle zwischen Verbrechens- und Strafzumessungslehre.“. 222 Bspw. indem durch den Wechsel des Strafrahmens die Verhängung von Strafen aus bestimmten Strafbereichen ausgeschlossen wird. Dies kann u. a. betreffen den Wegfall der Möglichkeit der Geldstrafenverhängung. Da die im Sonderstrafrahmen festgesetzte Mindeststrafenandrohung über der Strafrahmenuntergrenze des Regelstrafrahmens liegt, bewirkt der gesetzlich angeordnete Strafrahmenwechsel auch, dass die dazwischen liegenden Strafen (im Rahmen des Strafausspruches) nicht mehr in Betracht kommen. Durch die Fassung des entsprechenden Merkmals in Gesetzesform wird dieser ansonsten in der Strafzumessung i.e.S. zu berücksichtigende Faktor auf die Ebene der Strafrahmenbestimmung „gehoben“. Aufgrund des (durch die Strafrahmenverschiebung vermittelten) Ausschlusses bestimmter Strafbereiche kommt dem Merkmal damit bereits von Gesetzes wegen (und nicht erst i.R.d. richterlichen Strafzumessungstätigkeit) eine maßgebliche Relevanz für die Bestimmung der Strafe zu. 223 Vgl. in Hinblick auf Qualifikationstatbestände Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 133 sowie Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 426, die den Tatbestand als antizipierte Strafzumessung auffassen; folgend Arzt, JuS 1972, 385, 386; in der Sache auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 144: Präjudizierung des Richters durch Aufstellung von Qualifizierungen. Siehe auch Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 11: „Verschiebung in der Unrechtssphäre“, der jedoch feststellt, dass einem solchen Vorgehen Grenzen gesetzt sind (Peters, a.a.O., S. 26 f.). Entgegen dieser Stimmen ist jedoch festzuhalten, dass sich der Sinn bzw. auch die Wirkung von strafrahmenschärfenden Komplementärnormen darauf nicht beschränkt (ebenso kritisch Calliess, JZ 1975, 112, 116; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 75 ff.). So bilden Qualifikationen die Grundlage für einen verschärften Schuldspruch und damit einen stärkeren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verurteilten (siehe dazu Kapitel 5 § 13 B. II.). Allen Komplementärnormen, die Einzelfaktoren beschreiben, kommt zudem die Funktion zu, die besonders verwerflichen Verwirklichungsformen hervorzuheben und damit die besondere Mißbilligung dieser durch den Gesetzgeber auszudrücken (entsprechende Äußerungen finden sich gelegentlich auch in den Gesetzesmaterialien, vgl. hierzu die Begründung zur Aufnahme der Zwangsheirat in den Regelbeispielskatalog der besonders schweren Nötigung (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB a.F.) BT-Drucks. 15/3045, S. 10: Aufnahme als Regelbeispiel zur Betonung des besonderen Unrechts. In der weiteren Entwicklung wurde die Zwangsheirat mit ähnlicher Begründung (siehe dazu BT-Drucks. 17/4401, S. 9, 12) in einen eigenständigen Straftatbestand (§ 237 StGB) gefasst.). Siehe dazu auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 79: „Bei den Abwandlungen eines Grundtatbestands nimmt der Gesetzgeber also Bezug auf bestimmte Erscheinungsformen in der Wirklichkeit, denen er einen besonderen (Un-)Wertrang zuteilen will. Die konkreten Erscheinungsformen, die er als „besonders“ regelungsbedürftig im Auge hat, verallgemeinert er wieder […].“. 224 Ebenso Roxin, Strafrecht AT I, § 14 Rn. 7; siehe auch Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 18: „Unwert […], der nach Qualität und Quantität differieren kann.“. Mit Blick auf verschiedene Qualifikationstatbestände hat auch das Schweizerische Bundesgericht
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diese Steigerung des grundtatbestandlichen Unrechts in der Addition der strafrahmenschärfenden Merkmale aus. Folglich können diese danach unterschieden werden, ob sie eine quantitative oder eine qualitative Unrechts-/Schuldsteigerung bewirken,225 wobei die soeben erwähnte (bloße) Steigerung eines grundtatbestandlichen Merkmals226 als bloß quantitativ anzusehen ist.227 Andererseits kann – da aufgrund des hohen Abstraktionsgrads der (grunddeliktischen) Tatbestandsmerkmale von diesen Erscheinungsformen unterschiedlichster Couleur erfasst werden228 – auch im Herausgreifen einer Erscheinungsform und deren Einbindung in eine Komplementärnorm durchaus die Bildung eines neuen, wesensfremden Unwertty-
danach unterschieden, ob sich die Qualifikation qualitativ vom Grundtatbestand abhebt, siehe dazu BGE 124 IV 97, 101. 225 Ähnlich ist der Ansatz von Klesczweski, Strafrecht BT I, S. 6 ff. Im Ausgangspunkt gleich – jedoch mit völlig anderen Schlussfolgerungen – Calliess, JZ 1975, 112, 116; ders., NJW 1998, 929, 932 ff.. Ähnliches findet sich auch in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts. Mit Blick auf verschiedene Qualifikationstatbestände hat das Schweizerische Bundesgericht danach unterschieden, ob sich die Qualifikation qualitativ vom Grundtatbestand abhebt, siehe dazu BGE 124 IV 97, 101. 226 Besonders anschaulich zeigt sich dies bei dem in § 94 Abs. 2 Nr. 2 StGB enthaltenen Regelbeispiel („durch die Tat die Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“). Stellt man diesem das entsprechende grundtatbestandliche Merkmal gegenüber („dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“), so zeigt sich, dass der Unterschied sich einzig im Wort „besonders“ manifestiert (dies erkennend BGH, NStZ 1984, 165). Dies zeigt deutlich, dass es sich lediglich um eine „mengenmäßige“ Steigerung des grunddeliktischen Erfolgs handelt (statt die Gefahr eines schweren Nachteils genügt nur die Gefahr eines besonders schweren Nachteils) und sich das Regelbeispiel daher auf einen erhöhten Erfolgsunwert bezieht (Lampe/Hegmann, in: MK-StGB, § 94 Rn. 27). Das Regelbeispiel umschreibt daher nur eine Steigerung des grunddeliktischen (Gefahr-)Erfolgs (ebenso die Einschätzung von Paeffgen, in: NK-StGB, § 94 Rn. 28). Kritisch hinsichtlich dieses Regelbeispiels Paeffgen, in: NK-StGB, § 94 Rn. 28; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 94 Rn. 25; die Abgrenzungsschwäche monierend Rudolphi/Pasedach/Wolter, in: SK-StGB [Stand: 145. Lfg. September 2014], § 94 Rn. 18. Zur Einordnung dieses Regelbeispiels als bloße quantitative Unrechtssteigerung siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. Ein paralleles Beispiel findet sich im Nebenstrafrecht. So stellt auch das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO („in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“) eine bloß quantitative Unrechtssteigerung dar, da es unmittelbar an den grundtatbestandlichen Erfolg anknüpft und – vermittelt durch die Wortgruppe „in großem Ausmaß“ – es bloße („mengenmäßige“) Steigerung umschreibt. Die Wortgruppe ist so inhaltsleer, dass sie einen neuen Unwerttypus nicht zu umschreiben vermag. Insoweit bleibt die gesetzliche Umschreibung sehr blass. 227 Insoweit wird durch ein solches Merkmal auch kein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus gebildet. Denn das strafschärfende Merkmal hat ein Pendant im Grundtatbestand (nämlich gerade dasjenige, auf welches sich seine steigernde „Aussage“ bezieht). Damit hebt sich der in der Komplementärnorm abgebildete Sachverhalt jedoch nicht entscheidend vom grundtatbestandlichen Unwerttypus ab, er bleibt vielmehr im Kernbereich gleich. Denn die Grundelemente entsprechen einander. 228 Vgl. Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 94 Fn. 60.
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pus (also eine qualitative Wandlung) liegen.229 Die im vorangegangenen Abschnitt erwähnte „Kurzfassung“ der Abgrenzungsformel230 zeigt, dass dieser Unterscheidung (quantitativ/qualitativ) für die vorliegende Fragestellung Bedeutung zukommt. Gleichwohl ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Verwendung dieser groben Leitlinie (qualitative oder quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung) nur im Rahmen eines ersten Zugriffs erfolgen sollte, sie aber die (notwendige) genaue Analyse nicht ersetzen kann. Denn sie ist insoweit zu ungenau. Nur durch ein solches, exaktes Vorgehen kann daher einer „Verwässerung“ der erforderlichen Abgrenzung entgegengewirkt werden. Entscheidend bleibt damit letzten Endes, ob die genaue Analyse (und Gegenüberstellung) der jeweiligen Normen (Grundnorm und Komplementärnorm) ergibt, dass in Letzterer (scil. in der Komplementärnorm) ein neuer, der Grundnorm wesensfremder Unwerttypus konstituiert wird. Nähert man sich den unterschiedlichen strafrahmenschärfenden Merkmalen aus inhaltlicher Sicht, so kommt man angesichts ihrer großen Anzahl nicht umhin, sie in verschiedene Kategorien einzuteilen. Hierzu wurde bereits verschiedentlich an anderer Stelle ausgeführt.231 Für die nachfolgenden Ausführungen ist die Kategoriebildung von untergeordneter Bedeutung. Insoweit soll hier nicht näher auf diese eingegangen werden, sondern lediglich eine Erwähnung erfolgen. Einerseits werden die Kategorien Tatausführung, Tatfolgen und Person des Täters voneinander unterschieden.232 Weitere Stimmen nehmen eine Einteilung in mehr Kategorien vor.233 229 Man denke dabei nur an die in § 226 Abs. 1 StGB aufgeführten schweren Folgen. Diese umschreiben einen besonderen Erfolg der Körperverletzung. Aufgrund ihres exzeptionellen Charakters kommt diesen Körperverletzungserfolgen eine völlig andere Qualität zu als dem gewöhnlichen (üblicherweise mit einer Körperverletzung verbundenen) Erfolg. Denn sie beeinträchtigen auch die eigenständige Lebensführung des Betroffenen nachhaltig. Obwohl sie nur das Erfolgsunrecht der Körperverletzung (mithin ein bereits in § 223 Abs. 1 StGB enthaltenes Element) näher umschreiben, liegt in ihrer Addition die Bildung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus. Ausführlich dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4. c) bb). 230 Als grobe Leitlinie kann nach dieser der Unterschied zwischen quantitativer Unrechtsund Schuldsteigerung und qualitativer Unrechts- und Schuldsteigerung (Unrechts-/Schuldabwandlung) zu Grunde gelegt werden. 231 Siehe dazu die Nachweise bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 233 Fn. 237. 232 So Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 233; ähnlich Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle S. 76 ff., 87 ff. 233 Vgl. Montenbruck, Strafrahmen, S. 98 ff. („Motivation des Täters i.w.S.“; „Handeln trotz besonderer Verantwortung“; „Begehung in leib- oder lebensgefährdender Weise“; „Überwindung besonderer Schutzmaßnahmen“; „Verursachung erheblicher tatbestandsbezogener (und anderer Schäden“). Siehe dazu auch Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 70 ff., der in seiner Untersuchung in Hinblick auf die gesetzlich normierten Regelbeispiele sechs „Grundwertungen“ enwickelt („Herbeiführung (der Gefahr) eines besonders hohen Schadens an Sach-, Vermögens- oder Gemeinschaftswerten“; „Handeln zur Befriedigung eines über den Taterfolg hinausgehenden besonderen (wirtschaftlichen) Interesses“; „Handeln entgegen besonderer Verantwortung“; „Besondere Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen“; „Gemeinschaftliche oder organisierte Tatbegehung“; „Tatbegehung gegenüber einem besonders schutzwürdigen Opfer“). Eine weitere Einteilung findet sich bei Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 223 ff., der von erschwerenden Umständen spricht.
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Andere hingegen belassen es bei einer Einteilung in tat-täterbezogene und tatbezogene Faktoren.234 Die nachfolgenden Ausführungen legen keinen dieser Ansätze zu Grunde.235 Dies ist indes auch nicht erforderlich. Denn für die vorzunehmende Konkretisierung der Abgrenzungsformel ist nicht die Frage nach der gruppenmäßigen Zusammenfassung strafrahmenschärfender Merkmal von Bedeutung. Im Fokus steht vielmehr die Gegenüberstellung der in Grundnorm und Komplementärnorm abgebildeten Unwertsachverhalte. Die Betrachtung der einzelnen strafrahmenschärfenden Merkmale erfolgt damit nicht horizontal (d. h. mit Bilck auf die anderen strafrahmenschärfenden Merkmale), sondern vertikal, also mit Blick auf die jeweilige (Grund-)Strafnorm (und damit innerhalb einer Deliktsgruppe). Eine nähere Auseinandersetzung mit den genannten Einteilungsansätzen kann daher unterbleiben. Die nachfolgende Unterteilung in einzelne Kriteriengruppen erfolgt nur der Übersichtlichkeit halber. 4. Kriterien zur Bestimmung des Vorliegens eines wesensverschiedenen Unwerttypus a) Art und Weise der Deliktsverwirklichung (u. a. Verwendung bestimmter Tatmittel, besondere Begehungsweise); Tatumstände Kein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus wird jedenfalls gebildet, wenn die addierten Elemente lediglich eine bestimmte Modalität („Art und Weise“) der Deliktsverwirklichung umschreiben („Spielarten der Deliktsverwirklichung“). Dies ist gegeben, wenn das Element lediglich den Rechtsgutsangriff (unwesentlich) modifiziert, bspw. eine bestimmte Vorgehensweise („heimtückisch“236; „hinterlistiger Überfall“; „Überwindung einer Schutzvorrichtung“237) bzw. bestimmte Begleitumstände („zur Nachtzeit“238) beinhaltet.239 Darunter fällt grundsätzlich auch, wenn sich der Täter bestimmte Umstände nutzbar macht zur Verwirklichung des Delikts, so die Ausnutzung der Hilflosigkeit einer anderen Person, eines Unglücksfalles bzw. einer gemeinen Gefahr zur Durchführung eines Diebstahls (vgl. hierzu das Regelbeispiel 234
So für die Regelbeispiele Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 152. Da jedoch eine materiale Betrachtung erfolgt, ist eine eingehende Ausdifferenzierung (i.S.e. Bildung entsprechend vieler Unterpunkte) notwendig. Denn nur so ist es möglich, den materialen Gehalt des jeweiligen Strafrahmenschärfungsgrundes durch genaue Analyse vollumfänglich zu erfassen und entsprechend darzustellen. 236 So auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 80. Insbesondere umschreibt dieses Mordmerkmal keinen Angriff auf ein weiteres Rechtsgut, siehe Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 496 f. 237 Bspw. wenn der Täter beim Diebstahl eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist (Regelbeispiel § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB), siehe auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 80. 238 Vgl. § 292 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB. 239 Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 80. 235
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§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB). Anders liegt es jedoch (d. h. ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus ist gegeben), wenn der Kern des Unwertsachverhaltes darin liegt, dass der Täter selbst im Rahmen der Deliktsverwirklichung ein anderes Rechtsgut angreift, z. B. wenn er den Angriff auf das andere Rechtsgut zum Mittel zur Begehung des entsprechenden Delikts macht. So dient beim Raub der Einsatz des Nötigungsmittels (und damit der Angriff auf die Willensentschließungsfreiheit) der Ermöglichung der Wegnahme.240 Wird im Voraussetzungsbereich der „aufgesetzten“ Strafnorm die Verwendung eines bestimmten Tatmittles umschrieben, so ist zu unterscheiden. Jedenfalls liegt dann qualitativ anderes Unrecht vor, wenn die Verwendung des Tatmittels die (abstrakte) Gefahr in sich birgt, dass ein dem Grunddelikt fremdes Rechtsgut beeinträchtigt wird (so bspw. bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB („Verwendung einer Waffe bzw. eines anderen gefährlichen Werkzeugs“) die körperliche Unversehrtheit). Selbiges gilt auch, wenn mit der Tatmittelbenutzung die (abstrakte) Gefahr des Eintritts einer solchen Beeinträchtigung des grundtatbestandlich geschützten Rechtsguts verbunden ist, die (im Vergleich zur grunddeliktischen Beeinträchtigung) als qualitativ anders anzusehen ist. So kann bei abstrakter Betrachtungsweise die Verwendung einer Waffe bzw. eines anderen gefährlichen Werkzeugs zur Begehung der Körperverletzung (vgl. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), mithin die Einwirkung auf den Körper des Opfers mit einem solchen Gegenstand, durchaus (freilich in Abhängigkeit von der konkreten Verwendung der Waffe/ des gefährlichen Werkzeugs) mit der Gefahr des Eintritts eines solchen – qualitativ anderen – Erfolges verbunden sein.241 Denn gravierende Schädigungen des Leibs (bspw. die in § 226 StGB aufgeführten)242 sind regelmäßig auf den Einsatz solcher Gegenstände zurückzuführen.243 Festzustellen ist jedoch andererseits, dass dem Einsatz der Waffe bzw. des gefährlichen Werkzeugs nicht stets die Gefahr einer solch gravierenden Schädigung innewohnt. Der in der Qualifikation (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) umschriebene Unwertsachverhalt ist maßgeblich gekennzeichnet durch einen Tatmitteleinsatz (Waffe bzw. gefährliches Werkzeug), dem die Gefahr der Verursachung einer „erheblichen 240 Insoweit muss beim Raub die Gewalt bzw. die Drohung das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein; siehe BGHSt 4, 210, 211; BGH, NStZ 2006, 508; 2009, 325; Fischer, StGB, § 249 Rn. 6; Lackner/Kühl, StGB, § 249 Rn. 4: „Das Nötigungsmittel muss der Täter final zur Erzwingung der Wegnahme einsetzen.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 241 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 7 § 19. 242 Dazu, dass in § 226 StGB ein qualitativ anderer Verletzungserfolg beschrieben wird, siehe Kapitel 4 § 11 E. II. 4. c) bb). 243 Im Übrigen spiegelt sich diese Fokussierung auf die möglichen Folgen der Waffen- bzw. Werkzeugsverwendung auch (zumindest ansatzweise) in der gängigen Definition dieser Tatbestandsmerkmale wider. Bei diesen wird nämlich jeweils abgestellt auf die Bestimmung bzw. Eignung zur Verursachung „erheblicher Verletzungen“ (siehe zu den Definitionen Fischer, StGB, § 224 Rn. 9, 9d). Dass diese Definition i.E. jedoch zu weit greift und damit das Erfordernis einer Einschränkung besteht, soll in Kapitel 7 § 19 aufgezeigt werden.
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Körperverletzung“244 innewohnt.245 Zwar stellen nicht sämtliche dieser „erheblichen Körperverletzungen“ einen qualitativ anderen Verletzungserfolg dar. Jedoch trifft dies zumindest für eine Teilmenge, u. a. auf die in § 226 StGB aufgeführten schweren Folgen,246 zu. Auch sind gravierende Schädigungen des Körpers bzw. der Gesundheit – wie bereits angemerkt – regelmäßig auf den Einsatz entsprechender Gegenstände zurückzuführen. Insoweit besteht durchaus ein enger Zusammenhang zwischen der Verwendung einer Waffe bzw. eines gefährlichen Werkzeugs und der Herbeiführung einer gravierenden Körper- bzw. Gesundheitsschädigung, welche im Vergleich zum grunddeliktischen Unwerttypus qualitativ anderes Unrecht darstellt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zumindest teilweise ein neuer, vom Grunddelikt abgehobener, Unwerttypus beschrieben wird. Andererseits umfasst der Wortlaut jedoch auch Sachverhalte, bei denen aus dem Werkzeugeinsatz lediglich die Gefahr einer zwar erheblichen, jedoch nicht zugleich gravierenden Körper- bzw. Gesundheitsschädigung resultiert. Dies stellt den Ausgangspunkt für eine kritische Hinterfragung der gängigen Definition des Tatbestandsmerkmals „gefährliches Werkzeug“ dar. Die Feststellungen zeitigen damit auch im Rahmen der Tatbestandsauslegung Folgen. Auf diese wird an späterer Stelle noch einzugehen sein (siehe dazu Kapitel 7 § 19). An diesem Punkt der Untersuchung soll nur angemerkt werden, dass eine enge(re) Auslegung der Tatbestandsmerkmale zu erfolgen hat und zwar über entsprechende Justierungen im Bereich des Elements der zu erwartenden Folgen. Insoweit ist es entgegen der herrschenden Ansicht247 nicht genügend, wenn „erhebliche Verletzungen“ drohen. Um solche Vorgehensweisen, denen lediglich die Gefahr des Eintritts einer quantitativen Steigerung des grundtatbestandlichen Körperverletzungserfolgs innewohnt, auszuschließen, ist daher von der Notwendigkeit der Gefahr des Eintritts qualitativ anderen Körperverletzungs-Unrechts auszugehen. Wie sich noch zeigen wird, existiert bereits eine Ansicht im Schrifttum, welche ein entsprechendes Differenzierungskriterium bereithält.248 Kein neuer, wesensfremder Unwerttypus wird indes begründet, wenn lediglich ein Tatmittel aufgeführt wird, dessen Verwendung nicht die abstrakte Gefahr einer solchen Schädigung in sich trägt, deren Verwendung also nicht zum Eintritt eines qualitativ anderen Erfolgs führen kann.
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So auch die gängigen Definitionen dieser Merkmale des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB; vgl. zu den Definitionen Fischer, StGB, § 224 Rn. 9, 9d). 245 Hinzu dürfte regelmäßig eine Übertretung des grundsätzlichen Waffenverbots treten. 246 Dazu, dass es sich bei den in § 226 StGB umschriebenen „schweren Folgen“ um Schädigungen handelt, durch deren Hinzutreten der grunddeliktische Unwerttypus in einen neuen Unwerttypus transformiert wird und daher in § 226 StGB die Verkörperung eines (dem Grunddelikt wesensverschiedenen) neuen Unwerttypus zu erblicken ist, siehe Kapitel 4 § 11 E. II. 4. c) bb). 247 Vgl. dazu BGH NStZ 2002, 86; 2007, 95; 2010, 512, 513; NStZ-RR 2009, 50. 248 Dazu Kapitel 7 § 19 A.
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b) Angriff auf ein anderes Rechtsgut249 Als wesensfremd stellt es sich dar, wenn das hinzugefügte Element250 einen Angriff auf ein anderes Rechtgut beschreibt.251 So wird in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB („Einbruchsdiebstahl“) eine Handlungsweise beschrieben, die nicht nur (so wie der „einfache“ Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB) einen Angriff auf das Eigentum einer anderen Person darstellt,252 sondern in aller Regel zusätzlich das Hausrecht einer anderen Person beeinträchtigt.253 Gleiches gilt für das Delikt Raub.254 Bei diesem findet die Kombination zweier Rechtsgutsangriffe statt, insoweit „[…] [wird] der [grunddeliktische] Rechtsgutsangriff mit dem Angriff auf ein anderes Rechtsgut kombiniert […]“255. Dem „einfachen“ Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) wiederum wesensverschieden ist der Unwerttypus, welcher – insoweit korrekter249 Siehe dazu bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 69: Kombination des grunddeliktischen Rechtsgutsangriffs mit einem Angriff auf ein anderes Rechtsgut. In Hinblick auf den Mordtatbestand hat Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 494 ff., aufgezeigt, dass der Großteil der in § 211 StGB enthaltenen Mordmerkmale (anderes soll für die Mordmerkmale der Mordlust, einen Teil der „sonst niedrigen Beweggründe“ und für die heimtückische Tötung gelten, siehe Klesczewski, a.a.O., S. 496 f.) Ausdruck eines „Angriffs auf ein weiteres Rechtsgut“ sind. 250 Bzw. die hinzugefügten Elemente. 251 Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 69 spricht von der Kombination des grunddeliktischen Rechtsgutsangriffs mit dem Angriff auf ein anderes Rechtsgut. Siehe dazu auch Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 494. Ähnlich Gössel, ZIS 2008, 153, 155 f., der (auf paralleler Ebene) mittels dieses Kriteriums zwischen eigenständigem Delikt und qualifiziertem Delikt unterscheidet. Eine entsprechende Abgrenzung findet sich auch bei einem Blick auf die strafrechtliche Rechtsprechung im Nachbarland Schweiz. Das Schweizerische Bundesgericht hat in einer Entscheidung (BGE 124 IV 97 ff.) eine ähnliche Abgrenzung vorgenommen. Bei einer Betrachtung verschiedener Qualifikationen nach inhaltlichen Kriterien hat es festgestellt, dass sich eine Qualifikation dann qualitativ vom Grundelikt unterscheidet, wenn ein weiteres Rechtsgut hinzutritt (BGE 124 IV 97, 101). Anders liegt es nach Ansicht des Gerichts, wenn sich nur die Intensität der Rechtsgutsbeeinträchtigung unterscheidet (BGE 124 IV 97, 101). Freilich hat das Schweizerische Bundesgericht wegen des abweichenden Strafrechts- und Verfassungsrechtssystems nicht die hier getroffenen Schlussfolgerungen gezogen. 252 Insoweit ist das Eigentum das durch § 242 StGB geschützten Rechtgut, siehe Wittig, in: BeckOK-StGB, § 242 Rn. 2; Fischer, StGB, § 242 Rn. 2; Schmitz, in: MK-StGB, § 242 Rn. 4 ff.; ähnlich Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 1/2: Verfügungsmöglichkeit des Rechtsgutsinhabers; in diese Richtung auch Kindhäuser, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 242 bis 248 c, Rn. 1 f.; teilweise wird zusätzlich der Gewahrsam als geschützt angesehen BGHSt 10, 400, 401; Lackner/Kühl, StGB, § 242 Rn. 1 (zur Ablehnung dieser Erweiterung siehe Schmitz, in: MK-StGB, § 242 Rn. 8 f.; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 242 Rn. 2; kritisch auch Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 1/2: allenfalls kumulativ mitgeschützt). 253 Siehe Mitsch, Strafrecht BT II, S. 92: „In der Regel verletzt die Verwirklichung des Regelbeispiels zugleich fremdes Hausrecht […].“. Insoweit liegt sehr häufig auch ein Hausfriedensbruch vor, Mitsch, Strafrecht BT II, S. 92. 254 Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 69. 255 Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 69. Siehe auch ders., in: FS Universität Leipzig, S. 489, 494.
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weise in Form einer tatbestandsmäßigen Abwandlung – in § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a erfasst ist („eine andere Person bei der Tat körperlich schwer misshandelt“). Hier wird nämlich, insoweit zusätzlich zu den beim Raubdelikt betroffenen Rechtgütern, auch der Leib einer Person geschädigt und damit das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit verletzt. Liegt ein solches Delikt vor, welches Angriffe auf mehrere Rechtsgüter beinhaltet, so ist (im Verhältnis zum Grunddelikt) eine (aus materialer Sicht) selbstständige Abwandlung gegeben (mithin ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus).256 Es bedarf daher einer tatbestandsförmigen Ausformung.257 Im Ergebnis zutreffend258 ist es daher, dass der Gesetzgeber im Rahmen des 6. StrRG von der ursprünglich angedachten (teilweisen) Fassung des (strafrahmenschärfenden) Umstands der (konkreten) Todesgefahr in Regelbeispielsform259 letztendlich abgesehen und dieses Merkmal als Todesgefahr-Qualifikation ausgestaltet hat.260 Der Angriff auf ein anderes Rechtgut muss sich dabei nicht zwingend in einer Verletzung dieses Rechtsguts äußern. Insoweit genügt es auch, wenn aus dem Angriff die konkrete Gefahr der Verletzung eines anderen Rechsgut resultiert. Wird der Eintritt einer solchen Gefahr (Gefahr für ein weiteres Rechtgut, d. h. ein solches, welches dem Grundtatbestand nicht zu Grunde liegt) in der „aufgesetzten“ Norm (Komplementärnorm) beschrieben, so liegt darin materiell gesehen (also der Sache nach) die Beschreibung eines wesensfremden Unwerttypus. Exemplarisch kann hierfür § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB („eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt“) genannt werden. Erforderlich ist damit auch in diesem Fall eine tatbestandsförmige Ausgestaltung.
256 Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 69; ähnlich auch Gössel, ZIS 2008, 153, 155 f.; in diese Richtung (jedoch seiner Grundlegung folgend in die Kategorie des eigenständigen Verbrechens = delictum sui generis einordnend) Maurach, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 252. 257 Nicht korrekt ist daher die Ausgestaltung der Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB) als Regelbeispiel (so bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 69). Hier liegen nämlich sowohl ein Angriff auf die freie Willensentschließung und Willensbetätigung der Schwangeren (so das geschützte Rechtsgut bei § 240 StGB, siehe BVerfGE 73, 206, 237; Lackner/Kühl, StGB, § 240 Rn. 1) als auch ein Angriff auf das ungeborene Leben vor. 258 Zur anderweitigen Begründung der Entscheidung siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 78 f.; BT-Drucks. 13/9064, S. 15 f. 259 Vgl. dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 6 f. (§ 223 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB-E; § 224 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB-E); zur allgemeinen Kritik des Bundesrates an der umfangreichen Verwendung der Regelbeispielstechnik BT-Drucks. 13/8587, S. 55. 260 Vgl. dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 78 f., BT-Drucks. 13/9064, S. 15 f., freilich mit anderer Begründung.
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c) Erfolgsintensität bzw. -ausprägung aa) Veranschaulichung anhand von Beispielen Wird die Eröffnung des Sonderstrafrahmens an eine bloße Steigerung des tatbestandlichen Erfolgs geknüpft, so wird in der „aufgesetzten“ Norm regelmäßig kein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus beschrieben. Dann nämlich stellt das hinzugefügte Element lediglich die gesteigerte Form eines grunddeliktischen Elements (nämlich des grundtatbestandlichen Erfolges) dar. Insoweit wird im Voraussetzungsbereich der Komplementärnorm lediglich eine bestimmte Ausprägung eines Elements des grundtatbestandlichen Unwerttypus aufgeführt. Besonders sichtbar wird dies in dem Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes). Dieses stellt lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung (in Form einer quantitativen Steigerung des grundtatbestandlichen Erfolges) dar261 und begründet infolgedessen keinen neuen Unwerttypus.262 Entsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden in Hinblick auf das in § 94 Abs. 2 aufgeführte Regelbeispiel „Herbeiführung der Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ (vgl. § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB).263 In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit dieser Regelbeispielsnorm mit dem Bestimmtheitsgebot u. a. darauf gestützt, dass „[i]n § 94 II StGB […] kein neuer, von § 94 I StGB wesensverschiedener Unwerttypus gebildet [wird] […]“264 und daher „§ 94 I StGB […] der Rechtsprechung eine feste Grundlage für die Auslegung und Anwendung des Absatzes 2 dieser Vorschrift [bietet].“265. Die in diesem Regelbeispiel erfasste quantitative Steigerung des Erfolgsunrechts („Gefahr eines besonders schweren Nachteils“ im Gegensatz zum grunddeliktischen Erfolg der „Gefahr eines schweren Nachteils“)266 stellt also auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keinen (neuen) Unwerttypus dar, der wesensverschieden vom grunddeliktischen Unwerttypus ist. Durch solche Regelbeispiele, die lediglich eine quantitative Steigerung des Erfolgsunrechts beschreiben, wird kein neuer Unwerttypus gebildet. Insoweit unterscheiden sich nämlich die in diesen Regelbeispielen aufgeführten Unrechtssachverhalte nur „mengenmäßig“ vom grunddeliktischen Unwerttypus, indem bspw. statt des grunddeliktischen Vermögensschadens ein „Vermögensverlust großen Ausmaßes“267, also letztlich ein (besonders) großer Vermögensschaden, bzw. statt „der Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere 261 Ebenso für eine lediglich quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung bei § 263 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. 262 Ein weiteres Beispiel findet sich in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO: „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“. 263 Siehe dazu BVerfGE 45, 363 ff. 264 BVerfGE 45, 363, 372. 265 BVerfGE 45, 363, 372. 266 Siehe dazu auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 255. 267 Siehe § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB.
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Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“268 die „Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ 269 gefordert wird. Damit wird lediglich eine besonders schwere (intensive) Verwirklichung beschrieben, nämlich die Verursachung eines besonders schweren grundtatbestandlichen Erfolgs. Nicht jedoch werden neue, wesensprägende Merkmale hinzugefügt. Während bei so formulierten Elementen die lediglich quantitative Unrechtssteigerung (in Form der Steigerung des Erfolgsunrechts) bereits aufgrund der gesetzlichen Formulierung sichtbar ist („großes Ausmaß“; „besonders schwer“), existieren auch gesetzliche Umschreibungen, bei denen erst die genauere Analyse des Unrechtsgehalts der hinzugefügten Elemente Aufschluss darüber gibt, ob der umschriebene Unwertsachverhalt als neuer, wesensverschiedener Unwerttypus zu begreifen ist oder eben nicht. So ist bspw. bei dem in der Qualifikation des § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB enthaltenen Merkmal „Freiheitsberaubung mit einer Dauer von mehr als einer Woche“ fraglich, ob trotz dieser quantitativ-zeitlichen Angabe nicht bereits etwas „qualitativ anderes“ vorliegt.270 Qualitativ anderes Unrecht liegt vor, wenn der Grundtatbestand die konkrete Gefahr des Eintritts einer bestimmten Schädigung enthält und die „aufgesetzte“ Norm dann den tatsächlichen Eintritt der Schädigung erfasst (so bspw. bei der Aussetzung; § 221 Abs. 1 StGB: „Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung“; § 221 Abs. 2 Nr. 2 StGB: „schwere Gesundheitsschädigung des Opfers“; § 221 Abs. 3 StGB: „Tod des Opfers“).271 Insoweit ist es nämlich aus Sicht des Rechtsguts durchaus relevant, ob lediglich die konkrete Gefahr einer Schädigung besteht oder ob diese Gefahr sich tatsächlich realisiert, mithin eine Schädigung tatsächlich eintritt. Es wird zwar der Angriff auf die aufgeführten Rechtsgüter bereits durch das grunddeliktische Verhalten vorgenommen. Insoweit besteht bei § 221 Abs. 1 StGB das tatbestandliche Erfordernis des Vorliegens einer konkreten Gefahr des Todes oder der konkreten Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung.272 Maßgebliches Merkmal des grunddeliktischen Unwerttypus ist die konkrete Gefährdung von Leib und Leben, wobei die konkrete Gefährdung dieser Rechtsgüter gerade der Erfolg der Tathandlung sein muss.273 Daher genügt nicht jedes „im Stich lassen“ bzw. Versetzen in eine hilflose Lage dem Tatbestand, sondern lediglich ein solches, welches die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bzw. 268
Siehe § 94 Abs. 1 StGB. Siehe § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB. 270 Für eine lediglich quantitative Unrechtssteigerung Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158 f. 271 Wohl anders Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 255 f. i.V.m. S. 119 Fn. 102, der darin lediglich eine „graduelle Abstufung des Unrechts“ sieht. 272 Lackner/Kühl, StGB, § 221 Rn. 5; siehe auch Fischer, StGB, § 221 Rn. 15 ff. 273 Fischer, StGB, § 221 Rn. 15; so auch Hardtung, in: MK-StGB, § 221 Rn. 24: „Das Opfer muss gerade durch die Tathandlung (Versetzen, Imstichlassen) der konkreten Gefahr ausgesetzt werden […]“; vgl. auch OLG Zweibrücken, NJW 1998, 841. 269
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des Todes verursacht.274 Das grundtatbestandliche Verhalten muss also bereits einen gewissen Gefährdungserfolg bzgl. der geschützten Rechtsgüter verursacht haben.275 Jedoch ist dieser grunddeliktische Unwerttypus maßgeblich durch diesen Gefährdungserfolg276 geprägt.277 Der umschriebene Angriff auf Leib und Leben zeitigt in dieser Grundform lediglich einen Gefährdungserfolg, jedoch keinen Schädigungs-/ Verletzungserfolg. Anders liegt es jedoch in den Abwandlungen des § 221 Abs. 2 Nr. 2 StGB und § 221 Abs. 3 StGB. Bei diesen wird gerade der Eintritt eines Schädigungs-/Verletzungserfolgs gefordert, mithin ist es notwendig, dass sich die Gefahr für Leib und Leben auch tatsächlich realisiert. Der Angriff zeitigt hier einen Verletzungs-/Schädigungserfolg in der realen Welt. Dieses Verhältnis ist ähnlich dem zwischen Deliktsversuch und Deliktsvollendung. Während einerseits der Schädigungserfolg ausbleibt, liegt er andererseits gerade vor. Durch die Unterscheidung zwischen Deliktsversuch und Deliktsvollendung zeigt das StGB, dass es durchaus danach unterscheidet, ob ein Schädigungs-, mithin Verletzungserfolg eingetreten ist. Insoweit dürfte der Eintritt eines Schädigungs- bzw.Verletzungserfolgs die Tat zu einer wesentlich anderen machen. Folglich ist es vertretbar, auch im Verhältnis § 221 Abs. 1 StGB zu § 221 Abs. 2 Nr. 2 StGB, Abs. 3 StGB von qualitativ anderem Unrecht (und damit vom Vorliegen eines neuen Unwerttypus) auszugehen. Als dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremd ist auch die Vergewaltigung (nunmehr geregelt in Form eines Regelbeispiels, siehe § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB278) zu verstehen.279 Diese stellt einen so massiven Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers dar, dass sie als etwas qualitativ anderes als die „einfache“ sexuelle Nötigung zu bewerten ist.280 Insofern wird „[…] der Kern der 274
Vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 221 Rn. 21; vgl. auch Fischer, StGB, § 221 Rn. 17: „Nicht strafbar ist nach dem Wortlaut derjenige […], der ein hilfloses Opfer „im Stich lässt“, aber dadurch keine oder nur die Gefahr einer nicht schweren Gesundheitsschädigung verursacht […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 275 Insoweit bedarf es des Eintritts einer kritischen Situation, „[…] in der jederzeit die Realisierung der Gefahr des Todeseintritts oder des Eintritts einer schweren Gesundheitsschädigung zu erwarten ist und bei rückblickender Betrachtung nur noch vom Zufall abhängt.“, Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 221 Rn. 18. So auch Rengier, Strafrecht BT II, § 10 Rn. 13. 276 Hardtung, in: MK-StGB, § 221 Rn. 2. 277 § 221 Abs. 1 StGB wird als konkretes Gefährdungsdelikt angesehen; siehe Neumann, in: NK-StGB, § 221 Rn. 3; Jähnke, in: LK-StGB, § 221 Rn. 4; Hardtung, in: MK-StGB, § 221 Rn. 2; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 198; Fischer, StGB, § 221 Rn. 1. 278 Bis 9. November 2016 (ebenfalls bereits als Regelbeispielsnorm) geregelt in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB. Anders noch die Fassung der §§ 177, 178 StGB im 4. StrRG vom 23. November 1973. 279 Im Ergebnis gleich Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 205: „[…] in Wahrheit unrechtsqualifizierende Merkmale […].“. 280 Kieler, Tatbestandsprobleme der sexuellen Nötigung, Vergewaltigung sowie des sexuellen Mißbrauchs widerstandsunfähiger Personen, S. 98. Siehe auch Lenckner, NJW 1997, 2801, 2802, nach dem mit der erzwungenen Penetration die Quantität zu einer neuen Qualität wird.
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Persönlichkeit des Opfers stets in besonderer Weise angegriffen […]“281. Der erfolgten Umwandlung in ein Regelbeispiel ist daher nicht zuzustimmen,282 sie ist nach den hier ausgeführten verfassungsrechtlichen Vorgaben sogar als unzulässig anzusehen.283 Das Regelbeispiel der Vergewaltigung beschreibt nämlich einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus und muss daher in Form eines Qualifikationstatbestandes im StGB aufgeführt werden.284 bb) Die dauerhafte und schwerwiegende Schädigung Eine Sonderstellung nehmen diejenigen Elemente ein, die eine dauerhafte (sowie schwerwiegende) Schädigung beschreiben. So stellt es einen besonders schweren Fall einer Umweltstraftat dar, wenn ein Gewässer, ein Boden oder ein Schutzgebiet i.S.v. § 329 Abs. 3 StGB in der Weise beeinträchtigt wird, dass die Beeinträchtigung nicht beseitigt werden kann (vgl. § 330 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB). Relevant sind dabei solche Beeinträchtigungen, die für den Fortbestand bzw. die Fortentwicklung des Naturbereichs in erheblicher Weise nachteilig sein können.285 Neben der Unbehebbarkeit muss somit auch eine bestimmte Stärke der Beeinträchtigung vorhanden sein. Entscheidend ist aber im vorliegenden Zusammenhang, dass die Beeinträchtigung irreversibel ist und daher unumkehrbar das Rechtsgut dauerhaft geschädigt bleibt. Insoweit bleibt die schwerwiegende Beeinträchtigung dauerhaft bestehen. Damit grenzt sich dieser Unwertsachverhalt vom grunddeliktischen Unwerttypus ab, der eine solche dauerhafte und schwerwiegende Schädigung gerade nicht fordert. Es ist darin Unrecht neuer Qualität zu sehen. Aus entsprechenden Gründen ist auch in § 226 Abs. 1 StGB die Umschreibung eines wesensverschiedenen Unwerttypus zu erblicken. In dieser (Erfolgs-)Qualifikation286 werden besondere „schwere Folgen“ aufgeführt, welche eine massive und dauerhafte Beeinträchtigung der selbstbestimmten Lebensführung bedeuten.287 281
Kieler, Tatbestandsprobleme der sexuellen Nötigung, Vergewaltigung sowie des sexuellen Mißbrauchs widerstandsunfähiger Personen, S. 98. 282 Ausführlich zur Kritik Kieler, Tatbestandsprobleme der sexuellen Nötigung, Vergewaltigung sowie des sexuellen Mißbrauchs widerstandsunfähiger Personen, S. 93 ff., 97 ff. Die Richtigkeit der Herabstufung zur Strafzumessungsregel anzweifelnd Renzikowski, NStZ 1999, 377, 378. 283 Ebenso im Ergebnis Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 205. 284 Ähnlich Kieler, Tatbestandsprobleme der sexuellen Nötigung, Vergewaltigung sowie des sexuellen Mißbrauchs widerstandsunfähiger Personen, S. 98, 100, die das „Eindringen ins Körperinnere“ als unrechtsbestimmend ansieht und daher (de lege ferenda) die Wiedereinführung des Qualifikationstatbestandes fordert. 285 Vgl. Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 330 Rn. 4. 286 Insoweit unterscheidet sich Abs. 1 von Abs. 2. Letzterer fordert mindestens Wissentlichkeit und geht damit in subjektiver Hinsicht (deutlich) über eine Erfolgsqualifikation hinaus. 287 Anschaulich, jedoch wohl etwas ungenau, Welti, Behinderung und Rehabilitation, S. 574: „Mit dem Qualifizierungstatbestand der schweren Körperverletzung hat der Gesetzgeber eine Körperverletzung als besonders strafwürdig gekennzeichnet, die dazu führt, dass das
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Neben die grunddeliktische Verletzung des Körpers tritt hierbei die Verletzung des Rechts auf körperbezogene Selbstbestimmung durch dauerhafte, teilbereichsbezogene (bestimmte Körperteile, körperliche Funktionen) Aufhebung der Verfügungsmöglichkeit des Verletzten.288 Dieses Hinzutreten einer massiven und dauerhaften Schädigung des Rechts auf körperbezogene Selbstbestimmung führt zu einer Umwandlung in einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus, lässt den in § 226 StGB enthaltenen Unwertsachverhalt als etwas qualitativ anderes erscheinen. Entsprechendes ist auch im Bereich des Delikts der Misshandlung Schutzbefohlener zu konstatieren. Für die Erfüllung des Grundtatbestandes genügt es, wenn der Minderjährige bzw. der Wehrlose gequält bzw. roh misshandelt wird oder (durch böswillige Verletzung der Sorgepflicht) an der Gesundheit geschädigt wird (vgl. § 225 Abs. 1 StGB). Insoweit werden die physische und die psychische Unversehrtheit geschützt.289 Qualifiziert wird die Tat, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt (vgl. § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Eine solche erhebliche Schädigung liegt vor, wenn der normale Ablauf des körperlichen oder psychischen Reifungsprozesses dauernd und nachhaltig gestört ist.290 Insofern unterscheidet sich diese Qualifikation dadurch vom grunddeliktischen Unwerttypus, dass nicht lediglich eine punktuelle Schädigung der physischen und/oder psychischen Unversehrtheit erfolgt, sondern darüber hinaus die Gefahr einer schwerwiegenden, das Rechtsgut in seiner Gesamtheit erfassenden, sowie dauerhaft wirkenden Beeinträchtigung besteht.291 Durch die prospektive Prägung des beigefügten Elements292 (Entstehen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung) wird der grundtatbestandliche Unwerttypus maßgeblich abgewandelt. Der (in § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB beschriebene) Rechtsgutsangriff ist nämlich entscheidend dadurch geprägt, dass ihm das Potential einer fortwirkenden (erheblichen) Rechtsgutsbeeinträchtigung innewohnt. Insoweit birgt er die Gefahr, dass das Interesse des Opfers (körperliche und seelische Unversehrtheit) als solches geschädigt wird. Es handelt sich daher um (im Vergleich zum grundtatbestandlichen Opfer dauerhaft erheblich behindert wird.“. Siehe auch Welti, a.a.O., S. 756: Körperverletzung wird qualifiziert, „[…] wenn sie schwere Behinderungen zur Folge hat.“. 288 Ausführlich Kapitel 7 § 19 B. I. und II. 289 Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 225 Rn. 1/2; Fischer, StGB, § 225 Rn. 2; Hardtung, in: MK-StGB, § 225 Rn. 1; Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 225 Rn. 1. 290 Paeffgen, in: NK-StGB, § 225 Rn. 27; Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 225 Rn. 36; zum entsprechenden Tatbestandsmerkmal des § 171 StGB siehe BGH, NStZ 1982, 328 f. 291 Ähnlich argumentiert Klesczewski in Hinblick auf die Qualifizierung des § 226 StGB (siehe dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 71: „Negation der Selbstständigkeit als solche“); weitergehend dazu Kapitel 7 § 19 B. I. und II. 292 Insoweit ist dieses Element auf etwas Zukünftiges, mithin die weitere Entwicklung des Schutzbefohlenen, gerichtet. Maßgeblich ist also, ob auch zukünftig eine Beeinträchtigung des Rechtsguts (bzw. der Rechtsgüter) vorliegt.
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Unwerttypus) qualitativ anderes Unrecht und damit um einen anderen, wesensfremden Unwerttypus. cc) Einordnung in Abhängigkeit vom grunddeliktischen Unwerttypus Wann die Beschreibung einer bestimmten Erfolgsausprägung zugleich die Bildung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus darstellt, muss – wie bereits Eingangs erwähnt – im Einzelfall ermittelt werden und kann hier nicht für sämtliche Fälle vorgezeichnet werden. Die entsprechenden Elemente sind dabei dem grunddeliktischen Unwerttypus (insb. dem grunddeliktischen Erfolg) gegenüberzustellen. Insoweit bedarf es zur abschließenden Feststellung stets auch einer Analyse des grunddeliktischen Unwerttypus. Dies wird an dem folgenden Beispiel deutlich. Wie soeben festgestellt, stellt das in § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB aufgeführte Regelbeispiel (Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung dar. Es wird eine besonders schwere Verwirklichung des grundtatbestandlichen Erfolgs (Vermögensschaden) umschrieben (insoweit also die „mengenmäßige“ Steigerung des grunddeliktischen Erfolgs). Die Ausgestaltung in Form eines Regelbeispiels ist daher (in diesem Fall) korrekt. Eine andere Einschätzung kann sich jedoch ergeben, wenn das gleiche Element bei einem anderen Delikt als Strafrahmenschärfungsgrund verwendet wird. So stellt die Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes auch ein Regelbeispiel für den besonders schweren Fall der Urkundenfälschung dar (vgl. § 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB). Geschütztes Rechtsgut des § 267 Abs. 1 StGB ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden.293 Nicht geschützt ist das Vermögen.294 Es wird ausschließlich das Allgemeininteresse am Rechtsinstitut Urkunde geschützt, nicht Individualinteressen.295 Verursacht der Täter in Rahmen der Urkundenfälschung einen besonders großen Vermögensschaden, so greift er nicht lediglich das grundtatbestandlich geschützte Rechtsgut an (Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden), sondern auch Interessen individueller Art, konkret: das Rechtsgut Vermögen. Es liegt somit ein Angriff auf ein anderes Rechtsgut vor, weshalb der umschriebene Umstand (Herbeiführung eines Vermö293 BGHSt 9, 44, 45; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 267 Rn. 2; Fischer, StGB, § 267 Rn. 1; Zieschang, in: LK-StGB, Vor § 267 Rn. 6; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 30 Rn. 1; Joecks, StGB, Vor §§ 267 – 274 Rn. 1; Lackner/Kühl, StGB, § 267 Rn. 1; Otto, Strafrecht BT, § 69 Rn. 1; Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 267 Rn. 1 (jedoch zusätzlich Schutz desjenigen, dessen Beweisposition beeinträchtigt wird); Wessels/ Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 789; kritisch jedoch Erb, in: MK-StGB, § 267 Rn. 1 ff.; Puppe, in: NK-StGB, § 267 Rn. 1 ff. 294 Zieschang, in: LK-StGB, Vor § 267 Rn. 7, § 267 Rn. 2; Heine/Schuster, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 267 Rn. 1a; a.A. (aufgrund der Einführung von Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2) Fischer, StGB, § 267 Rn. 1: sekundärer Vermögensschutz; dies für möglich haltend Joecks, StGB, Vor §§ 267 – 274, Rn. 1. 295 Zieschang, in: LK-StGB, § 267 Rn. 2 a.A. Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 267 Rn. 1: Beweisposition des Einzelnen, jedoch kein Schutz weiterer privater oder öffentlicher Interessen (vgl. Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 267 Rn. 1a).
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gensverlustes großen Ausmaßes) nicht bloß eine besonders schwere Verwirklichungsform der Urkundenfälschung beschreibt, sondern etwas qualitativ anderes und damit einen Unwertsachverhalt, der sich in einem wesentlichen Element vom grunddeliktischen Unwerttypus unterscheidet, nämlich durch die hinzutretende Beeinträchtigung des Rechtsguts Vermögen. Insoweit wird durch dieses Regelbeispiel ein von der Urkundenfälschung wesensverschiedener Unwerttypus gebildet. Systematisch richtig wäre es daher, diesen strafschärfenden Umstand in Form eines Qualifikationstatbestandes auszugestalten. Ein und derselbe Strafrahmenänderungsgrund kann also – in Abhängigkeit vom grunddeliktischen Unwerttypus und dessen Elementen – sowohl eine quantitative Unrechtssteigerung beschreiben (insb. wenn er lediglich die besondere Verwirklichungsform eines grunddeliktischen Elements darstellt) als auch Grundlage eines neuen, vom grunddeliktischen Unwerttypus losgelösten (mithin wesensverschiedenen), Unwerttypus sein (bspw. wenn der Strafschärfungsgrund die Beeinträchtigung eines anderen – nicht vom grunddeliktischen Unwerttypus erfassten – Rechtsguts umschreibt). d) Besondere Eigenschaften des Tatobjekts Teilweise wird der Grundtatbestand auch durch strafrahmenändernde Elemente ergänzt, die besondere Merkmale des Tatobjekts umschreiben. Es stellt dabei qualitativ anderes Unrecht dar, wenn sich ein Diebstahl bzw. eine Sachbeschädigung auf eine Sache bezieht, welcher eine überindividuelle Bedeutung zukommt (so bei § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StGB sowie § 304 Abs. 1 StGB). Dann nämlich sind (ggf. neben den Individualinteressen)296 Gemeinwohlinteressen betroffen.297 Die in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StGB aufgeführten Tatobjekte sind Sachen, die kulturell (mithin für Wissenschaft, Kunst, Geschichte oder die technische Entwicklung)298 bedeutsam sowie allgemein zugänglich sind.299 Es geht daher bei diesem Regelbeispiel nicht nur um Eigentumsschutz, sondern auch um das Allgemeininteresse.300 Entsprechendes gilt für die gemeinschädliche Sachbeschädigung.
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Bei § 304 StGB muss nicht zwingend das Eigentum verletzt sein, da der Tatbestand nicht fordert, dass die Sache fremd ist, siehe Fischer, StGB, § 304 Rn. 3. Daher kann bei einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung auch ausschließlich das Interesse der Allgemeinheit betroffen sein. 297 Zutreffend ist daher die Bezeichnung als gemeinschädlicher Diebstahl (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, siehe Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 35; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 243 Rn. 22) bzw. gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304 Abs. 1 StGB). 298 Fischer, StGB, § 243 Rn. 20; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 36. 299 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 35; siehe dazu auch Kindhäuser, in: NK-StGB, § 243 Rn. 32 f. 300 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 35; ähnlich Kindhäuser, in: NKStGB, § 243 Rn. 31.
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Die Strafnorm § 304 Abs. 1 StGB schützt nicht das Eigentum als solches,301 sondern das Interesse der Allgemeinheit an der Nutzung der aufgeführten Gegenstände.302 Insofern ist (auch für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale) entscheidend die Allgemeinbedeutung der Sache.303 Es handelt sich infolgedessen (d. h. aufgrund des Hinzutretens des grunddeliktsfremden Elements der Gemeinschädlichkeit der Deliktsbegehung bzw. der Schädigung überindividueller Interessen) um, vom jeweiligen Grunddelikt losgelöste, neue Unwerttypen.304 Anders zu beurteilen ist die in § 305 Abs. 1 StGB enthaltene Alternative der Zerstörung eines „anderen fremden Bauwerks“. So werden auch Gartenmauern, Fischteiche sowie fest mit dem Boden verbundene Hoftore als „andere Bauwerke“ i.S.d. § 305 Abs. 1 StGB angesehen.305 Teilweise wird sogar die Baugrube für eine Brunnenanlage als Bauwerk qualifiziert.306 Diese „Bauwerke“ haben jedoch keine herausragende, besondere (insb. auch keine überindividuelle) Bedeutung. Der Unwertgehalt einer Tat i.S.v. § 305 Abs. 1 StGB erschöpft sich damit in der Zerstörung einer Sache, die in fremdem Eigentum steht. In § 305 Abs. 1 StGB wird damit lediglich eine bestimmte Art der Sachbeschädigung (nämlich die Zerstörung eines bestimmten Tatobjekts) beschrieben, ohne dass eine besondere Funktion bzw. eine besondere Bedeutung des Tatobjekts die Tat in wesentlicher Weise von der grunddeliktischen Sachbeschädigung abhebt. Die Eigenschaften des Tatobjekts „anderes Bauwerk“ führen nicht dazu, dass zu den prägenden Elementen des grunddelikti301 Insoweit wird nämlich nicht vorausgesetzt, dass die Sache fremd ist, siehe Fischer, StGB, § 304 Rn. 3. 302 Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 304 Rn. 2; Fischer, StGB, § 304 Rn. 2; Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 304 Rn. 1; Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 304 Rn. 1; Wolff, in: LK-StGB, § 304 Rn. 1, Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 49; Rengier, Strafrecht BT I, § 25 Rn. 1; siehe auch BVerfG, NVwZ 2010, 247, 249: „Der Schutzzweck der Norm besteht in der Wahrung des öffentlichen Interesses an der Unversehrtheit der in § 304 StGB genannten Tatobjekte.“; so auch Lackner/Kühl, StGB, § 304 Rn. 1. 303 Dies betonend Zaczyk, in: NK-StGB, § 304 Rn. 1, der daraus auch Folgen für die Bestimmung der Tathandlungen zieht (siehe dazu Zaczyk, a.a.O., § 304 Rn. 14). In diese Richtung auch Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 304 Rn. 1, 23; Fischer, StGB, § 304 Rn. 13 f.; aus der Rechtsprechung siehe KG Berlin, NStZ 2007, 223: Einwirkung muss gerade die öffentliche Funktion der Sache beeinträchtigen. 304 Die Strafvorschrift des § 304 StGB wird dabei (sogar) als Delikt sui generis eingeordnet, siehe Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 304 Rn. 2; Zaczyk, in: NK-StGB, § 304 Rn. 1; in der Sache auch Fischer, StGB, § 304 Rn. 2: keine Qualifikation des § 303 StGB; so auch Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 304 Rn. 2.1; Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 304 Rn. 1. Bzgl. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StGB stellen Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder28, StGB, § 243 Rn. 35 fest, dass „[…] es sich hier um mehr als nur um einen qualifizierten Fall des § 242 [handelt] […].“. 305 Siehe dazu Zaczyk, in: NK-StGB, § 305 Rn. 8; Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 305 Rn. 13. 306 So Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 305 Rn. 9; a.A. Zaczyk, in: NK-StGB, § 305 Rn. 8.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
schen Unwerttypus weitere Kernelemente hinzutreten (anders ist dies – wie oben ausgeführt – bei den in § 304 Abs. 1 StGB aufgeführten Gegenständen, die durch ihre besonderen Eigenschaften (mithin ihre besondere gesellschaftliche Funktion) das Hinzutreten des Erfolgsunwertes „Schädigung des Allgemeininteresses“ bewirken). Die teilweise bzw. vollständige Zerstörung solcher Bauwerke ist daher im Verhältnis zur Sachbeschädigung des § 303 Abs. 1 StGB nicht als etwas qualitativ anderes anzusehen. e) Mehrzahl von Angriffen Ist der Unwertsachverhalt, der in der „aufgesetzten“ Norm beschrieben wird, dadurch geprägt, dass statt (nur) eines Rechtsgutsangriffs mehrere Angriffe auf das gleiche Rechtsgut stattfinden (bzw. die Durchführung mehrerer Angriffe auf ein und das gleiche Rechtsgut im Fokus des Unwertsachverhalts steht), so wandeln die hinzugefügten Elemente den grunddeliktischen Unwerttypus in seinem Wesenskern ab.307 Die Mehrzahl von Rechtsgutsangriffen stellt etwas völlig anderes dar als ein einziger Angriff, weshalb das Hinzutreten eines weiteren Rechtsgutsangriffs eine wesentliche Abwandlung bewirkt. Der weitere Angriff auf das Rechtsgut kann dabei in zweierlei Hinsicht erfolgen. Zum einen können in einer Situation mehrere Angriffe durch verschiedene Personen erfolgen. Dies ist der Fall, wenn das Gesetz fordert, dass die Tat „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ begangen wird (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) bzw. „von mehreren gemeinschaftlich begangen wird“ (§ 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB; 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB; § 179 Abs. 5 Nr. 2 StGB308).309 Mehrere Angriffe auf das Rechtsgut können jedoch auch durch ein und dieselbe Person erfolgen. In diese Richtung310 gehen die Konstellationen der „Gewerbsmäßigkeit“ (u. a. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB; § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB)311 bzw. der 307 Ähnlich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 70, der zwar die Entstehung eines (neuen) wesensverschiedenen Unwerttypus in diesem Fall ablehnt, jedoch trotzdem von einer Pflicht zur Formung einer Qualifikation ausgeht. 308 Gültig bis 9. November 2016. 309 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 70, 78. Zur Notwendigkeit, dass der „[…] hinzutretende Beteiligte das Opfer ebenfalls selbst angreift […]“ siehe Klesczewski, a.a.O., § 1 Rn. 78, 85. 310 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Gewerbsmäßigkeit nicht stets das tatsächliche Vorliegen mehrerer Rechtsgutsangriffe voraussetzt (vgl. BGH, NStZ 2004, 265, 266; 2007, 638; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61a; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 95: „Gewerbsmäßigkeit“ kann schon bei der ersten (und ggf. einzigen) der ins Auge gefassten Taten gegeben sein). Das Merkmal ist vielmehr durch die Absicht zur wiederholten Tatbegehung geprägt. Entscheidend (für die vorliegende Betrachtung) ist jedoch, dass die wiederholte Tatbegehung, d. h. der mehrfache Angriff auf ein und dasselbe Rechtsgut, im Mittelpunkt dieses Merkmals steht. 311 Dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 70, der zu Recht die sachwidrige Ausgestaltung des Elements „gewerbsmäßig“ als Regelbeispiel in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB moniert.
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„Gewohnheitsmäßigkeit“ (§ 292 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB). Die Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass sich der Täter aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will.312 Gerade die wiederholte Begehung soll dabei die Einnahmequelle erschließen.313 Die Wiederholungsabsicht muss sich hierbei auf das Delikt beziehen, das durch das Hinzutreten der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert wird.314 Insoweit ist bei der Gewerbsmäßigkeit die Absicht des Täters auf die mehrfache (mithin wiederholte) Begehung des Grunddelikts und daher auf die mehrfache Vornahme von Angriffen auf ein und dasselbe Rechtsgut gerichtet. Der Unwerttypus wird durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit damit entscheidend geprägt vom Willen des Täters (bzw. dessen Absicht) mehrere Angriffe auf das Rechtsgut durchzuführen. Damit hebt er sich entscheidend vom grunddeliktischen Unrecht ab, bei dem lediglich ein einziger Rechtsgutsangriff stattfindet. Ähnlich liegt es bei dem Merkmal der Gewohnheitsmäßigkeit. Gewohnheitmäßig handelt derjenige, der mindestens zwei Taten begeht und einen durch Übung erworbenen, ihm aber vielleicht unbewussten Hang zu wiederholter Tatbegehung hat.315 Auch bei der Gewohnheitsmäßigkeit steht die wiederholte Tatbegehung (und damit der mehrfache Rechtsgutsangriff) im Fokus.316 Zum einen muss der Hang zur Tatbegehung nämlich gerade aus der wiederholten Tatbegehung hervorgehen.317 Insoweit müssen mindestens zwei Taten begangen worden sein,318 mithin zwei Rechtsgutsangriffe vorliegen. Zum anderen ist der notwendige Hang gerade gerichtet auf die Begehung weiterer Taten, es muss nämlich ein Hang zu wiederholter Tatbegehung vorliegen.319 Auch diese subjektive Komponente ist daher gerichtet auf die Vornahme mehrerer Rechtsgutsangriffe.
312 BGHSt 1, 383; BGH, NStZ 2004, 265, 266; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61; Lackner/ Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 52 Rn. 20; Maier, in: MK-StGB, § 260 Rn. 4; siehe auch OLG Köln, NStZ 1991, 585 sowie RGSt 58, 20; 64, 154. 313 OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 335; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61a. 314 BGH, NJW 1996, 1069; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 335; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61a; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 95. 315 Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 63. 316 Insoweit wird vorausgesetzt, dass mindestens zwei Einzeltaten begangen wurden; siehe Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 98 – 101. 317 Vgl. Zeng, in: MK-StGB, § 292 Rn. 55: „Als gewohnheitsmäßig ist ein durch wiederholte Tatbegehung ausgebildeter […] Hang zur Tatbegehung anzusehen […].“; ähnlich Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 98 – 101: „ Für die Gewohnheitsmäßigkeit ist kennzeichnend ein durch wiederholte Begehung erzeugter, eingewurzelter und selbstständig fortwirkender Hang […].“ 318 Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 98 – 101; siehe auch Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 63. 319 Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 63.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
Alle diese Unwertsachverhalte unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt von dem jeweiligen grunddeliktischen Unwerttypus. Es steht stets ein (beabsichtigter) weiterer Angriff auf das grunddeliktische Rechtsgut im Zentrum des Unwertsachverhalts. Dies stellt ein Kernelement dar, weshalb von einem neuen Unwerttypus auszugehen ist.320 Daher sind die aufgeführten Elemente als Qualifikationsmerkmale auszugestalten, was freilich durch den Gesetzgeber nicht stets beachtet wurde (so bspw. bei § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB).321 Der Inhalt der aufgeführten Elemente (Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit) erschöpft sich jedoch nicht in der Beschreibung der Vornahme mehrerer Rechtsgutsangriffe. Ihnen wohnt vielmehr ein weiterer prägender Aspekt inne. So werden die verschiedenen Rechtsgutsangriffe von einem übergeordneten Bezugspunkt umklammert.322 Dieser gibt den besonderen Unwert wieder und konstituiert damit das Perpetuierungsunrecht [weiterführend dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) bb)].323 f) Besondere Pflichtenbindung des Täters (Sonderpflichtdelikte)324 Des Weiteren existieren Elemente, die eine bestimmte Pflichtenstellung des Täters umschreiben. Zunächst ist dabei an die sog. unechten Amtsdelikte zu denken, wie bspw. § 340 StGB: Körperverletzung im Amt. Entsprechendes gilt auch für das Betrugs-Regelbeispiel in § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 StGB („seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht“) bzw. das gleich lautende Regelbeispiel des besonders schweren Falles der Nötigung (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 StGB). Neben den Angriff auf das grundtatbestandlich geschützte Rechtsgut tritt hier der Missbrauch der Amtsstellung.325 Die darin liegende Dienstpflichtverletzung326 stellt bei Delikten dieser Art ein prägendes Kernelement dar, welches neben die grundtatbestandlichen 320 I. E. ebenso Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74, der jedoch entscheidend darauf abstellt, dass diese Elemente Perpetuierungsunrecht verkörpern. Siehe dazu auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97: „dauerhaftes kriminelles Lebenskonzept“. Eine ähnliche Tendenz weisen auch die Ausführungen von Dreher, GA 1953, 129, 131 f., auf. 321 Siehe zu dieser Kritik an der Ausgestaltung des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 70. 322 Vgl. dazu die Ausführungen zum Perpetuierungsunrecht von Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97, 102 f., 323 Vgl. dazu auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97, 102 f. Ausführlich zum Perpetuierungsunrecht Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) bb). 324 Zu den Sonder(pflicht)delikten siehe auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73. 325 Vgl. den entsprechenden Hinweis von Puppe, in: NK-StGB, § 29 Rn. 40: „[…] für alle sog. unechten Amtsdelikte [gilt], dass außer der Amtsträgerschaft des Täters auch der Missbrauch des Amtes zur Tatbegehung hinzukommen muss.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Im Ergebnis lehnt Puppe jedoch die Rechtsfigur des unechten Amtsdelikts ab, vgl. Puppe, in: NK-StGB, § 29 Rn. 39. 326 Siehe Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73. Bzgl. § 340 StGB die Dienstpflichtverletzung hervorhebend: Kuhlen, in: NK-StGB, § 340 Rn. 4; siehe auch BGHSt 3, 349, 351: gleichzeitige Dienstpflichtverletzung; so auch Lilie, in: LK-StGB, § 340 Rn. 1.
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Kernelemente tritt.327 Besonders klar wird dies, wenn man in dem Missbrauch der Amtsstellung (auch) einen Angriff auf den Staat erblickt.328 Dann nämlich wird deutlich, dass die entsprechenden Delikte nicht nur einen Angriff auf Individualrechtsgüter (bei § 340 StGB die körperliche Unversehrtheit einer Person) beschreiben, sondern auch einen Angriff auf das Allgemeininteresse (bei § 340 StGB: Interesse der Allgemeinheit an einer korrekten Amtsführung),329 gerade durch letzteren Angriff ihre besondere Prägung erhalten330 und sich infolgedessen ausschlaggebend vom grunddeliktischen Unwerttypus (welcher lediglich die Schädigung von Einzelrechtsgütern beschreibt) unterscheiden. Freilich verbietet es sich, sämtliche Normen mit gleich lautenden Merkmalen pauschal in die Kategorie „neuer Unwerttypus“ einzuordnen.331 Entscheidend sind vielmehr – wie bereits erwähnt332 – die konkrete Norm und der darin enthaltene Unwerttypus. So wird durch das Regelbeispiel des § 264 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB („seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht“) kein neuer, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremder Unwerttypus geformt. Der Tatbestand des Subventionsbetrugs schützt (primär) das Allgemeininteresse an einer wirksamen staatlichen Wirtschaftsförderung,333 mitgeschützt ist jedoch auch das 327 Teilweise wird infolgedessen bzgl. § 340 StGB angenommen, dass diese Norm nicht nur die körperliche Integrität des Einzelnen schützt, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an einer korrekten Amtsführung, siehe Voßen, in: MK-StGB, § 340 Rn. 1; Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 340 Rn. 1; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 340 Rn. 1; ähnlich Lilie, in: LK-StGB, § 340 Rn. 1: „[…] das interne Funktionieren des Staatsapparates […]“; a.A. (d. h. ausschließlich körperliche Integrität des Einzelnen geschützt) Kuhlen, in: NK-StGB, § 340 Rn. 4 f.; Fischer, StGB, § 340 Rn. 1, 3a, 7; Rengier, Strafrecht BT II, § 62 Rn. 5; mit ähnlicher Tendenz Wolters, in: SK-StGB [Stand: 127. Lfg. April 2011], § 340 Rn. 2b. 328 Siehe Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73, der einen Angriff auf den Staat in Form der „Torpedierung“ der staatlichen Aufgabe „Grundrechtsschutz“ erblickt. In diese Richtung (für § 340 StGB) Lilie, in: LK-StGB, § 340 Rn. 1, der „[…] das interne Funktionieren des Staatsapparates […]“ als ein Rechtsgut des § 340 StGB ansieht. 329 Bzgl. § 340 StGB wird angenommen, dass diese Norm nicht nur die körperliche Integrität des Einzelnen schützt, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an einer korrekten Amtsführung, siehe Voßen, in: MK-StGB, § 340 Rn. 1; Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 340 Rn. 1; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 340 Rn. 1; ähnlich Lilie, in: LK-StGB, § 340 Rn. 1: „[…] das interne Funktionieren des Staatsapparates […]“; a.A. (d. h. ausschließlich körperliche Integrität des Einzelnen geschützt) Kuhlen, in: NK-StGB, § 340 Rn. 4 f.; Fischer, StGB, § 340 Rn. 1, 3a, 7; Rengier, Strafrecht BT II, § 62 Rn. 5. Mit ähnlicher Tendenz Wolters, in: SK-StGB [Stand: 127. Lfg. April 2011], § 340 Rn. 2b. 330 Vgl. für § 340 StGB Lilie, in: LK-StGB, § 340 Rn. 1. 331 Anders wohl Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 155. 332 So bspw. in Kapitel 4 § 11 E. II. 3.: Einordnung in Abhängigkeit von Grunddelikt und dem in diesem verkörperten Unwerttypus. 333 Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rn. 1; Momsen, in: BeckOK-StGB, § 264 Rn. 3; Rengier, Strafrecht BT I, § 17 Rn. 3; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 684; vermehrt findet sich auch die Bezeichnung Planungs- und Dispositionsfreiheit des Subventionsgebers: OLG Hamm, Urteil v. 25. 06. 2012 – 6 U 67/11; Tiedemann, in: LK-StGB, § 264 Rn. 11, 23; ähnlich
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
(staatliche) Vermögen.334 Insoweit ist bereits dem Grundtatbestand der Schutz von Allgemeininteressen immanent. Der grunddeliktische Angriff richtet sich daher gegen den Staat. Deshalb ergänzt der in dem Regelbeispiel beschriebene Missbrauch der Amtsträgerstellung bzw. -befugnisse (vgl. § 264 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB) sowie der damit verbundene Angriff auf den Staat335 den grunddeliktischen Unwerttypus nicht im Sinne eines wesensverschiedenen Elements. Ähnlich ist im vorliegenden Zusammenhang336 das Regelbeispiel des § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB (Missbrauch einer verantwortlichen Stellung, die zur Wahrung des Staatsgeheimnisses besonders verpflichtet) zu bewerten. Auch bei § 94 StGB ist bereits das Grunddelikt durch den Angriff auf den Staat gekennzeichnet. Es ist nämlich die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland als geschütztes Rechtsgut anzusehen.337 Aus diesem Gesichtspunkt folgt daher nicht, dass es sich um etwas qualitativ Anderes handelt. Dennoch ergibt sich aus anderer Perspektive hinsichtlich dieses Regelbeispiels das Vorliegen eines wesensfremden Unwerttypus, und zwar aufgrund der Kombination des grunddeliktischen Schädigungsunrechts mit (dem im Regelbeispiel beschriebenen) Erwerbsunrecht338.339 Soweit also sowohl im Grundtatbestand als auch in der „aufgesetzten“ Strafnorm ein Angriff auf den Staat beschrieben wird (mithin der Missbrauch der Amtsstellung nicht bereits aufgrund Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 264 Rn. 4: Schutz der Institution Subvention und der mit ihr verfolgten Zielsetzung als solche; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 404: „[…] Funktionsfähigkeit der Subvention als staatliches Lenkungs- und Steuerungsinstrument […].“; a.A. (lediglich Vermögen des Subventionsgebers geschützt) Fischer, StGB, § 264 Rn. 2b; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 143. Lfg. Juni 2014], § 264 Rn. 10 ff.; Hellmann, in: NK-StGB, § 264 Rn. 10; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 41 Rn. 21. 334 Für den Schutz beider Rechtsgüter Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rn. 1; Momsen, in: BeckOK-StGB, § 264 Rn. 3; Rengier, Strafrecht BT I, § 17 Rn. 3; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 404; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 684; Krack, NStZ 2001, 505, 506; so auch BGHZ 204, 207; OLG Hamm, Urteil v. 25. 06. 2012 – 6 U 67/11; ähnlich Perron, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 264 Rn. 4: öffentliches Vermögen und Institution der Subvention als wichtiges Instrument staatlicher Lenkung und die mit ihr verfolgten Zielsetzungen; a.A. (allein die Planungs- und Dispositionsfreiheit des Subventionsgebers wird als geschützt angesehen) OLG Hamburg, NStZ 1984, 218; Tiedemann, in: LK-StGB, § 264 Rn. 23 ff., 26; ähnlich Wohlers/Mühlbauer, in: MK-StGB, § 264 Rn. 8: „[…] das gesamthänderische Interesse an der Funktionsfähigkeit der für das Subventionswesen relevanten Funktionszusammenhänge“ [im Original teilw. hervorgehoben]; ebenso den Schutz beider Rechtsgüter ablehnend (jedoch das staatliche Vermögen als allein geschütztes Rechtsgut ansehend) Hellmann, in: NK-StGB, § 264 Rn. 10; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 801; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 41 Rn. 21; Fischer, StGB, § 264 Rn. 2b; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 143. Lfg. Juni 2014], § 264 Rn. 10 ff. 335 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73. 336 Siehe jedoch auch Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (2). 337 Paeffgen, in: NK-StGB, § 94 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 94 Rn. 1. 338 Ausführlich zur Betrachtung anhand der verschiedenen Unrechtsformen Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g). 339 I. E. ebenso Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73 (jedoch unter der Fallgruppe „Sonderpflichtverstoß“).
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des (lediglich) individualrechtsgüterschützenden Charakters des Grunddelikts als wesensfremd anzusehen ist), muss geklärt werden, ob nicht aufgrund anderer Kriterien (insb. einer Ergänzung grunddeliktischen Schädigungsunrechts durch Erwerbsunrecht)340 von wesensverschiedenen Unwerttypen auszugehen ist. Aber auch abseits des Merkmals der Amtsträgerschaft (bzw. einer „verantwortlichen Stellung“ i.S.d. § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB) können besondere Pflichtstellungen als „qualifizierende“341 bzw. strafschärfende Elemente auftauchen. Soweit in § 225 StGB eine Körperverletzung beschrieben wird,342 ist die Missachtung des Schutzverhältnisses343 als (ein die einfache Körperverletzung) qualifizierendes Element einzuordnen.344 Soweit § 225 StGB also Handlungen umfasst, die als Körperverletzung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB einzuordnen sind,345 ist die Verletzung der besonderen Schutzpflicht, und damit die Verletzung einer Pflicht, die den Täter aufgrund seiner sozialen Stellung trifft, als „hinzugefügtes“ Element anzusehen.346 Der Täter verstößt daher nicht nur gegen die allgemeine Pflicht, andere nicht zu schädigen, sondern darüber hinaus auch gegen seine besondere Verpflichtung gegenüber dem Opfer. Ob dies allein freilich ausreicht, um einen neuen, wesens340
Dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa). Damit gemeint ist freilich qualifizierend im untechnischen Sinne, d. h. die Verwendung eines Merkmals als Qualifikationstatbestandsmerkmal oder als Regelbeispiel. 342 Eine Körperverletzung ist gegeben bei der Tathandlung der rohen Misshandlung sowie bei der Gesundheitsschädigung durch böswillige Vernachlässigung der Sorgepflicht. Bei der Variante des Quälens jedoch nur, wenn mit dem Quälen eine Verletzung der körperlichen Integrität einhergeht. Da die Variante des Quälens auch die Verursachung seelischer Leiden umfasst (Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 225 Rn. 12; Hardtung, in: MK-StGB, § 225 Rn. 12; Lackner/Kühl, StGB, § 225 Rn. 4; vgl. auch RGSt 78, 213, 215 f.) ist nicht jede Tathandlung i.S.d. § 225 Abs. 1 StGB als Körperverletzung (i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB) einzuordnen; vgl. zu dieser Einordnung der einzelnen Handlungsvarianten Stree/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 225 Rn. 1/2. 343 Diese Missachtung des Schutzverhältnisses ist als prägendes Element kennzeichnend für den besonderen Unwertgehalt des § 225 StGB; vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 225 Rn. 7. 344 Aufgrund der hybriden Struktur des § 225 StGB (einerseits Erfassung von Handlungen, die Körperverletzungen i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB darstellen, andererseits Erfassung rein seelischer Beeinträchtigungen, die nicht dem Körperverletzungstatbestand (§ 223 Abs. 1 StGB) unterfallen) wird (insoweit formal korrekt) von der h.M. festgestellt, dass § 225 StGB zum einen Qualifikationstatbestände des § 223 StGB umschreibt, zum anderen aber auch einen eigenständigen Tatbestand enthält; siehe Fischer, StGB, § 225 Rn. 2; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 225 Rn. 1/2; Rengier, Strafrecht BT II, § 17 Rn. 1; Krey/Hellmann/ Heinrich, Strafrecht BT I, Rn. 327 ff.; Otto, Strafrecht BT, § 20 Rn. 1 f.; Hirsch, in: LK-StGB, § 225 Rn. 1; Wolters, in: SK-StGB [141. Lfg. April 2014], § 225 Rn. 2; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT I, § 10 Rn. 2; Lackner/Kühl, StGB, § 225 Rn. 1; in der Sache auch Hardtung, in: MK-StGB, § 225 Rn. 3: „[…] meist eine Qualifikation zu § 223 […]“ [im Original hervorgehoben]. 345 Die entsprechenden Handlungsvarianten werden aufgezählt bei Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 225 Rn. 1/2. 346 Vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 225 Rn. 1: verwerfliche Missachtung der besonderen Schutzpflicht als Erschwerungsgrund. 341
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fremden Unwerttypus zu begründen, ist zumindest zweifelhaft. Auch hier ist daher zu prüfen, ob eine Kombination von Schädigungsunrecht mit Erwerbs- oder Perpetuierungsunrecht vorliegt.347 Abschließend lässt sich das Folgende festhalten. Besteht das hinzugefügte Element aus einer besonderen Pflichtenstellung des Täters (bspw. einer solchen, die aus einer Amtsträgerschaft erwächst), so wird damit nicht stets ein neuer Unwerttypus begründet. Die bloße Verknüpfung des grunddeliktischen Unrechts mit einer Sonderverpflichtung des Täters führt nicht automatisch zur Begründung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus.348 Anders liegt es jedoch, wenn die Sonderpflicht des Täters (völlig) andere Interessen betrifft als die grundtatbestandlichen Interessen resp. Rechtsgüter. So liegt es, wenn das Grunddelikt Individualrechtsgüter schützt, die (hinzugefügte) Sonderpflicht hingegen auf die Wahrung von Allgemeininteressen abzielt. In diesem Falle tritt im beschriebenen Unwertsachverhalt neben den grunddeliktischen Angriff ein Angriff auf andere (wesensfremde) Interessen. Doch auch wenn dies nicht gegeben ist, kann sich das Vorliegen eines neuen, wesensfremden Unwerttypus daraus ergeben, dass durch das Element dem grunddeliktischen Schädigungsunrecht Erwerbs- bzw. Perpetuierungsunrecht beifügt wird [näher dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g)]. g) Ergänzung grunddeliktischen Schädigungsunrechts durch Elemente, die Erwerbs- oder Perpetuierungsunrecht beschreiben Wie bereits angeführt, kann es auch dann zur Entstehung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus kommen, wenn zum grunddeliktischen Unwerttypus solche Elemente ergänzt werden, die eine andere Form von Unrecht verkörpern.349 Zu Grunde zu legen ist dabei, dass drei (Grund-)Formen von Unrecht bestehen: Schädigungsunrecht, Erwerbsunrecht und Perpetuierungsunrecht.350 Enthält nun der grunddeliktische Unwerttypus lediglich Schädigungsunrecht, so stellt es eine Wesenskernmodifizierung dar, wenn ein Element hinzugefügt wird, welches Erwerbsoder Perpetuierungsunrecht beschreibt.351 347
Siehe dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g). Es hat sich an dieser Stelle nochmals gezeigt, dass die Entscheidung über das Vorliegen eines neuen Unwertypus stets mittels einer genauen Analyse von Grund- sowie Komplementärnorm zu erfolgen hat. Die Gegenüberstellung dieser Normen hat hierbei entscheidende Bedeutung. Aufgrund dieses komparativen Charakters ist die Entscheidung abhängig von den jeweiligen Normen, sodass ein strafrahmenschärfendes Element – je nach Charakter des Grunddelikts – in einem Falle die Wesensverschiedenheit begründen kann, in einer anderen (Norm-)Konstellation jedoch die Transformation in einen neuen (wesensverschiedenen) Unwerttypus nicht herbeizuführen vermag. 349 So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74. 350 Siehe dazu Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77 ff., der diese Unrechtsformen aus den verschiedenen Formen der Gerechtigkeit heraus entwickelt. 351 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74. 348
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aa) Erwerbsunrechts-Elemente (1) Erläuterungen zu verschiedenen Erwerbsunrechts-Elementen Zu den (strafrahmenschärfenden) Elementen, die Erwerbsunrecht erfassen, gehört das Mordmerkmal „Habgier“ (§ 211 StGB).352 Das grunddeliktische Schädigungsunrecht (bei § 212 StGB die Zerstörung des menschlichen Lebens) wird hier durch ein Element ergänzt (bspw. „Habgier“), welches Erwerbsunrecht umschreibt, und mit diesem derart verquickt (ist), dass ein neuer Unwerttypus (bestehend aus einer Kombination von Schädigungs- und Erwerbsunrecht) entsteht.353 Diese Vermengung von (grundeliktischem) Schädigungsunrecht und (beigefügtem) Erwerbsunrecht354 entsteht insb. durch die Verknüpfung beider Elemente. So erfordert das Mordmerkmal Habgier ein „[…] noch über die Gewinnsucht hinaus gesteigertes abstoßendes Gewinnstreben um jeden Preis […]“.355 Die Tat muss dabei Folge dieses „Gewinnstrebens um jeden Preis“ sein,356 insoweit muss dieses Gewinnstreben tatbeherrschend und bewusstseinsdominant sein.357 Letztlich ist das Streben nach Gewinn (mithin die Absicht der Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils358) damit die entscheidende Triebfeder für die Vernichtung des menschlichen Lebens.359 Der Täter muss das Opfer um eines Vermögensvorteils Willen töten.360 Betrachtet man diese Situation, so wird deutlich, dass der Unwertsachverhalt sowohl Elemente des 352
Vgl. dazu auch Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 494 f., der insoweit die Eigenständigkeit dieser Mordvariante begründet; das Hinzutreten von Habgier wohl lediglich als quantitative Steigerung des Tötungsunrechts einordnend Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 204. 353 Anders wohl Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 204. Gänzlich ablehnend in Bezug auf eine „qualitätsändernde Wirkung“ von Mordmerkmalen Müssig, in: FS Paeffgen, S. 301, 309. 354 Dass mit dem Habgiermotiv Erwerbsunrecht beschrieben wird, begründet sich damit, dass lediglich die Absicht der Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils diesem Mordmerkmal genügt. Unzureichend ist es daher (und damit ist Habgier abzulehnen), wenn der Täter tötet, um einen rechtmäßigen Vorteil zu erlangen (bspw. einen Anspruch durchzusetzen); siehe OLG Hamburg, NJW 1948, 350; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 13a; Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 2 Rn. 60; Küper, in: GS Meurer, S. 191, 205; Sinn, in: SK-StGB [Stand: 133. Lfg. Juni 2012], § 211 Rn. 19; Eisele, Strafrecht BT I, Rn. 87; Mitsch, JuS 1996, 121, 124; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 65; wohl zustimmend Fischer, StGB, § 211 Rn. 13a; einschränkend Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4: Habgier fehlt in der Regel, aber nicht notwendig; noch restriktiver Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 24: Ausscheiden von Habgier nur im Einzelfall; a.A. (für Unbeachtlichkeit der Rechtmäßigkeit) Jähnke, in: LK-StGB, § 211 Rn. 8; Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 23; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 33; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 17; wohl auch Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 48. 355 BGH, NJW 1995, 2365, 2366; 2001, 763; siehe auch BGHSt 10, 399; 29, 317 f. 356 Vgl. BGH, NJW 1995, 2365, 2366; 2001, 763. 357 BGHSt 42, 301, 304; 50, 1, 7 f.; BGH, NJW 1995, 2365, 2366; 2001, 763; so auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 10; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4. 358 Insoweit meint Habgier ein Streben nach materiellen Vorteilen, mithin die Tötung eines Menschen um eines Vermögensvorteils Willen; siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 59. 359 Die Mittel-Zweck-Relation betonend Küper, in: GS Meurer, S. 191, 199 ff. 360 Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 59.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
Schädigungsunrechts als auch solche des Erwerbsunrechts enthält und diese durch die Verknüpfung zwischen Beweggrund (unnatürliches Streben nach Gewinn) und Tat untrennbar miteinander vermengt sind. Insoweit zeichnet sich das Bild eines neuen Unwerttypus, der über das bloße Schädigungsunrecht des Grunddelikts (§ 212 StGB) hinausgeht. Ähnlich liegt es bei den Elementen „gegen Entgelt“ sowie „Bereicherungsabsicht“ (diese sind enthalten in § 203 Abs. 5 StGB; § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB; § 271 Abs. 3 StGB361). Auch bei diesen liegt im Bereich des Grunddelikts lediglich Schädigungsunrecht vor. Die (hinzutretenden) Elemente „gegen Entgelt“ und „Bereicherungsabsicht“ wiederum beschreiben Erwerbsunrecht. “Entgeltlichkeit“ meint hierbei, dass der Täter als Gegenleistung362 (für die Tat) einen Vermögensvorteil363 erhält.364 Einbezogen sind daher nur solche Vermögensvorteile, „[…] die aufgrund einer synallagmatischen Vereinbarung für die Tat erbracht werden oder erbracht werden sollen.“.365 Ist die Entgeltlichkeit (wie in den aufgeführten Beispielsnormen) Strafschärfungsgrund, so muss der Vermögensvorteil gerade für Tatbegehung gegeben werden.366 Bei der Bereicherungsabsicht muss der Täter die Erlangung eines Vermögensvorteils beabsichtigen, wobei freilich auch die Bereicherung eines Dritten genügt.367 Die beschriebenen (beabsichtigten) Erwerbsvorgänge stellen auch (Erwerbs-) Unrecht dar. Zwar fehlt bei dem Element der Bereicherungsabsicht – im Unterschied zur tatbestandlichen Formulierung des § 263 Abs. 1 StGB – die ausdrückliche Erwähnung der Rechtswidrigkeit des angestrebten Vermögensvorteils. Infolgedessen wird zwar einerseits (nämlich bei der mittelbaren Falschbeurkundung) die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils (überwiegend) gefordert,368 andererseits jedoch
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Dieses Beispiel führt auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74, an. Insoweit muss dem Vermögensvorteil synallagmatischer Charakter zukommen; siehe Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 132; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 101; Saliger, in: NKStGB, § 11 Rn. 69. 363 Eine Bereicherung des Täters ist jedoch nicht erforderlich; siehe Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 132; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 101; Fischer, StGB, § 11 Rn. 31; Eser/ Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn. 62. 364 Vgl. Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 132. 365 Saliger, in: NK-StGB, § 11 Rn. 69; so auch Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 101; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn. 60; Fischer, StGB, § 11 Rn. 31. 366 Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn. 60; in der Sache ebenso Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 101. 367 Vgl. Fischer, StGB, § 271 Rn. 23. 368 Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 271 Rn. 42; Freund, in: MK-StGB, § 271 Rn. 49; Lackner/Kühl, § 271 Rn. 11; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 131. Lfg. März 2012], § 271 Rn. 34; Puppe, in: NK-StGB, § 271 Rn. 61; Rengier, Strafrecht BT II, § 37 Rn. 27; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 271 Rn. 17; im Ergebnis auch BayObLG, NVwZ 1995, 415; a.A. OLG Hamm, NJW 1956, 602; Fischer, StGB, § 271 Rn. 23; Zieschang, in: LK-StGB, § 271 Rn. 95. 362
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bei den entsprechenden Merkmalen in § 203 Abs. 5 StGB369 bzw. § 235 Abs. 4 S. 2 StGB370 darauf verzichtet. Diese Inkonsistenz bei der Auslegung des Merkmals Bereicherungsabsicht in den verschiedenen Strafnormen lässt freilich Zweifel aufkommen, ob dieses Merkmal tatsächlich Erwerbsunrecht beschreibt. Auch bei der „Entgeltlichkeit“ scheint dies fraglich zu sein, denn auch bei dieser wird die Rechtswidrigkeit des Entgelts nicht vorausgesetzt.371 Jedoch vermag hier ein Blick auf den materiellen Gehalt dieser Merkmale sowie deren Funktion als Strafrahmenänderungsgründe Abhilfe zu schaffen. So wird (für das Merkmal Bereicherungsabsicht in § 271 Abs. 3 StGB) festgestellt, dass die verschärfte Strafandrohung nur in den Fällen eine Rechtfertigung findet, in denen der erstrebte Vorteil im Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung steht.372 Konsequenterweise müsste dies (zumindest auf den ersten Blick373) eigentlich auch für die entsprechende Verwendung des Merkmals in anderen Strafnormen (§ 203 Abs. 5 StGB sowie § 235 Abs. 4 S. 2 StGB) gelten.374 Wäre nun aber auch bei diesen Normen die Rechtswidrigkeit Voraussetzung, so würde die Stellung der Elemente als Erwerbsunrecht deutlich werden.375 Zum materiellen Gehalt ist Folgendes zu sagen. Allen drei Elementen („Habgier“; „Entgeltlichkeit“; „Bereicherungsabsicht“) ist gemein, dass sie auf einen (zumindest erstrebten) Vermögensvorteil fokussieren. Während bei der „Habgier“ sowie bei der „Bereicherungsabsicht“ die entsprechende Intention des Täters, einen Vermögensvorteil zu erlangen, im Vordergrund steht, ist bei der „Entgeltlichkeit“ das Kernelement der Gegenleistung376 auszumachen. Zum einen ist die Erlangung eines Vermögensvorteils also Beweggrund für die Tatbegehung, zum anderen (bei der „Entgeltlichkeit“) ist an die Tatbegehung eine Belohnung bzw. Gegenleistung (in Form eines Vermögensvorteils) gebunden. Bei allen drei Konstellationen ist daher 369 Siehe BGH, NStZ 1993, 538, 539; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 203 Rn. 74. 370 Siehe Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 235 Rn. 22; Fischer, StGB, § 235 Rn. 17; Lackner/Kühl, StGB, § 235 Rn. 7; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 443; WieckNoodt, in: MK-StGB, § 235 Rn. 86. 371 Vgl. Fischer, StGB, § 11 Rn. 31: unerheblich, ob Entgeltvereinbarung nichtig oder rechtlich wirksam. 372 Siehe die entsprechende Argumentation bei Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 271 Rn. 42. 373 Mithin vorbehaltlich einer tiefergehenden Analyse der beiden betroffenen Normen. 374 Ob man dem letztlich für § 203 Abs. 5 StGB (zum Streistand siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83) folgen mag, ist abhängig davon, welchen Stellenwert man der Nichtübernahme des noch in § 300 Abs. 3 S. 1 StGB a.F. enthaltenen (auf die Alternative „Absicht der Verschaffung eines Vermögensvorteils“ bezogenen) Rechtswidrigkeits-Elements einräumt. Zu § 203 Abs. 5 StGB Kapitel 7 § 20. 375 Für die Einordnung als Erwerbsunrecht ist es jedoch letztlich nicht relevant, ob man ein Erfordernis der Rechtswidrigkeit erblickt; siehe dazu die folgenden Ausführungen im Haupttext. 376 Vgl. Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 132: „zentrales Element“.
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die Begehung des Grunddelikts mit einem Vermögensvorteil verknüpft: Einmal in Hinblick auf das Tatmotiv, das andere mal (zudem) in Hinblick auf eine Gegenleistung für die Tatbegehung. Letztlich kommt es daher zu einer Kommerzialisierung377 des grunddeliktischen Schädigungsunrechts. Einmal wird die Tat gerade begangen, um einen Vermögensvorteil zu erlangen und wird damit eingesetzt als Mittel zur Erlangung eines Vermögensvorteils (mithin ist die Tat Mittel zur Befriedigung der finanziellen Interessen). Im Falle der „Entgeltlichkeit“ wird für die Tatbegehung eine Gegenleistung (in Form eines Vermögensvorteils) entgegengenommen und auch damit die Tat mit einem Vermögenszufluss verknüpft. Diese Kommerzialisierung des grunddeliktischen Schädigungsunrechts wandelt den grunddeliktischen Unwerttypus in seinem Wesenskern ab, da ein völlig anderer (neuer) Aspekt (nämlich das finanzielle Interesse) zur grunddeliktischen Schädigung hinzutritt. Insoweit kann man auch durchaus von Erwerbsunrecht sprechen.378 Dies gilt selbst wenn – wie bei dem Merkmal der Entgeltlichkeit – die Rechtswidrigkeit des (erstrebten) Vermögensvorteils nicht vorausgesetzt ist. Aufgrund der Verquickung des (erstrebten) Vermögenszuflusses mit der Begehung der rechtswidrigen Straftat379 stellt sich der Vermögenszufluss nämlich als rechtsordnungsinkonform dar. Dies zeigt auch die zivilrechtliche Betrachtung. In aller Regel dürfte es bei entsprechenden Taten (Begehung einer Straftat gegen Entgelt) zu einer Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen kommen. Die Entgelt-Vereinbarung ist als nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. dem entsprechenden Strafgesetz anzusehen, da sie die Verpflichtung zu strafbarem Verhalten enthält.380 Der daraus resultierende
377 Zutreffend wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur zu dem qualifizierenden Merkmal der Bereichungsabsicht (bspw. bei § 85 GmbHG) herausgestellt, dass in der „[…] höhere[n] Verwerflichkeit eines Geheimnisverrats zu wirtschaftlichen Zwecken […]“ der Strafschärfungsgrund liegt (so Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 85 Rn. 27; Tiedemann/Rönnau, in: Scholz, GmbHG, § 85 Rn. 51). Noch deutlicher Hohn, in: KölnKommUmwG, § 315 Rn. 44: „[…] Grund für die Strafschärfung [liegt] in dem gesteigerten Gewinnstreben des Täters auch um den Preis der Verletzung eines fremden Geheimbereichs (ähnlich der Habgier beim Mord) […].“. Dies weist deutlich auf die Kommerzialisierung des grunddeliktischen Schädigungsunrechts hin. 378 So für das Element der Entgeltlichkeit in § 271 Abs. 3 StGB Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74. Ausführlich zu den verschiedenen Unrechtsformen Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, 77 ff., 92 ff. 379 Für die in § 203 Abs. 5 StGB enthaltene Qualifikation „Bereicherungsabsicht“ wird daher auch die Verknüpfung der Geheimnisoffenbarung mit dem Vermögensvorteil als das, das besondere Unrecht kennzeichnende Element (und daher Grund für die Straferhöhung) angesehen; siehe Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; siehe auch BGH, NStZ 1993, 538, 539: „Sie [scil. die Qualifizierung nach § 203 Abs. 5 StGB] folgt allein aus dem Motiv (aus) der höheren Verwerflichkeit des Verrats […] zu wirtschaftlichen Zwecken […].“; ebenso Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 163. In der Sache ebenso Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84: verwerfliche Zweck-Mittel-Relation. 380 Vgl. dazu Armbrüster, in: MK-StGB, § 134 Rn. 52; für den Geheimnisverrat Armbrüster, in: MK-BGB, § 134 Rn. 54 f.
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Kondiktionsanspruch ist nicht durch § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen.381 Entscheidend ist dabei, dass der gesetzeswidrige Zustand nicht aufrecht erhalten bleiben soll.382 Diese Durchführung der zivilrechtlichen Rückabwicklung zeigt gerade, dass entsprechende Vermögensverschiebungen als unvereinbar mit der geltenden Rechtsordnung anzusehen sind.383 Selbiges gilt dann auch für die, auf eine solche Vermögensverschiebung fokussierende, Entgeltlichkeit ansich. Auch diese ist insoweit als unrechtmäßig zu qualifizieren. Damit zeigt sich, dass auch das Element der Entgeltlichkeit Erwerbsunrecht verkörpert. Der Einordnung als Erwerbsunrecht steht das Fehlen eines (straftatbestandlichen) Erfordernisses der Rechtswidrigkeit des (angestrebten) Vorteils bzw. Vermögenszuflusses nicht entgegen. Daneben streitet für eine Einordnung als Erwerbsunrecht auch die lebensnahe Betrachtung. Handelt der Täter entgeltlich oder in Bereichungsabsicht, so stellt der Erwerb bzw. die Erwerbsaussicht die entscheidende Triebfeder seines Verhaltens dar und nicht die Schädigung eines anderen. Dann jedoch ist es durchaus nachvollziehbar von Erwerbsunrecht und nicht bloßem Schädigungsunrecht zu sprechen. Bezüglich der soeben aufgeführten Unrechtsmerkmale ist noch auf das Folgende hinzuweisen. Sie können nicht erfasst werden durch das Kriterium „Angriff auf ein anderes Rechtgut“.384 So liegt bei dem Element der Entgeltlichkeit kein Angriff auf ein anderes Rechtsgut vor, denn es erfolgt eine freiwillige Vermögensverschiebung von dritter Seite. Bei der Bereicherungsabsicht und bei der Habier kann zwar auch ein Angriff auf ein weiteres Rechtsgut, nämlich das Vermögen des Opfers, vorliegen (bspw. beim „Raubmord“). Jedoch ist dies nicht zwingend.385 Es sind nämlich Fallkonstellationen denkbar und durchaus praktisch vorkommend, die denen der „Entgeltlichkeit“ entsprechen. Zu denken ist bei dem Mordmerkmal der Habgier an den sog. „Auftragskiller“. Eine Einordnung als Angriff auf das Rechtsgut Vermögen würde daher die inhaltliche Reichweite der Elemente verkürzen und dadurch den materialen Gehalt nicht sachgerecht abbilden. Damit zeigt sich die Notwendigkeit, diese Merkmale als, das grunddeliktische Schädigungsunrecht ergänzende, Erwerbsunrechts-Elemente zu betrachten. Das Erwerbsunrecht muss sich jedoch nicht zwingend in der (Absicht der) Erlangung eines Vermögensvorteils zeigen. Zutreffend ist, dass auch Menschen Objekt
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Vgl. OLG München, NJW 2000, 2592, 2595; Lorenz, in: Staudinger, BGB, § 817 Rn. 10 zu einem gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstoßenden Verkauf einer Mandantenkartei. 382 Siehe OLG München, NJW 2000, 2592, 2595; ähnlich Lorenz, in: Staudinger, BGB, § 817 Rn. 10: keine Perpetuierung des zu verhindernden Zustands. 383 Im Ansatz auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 94: „Erwerbsgerechtigkeit kennzeichnet rechtsprinzipienwidrige Aneingung als ungerechtfertigte Bereicherung […].“ [Hervorhebung durch Verfasser]. 384 Siehe zu diesem Kriterium Kapitel 4 § 11 E. II. 4. b). 385 Wohl anders hinsichtlich des Elements der Habgier Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 494 f.
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von Erwerbsunrecht sein können.386 Auch darin387 zeigt sich die Eigenständigkeit der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB388) gegenüber der Körperverletzung. Während letztere lediglich Schädigungsunrecht beschreibt (nämlich die Schädigung von Leib bzw. Gesundheit), bemächtigt sich der Täter bei der Vergewaltigung, welche stets389 eine Körperverletzung darstellt,390 der anderen Person und macht diese zum Objekt zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs.391 Insoweit ist die Vergewaltigung nicht lediglich ein besonders schwerer Fall der Körperverletzung, sondern durch das Hinzutreten der Erwerbskomponente ein neuer, wesensfremder Unwerttypus.392 (2) Die Sonderpflichtverletzung als Erwerbsunrechts-Tatbestand Wie bereits angedeutet, kann sich Erwerbsunrecht auch darin zeigen, dass der Täter einer Sonderpflicht nicht genügt, diese also verletzt.393 Man kann dann von der „[…] angemaßten Befreiung von einer übernommenen Verbindlichkeit“394 sprechen. 386
So Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74. Siehe auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 95. 387 Offensichtlich wird der Unterschied allerdings vornehmlich, wenn man die betroffenen Rechtsgüter betrachtet. So stellt die Vergewaltigung primär einen Angriff auf das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung dar (vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 177 Rn. 2; Frommel, in: NK-StGB, § 177 Rn. 16). Die körperliche Unversehrtheit ist nicht das maßgebliche Ziel des Angriffs, sondern wird vielmehr im Rahmen der Durchführung des speziellen Angriffs auf die sexuelle Selbstbestimmung (welcher geprägt ist durch ein Eindringen in den Körper) mitverletzt. Bei der Vergewaltigung ist die Verletzung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit daher lediglich „Nebenprodukt“ des eigentlichen Rechtsgutsangriffs (Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung). Anders liegt es hingegen bei der Körperverletzung, bei der gerade der Angriff auf die körperliche Unversehrtheit im Zentrum steht. 388 Bis 9. November 2016: § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB. 389 Entscheidend ist nämlich, dass mit der Vergewaltigung stets ein „Eindringen in den Körper“ verbunden ist; vgl. Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 177 Rn. 28; siehe auch BGH, Beschluss v. 26. 09. 2003 – 2 StR 321/03. 390 Siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 223 Rn. 10; Jerouschek, JZ 1992, 227, 230; in diese Richtung auch BGH, NStZ 2011, 456: im Vollzug des Geschlechtsverkehrs selbst liegende Körperverletzung des Opfers als notwendige, jedenfalls regelmäßige Erscheinungsform der Vergewaltigung; ähnlich bereits OLG Frankfurt, NJW 1967, 2075, 2076; anders jedoch BGH, NStZ 2007, 218. Ausführlich zur Thematik Jerouschek, JZ 1992, 227, 229 f.: „Die Körperverletzung liegt im traumatisierenden Akt des körperverletzend-mißhandelnden Übergriffs selbst, ohne daß es auf die, im übrigen durchweg nachhaltigen, Depravationen noch ankäme.“ (Jerouschek, a.a.O., 230). 391 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74, der (bzgl. des sexuellen Missbrauchs) von einer Gebrauchsanmaßung an einem (anderen) Menschen spricht. Siehe dazu auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 95. 392 Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass bei der Vergewaltigung neben das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit das der sexuellen Selbstbestimmung tritt (welches zudem das primär betroffene Rechtsgut ist). 393 Dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73 f. 394 Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 99.
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Der Täter erwirbt hierbei die angemaßte Freiheit.395 Bei der Beantwortung der Frage, ob die Hinzufügung eines entsprechenden Elements (d. h. eines Elements, welches Erwerbsunrecht beschreibt), den grunddeliktischen Unwerttypus in seinem Wesenskern verändert (und daher ein neuer Unwerttypus begründet wird), ist eine Unterscheidung vorzunehmen. Ausgangspunkt ist dabei (erneut) eine Betrachtung des Grundtatbestandes. Enthält dieser einen Unwerttypus, der Schädigungsunrecht beschreibt, so wird durch die Ergänzung mittels des Erwerbsunrechts-Elements eine wesentliche Umformung durchgeführt. Insoweit kommt dem ergänzten Unwertsachverhalt nämlich, durch die Erwerbskomponente, ein anderer sozialer Bedeutungsgehalt zu als dem grunddeliktischen Unwertsachverhalt. Infolgedessen ist festzustellen, dass das in § 94 Abs. 2 Nr. 1 StGB aufgeführte Regelbeispiel („eine verantwortliche Stellung missbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet“) das grunddeliktische Schädigungsunrecht (vgl. § 94 Abs. 1: „Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“) zu einem neuen Unwerttypus formt. Unabhängig von der Problematik des vorgesehenen Sanktionssprungs (§ 94 Abs. 1: nicht unter 1 Jahr; § 94 Abs. 2: nicht unter 5 Jahren), welcher zum Wegfall der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung führt, und bereits deshalb die Regelbeispielsnorm als verfassungsrechtlich unhaltbar erscheint,396 ist der Ausgestaltung als bloßes Regelbeispiel auch deswegen zu widersprechen.397 Nicht zu beanstanden ist hingegen die Ausgestaltung der Misshandlung Schutzbefohlener in tatbestandsmäßiger398 Form.399 Soweit die Handlungsbe395
Vgl. Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 99. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 4 § 10. Die Entscheidung über die prinzipielle Aussetzungsfähigkeit einer gesetzlich umschriebenen Deliktsverwirklichungsform (welche sich aus dem entsprechend zugeordneten Strafrahmen bzw. dessen Mindestmaß ergibt) ist grundrechtswesentlich und damit auf abstrakter Ebene durch den Gesetzgeber zu treffen. Unzulässig sind daher Regelbeispielsnormen mit etwaigem Sanktionssprung, da bei diesen der Gesetzgeber in Hinblick auf die Strafrahmenzuordnung zu wenig vorbestimmt, mithin dem Richter ein zu großer Ermessensspielraum in Hinblick auf die Strafrahmenwahl belassen wird. Damit nämlich ist es der Richter, der letztlich über die prinzipielle Aussetzungsfähigkeit des Delikts. Im Lichte des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts (Art. 103 Abs. 2 GG) ist dies nicht haltbar, weil der Richter dann über diese grundlegende, grundrechtswesentliche Frage befindet, obwohl dies gerade Aufgabe des Gesetzgebers ist. Richtigerweise ist in diesen Fällen auf die Regelungsform des Qualifikationstatbestandes zuzugreifen, da bei diesen eine feste Verknüpfung zwischen Unwertsachverhalt und Sonderstrafrahmen („zwingend und abschließend“) besteht und die richterliche Entscheidung damit hinreichend deutlich vorbestimmt ist. 397 Im Ergebnis ebenso Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 73. 398 Im Ergebnis – jedenfalls für die Unterlassensvariante des § 225 Abs. 1 Var. 3 StGB – gleich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 76, der auf die „Derogation der Strafmilderungsmöglichkeit“ des § 13 Abs. 2 StGB abstellt und hierfür eine abschließende gesetzliche Bestimmung (in Form eines qualifizierten Delikts) fordert. 399 Insoweit enthält § 225 StGB lediglich teilweise Qualifikationstatbestände zur einfachen Körperverletzung. Da die erfassten seelischen Beeinträchtigungen keine Körperverletzung 396
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
schreibung in § 225 StGB zugleich eine Körperverletzung darstellt,400 tritt, durch das Element des Hinwegsetzens über die aus dem Schutzverhältnis401 entspringenden Verpflichtungen, zum Schädigungsunrecht der Körperverletzung Erwerbsunrecht hinzu. Der Täter maßt sich dann nämlich eine Freiheit an,402 die ihm aufgrund des Bestehens des besonderen Schutzverhältnisses (welches auf die Gesundheitssorge und die Abwehr von Gefahren für die Gesundheit des Schutzbefohlenen gerichtet ist403) gerade nicht zusteht. Diese Freiheit wiederum stellt den maßgeblichen Gegenstand des unrechtmäßigen Erwerbs dar. Die Freiheitserlangung (durch eigenmächtige Aufhebung der Verpflichtung aus dem Schutzverhältnis) bildet das Substrat des in § 225 StGB umschriebenen Erwerbsunrechts. Aufgrund des besonderen Schutzverhältnisses ist es dem Täter verwehrt, im Falle von Gesundheitsgefahren nach Belieben untätig zu bleiben.404 Indem er selbst seinen Schutzbefohlenen verletzt, verstößt er zugleich gegen die Verpflichtungen aus dem Schutzverhältnis und hebt dieses – mittels Vornahme eines „inkompatiblen Aktes“405 – faktisch einseitig auf, was eine Anmaßung von Freiheit bedeutet.406 Die veruntreuende Unterschlagung407 gemäß § 246 Abs. 2 StGB hingegen ist kein von der grundtatbestandlichen Unterschlagung losgelöster neuer Unwerttypus. Zwar ist das hinzutretende Element („Sache dem Täter anvertraut“) als ErwerbsunrechtsElement einzuordnen. Erforderlich für die Erfüllung des § 246 Abs. 2 StGB408 ist dahingehend nämlich das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauensverhältnis-
i.S.d. § 223 StGB darstellen, ist teilweise von einem eigenständigen Tatbestand auszugehen; vgl. Fischer, StGB, § 225 Rn. 2; Hirsch, in: LK-StGB, § 225 Rn. 1. 400 Siehe dazu Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 225 Rn. 1/2: „Bei der Misshandlung von Schutzbefohlenen handelt es sich um eine Qualifikation der Körperverletzung, soweit die Tathandlungen der rohen Misshandlung, der Gesundheitsschädigung durch böswillige Vernachlässigung der Sorgepflicht sowie des Quälens iF der körperlichen Integritätsverletzung in Rede stehen, und um einen eigenständigen Tatbestand, soweit sich das Quälen als die Verursachung seelischer Leiden darstellt.“. 401 Insoweit werden in § 225 Abs. 1 StGB vier Schutzverhältnisse aufgeführt; vgl. Fischer, StGB, § 225 Rn. 4. 402 Vgl. dazu Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 99. 403 Insoweit entsprechen die in § 225 StGB aufgezählten Schutzverhältnisse den anerkannten Garantenstellungen im Sinne des § 13 StGB, siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 225 Rn. 4. 404 Dies leitet sich daraus ab, dass die in § 225 StGB aufgezählten Schutzverhältnisse den anerkannten Garantenstellungen im Sinne des § 13 StGB entsprechen; siehe zur Feststellung dieses Entsprechungsverhältnisses Paeffgen, in: NK-StGB, § 225 Rn. 4. 405 Mit dieser allgemeinen Begriffsbildung im Bereich des Erwerbsunrechts Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 96. 406 Vgl. allgemein zur Einordnung der eigenmächtigen Befreiung von einer Verbindlichkeit als Erwerbsunrecht Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 99. 407 Zur Begrifflichkeit siehe Fischer, StGB, § 246 Rn. 16. 408 Siehe dazu auch Mitsch, JuS 2007, 555, 558: Qualifikation sowie Strafschärfung lassen sich ohne die Schutzwürdigkeit der Vertrauensbeziehung nicht rechtfertigen.
§ 11 Wesensfremder Unrechtstypus durch Addition von Unrechtselementen
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ses,409 weshalb sich die Zueignung (auch) als (eigenmächtige) Befreiung von der aus diesem Vertrauensverhältnis rührenden Pflicht410 zur Einhaltung der Zweckbindung411 darstellt412 und mit der Befreiung von der Pflicht aus dem Vertrauensverhältnis damit ein Erwerbsgegenstand gegeben ist. Jedoch ist auch der grundtatbestandliche Unwerttypus maßgeblich geprägt durch das Vorliegen eines Erwerbsmoments, nämlich die Zueignung einer fremden beweglichen Sache. Insoweit liegt in beiden Fällen (Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB sowie veruntreuende Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 2 StGB) der Schwerpunkt auf der Unrechtsform des Erwerbsunrechts. Das ergänzende Element stellt sich nicht als dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremd dar. Die bloße Ergänzung eines (weiteren) Erwerbsgegenstandes (bei 246 Abs. 2 StGB: die Befreiung von den Pflichten aus dem Vertrauensverhältnis) führt nicht dazu, dass dem grunddeliktischen Unwerttypus die Verfremdung in einem neuen (wesensverschiedenen) Unwerttypus widerfährt. Letztlich ist in dem Hinzutreten des in § 246 Abs. 2 StGB enthaltenen 409
So Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 246 Rn. 47; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 41; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 246 Rn. 29; Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 15 Rn. 35; Mitsch, JuS 2007, 555, 558; die folgerichtig bei Vorliegen eines Gesetzesverstoßes bzw. Sittenwidrigkeit das Vertrauensverhältnis verneinen; anders hingegen (d. h. Annahme des vorausgesetzten Vertrauensverhältnisses auch bei Gesetzesverstoß bzw. Sittenwidrigkeit) BGH, NJW 1954, 889; OLG Braunschweig, NJW 1950, 656; Hohmann, in: MK-StGB, § 246 Rn. 52; Lackner/Kühl, StGB, § 246 Rn. 13; Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 258; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 34 Rn. 46. 410 Es muss sich dabei jedoch nicht zwingend um eine rechtlich wirksame Verpflichtung handeln (siehe nur Vogel, in: LK-StGB, § 246 Rn. 64; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 41). Ausreichend ist vielmehr, dass die Zweckbindung einem schutzwürdigen Vertrauensverhältnis entspringt (daher jedoch auch kein entsprechendes Vertrauensverhältnis, wenn Gesetzesverstoß oder Sittenwidrigkeit), so zu Recht Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 246 Rn. 47; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 41; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 246 Rn. 30; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 15 Rn. 35; Mitsch, JuS 2007, 555, 558; a.A. (d. h. Annahme des vorausgesetzten Vertrauensverhältnisses auch bei Gesetzesverstoß bzw. Sittenwidrigkeit) BGH, NJW 1954, 889; OLG Braunschweig, NJW 1950, 656; Hohmann, in: MK-StGB, § 246 Rn. 52; Lackner/Kühl, StGB, § 246 Rn. 13; Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 258; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 34 Rn. 46; Otto, Strafrecht BT, § 42 Rn. 28; Rengier, Strafrecht BT I, § 5 Rn. 26; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 322; differenzierend Vogel, in: LK-StGB, § 246 Rn. 64: Einschränkung nur bei Sachen, die einem Umgangs- und Besitzverbot unterliegen. 411 Das Vertrauensverhältnis beinhaltet gerade eine gewisse Zweckbindung, mithin ist unter Anvertrauen zu verstehen „[…] die Hingabe oder das Belassen in dem Vertrauen, der Besitzer werde mit der Sache nur iS des Anvertrauenden verfahren, sie also zu einem bestimmten Zweck verwenden, aufbewahren oder zurückgeben.“ (Fischer, StGB, § 246 Rn. 16; siehe auch BGHSt 9, 90, 91; 16, 280, 282; Lackner/Kühl, StGB, § 246 Rn. 13; Küper/Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 42 ff.; Rengier, Strafrecht BT I, § 5 Rn. 25; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 246 Rn. 11). 412 Die Verpflichtung aus dem Vertrauensverhältnis hervorhebend Kindhäuser, in: NKStGB, § 246 Rn. 40: „[…] Verpflichtung zu einem bestimmten Umgang mit der Sache […]“; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 246 Rn. 11: „Anvertraut ist nach hM eine Sache, die der Täter vom Eigentümer oder einem Dritten mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder auch nur zurückzugeben […]“ [im Original teilw. hervorgehoben].
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Erwerbsmoments (Befreiung von der verpflichtenden Zweckbindung des Vertrauensverhältnisses) lediglich eine besonders intensive Verwirklichung der grunddeliktischen Unrechtsform (Erwerbsunrecht) zu erblicken, indem neben den grunddeliktischen Erwerbsgegenstand ein Zweiter tritt.413 Auch ist festzustellen, dass (letztlich) stets die Person des Eigentümers betroffen ist.414 Beide Erwerbsmomente tangieren das Interesse des Eigentümers und zwar selbst dann, wenn ein Dritter die Sache anvertraut hat.415 Insoweit wird die von einem Dritten eingeräumte Sachherrschaft nämlich nur dann als anvertrauen i.S.d. § 246 Abs. 2 StGB gewertet, wenn dies den Interessen des Eigentümers nicht zuwiderläuft.416 Begründet wird dies damit, dass die Zueignung (neben der unmittelbaren Wirkung, die bereits im Grundtatbestand beschrieben wird) nur in diesem Fall zusätzlich auch mittelbar den Eigentümer trifft.417 Entsprechend wird als Erfordernis aufgestellt, dass der Verstoß gegen das Vertrauensverhältnis stets (zumindest mittelbar) die Eigentümerinteressen tangieren muss.418 Darin zeigt sich jedoch, dass bei der veruntreuenden Unterschlagung entscheidend auf die (mittelbare) Verletzung der Eigentümerinteressen durch Verstoß gegen die Pflichten aus dem Vertrauensverhältnis abgestellt wird und daher auch die Qualifikation des § 246 Abs. 2 StGB maßgeblich durch die, insoweit jedoch mittelbare, Verletzung der Interessen des Eigentümers geprägt ist.419 Der zusätzliche Unrechtsgehalt liegt damit lediglich darin, dass neben die (im Grundtatbestand beschriebene) unmittelbare Verletzung des Eigentümerinteresses eine 413 Auch eine Einordnung als Sonderdelikt scheidet aus, da sowohl in § 246 Abs. 1 StGB als auch in § 246 Abs. 2 StGB lediglich eine Verletzung von Individualinteressen beschrieben wird. 414 Zutreffend Fischer, StGB, § 246 Rn. 2: „Verletzter ist nur der Eigentümer, auch wenn die Sache einem Dritten oder von einem Dritten anvertraut war.“. Ebenso Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 246 Rn. 1. 415 Für den Fall, dass der Eigentümer selbst die Sache anvertraut hat, ist dies offensichtlich, da das Interesse an der Einhaltung des Vertrauensverhältnisses beim Eigentümer dann gerade in seiner Stellung als Partei dieses Vertrauensverhältnisses begründet ist. 416 Küper/Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 45; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 322; Vogel, in: LK-StGB, § 246 Rn. 63; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 246 Rn. 30; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 246 Rn. 11.1; Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 258; Fischer, StGB, § 246 Rn. 17; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 186; Rengier, Strafrecht BT I, § 5 Rn. 27; Lackner/ Kühl, StGB, § 246 Rn. 13; so bereits RGSt 40, 222 f.; kritisch jedoch Hohmann, in: MK-StGB, § 246 Rn. 53; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 34 Rn. 46; Otto, Strafrecht BT, § 42 Rn. 29. 417 RGSt 40, 222, 223; folgend Küper/Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 45; siehe auch Wessels/ Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 322, die für die Veruntreuung notwendigerweise einen zumindest mittelbaren Verstoß gegen das Eigentümerinteresse fordern. Ebenso Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 258, der damit begründet, dass der Eigentümer in dem Fall, dass das Anvertrauen durch den Dritten seinen Interessen zuwiderläuft „[…] durch die Verletzung des Anvertrauensverhältnisses, an dem er nicht beteiligt ist, nicht berührt [ist].“. 418 Deutlich Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 322, die für die Veruntreuung notwendigerweise einen zumindest mittelbaren Verstoß gegen das Eigentümerinteresse fordern. Ebenso RGSt 40, 222 f.; Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 258; Küper/Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 45. 419 Vgl. dazu auch die entsprechenden Ausführungen des Reichsgerichts in RGSt 40, 222, 223.
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weitere mittelbare Verletzung des Eigentümerinteresses tritt (Letztere erfolgt dabei durch die Nichteinhaltung der aus dem schutzwürdigen Vertrauensverhältnis entspringenden Zweckbindung). Somit wird die bereits im Grunddelikt erfasste Verletzung des Eigentümerinteresses lediglich durch eine zusätzliche Beeinträchtigung desselben Interesses ergänzt, welcher jedoch eine eigenständige Bedeutung nicht zukommt, da eine über die grunddeliktische Schädigung hinausgehende Schädigung der Interessen des Eigentümers mit ihr nicht verbunden ist.420 Auch dies spricht dafür, in der veruntreuenden Unterschlagung keinen von der einfachen Unterschlagung wesensverschiedenen Unwerttypus zu erblicken, sondern eine bloße Modifikation. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich die Notwendigkeit einer genauen Prüfung. Insoweit verbietet sich eine schematische Betrachtung. Ausgangspunkt muss stets die Ermittlung des grunddeliktischen Unwerttypus sein, denn erst dies eröffnet die Möglichkeit, die Auswirkungen der Addition des entsprechenden Unwertelements zu fassen. Nur so besteht nämlich die Möglichkeit zu prüfen, ob das hinzugefügte Element tatsächlich die notwendige Wesensfremdheit aufweist.421
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Der Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem (tatbestandlich erforderlichen) Vertrauensverhältnis führt zwar dazu, dass das Interesse des Eigentümers an der Einhaltung der Verpflichtung verletzt wird. Faktisch entspricht dieses Interesse aber gerade dem Interesse des Eigentümers an der Erhaltung der Herrschaft über die Sache (letztgenanntes Interesse wird durch die Unterschlagung verletzt; so setzt eine Zueignung i.S.d. § 246 Abs. 1 StGB nämlich voraus, dass die Zuführung zum eigenen Vermögen bzw. dem Vermögen eines Dritten mit Ausschlusswirkung gegenüber dem Eigentümer erfolgt; siehe BGHSt 1, 262, 264; 16, 190, 192; 34, 309, 312; Fischer, StGB, § 246 Rn. 5; ähnlich Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 246 Rn. 9: „Der Täter muss sich selbst (oder einen Dritten) an die Stelle des Berechtigten setzen wollen, so dass die „Enteignung“ auf Opferseite mit der „Aneignung“ auf Täterseite korrespondiert […]“), da die Begründung der Verpflichtung durch das Vertrauensverhältnis gerade der Sicherstellung der Sachherrschaft dient. Verstößt der Täter gegen die Verpflichtung aus dem Vertrauensverhältnis, indem er sich die Sache zueignet, so verletzt er damit zugleich das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung der Sachherrschaft. Eine darüber hinausgehende Interessenschädigung ist mit dem Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Vertrauensverhältnis jedoch nicht verbunden, da dieses Interesse an der Einhaltung der Verpflichtung aus dem Vertrauensverhältnis ausschließlich aus dem Interesse an der Sicherstellung der Sachherrschaft resultiert. Damit zeigt sich jedoch, dass in § 246 Abs. 2 StGB keine über die grunddeliktische Interessenverletzung hinausgehende, eigenständige, Verletzung der Interessen des Eigentümers beschrieben wird. 421 Die Analyse des grunddeliktischen Unwerttypus dient damit der Festlegung des Bezugsbzw. Vergleichspunktes für die Prüfung der Wesensfremdheit. Insofern ist es für die Beantwortung der Frage nach der Wesensfremdheit nämlich (aufgrund des komparativen Charakters der Betrachtung) denknotwendig erforderlich zunächst zu klären, welche Eigenschaften der Vergleichsgegenstand aufweist. Erst dann kann nämlich darüber entschieden werden, ob sich der Betrachtungsgegenstand (insoweit ist dies der Unwertsachverhalt wie er sich nach Addition des im Regelbeispiel bzw. Qualifikationstatbestand enthaltenen Elements darstellt) in seinem Wesen maßgeblich vom Vergleichsgegenstand (grunddeliktischer Unwerttypus) unterscheidet, sodass von einem neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus auszugehen ist.
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bb) Perpetuierungsunrechts-Elemente Auch Elemente, die Perpetuierungsunrecht beschreiben, können einen Unwerttypus in seinem Wesenskern abändern, wenn sie diesem beigefügt werden.422 Gemeint sind damit solche Elemente, die entweder die dauerhafte Verfestigung eines Unrechtszustands beschreiben oder die wiederholte, auf einer übergeordneten (personalen) Unrechtsaffinität basierende,423 Erzeugung von Unrechtszuständen.424 Zu Letzterem gehören die Unrechtselemente „gewohnheitsmäßig“, „gewerbsmäßig“425 sowie „Bandenmitgliedschaft“.426 Alle diese Elemente setzen sowohl die (beabsichtigte) Begehung mehrerer Taten voraus ([beabsichtigte] Vornahme mehrerer Rechtsgutsangriffe) als auch das Bestehen eines, diese (beabsichtigten) Taten umfassenden, gemeinsamen Bezugspunkts (insoweit also einer personalen Unrechtsaffinität).427 Im Einzelnen ist dazu folgendes auszuführen: Die Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass sich der Täter aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will.428 Gerade die wiederholte Begehung soll dabei die Einnahmequelle erschließen.429 Die Wiederholungsabsicht muss sich auf das Delikt beziehen, dass durch das Hinzutreten der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert wird.430 Insoweit ist bei der Gewerbsmäßigkeit die Absicht des Täters auf die mehrfache (mithin wiederholte) Begehung des Grunddelikts und daher auf die mehrfache Vornahme von Angriffen 422
Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74. Ähnlich Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97, der davon ausgeht, dass sich in der Wiederholung des Unrechts ein dauerhaftes kriminelles Lebenskonzept ausprägt. Insoweit liegt darin ein „[…] über das einzelne Unrecht hinausgreifende[r] Unwert, der hier näher in der spezifisch individuell gestalteten Gegenwelt zu rechtlicher Vergemeinschaftung zu erblicken ist.“ (Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97). Ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 153: Einrichtung der „[…] Lebensführung gerade nach dieser Art des Erwerbs […]“. 424 Vgl. Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 96 f. 425 Ebenso für die Entstehung von Unrecht „neuer Qualität“, Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 153. 426 Siehe Klesczewski, Strafrecht BT I, S. 9; siehe dazu auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 96 f. 427 Ähnlich bereits Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 102 f., der bezüglich entsprechender Elemente einen „doppelten personalen Bezug“ ausmacht und ausführt: „Ihre Zusammenfassung zu einem Kontinuum folgt dabei zum anderen nicht allein aus ihrer äußerlichen Aneinanderreihung, sondern verdankt sich dem darin einheitlich befolgten, vom Täter anerkannten Lebenskonzept.“. 428 BGHSt 1, 383; BGH, NStZ 2004, 265, 266; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61; Lackner/ Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 52 Rn. 20; Maier, in: MK-StGB, § 260 Rn. 4; siehe auch OLG Köln, NStZ 1991, 585. 429 OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 335; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61a. 430 BGH, NJW 1996, 1069; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 335; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 61a; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 95. 423
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auf ein und dasselbe Rechtsgut gerichtet. Für die vorliegende Einordnung ist es dabei unerheblich, ob tatsächlich mindestens zwei Rechtsgutsangriffe erfolgt sind oder nicht. Selbst wenn man hinsichtlich des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit nicht voraussetzt, dass zwei Taten begangen wurden431 (also bereits im Vorfeld der abzuurteilenden Tat zu einem anderen Zeitpunkt eine Deliktsverwirklichung durch den Angeklagten erfolgt war) und deswegen eine tatsächliche wiederholte Erzeugung des Unrechtszustands nicht eingetreten ist, so handelt der Täter jedenfalls doch maßgeblich in der Intention, weitere Taten zukünftig zu begehen und damit das Rechtsgut ein weiteres mal anzugreifen. Damit stellt sich sein Verhalten völlig anders dar als bei der einmaligen Tatbegehung ohne entsprechende Intention, denn seinem Handeln liegt ein völlig anderes – nämlich ein mittel- bzw. sogar langfristig angelegtes – Handlungskonzept zu Grunde, welches gerade darauf basiert, den entsprechenden Unrechtszustand mehrfach zu schaffen. Hinzu tritt, dass die verschiedenen (beabsichtigten) Taten dadurch miteinander verklammert werden, dass der Täter sie als Einnahmequelle nutzen will. Alle (beabsichtigten) Taten dienen der Erzielung eines (dauerhaften) Vermögenszuflusses. Insoweit sind die einzelnen Taten diesem übergeordneten Zweck (Einnahmeerzielung) untergeordnet und durch diesen miteinander verknüpft. Aus dieser Zwecksetzung des Täters ergibt sich die personale Unrechtsaffinität.432 Ähnlich liegt es bei dem Merkmal der Gewohnheitsmäßigkeit. Gewohnheitmäßig handelt derjenige, der mindestens zwei Taten begeht und einen durch Übung erworbenen, ihm aber vielleicht unbewussten Hang zu wiederholter Tatbegehung hat.433 Auch bei der Gewohnheitsmäßigkeit steht die wiederholte Tatbegehung (und damit der mehrfache Rechtsgutsangriff) im Fokus.434 Zum einen muss der Hang zur Tatbegehung nämlich gerade aus der wiederholten Tatbegehung hervorgehen.435 Insoweit müssen mindestens zwei Taten begangen worden sein,436 mithin zwei Rechtsgutsangriffe in der Vergangenheit vorgenommen worden sein. Zum anderen ist der notwendige Hang gerade auf die Begehung weiterer Taten gerichtet, denn es 431
Hiergegen mit beachtlicher Argumentation und für das Erfordernis mindestens zweier begangener Taten Klesczewski, Strafrecht BT, § 7 Rn. 22. 432 Ähnlich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 153, der feststellt, dass der entsprechende Täter „[…] seine Lebensführung gerade nach dieser Art des Erwerbs eingerichtet [hat] […].“. 433 Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 63. 434 Insoweit wird vorausgesetzt, dass mindestens zwei Einzeltaten begangen wurden; siehe Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 98 – 101; Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu §§ 52 ff. Rn. 20; siehe auch RGSt 70, 338, 340 sowie (für § 292 StGB) Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 292 Rn. 40 m.w.N. 435 Vgl. Zeng, in: MK-StGB, § 292 Rn. 55: „Als gewohnheitsmäßig ist ein durch wiederholte Tatbegehung ausgebildeter […] Hang zur Tatbegehung anzusehen […].“; ähnlich Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 98 – 101: „Für die Gewohnheitsmäßigkeit ist kennzeichnend ein durch wiederholte Begehung erzeugter, eingewurzelter und selbstständig fortwirkender Hang […].“ 436 Siehe Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff. Rn. 98 – 101; Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 63; siehe auch RGSt 70, 338, 340.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
muss gerade ein Hang zu wiederholter Tatbegehung vorliegen.437 Als verbindendes Element dient hier die Voraussetzung des „Hangs“. Einerseits muss dieser aus einer (wiederholten) Tatbegehung in der Vergangenheit resultieren, andererseits auf die Begehung zukünftiger Taten gerichtet sein. Insoweit weisen sämtliche Rechtsgutsangriffe (auch die zukünftig zu erwartenden) eine Beziehung zum Merkmal des „Hangs“ auf. Dieser Hang zur Tatbegehung ist Ausdruck einer personalen Unrechtsaffinität.438 Einen entsprechenden materialen Gehalt weist auch das Element „Bandenmitgliedschaft“ auf. An zahlreichen Stellen wird die Strafe geschärft, wenn der Täter die Tat begeht als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung des entsprechenden Delikts verbunden hat.439 Teilweise genügt es auch, wenn sich die Bande zur fortgesetzten Begehung anderer Delikte verbunden hat.440 So liegt auch dann eine Bandenhehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB) vor, wenn sich die Bande zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat.441 Teilweise wird dieses Element auch als Regelbeispiel verwendet (siehe § 253 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 StGB; § 261 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 StGB; § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB). Beim Qualifikationstatbestand des Bandendiebstahls wiederum muss der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stehlen (siehe § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Essentielle Voraussetzung für das Vorliegen einer Bande ist das Bestehen einer Bandenabrede.442 Diese Bandenabrede beinhaltet den gemeinsamen Willen zur künftigen Begehung mehrerer selbständiger,443 im Einzelnen noch ungewisser Taten (des im Gesetz genannten Deliktstyps)444 über eine gewisse Dauer.445 Die Bandenabrede muss auf die fortgesetzte Begehung der entsprechenden Delikte (mithin der Begehung einer Vielzahl von Taten)446 gerichtet sein.447 Die einzelnen (ggf. noch 437
Siehe Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 63. I. E. ebenso Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97, der von einem dauerhaften kriminellen Lebenskonzept spricht. 439 Siehe § 146 Abs. 2 Alt. 2 StGB; § 152a Abs. 3 Alt. 2 StGB; § 232 Abs. 3 Nr. 3 Alt. 2 StGB. 440 Vgl. dazu auch das Regelbeispiel in § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB. 441 Freilich genügt auch eine Bande, die sich verbunden hat, um fortgesetzt Hehlereitaten zu begehen. Ausreichend sind darüber hinaus auch sog. gemischte Banden; vgl. Ruhmannseder, in: BeckOK-StGB, § 260 Rn. 3. 442 Eingehend zu dieser Vogel, in: LK-StGB, § 244 Rn. 60 ff. 443 Dies betont auch Fischer, StGB, § 244 Rn. 40. 444 Wittig, in: BeckOK-StGB, § 244 Rn. 14. 445 BGH NJW 2001, 2266; Vogel, in: LK-StGB, § 244 Rn. 62; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 244 Rn. 14; Lackner/Kühl, StGB, § 244 Rn. 6; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 35; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 297; Maurach/Schröder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 33 Rn. 130; so auch Fischer, StGB, § 244 Rn. 36. 446 Schmitz, in: MK-StGB, § 244 Rn. 43. 438
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unbestimmten) Taten finden daher ihren gemeinsamen Bezugspunkt in der Bandenabrede. Mit der Bandenstruktur (welche wiederum durch die Bandenabrede begründet wird) ist ein beständiger Anreiz zur Begehung entsprechender Taten verbunden.448 Insoweit bewirkt dies, dass auch hier eine verstärkte personale Affinität zur Begehung von Unrecht vorliegt. Das Hinzufügen des Merkmals der Bandenmitgliedschaft wandelt, da dies – wie aufgezeigt449 – ein Element ist, welches Perpetuierungsunrecht beschreibt,450 den grunddeliktischen Unwerttypus in seinem Wesenskern ab. Der neu gebildete Unwertsachverhalt ist nämlich maßgeblich durch dieses Perpetuierungsunrecht geprägt (insb. aufgrund der Anreizwirkung der Bandenabrede451 ist von einer weitaus größeren Sozialgefährlichkeit auszugehen) und schichtet sich daher qualitativ vom grunddeliktischen Unwerttypus, welcher lediglich Schädigungs- bzw. Erwerbsunrecht beschreibt, ab. Richtigerweise hat daher die Regelung im Rahmen eines Qualifikationstatbestandes zu erfolgen. h) (Weitere) Subjektive Elemente Neben den subjektiv geprägten Elementen, die bereits in den anderen Kategorien aufgeführt wurden, existieren weitere subjektive Elemente, die bei der Ergänzung des Grundtatbestands Verwendung finden können (bzw. entsprechend im StGB aufgeführt sind). So wird der Kinderhandel dadurch qualifiziert, dass der Täter aus Gewinnsucht handelt (§ 236 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1 StGB). Unter Gewinnsucht ist ein ungewöhnliches, auf ein anstößiges Maß gesteigertes Erwerbsstreben zu verstehen.452 Da bereits der Grundtatbestand ein Erwerbsmoment enthält, insoweit muss die Überlassung (§ 236 Abs. 1 S. 1 StGB) bzw. die unbefugte Vermittlung (§ 236 Abs. 2 S. 1 StGB) entweder entgeltlich oder mit Bereicherungsabsicht erfolgen, stellt das subjektive Tatbestandsmerkmal der Gewinnsucht kein artverschiedenes (grunddeliktsfremdes) Element dar. Bereits die grunddeliktischen Tatbestands447 Vgl. für den Bandendiebstahl Vogel, in: LK-StGB, § 244 Rn. 62: „Entscheidend ist, dass die Bandenabrede auf die fortgesetzte Begehung von Raub oder Diebstahl gerichtet ist.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. So auch Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 244 Rn. 25: gerichtet auf Begehung mehrerer Diebstähle oder Raubtaten. 448 Vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 34. Siehe auch BGH, NJW 1970, 1279, 1280. 449 Die, das Perpetuierungsunrecht konstituierenden Merkmale (wiederholte Erzeugung von Unrechtszuständen und Basieren dieser auf einer übergeordneten personalen Unrechtsaffinität) sind bei der Bandenmitgliedschaft verkörpert in der Bandenabrede, welche die verschiedenen (geplanten) Taten miteinander verknüpft und Anreizwirkung bezüglich einer Tatbegehung erzeugt (vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 34: mit der auf der Bandenabrede gründenden Bandenstruktur ist ein beständiger Anreiz zur Begehung entsprechender Taten verbunden). 450 Vgl. Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 97: „[…] Gemeinschaft im Unrecht gegen rechtliche Verfasstheit […]“; Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 103: Verwirklichung des gemeinschaftlichen kriminellen Lebenskonzepts. 451 Vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 34. 452 Fischer, StGB, § 236 Rn. 18; Valerius, in: BeckOK-StGB, § 236 Rn. 15; Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 236 Rn. 52; vgl. auch BGHSt 1, 388, 389; 3, 30, 32.
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merkmale Entgeltlichkeit sowie Bereicherungsabsicht beschreiben ein Streben nach einem Vermögenszufluss bzw. das Vorliegen eines solchen. Auf nichts anderes ist das ungewöhnliche Erwerbsstreben bei der Gewinnsucht gerichtet. Insoweit handelt es sich lediglich um die Beschreibung eines besonders starken Gewinnstrebens, mithin die außergewöhnlich starke Ausprägung der grunddeliktischen (subjektiven) Elemente. Es liegt daher lediglich eine quanititative Steigerung des grunddeliktischen Unrechts vor, weswegen durch die Addition des Elements Gewinnsucht der grunddeliktische Unwerttypus nicht in seinem Wesenskern verändert wird.453 Die Verwendung der Gewinnsucht als qualifizierendes Element ist daher problematisch. Insoweit verwundert auch nicht die verbreitete Forderung, dass sich das Erwerbsstreben (gerade in Hinblick auf die erhöhte Strafandrohung)454 deutlich abheben muss von der grunddeliktischen Bereicherungsabsicht.455 Keine Wesenskernveränderung ergibt sich ohne weiteres beim Totschlag aufgrund der Addition des Elements der sonstigen niedrigen Beweggründe456 (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Alt. 4 StGB).457 Deshalb ist eine Prüfung anhand der dargelegten Grundsätze angezeigt. Niedrige Beweggründe sind (nach herrschender Auffassung) Motive, die nach allgemein sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind.458 Zwar gibt es durchaus niedrige Beweggründe459, die den Wesenskern des grunddeliktischen Unwerttypus (Totschlag) abwandeln (bspw. der gesetzlich explizit genannte niedrige Beweggrund der Habgier, welcher Erwerbsunrecht beschreibt und damit neben das grunddeliktische Schädigungsun-
453 Die enge Verwandschaft zur (grundtatbestandlichen) Bereicherungsabsicht wird auch erwähnt bei Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 236 Rn. 11, die darauf hinweisen, dass das Vorliegen der erst strafbegründende Bereicherungsabsicht nicht genügt. Das Erwerbsstreben muss über die bloße Bereicherungsabsicht hinaus gehen, siehe Valerius, in: BeckOKStGB, § 236 Rn. 15; in diese Richtung auch Lackner/Kühl, StGB, § 236 Rn. 6; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 448. 454 Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 236 Rn. 11; Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 236 Rn. 52. 455 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 448; Lackner/Kühl, StGB, § 236 Rn. 6; WieckNoodt, in: MK-StGB, § 236 Rn. 52; ähnlich Valerius, in: BeckOK-StGB, § 236 Rn. 15; Eser/ Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 236 Rn. 11. 456 Bezüglich dieser niedrigen Beweggründe ist umstritten, ob es sich bei diesen um Unrechts- oder Schuldelemente handelt. Zur Einordnung als Merkmale des Unrechts: BGHSt 22, 375, 377; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 7. Differenzierend Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 81. Allgemein zum Streitstand Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 6 m.w.N. 457 In der Sache auch Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 496. 458 BGH, NJW 2002, 382, 383; NStZ 2007, 330, 331; 2008, 29; Fischer, StGB, § 211 Rn. 14a; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 29; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 5; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 95; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 37. 459 Habgier ist als gesetzlich genanntes Beispiel eines niedrigen Beweggrundes zu verstehen; siehe Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4.
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recht eine weitere Unrechtsform stellt).460 Jedoch existieren zahlreiche (von der Motivgeneralklausel erfasste) niedrige Beweggründe bei denen dies eher nicht der Fall ist bzw. jedenfalls stark bezweifelt werden kann (bspw. Eifersucht;461 Wut aus nichtigem Anlass;462 Taten aus Mutwillen bzw. Geltungsbedürfnis;463 Rassen- bzw. Fremdenhass464).465 Aufgrund der Vielgestaltigkeit möglicher niedriger Beweggründe466 kann demnach nicht stets von der Begründung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus ausgegangen werden.467 Vielmehr ist anzunehmen, dass der Großteil der niedrigen Beweggründe nicht zur Veränderung des grundtatbestandlichen Wesenskerns führt, diese mithin lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung beschreiben. Um der tatbestandlichen Ausformung als qualifiziertes Delikt Rechnung zu tragen, ist deshalb eine entsprechende restriktive Auslegung dieses Mordmerkmals vorzunehmen. Als Voraussetzung für das Vorliegen eines sonstigen niedrigen Beweggrundes ist daher zu fordern, dass lediglich solche Beweggründe genügen, die (abstrakt betrachtet) einen vom Totschlag deutlich abgeschichteten wesensverschiedenen Unwerttypus konstituieren. Es muss sich also um einen Beweggrund handeln, der ein dem Grunddelikt (Totschlag) wesensfremdes Unrecht verkörpert und durch dessen Addition der grunddeliktische Unwerttypus (Totschlag: Vernichtung menschlichen Lebens) in einen wesensverschiedenen Unwerttypus abgewandelt wird. Dies dürfte jedenfalls bei solchen Beweggründen in Frage kommen, die eine starke Ähnlichkeit zu den gesetzlich vertypten Beweggründen aufweisen, welche qualitativ anderes Unrecht beschreiben. Dies sind die Habgiertötung sowie die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, die neben das grunddeliktische (§ 212 Abs. 1 StGB) Schädigungsunrecht Erwerbsunrecht setzen.468 Wie sich noch 460
Zur Einordnung der Habgier als niedriger Beweggrund Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4: Habgier als gesetzliches Beispiel eines niedrigen Beweggrundes. 461 Zur Einordnung als niedriger Beweggrund BGHSt 3, 180. 462 Zur Einordnung als niedriger Beweggrund BGH, NJW 1967, 1140, 1141. 463 Vgl. zur Einordnung als niedriger Beweggrund BGH, NStZ-RR 2003, 78 f. 464 Zur Einordnung als niedriger Beweggrund BGH, NJW 1996, 471; 2000, 1583, 1584; NStZ 1994, 124, 125. 465 Siehe zu den Einzelfällen auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 24 ff. 466 Zutreffend wird das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe als „Motivgeneralklausel“ bezeichnet; siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48, 73; so auch Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 29. 467 In der Sache auch Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 496 f., der entscheidend auf die Frage nach dem Vorliegen eines Angriffs auf ein weiteres Rechtsgut abstellt. Gänzlich ablehnend in Bezug auf eine „qualitätsändernde Wirkung“ von Mordmerkmalen Müssig, in: FS Paeffgen, S. 301, 309. 468 Ähnliche Überlegungen zur Fruchtbarmachung der gesetzlich aufgezählten niedrigen Beweggründe sowie sonstiger spezieller Mordmerkmale finden sich bei Fischer, StGB, § 211 Rn. 22; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 30; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 85; siehe auch BGH, NStZ-RR 1996, 98 f., wonach sich die Niedrigkeit von Beweggründen schon allein daraus ergeben kann, dass sie den vertypten speziellen Mordmerkmalen nahe stehen; kritisch zu den Fällen der Verdeckungsnähe jedoch Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 37, der eine sachliche Begründung anhand allgemeiner Kriterien fordert und meint, dass es ent-
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im Laufe der Untersuchung herausstellen wird, gilt selbiges auch für das Mordmerkmal der Mordlust.469 Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht beschreibt seinerseits Perpetuierungsunrecht (nämlich die Absicht, die (zuvor) erfolgte, strafrechtlich relevante Rechtsgutverletzung ungesühnt bleiben zu lassen und damit zu „verstetigen“). Als sonstige niedrige Beweggründe kommen daher u. a. in Betracht: die Tötung zur Erlangung von Erwerbsaussichten470 bzw. aufgrund wirtschaftlichen Durchsetzungsstrebens471; daneben wohl auch die Tötung zur Verdeckung von Ordnungswidrigkeiten bzw. beruflichen Verfehlungen.472 Gleichwohl ist jedoch eindringlich darauf hinzuweisen, dass die bloße Ähnlichkeit mit einem der gesetzlich vertypten niedrigen Beweggründe für sich genommen noch nicht die Einordnung als sonst niedriger Beweggrund rechtfertigt.473 Erforderlich ist vielmehr eine eigenscheidend ist, ob „[…] der Täter die Tötung gezielt als Mittel zur Verwirklichung eigener Ziele einsetzt.“ [im Original teilweise hervorgehoben] (Neumann, a.a.O., Rn. 27). Die überwiegenden Stimmen wollen hierbei auf sämtliche vertypte Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe zugreifen. Dem ist freilich nicht zu folgen. Bei einem solchen Vorgehen wird nämlich folgendes übersehen. Zur Rechtfertigung der Ausgestaltung des Mordtatbestandes als qualifiziertes Delikt zum Totschlag (und damit zur Rechtfertigung des „Sprungs“ im Bereich der Strafandrohung) bedarf es der sachgerechten Abschichtung zwischen beiden Delikten im Unrechtsbereich. Die gesetzliche Ausgestaltung lässt sich grundsätzlich nur dann rechtfertigen, wenn im Mordtatbestand ein neuer, wesensfremder (schwererer) Unwerttypus erfasst wird. Demgegenüber können Elemente, die lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung beschreiben, die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes regelmäßig nicht tragen. Diese Grundsätze sind auch bei der Ausdifferenzierung der Motivgeneralklausel (siehe zu diesem Begriff Schneider, in: MKStGB, § 211 Rn. 48, 73; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 29) zu beachten. Soll diese in Anlehnung an die vertypten Beweggründe (der 1. und 3. Gruppe der Mordmerkmale) konkretisiert werden (wofür sich der Bundesgerichtshof auf der Ebene der (konkreten) Rechtsanwendung ausgesprochen hat, siehe BGH, NStZ 1996, 189, 190: „Die Gesetzesfassung („sonst aus niedrigen Beweggründen“) legt es […] nahe, von den benannten Merkmalen auszugehen und zu prüfen, ob die von ihnen im konkreten Fall nicht erfaßten Beweggründe des Täters auf vergleichbar tiefer Stufe stehen.“), so können lediglich diejenigen vertypten Beweggründe herangezogen werden, die ihrerseits vom Totschlag abgeschichtete neue, wesensverschiedene Unwerttypen begründen. Legt man beim Mordmerkmal Mordlust die gängige Auslegung zu Grunde (nach der insb. auch die grundlose Tötung erfasst sein soll; vgl. BGH, NJW 2002, 382, 384; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49, 52; Otto, Strafrecht BT, § 4 Rn. 5 („[…] wenn die Tötung als solche Zweck der Tat ist.“); zu Recht ablehnend Fischer, StGB, § 211 Rn. 8; Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8), so erscheint es äußerst fraglich, ob dieses Merkmal einen neuen, wesensfremden Unwerttypus beschreibt. Letztlich müssen daher zunächst die vertypten Beweggründe sachgerecht ausgeformt (und ggf. restriktiv interpretiert) werden, bevor aus diesen Ableitungen für die Konkretisierung der Motivgeneralklausel getroffen werden können. 469 Siehe dazu eingehend Kapitel 7 § 21. 470 Im Ergebnis ebenso BGH, StV 2000, 21: Tötung, um in den Genuß der auf das Opfer abgeschlossenen Lebensversicherung zu kommen. 471 Im Ergebnis ebenso Fischer, StGB, § 211 Rn. 22. 472 Im Ergebnis ebenso BGH, NStZ 1992, 127 f.; 1997, 81; Fischer, StGB, § 211 Rn. 22; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 85. 473 Ebenso kritisch Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7; Saliger, StV 2003, 38, 40; eingehend zur Ablehnung eines „Ähnlichkeits“-Schlusses Kapitel 7 § 21 B.
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ständige Prüfung, bei der es u. a. auf die Gleichwertigkeit und den Bezug zum (in der wissenschaftlichen Diskussion noch nicht abschließend ermittelten474) Leitkriterium ankommt. Bei der Entwicklung des Leitkriteriums vermag die vorgenommene Abgrenzung zwischen bloßer quantitativer Unrechtssteigerung und qualitativer Wandelung des Unrechts (Wesenskernänderung) durchaus hilfreich sein. Unabhängig davon kann aufgrund dieser Ausführungen jedoch Stellung genommen werden zum bisherigen Meinungsstand. Nicht gefolgt werden kann der h.M.,475 wenn sie bei Vorliegen bestimmter Motive476 danach abgrenzt, ob diese nachvollziehbar sind (dann Ablehnung eines sonstigen niedrigen Beweggrundes)477 oder nicht. Die Unverständlichkeit des Tatmotivs stellt kein Element dar, das eine solche Tötung von der „normalen“ Tötung wesentlich abhebt. Im Übrigen folgt das gefundene Ergebnis aus der notwendigen (im Vergleich zur überwiegenden Auffassung) eingeschränkten Auslegung des speziellen niedrigen Beweggrundes Mordlust.478 So ist Mordlust nach der hier entwickelten Auffassung – welche in einem anderen Abschnitt dieser Arbeit erarbeitet wird479 – nicht schon gegeben, wenn der Täter völlig grundlos480 tötet.481 Es ist für das Merkmal Mordlust 474
Siehe zum Forschungsstand Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 73 ff. Siehe BGH, NJW 2005, 996, 998; 2006, 1008, 1111; so auch Eschelbach, in: BeckOKStGB, § 211 Rn. 33; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 37; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 17; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 73, 99, 103; für die Fälle der reaktiven, affektiv bestimmten Tötung, siehe Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 27, 33. 476 So hauptsächlich bei den Gefühlsregungen Wut, Zorn, Ärger, Hass, Rachsucht; vgl. dazu BGH, NJW 2006, 1008, 1111. Für Eifersucht siehe Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 33. 477 So Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 27; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 17. 478 Eingehend dazu Kapitel 7 § 21. 479 Siehe dazu Kapitel 7 § 21. 480 Gemeint sind damit die Fälle, in denen das Gericht zunächst die Grundlosigkeit zweifelsfrei (positiv) festgestellt hat und (darauf aufbauend) zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der „[…] Täter mit der Einstellung [ge]tötet [hat], für seine Verbrechen keinen weiteren Grund haben zu müssen.“ (Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52). Gelingt bereits die positive Feststellung des Tatmotivs („Grundlosigkeit“) nicht, so scheidet Mordlust bereits aus diesem Grunde aus (so zu Recht Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 7; vgl. unter dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe BGH, NStZ 2006, 166, 167). Es ist nicht genügend, dass das Gericht ein Tatmotiv nicht feststellen kann (Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 7; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52). Darüber hinaus genügt die bloße Feststellung der Grundlosigkeit jedoch auch nicht (BGH, Urteil v. 28. 11. 2007 – 2 StR 477/07, juris Tz 19: Umstand bloßer Motivlosigkeit für sich allein genügt nicht; siehe auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 8, der dem lediglich indiziellen Charakter zuspricht). 481 So auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 8 (jedoch mit Verortung in den Bereich der sonstigen niedrigen Beweggründe, siehe Fischer, a.a.O., Rn. 22); Köhne, Jura 2009, 100, 101; Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8 (zur Ablehnung bzgl. der Annahme eines sonstigen niedrigen Beweggrundes, Neumann, a.a.O., Rn. 42); Saliger, StV 2003, 38, 39 f.; a.A. BGH, NJW 2002, 382, 384; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49, 52; Otto, Strafrecht BT, § 4 Rn. 5; ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31: Tötung ohne jeden Anlaß umfasst. Zweifelnd Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16: „[…] Mordlust begrifflich eigentlich 475
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vielmehr ein bestimmtes Erwerbsmoment482 zu fordern.483 Dann nämlich ergänzt dieses Merkmal das grundtatbestandliche Schädigungsunrecht (die Tötung eines Menschen) durch Erwerbsunrecht und wandelt dadurch den grundtatbestandlichen Unwerttypus in seinem Wesenskern ab, was wiederum in der Begründung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus mündet. Fallen jedoch bei dem vertypten Beweggrund Mordlust sämtliche Fallgruppen, die kein Erwerbsunrecht beschreiben, weg (u. a. die Fallgruppe „grundlose Tötung“), so wirkt sich dies auch im Rahmen der Konkretisierung der „sonstigen niedrigen Beweggründe“ aus. Bei dieser Motivgeneralklausel484 ist daher grundsätzlich die Maßgabe aufzustellen, dass nur ein solcher Beweggrund genügt, der wesensfremdes Unrecht verkörpert und durch dessen Addition der grunddeliktische Unwerttypus in einen wesensverschiedenen Unwerttypus abgewandelt wird. Nur so lässt sich die Ausgestaltung des Morddelikts als Qualifikationstatbestand rechtfertigen.485 Die Sicherstellung dieser Grundlagen kann das bisherige Vorgehen bezüglich der Bestimmung des Vorliegens eines sonstigen niedrigen Beweggrundes (Unterscheidung zwischen Nachvollziehbarkeit und Nichtnachvollziehbarkeit (d. h. Fehlen eines einleuchtenden Grundes)486 nicht gewährleisten. Dieses ist infolgedessen abzulehnen.
nicht anzunehmen, wenn jedes Motiv zur Tötung fehlt.“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Siehe auch Grünewald, HRRS 2015, 162, 164, die hierzu ausführt: „Die grund- oder anlasslos begangene Tat lässt sich also nur als Grundtatbestand des jeweiligen Delikts konzipieren.“. Siehe auch Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 373 f. 482 Ausführlich dazu Kapitel 7 § 21 B. II. 483 Insoweit ist eine Befriedigung des Täters durch den Tötungsvorgang bzw. Tötungserfolg zu fordern; vgl. Fischer, StGB, § 211 Rn. 8. Dies liegt jedenfalls vor bei folgenden Fallgruppen: Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens; Tötung zur nervlichen Stimulanz; sportliches Vergnügen. Abzulehnen ist hingegen die Qualifizierung der Tötung aus Langeweile als Mordlust; a.A. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16. 484 Zur Begrifflichkeit Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48, 73. 485 Daher ist die Tötung in dem Bewusstsein, für die Tötung keines Grundes zu bedürfen, wohl auch nicht als Mord aus niedrigen Beweggründen einzuordnen; im Ergebnis wie hier Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42; Saliger, StV 2003, 38, 39 f.; a.A. BGH, Urteil v. 28. 11. 2007 – 2 StR 477/07, juris Tz 19; BGH, Urteil v. 19. 10. 2011 – 1 StR 273/11, juris Tz 32; Fischer, StGB, § 211 Rn. 22; Jähnke, in: LK-StGB, § 211 Rn. 25; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 5a; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 18; bereits unter das Merkmal der Mordlust subsumierend BGH, NJW 2002, 382, 384; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52; der Rechtsprechung folgend Otto, Strafrecht BT, § 4 Rn. 5. Kritisch hingegen auch Grünewald, HRRS 2015, 162, 164, die hierzu ausführt: „Die grundoder anlasslos begangene Tat lässt sich also nur als Grundtatbestand des jeweiligen Delikts konzipieren.“. 486 Vgl. dazu Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 73, 99, 103.
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5. Die ambivalenten Komplementärnormen a) Umschreibung Es hat sich an mehreren Stellen in den vorangegangenen Ausführungen bereits angedeutet, dass Komplementärnormen nicht stets entweder ausschließlich einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypen formen oder ausschließlich eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus enthalten. Sie (scil. die Komplementärnormen) können damit nicht immer in eine der beiden Kategorien (Konstitution eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus: Ja oder Nein) eingeordnet werden. Insoweit existieren Mischformen. Bei diesen unterfallen der Komplementärnorm sowohl Konstellationen, die einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus darstellen als auch solche, die als rein quantitative Unrechtssteigerungen, also bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus, einzuordnen sind. In diesen Fällen liegt eine gemischte bzw. ambivalente Qualifikation bzw. Regelbeispielsnorm vor. Diese Komplementärnormen sind von einer Ambivalenz (im Sinne einer Zwiespältigkeit) geprägt. So kann es bspw. vorkommen, dass ein qualifiziertes Delikt seinem Anwendungsbereiche nach nicht ausschließlich Konstellationen erfasst, welche abstrakt betrachtet einen neuen, wesensfremden Unwerttypus darstellen, sondern daneben auch bloße Abwandlungen (bspw. quantitative Unrechtssteigerungen) des grunddeliktischen Unwerttypus (ambivalente Qualifikationstatbestände). Selbiges gilt auch für Regelbeispielsnormen. b) Abgrenzung Ambivalenten Komplementärnormen liegen ebensolche (mithin ambivalente) Merkmale zu Grunde. Dies sind Merkmale, die – regelmäßig aufgrund des hohen Abstraktionsgrades ihrer Fassung – sowohl bloße (unwesentliche) Modalitäten der Tatbegehung bzw. Steigerungsgrade grunddeliktischer Merkmale als auch qualitativ anderes Unrecht erfassen. Diese Merkmale zeichnen sich mithin dadurch aus, dass ihnen eine große Bandbreite verschiedenster Konstellationen unterfällt, sodass ihnen – je nach Betrachtungswinkel – sowohl bloße Abwandlungen des grunddeliktischen Unwerttypus als auch völlig neue, dem Grunddelikt wesensfremde Unwerttypen entnommen werden können (d. h. beiderlei von ihrem Wortlaut umfasst sind). Diese ambivalenten Merkmale bzw. Faktoren sind damit einerseits von denjenigen zu unterscheiden, die ausschließlich (oder jedenfalls nahezu ausschließlich) eine quantitative (und damit mengenmäßige) Steigerung des grunddeliktischen Unrechts bzw. der grunddeliktischen Schuld ausdrücken. Eine solche bloß quantitative Steigerung enthalten bspw. Merkmale, die lediglich eine Steigerungsform eines grundtatbestandlichen Elements erfassen (bspw. die Umschreibung eines gesteigerten tatbestandlichen Erfolges). Exemplarisch487 soll dafür das Regelbeispiel des 487 Weitere Beispiele für Merkmale, die lediglich eine quantitative Erhöhung des Unrechts umschreiben, finden sich bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158 f. Neben den von Eisele
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§ 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) genannt werden.488 Der Strafrahmenwechsel wird bei dieser Norm (freilich aufgrund des Regelbeispielscharakters vorbehaltlich einer etwaigen Widerlegung der Indizwirkung des Regelbeispiels)489 an die besonders intensive Verwirklichung des grundtatbestandlichen Erfolgs geknüpft.490 Dass dies nur eine „mengenmäßige“ Steigerung des grunddeliktischen Erfolgsunrechts491 darstellt, ist hier besonders „greifbar“. Jedoch ist auch zuzugegeben, dass ab einem bestimmten Punkt die Quantität der Vermögensschädigung in Qualität umschlagen mag, bspw. wenn damit eine existenzvernichtende Wirkung eintritt. Gleichwohl erfasst das Regelbeispiel, welches eine solche Qualität der Vermögensschädigung gerade nicht erfordert,492 nahezu ausschließlich rein quantitative Steigerungen des grunddeliktischen Erfolgs.493 Seinem Sinngehalte nach steht bei diesem Regelbeispiel primär die Höhe des Vermögensschadens im Fokus, was sich auch an der entsprechenden „zahlenmäßigen Grenzziehung“ der Rechtsprechung zeigt.494 Damit jedoch ist dieses genannten Normen enthält auch § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO („in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“) eine bloß quantitative Unrechtserhöhung, insoweit in Form der Steigerung des grunddeliktischen Erfolgs (dieser liegt in der Steuerverkürzung bzw. der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile; dazu Jäger, in: Klein, AO, § 370 Rn. 80). 488 In anderem Zusammenhang § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB als Beispiel für eine quantitative Unrechtssteigerung nennend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. Siehe auch Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 847: „Hierbei handelt es sich um einen quantitativ erheblichen Vermögensschaden […].“. 489 Allgemeine zur Indizwirkung von Regelbeispielen Kapitel 2 § 4 C. 490 So bereits Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. Insoweit hat das Merkmal des Vermögensverlustes (großen Ausmaßes) sein Pendant im grunddeliktischen Erfolg (dazu, dass der Eintritt der Vermögensschaden beim Betrug den tatbestandlichen Erfolg bedeutet, vgl. Saliger, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 263 Rn. 182: Vermögensschaden bestimmt den Vollendungszeitpunkt und strukturiert den Betrug als Erfolgsdelikt) des Vermögensschadens (mit ähnlicher Tendenz Saliger, a.a.O., Rn. 320: Regelbeispiel stellt auf den Taterfolg ab; siehe auch Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 847: „Hierbei handelt es sich um einen quantitativ erheblichen Vermögensschaden […].“.). Dies zeigt auch die Umschreibung des Begriffes „Vermögensverlustes großen Ausmaßes“. Ein solcher liegt dann vor, wenn „[…] der beim Opfer eingetretene Vermögensverlust deutlich das für § 263 typische Maß übersteigt.“ (Hefendehl, a.a.O., Rn. 848; in der Sache ebenso Kindhäuser, in: NK-StGB, § 263 Rn. 394; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 66. Kritisch in Hinblick auf die Verwendung dieses Merkmals als Regelbeispiel Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 82 f. 491 Vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 188b: Alternative stellt auf „[…] Erfolgsunwert in Gestalt eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes […]“ ab. Siehe auch Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 847: „Hierbei handelt es sich um einen quantitativ erheblichen Vermögensschaden […].“.). 492 Dies ergibt sich bei systematischer Auslegung aus einem Blick auf das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 StGB („eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt“). 493 Plakativ: „besonders umfangreiche Vermögensschäden“. 494 So soll das Regelbeispiel dann erfüllt sein, wenn Werte ab 50.000 Euro gegeben sind (BGHSt 48, 360, 361 ff.; 53, 71, 81; zustimmend Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 852; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 60. Lfg. Februar 2004], § 263 Rn. 282; Kindhäuser, in: NK-StGB,
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Merkmal insgesamt als Ausdruck einer quantitativen Steigerung des grunddeliktischen Erfolgsunrechts einzustufen,495 nicht jedoch als ambivalentes Merkmal. Merkmalen dieser Art gleichzustellen sind jene Faktoren, bei denen die Umschreibung einer bloßen Tatausführungs-Modalität, welche das Gesamtgeschehen insoweit im Wesentlichen unberührt lässt, vorliegt. Auch hier (wenn auch nicht so augenscheinlich wie bei den vorgenannten Merkmalen) erschöpft sich das Merkmal in seinem Kern in der bloßen Erhöhung des Unrechts bzw. der Schuld. Denn ihm fehlt es an einem hinreichend prägenden Gewicht, welches seinem Hinzutreten eine Transformation in einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus folgen ließe. Andererseits sind die ambivalenten Merkmale jedoch auch von solchen Merkmalen abzugrenzen, die als rein qualitativ einzuordnen sind, weil sie so maßgeblich vom grunddeliktschen Unwerttypus abweichen, dass sie keinesfalls (also in keiner der denkbaren Verwirklichungsvarianten496) als bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus erscheinen. c) Zusammenfassung und Beispiel Festzuhalten ist damit an dieser Stelle, dass es bei materialer Betrachtung drei Sorten von Komplementärnormen gibt. Zum Einen diejenigen, welche ausschließlich (oder jedenfalls nahezu ausschließlich) eine bloße Modifikation, also (unselbstständige) Abwandlung, des grunddeliktischen Unwerttypus umschreiben (Bsp.: Qualifikationen bzw. Regelbeispielsnormen, die (nahezu) ausschließlich eine quantitative Steigerung des grunddeliktischen (Erfolgs-)Unrechts ausdrücken, so u. a. § 263 Abs. 3 S. 2 Var. 1 StGB, § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB). Das gegenüberliegende Extrem bilden Komplementärnormen, bei welchen aufgrund der Addition der strafrahmenschärfenden Faktoren ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener Unwerttypus gebildet wird. Dies sind letztlich Normen, welche solche Elemente beinhalten, die aufgrund ihrer vom Grunddelikt abweichende Qualität zur Begründung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus führen. Diesen Normen ist (aufgrund ihrer Merkmale) die Konstitution eines neuen Unwerttypus immanent, sodass die Erfüllung der Merkmale stets zu etwas im Vergleich zum Grunddelikt Wesensfremden führt. Zwischen diesen beiden Arten stehen die am§ 263 Rn. 394; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 66; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 188c; Rengier, Strafrecht BT I, § 13 Rn. 279; kritsch jedoch Fischer, StGB, § 263 Rn. 215a; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 594. 495 In anderem Zusammenhang § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB als eine quantitative Unrechtssteigerung einordnend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158. 496 Bei diesen Komplementärnormen tritt mit der Verwirklichung des Merkmals stets eine wesentliche Entfernung vom grunddeliktischen Unwerttypus ein. Das Merkmal hat damit ein solches Gewicht, dass es unabhängig von den konkreten Umständen seiner Verwirklichung immer eine Wesensveränderung herbeiführt (insoweit stellt sich der Sachverhalt (gerade wegen der Verwirklichung des Merkmals) als ein völlig anderer dar). Ist dies der Fall, so bedeutet bei abstrakter Betrachtungweise die Addition dieses Merkmals die Begründung eines neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus.
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bivalenten (bzw. gemischten) Komplementärnormen, die insoweit – mit jeweils unterschiedlichem „Mischungsverhältnis“ – sowohl bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus als auch völlig neue, dem Grundelikt wesensfremde Unwerttypen enthalten. Um diese (zugegebenermaßen sehr abstrakten) Ausführungen zu veranschaulichen, soll nachfolgend eine Norm benannt werden, bei welcher der Gesetzgeber als strafrahmenschärfende Faktoren ambivalente Merkmale verwendet hat. Zunächst soll die in § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB enthaltene Qualifikation des Geheimnisverrats genannt werden. Nach dieser tritt in Form eines qualifizierten Delikts eine (zwingende) Verschärfung des Strafrahmens ein, wenn der Täter in der Absicht gehandelt hat, einen anderen zu schädigen. Der Wortlaut enthält keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Schädigungen bzw. das Betroffensein bestimmter Lebensbereiche.497 Umfasst sind damit – lässt man die anderen Auslegungsarten außer Betracht – auch solche (intendierte) Schädigungen,498 die das grunddeliktische Geheimhaltungsinteresse499 als solches bzw. das diesem vorgelagerte Interesse, namentlich den Anknüpfungspunkt (Grund) für die Unterschutzstellung der offenbarten Information, betreffen. Hat der Betroffene ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse gerade deswegen, weil eine bestimmte Information potentiell bloßstellenden Charakter hat, so hat die vom Täter intendierte Bloßstellung keinen eigenständigen Unwert gegenüber der bereits mit der Grunddeliktsverwirklichung einhergehenden Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs.500 Die Bloßstellung ist vielmehr lediglich die reale Verkörperung dieser grunddeliktischen Schädigung. Dies jedoch stellt keinen neuen, wesensfremden Unwerttypus dar. Selbst wenn man in dieser beabsichtigten Bloßstellung eine Steigerung des grunddeliktischen Unrechts erblickt, so bewirkt die Addition dieses Elements keine maßgebliche „Entfremdung“ vom grunddeliktischen Unwerttypus, sondern formt diesen nur weiter aus. Andererseits sind vom Wortlaut des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB jedoch auch beabsichtigte Schädigungen völlig anderer Rechtsgüter (bspw. solche des Vermögens) erfasst. In Hinblick auf solche hinzutretende Schädigungen kann durchaus von einer maßgeblichen Um- bzw. Neuformung gesprochen werden, da das andere (betroffene) Rechtsgut ein völlig neuer (dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremder) Aspekt ist, der das Gesamtgeschehen in einem völlig anderen Lichte erscheinen lässt. 497
Zur Wortlautauslegung Kapitel 7 § 20 B. III. 1. Es verwundert daher nicht, dass die h.M. (zur Erfüllung des Qualifikationstatbestandes) auch die intendierte Bloßstellung des Betroffenen genügen lassen will; siehe Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; a.A. jedoch Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84. Es wird sich noch zeigen, dass dieses Ergebnis der h.M. – gerade wenn man die vertikale Systematik in die Betrachtung einbezieht – nicht aufrechterhalten werden kann (ausführlich dazu Kapitel 7 § 20 B.). 499 Das Vorliegen eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses ist insoweit Voraussetzung für die Erfüllung des Grundtatbestandes; siehe nur OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 235; Fischer, StGB, § 203 Rn. 6. 500 Ausführlich dazu Kapitel 7 § 20 B. I. 498
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Das Hinzutreten der beabsichtigten Schädigung eines anderen Rechtsguts konstituiert insoweit einen neuen, wesensfremden Unwerttypus. Das Beispiel zeigt bereits, dass die Figur der ambivalenten Komplementärnorm zunächst der Umschreibung bestimmter Regelungsarten dient, jedoch darüber hinaus weitergehende Fragen, insbesondere der nach der (sachgerechten) Anwendung solcher Normen, aufwirft. Darauf soll in einem späteren Abschnitt der Untersuchung501 vertieft eingegangen werden. 6. Die Bildung ambivalenter Regelbeispielsnormen im Lichte des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts Die Erkenntnis über die Existenz ambivalenter Komplementärnormen führt mit Blick auf die vorausgegangenen Erläuterungen zur Vorgabenwirkung des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts (Art. 103 Abs. 2 GG) direkt zu der Fragestellung, wie solche Normen in Hinblick auf dieses verfassungsrechtliche Postulat und seine Vorgabenwirkung bezüglich der internen Deliktsgruppengestaltung zu bewerten sind, ob sie also, wenn sie in Form eines Regelbeispiels in das Gesetz eingefügt werden, als ein verfassungsrechtlich legitimes Mittel zur Strafrahmenabstufung anzusehen sind. Eine zentrale Feststellung des aktuellen Abschnitts ist es, dass der (in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich fundierte) strenge, strafrechtliche Parlamentsvorbehalt es verbietet, neue, dem jeweiligen Grunddelikt wesensverschiedene Unwerttypen in Form von Regelbeispielen zu normieren.502 Es fragt sich, wie in diesem Zusammenhang die ambivalenten Regelbeispielsnormen zu sehen sind, welche ja gerade per definitionem503 auch Fälle qualitativ anderen Unrechts (und damit Fallgruppen, die für sich betrachtet als neue, wesensverschiedene Unwerttypen erscheinen) enthalten. Jedenfalls zu weit ginge es, den ambivalenten Regebeispielsnormen aufgrund dieses Inkludierens qualitativer Unrechtsabwandlungen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit vollends abzusprechen. Denn wegen der, i.Ü. einer jeden Strafnorm immanenten,504 abstrakten Fassung der Regelbeispiele ließe sich bei (nahezu) jedweder Regelbeispielsnorm zumindest eine Fallgruppe finden, die einen wesensverschiedenen Unwerttypus darstellt. Dann jedoch würde aus dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt folgen, dass die Gesetzestechnik der Regelbeispielstechnik per se verfassungswidrig wäre. Dies würde jedoch verkennen, dass es für die Regelbeispielsmethode durchaus eine sinnvolle Verwendung gibt, so bspw., wenn die entsprechenden Faktoren, würden sie in Form einer Qualifikation „ge501 502 503 504
Dazu Kapitel 6 § 17. Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. Dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 5. Vgl. dazu die Ausführungen von Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 91 ff.
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
gossen“ werden, in bestimmten Fällen (nämlich bei Vorliegen massiv unrechts-/ schuldmindernder Umstände) zu Spannungen in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (bzw. ggf. das Übermaßverbot) führen würden.505 Dies betrifft namentlich diejenigen Fälle, in denen ein kriminalpolitisches Bedürfnis dafür besteht, bestimmte Ausführungsmodalitäten als Strafrahmenänderungsgründe auszugestalten, zur Verhinderung dieser gleichheitsrechtlichen Spannungen und zur Erhaltung der notwendigen Flexibilität jedoch von einer Ausgestaltung als Qualifikationstatbestand abzusehen ist, und stattdessen eine Formung als Regelbeispiel zu erfolgen hat. Überdies erscheint die Richtigkeit einer solch rigiden Auffassung auch dann fraglich, wenn man den Blickwinkel des Normunterworfenen, auf dessen Sicht es im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG ankommt,506 einnimmt. Für den juristischen Laien ist, wenn ein Regelbeispiel nur in (sehr) geringem Maße Fallgruppen qualitativ anderen Unrechts enthält, in der Norm nichts Wesensfremdes vertypt. Denn der juristische Laie wird sich regelmäßig am Kernbereich des Regelbeispiels orientieren. Diejenigen Fallgruppen, deren Erfassung zwar durch (genaue) Auslegung und Analyse des jeweiligen Regelbeispiels ermittelt werden kann, die jedoch dem Regelbeispiel bei unbefangener Betrachtung des Normwortlauts nicht ohne Weiteres (mithin nicht ad hoc) zuzuschreiben sind, wird er indes unbeachtet lassen. Es ist daher auch unter diesem Aspekt nicht einsichtig, einer Regelbeispielsnorm bereits dann ihre Verfassungswidrigkeit zu attestieren, wenn sie nur in ihrem Randbereich Unrecht qualitativ anderer Art enthält. Infolgedessen ist ein vermittelnder Weg einzuschlagen. Ausgangspunkt ist wiederum auch bei den ambivalenten Regelbeispielen die ermittelte Abgrenzung (und damit die Frage nach der Begründung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus).507 Daneben ist die soeben angedeutete Unterscheidung zwischen Kernbereich und Randbereich des jeweiligen Regelbeispiels(-begriffs) zu beachten. Es kommt damit im Einzelfall auf das jeweilige „Mischungsverhältnis“ an. Im Ergebnis ist die Verwendung der Regelbeispielstechnik unzulässig, wenn das ambivalente Merkmal in seinem Kernbereich einen qualitativ anderen Unwerttypus beschreibt, mithin der Kernbereich der Komplementärnorm einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus abbildet. Dies ist der Fall, wenn sich bei einem unbefangenen Blick (mithin augenscheinlich) der in der Komplementärnorm abgebildete Unwertsachverhalt als neuer, wesensverschiedener Unwerttypus darstellt, die Komplementärnorm in ihrem Kernbereich also einen solchen neuen Unwerttypus abbildet. Unbeachtlich ist es dabei, dass bzw. wenn die Komplementärnorm in ihrem Randbereich bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst. 505
Eingehend dazu Kapitel 5 § 13. Insoweit wird bei der Überprüfung einer Strafnorm anhand des Bestimmtheitsgebots darauf abgestellt, welcher Wortsinn die Norm aus Bürgersicht zukommt; vgl. BVerfGE 71, 108, 115, 121; Hill, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI [1989], § 156 Rn. 66; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 179. 507 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 506
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Diese Formeln zeigen bereits, dass es letzten Endes stets eine Frage der einzelnen (Komplementär-)Norm ist. Daher ist jeweils eine Einzelprüfung veranlasst. Als Faustregel kann dabei folgender Maßstab festgehalten werden: Ergibt sich aus der Addition des jeweiligen Regelbeispiels in aller Regel die Transformation in einen neuen, wesensfremden Unwerttypus? Hier ist insoweit auf den materialen Kernbereich des jeweiligen Merkmals abzustellen und danach zu fragen, ob die Eigenart des im Kernbereich des Merkmals liegenden Unrechts508 die Transformation in einen neuen, wesensfremden Unwerttypus bewirkt. Dies zeigt bereits, dass regelmäßig solche Merkmale ausscheiden (diese also insoweit verfassungsrechtlich unproblematisch sind), die aufgrund ihrer vagen bzw. abstrakten Fassung nur einen wenig greifbaren Kernbereich haben. Einen (ersten) Anhaltspunkt kann unter Umständen die Beantwortung der Frage bilden, ob sich die Verwirklichung des Regelbeispiels für sich genommen als Tatbestandsverwirklichung eines neu zu schaffenden Deliktes verstehen ließe. Besonders anschaulich zeigt sich die Anwendung dieser Grundsätze bei solchen Merkmalen, die bereits nach der oben entwickelten Definition nicht als ambivalente Merkmale anzusehen sind.509 Auf diese soll deshalb im Folgenden – trotz ihre Nichtzuordnung in den Bereich der ambivalenten Komplementärnormen – eingegangen werden. Dies geschieht zum einen aufgrund ihre Geeignetheit, die nachfolgende Problemstellung zu verdeutlichen. Zum anderen bewirkt ihr Nichtunterfallen unter die Begrifflichkeit „ambivalente Komplementärnorm“ ohnehin nicht, dass sämtliche verfassungsrechtliche Bindungen entfallen. Deshalb kann auch für diese Merkmale eine verfassungsrechtliche Prüfung anhand des soeben aufgezeigten Maßstabs durchgeführt werden. Überdies wird durch die nachfolgende Prüfung auch deutlich, dass es – unabhängig von der Frage nach einer Zuordnung dieser Merkmale in den Bereich der ambivalenten Merkmale – verfassungsrechtlich zulässig ist, diese Merkmale in Form von Regelbeispielen in das Gesetz einzufügen. Insoweit zeigt die nachfolgende Prüfung auf, dass die Regelbeispielsnormen, welche die entsprechenden Merkmale enthalten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Die Ausführungen dienen damit (auch) der Bestätigung dieser Normen aus verfassungsrechtlicher Sicht. Gemeint sind vorliegend die Fälle, in denen das Merkmal eines besonders schweren (Gefahr-)Erfolgsunrechts zum Strafrahmenänderungsgrund in Form eines Regelbeispiels erhoben wird, ohne dass eine nähere gesetzliche Präzisierung erfolgt (so bei § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB: „besonders schwerer Nachteil für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“; § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB: „Vermögensverlust großen Ausmaßes“; § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO): „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile
508 509
Bzw. die Eigenart des im Kernbereich des Merkmals liegenden Schuldaspektes. Dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 5. b) und c).
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Kap. 4: Anforderungen an die Binnengliederung einer Deliktsgruppe
erlangt“). Bei diesen Regelbeispielen ist die Umschreibung derart kryptisch,510 dass ihnen kaum bzw. lediglich ein verschwommener Kernbereich entnommen werden kann. Aufgrund dessen kann den entsprechenden strafrahmenschärfenden Merkmalen eine transformierende Wirkung nicht zuerkannt werden, weil mit dem Hinzutreten des jeweiligen Merkmals nicht das Hinzutreten von Unrecht eigener Art verbunden ist. Denn ist bereits unklar, wie der Kernbereich des Merkmals „aussieht“, so kann prägendes Unrecht eigener Art nicht ausgemacht werden. Es verbleibt dann bei der engen Verknüpfung mit dem grundtatbestandlichen Unwerttypus. Den genannten Regelbeispielen kann (nur) entnommen werden, dass sie auf die Erhöhung des grunddeliktischen Erfolgsunwerts rekurrieren. Sie treffen darüber hinaus keine Aussage über die konkrete Gestalt des erhöhten Erfolgsunwerts, sodass ihre Aussage sich im vorgenannten erschöpft. Dieses Element (intensive Verwirklichung des grunddeliktischen Erfolgs) ist indes so vielschichtig, dass ihm, außer der Aussage, dass es sich um die Herbeiführung eines besonders intensiven grunddeliktischen Erfolgs handelt, kein präziser („greifbarer“) Kernbereich bestimmter Prägung entnommen werden kann. Dann jedoch fehlt es dem entsprechenden Merkmal an der für die Begründung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus erforderlichen prägenden Eigenart. Es leitet bei Betrachtung seines Kernbereichs seinen Inhalt vielmehr vollumfänglich aus dem Grunddelikt ab, indem es auf dessen prägendes Element des tatbestandlichen Erfolgs abstellt.511
510 Zustimmung verdient Paeffgens entsprechende Einschätzung des in § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 enthaltenen Regelbeispiels (siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 94 Rn. 28). Mit ähnlicher Kritik auch Rudolphi/Pasedach/Wolter, in: SK-StGB [Stand: 145. Lfg. September 2014], § 94 Rn. 18; Sonnen, in: AK-StGB, § 94 Rn. 31. 511 Es wird nochmals klargestellt, dass es hierbei unerheblich ist, dass aufgrund der sprachlich weiten Fassung dieser Regelbeispiele von deren Anwendungsbereich durchaus auch solche Steigerungen des grunddeliktischen Erfolgs erfasst sind, bei denen die Quantität in Qualität umschlägt (bei denen also bei abstrakter Betrachtung ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus vorliegt; bspw. bei § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB die existenzvernichtende Vermögensschädigung). Diese sind bei der vorliegenden Betrachtung irrelevant, da sie nicht im Kernbereich des jeweiligen Merkmals liegen, sondern im Randbereich. Bei Betrachtung des Regelbeispiels (und dessen Kernbereich) wird klar, dass diese Fälle nur Ausnahmefälle sind und eine entsprechende Massivität dem Merkmal als solchem nicht immanent.
Kapitel 5
Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik (Form – Inhalt – Inkongruenz) § 12 Beschreibung eines wesensfremden Unwerttypus in einem Regelbeispiel Formt der Gesetzgeber einen (dem Grunddelikt) wesensfremden Unwerttypus als Regelbeispiel aus, so verstößt dies – wie aufgezeigt – gegen den (in Art. 103 Abs. 2 StGB enthaltenen) strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt. Dann fehlt es nämlich an der (von Verfassung wegen gebotenen) gesetzgeberischen (Be-)Wertung dieses neuen wesensfremden Unwerttypus. Damit ist die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit eines solchen gesetzgeberischen Vorgehens, mithin der Verfassungsverstoß des Gesetzgebers, aufgedeckt.
A. Keine bloße Teilverfassungswidrigkeit Fraglich ist jedoch, wie sich diese Feststellung auf die Wirksamkeit sowie die Anwendung entsprechender Normen auswirkt.1 Eine Einordnung als Teilverfassungswidrigkeitsproblematik kommt nicht in Betracht. Es ist nämlich nicht möglich, den verfassungswidrigen Teil aus der Rechtsnorm auszuscheiden. Die Verfassungswidrigkeit liegt weder auf der Seite der Unrechtsbeschreibung (der Voraussetzungsseite der Norm) noch auf der Rechtsfolgenseite (der Sanktionsandrohung). Vielmehr stellt sich gerade die vom Gesetzgeber gewählte Verknüpfung zwischen Unrechtsbeschreibung und Sanktionsandrohung als verfassungsrechtlich unhaltbar dar. Der Mangel liegt darin, dass die Regelbeispiele nicht zwingend mit dem Sonderstrafrahmen verknüpft sind, sondern ihnen lediglich Indizwirkung zukommt. Würde man den verfassungswidrigen Teil
1 Allgemein zur Reparatur „fehlerhafter“ Normen mittels des Werkzeugs der Rechtsanwendung; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 607 ff., der dies (freilich im Rahmen der Rechtsanwendung lege artis) der Handlungsalternative, „[…] das mangelhafte Werk an seinen Konstrukteur zurückzureichen […]“ (Simon, a.a.O., S. 607) vorzieht.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
der Norm (der letztlich in der Indizwirkung der Regelbeispiele2 liegt, welche das verbindende Element zur Sonderstrafrahmenanwendung darstellt) entfernen, so stünden Regelbeispiel und Strafandrohung beziehungslos nebeneinander. Damit würde dem übrig bleibenden Teil jedoch Rechtsnormcharakter fehlen, er würde mithin keine Normqualität mehr aufweisen und wäre zudem unanwendbar.3 Damit fehlt es an der (für eine Teilnichtigkeitserklärung) erforderlichen4 Teilbarkeit.
B. Möglichkeit der verfassungskonformen Rechtsfortbildung? I. Die verfassungskonforme Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsvorschriften (der Lösungsvorschlag) Nach der gesetzlichen Formulierung führt die Erfüllung eines Regelbeispiels lediglich „in der Regel“,5 d. h. nicht zwingend, zur Anwendung des Sonderstrafrahmens. Angesichts dieses eindeutigen Wortlauts ist es im Rahmen einer auslegenden Tätigkeit nicht möglich, entsprechende Regelbeispiele (also Regelbeispiele, die ihrem materialen Gehalt nach einen neuen (dem Grunddelikt wesensverschiedenen) Unwerttypus darstellen) wie Qualifikationstatbestände zu behandeln und dementsprechend auch nicht möglich, eine zwingende Verknüpfung zwischen Regelbeispielsverwirklichung und Sonderstrafrahmenanwendung zu konstituieren.6 Eine so geartete verfassungskonforme Auslegung scheidet – da sie Wortlautüber2
Und der damit verbundenen gesetzlichen Anordnung, dass der Richter dem im Regelbeispiel umschriebenen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus den Sonderstrafrahmen zuordnet. 3 Vgl. allgemein dazu die Ausführungen von Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 71: Teilbarkeit liegt vor, „[…] wenn der Norm nach der Teilnichtigkeitserklärung noch Normqualität zukäme bzw. sie noch anwendbar wäre.“. In der Sache auch BVerfGE 8, 274, 301; 22, 134, 152; 65, 325, 358; 82, 159, 189; 119, 59, 95: Gesamtnichtigkeit dann, „[…] wenn […] die übrigen, mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben […].“. 4 Siehe zu dieser Voraussetzung für die Teilnichtigkeitserklärung Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 33; nach Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 71, ist die Teilbarkeit zu bejahen, „[…] wenn der Norm nach der Teilnichtigkeitserklärung noch Normqualität zukäme bzw. sie noch anwendbar wäre.“. In der Sache auch BVerfGE 8, 274, 301; 22, 134, 152; 65, 325, 358; 82, 159, 189; 119, 59, 95: Gesamtnichtigkeit dann, „[…] wenn […] die übrigen, mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben […].“. Vgl. dazu auch Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rn. 40. 5 Freilich vermittelt über die Feststellung, dass es sich um einen „besonders schweren Fall“ handelt. 6 In diese Richtung auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85. Abzulehnen ist damit ErstRecht die Ansicht von Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 62, 64, der (unabhängig vom materialen Gehalt des konkreten Regelbeispiels) bei Erfüllung der Voraussetzungen eines Regelbeispiels stets den Sonderstrafrahmen anwenden will (plakativ: „Immer, aber nicht nur“). Zu Recht ablehnend Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 32 f.
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schreitend ist und damit die Grenzen zulässiger Auslegungstätigkeit überschreiten würde – aus. Folglich kommt – will man die rigide Folge der Nichtigkeit entsprechender Regelbeispielsnormen7 vermeiden – vorliegend allenfalls eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung in Betracht. Ausgangspunkt für diese ist der Kern des verfassungsrechtlichen Defizits. Entscheidend ist, dass es dem Gesetzgeber nicht gestattet ist, die Aufgabe der Unwerttypenbewertung auf den Richter zu übertragen. Nach der in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen verfassungsrechtlichen Kompetenzzuordnung (mithin dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt) soll der Gesetzgeber und nicht der Richter über die abstrakte Bewertung eines Unwerttypus entscheiden.8 Daher hat der Gesetzgeber, soweit er im Voraussetzungsbereich einer „aufgesetzten“ Strafnorm (Komplementärnorm) einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus beschreibt, verbindlich (und für den Richter zwingend) einen Strafrahmen zuzuordnen.9 Daran fehlt es jedoch gerade, wenn der Gesetzgeber die Regelbeispielstechnik verwendet. Der Ausgangspunkt ist also, dass der Richter keine abstrakte Bewertung von Unwerttypen vornehmen darf und infolgedessen von Verfassung wegen daran gehindert ist, Unwerttypen Strafrahmen zuzuordnen. Dies gilt unabhängig von einer gesetzlichen Ermächtigung dazu, da eine etwaige Ermächtigung ihrerseits gegen das im strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt enthaltene Delegationsverbot verstößt.10 Art. 103 Abs. 2 GG enthält insoweit eine Regelungsdichteanweisung,11 welche sich auf sämtliche Komponenten einer Strafnorm bezieht: Die Voraussetzungsseite, welche nach dem Bestimmtheitsgebot eine präzise Formulierung aufweisen muss; die Rechtsfolgenseite, welche einen überschaubaren (nicht „uferlosen“12) Strafrahmen enthalten muss; den Konnex (mithin das „Verbindungsstück“) 7
Darauf hinzuweisen ist freilich, dass sich die Nichtigkeit nur auf diejenigen Regelbeispiele beziehen würde, die tatsächlich einen wesensfremden Unwerttypus umschreiben. Nicht erfasst von der Nichtigkeit wären die anderen, in derselben Regelbeispiels-Norm enthaltenen, Regelbeispiele. Die bloße Zusammenfassung der Regelbeispiele in einer Regelbeispiels-Norm führt also nicht zur Nichtigkeit sämtlicher in der Regelbeispiels-Norm enthaltener Regelbeispiele. 8 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11 A. 9 Im Ergebnis gleich (d. h. die Verwendung der Regelbeispielstechnik in diesen Fällen (Bildung/Erfassung eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus) ablehnend) Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff. In diese Richtung auch Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff., nach welchem unrechts- oder schuldbestimmende Merkmale in Regelbeispielen nicht verwendet werden dürfen (Gössel, a.a.O., S. 200), in diesen also lediglich solche Elemente aufgeführt werden dürfen, die geeignet sind, als Maßstab der Schwere der Straftat zu dienen (Gössel, a.a.O., S. 204 f.). Gössel unterscheidet insoweit zwischen „eigenständigen Rechtsgutsbeeinträchtigungen“ und „modifizierenden Abwandlungen derselben normwidrigen Rechtsgutsbeeinträchtigung“ (Gössel, a.a.O., S. 202). Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 10 Eingehend dazu Kapitel 4. 11 Vgl. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 9 Rn. 47 der eine Komponente der Wesentlichkeitstheorie als „Regelungsdichteanweisung“ bezeichnet. Siehe auch Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54. 12 Vgl. BVerfGE 105, 135, 156.
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zwischen diesen beiden Normbestandteilen, bei dem sich das Maß notwendiger gesetzgeberischer Vorbestimmung (zwingende oder nicht zwingende Verknüpfung von Voraussetzungs- und Rechtsfolgenseite) – wie ausführlich aufgezeigt wurde – aus der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung bezüglich der Tätigkeit der Unwerttypenbewertung ergibt. Wenn eine Komplementärnorm einen neuen, dem Grunddelikt wesensfremden Unwerttypus umschreibt, so hat eine zwingende Zuordnung des Sonderstrafrahmens zu erfolgen, was letztlich eine Pflicht zur Verwendung der Regelungstechnik des qualifizierten Delikts bedeutet (und zugleich die Formulierung „in der Regel“13 oder „kann“ untersagt). Hat jedoch der Gesetzgeber (aufgrund der Verwendung der Regelbeispielstechnik14) den neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremden, Unwerttypus nicht (abstrakt) bewertet und ist der Richter (aufgrund der Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Aufgabendelegation) daran gehindert, dies zu tun (entspricht also das Gesetz nicht den soeben aufgeführten Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an den Konnex zwischen Voraussetzungs- und Rechtsfolgenseite), so fehlt es an einer abstrakten Bewertung des im Regelbeispiel niedergelegten Unwerttypus. Dann liegt keine (wirksame) Zuordnung des Sonderstrafrahmens zum Unwerttypus vor. Das verknüpfende Element (der Konnex) zwischen Voraussetzungsseite (Regelbeispiel) und Rechtsfolgenanordung (Sonderstrafrahmen) ist dann aus verfassungsrechtlicher Sicht fehlerhaft und damit als nicht existent zu begreifen. Folgerichtig kann dann jedoch auch keine Bestrafung des Täters aus dem Sonderstrafrahmen erfolgen. Entsprechende Regelbeispielsnormen sind deswegen dahingehend verfassungskonform zu reduzieren, dass die Anwendung des Sonderstrafrahmens ausscheidet.15 Es bleibt daher (auch im Falle der Erfüllung des Regelbeispiels und der Nichtwiderlegung der Indizwirkung) im Grundsatz beim grunddeliktischen Regelstrafrahmen. Aufgrund des Stufenverhältnisses zwischen Grundtatbestand und Regelbeispiels-Strafnorm kann auf diesen zurückgegriffen werden.16 Zu beachten ist jedoch, dass andererseits der gesetzgeberische Wille (auch) bei einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung so weit wie möglich aufrecht zu erhalten ist.17 Wenn die Indizwirkung nicht (aufgrund des Vorliegens unrechts- bzw. 13
Und damit die Formung einer Regelbeispielsnorm. Bei der Regelbeispielstechnik nimmt der Gesetzgeber gerade nicht abschließend Stellung zum im Voraussetzungsbereich erfassten Unwerttypus, bewertet diesen mithin nicht, da es an der zwingenden Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen fehlt. Eingehend dazu Kapitel 4 § 9 und § 11 A. 15 Insoweit handelt es sich um eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung, die die Rechtsfolgenanordnung der Norm betrifft. Vgl. allgemein zu dieser Fallgruppe Looschelders/ Roth, Juristische Methodik, S. 260 f., 272 f. 16 Der im Regelbeispiel umschriebene Unrechtssachverhalt erfüllt nämlich stets und notwendigerweise den Grundtatbestand. 17 Siehe Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 161: „Maßstab für diese [scil. die verfassungskonforme Rechtsfortbildung in Form einer verfassungskonformen Reduktion] ist nicht, wie in der Regel, Sinn und Zweck der betreffenden Regelung, sondern das 14
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schuldmindernder Umstände) widerlegt ist, ist deshalb eine Kennzeichnung als besonders schwerer Fall vorzunehmen. Dies ist gerade auch deswegen unproblematisch, da diese Einordnung grundsätzlich18 keine Erwähnung im Schuldspruch findet19 und daher eine dadurch verursachte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von vornherein ausscheidet.20 Zusätzlich ist anzunehmen, dass die Mindeststrafe des Sonderstrafrahmens Sperrwirkung entfaltet. Sie darf bei der Festsetzung der konkreten Strafe nicht unterschritten werden und wirkt damit als zwingende (d. h. für den Richter verbindliche) Strafzumessungsregel fort. Sie ist daher bei der Strafzumessung i.e.S.21 stets zu beachten. Mit dem Sonderstrafrahmen bringt der Gesetzgeber nämlich zum Ausdruck, dass bei Vorliegen eines besonders schweren Falles (also bspw. der Verwirklichung eines Regelbeispiels und Nichtwiderlegung der Indizwirkung) die Festsetzung einer Strafe unter der Strafrahmenuntergrenze des Sonderstrafrahmens unzulässig ist. Um den gesetzgeberischen Willen weitestmöglich aufrecht zu erhalten,22 ist es daher geboten, eine entsprechende zwingende Vorgabe für die richterliche Strafzumessungtätigkeit festzulegen (Sperrwirkung der Mindeststrafe des
Gebot der Verfassungskonformität in Verbindung mit dem Bestreben, von der Norm so viel aufrechtzuerhalten, als es dieses Gebot erlaubt.“. 18 Eine Ausnahme wird gemacht in Hinblick auf die Erfüllung des Regelbeispiels der Vergewaltigung, siehe BGH NJW 1998, 2987, 2988; Renzikowski, in: MK-StGB, § 177 Rn. 123. 19 Vgl. BGH, NStZ 1984, 262, 263; NStZ-RR 2007, 111 f.; Fischer, StGB, § 46 Rn. 84; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 21; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 56. 20 Ob angesichts der verfassungsrechtlich verfehlten Regelungsform (Ausgestaltung als Regelbeispiel) die (materiell durchaus einsichtige) Erwähnung der Erfüllung des Regelbeispiels der Vergewaltigung im Urteilstenor (siehe BGH NJW 1998, 2987, 2988; Renzikowski, in: MK-StGB, § 177 Rn. 123) ohne Weiteres Zustimmung verdient, ist zumindest diskutierbar. Dies wiederum ist jedoch eine von der vorliegenden Problemstellung abweichende Fragestellung. Der hier entwickelte verfassungsrechtliche Vorwurf bezieht sich nämlich lediglich auf die Delegation der abstrakten Unwerttypenbewertung. Letztlich dürfte es bei der soeben aufgeworfenen Problemstellung jedoch an der erforderlichen „Wesentlichkeit“ fehlen, sodass das „Weniger“ an gesetzgeberischer Entscheidung bei der Regelbeispielstechnik hier verfassungsrechtlich unproblematisch ist. 21 Strafzumessung i.e.S. meint den Vorgang der Einordnung der konkreten Tat in den zuvor ermittelten Strafrahmen, vgl. dazu v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 46 Rn. 26 ff.; Miebach, in: MK-StGB, § 46 Rn. 77. 22 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 161, die als Maßstab für eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung ansehen „[…] das Gebot der Verfassungskonformität in Verbindung mit dem Bestreben, von der Norm so viel aufrechtzuerhalten, als es dieses Gebot erlaubt.“. Deutlich auch BVerfGE 86, 288, 320 (Fall einer verfassungskonformen Analogie, siehe zu dieser Einordnung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 156, 159): „Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat.“; ebenso BVerfGE 110, 226, 267.
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Sonderstrafrahmens).23 Insoweit besteht nämlich das verfassungsrechtliche Gebot, vom gesetzgeberischen Regelungsziel das maximal Mögliche aufrechtzuerhalten.24 Letztlich handelt es sich bei dem hier vorgeschlagenen Weg – da er die Wortlautgrenze25 überschreitet26 – um eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung in Form einer verfassungskonformen Reduktion.27 Die fehlerhaften Regelbeispiels23
Dies ist insb. auch deshalb unproblematisch, weil die Erhöhung der Mindeststrafe nicht die Wandelung zum Verbrechen bewirken kann; vgl. § 12 Abs. 3 StGB. 24 Vgl. dazu BVerfGE 86, 288, 322. 25 Die gesetzliche Formulierung (mithin der Wortlaut des Gesetzes) sieht vor, dass bei Vorliegen eines besonders schweren Falles der Sonderstrafrahmen anzuwenden ist (vgl. § 243 Abs. 1 S. 1 StGB: „In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“). Der hier vorgeschlagene Weg der Normerhaltung sieht (freilich beschränkt auf die Konstellationen, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung anhand des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts nicht standhalten) entgegen dieses Gesetzeswortlauts nicht die Anwendung des Sonderstrafrahmens, sondern die Anwendung des grunddeliktischen Strafrahmens (Regelstrafrahmens) vor. 26 Vgl. zur Terminologie Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 12 f.: wenn die Grenze des möglichen Wortsinns überschritten wird, sollte man, um terminologische Widersprüche zu vermeiden, von verfassungskonformer Rechtsfortbildung sprechen. In der Sache ebenso Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 5 f. 27 Die verfassungskonforme Rechtsfortbildung praeter legem ist als Mittel zur Normerhaltung anzuerkennen, siehe Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 155; Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 52; Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60 f.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 266 ff., 268; Krey, JR 1995, 221, 222; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 161; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242 ff.; Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 10, 15 f.; Zippelius, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, Band II, S. 108, 110, 121 ff.; wohl auch Bethge, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 265; ausdrücklich nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 110, 226, 262: „verfassungskonforme Reduktion“; in der Sache bereits praktiziert in BVerfGE 69, 315, 350 f.; 85, 69, 74 f. (jeweils verfassungskonforme Reduktion; siehe zu dieser Einordnung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 157); BVerfGE 86, 288, 320 ff. (verfassungskonforme Analogie, siehe zu dieser Einordnung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 156, der insoweit dem methodischen Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts zustimmt, siehe Canaris, a.a.O., S. 159); siehe auch BVerfGE 88, 145, 167: Rechtsfortbildung praeter legem, im speziellen teleologische Reduktion, „[…] von Verfassungs wegen geboten […]“. Freilich hat es das Bundesverfassungsgericht meist versäumt terminologisch sauber zwischen den beiden Techniken verfassungskonformer Normerhaltung (siehe zu dieser Begrifflichkeit Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 61 Fn. 417), nämlich der verfassungskonformen Auslegung einerseits und der verfassungskonformen Rechtsfortbildung andererseits, zu unterscheiden. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs siehe BGHSt 30, 105, 121: „verfassungskonforme Rechtsfortbildung“. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung ablehnend Geis, NVwZ 1992, 1025, 1026 f.; tendenziell eher gegen die Zulässigkeit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung: BVerfGE 95, 64, 93, insoweit nämlich besondere Betonung der Wortlautgrenze. Eine Darstellung der insoweit „schwankenden“ Position des Bundesverfassungsgerichts findet sich bei Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 3 ff.; Zur Möglichkeit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung im Strafrecht Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 532 ff.; siehe auch Schmidt, Grundrechte als verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 82 ff., der die verfassungskonforme Rechtsfortbildung zwar zunächst kritisiert (S. 82 ff.), dessen Ansatz einer „grundrechtsunmittelbaren Straffreistellung“ (dazu ab S. 87)
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normen werden dahingehend eingeschränkt, dass sie einen Strafrahmenwechsel (weg vom grunddeliktischen Regelstrafrahmen hin zum Sonderstrafrahmen) nicht ermöglichen.28 Ob eine solche verfassungskonforme Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen ein zulässiges Instrument zur Herstellung von Verfassungskonformität ist, muss in den nachfolgenden Abschnitten noch geprüft werden. II. Zulässigkeit der Vorgehensweise (der Lösungsvorschlag als zulässige Rechtsfortbildung) Bei dem soeben erarbeiteten Lösungsvorschlag müsste es sich um eine zulässige Rechtsfortbildung handeln. Diese Problemstellung soll im Anschluss behandelt werden. 1. Lückenfeststellung und -ausfüllung Bedingung für eine (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung praeter legem ist das Vorliegen einer Lücke, mithin einer „planwidrige[n] Unvollständigkeit“.29 Als Maßstab ist dabei die Gesamtrechtsordnung, mithin insb. die Verfassung, heranzuziehen.30 Insoweit muss zunächst eine Ergänzungsbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung in Hinblick auf verfassungsrechtliche Anforderungen festgestellt werden.31 Daneben muss eine Ergänzungsfähigkeit treten, d. h. das einfache Recht darf einer Ergänzung nicht generell entgegenstehen.32 jedoch in der Sache eine solche verfassungskonforme Rechtsfortbildung darstellt bzw. dieser jedenfalls gleichzustellen ist. 28 Die fehlende zwingende Strafrahmenzuordnung durch den Gesetzgeber wirkt sich damit faktisch dahingehend aus, dass die Ermächtigung des Richters zur Verhängung einer höheren als im Grunddelikt vorgesehenen Strafe (siehe allgemein zur in Strafnormen enthaltenen Ermächtigung des Richters zur Verhängung eines besonderen Sanktionsmittels Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 129 ff.) nicht entsteht und es daher lediglich bei der (im Grunddelikt enthaltenen) Bestrafungsermächtigung bleibt. 29 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53; ausführlich Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 82 ff. Auch eine Gesetzeslücke fordernd Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 235 ff., 242; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191 ff.; in der Sache gleich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 220 ff., 224 ff. 30 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53. Siehe auch Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242 f.: „teleologisch erlaubte Gesetzeskorrektur“ zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes (wenn ein Gesetz unvereinbar mit der Verfassung ist). Wohl enger Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 422. 31 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53. Nach Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 243 „[…] setzt die verfassungskonforme Korrektur voraus, daß das Gesetz, so wie es erlassen worden ist, mit der Verfassung nicht zu vereinbaren ist.“. 32 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53 f.
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Wie bereits ausgeführt, „kranken“ Regelbeispiels-Normen, in welchen ein grundeliktsfremder Unwerttypus beschrieben wird, daran, dass es bei dieser Gesetzgebungstechnik an einer zwingenden Verknüpfung zwischen neuem Unwerttypus und Sonderstrafrahmen fehlt. Den Regelbeispielen kommt nämlich lediglich Indizwirkung zu,33 sodass letztlich der Richter darüber entscheidet, ob bei Erfüllung des Regelbeispiels (mithin bei Verwirklichung des neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus) der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Es fehlt damit an der verfassungsrechtlich gebotenen (insoweit ist auf den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG abzustellen) zwingenden gesetzlichen Strafrahmenzuordnung (und damit an der erforderlichen abstrakten gesetzgeberischen Bewertung des umschriebenen Unwerttypus). Aus verfassungsrechtlicher Sicht, und damit planwidrig am Maßstab der Gesamtrechtsordnung,34 weisen diese gesetzlichen Regelungen demnach ein Defizit auf, namentlich fehlt es an der (verfassungsrechtlich erforderlichen) zwingenden Verknüpfung zwischen Voraussetzungsseite und Strafandrohung – verfassungsrechtlich problematisch ist mithin die nicht zwingende Ausgestaltung des Konnexes zwischen diesen beiden Normbestandteilen. Aufgrund der Eindeutigkeit des Normwortlauts, die Erfüllung eines Regelbeispiels soll nur „in der Regel“ (und damit gerade nicht „immer“) einen besonders schweren Fall darstellen und daraus folgend der Sonderstrafrahmen nicht stets (sondern nur „in der Regel“) Anwendung finden, kann die (verfassungsrechtlich erforderliche) zwingende Verknüpfung zwischen (im Regelbeispiel gefassten) Unwerttypus und Sonderstrafrahmen durch Auslegung nicht erreicht werden. Die Formulierung „in der Regel“ kann nicht im Sinne von „immer“ bzw. „ stets“ interpretiert werden. Das bestehende Defizit kann mittels Auslegung also nicht beseitigt werden. Damit ist auch die Unvollständigkeit der Norm aufgezeigt.35 Da sich aus dem einfachen Recht nicht ergibt, dass es der Lückenausfüllung generell entgegensteht, liegt auch das Merkmal der Ergänzungsfähigkeit vor. Problematisch ist freilich, wie diese Lücke zu schließen ist. Zwar sind bei einer teleologischen Reduktion die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung in der Regel derart eng miteinander verknüpft, dass das Ergebnis der Lückenausfüllung sich ohne Weiteres bereits aus der Feststellung der Lücke ergibt.36 Jedoch gilt dies 33
Siehe nur BGH, NStZ 2004, 265. Vgl. zum Maßstab der Gesamtrechtsordnung (insb. der Einbeziehung verfassungsrechtlicher Anforderungen) Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53. In der Sache gleich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242 f., die auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes abstellen. 35 Vgl. zum Element der „Unvollständigkeit“ Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 82 f.: „Unvollständig in diesem Sinne ist das Gesetz, sofern die vermisste Regelung von seinem möglichen Wortsinn nicht umfasst wird. Das Kriterium der „Unvollständigkeit“ dient also zur Abgrenzung zwischen Lückenfüllung und Auslegung i.e.S.“. 36 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 55 spricht davon, dass beide „[…] in der Regel einen einheitlichen Vorgang [bilden].“. 34
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nicht in der vorliegenden Problemlage.37 Reduziert man nämlich entsprechende Regelbeispielsnormen um ihren verfassungsrechtlich unzulässigen Teil (insoweit ist dies die gesetzliche Anordnung, dass der Richter dem im Regelbeispiel umschriebenen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus den Sonderstrafrahmen zuordnet38), so hat dies nicht zur Folge, dass automatisch der verfassungskonforme Zustand (zwingende Zuordnung des Sonderstrafrahmens zum Unwerttypus durch den Gesetzgeber) eintritt. Vielmehr fehlt dann jegliche Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen. Denn Gegenstand des verfassungsrechtlichen Defizits ist die Ausgestaltung des Konnexes zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen (welcher seine reale Verkörperung in der gesetzlichen Formulierung „in der Regel“ findet). Entfernt man diesen Normbestandteil, so stehen die beiden anderen Bestandteile der Regelbeispielsnorm (Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen) beziehungslos nebeneinander, da es dann vollends an einer Verknüpfung zwischen ihnen fehlt. Insoweit führt eine solche Reduktion nicht automatisch zu einem verfassungskonformen Zustand, sondern vielmehr zu einem (normtechnischen) Vakuum. Kein gangbarer Weg ist es, die fehlende, jedoch verfassungsrechtlich gebotene, Regelung (gesetzlich zwingende Verknüpfung von Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen) einzufügen.39 Dies widerspricht nämlich eindeutig dem (aufgrund der gesetzlichen Formulierung „in der Regel“ auch erkennbaren) gesetzgeberischen Willen (mithin dem Gesetzeszweck),40 denn mit der Gesetzgebungstechnik Regelbeispielsmethode ist gerade die Schaffung von Flexibilität bezweckt, mithin die Abkehr von der „starren“ Kasuistik.41 Die zwingende Zuordnung des Sonderstrafrahmens 37
Vgl. zu weiteren Beispielen, bei denen sich die Lückenausfüllung nicht ohne Weiteres aus der Lückenfeststellung ergibt, Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 220 f. 38 Nämlich indem er (scil. der Richter) entscheidet, ob er von der Indizwirkung des Regelbeispiels abweicht. 39 Nämlich in dem Sinne, dass bei Erfüllung des Regelbeispiels „immer“ die Anwendung des Sonderstrafrahmens zu erfolgen hat (letztlich also Beseitigung der bloßen Indizwirkung der Regelbeispiele). 40 Eine Überprüfung der vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion in Hinblick auf dieses Kriterium findet sich in Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a). 41 Vgl. dazu (den Paradefall des § 243 StGB betreffend) die Begründung des BRegE 1962, BT-Drucks. IV/650 S. 400: einerseits Vermeidung von Strafbarkeitslücken, andererseits Vermeidung von Härten durch eine „schmiegsame“ Regelung. Siehe dazu auch Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 76; siehe auch Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 291: „Motiv des Gesetzgebers ist hier gerade, eine Individualisierung der gesetzlichen Einstufung durch Flexibilität der richterlichen Gesetzesanwendung zu erreichen: Strafschärfung im Regelfall, Analogiemöglichkeit bei Nichtvorliegen eines Regelbeispiels, Möglichkeit der Verneinung der Strafschärfung in concreto trotz Erfülltseins eines Regelbeispiels.“; Duttge, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 243 Rn. 1: „[…] Regelbeispielstechnik des § 243 idF des 1. StrRG 1969 [bezweckt] eine elastischere und der Einzelfallgerechtigkeit [besser] dienende Strafrechtsanwendung […] in zweierlei Richtung […]“. Vgl. auch Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 124 f.; den Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit betont auch
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vereitelt jedoch gerade diesen Zweck, da sie die Möglichkeit der Widerlegung der Indizwirkung beseitigt. Überdies käme ein solches Vorgehen einer Ersetzung des bestehenden nicht zwingenden Konnexes („in der Regel“) durch einen zwingenden Konnex zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen gleich, was die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten würde. Insoweit darf nicht verkannt werden, dass auch eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung lediglich auf eine Entfernung bzw. Einschränkung von Normbestandteilen, nicht jedoch auf deren Ersetzung zielen kann und darf. Ansonsten träfe der Normanwender eine eigene Regelung, was ihm jedoch aus Gründen der Gewaltenteilung untersagt ist. Der im Normbestand enthaltene nicht zwingende Konnex (Regelbeispielsverwirklichung führt nur in der Regel zur Sonderstrafrahmenanwendung) kann daher nicht durch einen anderen – zwingenden (Regelbeispielsverwirklichung führt immer zur Sonderstrafrahmenanwendung) – ausgetauscht werden. Abhilfe schafft hier das vorgestellte Lösungskonzept. Nach diesem ist (bei Nichtwiderlegung der Indizwirkung) ein Rückgriff auf den grunddeliktischen Strafrahmen vorzunehmen, jedoch mit der Maßgabe, dass eine Einordnung bzw. Kennzeichnung als besonders schwerer Fall beibehalten wird (insoweit bezieht sich der Rückgriff also lediglich auf die Rechtsfolgenseite, genauer: den Strafrahmen) und die in der Regelbeispielsnorm aufgeführte Mindeststrafe Sperrwirkung entfaltet (mithin letztlich – freilich nur wenn eines der gesetzlich aufgeführten Regelbeispiele verwirklicht sowie die damit einhergehende Indizwirkung nicht widerlegt ist – wie eine zwingende gesetzliche Strafzumessungsregel wirkt). Letztlich greift diese (schärfend wirkende) Sperrwirkung der Untergrenze des Sonderstrafrahmens im Falle der Regelbeispielsverwirklichung damit nur „in der Regel“. Wird die Indizwirkung der Erfüllung des Regelbeispiels hingegen widerlegt, so kommen – entsprechend dem gesetzlichen Konzept – ausschließlich das Grundelikt und dessen Strafrahmen zur Anwendung. Damit bleibt die vom Gesetzgeber angestrebte Flexibilität erhalten, da es weiterhin möglich ist, die Indizwirkung der Regelbeispiele zu widerlegen (mit der Folge, dass ohne weitere Vorgabe die Anwendung des Regelstrafrahmens zu erfolgen hat). Insoweit bleibt die bloße Indizwirkung der Regelbeispiele erhalten und diese werden nicht zu Qualifikationstatbestandsmerkmalen (mit strikter Verknüpfung zwischen Unwertsachverhalt und Sonderstrafrahmen) umgeformt. 2. Die Schranke des Verbots des Contra-legem-Judizierens42 Eine Rechtsfortbildung contra legem ist auch dann nicht zulässig, wenn sie der Herstellung von Verfassungskonformität dient.43 Insoweit ist das Verbot des ContraFabry, NJW 1986, 15, 17; Wessels, in: FS Lackner, S. 423, 428 sieht darin einen „Wesenszug der Regelbeispielsmethode“. 42 Vgl. dazu Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 158, der das Verbot des Contra-legem-Judizierens als Schranke für die verfassungskonforme Auslegung und die verfassungskonforme
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legem-Judizierens auch bei einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung (in der Form der verfassungskonformen Reduktion) zu beachten.44 Das Verbot umschreibt funktionell den Bereich möglicher (richterlicher) Rechtsfindung, der grundsätzlich dem Rechtsanwender verschlossen – und damit unzulässig – ist.45 a) Doppelkriterium46 Wortsinn und Gesetzeszweck aa) Maßgeblichkeit des Gesetzeszwecks Die Rechtsfortbildung darf zunächst nicht gegen Wortsinn und Zweck des Gesetzes verstoßen.47 Auch das Bundesverfassungsgericht meint, dass „[d]ie verfassungskonforme Auslegung […] ihre Grenze dort [findet], wo sie mit dem Wortlaut Rechtsfortbildung ansieht. Dazu auch Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56. Siehe auch Krey, JR 1995, 221, 222 f.: „Gegenüber dieser Versuchung sei mit Nachdruck daran erinnert, daß im Grundsatz die verfassungskonforme Rechtsfortbildung contra legem in gleicher Weise unzulässig ist wie jede andere Form richterlicher Gesetzeskorrektur.“. 43 Zutreffend Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 158: „Die im Verbot des Contra-legem-Judizierens liegende Schranke richterlicher Rechtsfortbildung bestimmt daher zugleich die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung.“ Ebenso gegen eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung contra legem Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 103. In der Sache gleich, jedoch ohne ausdrückliche Erwähnung des Verbots des contra-legem-Judizierens (vgl. zu dieser Feststellung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 158 sowie 159: „Insgesamt bestehen somit zwischen diesem [scil. dem Verbot des Contra-legemJudizierens] und den anerkannten Grenzen der verfassungskonformen Auslegung in den wesentlichen Punkten exakte Parallelen, so dass es sich wohl in der Tat um dieselbe Problematik handelt, die lediglich von unterschiedlichen Blickpunkten aus betrachtet wird.“), ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfGE 54, 277, 299 f.; 71, 81, 105; 90, 263, 274 f.; ausdrücklich für die Zulässigkeit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung praeter legem BVerfGE 88, 145, 167. Eine Gegenüberstellung der Merkmale des ContraLegem-Judizierens und der Kriterien der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nimmt Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 158 f., vor. 44 Siehe nur Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 158. 45 Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 91. 46 Vgl. dazu Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56. 47 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56, spricht von einem Doppelkriterium; vertiefend Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 92 ff.; ebenso Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267: eine unzulässige Korrektur des Gesetzes liegt vor, „[…] wenn sowohl gegen den ermittelten Wortsinn wie auch gegen die Zwecksetzung des Gesetzgebers entschieden wird.“. Siehe auch Koch/Rüßmann, a.a.O., S. 268. Siehe dazu auch Krey, JR 1995, 221, 223: „Dabei liegt Rechtsfortbildung contra legem, auch wenn sie als „verfassungskonforme Auslegung“ ausgegeben wird, vor: Erstens dann, wenn Normtext und gesetzgeberischer Regelungszweck klar mißachtet werden; zweitens auch dann, wenn der Richter zwar nicht den Wortsinn des Gesetzes mißachtet, aber die ration legis, verstanden als den gesetzgeberischen Regelungszweck, in ihr Gegenteil verkehrt. Dagegen begründet die Abweichung vom Normtext als solche auch im Falle klarer Textmißachtung noch nicht ipso iure unzulässige Textkorrektur. Denn wird eine solche Textabweichung von Sinn und Zweck des Gesetzes legitimiert, handelt es sich um Rechtsfindung praeter legem, sei es durch Gesetzesanalogie, sei es durch teleologische Reduktion.“ [Hervorhebungen im Original].
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und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde.“48. Rechtsfortbildung darf daher nicht zugleich gegen den Wortsinn und gegen den Zweck des Gesetzes verstoßen.49 Dies bedeutet wiederum, dass sich aus dem Wortlaut der Norm allein noch keine Grenze für die richterliche Rechtsfortbildung ergibt.50 Der hier vorgeschlagene Rückgriff auf den grunddeliktischen Strafrahmen (Regelstrafrahmen) ist zwar nicht mit dem Wortlaut der Regelbeispiels-Strafnorm vereinbar, denn nach dieser soll der Sonderstrafrahmen stets Anwendung finden, wenn ein besonders schwerer Fall vorliegt, was wiederum gegeben ist, wenn bei Erfüllung eines Regelbeispiels die Indizwirkung des Regelbeispiels nicht widerlegt wird.51 Jedoch schließt dies – wie soeben erwähnt – die Zulässigkeit der Rechts48 BVerfGE 71, 81, 105; in der Sache auch BVerfGE 110, 226, 267: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde […]“; so auch BVerfGE 18, 97, 111; 90, 263, 275; 93, 37, 81. In BVerfGE 54, 277, 299 hat das Gericht auf „[…] die gesetzgeberischen Grundentscheidungen, Wertungen und die darin angelegten Zwecke der Regelung […]“ abgestellt. 49 Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 92; ebenso Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267: Grenze erst überschritten, „[…] wenn sowohl gegen den ermittelten Wortsinn wie auch gegen die Zwecksetzung des Gesetzgebers entschieden wird.“; Koch/Rüßmann, a.a.O., S. 268: „[z]ulässig ist aber eine solche Mißachtung des Wortsinns durchaus, nämlich dann, wenn es sich dabei um eine zulässige Rechtsfortbildung handelt.“; Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 15: „Unzulässig ist eine (gesetzesimmanente) verfassungskonforme Rechtsfortbildung nach alledem dann, wenn gegen die gesetzgeberische Zwecksetzung verstoßen wird.“; siehe auch Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, S. 27, 47; ähnlich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258, nach denen die Rechtsfortbildung gegen den Gesetzeswortlaut und die gesetzgeberische Regelungsentscheidung dann zulässig ist, wenn nicht gegen die Wertentscheidung des Gesetzgebers verstoßen wird. In der Sache entspricht dies der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts. Dieses zieht die Grenze erst dort, wo gegen den Normwortlaut und gegen den Willen des Gesetzes verstoßen wird, siehe BVerfGE 71, 81, 105; ähnlich BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267: gegen den Wortlaut und gegen den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers. 50 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 103. So auch Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94: „Je für sich allein bilden der Wortlaut und der Zweck des Gesetzes […] grundsätzlich, d. h. abgesehen von Fällen wie einem Analogie- oder Reduktionsverbot, kein zureichendes Kriterium für die Bestimmung der lex-lata-Grenze. Hinsichtlich des Wortlauts ist das eine Selbstverständlichkeit, wie sich schon aus der grundsätzlichen Zulässigkeit von Analogie und teleologischer Reduktion ergibt.“; Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 10: „[…] [Der] Wortlaut allein [kann] schwerlich die verfassungskonforme gesetzesimmanente Rechtsfortbildung sperren.“; S. 15: Wortlaut „[…] grundsätzlich überwindbar“. In der Sache ebenso Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268; Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258. Vgl. auch BVerfGE 88, 145, 166 f.: ausdrückliche Anerkennung der (insoweit Wortlautüberschreitenden) verfassungskonformen Rechtsfortbildung praeter legem. 51 Aufgrund dieser Überschreitung der Wortlautgrenze liegt gerade eine Rechtsfortbildung (in Form einer Reduktion) und keine Auslegung vor; zur Terminologie siehe Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 12 f.; Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 5 f.
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fortbildung nicht aus.52 Der Wortlaut würde nur dann eine maßgebliche Grenze bilden, wenn das Verbot einer Reduktion eingreifen würde.53 Im Bereich des Strafrechts ist dies die teleologische Reduktion in malam partem.54 Da die Anwendung des milderen Regelstrafrahmens jedoch gerade zu Gunsten des Täters wirkt, ist der Verstoß gegen dieses Verbot von vornherein ausgeschlossen.55 Somit ist vorliegend entscheidend, ob der Gesetzeszweck der vorgeschlagenen Reduktion entsprechender Regelbeispielsnormen56 entgegensteht.57 Freilich ist zu beachten, dass nicht (ausschließlich) auf die subjektive Zweckvorstellung der am Gesetzgebungsprozess Beteiligten abzustellen ist,58 sondern auf den im Gesetz niedergelegten Zweck.59 52 Insoweit bildet der Wortlaut der Norm keine unüberwindbare Hürde; siehe SchulzeFielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 103; so auch Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268; Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258; Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 10, 15. 53 Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94; näher dazu Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 189 ff. 54 Siehe zu diesem Verbot Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 193. 55 Vgl. Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 61, der im Strafrecht die verfassungskonforme Reduktion von Gesetzen in bonam partem als zulässig erachtet. Zur Zulässigkeit der Analogie zu Gunsten des Täters Reichenbach, Jura 2004, 260, 263. 56 Gemeint sind damit die Regelbeispielsnormen, die neue, wesensfremde Unwerttypen beschreiben und daher aus materialer Sicht einen solchen Gehalt aufweisen, der es, aufgrund des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts (Art. 103 Abs. 2 GG), erfordert, eine Vertypung als Qualifikationstatbestand (und damit die abstrakte Bewertung durch den Gesetzgeber) vorzunehmen. 57 Vgl. zu den Grenzen der (verfassungskonformen) Rechtsfortbildung Krey, JR 1995, 221, 222 f. 58 Zutreffend Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 95, der feststellt, dass die „[…] Zweckvorstellung des Gesetzgebers […] für sich allein überhaupt nichts zu bewirken [vermag], sondern […] zusätzlich einer Äußerung in der dafür vorgesehenen, also textuellen Form – sei es auch nur andeutungsweise, bruchstückhaft oder mittelbar – zu entnehmen sein [muss] […].“ [Hervorhebungen im Original]; ähnlich Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, S. 27, 47, der in den Vordergrund stellt, dass der Richter an das Gesetz gebunden ist, welches sich wiederum als „[…] die Einheit von menschlichem Willen als Substanz und von Text als Form des Gesetzes“ anzusehen ist. Die richterliche Bindung beziehe sich daher letztlich auf diese Einheit und gerade nicht auf die „[…] bloße, etwa aus Beratungen im Gesetzgebungsverfahren entnehmbare, aber im Gesetz nicht ausgedrückte Absicht.“ (solche Absichten seien nämlich nicht als Gesetz zu qualifizieren; Bydlinski, a.a.O., S. 47). Eine entsprechende Tendenz findet sich auch in der Entscheidung BVerfGE 71, 81 ff., in welcher das Bundesverfassungsgericht auf den „Willen des Gesetzes“ abgestellt hat (siehe BVerfGE 71, 81, 105). 59 Vgl. dazu Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94: „Zweck des Gesetzes“; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267: Zwecksetzung des Gesetzgebers; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258 stellen maßgeblich auf die gesetzgeberische Wertentscheidung ab (Looschelders/Roth, a.a.O., S. 258), welche letztlich dem „[…] vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Zweck […]“ entspricht (siehe Looschelders/Roth, a.a.O., S. 240); Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 15: „gesetzgeberische Zwecksetzung“;
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bb) Äußerungen des Gesetzgebers im Rahmen diverser Gesetzgebungsverfahren Erforderlich sind also sowohl eine Äußerung des Gesetzgebers hinsichtlich des Gesetzeszwecks als auch eine entsprechende Vertextung, damit von „Gesetzeszweck“ in diesem Sinne gesprochen werden kann,60 also einem „Gesetzeszweck“, der eine unüberwindbare Grenze für die rechtsfortbildende Rechtsanwendung bildet. Die Bindung an das Gesetz ist hierbei nur betroffen, wenn die Zwecksetzung des Gesetzgebers61 entgegensteht, was jedoch wiederum voraussetzt, dass dieser (scil. der Gesetzgeber) selbst einen Zweck in das Gesetz hineingelegt hat und diese erfolgte Zwecksetzung auch verlautbart hat.62 Nicht genügend ist es also, wenn sich in das Gesetz eine bestimmte Zwecksetzung hineinlegen ließe, diese jedoch nicht durch den Gesetzgeber (in erkennbarer Weise) geäußert wurde. Betrachtet man die Äußerungen im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren in der Vergangenheit so ergibt sich letzten Endes ein nur partiell eindeutiges Bild. Zwar hat der Gesetzgeber verschiedentlich allgemein zur Gesetzgebungsmethode der Re-
Zippelius, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, Band II, S. 108, 121: „erkennbaren Zweck des Gesetzes“. In der Sache ebenso das Bundesverfassungsgericht, welches darauf abstellt, ob die Rechtsfindung mit dem „[…] klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde.“ (BVerfGE 71, 81, 105); siehe auch BVerfGE 110, 226, 267: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde […]“; so auch BVerfGE 18, 97, 111; 90, 263, 275; 93, 37, 81. In eine entsprechende Richtung auch Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, S. 27, 47. 60 Zutreffend Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 95. Ähnlich Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, S. 27, 47. 61 Ebenso die Zwecksetzung durch den Gesetzgebers herausstellend Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267: Grenze erst überschritten, „[…] wenn sowohl gegen den ermittelten Wortsinn wie auch gegen die Zwecksetzung des Gesetzgebers entschieden wird.“; Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 15: „Unzulässig ist eine (gesetzesimmanente) verfassungskonforme Rechtsfortbildung nach alledem dann, wenn gegen die gesetzgeberische Zwecksetzung verstoßen wird.“; ähnlich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258, nach denen die Rechtsfortbildung gegen den Gesetzeswortlaut und die gesetzgeberische Regelungsentscheidung dann zulässig ist, wenn nicht gegen die Wertentscheidung des Gesetzgebers verstoßen wird. Letztlich gleich ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches in seinen Entscheidungen auf den „[…] klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers […]“ (siehe BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267) abstellt. 62 Vgl. Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 95; entsprechendes drückt letztlich auch das Bundesverfassungsgericht in der von ihm regelmäßig verwendeten Formel (siehe BVerfGE 18, 97, 111; 71, 81, 105; 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267) aus: so ist die Grenze dort erreicht, wo in Widerspruch getreten wird „[…] zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers […]“. Siehe auch Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit, S. 27, 47: „Gesetz ist aber auch nicht eine bloße, etwa aus Beratungen im Gesetzgebungsverlauf entnehmbare, aber im Gesetz nicht ausgedrückte Absicht. Gesetz ist vielmehr die Einheit von menschlichem Willen als Substanz und von Text als Form des Gesetzes. Diese Einheit, nicht aber das eine oder andere Teilelement, sind für den Rechtsadressaten und damit auch für den Richter schlechthin bindend.“.
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gelbeispielstechnik ausgeführt.63 Jedoch findet sich dort keine ausdrücklich Bemerkung zu deren Zweck. Erwähnung findet die Zielsetzung jedoch in einem durch den Bundesrat gefassten Gesetzentwurf. In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf wird hinsichtlich der Einfügung eines weiteren Regelbeispiels in § 113 Abs. 2 StGB ausgeführt: „Der Zweck des strafschärfenden Regelbeispiels in § 113 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 StGB liegt darin, eine besonders gefährliche Tatausführung schärfer zu sanktionieren.“.64 Zwar wurde dieser Gesetzentwurf letztlich abgelehnt und stattdessen der Entwurf der Bundesregierung65 durch den Bundestag beschlossen.66 Jedoch weicht Letzterer hinsichtlich der Ergänzung des § 113 Abs. 2 StGB durch das Regelbeispiel des „Beisichführens eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ nicht vom Gesetzentwurf des Bundesrates ab.67 Überdies finden sich auch in der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Begrifflichkeiten „strafschärfendes Regelbeispiel“ sowie „Anwendung des erhöhten Strafrahmens“.68 Es ist daher von einer übereinstimmenden Zwecksetzung auszugehen.69 Mangels einer weiteren expliziten Zwecksetzung des Gesetzgebers muss auf die Gesamtheit seiner Äußerungen in den sonstigen Gesetzgebungsverfahren abgestellt werden. Sehr häufig findet sich in den Materialien zu verschiedenen Gesetzesänderungen die Erwähnung, dass eine bestimmte Regelbeispielsnorm mit einer erhöhten Strafdrohung verbunden ist70 bzw. eine Strafschärfung für besonders schwere
63 Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 42, 78 (Gegenäußerung der Bundesregierung); siehe auch die Begründung zum Entwurf 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 183 ff., 400. 64 BT-Drucks. 17/2165, S. 6. 65 BT-Drucks. 17/4143. 66 Siehe BT-Plenarprotokoll 17/120, S. 14009D – 14010 A; zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 17/6505. 67 Die Übereinstimmung in diesem Punkt lässt bereits ein Blick auf die Stellungsnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates erkennen, siehe BT-Drucks. 17/2165 Anlage 2, S. 8. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungsnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung die Ergänzung des § 113 Abs. 2 StGB durch das Regelbeispiel nicht thematisiert (siehe BT-Drucks. 17/4143 Anlage 3, S. 10). 68 BT-Drucks. 17/4143, S. 6. 69 Dass die gesetzgeberische Zwecksetzung der im Bundesrats-Gesetzentwurf formulierten Zwecksetzung entspricht, kann letztlich wohl daraus geschlossen werden, dass die beiden Gesetzentwürfe bezüglich der Ergänzung des Regelbeispielskatalogs übereinstimmen und darüber hinaus – wie aufgeführt – in der Begründung zum vom Bundestag beschlossenen Entwurf Ausführungen mit entsprechender Tendenz (mithin Ausführungen, die auf eine identische Zwecksetzung schließen lassen) enthalten sind. 70 Siehe BT-Drucks. 7/550, S. 397 (zur Regelbeispielsnorm § 1 Abs. 3 WiStG). Siehe auch BT-Drucks. 16/3656, S. 14: „[…] [es] soll klargestellt werden, dass die erhöhte Strafdrohung nur für Angriffe mit vergleichbar schweren Folgen gilt.“. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur (nicht Gesetz gewordenen) Fassung der gefährlichen Körperverletzung in Regelbeispielsform, BT-Drucks. 13/8587, S. 82 (Gegenäußerung der Bundesregierung): „[…] verschärfte Strafdrohung […]“.
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Fälle beinhaltet71. Ferner ist im Zusammenhang mit Regelbeispielsnormen von einem „verschärften Strafrahmen“ die Rede72 bzw. dass ein Regelbeispiel strafschärfend wirkt73. Manche Gesetzesbegründungen sind weniger deutlich, lassen jedoch eine Fokussierung des Gesetzgebers auf die Verschiebung der „Strafenstaffel“ erkennen. So hat sich dieser in Hinblick auf die besonders schweren Fälle der Computersabotage dahingehend geäußert, dass diese sich durch den Grundstrafrahmen „[…] nicht immer angemessen erfassen lassen“74 und es „[…] sachgerecht [ist], die Sabotagehandlungen [welche ein Regelbeispiel erfüllen] in der Regel mit einer höheren Strafe zu ahnden.“75. Gerade nicht explizit abgestellt wird hierbei also auf die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe. Stattdessen geht es darum, dass im Falle der Regelbeispielsverwirklichung eine höhere Strafe ausgeworfen wird als für den Fall der bloß grunddeliktischen Verwirklichung (mithin dem Fall der Verwirklichung ohne Regelbeispielserfüllung). Gesetzestechnisch umgesetzt wird dies wiederum durch die gesetzliche Schaffung der Regelbeispielsnorm, welche eine Sonderstrafrahmenzuordnung beinhaltet und damit eine Verschiebung der „Strafenstaffel“ zu Lasten des Täters.76 Dies stellt letztlich eine gesetzlich festgelegte Strafschärfung für die Fälle der Regelbeispielsverwirklichung dar. In ihrer Gesamtheit lassen diese Ausführungen in den verschiedenen Gesetzesbegründungen erkennen, dass der Gesetzgeber mit dem Einsatz der Regelbeispielstechnik (jedenfalls) eine Strafschärfung beabsichtigt. Zu untersuchen ist im Folgenden, inwieweit sich darüber hinaus eine weitergehende Zwecksetzung des Gesetzgebers, namentlich die der Verschiebung der Strafrahmenobergrenze (mithin die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb bzw. 71 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 42: „Das Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Vorschriften, die für besonders schwere Fälle eine Strafschärfung vorsehen.“; siehe ferner BTDrucks. 15/2573, S. 29: „[…] Strafverschärfung für besonders schwere Fälle […]“; BT-Drucks. 7/550, S. 396 (zur Regelbeispielsnorm § 1 Abs. 3 WiStG). Aus der Begründung zum Entwurf 1962: BT-Drucks. IV/650, S. 362, 425 („Verschärfungen“). 72 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 36 (zum – nicht Gesetz gewordenen – Entwurfsvorschlag der Ausgestaltung der gefährlichen Körperverletzung als Regelbeispielsnorm); BT-Drucks. 7/ 550, S. 334 (allgemeine Ausführungen zur Verwendung der Regelbeispielstechnik im Wehrstrafgesetzbuch): „[…] Regelbeispiele, die in der Regel die Anwendung eines verschärften Strafrahmens rechtfertigen sollen.“; BT-Drucks. 17/4143, S. 6: Anwendung des erhöhten Strafrahmens. Siehe auch BT-Drucks. 17/4401, S. 9: abgestellt auf den erhöhten Strafrahmen, der der Verdeutlichung des besonderen Unrechts dient. Aus der Begründung zum Entwurf 1962: BT-Drucks. IV/650, S. 184, 309, 334, 401. 73 Siehe BT-Drucks. 13/7324, S. 6. 74 BT-Drucks. 16/3656, S. 13. 75 BT-Drucks. 16/3656, S. 14. 76 Insoweit kann man auch davon sprechen, dass Regelbeispielsnormen dazu dienen, „[…] die Strafzumessung […] in voneinander abgesetzte Unwertbereiche zu kanalisieren […].“ (siehe Blei, in: FS Heinitz, S. 419, 423).
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jenseits der grunddeliktischen Höchststrafe), ausmachen lässt. In den, im Gesetzgebungsverfahren zum 6. Strafrechtsreformgesetz gemachten, allgemeinen Bemerkungen zur Regelbeispielsmethode findet sich keine Bekundung des Gesetzgebers dahingehend, dass Regelbeispielsnormen (auch) der Anhebung der Strafrahmenobergrenze dienen.77 Selbiges ist zu konstatieren für die allgemeinen Ausführungen im Rahmen der Begründung des Entwurfs von 1962.78 Ein anderes Bild ergibt sich auch nicht bei Betrachtung der Ausführungen zur „Systematik“ der Strafandrohungen in den Materialen zum 6. Strafrechtsreformgesetz.79 Diese beschäftigen sich vornehmlich mit der (beabsichtigen) Harmonisierung der Strafrahmen zwischen den einzelnen Deliktsgruppen, namentlich betreffend das Verhältnis der Strafandrohungen für Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter zu den Strafandrohungen für Vermögensdelikte80 sowie die Auflösung interdeliktischer Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ausgestaltung der Sonderstrafrahmen für besonders schwere Fälle81.82 Neben dieser Umsetzung der „Höherbewertung“ der höchstpersönlichen Rechtsgüter in der Strafrahmengestaltung83 beschäftigen sich die Ausführungen im Gesetzentwurf auch mit der Vereinheitlichung der Ausgestaltung von Regel- und Sonderstrafrahmen bei den verschiedenen Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter.84 Damit steht jedoch jeweils die Harmonisierung bzw. Vereinheitlichung in Hinblick auf andere Deliktsgruppen im Fokus, mithin eine interdeliktische Sichtweise. Stets erfolgt eine Bezugnahme auf andere Deliktsgruppen. Nicht jedoch wird eine deliktgruppeninterne Betrachung vorgenommen, mithin das Verhältnis zwischen den Grundtatbeständen und den „aufgesetzten“ Normen (Komplementärnormen) beleuchtet. Infolgedessen nimmt es nicht wunder, dass es an einer Aussage dahingehend fehlt, welche Bedeutung der „aufgesetzten“ Norm und deren Strafdrohung im Verhältnis zum Grunddelikt zukommt, mithin welche Grundsätze für die Ausgestaltung der einzelnen Deliktsgruppe aus diesem Verhältnis resultieren. Es wird damit offenbar, dass aus diesen Ausführungen zur Harmonisierung der Strafrahmen keine Erkenntnisse abgeleitet werden können, welchen Gesetzeszweck der Gesetzgeber mit der Bildung einer Regelbeispielsnorm verfolgt.
77 78 79 80 81 82 83 84
Vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 42 f. Vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 183 ff., 400. Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 19 ff. Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 19 f. Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 22. Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 19 ff. Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 19 f. Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 21.
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Dass der Gesetzgeber mit dem Einsatz der Regelbeispielsmethode stets die Anhebung der Höchststrafe verbindet, kann auch angesichts dessen, dass er wiederholt von einem verschärften Strafrahmen gesprochen hat,85 nicht angenommen werden. Insoweit hat er nämlich gerade keinen Bezug genommen zur (aus dem Strafrahmenwechsel resultierenden) Verschiebung der Strafrahmenobergrenze. Hätte die Installation einer Regelbeispielsnorm in eine Deliktsgruppe für den Gesetzgeber jedoch (stets) den (eigenständigen) Zweck gehabt, den der Norm unterfallenden Fällen gesetzlich eine höhere Höchststrafe zuzuordnen, dann wäre der bloße Verweis auf den verschärften Strafrahmen (der stets bereits mit einer (bloßen) Mindeststrafenanhebung verbunden ist) eher fernliegend. Vielmehr hätte dann wohl auch die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb der Grundstrafrahmenobergrenze Erwähnung gefunden. cc) Strafschärfung als maßgeblicher Gesetzeszweck (1) Allgemeine Erläuterungen zum Gesetzeszweck der Strafschärfung Mit der Schaffung von „Regelbeispiels“-Strafnormen bezweckt der Gesetzgeber – wie die soeben aufgeführten Äußerungen in vergangenen Gesetzgebungsverfahren zeigen – eine Strafschärfung für besonders schwere Fälle bzw. genauer: die Festlegung einer gesetzlichen Strafschärfung für besonders schwere Fälle der Deliktsverwirklichung.86 Durch die Einbindung der Regelbeispielsnorm in das Gesetz wird eine gesetzlich vorgesehene Strafschärfung geschaffen.87 Für das Vorliegen eines besonders schweren Falles ist also bereits von Gesetzes wegen eine Strafschärfung vorgesehen. Der Gesetzgeber bestimmt damit für die besonders schweren Fälle der Deliktsverwirklichung die Strafzumessungstätigkeit des Richters vor, indem er bspw. die Möglichkeit der Verhängung der Geldstrafe beseitigt bzw. die Möglichkeit der Verhängung von (Freiheits-)Strafen aus einem bestimmten (im Regelstrafrahmen 85 Siehe dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 36 (zum – nicht Gesetz gewordenen – Entwurfsvorschlag der Ausgestaltung der gefährlichen Körperverletzung als Regelbeispielsnorm); BTDrucks. 7/550, S. 334 (allgemeine Ausführungen zur Verwendung der Regelbeispielstechnik im Wehrstrafgesetzbuch): „[…] Regelbeispiele, die in der Regel die Anwendung eines verschärften Strafrahmens rechtfertigen sollen.“; BT-Drucks. 17/4143, S. 6: Anwendung des erhöhten Strafrahmens. 86 Vgl. dazu die Feststellung in Begr. BRegE 1997, BT-Drucks. 13/8587, S. 42: „Das Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Vorschriften, die für besonders schwere Fälle eine Strafschärfung vorsehen.“. Insoweit bringt dieser Hinweis zum Ausdruck, dass entsprechende Vorschriften vornehmlich dazu dienen, für Verwirklichungsformen, welche eine besondere Schwere aufweisen, gesetzlich eine Verschärfung der Strafe vorzusehen. 87 Existierte vorher lediglich ein Grundtatbestand, so ist die Einbindung der Regelbeispielsnorm in das Gesetz zudem als Strafschärfung gegenüber dem gesetzlichen status quo aufzufassen. Denn selbst wenn die Strafrahmenobergenze des Sonderstrafrahmens derjenigen des Regelstrafrahmens entspricht, so entfällt (infolge der Verschiebung der Mindeststrafenandrohung bei Wechsel von Regel- zu Sonderstrafrahmen) für die besonders schweren Fälle der Deliktsverwirklichung der untere Bereich der bisherigen Strafandrohung (vgl. dazu die Ausführungen in BT-Drucks. 15/350, S. 9, 16, die eine entsprechende Tendenz aufweisen).
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enthaltenen) Strafbereich88 beseitigt. Insoweit entfalten Regelbeispielsnormen determinierend Wirkung.89 Im Gesetzestext spiegelt sich dies dadurch wider, dass an das Vorliegen eines besonders schweren Falles ein verschärfter Strafrahmen (nämlich der Sonderstrafrahmen) geknüpft wird. Für den Fall der Verwirklichung eines Regelbeispiels und der Nichtwiderlegung der damit verbundenen Indizwirkung ist damit im Gesetz eine Strafschärfung vorgesehen. Die Schaffung des Sonderstrafrahmens (und dessen Verknüpfung mit der Voraussetzung „besonders schwerer Fall“) dient damit letztlich der gesetzestechnischen Umsetzung der gesetzgeberischen Regelungsabsicht (die gesetzliche Strafschärfung für besonders schwere Fälle der Deliktsverwirklichung90).91 Daneben lässt sich feststellen, dass sich auch an anderer Stelle im StGB die Bezeichnung (Straf-)Schärfung für besonders schwere Fälle findet (siehe § 12 Abs. 3 StGB, § 46b Abs. 1 S. 2 StGB sowie § 78 Abs. 4 StGB). Die Zwecksetzung findet damit auch in der (sonstigen) gesetzlichen Terminologie Widerhall. (2) Kein (darüber hinausgehender) eigenständiger Zweck der Strafrahmenobergrenzenanhebung Nicht als vom Gesetzgeber gesetzter Zweck auszumachen ist hingegen die (gesetzliche) Eröffnung der Möglichkeit zur Verhängung einer über der Obergrenze des Regelstrafrahmens liegenden Freiheitsstrafe (mit anderen Worten: die Anhebung bzw. Verschiebung der Strafrahmenobergrenze). Zwar finden sich vereinzelt Äußerungen, welche in eine entsprechende Richtung deuten.92 Nimmt man jedoch die 88
Umfasst hiervon ist der zwischen der Untergrenze des Regelstrafrahmens und der Untergrenze des Sonderstrafrahmens liegende Strafbereich. 89 Entsprechendes wurde bereits unter dem Stichwort „antezipierte Strafzumessung“ für Qualifikationstatbestände festgestellt, vgl. dazu Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 133 sowie Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 426, die den Qualifikationstatbestand als antizipierte Strafzumessungsregel auffassen; folgend Arzt, JuS 1972, 385, 386; in der Sache auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 144: Präjudizierung des Richters durch Aufstellung von Qualifizierungen. Kritisch Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 75 ff. 90 Vgl. dazu die Feststellung in Begr. BRegE 1997, BT-Drucks. 13/8587, S. 42: „Das Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Vorschriften, die für besonders schwere Fälle eine Strafschärfung vorsehen.“. 91 Zur Unterscheidung zwischen Regelungsentscheidung (i.S.d. gesetzestechnischen Umsetzung) und gesetzgeberischer Wertentscheidung Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 119 f., 228; ähnlich BVerfGE 54, 277, 299: abgestellt auf gesetzgeberische Grundentscheidungen, Wertungen und angelegte Zwecke der Regelung; BVerfGE 86, 288, 320: Wahrung der „[…] prinzipielle[n] Zielsetzung des Gesetzgebers […]“. 92 Siehe BT-Drucks. 13/5584, S. 15: „[…] über den Regelstrafrahmen hinausgehende Strafdrohung […]“; BT-Drucks. 14/8221, S. 18 (hinsichtlich der Einfügung einer Regelbeispielsnorm in das Gesetz): „[…] Notwendigkeit […], höhere Strafen als bisher zu verhängen […]“; BT-Drucks. 7/3441, S. 36: Erweiterung des Strafrahmens. Siehe auch BT-Drucks. 7/ 5291, S. 6: Betonung des Erfordernisses einer Strafrahmenabstufung wegen des ansonsten eintretenden Konflikts mit den Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes bezüglich der Straf-
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
Gesamtheit der Äußerungen des Gesetzgebers zur Rechtsfolgenanordnung bei Regelbeispielstechnik-Normen in den Blick, so zeigt sich, dass den entsprechenden Äußerungen nur untergeordnete Bedeutung zukommt. So fehlen diese nämlich hinsichtlich des weit überwiegenden Teils der Regelbeispielsnormen. Daneben sind die entsprechenden Äußerungen teilweise nicht von solch großer Klarheit geprägt, dass ihnen eine generelle gesetzgeberische Zwecksetzung entnommen werden kann.93 Damit fehlt es dahingehend jedoch bereits an einer hinreichend eindeutigen Zwecksetzung des Gesetzgebers. Die entsprechenden Äußerungen können daher nicht verallgemeinert werden in Hinblick auf sämtliche mittels der Regelbeispielstechnik gebildete Normen. Neben der bereits erwähnten geringen Anzahl gesetzgeberischer Äußerungen entsprechender Tendenz spricht gegen die Annahme einer solchen gesetzgeberischen Zwecksetzung (bezweckte Anhebung der Strafrahmenobergrenze bzw. Eröffnung des oberhalb des grunddeliktischen Strafrahmens liegenden Strafenbereichs) auch, dass der Gesetzgeber selbst Regelbeispiels-Normen (siehe §§ 177 Abs. 2 StGB a.F.94; § 176 drohung. Ausführungen entsprechender Tendenz sind auch in der Begründung zum Entwurf 1962 zu finden (siehe BT-Drucks. IV/650 S. 289, 363, 447, 448). Jedoch ist bei der Heranziehung dieser Entwurfsbegründung Zurückhaltung geboten, denn der Entwurf 1962 ist nicht Gesetz geworden. Der Entwurf 1962 sowie seine Begründung waren somit niemals Gegenstand eines gefassten Gesetzesbeschlusses. Daher kann auch die Begründung zum Entwurf 1962 nicht unbesehen als gesetzgeberische Willensbekundung aufgefasst werden. Dass sich in den nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren wiederholt Bezugnahmen auf den Entwurf 1962 finden (so bspw. im Rahmen des 6. Strafrechtsreformgesetzes, siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 42), vermag eine solche nicht zu begründen. In einer solchen Bezugsnahme kann allenfalls ein punktuelles (auf die jeweilige Norm bezogenes), keineswegs aber ein globales „zu-eigenmachen“ der (gesamten) Entwurfsbegründung erblickt werden. Angesichts des Abstands zum Zeitpunkt der Fassung des Entwurfs 1962 bedarf es jedoch auch dafür weiterer Anhaltspunkte. Ebenso zurückhaltend in Hinblick auf die Heranziehung der Begründung zu Entwurf 1962 Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 325: „[…] Vorsicht geboten und eine Prüfung von Fall zu Fall veranlaßt.“. 93 Freilich gibt es einzelne Ausnahmen, siehe zu diesen Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) ee) (3). 94 In der bis 9. November 2016 geltenden Fassung. Auch die seit 10. November 2016 geltende Neuregelung des § 177 StGB – sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung – (dazu BT-Drucks. 18/9097), welche den grundtatbestandlichen Bereich deutlich erweitert und den bisherigen Grundtatbestand (§ 177 Abs. 1 StGB a.F.) als Qualifikation in einen neuen Absatz „verschiebt“ (§ 177 Abs. 5 StGB), weist entsprechende Ansatzpunkte auf. Zwar wird die Strafandrohung für die neu formulierte Grundform der Deliktsverwirklichung deutlich abgesenkt, sodass sie in ihrer Höchststrafenfestsetzung unter denjenigen der aufbauenden Regelbeispiels- und Qualifikationsnormen liegt. Dies ist angesichts der Ausweitung des grundtatbestandlichen Bereichs auch sachgerecht. Gleichwohl bleibt das Verhältnis zwischen § 177 Abs. 1 StGB a.F. (§ 177 Abs. 5 StGB) und den weitergehenden Komplementärnormen (§ 177 Abs. 6 bis 8 StGB) mit Blick auf das Gleichbleiben der Höchststrafenandrohung gewahrt: Die subtilen Abstufungen im Bereich der Strafrahmen, welche der neue § 177 StGB enthält, beziehen sich innerhalb der Komplementärnormen ausschließlich auf die Anhebung der Mindeststrafe. Dies zeigt, dass der Verschiebung der Mindeststrafe eine große Bedeutung zukommt; dem Argument, eine Strafschräfung könne nur eintreten, wenn (zugleich) die Höchststrafenandrohung verschoben wird, ist damit der Boden entzogen. Denn wäre eine
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Abs. 3 StGB a.F.95 ; § 30 Abs. 4 sowie § 31 Abs. 3 Wehrstrafgesetz)96 geschaffen hat, deren Strafrahmenobergrenze derjenigen des im Grunddelikt vorgesehenen Regelstrafrahmens entspricht. Diese Regelungen würden keinen Sinn ergeben, wenn der Gesetzgeber mit der Regelbeispielsnormschaffung stets auf eine Anhebung der Höchststrafe (bzw. die Eröffnung jenseits des Regelstrafrahmens liegender Strafenbereiche) abzielen würde. Zutreffend hat Eisele konstatiert, dass (in diesen Fällen) die Funktion der Sonderstrafrahmen vornehmlich darin liegt, eine Erhöhung der Mindeststrafe zu normieren.97 Genauer betrachtet stellt auch dies eine Möglichkeit dar, eine Strafschärfung herbeizuführen98 und damit den (Eingangs ermittelten) Gesetzeszweck der Strafschärfung – und zwar unabhängig von der Ausgestaltung der Strafrahmenobergrenze – zu erreichen. Legt man bei der Betrachtung dieser Normen den Gesetzeszweck der Strafschärfung zu Grunde, so erklärt sich deren Sinnhaftigkeit.99 Aufschlussreich in Hinblick auf die Ermittlung der gesetzgeberischen Zwecksetzung sind auch die gesetzgeberischen Aussagen zur Bestimmung der minder schweren Fälle. Diese stellen letztlich das diametrale Gegenstück zur Regelungs-
solche Sichtweise richtig, so würde es sich bei der im nun aktuellen § 177 StGB enthaltenen Strafrahmenabstufung um eine widersinnige Normgestaltung handeln. 95 Alte Fassung, gültig bis 31. 03. 1998. 96 Kritisch hinsichtlich der gleich bleibenden Höchststrafe bei § 176 a.F. Maiwald, NStZ 1984, 433, 436. Dieser verkennt jedoch, dass es sich um ein zur Verfügung stehendes Mittel zur Strafschärfung für besonders schwere Fälle handelt; vgl. dazu Timpe, Strafmilderungen des Allgemeinen Teils, S. 87 f., der zutreffend konstatiert, dass eine solche „[…] Gesetzestechnik […], die eine Strafschärfung für besonders schwere Fälle durch die Verengung des Strafrahmens […] zu bringen versucht, […] nicht notwendig abwegig oder eine gesetzgeberische Fehlleistung [ist] […].“. Neben der Änderung der Strafenstaffel (so bereits Timpe, a.a.O., S. 87 f.) folgt aus einer solchen Rechtsfolgenanordnung (lediglich Anhebung der Strafrahmenuntergrenze) auch der Wegfall einer Strafart, nämlich der Geldstrafe, sowie der Wegfall eines bestimmten Freiheitsstrafenbereichs. Gerade letzteres ist angesichts der tätergünstigen Strafzumessungsregel des § 47 StGB sowie der Verkleinerung des Bereichs aussetzungsfähiger Freiheitsstrafen aus Sicht des Verurteilten von besonderer Bedeutung (so auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 444) und damit ohne weiteres als Strafschärfung zu qualifizieren. 97 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 444 sowie S. 28. 98 Zutreffend bereits Timpe, Strafmilderungen des Allgemeinen Teils, S. 87 f. Auch der Gesetzgeber hat sich entsprechend geäußert. In der Gesetzesbegründung zu § 177 Abs. 3 StGB a.F. (zwischenzeitlich – bis 9. November 2016 – § 177 Abs. 2 StGB (a.F.), nunmehr (teilweise) in § 177 Abs. 6 StGB enthalten) hat er von einer „strafschärfenden“ Wirkung gesprochen, obgleich der Sonderstrafrahmen vom Grundstrafrahmen lediglich in der Mindeststrafe abweicht (siehe dazu die Begründung zum 33. Strafrechtsänderungsgesetz, BT-Drucks. 13/7324, S. 6). 99 Kritisch hinsichtlich der gleich bleibenden Höchststrafe bei § 176 a.F. jedoch Maiwald, NStZ 1984, 433, 436. Dieser verkennt jedoch, dass es sich um ein zur Verfügung stehendes Mittel zur Strafschärfung für besonders schwere Fälle handelt; vgl. dazu Timpe, Strafmilderungen des Allgemeinen Teils, S. 87 f.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
form der besonders schweren Fälle dar,100 weshalb die zu ihnen getätigten Aussagen durchaus von Belang sein können. In der Begründung zum Entwurf von 1962, welcher seinerseits eine besondere Bedeutung für die nachfolgenden Strafrechtsreformgesetze besitzt, da diese wiederholt Bezug auf diesen Entwurf und die in diesem enthaltenen Vorschläge genommen haben,101 wird hinsichtlich der Annahme eines minder schweren Falles für maßgeblich erklärt, dass der (Regel-)Strafrahmen bzw. dessen Anwendung nicht sachgerecht ist.102 Von Bedeutung für die Strafrahmenverschiebung soll damit nicht sein, dass der Regelstrafrahmen eine zu hohe Mindeststrafe aufweist, sondern dass er in seiner Gesamtheit nicht sachgerecht ist. Die mildernde Strafrahmenverschiebung ist daher gerade nicht von der im Regelstrafrahmen vorgesehenen Mindest- oder Höchststrafe abhängig, sondern von dem Regelstrafrahmen als solchen. Entsprechend praktiziert es letztlich der Bundesgerichtshof seit Jahrzehnten für die unbenannten besonders schweren Fälle bzw. (sofern eine mittels der Regelbeispielstechnik geformte Norm vorliegt) die sonstigen besonders schweren Fälle. Nach seiner Gesamtwürdigunglösung ist ein (sonstiger) besonders schwerer Fall dann anzunehmen, wenn (unter Abwägung aller Umstände zur äußeren und inneren Tatseite) das Tatbild vom Durchschnitt der praktisch in Betracht kommenden Delikte in einem Maß abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.103 Als entscheidend sieht es der Bundesgerichtshof also mitnichten an, dass durch die Anwendung des Sonderstrafrahmens eine Bestrafung oberhalb der Strafrahmenobergrenze des Regelstrafrahmens ermöglicht wird. Vielmehr geht es um die Gebotenheit der Anwendung des verschärften Sonderstrafrahmens, also um den verschärften Strafrahmen an sich. Auch wenn diese Gesamtwürdigungslösung kritisch zu sehen ist,104 so wird man aufgrund dessen, dass der Gesetzgeber sich hinsichtlich dieser jahrzehntelangen Praxis der Rechtsprechung bislang nicht ablehnend bzw. kritisch geäußert hat, von der grundsätzlichen Akzeptanz durch den Gesetzgeber ausgehen können. Dann jedoch kann der Gesetzgeber mit dem Einsatz der Regelbeispielstechnik nicht zwingend die Eröffnung der Möglichkeit zur Verhängung einer über der Obergrenze des Regelstrafrahmens liegenden Freiheitsstrafe bezweckt haben, denn bei einer solchen 100 Dies wurde bereits frühzeitig auch von gesetzgeberischer Seite festgestellt; siehe dazu die Amtliche Begründung zum Entwurf von 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 185. Ebenso Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 230 f. 101 So die Feststellung von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 93. Siehe bspw. die Erwähnung des Entwurfs von 1962 in BT-Drucks. 13/8587, S. 42. 102 Siehe dazu die Amtliche Begründung zum Entwurf von 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 185. 103 BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 323; BGH NStZ 1984, 436; 1992, 229. Ebenso Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 14; Maiwald, NStZ 1984, 433, 439; Rengier, Strafrecht BT I, § 3 Rn. 4; Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1147; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 50; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 46 Rn. 17; Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 67. 104 Siehe eingehend dazu Kapitel 8.
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Zwecksetzung würde eine andere Formel, abstellend gerade auf die Eröffnung dieses Strafenbereichs oberhalb des Grundstrafrahmens, einleuchtender sein. Auch die oben genannte Äußerung bezüglich der Regelungen für minder schwere Fälle in der Begründung zum Entwurf von 1962 wäre – würde man eine solche Zwecksetzung des Gesetzgebers annehmen – letztlich nicht schlüssig.105 Schlußendlich ergibt auch eine genaue Betrachtung der Äußerungen des Gesetzgebers in den Gesetzgebungsverfahren, dass dieser sehr häufig Bezug auf den Strafrahmen insgesamt genommen hat106 und gerade nicht auf die Obergrenze des Regelstrafrahmens bzw. die Eröffnung eines über dieser Obergrenze liegenden Strafenbereichs durch die Strafrahmenverschiebung. Im Ergebnis ist daher nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung einer Regelbeispielsnorm stets die Verschiebung der Strafrahmenobergrenze (mithin die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb der grunddeliktischen Strafrahmengrenze) bezweckt. Es handelt sich dabei – vorbehaltlich besonderer Ausnahmefälle107 – um keinen eigenständigen Gesetzeszweck. Die Verschiebung der Strafrahmenobergrenze ist damit lediglich eine gesetzestechnische Umsetzung der gesetzgeberischen Zwecksetzung der Strafschärfung.108 Unter dem Blickwinkel der gesetzgeberischen Zwecksetzung kommt ihr demzufolge kein eigenständiger Wert zu. Die Verschiebung der Strafrahmenobergrenze (mithin die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafenandrohung) stellt lediglich die Regelungsentscheidung dar, ist jedoch nicht gesetzgeberische Wertentschei-
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Denn bei diesen (d. h. bei den Regelungen der „minder schweren Fälle“) müsste – gerade entgegen der Äußerung in der Begründung zum Entwurf von 1962 (siehe dazu die Ausführungen in der Amtlichen Begründung zum Entwurf von 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 185) – in letzter Konsequenz auf die Unangemessenheit der im Regelstrafrahmen vorgesehenen Mindetsstrafe abgestellt werden. 106 Siehe nur BT-Drucks. 13/8587, S. 36 (zum – nicht Gesetz gewordenen – Entwurfsvorschlag der Ausgestaltung der gefährlichen Körperverletzung als Regelbeispielsnorm): verschärfter Strafrahmen; BT-Drucks. 7/550, S. 334 (allgemeine Ausführungen zur Verwendung der Regelbeispielstechnik im Wehrstrafgesetzbuch): „[…] Regelbeispiele, die in der Regel die Anwendung eines verschärften Strafrahmens rechtfertigen sollen.“; BT-Drucks. 17/ 4143, S. 6: Anwendung des erhöhten Strafrahmens; BT-Drucks. 17/4401, S. 9: abgestellt auf den erhöhten Strafrahmen, der der Verdeutlichung des besonderen Unrechts dient; aus der Begründung zum Entwurf 1962: BT-Drucks. IV/650, S. 184, 309, 334, 401. Siehe daneben auch BT-Drucks. 7/550, S. 397 (zur Regelbeispielsnorm § 1 Abs. 3 WiStG): erhöhte Strafdrohung; BT-Drucks. 16/3656, S. 14: „[…] [es] soll klargestellt werden, dass die erhöhte Strafdrohung nur für Angriffe mit vergleichbar schweren Folgen gilt.“; BT-Drucks. 13/8587, S. 82 (Gegenäußerung der Bundesregierung): „[…] verschärfte Strafdrohung […]“. 107 Dazu Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) ee). 108 Zur Unterscheidung zwischen Regelungsentscheidung (i.S.d. gesetzestechnischen Umsetzung) und gesetzgeberischer Wertentscheidung Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 119 f., 228.
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dung.109 Denn diesbezüglich fehlt es – wie ausgeführt wurde – an einer eindeutigen gesetzgeberischen Äußerung.110 (3) Zusammenfassung Zusammenfassend formuliert bedeutet dies: Es ist nicht stets Zweck der Gesetzestechnik der Regelbeispiele, die Möglichkeit zu eröffnen, eine Freiheitsstrafe oberhalb des Regelstrafrahmens zu verhängen.111 Eine gesetzgeberische Zwecksetzung dahingehend, dass Regelbeispielsnormen stets der Verschiebung der Höchststrafenandrohung dienen, liegt nicht vor.112 Ein dahingehender eindeutiger (klar erkennbarer) Wille des Gesetzgebers ist, insbesondere aufgrund der aufgezeigten Ambivalenz der gesetzgeberischen Äußerungen, nicht auszumachen. Bei Betrachtung der gesetzgeberischen Äußerungen zeigt sich gerade kein einheitliches Bild. Überdies ist – wie noch auszuführen sein wird113 – die Anhebung der Höchststrafe nicht notwendige Bedingung zur Erreichung des ermittelten Gesetzeszwecks der Strafschärfung. Dessen ungeachtet kann eine entsprechende gesetzgeberische Zwecksetzung (Eröffnung des jenseits der grunddeliktischen Strafandrohung liegenden Strafenbereichs) jedoch bezüglich einer bestimmten (einzelnen) Regelbeispielsnorm vor-
109 Zur Unterscheidung zwischen Regelungsentscheidung (i.S.d. gesetzestechnischen Umsetzung) und gesetzgeberischer Wertentscheidung Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 119 f., 228. 110 Auch das Argument, der Gesetzgeber habe die Funktion der schärfenden Strafobergrenzenverschiebung für selbstverständlich angesehen und deswegen auf eine explizite Erwähnung verzichtet, vermag nicht zu verfangen. Denn nur das, was der Gesetzgeber (selbst) eindeutig und klar äußert, bindet den Rechtanwender. Ausschließlich der Gesetzgeber kann die (alle Rechtsanwender bindende) legislative Wertentscheidung setzen; unterlässt er dies, so kann eine solche – selbst wenn sie sinnvoll sein sollte – nicht nachträglich mit bindender Wirkung für den Rechtsanwender konstruiert werden. Hieran ändert auch nicht, dass/wenn man aus dieser vorgebrachten Sinnhaftigkeit einer bestimmten Regelung auf einen konkludent geäußerten Willen des Gesetzgebers schließen will. Denn auch dann bleibt es dabei: Es fehlt die notwendige eindeutige gesetzgeberische Willensäußerung in Hinblick auf eine entsprechende legislative Wertentscheidung. Wie aufgezeigt wurde, fehlt es vorliegend mit Blick auf die Regelbeispielsnormen gerade an dieser Eindeutigkeit bzw. Klarheit, weshalb die Verschiebung der Strafrahmenobergrenze lediglich Regelungsentscheidung ist, nicht jedoch (eine strikte Bindung erzeugende) legislative Wertentscheidung. 111 Vgl. darüber hinaus Montenbruck, Strafrahmen, S. 69 ff., 95, der mittels einer systematischen Gegenüberstellung der damals (1983) geltenden Strafrahmen sowie einer Betrachtung der Rechtspraxis zur (Nicht-)Ausschöpfung der grunddeliktischen Strafrahmen aufgezeigt hat, dass die „[…] Anhebung der Höchststrafen nicht als ein konstitutives Merkmal der besonders schweren Fälle anzusehen ist.“. 112 In dieselbe Richtung auch Montenbruck, Strafrahmen, S. 69 ff., 95: kein konstitutives Merkmal der besonders schweren Fälle. 113 Siehe dazu Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) dd) zur Frage, ob trotz Vornahme der Rechtsfortbildung die Erreichung des Gesetzeszwecks gewahrt bleibt.
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liegen, was im übernächsten Abschnitt114 nochmals aufgegriffen und näher beleuchtet wird. Die gesetzgeberische Zwecksetzung (Strafschärfung) weist danach einen relativ allgemeinen Charakter auf, weshalb (mangels gesetzgeberischer Willensbekundung bezüglich des Zweckerreichungsmittels) durchaus verschiedene zulässige Mittel zur Zweckerreichung denkbar sind und damit (auch bei Beachtung der Gesetzesbindung) ein (Entscheidungs-)Spielraum des Rechtsanwenders verbleibt.115 Keinesfalls ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung einer Regelbeispielsnorm stets die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb des grunddeliktischen Regelstrafrahmens bezweckt. Regelbeispielsnormen dienen damit nicht allgemein der Anhebung der Strafrahmenobergrenze. Demgemäß stellt sich die Anhebung der Strafrahmenobergrenze – vorbehaltlich etwaiger spezieller gesetzgeberischer Willensbekundungen bzgl. einzelner Normen – grundsätzlich lediglich als ein Mittel zur Umsetzung des Gesetzeszwecks der Strafschärfung dar. Der relevante Gesetzeszweck ist damit die Strafschärfung. Im Rahmen der verfassungskonformen Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen ist dieser Gesetzeszweck der Strafschärfung zu beachten. dd) Aufrechterhaltung des Gesetzeszwecks – grundsätzliches Fehlen eines erkennbar entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens (1) Bestehenbleiben der Strafschärfung für besonders schwere Fälle Reduziert man Regelbeispielsnormen entsprechend der hier vorgeschlagenen Lösung,116 so kommt der grunddeliktische Strafrahmen (Regelstrafrahmen) zur Anwendung und zwar mit der Maßgabe, dass die in der Regelbeispielsnorm vorgesehene Mindeststrafe (d. h. die Strafrahmenuntergrenze des Sonderstrafrahmens) nicht unterschritten werden darf (diese mithin Sperrwirkung entfaltet). Damit tritt – vorausgesetzt die Untergrenze des Sonderstrafrahmens liegt über der Untergrenze des Regelstrafrahmens117 – im Vergleich zum grunddeliktischen Strafrahmen eine Strafschärfung ein. Insoweit ist nämlich bei Vorliegen eines besonders schweren Falles (in Form der Verwirklichung eines Regelbeispiels, welches einen neuen, wesensfremden Unwerttypus beschreibt) die Verhängung einer Strafe, die unter der im Sonderstrafrahmen vorgesehenen Mindeststrafe liegt, ausgeschlossen. Letztlich 114
Siehe Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) ee). Vgl. dazu die allgemeinen Überlegungen bei Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 266 ff., nach denen die verfassungskonforme Rechtsfortbildung das Bestehen eines Entscheidungsspielraums voraussetzt (siehe Koch/Rüßmann, a.a.O., S. 267). 116 Insoweit bezieht sich die Reduktion auf die Rechtsfolgenanordnung. Allgemein zu dieser Fallgruppe der Rechtsfortbildung Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 260 f., 272 f., die jedoch mit der Bezeichnung „teleologische Modifikation“ arbeiten. 117 Dies ist derzeit bei sämtlichen Regelbeispielsnormen im StGB gegeben. Die Mindeststrafe ist bei allen existierenden Regelbeispielsnormen höher als die im grunddeliktischen Strafrahmen festgesetzte Mindeststrafe. 115
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bedeutet dies, dass die Mindeststrafe höher ist als bei Nichtannahme eines besonders schweren Falles und daraus folgender (gewöhnlicher) Anwendung des Regelstrafrahmens. Im Vergleich zum Grundtatbestand tritt damit eine Strafschärfung ein. Der verfassungskonformen Reduktion steht daher der Gesetzeszweck in aller Regel nicht entgegen,118 da diese (scil. die verfassungskonforme Reduktion) den Gesetzeszweck (Strafschärfung für besonders schwere Fälle) nicht vereitelt. Durch die Anerkennung einer Sperrwirkung der in der Regelbeispielsnorm vorgesehenen Mindeststrafe wirkt die in der Regelbeispielsnorm festgesetzte Rechtsfolgenanordnung auch nach Vornahme einer entsprechenden verfassungskonformen Reduktion teilweise fort, sodass der Gesetzeszweck, mithin die Strafschärfung, realisiert wird. Es bleibt demnach festzustellen, dass ein Teil der in der Regelbeispielsnorm enthaltenen Rechtsfolgenanordnung,119 namentlich die Anhebung der Mindeststrafe, von der verfas118 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 260 f., meinen, dass bei diesen, die Rechtsfolgenseite betreffenden, „Korrekturen“ Zurückhaltung geboten sei und regelmäßig die Wertentscheidung des Gesetzgebers entgegenstehen werden. Richtig daran ist, dass der Gesetzeszweck der (verfassungskonformen) Rechtsfortbildung (hier: Reduktion) nicht entgegenstehen darf und daher diesem besondere Beachtung zu schenken ist bzw. hinreichend genau zu prüfen ist, ob der Zweck des Gesetzes die Vornahme der verfassungskonformen Rechtsfortbildung verbietet. Insofern kann eine Rechtsfortbildung nicht ohne weitere Prüfung ihrer Zulässigkeit vorgenommen werden. Zu weit geht es aber, zu meinen, dass die Wertentscheidung des Gesetzgebers regelmäßig entgegenstehen werde (vgl. dazu Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 261). Dies bedarf nämlich vielmehr einer eingehenden Prüfung im Einzelfall, weshalb sich eine solch pauschale Aussage als nicht haltbar darstellt. Zu ermitteln ist daher im vorliegenden Fall, ob der Gesetzeszweck der Regelbeispielsnormen (Strafschärfung für besonders schwere Fälle) der vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion entgegensteht. Wie sich noch zeigen wird, ist dies jedoch nur ausnahmsweise der Fall. Die verfassungskonforme Reduktion ist vielmehr regelmäßig vereinbar mit dem Gesetzeszweck. 119 Entscheidend ist dabei die nähere Betrachtung der Rechtsfolgenanordnung von Regelbeispielsnormen. Diese bestimmt zunächst die Anwendung des Sonderstrafrahmens, wobei letztlich der Richter, da er von der Indizwirkung der Regelbeispiele abweichen kann, entscheidet, ob der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Diese Anordnung (Anwendung des Sonderstrafrahmens) lässt sich weiter ausdifferenzieren. Sie enthält zum einen die Anordnung, dass keine Bestrafung unter der festgelegten Mindeststrafe erfolgen soll. Zum anderen legt sie aber auch die maximal zulässige Strafhöhe fest (in Form der Strafrahmenobergrenze); dem Richter ist es versagt, eine höhere als die vorgegebene Höchststrafe zu verhängen. Im Vergleich zum Grunddelikt werden dabei regelmäßig sowohl die Mindest- als auch die Höchststrafe angehoben (daher enthält die Rechtsfolgenanordnung der Regelbeispielsnorm bei eingehender Betrachtung regelmäßig einerseits die Anhebung der Mindeststrafe und andererseits die Anhebung der Höchststrafe). Darüber hinaus wird durch die Anordnung reglmäßig auch die Möglichkeit eröffnet eine Strafe zu verhängen, die über dem im Grunddelikt vorgesehenen Höchstmaß liegt (freilich nur bis zu dem Maß der maximal zulässigen Höchststrafe: die Obergrenze des Sonderstrafrahmens bildet dabei eine Grenze für die richterliche Straffestsetzung). Dies kann insoweit bezeichnet werden als Eröffnung der Möglichkeit der Verhängung (bzw. Ermächtigung zur Verhängung) einer höheren Strafe. Durch diese Ausdifferenzierung der Rechtsfolgenanordnung wird sichtbar, dass die Reduktion lediglich einen Teil der Rechtsfolgenanordnung betrifft. Nicht betroffen ist die in der Mindeststrafenfestsetzung enthaltene Anordnung, dass keine Strafe unter einem bestimmten Strafwert (mithin unter der gesetzlich festgelegten Strafrahmenuntergrenze) verhängt werden darf. Durch die Anerkennung der Sperrwirkung der in der Regelbeispielsnorm vorgesehenen Strafrahmenuntergrenze bleibt
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sungskonformen Reduktion unberührt bleibt und dies letztlich zur Realisierung des Gesetzeszwecks, der Verschärfung der Strafandrohung für besonders schwere Verwirklichungsformen, führt. Die nach der verfassungskonformen Reduktion verbleibende Restwirkung der Rechtsfolgenanordnung realisiert damit letztlich den Gesetzeszweck. Ein Entgegenstehen der gesetzgeberischen Zwecksetzung (Strafschärfung für besonders schwere Fälle) könnte also nur in den Fällen angenommen werden, in denen die in der Regelbeispielsnorm festgelegte Mindeststrafe im Vergleich zum Grunddelikt nicht erhöht ist. Dann würde die hier vorgeschlagene verfassungskonforme Reduktion nämlich dazu führen, dass der Gesetzeszweck (Strafschärfung) vereitelt würde, da insoweit die Sperrwirkung der Untergrenze des Sonderstrafrahmens „ins Leere ginge“, mithin die Sperrwirkung (aufgrund der Übereinstimmung mit der im Grunddelikt vorgesehenen Mindeststrafe) eine Strafschärfung nicht bewirkte. Indes ist jedoch – wie bereits erwähnt – festzustellen, dass zumindest im derzeit geltenden StGB keine entsprechenden Regelbeispiels-Strafnormen existieren. (2) Strafschärfung durch Strafrahmenverengung Die vorgeschlagene verfassungskonforme Reduktion betrifft den Sonderstrafrahmen. Dieser ist jedoch nur das Mittel zur Zweckerreichung, mithin stellt er lediglich eine gesetzestechnische Umsetzung dar. Aufgrund der praktischen Beibehaltung der erhöhten Mindeststrafe (durch Anerkennung der Sperrwirkung der Strafrahmenuntergenze des Sonderstrafrahmens) bleibt es jedoch bei der Strafschärfung für besonders schwere Verwirklichungsformen, sodass aus der Nichtandiese Anordnung erhalten. Diese Anordnung (und damit auch die Anhebung der Mindeststrafe) wirken daher auch nach der verfassungskonformen Reduktion fort. Die verfassungskonforme Reduktion umfasst demzufolge nicht den gesamten Wirkbereich der Rechtsfolgenanordnung. Betroffen ist zwar allgemein die gesetzliche Anordnung, dass der Richter darüber zu entscheiden hat, ob bei Erfüllung eines Regelbeispiels der Sonderstrafrahmen Anwendung findet (indem dieser (scil. der Richter) über die Widerlegung der Indizwirkung des Regelbeispiels zu befinden hat). Diese (vom Gesetzgeber delegierte) Letztentscheidungskompetenz des Richters über die Zuordnung des Sonderstrafrahmens zum Regelbeispiel bildet den Ursprung der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit und ist Gegenstand der erforderlichen verfassungskonformen Reduktion. Die Reduktion bezieht sich daher hauptsächlich auf die Zuordnung des Sonderstrafrahmens und bewirkt die dauernde Nichtanwendbarkeit des Sonderstrafrahmens (freilich nur bei solchen Regelbeispielen, die einen neuen, wesensfremden Unwerttypus beschreiben und bei denen daher dem Gesetzgeber vorzuwerfen ist, dass er (in verfassungswidriger Weise) die falsche Gesetzgebungstechnik verwendet hat). Damit wirkt sich die Vornahme der verfassungskonformen Reduktion auf die Anhebung der Höchststrafe aus sowie auf die Eröffnung der Möglichkeit eine höhere Strafe als die im grunddeliktischen Strafrahmen vorgesehene Höchststrafe zu verhängen. Erhalten bleibt jedoch – wie erwähnt – die Anordnung der angehobenen Mindeststrafe und zwar durch die Anerkennung der Sperrwirkung der Mindeststrafenfestsetzung der Regelbeispielsnorm. Die Anerkennung der Sperrwirkung kompensiert dahingehend die – die Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens bewirkende – Reduktion der Rechtsfolgenanordnung in einem Teilbereich (nämlich bezogen auf die Anhebung der Mindeststrafe).
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
wendung des Sonderstrafrahmens nicht die Vereitelung des Gesetzeszwecks der Strafschärfung folgt. Trotz Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens bleibt die Strafschärfung bestehen. Eine Strafschärfung kann – wie bereits von anderer Seite festgestellt wurde – durchaus auch mittels einer Strafrahmenverengung bewerkstelligt werden.120 So wirkt sich nämlich (bereits) die Anhebung der Mindeststrafe121 maßgeblich auf die Bestrafung des Täters aus.122 Einerseits ändert sich damit die Strafenstaffel.123 Gravierender zu sehen sind jedoch der Wegfall der milderen Strafart, nämlich der Geldstrafe, sowie der Wegfall eines bestimmten Freiheitsstrafenbereichs. Gerade Letzteres ist angesichts der tätergünstigen Strafzumessungsregel des § 47 StGB sowie der Verkleinerung des Bereichs aussetzungsfähiger Freiheitsstrafen aus Sicht des Verurteilten von erheblicher Bedeutung124 und damit ohne weiteres als Strafschärfung zu qualifizieren.125 Darin zeigt sich, dass die Vornahme der verfassungskonformen Reduktion die Realisierung des Zwecks des Gesetzes, nämlich Strafschärfung, nicht verhindert und dieser daher einer solchen verfassungskonformen Reduktion nicht entgegensteht. Unerheblich ist hingegen, dass die Höchststrafe des Regelstrafrahmens nach der verfassungskonformen Reduktion nicht mehr überschritten werden kann. Die Anhebung der Höchststrafe stellt – wie bereits festgestellt wurde – regelmäßig keinen eigenständigen gesetzgeberischen Zweck bei Regelbeispielsnormen dar,126 sondern 120
Siehe Timpe, Strafmilderungen des Allgemeinen Teils, S. 87 f.; vgl. auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 444, der konstatiert, dass die Funktion der Sonderstrafrahmen vornehmlich darin liegt, eine Erhöhung der Mindeststrafe zu normieren. Kritisch zu den gesetzlichen Fällen, in denen lediglich die Mindeststrafe angehoben wird, Maiwald, NStZ 1984, 433, 436. 121 Auf die besondere Bedeutung der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe für die Strafzumessung hat frühzeitig Exner, Strafzumessungspraxis, S. 81 f., hingewiesen. Den empirischen Nachweis (in jüngerer Vergangenheit) erbracht hat Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis, S. 180 f., 224 f., 234 f. 122 Mit ähnlicher Tendenz Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 230, der die praktische Bedeutung der Erhöhung der Mindeststrafe betont sowie auf die geringere Bedeutung der Anhebung der Höchststrafe hinweist. Dies ist auch empirisch belegt worden durch Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis, S. 180 f., 224 f., 234 f.; siehe dazu auch die Erhebungen bei Exner, Strafzumessungspraxis, S. 75 ff., 81 ff. 123 So bereits Timpe, Strafmilderungen des Allgemeinen Teils, S. 87 f.; Folge dessen ist, dass die „[…] konkrete Tat an eine neue Stelle [rückt]“, so zu Recht Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 950 Fn. 58. 124 Vgl. Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 444, 230. 125 Vgl. Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 444, der konstatiert, dass die Funktion der Sonderstrafrahmen vornehmlich darin liegt, eine Erhöhung der Mindeststrafe zu normieren. 126 Vgl. darüber hinaus Montenbruck, Strafrahmen, S. 69 ff., 95, der mittels einer systematischen Gegenüberstellung der damals (1983) geltenden Strafrahmen sowie einer Betrachtung der Rechtspraxis zur (Nicht-)Ausschöpfung der grunddeliktischen Strafrahmen aufgezeigt hat, dass die „[…] Anhebung der Höchststrafen nicht als ein konstitutives Merkmal der besonders schweren Fälle anzusehen ist.“.
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ist in Bezug zum Gesetzeszweck der Strafschärfung zu sehen. Es handelt sich bei der (durch den Strafrahmenwechsel127 vermittelten) Verschiebung der Höchststrafe letztlich nur um ein Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks der Strafschärfung. Wird dieser (scil. der Gesetzeszweck der Strafschärfung) jedoch auch unter Fortfall dieser Höchststrafenanhebung erreicht,128 so ist der Wegfall der Höchststrafenanhebung unerheblich für die Beurteilung, ob sich eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung mit dem Gesetzeszweck vereinbaren lässt.129 (3) Betrachtung aus dem Blickwinkel der gesetzgeberischen Wertentscheidung Bestätigt wird dieses Ergebnis, wenn man die grundlegende gesetzgeberische Wertentscheidung in den Blick nimmt.130 Die grundlegende Wertentscheidung des Gesetzgebers, welche sich im Gesetzeszweck der Regelbeispielsnormen widerspiegelt, nämlich die Strafschärfung für besonders schwere Fälle, steht der Vornahme der verfassungskonformen Reduktion nicht entgegen.131 Die verfassungskonforme 127
Weg vom Regelstrafrahmen hin zum Sonderstrafrahmen. Was sich durchaus bei Betrachtung der empirischen Erhebungen zur Bedeutung von Mindest- und Höchststrafe für die Strafzumessung annehmen lässt; siehe dazu Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis, S. 180 f., 224 f., 234 f.; der herausgefunden hat, dass (in der richterlichen Praxis) der Mindeststrafenfestsetzung, nicht jedoch der gesetzlich festgesetzten Höchststrafe, eine besondere Bedeutung zukommt. Siehe dazu bereits die Erhebungen bei Exner, Strafzumessungspraxis, S. 75 ff., 81 ff. Siehe auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 375: Absenkung der Strafrahmen ist möglich, ohne dass dies unmittelbaren Einfluss auf die Praxis der Strafzumessung hätte; Strafrahmen werden so gut wie nie nach oben „ausgereizt“; siehe auch ders., a.a.O., S. 851: gegenwärtig Strafrahmenuntergrenze, nicht Strafrahmenobergrenze für Strafzumessung von besonderer Bedeutung. 129 Eine ähnliche Tendenz (Betonung der Mindeststrafenanhebung) – freilich ohne den hier entwickelten Ansatz der verfassungskonformen Rechtsfortbildung – weist die Betrachtung von Eisele auf. Dieser weist der Anhebung der Höchststrafe eine geringe(re) Bedeutung zu (Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 230). Nach seiner Ansicht liegt die Funktion der Sonderstrafrahmen vornehmlich darin, eine Erhöhung der Mindeststrafe zu normieren (siehe Eisele, a.a.O., S. 444). 130 Vgl. dazu Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258, die entscheidend auf die Wertentscheidung abstellen. Eine entsprechende Tendenz (Fokussierung auf die Grundentscheidung) weist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der jüngeren Vergangenheit auf. In Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, dass sich „[s]eine Kontrolle [darauf] beschränkt […], ob die rechtsfortbildende Auslegung durch die Fachgerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung und dessen Ziele respektiert […] und ob sie den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgt […].“ (siehe Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. 01. 2011 – 1 BvR 918/10, Tz 54; ebenso BVerfG, NJW 2009 1469, 1470). Nach Bergmann, Milderung der Strafe, S. 49, ist entscheidend, dass „[…] der wesentliche Zweck des Gesetzes nicht verfälscht wird“ [Hervorhebung durch Verfasser]. Infogedessen hält Bergmann eine (rechtsfortbildende) Reduktion der Rahmenobergrenze bei Milderungen gemäß § 49 Abs. 2 StGB entgegen dem Wortlaut der Norm für zulässig, da nach der Intention des Gesetzes gerade nicht die Aufrechterhaltung der Möglichkeit der Höchststrafenverhängung beabsichtigt ist. (siehe Bergmann, a.a.O., S. 50 f.). 131 Vgl. dazu Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258: „Nach den […] entwickelten Grundsätzen kann eine Rechtsfortbildung gegen den Wortlaut des Gesetzes und die 128
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Reduktion setzt nämlich nicht an der Wertentscheidung des Gesetzgebers an, denn sie hält – wie vorangegangen aufgezeigt – die Strafschärfung aufrecht, sondern sie betrifft lediglich die gesetzestechnische Umsetzung, d. h. die „Regelungsentscheidung des Gesetzgebers“132 (mithin die Festsetzung des Sonderstrafrahmens), indem sie die Verknüpfung zwischen Erfüllung entsprechender Regelbeispiele (sowie Nichtwiderlegung der Indizwirkung) und Sonderstrafrahmen löst.133 Anstelle der Anordnung der Anwendung des Sonderstrafrahmens bewirkt die Sperrwirkung der im Sonderstrafrahmen festgelegten Mindeststrafe die Strafschärfung gegenüber der grunddeliktischen Strafandrohung, und zwar – da im derzeit geltenden StGB stets die in der Regelbeispielsnorm vorgesehene Mindeststrafe höher liegt als die Mindeststrafe des Regelstrafrahmens – auch in praxi in allen Fällen.134 Damit zeigt sich die Konformität der verfassungskonformen Reduktion mit der gesetzgeberischen Wertentscheidung (Strafschärfung) und daraus folgend die Zulässigkeit der vorgestellten Rechtsfortbildung auch aus diesem Blickwinkel.
Regelungsentscheidung des Gesetzgebers zulässig sein, eine Korrektur des Gesetzes gegen die Wertentscheidung des Gesetzgebers ist hingegen stets ausgeschlossen.“. 132 Zu den Begrifflichkeiten Wertentscheidung und Regelungsentscheidung und deren Verhältnis zueinander Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 119 f., 228. 133 Die Rechtsfortbildung gegen die Regelungsentscheidung des Gesetzgebers ist zulässig, siehe Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258. 134 Selbiges Ergebnis erhält man auch, wenn man den Ansatz von Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 266 ff., zu Grunde legt. Nach diesen ist es erforderlich, dass „[…] nach Anwendung der Gesetzesbindung sichernden Regeln (Wortsinn, Zwecke des Gesetzgebers) ein Entscheidungsspielraum verbleibt.“ [im Original teilw. hervorgehoben] (Koch/Rüßmann, a.a.O., S. 267). Letztlich ist damit (für die verfassungskonforme Rechtsfortbildung) entscheidend, wie allgemein die Zwecksetzung gehalten ist. Bezweckt der Gesetzgeber durch die Regelbeispielsnorm lediglich (allgemein) eine Strafschärfung für besonders schwere Fälle (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 42: „Das Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Vorschriften, die für besonders schwere Fälle eine Strafschärfung vorsehen.“; siehe ferner BT-Drucks. 15/2573, S. 29: „[…] Strafverschärfung für besonders schwere Fälle […]“; BT-Drucks. 7/550, S. 396 (zur Regelbeispielsnorm § 1 Abs. 3 WiStG), so steht dieser Zielsetzung die Vornahme der vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion (Anwendung des Regelstrafrahmens mit der Maßgabe, dass die in der Regelbeispielsnorm enthaltene Mindeststrafe Sperrwirkung zeitigt) nicht entgegen, da auch sie zu dem Ergebnis führt, dass für die betroffenen besonders schwere Fälle eine schärfere Strafandrohung gilt als für die (lediglich) grunddeliktischen Verwirklichungsformen. Anders ist jedoch – wie bereits im Haupttext ausgeführt – zu entscheiden, wenn der Gesetzeszweck erkennbar und eindeutig gerade in der Anhebung der Höchststrafe liegt (insoweit der Gesetzeszweck also „enger“ ausgestaltet ist, mithin dahingehend kein Entscheidungsspielraum gegeben ist) oder die bezweckte Strafschärfung durch die Durchführung der verfassungskonformen Reduktion vereitelt wird. Letzteres kann jedoch nur angenommen werden, wenn die in der Regelbeispielsnorm festgesetzte Mindeststrafe der grunddeliktischen Mindeststrafe entspricht. Dies ist jedoch im derzeit geltenden StGB nicht gegeben.
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(4) Bestehenbleiben der sonstigen mit der Regelbeispielsnormbildung verbundenen Wirkungen Auch die gesetzliche Hervorhebung der besonderen Begehungsweise135 bleibt erhalten.136 Da die verfassungskonforme Reduktion lediglich die Strafrahmenzuordnung betrifft, verbleibt die Kennzeichnung als „besonders schwerer Fall“. Im Ergebnis das Gleiche gilt für die gesetzgeberische Determination der Strafzumessung. Die zwingende gesetzgeberische Vorgabe ergibt sich aus der Erhöhung der Mindeststrafe137 und dem damit einhergehenden Ausschluss bestimmter Strafenbereiche, namentlich dem Ausschluss der Möglichkeit der Verhängung von bestimmten, im grunddeliktischen Strafrahmen vorgesehenen, Strafen138. So bewirkt die Anhebung der Mindeststrafe in § 243 StGB (Sonderstrafrahmen: „Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren“) gegenüber dem Grunddelikt des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB: „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe“), dass bei Regelbeispielsverwirklichung sowie Nichtwiderlegung der hierdurch erzeugten 135 Vgl. hierzu die Begründung zur Aufnahme der Zwangsheirat in den Regelbeispielskatalog der besonders schweren Nötigung (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB a.F.) BT-Drucks. 15/3045, S. 10: Aufnahme als Regelbeispiel zur Betonung des besonderen Unrechts. In der weiteren Entwicklung wurde die Zwangsheirat mit ähnlicher Begründung (siehe dazu BTDrucks. 17/4401, S. 9, 12) in einen eigenständigen Straftatbestand (§ 237 StGB) gefasst. Siehe auch BT-Drucks. 7/550, S. 397: „Die angeführten Regelbeispiele […] kennzeichnen jedoch in Form einer für den Richter maßgeblichen Leitlinie sehr anschaulich die Verhaltensweisen, die den Tatfolgen oder den besonderen Umständen nach als besonders verwerflich anzusehen sind.“. 136 Siehe dazu auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 79: „Bei den Abwandlungen eines Grundtatbestands nimmt der Gesetzgeber also Bezug auf bestimmte Erscheinungsformen in der Wirklichkeit, denen er einen besonderen (Un-)Wertrang zuteilen will. Die konkreten Erscheinungsformen, die er als „besonders“ regelungsbedürftig im Auge hat, verallgemeinert er wieder […].“. 137 Nur die Anhebung der Mindeststrafe wirkt unmittelbar determinierend auf die richterliche Strafzumessung ein. Sie wirkt dahingehend unmittelbar, dass bestimmte in der grunddeliktischen Strafandrohung vorgesehene Strafbereiche zwingend ausgeschlossen werden, mithin die Unzulässigkeit der Verhängung bestimmter Strafen festgelegt wird. Konkret davon betroffen sind die Strafen, die zwischen der grunddeliktischen Strafrahmenuntergrenze und der Strafrahmenuntergenze des Sonderstrafrahmens liegen. Anderes gilt hingegen für die Anhebung der Höchststrafe. Diese wirkt nicht unmittelbar determinierend. Zwar wird durch die Höchststrafenanhebung der Strafrahmen und damit ein für die Strafzumessung wichtiger Orientierungspunkt verändert. Jedoch wirkt sich dies lediglich mittelbar auf die richterliche Strafzumessung aus. Die bloße Anhebung der Höchststrafe hat nicht zur Folge, dass bestimmte Strafbereiche aus dem Bereich zulässiger Strafen ausgeschlossen werden. Es wird dadurch vielmehr die Möglichkeit eröffnet Strafen aus einem bisher nicht vorgesehenen Strafbereich zu verhängen. Während die Anhebung der Mindeststrafe unmittelbar und zwingend für den Richter bestimmte Strafen aus dem „Pool“ möglicher Strafen ausscheidet, eröffnet die Anhebung der Höchststrafe lediglich die Möglichkeit andere als bisher (d. h. im Grunddelikt) vorgesehene Strafen zu verhängen. Letzteres ist daher nicht mit einer Einschränkung, sondern mit einer Erweiterung des richterlichen Spielraums verbunden. 138 Betroffen davon sind die Strafen, die zwischen der grunddeliktischen Strafrahmenuntergrenze und der Strafrahmenuntergenze des Sonderstrafrahmens liegen.
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Indizwirkung sowohl die Geldstrafenverhängung als auch die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter 3 Monaten ausgeschlossen ist. Nimmt man die vorliegend entwickelte verfassungskonforme Reduktion beispielsweise bei dem in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB enthaltenen Regelbeispiel vor, so hat der Richter – vorausgesetzt dieses Regelbeispiel ist verwirklicht und die entsprechende Indizwirkung ist nicht widerlegt – zwar den grunddeliktischen Strafrahmen (§ 242 Abs. 1 StGB: „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe“) anwenden, ihm ist es jedoch angesichts der zwingenden Sperrwirkung der in § 243 StGB vorgesehenen Strafrahmenuntergrenze verwehrt, eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten auszuwerfen. De facto kommt dann nur der Strafenbereich zwischen 3 Monaten (Untergrenze des Sonderstrafrahmens § 243 StGB) und 5 Jahren Freiheitsstrafe (Strafrahmenobergrenze des Grunddelikts § 242 Abs. 1 StGB) in Betracht. Durch die Anerkennung der Sperrwirkung der Mindeststrafe der Regelbeispiels-Strafnorm bleibt insoweit die gesetzgeberische (und für die richterliche Strafzumessung zwingende) Vorgabe (im Anwendungsbereich des § 243 StGB keine Verhängung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe unter 3 Monaten) erhalten. Die damit einhergehende (gesetzgeberische) Determination der richterlichen Strafzumessung wird somit auch weiterhin gewährleistet. Ebenso bleibt die Verschärfung der Strafenskala,139 anhand derer der konkrete Fall zu beurteilen ist,140 aufrechterhalten. Einzig die Möglichkeit der Verhängung einer höheren Strafe als der im grunddeliktischen Bereich (mithin im Regelstrafrahmen) vorgesehenen besteht nach der Vornahme der verfassungskonformen Rechtsfortbildung nicht (mehr). Angesichts dessen, dass jedoch der allgemeine Gesetzeszweck der Strafschärfung weiterhin verwirklicht wird und darüber hinaus die soeben genannten Wirkungen der Regelbeispielsnormbildung erhalten bleiben,141 kann dies der Zulässigkeit der verfas139 Dies als Funktion des Sonderstrafrahmens aufzeigend Horn, in: SK-StGB [35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 58. 140 Zutreffend Horn, in: GS Kaufmann, S. 573, 584, nach dem der Sonderstrafrahmen die „[…] wichtige (und – wenn man es richtig macht – auch höchst praktische) Funktion [hat] […] die Maßstäbe des Normalstrafrahmens zu verschieben; er „wirkt“ also auch dann, wenn die Strafe für den Einbruch im Regeldiebstahls-Rahmen festgesetzt wird.“. Nicht zu folgen ist jedoch den Ausführungen Horns, dass die „besonders schweren Fälle“ qualitativ abzuschichten seien. 141 Damit ist zugleich nachgewiesen, dass die Argumentation von Noll, Gesetzgebungslehre, S. 266 f., nicht verfängt. Nach diesem resultiert aus der Überschneidung von Regel- und Sonderstrafrahmen eine „Entwertung“ der Differenzierung im Voraussetzungsbereich, insoweit ist nach seiner Ansicht eine „Kasuistik verbunden mit unbestimmten Rechtsfolgen – z. B. im Strafrecht mit weiten Strafrahmen – […] überflüssig […].“. Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass eine Strafschärfung bereits mit dem Wechsel zur höheren Mindeststrafe eintritt. Da dies regelmäßig Folge des Wechsels vom Regel- zum Sonderstrafrahmen ist, kann die Berechtigung der deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung nicht in Zweifel gezogen werden. Trotz einer Überschneidung der beiden Strafrahmen hat die Komplementärnorm damit ihre Berechtigung, sodass eine Entwertung bzw. eine Überflüssigkeit von Komplementärnormen nicht anzunehmen ist.
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sungskonformen Reduktion nicht entscheidend entgegenstehen.142 Insbesondere handelt es sich hierbei, wie dargelegt wurde, nicht um einen vom Gesetzgeber (mit der Schaffung von Regelbeispielsnormen) verfolgten Zweck. ee) Ausnahmefälle (1) Zur notwendigen Eindeutigkeit einer weitergehenden Zwecksetzung Wie bereits angemerkt wurde, bedürfen diejenigen Normen, hinsichtlich derer sich der Gesetzgeber zur Höchststrafenerhöhung geäußert hat, einer weitergehenden Betrachtung, da bei diesen eine Abweichung von dem – soeben ermittelten – Befund der grundsätzlichen Vereinbarkeit von verfassungskonformer Reduktion und gesetzgeberischer Zwecksetzung zumindest in Betracht zu ziehen ist. Im Ergebnis wird dies (d. h. ein abweichendes Ergebnis) jedoch nur ausnahmsweise anzunehmen sein. Eine solche Ausnahme ist allenfalls in den Fällen (d. h. für die einzelnen Normen) zu machen, in (bzw. bei) denen der Gesetzgeber gerade (und primär) auf die Erhöhung der Höchststrafe für besonders schwere Fälle der Deliktsverwirklichung abgezielt und die Anhebung der Höchststrafe zum Gesetzeszweck erhoben hat (und damit gerade die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe bezweckt). Dies kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber eindeutig und in ausdrücklicher Weise (mithin „klar erkennbar“) den Willen geäußert hat, dass der (gesetzlich vorgesehenen) Anhebung der Höchststrafe ein eigenständiger Wert zukommt und diese nicht lediglich ein Mittel zur Umsetzung des allgemeinen Gesetzeszwecks der Strafschärfung ist. Insoweit sind an eine solche Annahme hohe Voraussetzungen anzusetzen. So reicht gerade nicht aus, dass sich der Gesetzgeber bezüglich der konkreten Norm in eine entsprechende Richtung bzw. mit entsprechender Tendenz143 geäußert hat.144 Eine Bindung besteht nämlich nur in Bezug auf den eindeutigen Gehalt.145 Nicht genügend sind daher mehrdeutige Äu142 Insoweit könnte man darüber hinaus damit argumentieren, dass nach der vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion betroffener Regelbeispielsnormen allenfalls eine „quantitative Reduzierung“ der gesetzlichen Regelung erfolgt, nicht jedoch eine Verfälschung; vgl. allgemein zur entsprechenden Differenzierung bei der Auslotung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung, Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 419 f. 143 Der Hinweis auf (einzelne) Fälle, die schärfer bzw. höher als die grunddeliktische Begehungsweise zu bestrafen sind (so bspw. in BT-Drucks. 14/8221, S. 18 der Hinweis auf diejenigen Fälle des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, die „[…] Dimensionen eines Massendelikts oder einen Umfang annehmen, wie dies auch bei der Steuerhinterziehung möglich ist.“), genügt demzufolge wohl nicht, denn es fehlt insoweit die ausdrückliche Bekundung der weitergehenden Zwecksetzung der Höchststrafenerhöhung. Insoweit führt bereits die Strafrahmenverschiebung dazu, dass die besonders schweren Fälle der Deliktsbegehung schärfer bzw. höher bestraft werden als die bloß grunddeliktischen Begehungsformen. 144 Genauso wenig genügt die gesetzliche Festsetzung der höheren Höchststrafe im Sonderstrafrahmen als solche, da darin keine Willensäußerung zu sehen ist. 145 Vgl. Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60; in diesem Sinne auch das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung unter Verwendung der Formulierung „gegen den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers“ (siehe BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37,
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ßerungen (bspw. lediglich vage oder (zu) abstrakte Äußerungen). Auch bezüglich der Annahme konkludenter Willensäußerungen ist daher Zurückhaltung geboten. Darüber hinaus genügen auch Formulierungen bloß beschreibenden Charakters nicht,146 denn diese sind nicht als normativ-wirkende gesetzgeberische Willensäußerungen zu verstehen. Letztlich erforderlich ist daher eine (bewusste) Entscheidung gegen das Gleichbleiben der Höchststrafe. Die verfassungskonforme Reduktion dürfte also (erst) dann ausscheiden, wenn der Gesetzgeber (im Einzelfall) ausdrücklich und eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass es ihm bei der Normschaffung gerade und entscheidend auf die Anhebung der Höchststrafe ankam (dies also letztlich der entscheidenden Zweck der Schaffung der (konkreten) Regelbeispiels-Strafnorm ist). Hier kann es durchaus hilfreich sein danach zu fragen, ob der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelbeispielsnorm die Extremfälle, welche einer Bestrafung oberhalb der Höchststrafe des Grundstrafrahmens bedürfen, im Blick hatte. In aller Regel wird dies jedoch, auch angesichts des Gebots, sich bei der Normschaffung am Typischen zu orientieren,147 nicht anzunehmen sein;148 so bspw. wenn mit der Schaffung der Regelbeispielsnorm lediglich abgesichert werden soll, dass für den Fall der Regelbeispielsverwirklichung eine höhere Strafe verhängt wird,149 was (bereits) die (mit dem Strafrahmenwechsel einhergehende) Verschiebung der „Strafenstaffel“ bewirkt.
81; 110, 226, 267). Siehe auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 297 Fn. 29: „Eine abschließende gesetzliche Regelung i.S. einer Sperre für die richterliche Strafrechtsfortbildung praeter legem ist nur dann anzunehmen, wenn sich eine entsprechende kriminalpolitische Grundentscheidung des historischen Gesetzgebers klar und eindeutig feststellen läßt.“. 146 So bspw. der einfache Hinweis darauf, dass die im Sonderstrafrahmen vorgesehene Höchststrafe höher liegt als die des Regelstrafrahmens. Diese Äußerung erschöpft sich in der Wiedergabe der gesetzlichen Regelung und kann deswegen nicht als eine bestimmte Willensäußerung des Gesetzgebers aufgefasst werden. 147 Siehe BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 91: Gesetzgeber darf und muss sich bei Strafrahmenbemessung an Typik des missbilligten Verhaltens orientieren; Allgemein zur Pflicht des Gesetzgebers, sich am Typischen zu orientieren BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; BVerfG, Beschluss v. 06. 04. 2011 – 1 BvR 1765/09 m.w.N.; Schneider, Gesetzgebung, § 4 Rn. 63. 148 Vgl. in Hinblick auf die Festlegung des grunddeliktischen Strafrahmens Horn, in: SKStGB [Stand: 35. Lfg. 2001], § 46 Rn. 55¸in dieselbe Richtung (jedoch in anderem Zusammenhang) Neumann, StV 1991, 256, 257, nach dem es naheliegt, dass der Gesetzgeber bei der Strafrahmenfestlegung die „typischerweise verwirklichten Umstände“ im Auge gehabt hat. Damit ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber sich bei der Festlegung des Sonderstrafrahmens in der Regelbeispielsnorm an den „gewöhnlichen“ besonders schweren Fällen orientiert hat und gerade nicht an den Extremfällen der besonders schweren Fälle. 149 Vgl. dazu BT-Drucks. 16/3656, S. 14.
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(2) Anhaltspunkt: hypothetischer Wille des Gesetzgebers Das Bundesverfassungsgericht räumt bei der Frage nach der Vereinbarkeit einer verfassungskonformen Rechtsanwendung mit dem gesetzgeberischen Willen dem hypothetischen Willen des Gesetzgebers eine gewisse Bedeutung ein. So hat es das Verfassungsgericht in seiner „Geldwäscheentscheidung“150 hinsichtlich der Zulässigkeit der verfassungskonformen „Auslegung“ (welche wegen der Unvereinbarkeit mit dem Normwortlaut de facto eine verfassungskonforme Reduktion darstellt)151 für maßgeblich erachtet, dass „[…] nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber von einer Einschränkung der Strafbarkeit für Strafverteidiger abgesehen hätte, wäre er sich der Gefahren für die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidiger und das verfassungsrechtlich verbürgte Institut der Wahlverteidigung bewusst gewesen […]“.152 Hierbei hat das Gericht darauf abgestellt, dass die verfassungsrechtliche Dimension der Norm im Gesetzgebungsverfahren nicht hinreichend erörtert worden ist.153 Verallgemeinert man dies, so kommt man dazu, dass der hypothetische Wille des Gesetzgebers („Hätte der Gesetzgeber bei Kenntnis der verfassungsrechtlichen Problemlage anders entschieden?“) von Belang ist.154 Er (scil. der hypothetische Wille des Gesetzgebers) stellt jedenfalls einen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Zulässigkeit einer Normreduktion dar. Folgendes ergibt sich, wenn man dies auf die vorliegende Fragestellung anwendet: Ein (der verfassungskonformen Reduktion) entgegenstehender Wille des Gesetzgebers ist wohl nur dann anzunehmen, wenn er die Erhöhung der Höchststrafe (mithin die Eröffnung der Möglichkeit der Verhängung einer Strafe oberhalb der Obergrenze des Regelstrafrahmens) zur conditio sine qua non gemacht hat, mithin er ohne eine solche Höchststrafenerhöhung die Norm nicht erlassen hätte.155 Davon kann im vorliegenden Fall – vorbehaltlich anderslautender, expliziter gesetzgeberischer Bekundungen – jedoch nicht ausgegangen werden. Der Gesetzgeber selbst hat hinsichtlich der Gesetzgebungstechnik der Regelbeispielsmethode wiederholt 150 BVerfGE 110, 226 ff.; bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14. 151 Dies stellt auch das Gericht selbst an anderer Stelle in der Entscheidung (siehe BVerfGE 110, 226, 262) fest. 152 BVerfGE 110, 226, 268; ebenso BVerfG, Beschluss vom 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14, Tz 46. 153 BVerfGE 110, 226, 268. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/ 14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14, Tz 46: „[…] verfassungsrechtliche Spannungslage hat er indes nicht hinreichend bedacht.“. 154 Kritisch dazu jedoch Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 58; Schmidt, Grundrechte als verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 84. Ausführungen in Hinblick auf die Beachtlichkeit des hypothetischen Willens des Gesetzgebers (insbesondere unter Bezugnahme auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung) finden sich hingegen bei Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 559 f., 565, 570 f., 581. 155 Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber die Regelbeispielsnorm in dieser Form in jedem Falle, d. h. selbst bei umfassender Kenntnis von der verfassungsrechtlichen Spannungslage, erlassen hätte.
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die verfassungsrechtliche Problemlage angesprochen156 und damit letztlich zum Ausdruck gebracht, den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen zu wollen. Vollends überblickt hat er die verfassungsrechtliche Problemlage in Hinblick auf die Regelbeispielsmethode – wie sie in der vorliegenden Untersuchung aufgezeigt wurde – jedoch gerade nicht. Deswegen kann eben nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe bewusst von den verfassungsrechtlichen Vorgaben abweichen wollen bzw. er habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben trotz eingehender Auseinandersetzung vollends verkannt, sei also zu einer eigenen, von der tatsächlichen Lage abweichenden, verfassungsrechtlichen Beurteilung gekommen. Vielmehr hat er die Reichweite der verfassungsrechtlichen Vorgaben, namentlich die des in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen, strafrechtliche Parlamentsvorbehalts, schlichtweg unterschätzt157 und infolgedessen die verfassungsrechtliche Problematik nicht vollends bedacht.158 In Zusammenschau mit dem geäußerten generellen Willen zur Beachtung der verfassungsrechltichen Vorgaben kann daher – vorbehaltlich anderslautender, expliziter gesetzgeberischer Bekundungen im Einzelfall – im Grundsatz nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber selbst bei umfassender Kenntnis von der verfassungsrechtlichen Spannungslage die Regelbeispielsnormen in dieser Form erlassen hätte. Vielmehr ist anzunehmen, dass er den Bereich des verfassungsrechtlich Zulässigen nicht verlassen hätte. Dann hätte er jedoch von der Fassung als Regelbeispiel abgesehen und damit auch von der Delegation der Entscheidung über die Zuordnung des Sonderstrafrahmens auf den Richter. Jener hätte damit nicht die Befugnis zur Letztentscheidung über die Höchststrafenerhöhung (durch Entscheidung über die Widerlegung der Indizwirkung) inne. Dass es dem Richter aufgrund der verfassungskonformen Reduktion verwehrt ist, durch seine „Letztentscheidung“ (Entscheidung über die Widerlegung der Indizwirkung) den Sonderstrafrahmen zur Anwendung zu bringen und damit (auch) verwehrt ist, eine über der Obergrenze des Regelstrafrahmens liegende Strafe 156 Siehe bspw. (im Rahmen des 6. StrRG) BT-Drucks. 13/8587, S. 55 (Stellungnahme des Bundesrates), S. 78 (Gegenäußerung der Bundesregierung). 157 Was sich insbesondere darin zeigt, dass auf den Hinweis des Bundesrates betreffs der verfassungsrechtlichen Bedenken in Hinblick auf die Regelbeispielsmethode lediglich mit einem (knappen) Verweis auf die bereits ergangene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung reagiert wurde; siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 78. 158 Dies tritt auch deutlich hervor, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Erfüllung des Bestimmtheitsgrundsatzes einerseits und Vereinbarkeit mit dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt andererseits zwei voneinander zu trennende Fragestellungen sind (vgl. dazu – freilich mit abweichenden Begrifflichkeiten, aber mit Blick auf seine Gesamtkonzeption (verfassungsrechtliche Schranken anhand einer Abgrenzung nach materialen Gesichtspunkten) in der Sache gleich – Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 184: „[…] steht doch heute die davon zu trennende Frage im Vordergrund, ob das dem Richter durch die Regelbeispielstechnik eingeräumte Strafzumessungsermessen noch mit dem Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafbarkeitsvoraussetzungen vereinbar ist.“.). Während erstere Frage bislang im Fokus der verfassungsrechtlichen Kritik stand, und damit durch den Gesetzgeber bedacht werden konnte, sind die Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts erst mit dieser Arbeit (vollends) entfaltet worden, sodass er diese bislang nicht in seine Überlegungen einbeziehen konnte.
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zu verhängen, widerspricht daher nicht dem hypothetischen Willen des Gesetzgebers. Denn es ist davon auszugehen, dass dieser bei umfassender Kenntnis hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Problemlage von einer solchen Regelung (mithin der formalen Ausgestaltung der Norm mittels der Regelbeispielsmethode) abgesehen hätte. Dann aber kann – im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigung des hypothetischen Willens des Gesetzgebers – auch nicht gegen die verfassungskonforme Reduktion vorgebracht werden, dass diese eine Höchststrafenanhebung dieses Zuschnitts (d. h. in Regelbeispiels-Form) annihiliert und damit zur Beibehaltung der Höchststrafenandrohung führt. Zu berücksichtigen ist ferner auch hier, dass der (Haupt-)Zweck der Strafschärfung auch ohne eine Anhebung der Höchststrafe realisiert wird. Dem möglicherweise auftretenden Einwand, der Gesetzgeber hätte bei Kenntnis der verfassungsrechtlichen Problemlage ein qualifiziertes Delikt geschaffen (und damit die Verschiebung der Höchststrafe ermöglicht), ist entgegenzuhalten, dass dieser Gedanke letztlich auf einen Austausch des Gesetzes hinausläuft, was die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreitet. Wie bereits erwähnt, kann eine Rechtsfortbildung gerade nicht auf eine Ersetzung fehlerhafter Regelbeispielsnormen bzw. deren Umwandlung in qualifizierte Delikte zielen,159 sondern nur darauf, so viel wie möglich von der gesetzlichen Regelung aufrechtzuerhalten.160 Die hierfür notwendige Zerlegung der (bestehenden) gesetzlichen Regelung in Einzelteile, die Ermittlung des zwingenden bzw. primären Regelungsgehalts – strafschärfende Wirkung von Regelbeispielsnormen – sowie die daran anknüpfende Analyse der vorliegend entwickelten verfassungskonformen Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen haben gezeigt, dass dieser Zielstellung mit dem erarbeiteten Lösungsvorschlag genüge getan wird. Im Grundsatz ist daher davon auszugehen, dass der gesetzgeberische Wille der vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion von bestimmten Regelbeispielsnormen nicht entgegensteht. Gleichwohl kann die eingehende Analyse einzelner Regelbeispielsnormen und deren Entstehungsgeschichte zu einem abweichenden Ergebnis im Einzelfall (und damit einer Ausnahme von diesem Grundsatz) führen.
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Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass eine Rechtsfortbildung dann unzulässig ist, wenn durch sie die gesetzgeberische Grundentscheidung bzw. die gesetzgeberischen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt werden, siehe BVerfGE 128, 193, 210; BVerfG, NJW 2012, 669, 670; BVerfG, Beschluss vom 16. 02. 2012 – 1 BvR 127/10, juris Tz 22. 160 Vgl. dazu BVerfGE 86, 288, 320 (Fall einer verfassungskonformen Analogie, siehe zu dieser Einordnung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 156, 159): „Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat.“; ebenso BVerfGE 110, 226, 267.
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(3) Einzelne (diffizile) Regelbeispielsnormen Wie bereits angeführt, finden sich in den Gesetzesbegründungen zu einzelnen Regelbeispielsnormen vereinzelt Ausführungen, die sich auf die Anhebung der Höchststrafe durch die Strafrahmenverschiebung beziehen.161 Es wurde bereits festgestellt, dass diese nicht die Schlußfolgerung tragen, der Gesetzgeber bezwecke mit der Schaffung einer Regelbeispielsnorm (über die allgemeine Zwecksetzung der Strafschärfung hinaus) stets die Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb des Regelstrafrahmens (mithin die Ersetzung der grunddeliktischen Höchststrafe durch die Sonderstrafrahmen-Höchststrafe für die Fallkonstellationen der Wertgruppe der „besonders schweren Fälle“). Insoweit können diese gesetzgeberischen Äußerungen nicht verallgemeinert werden, betreffen also nicht die Gesetzestechnik der Regelbeispiele als solche, sondern verdienen Beachtung lediglich bei den jeweiligen Regelbeispielsnormen. Auch hier ist jedoch eine genaue Analyse der Gesetzentwurfsbegründungen notwendig, um den gesetzgeberischen Willen zu eruieren. Dies soll im Folgenden anhand einiger Beispiele aufgezeigt werden. (a) § 266a Abs. 4 StGB Hinsichtlich der in § 266a Abs. 4 StGB enthaltenen Regelbeispiele muss differenziert werden. Zwar heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf im Zusammenhang mit der Einfügung der Regelbeispielsvorschrift (§ 266a Abs. 4 StGB), dass sich in bestimmten Fällen die Notwendigkeit ergeben kann, höhere Strafen als bisher zu verhängen.162 Jedoch nennt der Gesetzgeber konkret die von ihm in den Blick genommenen Fälle. In Hinblick auf die Notwendigkeit höherer Strafen bezieht sich der Gesetzgeber lediglich auf die Fälle, bei welchen das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen „[…] Dimensionen eines Massendelikts […]“163 oder einen besonderen Umfang annehmen.164 Diese Fälle unterfallen dem in § 266a Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB enthaltenen Regelbeispiel („aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält“). Berücksichtigt man, dass der Rechtsanwender nur an den „[…] klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers […]“165, mithin lediglich an den eindeutigen Gehalt gesetzgeberischer Willensäußerungen166 gebunden ist bzw. nur
161 Siehe bspw. BT-Drucks. 13/5584, S. 15: „[…] über den Regelstrafrahmen hinausgehende Strafdrohung […]“; BT-Drucks. 14/8221, S. 18 (hinsichtlich der Einfügung einer Regelbeispielsnorm in das Gesetz): „[…] Notwendigkeit […], höhere Strafen als bisher zu verhängen […]“; BT-Drucks. 7/3441, S. 36: Erweiterung des Strafrahmens. 162 Siehe BT-Drucks. 14/8221, S. 18. 163 BT-Drucks. 14/8221, S. 18. 164 Siehe BT-Drucks. 14/8221, S. 18. 165 Vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267. 166 Vgl. Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60.
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dieser eine unüberwindbare Schranke167 bei der Rechtsanwendung darstellt,168 so kann diese gesetzgeberische Willensäußerung, da sie sich ausschließlich auf Fallgruppen bezieht, die dem in § 266a Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB enthaltenen Regelbeispiel zuzuordnen sind, lediglich für dieses Regelbeispiel Vorgabenwirkung zeitigen. Angesichts des expliziten Bezugs auf bestimmte Fallgruppen kann aus dieser Gesetzesbegründung eine eindeutige gesetzgeberische Zwecksetzung für die beiden anderen in § 266a Abs. 4 StGB aufgeführten Regelbeispiele (§ 266a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und 3 StGB) nicht ermittelt werden. Somit hat der Gesetzgeber bezüglich der beiden anderen von § 266a Abs. 4 StGB erfassten Regelbeispiele gerade nicht ausdrücklich und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es ihm bei der Normschaffung gerade und entscheidend auf die Anhebung der Höchststrafe ankam. Da das in § 266a Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB aufgeführte Regelbeispiel indes keinen neuen, dem Grundtatbestand wesensfremden Unwerttypus erfasst (insoweit umschreibt es lediglich die quantitative Steigerung des grundtatbestandlichen Erfolgsunrechts169 („in großem Ausmaß“)170 sowie eine bestimmte innere Haltung des Täters zur Tat („aus grobem Eigennutz“), letztlich also eine bloße Steigerung des grundtatbestandlichen Erfolgs- sowie Handlungsunrechts), besteht für dieses auch nicht die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung. Die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen verfassungskonformen Reduktion des § 266a
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Freilich bleibt auch eine gesetzgeberische Willensäußerung, der es an der erforderlichen Eindeutigkeit fehlt, nicht vollends unberücksichtgt. Sie ist im Prozess der Rechtsanwendung als ein Gesichtspunkt (mithin ein Argument für eine bestimmte Auslegungsvariante) durchaus zu beachten. Sie entfaltet jedoch keine absolute Schrankenwirkung. Ein Abweichen von ihr führt also nicht zwangläufig zur Unzulässigkeit der Rechtsanwendungs- bzw. Auslegungsvariante). So können gewichtige Gründe – so wie hier ein verfassungsrechtliches Erfordernis – zu einer von der gesetzgeberischen Willensäußerung abweichenden Rechtsanwendung führen. 168 Siehe dazu Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) ee) (1) zur notwendigen Eindeutigkeit einer über die allgemeine Zwecksetzung der Strafschärfung hinausgehenden – explizit auf die Anhebung der Höchstsrafe bezogenen – gesetzgeberischen Zwecksetzung. 169 Zutreffend wird § 266a Abs. 2 StGB als Erfolgsdelikt eingeordnet (siehe Rönnau/KirchHeim, wistra 2005, 321, 323; Wittig, HRRS 2012, S. 63, 66) auch § 266a Abs. 1 StGB enhält „zumindest Elemente eines Erfolgsdelikts“ (siehe Wiedner, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsund Steuerstrafrecht, StGB, § 266a Rn. 30; siehe auch OLG Düsseldorf, NZS 2013, 624, das ausgeführt hat, „[…] dass der Ort des tatbestandlichen Erfolgseintritts im Falle des § 266a Abs. 1 StGB der Sitz der zuständigen Einzugsstelle ist […]“; für eine Einordung als Erfolgsdelikt Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323). 170 Dies zeigt bereits ein Blick auf die Definition der objektiven Komponente des Regelbeispiels: So soll ein großes Ausmaß vorenthaltener Beiträge dann anzunehmen sein, wenn sich der Gesamtschaden deutlich von der Schadenshöhe gewöhnlicher Beitragsvorenthaltungen abhebt (siehe Fischer, StGB, § 266a Rn. 27; Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rn. 16b; siehe auch Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 266a Rn. 29b: „Die vorenthaltenen Beiträge erreichen ein großes Ausmaß, wenn sie die bei solchen Straftaten üblichen Durchschnittswerte deutlich überschreiten.“). Die direkte Bezugnahme auf das grunddeliktische Erfolgsunrecht und die vergleichende Gegenüberstellung zeigen die enge Verknüpfung dieser Komponente mit dem grunddeliktischen Unrecht auf. Letztlich umschreibt es ein bloßes „Mehr“.
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Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB mit der gesetzgeberischen Zwecksetzung stellt sich daher gar nicht. Die gesetzgeberische Zwecksetzung wirkt sich deshalb im vorliegenden Zusammenhang faktisch nicht aus. Denn, wie oben aufgezeigt wurde, sind die aus verfassungsrechtlicher Sicht womöglich korrekturbedürftigen Regelbeispiele (§ 266a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und 3 StGB) von dieser gesetzgeberischen Zwecksetzung nicht erfasst bzw. betroffen. (b) § 300 StGB (Teilweise) Anders ist jedoch zu entscheiden bezüglich des § 300 StGB. Diese Regelbeispielsnorm sieht eine Strafrahmenverschiebung für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr vor. In den Gesetzgebungsmaterialien wird ausgeführt, dass es „[…] bei der passiven und aktiven Bestechung im geschäftlichen Verkehr Fälle gibt, die eine über den Regelstrafrahmen hinausgehende Strafdrohung erfordern.“.171 Der Gesetzgeber hat damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er mittels dieser Regelbeispielsnorm neben dem (allgemeinen) Zweck der Strafschärfung gerade auch den Zweck der Anhebung der Höchststrafenandrohung (Ersetzung der grunddeliktischen Höchststrafe durch eine schärfere Höchststrafe bei Vorliegen eines besonders schweren Falles) verfolgt. Diese eindeutige gesetzgeberische Willensbekundung stellt auch für die verfassungsrechtlich fundierte Rechtsfortbildung eine unüberwindbare Schranke dar. Somit kann die entwickelte verfassungskonforme Rechtsfortbildung nicht durchgeführt werden, da sie gerade die Beibehaltung der (grunddeliktischen) Höchststrafenandrohung bewirkt. Natürlich ist auch in Hinblick auf diese Regelbeispielsnorm zunächst die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung zu bestimmen. Da sich das in § 300 S. 2 Nr. 1 StGB aufgeführte Regelbeispiel („wenn die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht“) auf eine bloße Erhöhung des grunddeliktischen Unrechts bezieht,172 mithin darin kein neuer, dem Grunddelikt der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr wesensfremder Unwerttypus verkörpert ist,173 scheidet eine Rechtsfortbildung be171
BT-Drucks. 13/5584, S. 15, [Hervorhebung durch Verfasser]. Insoweit stellt das Regelbeispiel auf das Mittel der Tatbegehung ab, siehe Dannecker, in: NK-StGB, § 300 Rn. 6; Krick, in: MK-StGB, § 300 Rn. 2; Momsen, in: BeckOK-StGB, § 300 Rn. 3; Tiedemann, in: LK-StGB, § 300 Rn. 3; abweichend (prinzipiell für ein Abstellen auf den Umfang der Bevorzugung) Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 300 Rn. 3, die jedoch die Möglichkeit einer entsprechenden berichtigenden Auslegung verneinen. 173 Denn bereits im Grundtatbestand (§ 299 StGB) ist der Vorteil für die Bevorzugung als wesensprägendes Merkmal enthalten. Die Erfüllung des Grundtatbestandes § 299 StGB setzt das Bestehen einer Unrechtsvereinbarung (bzw. im Falle des „Forderns“, „Anbietens“ bzw. „Versprechens“ eine darauf abzielende Erklärung; vgl. Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 16, 27 f.) voraus, die die Gewährung eines Vorteils als Gegenleistung für eine Bevorzugung zum Gegenstand hat (siehe dazu Dannecker, in: NK-StGB, § 299 Rn. 42 ff.; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 16; Krick, in: MK-StGB, § 299 Rn. 24 ff. sowie Rn. 35). Daran knüpft das Regelbeispiel in § 300 S. 2 Nr. 1 StGB an. Dieses liegt dann 172
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reits deshalb aus, weil es an der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeit für eine solche fehlt. Die Verwendung der Regelbeispielstechnik begegnet hier (d. h. bei § 300 S. 2 Nr. 1 StGB) keinen Bedenken in Hinblick auf den strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt. Anders liegt es jedoch bei § 300 S. 2 Nr. 2 StGB. Nach dieser Vorschrift liegt ein besonders schwerer Fall der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr (bzw. im Gesundheitswesen) vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt bzw. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Diese (Regelbeispiels-)Norm entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts, da sie einen neuen, wesensfremden Unwerttypus erfasst. Die Regelbeispiele umschreiben in der Sache Perpetuierungsunrecht, sodass das grunddeliktische Unrecht durch ihre Ergänzung eine völlig neue Qualität erhält.174 Richtigerweise hätte diese Regelbeispielsnorm daher in Form eines qualifizierten Delikts ausgestaltet werden müssen. Gleichwohl kann, aufgrund der aufgeführten gesetzgeberischen Willensbekundung, bezüglich dieses Regelbeispiels eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung nicht vorgenommen werden. Es bleibt daher bei der Verfassungswidrigkeit dieser Norm (§ 300 S. 2 Nr. 2 StGB). (c) § 335 StGB Eine entsprechende Eindeutigkeit der gesetzgeberischen Zwecksetzung liegt hingegen nicht vor bei der durch selbiges Gesetz eingeführten Regelbeispielsnorm für die besonders schweren Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung (§ 335 StGB). Zwar findet sich ein Verweis auf die Begründung zu den besonders schweren Fällen der Bestechlichkeit sowie der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 300 vor, wenn eine Zuwendung, die sich ihrem Umfang nach deutlich von dem durchschnittlicher Fälle abhebt, gegeben ist (Krick, in: MK-StGB, § 300 Rn. 2; so auch Dannecker, in: NK-StGB, § 300 Rn. 5: „[…] Durchschnittswert der erlangten Vorteile erheblich überschritten.“). Hierbei ist – in Abhängigkeit von der jeweils erfüllten grunddeliktischen Alternative – maßgeblich der tatsächlich entgegen genommene/gewährte Vorteil bzw. dasjenige, das sich der Täter hat versprechen lassen bzw. gefordert hat bzw. dasjenige, das der Täter versprochen bzw. angeboten hat (vgl. Krick, in: MK-StGB, § 300 Rn. 2). Das Regelbeispiel umschreibt damit letztlich eine Situation, in der die (grundtatbestandlich erforderliche) Unrechtsvereinbarung bzw. die darauf gerichtete Erklärung die Gewährung eines besonders großen Vorteils umfasst. Damit fügt das Regelbeispiel dem grunddeliktischen Unwerttypus jedoch kein neues, wesensveränderndes Element hinzu, sondern umschreibt lediglich die besonders intensive Verwirklichung des grundtatbestandlichen Elements des Vorteils. Das Regelbeispiel knüpft an den Inhalt der (bereits grundtatbestandlich erforderlichen) Unrechtsvereinbarung an und beschreibt eine bestimmte Abredesituation. Diese Abredesituation ist jedoch nicht gekennzeichnet durch das Hinzutreten neuer Verpflichtungen bzw. Rechte. Die Unrechtsvereinbarung bleibt vielmehr dem Grunde nach gleich („do ut des“-Verhältnis zwischen Vorteil und zu erbringender Bevorzugung; vgl. Dannecker, in: NK-StGB, § 299 Rn. 42). Sie ist lediglich gekennzeichnet durch das besondere Ausmaß der (beabsichtigten) Vorteilsgewährung, was jedoch eine Wesensänderung nicht zu begründen vermag. 174 Eingehend zu diesen beiden strafrahmenschärfenden Elementen Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) bb).
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StGB).175 Jedoch erfasst diese Bezugnahme176 – ausweislich ihres Wortlauts („insoweit“) – nur die Ausführungen zur Formulierung der Regelbeispiele. Lediglich in dieser Hinsicht wird auf die Begründung zu § 300 StGB verwiesen. Die oben ermittelte Zwecksetzung der Anhebung der Höchststrafenandrohung ist daher nicht umfasst. Auch die eingangs der Begründung zu § 335 StGB getätigte gesetzgeberische Äußerung177 lässt nicht eindeutig auf eine solche Zwecksetzung schließen. Im Gegensatz zur Begründung zu § 300 StGB wird hier nämlich gerade nicht auf die Notwendigkeit einer „[…] über den Regelstrafrahmen hinausgehende[n] Strafdrohung […]“178 abgestellt, sondern lediglich auf die Unangemessenheit der Regelstrafrahmen in bestimmten Fällen verwiesen. Diese Feststellung der Unangemessenheit bezieht sich auf den Strafrahmen als Ganzes und damit zumindest auch auf die im Regelstrafrahmen vorgesehene Mindeststrafandrohung. Damit ist jedoch eine eindeutige gesetzgeberische Äußerung hinsichtlich der Höchststrafe bzw. deren Anhebung nicht ersichtlich. Dass es dem Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Regelbeispielsnorm entscheidend auf die Anhebung der Höchststrafe ankam, und er nicht „nur“ eine Strafschärfung vorsehen wollte,179 kann daher – im Gegensatz zur Regelung des § 300 StGB – nicht angenommen werden.180 Es ist folglich nur die Zwecksetzung der Strafschärfung auszumachen, eine darüber hinaus gehende (eigenständige) Zwecksetzung der Anhebung der Höchststrafenandrohung hingegen nicht. Daher ist davon auszugehen, dass die Anhebung der Höchststrafe nur der Erreichung (bzw. gesetzestechnischen Umsetzung) des Gesetzeszwecks der Strafschärfung dient. Infolgedessen ist sie als (bloße) Regelungsentscheidung einzuordnen, von welcher in Rahmen einer Rechtsfortbildung abgewichen181 werden kann.
175
Siehe BT-Drucks. 13/5584, S. 17. BT-Drucks. 13/5584, S. 17: „Als Regelbeispiele enthält der Entwurf in § 335 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 StGB die auch für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 300 StGB – neu – vorgesehenen Regelbeispiele. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Abschnitt 2 Art. 1 Nr. 3 (zu § 300 StGB) verwiesen.“. 177 Siehe BT-Drucks. 13/5584, S. 17: „Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung lassen sich im geltenden Recht durch die in den §§ 332 und 334 StGB vorgesehenen Strafrahmen nicht immer angemessen erfassen. Der Entwurf sieht daher in § 335 StGB eine Strafzumessungsregelung für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung vor.“. 178 BT-Drucks. 13/5584, S. 15, [Hervorhebung durch Verfasser]. 179 So die allgemeine, stets anzutreffende, Zwecksetzung bei Regelbeispielsnormen, siehe Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) cc). 180 Auch die Wiedergabe der Strafrahmen in der Begründung (siehe BT-Drucks. 13/5584, S. 17) vermag eine solche Annahme nicht zu stützen. Es handelt sich um eine bloß beschreibende Äußerung und keine normativ-wirkende gesetzgeberische Willensäußerung. 181 Siehe Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258. 176
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(d) § 283a StGB Wiederum anders liegt es bei der Regelung für die besonders schweren Fälle des Bankrotts (§ 283a StGB). In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt bzw. festgestellt, dass der Regelstrafrahmen für bestimmte Formen der Tatbestandsverwirklichung nicht ausreichend ist und die Regelbeispielsnorm (mit der darin enthaltenen Anhebung von Mindest- und Höchststrafe) dem Rechnung trägt.182 Zudem wird von einer Erweiterung des Strafrahmens „[…] auf zehn Jahre […]“ gesprochen.183 In der Gesamtschau zeigt sich, dass es der Gesetzgeber mit der Regelbeispielsnorm gerade bezweckt hat, dem Richter (in bestimmten Fällen) die Möglichkeit zu eröffnen, eine über dem Regelstrafrahmen liegende Strafe zu verhängen. Denn der ausdrückliche Verweis auf das Nichtausreichen des Regelstrafrahmens für die angemessene Bestrafung bestimmter (besonders schwerer) Fälle der Deliktsverwirklichung kann nur dahingehend verstanden werden, dass der Gesetzgeber gerade diesen Missstand mit der Schaffung des Sonderstrafrahmens für die besonders schwere Fälle des Bankrotts beseitigen wollte, zumal darüber hinaus mittels der Formulierung „Die Vorschrift […] trägt […] Rechnung […]“184 der Missstand und die Regelbeispielsnorm direkt miteinander verknüpft werden. Auch hier ist jedoch zu prüfen, inwieweit überhaupt ein verfassungsrechtliches Erfordernis für die Durchführung einer Rechtsfortbildung besteht. Jedenfalls für das in § 283a S. 2 Nr. 1 StGB aufgeführte Regelbeispiel („aus Gewinnsucht handelt“) dürfte dies zu verneinen sein. Gewinnsucht liegt dann vor, wenn der Täter von einem ungewöhnlichen, ungesunden und sittlich anstößigen Maß an Gewinn- bzw. Erwerbsstreben motiviert wird.185 Das Regelbeispiel umschreibt lediglich ein subjektives Element, welches nicht geeignet ist, den grunddeliktischen Unwerttypus in einen neuen, wesensfremden Unwerttypus zu transformieren. Denn das Motiv der Gewinnabsicht, welche letztlich ein Minus zur vom Regelbeispiel erfassten Gewinnsucht darstellt, liegt häufig einfachen Bankrotthandlungen (und damit Handlungen i.S.d. Grundtatbestandes) zu Grunde.186 Die „Gewinnsucht“ ist letztlich le182 BT-Drucks. 7/3441, S. 37: „Die Vorschrift sieht für besonders schwere Fälle des vorsätzlichen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 StGB) eine Erhöhung des Mindest- und Höchstmaßes der Strafe vor und trägt damit der Erfahrung Rechnung, daß die Tat auch in Formen begangen werden kann, für die der Regelstrafrahmen nicht ausreicht.“. 183 BT-Drucks. 7/3441, S. 36. 184 Siehe BT-Drucks. 7/3441. S. 37: „Die Vorschrift [scil. die Regelbeispielsnorm des § 283a StGB] […] trägt damit der Erfahrung Rechnung, daß die Tat auch in Formen begangen werden kann, für die der Regelstrafrahmen nicht ausreicht.“. 185 Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 283a Rn. 4; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 283a Rn. 4; Radtke/Petermann, in: MK-StGB, § 283a Rn. 4; Tiedemann, in: LK-StGB, § 283a Rn. 3. Entsprechend auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, siehe BGHSt 1, 388, 389 f.; 3, 30, 32; 17, 35, 37. 186 Vgl. bezüglich der Feststellung, dass die Gewinnabsicht häufig Motiv von Bankrotthandlungen ist Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 283a Rn. 4. Ebenso Tiedemann, in: LK-StGB, § 283a Rn. 3. Siehe auch Radtke/Petermann, in: MK-StGB, § 283a Rn. 4: in der Regel wird der Grundtatbestand mit einer gewissen Gewinnabsicht begangen.
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diglich als Steigerung der Gewinnabsicht aufzufassen.187 Sie ist als Gewinnabsicht besonders starker Ausprägung (gekennzeichnet durch eine besondere Rücksichtslosigkeit188) aufzufassen und damit dem Grunddelikt nicht wesensfremd. In dieser Fortführung eines regelmäßig bereits mit der Grunddeliktsverwirklichung einhergehenden Motivs (die Erfüllung des Regelbeispiels der Gewinnsucht zeigt letztlich an, das das häufig mit dem Grunddelikt zusammentreffende Motiv der Gewinnabsicht in krasser Ausprägung vorliegt) unterscheidet sich diese Konstellation beispielsweise von der des Habgiermords. Beim Habgiermord geht es gerade nicht um die Steigerung eines grunddelitkischen Motivs. Vielmehr tritt durch die Hinzufügung des Erwerbsunrechts-Elements der Habgier ein völlig neuer Aspekt neben das (grundtatbestandliche) Schädigungsunrecht der Tötung eines anderen Menschen. b) Keine wesentliche Umstrukturierung der Norm189 In den letzten (Unter-)Abschnitten wurde vertieft auf dem Frage eingegangen, ob der hier vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion die gesetzgeberische Zwecksetzung entgegensteht. Im Ergebnis wurde dies – von einigen wenigen Ausnahmefällen abgesehen – verneint. Darin erschöpft sich der Voraussetzungskanon jedoch nicht. Eine verfassungsrechtlich fundierte Rechtsfortbildung darf zudem nicht zu einer wesentlichen Umstrukturierung der Norm führen.190 Dies soll in diesem Abschnitt behandelt werden. Daneben besteht noch das Verbot der Reduktion auf Null,191 welches im nächsten Abschnitt thematisiert wird. Durch die Reduktion darf der Sinn der Norm nicht tiefgreifend verändert werden.192 Der normative Gehalt darf daher weder grundlegend neu bestimmt werden noch darf das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.193 Das Ergebnis der verfassungskonformen, geltungserhaltenden Reduktion muss gegenüber dem ursprünglichen Norminhalt ein minus darstellen und kein aliud.194 187 Vgl. Radtke/Petermann, in: MK-StGB, § 283a Rn. 4. Deutlich auch Tiedemann, in: LKStGB, § 283a Rn. 3: „Gewinnsucht liegt nur vor, wenn das Gewinnstreben auf ein ungewöhnliches, „ungesundes“, sittlich anstößiges Maß gesteigert ist. Diese in dem Wortbestandteil „Sucht“ zum Ausdruck kommende Steigerung für § 283a zu verlangen ist vor allem auch im Verhältnis zu § 283 zutreffend, da eine „bloße“ Gewinnabsicht den Bankrotthandlungen häufig zugrunde liegt […].“. 188 So Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 283a Rn. 4; Kindhäuser, in: NKStGB, § 283a Rn. 4. Zustimmend Tiedemann, in: LK-StGB, § 283a Rn. 3. 189 Vgl. Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56. 190 Vgl. Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56. 191 Vgl. Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 57. 192 Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159. 193 Vgl. BVerfGE 8, 28, 34; 35, 263, 280; 54, 277, 299; 71, 81, 105; 90, 263, 275. Folgend Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56. 194 Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159, mit dem Hinweis auf die entsprechenden Ausführungen zur verfassungskonformen Auslegung von Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 83. Siehe auch Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56 f., der darauf hinweist, dass „[…] diese
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Bei Vornahme der vorgeschlagenen verfassungskonformen Reduktion bleibt der Sinn der Norm, nämlich Festlegung einer Strafschärfung für besonders schwere Fälle, gewahrt. Insoweit wird der normative Gehalt der Norm nicht im Kernbereich verändert. Die Strafschärfung wird durch die Anerkennung der Sperrwirkung der (im Vergleich zur grunddeliktischen Festsetzung höheren) Mindeststrafe des Sonderstrafrahmens gewährleistet. Auch nach der Reduktion dient die Regelbeispielsnorm daher der Strafschärfung. Ebenfalls verdeutlicht dies die Gegenüberstellung der jeweiligen Strafbereiche. Als Ausgangspunkt ist dabei der Strafbereich anzusehen, welcher durch den Sonderstrafrahmen abgesteckt wird. Nimmt man eine verfassungskonforme Reduktion in der hier vorgeschlagenen Weise vor, so kommt der grunddeliktische Strafrahmen mit der Maßgabe zur Anwendung, dass die im Sonderstrafrahmen festgesetzte Mindeststrafe Sperrwirkung entfaltet (diese also bei der Strafzumessung i.e.S. nicht unterschritten werden darf). Die dann anwendbare Mindeststrafe entspricht (aufgrund dieser Sperrwirkung) der Mindeststrafe des Sonderstrafrahmens. Die anwendbare Höchststrafe (dies ist die Strafrahmenobergrenze des Regelstrafrahmens) wiederum liegt unter derjenigen, die in der Regelbeispielsstrafnorm festgelegt ist (d. h. unter der Strafrahmenobergrenze des Sonderstrafrahmens).195 Somit liegt aber der anwendbare Strafbereich (abgesteckt durch die Mindeststrafe der Regelbeispielsnorm und die grunddeliktische Höchststrafe) vollständig in dem Strafenbereich, den die Regelbeispielnorm vorsieht. Der (durch die verfassungskonforme Reduktion) anwendbare bzw. einschlägige Strafenbereich reicht demnach nicht über den Sonderstrafrahmen hinaus. Insoweit ist mit der Vornahme der verfassungskonformen Reduktion keine Eröffnung neuer Strafbereiche verbunden. Es wird lediglich eine über den grunddeliktischen Strafrahmen (bzw. die grunddeliktische Höchststrafe) hinausgehende Bestrafung ausgeschlossen. Dies kommt letztlich einem (bloßen) Kupieren des Sonderstrafrahmens gleich. Damit zeigt sich, dass der, durch die verfassungskonforme Reduktion eröffnete, Strafenbereich lediglich ein minus zu dem Strafenbereich darstellt, der in der Regelbeispielsnorm vorgesehen ist. Bildlich gesprochen heißt das: Der (nach der Reduktion) eröffnete Strafbereich gleicht einem Ausschnitt des Sonderstrafrahmens. Die verfassungskonforme Reduktion führt damit nicht zur Schaffung eines aliuds zur gesetzlichen Regelung.
Begriffe allerdings nicht zu eng verstanden werden dürfen und gewisse Modifikationen durchaus als zulässig anzusehen sind.“. 195 Allenfalls kommt in Betracht, dass die grunddeliktische Höchststrafe der im Sonderstrafrahmen vorgesehenen Höchststrafe entspricht. Auch dann jedoch reicht der grunddeliktische Strafrahmen nicht „nach oben“ über den Sonderstrafrahmen hinaus. Unabhängig davon ist einer solchen Ausgestaltung der Strafrahmen de lege ferenda zu widersprechen, da sie insoweit nicht Ausdruck einer deliktsgruppenintern konsistenten Stafrahmenabstimmung ist, siehe zur Kritik an der Gestaltung der Sonderstrafrahmen Hettinger, in: FS Küper, S. 95, 105 ff.; ebenfalls bereits Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 151.
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c) Keine Reduktion auf „Null“196 Des Weiteren muss der betroffenen Rechtsnorm trotz der verfassungskonformen Reduktion noch ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleiben.197 Die Reduktion darf keine faktische Derogation darstellen.198 Die Norm darf also ihren praktischen Anwendungsbereich weder vollständig noch nahezu vollständig verlieren.199 Letztlich geht es darum, dass der Norm nicht ihre „[…] wesentliche und vom Gesetzgeber gewollte praktische Bedeutung genommen [werden darf].“200. Die vorgeschlagene Reduktion bezieht sich nicht auf den Anwendungsbereich der Norm, mithin werden keine Anwendungsfälle aus diesem Bereich ausgenommen. Die Reichweite der betroffenen Regelbeispielsnormen wird daher nicht eingeschränkt. Vielmehr betrifft die verfassungskonforme Reduktion die Rechtsfolgenseite. Ein Teil der gesetzlich festgelegten Rechtsfolgenanordnung (nämlich die Anordnung der richterlichen Entscheidung über die Sonderstrafrahmenzuordnung) wird, wegen ihrer verfassungswidrigen Ausgestaltung, ausgeschieden.201 Trotz 196
Vgl. Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 57. Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159. Vgl. dazu auch BVerfGE 33, 52, 69; 59, 360, 387: Belassen eines vernünftigen Sinnes; BVerfGE 101, 312, 329: Gesetz muss sinnvoll bleiben. 198 Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159; Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94. 199 Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94. 200 BVerfGE 18, 97, 111; dem folgend Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 57, der von dem „[…] (nahezu) vollständige[n] Funktionsverlust einer Norm […]“ spricht. 201 Entscheidend ist dabei die nähere Betrachtung der Rechtsfolgenanordnung von Regelbeispielsnormen. Diese bestimmt zunächst die Anwendung des Sonderstrafrahmens, wobei letztlich der Richter, da er von der Indizwirkung der Regelbeispiele abweichen kann, entscheidet, ob der Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Diese Anordnung (Anwendung des Sonderstrafrahmens) lässt sich weiter ausdifferenzieren. Sie enthält zum einen die Anordnung, dass keine Bestrafung unter der festgelegten Mindeststrafe erfolgen soll. Zum anderen legt sie aber auch die maximal zulässige Strafhöhe fest (in Form der Strafrahmenobergrenze); dem Richter ist es versagt, eine höhere als die vorgegebene Höchststrafe zu verhängen. Im Vergleich zum Grunddelikt werden dabei sowohl die Mindest- als auch die Höchststrafe angehoben (daher enthält die Rechtsfolgenanordnung der Regelbeispielsnorm bei eingehender Betrachtung einerseits die Anhebung der Mindeststrafe und andererseits die Anhebung der Höchststrafe). Darüber hinaus wird durch die Anordnung auch die Möglichkeit eröffnet eine Strafe zu verhängen, die über dem im Grunddelikt vorgesehenen Höchstmaß liegt (freilich nur bis zu dem Maß der maximal zulässigen Höchststrafe: die Obergrenze des Sonderstrafrahmens bildet dabei eine Grenze für die richterliche Straffestsetzung); dies kann insoweit bezeichnet werden als Eröffnung der Möglichkeit der Verhängung (bzw. Ermächtigung zur Verhängung) einer höheren Strafe. Durch diese Ausdifferenzierung der Rechtsfolgenanordnung wird sichtbar, dass die Reduktion lediglich einen Teil der Rechtsfolgenanordnung betrifft. Nicht betroffen ist die in der Mindeststrafenfestsetzung enthaltene Anordnung, dass keine Strafe unter einem bestimmten Strafwert (mithin unter der gesetzlich festgelegten Strafrahmenuntergrenze) verhängt werden darf. Durch die Anerkennung der Sperrwirkung der in der Regelbeispielsnorm vorgesehenen Strafrahmenuntergrenze bleibt diese Anordnung erhalten. Diese Anordnung (und damit auch die Anhebung der Mindeststrafe) wirken daher auch nach der verfassungskonformen Reduktion fort. Die verfassungskonforme Reduktion umfasst demzufolge nicht den gesamten Wirkbereich der Rechtsfolgenanordnung. Betroffen ist zwar allgemein die gesetzliche Anordnung, dass der Richter darüber zu entscheiden hat, ob bei Erfüllung eines Regelbeispiels 197
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dieser Reduktion der in der Regelbeispielsnorm enthaltenen Rechtsfolgenanordnung verbleibt dieser (scil. der Regelbeispielsnorm) ein praktischer Anwendungsbereich. Es kommt nämlich gerade nicht zur „einfachen“ Anwendung des grunddeliktischen Strafrahmens (Regelstrafrahmens). Vielmehr entfalten entsprechend reduzierte Regelbeispielsnormen dahingehend Wirkung, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen (Verwirklichung eines Regelbeispiels und Nichtwiderlegung der Indizwirkung) eine Sperrwirkung der in der Regelbeispielsnorm enthaltenen Mindeststrafe eintritt. Insoweit liegt trotz der vorgenommenen verfassungskonformen Reduktion gerade keine Gleichstellung mit der grunddeliktischen Rechtsfolgenanordnung vor. Der Regelbeispielsnorm kommt also trotz der Durchführung der verfassungskonformen Reduktion eine praktische Bedeutung zu. Ihr kommt letztlich die Funktion zu, eine Sperrwirkung der Untergrenze des Sonderstrafrahmens zu bewirken. Dies bedeutet (trotz Vornahme der verfassungskonformen Reduktion) die Fortwirkung der im Sonderstrafrahmen festgesetzten Mindeststrafe. Trotz der verfassungskonformen Reduktion führt die Regelbeispielsnorm damit praktisch zu einer Erhöhung der Mindeststrafe (dies bewirkt nicht nur den Ausschluss einer Geldstrafe sowie bestimmter Strafenbereiche, sondern auch die Verschärfung der „Strafenstaffel“). Insoweit verwirklicht sich auch die gesetzgeberische Zweckvorstellung,202 nämlich die Strafschärfung für besonders schwere Fälle. Die Vornahme der verfassungskonformen Reduktion ist damit – da die Regelbeispielsnorm auch nach Durchführung der Reduktion auf die Strafandrohung einwirkt, mithin die Strafandrohung für den besonders schweren Fall gerade nicht der grunddeliktischen Strafandrohung entspricht – einer Aufhebung der Regelbeispielsnorm nicht gleichzustellen. Darüber hinaus hat die Regelbeispielsnorm auch der Sonderstrafrahmen Anwendung findet (indem dieser (scil. der Richter) über die Widerlegung der Indizwirkung des Regelbeispiels zu befinden hat). Diese (vom Gesetzgeber delegierte) Letztentscheidungskompetenz des Richters über die Zuordnung des Sonderstrafrahmens zum Regelbeispiel bildet den Ursprung der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit und ist Gegenstand der erforderlichen verfassungskonformen Reduktion. Die Reduktion bezieht sich daher hauptsächlich auf die Zuordnung des Sonderstrafrahmens und bewirkt die dauernde Nichtanwendbarkeit des Sonderstrafrahmens (freilich nur bei solchen Regelbeispielen, die einen neuen, wesensfremden Unwerttypus beschreiben und bei denen daher dem Gesetzgeber vorzuwerfen ist, dass er (in verfassungswidriger Weise) die falsche Gesetzgebungstechnik verwendet hat). Damit wirkt sich die Vornahme der verfassungskonformen Reduktion auf die Anhebung der Höchststrafe aus sowie auf die Eröffnung der Möglichkeit eine höhere Strafe als die im grunddeliktischen Strafrahmen vorgesehene Höchststrafe zu verhängen. Erhalten bleibt jedoch – wie erwähnt – die Anordnung der angehobenen Mindeststrafe und zwar durch die Anerkennung der Sperrwirkung der Mindeststrafenfestsetzung der Regelbeispielsnorm. Die Anerkennung der Sperrwirkung kompensiert dahingehend die – die Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens bewirkende – Reduktion der Rechtsfolgenanordnung in einem Teilbereich (nämlich bezogen auf die Anhebung der Mindeststrafe). 202 Siehe nur BT-Drucks. 13/8587, S. 42: „Das Strafgesetzbuch enthält eine Reihe von Vorschriften, die für besonders schwere Fälle eine Strafschärfung vorsehen.“; siehe ferner BTDrucks. 15/2573, S. 29: „[…] Strafverschärfung für besonders schwere Fälle […]“; BT-Drucks. 7/550, S. 396 (zur Regelbeispielsnorm § 1 Abs. 3 WiStG). Aus der Begründung zum Entwurf 1962: BT-Drucks. IV/650, S. 362, 425 („Verschärfungen“).
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dahingehend praktische Bedeutung, dass sie Grundlage für die Kennzeichnung als besonders schwerer Fall ist sowie die entsprechende Verwirklichungsform im Gesetzestext hervorhebt. Damit liegt keine verbotene Reduktion „auf Null“ vor. III. Antizipierte Replik auf mögliche Einwände – ergänzende Begründung des Lösungswegs Ein naheliegender Einwand gegen die soeben entwickelte verfassungskonforme Rechtsfortbildung dürfte sein, dass sie im Ergebnis noch weiter vom Inhalt der eigentlich „richtigen“ gesetzlichen Ausgestaltung (Formung als qualifiziertes Delikt mit zwingender Strafrahmenverschiebung) entfernt ist als die vom Gesetzgeber gewählte (jedoch gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende) Regelungsform (Regelbeispielstechnik mit nicht zwingender Strafrahmenverschiebung). Denn während bei letzterer zumindest im Falle der Nichtwiderlegung der Regelbeispielswirkung eine Anhebung der Höchststrafe (nämlich durch Strafrahmenverschiebung, d. h. Wechsel vom Regelstrafrahmen zum Sonderstrafrahmen) eintritt, bleibt es im Falle der Durchführung der verfassungskonformen Rechtsfortbildung – da sich ein Wechsel zum Sonderstrafrahmen gerade nicht vollzieht – bei der grunddeliktischen Höchststrafenandrohung. Dies scheint dem ersten Anschein nach unstimmig zu sein. Jedoch verfängt der Einwand bei genauer Betrachtung nicht. Darauf soll im Weiteren eingegangen werden. 1. Komplementärnormen in Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und strengem, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt In diesem Problemkreis zeigt sich das Spannungsverhältnis zwischen Gerechtigkeit und Rechtsicherheit, welches sich durch weite Teile des Strafrechts zieht.203 Auch im Bereich der vertikalen Strafrahmenabschichtung stellt sich diese Problematik. So unterliegt der Gesetzgeber bei der vertikalen Strafrahmenabschichtung 203 Schlagwortartig werden die aus diesem Spannungsverhältnis resultierenden Problemkreise von Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 70 f. aufgeführt. Auch bei der Frage der Rechtsfolgenbestimmtheit wird dieses Spannungsverhältnis virulent, wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend festgestellt hat; siehe BVerfGE 105, 135, 155: „Bei der Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsfolgenregeln zu stellen sind, geraten also zwei Verfassungsprinzipien in ein Spannungsverhältnis, das weder durch einen allgemeinen Verzicht auf Strafrahmen noch durch eine grundsätzliche Entscheidung für möglichst weite richterliche Strafzumessungsspielräume aufgelöst werden kann. Schuldprinzip und Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite sowie Rechtsfolgenbestimmtheit und Rechtssicherheit auf der anderen Seite müssen abgewogen und in einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich gebracht werden […].“. Ausführlich zum Spannungsverhältnis Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 230 ff.; siehe auch Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 70 f., der in bestimmten Konfliktfällen einen Vorrang der „materiellen Gerechtigkeit“ annimmt.
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einem aus diesem Spannungsverhältnis ableitbaren Zielkonflikt.204 Will er einerseits (aus Gründen der Gerechtigkeit) mit der „aufgesetzten“ Norm (Komplementärnorm) sämtliche Deliktsbegehungsformen erfassen, die einer höheren Bestrafung bedürfen als die Regelfälle der grunddeliktischen Verwirklichung, so muss er andererseits jedoch die von der „aufgesetzten“ Norm (bzw. Komplementärnorm) erfassten Begehungsarten hinreichend bestimmt (Art. 103 Abs. 2 GG!) umschreiben, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge zu tun. Während Ersteres die Verwendung möglichst abstrakter Begriffe nahelegt, verbietet der in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Bestimmtheitsgrundsatz, welcher letztlich auf verfassungsrechtlicher Ebene den Gedanken der Rechtssicherheit im Bereich des Strafrechts zum Ausdruck bringt und insoweit gewährleistende Wirkung entfaltet,205 eine zu vage Gesetzesformulierung. Dieses Spannungsfeld wurde auch bei der Erstellung des Entwurfs von 1962 ausgemacht.206 Wie bereits von anderer Seite festgestellt wurde, stellt die Regelbeispielstechnik letztlich ein Mittel zur Erreichung eines Ausgleichs zwischen den beiden Prinzipien (Gerechtigkeit und Rechtssicherheit)207 dar.208 Regelbeispiels204
Erkannt und explizit erwähnt wurde dies in BT-Drucks. IV/650, S. 267. Siehe Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 43; so auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 II Rn. 12: „[…] Gedanke der Rechtssicherheit als zentrales Element des Rechtsstaatsprinzips […] einschlägig […].“ [im Original teilw. hervorgehoben]. 206 Siehe dazu die Begründung zum Entwurf 1962 BT-Drucks IV/650, S. 183 f.; im Ansatz findet sich dies auch in der Einleitung zum Entwurf, siehe BT-Drucks. IV/650, S. 101: „Auch sonst ist er [scil. der Gesetzentwurf] bemüht, die rechtstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit allenthalben zu verwirklichen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß der Entwurf sich bemüht, die Strafrahmen möglichst eng zu halten, weite Strafrahmen zu unterteilen und besonders schwere Fälle durch Anführung von Beispielen tatbestandlicher Bestimmtheit anzunähern.“. Damit zeigt die Entwurfs-Begründung die Zweistufigkeit der Problematik auf. Das Spannungsverhältnis zeigt sich zunächst auf einer ersten Stufe, wenn es um die Frage nach der Weite eines Strafrahmens geht. Während das Gebot schuldangemessener Strafen eine relativ weite Fassung nahelegt, setzen verschiedene verfassungsrechtliche Vorgaben (Bestimmtheitsgrudnsatz sowie das aus dem Schuldgrundsatz abgeleitete Stringenzgebot) gerade einer solchen Strafrahmenformung Grenzen. Um dem genüge zu tun, hat der Gesetzgeber eine Strafrahmenabstufung vorzunehmen und neben den grunddeliktischen Regelstrafrahmen eine Komplementärnorm mit Sonderstrafrahmen zu setzen. Virulent wird sodann die Frage nach der Fassung der Komplementärnorm (insb. in Hinblick auf die Wahl der Regelungstechnik). Auf dieser zweiten Stufe besteht das Spannungsverhältnis – wenn auch in modifizierter Form – fort. Es geht nunmehr um die Problematik, wie vage der Gesetzgeber die strafrahmenschärfenden Gründe fassen darf, um das Ziel der möglichst weitreichenden Erfassung der besonders strafwürdigen Fälle der Deliktsverwirklichung zu erreichen. Dieser Zielkonflikt lässt sich pointieren, wenn man die Frage nach der Fassung der Komplementärnorm (genauer: der Ausgestaltung der strafrahmenschärfenden Faktoren durch Auswahl der Regelungstechik) aus Sicht der Delegation von Entscheidungsbefugnissen/Aufgaben erfasst und damit den strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt und dessen Vorgabenwirkung in den Blick nimmt. Dies wurde ausführlich in Kapitel 4 behandelt. 207 In eine entsprechende Richtung gehen auch die – rechtsgebietsübergreifenden – Ausführungen von W. Schünemann, JZ 2005, 271, 274: „Ein probates Mittel, um die verfassungsrechtlich unabdingbare „parlamentarische Prärogative“ auch bei den Generalklauseln zur Geltung zu bringen, ohne deren Vorzug bezüglich ihres spezifischen Flexibilisierungs- bzw. Rezeptionspotentials preiszugeben, ist ohne Zweifel, die Sinngebung der Generalklausel durch 205
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normen sind einerseits flexibler als die kasuistisch ausgestalteten Qualifikationstatbestände, andererseits jedoch, durch die zumindest beispielhafte Nennung einzelner Tatbilder, bestimmter als die unbenannten besonders schweren Fälle.209 Mit der Regelbeispielsmethode soll dem Prinzip der Gerechtigkeit jedoch nicht um jeden Preis Geltung verschafft werden. Vielmehr soll durch diese Gesetzestechnik eine praktische Konkordanz zwischen den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit herbeigeführt werden.210 Dies muss letztlich auch in Hinblick auf Regelbeispiele nur, aber eben doch vorzuzeichnen. Denn diese Kombination von Generalklausel einerseits und nicht abschließender „demonstrativer, … exemplikativer Kasuistik“ in gesetzlichen Beispielskatalogen andererseits vermag „sowohl Bedürfnissen nach rechtsstaatlicher Sicherheit als auch nach zukunftsgerichteter Rechtssetzung gerecht zu werden.“. Angesichts dessen, dass dem Gebot der Rechtssicherheit im Strafrecht ausweilich der spezifischen verfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 103 Abs. 2 GG besondere Bedeutung zukommt, gewinnt der Ausgleich zwischen diesen beiden Grundfesten des Rechtsstaats im Strafrecht überragende Bedeutung. Hierbei tritt hinzu, dass auf der Seite der Rechtssicherheit auch die Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts für eine weitgehende (Vor-) Entscheidung durch den Gesetzgeber streiten können. 208 Zutreffend daher Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 115 ff.; in diese Richtung aus Braunsteffer, Problematik der Regelbeispielstechnik, S. 5 ff.; Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 48 ff.; Walter, in: GS Walter, S. 831, 842: „[…] guter Kompromiss […] zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit.“; Hassemer, Grundlagen des Strafrechts, S. 258: „Der Gesetzgeber hat aus der Meerenge von Flexibilität und Präzision einen intelligenten Ausweg gefunden […].“; siehe auch die Ausführungen in der Begründung zum Entwurf 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 183 f.: Abstufung mittels Regelbeispielen als Lösung, sowie S. 266: Vermeidung weiter (Grund-)Strafrahmen durch Einsatz der Regelbeispielsmethode. Implizit auch Dannecker, in: FS Roxin, S. 285, 303.: „Die Regelbeispielstechnik ist allerdings nur so lange berechtigt, wie der Gesetzgeber damit die Erfordernisse der möglichst weitgehenden Bestimmtheit und der schuldangemessenen Strafe in ein angemessenes Verhältnis bringt.“. In der Gewichtung anders Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 235 f.: „Dieser Vorteil [verstärktes Maß an Rechtssicherheit, J.M.] geht jedoch […] so sehr auf Kosten der Gerechtigkeit, daß der geringe Verlust an Rechtssicherheit, der bei dem System der besonders schweren Fälle mit Regelbeispielen eintritt, um der weit größeren Vorteile dieses Systems in Kauf genommen werden kann.“. Auch in der aktuellen Diskussion um die Art und Weise der Neuregelung der Tötungsdelikte wird entsprechend argumentiert; siehe Morsch, AnwBl. 2014, 873, 876, die in Hinblick auf den (von ihr favorisierten) Einsatz der Regelbeispielsmethode bei der Fassung des Mordes konstatiert: „Man könnte auch sagen, die Regelbeispielstechnik scheint am ehesten geeignet, das Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Individualisierung, das gerade im Kontext der Tötungsdelikte besonders brisant ist, aufzulösen.“. 209 Ob man deshalb von einem „intelligenten Ausweg“ des Gesetzgebers sprechen kann (so Hassemer, Grundlagen des Strafrechts, S. 258), darf angesichts der (jedenfalls Teile der Regelbeispielsnormen erfassenden) verfassungsrechtlichen Unhaltbarkeit in Hinblick auf den strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt (welcher Bestandteil des Art. 103 Abs. 2 GG ist) stark bezweifelt werden. Kritisch zur Verwendung der Regelbeispielsmethode auch Duttge, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 243 Rn. 2: praktischer Sinn zweifelhaft. 210 Die Notwendigkeit einer solchen hat das Bundesverfassungsgericht (in seiner Entscheidung zur Vermögensstrafe) aufgezeigt: „Schuldprinzip und Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite sowie Rechtsfolgenbestimmtheit und Rechtssicherheit auf der anderen Seite müssen abgewogen und in einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich gebracht werden, der beiden für das Strafrecht unverzichtbaren Prinzipien möglichst viel an Substanz beläßt.“
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andere (bedeutende) Verfassungsgüter gelten. Die Flexibilisierung der Normgestaltung findet daher dort ihre Grenze, wo sie den Bereich des verfassungsrechtlich Zulässigen verlässt. Um den Preis anderer gewichtiger Verfassungsgüter darf der Grundsatz der Strafgerechtigkeit nicht verwirklicht211 werden.212 Verstößt eine Normgestaltung – auch wenn sie unter dem Blickwinkel der Gerechtigkeit Anerkennung verdient – gegen ein gewichtiges Verfassungsgut, so kann sie nicht im vollen Maße aufrechterhalten werden. Ist also bei einer Regelbeispielsnorm ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt auszumachen, so kann dies nicht unter Verweis auf den Gerechtigkeitsgrundsatz unberücksichtigt bleiben.213 Im Zentrum der verfassungsrechtlichen Kritik steht die (gesetzlich festgelegte) Struktur der Entscheidung über den Strafrahmenwechsel, namentlich die Möglichkeit des Richters, über die Widerlegung der Indizwirkung zu entscheiden.214 Die mit der Regelbeispielsnorm verbundene Strafrahmenverschiebung215 kann daher, da sie gerade den Kernbereich der verfassungsrechtlichen Kritik berührt, mit Blick auf den strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt nicht aufrechterhalten werden. Dies hat jedoch zwingend zur Folge, dass eine Anwendung des Sonderstrafrahmens zu unterbleiben hat. Damit aber ist es dem Rechtsanwender verwehrt, den Zustand (zwingende Strafrahmenverschiebung aufgrund zwingender Zuordnung des Sonderstrafrahmens) herzustellen, der bei korrekter gesetzlicher Ausgestaltung bestünde. Das eigentlich „richtige“ Ergebnis ist daher mittels Rechtsfortbildung nicht zu erreichen. Anhand dieser Ausführungen wird auch klar, dass die mit der Rechtsfortbildung einhergehene Beibehaltung der Höchststrafandrohung trotz Regelbeispielverwirklichung216 (es bleibt nach der hier entwickelten Rechtsfortbildung auch im Falle der (BVerfGE 105, 135, 155). Siehe dazu auch Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, S. 100, die den Gewaltenteilungsgrundsatz, sowie die aus diesem folgende Pflicht des Gesetzgebers den Konflikt selbst zu lösen, betonen. 211 Abweichend Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 70, der annimmt, dass in „[…] äußersten, bestimmt bezeichneten Konfliktfällen der Wert der formalen Rechtsbestimmtheit weichen muß.“. 212 Darauf, dass die Regelbeispielsmethode auch in Hinblick auf den Grundsatz des fragmentarischen Charakters des Strafrechts kritikwürdig ist, weist Hirsch, in: FS Gössel, S. 287 295 hin. 213 Vgl. hierzu die parallele Argumentation im Bereich der Rechtsfolgenbestimmtheit bei Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, S. 100, die (zutreffend) darauf hinweisen, dass der „[…] Gewaltenteilungsaspekt nicht durch Hinweise auf die Einzelfallgerechtigkeit [überspielt]“ werden kann. Allgemein zur Abwägungsresistenz der (zwingenden verfassungsrechtlichen) Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG („formale Rechtssicherheit“) gegenüber materialen Gerechtigkeitserwägungen Sternberg-Lieben, objektive Schranken der Einwilligung, S. 312 f. Siehe auch ders., a.a.O., S. 335, in Bezug auf die (strikte) Unzulässigkeit einer Delegation von Entscheidungen auf die Judikative. 214 Ausführlich dazu Kapitel 4 § 9 sowie § 11 A. und C. 215 D. h. der Wechsel vom Regelstrafrahmen zum Sonderstrafrahmen für den Fall der Erfüllung eines Regelbeispiels und Nichtwiderlegung der Indizwirkung. 216 Bzw. das Unterbleiben einer Anhebung der Höchststrafenandrohung.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
Nichtwiderlegung der Indizwirkung der Regelbeispielsverwirklichung bei der Anwendbarkeit der grunddeliktischen Höchststrafe217) zwar unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit auf den ersten Blick unstimmig erscheinen mag, jedoch letztlich zwingend aus der fehlerhaften Fassung entsprechender Regelbeispielsnormen folgt. Verbietet sich – wie ausgeführt wurde – die Durchführung der Strafrahmenverschiebung, weil diese den Kernbereich der verfassungsrechtlichen Kritik betrifft, so folgt daraus zugleich, dass eine Verschiebung der Höchststrafe unterbleibt, da jene zwingend eine Verschiebung des Strafrahmens (Anwendung des Sonderstrafrahmens statt des milderen grunddeliktischen Regelstrafrahmens) voraussetzt. Auch angesichts der bestehenden Alternative – der Annahme der Nichtigkeit und dem damit einhergehenden völligen Verzicht auf die Anwendung der betroffenen Regelbeispielsnormen – ist die vorgeschlagene verfassungskonforme Reduktion sinnvoll und zu befürworten. Insoweit bietet sie einen Weg, um im Rahmen der Rechtsanwendung auf die verfassungswidrige Normgestaltung zu reagieren. Sie unternimmt es, ein fehlerhaftes Gesetz (freilich innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen und mit den Mitteln zulässiger Rechtsanwendung) zu „reparieren“.218 Dies dürfte sich gerade aus praktischer Sicht als besser bzw. zielführender erweisen als die bloße Feststellung der Verfassungswidrigkeit.219 2. Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung als Rechtsfortbildung in malam partem Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Herbeiführung einer zwingenden Strafrahmenverschiebung220 mit den Mitteln der Rechtsfortbildung einen Verstoß gegen das im Strafrecht geltende Verbot der Rechtsfortbildung in malam partem221 bedeuten würde. Denn bei der Annahme einer solchen zwingenden Strafrahmenverschiebung in den Fällen, in denen ein Regelbeispiel einen neuen, grunddelikts217 Da der grunddeliktische Regelstrafrahmen unter zwingender Sperrwirkung der Untergrenze des Sonderstrafrahmens Anwendung findet. 218 Allgemein zur Reparatur „fehlerhafter“ Normen mittels des Werkzeugs der Rechtsanwendung; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 607 ff., der dies (freilich im Rahmen der Rechtsanwendung lege artis) der Handlungsalternative, „[…] das mangelhafte Werk an seinen Konstrukteur zurückzureichen […]“ (Simon, a.a.O., S. 607) vorzieht. 219 Allgemein für die Vorzugswürdigkeit der Reparatur „fehlerhafter“ Normen mittels des Werkzeugs der Rechtsanwendung lege artis, Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 607 ff. 220 Wohl prinzipiell eine zwingende Strafrahmensverschiebung bei Regelbeispiels-Erfüllung annehmend („Immer, wenn auch nicht nur“) Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 62, 64. Dies überschreitet ausweislich des eindeutigen Wortlauts („In der Regel“) die Grenzen zulässiger Auslegung. Auch als entsprechende Rechtsfortbildung kann diese Ansicht „nicht bestehen“, da sie einerseits gegen den eindeutigen gesetzgebersichen Willen (Flexibilität; Abkehr von „starrer“ Kasuistik“; vgl. zur Umwandlung des § 243 StGB Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 124 f.) verstößt, andererseits auch in malam partem wirkt. 221 Zum Verbot der teleologischen Reduktion in malam partem Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 193.
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fremden Unwerttypus umschreibt, stünde ein Angeklagter im Vergleich zur geltenden Rechtslage (die eine bloße Indizwirkung der Regelbeispielsverwirklichung vorsieht) schlechter, da eine Anwendung des (milderen) Regelstrafrahmens von vornherein ausschiede. Er wäre mit einer entsprechenden Argumentation, die auf die ausnahmsweise Anwendung des Regelstrafrahmens wegen des Vorliegens gewichtiger mildernder Faktoren (und damit die Widerlegung der Indizwirkung) abzielt, abgeschnitten. Die Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung im Rahmen einer Rechtsfortbildung ist auch deswegen nicht haltbar.222 3. Annahme einer zwingenden Verknüpfung von Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen widerspräche der gesetzgeberischen Grundentscheidung Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass eine Rechtsfortbildung dann unzulässig ist, wenn durch sie die gesetzgeberischen Grundentscheidungen bzw. die gesetzgeberischen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt werden.223 Der Rechtsanwender muss also die vom Gesetzgeber festgelegte Grundentscheidung zwingend beachten.224 Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist indes unter Zugrundelegung der vorliegenden Konzeption nicht festzustellen. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Schaffung einer Regelbeispielsnorm die Strafschärfung für die besonders schweren Fälle der Deliktsverwirklichung.225 Nach seiner Grundentscheidung soll für diese Fälle eine Strafschärfung eintreten. Diese bleibt auch nach Durchführung der hier entwickelten verfassungskonformen Rechtsfortbildung erhalten, denn die Verschärfung des Strafrahmens wird durch die Anerkennung einer Sperrwirkung der Untergrenze des Sonderstrafrahmens abgesichert. Im Ergebnis bleibt damit die „Stoßrichtung“ der Regelbeispielsnorm erhalten. Die in der Norm enthaltene Grundentscheidung bleibt damit unangetastet. Überdies ist zu berücksichtigen, dass verfassungsrechtliche Erfordernisse die Rechtsfortbildung ausgelöst haben und diese daher nicht der Willkür des Rechtsanwenders entsprungen ist. 222
In der Sache ebenso Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85. Siehe BVerfGE 128, 193, 210: „Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt […].“; ebenso BVerfG, NJW 2012, 669, 670; BVerfG, Beschluss vom 16. 02. 2012 – 1 BvR 127/10, juris Tz 22. Mit ähnlicher Tendenz Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 266 ff. 224 Siehe BVerfGE 128, 193, 210: „Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen.“ [Hervorhebung durch Verfasser]. Ebenso BVerfGE 122, 248, 258; BVerfG, Beschluss vom 16. 02. 2012 – 1 BvR 127/10, juris Tz 22. 225 Ausführlich dazu Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a) cc). 223
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
Auch berührt die entwickelte Rechtsfortbildung nicht die flexible Ausgestaltung der Regelbeispielstechnik, denn die Möglichkeit der Widerlegung der Indizwirkung bleibt erhalten. Die Indizwirkung der Regelbeispiele, die wiederholt in den Gesetzesmaterialien Erwähnung gefunden hat,226 ist ein Wesensmerkmal der Regelbeispielsmethode. In ihr zeigt sich die gesetzgeberische Grundentscheidung der Abkehr von der (starren) kasuistischen227 Normausgestaltung. Sie muss daher, wenn der Gesetzgeber die Gesetzgebungsmethode der Regelbeispielstechnik gewählt hat, gewahrt bleiben und steht nicht zur Disposition des Rechtsanwenders. Auch dies zeigt, dass ein der eigentlich „richtigen“ gesetzlichen Ausgestaltung (Formung als qualifiziertes Delikt mit zwingender Strafrahmenverschiebung) entsprechender Zustand nicht mittels einer rechtsfortbildenden Tätigkeit hergestellt werden kann. Denn die Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung widerspräche der gesetzgeberischen Grundentscheidung der flexiblen Normausgestaltung.228 Würde der Rechtsanwender die flexible Verknüpfung von Regelbeispiel und Rechtsfolge durch eine zwingende Verknüpfung austauschen, so begäbe er sich in die Rolle der normsetzenden Instanz, was letztlich einen Verstoß gegen die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) darstellen würde.229 Wie bereits mehrfach erwähnt, ist die Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung im Falle der fehlerhaften Bildung von Regelbeispielen daher auch methodisch nicht haltbar. Ein solches Vorgehen läuft auf die Ersetzung der gesetzgeberischen Wertung hinaus und sprengt daher die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung Darüber hinaus ist ein solches Resultat auch vom faktischen Standpunkt her abzulehnen. Würde man (mittels einer Rechtsfortbildung) die „richtige“ Regelungsform an die Stelle der Regelbeispielsnorm setzen (würde man diese in der Sache also wie Qualifikationstatbestände behandeln), so bliebe die Tatsache, dass sich der Gesetzgeber einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Regelungsform bedient hat, völlig ohne Bedeutung. Sie würde sich faktisch nicht auswirken. Es ist fraglich, ob ein solches Ergebnis den Gesetzgeber zukünftig zum Umdenken bewegen und diesen dazu veranlassen würde, bei der Auswahl der Regelungstechnik die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten.230 226
Siehe nur BT-Drucks. 13/8587, S. 42. Zur Kritik an den Qualifikations- bzw. Privilegierungstatbeständen im Rahmen der Entwicklung des Entwurfs von 1962 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 93 f. 228 In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 32. 229 Vgl. BVerfG, NJW 2012, 669, 670: „Ein Richterspruch setzt sich über die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gesetzesbindung hinweg, wenn die vom Gericht zur Begründung seiner Entscheidung angestellten Erwägungen eindeutig erkennen lassen, dass es sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben hat, also objektiv nicht bereit war, sich Recht und Gesetz zu unterwerfen […].“. 230 Allgemein mit diesbezüglich eher desillusionierter Haltung Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 382, 608 f., welcher der Durchführung bzw. dem Verzicht auf Durchführung einer „gesetzesberichtigenden“ Rechtsanwendung insoweit wenig Bedeutung bzw. Beeinflußungspotential auf das legislative Handeln beimisst. 227
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IV. Ergebnis Die hier entwickelte verfassungskonforme Reduktion derjenigen Regelbeispielsnormen, die dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht entsprechen (indem sie die Beschreibung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus beinhalten), ist eine zulässige Rechtsfortbildung praeter legem. Nach dieser sind die entsprechenden (d. h. fehlerhaften) Regelbeispielsvorschriften einschränkend dahingehend anzuwenden, dass eine Bestrafung nur aus dem Grundstrafrahmen erfolgt, wobei jedoch die Strafrahmenuntergrenze des Sonderstrafrahmens eine strikte Sperrwirkung entfaltet (die Verhängung einer Strafe unterhalb dieser Strafrahmenuntergrenze daher ausscheidet). Sind also bei einer betroffenen231 Regelbeispielsnorm die Voraussetzungen eines Regelbeispiels erfüllt und wird die damit einhergehende Indizwirkung der Regelbeispielsverwirklichung nicht widerlegt, so findet – entsprechend der entwickelten verfassungskonformen Reduktion – (weiterhin) der grunddeliktische Strafrahmen (und nicht der Sonderstrafrahmen Anwendung), wobei die im Sonderstrafrahmen festgelegte Mindeststrafe jedoch Sperrwirkung entfallt, d. h. bei der Strafzumessung i.e.S. nicht unterschritten werden darf. Auch wenn diese Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen angesichts des mit ihr verbundenen Gleichbleibens der Strafrahmenobergrenze trotz Regelbeispielsverwirklichung auf den ersten Blick nicht vollends zufriedenstellend erscheinen mag, so bietet sie doch einen Ausweg aus der verfassungsrechtlichen Spannungslage. Sie bildet damit eine Möglichkeit, um betroffene Regelbeispielsnormen, die ansonsten der Nichtigkeit anheim fallen würden, weiterhin – wenn auch im eingeschränkten Maße – zur Anwendung zu bringen. Insoweit verschafft die verfassungskonforme Reduktion dem Gesetzeszweck der Strafschärfung – welcher bei einer Nichtigkeitserklärung und der damit einhergehenden umfassenden Nichtanwendung der betroffenen Regelbeispielsnorm völlig vereitelt werden würde – Geltung.
231 Betroffen sind – wie wiederholt ausgeführt wurde – nicht sämtliche Regelbeispiele, sondern nur diejenigen, die einen neuen, dem jeweiligen Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus erfassen. Dies kann innerhalb einer Regelbeispielsvorschrift auch nur einzelne der dort aufgeführten Regelbeispiele betreffen.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung (Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus) als qualifiziertes Delikt A. Grundsätzliche Deckung durch den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum Die entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben (aus dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt) stehen einer Verwendung von rein quantitativen Unrechts-/Schuldelementen als Qualifikationstatbestandsmerkmale nicht entgegen.232 Insoweit existiert (zumindest aus Sicht des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts) keine Regel, dass ein Qualifikationstatbestand zwingend einen neuen, wesensfremden Unwerttypus und damit im Vergleich zum Grunddelikt qualitativ anderes Unrecht enthalten muss.
B. Legitimationsfragen I. Hinführung sowie Aufführung bisheriger Diskussionsfelder Dennoch ist die Erfassung von Elementen, die rein quantitativ den grunddeliktischen Unrechts- bzw. Schuldgehalt steigern, in einem Qualifikationstatbestand nicht gänzlich unbeachtlich. Die Verwendung solche Faktoren als Merkmale eines Qualifikationstatbestands wirft nämlich Legitimationsfragen auf.233 Zweifelhaft ist dabei, ob die mit der Addition dieser Elemente verbundene (womöglich lediglich geringfügige) Steigerung des Unrechts- bzw. Schuldgehalts es rechtfertigt, die 232 In diesem Punkt ist Eisele zuzustimmen. Zutreffend stellt dieser fest, dass der Gesetzgeber auch graduelle Abstufungen als Strafrahmenänderungsgründe normieren kann (siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 119 Fn. 102). Freilich ist – wie bereits ausführlich dargestellt – entgegen Eisele nicht von einer völligen gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl der Gesetzgebungstechnik auszugehen. Vielmehr unterliegt der Gesetzgeber aufgrund des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts Beschränkungen in Hinblick auf die Verwendbarkeit der Regelbeispielstechnik. Auch hat die Vertypung lediglich quantitativ unrechtserhöhender Elemente als Qualfikationstatbestandsmerkmale Auswirkungen auf die Anwendung des jeweiligen Qualifikationstatbestandes. 233 Allgemein die Problemlage erkennend Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 55, der meint, dass „[…] der Qualifikationsgrund, der sonst nur strafzumessungsrelevant (also für die Straftatlehre unerheblich) wäre, so beschaffen sein [muss], dass er die durch die Qualifikation eintretende Strafrahmenverschärfung sachlich zu tragen vermag.“ [im Original teilweise hervorgehoben]. In eine ähnliche Richtung – jedoch eher einzelfallbezogen – J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungsgründen, S. 155: „Für die Wahl des Strafrahmens kommt es jedoch grundsätzlich nicht (allein) auf das (formelle) Vorliegen eines strafschärfenden Umstandes an, sondern auf dessen ratio-konforme Legitimation. Erfüllt der Täter mit seinem Verhalten trotz des (formellen) Vorliegens eines strafschärfenden Umstaneds gerade nicht den von der ratio der betreffenden Vorschrift – im Verhältnis zum Grunddelikt – erhöhten Unrechtsgehalt, lässt sich ausschließlich die Anwendung des Grundstrafrahmens legitimieren.“.
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entsprechenden Taten als qualifizierte Delikte einzustufen, mithin in einem Qualifikationstatbestand zu fassen. Anders als bei der Addition qualitativ anderer Unrechts- bzw. Schuldelement schichten sich in einem solchen Falle nämlich die als „qualifiziert“ eingeordneten Taten nicht deutlich vom grunddeliktischen Unwerttypus ab. Vielmehr stellen sie lediglich bestimmte Ausprägungen des grunddeliktischen Unwerttypus dar. Dabei ist es zumindest möglich, dass sie sich auch in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nicht deutlich vom grunddeliktischen Unwerttypus abheben. Vornehmlich234 finden sich solche Überlegungen hinsichtlich der Legitimierung von, durch Vertypung bestimmter Merkmale als Qualifikationstatbestandsmerkmale verursachten, Strafschärfungen in der Diskussion um den Mordtatbestand, bei dem sich die Problemlage aufgrund der rigiden Strafandrohung besonders deutlich stellt.235 Einig ist man sich dabei zumindest darin, dass es einer restriktiven Anwendung des Mordtatbestands bedarf.236 Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Erfüllung eines gesetzlich formulierten Mordmerkmals die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht stets (d. h. nicht in allen Fallkonstellationen) trägt.237 Namentlich betrifft dies die Fälle, bei denen erhebliche unrechts- bzw. schuldmindernde Faktoren vorliegen (bspw. durch die Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen238 oder bei Vorliegen „affektbefangenen Handelns“239).240 In jüngerer Vergangenheit hat sich eine entsprechende Problematik auch im Bereich der Brandstiftungsdelikte zugespitzt. Gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB wird 234 Allgemein hingegen ist die Kritik von Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 427, der in Hinblick auf qualifizierte Delikte befürchtet, dass „[…] gar nicht so selten eine gerechte Entscheidung des Einzelfalles verhindert [wird].“. Hingewiesen wird damit auf den zwingenden Charakter der qualifizierenden Merkmale, der eine automatische Anwendung des Sonderstrafrahmens bedingt, und damit u. U. zu Spannungen mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) führen kann. 235 Siehe zum Diskussionstand Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 23 ff.; in Hinblick auf die anstehende Reform der Tötungsdelikte betont Krehl, ZRP 2014, 98, 99 f., diesen Punkt im Rahmen seiner Ausführungen zu den Vorgaben des Schuldgrundsatzes: „Maßgeblich dafür, ob eine Regelung vor der Verfassung Bestand hat, ist, ob grundsätzlich einleuchtende Gründe dafür sprechen, dass die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Tötungshandlungen unter dem Gesichtspunkt der Tatschwere und der Täterschuld wesentlich von den anderen Fällen der vorsätzlichen Tötung abweichen und damit der große Unterschied in den Strafdrohungen gerechtfertigt erscheint.“. 236 Einen Überblick dazu findet man bei Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 23 ff. Auch das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass verfassungsrechtlich eine restriktive Anwendung des Mordtatbestands geboten ist, siehe BVerfGE 45, 187, 260 ff.; ebenso (folgend) BGH, NJW 1981, 1965, 1967 f. 237 So mit verschiedenen Beispielen Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 8; siehe dazu auch BGH, NJW 1981, 1965, 1968. 238 Eingehend dazu Günther, JR 1985, 268 ff.; siehe auch BGH, NJW 1981, 1965, 1968: „[…] notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation […].“. 239 Dazu Klesczewski, in: Affekt und Strafrecht, S. 63 ff. 240 Siehe Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 8.
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eine schwere Brandstiftung zur besonders schweren Brandstiftung qualifiziert (verbunden mit einer sprunghaften Anhebung der Mindeststrafe auf 5 Jahre Freiheitsstrafe), wenn der Täter in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Vom Normwortlaut erfasst ist damit auch diejenige Konstellation, in der der Täter die Brandstiftung vornimmt, um anschließend einen Betrug zu Lasten einer Versicherung zu begehen. Dies wirft jedoch, gerade wegen des krassen Sanktionssprungs (Anhebung der Mindeststrafe auf 5 Jahre Freiheitsstrafe), Fragen der Legitimation auf.241 Insoweit erscheint es zweifelhaft, ob es in diesen Konstellationen gerechtfertigt ist, eine Strafe von mindeststens 5 Jahren Freiheitsstrafe zu verhängen. Während infolgedessen in der Literatur vorwiegend eine restriktive Auslegung dieses Qualifikationstatbestands befürwortet wird,242 lehnt der Bundesgerichtshof (gefolgt von Teilen des Schriftums) eine solche ab243. Das Landgericht Itzehoe sah sich außer Stande eine verfassungsmäßige Strafe zu verhängen und legte deshalb dem Bundesverfassungsgericht den § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB zur konkreten Normenkontrolle vor.244 Insoweit hielt das LG Itzehoe die Norm für unvereinbar mit dem Gebot des schuldangemessenen Strafens.245 Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht dieser Ansicht nicht angeschlossen und hat infolgedessen von einer Nichtigkeitserklärung abgesehen.246 Insoweit wurde durch das Bundesverfassungsgericht darauf abgestellt, dass das vorlegende (Land-)Gericht die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB unzureichend begründet hat.247 Jedoch hat es in der Entscheidung auch auf die im Rahmen der Normanwendung existierenden Möglichkeiten verwiesen, durch die bei Vorliegen eines extremen Ausnahmefalles gegebenenfalls die Verhängung einer unverhältnismäßig hohen Freiheitsstrafe vermieden werden kann.248 Aufgeführt hat es 241
Siehe Fischer, StGB, § 306b Rn. 9, der feststellt, dass es die (erhebliche) Steigerung der Mindeststrafdrohung nicht zu rechtfertigen vermag, dass der Täter die Brandstiftung als Voraussetzung für die Begehung einer anderen Straftat ansieht. Ausführlich dazu Noltenius, HRRS 2009, 499, 506 ff. 242 Insoweit wird vielfach ein Bezug zur Brandsituation („Ausnutzen der Brandsituation“ bzw. der „spezifischen Auswirkungen der Gemeingefahr“) gefordert; siehe Fischer, StGB, § 306b Rn. 9, 9b; Lackner/Kühl, StGB, § 306b Rn. 4; Wolters, in: SK-StGB [Stand: 127. Lfg. April 2011], § 306b Rn. 12; ähnlich Rengier, Strafrecht BT II, § 40 Rn. 50 ff. 243 Siehe BGH, NJW 2000, 226, 228; dem BGH folgend Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT II, § 51 Rn. 29; Radtke, in: MK-StGB, § 306b Rn. 20. 244 Siehe LG Itzehoe, Beschluss vom 12. 03. 2009 – jug 3 KLs 19/08; Besprechung bei Noltenius, HRRS 2009, 499 ff. 245 Siehe LG Itzehoe, Beschluss vom 12. 03. 2009 – jug 3 KLs 19/08. 246 Siehe BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09. 247 Siehe BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 73. 248 BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 109. Allgemein sehr restiktiv hinsichtlich einer richterlichen (lege artis erfolgenden) Reaktion auf die Unverhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Regelung im Einzelfall hingegen noch Hirschberg, Grundsatz der Verhältnismässigkeit, S. 219 ff. Hirschbergs Auffassung ist als zu eng abzulehnen, da er zum einen die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer solchen richterlichen Rechtsanwendung unterschätzt und zudem verkennt, dass „Ob“ und „Wie“ einer Reaktion des Richters nicht in
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dabei u. a. die, bereits vom Bundesgerichtshof erwähnte,249 Möglichkeit, in Einzelfällen, bei denen die Strafandrohung als unangemessen hart anzusehen ist, eine Rechtsfolgenlösung vorzunehmen analog zu der beim Mord entwickelten Rechtsfolgenlösung.250 Insofern hat das Bundesverfassungsgericht durchaus (an)erkannt, dass in bestimmten Fällen eine Rechtfertigung für die Verhängung einer Strafe aus dem in § 306b Abs. 2 StGB vorgesehenen Strafrahmen nicht existiert (mithin die Verhängung selbst der Mindeststrafe einen Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens/Übermaßverbot darstellt). Teilweise wird auch in der Literatur die entsprechende Anwendung der vom Bundesgerichtshof zum Mord entwickelten Rechtsfolgenlösung vorgeschlagen.251 Gleich ist den beiden Konstellationen, dass sowohl die Einordnung als strafbares Unrecht als auch die Legitimität der Verhängung einer Strafe nicht in Frage stehen. Vielmehr geht es ausschließlich darum, ob gerade die Einordnung als qualifiziertes Delikt und damit die Anwendung der verschärften Strafdrohung (lebenslange Freiheitsstrafe bei § 211 StGB252 sowie schärferer Sonderstrafrahmen bei § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) gerechtfertigt ist. Auch in der hier erörterten Konstellation (Verwendung von Elementen, die lediglich eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung beschreiben, als Merkmale eines Qualfikationstatbestandes) kann sich dieses Problem stellen. So kann es sein, dass nicht sämtliche Konstellationen, die die entsprechenden Qualifikationsmerkmale dem Wortlaut nach erfüllen, eine Einordnung als qualifiziertes Delikt tragen, da sie (im Vergleich zum grunddeliktischen Unwerttypus und dessen Unrechts-/ Schuldgehalt) teilweise lediglich eine geringfügige Erhöhung des Unrechts-/ Schuldgehalts enthalten. Dies ist darin begründet, dass Elemente, die lediglich eine quantitative Unrechts- bzw. Schulderhöhung beschreiben, keine zureichende Abschichtung des Tatbildes vom grunddeliktischen Unwerttypus bewirken. Es sind nämlich ggf. von solchen Elementen auch Fallkonstellationen erfasst, die sich in ihrem Unrechts- bzw. Schuldgehalt kaum vom grunddeliktischen Unwerttypus abheben und daher nur eine besondere Ausprägung des grunddeliktischen Unwerttypus darstellen. Wie sich im Folgenden noch zeigen wird,253 ist es letztlich jedoch ausschlaggebend, dass die durch die Erfüllung des bzw. der Qualifikationstatbestandsmerkmale bewirkte Unrechts- und Schuldsteigerung durch das Vorliegen dessen freien Belieben steht, sondern an bestimmte – eng gefasste – methodische Voraussetzungen geknüpft ist, welche die Bindung an das Gesetz sicherstellen. 249 BGH, NStZ-RR 2004, 235, 236 f. 250 Siehe BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 109. 251 Siehe Börner, ZJS 2011, 288, 292, der für eine Gesamtbetrachtung eintritt, gleichwohl aber das Fehlen eines Bezugs zur Brandsituation nicht ausreichen lassen will (siehe Börner, ZJS 2011, 288, 292 Fn. 46). Die Rechtsfolgenlösung als möglichen Ausweg anerkennend Küpper, in: Gropp/Küpper/Mitsch, Fallsammlung zum Strafrecht, S. 208 Fn. 21. 252 Zu diesem, bei der Neuformulierung der Tötungsdelikte zu beachtenden, Problemkreis Krehl, ZRP 2014, 98, 99 f. 253 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. II.
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(entsprechend gewichtiger) unrechts- bzw. schuldmindernder Faktoren (bspw. der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen)254 kompensiert werden kann255 und – da sich bei entsprechenden Elementen, die lediglich eine quantitative Unrechts-/ Schuldsteigerung beschreiben, die Rechtfertigung für die Strafschärfung ausschließlich aus dem erhöhten Unrechts- bzw. Schuldgehalt entsprechender Taten ergibt – infolgedessen die Rechtfertigung für die Anwendung des verschärften Strafrahmens (sowie die stärkere Täterstigmatisierung infolge Verurteilung wegen Begehung des qualifizierten Delikts256) entfällt. II. Relevanz der Verortung im Qualifikationstatbestand – Irrelevanz des Bestehens eines Sonderstrafrahmens für minder schwere Fälle Besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang diejenigen gesetzlichen Konstruktionen, bei denen dem Qualifikationstatbestand ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle beigefügt wurde. Zwar kann hier (d. h. bei Existenz eines Sonderstrafrahmens für minder schwere Fälle) der entsprechend geringfügigen Anhebung des Unrechts- und Schuldgehalts dadurch Rechnung getragen werden, dass eine Strafe aus dem unteren Bereich des Sonderstrafrahmens verhängt wird. Jedoch werden damit nicht sämtliche Belastungen, die mit der Eröffnung des Anwendungsbereichs des qualifizierten Delikts verbunden sind, ausgeglichen. 254
Zu dieser Konstellation eingehend Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373 ff.; sympathisierend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 180; Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 407; siehe auch Kaufmann, in: FS Klug, Band II, S. 277, 291. Allgemein zur Abstufbarkeit des Unrechts „nach unten“ (insb. bei Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen) Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 401 f. 255 In eine entsprechende Richtung (in Hinblick auf die Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen) Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373: „Indiziert ein Straftatbestand einerseits sogar qualifiziertes Strafunrecht, während andererseits eine Reihe strafunrechtsmindernder Rechtfertigungselemente eingreift, kann der Fall eintreten, daß diese Rechtfertigungselemente zwar noch nicht zu einer rechtlichen Billigung der qualifizierten Straftat ausreichen, aber den Strafunrechtsgehalt der Tat bereits so reduzieren, daß er nicht mehr dem straftatbestandlichen Indiz für qualifiziertes Strafunrecht genügt: Der gesteigerte Handlungs- und Erfolgsunwert der Qualifikation wird durch das Eingreifen von Handlungs- und Erfolgswerten zwar nicht vollständig aufgehoben, aber doch so weit verringert, daß nur noch strafwürdiges Unrecht i.S. des Grundtatbestandes oder eines weniger schweren sonstigen Straftatbestandes vorliegt, nicht aber mehr das straftatbestandlich indizierte Strafunrecht in der gesteigerten Form des qualifizierten Straftatbestandes.“ [Hervorhebungen im Original]. Siehe auch Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 407: „Im Hinblick auf qualifizierte Tatbestände bedeutet dies, daß auch wenn die gegebenen Rechtfertigungselemente in ihrer Intensität noch nicht für die Rechtfertigung der gesamten Straftat ausreichen, lediglich ein so signifikant reduziertes Unrechtsquantum übrigbleibt, daß der Strafunrechtsgehalt der Tat den durch die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals gegebenen Indizwert für qualifiziertes Strafunrecht materiell widerlegt.“. 256 Dies herausstellend Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 374.
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So geht mit der Verurteilung wegen der Begehung eines qualifizierten Delikts257 stets eine besondere Stigmatisierung des Täters einher.258 Die Erwähnung der Begehung des qualifizierten Delikts im Schuldspruch259 stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar.260 Gerade darin zeigt sich die Relevanz der tatbestandlichen Zuordnung von Begehungskonstellationen. Entspricht die Stigmatisierung (das Maß des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verurteilten) nämlich nicht dem vom Täter verschuldeten Unrecht, so liegt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor.261 Unbeachtlich ist es dabei, ob der Gesetzgeber einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle implementiert hat.262 Die Einordnung als minder schwerer Fall findet nämlich keine Erwäh257 Insoweit unterscheiden sich nämlich Qualifikationstatbestände von Regelbeispielsnormen. Während die Erfüllung des Qualifikationstatbestandes im Schuldspruch auftaucht (siehe BGH, NStZ 2010, 101; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 260 Rn. 73), wird die Annahme eines besonders schweren Falles aufgrund Verwirklichung eines Regelbeispiels im Schuldspruch nicht erwähnt, sodass bei letzterem im Schuldspruch nur die Verurteilung wegen Begehung des Grunddelikts aufgeführt ist (siehe BGH, NStZ 1984, 262, 263; NStZ-RR 2007, 111 f.; Fischer, StGB, § 46 Rn. 84; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 21; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff., Rn. 56; eine Ausnahme besteht lediglich für die Vergewaltigung, siehe BGH NJW 1998, 2987, 2988; Renzikowski, in: MKStGB, § 177 Rn. 123). 258 So bereits Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 374, der zutreffend feststellt, dass „[…] eine entsprechende Reduzierung des Strafmaßes […] die dem Täter durch den Schuldspruch […] zugefügte Ungerechtigkeit nicht aufheben [kann].“ [im Original teilweise hervorgehoben]. Zurückhaltend hingegen Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffes, S. 163 f., der meint, dass „[…] die Stigmatisierung des Täters bei Delikten ohne absolute Strafandrohung eine untergeordnete Rolle [spielt]“ (Morris, a.a.O., S. 163) und es „[…] in aller Regel an einer im Hinblick auf das Schuldprinzip bedenklichen Zuspitzung der Täterstigmatisierung über das sachlich erforderliche Maß hinaus [fehlt].“ (Morris, a.a.O., S. 164). 259 Insoweit ist die Erfüllung einer Qualifikation in der Urteilsformel zu kennzeichnen, siehe BGH, NStZ 2010, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 260 Rn. 25a; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 260 Rn. 73. 260 Vgl. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 374. Zurückhaltend Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffes, S. 163 f. 261 Für die Verurteilung wegen eines qualifizierten Delikts Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 374. Eingehend in Hinblick auf die Mordstigmatisierung Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 29 ff. Insoweit leitet sich daraus ein starkes Argument gegen die Rechtsfolgenlösung des BGH bei § 211 StGB ab, siehe Eser/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 10b; Günther, NJW 1982, 353, 355 f.; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 89; siehe auch Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 79, der damit die Vorzugswürdigkeit der negativen Typenkorrektur begründet. 262 A.A. (jedoch mit seinen Ausführungen auf die allgemeinere Konstellation der „zu hoch“ angesetzten Mindeststrafe abstellend) wohl Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 377 („solange Mindeststrafrahmen eine verhältnismäßige Lösung ermöglicht, ist eine Verfassungswidrigkeit der Norm zu verneinen“), der jedoch der verschärften Primärsanktion einen zu geringen Stellenwert einräumt. Auch der weitere Hinweis Kaspar‘s auf strafprozessuale „Ausweichmöglichkeiten“ (Kaspar, a.a.O., S. 377) vermag (jedenfalls für die vorliegende Konstellation des Übergangs zum qualifizierten Delikt) nicht zu überzeugen: zum einen sind diese strafprozessualen Möglichkeiten nicht stets einschlägig, sondern ihrerseits an bestimmte
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nung im Schuldspruch263 und kann daher die mit dem Schuldspruch verbundene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht beseitigen.264 Auch ist es möglich, dass die Tat durch die Verortung in den Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestands nunmehr ein Verbrechen darstellt, woran vielfältige den Täter belastende Folgen knüpfen (bspw. Wegfall von Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung).265 Da das Ausweichen auf einen ggf. existierenden Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle die Verbrechensqualität nicht ändert (vgl. § 12 Abs. 3 StGB), liegt auch diese täterbelastende Folge unabhängig davon vor, ob der Gesetzgeber neben das qualifizierte Delikt einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle gestellt hat. Zu unterschätzen sind darüber hinaus auch nicht die Folgen des Wechsels vom (grunddeliktischen) Regelstrafrahmen zum Sonderstrafrahmen (für den minder schweren Fall des qualifizierten Delikts). Dieser Austausch des Bewertungsmaßstabs hat regelmäßig auch Auswirkungen auf die konkrete Strafenfestsetzung, insb. wenn – wie dies fast ausnahmslos der Fall ist – der Sonderstrafrahmen eine höhere Mindeststrafenandrohung enthält als der (grunddeliktische) Regelstrafrahmen. Gerade für die (besonders) leichten Begehungsarten des qualifizierten Delikts dürften dann regelmäßig (auch wenn ein etwaiger Sonderstrafrahmen für die minder schweren Fälle des Qualifikationsdelikts zur Anwendung kommt) höhere Strafen Voraussetzungen geknüpft und kommen daher häufig (jedenfalls soweit es, wie hier, um den Sanktionssprung zum qualifizierten Delikt geht) als gangbarer Weg nicht in Betracht. Überdies ist fraglich, ob ein pauschaler Verweis auf eine solche Möglichkeit prozessualer Art die verfassungsrechtlich fragliche Sanktionsandrohung zu heilen vermag; vgl. die entsprechende Kritik bei Gärditz, Der Staat, 331, 362: „Dies verkürzt die Verhältnismäßigkeit auf eine bloße Ergebniskontrolle im Einzelfall. Zutreffenderweise muss der Gesetzgeber jedoch bereits abstrakt-generell den Anwendungsbereich seiner Straftatbestände so bestimmen, dass er verfassungswidrige Strafansprüche möglichst tatbestandlich ausklammert und – nicht zuletzt unter den Auspizien des Art. 103 Abs. 2 GG – nicht der Rechtsanwendung im Einzelfall überlässt.“. 263 BGH, NStZ 1982, 29, 30; NStZ-RR 2009, 248; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 260 Rn. 25; Pfeiffer, StPO, § 260 Rn. 11; Ott, in: KK-StPO, § 260 Rn. 31; Stuckenberg, in: LöweRosenberg, StPO, § 260 Rn. 77. Siehe auch BGH, Beschluss vom 04. 09. 2002 – 3 StR 192/02: Neufassung des Schuldspruchs unter Streichung der Bezeichnung als „minder schwerer Fall“ (siehe BGH, a.a.O., juris Tz 5). 264 Zudem ist folgendes anzumerken. Selbst bei einer Bezeichnung der Tat als „minder schwerer Fall“ im Urteilstenor bliebe die Kennzeichnung als qualifiziertes Delikt (und die entsprechende Bezeichnung gemäß der gesetzlichen Überschrift des qualifizierten Delikts) im Urteilstenor erhalten, sodass die (unzulässige) Stigmatisierung des Täters lediglich abgemildert, jedoch nicht vollständig beseitigt werden würde. Insoweit stellt es sich, abgesehen davon, dass eine solche Formulierung des Schuldspruchs von Rechtsprechung und Literatur abgelehnt wird (siehe nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 260 Rn. 25 m.w.N.), nicht als Alternative dar, in entsprechenden Fällen die Bezeichnung als „minder schwerer Fall“ in den Urteilstenor aufzunehmen, da dies die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht beseitigt. Allgemein dazu, dass der Schuldspruch mit dem darin enthaltenen Vorwurf einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, Lagodny, in; Menschenwürde als Rechtsbegriff, S. 73, 76. 265 Siehe zu diesen Kapitel 3 § 6 B. II. 1.
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verhängt werden als bei Anwendung des grunddeliktischen Regelstrafrahmens. Zugleich geht mit dem Wechsel zum Sonderstrafrahmen der Wegfall der Geldstrafenandrohung einher, was eine Verschärfung der Strafandrohung bedeutet. III. Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte Zu prüfen ist freilich, wie die aufgeführten Erwägungen verfassungsrechtlich fundiert werden können. Zum einen dient dies der transparenten Gestaltung des Gedankengangs.266 Darüber hinaus wird damit auch die verfassungsrechtliche Dimension (mithin Notwendigkeit) einer solchen materialen Betrachtung qualifizierter Delikte aufgezeigt. Zunächst wird deshalb auf das Übermaßverbot eingegangen. Dieses enthält u. a. das Gebot schuldangemessenen Strafens.267 Anschließend wird ausgeführt, weshalb auch der in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Gleichheitssatz eine Rolle bei der Formung von Qualifikationstatbeständen spielt.268 Ziel ist es, zu ermitteln, ob der Verwendung von Elementen, die lediglich eine quantitative Unrechts- bzw. Schuldsteigerung beschreiben, verfassungsrechtlich gesehen Grenzen gezogen sind.
C. Das Gebot schuldangemessenen Strafens als Teil des Schuldgrundsatzes sowie spezifisch strafrechtliche Ausprägung des Übermaßverbots269 I. Inhalt des Gebots schuldangemessenen Strafens Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts270 muss „[…] die angedrohte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zu dem 266 Wie sich noch zeigen wird, können aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben auch Kriterien für die erforderliche negative Typenkorrektur abgeleitet werden; siehe dazu Kapitel 5 § 13 E. 267 Zum Verhältnis zwischen Schuldgrundsatz und Verhältnismäßigkeitsprinzip Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 928 ff. 268 Zutreffend Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15, der bzgl. Qualifikationen und Privilegierungen feststellt, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Betracht kommt, „[…] wenn der Gesetzgeber […] einen […] sachlich nicht gerechtfertigten Grund für die Änderung des Strafrahmens maßgeblich sein lässt.“. 269 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 524: besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 270 Eine Darstellung und kritische Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Strafrecht nimmt Weigend, in: FS Hirsch, S. 917 ff. vor; kritisch zu den Formeln des Verfassungsgerichts Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 274, der diese als „schwer handhabbar“ und „bloße Evidenzkontrolle“ bezeichnet. Eine Darstellung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung findet sich auch bei Hettinger, in: FS Schünemann, S. 891, 893 ff.
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Verschulden des Täters stehen […]“271. Insoweit darf die Strafe „[…] nach Art und Maß der unter Strafe gestellten Handlung nicht schlechthin unangemessen oder gar grausam sein […]“272. Dies bedeutet letztlich, dass Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen.273 Bei der Festlegung der gesetzlichen Strafdrohung muss sich der Gesetzgeber daher zunächst am im Tatbestand beschriebenen Unrecht orientieren,274 denn dieses bildet die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Schuld275. Hinzu treten die im Tatbestand umschriebenen „reinen“ Schuldelemente. Letztlich muss es die gesetzliche Strafdrohung dem Richter ermöglichen, eine schuldangemessene Strafe zu verhängen.276 Dieses Gebot schuldangemessenen Strafens277 findet zum einen seine Begründung im Schuldgrundsatz.278 Insoweit verhindert der Schuldgrundsatz die Androhung und die Verhängung einer schuldübersteigenden Strafe.279 In dieser Ausprägung deckt sich der Schuldgrundsatz mit einem Teilbereich des Übermaßverbots.280 271 BVerfGE 6, 389, 439; 45, 187, 227; 50, 5, 12; 86, 288, 313; ebenso Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 26: angedrohte Strafe muss im angemessenen Verhältnis zum Unrecht der Tat und zur Schuld des Täters stehen; Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 8; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 6, 18: Strafe darf nur im Umfang der Schuld verhängt werden. 272 BVerfGE 6, 389, 439. 273 BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 90, 145, 173; 120, 224, 241; BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 45. 274 Dies betonend Noltenius, HRRS 2009, 499, 509: „Die Androhung und ebenso die Verhängung von Strafe bedürfen eines Rechtsgrundes, der sich in sich widerspruchsfrei auf Unrecht, Schuld und Sanktion bezogen sein muss.“. 275 Vgl. Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 28: „Das Maß der Schuld des Täters richtet sich dabei nach dem Maß des verwirklichten Unrechts.“. 276 BVerfGE 45, 187, 260; ähnlich BVerfGE 105, 135, 154: Richter darf durch die gesetzliche Straffestsetzung nicht gezwungen sein, eine nicht (schuld-)angemesene Strafe zu verhängen. 277 Welches selbstverständlich auch für die Verhängung der Strafe im konkreten Einzelfall gilt. 278 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 109 f., nach dem der Schuldgrundsatz „zwei Gewährleistungsstränge“ beinhaltet: Strafbegründungsschuld und Strafzumessungsschuld. In der Sache gleich Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 18: Schuld ist zum einen Voraussetzung für die Strafe (Strafbegründungsschuld), wirkt zum anderen aber auch Straflimitierend (Strafzumessungsschuld). 279 Vgl. BVerfGE 6, 389, 439; 45, 187, 259 f.; 86, 288, 313; 95, 96, 140 f.; die Strafzumessungsschuld betrifft damit sowohl die abstrakte (d. h. gesetzgeberische) als auch die konkrete (richterliche, einzelfallbezogene) Strafzumessung; vgl. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 274; Wolff, AöR 1999, 55, 60 ff.: Unterscheidung zwischen dem konkreten Gebot des schuldangemessenen Strafens und dem abstrakten Gebot schuldangemessenen Strafens. 280 Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 928 f.; ähnlich BVerfGE 50, 205, 215; 73, 206, 253; 86, 288, 313: teilweise Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips; kritisch dazu jedoch Noltenius, HRRS 2009, 499, 502: irreführend; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 284 ff., der sich gegen eine Gleichsetzung von Schuldgrundsatz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wendet; ebenso kritisch Wolff, AöR 1999, 55, 67 ff.
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In Hinblick auf die zwingend erforderliche Schuldorientierung bei der (gesetzlichen) Strafzumessung sind die Anforderungen von Schuldgrundsatz und Übermaßverbot deckungsgleich.281 Insoweit kann eine Strafe, die das Maß der Schuld übersteigt, nicht angemessen i.S.d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes282 sein.283 Jedoch kann in Ausnahmefällen eine schuldadäquate Strafe auch aus sonstigen Gründen unangemessen i.S.d. Verhältnismäßigkeitsdogmatik sein.284 Da dies jedoch lediglich den ausnahmsweise auftretenden Einzelfall betrifft, dass die durch die Strafenverhängung verursachte individuelle Belastung des Täters wesentlich über die „Normalbeeinträchtigung“ hinausgeht,285 bleibt dieser Bereich in der vorliegenden Betrachtung der gesetzgeberischen Schaffung von qualifizierten Delikten ausgeblendet.286 Insoweit lassen sich daraus nämlich nur schwerlich abstrakte Vorgaben an die 281 Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 928 f.; in der Sache auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 103 Rn. 170, 174. Das Übermaßverbot kann jedoch auch weitergehende Anforderungen an die Strafzumessung beinhalten, hierzu Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 928 ff. 282 Nach Ansicht von Appel, Verfassung und Strafe, S. 524 ff., wirkt der Schuldgrundsatz (in Form der Strafzumessungsschuld) dahingehend auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Bereich des Strafrechts ein, dass er den Kreis zulässiger Zwecke begrenzt. Insoweit soll „[d]as Maß des mit der Sekundärsanktion auferlegten materiellen Übels […] sich von Verfassungs wegen nicht an beliebigen präventiven Wirkungen ausrichten, sondern am (repressiven) Prozeß der Normrehabilitierung.“ (Appel, a.a.O., S. 525). Entscheidend sollen damit sein: zum einen die zu rehabilitierende Verhaltensnorm sowie deren Bedeutung, zum anderen die Art und Weise ihrer Desavouierung (Appel, a.a.O., S. 525). Insoweit sollen präventive Zwecke nur dann Relevanz besitzen, wenn sie einen sowohl in Beziehung zur Normverletzung als auch zur Rehabilitierung der Norm stehen (Appel, a.a.O., S. 525). 283 Zutreffend Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 928 f.; in der Sache auch BVerfGE 73, 206, 253; 86, 288, 313; 95, 96, 140: Deckung zwischen Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip insoweit, als gerechtes Verhältnis von Schwere der Tat und Verschulden gegeben sein muss. Einen weitergehenden Ansatz vertritt Appel, Verfassung und Strafe, S. 593 f. Dieser schlägt vor, Strafrahmen auf „Konzeptstimmigkeit“ zu überprüfen. Der Strafrahmen muss dabei, mit Blick auf andere Strafnormen, plausibel, in sich stimmig und nachvollziehbar begründet sein (interne relative Proportionalität). Diese Vorgabe verortet Appel in das Prinzip schuldangemessenen Strafens. Ähnlich ist die Auffassung von Noltenius, HRRS 2009, 499, 506: „Das Verfassungsgericht kann und muss somit prüfen, ob die vom Gesetzgeber zugrundegelegten Maßstäbe gerecht sind, d. h. im Strafrecht zum einen, dass sich die Strafdrohung nach dem Unrecht der Tat und dem Verschulden des Täters bestimmen muss […] und zum anderen, dass der Gesetzgeber in sich konsistente und widerspruchsfreie Tatbestände schafft. […] Es muss ein einheitlicher Maßstab für die Beurteilung von Strafgrund, Strafdrohung und Strafzumessung zugrunde gelegt werden, der an dem Tatunrecht und an der Schuld des Täters anknüpft.“. 284 Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 929 f.; die Problematik wird auch angedeutet bei Appel, Verfassung und Strafe, S. 592 f. 285 Siehe Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 930, der das Beispiel anführt, dass der zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilte Täter lediglich eine geringe Restlebensdauer hat. Zu dieser Fallgruppe auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 288 f. 286 Insoweit ergibt sich die Unverhältnismäßigkeit in einem solchen Fall nämlich aus den individuellen Besonderheiten des Verurteilten, nicht jedoch aus der (Unvollkommenheit der) gesetzlichen Strafnormformulierung. Es liegt in einem solchen Fall keine Inkongruenz zwischen Schuld und Sanktion vor. Daher ist das Gebot schuldangemessenen Strafens in diesem
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gesetzgeberische Fassung von Qualifikationstatbeständen formulieren. Zusammenfassend kann man sagen, „[…] daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer, aber nicht nur dann verletzt ist, wenn eine das Maß der Schuld überschreitende Strafe verhängt wird.“287. Rein präventive Erwägungen können dabei nicht dazu herangezogen werden, um eine schuldunangemessene Strafe anzudrohen.288 Insgesamt lässt sich jedoch sagen, dass insb. die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung dem Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum zugesteht.289 Ein Verfassungsverstoß liegt danach erst dann vor, wenn die Grenzen des Gestaltungsspielraums überschritten wurden.290 Im Folgenden soll mit Blick auf die qualifizierten Delikte näher auf diese Grenzen eingegangen werden. II. Vorgabenwirkung für die Schaffung qualifizierter Delikte Der Gesetzgeber hat sich, ebenso wie bei der Schaffung von Grundtatbeständen, bei der Formung von Qualifikationstatbeständen an diese verfassungsrechtlichen Vorgaben zu halten. Die angedrohte Sanktion muss dem Unrechts- und Schuldgehalt des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unwertsachverhalts entsprechen. Qualifikationstatbestände291 können sich hierbei insbesondere aufgrund der FestleFall nicht verletzt, weshalb in den vorliegenden Ausführungen zu diesem Gebot diese Fallgruppe der Unverhältnismäßigkeit ausgeblendet werden kann. 287 Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 929 [Hervorhebungen im Original]. 288 Noch enger Appel, Verfassung und Strafe, S. 525 f., 592, der fordert, dass sich das Maß der Sekundärsanktion an der zu rehabilitierende Verhaltensnorm und deren Bedeutung sowie der Art und Weise ihrer Desavouierung orientiert. Die Strafe müsse ins Verhältnis gesetzt werden zum Unrecht, welches sich wiederum aus der Bedeutung der Desavouierung der Verhaltensnorm und des von dieser verfolgten Zwecks ergibt (Appel, a.a.O., S. 527 Fn. 35). Insoweit sollen präventive Zwecke nur dann Relevanz besitzen, wenn sie einen sowohl in Beziehung zur Normverletzung als auch zur Rehabilitierung der Norm stehen (Appel, a.a.O., S. 525, 592). Richtig ist daran zumindest, dass das verschuldete Unrecht präventiven Erwägungen bei der Strafrahmenzuordnung Grenzen setzt. Nur in den Grenzen der Schuldangemessenheit kann der Gesetzgeber präventiven Gesichtspunkten Bedeutung zumessen (vgl. auch Veh, Mordtatbestand und verfassungskonforme Rechtsanwendung, S. 96 ff.). 289 Siehe dazu Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 312 f.; in der Sache auch Bachmann/ Goeck, in: Strafrecht und Verfassung, S. 37, 42, die dem Verfassungsgericht ein sehr zurückhaltendes Agieren attestieren. 290 Siehe dazu die Ausführungen zu den Vorgaben des Schuldgrundsatzes in BVerfGE 90, 145, 173: „Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage im einzelnen verbindlich festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht kann dessen Entscheidung nicht darauf prüfen, ob er die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat; es hat lediglich darüber zu wachen, daß die Strafvorschrift materiell in Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung steht und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie Grundentscheidungen des Grundgesetzes entspricht.“. 291 Siehe dazu LG Itzehoe, (Vorlage-)Beschluss vom 12. 03. 2009 – jug 3 KLs 19/08, Rz 47 – zit. nach juris, wo insbesondere auf die mit dem Strafrahmenwechsel verbundene Mindest-
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gung von erhöhten Mindeststrafen292 als problematisch erweisen.293 Letztlich muss die Mindeststrafe so „kalkuliert“ werden, dass sie dem Unrechts-/Schuldgehalt des denkbar leichtesten Falles (des qualifizierten Delikts) entspricht, d. h. die Verhängung der Mindeststrafe in diesem Fall mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens vereinbar ist. Die Überprüfung konkreter Normen bzw. Mindeststrafenfestsetzungen unterliegt freilich natürlichen Grenzen. Insoweit können aus dieser abstrakten Überlegung kaum brauchbare Folgerungen für die Normüberprüfung entnommen werden. Ebenso wie bei der entsprechenden Problemlage im Bereich der Strafzumessung im Einzelfall294 ist es nämlich kaum möglich, diesem denkbar leichtesten strafenanhebung hingewiesen wird. In eine entsprechende Richtung auch Noltenius, HRRS 2009, 499, 507 f. 292 Allgemein zur Verfassungswidrigkeit von Strafdrohungen Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 375 f.: Problem unverhältnismäßiger Höchststrafe stellt sich eher nicht; neuralgischer Punkt einer Strafandrohung ist die Strafrahmenuntergrenze. Siehe auch Kaspar, a.a.O., S. 381. Im Ergebnis dürfte Kaspar jedoch zu weit gehen, wenn er bezüglich der abstrakten Strafandrohung ausführt, dass diese mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur von untergeordnetem Interesse ist und ein solches allenfalls bezüglich absoluter Strafandrohungen oder zu hoher Mindeststrafen bestehe. Es ist zuzugeben, dass in den beiden genannten Konstellationen die Spannungen mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens gegebenenfalls besonders „greifbar“ werden und sich aufgrund der strikten Bindung des Richters die Frage nach der Lösung der verfassungsrechtlichen Spannungen mit Vehemenz stellt. Gleichwohl erschöpft sich der Wirk- und Anwendungsbereich des verfassungsrechtlich verankerten Gebots schuldangemessenen Strafens keineswegs darin, weil gerade der gesamte Strafrahmen die Grundlage für die Strafzumessung bildet und damit auch eine zu hohe Spannbreite „nach oben“ in der Strafzumessung „fortwirkt“, weshalb sich dieses (nebst der Höchststrafenandrohung) im Lichte des Gebots schuldangemessenen Strafens keineswegs als „nullum“ darstellt (im Ansatz bereits Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 218). In der Sache wie hier Wolff, AöR 1999, 55, 62, der einen Verstoß gegen den Schuldgrundsatz annimmt, wenn der vorgesehen Strafrahmen oder die Mindeststrafe außer Verhältnis und unangemessen zur Schwere des typischen Normverstoßes stehen. Siehe auch Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 216: „Zu fragen ist, ob eine Sanktionsanordnung deshalb verfassungswidrig ist, weil sie, wiewohl im Einzelfall variabel und individuell zumessbar, gemessen am typischen Unrecht der Tat exzessiv erscheint: Einmal könnte die Sanktion deshalb unverhältnismäßig sein, weil ihr Strafrahmen insgesamt, also schon in der Mindeststrafe, exzessiv ist. Die Unverhältnismäßigkeit könnte zweitens auch daher rühren, daß dieser Strafrahmen zwar nicht in seiner gesamten Spannweite außerhalb jeglicher Proportion liegt, unverhältnismäßige Strafen aber entweder nicht ausschließt oder gar als Regelfall in Kauf nimmt.“. 293 Vgl. allgemein Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 935: Erfassung von Verhaltensweisen, „[…] die unterhalb der Schwelle dessen liegen, wofür eine (bzw. die in dem betreffenden Tatbestand angedrohte) Kriminalstrafe die „angemessene“ Reaktion ist.“. Zur Überprüfung der gesetzlich vorgegebenen Mindeststrafe siehe Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 8 f., der mit Blick auf die im damaligen StGB enthaltenen Mindeststrafen keinen Verfassungsverstoß feststellt. Allgemein die Problematik der angehobenen Mindeststrafen erkennend Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 227 f.; siehe dazu auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 307, der Mindeststrafen sowie absolute Strafandrohungen für besonders problematisch (in Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) erachtet. 294 Siehe Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 20: „Allenfalls in der Theorie kann jeder Schuld eine feste Strafhöhe als genaues Korrelat gegenübergestellt werden, die als einzige als schuldangemessene Strafe bezeichnet werden
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Fall der Deliktsverwirklichung (auf vorgesetzlicher Ebene) eine bestimmte, als angemessen anzusehende Strafhöhe zuzuordnen.295 Erst Recht gilt dies, wenn man die Betrachtung allgemein auf den im Tatbestand abstrakt umschriebenen Unwertsachverhalt (und den mit diesem verbundenen Unrechts- und Schuldgehalt)296 und den Strafrahmen bezieht.297 Insoweit liegt darin, d. h. im Fehlen einer, präzise Ergebnisse auswerfenden, „Umrechnungsformel“ das entscheidende Problem bei der Überprüfung konkreter gesetzlicher Vorschriften.298 Es ist nicht möglich, einer Deliktsverwirklichungsvariante punktgenau einen Bereich angemessener Strafen zuzuordnen und damit (indirekt) den Bereich unangemessener Strafen kenntlich zu machen.299 Daher kann auch nicht angegeben werden, wann genau der Korridor schuldangemessener Strafen verlassen wird. kann. In der Praxis können sich bei der Bestimmung des Verhältnisses von Schuld und Strafe dagegen nur Annäherungswerte ergeben.“. 295 In eine ähnliche Richtung geht die Feststellung von Appel, Verfassung und Strafe, S. 528: „Das Gebot schuldangemessenen Strafens weist keinen absoluten Maßstab zur Bestimmung des auferlegten materiellen Übels auf. Ob zwei oder drei Jahre Freiheitsstrafe eher geeignet und auch erforderlich sind, um den Zweck der Normrehabilitierung und den symbolischen Ausgleich des durch die Normverletzung erlangten ,Freiheitsvorteils‘ zu gewährleisten, kann für sich genommen nicht begründet und damit auch nicht gerechtfertigt werden.“. Appel hält es deswegen für entscheidend, „[…] daß das auferlegte Übel und dessen Intensität (allein) mit Blick auf die verletzte Verhaltensnorm und die defizitäre Einstellung des Betroffenen zu dieser Norm begründet werden“ und will zudem eine Überprüfung anhand des „gesetzgeberischen Gesamtkonzept[s]“ durchführen, welches „[…] seinerseits verhältnismäßig und in sich stimmig sein muss.“ (Appel, a.a.O., S. 528). Ersterer Feststellung über die Unmöglichkeit der Zuordnung einer präzisen Strafhöhe ist zuzustimmen. Jedoch kann die Überprüfung der Norm im Rahmen des Schuldprinzips anhand des gesetzgeberischen Gesamtkonzepts nicht überzeugen. Wie sich noch zeigen wird, enthält der Grundgedanke der komparativen Überprüfung jedoch durchaus Potential, wenn unter Anknüpfung an einen anderen Verfassungsgrundsatz und mit Bezug auf den Unrechtsbereich (siehe dazu Kapitel 5 § 13 D.). 296 Zumal dieser deutlich schwanken kann, da auch ein qualifiziertes Delikt aufgrund seiner abstrakten gesetzlichen Umschreibung Begehungsweisen mit stark voneinander abweichenden Unrechts- und Schuldgehalt enthalten kann. 297 Fokussiert man auf die Vorgaben des Gebots schuldangemessenen Strafens (und lässt die aus dem Gleichheitssatz entspringenden Anforderungen außer Acht, siehe dazu Kapitel 5 § 13 D.), so ist die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Festlegung des Strafrahmens auf einem nur in Grenzen rational nachvollziehbaren und zu begründenden Akt gesetzgeberischer Wertung beruht (vgl. BVerfGE 50, 125, 140; BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 47), durchaus zutreffend. 298 Ebenso die Schwierigkeiten bei der „Umrechnung“ der Schuld in ein Strafmaß betonend Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 302 f., 375; siehe auch BVerfGE 105, 135, 169. Siehe auch Dittrich, Angemessenheit von Strafrahmen, S. 56: „Hauptproblem bei der Verknüpfung von verschuldetem Unrechtsgehalt und Strafdrohung ist, dass verschuldetes Unrecht und Zeit (Freiheitsstrafe)/Geld zueinander in einem inkommensurablen Verhältnis stehen. Der aus eindeutig messbaren Einheiten bestehenden Skala der Strafdrohung (Geld/Zeit) muss ein ungefährer, nicht genau ausmeßbarer, nicht in Zahlen ausdrückbarer verschuldeter Unrechtsgehalt zugeordnet werden.“. 299 Ähnlich die Feststellung von Appel, Verfassung und Strafe, S. 528; siehe auch Stree/ Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 20: „Allenfalls in
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Hinzu tritt, dass das Gebot schuldangemessenen Strafens zwar die Festsetzung einer schuldunangemessenen Strafdrohung verbietet, sich andererseits jedoch allenfalls ein Rahmen schuldangemessener Sanktionsandrohungen ableiten lässt,300 woraus sich im Ergebnis hinsichtlich der Überprüfung von gesetzlichen Strafdrohungen ein wenig strenger Maßstab ergibt.301 Letztlich dürfte ein Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens lediglich dann konstatiert werden können, wenn die festgelegte Sanktion offensichtlich schuldunangemessen ist,302 insb. wenn die Mindeststrafe303 offensichtlich schuldunangemessen ist in Hinblick auf den denkbar leichtesten Fall des qualifizierten Delikts.304 der Theorie kann jeder Schuld eine feste Strafhöhe als genaues Korrelat gegenübergestellt werden, die als einzige als schuldangemessene Strafe bezeichnet werden kann. In der Praxis können sich bei der Bestimmung des Verhältnisses von Schuld und Strafe dagegen nur Annäherungswerte ergeben.“. 300 In der Sache gleich Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 9, der feststellt, dass dem Gesetzgeber in Hinblick auf die Unrechts- und Schuldbewertung und die daraus entwickelte Strafrahmenfestsetzung ein „gewisser Spielraum“ zusteht. Siehe auch BVerfGE 34, 261, 266: gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit; ähnlich BVerfGE 37, 201, 212. Freilich besteht diese nur im Rahmen des Schuldgrundsatzes und findet dann ihre Grenze, wenn eine schuldunangemessene Strafdrohung gesetzlich festgelegt werden soll. 301 I. E. ähnlich – jedoch mit einer terminologischen Ungenauigkeit – Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 252. 302 So bereits Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 9, der für das Verdikt der Verfassungswidrigkeit fordert, dass das „[…] Mißverhältnis zwischen der Strafe und der Tatschwere sowie der Täterschuld offenbar ist.“. Ähnlich BVerfGE 50, 125, 133 f., 140; BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, juris Tz 91: schlechthin untragbare Ergebnisse; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11: „Eine Strafandrohung darf nach Art und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein.“ (Tz 45). 303 Hinsichtlich der gesetzlichen Höchststrafe entschärft sich die verfassungsrechtliche Problematik in Hinblick auf das Gebot schuldangemessenen Strafens noch weiter, da den Richter keine Verpflichtung trifft, diese zu verhängen; so bereits Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 9. Freilich kann eine (zu) hohe Höchststrafenfestsetzung jedoch problematisch sein in Hinblick auf die maximal zulässige Strafrahmenweite bei Vergehen; eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. Im Ansatz diesen Zusammenhang erkennend Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 9. 304 Entsprechend formuliert Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 252, dass die „[…] Sanktion, insbesondere also Strafart und Strafhöhe nicht dem willkürlichen Belieben des Gesetzgebers ausgesetzt sind, sondern sich an einem – zugegebenermaßen weichen – Maßstab der Willkürfreiheit messen lassen müssen.“. Freilich scheint der Begriff der Willkürfreiheit in diesem Zusammenhang unangebracht. Vorzugswürdig ist es davon zu sprechen, dass die vom Gesetzgeber festgesetzte Sanktion nicht (schlechthin) schuldunangemessen sein darf, und zwar mit Blick auf den im tatbestandlichen Bereich umschriebenen Unwertsachverhalt (und dessen Unrechts- sowie Schuldgehalt). Aufgrund des Fehlens einer Möglichkeit der präzisen „Umrechnung“ des vertypten Unrechts in Strafhöhen sowie der bloßen „Rahmenvorgabe“ des Gebots schuldangemessenen Strafens dürfte dies jedoch nur vorliegen, wenn die Schuldunangemessenheit offensichtlich zu Tage tritt. Ähnlich bereits Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 9: „Bei der Bewertung strafbaren Unrechts sowie deliktischer Schuld und bei der Festsetzung des Strafrahmens steht dem Gesetzgeber ein gewisser Spielraum zu. Verfassungswidrig ist die angedrohte Mindeststrafe erst dann, wenn dieser Ermessensbereich überschritten worden und ein Missverhältnis zwischen der Straf- und der Tatschwere sowie der
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Nimmt man nun die Fallkonstellation in die Betrachtung, bei welcher eine bloße Unrechtsmodifikation (und damit eine rein quantitative Steigerung des Unrechtsund Schuldgehalts) in Form eines Qualifikationstatbestands gefasst wird, so zeigt sich, dass sich daraus nicht a priori Spannungen in Hinblick auf das Gebot schuldangemessenen Strafens ergeben. Das Gebot schuldangemessenen Strafens verlangt nämlich lediglich, dass Tatbestand und Rechtsfolge einer Strafnorm sachgerecht aufeinander abgestimmt sind.305 Grundsätzlich nicht relevant ist hingegen, inwieweit sich das Unrecht des qualifizierten Delikts vom grunddeliktischen Unrecht abhebt. Insoweit gebietet das Gebot schuldangemessenen Strafens lediglich eine norminterne Gegenüberstellung (von vertyptem Unrecht und Strafandrohung) und ist damit – nimmt man die Deliktsgruppenstruktur in den Blick – normintern-horizontal zu verstehen. Entscheidend ist, dass die Strafandrohung im Verhältnis zum umschriebenen Unrecht angemessen ist (Relation zum Unrecht). Keine Relevanz besitzt hingegen (im Rahmen dieses verfassungsrechtlichen Gebots)306 der Vergleich zum Grunddelikt und dem grunddeliktischen Unwerttypus, weshalb die Begründung, dass es sich lediglich um eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus handelt, den Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens (und damit den Schuldgrundsatz) nicht tragen kann. Allenfalls könnte man sagen, dass bei bloßen Unrechtsmodifikationen, weil diese häufiger mit einer lediglich geringen Erhöhung des Unrechts- und Schuldgehalts verbunden sind, ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz eher in Betracht kommt als bei der Formung materiell neuer Unwerttypen. Liegt ein solcher Verstoß vor, so bedeutet dies freilich nicht zwingend die Verfassungswidrigkeit der Strafnorm. Insoweit ist der Rechtsanwender gehalten, durch verfassungskonforme Normanwendung (freilich in den Grenzen zulässiger Auslegung und Rechtsfortbildung) im Einzelfall ein verfassungsgemäßes Ergebnis zu erzielen.307 Letzten Endes kann eine weitere Konkretisierung der Vorgaben des Gebots schuldangemessenen Strafens jedoch an dieser Stelle nicht erfolgen. Aufgrund der Täterschuld offenbar ist.“. Zu weit gehen jedoch die Ausführungen von Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 303, welcher auf die „Dezision des Gesetzgebers“ hinweist. Dies verkennt, dass der Gesetzgeber zwar den Strafrahmen (mithin die Sanktionsandrohung) festlegen, nicht aber die Schwere der (verschuldeten) Tatbegehung (vollends) definieren kann. Diese steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers, sondern ergibt sich letztlich aus dem Maß des verschuldeten Unrechts. Freilich bleibt zuzugeben, dass die Gegenüberstellung von Strafandrohung und Unrecht maßgeblich mit der bereits erwähnten „Umrechnungs“Problematik behaftet ist, was jedoch (entgegen Kaspar) nicht dazu führt, dass der Charakter des Schuldgrundsatzes als kritischer Maßstab vollkommen aufgegeben werden muss. Jedenfalls die völlige, d. h. offensichtliche, Schuldunangemessenheit führt zur Verfassungswidrigkeit. 305 Dazu BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 90, 145, 173; 120, 224, 241; BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 45. 306 Anders hingegen der Gleichheitssatz; siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 5 § 13 D. 307 Vgl. dazu BVerfGE 45, 187, 267; allgemein zur richterlichen verfassungskonformen Rechtsanwendung Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 464 ff., der mit dem Begriff der „Beseitigung eines gesetzlichen Abstraktionsüberschusses“ operiert.
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Maßgeblichkeit der Relation zwischen vertyptem Unrecht und Strafdrohung ist die Entscheidung stets von der konkreten Normausgestaltung abhängig. Daher verbleibt es hier bei der Formulierung der abstrakten Grundsätze.
D. Gleichheitsrechtliche Problematik im Ausnahmefallbereich Nicht nur das Gebot schuldangemessenen Strafens, sondern auch der in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Gleichheitssatz ist bei der Schaffung eines Qualifikationstatbestandes zu berücksichtigen. Bei diesem rückt das Verhältnis zwischen Grundtatbestand und Qualifikationstatbestand in das Zentrum der Überlegungen. Zunächst soll geklärt werden, wie Differenzierungen im Bereich des Strafrechts in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden können. I. Annäherung an die Problematik – Rechtfertigung von Differenzierung im Gebiet des Strafrechts (speziell im Bereich der internen Deliktsgruppensystematik) 1. Allgemein zur Rechtfertigung von tatbestandlichen Differenzierungen – strafrechtsspezifische Ausformung der Rechtfertigungsanforderungen Im folgenden Abschnitt soll zuerst erläutert werden, welche Bedeutung dem Gleichheitssatz im Strafrecht, speziell in Hinblick auf Differenzierungen tatbestandlicher Art, zukommt. Hierbei soll insbesondere herausgearbeitet werden, welche gleichheitssatzrechtlichen Fragestellungen sich aus der Schaffung eines qualifizierten Delikts ergeben. Im Anschluss wird aufgezeigt, wie dieser Verfassungssatz im Lichte des Schuldgrundsatzes zu verstehen ist und inwieweit Letzterer auf die Prüfung von Gleichheitsverstößen einwirkt. Zudem wird erörtert, warum eine Strafrahmenabstufung durch Implementierung eines qualifizierten Delikts nur durch schuldbezogene Aspekte gerechtfertigt werden kann. a) Der Gleichheitssatz im Strafrecht, insb. im Bereich tatbestandlicher Differenzierungen Auch im Bereich des Strafrechts ist der Gesetzgeber an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden.308 In Hinblick auf die Schaffung von 308
Für den Bereich der gesetzlichen Strafrahmen siehe Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 10 ff.; allgemein zum Verhältnis zwischen Strafdrohung/Strafzumessung einerseits und allgemeinem Gleichheitssatz andererseits Schier, Bestimmtheit strafrechtlicher Rechtsfolgen, S. 217 ff.; siehe auch Gärditz, Der Staat 2010, 331, 360. Zur Rechtslage in Österreich Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 167 ff.
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qualifizierten Delikten kommt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht, „[…] wenn der Gesetzgeber […] einen […] sachlich nicht gerechtfertigten Grund für die Änderung des Strafrahmens maßgebend sein lässt.“.309 Ein Verstoß liegt mithin dann vor, „[…] wenn sich für eine tatbestandliche Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt.“.310 Teilweise hat das Bundesverfassungsgericht (darüber hinausgehend) erklärt, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (bereits) dann vorliegt, „[…] wenn keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten […]“.311 Welche dieser beiden Formeln in der vorliegenden Konstellation zur Anwendung kommt, soll an dieser Stelle der Untersuchung noch offen bleiben.312 Festzuhalten ist jedoch, dass es für eine straftatbestandliche Differenzierung zumindest313 eines sachlichen Grundes bedarf. Das entsprechende Potential gleichheitssatzrechtlicher Überlegungen hat in den bisherigen Stellungnahmen nur unzureichend Berücksichtigung gefunden.314 In 309
Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15. BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 48; so bereits BVerfGE 4, 352, 355 f.; 47, 109, 124; 50, 142, 161 f.; für die Differenzierungen im Bereich der Tötungsdelikte BVerfGE 45, 187, 267 f. Ebenso Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15, 20 f.; Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269: Entscheidung darf nicht willkürlich sein. 311 BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064. Ebenso bereits BVerfGE 90, 145, 196. Tendenziell für die Anwendung der strengeren „neuen Formel“ Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 454 f. 312 Zur entsprechenden Entscheidung siehe Kapitel 5 § 13 D. II. 4. a). 313 Insoweit fordert nämlich auch die letztgenannte Formel einen solchen (sachlichen) Grund, der jedoch – insoweit über die erstgenannte Willkürformel hinausgehend – ins Verhältnis zu setzen ist mit dem Maß der Ungleichbehandlung. Es wird daher nach dem strengeren Maßstab auch auf Art und Gewicht des Grundes abgestellt sowie das Gewicht der Ungleichbehandlung in den Blick genommen (vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 823: „Die Bedeutung des Zwecks ist also der Intensität der Ungleichbehandlung gegenüber zu stellen. […] Verfolgt der Staat interne Zwecke und liegt der Zweck demnach in der Berücksichtigung vorgefundener Unterschiede […], ist allein nach Art und Gewicht der bestehenden Unterschiede zwischen den verschieden behandelten Gruppen, denen das staatliche Handeln Rechnung tragen will, zu fragen.“). 314 Gerade in der älteren Literatur wird dem Gleichheitssatz bezüglich des Bereiches der vertikalen Tatbestands(aus)differenzierung (Schaffung qualifizierter Delikte) nahezu jegliche Bedeutung abgesprochen bzw. dessen Reichweite nur deutlich eingeschränkt anerkannt: siehe dazu Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 67, welcher Art. 3 Abs. 1 GG nur Relevanz beimisst, wenn das Gesetz in personeller Hinsicht anknüpft bzw. personelle Differenzierung vornimmt. Allgemein zur Ansicht, Art. 3 Abs. 1 GG käme im Strafrecht nur geringe praktische Bedeutung zu, Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 466, nach welchem gleichheitsrechtliche Spannungen im Strafrecht nicht häufig seien. In Hinblick auf die Strafgesetzgebung „nur geringe Vorgaben“ ausmachend Sternberg-Lieben, objektive Schranken der Einwilligung, S. 484 (anders hingegen hinsichtlich der richterlichen Tätigkeit, dazu ders., a.a.O., S. 492 ff.), der insoweit auch lediglich die „Willkürformel“ anwenden will (siehe ders., a.a.O., S. 484 f.) und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz vornehmlich nur im Falle von „struktuellen Vollzugsmängeln“ (also einer nur „selektiven Strafverfolgung infolge hypertrophen Normbestandes“) annehmen will; dazu ders., a.a.O., S. 489 ff.; zur Zusamennfassung 310
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jüngerer Vergangenheit hat jedoch die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Mordtatbestands neue Impulse durch eine gleichheitssatzrechtliche Aufladung der Argumentation erhalten.315 In Hinblick auf tatbestandliche Differenzierungen gilt Folgendes: Will der Gesetzgeber eine bestimmte Begehungsweise eines Delikts als Qualifikation vertypen und dieser einen verschärften Sonderstrafrahmen zuordnen, so bedarf es dazu mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eines sachlichen Grundes.316 Aufgrund der Deliktsgruppenstruktur, mithin des zwischen Grundtatbestand und Qualifikationstatbestand bestehenden Stufenverhältnisses, sind dabei die addierten Elemente (also die Qualifikationstatbestandsmerkmale) von Bedeutung. Durch sie drückt sich nämlich aus, worin sich die im qualifizierten Delikt beschriebene Begehungsweise von der bloß grunddeliktischen unterscheidet. Sie bilden damit die gesetzliche Verkörperung des gesetzgeberischen Differenzierungsprinzips, bilden mithin das Differenzierungskriterium ab. Eine Gleichheitssatzrechtliche Überprüfung von Qualifikationstatbeständen findet damit ihren Anknüpfungspunkt stets in den strafschärfenden Merkmalen.317 Die bloße Addition des Merkmals kann jedoch die Strafschärfung (welche in der Anwendung des schärferen Sonderstrafrahmens siehe ders., a.a.O. S. 510 f.; In Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung stellen Jung/Morsch, in: GS Walter, S. 707, 714, fest, dass diese im Bereich des materiellen Strafrechts bisher „[…] kaum nennenswerte Spuren hinterlassen“ hat. 315 Den Verstoß des § 211 StGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG konstatierend Mitsch, JZ 2008, 336, 338 f..; ders., in: AnwKomm-StGB, § 211 Rn. 6 f.; folgend, jedoch mit dem Verweis auf die Möglichkeit der verfassungskonformen Normanwendung durch Vornahme einer negativen Typenkorrektur, Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 71 ff., 75 ff., 78 ff.; in Ansatz auch Eser/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 10; Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 423; das Vorliegen eines Verstoßes ablehnend jedoch BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064 f.; sensibler noch die Entscheidung BVerfGE 45, 187 ff. in der das Gericht festgestellt hat, dass die notwendige enge Auslegung der Mordmerkmale auch in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz Relevanz hat (siehe BVerfGE 45, 187, 268), dem Bundesverfassungsgericht in diesem Punkt (dem Gleichheitssatz entsprechende Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag erfolgt über die verfassungskonforme (restriktive) Auslegung der Mordmerkmale) folgend Sachs, in: Isensee/Kirchof, HStR VIII, § 183 Rn. 115; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 63. 316 So bereits BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 48; siehe auch BVerfGE 4, 352, 355 f.; 47, 109, 124; 50, 142, 161 f.; für die Differenzierungen im Bereich der Tötungsdelikte BVerfGE 45, 187, 267 f. Ebenso Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15, 20 f.; eine ähnliche Richtung weisen die Ausführungen von Appel, Verfassung und Strafe, S. 593 f., auf. Dieser schlägt vor, Strafrahmen auf „Konzeptstimmigkeit“ zu überprüfen. Der Strafrahmen muss dabei, mit Blick auf andere Strafnormen, plausibel, in sich stimmig und nachvollziehbar begründet sein (interne relative Proportionalität). Diese Vorgabe verortet Appel in das Prinzip schuldangemessenen Strafens. Zur Rechtslage in Österreich Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 188 ff.: „Sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen im Sanktionenbereich sind dem Gesetzgeber verwehrt.“ (Lewisch, a.a.O., S. 188). 317 In der Sache bereits Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 20 f., der die Rechtfertigung gesetzlicher Strafschärfungen unter Heranziehung der jeweiligen Qualifikationsgründe(-merkmale) vornimmt.
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liegt) nicht rechtfertigen. Deswegen ist danach zu fragen, welcher Differenzierungsgedanke den Qualifikationsmerkmalen zu Grunde liegt, ob ihnen also sachliche Erwägungen zu Grunde liegen318. Zu fragen ist letztlich danach, warum der Gesetzgeber gerade diese Begehungsform aus der Vielzahl möglicher Begehungsarten herausgegriffen und in Form eines Qualifikationstatbestandes vertypt hat319 und ob die gesetzgeberische Begründung im Rahmen der gleichheitssatzrechtlichen Überprüfung des Qualifikationstatbestandes die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag (mithin einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darstellt). Freilich darf die Überprüfung nicht auf die vom Gesetzgeber gegebene Begründung beschränkt bleiben. Vielmehr muss zusätzlich eruiert werden, ob eine andere Erklärung existiert, welche die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. b) Schuldbezogenheit der Rechtfertigung An diesem Punkt der Untersuchung stellt sich die Frage, ob hierbei sämtliche Gründe (insb. auch solche der Prävention) genügen oder ob sich bestimmte strafrechtsspezifische Einschränkungen ergeben. Letztlich muss geklärt werden, ob rein präventive Gründe eine tatbestandliche Differenzierung legitimieren können. Im Bereich des Strafrechts stellt der Schuldgrundsatz ein grundlegendes Prinzip dar. Dieser enthält das Gebot schuldangemessenen Strafens,320 nach welchem sich auch dann eine Überschreitung der schuldangemessenen Strafe verbietet, wenn dies aus präventiven Gesichtspunkten geboten oder unerlässlich ist.321 Der Schuldgrundsatz bewirkt, dass sich eine Strafdrohung stets an dem im Tatbestand verkörperten Unrechts- und Schuldgehalt zu orientieren hat.322 Eine die dort vertypte Schuld übersteigende Strafdrohung ist stets – mithin unabhängig von etwaigen präventiven Erfordernissen323 – als unverhältnismäßig einzustufen.324 Der Schuld318
Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 20. Vgl. Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269, nach der verfassungsrechtliche Bedenken dort denkbar sind, „[…] wo der Gesetzgeber strafbegründend, -mildernd oder schärfend lediglich eine „Teilmenge“ einer Gesamtheit erfaßt […]“. 320 Dazu v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 46 Rn. 2; eingehend Kapitel 5 § 13 C. 321 Insoweit erfährt die präventive Zweckverfolgung durch den Schuldgrundsatz eine Begrenzung dahingehend, dass die (angedrohte) Strafe den Unrechts- und Schuldgehalt nicht übersteigen darf, mithin die dem Unrechts- und Schuldgehalt entsprechende Strafe eine unüberwindbare Grenze darstellt; vgl. auch Veh, Mordtatbestand und verfassungskonforme Rechtsanwendung, S. 96 ff., 101 ff. 322 Tatbestand und Rechtsfolge mithin sachgerecht aufeinander abgestimmt werden müssen; siehe BVerfGE 25, 269, 286; 80, 244, 255; 86, 288, 312; 105, 135, 154, 156; BVerfG, NJW 2009, 1061, 1063; folgend Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 40. 323 Ebenso in der Sache Appel, Verfassung und Strafe, S. 524 ff., 591 f. 324 Vgl. Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 929: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer (aber nicht nur) verletzt, wenn Strafe das Maß der Schuld übersteigt; noch enger Appel, Verfassung und Strafe, S. 524 ff., 591 ff., der (unabhängig von einer Überschreitung der Grenze der 319
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grundsatz gibt damit – in Abhängigkeit vom im Voraussetzungsbereich enthaltenen Unrechts- und Schuldgehalt – einen bestimmten Rahmen zulässiger Strafen vor, welcher nicht überschritten werden darf.325 Damit bewirkt der Schuldgrundsatz für den Bereich der strafrechtlichen Tätigkeit des Staates eine Einschränkung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranke des Verhältnismäßigkeitsprinzips,326 indem er von vornherein die Angemessenheit (i.S.d. Verhältnismäßigkeitsprüfung) auf den Bereich schuldangemessener Strafen begrenzt.327 Nur innerhalb dieses Bereichs schuldangemessener Strafen können präventive Erwägungen berücksichtigt werden.328 Insoweit wirkt der Schuldgrundsatz im Bereich des Strafrechts dahingehend auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip ein, dass er stets zur Unangemessenheit und infolgedessen zur Unverhältnismäßigkeit von solchen Strafdrohungen führt, die den jeweiligen (im Tatbestand verkörperten) Unrechts- und Schuldgehalt übersteigen.329 Entsprechendes hat (folgerichtig) auch für den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu gelten. Ob und in welchem Maße Differenzierungen in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zulässig sind, richtet sich nämlich nach der Natur des Sachbereichs330 und damit auch nach den tragenden Prinzipien des jeweiligen Sachgebiets. Im Strafrecht sind dies u. a. der Schuldgrundsatz und dessen Verbürgungen (u. a. die Schuldorientierung der Strafe). Eine (vertikale) tatbestandliche Differenzierung muss sich infolgedessen stets auf Unterschiede im Bereich von Unrecht und Schuld zurückführen lassen.331 Das Schuldprinzip verbietet es, mittels Schuldangemessenheit) auch die fehlende Konzeptstimmigkeit genügen lässt und infolgedessen eine deliktsübergreifende Sichtweise (welche auch die Strafandrohungen für andere Delikte in den Blick nimmt) vertritt (siehe Appel, a.a.O., S. 593 f.). 325 Dementsprechend hat auch die (gesetzgeberische) Strafrahmenbildung einzig mit Blick auf das in der jeweiligen Norm gesetzlich niedergelegte Unrechts- sowie Schuldmaß zu erfolgen; siehe dazu Köhler, Strafrecht AT, S. 595: „Das Erfordernis widerspruchsfreier Rationalität der Maßbestimmung aus dem Verbrechensgrund gilt auch für die Strafrahmen. Das Maßprinzip für dessen beide Funktionen kann also nur die Schwere der Straftatart nach Unrechts- und Schuldmaßbestimmungen im Gesamtkontext der Deliquenz sein; deshalb verbietet es sich, die Strafrahmen nach schuldgelösten Präventionsbestimmungen zu konstituieren oder zu modifizieren.“. 326 Ebenso Appel, Verfassung und Strafe, S. 524 ff., 591 f., der (sogar) eine weitergehende Einschränkung vertritt. 327 Entsprechendes stellt Weigend, in: FS Hirsch, S. 917, 929, in Hinblick auf die Verschränkung von Schuldgrundsatz und Verhältnismäßigkeitsprinzip fest: „[…] eine das Schuldmaß (deutlich) übersteigende Strafe [kann] nicht „angemessen“ sein […]“. 328 Vgl. Veh, Mordtatbestand und verfassungskonforme Rechtsanwendung, S. 96 ff.; 106 ff. 329 Vgl. Weigend, in: FS Hirsch, S. 916, 929: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer (aber nicht nur) verletzt, wenn Strafe das Maß der Schuld übersteigt. 330 BVerfG, NJW 1969, 1059, 1062. 331 Im Ergebnis ebenso Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 281: „[…] eine Strafnorm [kann] Art. 3 I GG nur dann verletzen, wenn sie im Vergleich zu einer anderen Vorschrift gleiches Unrecht mit einer anderen Rechtsfolge, die nicht durch die
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rein präventiver Erwägungen eine Ungleichbehandlung von deliktischen Begehungsweisen in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen.332
Schwere der Tat und den Grad der Schuld gerechtfertigt ist; […] versieht.“, ähnlich Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 20, der bei der Prüfung der tatbestandlichen Differenzierungen im Bereich des StGB feststellt, dass diesen sachliche Erwägungen zu Grunde liegen, nämlich der Unrechtsgehalt der Tat, die Schutzbedürftigkeit des geschützten Rechtsguts oder die Schuld des Täters. Eine entsprechende Tendenz enthalten auch einige Aussagen des Bundesverfassungsgerichts; so BVerfG, NJW 1979, 1037 ff.: gesetzliche Androhung einer erhöhten Strafe setzt typischerweise erhöhte Schuld voraus (BVerfG, NJW 1979, 1037), generalpräventive Erwägungen genügen nicht (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 1038: das Bundesverfassungsgericht hat hier entscheidend darauf abgestellt, dass die Strafschärfung für den Rückfall nur dann eintritt, „[…] wenn ihm [scil. dem Täter] im Hinblick auf seine Vorverurteilung der Vorwurf vermehrter Schuld zu machen ist.“ [im Original teilweise hervorgehoben]). In der Sache liegt das Bundesverfassungsgericht damit richtig, jedoch hat es die falsche verfassungsrechtliche Anknüpfung, nämlich den Schuldgrundsatz in seiner Ausprägung als Gebot schuldangemessenen Strafens, gewählt. Siehe ferner die Entscheidung BVerfGE 45, 187 ff.; in dieser rechtfertigt das Gericht die (zwischen Totschlags- und Mordtaten bestehende) Ungleichbehandlung in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG durch das erhöhte Unrecht sowie die erhöhte Schuld, welche mit der Verwirklichung der Mordmerkmale Heimtücke und Verdeckungsabsicht einhergehen (siehe BVerfGE 45, 187, 268: „Jedoch heben sich bei der schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotenen restriktiven Auslegung […] die Mordqualifikationen der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht unter dem Gesichtspunkt der Tatschwere und der Tatschuld so wesentlich von anderen Fällen der vorsätzlichen Tötung ab, dass die großen Unterschiede in den Strafandrohungen gerechtfertigt erscheinen.“. Weniger streng noch BVerfG, NJW 1956, 99 ff., wo neben dem Aspekt der Unrechts- und damit Schulderhöhung (Tat wirkt (auch) gegen die Freiheit politischen Handelns sowie den politischen Frieden (und damit gegen die Grundlagen der Demokratie); siehe BVerfG, NJW 1956, 99, 100) auch präventive Gesichtspunkte (erhöhte Gefahr für politisch Aktive; siehe BVerfG, NJW 1956, 99, 100) zur gleichheitssatzrechtlichen Rechtfertigung der Strafschärfung (besonderer Ehrenschutz für im politischen Leben des Volkes stehende Personen (§ 187a StGB a.F.) herangezogen wurden. 332 Anders wohl Veh, Mordtatbestand und verfassungskonforme Rechtsanwendung, S. 106 ff., der die Verwendung präventiver Gesichtspunkte als Differenzierungskriterium i.R.d. „antizipierten gesetzgeberischen Strafzumessung“ für zulässig erachtet. Ähnlich (für Österreich) Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 190 Fn. 692. Tendenziell wie hier jedoch Köhler JuS 1984, 762, 763, der in Hinblick auf die Höchststrafwürdigkeit des Mordes sowie die sachgerechte Abgrenzung zwischen Totschlag und Mord zutreffend darauf hinweist, dass dies unter Geltung des Schuldgrundsatzes „[…] eine zum Höchsten gesteigerte Tatschuld voraus [setzt].“. Damit ist zugleich eine Abgrenzung anhand rein präventiver Gesichtspunkte eine Absage erteilt. Siehe zur Grundlegung Köhler, Strafrechtsbegründung und Strafzumessung, S. 40 ff., 62 f., der insoweit die (selbstständige) Verwendung von Gesichtspunkten der Generalprävention im Rahmen der (richterlichen) Strafzumessung ablehnt. Ebenso vertritt dies Köhler in Hinblick auf die gesetzgeberische Bildung von Strafrahmen; siehe Köhler, Strafrecht AT, S. 595. In eine ähnliche Richtung wie hier auch Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 70, nach dem „[e]ine gesetzliche Strafbestimmung rein nach der Zweckmäßigkeit, etwa dem Grad der objektiven Gefährlichkeit oder ausschließlich zur Abschreckung anderer […] gegen das Grundgesetz [verstieße]“ und der diesen Standpunkt mittels Art. 3 GG (und den darin normierten Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit) begründet.
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Solche Aspekte können333 daher nicht herangezogen werden zur Begründung der Vertypung einer bestimmten Begehungsweise als qualifiziertes Delikt.334 Daneben gründet dies auch auf folgender Erwägung. Neben der tatbestandlichen Differenzierung in Hinblick auf das Eintreten einer Strafschärfung gibt es auch Differenzierungen in Hinblick auf die Strafbarkeit von Handlungen. Bereits die gesetzliche Formulierung der einzelnen Grundtatbestände stellt eine Differenzierung dar, nämlich die zwischen strafbaren und straflosen Handlungen.335 Die Differenzierungskriterien werden dabei durch die Gesamtheit der tatbestandlichen Voraussetzungen abgebildet. Sowohl die Entscheidung über das „Ob“ der Strafbarkeit als auch die Entscheidung über die Verortung (einer bestimmten deliktischen Begehungsweise) in einen Qualifikationstatbestand stellen Differenzierungshandlungen des Gesetzgebers dar, an die sich eine Ungleichbehandlung verschiedener (Unrechts-)Sachverhalte anschließt (Strafbarkeitsbegründung bzw. Strafschärfung). Wegen des Art. 3 Abs. 1 GG benötigt der Gesetzgeber für jede dieser Differenzierungen einen sachlichen Grund.336 Zur Begründung der Differenzierung hinsichtlich der Strafbarstellung bestimmter Verhaltensweisen können das (Nicht-)Vorliegen
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Dementsprechend sind auch die Ausführungen des Gesetzgebers aufzufassen; siehe dazu beispielsweise die Drucksache zur Einführung des Straftatbestandes der Genitalverstümmelung (§ 226a StGB): Nachdem zunächst (in den allgemeinen Ausführungen) die Gesichtspunkte des Rechtsgüterschutzes und der „Schärfung des Bewusstseins“ der Bevölkerung für das besondere Unrecht dieser Taten (BT-Drucks. 17/13707, S. 4) erwähnt werden, wird in Hinblick auf die Strafandrohung ausgeführt, dass diese „[…] dem schwerwiegenden Unrecht […], das mit der Verstümmelung weiblicher Genitalien und den damit einhergehenden oft lebenslangen schweren Folgen für das Opfer verbunden ist“, Rechnung tragen soll. Damit zeigt sich, dass die verschärfte Rechtsfolgenandrohung primär an das besondere Unrecht der Genitalverstümmelung anknüpfen soll und in diesem ihre Rechtfertigung findet. Gleichwohl zeigen die Ausführungen auch, dass der Aspekt der Unrechtserhöhung und das Erfordernis besonderem Rechtsgüterschutzes nicht beziehungslos nebeneinander stehen, sondern letztlich miteinander verknüpft sind: Besonderer Rechtsgüterschutz ist regelmäßig dann angezeigt, wenn eine bestimmte Verhaltensweise das Rechtsgut besonders stark beeinträchtigt. Davon zu unterscheiden sind insoweit – die im Haupttext erwähnten – rein präventiven Merkmale, welche keinen Schuldbezug aufweisen und die daher im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG nicht zur (vertikalen) Differenzierung innerhalb einer Deliktsgruppe dienen können. Diese rein präventiven Merkmale können daher bei der Deliktsgruppengestaltung keine Rolle spielen. 334 Zudem darf „[…] die verschärfte Sanktion wiederum nicht außer Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld stehen […]“ (BVerfG, NJW 1979, 1037). Insoweit wirkt der Schuldgrundsatz in der Ausformung des Gebots schuldangemessenen Strafens selbstverständlich auch im norminternen Bereich des Qualifikationsdelikts. Auch bei diesem muss die Rechtsfolge auf den im Tatbestand enthaltenen Unrechts- und Schuldbereich abgestimmt sein. 335 Ähnlich Paulduro, Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269, die meint, dass es „[…] Sache des Gesetzgebers ist, in einem und durch einen Straftatbestand strafwürdiges von dem nicht erfaßten straffreien Verhalten zu trennen.“. 336 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 48; so bereits BVerfGE 4, 352, 355 f.; 47, 109, 124; 50, 142, 161 f.; für die Differenzierungen im Bereich der Tötungsdelikte BVerfGE 45, 187, 267 f. Ebenso Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15, 20 f.
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eines schutzwürdigen Rechtsguts,337 die Bedeutung eines bestimmten Rechtsguts, präventive Gründe (Häufigkeit eines bestimmten Phänomens) sowie die Verwirklichung eines höheren Unrechts- und Schuldgehalts angeführt werden.338 Diese Gründe vermögen es zu begründen, dass eine bestimmte Verhaltensweise inkriminiert wird, eine andere (ähnliche) Verhaltensweise jedoch nicht. Diese sachlichen Gründe stehen in einem engen Zusammenhang mit den Strafzwecken der Prävention und des Schuldausgleichs.339 Die präventiven Zwecksetzungen (Rechtsgüterschutz, Verhinderung von Massenphänomenen) werden bereits durch das Unter-Strafestellen einer bestimmten Verhaltensweise verwirklicht. Insoweit entfaltet bereits die Schaffung eines Grundtatbestandes präventive Wirkung. Ob hingegen mit der Schaffung eines qualifizierten Delikts (mit Strafschärfung) eine weitergehende Präventionswirkung verbunden ist, lässt sich angesichts der empirischen Befunde durchaus bezweifeln.340 Anders verhält es sich jedoch in Hinblick auf den Strafzweck des Schuldausgleichs. Für den Ausgleich des verschuldeten Unrechts kann es durchaus geboten sein, eine gesetzliche Strafschärfung für bestimmte, (besonders) schwere Begehungsformen eines Delikts vorzusehen, denn aus der Verwirklichung schwereren Unrechts (und der damit einhergehenden schwereren Tatschuld) entsteht das Bedürfnis einer schärferen Strafe. Die Schaffung eines qualifizierten Delikts ist daher im Lichte des Strafzwecks des Schuldausgleichs zu sehen, nicht jedoch mit Blick auf den Strafzweck der Prävention. Letzterem wird bereits durch das Grunddelikt hinreichend Rechnung getragen, sodass er im Rahmen der Schaffung eines qualifizierten Delikts in den Hintergrund rückt. Diese Ausführungen machen sichtbar, dass die Schaffung qualifizierter Delikte im Zusammenhang mit Schuldgesichtspunkten steht. Auch daraus erhellt sich, dass die gleichheitssatzrechtliche Begründung qualifizierter Delikte auf Schuldgesichtspunkten basieren muss. Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass im allgemeinen Gleichheitssatz (und dessen Vorgaben) der entscheidende Hebel für die verfassungsrechtliche Überprüfung von Strafschärfungen in Form von Qualifikationstatbeständen liegt.341 337
Zu den Folgen, die die gesetzgeberische „Definitionsmacht“ hinsichtlich der Rechtsgutsbestimmung im Bereich gleichheitssatzrechtlicher Problemstellungen zeitigt, siehe Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269 f. 338 Ausführlich zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 250 ff. 339 Zu den verschiedenen Strafzwecken siehe die Ausführungen bei Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 17 ff. 340 Aufgrund der Ergebnisse diverser Forschungsarbeiten (siehe dazu die Ausführungen bei Eisenberg, Kriminologie, § 41 Rn. 14 ff.) wird angenommen, dass die Sanktionsintensität (bzw. die Höhe der Strafdrohung) im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Straftatbegehung hat; siehe Eisenberg, Kriminologie, § 41 Rn. 17. Vgl. dazu auch die Feststellung von Bachmann/Goeck, in: Verfassung und Strafe, S. 37, 49: „Geklärt ist jedoch, dass mit härteren Strafen […] in der Regel kein höheres Maß an Abschreckung der Allgemeinheit verbunden ist.“. 341 Die Vorteilhaftigkeit dieses Vorgehens gegenüber einer Überprüfung anhand des Gebots schuldangemessenen Strafens liegt darin, dass Unrechtssachverhalte miteinander verglichen
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Will man die Legitimität einer solchen Strafschärfung prüfen, so ist eine Gegenüberstellung von Grunddelikt und qualifiziertem Delikt vorzunehmen. Insoweit ist diese verfassungsrechtliche Überprüfung gekennzeichnet durch einen normexternvertikalen (jedoch deliktsgruppeninternen) Ansatz bzw. Betrachtungswinkel. c) Exkurs: Der eigenständige Wert der Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes Anders als vereinzelt behauptet wird,342 kommt dem allgemeinen Gleichheitssatz bei der Überprüfung von qualifizierten Delikten ein eigenständiger Wert zu. Der Ansicht von Paulduro, wonach bei einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes stets bereits eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegeben sei und deswegen Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich des Strafrechts kaum eigenständige Bedeutung habe,343 ist insoweit zu widersprechen. Paulduro verkennt in ihren Ausführungen die unterschiedlichen Bezugspunkte der beiden verfassungsrechtlichen Prüfungen344: werden (insoweit stellt das im Grundtatbestand beschriebene Unrecht den Bezugspunkt bzw. Vergleichsgegenstand dar) und damit die (kaum erbringbare) Umrechnung von Unrechtsfaktoren in Strafgrößen unnötig wird. Letzten Endes entscheidend ist die Frage, ob das Maß der Unrechts- und Schuldsteigerung das Maß der Strafschärfung zu rechtfertigen vermag. Durch diese Fokussierung auf die unrechts- und/oder schulderhöhenden Momente wird die Überprüfung im Vergleich zur Prüfung anhand des Gebots schuldangemessenen Strafens vereinfacht. Damit einher geht auch ein höherer Grad an Präzision. Gleichwohl ist auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ein Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers zu beachten (dies betonend Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269 f.), sodass letztlich nicht die Zweckmäßigkeit der tatbestandlichen Differenzierung ausschlaggebend ist. Entscheidend ist vielmehr, ob für die vom Gesetzgeber vorgenommene tatbestandliche Differenzierung (evident) ein sachlicher Grund (bzw. eine Rechtfertigung) fehlt. Wie sich noch zeigen wird (vgl. Kapitel 5 § 13 D. II.), sind davon nur bestimmte Ausnahmekonstellationen betroffen (d. h. die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes wirken sich nur in bestimmten Ausnahmefällen tatsächlich aus, sodass nur bei diesen auf der Ebene der Rechtsanwendung ein Handlungsbedarf entsteht). 342 Siehe dazu Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 281. 343 Siehe dazu Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 281. In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegungen von Dittrich, Angemessenheit von Strafrahmen, S. 75 f., zum Recht in Österreich. Auch diese Ausführungen sind abzulehnen. 344 In der Sache gilt selbiges in Hinblick auf die Ausführungen von Dittrich, Angemessenheit von Strafrahmen, S. 75 f., welchen deswegen auch zu widersprechen ist. Den von Dittrich gezogenen Schlüssen von einem normexternen Aspekt („(un-)angemessene“ Bestrafung zweier Delikte im Verhältnis zueinander) auf einen normintern-vertikalen Aspekt und zurück (siehe Dittrich, a.a.O., S. 76 f.) kann in dieser Absolutheit nicht gefolgt werden. Er verkennt nämlich, dass es sich um zwei verschiedene Bezugspunkte handelt, die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben unterliegen und daher nicht miteinander vermischt werden können bzw. dürfen. Beide Prüfungen stehen dementsprechend nicht in einem zwingenden Abhängigkeitsverhältnis, sodass sie auch nicht zwingend zum selben Ergebnis führen müssen. Dies schließt es freilich nicht aus, dass rein faktisch zwei Verstöße gleichzeitig vorliegen können. Unabhängig davon ist an den Darlegungen von Dittrich zu kritisieren, dass er eine unscharfe bzw. verwirrende Terminologie (Tat(un)angemessenheit – Verhältnismäßigkeit) verwendet.
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Während der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Relation zwischen Tatbestand und Strafdrohung in den Blick nimmt (als normintern-horizontal ansetzt), richtet sich bei den Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes die Betrachtung auf das Verhältnis zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt (diese Prüfung ist also normexternvertikal konzipiert). Damit kann jedoch eine Strafnorm einerseits eine verhältnismäßige Strafdrohung enthalten (weil die vorgesehene Strafdrohung mit Blick auf das tatbestandlich umschriebene Unrecht angemessen ist), andererseits jedoch eine gleichheitssatzwidrige Ungleichbehandlung bestimmter Fallkonstellationen beinhalten. Letzteres ist bedingt durch die zwingende Anordnung der Strafschärfung gegenüber der grunddeliktischen Strafdrohung, was dann problematisch ist, wenn sich einige – oder sogar alle – der vom Qualifikationstatbestand erfassten Konstellationen in Bezug auf Unrecht und Schuld nicht maßgeblich vom grunddeliktischen Unrecht abheben. De facto kann sich die verschärfte Strafdrohung noch im relativ weiten Bereich schuldangemessener Strafen bewegen, während ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung (die in der Androhung einer schärferen Strafe liegt), aufgrund der wesentlichen Gleichheit mit dem grunddeliktischen Unwertsachverhalt, nicht vorliegt. Soll diese eigenständige Bedeutung des Gleichheitssatzes auch im Bereich des Strafrechts erhalten bleiben, so verbietet sich eine Gleichstellung der beiden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zudem erhellt sich nur so, warum das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen neben dem Verstoß gegen das Übermaßverbot in einem eigenständigen Punkt auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG prüft.345 2. Rechtfertigung von Differenzierungen im Bereich der internen Deliktsgruppensystematik Daraus folgt für den Bereich der internen Deliktsgruppensystematik Folgendes: Die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes und die damit verbundene Verortung bestimmter Begehungsweisen eines Delikts in diesen stellt angesichts der damit verbundenen Strafschärfung346 eine Ungleichbehandlung zweier Sachverhalte (grunddeliktische Begehungsformen einerseits, Begehungsformen, die dem Qualifikationstatbestand zugeordnet sind andererseits) dar. In Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es dafür eines sachlich einleuchtenden Grundes.347 345
Vgl. nur BVerfGE 45, 187, 267 ff. Zur Relevanz der Einordnung einer Begehungsweise als qualifiziertes Delikt, Kapitel 5 § 13 B. II. 347 BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 48; siehe auch BVerfGE 4, 352, 355 f.; 47, 109, 124; 50, 142, 161 f.; für die Differenzierungen im Bereich der Tötungsdelikte BVerfGE 45, 187, 267 f. Ebenso Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15, 20 f.; Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269: Entscheidung darf nicht willkürlich sein. 346
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Dieser wiederum muss im Zusammenhang mit Unrecht und/oder Schuld stehen. Eine tatbestandliche Differenzierung muss sich mithin stets auf Unterschiede im Bereich des Unrechts und/oder der Schuld348 zurückführen lassen.349 In krassen Ausnahmefällen könnte es sogar sein, dass diese Unterschiede so stark sind, dass sie bereits die (für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erforderliche) „wesentliche Gleichheit der Vergleichsgruppen“ beseitigen.350 Wird eine bestimmte Begehungsweise als qualifiziertes Delikt ausgeformt, so kommen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (in seiner Ausprägung, dass Gleiches gleich zu behandeln ist)351 zwei Rügeargumentationen in Betracht. Einmal kann die wesentliche Gleichheit mit der grunddeliktischen Begehungsweise vorgebracht werden. Darüber hinaus kann jedoch auch damit eingewandt werden, dass der Qualifikationstatbestand nicht sämtliche schweren Verwirklichungsformen erfasst und infolgedessen für bestimmte, gleich schwere Begehungsformen eine weniger strenge Strafdrohung (nämlich die im Grundtatbestand enthaltene) gilt. Letztere Begründung zielt im Ergebnis auf die Unvollständigkeit des qualifizierten Delikts, während Erstere darauf abzielt, dass sich der im qualifizierten Delikt umschriebene Unwertsachverhalt nicht wesentlich vom grunddeliktischen unterscheidet bzw. abhebt. Die Argumentation, dass ein qualifiziertes Delikt nicht sämtliche schwere Begehungsformen erfasst und infolgedessen gleich schwere Fälle denkbar sind, für die das Gesetz lediglich die grunddeliktische Strafdrohung und damit eine mildere
348 Siehe dazu Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 281: „Mit anderen Worten kann also eine Strafnorm Art. 3 I GG nur dann verletzen, wenn sie im Vergleich zu einer anderen Vorschrift gleiches Unrecht mit einer anderen Rechtsfolge, die nicht durch die Schwere der Tat und den Grad der Schuld gerechtfertigt ist und damit mit einer schuldinadäquaten und unangemessenen Sanktion versieht.“. 349 Im Ergebnis ebenso Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 281; Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 20. Eine entsprechende Tendenz findet sich in der Entscheidung BVerfGE 45, 187, 268. Auch die Ausführungen von Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 70, weisen in eine entsprechende Richtung: „Art. 3 GG muß […] als positiv-rechtlicher Niederschlag des Grundsatzes der materiellen Gerechtigkeit angesehen werden. Dazu gehört in erster Linie […] eine grundsätzliche Orientierung der Strafe an dem Maß der Schuld. Eine gesetzliche Strafbestimmung rein nach Zweckmäßigkeit, etwa nach dem Grad der objektiven Gefährlichkeit oder ausschließlich zur Abschreckung anderer […] verstieße gegen das Grundgesetz.“. Ausführlich dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 1. b). 350 Diese Situation dürfte – anders als bei der hier im Fokus stehenden deliktsgruppeninternen Betrachtung – vermehrt auftreten, wenn es um eine deliktsgruppenübergreifende Gegenüberstellung von Strafrahmen geht. Angesichts der dann gegebenen Zugehörigkeit der Vergleichsobjekte (= die jeweiligen Tatbestände) zu völlig unterschiedlichen (Grund-)Unwerttypen dürfte es häufig an der „wesentlichen Gleichheit“ fehlen. Ein etwaiges Bestreben, Strafrahmendissonanzen zwischen Delikten verschiedener Deliktsgruppen mithilfe des Gleichheitssatzes auf eine verfassungsrechtliche Ebene zu ziehen, dürfte daher in aller Regel wenig erfolgversprechend sein. 351 Siehe dazu („Gleiches gleich“) nur BVerfGE 116, 164, 180; 122, 210, 230.
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Strafdrohung vorsieht, greift letzten Endes nicht durch.352 Insoweit ist dies nämlich Resultat der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit präziser Tatbestandsformulierung.353 Auch im Bereich der qualifizierten Delikte ist es aufgrund des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) erforderlich, dass der Straftatbestand scharf umrissen wird.354 Daher ist es kaum vermeidbar, dass bestimmte Fälle ausscheiden,355 d. h. nicht vom Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestandes erfasst werden, obwohl sie aufgrund ihrer Schwere diesem eigentlich zuzuordnen wären. In der Sache sind diese Differenzierungen damit Folge der (aus der Geltung des Bestimmtheitsgebots resultierenden) Notwendigkeit präziser Straftatbestandsformulierung, welche nahezu zwangsläufig dazu führt, dass nicht sämtliche gleichwertige Sachverhalte durch die Normen des StGB erfasst werden.356 Sie sind damit Ausdruck des im Strafrecht bestehenden Spannungsverhältnisses zwischen Rechtssicherheit (verbürgt durch den Bestimmtheitsgrundsatz) und Gerechtigkeit.357 Infolgedessen kann eine daraus erwachsende Ungleichbehandlung keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darstellen, da sie gerade aus der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bestimmtheitsgebots resultiert. Festzuhalten ist daher, dass Differenzierungen, die sich aus der Umsetzung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots, mithin aus der präzisen Tatbestandsformulierung, ergeben, keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründen.358 In aller Regel359
352 Großzügig auch (jedoch ohne Erwähnung des Gleichheitssatzes) BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 86: „Gesetzgeber [ist] grundsätzlich in der Einschätzung frei […], welche Verhaltensweisen er unter Strafe stellt, und welche Umstände er als so stark unrechtserhöhend bewertet, dass er an ihr Vorliegen eine erhöhte Strafandrohung knüpft […]. Er ist daher nicht gezwungen, für jede verwerfliche Motivation des Täters einen gesonderten Strafrahmen zur Verfügung zu stellen […].“. 353 So auch Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 278. Für die Konstellation der Abgrenzung zwischen tatbestandlichem (und damit strafbarem) und straflosem Verhalten Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 353: „Ganz generell kann gerade im Bereich des Strafrechts von punktuellen und unvollständigen Kriminalisierungen nicht ohne weiteres auf die Verfassungswidrigkeit der Norm geschlossen werden: Das Gleichheitsgebot aus Art. 3 I GG steht hier in einem offensichtlichen Spannungsverhältnis zum zulässigen fragmentarischen Charakter des Strafrechts.“. 354 Zur Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG für strafschärfende Normen (und damit auch für für qualifizierte Delikte) siehe BVerfG, NJW 2008, 3627, 3628. 355 Ebenso für die entsprechende Problematik im grundtatbestandlicher Ebene (Nichterfassung bestimmter Fälle durch den Grundtatbestand und daraus folgende Straflosigkeit) Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 278; siehe dazu auch BVerfGE 50, 142, 165. 356 Vgl. auch Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 278: kaum vermeidbar. 357 Dieses, dem Strafrecht immanente, Spannungsverhältnis ausmachend BT-Drucks. IV/ 650, S. 101, 183 f., 267, siehe hierzu auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 93 f.; mit Blick auf den (in bestimmten Kostellationen durchaus berechtigten) Einsatz der Regelbeispielsmethode Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 115 ff. 358 Ebenso Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 278.
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scheidet in diesem Zusammenhang (Argumentation mit der „Unvollständigkeit“ des qualifizierten Delikts) daher ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus.360 Der Argumentationsstrang, dass sich der im qualifizierten Delikt umschriebene Unwertsachverhalt nicht wesentlich vom grunddeliktischen abschichtet bzw. abhebt, zielt auf eine Gegenüberstellung der beiden tatbestandlich (und damit gesetzlich) umschriebenen Unwertsachverhalte ab. Blickt man innerhalb der Binnenstruktur einer Deliktsgruppe speziell auf das Verhältnis zwischen Grund- und Qualifikationsdelikt, so zeigt sich, dass Letzteres sämtliche Merkmale des Grunddelikts enthält und diese durch eigene Merkmale (die Qualifikationstatbestandsmerkmale) ergänzt. Diese (ergänzenden) Merkmale sind Elemente, bei deren Hinzutreten eine Erhöhung des Unrechts- und/oder Schuldgehalts eintritt. Der im qualifizierten Delikt umschriebene Unwertsachverhalt unterscheidet sich daher vom grunddeliktischen Unwertsachverhalt durch eine größere Tatschwere, mithin einen höheren Unrechtsund Schuldgehalt. Dies stellt die Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung, mithin die Zuordnung einer schärferen Strafdrohung, dar. Die Ungleichbehandlung zwischen Grunddelikt und qualifizierten Delikt kann in Hinblick auf den in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz im Grundsatz durch den beim qualifizierten Delikt vorliegenen höheren Unrechts- und/oder Schuldgehalt gerechtfertigt werden. Wird durch die Addition der Unrecht- bzw. Schuldelemente ein neuer Unwerttypus geformt,361 so tritt neben den Unterschied bzgl. der Unrechts- und/oder Schuldschwere hinzu, dass der Qualifikationstatbestand bei materialer Betrachtung einen dem Grundtatbestand wesensfremden Unwerttypus enthält. Er stellt damit ein aliud zum grunddeliktischen Unwerttypus dar und unterscheidet sich infolgedessen maßgeblich von diesem. Daher wird die Ungleichbehandlung (in Form der Zuord359
Eine Ausnahme ist wohl nur dann zu machen, wenn der Gesetzgeber willkürlich eine Gruppe strafwürdiger Fälle herausgegriffen hat; siehe BVerfGE 50, 142, 165; ebenso Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 278. 360 Vgl. auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 353, zur entsprechenden Situation der „Unvollständigkeit“ eines Grundtatbestandes (und der damit einhergehenden Straflosstellung gleich strafwürdiger Handlungen). Insoweit weisst dieser zutreffend darauf hin, dass insoweit ein Spannungsverhältnis zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts besteht. Im Ergebnis gleich Rüfner, in: BonnKomm-GG [Stand: 68. Lfg. November 1992], Art. 3 Abs. 1 Rn. 523, der auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verweist. In der Sache auch (jedoch ohne Erwähnung des Gleichheitssatzes) BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 86: „Gesetzgeber [ist] grundsätzlich in der Einschätzung frei […], welche Verhaltensweisen er unter Strafe stellt, und welche Umstände er als so stark unrechtserhöhend bewertet, dass er an ihr Vorliegen eine erhöhte Strafandrohung knüpft […]. Er ist daher nicht gezwungen, für jede verwerfliche Motivation des Täters einen gesonderten Strafrahmen zur Verfügung zu stellen […].“. Siehe auch Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 469, der feststellt, dass der Gesetzgeber „[…] überfordert [wäre], wenn er alle in Hinblick auf den Gesetzeszweck gleich strafwürdigen Fälle in der abstrakten Rechtsnorm erfassen soll[te] oder die aufgrund veränderter Verhältnisse unzureichend gewordenen Vorschriften ständig vervollständigen müßte.“. 361 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
nung einer schärferen Strafdrohung) in diesem Fall zusätzlich durch die Stellung als aliud gerechtfertigt. Auch diese Rechtfertigung findet ihre Anknüpfung im Bereich des Unrechts bzw. der Schuld, da sie gerade entscheidend darauf abstellt, dass der Qualifikationstatbestand einen wesensfremden Unwerttypus (und damit wesensfremdes Unrecht bzw. wesensfremde Schuld) enthält. In diesem Abschnitt hat sich gezeigt, dass sich die Ungleichbehandlung zwischen Grunddelikten und qualifizierten Delikten durch den höheren Unrechts- und Schuldgehalt bei qualifizierten Delikten rechtfertigt. Daneben kann auch die Tatsache, dass im Qualifikationstatbestand ein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus geformt wird und der Qualifikationstatbestand sich damit als aliud, mithin „etwas anderes“, darstellt, die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Diese Begründung setzt dies jedoch denknotwendig voraus, kann mithin ausschließlich dann eingreifen, wenn im Qualifikationstatbestand tatsächlich ein neuer, wesensfremder Unwerttypus gebildet wird. Es stellt sich als sachlich einleuchtend dar, dass dem qualifizierten Delikt eine schärfere Strafdrohung (sowie im Falle der Verurteilung auch eine stärkere Täterstigmatisierung durch entsprechenden Schuldspruch)362 zugeordnet ist. Daher sind die im StGB enthaltenen Qualifizierungen grundsätzlich vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz. Im Folgenden wird sich jedoch zeigen, dass in bestimmten Ausnahmekonstellationen die Ungleichbehandlung problematisch ist in Hinlick auf diesen Verfassungssatz. II. Fehlen einer Rechtfertigung bei Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren? 1. Problemorientierte Hinführung In den soeben erfolgten Erläuterungen hat sich bereits angedeutet, dass in Hinblick auf die Rechtfertigung von (vertikalen) tatbestandlichen Differenzierungen dem Inhalt der jeweiligen Normen eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Insoweit soll in den nachfolgenden Ausführungen aufgezeigt werden, inwieweit die in dieser Untersuchung entfaltete materiale Betrachtung von Komplementärnormen (Unterscheidung danach, ob in der Komplementärnorm ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus gebildet wird oder nicht) bei der Bestimmung der strafrechtsspezifischen Vorgabenwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) fruchtbar gemacht werden kann. Namentlich geht es dabei darum, die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes an die interne Deliktsgruppengestaltung mithilfe einer materialen Betrachtungsweise der vertypten Unwertsachverhalte offenzulegen und zu präzisieren.
362 Diese in seinen Ausführungen hervorhebend Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 374.
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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a) Reichweite der Problematik Die Reichweite der gleichheitssatzrechtlichen Problematik ist beschränkt. Sie stellt sich nicht bei sämtlichen Qualifikationstatbeständen. Zu unterscheiden ist vielmehr danach, ob der Qualifikationstatbestand bei materialer Betrachtung lediglich eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus (ein bloßes „Mehr“) beschreibt oder in ihm ein wesensfremder Unwerttypus gesetzlich vertypt wurde.363 Beinhaltet das qualifizierte Delikt nämlich lediglich quantitativ schwereres Unrecht (ein bloßes „Mehr“), so können unrechtsmindernde Umstände ohne weiteres dieses erhöhte Unrecht wieder ausgleichen.364 Insoweit besteht nämlich bei solchen Unrechtsmodifikationen bei inhaltlicher Betrachtung ein enger Zusammenhang zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt, nämlich Wesensgleichheit. Es handelt sich gerade nicht um einen neuen, wesensfremden Unwerttypus, mithin liegt kein „aliud“ zum Grunddelikt vor. Die besondere Schwere (quantitative Unrechts-/ Schuldsteigerung), durch welche die Modifikation entscheidend gekennzeichnet ist (und durch welche sie sich vom Grunddelikt abhebt), wird bei einem Vorliegen erheblicher unrechts- bzw. schuldmindernder Faktoren beseitigt. Diese Faktoren kompensieren die aus der Erfüllung des qualifizierenden Merkmals resultierende Erhöhung des Unrechts- und Schuldgehalts. Hingegen scheint es, wenn das Qualifikationsdelikt ein aliud zum Grunddelikt darstellt, sehr fraglich, ob unrechtsmindernde Faktoren zur (Re-)Transformation des im Qualifikationstatbestand umschriebenen Unwerttypus in den grunddeliktischen Unwerttypus führen können.365 Es handelt sich nämlich – betrachtet man den sachlichen Gehalt – bei dem im qualifizierten Tatbestand niedergelegten Unwerttypus um „etwas anderes“.366 363
Eingehend zu dieser Unterscheidung nach materialen Gesichtspunkten Kapitel 4 § 11. Allgemein zur kompensierenden Wirkung der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 416 f.; grundlegend Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 377: „Unrechtsmilderung und Unrechtsqualifikation heben sich gegenseitig auf“. Beide Stimmen lassen jedoch eine Unterscheidung nach dem Inhalt des qualifizierenden Merkmals vermissen. 365 In der Sache ähnlich – jedoch in anderem Zusammenhang – Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. 2001], § 46 Rn. 60. 366 Die unrechtsmindernden Faktoren betreffen allenfalls die Quantität, nicht jedoch die Qualität des Unrechts. Die Wesenskernänderung/-verschiedenheit bleibt daher auch bei Vorliegen der unrechtsmindernden Faktoren erhalten. Trotz des Vorliegens der unrechtsmindernden Umstände bleibt die Tat daher „etwas anderes“ als die bloße grunddeliktische Verwirklichung, weshalb im Ergebnis auch die gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung erhalten bleibt. Vgl. dazu, dass die unrechtsmindernden Umstände nur eine quantitative Verringung des Unrechts bewirken, die allgemeinen Ausführungen von Kaufmann, in: FS Klug, Band II, S. 277, 291: „Während Rechtfertigungsgründe (Erlaubnissätze) die Qualität einer tatbestandsmäßigen Tat dahin bestimmen, daß diese nicht rechtswidrig ist […], ändern Unrechtsminderungsgründe die Qualität einer Handlung als einer rechtswidrigen nicht. Sie hindern jedoch – gegebenenfalls – diejenige Quantität an Unrecht anzunehmen, die der tatbestandlich typisierten Unrechtshöhe und dem daran geknüpften Strafmaß entspricht.“ [im 364
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
b) Das Erfordernis einer strukturierten verfassungsrechtlichen Prüfung Aufgrund der durch das Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren verursachten Senkung des Unrechts- und Schuldgehalts auf grunddeliktisches Niveau stellt sich mit Vehemenz die Frage nach der Rechtfertigung der Zuordnung der Tat zum qualifizierten Delikt. Wie bereits ausgeführt wurde,367 rechtfertigt sich die Ungleichbehandlung von grunddeliktischen und qualifizierten Begehungsweisen ja gerade aus dem höheren Unrechts- und Schuldgehalt qualifizierter Begehungsweisen. Insoweit gerät im genannten Fall die grundsätzliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung gegenüber der grunddeliktischen Begehungsweise (und den damit einhergehenden stärkeren Eingriff in die Rechtspositionen des Täters) ins Wanken. Fraglich ist dahingehend, ob im Einzelfall ausnahmsweise der rechtfertigende Grund für die Ungleichbehandlung fehlt. Wäre dies so, dann würde sich in diesem Einzelfall eine Ungleichbehandlung (mithin eine Anwendung der qualifizierenden Norm) verbieten. Gleichwohl ist an dieser Stelle der Untersuchung noch nicht entschieden, ob in diesen (Ausnahme-)Fällen ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt. Es ist lediglich die verfassungsrechtliche Fragestellung aufgeworfen. Notwendig ist daher die Prüfung, inwieweit es sich, wenn das qualifizierte Delikt lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung und gerade keinen neuen, wesensfremden Unwerttypus umschreibt, mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, den Täter bei Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren wegen der Begehung des qualifizierten Delikts zu verurteilen368 und ihn aus dem schärferen Strafrahmen des qualifizierten Delikts zu bestrafen. Zu prüfen ist im Folgenden daher, ob eine solche Verurteilung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt. Es geht letztlich darum, ob die grundsätzliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Einzelfall (wegen der Besonderheiten des Einzelfalles) ausnahmsweise nicht gegeben ist. Nur eine solche Prüfung anhand des verfassungsrechtlichen Maßstabs des allgemeinen Gleichheitssatzes kann offenlegen, ob im Einzelfall das verfassungsrechtliches Erfordernis besteht, von der Bestrafung aus dem qualifizierten Delikt abzusehen und dahingehend eine verfassungskonforme Rechtsanwendung vorzunehmen.
Original teilweise hervorgehoben]; folgend Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 410. 367 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 2. 368 Und damit, aufgrund der mit dem entsprechenden Schuldspruch verbundenen stärkeren Stigmatisierung, mit einer größeren Intensität in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht einzugreifen als bei bloßer Verurteilung wegen Begehung des Grunddelikts. Eingehend dazu Kapitel 5 § 13 B. II. und (anwendungsbezogen) D. II. 3. Diese größere Eingriffsintensität in seinen Ausführungen hervorhebend Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 374.
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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Eine solche verfassungskonforme Rechtsanwendung ist nämlich nur dann zwingend geboten, wenn ansonsten (also ohne sie) ein Verstoß gegen die Verfassung vorliegen würde (mithin ist die verfassungskonforme Rechtsanwendung das Mittel zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes).369 2. Wesentlich Gleiches Nach der Rechtsprechung des Bunderverfassungsgerichts verbietet es der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass wesentlich Gleiches (willkürlich) ungleich behandelt wird.370 Notwendig ist danach zunächst, dass zwei vergleichbare Personen, Personengruppen oder Sachverhalte vorliegen.371 Wesentliche Gleichheit bedeutet dabei Vergleichbarkeit und gerade nicht Identität.372 Die Voraussetzung, dass „wesentlich Gleiches“ vorzuliegen hat, ist in aller Regel unproblematisch.373 Vorliegend ist der Vergleich zweier Sachverhalte maßgebend. Auf der einen Seite stehen diejenigen deliktischen Fallkonstellationen, die (mangels Erfüllung eines qualifizierenden Tatbestandsmerkmals) dem Grunddelikt zugeordnet sind.374 Diesen gegenüber stehen in der gleichheitssatzrechtlichen Prüfung diejenigen deliktischen Fallkonstellationen, die ein formell qualifizierendes Tatbestandsmerkmal375 erfüllen, 369
Vgl. zur verfassungskonformen Auslegung BVerfGE 64, 229, 241 f.; Krey, JR 1995, 221, 222: „normerhaltendes Prinzip“; siehe auch Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 5, der zutreffend feststellt, dass eine verfassungskonforme Auslegung zum Erhalt der Geltung der entsprechenden Norm führt. 370 Vgl. BVerfGE 116, 164, 180: „Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln […].“; ebenso BVerfGE 112, 268, 279; siehe auch BVerfGE 98, 365, 385; siehe auch Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 14; Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1472; Wilms, Grundrechte, Rn. 1032. 371 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 463. 372 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 463; ebenso Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 19, 24; Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1472; siehe auch Epping, Grundrechte, Rn. 782 ff., der in seinen Ausführungen zutreffend darauf verweist, dass auch das Bundesverfassungsgericht in der von ihm verwendeten Formel (vgl. nur BVerfGE 98, 365, 385) lediglich darauf abstellt, dass „wesentlich Gleiches“ vorliegt (siehe Epping, a.a.O., Rn. 783; so auch Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 69). 373 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7: Voraussetzung schnell erfüllt, da nur dann Vergleichbarkeit abgelehnt, wenn die Sachverhalte unterschiedlichen Ordnungsbereichen angehören oder in verschiedenen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen (zur entsprechenden Rechtsprechung siehe BVerfGE 40, 121, 139 f.). In der Sache folgend Wilms, Grundrechte, Rn. 1033. 374 Vgl. zur Notwendigkeit der Vergleichsgruppenbildung BVerfGE 52, 277, 280; ebenso Epping, Grundrechte, Rn. 785; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7: Erforderlichkeit der Benennung der Vergleichssachverhalte (Sachverhalte, die unterschiedlich behandelt werden). 375 Welches jedoch lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung verkörpert und dessen Addition eine Umwandlung des grunddeliktischen Unwerttypus in einen neuen, wesens-
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bei denen jedoch zusätzlich solch bedeutende unrechts- und/oder schuldmindernde Faktoren gegeben sind, dass die durch die Erfüllung des qualifizierenden Merkmals eingetretene Steigerung des Unrechts- und Schuldgehalts vollständig kompensiert wird. Bedeutende unrechts- und/oder schuldmindernde Umstände können beispielsweise in der Teilverwirklichung eines Rechtfertigungs376- oder Entschuldigungsgrundes liegen. Diese (scil. die beiden genannten Sachverhalte) müssten vergleichbar sein. Um dies festzustellen, bedarf es zuerst der Ermittlung eines gemeinsamen Bezugspunktes, der im gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum) liegt.377 Die beiden Vergleichssachverhalte müssen unter diesem vollständig und abschließend378 sichtbar werden.379 Bildet man einen Oberbegriff für die beiden Vergleichssachverhalte, so gelangt man zu den „Fällen der Deliktsbegehung, die sich (relativ betrachtet)380 weder durch eine besondere Schwere noch durch eine besondere Leichtigkeit auszeichnen“. Insoweit werden hier – wie sich noch zeigen wird,381 ist dies in Hinblick auf die Rechtfertigungsebene eine wesentliche Weichenstellung – als Vergleichssachverhalt gerade nicht herangezogen die Fälle mit besonderer Schwere, die aufgrund der Nichterfüllung eines der Qualifiktionstatbestandsmerkmale im grundtatbestandlichen Bereich verbleiben, obwohl sie vom Schweregrad denjenigen Fallkonstellationen entsprechen, die im Qualifikationstatbestand ihre gesetzliche Vertypung gefunden haben. Es wird vielmehr auf diejenigen grunddeliktischen Fälle abgestellt, die keine besondere Schwere aufweisen. An das Merkmal der Vergleichbarkeit werden geringe Anforderungen gestellt.382 Betrachtet man nun die beiden ermittelten Vergleichssachverhalte, so wird deutlich, fremden Unwerttypus nicht bewirkt (der Qualifikationstatbestand also keinen neuen, wesensfremden Unwerttypus enthält); ausführlich dazu Kapitel 4 § 11. 376 Zur unrechtsmindernden Wirkung der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 155 f. 377 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 465; ebenso Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 24; Wilms, Grundrechte, Rn. 1034. Ausführlich zum Vorgehen Epping, Grundrecht, Rn. 785 ff. 378 Dies bedeutet, dass der Oberbegriff so gewählt werden muss, dass andere Sachverhalte ausgeschlossen werden; vgl. Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 467; weniger streng Epping, Grundrechte, Rn. 786, der meint: „Der Oberbegriff muss beide Vergleichsgruppen einschließen, nach Möglichkeit aber nicht mehr als diese.“. 379 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 24; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 465. 380 Mithin bezogen auf das jeweilige Delikt und seinen typischen Unrechts-/Schuldgehalt. 381 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. II. 4. b) bb) und cc). 382 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7: Voraussetzung schnell erfüllt, da Ablehnung der Vergleichbarkeit nur dann, wenn die Sachverhalte unterschiedlichen Ordnungsbereichen angehören oder in verschiedenen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen (vgl. zur entsprechenden Rechtsprechung BVerfGE 40, 121, 139 f.). In der Sache folgend Wilms, Grundrechte, Rn. 1033. Kritisch zur Verortung dieser Voraussetzung jedoch Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 82 f. Es ist relativ klar, dass bei der vorliegenden Prüfung die Voraussetzung der Vergleichbarkeit gegeben ist. Beide Vergleichssachverhalte
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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dass diese sich in wesentlichen Punkten entsprechen. Bei beiden deliktischen Fallkonstellationen ist (bezogen auf die regelmäßige Schwere des jeweiligen Delikts) keine besondere Schwere des Unrechts-/Schuldgehalts gegeben. Es handelt sich jeweils nicht um Begehungsweisen, die der allgemeinen Wertgruppe „besonders schwerer Fall“ zuzuordnen sind. Bei der hier interessierenden Fallkonstellation wird die, aus der Erfüllung des Qualifikationstatbestandsmerkmals resultierende, Unrechts- und Schulderhöhung durch das Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Momente kompensiert. Deshalb liegt letztlich lediglich ein Unrechts-/Schuldgehalt auf dem Niveau der regelmäßigen, grunddeliktischen Deliktsverwirklichung vor. Daneben ist die Vergleichbarkeit der beiden Vergleichssachverhalte auch deswegen gegeben, weil in beiden Konstellationen die Erfüllung des gleichen Unwerttypus erfolgt, d. h. beide die Erfüllung des gleichen Unwerttypus betreffen. Da im qualifizierten Delikt lediglich eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst ist (mithin ein neuer, wesensfremder Unwerttypus nicht gebildet wird), stellt auch die Erfüllung des Qualifikationstatbestands (material gesehen) lediglich die Verwirklichung des grunddeliktischen Unwerttypus, freilich in modifizierter Form entsprechend der qualifikationstatbestandlichen Umschreibung, dar. In der Konstellation, in der der Qualifikationstatbestand erfüllt ist, wird ein wesensfremder Unwerttypus nicht verwirklicht. Abstrahiert man die beiden Vergleichssachverhalte auf die Ebene der Unwerttypen, so stellen sie sich nicht als Verwirklichung wesensverschiedener Unwerttypen dar. Auch mit Blick auf den verwirklichten Unwerttypus ist daher von einer Vergleichbarkeit auszugehen. Der bestehende Unterschied zwischen den beiden Vergleichssachverhalten – welcher in der Tatsache liegt, dass einmal das Qualifikationstatbestandsmerkmal erfüllt ist, das andere mal hingegen nicht – vermag die Vergleichbarkeit nicht beseitigen. Bei dieser geht es nämlich gerade „[…] um mehr oder weniger weit gehende Übereinstimmungen bei gleichzeitiger Verschiedenheit in anderen Punkten […]“383. Die soeben aufgeführten Übereinstimmungen überwiegen den Unterschied bei weitem. Das Bestehen des Unterschieds steht daher der Einordnung als „vergleichbare Sachverhalte“ nicht entgegen. Damit wird wiederum die Begrenztheit der hier vorgenommenen verfassungsrechtlichen Ausführungen deutlich. Nur bei qualifizierten Delikten, die lediglich eine quantitative Unrechtssteigerungen (bzw. quantitative Schuldsteigerung) umschreiben, können erhebliche unrechts- bzw. schuldmindernde Faktoren ohne Weiteres das mit dem qualifizierten Delikt verbundene „Plus“ an Unrecht und Schuld egalisieren. Wird hingegen qualitativ anderes Unrecht im Qualifikationstatbestand vertypt, so kann das „Minus“ der unrechts- bzw. schuldmindernden Faktoren dieses „aliud“ zum Grundtatbestand nicht in das grunddeliktische Unrecht (und den darin gehören dem Bereich des Strafrechts, speziell dem Bereich der tatbestandlichen Vertypung von Unwertsachverhalten an. Darüber hinaus liegen beide sogar innerhalb derselben Deliktsgruppe. 383 Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1472.
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enthaltenen wesensverschiedenen grunddeliktischen Unwerttypus) überführen, da es sich beim qualifizierten Delikt gerade um etwas völlig „anderes“ handelt, mithin eine bloße „Plus-Minus-Struktur“ nicht vorliegt. Die Existenz erheblicher unrecht- bzw. schuldmindernder Faktoren führt dann zwar dazu, dass der Unrechts- und Schuldgehalt dem des Grunddelikts entspricht und insoweit eine ähnliche Tatschwere gegeben ist. Jedoch scheitert die Einordnung als vergleichbar daran, dass es sich trotzdem noch um die Verwirklichung wesensverschiedener Unwerttypen handelt; einmal die Verwirklichung des grunddeliktischen Unwerttypus, das andere mal um die Verwirklichung eines davon abweichenden, wesensfremden/-verschiedenen Unwerttypus.384 3. Ungleichbehandlung sowie Bezeichnung des Unterscheidungsmerkmals Die Vergleichssachverhalte müssen weiterhin ungleich behandelt werden. Vorliegend handelt es sich um eine unterschiedliche rechtliche Behandlung auf Normebene.385 Bereits durch die gesetzliche Verknüpfung bestimmter Voraussetzungen mit einer Rechtsfolge (Eintritt der Rechtsfolge bei Erfüllung des abstraktgenerell umschriebenen Tatbestands) werden die tatbestandlich erfassten Fälle von denjenigen geschieden, die nicht die Normvoraussetzungen erfüllen.386 Während einerseits die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge eintritt, bleibt sie im anderen Fall (dem Fall der Nichterfüllung des Tatbestandes) aus. Damit werden die entsprechenden Vergleichsfälle durch die Norm ungleich behandelt.387 So liegt es hier. Während einerseits (mangels Erfüllung des Tatbestandes des qualifizierten Delikts) lediglich die grunddeliktische Sanktionsnorm zur Anwendung kommt, wird im Falle der Verwirklichung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals – aufgrund des zwingenden Charakters des qualifizierten Delikts trotz Vorliegens der erheblich unrechts-/schuldmindernden Momente – die schärfere Sanktionsnorm angewendet. Unabhängig vom Vorliegen der unrechts-/schuldmindernden Umstände erfüllt der Vergleichsfall die tatbestandlichen Voraussetzungen des qualifzierten Delikts und bewirkt damit den Eintritt der darin vorgesehenen Rechtsfolgen. In dem Vergleichsfall, bei dem der Tatbestand des qualifizierten Delikts erfüllt ist, tritt neben die Anwendung des schärferen Strafrahmens die Vornahme eines schärferen sozialethischen Tadels (welche sich in Form der Erwähnung der Verwirklichung des qualifizierten Delikts im Schuldspruch388 realisiert) und damit die (gesetzliche) 384
Nämlich desjenigen, der im qualifizierten Delikt enthalten ist. Siehe zu dieser Form der Ungleichbehandlung Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1507 f. 386 Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1507. 387 Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1507. 388 Allgemein zur Unrechtskennzeichnung im Schuldspruch und den entsprechenden Differenzierungen zwischen den einzelnen im StGB aufgeführten Delikten J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 68 ff.; grundlegend Freund, ZStW 112 (2000), 385
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Anordnung der Vornahme eines stärkeren Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen.389 Insoweit sieht die Norm neben einer schärferen Sekundärsanktion auch eine schärfere Primärsanktion vor.390 Indem der Gesetzgeber eine bestimmte deliktische Begehungsweise dem Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts zuordnet, ermächtigt er zugleich dazu, ein schwereres sozial-ethisches Unwerturteil auszusprechen (verschärfte Primärsanktion) sowie aus einem verschärften Strafrahmen (verschärfte Sekundärsanktion) zu bestrafen. Die Verschärfung der Primärsanktion, welche sich in der Nennung des qualifizierten Delikts im Urteilstenor realisiert und in der entsprechenden Eintragung der rechtlichen Bezeichnung der Tat nebst angewendeter Norm im Bundeszentralregister – siehe § 5 Abs. 1 Nr. 6 BZRG – fortwirkt, zeigt sich in der vom Gesetz festgelegten (vom Grunddelikt abweichenden) Terminologie: Bei der Begehung einer Körperverletzung mittels hinterlistigen Überfalls lautet der staatliche Vorwurf nicht: „Du, Straftäter, hast eine einfache Körperverletzung begangen“, sondern: „Du, Straftäter, hast eine gefährliche Körperverletzung begangen“.391 Häufig findet sich im Strafgesetzbuch bei qualifizierten Delikten das Adjektiv „schwer“ in der Deliktsbezeichnung (z. B. bei § 226 StGB, § 250 StGB), was das gravierende – über das Normalmaß hinausgehende – Unrecht entsprechender qualifizierter Taten kennzeichnen soll. Die Verschärfung der Sekundärsanktion äußert sich in der verschärften Strafandrohung, die nicht nur eine Verschiebung der Strafenstaffel bewirkt, sondern regelmäßig den mit der Anhebung der Mindeststrafe einhergehenden Wegfall der Geldstrafe. Wegen des zwingenden Charakters des Qualifikationstatbestands treten die Verschärfung von Primär- und Sekundärsanktion trotz Vorliegens massiver unrechts-/schuldmindernder Momente obligatorisch ein. Dies zeigt, dass die Konstellation, bei der die Voraussetzungen des qualifizierten Delikts gegeben sind, anders behandelt wird als diejenige Konstellation, bei der dies nicht der Fall ist (und bei der deshalb lediglich die grunddeliktische Sanktionsnorm einschlägig ist). Als Unterscheidungsmerkmal (differentia specifica)392 dient, in Anknüpfung an die gesetzliche Unterscheidung zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt, das 665, 669: „Schuldspruch sowie Art und Höhe der Strafe drücken in qualitativer und quanititativer Hinsicht ein Mißbilligungsurteil über die begangene Tat aus.“. 389 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 B. II. Allgemein dazu, dass der im Schuldspruch liegende Vorwurf einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt Lagodny, in; Menschenwürde als Rechtsbegriff, S. 73, 76. 390 Ausführlich zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärsanktion Appel, Verfassung und Strafe, S. 466 ff.; vgl. auch Freund, GA 1999, 509, 511 ff., der zwischen Schuldspruch- und Strafrahmendifferenzierungen unterscheidet; siehe auch Lagodny, in: Menschenwürde als Rechtsbegriff, S. 73, 74 f. Siehe in Hinblick auf qualifizierte Delikte auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373 ff. 391 Eine Formulierung des staatlichen Vorwurfs gegenüber einem (verurteilten) Totschläger findet sich bei Lagodny, in: Rechtsgutstheorie, S. 84. 392 Zur Notwendigkeit der exakten Bezeichnung Wilms, Grundrechte Rn. 1034.
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Vorliegen bzw. die Erfüllung des Qualifikationstatbestandsmerkmals bzw. der Qualifikationstatbestandsmerkmale. Insoweit wird unterschieden nach Vorliegen bzw. Nichtvorliegen des qualifizierenden Elements bzw. der qualifizierenden Elemente. 4. Rechtfertigung a) Der einschlägige Rechtfertigungsmaßstab In der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts393 haben sich verschiedene, unterschiedlich strenge Maßstäbe394 für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz herausgebildet.395 Im Bereich des Strafrechts sind bisher verschiedene Maßstäbe zur Anwendung gekommen.396 So wurde einerseits geäußert, dass ein Verstoß dann vorliegt, „[…] wenn sich für eine tatbestandliche Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt.“.397 Neben dieser sog. „Willkürformel“ hat das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen hinsichtlich der Überprüfung straf-
393 Mittlerweile geht das Bundesverfassungsgericht von einem flexiblen Rechtfertigungsmaßstab aus und formuliert daher folgendermaßen: „Aus dem Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen […].“ (BVerfGE 116, 164, 180; ebenso bereits BVerfGE 110, 274, 291; 112, 164, 174). 394 Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste oder vernünftigste Regelung zu schaffen hat (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 110, 412, 436; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 17). Vielmehr existiert ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum (Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 63). Es wird daher lediglich überprüft, ob der Gesetzgeber die Grenzen seines Gestaltungsermessens überschritten hat (Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 18; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 63). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zunächst (also vorab) den Maßstab für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu bestimmen (vgl. Kannengießer, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 18). 395 Siehe dazu Epping, Grundrechte, Rn. 795 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 8 ff.; siehe auch BVerfGE 122, 210, 230: „Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen […]“; so bereits BVerfGE 110, 274, 291; 116, 164, 180. 396 Die teilweise Anwendung der sog. „neuen Formel“ verkennt Stächelin, Verfassung und Strafrecht, S. 109 f. in seinen Ausführungen. 397 BVerfG, Beschluss vom 15. 03. 2012 – 2 BvL 8/11, Tz 48; so bereits BVerfGE 4, 352, 355 f.; 47, 109, 124; 50, 142, 161 f.; für die Differenzierungen im Bereich der Tötungsdelikte BVerfGE 45, 187, 267 f. Ebenso Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 15, 20 f.: In Hinblick auf die Schaffung von qualifizierten Delikten kommt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht, „[…] wenn der Gesetzgeber […] einen […] sachlich nicht gerechtfertigten Grund für die Änderung des Strafrahmens maßgebend sein lässt.“ (Stree, a.a.O., S. 15); Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 269: Entscheidung darf nicht willkürlich sein.
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tatbestandlicher Differenzierungen auch die sog. „neue Formel“398 herangezogen. So hat das Gericht im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Überprüfung des Mordtatbestands im Jahre 2008 ausgeführt, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur dann vorliegt, „[…] wenn keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten […]“.399 Zu ermitteln ist daher zunächst, welcher Maßstab in der vorliegenden Konstellation einschlägig ist, in der es um die straftatbestandliche Differenzierung durch Verortung bestimmter Begehungsweisen in ein qualifiziertes Delikt (also die gesetzlich vorgeschriebene Strafschärfung durch Anknüpfung an bestimmte Merkmale) geht. Welcher Maßstab im konkreten Fall anzulegen ist, bestimmt sich nach verschiedenen Kriterien.400 Das Bundesverfassungsgericht geht mittlerweile von einem abgestuften Maßstab401 aus und formuliert: „Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen […]“402. Es ist dabei nicht ausschließlich maßgeblich,403 ob die Ungleichbehandlung in Anknüp398 Zur Entwicklung der beiden Formeln im Laufe der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung siehe Epping, Grundrechte, Rn. 795 ff. 399 BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064. Ebenso bereits BVerfGE 90, 145, 196. Tendenziell für die Anwendung der strengeren „neuen Formel“ Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 454 f.; noch strenger Mellinghoff, in: FS Hassemer, S. 503, 507 f., der im Bereich des Strafrechts den Grundsatz der Folgerichtigkeit zur Anwendung kommen lassen will und infolgedessen „[…] dem Gesetzgeber eine hinreichende Wertungs- und Begründungsrationalität abverlangt.“ (Mellinghoff, a.a.O., S. 508). Insoweit habe der Gesetzgeber „[d]ie einmal getroffene Strafbarkeitsentscheidung […] folgerichtig im System des Strafrechts umzusetzen.“ (Mellinghoff, a.a.O., S. 508). Siehe dazu auch Mellinghoff, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 147, 158 f.; im Zusammenhang mit dem Strafrecht die Gebote der System-, Sachgerechtigkeit sowie Folgerichtigkeit erwähnend Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 110, der jedoch zugleich konstatiert, dass „[…] man den Gleichheitssatz wohl als den schwächsten Grundrechtsmaßstab mit Blick auf die Strafgesetzgebung ansehen müssen [wird].“ (Stächelin, a.a.O., S. 110). 400 Zum Überblick siehe die Ausführungen bei Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 17 ff.; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17. Zum Problem der Festlegung der Kriterien für die Prüfungsmaßstabsermittlung Hesse, in: FS Lerche, S. 121, 127 ff. 401 Siehe dazu auch Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 30 f.: „[…] Integration von Willkürverbot und Gebot verhältnismäßiger Gleichheit auf einer gleitenden Skala unterschiedlich strenger Anforderungen […]“ (im Original hervorgehoben]. Siehe auch Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 92: abgestufte Kontrolldichte. 402 Siehe BVerfGE 110, 274, 291; 116, 164, 180; 122, 210, 230. Dazu auch Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 17. 403 Vgl. BVerfGE 88, 87, 97: „[…] das Bundesverfassungsgericht [prüft] bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]. Siehe auch Jarass, NJW 1997, 2545, 2547,
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
fung an personen- oder sachbezogene Merkmale vorgenommen wird.404 Entscheidend für die Bestimmung des Prüfungsmaßstabs ist auch, ob sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung von Freiheitsrechten auswirkt.405 Je stärker sich eine (sachbezogene) Ungleichbehandlung (mithin eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten) auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt, desto engeren Grenzen unterliegt der Gesetzgeber.406 Korrespondierend verschärft sich der Rechtfertigungsmaßstab.407 Insoweit ist es bzgl. der Anforderungen an die Rechtfertigung einer Differenzierung maßgeblich, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Sachverhalten auf die Freiheitsrechtsausübung auswirkt.408 Für den Bereich der Strafschärfung mittels eines qualifizierten Delikts ist mit der Zuordnung eines Sachverhalts zum qualifizierten Delikt (mithin der Vertypung eines bestimmten Sachverhalts als qualifiziertes Delikt) sowohl ein stärkerer Eingriff409 in 2549. Für eine Abkehr von den Kriterien Personenbezug und Sachbezug Hesse, in: FS Lerche, S. 121, 128 f. 404 Eine besonders strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit soll vorgenommen werden bei Differenzierungen nach personenbezogenen Merkmalen; siehe BVerfGE 88, 87, 96; 90, 46, 56; 91, 389, 401; 95, 39, 45; 95, 267, 316. 405 Vgl. BVerfGE 74, 9, 24; 88, 87, 97; 111, 176, 184; 112, 164, 174; 122, 210, 230; BVerfG, Beschluss vom 26. 07. 2010 – 2 BvR 2227/08, juris Tz 3; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17. 406 Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17.; siehe auch BVerfGE 88, 87, 96 f.; 89, 15, 22 f.; 90, 46, 56; 91, 346, 363; 95, 267, 316 f.; 111, 176, 184. 407 Anschaulich BVerGE 88, 87, 96 f. 408 BVerfG, Beschluss vom 26. 07. 2010 – 2 BvR 2227/08, juris Tz 3; BVerfGE 112, 164, 174; 122, 210, 230; 126, 29, 48; siehe auch BVerfGE 88, 87, 97; folgend Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 32, 38; Epping, Grundrechte, Rn. 814; Jarass, NJW 1997, 2545, 2547, 2549; Jarass/ Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 22; Mellinghoff, in: FS Hassemer, S. 503, 507; wohl auch Osterloh/ Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 32. In dieselbe Richtung Hesse, in: FS Lerche, S. 121, 131: „Je mehr eine Ungleichbehandlung Grundvoraussetzungen menschlicher Existenz und Betätigung verkürzt, desto weniger kann es genügen, daß sie nur nicht willkürlich ist.“. Zahlreiche weitere Nachweise finden sich bei Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1535 ff.; kritisch jedoch Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 108. 409 Die Verhängung der Primärsanktion stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, siehe Appel, Verfassung und Strafe, S. 492 f., 496, 575; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 623 („Der Eingriffscharakter ergibt sich letztlich also erst aus dem Vorwurf oder Tadel, der in der Feststellung schuldhafter Verwirklichung von strafbarem Unrecht enthalten ist.“); Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 115 ff., 127 f.; jedoch enthält auch bereits die Androhung einer solchen Primärsanktion einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (siehe Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 287, der insoweit auf die in der Strafnorm enthaltene Ermächtigung zum staatlichen Vorwurf abstellt; ders., in: Rechtsgutstheorie, S. 84; ders., in: Menschenwürde als Rechtsbegriff, S. 73, 74; diesem folgend Beck, Stammzellforschung und Strafrecht, S. 204, 240; vgl. auch Graßhof, abw. Meinung zu BVerfGE 90, 145 ff., BVerfGE 90, 145, 199, 200, die in dem in einer Strafnorm enthaltenen sozial-ethischen Unwerturteil bereits eine schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts und der Handlungsfreiheit sieht; siehe auch BVerfGE 27, 18, 29: „Jede Strafnorm enthält ein mit staatlicher Autorität versehenes sozial-ethisches Unwerturteil über die von ihr pönalisierte Handlungsweise.“; zurückhaltend hingegen Kaspar, Verhältnismäßigkeit und
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das allgemeine Persönlichkeitsrecht410 (welcher sich letztlich in der Aufnahme des qualifizierten Delikts in den Urteilstenor realisiert) als auch ein stärkerer Eingriff in das allgemeine Freiheitsrecht411 (durch Androhung einer schärferen Freiheitsstrafe, insb. die Mindeststrafenanhebung412, welche unmittelbar die Strafzumessung antizipiert) verbunden.413 Die tatbestandliche Differenzierung wirkt sich damit auf die Freiheitsrechte der ungleich Behandelten aus. Aufgrund dieser Tangierung (i.S.e. Betroffenheit) von Freiheitsrechten ist hier ein verschärfter Maßstab anzuwenden,414 sodass eine bloße Willkürkontrolle nicht genügt.415 Grundrechtsschutz, S. 625 ff.). Ordnet der Gesetzgeber eine bestimmte deliktische Verwirklichungsweise dem Anwendungsbereich eines qualifizierten Delikts zu, so ist damit ein schwereres sozial-ethische Unwerturteil verbunden (was sich wiederum praktisch in der Nennung des qualifizierten Delikts im Urteilstenor umsetzt), woraus sich – im Vergleich zur bloßen Einordnung in den grunddeliktischen Bereich – ein stärkerer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergibt. 410 Eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Bundesverfassungsgericht genügen lassen, um die Verschärfung der Rechtfertigungsanforderungen zu begründen; siehe BVerfGE 88, 87, 97; 116, 243, 260; folgend Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 22; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17. 411 Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG. Dazu, dass die Androhung einer Freiheitsstrafe an Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zu messen ist, BVerfGE 90, 145, 171; vgl. allgemein zu den verschiedenen EingriffsEbenen („Eingriffstatbestände“) im Bereich des Strafrechts (Verhaltensnorm, Sanktionsnorm sowie richterliche Verhängung der konkreten Strafe im Einzelfall) Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 29, 363 ff., 370, 629 f. Die Androhung einer verschärften Freiheitsstrafe bewirkt einen stärkeren Eingriff in das allgemeine Freiheitsrecht. 412 Die Auswirkungen im Bereich des allgemeinen Freiheitsrechtes (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) verdeutlichen sich, wenn man bedenkt, dass ggf. mit dem Übergang zum qualifizierten Delikt die Geldstrafenandrohung entfällt und die Rechtsfolgenanordnung infolgedessen lediglich die Freiheitsstrafenverhängung vorsieht. 413 Dazu, dass eine Strafnorm in die genannten Grundrechte eingreift, vgl. Beck, Stammzellforschung und Strafrecht, S. 240. Eingehend zu den verschiedenen Grundrechtseingriffen durch die Schaffung einer Strafnorm Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 363 ff., der hinsichtlich der Sanktionsdrohung mit dem „Gedanken des antizipierten Eingriffs“ operiert (Kaspar, a.a.O., S. 370). 414 Ebenso für die Anwendung eines strengeren Maßstabs wegen der Auswirkungen des Strafrechts auf die grundrechtlich geschützten Freiheiten Mellinghoff, in: FS Hassemer, S. 503, 507 f.; tendenziell auch Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 454 f., welcher darauf abstellt, dass die „[…] Sanktionsvorschrift Grundvoraussetzungen menschlicher Existenz und Betätigung [regelt].“ (Lagodny, a.a.O., S. 455. Lagodny legt dabei die allgemeinen Ausführungen von Hesse, in: FS Lerche, S. 121, 131, zu Grunde); siehe auch Dannecker, NZWiSt 2014, 6, 12, welcher feststellt, dass im Bereich des Strafrechts, „[…] in dem elementare Individualinteressen in besonderer Weise auf dem Spiel stehen, […] tendenziell strengere Maßstäbe angelegt werden […].“. Das Bundesverfassungsgericht hat die sog. „neue Formel“ im Bereich des Strafrechts in folgenden Entscheidungen aufgeführt: BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064 sowie BVerfGE 90, 145, 196. Den vorliegend ausgemachten Aspekt der Tangierung von Freiheitsrechten übersieht Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 469. 415 Für die Anwendung eines strengeren Maßstabs hinsichtlich der Rechtfertigung von Strafschärfungen spricht sich auch Mellinghoff, in: FS Hassemer, S. 503, 508, aus; siehe dazu auch Mellinghoff, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 147, 1157 ff. Siehe darüber hinaus
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Unabhängig davon kann auch bereits wegen der Verwendung eines (mittelbar)416 personenbezogenen/personengebundenen Merkmals417 das Anlegen eines strengeren Maßstabs angezeigt sein.418 Dies freilich jedoch nur dann, wenn das jeweilige qualifizierende Merkmal als ein solches (also als personenbezogen/-gebunden) aufzufassen ist. Ein (besonders) strenger Maßstab bei der Gleichheitsprüfung dürfte demnach anzuwenden sein, wenn der Gesetzgeber an die Amtsträgereigenschaft eine Strafschärfung knüpft (so bspw. bei der Körperverletzung im Amt – § 340 Abs. 1 StGB). Bei diesen Regelungen mit personengebundenen Merkmalen speist sich die Verschärfung des Prüfungsmaßstabs nicht nur aus der aufgezeigten Betroffenheit der Freiheitsrechte, sondern zusätzlich aus der Personenbezogenheit des Differenzierungskriteriums. Da das StGB im Regelfall jedoch lediglich sachverhaltsbezogen differenziert, soll im Folgenden nicht von diesem besonders strengen Maßstab ausgegangen werden. Damit ist festzuhalten: Die mit der Schaffung eines qualifizierten Delikts einhergehende Ungleichbehandlung (von erfassten und nicht erfassten Deliktsverwirklichungsvarianten) stellt dann einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar, „[…] wenn keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten […]“.419 Nicht erforderlich ist die Durchführung einer (besonders) strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung.420 Da es sich vorliegend (bei der Betrachtung bleiben – wie auch BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064, für die Rechtfertigung der straftatbestandlichen Unterscheidung zwischen Totschlag in besonders schwerem Fall und Mord. 416 Dazu Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 20: „Wie eine Ungleichbehandlung von Personengruppen ist auch eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten zu behandeln, die mittelbar Personengruppen betrifft […].“ [Hervorhebung im Original]. Siehe auch BVerfGE 95, 267, 316; 118, 1, 26; 121, 317, 369 f. 417 Bspw., wenn das qualifizierende Merkmal an besondere persönliche Eigenschaften anknüpft. 418 Zur Schärfung des Rechtfertigungsmaßstabs in diesen Fällen siehe Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 20 f.; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 88, 87, 96; 90, 46, 56; 91, 389, 401; 95, 39, 45; 95, 267, 316. 419 Siehe für die ungleiche Behandlung von Totschlag in besonders schweren Fall und Mord BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064. Noch weiter geht Mellinghoff, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 147, 158, welcher das Gebot der Folgerichtigkeit in den Bereich des Strafrechts überträgt und infolgedessen bezüglich einer Strafschärfung ausführt: „Knüpft er eine Strafschärfung an ein bestimmtes strafbares Verhalten, muss sich die Qualifikation ebenfalls an dem jeweiligen Rechtsgüterschutz orientieren und darf nicht beliebige Tätergruppen herausgreifen und erheblich intensiver bestrafen.“ (Mellinghoff, a.a.O., S. 158 f.); siehe auch Mellinghoff, in: FS Hassemer, S. 503, 508. 420 Grundsätzlich kritisch bezüglich der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 27 ff., der zutreffend darauf hinweist, dass eine Ungleichbehandlung häufig nicht aufgrund einer bestimmten Zwecksetzung erfolgt, sondern an Unterschiede gebunden ist.
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erwähnt – diejenigen qualifizierten Delikte ausgeklammert, welche personenbezogene Merkmale beschreiben) lediglich um eine sachbezogene Ungleichbehandlung handelt (mithin als Differenzierungskriterium keine personenbezogenen Merkmale herangezogen werden), ist die Bindung im Ansatz (zwar) eher gering. Gleichwohl ist sie strenger als bei der bloßen Willkürkontrolle, weil – wie aufgezeigt wurde – der Schutzbereich anderer Grundrechte tangiert ist.421 b) Rechtfertigungsprüfung aa) Gegenüberstellung von Unterschieden und Ungleichbehandlung Zu prüfen ist nun, ob für die mit der Zuordnung zum qualifizierten Delikt verbundene größere Eingriffsintensität422 eine hinreichende Rechtfertigung gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei entscheidend, ob Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt erscheint.423 Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund424 müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.425 Als (mögliche) Gründe für die Rechtfertigung sind dabei nicht nur die vom Gesetzgeber genannten heranzuziehen.426 Auch sonstige objektiv vorhandene Gründe vermögen eine
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Vgl. allgemein hierzu Jarass, NJW 1997, 2545, 2549: Bindung eher gering, „[…] wenn entweder keine Ungleichbehandlung nach Personengruppen vorliegt oder keine Auswirkungen auf andere Grundrechte zu verzeichnen sind.“ 422 Insofern stärkerer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das allgemeine Freiheitsrecht; siehe dazu bereits Kapitel 5 § 13 B. II sowie D. II. 3. 423 Siehe für die ungleiche Behandlung von Totschlag in besonders schweren Fall und Mord BVerfG, NJW 2009, 1061, 1064. Siehe auch BVerfGE 90, 145, 196. Weitere Entscheidungen, die die sog. „neue Formel“ zu Grunde legen (freilich ohne strafrechtlichen Bezug), sind BVerfGE 55, 72, 88; 82, 126, 146; 100, 59, 90; 102, 41, 54; 107, 27, 46; 110, 141, 167; 117, 272, 300 f.; 126, 400, 418. 424 Unabhängig davon, ob man eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführt (so Epping, Grundrechte, Rn. 818 ff.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 18; Manssen, Grundrechte, Rn. 844 f.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 14 ff.) oder einer solchen kritisch gegenübersteht (Ipsen, Grundrechte, Rn. 813 ff.; siehe auch Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 27 ff.), bildet hier – da vorliegend zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nur unrechts- und/oder schuldbezogenen Unterschiede dienen können (dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 1. b) sowie D. I. 2.) – die Abwägung von Unterschieden und Ungleichbehandlung das zentrale Element (vgl. einerseits die Feststellung bei Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 18, dass die Stufen Geeignetheit und Erforderlichkeit meist nur eine geringe Rolle bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit spielen; ebenso Albert, JuS 2008, 945, 947; siehe andererseits den zutreffenden Hinweis von Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 28, dass die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade bei solchen Ungleichbehandlungen nicht passt, bei denen es an einer Zweck-Mittel-Relation fehlt, so bspw. im Bereich des Strafrechts, in dem die Ungleichbehandlung anknüpft an die Unterschiedlichkeit der Sachverhalte hinsichtlich des Ausmaßes der Schuld). 425 Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 83. Siehe auch BVerfGE 82, 126, 146. 426 Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 15.
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Rechtfertigung der Ungleichbehandlung herbeizuführen.427 Wie bereits herausgestellt wurde,428 gebietet es jedoch der Schuldgrundsatz, dass sich straftatbestandliche Ungleichbehandlungen – ausgenommen der Differenzierung zwischen tatbestandlichen und nicht tatbestandlichen Verhaltensweisen (der Differenzierung bei der Frage des „Ob“ der Strafbarkeit)429 – stets auf Gesichtspunkte aus dem Unrechtsbzw. Schuldbereich zurückführen lassen. Dies gilt auch für den Bereich straftatbestandlicher Strafschärfungen.430 Daher können rein präventive Gesichtspunkte nicht herangezogen werden, um die Vertypung einer bestimmten Begehungsweise als qualifiziertes Delikt zu rechtfertigen. Ein etwaiger „Rückfall“ könnte deshalb allenfalls dann strafrahmenschärfend vertypt werden, wenn zugleich erhöhte (Tat-) Schuld, also ein erhöhter Schuldvorwurf im Einzelfall, gefordert wird.431 Tatunabhängige Faktoren – wie die allgemeine Art der Lebensführung einer Person – sind dementsprechend als Qualifikationstatbestandsmerkmale ungeeignet, selbst wenn kriminologisch erwiesen sein sollte, dass mit der Art und Weise der Lebensführung ein erhöhtes Risiko der Straftatbegehung verbunden ist. Letztlich können nur unrechts- bzw. schuldbezogene Unterschiede zwischen den Konstellationen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bewirken.432 Ist es zwar grundsätzlich der erhöhte Unrechts- und Schuldgehalt qualifizierter Taten, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt,433 kann in den vorliegenden Konstellationen (bspw. wenn neben die Qualifikationstatbestandserfüllung die Teilverwirklichung eines Rechtfertigungstatbestandes tritt) auf diese Begründung nicht rekurriert werden, da es wegen der kompensierenden Wirkung der unrechts-/ schuldmindernden Umstände an einem (im Vergleich zum Grunddelikt) erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt fehlt. 427
BVerfGE 51, 1, 26 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 15. Zu eng Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 469, mit einer zu engen Fokussierung auf den vom Gesetzgeber festgelegten Gesetzeszweck. 428 Eingehend dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 1. b) sowie D. I. 2. 429 Bei diesen ist es durchaus zulässig, die Ungleichbehandlung auf Gründe der Prävention zu stützen. 430 Also für die mit einer straftatbestandlichen Strafschärfung verbundenen Differenzierungen. 431 Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht für die Anwendung der allgemeinen in § 48 StGB a.F. enthaltenen (schärfenden) Rückfallvorschrift auch gefordert, dass das Gericht feststellt, dass dem Täter im konkreten Fall ein erhöhter Schuldvorwurf trifft; vgl. BVerfGE 50, 125, 134. 432 Aus der Maßgeblichkeit der Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes der Schuld schlussfolgert Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 28, dass die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auszuscheiden hat. Zumindest für den vorliegend interessierenden Bereich (gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung von Strafschärfungen) ist Heun zuzustimmen. 433 Insoweit wird die größere, und in Hinblick auf das Grunddelikt ungleiche, Eingriffsintensität durch den (im Vergleich zum Grunddelikt) höheren Unrechts- und Schuldgehalt der qualifizierten Taten gerechtfertigt. Ausführlich zur Rechtfertigung innerhalb der internen Deliktsgruppensystematik, Kapitel 5 § 13 D. I. 2.
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Auch ist der Tatbestand des qualifizierten Delikts, wenn er die Vertypung einer bloßen Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus beinhaltet (mithin lediglich eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung umschreibt), aus materialer Sicht nicht als neuer Unwerttypus zu begreifen. Die Ungleichbehandlung findet ihre Rechtfertigung daher auch nicht in der Wesensverschiedenheit der in Grunddelikt und qualifiziertem Delikt niedergelegten Unwerttypen.434 Somit bleibt als möglicherweise rechtfertigender Grund für die Ungleichbehandlung lediglich die Erfüllung des bzw. der qualifizierenden Tatbestandsmerkmale, mithin das Hinzutreten der entsprechenden Unrechtselemente, übrig. Im Vorhandensein dieses Elements liegt der Unterschied zwischen der qualifizierten Begehungsweise und der grunddeliktischen Verwirklichungsform. Geht – wie es in den umschriebenen Ausnahmefällen435 vorliegt – mit dem Hinzutreten dieser Unrechtselemente jedoch weder eine Wesensänderung des Unwerttypus, noch die Erhöhung des (Gesamt-)Unrechts-/Schuldgehalts einher, so kommt diesem Hinzutreten kein großes Gewicht zu. Es (scil. das Hinzutreten des Unrechtselements) vermag nicht ein deutliches Abheben der hier gegenständlichen Konstellationen436 von den grunddeliktischen Konstellationen zu bewirken. Die Unterschiede zwischen den Konstellationen sind dann, gerade aus der gebotenen schuldorientierten Perspektive,437 als sehr gering einzuschätzen. Diesem geringfügigen Unterschied gegenüber steht (in Abhängigkeit vom Sanktionssprung, den die Rechtsfolgenanordnung des qualifizierten Delikts vorsieht) eine Verschärfung der Strafdrohung (und damit verbunden die Ermächtigung zum stärkeren Grundrechtseingriff)438.439 Die im Gesetz festgelegte Unterscheidung 434 Zur rechtfertigenden Wirkung der Wesensverschiedenheit von Grunddelikt und qualifiziertem Delikt siehe Kapitel 5 § 13 D. I. 2. 435 Gemeint sind diejenigen Konstellationen, in denen massive unrechts- und damit schuldmindernde oder rein schuldminderne Umstände gegeben sind, welche die durch die Erfüllung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals induzierte Erhöhung von Unrecht sowie Schuld vollständig kompensieren. 436 Gemeint sind diejenigen Konstellationen, in denen massive unrechts- und damit schuldmindernde oder rein schuldminderne Umstände gegeben sind, welche die durch die Erfüllung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals induzierte Erhöhung von Unrecht sowie Schuld vollständig kompensieren. Beispielsweise ist dies der Fall bei der Teilverwirklichung von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen. 437 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 1. b) sowie D. I. 2. 438 Die Funktion der Straftatbestände als Ermächtigungsnormen herausstellend Appel, Verfassung und Strafe, S. 574; folgend Beck, Stammzellforschung und Strafrecht, S. 204; siehe auch Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 287. Siehe auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 709: Sanktionsnormteil der Strafnorm richtet sich an staatliche Instanzen und ermächtigt diese, in die Rechte des Betroffenen einzugreifen. 439 Deutlich zum Gegenüberstellen von Unterschieden und Ungleichbehandlung BVerfGE 87, 234, 255: „Die rechtliche Ungleichbehandlung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden.“; entsprechend für die Verhältnismäßigkeit i.e.S. Manssen, Grundrechte, Rn. 845: „Es muss abgewogen werden zwischen der Bedeutung der Unterschiede und der Bedeutung der Ungleichbehandlung. Maß und Gewicht der tatsächlichen Ungleichheit
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wirkt sich dabei in zweierlei Hinsicht unmittelbar auf die Sanktionierung des Täters aus. Einerseits auf die Primärsanktion, insoweit erfolgt die Verurteilung wegen Begehung des qualifizierten Delikts,440 womit ein verschärftes sozialethisches Unwerturteil verbunden ist. Andererseits bewirkt eine gesetzlich festgelegte Anhebung der Mindeststrafe den Wegfall der Möglichkeit der Geldstrafenverhängung und die Verkürzung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit.441 Insoweit handelt es sich nicht um bloß geringfügige Folgen, die mit der gesetzlichen Differenzierung verbunden sind. Je nach konkreter Ausgestaltung der Strafschärfung (mithin des Sanktionssprungs zwischen grunddeliktischer Rechtsfolgenanordnung und Rechtsfolgenanordnung des qualifizierten Delikts) kann die ungleiche Behandlung gravierend unterschiedliche Auswirkungen hinsichtlich der Grundrechte der Täter entfalten.442 Insoweit liegt aus grundrechtlicher Perspektive eine stark unterschiedliche Eingriffsintensität vor. Daher ist die Ungleichbehandlung nicht als bloß geringfügig zu qualifizieren. Ihr wohnt vielmehr eine erhebliche Schwere inne. Stellt man dieser schweren Ungleichbehandlung den bloß geringfügigen Unterschied zwischen den Sachverhalten gegenüber, so zeigt sich, dass Letzterer die gesetzlich vorgesehene Ungleichbehandlung nicht tragen kann. Mithin besteht zwischen den Konstellationen kein Unterschied solcher Art bzw. solchen Gewichts, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Die Ungleichbehandlung ist damit nicht gerechtfertigt. bb) Kein Entgegenstehen des Grundsatzes „Keine Gleichheit im Unrecht“ Freilich kann das Gleichheitssatz nicht greifen, wenn eine Gruppe gegenüber einer anderen in rechtswidriger Weise begünstigt wird (sog. Grundsatz „Keine […] müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Maß und Gewicht der rechtlichen Ungleichbehandlung stehen.“. Siehe dazu auch Epping, Grundrechte, Rn. 823: bei sog. internen Zwecken (Staat will gegebenen Unterschieden Rechnung tragen; siehe dazu die Übersicht bei Epping, a.a.O., Rn. 828) ist auf „[…] Art und Gewicht der bestehende[n] Unterschiede […]“ abzustellen. Teilweise wird auch die Begrifflichkeit des Abwägens verwandt, siehe Ipsen, Grundrechte, Rn. 808 (der insoweit die Anwendung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ablehnt; siehe Ipsen, a.a.O., Rn. 813 ff.). 440 Siehe nur Ott, in: KK-StPO, § 260 Rn. 30: qualifizierte Tatbestände sind (als Bestandteil der „rechtlichen Bezeichnung der Tat“ im Sinne des § 260 Abs. 4 S. 1 StPO) im Schuldspruch kenntlich zu machen. Siehe auch BGH, NStZ-RR 2007, 111 f.: Vorliegen im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen. 441 Darüber hinaus bewirkt die Strafrahmenverschiebung eine Verschärfung der „Strafenstaffel“, was für die Strafzumessung i.e.S. durchaus von Bedeutung ist. 442 Zu denken ist dabei u. a. an den Extremfall, bei dem der Strafrahmen des qualifizierten Delikts als Untergrenze eine Strafe von mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht (so bspw. bei § 129a Abs. 4 StGB, § 306b Abs. 2 StGB). Der Strafrahmenwechsel bewirkt dann einen Wegfall der Möglichkeit der Aussetzung (der Vollstreckung) der Freiheitsstrafe zur Bewährung. In diesem Fall resultiert aus der Strafrahmenverschiebung, dass der Täter einer stationären Maßnahme (Freiheitsentzug) nicht mehr entweichen kann. Es ist offensichtlich, dass dies in massiver Weise das in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG enthaltene Freiheitsrecht berührt.
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Gleichheit im Unrecht“).443 Insoweit kann aus Art. 3 GG keine rechtswidrige Besserstellung hergeleitet werden.444 Im Strafrecht bedeutet dies,445 dass einem Täter der Einwand abgeschnitten ist, dass anderer Taten mit gleich hohem oder gar höherem Unrechtsgehalt nicht oder milder bestraft werden.446 Vorliegend ist eine solche Situation jedoch nicht gegeben. So setzt der Grundsatz nämlich voraus, dass derjenige, der sich auf den allgemeinen Gleichheitssatz beruft, eine Position anstrebt, die ein anderer in rechtswidriger Weise innehat.447 Es muss letztlich der Vergleichsgruppe bzw. dem Vergleichssachverhalt in rechtswidriger Weise eine Begünstigung zuteil werden bzw. die Vergleichsgruppe bzw. der Vergleichssachverhalt in rechtswidriger Weise von einer Belastung verschont werden.448 Dies ist bei der vorliegend gewählten Vergleichsgruppe indes nicht der Fall, da diese in sachgerechter Weise dem Grundtatbestand und der darin enthaltenen Rechtsfolgenanordnung zugewiesen ist. An dieser Stelle zeigt sich nochmals, dass bei der Auswahl des Vergleichssachverhalts nicht auf diejenigen deliktischen Begehungsweisen abzustellen ist, welche aufgrund ihrer Schwere nach dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit dem qualifizierten Delikt „zuzuschlagen“ wären,449 sondern auf diejenigen, denen mit Blick auf ihre Tatschwere mit der grunddeliktischen Rechtsfolgenanordnung eine der Tatschwere angemessene und damit sachgerechte Strafdrohung zugeordnet ist. Ersteren ist (mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt) durch die bloße 443
Wilms, Grundrechte, Rn. 1035; aus der Rechtsprechung des Bunderverfassungsgerichts BVerfGE 50, 142, 166. Differenziert Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 46 ff. 444 Wilms, Grundrechte, Rn. 1035. 445 Kritisch zur Fassung dieser Konstellation unter den Topos „Keine Gleichheit um Unrecht“ Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1591 Fn. 930. Anders hingegen (d. h. Einordnung unter den Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“) BVerfGE 50, 142, 166; Bleckmann, Grundrechte, § 24 Rn. 130; Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179; wohl auch Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 213. 446 Vgl. BVerfGE 50, 142, 166; Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179; in der Sache auch Sachs, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 183 Rn. 115. Abweichend scheinbar – freilich mit Blick auf die Rechtslage in Österreich – Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 170 ff. unter der Topos „Zu-Wenig-Regelung“. 447 Besonders deutlich Bleckmann, Grundrechte, § 24 Rn. 130: „[…] nach den Prinzipien des Verbots der Gleichheit im Unrecht [kann] kein Bürger verlangen, daß er genauso behandelt wird wie ein Bürger, dem entgegen der Verfassung oder dem Gesetz ein Vorteil eingeräumt worden ist.“. 448 Vgl. dazu die Ausführungen von Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179 zum Grundsatz „Keine Gleichheits im Unrecht“: „Die Rechtswidrigkeit, der rechtliche „abusus“, ist kein tertium comparationis des Vergleichens und Wertens.“ [im Original teilweise hervorgehoben]. 449 Und welche daher durch die bloße grunddeliktische Erfassung eine (mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt) eigentlich zu milde Strafandrohung zugeordnet wird. In eine entsprechende Richtung geht jedoch die abzulehnende Argumentation von J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 34 f.
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grunddeliktische Erfassung eine eigentlich zu milde Strafandrohung gesetzlich zugeordnet. Ihre gesetzliche Behandlung ist damit nach bloßen Sachgerechtigkeitserwägungen nicht korrekt.450 Damit wäre die gleichheitssatzrechtliche Prüfung unter Verwendung dieser Konstellationen als Vergleichssachverhalt jedoch mit Blick auf den Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ (bzw., da es sich freilich nicht um eine Rechtswidrigkeit in eigentlichen Sinne, sondern eher um eine Sachwidrigkeit handelt,451 den in diesem Grundsatz enthaltenen Rechtsgedanken) zumindest angreifbar.452 Die – wie hier geschehene453 – Zugrundelegung der anderen Konstellationen (diejenigen, denen mit Blick auf ihre Tatschwere mit der grunddeliktischen Rechtsfolgenanordnung eine der Tatschwere angemessene und damit sachgerechte Strafdrohung zugeordnet ist) als Vergleichsgruppe beugt diesem Einwand vor, denn bei diesen ist die Zuordnung der grunddeliktischen Strafdrohung mit Blick auf die Tatschwere sachgerecht. Sie haben mithin eine sachgerechte Verortung in das Grunddelikt erhalten. Der Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ steht der 450 Freilich bedeutet dies nicht die Unzulässigkeit oder gar die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Ansonsten würde dies bedeuten, dass den Gesetzgeber die Pflicht träfe, sämtliche Formen der Deliktsverwirklichung, die eine der grunddeliktischen Rechtsfolgenandrohung nicht entsprechende Tatschwere nicht aufweisen, in einem qualifizierten Delikt zu erfassen. Schon mit Blick auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts, der auch in vertikaler Richtung gilt (vgl. Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 295), zeigt sich, dass dies nicht eine Vorgabe an den Strafgesetzgeber sein kann. Zudem ist Folgendes zu bedenken: Würde eine solche Vorgabe an die Ausformung der internen Deliktsgruppensystematik bestehen, so müsste sich der Gesetzgeber bei der Formulierung von Qualifikationstatbeständen gezwungenermaßen generalklauselartiger Formulierungen bedienen. Dass dies mit Blick auf den in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Bestimmtheitsgrundsatz, welcher auch für die Ebene des qualifizierten Delikts gilt (siehe Fischer, StGB, § 1 Rn. 7: auch die tatbestandlichen Elemente, die strafschärfend wirken, sind vom Bestimmtheitsgrundsatz erfasst; vgl. auch BGH, NJW 2004, 2990 ff. (zum mittlerweile aufgehobenen Qualifikationstatbestand § 370a AO); implizit auch BVerfG, NJW 2008, 3627, 3628), nicht richtig sein kann, da eine solche Vorgabe das Gebot präziser Tatbestandsformulierung torpedieren würde, ist nicht zweifelhaft. 451 Zutreffend insoweit Sachs, in: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1591 Fn. 930. 452 Wie sich bereits aus den Ausführungen in einer der vorangegangenen Fußnoten ergibt, kann dies zwar nicht auf das Argument der „Rechtswidrigkeit“ der gesetzlichen Behandlung der Vergleichssachverhalte gestützt werden. Jedoch könnte man auf die Idee kommen, das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung mittels des Rechtsgedankens aus „Keine Gleichheit im Unrecht“ zu erschüttern. Zweifeln begegnen daher die Ausführungen von J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 34 f.; J. Heinrichs Auffassung würde letztlich dazu führen, dass die bloße Unvollständigkeit eines Qualifikationstatbestandes zu dessen Gleichheitswidrigkeit führen würde. Dies hätte gravierende Folgen: Sobald eine Fallgruppe gebildet werden könnte, die in ihrem Unrechtsgewicht den qualifizierten Fallkonstellationen entspricht, wäre die Qualifikationsnorm aus Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr haltbar. Dann würde jedoch nicht nur eine Vielzahl der Qualifikationen der Verfassungswidrigkeit anheimfallen. Es wäre letztlich auch aus kriminalpolitischer Sicht kontraproduktiv, da der Gesetzgeber unter Geltung dieser Rechtsauffassung besser beraten wäre, von der Bildung qualifizierter Delikte vollends abzusehen. 453 Siehe Kapitel 5 § 13 D. II. 2.
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Verwendung der hier zugrundegelegten Vergleichssachverhalte somit nicht entgegen. Konkretisiert an einem Beispiel im Bereich der Tötungsdelikte bedeutet dies: Einer Heimtücketötung, welche in einer notstandsnahen Lage begangen wurde, ist als Vergleichssachverhalt eine einfache – ohne besondere unrechts-/schulderhöhende Momente erfolgte – Tötung (also eine „Durchschnittstötung“) gegenüberzustellen. Der Einwand „Keine Gleichheit im Unrecht“ kann bei dieser Modellierung der Vergleichsgruppen nicht greifen, da wohl kaum von einer unzutreffenden bzw. sachwidrigen Verortung der einfachen Tötung in § 212 Abs. 1 StGB ausgegangen werden kann. Anders liegt es hingegen bei einem Ansatz, welcher anhand der Lückenhaftigkeit des Mordtatbestandes (§ 211 StGB) den Vergleichssachverhalt bilden will. Dieser müsste letztlich besonders schwere Fallgruppen ausfindig machen, die nicht von § 211 StGB erfasst sind, dies aber nach dem Gesichtspunkt der verwirklichten Schuld sein müssten – bspw. die Fälle, in denen der Täter mit Überlegung besonders brutal vorgeht bzw. die (durch eine Handlung erfolgte) Mehrfachtötung. Diese Fallkonstellationen sind de jure dem Tatbestand der einfachen Tötung (§ 212 Abs. 1 StGB) zugeordnet, dürften ihrer Unrechts-/Schuldschwere nach jedoch den Konstellationen des Mordes gleichkommen.454 Gleichwohl bzw. gerade deswegen eignen sie sich nicht als Vergleichssachverhalte, da diese sachwidrige gesetzliche Lage der bloßen Totschlagsstrafbarkeit den Ausgangspunkt dafür bilden könnte (und sicher auch bilden würde), der Gleichheitsprüfung mittels des Arguments „Keine Gleichheit im Unrecht“ den Boden zu entziehen. Denn man könnte stets entgegenhalten, dass der herangezogenen Vergleichsgruppe (besonders gravierende Tötungen, die mangels Verwirklichung eines Mordmerkmals lediglich § 212 Abs. 1 StGB unterfallen) eine systemwidrige Privilegierung zukommt und man mittels einer gleichheitsrechtlichen Argumentation gerade nicht mit Erfolg eine Gleichstellung mit einer solchen beanspruchen kann. cc) Kein Spannungsverhältnis mit dem Gebot präziser Tatbestandsformulierung (Art. 103 Abs. 2 GG) Bei einer gleichheitssatzrechtlichen Überprüfung von Rechtsnormen darf indes nicht übersehen werden, dass jegliche Normsetzung, aufgrund der Notwendigkeit 454
Dies wird auch nur teilweise durch die u. U. erfolgende Annahme eines besonders schweren Falles der Tötung gemäß § 212 Abs. 2 StGB ausgeglichen. Zwar ist auch dann die „lebenslange Freiheitsstrafe“ vorgesehen, jedoch bleibt es bei der Primärsanktion des § 212 Abs. 1 StGB; es erfolgt gerade nicht die besonders stigmatisierende Kennzeichnung als Mord im Schuldspruch. Darüber hinaus – darauf hat Mitsch hingewiesen (siehe Mitsch, JZ 2008, 336 ff.; ders., in: AnwKomm-StGB, § 211 Rn. 6; siehe auch Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 71 ff.) – hat die Zuordnung von Fallgruppen der gravierenden Tötung zu § 212 Abs. 2 StGB den „Vorteil“, dass im Rahmen der Gesamtabwägung ggf. vorliegende unrechts-/schuldmindernde Umstände ein Absehen von der lebenslangen Freiheitsstrafe bewirken können, was beim Mordtatbestand nach den Buchstaben des Gesetzes gerade nicht vorgesehen ist.
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der Tatbestandsformulierung, mit Differenzierungen verbunden ist.455 Dass nicht sämtliche gleich gelagerte Fälle von einer Norm erfasst werden, liegt bereits in der durch die Normformulierung erfolgten Grenzziehung zwischen tatbestandlich erfassten und nicht tatbestandlich erfassten Fällen.456 Im Bereich des Strafrechts verstärkt sich diese Problematik dadurch,457 dass aufgrund des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG)458 eine besonders präzise Formulierung der Tatbestandsmerkmale verfassungsrechtlich notwendig ist459 und es dem Strafrecht dadurch nahezu immanent ist, Lücken aufzuweisen.460 Daher kann es nicht bereits einen 455
Entsprechend für den Bereich des Strafrechts BVerfGE 50, 142, 164 f.; siehe zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 252, 278; Siehe auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 62: „Diese sind zu möglichst klaren (Art. 103 Abs. 2!) Tatbestandsmerkmalen auszuformen, wodurch sie von nicht strafwürdigen Handlungen abgegrenzt werden, woraus fundamentale Differenzierungen resultieren.“. 456 Vgl. dazu BVerfG, NJW 1979, 1037, 1039: Rechtfertigung durch die Natur der Grenzziehung. Siehe dazu auch Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 252, 278 457 Dies erkennend BVerfGE 50, 142, 164 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 62. Siehe auch Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 278; für Österreich: Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 168 ff., der auf den „fragmentarischen Charakter“ des Strafrechts hinweist. Mit einem völlig anderen Ansatz hingegen Geerds, in: FS Engisch, S. 406, 419, der insoweit nicht von einem Spannungsverhältnis ausgeht, sondern davon, dass der Gleichheitsgrundsatz den Grundsatz der Bestimmbarkeit präzisiert, da er die Gleichbehandlung gleicher Taten gebietet. 458 Im Übrigen setzt sich diese Problematik auf der Ebene der Normanwendung fort; insoweit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Analogieverbot und Gleichheitsgebot; dazu Arzt, in: FS Stree/Wessels, S. 48, 53 ff.; zu diesem Spannungsverhältnis auch Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 176 ff., der insoweit in (dem Verdikt) der Gleichheitswidrigkeit der bestehenden Strafnorm die Kehrseite des Analogieverbots erblickt (Lewisch, a.a.O., S. 177). 459 Folgerichtig stellt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 50, 142 ff. im Rahmen der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auf das Bestimmtheitsgebot ab (siehe BVerfGE 50, 142, 164 f.). 460 Zu diesem Problembereich führt J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 55, aus: „Der lückenhafte Charakter des Strafrechts ist allerdings kein Selbstzweck. Vielmehr ist er die notwendige Konsequenz des Gesetzlichkeitsgrundsatzes. Vor dem Hintergrund der staatlichen Schutzaufgabe und des Grundsatzes der Rechtssetzungsgleichheit gilt es daher einen umfassenden strafrechtlichen Schutz zu gewährleisten.“ [Hervorhebung im Original]. Diese Ausführungen räumen dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG ein zu geringes Gewicht ein, weshalb sie abzulehnen sind. Sie führen überdies in Hinblick auf einzelne Fragestellungen im Bereich der qualifizierten Delikte zu untragbaren Ergebnissen, was sich in den Ausführungen Heinrichs an anderer Stelle zeigt (dazu J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 34 f.). Heinrichs dort formulierte Auffassung zu „Gleichheitsaspekten bei Strafschärfungen“ würde dazu führen, dass die bloße Unvollständigkeit eines Qualifikationstatbestandes zu dessen Gleichheitswidrigkeit führen würde. Dies hätte gravierende Folgen: Sobald eine (vom Qualifikationstatbestand nicht erfasste) Fallgruppe gebildet werden könnte, die in ihrem Unrechtsgewicht den qualifizierten Fallkonstellationen entspricht, wäre die Qualifikationsnorm aus Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr haltbar. Dann würde jedoch nicht nur eine Vielzahl der Qualifikationen der Verfassungswidrigkeit anheimfallen. Es wäre letztlich auch aus kriminalpolitischer Sicht kontra-
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Verstoß gegen den Art. 3 Abs. 1 GG darstellen, wenn die entsprechende Strafnorm nicht sämtliche Verhaltensweisen entsprechender Schwere erfasst.461 Für den Bereich qualifizierter Delikte bedeutet dies, dass es noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darstellt, wenn die Norm (mithin das qualifizierte Delikte) nicht sämtliche schwere Begehungsweisen eines Delikts erfasst.462 Mit der Lückenhaftigkeit des Anwendungsbereichs des qualifizierten Delikts kann daher die Verfassungswidrigkeit in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nicht begründet werden. Dies ist auch dahingehend einleuchtend, weil der Gesetzgeber unter dem Blickwinkel von Art. 3 Abs. 1 GG gerade nicht die zweckmäßigste oder vernünftigste gesetzliche Ausgestaltung „schuldet“, sondern lediglich eine solche, die die von Art. 3 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen beachtet.463 Da der allgemeine Gleichheitssatz jedoch dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum belässt,464 sind diese Grenzen relativ weit gezogen.465 Daher kann (selbst wenn man die strafrechtsspezifischen verfassungsrechtlichen Vorgaben [Bestimmtheitsgrundsatz; Fragmentarität] unberücksichtigt lässt) die bloße Lückenhaftigkeit einer Norm nicht genügen, um einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen. Freilich muss auch bei diesen Überlegungen der Blick geschärft werden. Das Gebot präziser Tatbestandsformulierung kann nicht pauschal herangezogen werden, um gesetzliche Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen. Es ist vielmehr zunächst herauszuarbeiten, in welchen Situationen das durch den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) vermittelte Gebot präziser Tatbestandsformung überhaupt zu Differenzierungen zwingt und diese zu rechtfertigen vermag.466 Letztlich geht es um den Anwendungsbereich dieser Rechtfertigungsargumentation. produktiv, da der Gesetzgeber unter Geltung dieser Rechtsauffassung besser beraten wäre, von der Bildung qualifizierter Delikte vollends abzusehen. 461 Vgl. hinsichtlich der (durch die Grundtatbestandsfassung erfolgenden) Unterscheidung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 353, der zutreffend auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts verweist. Zum problematischen Verhältnis zwischen Analogieverbot und Gleichheitssatz Arzt, in: FS Stree/Wessels, S. 48, 53 ff. 462 Letztlich liefert diese Argumentation damit die gleichen Ergebnisse bzw. Erkenntnisse wie der Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“. Nicht überzeugend sind insoweit die Ausführungen von J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 34 f. 463 Zutreffend hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Art. 3 Abs. 1 GG nicht verlangt, dass der Gesetzgeber die zweckmäßigste, gerechtestes oder vernünftigste Lösung wählt und infolgedessen lediglich zu überprüfen ist, ob der Gesetzgeber „[…] die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat […]“; siehe BVerfGE 68, 287, 301; 84, 348, 359; 110, 412, 436; folgend Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 52; Jarass/ Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 17; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 18). 464 Siehe dazu Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 18. 465 Siehe Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 52: weitgehende gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit. Ebenso bereits BVerfGE 78, 249, 287; 90, 22, 26. 466 Vgl. zur Heranziehung ddes Bestimmtheitsgebots auf der Rechtfertigungsebene BVerfGE 50, 142, 164 f.
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Betrachtet man die hier vorliegende Situation, so stehen auf der einen Seite die einfachen grunddeliktischen Verwirklichungsformen. Diesen steht als Vergleichssachverhalt gegenüber die Konstellation, in der der Täter den Tatbestand eines, eine bloße Unrechtsabwandlung beschreibenden, qualifizierten Delikts verwirklicht hat und zugleich erheblich unrechts- bzw. schuldmindernde Umstände gegeben sind.467 Das entscheidende Fehlen erheblicher Unterschiede zwischen den Vergleichssachverhalten468 beruht hier letztlich darauf, dass der Gesetzgeber im qualifizierten Delikt einen bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus umschrieben hat, mithin keinen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus.469 Damit ist es jedoch nicht die Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Regelung (mithin des qualifizierten Delikts) auf die entscheidend abgestellt wird, sondern die inhaltliche Ausgestaltung der bestehenden Regelung (genauer: die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine bloße Unrechtsmodifikation in Form eines qualifizierten Delikts vertypt hat).470 Es geht letztlich darum, dass aufgrund des materialen Gehalts des qualifizierten Delikts dieses sich nicht in sämtlichen Fällen entscheidend vom Grunddelikt abhebt und damit nicht in allen Fällen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (ggü. den grunddeliktischen Begehungsweisen) gegeben ist. Dieser vom Gesetzgeber in das qualifizierte Delikt hineingelegte materiale Gehalt steht jedoch, anders als eine etwaige Lückenhaftigkeit einer gesetzlichen Regelung, nicht im Zusammenhang mit der Notwendigkeit präziser Tatbestandsformulierung. Daher folgt vorliegend die Ungleichbehandlung nicht aus dem Spannungsverhältnis mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. Im Rahmen der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung spielt der Bestimmtheitsgrundsatz vorliegend daher keine Rolle. III. Beschränkung auf die Fälle, in denen bloße Unrechtssteigerungen (-modifikationen) in den Rang von Qualifikationstatbestandsmerkmalen erhoben werden Hat die gleichheitssatzrechtliche Prüfung ergeben, dass es an der erforderlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der gebildeten Vergleichssachverhalte471 fehlt, so ist nunmehr nochmals auf die Reichweite der gleichheitssatzrechtlichen Problematik einzugehen.
467 Sodass die Tat des Täters letztlich, wegen der kompensierenden Wirkung der unrechtssowie schuldmindernden Faktoren, in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt lediglich dem grunddeliktischen Unrecht bzw. der grunddeliktischen Schuld entspricht. 468 Zur Gegenüberstellung von Unterschieden und Ungleichbehandlung Kapitel 5 § 13 D. II. 4 b) aa). 469 Allgemein dazu Kapitel 4 § 11. 470 Siehe für Beispiele die umfangreichen Ausführungen in Kapitel 4 § 11 E. 471 Zu den Vergleichssachverhalten siehe Kapitel 5 § 13 D. II. 2.
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Besonderer Hervorhebung verdient es dabei zunächst, dass die hier herausgearbeiteten Spannungen in Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht sämtliche qualifizierte Delikte erfassen. Wie bereits mehrfach erwähnt, nötigt Art. 3 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht dazu, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gesetzliche Ausgestaltung zu wählen.472 Vielmehr ist ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum anzuerkennen und lediglich die Überschreitung der Grenzen dieses Spielraums zu überprüfen.473 Daher genügt das bloße Gefühl der ungerechten bzw. unstimmigen gesetzlichen Ausgestaltung eines qualifizierten Delikts nicht, um die Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen.474 Entscheidend ist vielmehr, ob für die Ungleichbehandlung der Vergleichssachverhalte eine genügende Rechtfertigung existiert. Da diese Rechtfertigung (im Bereich des Strafrechts) an Unterschiede im Bereich des Unrechts bzw. der Schuld anknüpfen muss,475 ist letztlich die Gegenüberstellung der in Grunddelikt und qualifiziertem Delikt umschriebenen Unwertsachverhalte entscheidend. Hier zeigt sich jedoch, dass bei Vertypung eines wesensfremden Unwerttypus im qualifizierten Delikt bereits die Wesensverschiedenheit (zwischen dem grunddeliktischen Unwerttypus und dem im qualifizierten Delikt niedergelegten Unwerttypus) einen solch großen Unterschied zwischen den Vergleichssachverhalten bedingt, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ausscheidet. Denn in einem solchen Fall verkörpern die beiden Vergleichssachverhalte zwei völlig verschiedene Unwerttypen, sodass die Unterschiede zwischen den Vergleichssachverhalten, unabhängig vom Vorliegen massiver unrechts- bzw. schuldmindernder Faktoren, da diese eine (Rück-)Umwandlung in den grunddeliktischen Unwerttypus nicht bewirken,476 deutlich überwiegen (ihnen mithin ein besonderes Gewicht zukommt) und letztlich die ungleiche Behandlung 472
BVerfGE 84, 348, 359; 110, 412, 436; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 17. Siehe dazu BVerfGE 68, 287, 301; 84, 348, 359; 110, 412, 436; folgend Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 52; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 15 ff. 474 Daraus folgend ergibt sich die Notwendigkeit einer eingehenden gleichheitssatzrechtlichen Prüfung, insb. die Erforderlichkeit der Benennung der Vergleichssachverhalte und die Ermittlung des anzuwendenden Rechtfertigungsmaßstabs. 475 Siehe zur strafrechtsspezifischen Ausgestaltung der Rechtfertigungsanforderungen Kapitel 5 § 13 D. I. 1. b) sowie D. I. 2. 476 Diese senken lediglich den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat. Sie können jedoch nicht das im qualifizierten Delikt erfasste aliud in den grunddeliktischen Unwerttypus umwandeln, da die wesenskernverändernden Elemente trotz Bestehens der unrechts-/schuldmindernden Umstände fortbestehen und damit das verwirklichte Unrecht vom grunddeliktischen Unrecht entscheidend abgrenzen (mithin dennoch den neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus konstituieren). Vgl. dazu die allgemeinen Ausführungen von Kaufmann, in: FS Klug, Band II, S. 277, 291: „Während Rechtfertigungsgründe (Erlaubnissätze) die Qualität einer tatbestandsmäßigen Tat dahin bestimmen, daß diese nicht rechtswidrig ist […], ändern Unrechtsminderungsgründe die Qualität einer Handlung als einer rechtswidrigen nicht. Sie hindern jedoch – gegebenenfalls – diejenige Quantität an Unrecht anzunehmen, die der tatbestandlich typisierten Unrechtshöhe und dem daran geknüpften Strafmaß entspricht.“ [im Original teilweise hervorgehoben]; folgend Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 410. Dies zeigt, dass das Vorliegen von unrechtsmindernden Faktoren allenfalls die Quantität, nicht jedoch die Qualität des Unrechts tangiert bzw. betrifft. 473
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
rechtfertigen. Von der Existienz der unrechts- bzw. schuldmindernden Umstände bleibt das Bestehen der wesenskernändernden Elemente unberührt,477 weshalb die Begründung des neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschiedenen, Unwerttypus nicht beeinflusst wird. Diese Verschiedenheit der Unwerttypen stellt damit gerade den maßgeblichen gewichtigen Unterschied zwischen den Vergleichssachverhalten dar und rechtfertigt die ungleiche Behandlung der Vergleichssachverhalte. Im Bereich der Diebstahlsdelikte beispielsweise ist die Ungleichbehandlung des Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) gegenüber dem einfachen Diebstahl (§ 242 StGB) gerechtfertigt, weil es sich bei ersterem um einen völlig andersartigen Unwertsachverhalt handelt. Das deliktische Geschehen beim Wohnungseinbruchsdiebstahl ist auch maßgeblich geprägt durch das Eindringen in den Kernbereich des Privat- und Intimlebens478 sowie etwaig hierauf aufbauende psychische Beeinträchtigungen des Betroffenen, wodurch sich letzten Endes eine Umwandlung in einen, dem einfachen Diebstahl wesensfremden – insoweit neuen – Unwerttypus vollzieht. Selbst wenn bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl i.S.v. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zusätzliche unrechts- und/oder schuldmindernde Umstände gegeben sein sollten, bleibt dieser dem einfachen Diebstahl wesensfremd. Unrechts-/Schuldminderungen können den vorliegenden qualitativen Unterschied zwischen beiden Delikten nicht beseitigen. Deshalb lässt sich die unterschiedliche Strafdrohung beider Delikte am Maßstab des allgemeinen Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG stets rechtfertigen, indem man auf die Vertypung zweier unterschiedlicher Unwerttypen abstellt. Damit zeigt sich, dass, wenn das qualifizierte Delikt einen neuen, wesensfremden Unwerttypus erfasst, die ungleiche Behandlung stets gerechtfertigt ist und sich infolgedessen keine gleichheitssatzrechtlichen Spannungen ergeben. Diese beschränken sich vielmehr auf diejenigen Qualifikationstatbestände, welche eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus umschreiben. Die vorliegend herausgearbeitete gleichheitssatzrechtliche Problemstellung kommt damit nur in Betracht, wenn ein qualifiziertes Delikt einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus nicht umschreibt. Sie kann daher nicht hinsichtlich sämtlicher qualifizierter Delikte in Ansatz gebracht werden.
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Vgl. dazu die allgemeinen Ausführungen von Kaufmann, in: FS Klug, Band II, S. 277, 291: „Während Rechtfertigungsgründe (Erlaubnissätze) die Qualität einer tatbestandsmäßigen Tat dahin bestimmen, daß diese nicht rechtswidrig ist […], ändern Unrechtsminderungsgründe die Qualität einer Handlung als einer rechtswidrigen nicht. Sie hindern jedoch – gegebenenfalls – diejenige Quantität an Unrecht anzunehmen, die der tatbestandlich typisierten Unrechtshöhe und dem daran geknüpften Strafmaß entspricht.“ (im Original teilweise hervorgehoben]; folgend Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 410. Dies zeigt, dass das Vorliegen von unrechtsmindernden Faktoren allenfalls die Quantität, nicht jedoch die Qualität des Unrechts tangiert bzw. betrifft. Die Wesenskernänderung bleibt daher auch bei Vorliegen der unrechtsmindernden Faktoren unberührt. 478 BGH, NStZ 2008, 514, 515; Fischer, StGB, § 244 Rn. 45.
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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IV. Ausnahmecharakter der gleichheitsrechtlichen Problematik; Einzelfallrelevanz Darüber hinaus fehlt die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nur in Ausnahmefällen – der Konflikt zwischen betroffener Qualifikation und allgemeinem Gleicheitssatz hat dementsprechend exzeptionellen Charakter.479 Grundsätzlich wird die unterschiedliche Rechtsfolgenzuordnung durch die, mit der Erfüllung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals einhergehenden, Erhöhung des Unrechts- und Schuldgehalts gegenüber der grunddeliktischen Begehungsweise gerechtfertigt.480 Liegen jedoch ausnahmsweise im konkreten Fall erhebliche unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren vor (namentlich sind dies die Fälle der Teilverwirklichung von Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungstatbeständen, bspw. das Handeln in einer notstandsnahen Lagen, oder auch die Fälle eines „affektbefangenen Handelns“481), so hebt sich die qualifizierte Begehungsweise (aufgrund der Kompensationswirkung dieser Faktoren482) in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nicht von der grunddeliktischen Begehungsweise ab. Damit entfällt jedoch, wie in der vorangegangenen Prüfung aufgezeigt,483 auch der rechtfertigende Grund für die Ungleichbehandlung. Die ungleiche Behandlung im Vergleich zur grunddeliktischen Begehungsweise kann damit mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gerechtfertigt werden. Dies führt freilich nicht automatisch zur Verfassungswidrigkeit des Qualifikationstatbestandes.484 Insoweit verbleibt es bei dem bereits fetsgestellten Ergebnis,485 479 Zur Unterscheidung zwischen „permanentem Konflikt“ zwischen Strafrechtsnorm und Verfassung und „exzeptionellem Konflikt „zwischen Strafrechtsnorm und Verfassung“ Eilsberger, JuS 1970, 321, 323 f. 480 Vgl. dazu auch Paulduro, Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, S. 281 f.; Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 20. Entsprechend für das Verhältnis zwischen Totschlag und Mord, LG Verden, NJW 1976, 980, 981: „Bei gleichem geschützten Rechtsgut ist die unterschiedliche Rechtsfolge verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn die in § 211 StGB geregelte Qualifizierung zwingend die Feststellung einer gegenüber dem Tatbestand des § 212 StGB erhöhten Schuld oder Gefährlichkeit des Täters zuläßt, denn aus dem Rechtsprinzip folgt, daß die angedrohte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zu dem Verschulden des Täters stehen muß […].“. 481 Zu dieser Fallgruppe und deren Bedeutung im Falle der Verwirklichung des Tatbestandes eines qualifizierten Delikts Klesczewski, in: Affekt und Strafrecht, S. 57 ff.; Klesczewski unterscheidet insoweit zwischen „unverschuldeter Affektentstehung“ (dann lediglich Bestrafung wegen des Grunddelikts) und „Vorverschulden bezüglich der Affektentstehung“ (dann Bestrafung wegen der Qualifikation, jedoch – im Grundsatz – Milderung des Sonderstrafrahmens entsprechend den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB), siehe Klesczewski, a.a.O., S. 98. Letzteres inzwischen in Hinblick auf § 211 StGB revidiert in Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 46 Fn. 134: Bestrafung aus § 212 Abs. 1 StGB. 482 Allgemein dazu Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 416 f. 483 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. II. 484 Allgemein zur entsprechenden Unterscheidung zwischen prinzipieller Verfassungsmäßigkeit einer Strafnorm und verfassungswidriger Verurteilung bzw. Einzelfallentscheidung aufgrund der Atypik des Einzelfalles Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz,
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
dass es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verboten ist, bloße Unrechtsmodifikationen (mithin bspw. rein quantitative Unrechtssteigerungen) in Form qualifizierter Delikte zu vertypen. Jedoch muss dem Gleichheitssatz dann bei der Normanwendung (im Einzelfall) Rechnung getragen werden. Zur Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung des Täters bedarf es dann der Vornahme einer verfassungskonformen Auslegung486 oder, für den Fall, dass eine solche nicht möglich ist, der verfassungskonformen Rechtsfortbildung487, wenn ausnahmsweise S. 373: Selbst wenn eine Norm regelmäßig eine bestimmte Lösung erlaubt (und diese verfassungskonform ist), kann eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Einzelentscheidung vorliegen; siehe auch ders., a.a.O., S. 841: Betonung der Unterscheidung zwischen abstraktgenereller Verfassungskonformität der Strafnorm und im Einzelfall verfassungwidriger Bestrafung; trotz prinzipieller Verfassungskonformität können sich im Einzelfall verfassungsrechtliche Spannungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles ergeben und eine Bestrafung des Betroffenen selbst bei Verhängung der Mindeststrafe unverhältnismäßig machen. Bezogen auf die hier herausgearbeitete gleichheitsrechtliche Problematik bedeutet dies: grundsätzlich ist die Erhöhung der Strafe mit Blick auf die (mit der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals einhergehende) Erhöhung von Unrecht (sowie Schuld) gleichheitssatzrechtlich gerechtfertigt und der Qualifikationstatbestand damit vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG; nur ausnahmsweise (nämlich bei vollständiger Kompensation dieser Unrechts-/Schuldsteigerung) kann eine Verurteilung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles gleichheitswidrig sein. Allgemein zur Unterscheidung zwischem „permanentem Konflikt“ und „exzeptionellem Konflikt“ zwischen Strafnorm und Grundgesetz Eilsberger, JuS 1970, 321, 323 f. 485 Siehe Kapitel 5 § 13 A. 486 Eine entsprechende Tendenz weist (freilich beschränkt auf den Mordtatbestand) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 211 StGB (BVerfGE 45, 187 ff.) auf. So hat das Gericht in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ausgeführt: „Jedoch heben sich bei der schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotenen restriktiven Auslegung […] die Mordqualifikation der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht unter dem Gesichtspunkt der Tatschwere und der Täterschuld so wesentlich von anderen Fällen der vorsätzlichen Tötung ab, daß die großen Unterschiede in den Strafandrohungen gerechtfertigt erscheinen.“ (BVerfGE 45, 187, 268). Insoweit wird der gleichheitswidrige Zustand durch die restrikte Auslegung der Mordmerkmale verhindert (so ausdrücklich Sachs, in: Isensee/Kirchof, HStR VIII, § 183 Rn. 115: „[…] die anderweitig begründete verfassungskonform-restriktive Auslegung des § 211 StGB [sorgte] zugleich für die Verträglichkeit des stark unterschiedlichen Strafmaßes für Mord […] und für Totschlag mit dem allgemeinen Gleichheitssatz.“; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 63), weshalb durchaus auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG von einer verfassungskonformen Auslegung gesprochen werden kann. 487 Bisher wurde dies primär in Bezug auf § 211 StGB erörtert bzw. angedeutet. Bezüglich der Unzulänglichkeit des Mordtatbestands in Hinblick auf den Gleichheitssatz verweist Scheinfeld auf die Möglichkeit der verfassungskonformen Normanwendung durch Vornahme einer negativen Typenkorrektur, siehe Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 76 ff.; in Ansatz ähnlich Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 10, welche zur Untermauerung der Notwendigkeit einer negativen Typenkorrektur vorbringen, dass mittels merkmalsspezifischer Einschränkungen nur gleichbehandlungswidrige Ausnahmen zu erreichen seien; siehe darüber hinaus die Ausführungen von Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 3 ff. Allgemein zur Problematik des Abweichens vom gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen (und dessen Mindeststrafenfestsetzung bzw. einer festgelegten absoluten Strafandrohung) aufgrund verfassungsrechtlicher Erfordernisse und der damit verbundenen Notwendigkeit der Zulassung
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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unrechts- und/oder schuldmindernde Umstände vorliegen, die eine solche Erheblichkeit aufweisen, dass sie die mit der Erfüllung der Qualifikationstatbestandsmerkmale verbundene Steigerung von Unrecht und/oder Schuld vollständig kompensieren. Damit zeigt sich bereits, dass nicht lediglich geringfügige oder mittelschwere Unrechts- und/oder Schuldminderungen genügen. Diese müssen vielmehr eine besondere Schwere aufweisen, sodass die vorgestellte gleichheitsrechtliche Problematik nur in Ausnahmefällen gegeben ist. Aufgrund der Notwendigkeit dieser vollständigen Kompensation hängt das Vorliegen einer gleichheitsrechtlichen Problematik auch von der mit der Erfüllung des qualifizierenden Merkmals verbundenen Unrechtsschwere(-steigerung) ab. Diese Anhebung der Unrechtsschwere wiederum leitet sich letztlich aus dem Unrechtsgehalt, welcher abstrakt im qualifizierenden Merkmal verkörpert ist, ab. Falls das qualifizierende Merkmal mit verschiedenen Graden an Unrecht verwirklicht werden kann, ist die konkrete Art und Weise der Erfüllung des Qualifikationstatbestandes von Relevanz. Vom konkreten qualifizierten Delikt losgelöste Grundlegungen bzw. Erörterungen können daher nur bis zu einem bestimmten Maße mit Präzision aufwarten. Sie geben dem Rechtsanwender daher „nur“, jedoch immerhin Leitlinien. Letztlich entscheidend bleiben daher der Einzelfall sowie die konkrete Ausgestaltung des qualifizierten Delikts. Als allgemeine Vorgabe lässt sich jedoch festhalten: Je höher der mit der Erfüllung des Qualifikationstatbestandsmerkmals verbundene Anstieg des Unrechtsgehalts (und damit Schuldgehalts) der Tat ist, desto schwerer müssen die unrechtsund/oder schuldmindernden Umstände wiegen, um die Rechtfertigung der ungleichen Bestrafung fraglich erscheinen zu lassen (und letztlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen). Einfluss hat daneben auch die Intensität der Ungleichbehandlung. Dies hat bereits die vorgenommene gleichheitsrechtliche Prüfung gezeigt.488 Je stärker die Ungleichbehandlung ist (d. h. je stärker die Strafschärfung, mithin der „Sanktionssprung“ zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt, ist), desto deutlicher zeichnet sich das Problem der möglicherweise bestehenden verfassungsrechtlichen Illegitimität der Strafschärfung ab. Es verwundert daher nicht, dass die geschilderten gleichheitsrechtlichen Spannungen erstmals im Bereich der Straftatbestände Totschlag und Mord (Sprung zur lebenslangen Freiheitsstrafe) ausgemacht worden sind.489 einer richterlichen Rechtsfortbildung (jedoch – anders als hier – unter Anknüpfung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 729 ff., 835 ff., 839 ff., 841 f. 488 Bei der Rechtfertigungsprüfung ist die Ungleichbehandlung den Unterschieden gegenüberzustellen. Bedeutung haben dabei auf Seiten der Ungleichbehandlung Art und Maß der ungleichen Behandlung (siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. II. 4.). In den vorliegenden Konstellationen ist damit insb. die Stärke des zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt bestehenden „Sanktionssprungs“ maßgeblich. 489 Siehe dazu die Richtervorlage des LG Verden, NJW 1976, 980, 981 f. sowie die entsprechende verfassungsgerichtliche Entscheidung BVerfGE 45, 187, 267 ff.; zur Renaissance
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E. Die negative Typenkorrektur als Ausweg I. Verwerfung der ungeeigneten Methoden Verbietet sich mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles die Verurteilung wegen Begehung des qualifizierten Delikts, so muss dem mittels entsprechender verfassungskonformer Rechtsanwendung Rechnung getragen werden. Fraglich ist freilich, wie die Umsetzung der gleichheitsrechtlichen Erwägungen praktisch erfolgen soll. Eine entsprechende, insoweit vorrangige, verfassungskonforme Auslegung scheitert bereits am entgegenstehenden Normwortlaut.490 Die Nichtanwendung des qualifizierten Delikts widerspricht dem Wortlaut der Norm, nach welchem die Erfüllung der Qualifikationstatbestandsmerkmale zwingend mit der Anwendung des Sonderstrafrahmens (sowie der Verurteilung wegen Begehung des qualifizierten Delikts) verknüpft ist.491 Eine solche Rechtsanwendung wäre infolgedessen nicht als Auslegung zu qualifizieren. Unabhängig davon ist jedoch bereits an dieser Stelle der Untersuchung darauf hinzuweisen, dass die in der vorliegenden Studie angestellten Erwägungen materialer Art – losgelöst von den soeben besprochenen „harten“ verfassungsrechtlichen Vorgaben492 – (bisher kaum genutzte) Ressourcen im Bereich der Auslegung qualifizierter Delikte aufzeigen.493 Werden diese genutzt, so kann sich daraus durchaus die Obsoledität einer verfassungskonformen Rechtsanwendung ergeben. Dies bedeutet letztlich Folgendes. Eine verfassungskonforme Auslegung ist zwar nicht möglich, jedoch kann durch entsprechend restriktiv wirkende494 vertikalsystematische Auslegung die Entstehung einer verfassungsinkonformen Lage bereits der Diskussion in jüngerer Vergangenheit Mitsch, JZ 2008, 336 ff.; ders., in: AnwKomm-StGB, § 211 Rn. 6 f. Implizit kommt dies auch bei Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 373, zum Ausdruck, der seine Typuskonzeption damit begründet, dass „[…] die vergröbernde gesetzliche Verwendung von Klassenbegriffen die rechtliche Ungleichbehandlung lebensgleicher Sachverhalte [fördert] […]“ und „[…] es bei der Strafzumessung im Tötungsstrafrecht umso näher [liegt], eine „individualisierende Berücksichtigung der konkreten Lage“ bzw. ein „gründliches Verstehen der Einzelerscheidung“ zu gewährleisten.“. 490 Insoweit bildet der Wortlaut der Norm im Rahmen der Auslegung eine unüberwindbare Grenze; vgl. nur Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 II Rn. 46: „[…] Wortsinn als Grenze der Auslegung […]“ [im Original hervorgehoben]. Dies gilt auch für die verfassungskonforme Auslegung, die damit nur innerhalb bzw. im Rahmen des Wortlauts zulässig ist; siehe dazu Schmidt, Grundrechte als verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 66 m.w.N. 491 Treffend wird in Hinblick auf qualifizierte Delikte konstatiert, dass diese „immer“ und „nur“ zur Anwendung des Sonderstrafrahmens führen, wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind; vgl Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 5: führen zwingend und abschließend zu einem Strafrahmenwechsel. 492 Welche die Vornahme einer verfassungskonformen Rechtsanwendung erzwingen. 493 Siehe dazu Kapitel 6. 494 Die vertikal-systematische Auslegung kann dabei Ausgangspunkt für die Beschränkung (des Anwendungsbereichs) eines qualifizierten Delikts auf die Fälle sein, die sich bei materialer Betrachtung als Verkörperung neuer, wesensfremder Unwerttypen darstellen.
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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von vornherein vermieden werden.495 Auf die soeben erwähnte – insoweit vorgelagerte – vertikal-systematische Auslegung wird noch an einer anderen Stelle der Untersuchung einzugehen sein.496 Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet damit aus. Als Ausweg bietet sich daher nur die Durchführung einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung an. Nicht möglich ist es dabei jedoch, die (in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG) erforderliche Ungleichheit (im Unrechts-/Schuldbereich) abstrakt als ungeschriebenes Merkmal des Qualifikationstatbestandes festzulegen. Ebensowenig können entsprechende Qualifikationstatbestandsmerkmale (mithin solche, die einen neuen, wesensfremden Unwerttypus nicht umschreiben) durch den Richter pauschal wie Regelbeispiele behandelt werden,497 denn dem steht die grundsätzliche Bindung des Richters an das Gesetz entgegen.498 Ein solches Vorgehen würde zudem dem Ausnahmecharakter der Problematik nicht gerecht werden, denn schließlich ist die Verurteilung aus dem qualifizierten Delikt in den allermeisten Fällen (wegen des höheren Unrechts- und Schuldgehalts entsprechender Taten) aus gleichheitsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die pauschale „Behandlung“ des Qualifikationstatbestandsmerkmals wie ein Regelbeispiel würde jedoch auch dann in die Normstruktur eingreifen, wenn dies aus verfassungsrechtlicher (genauer: gleichheitsrechtlicher) Sicht nicht zwingend geboten ist. Sie greift daher viel zu weit über das verfassungsrechtlich zwingend Erforderliche hinaus und würde eine nicht vertretbare nachhaltige Aufhebung der gesetzlich festgelegten Normstruktur (zwingende Verknüpfung von qualifizierendem Merkmal und Sonderstrafrahmen) bewirken. II. Geeignetheit dieser Methode zur Behebung der verfassungsrechtlichen Spannungen Jedoch ist es dem Richter unbenommen, in den hier relevanten Ausnahmefällen eine negative Typenkorrektur vorzunehmen.499 Diese bisher vornehmlich beim 495 Näher zum Verhältnis zwischen vertikal-systematischer Auslegung und negativer Typenkorrektur Kapitel 6 § 18. 496 Siehe dazu Kapitel 6. 497 Mithin der Erfüllung des Tatbestandes des qualifizierten Delikts bloße Indizwirkung beigemessen werden. 498 Vgl. dazu die entsprechende Feststellung von Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 83, hinsichtlich der Fälle der Vertypung bloßer Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus als qualifizierte Delikte. 499 Mit ähnlicher Tendenz (jedoch ohne die gleichheitsrechtliche Problemlage auszumachen) Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 83, für den Fall, dass das qualifizierte Delikt aus materialer Sicht lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung enthält und ein Strafrahmen für minder schwere Fälle fehlt. Für die Möglichkeit einer negativen Typenkorrektur auch bei anderen Qualifikationstatbeständen (also nicht nur Beschränkung auf den Mordtatbestand) wohl auch Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 77. Problembewusst in Hinblick auf die Anwendung
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Mordtatbestand erörterte Methode500 (die zudem verfassungsgerichtlich in Bezug auf den Mordtatbestand als gangbarer Weg bestätigt wurde)501 kann grundsätzlich auf die vorliegende Konstellation (Erfassung einer (rein) quantitativen Unrechtssteigerung (d. h. einer „[…] bloße[n] Modifikation des Grunddeliktsangriffs […]“502) in einem Qualifikationstatbestand) übertragen werden.503 Wenn das qualifizierte Delikt lediglich quantitativ schwereres Unrecht (ein bloßes „Mehr“) beinhaltet, so können unrechtsmindernde Umstände ohne weiteres dieses erhöhte Unrecht wieder aus-
von Qualifikationstatbeständen zeigt sich auch Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 55. Dieser meint, dass der Qualifikationsgrund so beschaffen sein muss, dass er die mit der Anwendung des Qualifikationstatbestandes verbundene Strafrahmenverschärfung trägt (Freund, a.a.O.). Wenn dies nicht der Fall ist, solle im Wege der teleologischen oder ratio-orientierten Interpretation bzw. teleologischen Reduktion die Bejahung der Qualifikation vermieden werden (Freund, a.a.O). 500 Die negative Typenkorrektur beim Mordtatbestand wird befürwortet von Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 10; Geilen, JR 1980, S. 309, 314; Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 83 (in Hinblick auf das Mordmerkmal der Heimtücke), § 2 Rn. 58 f.; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 278; Riess, NJW 1968, 628, 630; Saliger, ZStW 109 (1997), 302, 332 f.; Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 76 ff., der die Notwendigkeit der Vornahme einer negativen Typenkorrektur in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG hervorhebt; Sinn, in: SK-StGB [Stand: 133. Lfg. Juni 2012], § 211 Rn. 8; Rudolphi/Jäger, in: SK-StGB [144. Lfg. August 2014], § 1 Rn. 15; in der Sache auch Küpper, in: FS Kriele, S. 777, 793 f., der bei Vorliegen des Voraussetzungen des § 213 StGB auf § 212 Abs. 1 StGB zurückgreifen will (insoweit aufgrund des Entfallens der besonderen Verwerflichkeit). Eine entsprechende Tendenz findet sich auch in RGSt 76, 297, 299. Einen ähnlich Ansatz hat Günther, JR 1985, S. 268 ff., der bei Vorliegen eines Strafunrechtsausschließungsgrundes (bspw. einer qualifizierten Defensivnotlage) lediglich auf das „normale“ Tötungsunrecht des § 212 Abs. 1 StGB abstellen will, da das unrechtssteigernde Mordmerkmal und die unrechtsmindernden Rechtfertigungselemente sich insoweit einander kompensieren würden (siehe Günther, a.a.O., S. 275; dazu auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373 ff.; diesem Ansatz folgend Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 155 ff.). Die negative Typenkorrektur ablehnend BGHSt 9, 385, 389; 11, 139, 143; 30, 105, 115; Jähnke, in: LK-StGB, Vor § 211 Rn. 38; Küpper, Strafrecht BT I, § 1 Rn. 34; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 25; Neumann, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu § 211 Rn. 160, 163; Schneider, in: MKStGB, § 211 Rn. 38; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 133. Der negativen Typenkorrektur zuneigend Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 3 ff. 501 Vgl. BVerfGE 45, 187, 267. 502 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 83. 503 Ebenso (jedoch ohne die gleichheitsrechtliche Problemlage auszumachen) Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 83, 90. Eine entsprechende Tendenz zur Vornahme einer negativen Typenkorrektur (auch) bei anderen Qualifikationstatbeständen weist Scheinfeld, KannibalenFall, S. 77 auf. Im Falle der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen nimmt Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373 ff., Strafunrechtsausschluss bzgl. der Qualifikation an, weshalb der Grundtatbestand einschlägig sein soll (siehe Günther, a.a.O., S. 377 f.; sympathisierend wohl Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 179 f.; Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 407). Dem im Grundsatz folgend Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 163 f., der jedoch verkennt, dass ein Bedürfnis besteht für die Übertragung der zum Mordtatbestand entwickelten Grundsätze auf anderen Qualifikationstatbestände.
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gleichen.504 Insoweit besteht nämlich auch bei inhaltlicher Betrachtung ein enger Zusammenhang zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt (nämlich Wesensgleichheit). Es handelt sich gerade nicht um einen neuen, wesensfremden Unwerttypus, mithin liegt kein „aliud“ zum Grunddelikt vor.505 Ist eine solche Kompensation der, aus der Erfüllung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals entspringenden, Unrechts- und Schuldsteigerung eingetreten, so fehlt es an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für die Strafschärfung (sowie den, durch den Schuldspruch erfolgenden, stärkeren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht)506 in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).507 Dem muss in der Rechtsanwendung durch verfassungskonforme Rechtsfortbildung in Form der Durchführung einer negativen Typenkorrektur Rechnung getragen werden.508 Diese dient der Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung des Täters, indem sie die Anwendung des qualifizierten Delikts (und damit sowohl die Strafschärfung als auch den stärkeren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht)509 ausschließt.510 Eine negative Typenkorrektur – mithin der Ausschluss der Qualifikation – liegt dabei bspw. dann nahe, wenn es zu einer Teilverwirklichung eines Rechtferti504 Siehe zur entsprechenden kompensierenden Wirkung Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 416 f.: Kompensation von „[…] unrechtssteigernde[m] Merkmal und unrechtsmindernde[m] Rechtfertigungselement […]“. Im Ausgangspunkt Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 377. 505 Hingegen scheint es, wenn das Qualifikationsdelikt ein aliud zum Grunddelikt darstellt, sehr fraglich, ob unrechtsmindernde Faktoren zur Transformation des im Qualifikationstatbestand umschriebenen Unwerttypus in den grunddeliktischen Unwerttypus führen können. Es handelt sich nämlich – betrachtet man den sachlichen Gehalt – bei dem im qualifizierten Tatbestand niedergelgten Unwerttypus um „etwas anderes“. 506 Dieser liegt darin, dass im Schuldspruch anstelle der Verurteilung wegen Begehung des Grunddelikts die Verurteilung wegen Begehung des qualifizierten Delikts erfolgt. Ein entsprechender Hinweis findet sich bereits bei Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 374, der damit einen Strafunrechtsausschluss bzgl. der Qualifikation begründet. Allgemein zum Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch den Schuldspruch Lagodny, in; Menschenwürde als Rechtsbegriff, S. 73, 76. 507 Siehe dazu die eingehende gleichheitsrechtliche Prüfung in Kapitel 5 § 13 D. II. 508 Entsprechend für den Mordtatbestand Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 76 ff., der die Notwendigkeit der Vornahme einer negativen Typenkorrektur in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG hervorhebt. 509 Da sowohl der stärkere Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch (wenn auch abgeschwächt) die Strafschärfung bestehen bleiben, wenn der Gesetzgeber für den Fall des Vorliegens eines minder schweren Falles einen (weiteren) Sonderstrafrahmen vorgesehen hat (insoweit keine Auswirkung auf den Schuldspruch und Anwendung des gegenüber dem grunddeliktischen Strafrahmens verschärften Sonderstrafrahmens für minder schwere Fälle des qualifizierten Delikts), bestehen die aus dem Gleichheitssatz entwickelten Implikationen unabhängig davon, ob ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle existiert. 510 Das Potential der negativen Typenkorrektur beim Mordtatbestand in Hinblick auf die Vermeidung eines unzulässigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erkennend Scheinfeld, Kannibalen-Fall, S. 78 f.
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gungsgrundes511 gekommen ist.512 Gleiches – d. h. lediglich Bestrafung entsprechend dem Grunddelikt – ist anzunehmen, wenn die Handlung im Affekt erfolgte und die Affektentstehung unverschuldet gewesen ist.513 III. Allgemeine Ableitungen aus der Stellung als Mittel zur Herstellung von Verfassungskonformität Um der Gesetzesbindung des Richters genüge zu tun (mithin dem gesetzgeberischen Willen (zwingende Verknüpfung des entsprechenden Qualifikationsmerkmals mit dem Sonderstrafrahmen) hinreichend Beachtung zu zollen), ist bei der Entscheidung für eine negative Typenkorrektur jedoch Zurückhaltung geboten.514 Da die negative Typenkorrektur hier verfassungskonforme Rechtsfortbildung ist, muss mit der Nichtdurchführung der negativen Typenkorrektur stets der Eintritt eines verfassungswidrigen, im speziellen: gleichheitswidrigen, Zustands verbunden 511
Zur unrechtsmindernden Wirkung der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 155 f. 512 Eine entsprechende Erwägung (freilich in Bezug auf den Mordtatbestand) findet sich bei Günther, JR 1985, 268, 274 („Auch die Lehre von der negativen Typenkorrektur kann mittels der Notwehr- und Notstandsnähe der Tötung deren gesteigerte Verwerflichkeit widerlegen.“), der sich jedoch letztlich für eine Lösung auf der Rechtfertigungsebene ausspricht. Zur Übertragbarkeit dieses Ansatzes auf andere qualifizierte Delikte Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373 ff. Siehe auch Morris, Normative Restriktion des Heimtückebegriffs, S. 164 ff., der bei der Teilverwirklichung eines Rechtfertigungsgrundes die Erfüllung des Mordtatbestandes nur dann annimmt, „[…] wenn es bereits an den konstitutiven Rechtfertigungsgründen fehlt oder ansonsten das Maß der Teilverwirklichung so gering erscheint, dass jeweils von einer „kaum rechtmäßigen“ Tötung auszugehen ist.“ (Morris, a.a.O., S. 167). Prinzipiell geht Morris auch von der Übertragbarkeit des Ansatzes auf andere Delikte aus (siehe Morris, a.a.O., S. 163: „[…] lässt sich grundsätzlich auch bei anderen Straftatbeständen nutzbar machen.“; S. 164: „[…] keine Bedenken gegen die Übertragung dieses Ansatzes auf andere Straftatbestände […]“). Er geht jedoch fälschlicherweise davon aus, dass „[…] hierfür jedoch ein dringendes Bedürfnis [fehlt].“ (Morris, a.a.O., S. 164). Dem ist nicht zuzustimmen. Insoweit hat – wie bereits ausgeführt – die Verurteilung wegen des qualifizierten Delikts (und die damit verbundene Anwendung des Sonderstrafrahmens) täterbelastende Wirkung. Daher ist die „Teilverwirklichungslehre“ auch bei anderen qualifizierten Delikten anzuwenden (im Ergebnis wie hier Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 373 f., 377 f.), und zwar durch die Vornahme einer negativen Typenkorrektur in entsprechenden Fällen. 513 In der Sache bereits Klesczewski, in: Affekt und Strafrecht, S. 98. 514 Denn grundsätzlich ist der Richter an den Strafrahmen und die damit einhergehende VorBewertung des Richters gebunden. Anderes kann nur dann gelten, wenn die Rechtsanwendung nach den Buchstaben des Gesetzes zu einer verfassungswidrigen (bspw. gleichheitswidrigen) Verurteilung führt; vgl. auch Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 49: „Solange das Strafgesetz mit der Verfassung und anderen übergeordneten Normen übereinstimmt, muß der Richter […] seine eigene Wertauffassung jener des Gesetzgebers unterordnen […] auch dann, wenn er Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Strafrahmens hat […].“; „Stehen die jeweiligen Rahmenvoraussetzungen fest, so gibt es keinen Punkt – sieht man von der Verfassung ab –, von dem aus der Tatrichter die „Angemessenheit“ des gesetzlichen Rahmens für die Bewertung der konkreten Tat in Frage stellen könnte.“ (Horn, a.a.O., Rn. 64).
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sein.515 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist, wie bereits aufgezeigt,516 jedoch nur in Ausnahmefällen auszumachen. Folglich kann auch die negative Typenkorrektur nur in Ausnahmefällen in Ansatz kommen. Dies ist bei der Formung der entsprechenden (für die Durchführung der negativen Typenkorrektur entscheidungserheblichen) Kriterien zu berücksichtigen. Die Kriterien sind letztlich aus den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG abzuleiten. Die Durchführung einer negativen Typenkorrektur muss daher an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden und bestimmten Grenzen unterliegen.517 Ist dies der Fall, so stellt die negative Typenkorrektur – wie sich noch zeigen wird518 – eine zulässige verfassungskonforme Rechtsfortbildung praeter legem dar, durch welche das Spannungsverhältnis zwischen (richterlicher) Gesetzesbindung und verfassungsrechtlich zwingend gebotener Umsetzung der gleichheitsrechtlichen Vorgaben (Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung des Täters) sachgerecht aufgelöst wird. Ohne bereits zu weit vorzugreifen, lässt sich wohl allgemein Folgendes formulieren: Eine negative Typenkorrektur dürfte lediglich in den Fällen in Betracht kommen, bei denen (in aller Regel aufgrund des Vorliegens besonderer unrechts-/ schuldmindernder Faktoren) eine krasse Ungleichwertigkeit gegenüber dem Unrechtsgehalt eines neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus gegeben ist,519 mithin es besonders auffällig (resp. besonders evident520) ist, dass die Fallkonstellation nicht einem wesensfremden Unwerttypus (und dessen besonderen Unrechtsgehalt) gleichwertig ist und sie sich daher nicht entscheidend vom grunddeliktischen Unwertsachverhalt (und dessen Unrechts- sowie Schuldgehalt) abhebt. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen wird, der Täter sich jedoch in einer notstandsnahen Lage befunden hat.521 Entsprechendes dürfte für den Fall der heimtückischen Tötung gelten, wenn der Täter in einer notstandsnahen/-ähnlichen Lage handelt oder die Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands (§ 35 StGB) teilverwirklicht sind. In den aufgeführten Fällen zeigt sich, dass die mit dem jeweiligen qualifizierenden Tatbestandsmerkmal einhergehende Erhöhung von Unrecht und Schuld durch die 515 Anders gewendet: Die negative Typenkorrektur muss der Verhinderung eines gleichheitswidrigen Zustands dienen. Sie ist vorzunehmen, wenn ansonsten eine gleichheitswidrige (mithin gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende) Verurteilung erfolgen würde. 516 Eingehend dazu Kapitel 5 § 13 D. II., III. und insb. IV. 517 Eingehend dazu Kapitel 5 § 13 E. IV. 518 Siehe dazu insb. Kapitel 5 § 13 E. V. 519 Ggf. können dabei die gesetzlich normierten (dem Grunddelikt wesensverschiedenen) Unwerttypen als Vergleichspunkte herangezogen werden. 520 Ebenso für das Kriterium der Offensichtlichkeit im Rahmen einer „negativen Typenkorrektur“ (freilich beschränkt auf die Problematik im Bereich Mord – Totschlag) Riess, NJW 1968, 628, 630. 521 Zur Ablehnung der Verwirklichung dieser Qualifikation bei Handeln im „Affekt“ Klesczewski, in: Affekt und Strafrecht, S. 86 f.
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besonderen Tatumstände kompensiert wird. Es ist offensichtlich, dass diese Konstellationen nicht den jeweils gesetzlich erfassten neuen Unwerttypen (bei § 224 StGB bspw. der gemeinschaftlichen Begehung der Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten (Abs. 1 Nr. 4); bei § 211 StGB bspw. der Habgiertötung) und deren Unrechtsgehalt gleichwertig sind. Vielmehr zeigt sich im Verhältnis zu diesen ein wesentlich abgemilderter Unrechts-/Schuldgehalt, welcher eher dem der grunddeliktischen Begehungsweise entspricht. Stellt man der aufgeführten Konstellation der heimtücksichen Tötung in einer notstandsnahen/-ähnlichen Lage den besonderen Unwert der Habgiertötung, welcher durch die Verquickung von Schädigungs- mit Erwerbsunrecht gekennzeichnet ist, gegenüber, so zeigt sich, dass beiden Tötungsgeschehen ein völlig anderer Unwertgehalt zukommt. Selbiges ist zu konstatieren, wenn die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln (§ 211 Abs. 1 Gr. 2 Var. 3 StGB) in die Vergleichbetrachtung einbezogen wird: Das Maß des verschuldeten Unrechts einer solchen, welches gegenüber der einfachen Tötung (§ 212 StGB) erheblich durch die Wahl des „Tötungsmittels mit Breitenwirkung“522 und die damit verbundene potentielle Gefährdungssituation für Dritte523 erhöht ist, übersteigt bei weitem den Unrecht-/Schuldgehalt einer heimtückischen Tötung in notstandsnaher Lage. Die Ungleichwertigkeit zeigt sich hier besonders deutlich. IV. Qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite sowie Kritierien der negativen Typenkorrektur Der Grund für die Vornahme einer negativen Typenkorrektur ist, wie soeben festgestellt wurde, die Verhinderung eines gleichheitswidrigen Zustands, namentlich (in praxi) einer gleichheitswidrigen Verurteilung. Der negativen Typenkorrektur kommt daher der Charakter einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung zu. Sie leitet sich aus einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit ab. Daher bedarf es auch bei der Ausformung der maßgeblichen Kritierien einer verfassungsrechtlichen Rückanknüpfung. Die Kriterien sind – wie bereits gesagt – mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen zu gestalten. 1. Folgerung der qualifikationstatbestandsspezifischen Reichweite der Rechtsfigur der negativen Typenkorrektur aus der Reichweite der gleichheitsrechtlichen Problematik Zunächst sind diejenigen Fälle auszuscheiden, hinsichtlich derer aus Sicht des Gleichheitssatzes eine verfassungskonforme Rechtsanwendung nicht notwendig ist, da eine Verurteilung des Täters aus dem qualifizierten Delikt nicht gleichheitswidrig wäre. Untechnisch könnte man hier vom Anwendungsbereich der Rechtsfigur der 522
Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 121. Maßgeblich ist insofern die „Eignung zur Gefährdung Dritter in der konkreten Situation“, siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 123 m.w.N.; siehe dazu auch BGH, NStZ-RR 2010, 373, 374. 523
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negativen Typenkorrektur sprechen. Notwendig ist daher zunächst das Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Umstände. Wie die verfassungsrechtliche Prüfung anhand des Maßstabs des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben hat,524 kommt das Fehlen eines rechtfertigenden Grund nur dann in Betracht, wenn die mit der Erfüllung des qualifzierenden Tatbestandsmerkmals einhergehende Erhöhung von Unrecht und Schuld durch unrechts- und/oder schuldmindernde Faktoren kompensiert wird.525 Insoweit muss der Blick auf das bzw. die qualifizierende(n) Merkmal(e) und den in diesem/diesen verkörperten Unrechts-/Schuldanstieg sowie die unrechts-/schuldmindernde Wirkung der Sonderfaktoren gerichtet werden. Hierbei ist eine (wertende) „Saldierung“ vorzunehmen. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Durchführung einer negativen Typenkorrektur nicht bei sämtlichen qualifizierten Delikten in Frage kommt. Wie die Ausführungen zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen im Rahmen der internen Deliktsgruppensystematik ergeben haben, beschränkt sich eine gleichheitsrechtliche Rechtfertigung nicht auf die Rechtfertigungsgründe „Vorliegen erhöhten Unrechts“ bzw. „Vorliegen erhöhter Schuld“. Möglich ist es auch darauf abzustellen, dass es sich bei den im Grunddelikt einerseits und im qualifizierten Delikt andererseits umschriebenen Unrechtssachverhalten um wesensverschiedene Unwerttypen handelt. Besteht eine solche zweite „Rechtfertigungslinie“, dann hat folgerichtig eine negative Typenkorrektur auszuscheiden, wenn ein qualifziertes Delikt die Vertypung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus enthält. Denn bereits die Wesensverschiedenheit gegenüber dem grunddeliktischen Unwerttypus rechtfertigt in einem solchen Falle die ungleiche Behandlung in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG.526 Als Grundsatz ist damit Folgendes festzuhalten: Die negative Typenkorrektur kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn das qualifizierte Delikt einen neuen, wesensfremden Unwerttypus nicht beinhaltet, sondern lediglich eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus.527 Dies ist unproblematisch gegeben, wenn im Qualifikationstatbestand eine rein quantitative Unrechts- bzw. Schulderhöhung (bzw. eine sonstige bloße Modifikation des grunddeliktischen Unrechts) niedergelegt wurde. Kompliziert(er) wird es hingegen, wenn durch das qualifzierte Delikt sowohl Fälle quantitativer Unrechtssteigerungen als auch Fälle neuer, wesensverschiedener Unwerttypen erfasst werden (nach der vorliegend entwickelten Terminologie also eine ambivalente Komple-
524
Zur verfassungsrechtlichen Prüfung siehe Kapitel 5 § 13 D. II. Allgemein zu dieser kompensierenden Wirkung Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 377; Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 416 f. 526 Dass das „Mehr“ an Unrecht durch erhebliche unrechtsmindernde Momente kompensiert wird, ist in diesem Falle aufgrund dieser zweispurigen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung unerheblich, da die Wesensverschiedenheit bestehen bleibt. 527 Im Ergebnis ebenso Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 83, 90. 525
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mentärnorm528 vorliegt), was aufgrund der abstrakten Formulierung von Qualifikationstatbeständen vermehrt vorkommt. Bei solchen ambivalenten Qualifikationstatbeständen beschränkt sich – blickt man auf die einzelnen, dem Qualifikationstatbestand unterfallenden, Fallkonstellationen – die aufgezeigte gleichheitsrechtliche Problematik529 auf die Fallkonstellationen, die lediglich eine Ausformung/ Modifikation bzw. quantitative Steigerung des grunddeliktischen Unwerttypus bedeuten. Zu fragen ist damit letztlich danach, ob die den Tatbestand erfüllenden Umstände (d. h. die konkret gegebene „Fallkonstellation“) abstrahiert betrachtet in ihrer Gesamtheit als das „Bild“ eines neuen, wesenfremden Unwerttypus erscheinen. Wird dies bejaht, so ist die Vornahme einer negativen Typenkorrektur a priori ausgeschlossen, da bereits die Wesensverschiedenheit gegenüber dem Grunddelikt (bzw. dem in diesem enthaltenen Unwerttypus) die ungleiche Behandlung in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt. Diese Überlegungen dienen letztlich dem Ausschluss derjenigen Fallkonstellationen, die abstrahiert betrachtet einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttpyus darstellen und deshalb mit gleichheitssatzrechtlichen Spannungen nicht verbunden sind. Liegt ein ambivalentes qualifiziertes Delikt im o.g. Sinne vor, so ist also, und zwar bevor überhaupt die Durchführung einer negativen Typenkorrektur in Betracht gezogen wird, die o.g. Prüfung durchzuführen. Diese Prüfung gibt letztlich die qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite der Rechtsfigur der negativen Typenkorrektur wieder. Sie umschreibt mithin in abstrakter Weise die Grenze zwischen denjenigen, dem ambivalenten qualifizierten Delikt unterfallenden, Fallkonstellationen, die einer aufgrund des Gleichheitssatzes gebotenenen negativen Typenkorrektur zugänglich sind und denjenigen Fallkonstellationen, bei denen sich ein in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz ergebendes Erfordernis der Durchführung einer negativen Typenkorrektur aufgrund ihrer Eigenart von vornherein nicht stellt. Obiger Grundsatz kann damit wie folgt vervollständigt werden: Die negative Typenkorrektur kann (bei ambivalenten Komplementärnormen) nur dann zur Anwendung kommen, soweit das qualifizierte Delikt einen neuen, wesensfremden Unwerttypus nicht beinhaltet, sondern lediglich eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus. Die soeben entwickelte Abgrenzung zeigt sich besonders anschaulich bei der in § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB enthaltenen qualifizierten Begehung der Verletzung von Privatgeheimnissen. Voraussetzung dieser Qualifikation ist, dass der Täter das fremde Geheimnis in der Absicht offenbart, einen anderen zu schädigen. Angesichts der Mannigfaltigkeit etwaiger Schädigungsziele – insoweit kommt nach dem Normwortlaut neben der finanziellen Schädigung beispielsweise auch die „einfache“ Bloßstellung in Betracht – enthält dieser Qualifikationstatbestand völlig unter528 529
stellt.
Eingehend dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 5. Welche sich bei Vorliegen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren
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schiedliche Konstallationen, wovon sich namentlich die angesprochene (beabsichtigte) Bloßstellung des Betroffenen lediglich als reale Folge der grundtatbestandlich erfassten Verletzung des Geheimhaltungsinteresses darstellt. Zielt der Täter mit der Geheimnisoffenbarung auf die Bloßstellung des Opfers, so verwirklicht er in der Sache keinen eigenständigen Unwert, wenn der potentiell bloßstellende Charakter der Information gerade das Geheimhaltungsinteresse und damit die Unterschutzstellung begründet. Es stellt sich allenfalls als eine Steigerung des grunddeliktischen Unrechts dar. Strebt der Täter hingegen die finanzielle Schädigung des Betroffenen an, so stellt sich dies als neuer, wesensfremder Unwerttypus dar, weil in diesem Falle ein völlig anderes – grunddeliktsfremdes – Rechtsgut, nämlich das Vermögen, betroffen ist. Deshalb wurde diese Qualifikation (§ 203 Abs. 5 Var. 3 StGB) bereits an anderer Stelle dieser Untersuchung als sog. ambivalente Komplementärnorm eingeordnet.530 Mit Blick auf die nun thematisierte qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite der negativen Typenkorrektur folgt daraus, dass eine solche bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Täter mit seiner Geheimnisoffenbarung eine Bloßstellung des Betroffenen beabsichtigt (die Konstellation sich also als bloße Steigerung des grunddeliktischen Unrechts darstellt). Strebt er hingegen die Schädigung in einem anderen Lebensbereich an (bspw. Vermögen) an, so scheidet die negative Typenkorrektur von vornherein aus. Denn die negative Typenkorrektur kann (bei einer ambivalenten Komplementärnorm wie dieser) nur dann zur Anwendung kommen, soweit das qualifizierte Delikt einen neuen, wesensfremden Unwerttypus nicht beinhaltet, sondern lediglich eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus. Im Falle der Geheimnisoffenbarung in der Absicht einer Vermögensschädigung können daher auch massive unrechts- und/ oder schuldmindernde Faktoren eine negative Typenkorrektur mit der Folge der bloßen Anwendung von Grunddelikt nebst Regelstrafrahmen (und Schuldspruch entsprechend dem Grunddelikt) nicht rechtfertigen. Es bleibt in diesen Fällen bei der Bestrafung aus dem qualifizierten Delikt. Maßgeblich für die Anwendung der erarbeiteten Grundsätze ist daher die jeweils einschlägige Qualifikationsnorm, was diese Ausführungen aufzeigen und am Beispiel verdeutlichen sollen. Wie bei vielen anderen Komplementärnormen ist es jedoch auch bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB möglich – insoweit einer negativen Typenkorrektur vorgeschaltet und diese teilweise überflüssig machend – mittels einengender vertikal-systematischer Auslegung bestimmte Konstellationen aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts auszuscheiden,531 sodass bei diesen von vornherein aufgrund der damit einhergehenden Zuordnung zum Grunddelikt die verfassungsrechtliche, genauer: gleichheitsrechtliche, Notwendigkeit einer negativen Typenkorrektur entfällt. Der damit angeklungene Vorrang der vertikal-systematischen Auslegung soll im nächsten Abschnitt behandelt werden.
530 531
Siehe dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 5. Eingehend wird dies aufgezeigt in Kapitel 7 § 20.
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2. Vorrang der vertikal-systematischen Auslegung Wie soeben angedeutet, stehen die Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten zur Durchführung einer negativen Typenkorrektur unter einem Vorbehalt. Soweit es möglich ist, sollte vorrangig eine entsprechend enge Auslegung vorgenommen werden, sodass der Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestandes lediglich die neuen Unwerttypen (qualitativ anderes Unrecht) erfasst (insoweit als Auslegung anhand der (materiellen) vertikalen Deliktsgruppensystematik).532 Nur wenn bzw. soweit dies nicht möglich ist (beispielsweise wenn der eindeutige gesetzgeberische Wille einer solchen engen Auslegung klar entgegensteht),533 kommt überhaupt die Vornahme der oben beschriebenen negativen Typenkorrektur in Betracht. Insoweit kommt der (engen) Auslegung der Vorrang vor der als Rechtsfortbildung einzuordnenden negativen Typenkorrektur zu. Auf diesen Punkt soll an späterer Stelle nochmals eingangen werden.534 Gleichwohl soll bereits an dieser Stelle der Untersuchung eine kurze Veranschaulichung anhand eines Beispiels erfolgen. Nach der geläufigen Auslegung des Mordmerkmals der Mordlust soll diese bei einer Tötung gegeben sein, bei der der Tod des Opfers als solcher der einzige Zweck der Tat ist, insbesondere wenn der Täter allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschen handelt.535 Damit erfasst dieses Merkmal eine Vielzahl unterschiedlicher Fallgestaltungen und nach herrschender Auslegung u. a. diejenige, in der der Täter ohne besonderen Anlass tötet.536 Letztgenannte Konstellation unterscheidet sich im Ansatz kaum von der einer einfachen Tötung,537 da auch diese stets mit der Entscheidung über Leben und Tod verbunden ist.538 Sie umschreibt damit keinen neuen, dem einfachen Totschlag wesensfremden 532 Begründet werden kann dies damit, dass die Auslegung des Merkmals dem Charakter als Qualifikationstatbestand gerecht werden muss, mithin der formalen Gesetzesfassung (Ausgestaltung als qualifiziertes Delikt/Qualifikationstatbestand) eine entsprechende materielle (inhaltliche) „Unterfütterung“ (Konkretisierung des Merkmals am „Idealbild“ des qualifizierten Delikts (Vertypung eines wesensverschiedenen Unwerttypus) zu folgen hat. 533 Ausführlich zu den einzelnen Fallgruppen Kapitel 6 § 17 E. III. 1. und 2. 534 Dazu Kapitel 6 § 18. 535 BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 1994, 2629, 2630; 2002, 382, 384; siehe auch BGH, NStZ 2007, 522, 523. Die Definition des Bundesgerichtshofs wird von weiten Teilen des Schrifttums geteilt, siehe Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49; mit geringfügigen Einschränkungen folgend Rössner/Wenkel, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22; enger jedoch Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 40, die ein „lustvolles oder mindestens freudvolles Erleben des Tötungsaktes“ fordern; dies explizit ablehnend Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 51 Fn. 145. 536 Siehe Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31. 537 Insgesamt kritisch auch Saliger, StV 2003, 38, 41. 538 Dazu, dass jede vorsätzliche Tötung eine Entscheidung über Leben und Tod beinhaltet: Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42; Saliger, StV 2003, 38, 41. Mit entsprechender Tendenz auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 39.
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Unwerttypus. Grundsätzlich lässt sich die Strafschärfung für die Mordlust-Tötung (auch in diesen Fällen der anlasslosen Tötung) zwar mit der Unrechts-/Schuldsteigerung, welche mit dem besonderen Motiv der Mordlust verbunden ist, rechtfertigen. Die Verurteilung des Täters zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wirft jedoch dann verfassungsrechtliche Probleme auf, wenn zugleich massive unrechts- und/oder schuldmindernde Umstände vorliegen. Mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sind die mit § 211 StGB verbundene verschärfte Primär- und Sekundärsanktion in diesen Fällen problematisch, da in diesen Konstellationen die mit der Verwirklichung des Mordmerkmals der Mordlust einhergehende Unrechts-/Schuldsteigerung vollständig kompensiert wird und das verschuldete Unrecht damit letztlich dem einer einfachen Tötung entspricht. Um diese Spannungslage zu vermeiden, kann es durchaus sinnvoll sein, das Eingreifen des Mordmerkmals der Mordlust von vornherein auf solche Konstellationen zu beschränken, die einen neuen, dem einfachen Totschlag wesensfremden, Unwerttypus abbilden. Ausgangspunkt einer solchen vertikal-systematischen Überlegung ist der Gesetzeswortlaut. Wie noch ausführlich dargstellt werden wird, kann das qualifizierende Merkmal der Mordlust im Rahmen einer Auslegung durchaus als Erwerbsunrechts-Element begriffen werden, was eine wesentliche und qualitative Umformung des grunddeliktischen Schädigungsunrechts des Totschlags bewirkt.539 Die damit verbundene Konturierung dieses Mordmerkmals lässt zugleich die in den aufgeführten Sonderkonstellationen auftretenden gleichheitsrechtlichen Spannungen verschwinden, da sie bewirkt, dass das Mordmerkmal der Mordlust stets einen neuen, dem einfachen Totschlag fremden, Unwerttypus abbildet und sie damit eine stete Rechtfertigung für die ungleiche Behandlung (lebenslange Freiheitstafe nebst Mord-Schuldspruch anstatt der Anwendung des Strafrahmens des § 212 Abs. 1 StGB nebst Totschlag-Schuldspruch) bereitstellt. Denn selbst im Falle einer vollständigen Kompensation der Unrecht-/Schuldsteigerung wegen besonderer mildernder Umstände verbleibt dann die Wesensverschiedenheit zwischen der einfachen Tötung und der (so verstandenen) Mordlust-Tötung als rechtfertigender Grund für die ungleiche Behandlung beider Sachverhalte. Die unterschiedliche Bestrafung des Täters beruht dann auf der Wesensverschiedenheit beider Delikte (einfache Tötung einerseits, Mordlust-Tötung andererseits), sodass es eines Rückgriffs auf Unterschiede im Bereich der „Unrechtshöhe“ nicht bedarf. Zum Verhältnis zwischen enger vertikal-systematischer Auslegung und Rechtsfortbildung in Form der negativen Typenkorrektur ist abschließend zu bemerken: Im Wesentlichen kommt der negativen Typenkorrektur dann Bedeutung zu, wenn und soweit eine vertikal systematische Auslegung nicht zu einer engeren Auslegung des Qualifikationstatbestandes führen kann, weil damit die Grenzen zulässiger Auslegungstätigkeit des Rechtsanwenders überschritten werden würden. Hauptanwendungsfall hierfür dürfte sein, dass der eindeutige Wille des Gesetzgebers einer
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Siehe die Ausführungen in Kapitel 7 § 21 B.
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einengenden Auslegung des jeweiligen qualifizierten Delikts (und seiner Tatbestandsmerkmale) klar entgegensteht. 3. Die maßgeblichen Kriterien Im Anschluss an den beschriebenen ersten Prüfungsschritt erfolgt die Durchführung einer negativen Typenkorrektur anhand festgelegter Kriterien. Dabei ist der konkrete Einzelfall in den Blick zu nehmen. Diesem ist ein bestimmter Bezugpunkt gegenüberzustellen. Hierbei ist auf den – freilich recht abstrakten – Idealtypus des wesensfremden Unwerttypus abzustellen. Wie die Ausführungen zum gleichheitsrechtlichen Ordnungsrahmen gezeigt haben, geht die Normierung eines wesensfremden Unwerttypus in der Form eines Qualifikationstatbestandes ohne weiteres konform mit den Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes an die interne Deliktsgruppensystematik. Bereits die Wesensverschiedenheit vermag die Strafschärfung zu rechtfertigen540 und zwar – da kompensationsresistent541 – auch dann, wenn erhebliche unrechts- oder schuldmindernde Faktoren im Einzelfall gegeben sind.542 Insoweit beinhaltet die Niederlegung eines neuen, wesensfremden Unwertypus in ein qualifiziertes Delikt eine zweispurige gleichheitsrechtliche Rechtfertigung und hebt sich damit von der Normierung bloßer grunddeliktischer Modifikationen ab. Neben die mit der Erfüllung der qualifizierenden Merkmale einhergehende Vermehrung von Unrecht und Schuld tritt die Wesensverschiedenheit des vertypten Unrechts. Vom gleichheitsrechtlichen Blickpunkt aus ist es daher statthaft, den wesensfremden Unwerttypus als Idealbild der Regelungstechnik Qualifikationstatbestand anzusehen, mithin als ideales materiales Pendant zur formalen Struktur des qualifizierten Delikts (wenngleich, dies soll nochmals betont werden, es grundsätzlich durchaus auch zulässig ist, Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus in ein qualifiziertes Delikt zu fassen; ein solches Vorgehen ist im Grundsatz also nicht verfassungswidrig).
540 Tritt also neben den Rechtfertigungsgrund des, aus der Erfüllung der qualifizierenden Tatbestandsmerkmale resultierenden, erhöhten Unrechts- und/oder Schuldgehalts. 541 Die unrechtsmindernden Momente (bspw. die Teilverwirklichung eines Rechtfertigungstatbestandes) kompensieren lediglich das erhöhte Unrecht (mithin die Quantität), nicht jedoch ändern sie etwas an der anderen Qualität des im qualifizierten Delikt umschriebenen Unrechts. Mit entsprechender Tendenz Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 410; siehe auch Kaufmann, in: FS Klug, Band II, S. 277, 291: „Während Rechtfertigungsgründe (Erlaubnissätze) die Qualität einer tatbestandsmäßigen Tat dahin bestimmen, daß diese nicht rechtswidrig ist […], ändern Unrechtsminderungsgründe die Qualität einer Handlung als einer rechtswidrigen nicht. Sie hindern jedoch – gegebenenfalls – diejenige Quantität an Unrecht anzunehmen, die der tatbestandlich typisierten Unrechtshöhe und dem daran geknüpften Strafmaß entspricht.“ (im Original teilweise hervorgehoben]. 542 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 2. sowie II. 4. b).
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Damit ist als Bezugspunkt der wesensfremde Unwerttypus ausgemacht. Dieser ist dem konkreten Fall gegenüberzustellen. Dabei kann es letzten Endes nur um die Feststellung gehen, ob der konkrete Fall dem wesenfremden Unwerttypus gleichwertig oder ungleichwertig ist. Damit ist jedoch die Herausarbeitung dieses Kriteriums nicht beendet, denn insoweit muss bei einer solch wichtigen Stellschraube auch die richterliche Gesetzesbindung Berücksichtigung finden. Es ist daher im Rahmen der Prüfung der Vornahme einer negativen Typenkorrektur von einer Vermutung der Gleichwertigkeit auszugehen, was auch dem Ausnahmecharakter der Rechtsfigur entspricht. Würde man dies nicht tun, käme es zu einer untragbaren (und gegen die richterliche Gesetzesbindung verstoßenden) Aufweichung des Normgefüges zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Delikt. Insoweit (also wegen der Bindung des Richters an das Gesetz) darf die Kriterienbildung nicht letztlich dazu führen, dass der Qualifikationstatbestand zur freien Disposition des Rechtsanwenders gestellt wird. Notwendig ist daher die Aufstellung entsprechend hoher Anforderungen. Seine prüfungstechnische Umsetzung findet dies darin, dass neben die Ungleichwertigkeit des konkreten Falles das Erfordernis der Evidenz dieser Ungleichwertigkeit tritt, mithin die Vornahme einer negativen Typenkorrektur voraussetzt, dass der konkrete Fall einem neuen, wesensfremden Unwerttypus (bzw. dessen Unrechts-/Schuldgehalt) evident ungleichwertig ist (mithin diesem in offensichtlicher Weise, mithin augenscheinlich, nicht entspricht). Soweit vorhanden können dabei die im Bereich derselben Deliktsgruppe normierten, dem Grunddelikt der Deliktsgruppe wesensfremden, Unwerttypen zur Konkretisierung des Bezugspunktes dienen. Aufgrund der Voraussetzung der Evidenz ist es erforderlich, dass die Ungleichwertigkeit des konkreten Falles mit dem eines neuen, wesensfremden Unwerttypus offensichtlich, mithin „greifbar“ bzw. besonders auffällig, ist. Durch das Abstellen auf den konkreten Fall lassen sich die Fallkonstellationen hier nicht abschließend aufführen. Jedoch ist auch hier nicht nur das Maß der Unrechts- bzw. Schuldminderung entscheidend, sondern auch das Maß der Unrechts- bzw. Schuldsteigerung, welches mit der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des qualifzierten Delikts einhergeht. Letzteres wiederum leitet sich aus dem abstrakten Unrechts-/Schuldgehalt des jeweiligen Merkmals und dem konkreten Unrechts-/ Schuldgehalt der konkreten Merkmalsverwirklichung ab. Je höher die, durch die Verwirklichung des qualifizierenden Elements verursachte, Unrechts- bzw. Schuldsteigerung (gegenüber der grunddeliktischen Begehungsweise) ist, desto stärker muss die unrechts- bzw. schuldmindernde Wirkung der mildernden Umstände sein, um das Merkmal der evidenten Ungleichwertigkeit zu erfüllen und ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung (Bestrafung aus dem Sonderstrafrahmen des Qualifikationstabestandes) durch verfassungskonforme Rechtsfortbildung zu rechtfertigen (bzw. in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zwingend erforderlich zu machen). Als (in Richtung des Grundtatbestandes zielende) Kontrollfrage könnte man formulieren: „Besteht zwischen dem konkreten Fall und dem im Grunddelikt umschriebenen Unwertsachverhalt aufgrund der Kompensation der, mit der Erfüllung
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der qualifizierenden Merkmale einhergehenden Unrechts- bzw. Schuldsteigerung durch erhebliche unrechts- bzw. schuldmindernde Umstände eine wertungsmäßige Gleichheit?“. Letztlich dürften diese Kriterien nur im Ausnahmefall erfüllt sein. V. Die negative Typenkorrektur als zulässige verfassungskonforme Rechtsfortbildung Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass eine so verstandene negative Typenkorrektur eine zulässige (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung ist. Insoweit erfolgt eine Prüfung des vorgestellten Lösungswegs anhand der bereits an anderer Stelle aufgeführten Voraussetzungen. 1. Lückenfeststellung und -ausfüllung Das Bestehen einer Lücke, mithin einer „planwidrigen Unvollständigkeit“, ist die (erste) Voraussetzung für eine (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung praeter legem.543 Als Maßstab ist dabei die Gesamtrechtsordnung, mithin insb. die Verfassung, heranzuziehen.544 Insoweit muss zunächst eine Ergänzungsbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung in Hinblick auf verfassungsrechtliche Anforderungen festgestellt werden.545 Die Vornahme der verfassungskonformen Rechtsfortbildung muss also der Vermeidung eines verfassungswidrigen Zustands dienen, d. h. ohne Vornahme der verfassungskonformen Rechtsfortbildung ein verfassungwidriger Zustand eintreten.546 Wie ausführlich dargestellt wurde,547 ist die Verurteilung aus einem qualifizierten Delikt gleichheitswidrig, wenn im qualifizierten Delikt ein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus nicht vertypt worden ist548 und 543
Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53; ausführlich Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 82 ff. Auch eine Gesetzeslücke fordernd Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 235 ff., 242; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191 ff.; in der Sache gleich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 220 ff., 224 ff. 544 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53. Siehe auch Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242 f.: „teleologisch erlaubte Gesetzeskorrektur“ zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes (wenn ein Gesetz unvereinbar mit der Verfassung ist). 545 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53. Nach Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 243 „[…] setzt die verfassungskonforme Korrektur voraus, daß das Gesetz, so wie es erlassen worden ist, mit der Verfassung nicht zu vereinbaren ist.“. 546 Vgl. Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242 f.: „teleologisch erlaubte Gesetzeskorrektur“ zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes (wenn ein Gesetz unvereinbar mit der Verfassung ist). 547 Siehe dazu Kapitel 5 § 13 D. II. 548 Bzw. das qualifizierte Delikt seinem Anwendungsbereich nach nicht ausschließlich Konstellationen erfasst, welche abstrahiert betrachtet einen neuen, wesensfremden Unwert-
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im konkreten Fall erhebliche unrechts- und/oder schuldmindernde Umstände vorliegen. Um den gleichheitswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verurteilten, welcher in dem (qualifizierten) Schuldspruch liegt (Verurteilung wegen Begehung des qualifizierten Delikts),549 zu vermeiden, ist es erforderlich, die entsprechenden Fallkonstellationen aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts auszuscheiden. In diesen Fällen ist mithin die Nichtanwendung des qualifizierten Delikts erforderlich. Eine entsprechende (die Verfassungskonformität bewahrende) Ausnahmeregelung sehen die Qualifikationstatbestände des StGB jedoch nicht vor; insb. nicht genügend sind die teilweise vorgesehenen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle des qualifizierten Delikts, da diese den (qualifizierten) Schuldspruch nicht tangieren.550 Gemessen an den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sind die entsprechenden Normen daher als lückenhaft anzusehen. Sie bedürfen aus Sicht der Verfassung einer Ausnahmeregelung (sind also ergänzungsbedürftig).551 Darüber hinaus muss eine Ergänzungsfähigkeit vorliegen.552 Das einfache Recht darf mithin einer Ergänzung nicht generell entgegenstehen.553 Ein Grund, warum bei den betroffenen Qualifikationstatbeständen eine entsprechende ergänzende Rechtsfortbildung ausgeschlossen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Insoweit ist entscheidend, dass gerade verfassungsrechtliche Erfordernisse (Vermeidung einer gleichheitswidrigen Bestrafung) unmittelbar ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen strikten Rechtsfolgenzuordnung notwendig machen und die Rechtsfortbildung damit ihre Begründung in höherrangigem Recht (nämlich Verfassungsrecht) findet. Die gesetzliche Anordnung hat den unmittelbaren (hier gleichheitsrechtlichen) Vorgaben der Verfassung aufgrund der Normhierarchie zu weichen. Bereits die Feststellung der Lücke zeigt vorliegend den Weg der Lückenfüllung auf. Dies leuchtet auch ein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die negative Typenkorrektur eine große Ähnlichkeit zur (teleologischen) Reduktion aufweist. Bei jener (d. h. bei der teleologischen Reduktion) sind die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung in der Regel derart eng miteinander verknüpft, dass sich das typus darstellen (ambivalente Qualifikationstatbestände) und der konkret zu beurteilende Fall sich (bei abstrahierender Betrachtung) nicht als neuer, wesensfremder Unwerttypus darstellt. Hinsichtlich letzterer Feststellung relevant auf Ebene der Norm ist die qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite der Rechtsfigur der negativen Typenkorrektur; siehe zu dieser Kapitel 5 § 13 E. IV. 1. 549 Zu den weiteren täterungünstigen Folgen der Anwendung des qualifizierten Delikts (verschärfter Sonderstrafrahmen; u. U. Wandlung zum Verbrechen mit daran anknüpfenden Folgen) siehe Kapitel 5 § 13 B. II. 550 Siehe bereits die entsprechende Feststellung in Kapitel 5 § 13 B. II. 551 Allgemein diese Situation (Normen, die ihrem Wortlaut nach zu weit gefasst sind) als eine Konstellation der „verfassungskonformen Rechtsergänzung“ ausmachend, Zippelius, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, Band II, S. 108, 123. 552 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53 f. 553 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53 f.
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Ergebnis der Lückenausfüllung ohne Weiteres bereits aus der Feststellung der Lücke ergibt.554 Fehlt vorliegend den entsprechenden Qualifikationstatbeständen eine Ausnahmeregelung für die Fälle erheblicher Unrechts- bzw. Schuldminderung, so ist diese Lücke dadurch zu schließen, dass durch rechtsfortbildende Rechtsanwendung von der Anwendung des Rechtfolgenprogramms des qualifizierten Delikts abgesehen wird. Es ist daher mittels entsprechender Rechtsanwendung, vorliegend – da eine verfassungskonforme Auslegung aufgrund des eindeutigen Normwortlauts (zwingende Verknüpfung der qualifizierenden Tatbestandsmerkmale mit der Anwendung des qualifizierten Delikts mitsamt qualifizierter Rechtsfolgenanordnung) nicht in Betracht kommt – durch verfassungskonforme Rechtfortbildung (in Gestalt der negativen Typenkorrektur), der Ausschluss der Anwendung (der Rechtsfolgenanordnung) des qualifizierten Delikts herbeizuführen. Dies vermag eine negative Typenkorrektur in der hier vorgeschlagenen Weise zu bewirken, da sie in den entsprechenden Fallkonstellationen gewährleistet, dass eine Bestrafung aus dem qualifizierten Delikt (mithin die Anwendung des Rechtsfolgenprogramms des Qualifikationstatbestandes) unterbleibt. 2. Die Schranke des Verbots des Contra-legem-Judizierens a) Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck Eine Rechtsfortbildung darf nicht gegen Wortsinn und Zweck des Gesetzes verstoßen.555 Auch das Bundesverfassungsgericht hat judiziert, dass „[d]ie verfassungskonforme Auslegung […] ihre Grenze dort [findet], wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde.“556. Eine Rechtsfortbildung darf also nicht zugleich gegen den Wortsinn und gegen den Zweck des Gesetzes verstoßen.557 Hinsichtlich dieser einer rechtsfortbildenden 554 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 55 spricht davon, dass beide „[…] in der Regel einen einheitlichen Vorgang [bilden].“. 555 Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56, spricht von einem Doppelkriterium; vertiefend Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 92 ff.; ebenso Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267: eine unzulässige Korrektur des Gesetzes liegt vor, „[…] wenn sowohl gegen den ermittelten Wortsinn wie auch gegen die Zwecksetzung des Gesetzgebers entschieden wird.“. 556 BVerfGE 71, 81, 105; in der Sache auch BVerfGE 110, 226, 267: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde […]“; so auch BVerfGE 18, 97, 111; 90, 263, 275; 93, 37, 81. In BVerfGE 54, 277, 299 hat das Gericht auf „[…] die gesetzgeberischen Grundentscheidungen, Wertungen und die darin angelegten Zwecke der Regelung […]“ abgestellt. 557 Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 92; ebenso Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267: Grenze erst überschritten, „[…] wenn sowohl gegen den ermittelten Wortsinn wie auch gegen die Zwecksetzung des Gesetzgebers entschieden wird.“; „[z]ulässig ist aber eine solche Mißachtung des Wortsinns durchaus, nämlich dann, wenn es sich dabei um eine zulässige Rechtsfortbildung handelt.“ (Koch/Rüßmann, a.a.O., S. 268); Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, S. 15: „Unzulässig ist eine (gesetzesimma-
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Tätigkeit Grenzen setzenden Zwecksetzung ist auf die Äußerungen des Gesetzgebers abzustellen, wie auch das Bundesverfassungsgericht durch die Heranziehung des „[…] klar erkennbaren Willen[s] des Gesetzgebers […]“558 zutreffend herausstellt.559 Fehlt es bereits an einer Erklärung des Gesetzgebers bezüglich des Gesetzeszwecks (bzw. ist eine eindeutige Zwecksetzung nicht erkennbar) und ist es möglich, dem Gesetz aufgrund seiner Ausgestaltung (Gesetzestext et cetera) unterschiedliche Zwecke zuzuordnen (ist die Gesetzesgestaltung also offen für unterschiedliche Zweckzuschreibungen),560 so vermag ein (im Vorfeld/zuvor durch bestimmte rechtsanwendende Instanzen) zugeschriebener Zweck keine Begrenzung der (nachfolgenden) rechtsfortbildenden Tätigkeit zu bewirken. Denn dann handelt es sich um einen durch einen Dritten (den entsprechenden Rechtsanwender) zugeschriebenen, jedoch gerade nicht um einen durch den Gesetzgeber zugeordneten Zweck. Insoweit fehlt es dann gerade an einer Willensäußerung des Gesetzgebers hinsichtlich des Gesetzeszwecks. Die, durch die Vornahme einer negativen Typenkorrektur erfolgende, Herausnahme bestimmter Fallkonstellationen aus dem Anwendungsbereich eines Qualifikationstatbestandes würde nur dann mit der gesetzgeberischen Zwecksetzung kollidieren, wenn der Gesetzgeber erkennbar und eindeutig561 (mithin ausdrücklich und nente) verfassungskonforme Rechtsfortbildung nach alledem dann, wenn gegen die gesetzgeberische Zwecksetzung verstoßen wird.“; Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, S. 27, 47; ähnlich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 258, nach denen die Rechtsfortbildung gegen den Gesetzeswortlaut und die gesetzgeberische Regelungsentscheidung dann zulässig ist, wenn nicht gegen die Wertentscheidung des Gesetzgebers verstoßen wird. In der Sache entspricht dies der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts. Dieses zieht die Grenze erst dort, wo gegen den Normwortlaut und gegen den Willen des Gesetzes verstoßen wird, siehe BVerfGE 71, 81, 105; ähnlich BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267: gegen den Wortlaut und gegen den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers. 558 Siehe BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267. 559 Freilich sind entsprechende gesetzgeberische Äußerungen wiederum nur dann von Relevanz, wenn sie klar erkennbar (vgl. BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267) sind. Die geäußerte Zweckvorstellung muss daher ihren Niederschlag in der gesetzlichen Regelung (dem Gesetzestext) gefunden haben; zutreffend Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 95, der feststellt, dass die „[…] Zweckvorstellung des Gesetzgebers […] für sich allein überhaupt nichts zu bewirken [vermag], sondern […] zusätzlich einer Äußerung in der dafür vorgesehenen, also textuellen Form – sei es auch nur andeutungsweise, bruchstückhaft oder mittelbar – zu entnehmen sein [muss] […].“ [Hervorhebungen im Original]; ähnlich Bydlinski, in: Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, S. 27, 47, der in den Vordergrund stellt, dass der Richter an das Gesetz gebunden ist, welches sich wiederum als „[…] die Einheit von menschlichem Willen als Substanz und von Text als Form des Gesetzes“ anzusehen ist. Die richterliche Bindung beziehe sich daher letztlich auf diese Einheit und gerade nicht auf die „[…] bloße, etwa aus Beratungen im Gesetzgebungsverfahren entnehmbare, aber im Gesetz nicht ausgedrückte Absicht.“ (solche Absichten seien nämlich nicht als Gesetz zu qualifizieren; Bydlinski, a.a.O., S. 47). 560 Liegt also kein Fall vor, in dem aus der Gestaltung des Gesetzes eindeutig auf eine bestimmte gesetzgeberische Zwecksetzung geschlossen werden kann. 561 Vgl. BVerfGE 90, 263, 275; 93, 37, 81; 110, 226, 267: „[…] klar erkennbarer Wille[ ] des Gestzgebers […]“. Siehe auch die Ausführungen von Kaspar zur Grenze für eine verfas-
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unmissverständlich) geäußert hätte, dass das im qualifizierten Delikt festgeschriebene Rechtsfolgenprogramm (unabhängig von der Höhe des konkret verwirklichten Unrechts bzw. der konkret vorliegenden Schuld) immer und ausnahmslos eingreifen soll, wenn die qualifizierenden Merkmale (mithin die Tatbestandsmerkmale des Qualifikationstatbestands) erfüllt sind. Zwar spricht dafür die zwingend ausgestaltete konditionale Struktur der Qualifikationstatbestände. Jedoch genügt diese nicht, um eine entsprechende Äußerung des Gesetzgebers zu fingieren. Wahrscheinlicher ist es nämlich, dass der Gesetzgeber die sich stellende gleichheitsrechtliche Spannungslage562 schlicht übersehen hat, was insb. aufgrund des bisher kaum vorhandenen Problembewusstseins563 in Hinblick auf die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes im strafrechtlichen Bereich nicht zu verwundern vermag.564 Findet sich also keine ausdrückliche sowie eindeutige Äußerung des Gesetzgebers dahingehend, dass er mit einem Qualifikationstatbestand gerade auch diejenigen Fälle erfassen wollte, bei denen solch erhebliche unrechts- bzw. schuldmindernde Umstände gegeben sind, dass der Unrechts-/Schuldgehalt der konkreten Tat den des Grunddelikts nicht übersteigt, so kann von einem Entgegenstehen des gesetzgeberischen Willens bzw. der gesetzgeberischen Zwecksetzung nicht ausgegangen sungskonforme Rechtsfortbildung: diese ist nach seinen Ausführungen zulässig, „[…] solange nicht gegen einen klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers verstoßen wird. Ein solcher Verstoß liegt nur vor, wenn man sowohl den Wortsinn als auch die vom Gesetzgeber eindeutig zugrunde gelegte Zwecksetzung missachtet.“ (Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 533). Siehe auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 297 Fn. 29: „Eine abschließende gesetzliche Regelung i.S. einer Sperre für die richterliche Strafrechtsfortbildung praeter legem ist nur dann anzunehmen, wenn sich eine entsprechende kriminalpolitische Grundentscheidung des historischen Gesetzgebers klar und eindeutig feststellen läßt.“. 562 Siehe zur entsprechenden Prüfung Kapitel 5 § 13 D. II. 563 Siehe dazu Mellinghoff, in: FS Hassemer, S. 503, der eine Zurückhaltung von Rechtsprechung und Literatur konstatiert; siehe auch Mellinghoff, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 147, 148: „Wer sich mit der Gleichheit im Strafrecht beschäftigt, stellt zunächst verwundert fest, dass trotz der universellen Anwendbarkeit des allgemeinen Gleichheitssatzes dieser im Strafrecht nur eine geringe Rolle zu spielen scheint.“. Vgl. dazu auch folgende Feststellung von Heger, ZIS 2011, 402: „Für das materielle Strafrecht ist der Blick in das Stichwortverzeichnis der StGB-Kommentare und Lehrbücher zum Allgemeinen Teil eher ernüchternd. Darin findet sich zu den Termini „Gleichheit“ bzw. „Gleichheitssatz“ nämlich so gut wie nichts.“. Jedoch geht Heger selbst auch von einem (zu) engen Einwirkungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes aus (vgl. dazu Heger, ZIS 2011, 402, 405). Siehe auch Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 109 f., der dem allgemeinen Gleichheitssatz eine nur geringfügige Bedeutung beimisst („Hier werden im Gesetzgebungsbereich nur selten Probleme auftauche“ (S. 109); „schwächster Grundrechtsmaßstab“ (S. 110). 564 Überdies darf nicht verkannt werden, dass vom Gesetzgeber faktisch gar nicht abverlangt werden kann, sämtliche Fallgruppe bzw. Sonderfälle bereits im vornherein zu er- und überblicken. Denn dies stellt angesichts der Vielgestaltigkeit des Lebens letztlich ein unmögliches Unterfangen dar; siehe dazu auch Schmidt, Grundrechte als verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 89 f., der unter anderem mit diesem Argument seinen Ansatz eines „unmittelbaren Grundrechtsdurchgriffs“ (welcher in der Sache eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung darstellt) begründet. In Anbetracht dessen scheint es kaum möglich, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer negativen Typenkorrektur in toto bzw. unbedingt ablehnt.
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werden. Nicht genügend ist indes, wenn der Gesetzgeber lediglich erklärt, der verschärfte Sonderstrafrahmen solle bei Erfüllung der qualifizierenden Merkmale (stets) eintreten, da dem – mangels Bezugs auf die soeben genannten Problemfälle565 – gerade nicht die geforderte Ausdrücklichkeit und Eindeutigkeit innewohnt.566 Selbiges gilt selbst dann, wenn der Gesetzgeber bewusst auf eine Ausnahmeregelung verzichtet hat,567 ohne jedoch explizit auf die vorliegend aufgeführten Problemfälle zu verweisen bzw. diese zu explizit benennen.568 565 Mit ähnlicher Tendenz bezüglich der Parallelfrage der (Zulässigkeit einer) rechtsfortbildenden Einschränkung der Strafbarkeit (mithin der Rechtsfortbildung auf grundtatbestandlicher Ebene) Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 533: „Hat der Gesetzgeber sich nicht eindeutig für eine Erstreckung der Strafbarkeit auf die fragliche Konstellation ausgesprochen, spricht nichts gegen die Anerkennung einer einschränkenden Rechtsfortbildung […]“. Abstrahiert betrachtet bedeutet dies (zutreffend), dass eine Rechtsfortbildung zulässig ist, soweit der Gesetzgeber den Einbezug der fraglichen Konstellation nicht eindeutig erklärt hat. Solange dies in Bezug auf die jeweilige Konstellation nicht eindeutig geschehen ist, besteht grundsätzlich Raum für die Vornahme einer einschränkenden Rechtsfortbildung. Mit anderen Worten: Der gesetzgeberische Wille muss erkennbar und eindeutig entgegenstehen. 566 Vgl. hinsichtlich der strengen Anforderungen an eine Erfüllung der Voraussetzung des Entgegenstehens des gesetzgeberischen Willens BVerfGE 110, 226, 267 f. In dieser Entscheidung zur Geldwäsche durch Strafverteidiger hat es das Bundesverfassungsgericht für eine Ablehnung der Möglichkeit der Vornahme einer verfassungskonformen Reduktion (zur Einordnung der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen „verfassungskonformen Auslegung“ als verfassungskonforme Reduktion Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60 ff.; an einer anderen Stelle im Urteil spricht das Verfassungsgericht selbst auch von „verfassungskonforme[r] Reduktion“, siehe BVerfGE 110, 226, 262) nicht genügen lassen, dass der Gesetzgeber den Isolierungstatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB als Auffangtatbestand konzipiert hat, mithin auf eine weite Gesetzesfassung zielte und dabei bewusst von Ausnahmeregelungen abgesehen hat (BVerfGE 110, 226, 267 f.). Als entscheidend hat es das Verfassungsgericht hingegen angesehen, dass der Gesetzgeber die „[…] verfassungsrechtliche Spannungslage […] nicht hinreichend bedacht [hat]“, „[…] die verfassungsrechtliche Dimension […] im Gesetzgebungsverfahren nicht hinreichend erörtert worden [ist]“ und „[…] nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber von einer Einschränkung der Strafbarkeit für Strafverteidiger abgesehen hätte, wäre er sich der Gefahren für die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidiger und das verfassungsrechtlich verbürgte Institut der Wahlverteidigung bewusst gewesen […].“; diese Entscheidung wurde jüngst bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14. Kritisch hinsichtlich letzterer Ausführung Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, 57 f.; insgesamt zustimmend hinsichtlich der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtentgegenstehen der Gesetzgebungsgeschichte v. Galen, NJW 2004, 3304, 3305. 567 Vgl. BVerfGE 110, 226, 267 f.; BVerfG, Beschluss vom 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14, Tz 46; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 107 zum Fehlen einer Ausnahmeregelung für minder schwere Fälle bei § 306b Abs. 2 StGB. 568 Dann ist nämlich davon auszugehen, dass er (scil. der Gesetzgeber) die verfassungsrechtliche (hier: gleichheitssatzrechtliche) Spannungslage nicht hinreichend bedacht, mithin übersehen, hat. Infolgedessen ist nicht anzunehmen, dass er von einer Ausnahme von der regelmäßigen Strafrahmenschärfung bzw. der Verschärfung des Schuldvorwurfs für diese Fallkonstellationen abgesehen hätte (vgl. dazu – hinsichtlich der Einschränkung der Strafbarkeit der
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In aller Regel steht der Gesetzeszweck einer negativen Typenkorrektur daher nicht entgegen, weil es insoweit (bereits) an einer entsprechenden, hinreichend deutlichen Zwecksetzung durch den Gesetzgeber fehlt.569 Für die praktische Durchführung einer negativen Typenkorrektur gilt daher für den vorliegenden Zusammenhang folgendes: Mittels einer Heranziehung der Gesetzgebungsmaterialien ist zu ermitteln, ob sich der Gesetzgeber gerade (mithin klar und eindeutig) für die Einbeziehung derjenigen Konstellationen570 ausgesprochen hat, in denen eine vollständige Kompensation der unrechts-/schuldsteigernden Wirkung der Qualifikationstatbestandsmerkmals-Verwirklichung aufgrund besonderer unrechts-/schuldmindernder Umstände vorliegt. Hiervon dürfte im Regelfall nicht auszugehen sein, sodass die Prüfung insoweit eine Art „Negativtest“ darstellt. Dies bringt zum Ausdruck, dass für die Zulässigkeit der negativen Typenkorrektur gerade kein (positiver) Anknüpfungspunkt in der gesetzgeberischen Willensäußerung nötig ist.571 b) Keine wesentliche Umstrukturierung der Norm Durch eine (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung darf der Sinn der Norm nicht tiefgreifend verändert werden.572 Der normative Gehalt darf also weder grundlegend neu bestimmt werden noch darf das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.573 Das Ergebnis der verfassungskonformen (geltungserhaltenden) Reduktion muss gegenüber dem ursprünglichen Norminhalt ein minus darstellen und kein aliud.574 Strafverteidiger in Hinblick auf den Geldwäschetatbestand – BVerfG, Beschluss vom 28. 07. 2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14, Tz 46). 569 Vgl. zu den hohen Anforderungen, die das BVerfG an das Entgegenstehen des gesetzgeberischen Willens im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer einschränkenden (verfassungskonformen) Anwendung von qualifizierten Tatbeständen stellt BVerfG, Beschluss vom 16. 11. 2010 – 2 BvL 12/09, Tz 103 ff. 570 Vgl. für die Notwendigkeit von entgegenstehenden gesetzgeberischen Ausführungen bezüglich der konkreten Konstellation Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 533 (die Ausführungen betreffen die Einschränkung der Strafbarkeit durch Rechtsfortbildung, können jedoch auf die vorliegende Frage übertragen werden) 571 Vgl. dazu auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 527, zur Rechtsfortbildung auf grundtatbestandlicher Ebene (Einschränkung der Strafbarkeit): Vorliegen eines klaren Anküpfungspunktes nicht notwendig. 572 Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159. 573 Vgl. BVerfGE 8, 28, 34; 35, 263, 280; 54, 277, 299; 71, 81, 105; 90, 263, 275. Folgend Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56. 574 Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159, mit dem Hinweis auf die entsprechenden Ausführungen zur verfassungskonformen Auslegung von Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 83. Siehe auch Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56 f., der darauf hinweist, dass „[…] diese Begriffe allerdings nicht zu eng verstanden werden dürfen und gewisse Modifikationen durchaus als zulässig anzusehen sind.“.
§ 13 Vertypung einer bloßen Unrechtssteigerung als qualifiziertes Delikt
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Von einer grundlegenden Umstrukturierung des Normgehalts kann indes hier nicht gesprochen werden. Auch wenn man die Möglichkeit der Durchführung einer gleichheitsrechtlich geforderten negativen Typenkorrektur befürwortet, so verbleibt ein sehr weitreichender Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestandes und dessen Rechtsfolgenanordnung. Wie mehrfach angesprochen,575 ist die Vornahme einer negativen Typenkorrektur, mithin die Abweichung von der gesetzlich festgelegten Rechtsfolgenanordnung, lediglich auf bestimmte Ausnahmefälle beschränkt. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle verbleibt es, auch bei Anerkennung der hier vorgeschlagenen verfassungskonformen Rechtsfortbildung in Gestalt der negativen Typenkorrektur, bei der gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsfolgenanordnung (Anwendung des Sonderstrafrahmens et cetera). Die vom Gesetzgeber intendierte Strafschärfung tritt daher in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ein. Neben dieses beschränkten Wirkbereichs der vorgeschlagenen Rechtsfortbildung ist Folgendes zu beachten. Durch die Eröffnung der Möglichkeit, in Ausnahmefällen mittels negativer Typenkorrektur von der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgenanordnung abzusehen, wird weder der Qualifikationstatbestand noch die in diesem enthaltene Rechtsfolgenanordnung zur (freien) Disposition des Richters gestellt. Dieser (scil. der Richter) kann gerade nicht ohne weiteres (bzw. nach selbst festgelegten Kriterien) von der gesetzlichen Anordnung abweichen. Insoweit bestehen nämlich strenge sowie genau formulierte, aus den zwingenden gleichheitsrechtlichen Vorgaben abgeleitete,576 Voraussetzungen für ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Regelung.577 Aufgrund dieser engen Bindung des Richters sowie der hohen Hürden für ein Abweichen von der gesetzlichen Anordnung578 wird die zwingende Struktur der Qualifikationstatbestände durch die hier vorgeschlagene verfassungskonforme Rechtsfortbildung nicht aufgehoben. Letztlich erkennt der hier vorgeschlagene Weg die Norm und deren Anordnung an, stellt eine Verurteilung im konkreten Fall jedoch unter den (zulässigerweise eingesetzten) Vorbehalt der Konformität mit dem allgemeinen Gleichheitssatz. Die Nichtbefolgung der gesetzlichen Anordnung in besonders gelagerten Einzelfällen bedeutet keine grundsätzliche Aufhebung der gesetzlichen Normstrukur. Die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Normstruktur wird bereits durch die vorgenommene Konstruktion der verfassungskonformen Rechtsfortbildung gewährleistet, die sich im Ausgangspunkt an den durch den Gleichheitssatz gezogenen Grenzen orientiert. Zum einen ist dadurch gewährleistet, dass sich das Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Normstruktur auf das verfassungsrechtlich unbedingt Notwendige beschränkt. Darüber hinaus wird durch das Aufstellen besonders strenger Kriterien der Wirkbereich des Vorbehalts so eng gehalten, dass er die grundsätzliche Geltung 575
Siehe allgemein die Ausführungen in Kapitel 5 § 13 E. III. und IV. Siehe dazu Kapitel 5 § 13 E. III. und IV. 1. 577 Zu den Kriterien einer negativen Typenkorrektur Kapitel 5 § 13 E. IV. 3. 578 Diese ergeben sich u. a. aus der Voraussetzung der Evidenz der Ungleichwertigtkeit; dazu Kapitel 5 § 13 E. IV. 3. 576
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
der gesetzlichen Normstruktur (sowie der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung) nicht zu beseitigen vermag. Dies zeigt sich auch darin, dass an eine negative Typenkorrektur überhaupt erst dann zu denken ist, wenn außergewöhnliche unrechtsund/oder schuldmindernde Umstände im Einzelfall gegeben sind (in aller Regel spielt der Vorbehalt in den Überlegungen zur Normanwendung also überhaupt gar keine Rolle). Die mit dem qualifizierten Delikt intendierte Strafschärfung bleibt damit als Grundsatz erhalten. Eine auf Ausnahmefälle beschränkte (mithin punktuelle) Durchbrechung des Grundsatzes der Strafschärfung führt nicht zu einer Vereitelung des Normzwecks (Strafschärfung). c) Keine Reduktion auf „Null“ Wie bereits aufgeführt wurde, darf eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung nicht zu einer Reduktion auf „Null“ führen. Hinsichtlich der Rechtsnorm muss also trotz der verfassungskonformen Reduktion ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleiben.579 Insoweit darf eine Reduktion keine faktische Derogation darstellen.580 Die Norm darf also ihren praktischen Anwendungsbereich weder vollständig noch nahezu vollständig verlieren.581 Letztlich geht es darum, dass der Norm nicht ihre „[…] wesentliche und vom Gesetzgeber gewollte praktische Bedeutung genommen [werden darf].“582. Dass dies vorliegend nicht gegeben ist, leuchtet bereits ein, wenn man die Zahl der betroffenen Fälle in den Blick nimmt. Nur ausnahmsweise wird eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung in der vorgeschlagenen Weise notwendig und daher durchzuführen sein. Von der gesetzlich vorgesehenen Regelung (zwingende Verknüpfung der Erfüllung der qualifizierenden Merkmale mit der Anwendung des verschärften Rechtsfolgenprogramms) wird nur in sehr wenigen Ausnahmefällen abgewichen werden. Einer Aufhebung des qualifizierten Delikts kommt dies nicht gleich. Dem qualifizierten Delikt verbleiben ein sinnvoller Anwendungsbereich sowie eine praktische Bedeutung, da es in einer Vielzahl von Fällen zur Anwendung eines verschärften Rechtsfolgenprogramms führt.
579
Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159. Vgl. dazu auch BVerfGE 33, 52, 69; 59, 360, 387: Belassen eines vernünftigen Sinnes; BVerfGE 101, 312, 329: Gesetz muss sinnvoll bleiben. 580 Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159; Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94. 581 Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 94. 582 BVerfGE 18, 97, 111; dem folgend Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 57, der von dem „[…] (nahezu) vollständige[n] Funktionsverlust einer Norm […]“ spricht.
§ 14 Der Blick auf die Gesamtkonzeption
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§ 14 Der Blick auf die Gesamtkonzeption – Konvergenz der beiden entwickelten Ansätze zu den Eckpunkten der verfassungsrechtlichen Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums A. Keine Inkonsistenz der Zulassung der negativen Typenkorrektur zur vorangegangenen Kritik bezüglich der bloßen Indizwirkung von Regelbeispielen („Scheinkollision der beiden Ansätze“) Wurde soeben die Zulässigkeit einer Rechtsfortbildung in Form der negativen Typenkorrektur festgestellt, so ist es nunmehr notwendig, das gefundene Ergebnis in Beziehung zu setzen zu den Erkenntnissen über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Einsetzbarkeit der Regelbeispielsmethode. Immerhin könnte der, freilich letzten Endes nicht durchgreifende, Einwand mangelnder Stringenz der vorliegenden Konzeption erhoben werden. Dieser könnte damit begründet werden, dass einerseits (nämlich in Hinblick auf die Verwendung der Gesetzestechnik Regelbeispielsmethode) die (gesetzlich vorgesehene) Möglichkeit der richterlichen Strafrahmenzuordnung moniert wird,583 mithin als Konsequenz die verbindliche (zwingende) Strafrahmenzuordnung durch den Gesetzgeber gefordert wird,584 andererseits jedoch im Rahmen der Vornahme einer negativen Typenkorrektur die Abweichung von der (bei einem qualifizierten Delikt gegebenen) zwingenden Strafrahmenzuordnung als möglich befürwortet, ja sogar als verfassungsrechtlich geboten angesehen wird. Indes greift der Einwand mangelnder Stringenz der (Gesamt-)Konzeption nicht durch. Zum einen handelt es sich lediglich um einen Scheinwiderspruch. Bei genauerer Betrachtung liegt nämlich gerade kein echter Widerspruch vor. Nach der in dieser Arbeit entwickelten Ansicht ist eine Abweichung vom gesetzlichen Rechtsfolgenprogramm bzw. eine durch den Richter vorgenommene Strafrahmenzuordnung ausschließlich dann statthaft, und damit auch nur dann möglich, wenn und soweit in der „aufgesetzten“ Norm (Regelbeispielsnorm oder Qualifikationstatbestand) kein neuer, wesensfremder Unwerttypus enthalten ist, sondern lediglich eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus im strafrahmenschärfenden Merkmal bzw. den strafrahmenschärfenden Merkmalen umschrieben wird. Auf die angesprochenen Konstellationen angewendet, bedeutet dies, dass sowohl die gesetzliche Ermächtigung zur richterlichen Strafrahmenzuordnung (durch Verwendung der Regelbeispielsmethode) als auch die (aus verfassungsrechtlichen Erfordernissen (Art. 3 Abs. 1 GG) resultierende) im Rahmen richterlicher verfassungskonformer Rechtsfortbildung erfolgende Strafrahmenzuordnung durch den Richter 583 Also die Möglichkeit des Richters durch Widerlegung der Indizwirkung eines Regelbeispiels von der prinzipiellen, durch die gesetzlich festgeschriebene Indizwirkung konstituierte, Verknüpfung der Regelbeispielsverwirklichung mit der Sonderstrafrahmenanwendung abzuweichen. 584 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
nur dann zulässig sind, wenn in den jeweiligen strafrahmenschärfenden Merkmalen kein neuer, wesensfremder Unwerttypus erfasst wird. Der Bereich zulässiger richterlicher Strafrahmenzuordnung verläuft damit in beiden Konstellationen parallel und grenzt sich jeweils über dasselbe Merkmal (tabestandliche585 Erfassung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus) vom unzulässigen Bereich ab. Ein Widerspruch liegt damit tatsächlich nicht vor. Dies verdeutlicht sich, wenn man – wie soeben getan – in die Betrachtung den Wirkbereich der Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts586 (Unzulässigkeit der Regelbeispielsmethode nur dann, wenn das Regelbeispiel einen neuen, wesensfremden Unwerttypus enthält)587 sowie den Anwendungbereich der gleichheitssatzrechtlich (und damit verfassungsrechtlich) veranlassten negativen Typenkorrekur588 einbezieht.589 Unabhängig davon sind gravierende Unterschiede zwischen den Konstellationen (Verwendung der Regelbeispielsmethode durch den Gesetzgeber unter Nichtbeachtung der Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts einerseits; Zulassung einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung in Form der negativen Typenkorrektur zur Vermeidung einer gleichheitswidrigen Verurteilung im Einzelfall andererseits) auszumachen. Diese Unterschiede sind Gegenstand der folgenden Ausführungen. Auch aus ihnen ergibt sich, dass die Befürwortung der Möglichkeit einer verfassungsbedingten negativen Typenkorrektur nicht abgeschnitten ist durch die zuvor590 erfolgten kritischen Bemerkungen zur Verwendung der Regelbeispielsmethode bzw. die Ausführungen über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Verwendung dieser Gesetzgebungstechnik.
B. Unterschiede hinsichtlich des Maßes der Lockerung der Bindung des Richters an das einfache Recht (unterschiedlicher Umfang der richterlichen Entscheidungsmacht) Durch die Einführung der Möglichkeit einer negativen Typenkorrektur wird die richterliche Gesetzesbindung zwar in einem bestimmten Maß gelockert, um im Einzelfall eine gleichheitswidrige Verurteilung zu verhindern. Die Grenzen für ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgenanordnung sind jedoch 585
Tatbestandlich ist vorliegend im rechtstheoretischen Sinne (dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 111 f.) gemeint, umfasst also sowohl die Verwendung der Regelbeispielstechnik als auch die Formung als Qualifikationstatbestand. 586 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 587 In der Folge Zulässigkeit der (Ermächtigung zur) richterlichen Strafrahmenzuordnung bei bloßen Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus. 588 Ausführlich zur dieser Kapitel 5 § 13 E. 589 Abweichung des Richters von der gesetzlichen Strafrahmenzuordnung mittels Durchführung einer negativen Typenkorrektur nur bei bloßer Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus. 590 Eingehend Kapitel 4 § 11.
§ 14 Der Blick auf die Gesamtkonzeption
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deutlich enger gesteckt als bei Regelbeispielsnormen, denen die gesetzliche Ermächtigung zur Abweichung von der gesetzlich festgelegten Indizwirkung der Regelbeispiele immanent ist.591 Ist bei der verfassungsrechtlich begründeten negativen Typenkorrektur lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Anwendung des Regelstrafrahmens (entgegen der gesetzlichen Sonderstrafrahmenzuordnung) möglich (und in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlich erforderlich), so ist bei einer Regelbeispielsnorm hingegen die Indizwirkung eines Regelbeispiels bereits dann widerlegt, mit der Folge der Anwendung des grunddeliktischen Strafrahmens, wenn die strafmildernden Strafzumessungstatsachen i.R.e. Gesamtbewertung von Tat und Täter den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat so erheblich mindern, dass sie (scil. die Tat) nicht mehr dem im Regelbeispiel typisierten besonders schweren Fall entspricht und ihre Einordnung in den Sonderstrafrahmen unangemessen wäre.592 Konkret auf die einzelnen Voraussetzungen für eine Anwendung des grunddeliktischen Strafrahmens bezogen bedeutet dies, dass die Abweichung im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen negativen Typenkorrektur die Evidenz der Ungleichwertigkeit erfordert, währenddessen bei Vorliegen einer Regelbeispielsnorm die Widerlegung des „Leitcharakters“593 der Regelbeispiele bzw. der Indizwirkung des jeweils erfüllten Regelbeispiels594 (und damit die Anwendung des grunddeliktischen Strafrahmens) keine entsprechende Evidenz voraussetzt. Die Hürden für eine Abweichung von der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung sind bei der negativen Typenkorrektur viel höher bzw. die Voraussetzungen (viel) strenger als die Voraussetzungen für eine Widerlegung der Indizwirkung der Regelbeispiele. Damit einher geht eine geringere Verschiebung von Entscheidungsbefugnissen auf den Richter.
591 Freilich ist darauf hinzuweisen, dass die beiden Vergleichsgegenstände nicht identisch sind. Bei dem Problembereich der negativen Typenkorrektur geht es um eine durch den Richter selbst initiierte Abweichung von der einfachgesetzlichen Rechtsfolgenanordnung (Gebot der richterlichen Gesetzesbindung). Bei der Regelbeispielsmethode steht hingegen die gesetzliche Ermächtigung zur Abweichung von der Indizwirkung der Regelbeispiele in der Kritik (Delegationsverbot aus dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt). Letztlich münden beide Problembereiche jedoch in der Fragestellung nach der zulässigen Reichweite der richterlichen Entscheidungsmacht im Bereich des Strafrechts. Einmal stellt sich diese Frage in die Richtung des rechtsanwendenden Richters, das andere mal in Hinblick auf die Beschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. 592 So die Formel der Rechtsprechung zur Widerlegung der Indizwirkung von Regelbeispielen; vgl. BGHSt 23, 254, 257; siehe auch Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 19. 593 Vgl. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210: Leitbildcharakter der Regelbeispiele. Ähnlich Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: „Die Regelbeispiele […] machen eine Wertung des Gesetzgebers mit Leitfunktion deutlich […]“; siehe auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 26 V 2, S. 271 f. 594 Zur Indizwirkung und deren Widerlegung Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 1.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
Daneben spielt auch die Struktur der Entscheidung eine Rolle. Ist der Richter, wenn er die Abweichung in Form der negativen Typenkorrektur vornehmen will, an die Prüfung exakt umschriebener Voraussetzungen gebunden,595 so erfolgt bei der Widerlegung der Regelbeispielstechnik lediglich eine Gesamtwürdigung596. Es ist einsichtig, dass bei einer Gesamtwürdigung dem Richter ein größeres Maß an Entscheidungsfreiheit zukommt. Letztlich zeigt sich, dass mit der Befürwortung einer gleichheitsrechtlich begründeten negativen Typenkorrektur nicht die Anerkennung einer Lockerung der richterlichen Gesetzesbindung in dem Maße einhergeht, wie sie bei der Verwendung der Regelbeispielsmethode gesetzlich angeordnet wird. Mithin wird damit keine Verschiebung der Entscheidungsmacht in Richtung des Rechtsanwenders in dem Maße befürwortet, wie sie mit der Verwendung der Regelbeispielsmethode einhergeht. Damit zeigt sich die Vereinbarkeit der Anerkennung der Möglichkeit einer negativen Typenkorrektur mit der zuvor erhobenen Kritik an der Regelbeispielstechnik, welche daher aufrechterhalten werden kann.
C. (Nicht-)Bestehen einer abstrakt-generellen Bewertung des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unrechts Ein weiterer wesentlicher Unterschied gründet darin, dass bei den Regelbeispielsnormen die Möglichkeit der Abweichung vom gesetzlichen Leitbild597 (dieses liegt darin, dass aus einer Erfüllung des im Voraussetzungsbereich der Norm umschriebenen Unwertsachverhalts die Anwendung eines verschärften Strafrahmens (des Sonderstrafrahmens) resultieren soll) bereits in der vom Gesetzgeber festgelegten Normstruktur angelegt ist, nämlich in der Formung als Regelbeispiel, dem lediglich Indizwirkung zukommt. Wie bereits aufgezeigt,598 bewirkt gerade diese Normausgestaltung das Fehlen einer abstrakt-generellen Bewertung des im Regelbeispiel umschriebenen Unwertsachverhalts. Anders hingegen liegt es, wenn man bei qualifizierten Delikten ausnahmsweise im Einzelfall aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Abweichung von der gesetzlich strikt vorgegebenen Rechtsfolgenanordnung (Anordnung des (im Vergleich zum Grunddelikt verschärften) Rechtsfolgenprogramms des qualifizierten Delikts) anerkennt. Da das qualifizierte Delikt den Eintritt des Rechtsfolgenprogramms strikt und ausnahmslos vorsieht (mithin 595
Zu diesen Kapitel 5 § 13 E. IV. H.M., siehe BGHSt 23, 254, 257; 24, 248, 249; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 19; a.A. Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 213 ff. (nur einzelne, gewichtige Milderungsgründe können Indizwirkung widerlegen). 597 Vgl. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210: Leitbildcharakter der Regelbeispiele. Ähnlich Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 9: „Die Regelbeispiele […] machen eine Wertung des Gesetzgebers mit Leitfunktion deutlich […]“; siehe auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 26 V 2, S. 271 f. 598 Siehe dazu Kapitel 4 § 9 sowie § 11 A. und C. 596
§ 14 Der Blick auf die Gesamtkonzeption
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nach dem Gesetz eine zwingende Verknüpfung zwischen Tatbestandsverwirklichung und Sonderstrafrahmenanwendung gegeben ist),599 ist von einer abstrakt-generellen Bewertung des im tatbestandlichen Bereich umschriebenen Unwertsachverhalts durch den Gesetzgeber auszugehen.600 Diese abstrakt-generelle Bewertung bleibt auch bei Billigung der Möglichkeit (und der tatsächlichen Durchführung) einer verfassungsrechtlich induzierten negativen Typenkorrektur im beschriebenen Maße erhalten. Denn entscheidend ist, dass der Rechtsanwender nur ausnahmsweise und im (konkreten) Einzelfall von der gesetzgeberischen Rechtsfolgenanordnung abweicht. Die durch den Gesetzgeber vorgenommene abstrakt-generelle Bewertung wird dadurch nicht tangiert.
D. (Nicht-)Bestehen eines verfassungsrechtlichen Erfordernisses Schlussendlich ist auch ein Unterschied hinsichtlich des Bestehens einer verfassungsrechtlichen Verankerung auszumachen. Soweit die Regelbeispielsmethode im Rahmen der bisherigen Untersuchung kritisiert wurde, nämlich wenn diese Gesetzestechnik Verwendung gefunden hat, obwohl in einem Regelbeispiel ein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus umschrieben wird, besteht kein verfassungsrechtliches Bedürfnis für diese flexible Ausgestaltung der strafrahmenschärfenden Norm. In diesem Fall rechtfertigt das Vorliegen eines wesensfremden Unwerttypus nämlich gerade die Verurteilung aus dem verschärften Strafrahmen.601 Eine strikte Anordnung der Strafschärfung (sowie eines stärkeren Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch entsprechenden qualifizierten Schuldspruch) wäre in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz unproblematisch. Daher stünden der Ausgestaltung als qualifiziertes Delikt gleichheitsrechtliche Belange nicht entgegen. Eine solche gesetzliche Form ist, wie ausführlich aufgezeigt wurde, sogar aufgrund des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts zwingend erforderlich.602 Die Flexibilisierung der Rechtsfolgenanordnung, welche hier durch Verwendung der Gesetzgebungstechnik der Regelbeispielsmethode eintritt, erfolgt in diesem Falle603 mithin „ohne Not“, d. h.
599 Und damit das Gesetz die Frage nach der Anwendung des Sonderstrafrahmens nicht (etwa – wie es bei der Regelbeispielsmethode geschieht – durch Verweis auf die Maßgeblichkeit des konkreten Einzelfalles) zur Disposition des entscheidenden Richters stellt. 600 Siehe dazu allgemein die Ausführungen zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den verschiedenen legislativen Techniken zur Bildung von Komplementärnormen in Kapitel 2 § 4 E. IV. Zur Lückenhaftigkeit von Regelbeispielsnormen in Hinblick auf die Bewertung des umschriebenen Unwertsachverhalts Kapitel 4 § 9 sowie § 11 A. und C. 601 Allgemein dazu Kapitel 5 § 13 D. I. 2. 602 Eingehend dazu Kapitel 4 § 11. 603 D. h., wenn in dem Regelbeispiel ein neuer, wesensfremder Unwerttypus umschrieben wird.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
ohne das Bestehen eines gleichheitsrechtlichen oder sonstigen verfassungsrechtlichen Erfordernisses.604 Anders hingegen liegt es bei der gleichheitsrechtlich begründeten verfassungskonformen Rechtsfortbildung in Form der negativen Typenkorrektur. Diese ist – wie ausführlich dargestellt605 – gerade durch gleichheitsrechtliche Erfordernisse zwingend geboten (nämlich zur Vermeidung einer gleichheitswidrigen Verurteilung). Dieses Instrument der Flexibilisierung ist daher aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben zwingend erforderlich.
604
Jedoch ist auch in dem Falle, in dem in einem Regelbeispiel kein neuer, wesensfremder Unwerttypus erfasst, sondern lediglich eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus umschrieben wird, eine Flexibilisierung der Rechtsfolgenanordnung in dem Maße wie sie die Rechtsbeispielsmethode vorsieht nicht erforderlich. Wie umfassend herausgearbeitet wurde, können bloße Modifikationen des Grunddelikts durchaus in Form eines qualifizierten Delikts gefasst werden (müssen mithin nicht zwingend mittels der Regelbeispielsmethode ausgestaltet werden). Gleichheitsrechtlich (und damit verfassungsrechtlich) erforderlich ist dann nur (auf Ebene der Rechtsanwendung) die Zulassung der Möglichkeit der Durchführung einer negativen Typenkorrektur im besonders gelagerten Ausnahmefall, bei dem die Ungleichwertigkeit evident ist (siehe dazu Kapitel 5 § 13 E. IV.). Über dieses gleichheitsrechtlich Erforderliche greift die Formung als Regelbeispiel jedoch hinaus, denn die Öffnung in Bezug auf die Nichtanwendung des Sonderstrafrahmens erfolgt auch für Fälle, denen kein besonderer Ausnahmecharakter zukommt, und ist – ausweislich der „Formel“ zur Widerlegung der Indizwirkung (vgl. dazu Kapitel 2 § 4 C.) – nicht an das Kriterium bzw. die Voraussetzung der Evidenz (Offensichtlichkeit) gebunden. 605 Siehe Kapitel 5 § 13 E. II. und III.
§ 15 Zusammenfassung
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§ 15 Zusammenfassung: Zuordnung der Regelungsmaterien zu den verschiedenen Regelungstechniken sowie Folgen der Nichtbeachtung der herausgearbeiteten Grundsätze
Regelbeispielstechnik 606
Schaffung eines neuen, dem Unzulässig , da Verstoß Grunddelikt wesensvergegen strengen, strafrechtlischiedenen Unwerttypus chen Parlamentsvorhalt (Art. 103 Abs. 2 GG)
Qualifikationstatbestand Zulässig, da materiales Idealbild des qualifizierten Delikts
Verfassungskonforme Reduktion: Anwendung des Grundstrafrahmens unter Annahme einer Sperrwirkung der Mindeststrafe des Sonderstrafrahmens Bloße Modifikation des Zulässig grunddeliktischen Unwerttypus, insb. rein quantitative Steigerungen des grunddeliktischen Unwerttypus
Im Grundsatz zulässig607, jedoch kann Verurteilung im Einzelfall (nämlich bei vollständiger Kompensation des Unrechts der strafrahmenschärfenden Faktoren608) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen in diesen Einzelfällen negative Typenkorrektur: Verurteilung wegen des Grunddelikts und Anwendung des Grundstrafrahmens
606
Daneben ist es unzulässig, in einer Regelbeispielsnorm einen (im Vergleich zur grunddeliktischen Strafandrohung) exorbitanten Strafrahmensprung vorzusehen. Siehe zu diesem Fall der „Grundrechtswesentlichkeit“ Kapitel 4 § 10 A. 607 Ausnahme: Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens (Unverhältnismäßigkeit); angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sowie des Fehlens einer Formel für die Umrechnung von Unrecht/Schuld in Strafgrößen jedoch nur ganz selten tatsächlich anzunehmen. 608 Mithin Ausgleich des mit der Erfüllung des qualifizierenden Merkmals einhergehenden Unrechts-/Schuldzuwachses durch erhebliche unrechts-/schuldmindernde Umstände (bspw. der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen).
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
§ 16 Komplementärnormbildung de lege ferenda im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben Bei der Bildung von Komplementärnormen sollte der Gesetzgeber angesichts der in diesem Abschnitt ermittelten Erkenntnisse zukünftig Vorsicht walten lassen. Ausgangspunkt sollte stets die Betrachtung des materialen Unwertgehalts der ins Auge gefassten Regelung sein. Erst wenn klar ist, welchen Inhalt die Komplementärnorm auf Voraussetzungsseite haben soll (welchen Unwert sie also verkörpert), kann die „passende“ Regelungstechnik zugeordnet werden. Freilich kann dies im Grenzbereich Schwierigkeiten aufwerfen. Wenn und soweit Unklarheiten über die Einordnung des auf der Voraussetzungsseite zu umschreibenden Unwertgehalts bestehen, sollte der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes der Vorrang zukommen.609 Mit Blick auf die in der 609
Anders J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 157 ff., die sich für das von ihr entwickelte „synthetische Modell ratio-gerechter Strafschärfungen“ ausspricht. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Begriff des „schweren Falles“ und den greifbar umschriebenen strafrahmenändernden Einzelfaktoren (welchen Beispielscharakter zukommt) eine Ebene „zwischenschaltet“ wird, die mit einem Terminus von mittlerer Abstraktionshöhe („Fehlverhalten in einer qualifizierten Form“; „Fehlverhalten führt zu einer qualifizierten Folge“) bestückt wird (Beispiele für eine Neugestaltung von qualifiziertem Diebstahl sowie qualifizierter Körperverletzung auf S. 158 f.). Der damit geschaffene Tatbestand soll insoweit „offen“ sein, als die Einzelfaktoren nicht abschließend den Begriff der „Zwischenebene“ (bspw. das „Fehlverhalten qualifizierter Form“) abbilden, sondern auch nicht gesetzlich aufgeführte Fälle erfasst sein sollen, soweit diese in ihrer Schwere „Fehlverhalten in einer qualifizierten Form“ darstellen oder ein „Fehlverhalten, dass zu einer qualifizierten Folge geführt hat“ (siehe J. Heinrich, a.a.O., S. 161, 162 f.). Andererseits sollen Fälle bereits vom Wortlaut her ausgenommen sein, bei denen eine ratio-gerechte Bewertung ergibt, dass sie kein qualifziertes Fehlverhalten darstellen bzw. keiner qualifizierten Folge gleichkommen (dazu J. Heinrich, a.a.O., S. 162, 163). Ob damit sämtliche Probleme gelöst werden, ist freilich fraglich, wenngleich diese Gesetzestechnik der Regelbeispielsmethode vorzuziehen sein dürfte. In der Sache findet bei diesem Modell ein Austausch der Begrifflichkeiten statt: Die Frage nach der Strafrahmenänderung vollzieht sich nunmehr – in Abweichung von den Regelbeispielsnormen – in einer Gegenüberstellung zwischen Einzelfaktor und dem „zwischengeschalteten“ Begriff mittlerer Abstraktionshöhe („Fehlverhalten in einer qualifizierten Form“; „Fehlverhalten führt zu einer qualifizierten Folge“). Der Regelungsvorschlag der „ratiogerechten Strafschärfungen“ ähnelt in seiner Architektur den Regelbeispielsnormen, ist aber hinsichtlich der gesetzlichen Begrifflichkeiten präziser. Ist eine Konstellation tatbestandlich nicht von den Einzelfaktoren erfasst, so ist zu fragen, ob es sich dennoch um ein „Fehlverhalten qualifizierter Form“ handelt oder eine „qualifizierte Folge“ eingetreten ist. Umgekehrt führt das Vorliegen unrechts-/schuldmindernder Umstände bei Verwirklichung des Einzelfaktors zur Frage, ob trotz dieser mildernden Umstände noch von einem qualifizierten Fehlverhalten bzw. einer qualifizierten Folge gesprochen werden kann. Gleichwohl bleibt auch bei dem Modell Heinrichs auf gesetzlicher Ebene offen, welches Gewicht die unrechts-/schuldmindernden Faktoren haben müssen, damit von der Strafrahmenverschiebung abgesehen werden muss. Diesbezüglich fehlt es an gesetzlichen Leitbildern. Damit bleibt es jedoch bei dem Kritikpunkt, der bereits entscheidend gegen den umfassenden Einsatz der Regelbeispielsmethode vorgebracht wurde (ausführlich dazu Kapitel 4 § 11). Auch ist fraglich, wie anhand des Modells von Heinrich auf Konstellationen reagiert werden soll, in denen zwar eine qualifizierte Folge
§ 16 Komplementärnormbildung de lege ferenda
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obigen Übersicht zusammengefassten Ergebnisse dieses Teils der Untersuchung dürfte es aus der Perpektive des Gesetzgebers den sichersten Weg darstellen, strafrahmenschärfende Elemente in Form von Qualifikationstatbestandsmerkmalen zu fassen.610 (Denn) Die Schaffung eines entsprechenden Qualifikationstatbestandes schließt von vornherein den Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt aus.611 De lege ferenda vorzugseingetreten ist, diese jedoch auf erheblich gemindertem Fehlverhaltensunrecht basiert (bspw. wenn ein „wichtiges Körperteil“ unter sittenwidriger und daher unwirksamer Einwilligung des Betroffenen abgetrennt wird). Nach dem Regelungsvorschlag zur schweren Körperverletzung (siehe J. Heinrich, a.a.O., S. 158) müsste eigentlich eine (zu harte) Bestrafung gemäß § 224 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) StGB-Entwurf erfolgen, da trotz des abgesenkten Handlungsunwerts eine qualifizierte Folge herbeigeführt wurde. Dies zeigt eine Schwachstelle des Ansatzes von J. Heinrich auf. Dem kann damit begegnet werden, dass – wie vorliegend vorgeschlagen – eine komplementärnorminterne Ausschlussregelung ergänzt wird, welche beispielshaft und nicht abschließend bestimmte Konstellationen umschreibt, bei denen (trotz Erfüllung eines qualifizierenden Merkmals) nur eine Bestrafung aus dem Grunddelikt erfolgen soll. Unabhängig davon ist die hier vertretene Ausgestaltung als Qualifikationstatbestand nebst komplementärnorminterner Ausschlussregelung (dazu sogleich im Haupttext) auch deshalb vorzugswürdig, weil sie das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Sonderstrafrahmenanwendung und (ausnahmsweiser) Anwendung des Grundstrafrahmens besonders deutlich herausstellt. 610 Für den Einsatz von Qualifikationstatbeständen auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 142 ff.; einen „Zwischenweg“ schlägt Morawski, Systeme der Ein- und Abstufung der Tatschwere, S. 210 ff., im Anschluss an einen deutsch-polnischen Rechtsvergleich vor: zunächst will er (abstrakte) „standardisierte Strafrahmenänderungsgründe“ in die Gesetzeformulierung aufnehmen und diese sodann bei den jeweiligen Delikten durch zahlreiche Regelbeispiele oder auch zwingende Beispiele konkretisieren. 611 Dieser Aspekt wird häufig übersehen, wenn es um die Frage der (beabsichtigten bzw. zukünftigen) Binnendifferenzierung von Deliktsgruppen geht; deswegen wird der Regelbeispielsmethode oftmals „das Wort geredet“, obwohl deren Einsatz unter Umständen verfassungsrechtlich unzulässig ist. Siehe beispielsweise die Ausführungen von Morsch (AnwBl. 2014, 873 ff.) zur Neuregelung von Mord und Totschlag; Morsch konstatiert in Hinblick auf den (von ihr favorisierten) Einsatz der Regelbeispielsmethode bei der Fassung des Mordes: „Man könnte auch sagen, die Regelbeispielstechnik scheint am ehesten geeignet, das Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Individualisierung, das gerade im Kontext der Tötungsdelikte besonders brisant ist, aufzulösen.“ (siehe Morsch, AnwBl. 2014, 873, 876; allgemein mit dieser Tendenz Jung/Morsch, in: GS Walter, S. 707, 716: „Es ist verfassungsrechtlich auch zulässig und stärkt den Gleichheitsgedanken, die konkreten Bedingungen für den Anwendungsbereich einer Norm unter Zugrundelegung einer Regelbeispielstechnik zu konkretisieren.“.). Dies verkennt jedoch die hier entwickelte „harte“ Grenzziehung durch Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Ausprägung als strenger, strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt. Fügt der Gesetzgeber einen „Mordparagraphen“ in das Gesetz ein, so muss er nach den Vorgaben dieses Verfassungsprinzips – zumindest wenn in dieser Mordregelung ein Unwerttypus umschrieben wird, der dem Totschlag wesensfremd ist – zu diesem (neuen – weil vom „einfachen“ Tötungsunrecht qualitativ abgeschichteten) Unwerttypen „Stellung nehmen“, diesen mithin mittels verbindlicher Strafrahmenzuordnung endgültig bewerten. Dies verschärft sich im Falle der Normierung des Mordes zusätzlich dadurch, dass es sich um das „höchststrafwürdige“ menschliche Fehlverhalten handelt. Ablehnend in Hinblick auf die Neuregelung des Mordes mittels Verwendung der Regelbeispielstechnik Reinhard, in: Abschlussbericht der Experten-
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
würdig ist daher die Verwendung der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes. Andererseits kann ein Qualifikationstatbestand jedoch – wie aufgezeigt wurde – aufgrund der zwingenden Strafrahmenzuordnung in bestimmten Einzelfällen problematisch in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie das Gebot schuldangemessener Bestrafung sein. Dem müsste entsprechend bei der Normgestaltung Rechnung getragen werden. Im Ausgangspunkt ist deshalb zunächst zu ermitteln, inwieweit sich bei der jeweils gegenständlichen (geplanten) Qualifikation eine solche Problemlage (im Einzelfall) ergeben kann. an.
Wenn dies bejaht wird, so bietet sich die nachfolgende gesetzliche Ausgestaltung
Um zu vermeiden, dass wegen der zwingenden Strafrahmenverknüpfung im Falle des Vorliegens massiver unrechts-/schuldmindernder Faktoren womöglich grob unbillige Härten eintreten, sind betroffene tatbestandsförmige Komplementärnormen (Qualifikationstatbestände) durch eine Ausschlussregelung zu ergänzen, nach welcher in bestimmten Konstellationen eine Bestrafung lediglich nach dem grunddeliktischen Rechtsfolgenprogramm zu erfolgen hat.612 Dieser Ausschluss einer verschärften Bestrafung – im geltenden findet sich ein Vorbild in § 243 Abs. 2 StGB, der an die Regelbeispielsvorschrift des § 243 Abs. 1 StGB anknüpft613 – sollte in einem gesonderten Absatz innerhalb der Qualifikationsvorschrift erfasst werden
gruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 736 f., der u. a. auf die Verschiebung der Verantwortung vom Gesetzgeber auf die Gerichte verweist, womit letzteren eine „weichenstellende Ausfüllung“ des „Tatbestandes“ überlassen wird; diese Argumentation findet sich auch im abschließenden, das vorgestellte Regelbeispielskonzept ablehnenden, Votum der Expertengruppe wieder (siehe Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 24 f.). Das Regelbeispielskonzept ebenso in seinem Referat ablehnend Schneider, in: Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 836. In der Begründung (der Ablehnung des Regelbeispielskonzepts) zu weit gehend Ignor, welcher die Regelbeispielsmethode scheinbar bereits deswegen ablehnt, weil die Mordmerkmale Unrecht umschreiben (siehe dazu Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 104). Wie ausführlich unter § 4 Kapitel 11 dargestellt, findet die Regelbeispielsmethode jedoch erst dort ihre Grenze, wo ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener Unwerttypus gebildet wird bzw. werden soll; die Ansicht Ignors hingegen würde die Einsatzgebiete von Regelbeispielsnormen faktisch auf Null reduzieren und greift daher zu weit. 612 Abweichend in der Regelungsempfehlung E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch S. 156, 157 f., der lediglich für die Ergänzung durch einen Strafrahmen für „minder schwere Fälle“ (Strafzumessungsregel) plädiert. Dazu auch Morawski, Systeme der Ein-und Abstufung der Tatschwere, S. 115 f., S. 209 f., der sich auch mit der Frage nach der Verortung der „minder schweren Fälle“ – Allgemeiner Teil oder Besonderer Teil – beschäftigt. 613 Dessen Rechtsnatur ist umstritten; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 49 plädieren für einen „selbstständigen Ausschluss erhöhter Strafbarkeit“ bzw. wohl wegen des Regelbeispielscharakters von § 243 Abs. 1 StGB „eine unwiderlegliche Gegenindikation gegen die Schwere eines Falles“.
§ 16 Komplementärnormbildung de lege ferenda
451
(komplementärnorminterner Ausschluss).614 Durch eine solche tätergünstige Regelung wird zum einen dem Gebot schuldangemessenen Strafens Rechnung getragen, indem dem Richter die Möglichkeit eröffnet wird, in gesetzlich normierten, besonders gelagerten Ausnahmefällen auf das Rechtfolgenprogramm des Grunddelikts zurückzugreifen. Zugleich wird hierdurch verhindert, dass es zu einer gleichheitswidrigen Verurteilung kommt, wenn die (im Einzelfall verwirklichte) Qualifikation eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unrechts enthält und zugleich erhebliche unrechts-/schuldmindernde Faktoren vorliegen, die eine vollständige Kompensation der Qualifikationstatbestandsverwirklichung bewirken.615 Für die Tatbestandsseite der Ausschlussregelung gilt folgendes: Es ist zunächst anzustreben, die Fallgruppen, in denen der Ausschluss der verschärften Bestrafung greifen soll, präzise und abschließend zu umschreiben. Hierbei sollte auf empirische Erfahrungswerte zurückgegriffen werden (bspw. typische Konfliktsituationen, (unverschuldeter) Affekt616). Die Fallgruppen sind insoweit delikts- oder zumindest deliktsgruppenspezifisch zu entwickeln. Nur falls die Fallkonstellationen, bei denen eine Bestrafung nach dem Rechtsfolgenprogramm des Qualifikationstatbestandes unangemessen wäre, in einer solchen Weise nicht oder nur sehr lückenhaft abgebildet werden können, wäre über die Ergänzung eines generalklauselartigen Element („außergewöhnlich leichter Fall“)617 nachzudenken. Neben diesem sollten jedoch Exemplifikationen vorgesehen werden, denen eine präzisierende Aufgabe sowie eine Maßstabsfunktion zukommt. Diese geben das für das Eingreifen des Ausschlusses erforderliche Maß an Unrechts-/ Schuldminderung an. Aufgrund der enthaltenen Generalklausel wird einerseits ein zu enger Anwendungsbereich der Ausschlussvorschrift verhindert.618 Andererseits ist jedoch auch klarzustellen, dass die Anwendung der Ausschlussklausel nur in
614 Abweichend in der Regelungsempfehlung E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch S. 156, 157 f., der lediglich für die Ergänzung durch einen Strafrahmen für „minder schwere Fälle“ (Strafzumessungsregel) plädiert. 615 In diesem Falle ist die Bestrafung anhand der verschärften Primärsanktion des Qualifikationstatbestandes (verfassungsrechtlich) nicht haltbar; die Formung einer komplementärnorminternen Ausschluss-/Ausnahmeregelung folgt daraus zwingend. Abzulehnen ist daher der Vorschlag, lediglich eine Strafzumessungsregel für „minder schwere Fälle“ vorzusehen; so jedoch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch S. 156, 157 f., der die dargestellte Problemlage scheinbar übersieht. 616 Grundlegend für eine Berücksichtigung des „Affekts“ bei Verwirklichung eines qualifizierten Delikts Klesczewski, in: Affekt und Strafrecht, S. 57 ff. 617 Dieses sollte nicht „minder schwerer Fall“ lauten, da dieser Begriff für die entsprechende Strafzumessungsregel „reserviert“ ist. Möglich wäre bspw. „außergewöhnlich leichter Fall“. In den Normtext sollte aufgenommen werden, dass es sich um einen „außergewöhnlichen“ Einzelfall handeln muss. 618 Entsprechend greift die Kritik von E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch S. 150, die an die „fragmentarische Struktur von Privilegierungen“ anknüpft, in Hinblick auf die vorliegenden Ausführungen nicht.
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Kap. 5: Folgen der Verwendung der „falschen“ Gesetzestechnik
Ausnahmefällen zu erfolgen hat.619 Die Formulierung der Exemplifikationen hat ebenfalls tatbestandsbezogen und mit dem Ziel der größtmöglichen Konturierung der Ausschlussregelung zu erfolgen. Von einer solchen privilegierenden Ausschlussregelung innerhalb der Komplementärnorm kann jedenfalls dann abgesehen werden, wenn der Qualifikationstatbestand einen neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremden, Unwerttypus abbildet und mit der Erfüllung der qualifizierenden Merkmale eine wesentliche (bzw. in Hinblick auf den Sanktionssprung angemessene) Steigerung von Unrecht sowie Schuld einhergeht. In diesem Zusammenhang verdeutlichen sich auch die Wichtigkeit der präzisen Formulierung von Qualifikationstatbestandsmerkmalen und deren sachgerechte – an Unrecht bzw. Schuld orientierte – Modellierung620. Denn wenn sich der Gesetzgeber bei der Schaffung qualifizierter Normen ausschließlich – oder zumindest im Wesentlichen – auf die wirklich (besonders) schweren Erscheinungsformen, die zugleich neue Unwerttypen abbilden, beschränkt und es schafft, diese präzise zu vertexten, kann davon ausgegangen werden, dass die Anwendung des Rechtsfolgenprogramms des Qualifikationstatbestands stets angemessen sein wird. Beherzigt der Gesetzgeber zukünftig diese Grundregeln, so dürfte sich die Notwendigkeit der Ergänzung einer komplementärnorminternen Ausschlussregelung im Wesentlichen auf die Fälle beschränken, in denen die angedachte Qualifikation eben keinen neuen, wesensfremden Unwerttypus beinhaltet, sondern eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unrechts.
619 In den Normtext kann aufgenommen werden, dass es sich um einen „außergewöhnlichen“ Einzelfall handeln muss. 620 Leitgedanke müsste hierbei letztlich sein, ob die mit der Qualifikationstatbestandserfüllung einhergehende Steigerung und Neuformung von Unrecht sowie Schuld sowohl die Strafrahmenverschiebung als auch die verschärfte Primärsanktion (mithin den verschärften Schuldspruch) und ggf. die Wandlung in ein Verbrechen rechtfertigen kann und zwar auch dann, wenn zugleich unrechts-/schuldmindernde Faktoren vorliegen.
Kapitel 6
Der Ertrag der vorliegenden Grundlegung in Hinblick auf die Auslegung von Qualifikationstatbeständen (vertikal-systematische Auslegung) § 17 Verwendung materialer Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung A. Verortung im Bereich der Rechtsanwendung Der Ertrag der vorliegenden, den materialen Unrechtsgehalt in den Blickpunkt rückenden Konzeption beschränkt sich nicht nur auf die Ermittlung und Zeichnung des verfassungsrechtlichen Bezugsrahmens für die Strafrahmenabstufung mittels strafrahmenschärfender Normen sowie dem Aufzeigen der Wege zur Umsetzung der entsprechenden zwingenden verfassungsrechtlichen Erfordernisse im Bereich der Rechtsanwendung. Auch für die einfache Normauslegung, d. h. die Auslegung von qualifizierten Delikten, können brauchbare Schlüsse gezogen werden.1 Hierbei handelt es sich um ein Argumentationsmuster, welches im Rahmen der Auslegung von qualifizierten Delikten zur Begründung eines bestimmten Auslegungsergebnisses vorgebracht werden kann. Es liegt also – anders als die im vorigen Kapitel erörterten Fälle der verfassungskonformen Rechtsfortbildung – abseits des Bereichs zwingender verfassungsrechtlicher Notwendigkeiten. Darüber hinaus wird bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei den folgenden Überlegungen zur Auslegung von qualifizierten Delikten nicht um ein „Allheilmittel“ zur Behebung sämtlicher Auslegungsschwierigkeiten bzw. -probleme handelt. Dennoch kann die vertikal-systematische Auslegung durchaus (neue) Impulse für die Auslegung qualifizierter Delikte geben.
1
Im Ansatz ebenso erkannt Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 85 (hinsichtlich § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB für das Erfordernis von Mittäterschaft); mit ähnlicher Tendenz Freund, Strafrecht AT, § 1 Rn. 55, der feststellt, dass „[…] der Qualifikationsgrund […] so beschaffen sein [muss], dass er die durch die Qualifikation eintretende Strafrahmenverschärfung sachlich zu tragen vermag. Ist das nicht der Fall, muss die Bejahung der Qualifikation im Wege der am Sinn und Zweck der Norm orientierten Rechtskonkretisierung vermieden werden. Man spricht insoweit von teleologischer oder ratio-orientierter Interpretation bzw. von teleologischer Reduktion.“ [im Original teilw. hervorgehoben].
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
B. Grundlegung: Orientierung am materialen Idealbild Die vertikal-systematische Auslegung fundiert auf der Vorstellung, dass das materiale Idealbild eines qualifizierten Delikts der neue, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremde Unwerttypus ist. Zwar ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus in Form eines Qualifikationstatbestandes verfasst.2 Jedoch entspricht die Niederlegung eines neuen Unwerttypus im Tatbestand des qualifizierten Delikts im größeren Maße der zwingenden Anordnung der Strafrahmenverschiebung. Dies belegt ein Blick auf die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes an die Ausgestaltung von Strafrahmenschärfungen.3 Erfasst ein qualifiziertes Delikt einen wesensfremden Unwerttypus, so ist die angeordnete Strafschärfung (erfolgend mittels Verschiebung des Strafrahmens „nach oben“) in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG stets gerechtfertigt durch die Wesensverschiedenheit zwischen grunddeliktischem Unwerttypus und dem im qualifizierten Delikt umschriebenen Unwerttypus.4 Daneben tritt als rechtfertigendes Element in aller Regel (also wenn gravierende unrechts- bzw. schuldmindernde Umstände im Einzelfall nicht gegeben sind) die Erhöhung des Unrechts- bzw. Schuldgehalts der Tat. Anders hingegen liegt es, wenn lediglich eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung im Qualifikationstatbestand enthalten ist. Denn in diesem Falle rechtfertigt sich die Strafrahmenverschärfung gleichheitsrechtlich ausschließlich durch den (im Vergleich zur grunddeliktischen Begehungsweise) höheren Unrechts- bzw. Schuldgehalt.5 Ist also im tatbestandlichen Bereich ein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus erfasst, so streiten mehrere Aspekte für die Rechtfertigung der Strafrahmenschärfung. Aus dieser Doppelung der Rechtfertigungsgründe resultiert, dass die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung der Strafschärfung auch bei Vorliegen massiver unrechts-/schuldmindernder Faktoren unangetastet bleibt.6 Insoweit ist, wenn die Tatbestandsmerkmale des qualifizierten Delikts einen neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschiedenen Unwerttypus 2
Siehe Kapitel 5 § 13 A. Dieser Feststellung steht auch nicht entgegen, dass sich bei einer solchen gesetzlichen Konstellation (Vertypung einer bloßen Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus als Qualifikationstatbestand) in besonderen Ausnahmefällen das gleichheitsrechtliche Erfordernis einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung ergibt (eingehend hierzu Kapitel 5 § 13 D. und E.). Denn gerade das Bestehen der Möglichkeit, dass eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstossende Verurteilung durch verfassungskonforme Rechtsfortbildung im Einzelfall verhindert werden kann, steht der Einordnung der Norm als verfassungswidrig entgegen (insoweit Vermeidung des Verdikts der Verfassungswidrigkeit durch Vornahme einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung). 3 Vertieft hierzu wurde bereits in Kapitel 5 § 13 D. I. 2. Stellung genommen. 4 So bereits in Erkenntnis in Kapitel 5 § 13 D. I. 2 sowie III. 5 Siehe Kapitel 5 § 13 D. I. 2. Zu den Auswirkungen erheblicher unrechts- und/oder schuldmindernder Faktoren auf die Rechtfertigung der jeweiligen Strafrahmenschärfung in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG siehe Kapitel 5 § 13 D. II. 6 Siehe Kapitel 5 § 13 D. I. 2. sowie III.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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umschreiben, eine bessere Abstimmung von tatbestandlicher Unrechtsumschreibung und Rechtsfolgenanordnung (Strafschärfung gegenüber der grunddeliktischen Begehungsweise) gegeben. Daher ist bei der Gesetzestechnik des qualifizierten Delikts die Erfassung eines wesensverschiedenen Unwerttypus gegenüber der Erfassung einer bloßen Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus vorzugswürdig, wenn auch Letzteres grundsätzlich7 verfassungsrechtlich zulässig ist. Aus der Erfassung eines wesensverschiedenen Unwerttypus folgt in Hinblick auf die Strafschärfung ein höheres Maß an Legitimation. Verdeutlicht wird dies auch, wenn man im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der internen Deliktsgruppensystematik bezogen auf den Unrechtsbereich ein „Abstandsgebot“ annimmt. Die Rechtsfolgenschärfung (durch Zuordnung sowohl einer verschärften Primär- als auch einer verschäften Sekundärsanktion)8 hat sich auch im Bereich des Unrechts widerzuspiegeln. Hierbei muss mit der Schärfung im Bereich der Sanktionen eine hinreichende Veränderung im Bereich des Unrechts korrespondieren. Eine entsprechende Veränderung des Unrechts ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das qualifizierte Delikt einen neuen, dem Grunddelikt wesensfremden Unwerttypus erfasst, da in diesem Fall ein deutlicher Wandel des Unrechts vorliegt. Insoweit stehen sich nämlich zwei unterschiedliche Unwerttypen gegenüber. Werden im qualifizierten Delikt hingegen bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst, so besteht die Möglichkeit, dass die Veränderung im Unrechtsbereich nicht der Rechtsfolgenschärfung entspricht, da der Unrechtskern durch die Addition der qualifizierenden Merkmale unberührt bleibt (insoweit wird in beiden Straftatbeständen ein und derselbe Unwerttypus umschrieben). Auch dies zeigt, dass der formalen Ausgestaltung als Qualifikationstatbestand die Formung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus besser entspricht.
C. Grenzen aufgrund der Stellung als Auslegungsmethode Nicht zu verkennen ist jedoch, dass es sich bei der vertikal-systematischen Auslegung lediglich um eine Auslegungsart handelt, der ein Vorrang gegenüber anderen Auslegungsmethoden nicht zukommt. Entscheidend ist dies insb. dann, wenn ein eindeutig erkennbarer (sowie in ausdrücklicher Weise geäußerter) entgegenstehender Wille des Gesetzgebers existiert und sich daher eine (unter dem Gesichtspunkt der vertikal-systematischen Ausle7
Lediglich in besonders gearteten Ausnahmefällen besteht das Erfordernis einer negativen Typenkorrektur als Mittel der verfassungskonformen Rechtsfortbildung; ausführlich dazu Kapitel 5 § 13 E. 8 Zu den Begriffen Primär- und Sekundärsanktion Appel, Verfassung und Strafe, S. 466 ff.; zu Primär- und Sekundärsanktion sowie den daraus resultierenden Grundrechtseingriffen Kapitel 5 § 13 B. II. sowie D. II. 4. a), D. II. 3.
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
gung erfolgende) Beschränkung auf den Bereich der neuen, wesensfremden Unwerttypen verbietet. Eine weitere Grenze bildet der Normwortlaut. Da es sich um Auslegung handelt, bildet der Wortlaut eine unüberwindbare Hürde.9 Insoweit bedarf es, sollen die vertikal-systematischen Erwägungen den Bereich der Auslegung nicht verlassen, stets einer Stütze im Normwortlaut.10 Denn ansonsten würde es sich um eine Rechtsfortbildung in Form einer Reduktion handeln, für die eine Reihe weiterer Voraussetzungen, insb. das Vorliegen einer Lücke,11 gegeben sein müssen.12 Dies alles betrifft vornehmlich das Erfordernis der Bildung eines Differenzierungskriteriums und wird deswegen im nächsten Unterpunkt nochmals aufgegriffen. Von vornherein Erwägungen anhand der Deliktsgruppensystematik (d. h. einer Argumentation anhand der vertikal-systematischen Auslegung) entzogen sind diejenigen Qualifikationen, die ausschließlich eine quantitative Unrechtssteigerung enthalten (rein quantitative Unrechtssteigerungen bzw. Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus). Bei diesen ist eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die neuen, wesensfremden Unwerttypen bereits denknotwendig nicht möglich. Bei solchen qualifizierten Delikten kann daher die vertikal-systematische Auslegung nicht greifen, denn sie hätte eine faktische Derogation der Norm zur Folge. Unabhängig davon gebietet bei diesen Qualifikationen jedoch der allgemeine 9
Vgl. nur Lenckner/Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 37: „[…] bildet […] nicht nur den Ausgangspunkt für die richterliche Sinnermittlung, sondern steckt zugleich die nicht zu überschreitende Grenze der Auslegungstätigkeit ab.“. Siehe auch BVerfG, NJW 2013, 365, 366: „[…] der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation […].“; siehe auch BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211; in der Sache gleich BGH, NJW 2007, 524, 525: „Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung […]. 10 Vgl. in Bezug auf die Auslotung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung Schmidt, Grundrechte als verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 67, der insoweit zur Berücksichtigung von Grundrechten bei der Anwendung von Straftatbeständen ausführt: „Während die verfassungskonforme Auslegung normativer Tatbestandsmerkmale und offener Straftatbestände jeweils noch an den Wortlaut des Tatbestandes anknüpfen kann, vermag eine grundrechtsunmittelbare Straffreistellung, da sie ohne formale Anknüpfung an ein Tatbestandsmerkmal und damit im Ergebnis ohne Anbindung an den Wortlaut der Strafnorm erfolgt, die der verfassungskonformen Auslegung absolut gesetzte Wortlautgrenze nicht mehr einzuhalten.“. In Bezug auf die vorliegende Entwicklung der Grundlagen einer vertikal-systematischen Auslegung qualifizierter Delikte (welche sich – wie bereits erwähnt – abseits zwingender verfassungsrechtlicher Notwendigkeiten bewegt) bedeutet diese zutreffende Abgrenzung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung, dass nur dann die Grenzen zulässiger Auslegung gewahrt bleiben, wenn die vertikal-systematische Auslegung an den Wortlaut des betroffenenen Qualifikationstatbestandes anknüpft, namentlich das Differenzierungskriterium anhand eines der Tatbestandsmerkmale der Qualifikation entwickelt wird. 11 Siehe dazu Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53; ausführlich Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 82 ff. 12 Zu den Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung siehe Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 56 ff.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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Gleichheitssatz in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Durchführung einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung in Form der negativen Typenkorrektur.13 Anwendungsgebiet der vertikal-systematischen Auslegung sind demzufoge die ambivalenten Qualifikationstatbestände. Dies sind diejenigen Qualifikationstatbestände, die (geschuldet der abstrakten Fassung der qualifizierenden Merkmale) in ihrem Anwendungsbereich sowohl neue (wesensverschiedene) Unwerttypen als auch bloße grunddeliktische Modifikationen erfassen.14
D. Die Notwendigkeit der Formulierung eines (tatbestandsbezogenen) Differenzierungskriteriums Umfasst ein qualiziertes Delikt sowohl Konstellationen, die einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus darstellen als auch rein quantitative Unrechtssteigerungen, also bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus (liegt mithin ein ambivalenter Qualifikationstatbestand vor), so kommt nach Sachgerechtigkeitserwägungen unter Zugrundelegung des soeben herausgearbeiteten15 materialen Idealbildes eine einschränkende Auslegung in Betracht. Insoweit ist derjenigen Auslegungsvariante der Vorzug zu geben, welche die bloß quantitativen Unrechtssteigerungen aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts ausscheidet.16 Einer solchen restriktiven Auslegung gelingt es, den Norminhalt der äußeren Form des Qualifikationstatbestandes anzupassen und so einen höheren Legitimationsgrad zu generieren. Denn sie führt dazu, dass für sämtliche (verbleibende) Fallkonstellationen eine zweispurige Rechtfertigung17 in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist. Wie die Entwicklung einer solchen einengenden Auslegung praktisch zu erfolgen hat, soll anhand verschiedener Beispiele im anschließenden Kapitel 7 aufgezeigt werden. Im Zuge einer solchen Auslegung hat letztlich eine Differenzierung zu erfolgen. Diese kann freilich nicht dergestalt auf einer abstrakten Ebene verharren, dass nach dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines neuen, wesensfremden Unwerttypus gefragt wird. Die Differenzierung hat vielmehr in einer tatbestandsspezifischen Weise zu erfolgen.18 Denn – wie Eingangs betont – bewegt sich die vertikal-systematische 13
Eingehend hierzu Kapitel 5 § 13 E. Ausführlich zu den ambivalenten Komplementärnormen Kapitel 4 § 11 E. II. 5. 15 Siehe Kapitel 6 § 17 B. 16 Bzw. ist derjenigen Auslegungsvariante zu folgen, die einen weitestgehenden Ausschluss bloß quantitativer Unrechtssteigerungen herbeiführt. 17 Dazu wurde bereits ausgeführt in Kapitel 5 § 13 E. IV. 3. 18 Insoweit ist nämlich zu beachten, dass der Rechtsanwender nicht seine eigene Richtigkeitsvorstellung über das Gesetz bzw. die Gesetzesauslegung stellen darf; vgl. dazu Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft S. 168 ff. Nur die Bildung eines tatbestandsspezifischen Differenzierungskritieriums genügt dieser Vorgabe an die Rechtsanwendung, weil dadurch die Anknüpfung an das Gesetz gewährleistet wird. 14
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
Norminterpretation im Bereich der Auslegung.19 Es ist daher für den jeweiligen Qualifikationstatbestand ein Differenzierungskriterium zu entwickeln. Dieses (scil. das Differenzierungskriterium) muss im Rahmen der Normauslegung gebildet werden, insb. bedarf es einer Stütze im Normwortlaut. Als Anknüpfungspunkte haben daher die Tatbestandsmerkmale des qualifizierten Delikts zu dienen. Ist es nicht möglich, ein entsprechendes Differenzierungskriterium zu bilden, so scheidet eine einschränkende Auslegung anhand der Deliktsgruppensystematik (d. h. die einschränkende Wirkung der vertikal-systematischen Auslegung) aus.20 Mit Blick auf die Grundlegung zum materialen Idealbild wird die Zielsetzung der vertikal-systematischen Auslegung ohne weiteres klar. Das Differenzierungskriterium ist (im Idealfall) so zu wählen, dass sämtliche bloß quantitative Unrechtssteigerungen (mithin alle bloßen Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus) aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts ausgeschieden werden, d. h. nur noch die Fallkonstellationen von der Qualifikation erfasst werden, die sich als neue, wesensverschiedene Unwerttypen darstellen. Freilich dürfte ein solches Maß an Exaktheit, insb. wegen der immanenten Grenzen, denen die Tätigkeit der Differenzierungskriterienbildung unterliegt,21 häufig nur schwerlich erreichbar sein. Insoweit kann unter Umständen ein Gleichlauf mit der Grenze, die nach materialen Gesichtspunkten zu ziehen ist,22 nicht erreicht werden. Als Ertrag bleibt dann jedoch
19 Eine Unterscheidung dergestalt, dass (abstrakt) anhand der Kriterien des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens eines neuen, wesensfremden Unwerttypus abgegrenzt wird, würde letztlich den Normwortlaut „überspielen“ und damit die Grenzen zulässiger Auslegung verlassen. Dies jedoch ist – wie bereits aufgezeigt wurde (siehe dazu Kapitel 5 § 13 E. V.) – nur bei Vorliegen eines zwingenden verfassungsrechtlichen (speziell gleichheitsrechtlichen) Erfordernisses (im Einzelfall) möglich, nämlich in Form der negativen Typenkorrektur, die insoweit ein Beispiel verfassungskonformer Rechtsfortbildung darstellt. 20 Dann ist – ebenso wie bei den Qualifikationstatbeständen, welche ausschließlich eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung enthalten – allenfalls an die Durchführung einer (gleichheitsrechtlich veranlassten) negativen Typenkorrektur, freilich nur bei Vorliegen der herausgearbeiteten strengen Voraussetzungen (siehe dazu Kapitel 5 § 13 E. V.), zu denken. Wie bereits festgestellt wurde, ist eine solche negative Typenkorrektur jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen vorzunehmen. Das Verhältnis zwischen vertikal-systematischer Auslegung und (gleichheitsrechtlich veranlasster) negativer Typenkorrektur ist Gegenstand der Ausführungen in Kapitel 6 § 18. 21 Um eine anwendungsfähige Differenzierungsformel zu erstellen, bedarf es der Fassung eines prägnanten Differenzierungskriteriums, welches sich darüber hinaus noch, da ansonsten der Bereich der Auslegung verlassen wird, strikt an den Tatbestandsmerkmalen des qualifizierten Delikts zu orientieren hat. Durch die Notwendigkeit der Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich die Schwierigkeit, ein solches Differenzierungskritierium zu konstruieren, das exakt die Grenze wiedergibt zwischen dem Bereich bloßer grunddeliktischer Modifikationen und dem Bereich neuer, dem Grundelikt wesensverschiedener Unwerttypen. 22 Unterscheidung zwischen denjenigen Fallkonstellationen, die einem neuen, wesensfremden Unwerttypus entsprechen und solchen, die sich als bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus darstellen.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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immerhin, dass bestimmte Fallkonstellationen/Fallgruppen23 mittels restriktiver Auslegung des Qualifikationstatbestands anhand des Differenzierungskritieriums aus dem Anwendungsbereich herausgelöst werden. Dadurch ist es dann zumindest möglich, mittels der vertikal-systematischen Betrachtungsweise in bestimmten Problembereichen (d. h. hinsichtlich der Frage nach der Erfassung bestimmter Fallkonstellationen) Stellung zu beziehen. Letztlich zeigt auch dies, dass im Bereich der material-orientierten vertikalsystematischen Auslegung der tatbestandliche Ausschluss der bloßen Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus lediglich ein gedanklicher Fixpunkt ist, der (infolge der zwingend zu beachtenden24 methodischen Vorgaben) selten erreicht, jedoch stets anzustreben ist.
E. Stellung innerhalb des Gesamtsystems der Auslegungscanones – Ableitung der Herangehensweise I. Weder absolute Vor- noch absolute Nachrangigkeit Wie bereits erwähnt wurde, kommt der material-orientierten vertikal-systematischen Auslegung kein Vorrang gegenüber den anderen Auslegungsmethoden zu. Sie erfährt vielmehr eine Begrenzung durch die sonstigen Normauslegungsmethoden und darf sich nicht gegen diese stellen bzw. diese (leichtfertig) „überspielen“. Dies folgt daraus, dass es sich um Normauslegung handelt, innerhalb derer es dem Rechtsanwender verboten ist, seine eigenen Richtigkeitsvorstellungen vor/über das Gesetz bzw. dessen Auslegung zu stellen.25 Die material-orientierte vertikal-systematische Auslegung stellt damit lediglich einen Baustein im Rahmen der Normkonkretisierung dar und findet hauptsächlich dann ihre Entfaltung, wenn zwischen mehreren Auslegungsergebnissen zu wählen ist, d. h. wenn die Anwendung der sonstigen Auslegungsmethoden nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt.26 Dann jedoch kann sie durchaus den entscheidenden Ausschlag geben und damit (freilich unter strikter Wahrung der bei der Auslegungstätigkeit zu beachtenden Grenzen27) ein bestimmtes Auslegungsergebnis begründen, welches nach einer anderen Auslegungsmethode womöglich weniger nahe 23
Also Fallkonstellationen, die abstrahiert betrachtet nicht als neuer, wesensfremder Unwerttypus erscheinen. 24 Insoweit leiten sich diese (Notwendigkeit der Orientierung an den Tatbestandsmerkmalen; Beachtung des Normwortlauts als unüberwindbare Grenze; Ausschluss bei ausdrücklich geäußertem, eindeutig entgegenstehendem Willen des Gesetzgebers; Anwendungsfähigkeit der Differenzierungsformel) aus dem Charakter als Auslegung ab. 25 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 168 ff. 26 Also die Anwendung der einzelnen Auslegungsmethoden zu divergierenden Ergebnissen führt. 27 Eingehend hierzu sodann in Kapitel 6 § 17 E. III. 1. sowie 2.
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
liegt. Innerhalb der Grenzen der Auslegung28 steht die material-orientierte vertikalsystematische Auslegung damit den einzelnen klassischen Auslegungsmethoden29 grundsätzlich als gleichwertig gegenüber, wenngleich dieser Grundsatz aufgrund der Formung der Grenzen der Auslegung aus bestimmten Auslegungsarten sowie des Charakters als Auslegungskriterium der 2. Stufe praktisch eine bedeutende Relativierung erfährt.30
II. Auslegungskriterium der 2. Stufe Soeben fand Erwähnung, dass es sich bei der material-orientierten vertikal-systematischen Auslegung um eine Auslegungsart handelt, die – ähnlich der verfassungskonformen sowie der verfassungsorientierten Auslegung31 – auf einer 2. Stufe ihre Verortung findet.32 Dies liegt daran, dass die vertikal-systematische Auslegung erst dann greift, wenn die Anwendung der klassischen Auslegungscanones kein eindeutiges Ergebnis zeitigt, es mithin um die Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Auslegungsergebnissen geht.33 Anders als bei der verfassungskonformen Auslegung geht es jedoch nicht um den verfassungsrechtlich zwingenden Ausschluss eines bestimmten Auslegungsergebnisses. Vielmehr wird,34 wenn die Anwendung der klassischen Auslegungscanones zu keinem klaren Ergebnis führt 28
Ausführlich dazu Kapitel 6 § 17 E. III. 1. sowie 2. Von vornherein keine Gleichwertigkeit besteht in Hinblick auf die Gesamtheit der klassischen Auslegungsmethoden. Dies würde nämlich eine Ersetzung des Gesetzes durch die Richtigkeitsvorstellungen des Rechtsanwenders bedeuten und damit die Grenzen der Auslegung überschreiten (vgl. dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 168 ff.). Ergibt die Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden kein eindeutiges Ergebnis, führt also die Anwendung der einzelnen Auslegungsmethoden nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, so bleibt für die material-orientierte vertikal-systematische Auslegung kein Raum. 30 Bereits die Vielschichtigkeit dieser grundlegenden Ausführungen macht die Notwendigkeit deutlich, die konkrete Vorgehensweise in strukturierter Form darzustellen, um die praktische Handhabbarkeit zu gewährleisten; siehe dazu Kapitel 6 § 17 E. III. sowie V. 31 Zur Abgrenzung der verfassungskonformen Auslegung von der verfassungsorientierten Auslegung Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 1 f. 32 Im Schrifttum finden sich entsprechende Ansätze der Verortung bestimmter Auslegungsarten auf eine 2. Stufe sowohl für die rechtsfolgenorientierte Auslegung (vgl. zur strafrahmenorientierten Auslegung Kudlich, ZStW 115 (2003), 1, 13: „Auslegungskriterium zweiter Stufe“, der darin jedoch keinen „eigenständigen Topos“, sondern ein „Querschnittsargument“, mithin ein „Hilfskriterium“ im Rahmen der Anwendung der klassischen canones erblickt) als auch für die „systemkonforme Auslegung“ (dazu Höpfner, systemkonforme Auslegung, S. 152 f.). 33 Entsprechend Höpfner, systemkonforme Auslegung, S. 152 für die, von ihm als „systemkonforme Auslegung“ bezeichnete, verfassungskonforme bzw. europarechtskonforme Auslegung. 34 Freilich – die sei nochmals betont – stets unter Beachtung der Grenzen, welchen der Rechtsanwender im Rahmen der Auslegungstätigkeit unterliegt. Zu den hieraus folgenden Konsequenzen Kapitel 6 § 17 E. III. 2. 29
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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(mithin verschiedene Auslegungsergebnisse denkbar bzw. vertretbar sind), eine am Grundsatz der Sachgerechtigkeit ausgerichtete Entscheidung, welcher im Bereich der qualifizierten Delikte die Orientierung am materialen Idealbild zu Grunde liegt,35 für eines der Auslegungsergebnisse getroffen. Dass die hier entwickelte vertikal-systematische Auslegung erst nach der Anwendung der klassischen Auslegungscanones zum Zuge kommt (und daher eine Auslegungsart der 2. Stufe ist), ist auch in ihrer materialen Fundierung begründet. Sie (scil. die hier entwickelte vertikal-systematische Auslegung) beruht auf der Betrachtung des materialen Unwertgehalts sowie auf der Unterscheidung zwischen der Formung eines neuen Unwerttypus einerseits und der bloßen Modifikation eines (bereits im Grunddelikt) vorhandenen Unwerttypus andererseits. Dies macht es jedoch notwendig, zunächst den im entsprechenden Qualifikationsdelikt enthaltenen materialen Unwertgehalt freizulegen (mithin den Inhalt der Norm zu ermitteln), was wiederum durch Analyse der Norm anhand der klassischen Auslegungsarten zu erfolgen hat. Erst wenn dies geschehen ist, wird erkennbar, ob die Norm (auch) bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst und damit im Rahmen der material-orientierten vertikal-systematischen Auslegung eine Einengung vorzunehmen ist (also ob nach den herausgearbeiteten Sachgerechtigkeitserwägungen36 ein Einschränkungsbedürfnis besteht). Darüber hinaus zeichnen sich bereits dann die Grenzen möglicher Auslegung ab, da durch die Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden die vertretbaren Auslegungsergebnisse zu Tage gefördert werden. III. Unterschiedliches Maß der Beachtlichkeit der sonstigen (klassischen) Auslegungsmethoden – absolute Ausschlusswirkung des eindeutig entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens sowie der Wortlautinkompatibilität 1. Hinführende Erläuterungen zu den Grenzen der Auslegung Wie bereits mehrfach angedeutet wurde, hat die material-orientierte vertikalsystematische Auslegung in ihrer Stellung als Auslegungsmethode diejenigen Grenzen zu beachten, welche jedweder Auslegungstätigkeit immanent sind. Zunächst folgt daraus die Notwendigkeit der Bildung eines tatbestandsbezogenen Differenzierungskriteriums.37 Insoweit kann und darf der Rechtsanwender nicht auf abstrakter Ebene verharren, sondern muss – orientiert am jeweiligen qualifizierten Delikt – ein Differenzierungskriterium bilden, wobei er die gängigen Auslegungsmethoden zu berücksichtigen hat. Nur so bewegt er sich im Rahmen zulässiger Auslegung, agiert also auf der Grundlage einer geltenden Norm. Damit wird gewährleistet, dass der Rechtsanwender das Gesetz zur Grundlage seiner Überlegungen 35 36 37
Eingehend dazu Kapitel 6 § 17 B. Siehe zur Orientierung am materialen Idealbild Kapitel 6 § 17 B. Siehe dazu die Anwendungsbeispiele in Kapitel 7.
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
macht und verhindert, dass er – unter Loslösung von der Gesetzesbindung – seine eigenen Sachgerechtigkeitserwägungen an die Stelle des geltenden Rechts setzt. Enthält ein Qualifikationstatbestand ausschließlich quantitative Unrechtssteigerungen (sind also von seinem Anwendungsbereich keine Fallgruppen erfasst, die sich abstrahiert betrachtet als neue, dem Grunddelikt wesensfremde Unwerttypen darstellen), so scheidet eine Restriktion anhand der hier entwickelten Grundsätze bereits denknotwendig aus. Darüber hinaus würde eine solche Einschränkung den Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts auf Null reduzieren, was faktisch eine Derogation der Norm bedeuten würde. Eine solche überschreitet jedoch die Grenzen der Rechtsanwendung und ist daher abzulehnen.38 Fraglich ist jedoch, wie sich die vertikal-systematische Auslegung zu den klassischen Auslegungsarten verhält. Wie bereits ausgeführt wurde,39 existiert weder ein absoluter Vorrang noch ein absoluter Nachrang. Jedoch gilt es zu beachten, dass eine enge Verbindung zwischen den anerkannten Grenzen der Auslegung (Unzulässigkeit der Wortlautüberschreitung; keine Auslegung gegen den eindeutigen (entgegenstehenden) Willen des Gesetzgebers)40 und einzelnen Auslegungsarten (grammatikalische Auslegung; genetische Auslegung) besteht. Insoweit ist bei der Anwendung dieser Auslegungsmethoden besondere Genauigkeit gefordert, da sich aus ihnen gerade die (konkretisierten41) Grenzen der Auslegung und damit auch die Grenzen material-orientierter vertikal-systematischer Erwägungen herleiten. 2. Die absolute Ausschlusswirkung des eindeutigen (entgegenstehenden) gesetzgeberischen Willens sowie der Wortlautinkompatibilität Die vertikal-systematische (restriktive) Auslegung eines qualifizierten Delikts steht stets unter dem Vorbehalt der Beachtung derjenigen Grenzen, denen jedwede Auslegungstätigkeit unterliegt. Sie darf daher weder gegen den Wortlaut der Norm verstossen noch darf sie in Widerspruch zu dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers stehen.42 Sowohl ein entgegenstehender eindeutiger gesetzgeberischer Wille als auch 38 Vgl. für den Bereich der Rechtsfortbildung Canaris, in: FS Kramer, S. 141, 159; siehe auch ders., in: FS Bydlinski, S. 47, 94; ders., in: FS Schmidt, S. 41, 57. 39 Siehe Kapitel 6 § 17 E. I. 40 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet die (verfassungskonforme) Auslegung ihre Grenzen dort, „[…] wo sie zu dem Wortlaut und dem klaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.“ (BVerfGE 90, 263, 275); siehe auch BVerfGE 110, 226, 267: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde […]“. 41 Diese Auslegungsmethoden geben im Rahmen der Auslegung der einzelnen Norm Aufschluss darüber, wo genau bei der konkreten Norm die Grenzen der Auslegung liegen, welche Ergebnisse also bereits aufgrund der Überschreitung der Grenzen der Auslegung auszuscheiden haben (sich mithin nicht mehr im Bereich zulässiger Auslegung bewegen). 42 Vgl. BVerfGE 90, 263, 275 zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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eine Wortlautinkompatibilität entfalten daher absolute Ausschlusswirkung und stehen der vertikal-systematischen (restriktiven) Auslegung eines qualifizierten Delikts entscheidend entgegen, sodass eine solche (da andernfalls die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten werden würden) zu unterbleiben hat. Hinsichtlich der Annahme des Widersprechens einer vertikal-systematischen (restriktiven) Auslegung gegen den gesetzgeberischen Willen ist jedoch Zurückhaltung geboten. Hierzu bedarf es zunächst einer ausdrücklichen sowie eindeutigen Äußerung des Gesetzgebers.43 Von Relevanz kann hierbei u. a. eine – klar erkennbare44 – gesetzgeberische Zwecksetzung sein. Darüber hinaus muss die vertikalsystematische (restriktive) Auslegung gerade in Widerspruch stehen zum (entsprechend geäußerten) gesetzgeberischen Willen, was ein gewisses Maß an Unvereinbarkeit voraussetzt und das Vorliegen einer nur geringfügigen Abweichung von der gesetzgeberischen Willensäußerung nicht genügen lässt. Die Annahme eines entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens ist daher jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn sich der Gesetzgeber entweder gar nicht oder nicht ausdrücklich und eindeutig zum Anwendungsbereich, zur Zwecksetzung o.Ä. geäußert hat. Das Erfordernis der „klaren Erkennbarkeit“ beugt damit vor (verhindert also), dass durch Dritte (Rechtsprechung bzw. Wissenschaft) vorgenommene Zweckzuschreibungen bzw. Anwendungsbereichsdefinitionen (auch wenn sie ggf. auf vage Anhaltspunkte in gesetzgeberischen Äußerungen gestützt werden) eine absolute Ausschlusswirkung entfalten bzw. diesen unbesehen eine ebensolche zuerkannt wird. Diese können allenfalls als sonstige Kollisionen45 Berücksichtigung finden.46 In Hinblick auf das „Widersprechens-Erfordernis“ sind hohe Anforderungen zu stellen.47 Bloße Annahmen genügen daher nicht. Häufig äußert sich der Gesetzgeber
43 Vgl. dazu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde […].“ (BVerfGE 110, 226, 267; Hervorhebung durch den Verf.). 44 Vgl. BVerfGE 110, 226, 267 zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde […].“ (Hervorhebung durch den Verf.). 45 Ausführlich zu diesen Kapitel 6 § 17 E. III. 3. 46 Freilich, da sie nicht die Grenze zulässiger Auslegung markieren, ohne eine absolute Ausschlusswirkung in Hinblick auf die vertikal-systematische (restriktive) Auslegung des Qualifikationstatbestands zu entfalten. 47 In der Sache gleich, jedoch in Hinblick auf die Parallelproblematik im Bereich der (verfassungskonformen) Rechtsfortbildung, BVerfG 110, 226, 267 f. In Hinblick auf die strengen Anforderungen an eine Erfüllung der Voraussetzung des Entgegenstehens des gesetzgeberischen Willens hat es das Bundesverfassungsgericht für eine Ablehnung der Möglichkeit der Vornahme einer verfassungskonformen Reduktion nicht genügen lassen, dass der Gesetzgeber den Isolierungstatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB als Auffangtatbestand
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
nur in allgemeiner Form zu Zwecksetzung, Anwendungsbereich der Norm u. Ä. Dann jedoch sind – aufgrund der Weite der Formulierung – bereits denknotwendig in Hinblick auf die Annahme eines Entgegenstehens des gesetzgeberischen Willens enge Grenzen gesetzt. Dass der gesetzgeberische Wille einer einschränkenden Auslegung entgegensteht, mithin ein direktes Widersprechen vorliegt, wird dann häufig nicht anzunehmen sein. Vielmehr verhält sich der gesetzgeberische Wille in diesen Fällen hinsichtlich einer restriktiven Normauslegung (häufig) neutral. Diese Indifferenz stellt jedoch gerade kein Entgegenstehen dar. Von einer Unvereinbarkeit der restriktiven Normauslegung mit dem gesetzgeberischen Willen kann daher in solchen Fällen regelmäßig nicht ausgegangen werden. Als Faustformel lässte sich daher formulieren: je unkonkreter (bzw. allgemein gefasster) die gesetzgeberische Äußerung ist, desto eher ist anzunehmen, dass der gesetzgeberische Wille einer Einschränkung des Normanwendungsbereichs nach den hier entwickelten Grundsätzen (material-orientierte vertikal-systematische (restriktive) Auslegung des Qualifikationstatbestands) nicht entgegensteht. Diese Grundlagen werden durch einen Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Geldwäschetatbestand bestätigt. In Hinblick auf die entsprechende Problematik im Bereich der (verfassungskonformen) Rechtsfortbildung48 hat das Bundesverfassungsgericht die einschränkenden Anwendung des Isolierungstatbestandes des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB zutreffend für zulässig erachtet, obwohl der Gesetzgeber diesen als Auffangtatbestand konzipiert hat, mithin auf eine weite Gesetzesfassung abgezielt und von Ausnahmeregelungen bewusst abgesehen hat.49 Solche allgemein gehaltenen gesetzgeberischen Zwecksetzungen (beispielsweise die Rolle als „Auffangtatbestand“ bzw. eine „weite Gesetzesfassung“) stehen daher auch einer einschränkenden Auslegung nicht per se entgegen, sodass letztere zulässigerweise vorgenommen werden kann ohne dass von einem Entgegenstehen des gesetzgeberischen Willens auszugehen ist. Dass der Gesetzgeber die entsprechende restriktive Sichtweise nicht konkret angesprochen hat, ist dabei unerheblich. Denn die Grenze der Auslegung ist erst dann erreicht, wenn die Auslegung zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt.50 Hat sich der Gesetzgeber indes gar nicht bezüglich einer restriktiven Sichtweise geäußert, so ist sein Wille diesbezüglich unklar. Der von ihm geäußerte Wille verhält sich gegenüber einer solchen restriktiven Sichtweise neutral. Dann jedoch kann von einem Widerspruch gerade nicht ausgegangen werden. Dies wäre lediglich eine (fehlgehende) Annahme des Norminterpreten.
konzipiert hat, mithin auf eine weite Gesetzesfassung zielte und dabei bewusst von Ausnahmeregelungen abgesehen hat (siehe BVerfGE 110, 226, 267 f.). 48 Also zur Frage der Grenzen der Einsetzbarkeit einer solchen. 49 Siehe BVerfGE 110, 226, 267 f. 50 Vgl. BVerfGE 110, 226, 267 zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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Aus allgemeinen Aussagen des Gesetzgebers kann ein „Widersprechen“ in aller Regel nicht hergeleitet werden.51 Anders wäre allenfalls zu entscheiden, wenn die Betrachtung der vom Gesetzgeber getätigten allgemeinen Aussagen zwingend zur Annahme eines widersprechenden Willens des Gesetzgebers führt (mithin sich aus der Betrachtung ergibt, dass der Gesetzgeber keinesfalls eine entsprechende restriktive Auslegung wollte).52 Den Gegenpol dazu bildet die konkrete Nennung bestimmter Fallgruppen durch den Gesetzgeber. Hat der Gesetzgeber damit ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass diese Fallgruppen von dem Qualifikationstatbestand erfasst sein sollen, so hat eine vertikal-systematische Auslegung, die den Ausschluss dieser genannten Fallgruppen aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts zur Folge hat, zu unterbleiben. Denn andernfalls würde die restriktive Auslegung in Widerspruch zu der eindeutigen Anordnung des Gesetzgebers treten. Selbiges gilt auch, wenn der Gesetzgeber sich ausdrücklich gegen eine (bestimmte) enge Interpretation der Norm ausspricht. Entsprechendes gilt auch für die zweite Schranke der Auslegung, den Wortlaut. Aufgrund der Abstraktheit der tatbestandlichen Begriffe und des damit verbundenen Interpretationsspielraums wird eine restriktive vertikal-systematische Auslegung nur in ganz seltenen Fällen unvereinbar mit dem Wortlaut sein.53 Das Vorliegen einer Wortlautinkompatibilität wird daher den Ausnahmefall bilden. Allenfalls wenn (sämtliche) Konstellationen, die dem Begriffskern zuzuordnen sind, aus dem Anwendungsbereich herausgelöst werden, dürfte Wortlautinkompatibilität vorliegen. Dann ist, um die Grenzen der Auslegung nicht zu überschreiten, entweder ein anderes tatbestandsspezifisches Differenzierungskriterium zu wählen oder der Ausschluss aus dem tatbestandlichen Bereich auf bestimmte einzelne Fallgruppen zu beschränken. Ansonsten (geht dies also nicht) hat die vertikal-systematische Auslegung zu unterbleiben.
51 In der Sache gleich, jedoch in Hinblick auf die Parallelproblematik im Bereich der (verfassungskonformen) Rechtsfortbildung, BVerfG 110, 226, 267 f. In Hinblick auf die strengen Anforderungen an eine Erfüllung der Voraussetzung des Entgegenstehens des gesetzgeberischen Willens hat es das Bundesverfassungsgericht für eine Ablehnung der Möglichkeit der Vornahme einer verfassungskonformen Reduktion nicht genügen lassen, dass der Gesetzgeber den Isolierungstatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB als Auffangtatbestand konzipiert hat, mithin auf eine weite Gesetzesfassung zielte und dabei bewusst von Ausnahmeregelungen abgesehen hat (siehe BVerfGE 110, 226, 267 f.). 52 Dies dürfte – wie bereits erwähnt wurde – nur in ganz seltenen Ausnahmefällen gegeben sein, denn aufgrund der Allgemeinheit der Formulierung lassen sich Positionen hinsichtlich bestimmter Norminterpretationen nur sehr schwer deduzieren. Vielmehr resultiert aus der Allgemeinheit gerade, dass im Rahmen der Auslegung unterschiedliche Norminterpretationen möglich sind. 53 Insoweit gilt es zu beachten, dass Fälle, in denen eine sprachliche Eindeutigkeit gegeben ist, selten sind; siehe allgemein zum Aspekt der Eindeutigkeit des Wortlauts Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 57.
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
In Bezug auf die Einhaltung der Grenzen der Auslegung sind der jeweilige Normwortlaut sowie die der Norm zugehörigen Willensbekundungen des Gesetzgebers maßgeblich. Daher ist für jedes in Betracht kommende qualifizierte Delikt eine eigenständige Prüfung notwendig. In Kapitel 7 wird die entwickelte vertikalsystematische Auslegung exemplarisch auf einzelne Normen angewandt. 3. Sonstige Kollisionen Bei der soeben angesprochenen, an die Schranken der Auslegung anknüpfenden, Problematik sind die grammatikalische sowie die genetische Auslegung bedeutsam. Aus ihnen kann sich ergeben, dass eine bestimmte restriktive Auslegung (bzw. ein bestimmtes Auslegungsergebnis) als unzulässig verworfen worden muss, da die absolute Ausschlusswirkung des entgegenstehenden eindeutigen gesetzgeberischen Willens bzw. die der Wortlautinkompatibilität eingreift. Gegenstand dieses Abschnitts sind demgegenüber die sonstigen Kollisionen, welche sich vornehmlich (jedoch nicht ausschließlich)54 ergeben, wenn die sonstigen klassischen Auslegungsarten (systematische Auslegung, teleologische Auslegung, dogmengeschichtliche Auslegung55) einer vertikal-systematisch fundierten restriktiven Auslegung entgegenstehen. Eine solche sonstige Kollision ist nicht mit einer absoluten Ausschlusswirkung verbunden. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung, die sämtliche Auslegungsmethoden in den Blick nimmt, vorzunehmen. Hierbei ist zu untersuchen, ob die einzelnen klassischen Auslegungsmethoden für oder gegen das Ergebnis der vertikal-systematischen restriktiven Auslegung „sprechen“, d. h. ob die im Rahmen der vertikal-systematischen restriktiven Auslegung erfolgende (tatbestandsspezifische) Differenzierung (auch) nach einzelnen klassischen Auslegungsmethoden zu befürworten ist.
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Zu denken ist insoweit an Fälle, bei denen die Einschränkung der Norm aufgrund vertikal-systematischer Erwägungen zwar nicht den Wortlaut der Norm überschreitet, die Nichtvornahme einer entsprechenden restriktiven Auslegung dem Normwortlaut jedoch eher entspricht (mithin bei bloßer Betrachtung des Normwortlauts näher liegt; bspw. weil dies dem alltäglichen Sprachgebrauch eher genügt oder aufgrund der Auslegung eines gleichlautenden Tatbestandsmerkmals in einer anderen Norm). Auch ist an die Konstellationen zu denken, in denen zwar (bspw. aufgrund der Abstraktheit der Äußerungen des Gesetzgebers) ein entgegenstehender eindeutiger gesetzgeberischer Wille nicht ermittelbar ist, jedoch die getätigten Äußerungen eher für einen weiten Anwendungsbereich streiten. Gemein ist diesen Konstellationen, dass weder aus einem entgegenstehenden eindeutigen gesetzgeberischen Willen noch aus einer Wortlautinkompatibilität eine absolute Ausschlusswirkung bzgl. der restriktiven Auslegung folgt. Gleichwohl sind grammatikalische und genetische Auslegung deshalb nicht vollends unbeachtlich. 55 Insoweit wird vorliegend bei der historischen Auslegung unterschieden zwischen der genetischen Auslegung und der dogmengeschichtlichen Auslegung. Zu den Begrifflichkeiten siehe v. Münch/Mager, Staatsrecht I, Rn. 14 f.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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Letztlich genießen hierbei weder die vertikal-systematische Auslegung noch die klassischen Auslegungsmethoden eine Vorrangstellung,56 sondern stehen sich gleichrangig gegenüber. Bei der Entscheidung im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist deswegen danach zu fragen, ob die klassischen Auslegungsmethoden einer material-orientierten vertikal-systematischen restriktiven Auslegung des Qualifikationstatbestandes entscheidend entgegenstehen. Dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die restriktive Auslegung einer der vorher (durch Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden) ermittelten Auslegungvarianten entspricht (Deckungsgleichheit)57 bzw. sich mit den ermittelten Auslegungsvarianten vereinbaren lässt. Letzteres ist gegeben, wenn die Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden zu dem Ergebnis einer restriktiven Anwendung des Qualifikationstatbestands führt und die vertikal-systematische Auslegung sodann mit dem geformten tatbestandsspezifischen Differenzierungskriterium die Grundkonzeption der restriktiven Auslegung operabel macht. Ebenso ist die vertikal-systematisch fundierte restriktive Auslegung statthaft, wenn die Anwendung der anderen (mithin der klassischen) Auslegungsarten (vollkommen) unergiebig ist und sich ein (vollkommen) uneinheitliches Bild möglicher Auslegungsergebnisse zeigt. Dann nämlich kann, wenn nicht sämtliche Auslegungsmöglichkeiten (eindeutig) einer restriktiven Auslegung entgegenstehen, von einem entscheidenden Entgegenstehen der klassischen Auslegungsmethoden nicht ausgegangen werden. Letztlich kommt die vertikal-systematische Auslegung häufig dann zum Zuge, wenn eine Uneindeutigkeit des Gesetzeswortlauts gegeben ist und (daher) alternative Deutungsmöglichkeiten bestehen.58 Wie bereits erwähnt wurde, ist es möglich, dass sich der Ertrag der material fundierten vertikal-systematischen Auslegung auf die Beurteilung einzelner Fallkonstellationen bzw. bestimmter Fallgruppen beschränkt.59 Hier ist letztlich zu prüfen, ob die Fallkonstellation bzw. die Fallgruppe nach den klassischen Auslegungsmethoden zwingend zum Anwendungsbereich des qualifizierten Delikts zu
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Siehe bereits Kapitel 6 § 17 E. I. Einen hilfreichen Anhaltspunkt können hierbei die durch Rechtsprechung und Wissenschaft zu den einzelnen Qualifikationstatbeständen entwickelten Auslegungsvarianten bilden. Durch den Zugriff auf die existierenden dogmatischen Ansätze wird dabei einerseits der Bruch mit dem bereits entwickelten Forschungsstand vermieden, andererseits die Grundlage für eine zügige Entscheidungsfindung gelegt. Zum Zugriff auf die existierenden Auslegungsvarianten Kapitel 6 § 17 E. III. 5. 58 Ein vager Gesetzeswortlaut eröffnet daher in aller Regel die Möglichkeit, vertikal-systematische Überlegungen in die Normauslegung einfließen zu lassen. 59 Zu den Gründen siehe Kapitel 6 § 17 D. 57
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
rechnen ist, mithin sämtliche klassische Auslegungsmethoden für die Erfassung durch den Qualifikationstatbestand „sprechen“.60 4. Maßgeblichkeit des „Mischungsverhältnisses“? Wie bereits erwähnt, findet die vertikal-systematische Auslegung Anwendung bei den ambivalenten Qualifikationstatbeständen. Dies sind jene Qualifikationen, welche sowohl Konstellationen erfassen, die einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus darstellen als auch solche, die als rein quantitative Unrechtssteigerungen (also bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus) einzuordnen sind. Prinzipiell kommt eine vertikal-systematische Auslegung nach den hier entwickelten Grundsätzen bei sämtlichen ambivalenten Qualifikationstatbeständen in Betracht. Das „Mischungsverhältnis“ zwischen den Fallgruppen (Fallgruppen, die wesensverschiedene Unwerttypen darstellen zum einen; Fallgruppen quantitativer Unrechtssteigerungen andererseits) ist hierbei im Ansatz unbeachtlich. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass eine vertikal-systematische Auslegung nicht bereits deshalb ausscheidet, weil ein qualifiziertes Delikt in großem Maße (womöglich sogar überwiegend) rein quantitative Unrechts-/Schuldsteigerungen erfasst. Entscheidend ist vielmehr, ob die Grenzen der Auslegung (erkennbarer Wille des Gesetzgebers; Wortlaut) gewahrt werden. Dass vom qualifizierten Delikt viele Fälle erfasst werden, die sich als bloße Modifikationen des Grunddelikts darstellen, führt nicht geradewegs dazu, einen der engen Auslegung entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen anzunehmen. Es handelt sich allenfalls um ein Indiz, welches es zu überprüfen gilt. Über die Zulässigkeit einer engen vertikal-systematischen Auslegung kann daher erst entschieden werden, wenn der tatsächliche gesetzgeberische Wille ermittelt wurde. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Zugriff auf die im jeweiligen Gesetzgebungsverfahren erstellten Materialien. Der Blick auf die erfassten Fallgruppen entbindet daher nicht von der Notwendigkeit einer präzisen Prüfung. Entsprechendes gilt für die Beantwortung der Frage, inwieweit die anderen Auslegungsarten einer vertikal-systematisch fundierten engen Auslegung zuwiderlaufen. Auch hier verbietet es sich, vom „Mischungsverhältnis“ auf das Entgegenstehen der anderen Auslegungsarten zu schließen. Es ist stattdessen angebracht, die anderen Auslegungsmethoden mit der gebotenen Sorgfalt anzuwenden. Die conclusio dieses Abschnittes lautet daher wie folgt: Ob eine vertikal-systematische Auslegung zulässig ist, richtet sich nicht nach dem „Mischungsverhältnis“. Es bedarf vielmehr einer sorgfältigen Prüfung anhand der gängigen Auslegungsmethoden.
60 Letztlich geht es in diesen Fällen um die Einordnung der sog. „neutralen Kandidaten“; zu dieser Begrifflichkeit in Hinblick auf die Frage nach der Eindeutigkeit des Normwortlauts Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 47.
§ 17 Materiale Gesichtspunkte zur Begründung einer restriktiven Auslegung
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In einem der folgenden Kapitel soll (anhand verschiedener Beispiele) aufgezeigt werden, wie die material-fundierte vertikal-systematisch Auslegung in die konkrete Normauslegung eingebunden werden kann und inwieweit sie als Impulsgeber zur Schaffung neuer Ansatzpunkte für die inhaltliche Konkretisierung von Qualifikationstatbeständen fungiert. 5. Der Zugriff auf die existierenden dogmatischen Ansätze Bereits die Abstraktheit der Ausführungen in den letzten beiden Abschnitten macht deutlich, mit welchen Problemen die material-orientierte vertikal-systematische Auslegung verbunden ist. Wenn dies möglich ist, sollte daher ein Zugriff auf die existierenden dogmatischen Ansätze erfolgen. Hierdurch wird eine Einbindung in den bislang erreichten Forschungsstand gewährleistet. Zudem wird dadurch vermieden, dass die spezifische Auslegung der einzelnen Qualifikationstatbestände vernachlässigt und durch vertikal-systematische Überlegungen abstrakter Art überspielt wird.61 Der hier entwickelten vertikal-systematischen Betrachtung kommt letztlich (in diesen Fällen) die Funktion einer Entscheidungshilfe zu. Sie streitet als Argument für oder gegen einen Ansatz bzw. für oder gegen den Einbezug einer bestimmten Fallgruppe. Zu folgen ist hierbei jeweils dem Ansatz, der dem materialen Idealbild am nächsten kommt. Schlussendlich bietet der Rückgriff auf eines der überkommenen Auslegungsmuster eine gewisse Gewähr für die Einhaltung der Grenzen der Auslegung, was freilich voraussetzt, dass dieses Auslegungsmuster lege artis entwickelt wurde. Dennoch verharrt die vorliegende Konzeption nicht auf der Ebene der Entscheidungshilfe. Ist es unter Beachtung der aufgezeigten Vorgaben und Grenzen möglich, für einen Qualifikationstatbestand ein Auslegungsmuster zu formen, welches dem materialen Idealbild besser entspricht als die überkommenen Auslegungsmuster, so hat dies zu erfolgen. IV. (Mögliche) Folge der deliktsgruppenspezifischen Auslegung – divergierende Auslegung gleichlautender Tatbestandsmerkmale Folge dieser Fokussierung auf die jeweilige Deliktsgruppe kann es sein, dass die Auslegung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals von der Auslegung gleichlautender Tatbestandsmerkmale in anderen Normen abweicht. Dies ist im Ausgangspunkt der entwickelten Auslegungsart begründet. Die Auslegung hat sich nach der vorliegenden Konzeption, unter Beachtung der aufgezeigten Grenzen,62 am de61 Die Anbindung an den konkreten Qualifikationstatbestand spiegelt sich zudem wider in der Notwendigkeit der Bildung eines qualifikationstatbestandsbezogenen Differenzierungskriteriums (dazu Kapitel 6 § 17 D.) und der Notwendigkeit der Beachtung der klassischen Auslegungsmethoden (dazu unter Kapitel 6 § 17 E. III.). 62 Siehe hierzu Kapitel 6 § 17 E. III.
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
liktsgruppenspezifischen Normgefüge zu orientieren, wobei den Ausgangspunkt das materiale Idealbild eines Qualifikationstatbestandes – Erfassung eines neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremden, Unwerttypus – bildet. Bedeutung erlangt hierbei daher auch der vom Grunddelikt erfasste Unwerttypus. Dieser ist – nach der hier entwickelten Konzeption – für die Auslegung eines qualifizierenden Tatbestandsmerkmals dahingehend von Bedeutung, als die Auslegung dieses Qualifikationstatbestandsmerkmals möglichst63 so zu erfolgen hat, dass es sich als Addition eines wesenskernverändernden Elements darstellt, mithin material gesehen Unrecht erfasst bzw. umschreibt, welches dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremd ist. Dies zeigt, dass die Auslegung des Tatbestandsmerkmals in gewisser Abhängigkeit vom grunddeliktischen Unwerttypus erfolgt. Deshalb kann die Auslegung gleichlautender Tatbestandsmerkmale im Ergebnis unterschiedlich geraten. Dies ist letztlich Folge des Abstellens auf die konkrete Deliktsgruppe. Der Stringenz innerhalb einer Deliktsgruppe kommt damit Vorrang gegenüber der Stringenz innerhalb des Gesamtgesetzes (StGB) zu, was einleuchtet, wenn man die Deliktsgruppe als (spezielleres) Subsystem des Gesamtsystems StGB betrachtet. V. Zusammenfassung – Beschreibung der konkreten Herangehensweise Es bietet sich an, Qualifikationstatbestände unter Orientierung am materialen Idealbild, der Erfassung eines neuen, wesensverschiedenen Unwertypus, auszulegen. Ziel ist es dabei, bloße Modifikationen des grunddeliktischen Urechts (insb. rein quantitative Unrechtssteigerungen) aus dem Anwendungsbereich der Qualifikation auszuscheiden. Um die Grenzen der Auslegung zu wahren und ein leichtfertiges „Überspielen“ der anderen Auslegungsmethoden durch materiale (vertikal-systematische) Überlegungen zu verhindern, bedarf es hierbei einer strukturierten Vorgehensweise. Zunächst ist daher mittels der klassichen Auslegungsmethoden der Sinn und Anwendungsbereich des jeweiligen qualifizierten Delikts zu erfassen, wobei gegebenenfalls auf die bislang in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelten Auslegungsansätze (bspw. in Form der Definitionen einzelner Tatbestandsmerkmale der Qualifikation) zurückgegriffen werden kann. Hierbei geht es darum, zu ermitteln, ob und inwieweit die Qualifikationsnorm in unterschiedliche Richtungen ausgelegt werden kann, d. h. verschiedene Auslegungsergebnisse vertretbar sind. Daran anknüpfend ist zu untersuchen, inwieweit die verschiedenen (bereits existierenden) Auslegungsvarianten unter materialem Blickwinkel Zustimmung verdienen oder nicht. Verdient danach eines der von anderer Seite entwickelten (bereits existierenden) Auslegungsergebnisse volle Zustimmung, weil es sämtliche rein quantitative Unrechtserhöhungen aus dem Anwendungsbereich ausscheidet, so kommt den vertikal-systematischen Erwägungen eine ergänzende Funktion zu, indem sie den
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Insbesondere soweit dies der Normwortlaut zulässt.
§ 18 Verhältnis vertikal-systematischer Auslegung zur negativen Typenkorrektur
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entsprechenden Ansatz mittels vertikal-systematischer Erwägungen „auflädt“ und damit dessen Richtigkeit weiter fundiert.64 Vermag keiner der bestehenden Ansätze zu überzeugen oder sind solche noch nicht existent65, so ist auf Grundlage der vertikal-systematischen Überlegungen eine eigene Auslegung des qualifizierten Delikts vorzunehmen. Notwendig ist hierbei zunächst die Bildung bzw. Formulierung eines tatbestandsbezogenen Differenzierungskriteriums. Dieses (scil. das Differenzierungskriterium) muss dabei im Rahmen der Normauslegung gebildet werden, insbesondere bedarf es einer Stütze im Normwortlaut. Als Anknüpfungspunkte haben daher die Tatbestandsmerkmale des qualifizierten Delikts zu dienen. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass es sich um eine Auslegungsmethode handelt, welche gegenüber den anderen Auslegungsmethoden keinen absoluten Vorrang hat. Sie darf die anderen Auslegungsmethoden nicht leichtfertig „überspielen“. Andererseits tritt sie jedoch auch nicht stets hinter diese zurück. Vielmehr haben (wie bei jedweder anderer Auslegung – insoweit gelten auch bei der materialorientierten vertikal-systematischen Auslegung die allgemeinen Begrenzungen der Auslegungstätigkeit) nur der eindeutige (entgegenstehende) gesetzgeberische Wille sowie eine Wortlautinkompatibilität absolute Ausschlusswirkung. Der gebildete Auslegungsansatz muss daher anhand dieser Kriterien auf seine Tragfähigkeit bzw. Zulässigkeit überprüft werden. Stehen weder Wortlaut noch eindeutiger gesetzgeberischer Wille der entwickelten Auslegungsvariante entgegen, so bleibt schlussendlich zu prüfen, ob die (sonstigen) Auslegungskriterien (jenseits der soeben genannten absoluten Ausschlusswirkung) für oder (entscheidend) gegen die entwickelte Auslegungsvariante sprechen, diese also (zum Teil) stützen oder nicht.
§ 18 Das Verhältnis der vertikal-systematischen Auslegung zur negativen Typenkorrektur Interessant ist die Frage, wie sich vertikal-systematische Auslegung und negative Typenkorrektur zueinander verhalten. Hier ist im Ausgangspunkt daran zu denken, dass es sich bei dieser um Auslegung, bei jener um (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung66 handelt. Daneben ist als Unterschied auszumachen, dass die negative Typenkorrektur durch die gleichheitsrechtlichen Vorgaben des Grundge64 Auch bei der „Übernahme“ von Auslegungsvarianten anderer Instanzen ist es ratsam, diese daraufhin zu prüfen, ob sie die Grenzen der Auslegungstätigkeit wahren (mithin eine absolute Ausschlusswirkung der Wortlautinkompatibilität bzw. des eindeutigen entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens nicht gegeben ist). 65 Was angesichts der Fülle und Dichte der Diskussionen im Strafrecht lediglich bei „brandneuen“ Vorschriften in Betracht kommen dürfte. 66 Siehe bereits Kapitel 5 § 13 E. V.
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Kap. 6: Auslegung von Qualifikationstatbeständen
setzes erzwungen wird (sie mithin der Vermeidung eines gleichheitswidrigen, und damit verfassungswidrigen, Zustands dient), die vertikal-systematische Auslegung ihrerseits hingegen lediglich in der Sachgerechtigkeit der Einschränkung des Qualifikationstatbestandes ihre Rechtfertigung findet, es bei ihr an einem verfassungsrechtlichen Impetus fehlt. Letztere bewegt sich damit abseits eines zwingenden verfassungsrechtlichen (namentlich gleichheitsrechtlichen) Gebots und liegt dementsprechend außerhalb des Bereichs zwingender verfassungsrechtlicher Vorgaben.67 Insoweit liegen sie auf unterschiedlichen Ebenen, wenngleich sie beide dem Bereich der Rechtsanwendung zuzuordnen sind. Geht man, aufgrund der Wortlautkonformität und der damit verbundenen größeren „Nähe“ zum Gesetzestext, von einem Vorrang der auslegenden Tätigkeit aus,68 so muss dies konsequenterweise im vorliegenden Zusammenhang bedeuten, dass zunächst (der Versuch) eine(r) vertikal-systematische(n) restriktive(n) Auslegung zu erfolgen hat.69 Führt diese zur umfassenden Extraktion der bloßen Unrechtsmodifikationen, enthält das qualifizierte Delikt in seiner vertikal-systematischen restriktiven Auslegung also ausschließlich Fallgruppen, die sich im Vergleich zum grunddeliktischen Unwerttypus als wesensfremde Unwerttypen darstellen, so kommt die Durchführung einer negativen Typenkorrektur – bei Betrachtung der für diese entwickelten Voraussetzungen70 – nicht (mehr) in Betracht. Raum für eine negative Typenkorrektur verbleibt daher nur,71 wenn eine vertikalsystematische restriktive Auslegung nicht durchgeführt werden kann oder wenn – wie häufig – durch diese lediglich ein Teil der problematischen Fallgruppen (dies sind solche, die sich als bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus darstellen) aus dem Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestandes ausgeschieden wird (mithin keine vollumfängliche Extraktion der bloßen Unrechtsmo67
Insoweit besteht eine gewisse Parallelität zur Abgrenzung der grundrechtsorientierten (verfassungsorientierten) Auslegung von der verfassungskonformen Auslegung; siehe hierzu Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 530 ff. 68 Diese Vorrangstellung der Auslegung wird v. a. im Bereich der verfassungskonformen Rechtsanwendung herausgearbeitet. So setzt die Vornahme einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung, vermittelt über die Voraussetzung der „planwidrigen Unvollständigkeit“ (dazu Canaris, in: FS Schmidt, S. 41, 53; ausführlich Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 82 ff.), voraus, dass ein der Verfassung genügender Zustand nicht über Normauslegung (also Rechtsanwendung ohne Überschreitung der Wortlautgrenze) erzielbar ist; vgl. hierzu die Ausführungen von Canaris zum Element der „Unvollständigkeit“ (Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47, 82 f.): „Unvollständig in diesem Sinne ist das Gesetz, sofern die vermisste Regelung von seinem möglichen Wortsinn nicht umfasst wird. Das Kriterium der „Unvollständigkeit“ dient also zur Abgrenzung zwischen Lückenfüllung und Auslegung i.e.S.“. 69 Vorausgesetzt freilich, dass das qualifizierte Delikt überhaupt Fallgruppen bloßer Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus enthält. 70 Zu diesen Kapitel 5 § 13 E. II. bis V. 71 Vorausgesetzt freilich, dass das qualifizierte Delikt überhaupt Fallgruppen bloßer Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus enthält. Dies sind letztlich die ambivalenten Qualifikationstatbestände sowie diejenigen Qualifikationstatbestände, die ausschließlich Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfassen.
§ 18 Verhältnis vertikal-systematischer Auslegung zur negativen Typenkorrektur
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difikationen erfolgt). Die Nichtdurchführbarkeit einer vertikal-systematischen Auslegung ist u. a. dann gegeben, wenn eine solche Auslegung von vornherein ausgeschlossen ist, weil das qualifizierte Delikt ausschließlich Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst (und eine entsprechende Auslegung daher die faktische Derogation des Qualifikationstatbestandes nach sich ziehen würde). Sie ist überdies auch dann undurchführbar, wenn ein hinreichendes Differenzierungskriterium nicht formbar ist oder wenn die absolute Ausschlusswirkung des eindeutigen (entgegenstehenden) gesetzgeberischen Willens oder die der Wortlautinkompatibilität eingreift. Freilich – das verdient besondere Betonung – begründet dies keinen Automatismus dahingehend, dass dann bei Vorliegen massiver unrechts- und/oder schuldmindernder Umstände stets eine negative Typenkorrektur durchzuführen ist. In den genannten Fällen ist eine negative Typenkorrektur nur in den Grenzen ihrer qualifikationstatbestandsspezifischen Reichweite zulässig, d. h. eine negative Typenkorrektur ist nur möglich, soweit von dem qualifizierten Delikt (ggf. nach vorheriger Einschränkung durch die vertikal-systematische restriktive Auslegung)72 bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst werden.73 Daneben müssen freilich auch die weiteren Voraussetzungen für die Durchführung einer negativen Typenkorrektur gegeben sein.74 Dies begründet sich damit, dass es sich bei der hier entwickelten negativen Typenkorrektur um eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung handelt, genauer um ein Mittel zur Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung, und dadurch die Rechtsfortbildung ihre Rechtfertigung gerade in der Sicherstellung eines verfassungskonformen (hier: gleichheitskonformen) Zustands findet. Dass eine solche Rechtfertigung für ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Regelung vorliegt, soll gerade durch die entwickelten Voraussetzungen sichergestellt werden. Die Betonung der etwaigen Voraussetzung hat damit ihren guten Grund.
72 Entscheidend ist dann also die Gestalt des qualifizierten Delikts, wie sie sich nach einer vertikal-systematischen restriktiven Auslegung zeigt. Dies folgt denknotwendig daraus, dass zunächst die Auslegung zu erfolgen hat. 73 Denn nur bei diesen kann sich überhaupt eine gleichheitssatzrechtliche (und damit verfassungsrechtliche) Problematik stellen. Ausführlich zur qualifikationstatbestandsspezifischen Reichweite der Rechtsfigur der negativen Typenkorrektur Kapitel 5 § 13 E. IV. 1. 74 Siehe zu diesen Kapitel 5 § 13 E. IV. 3.
Kapitel 7
Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung § 19 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB: Begehung einer Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs A. Skizzierung des Meinungsstandes Der Form nach handelt es sich bei § 224 StGB um einen Qualifikationstatbestand zu § 223 StGB.1 Die gefährliche Körperverletzung nimmt dabei die besonders gefährliche Begehungsweise in den Blick.2 Nach der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB macht sich der gefährlichen Körperverletzung strafbar, wer die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht. Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass hierbei auf die Gefahr erheblicher Verletzungen abzustellen ist.3 Was jedoch konkret unter dieser Erheblichkeit zu verstehen ist, ist umstritten. Daneben ist umstritten, welcher Gefahrengrad erforderlich ist.4 Festzustellen ist mit Blick hierauf zunächst, dass es sich um eine zweigliedrige Voraussetzung handelt, wobei zu unterscheiden ist zwischen der (erforderlichen) Gefahrintensität (i.S.d. Verletzungsintensität, die bei Verwirlichung der Gefahr eintreten würde) und dem (erforderlichen) Gefahrengrad (i.S.e. Nähe zur Gefahrverwirklichung).5 Thematisiert werden soll hier primär der Streit um die Gefahr1
Allgemeine Meinung, siehe nur Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1. Siehe BGH, NJW 1964, 1631: „[…] § 223a StGB bedroht Fallgruppen der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 StGB) mit erhöhter Strafe, weil Fälle der in ihm bestimmten Art wegen ihrer – im Gesetz näher umschriebenen – Begehungsweise allgemein besonders gefährlich erscheinen.“; so auch Hardtung, in: MK-StGB, § 244 Rn. 1. 3 Vgl. die Feststellung von Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1. 4 Siehe dazu Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19 sowie Rn. 8. Ein Überblick über den Streitstand, ob es sich bei § 224 StGB um ein abstraktes oder ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt, findet sich bei Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1a ff. 5 Vgl. Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1, welcher die Unterscheidung zwischen Gefahrgegenstand und Gefahrengrad vornimmt. 2
§ 19 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB
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intensität, also die Frage, welche Verletzungen drohen müssen, damit von dem Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs gesprochen werden kann.6 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Gegenstand dann ein gefährliches Werkzeug, wenn er nach seiner objektiven Beschaffenheit7 und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen.8 Dem hat sich der Großteil der Lehre angeschlossen.9 Erheblich ist eine (aufgrund des Werkzeugeinsatzes drohende) Verletzung nach dieser Ansicht dann, wenn sie eine nach Dauer oder Intensität gravierende, schwer wiegende, jedenfalls nicht mehr nur ganz leichte Verletzung oder Gesundheitsschädigung ist.10 Letztlich genügt nach dieser Auffassung, dass die (drohende) Verletzung nach Intensität und/ oder Dauer überdurchschnittlich ist.11 Vereinzelt wird eine von Stree entwickelte Definition aufgegriffen. Nach dieser ist erforderlich eine „Verletzung des Körpers, die dessen Funktionen oder dessen Erscheinungsbild so einschneidend und nachhaltig beeinträchtigt, dass der Verletzte schwer getroffen ist und beträchtlich darunter zu leiden hat.“.12 Nicht notwendig ist daher nach dieser Ansicht das Vorliegen der Gefahr einer „schweren Gesundheitsschädigung“13 oder die Gefahr des Eintritts einer Verletzung, 6 Die Frage nach dem erforderlichen Gefahrengrad wird im Rahmen eines Exkurses aufgegriffen. 7 Das Element der objektiven Beschaffenheit ist (in der Praxis) weitestgehend irrelevant geworden (siehe Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19: Zusatz läuft leer; kritisch Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 14a; zur Kritik auch Fischer, StGB, § 224 Rn. 9e). Die Gefährlichkeit wird mittlerweile weit überwiegend verwendungsabhängig bestimmt, siehe Stree/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 4 m.w.N.; ablehnend Fischer, StGB, § 224 Rn. 9e, der für eine „[…] Objektivierung des Begriffs des gefährlichen Werkzeugs unter Orientierung am Waffenbegriff […]“ plädiert. 8 BGHSt 3, 105, 109; 14, 152, 155; BGH NStZ 2002, 86; 2007, 95; 2010, 512, 513; NStZRR 2009, 50. 9 Engländer, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 224 Rn. 6; Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 28; Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19; Krey/Hellmann/ Heinrich, Strafrecht BT I, Rn. 257; Lackner/Kühl, StGB, § 224 Rn. 5; Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 20; Maurach/Maiwald/Schroeder, Strafrecht BT I, § 9 Rn. 15; Stree/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 4; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 275. 10 So Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 28. 11 Vgl. Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7. Siehe auch Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b: überdurchschnittliche Intensität oder längere Dauer der Körperverletzung im Vergleich zu einer „durchschnittlichen“ Körperverletzung. 12 Stree, Jura 1980, 281, 287; folgend Engländer, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 224 Rn. 7; Joecks, StGB, § 224 Rn. 20; Küper/Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 767; Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 22; Kretschmer, Jura 2008, 916, 919, der jedoch alternativ auf die in § 226 StGB enthaltenen Schädigungen verweist. Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7 bezeichnet diese Definition als „hilfreiche annähernde Beschreibung“. In Ansatz auf diese Definition abstellend, jedoch mit einer einschränkenden Ergänzung Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33. 13 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19. Ablehnend auch BGH, NStZ 2002, 86; Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 28; Küper/Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 767; a.A. Windhorst, Rechtsbegriff der schweren Gesundheitsschädigung, S. 142.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
die den in § 226 StGB aufgeführten gleichkommt.14 Begründet wird dies primär damit, dass man im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. Strafrechtsreformgesetz bewusst von einem solchen Erfordernis abgesehen habe,15 das Erfordernis der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung vom Gesetzgeber mithin (ausdrücklich) nicht gewollt gewesen sei.16 Hierbei wird auf die Streichung der noch im Regierungsentwurf enthaltenen Voraussetzung „Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung“17 sowie die entsprechenden Erläuterungen in den Materialien verwiesen.18 Des Weiteren wird vorgebracht, dass die Anhebung der Anforderungen auch mit Blick auf § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht erforderlich sei. So enthielten auch die in den Nummern 3 und 4 enthaltenen Tatbestände, welche jeweils die besonders gefährliche (bzw. verwerfliche) Begehungsweise beschreiben, keinen der Nr. 5 entsprechenden Unrechtsgehalt.19 Die Gegenansicht20 setzt – mit Unterschieden im Detail – die Anforderungen an die Erheblichkeit (der drohenden Verletzung) höher an.21 Mit Blick auf den Strafrahmensprung wird gefordert, die Anforderungen an die Erfüllung des Tatbestandes zu verschärfen, um ein der angedrohten Sanktion entsprechendes Unrechts- bzw. Schuldquantum zu erreichen.22 Zudem wird als „intermodalitäten-systematisches Argument“ auf die in Nr. 5 enthaltene Variante verwiesen.23 Paeffgen schlägt vor, sich bei der Bestimmung, ob die notwendige Erheblichkeit vorliegt, an den in § 226 StGB aufgeführten schweren Folgen sowie den Fällen früherer Qualifikationen (beispielhaft genannt: die in § 192a Abs. 1 prStGB 1851 enthaltene „länger wäh-
14
Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. Ebenso Küper/ Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 767; (für § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB) Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7. 15 Siehe Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7. Mit entsprechender Argumentation lehnt es auch der Bundesgerichtshof ab, höhere Anforderungen zu stellen an die Annahme einer „Gefahr einer erheblichen Verletzung“, siehe BGH, NStZ 2002, 86. 16 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19. Ebenso Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. 17 Siehe dazu die im Regierungsentwurf enthaltene Regelbeispielsnorm der besonders schweren Fälle der Körperverletzung § 223 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB-E, BT-Drucks. 13/8587, S. 6. 18 Siehe Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7. 19 So Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. 20 Siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16 m.w.N. 21 Dazu allgemein Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 4: „Richtig erscheint, die Schwelle der prospektiven Gefährlichkeit des Handlungsvollzugs höher anzusiedeln, als es die bisher hM zugesteht.“ [im Original teilweise hervorgehoben]. 22 Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16. Siehe auch Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33, der auf die Verdoppelung der Mindestfreiheitsstrafe durch das 6. Strafrechtsreformgesetz hinweist. 23 Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16.
§ 19 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB
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rende Arbeitsunfähigkeit“) zu orientieren.24 Erhebliche Verletzungen seien schwerwiegende, das heißt länger andauernde oder nicht bzw. kaum revisible, nachhaltig beeinträchtigende Verletzungen.25 Eine (noch) engere Auffassung vertreten Horn/Wolters, die fordern, dass die Handlung nach dem Urteil eines normativen Maßstabs-Beobachters als objektiv sorgfaltswidrig hinsichtlich des Eintritts einer schweren Körperveretzung i.S.d. § 226 StGB erscheinen muss.26
B. Auslegung unter Berücksichtigung der materialen Deliktsgruppensystematik I. Beurteilung der Auslegungsvarianten aus materialem Blickwinkel Will man nach dem in dieser Untersuchung entwickelten Ansatz die formale Stellung des § 224 StGB als qualifiziertes Delikt mit einem entsprechenden materialen Unrechtsgehalt „unterfüttern“, so ist bei der Konkretisierung der Voraussetzung der Erheblichkeit zurückhaltende Gründlichkeit geboten. Nur dann kann den aufgezeigten Anforderungen an die Ausgestaltung von Deliktsgruppen Rechnung getragen werden. Betrachtet man die Rechtsprechung27 und die h.L., so zeigt sich, dass diese (zu) niedrige Anforderungen an die Erheblichkeit stellen. Will man jedoch den herausgearbeiteten Anforderungen an die Ausgestaltung von qualifizierten Delikten genügen, so kann es nicht ausreichen, eine bloß überdurchschnittliche Verletzung zu verlangen.28 Eine solche stellt sich nämlich (im Verhältnis zum grundtatbestandlichen Unrecht) nicht stets als qualitativ anderes Unrecht dar. Obgleich der Begriff aufgrund seiner Weite natürlich auch besonders gravierende Verletzungen, die als qualitativ anderes Unrecht einzuordnen sind, erfasst, enthält er doch auch zahlreiche Konstellationen, die sich nicht als dem grunddeliktischen Unrecht wesensfremd darstellen. Diese gilt es weitestmöglich herauszufiltern.
24 Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16. Ähnlich Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33. Siehe auch Windhorst, Rechtsbegriff der schweren Gesundheitsschädigung, S. 142, der eine schwere Gesundheitsschädigung fordert. 25 Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 12. 26 Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 4; ähnlich Wolters, JuS 1998, 582, 583: „[…] geeignet ist, Körperverletzungen von erheblichem, mit den Erfolgen der schweren Körperverletzung vergleichbaren Umfang hervorzurufen.“; als „zu eng“ ablehnend Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 22. 27 Siehe dazu (mit Blick auf die Parallelproblematik in § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB) die Feststellung von Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7, dass die Rechtsprechung für das Vorliegen einer Erheblichkeit tendenziell sehr wenig genügen lässt. 28 So jedoch Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Insoweit bietet es sich durchaus an, zunächst auf die bisher entwickelten restringierenden Ansätze zu blicken und diese zum Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zu machen. Gemeinsam ist diesen letztlich, dass sie nur (außergewöhnlich) gravierende Verletzungen genügen lassen, wobei jeweils – jedoch mit unterschiedlicher Strenge29 – an die in § 226 StGB aufgezählten schweren Folgen angeknüpft wird. Betrachtet man die in § 226 StGB enthaltenen schweren Folgen, so stellen sich diese aufgrund ihrer Massivität, insbesondere wegen ihrer fortwährenden Auswirkungen auf das selbstbestimmte Leben des Verletzten, nicht als bloße quantitative Steigerung des grunddeliktischen Unwerttypus dar. Sie sind nicht lediglich besonders schwere Verletzungen, sondern gehen in ihrer Typizität darüber hinaus. Nicht nur die Schwere der Verletzung ist prägend, sondern gerade auch die durch diese verursachte dauerhafte Beeinträchtigung der selbstbestimmten Lebensführung.30 Damit tritt neben die (bereits der einfachen Körperverletzung innewohnende) Verletzung des Körpers die Verletzung des Rechts auf körperbezogene Selbstbestimmung, indem einzelne Fähigkeiten dauerhaft aufgehoben werden (bei Nr. 1 bezogen auf wichtige Sinnes- bzw. Körperfunktionen31; bei Nr. 2 bezogen auf das einzelne Glied des Körpers32), die Leistungsfähigkeit des Gesamtorganisimus dauerhaft erheblich gemindert wird (Nr. 3 Var. 2 – 5) bzw. der status quo des äußeren Erscheinungsbildes33 dauerhaft beseitigt wird (Nr. 3 Var. 1). In allen Varianten wird die auf den Körper sowie die körperlichen Funktionen bezogene Verfügungsmöglichkeit des Verletzten für einen Teilbereich dauerhaft aufgehoben. Zu Recht kann daher von einer entsprechenden Totalität gesprochen.34 Es kann deswegen bei den in § 226 StGB umschriebenen Tatbeständen nicht von einer bloßen Steigerung des grunddeliktischen Unwerttypus der einfachen Körperverletzung ausgegangen werden. Denn durch das Element der partiellen bzw. an29 Während Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 4 (ähnlich Wolters, JuS 1998, 582, 583: „[…] geeignet ist, Körperverletzungen von erheblichem, mit den Erfolgen der schweren Körperverletzung vergleichbaren Umfang hervorzurufen.“.) eine strikte Bindung an die Enumeration des § 226 StGB vertritt, will sich Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16 bei der Bestimmung der Erheblichkeit lediglich an den schweren Folgen des § 226 StGB orientieren (in der Sache auch Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33). 30 Veranschaulichend – freilich mit Blick auf Nr. 3 Var. 1 wohl etwas ungenau – Welti, Behinderung und Rehabilitation, S. 574: „[…] Körperverletzung […], die dazu führt, dass das Opfer dauerhaft erheblich behindert wird.“ sowie Welti, a.a.O., S. 756: Körperverletzung wird qualifiziert, „[…] wenn sie schwere Behinderungen zur Folge hat.“. 31 Vgl. Fischer, StGB, § 226 Rn. 2a. 32 Wobei hierbei wiederum fraglich ist, ob nur die Grundfertigkeiten (i.S.d. „generellen körperlichen Mindestfähigkeiten“, Hardtung, in: MK-StGB, § 226 Rn. 27) oder auch etwaige Sonderfähigkeiten geschützt sind, was herkömmlich diskutiert wird unter dem Merkmal „wichtig“, konkret der Frage nach der Bestimmung der Wichtigkeit (zum Streitstand Stree/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 226 Rn. 2; ausführlich Jesse, NStZ 2008, 605 ff.). 33 Insoweit notwendig ist, dass die Gesamterscheinung verunstaltet wird; vgl. Fischer, StGB, § 226 Rn. 9. 34 Vgl. Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 71: „Negation der Selbstständigkeit als solche“.
§ 19 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB
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teiligen Aufhebung des körperbezogenen Selbstbestimmungsrechts wandelt sich das Unrecht zu einem neuen, wesensfremden Unwerttypus. Es ist daher zweckmäßig, daran anküpfend eine Konkretisierung des Begriffs der Erheblichkeit im Rahmen von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorzunehmen. Denn dann wird der dem § 224 StGB zuzuerkennende materiale Unwert der äußeren Form dieser Norm (Qualifikationstatbestand) gerecht. II. Einschränkende Auslegung anhand eines Differenzierungskriteriums 1. Entwicklung eines Differenzierungskriteriums unter Zugrundelegung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals Gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt 2 StGB macht sich derjenige der gefährlichen Körperverletzung strafbar, der die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht. Wie bereits erwähnt, ist nach nahezu einhelliger Meinung die Erheblichkeit der durch den Werkzeugeinsatz drohenden Verletzungen maßgeblich.35 Dieses Erfordernis der Erheblichkeit dient als „Tor“ für die Einbindung material-orientierter vertikal-systematischer Überlegungen. Inhaltlich kommt einerseits die strikte Bindung an die in § 226 StGB aufgeführten Folgen36 sowie andererseits die (bloße) Orientierung37 an diesen in Betracht. Gegen eine strikte Bindung spricht zunächst der Wortlaut der Norm, welcher keinerlei Ansatzpunkte für einen solch engen Ansatz erkennen lässt. Zudem engt sie den Anwendungsbereich der Norm zu weit ein. Da die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes auch die Kenntnis des Täters von der Eignung des Werkzeugeinsatzes zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen voraussetzt,38 würde eine „Parallelschaltung“ mit den in § 226 StGB genannten schweren Folgen den Anwendungsbereich des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB nahezu auf die Fälle beschränken, in 35
So die Feststellung von Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1. Mit gänzlich anderem Ansatz Heinrich, JA 1995, 718 ff., der ein alternativenübergreifendes „Einsatz“-Kriterium zugrundelegt und infolgedessen die „[…] Begehung mittels eines bewußt in durchschlagskrafterhöhender Weise zum Zwecke der Körperverletzung eingesetzten gegenständlichen Tatmittels“ für entscheidend hält (siehe Heinrich, JA 1995, 718, 725). Nukleus der Unrechtserhöhung ist dabei, „[…] daß der Täter bei einem dem Einsatz-Kriterium genügendem Vorgehen gezielt die Determinanten des Körperverletzungsgeschehens zu seinen Gunsten manipuliert.“ (siehe Heinrich, a.a.O., 725). 36 So Wolters, in: SK-StGB [Stand; 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 4; ähnlich Wolters, JuS 1998, 582, 583. 37 So Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16; in der Sache auch Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33. 38 Siehe Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 45; Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 19; Kretschmer, Jura 2008, 916, 922; Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 38; wohl auch Lackner/Kühl, StGB, § 224 Rn. 9: Kenntnis der Umstände notwendig, aus denen die Eigenschaft der Gefährlichkeit des Werkzeugs folgt.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
denen ohnehin der Versuch einer schweren Körperverletzung nahe liegt.39 Gegen eine solche Auffassung spricht weiterhin, dass durch sie drohende Verletzungen, welche den in § 226 StGB aufgeführten in ihrer Schwere zumindest nahekommen – und welche sich deutlich vom grunddeliktischen Unwerttypus abheben – aus dem Anwendungsbereich des § 224 StGB ausgeschieden werden.40 Insoweit engt sie den Anwendungsbereich der Norm zu weit ein41 und scheidet Begehungsvarianten aus dem qualifizierten Tatbestand aus, welche durchaus als der grunddeliktischen Begehungsweise wesensfremd anzusehen sind. Infolgedessen sind die in § 226 StGB aufgeführten schweren Folgen nur als Orientierungspunkte für das Erfordernis der „Erheblichkeit“ aufzufassen.42 Ist der Werkzeugeinsatz dazu geeignet, eine der in § 226 StGB aufgeführten Verletzungen herbeizuführen, so liegt die Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges vor. Daneben genügt jedoch auch die Eignung zur Herbeiführung anderer „gravierender Verletzungen“43 bzw. „gravierender Gesundheitsschädigungen“; zu denken ist bspw. an den „Verlust“ einer Niere oder die (weitgehende) Aufhebung der Hörfähigkeit eines Ohres44. Diese müssen in ihrer Schwere den in § 226 StGB Genannten zumindest approximativ entsprechen.45 Kriterien hierfür sind neben der Nachhaltigkeit bzw. Intensität der Verletzung auch die Revisibilität bzw. Dauer der Verletzung,46 wobei angesichts des Vergleichsmaßstabes (dies sind die in § 226 StGB erwähnten schweren Folgen) hohe Anforderungen zu stellen sind. I. E. sind diese nur erfüllt, wenn neben die besondere Intensität bzw. Nachhaltigkeit der Verletzung zumindest eine lange Dauer der Verletzung (bzw. sogar Irreversibilität der Verletzung) tritt.47
39
Mit entsprechender Argumentation bereits Stree, Jura 1980, 281, 287. Mit entsprechender Argumentation Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16, der den Fall nennt, bei dem die Hörfähigkeit „nur“ eines Ohres gefährdet ist (Paeffgen, a.a.O., Fn. 7). 41 Dieses Argument findet sich auch bei Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 22, der auf die (lückenhafte) kasuistische Fassung des § 226 StGB verweist. So bereits Stree, Jura 1980, 281, 287. 42 So bereits Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16; in der Sache auch Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33. 43 Ebenso Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33. 44 Vgl. Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16, Fn. 7. A.A. Wolters, in: SK-StGB [141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 4. 45 Ähnlich Wolters, JuS 1998, 582, 583: „[…] geeignet ist, Körperverletzungen von erheblichem, mit den Erfolgen der schweren Körperverletzung vergleichbaren Umfang hervorzurufen.“. 46 Vgl. dazu Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 12. 47 Insoweit müssen besondere Intensität/Nachhaltigkeit und lange Dauer des Heilungsprozesses (bzw. sogar Irreversibilität der Verletzung) kumulativ zusammentreffen; anders (besondere Intensität und/oder besondere Dauer) Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 28; Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b.; das Kriterium der Dauerhaftigkeit ablehnend Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 22; ebenso bereits für § 224 Abs. 1 Nr. 1 (siehe Lilie, a.a.O., Rn. 11). 40
§ 19 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB
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Neben dem material-fundierten vertikal-systematischen Argument streitet für eine solche enge Auslegung auch ein intratatbestandlich-systematisches Argument. Betrachtet man nämlich die in Nr. 5 enthaltene Variante („mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“), bei der sogar die Gefahr für das höchste Rechtsgut48 im Raum steht, so ist es durchaus sachgerecht auch für den Fall des Werkzeugeinsatzes hohe Anforderungen an die drohende Verletzung zu stellen.49 Ebenso ist der hier vertretene Standpunkt aus Gründen der Praktikabilität gegenüber der Lösung von Rechtsprechung und h.L.50 vorzugswürdig. Wie bereits von anderer Seite konstatiert wurde, bedarf es in Hinblick auf die Konturierung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB Konkretisierungsarbeit hinsichtlich des Kriteriums der „Erheblichkeit“.51 Die Orientierung an den in § 226 StGB aufgeführten schweren Folgen vermag dies besser zu leisten als die weit verbreiteten52 allgemeinen Formeln.53
48 So für das Rechtsgut Leben das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung BVerfGE 39, 1, 42. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGHSt 35, 347, 350: absoluter Höchstwert. 49 So auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16 („[intermodalitäten]-systematisches Argument“); ablehnend Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b, mit dem Verweis darauf, dass – was ein Blick auf die Tatbestandsalternativen Nr. 3 und Nr. 4 zeige – der Unrechtsgehalt der einzelnen Tatstandsalternativen nicht gleich hoch sei und daher eine Angleichung an den Unrechtsgehalt der Alternative Nr. 5 die unterschiedlichen „Ausgangspositionen“ aus dem Blick verliere. Überdies widerspreche eine Anhebung der Anforderungen dem gesetzgeberischen Willen. Zum Ersten ist zu sagen, dass eine Orientierung an Nr. 3 schon deswegen als fragwürdig erscheint, weil diese Alternative selbst dahingehend in der Kritik steht, ob sie ihrem Unrechtsgehalte nach die gesetzlich vorgesehene Strafschärfung zu rechtfertigen vermag (dazu Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 23; Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 22). Hier darf die Bezugnahme zum Grundtatbestand nicht vernachlässigt werden. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, warum gerade die Ausrichtung an den Nrn. 3 und 4 der Orientierung an Nr. 5 vorzugswürdig sein soll. Zum Argument des entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens soll an späterer Stelle ausgeführt werden, siehe dazu Kapitel 7 § 19 B. III. 2. 50 Dazu oben Kapitel 7 § 19 A. 51 Siehe Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 275: „Nicht nur wegen der Verschärfung der Strafdrohung wird dies einer Präzisierung bedürfen […].“; siehe auch Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 28: „Andererseits ist das Kriterium der Erheblichkeit […] unklar.“. Siehe dazu auch Windhorst, Rechtsbegriff der schweren Gesundheitsschädigung, S. 140 f. 52 Zu den in Rechtsprechung und Literatur überwiegend verwendeten Formeln Kapitel 7 § 19 A. 53 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7 hält eine über die allgemeinen Formeln hinausgehende Präzisierung nicht für möglich. Geschuldet ist diese Einsicht freilich seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer Orientierung an § 226 StGB.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
2. Auswirkungen für den Anwendungsbereich des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB Durch die vorliegend vertretene Ansicht wird der Anwendungsbereich des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB im Vergleich zur Auslegung der h.M. eingeschränkt. Dies ist auch angesichts der Strafdrohung durchaus begrüßenswert.54 Die Norm erhält durch den Ansatz schärfere Konturen, was zu einer verbesserten Überprüfbarkeit richterlicher Entscheidungen führt. Ausgeschieden werden solche Fälle, in denen die Werkzeugverwendung nicht geeignet55 ist, solch gravierende Verletzungen herbeizuführen, die ihrer Schwere nach approximativ den in § 226 StGB Aufgeführten entsprechen. Dann nämlich ist der konkrete Werkzeugeinsatz nicht dazu geeignet, „erhebliche Verletzungen“ i.S.d. Definition56 herbeizuführen. Unter anderem in aller Regel nicht genügen dürften daher Tritte mit dem Turn- bzw. Straßenschuh in das Gesicht sein.57 Hier müsste jedenfalls festgestellt werden, dass dies, bspw. aufgrund der außergewöhnlichen Heftigkeit bzw. Wucht des Tritts oder sonstiger besonderer Umstände (Kopf des Opfers wurde – was vom Vorsatz des Täters umfasst war – durch den heftigen Tritt gegen eine Wand58 geschleudert), geeignet war, gravierende Verletzungen im o.g. Sinne (bspw. Verursachung einer (irreversiblen) Entstellung bzw. schweren Schädigung des Gehirns) herbeizuführen. Nicht genügend ist es, darauf zu verweisen, dass der Geschädigte durch den Tritt erhebliche Schwellungen und Blutergüße im Gesicht erlitten hat sowie eines seiner Ohren „schwarz angelaufen“ ist.59 54 Ebenso auf die Strafandrohung blickend Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16; Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 33. 55 Zum Eignungserfordernis Kapitel 7 § 19 B. II. 3. 56 Vgl. dazu die Definition, welche der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gebraucht: „[…] Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen […]“ (BGH, NStZ 2002, 86; 2007, 95; 2010, 512, 513). Das Erfordernis „erheblicher Verletzungen“ wird nahezu einhellig vertreten (vgl. Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1; abweichend nur Heinrich, JA 1995, 718 ff.). 57 Stets ablehnend Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 19. A.A. der Bundesgerichtshof, nach welchem ein „[…] Straßenschuh üblicher Beschaffenheit […] regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen [ist], wenn damit, mit welcher Stelle des Schuhs auch immer, einem Menschen in das Gesicht getreten wird, ohne daß dies näherer Begründung bedarf.“ (BGH, NStZ 1999, 616, 617; siehe auch BGH, NStZ-RR 2011, 337; folgend Eschelbach, in: BeckOKStGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 30; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 5); selbiges soll für einen Turnschuh gelten (BGH, NStZ 1999, 616, 617; NStZ-RR 2011, 337). 58 Die Einordnung der Wand als „gefährliches Werkzeug“ scheitert hierbei am Normwortlaut, ebenso BGHSt 22 235, 236 f.; NStZ-RR 2005, 75; folgend Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 15; Lackner/Kühl, StGB, § 224 Rn. 4; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 224 Rn. 7; a.A. Eckstein, NStZ 2008, 125, 127; Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 27; Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 39. Zum Streitstand Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 15. 59 So jedoch BGH, NStZ-RR 2011 337.
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Die hier entwickelte Formel hält daher den Rechtsanwender dazu an, die Prüfung des Vorliegens eines gefährlichen Werkzeugs mit der gebotenen Gründlichkeit vorzunehmen, insb. genau zu ermitteln, welche Verletzungen durch einen solchen Werkzeugeinsatz drohen (d. h. zu ermitteln, zur Herbeiführung welcher Verletzungen der konkrete Werkzeugeinsatz geeignet ist) und im Anschluss diese Verletzungen – unter Orientierung an den in § 226 StGB Aufgeführten – exakt auf ihre Erheblichkeit hin zu überprüfen. Dies zeigt sich auch an einem weiteren Beispiel. Regelmäßig nicht ausreichend ist (unter Zugrundlegung der hier vertretenen Auffassung) das Ausdrücken einer Zigarette auf der Haut. Abzulehnen ist daher die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der dies regelmäßig den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB erfüllen soll.60 Denn die durch ein solches Vorgehen drohenden Verletzungen sind regelmäßig nicht als erheblich im o.g. Sinne einzuorden.61 Anders liegt es freilich, wenn die Zigarette im Bereich „zwischen den Augen“ ausgedrückt wird.62 Ein solches Verhalten ist nämlich geeignet, eine dauerhafte Entstellung herbeizuführen, weil das Gesamterscheinungsbild aufgrund der exponierten Lage (möglicherweise entstehender) bleibender Narben erheblich beeinträchtigt wäre. Zudem besteht hier die Gefahr der schwerwiegenden Verletzung eines Auges durch Kontakt mit der Glut.63 3. Zur Frage des erforderlichen Gefahrengrades Wie bereits Eingangs erwähnt, soll an dieser Stelle nicht eingehend die Frage nach dem erforderlichen Gefahrengrad64 behandelt werden. Da dies jedoch für die nachstehenden Ausführungen von Relevanz ist, sind knappe Ausführungen dazu unumgänglich. Letztlich entscheidungsrelevant ist, ob bei Betrachtung der objektiven Beschaffenheit des Werkzeugs und seiner konkreten Verwendung eine konkrete Eignung65 60 Vgl. BGH, NStZ 2002, 86. Siehe auch BGH, NStZ 2002, 30; folgend Lackner/Kühl, StGB, § 224 Rn. 5. Siehe aber restriktiver OLG Köln, StV 1994, 244, 246. 61 Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16; Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 30; im Ergebnis ebenso Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 25, der allgemein aber niedrigere Anforderungen an die Erheblichkeit stellt. 62 Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 30; im Ergebnis ebenso Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 25. 63 Zutreffend daher die Zusatzbegründung in BGH, NStZ 2002, 30. Folgend auch Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 25 Fn. 125. 64 Zum Streitstand Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1a ff. 65 Erläuternd Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19: „[…] abstrakte Gefährdung unter Ausschluss konkreter Ungefährlichkeit […]“ [im Original hervorgehoben]. Mit ähnlicher Formulierung Triantafyllou, gefährliche Körperverletzung, S. 249 f.: „abstraktes Gefährdungsdelikt mit eingeschränkter Anwendung“. Eine ähnliche Tendenz weist im Ergebnis auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf. Nach dieser ist die potentielle Gefährlichkeit
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
vorliegt, erhebliche Verletzung (im oben erörterten Sinne) herbeizuführen.66 Nicht erforderlich ist der Eintritt einer konkreten Gefährdung.67 Die konkrete Eignung zur Schädigung ist im Vergleich zur konkreten Gefahr einer Schädigung ein Weniger.68 Für einen solchen Standpunkt spricht bereits der Sprachgebrauch des Gesetzgebers.69 Daneben würde es auch dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, wenn man eine konkrete Gefahr verlangen würde. Denn die Gesetzesmaterialien zum 6. Strafrechtsreformgesetz enthalten keinen Hinweis darauf, dass die zuvor von der Rechtsprechung (und der h.L.) vorgenommene Einordnung (des § 223a Abs. 1 StGB) als abstraktes Gefährdungsdelikt70 abgeändert werden sollte.71 Zudem hat der der konkreten Benutzung maßgeblich (siehe nur BGH, NStZ 2002, 86; 2007, 95). Gefordert wird also auch von der Rechtsprechung nicht der Eintritt einer tatsächlichen Gefahr (wenngleich sie dennoch dem Lager derjenigen zugeordnet wird, die in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein konkretes Gefährdungsdelikt erblicken, siehe Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1a). Relevant ist lediglich die der konkreten Werkzeugverwendung innewohnende potentielle Gefährlichkeit, was sich letztlich auch in der von der Rechtsprechung verwendeten Definition („[…] Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen“; BGH, NStZ 2002, 86, 2007, 95; 2010, 512, 513) widerspiegelt. Denn diese stellt ihrem Wortlaute nach (nur) auf die Eignung zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen ab, nicht jedoch auf die tatsächliche Herbeiführung einer entsprechenden Gefahr. Letztlich bleibt die Rechtsprechung damit, trotz der Bezugnahme auf die konkrete Verwendung, auf der abstrakten Gefährlichkeits-Ebene (vgl. Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 3, der zutreffend darauf verweist, dass ein Abstellen auf die abstrakte Gefährlichkeit des (konkreten) Handlungsvollzugs „[…] in der Sache eben eine abstrakte Gefährdung bleibt […]“). Sie macht damit die Tatbestandserfüllung gerade nicht davon abhängig, ob tatsächlich eine konkrete Gefahr eingetreten ist. 66 Für das Erfordernis einer konkreten Eignung: Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19, der jedoch nur auf die konkreten Umstände der Werkzeugverwendung, nicht aber auf die objektive Beschaffenheit des Werkzeugs abstellt (zu Recht – mit gewichtigem Wortlaut-Argument – eine solche Fokussierung auf die Werkzeugverwendung ablehnend Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 15, kritisch auch Fischer, StGB, § 224 Rn. 9e). 67 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19; Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 3, 15; Triantafyllou, gefährliche Körperverletzung, S. 249 f.; a.A. Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 7 (konkretes Gefährdungsdelikt); Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 2, 21 f. (konkretes Gefährdungsdelikt); Kretschmer, Jura 2008, 916, 919 (konkretes Gefährdungsdelikt); Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1c (konkretes Gefährdungsdelikt); wohl auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 7, 12. Zur Rechtsprechung, welche die potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung für maßgeblich hält, siehe BGHSt 14, 152, 154; BGH, NStZ 2002, 86; 2007, 95. 68 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 8. 69 So bereits Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19, der auf die anderweitige Verwendung des Attributs „gefährlich“ im StGB (§ 328 StGB Abs. 3 Nr. 2 sowie Abs. 1 Nr. 2 StGB) verweist. 70 Zu den Nachweisen siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 3. 71 Vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 7, der diese Aussage jedoch nur auf die in den Nrn. 1 und 5 enthaltenen Varianten bezieht. Er übersieht damit, dass selbiges auch für § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu gelten hat. Denn mit dem Verzicht auf das (noch im Referentenentwurf aufgeführten, siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 6) Erfordernis der Herbeifüh-
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Gesetzgeber ausdrücklich auf das zunächst vorgesehene72 einschränkende Erfordernis der Herbeiführung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung verzichtet.73 Damit hat er jedoch nicht nur von dem Merkmal der schweren Gesundheitsschädigung (Gefahrintensität), sondern auch von der Voraussetzung der „konkreten Gefahr“ Abstand genommen und sich hinsichtlich des Elementes des Gefahrengrades gegen ein Erfordernis der „konkreten“ Gefahr entschieden. III. Beachtung der Grenzen der Auslegung 1. Keine Wortlautinkompatibilität Die vorliegend entwickelte Auslegungsvariante ist vereinbar mit dem Normwortlaut. Dieser spricht von der Begehung der Körperverletzung „mittels […] eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB). Von diesem Normwortlaut ausgehend, liegt es zunächst nahe, die Gefährlichkeit bezogen auf die mit dem Werkzeugeinsatz verbundenen Verletzungsrisiken zu bestimmen. Denn zum einen bedeutet gefährlich „eine Gefahr bildend“, „Gefahr[en] enthaltend“ bzw. „[mit sich] bringend“.74 Zum anderen schützen die §§ 223 StGB ff. jedenfalls75 die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit.76 Aufgrund der Stellung des Wortes „gefährlich“ im 17. Abschnitt des StGB ist daher auf die mit dem Werkzeugeinsatz verbundene besondere Gefahr in Hinblick auf diese Rechtsgüter zu sehen. Da sich die Realisierung dieser besonderen Gefahr im Auftreten von (besonderen) Verletzungen äußert, ist es weitergehend notwendig, auf diese (nämlich die drohenden (besonderen) Verletzungen) zu blicken.
rung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 15) hat der Gesetzgeber auch einer Einordnung dieser Variante, welche ehedem von der Rechtsprechung als abstraktes Gefährdungsdelikt aufgefasst wurde (siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 3 m.w.N.), als konkretes Gefährdungsdelikt eine Absage erteilt. Dass die Bezugnahme auf die konkrete Werkzeug-Verwendung durch die Rechtsprechung nicht einer Statuierung als konkretes Gefährdungsdelikt gleichkommt, wurde bereits in den Ausführungen in einer der vorangegangenen Fußnoten aufgezeigt (mit entsprechender Feststellung auch Paeffgen, in: NKStGB, § 224 Rn. 3). 72 Vgl. § 223 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB-Entwurf, BT-Drucks. 13/8587, S. 6. Zur Entwurfsbegründung BT-Drucks. 13/8587, S. 36: „Sie [scil. die in § 223 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB-Entwurf vorgesehenen Alternativen] setzen einheitlich voraus, daß der Täter das Opfer wenigstens bedingt vorsätzlich in die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung […] bringt.“. 73 Siehe BT-Drucks. 13/9064, S. 15. 74 Siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 682 (Stichwort: gefährlich). 75 Ob und inwieweit weitere Rechtsgüter durch die §§ 223 StGB ff. geschützt werden, ist ein traditionsreicher Streit, zum Überblick siehe Joecks, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 223 ff. Rn. 4 ff. 76 Siehe Fischer, StGB, § 223 Rn. 2; siehe auch Lilie, in: LK-StGB, Vor § 223 Rn. 1: Rechtsgut ist „Körper in seiner Unversehrtheit.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Um diesen Grundgedanken zu operationalisieren wird hierbei (insoweit nahezu einhellig)77 das Kriterium der „Erheblichkeit“ verwendet (Gefahrintensität). Die Einbindung des oben entwickelten Differenzierungskriteriums zur weiteren Konkretisierung dieses Ansatzes fügt sich in diese Überlegungen ein und entwickelt diese fort. Da – wie soeben festgestellt – das Wort „gefährlich“ aufgrund seiner Stellung im 17. Abschnitt des StGB nur mit Blick auf die dort geschützten Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit und Gesundheit)78 verstanden werden kann, ist es ohne weiteres mit dem Wortlaut vereinbar, hierbei auf die Eignung des Werkzeugeinsatzes zur Herbeiführung besonders gravierender Verletzungen abzustellen. Stehen nämlich Verletzungen solcher Intensität im Raum, so ist es evident, die Situation als besonders gefährlich zu bezeichnen und damit von einem besonders gefährlichen Werkzeugeinsatz zu sprechen. Der Fall des Drohens besonders gravierender Verletzungen liegt im Begriffskern des Wortes „gefährlich“, da es geradezu die idealtypische Situation darstellt. Die vorliegende Abgrenzungformel lässt sich also, wie aufgezeigt wurde, aus dem Normwortlaut ableiten. Sie führt auch nicht zu einer Verkürzung des Anwendungsbereichs der Norm entgegen deren Wortlaut. Der Begriff „gefährlich“ ist relativ unbestimmt.79 Die daraus erwachsende Flexibilität hinsichtlich des (vom Wortlaut „gedeckten“) Normanwendungsbereichs lässt diverse Auslegungsvarianten zu, ohne dass diese die Wortlautgrenze überschreiten. Es ist deshalb möglich, den Anwendungsbereich auf besonders gravierende Verletzungen (die approximativ den in § 226 StGB Aufgeführten entsprechen)80 zu begrenzen, ohne in Konflikt mit dem Normwortlaut zu geraten. Denn auch bei einer solchen engen Auslegung bleibt der Begriffskern unangetastet. Die durch eine solche enge Auslegung aus dem Anwendungsbereich ausgeschiedenen Fallgruppen (Eignung des Werkzeugeinsatzes zur Verursachung einer lediglich überdurchschnittlich schweren (jedoch nicht gravierenden) Verletzung81) sind dem Begriffskern nicht zugehörig. Denn es ist nicht ohne weiteres ersichtlich bzw. evident, dass diese dem Anwendungsbereich der Norm unterfallen.
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Siehe Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1. Einen völlig anderen Ansatz hat Heinrich, JA 1995, 718 ff., der auf das alternativenübergreifendes „Einsatz“-Kriterium abstellt (Heinrich, a.a.O., 725). 78 Siehe Fischer, StGB, § 223 Rn. 2; siehe auch Lilie, in: LK-StGB, Vor § 223 Rn. 1: Rechtsgut ist „Körper in seiner Unversehrtheit. 79 Zutreffend ist die Feststellung von v. Heintschel-Heinegg, JA 2009, 68, dass „[…] grundsätzlich jeder Rechtsbegriff mehr oder weniger „unbestimmt“ und „wertausfüllungsbedürftig“ (normativ) ist […]“. 80 Ähnlich Wolters, JuS 1998, 582, 583: „[…] geeignet ist, Körperverletzungen von erheblichem, mit den Erfolgen der schweren Körperverletzung vergleichbaren Umfang hervorzurufen.“. 81 Für den Einbezug dieser Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7. Siehe auch Stree/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b: überdurchschnittliche Intensität oder längere Dauer der Körperverletzung im Vergleich zu einer „durchschnittlichen“ Körperverletzung.
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2. Kein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille Gegen eine Verschärfung des Maßstabs für die Erheblichkeit wird verschiedentlich vorgetragen, dass dies dem gesetzgeberischen Willen widerspreche.82 Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich gegen die im Entwurf (der Bundesregierung) zum 6. StrRG83 enthaltene Voraussetzung der Verursachung der „Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung“84 entschieden.85 Wie im Folgenden aufgezeigt wird, geht diese Annahme fehl. Die genaue Betrachtung der Gesetzesgenese86 offenbart, dass sich die (mit der Streichung des Erfordernisses der Herbeiführung der konkreten Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung verbundene) gesetzgeberische Willensbekundung nur auf den zu fordernden Gefahrengrad bezieht.87 Dies verkennen die entsprechenden Stimmen jedoch, obwohl sie selbst zwischen den beiden Punkten Gefahrengrad und Gefahrintensität unterscheiden.88 Die im Entwurfsvorschlag enthaltene Voraussetzung der Verursachung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung wurde, nachdem sich bereits der 82
Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7, 19; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b; in der Sache auch BGH, NStZ 2002, 86: „Entgegen einer im Schrifttum im Hinblick auf die Verschärfung der Strafandrohung des § 224 Abs. 1 StGB durch das 6. StrRG vertretenen Auffassung sind an die Annahme der ,Gefahr einer erheblichen‘ Verletzung keine höheren Anforderungen zu stellen, als bisher […], denn der Gesetzgeber hat bei der Fassung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB abweichend von dem Gesetzentwurf (vgl. § 223 Abs. 3 Nr. 2 StGB i. d. F. des Entwurfs eines 6. StrRG, BT-Dr 13/8587, S. 6, 36) bewusst auf die zunächst vorgesehene im Vergleich zu § 223a StGB a.F. einschränkende Bedingung verzichtet, dass durch die Tat die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der verletzten Person vorliegen muss. Dies hätte entgegen dem Anliegen des Gesetzentwurfes zu einer teilweisen Rücknahme der Strafdrohung geführt (vgl. BT-Dr 13/8587, S. 60, 82; 13/9064, S. 15).“. 83 Dieser sah noch eine Fassung der gefährlichen Körperverletzung in Form der Regelbeispielstechnik vor (§ 223 Abs. 3 StGB-E), siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 6, 36. 84 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 6: „[…] wenn der Täter […] die Tat […] mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs […] begeht und dadurch die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der verletzten Person verursacht […].“ (§ 223 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB-E). 85 Vgl. Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b; siehe auch Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19: „[…] vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt […]“. 86 Diese ist gegenständlich gerade notwendig, da es nicht nur um das „Ob“, sondern auch um das „Wie weit“ (mithin die Reichweite) der ablehnden Haltung des Gesetzgebers geht; allgemein zur Notwendigkeit einer eingehenden Betrachtung und gegen die leichtfertige Annahme einer „inhaltlichen Abweichung“ bei Änderung im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 321 ff. 87 Implizit bereits Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 267 (zu Nr. 1), die hinsichtlich des Gefahrgrades (Frage der Notwendigkeit einer konkreten Gefahr) auf die Streichung dieses Erfordernisses im Laufe des Gesetzgebungsprozesses verweisen, für die die Frage nach der notwendigen Gefahrintensität (Frage der Erheblichkeit) jedoch „[e]ine andere Frage ist […]“. 88 Siehe Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 1.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Bundesrat in seiner Stellungnahme gegen die Einfügung eines solchen im Vergleich zum damals geltenden § 223a StGB einschränkenden Zusatzes ausgesprochen89 und daraufhin die Bundesregierung ihren Entwurfsvorschlag entsprechend angepasst hatte90, durch den Rechtsausschuss nicht übernommen.91 Zugleich hat der Gesetzgeber von der Formung als Regelbeispiel Abstand genommen und eine Ausgestaltung als Qualifikationstatbestand vorgenommen.92 Nach der Auffassung des Rechtsausschusses wurde mit Ersterem der „[…] Empfehlung des Bundesrates […] Rechnung getragen, auf das in § 223 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 E vorgeschlagene einschränkende Erfordernis der Herbeiführung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung zu verzichten.“93. Damit hat der Gesetzgeber der Umwandlung der gefährlichen Körperverletzung, welche zum damaligen Zeitpunkt von der Rechtsprechung und der h.L. als abstraktes Gefährdungsdelikt angesehen wurde,94 in ein konkretes Gefährdungsdelikt eine Absage erteilt.95 Dies zeigt nicht nur die Streichung dieser Voraussetzung, sondern auch die zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB getätigte Äußerung, wonach in Entsprechung zur höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht davon ausgegangen werde, dass die Herbeiführung einer konkreten Gefahr erforderlich ist96. 89 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 60. Begründet wurde dies damit, dass es andernfalls zu einer, dem Anliegen des Entwurfs nicht entsprechenden, teilweisen Rücknahme der Strafdrohung gegenüber der bis dahin geltenden Rechslage kommen würde, siehe BT-Drucks. 13/ 8587, S. 60. 90 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 82, wobei auf die aus dieser Entwurfsänderung folgende Gebotenheit der Verwendung der flexiblen Regelbeispielstechnik (mit der Möglichkeit der Verneinung eines „besonders schweren Falles“) verwiesen wurde. 91 Siehe BT-Drucks. 13/9064, S. 15. 92 Siehe BT-Drucks. 13/9064, S. 15. 93 BT-Drucks. 13/9064, S. 15. 94 Siehe Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 3 m.w.N. zu § 223a StGB. Dass die Mehrzahl der Stimmen auf den konkreten Werkzeugeinsatz geblickt hat, lässt die Einordnung unberührt, denn auch die Bezugnahme auf die „[…] abstrakte (typisierte) Gefährlichkeit des konkreten Handlungsvollzugs […]“ bleibt „[…] in der Sache eine abstrakte Gefährdung […]“ (so Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 3). 95 Etwas ungenau, im Ergebnis aber zutreffend, Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 7: „[…] Materialien geben keinen konkreten Hinweis darauf, dass die Deutung in der bisherigen Rechtsprechung als abstraktes Gefährdungsdelikt geändert werden sollte.“. Ausweislich der Materialien hat der Gesetzgeber sogar ausdrücklich und eindeutig (siehe BT-Drucks. 13/9064, S. 15) von einer Umwandlung in ein konkretes Gefährdungsdelikt Abstand genommen. 96 Siehe BT-Drucks. 13/8587, S. 82 f.: „Über die genannte Änderung hinaus wird das im Entwurf vorgeschlagene Regelbeispiel der Herbeiführung einer (konkreten) Todesgefahr durch dasjenige der lebensgefährdenden Behandlung ersetzt. Dabei wird mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu diesem Merkmal in § 223a davon ausgegangen, daß nicht die Herbeiführung einer konkreten Gefahr erforderlich ist, sondern daß das Vorgehen des Täters nur zur Herbeiführung einer solchen Gefahr wegen seiner allgemeinen Gefährlichkeit – wenn auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des einzelnen Falles – geeignet sein muß […]“.
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Die Aussagen in den Materialien beziehen sich damit auf die Frage nach dem erforderlichen Gefahrengrad. Keine Ausführungen finden sich in den Gesetzesmaterialien dazu, ob darüber hinaus jegliche Einschränkungen abgelehnt werden.97 Einschränkungen werden damit nicht in toto abgelehnt.98 Damit widerspricht eine Erhöhung der Anforderungen an die Gefahrintensität (Erheblichkeit) nicht dem gesetzgeberischen Willen, solange dies nicht kombiniert wird mit dem Erfordernis des Eintritts einer konkreten Gefahr. Im Übrigen zeigt diese Analyse der Gesetzesmaterialien auch noch etwas Weiteres, namentlich die Zulässigkeit des Kriteriums der Eignung.99 Die Eignung des konkreten Werkzeugeinsatzes zur Schädigung ist weniger als das Bestehen einer konkreten Gefahr der Schädigung.100 Sie ist insoweit eine abstrakte Gefährdung unter Ausschluss konkreter Ungefährlichkeit.101 Durch das Aufstellen dieses Erfordernisses wird mithin gerade nicht der Eintritt einer konkreten Gefahr erforderlich.102 Damit jedoch wird dem gesetzgeberischen Willen (Ablehnung der Notwendigkeit des Eintritts einer konkreten Gefahr) genüge getan. Auch dem Eignungs-Erfordernis steht der gesetzgeberische Wille daher nicht entgegen. IV. Vereinbarkeit mit den sonstigen Auslegungskriterien Das entwickelte Auslegungsergebnis ist mit den sonstigen Auslegungsarten vereinbar. Diese stehen der vertikal-systematisch fundierten restriktiven Auslegung nicht entscheidend entgegen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Verschärfung des „Erheblichkeits“-Kriteriums gerade in Hinblick auf die in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB („mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“) aufgeführte Variante schlüssig ist.103 Dass in den Varianten Nr. 3 („mittels eines hinterlistigen Überfalls“) und Nr. 4 („mit einem anderen gemeinschaftlich“) des § 224 StGB im Gegensatz zur Werkzeugeinsatz-Variante der Nr. 2 nicht der Einsatz eines besonderen Hilfsmittels im Mit-
97 Insoweit wird (bei den ablehnenden Äußerungen) stets nur auf die im Entwurf enthaltene Voraussetzung der „Herbeiführung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung“ abgestellt und konkret auf diese Bezug genommen. Ablehnende Äußerungen haben damit auch nur dieses Erfordernis zum Gegenstand. 98 Jedenfalls ergibt sich aus den Materialien nicht eindeutig, dass der Gesetzgeber jegliche Einschränkung bzw. Verschärfung der Anforderungen ablehnt; dies verkennt der Bundesgerichtshof in BGH, NStZ 2002, 86. 99 Dazu bereits Kapitel 7 § 19 B. II. 3. 100 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 8. Dies in seinen Ausführungen wohl verkennend Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 3, 21. 101 Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 8, 19. 102 Vgl. Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 19. 103 So auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 16: „intermodalitäten-systematisches Argument“; ablehnend Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
telpunkt steht, ist für diese Frage unerheblich.104 Allen in § 224 StGB aufgeführten Varianten wohnt eine besondere Begehungsweise inne. Diese ist auch bei den Nrn. 3 und 4 mit dem Hinweis auf die besondere Verwerflichkeit der Handlungsweise nicht abschließend umschrieben.105 Vielmehr zeigt eine rechtsgutsbezogene Sichtweise, dass es stets auch um eine besondere Gefährdungssituation für „Leib und Leben“ geht. Der § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt auf die Einschränkung oder sogar Aufhebung der Verteidigungsmöglichkeit durch das vom Täter inszenierte106 Überraschungsmoment ab,107 mithin auf die aus der besonderen Begehungsweise resultierende Beseitigung von Zugriffsbarrieren. Damit einher geht eine besondere (weil weitgehend ungehinderte) Zugriffsmöglichkeit des Täters, also eine besondere Gefährdungssituation für das Rechtsgut.108 Bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wiederum liegt die besondere Gefährdungssituation in der Gefahr repetitiver Angriffe109 und der Gefahr der „Aufschaukelung“110 (mit der Folge der Gefahr erheblicher Verletzungen111).112 Daneben113 liegt die Gefährlichkeit in der Senkung der Verteidi104
So jedoch anscheinend Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. 105 So jedoch anscheinend Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. 106 Die bloße Ausnutzung eines (bereits) bestehenden Überraschungsmoments genügt daher nicht, siehe BGH, NStZ 2005, 97; 2007, 702; Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 29; Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 22; Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 31; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 10; kritisch jedoch Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 22. 107 So wird ein Überfall dann als hinsterlistig angesehen, wenn der Täter seine Absicht planmäßig verbirgt, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs und die Vorbereitung auf die Verteidigung zu erschweren, Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 29; nahezu identisch BGH, NStZ 2004, 93; Fischer, StGB, § 224 Rn. 10; Lilie, in: LK-StGB, § 224 Rn. 31; Rengier, Strafrecht BT II, § 14 Rn. 44; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 10. Maßgeblich ist damit die Zielrichtung des Vorgehens auf die Einschränkung bzw. Aufhebung der Verteidigungsmöglichkeit. 108 Da die Verteidigungsmöglichkeiten durch das besondere Vorgehen des Täters eingeschränkt (oder sogar aufgehoben werden), hat dieser eine weitergehende Einwirkungsmöglichkeit als beim nicht hinterlistigen Vorgehen. Die stellt die besondere Gefährdungssituation des Rechtsguts dar. 109 Ähnlich Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 24: „[…] verdoppel[te] Risiko […] an derselben Stelle getroffen zu werden […].“. 110 Zutreffend Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 24: „Aufschaukelungs-Risiko“; in diese Richtung auch auch Wolters, in: SK-StGB [Stand: 141. Lfg. April 2014], § 224 Rn. 24b: Eskalationspotential. 111 Siehe Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 37, der auf die Steigerung der Gefahr erheblicher Verletzungen einerseits und Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten andererseits abstellt. Deutlich auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 24, der neben die besondere „Konfrontations-Situation“ die sich aus dem Agieren zweier Personen ergebende besondere Gefährlichkeit in Hinblick auf Verletzungen stellt. 112 Zutreffend Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 4: „[…] Aufschaukelungsgefahr und […] sich [steigernde] Gefahr wiederholter Treffer am selbsen Organ […].“.
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gungschancen.114 Führt man sich jeweils die besondere Gefährdungssituation für die körperliche Integrität des Angegriffenen vor Augen, so zeigt sich, dass es völlig unerheblich ist, ob der Einsatz besonderer Hilfsmittel umschrieben wird. Eine besondere Gefährdungssituation kann, muss aber nicht zwingend, durch den Einsatz besonderer Hilfsmittel bedingt sein. Allen Varianten der gefährlichen Körperverletzungen ist damit gemeinsam, dass sie Ausprägungen bzw. Beispiele besonderer Gefährdungssituationen umschreiben. Diese Verklammerung unter den gemeinsamen Oberbegriff zeigt das Nebeneinander der Varianten. Es kann daher der These, es lägen unterschiedliche Ausgangssituationen vor,115 nicht gefolgt werden. Damit kann eine Orientierung an Nr. 5 (und dessen Unrechtsgehalt) durchaus sinnvoll und sachgerecht sein.116 Überdies scheint es bereits fraglich, weshalb ein Hinweis auf die Varianten Nr. 3 und Nr. 4 die Bezugnahme auf Nr. 5 unzulässig machen soll. Selbst wenn man annimmt, dass sich die Varianten ihrem Unrechtsgehalte nach voneinander unterscheiden,117 so wurde bisher nicht dargelegt, warum eine Orientierung an den Varianten mit niedrigerem Unrechtsgehalt vorzuwürdig ist. Der Einbezug der vertikalsystematischen (materialen) Betrachtung offenbart darüber hinaus, dass die Erhebung der in Nr. 3 umschriebenen Begehungsart in den Rang einer Qualifikation durchaus kritisch zu betrachten ist.118 Denn es wird lediglich eine Begehungsweise umschrieben, welche sich nicht vom grunddeliktischen Unwerttypus so abhebt, dass man sie als etwas „qualitativ Anderes“ ansehen kann. Es wird damit kein neuer, wesensverschiedener Unwerttypus gebildet. Zwar ist dies grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar.119 Jedoch kommt solchen Regelungen aus gleichheitssatzrechtlicher Sicht nicht eine solch ausgeprägte Rechtfertigung zu wie den Regelungen, welche einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus umschreiben.120 Mit dieser Erkenntnis im Blick scheint es mehr als fraglich, die in Nr. 3 umschriebene Begehungsart zur Konkretisierung der anderen Varianten des § 224 StGB heranzuziehen. 113
Ähnlich Eschelbach, in: BeckOK-StGB [Stand: 01. 07. 2014], § 224 Rn. 37, der auf die Steigerung der Gefahr erheblicher Verletzungen und Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten abstellt. Ebenso auf beide Aspekte hinweisend Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 33; Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 24. 114 Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 10. Siehe auch BGHSt 47, 383, 387: Nur eine solche Beteiligung ist ausreichend, welche die Gefahr erhöht durch Schaffung einer gegnerischen Übermacht und Reduzierung der Verteidigungschancen. 115 So Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. 116 Anders hingegen Stree, Jura 1980, 281, 286. 117 So implizit Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 224 Rn. 1b. 118 Aus anderem Blickwinkel: Paeffgen, in: NK-StGB, § 224 Rn. 22, welcher der Auslegung der h.M. u. a. mit Blick auf die Sanktionshöhe kritisch gegenübersteht. 119 Siehe Kapitel 5 § 13 A. zur grundsätzlichen Deckung durch den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. 120 Was unter bestimmten Umständen eine gleichheitssatzrechtlich gebotene Rechtsfortbildung erforderlich macht; dazu ausführlich Kapitel 5 § 13 D. und E.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Im Unterschied dazu handelt es sich bei Nr. 5, gerade wegen der umschriebenen Tangierung des höchsten Rechtsguts, durchaus um einen der einfachen Körperverletzung wesensfremden Unwerttypus. Diese materialen Überlegungen zeigen, dass es durchaus vorzugswürdig ist, sich an der in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB enthaltenen Variante zu orientieren. Aus den anderen Auslegungskriterien (Wortlaut, Sinn und Zweck, Historie) kann keine Aussage ermittelt werden in Hinblick auf die Festlegung der notwendigen Gefahr. Hinzuweisen ist an dieser Stelle nochmals darauf, dass auch die genetische Auslegung einen Verzicht auf eine Verschärfung der Anforderungen an die Erheblichkeit nicht gebietet. Wie bereits eingehend aufgezeigt wurde,121 hat sich der Gesetzgeber nicht gegen jegliches einschränkende Erfordernis ausgesprochen. Die vielfach angeführten122 Passagen in den Gesetzesmaterialien nehmen lediglich auf die (im Entwurf enthaltene) Umwandlung in ein konkretes Gefährdungsdelikt (also das Element Gefahrengrad) Bezug. Sie betreffen daher nicht die Frage nach der notwendigen Gefahrintensität. Einschränkungen diesbezüglich hat der Gesetzgeber somit keine Absage erteilt. Zwar mögen die Äußerungen in den Gesetzgebungsmaterialien – unabhängig von der soeben angerissenen und in Kapitel 7 § 19 B. III. 2. ausführlich behandelten Frage, ob eine Anhebung der Anforderungen an die Gefahrintensität bereits von vornherein wegen eines entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens (absolute Ausschlusswirkung) ausscheidet – isoliert betrachtet die Annahme bestätigen, dem gesetzgeberischen Willen läge es näher, eine Anhebung der Anforderungen an die Gefahrintensität abzulehnen.123 Jedoch würde eine solche Fokussierung die vertikalsystematische sowie die intratatbestandliche Auslegung völlig außer Acht lassen. Sie kann daher nicht entscheidend sein, da ansonsten der Auslegungsvorgang unzulässigerweise verkürzt werden würde. Überdies darf auch nicht verkannt werden, dass sich in den Materialien kein (eindeutiger) Hinweis darauf findet, welchen Standpunkt der Gesetzgeber hinsichtlich des Gefahrintensitäts-Erfordernisses (tatsächlich) eingenommen hat. Die häufig geäußerte Ansicht, der Gesetzgeber habe sich gegen jegliche Einschränkung entschieden, ist damit als bloße Vermutung zu qualifizieren, nicht jedoch als tatsächlicher Befund. 121 122
86. 123
Siehe Kapitel 7 § 19 B. III. 2. Siehe dazu Hardtung, in: MK-StGB, § 224 Rn. 7 Fn. 25. Siehe auch BGH, NStZ 2002,
Bei der genetischen Auslegung sind zwei Ebenen voneinander zu trennen. Einerseits die Frage nach der Unvereinbarkeit mit dem gesetzgeberischen Willen (welche eine absolute Ausschlusswirkung zeitigt, mithin zur Unzulässigkeit der Auslegungsvariante führt; dazu Kapitel 6 § 17 E. III. 2.), andererseits die Frage, ob sich aus den Gesetzmaterialien eine bestimmte Tendenz ableiten bzw. vermuten lässt (dies ist ggf. im Rahmen der sonstigen Kollisionen in die Gesamtbetrachtung einzustellen; siehe dazu Kapitel 6 § 17 E. III. 3.). An die Annahme eines entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens sind dabei besondere Anforderungen, insb. an die „Erkennbarkeit“, zu stellen.
§ 20 Der Geheimnisverrat in der Absicht, einen anderen zu schädigen
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Abschließend lässt sich daher feststellen, dass das ermittelte Ergebnis mit den sonstigen Auslegungsarten vereinbar ist.
§ 20 Der Geheimnisverrat in der Absicht, einen anderen zu schädigen (§ 203 Abs. 5 Var. 3 StGB) A. Skizzierung des Meinungsstandes Als Qualifikationstatbestandsmerkmal sieht § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB vor, dass der Täter in der Absicht handelt, einen anderen zu schädigen. Umstritten ist, ob hierzu die (beabsichtigte) Herbeiführung eines Vermögensnachteils erforderlich ist,124 oder ob jeglicher Nachteil (so die h.M.125), mithin auch ein immaterieller Schaden,126 genügt. Letztlich geht es damit um die Frage, inwieweit die Schädigungsabsicht auf eine Vermögensschädigung gerichtet sein muss. Für den Standpunkt der h.M. lässt sich vorbringen, dass der § 203 StGB nach den Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien nicht dem Vermögensschutz dient und daher eine Beschränkung auf intendierte Vermögensschädigungen auszuscheiden hat.127 Von der Gegenansicht wird demgegenüber angeführt, dass auch bei den anderen beiden in § 203 Abs. 5 StGB enthaltenen Varianten ein Vermögensbezug besteht und es daher nicht schlüssig ist, bei der Schädigungsabsicht davon abzuweichen.128 Überdies, so die Gegenansicht, ist die Strafschärfung ohne die Beschränkung auf beabsichtigte Vermögensschädigungen nicht plausibel, da bereits die 124 So (Absicht der Herbeiführung eines Vermögensschadens notwendig) Kargl, in: NKStGB, § 203 Rn. 84; ebenso Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 28; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41. 125 Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 203 Rn. 41; Dannecker, in: Graf/Jäger/ Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, StGB, § 203 Rn. 81; Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 37 Rn. 180; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 205 Rn. 57; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; Ulsenheimer, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 145 Rn. 1; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 51; ebenso Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135: immaterieller Schaden genügt; Fischer, StGB, § 203 Rn. 50: Schädigungsabsicht muss sich nicht auf Vermögensschädigung richten; Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 164: selbständiger Nachteil, der nicht Vermögensnachteil sein muss. Für § 85 Abs. 2 Var. 3 GmbHG Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 85 Rn. 28; Tiedemann/Rönnau, in: Scholz, GmbHG, § 85 Rn. 52. 126 Explizit Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Dannecker, in: Graf/Jäger/ Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, StGB, § 203 Rn. 81. 127 In diese Richtung wohl Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 164: „[…] die erhöhte Strafwürdigkeit schwerer Persönlichkeitsverletzungen lässt sich nicht auf wirtschaftliche Einbußen des Opfers reduzieren.“. 128 Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; ebenso Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49: „[…] systematischer Vergleich mit den anderen Qualifikationsgründen […]“.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Erfüllung des Grundtatbestandes ohnehin in aller Regel mit einem Schaden verbunden ist.129
B. Auslegung unter Berücksichtigung der materialen Deliktsgruppensystematik I. Beurteilung der bisherigen Ansätze aus materialem Blickwinkel Um die Auslegungsvarianten einordnen zu können, bedarf es zunächst einer Analyse des grunddeliktischen Unrechts und die Feststellung des darin enthaltenen Unwerrttypus. Die grunddeliktische Geheimnisoffenbarung stellt die Verletzung eines fremden Geheimhaltungsinteresses dar. Denn das Vorliegen eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses ist Voraussetzung für die Erfüllung des Grundtatbestandes.130 Dieses schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse ist Ausfluss des primär geschützten Rechtsguts des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs des Einzelnen.131 Letzteres (scil. das Rechtgut des persönlichen Lebens- und Geheimsbereichs)
129
So Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 235; OLG Hamm, NJW 2001, 1957, 1958; Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 25; Fischer, StGB, § 203 Rn. 6; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 21; in der Sache ebenso (vgl. die Feststellung von Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 21, der davon ausgeht, dass die divergierenden Formulierungen keinen sachlichen Unterschied begründen dürften) OLG Köln, NJW 2000, 3556: verständliches Interesse; so auch Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 27; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 4: sachlich begründetes Geheimhaltungsinteresse; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 14: objektive Geheimhaltungswürdigkeit; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 5: sachlich begründetes, verständliches, Interesse; Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 42; a.A. (Frage der Rechtfertigung) Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 7 f. 131 Siehe zu diesem Rechtsgut OLG Dresden, NJW 2007, 3509, 3510; Bock/Wilms, JuS 2011, 24; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 2; siehe auch OLG Hamburg, NStZ 1998, 358: „Geschütztes Rechtsgut der Bestimmung des § 203 StGB ist der […] Anspruch des Bürgers auf seine Individualsphäre, insbesondere auf die grundsätzliche Geheimhaltung der Umstände seines persönlichen Lebensbereichs.“; diesem folgend Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 203 Rn. 1; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 4: „[…] Unverletzlichkeit der Eigensphäre in ihrer speziellen Ausformung als informationelle Dispositionsbefugnis […]“ [im Original teilweise hervorgehoben]; siehe jedoch auch Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 1: vorrangig Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen, daneben jedoch auch Schutz des Allgemeininteresses an der Verschwiegenheit der Personen in den aufgeführten Berufen; in diese Richtung auch Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 3: geschützt ist „[…] in erster Linie das Individualinteresse an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen […]“ [im Original teilweise hervorgehoben], das „[…] allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe […]“[im Original teilweise hervorgehoben] ist (nur) mittelbar geschützt; ähnlich Fischer, StGB, § 203 Rn. 2. Ausführlich zum Streitstand Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 14 ff. 130
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wiederum ist eng verknüpft mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht132 in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.133 Soll der Ausgestaltung (bzw. der formalen Struktur) des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB als Qualifikationstatbestand bei der Auslegung hinreichend Rechnung getragen werden,134 so darf jedenfalls nicht jeder beabsichtigte Nachteil genügen.135 Intendiert der Täter mit der Offenbarung des Geheimnisses beispielsweise lediglich eine öffentliche Bloßstellung136, so kann dies nicht genügen, um die gesetzlich angelegte Qualifizierung der Tat zu tragen.137 Denn das Hinzutreten dieser öffentlichen Bloßstellung (bzw. die Absicht, eine solche zu verursachen) bewirkt keine wesentliche Abwandlung des Geschehens. Eine solche Zielsetzung richtet sich nämlich letztlich, ebenso wie bereits der grundtatbestandliche Angriff als solcher, gegen das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen. Die vom Täter intendierte öffentliche Bloßstellung hat insoweit gerade keinen eigenständigen Unwert gegenüber der bereits mit der Grunddeliktserfüllung bewirkten Verletzung des per132 Vgl. dazu die Anmerkung von Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 4, dass die „[…] Strafbestimmung […] in weiten Teilen der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der Persönlichkeit [dient] […].“. Darüber hinaus nimmt Schünemann sogar das Vorliegen eines verfassungrechtlichen Pönalisierungsgebots an (siehe Schünemann, a.a.O.). 133 Prägnant zur Ableitung des Rechtsguts aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung OLG Hamburg, NStZ 1998, 358: „Geschütztes Rechtsgut der Bestimmung des § 203 StGB ist der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V. mit 1 I GG) und aus dem verfassungsrechtlich gesicherten Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitete Anspruch des Bürgers auf seine Individualsphäre, insbesondere auf die grundsätzliche Geheimhaltung der Umstände seines persönlichen Lebensbereichs.“; dem OLG Hamburg folgend Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 203 Rn. 1. Siehe auch Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 2; in eine entsprechende Richtung auch Fischer, StGB, § 203 Rn. 2; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 3. 134 Allgemein dazu Kapitel 6. 135 A.A. (es genügt jeder Nachteil) Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 203 Rn. 41; Dannecker, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, StGB, § 203 Rn. 81; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 205 Rn. 57; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 164; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 145 Rn. 1; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 51; ebenso Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135: immaterieller Schaden genügt; Fischer, StGB, § 203 Rn. 50: Schädigungsabsicht muss sich nicht auf Vermögensschädigung richten; für § 85 Abs. 2 Var. 3 GmbHG: Schaal, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 85 Rn. 28; Tiedemann/Rönnau, in: Scholz, GmbHG, § 85 Rn. 52. Einschränkend hingegen (Absicht der Herbeiführung eines Vermögensschadens notwendig) Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; so auch Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 28; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; Jung, in: NKStGB1, § 203 Rn. 41. In Hinblick auf § 315 Abs. 2 S. 1 Var. 3 UmwG einschränkend Hohn, in: KölnKomm-UmwG, § 315 Rn. 45. 136 Die Absicht, eine solche herbeizuführen, lassen Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74, genügen. 137 Im Ergebnis gleich Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 28; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
sönlichen Lebens- und Geheimbereichs, sondern stellt letztlich dessen reale Verkörperung dar.138 Die Offenbarung der geheimen Information stellt sich in diesen Fällen deswegen als Geheimnisverrat dar, weil der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung hat, welches sich wiederum aus dem potentiell bloßstellenden Charakter der Information ergibt. Mit der Preisgabe der Information realisiert sich die Bloßstellung, welche durch die grundtatbestandliche Unterschutzstellung gerade vermieden werden sollte. Dies zeigt, dass die Bloßstellung in dieser Fallkonstellation direkt mit der grundtatbestandlichen Handlung verquickt ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich dieser Nachteil der öffentlichen Bloßstellung unmittelbar aus der Verletzung des Geheimhaltungsinteresses (mithin aus der grundtatbestandlichen Schädigung des Geheimhaltungsinteresses)139 ergibt und insoweit bloßer Reflex jener ist. Dies zeigt, dass hierdurch ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener Unwerttypus nicht begründet wird. Das Geschehen stellt sich lediglich als eine quanititativ schwerere Verletzung des persönlichen Lebensund Geheimbereichs, mithin des grunddeliktischen Rechtsguts, dar. Auch die in § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB geforderte Absichtlichkeit ist nicht genügend, um eine wesentliche Abschichtung zu liefern. Die Auslegungsvariante, die jeglichen (neben den grunddeliktischen Erfolg) tretenden Nachteil genügen lässt,140 ist demnach nicht geeignet, der formalen Struktur des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB als qualifizierten Tatbestand hinreichend Rechnung zu tragen. Denn sie vermag es nicht, rein quantitive Unrechts- und Schuldsteigerungen aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten Tatbestandes auszuscheiden. Die durch die h.M. vorgenommene Auslegung verdient daher keine Zustimmung. Aber auch der weit verbreiteten Gegensansicht (nach welcher der Täter zwingend eine Vermögensschädigung beabsichtigen muss)141 ist nicht zu folgen, da sie den Anwendungsbereich der Qualifikation zu eng fasst. Dies zeigt ein Blick auf die
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In eine entsprechende Richtung wohl auch Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 164: selbständiger Nachteil, der nicht Vermögensnachteil sein muss. 139 Zutreffend ist die Feststellung von Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41, dass bei der Geheimnisoffenbarung in aller Regel ein Schaden entsteht. Folgend Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84. 140 So vertreten durch Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 203 Rn. 41; Dannecker, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, StGB, § 203 Rn. 81; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 205 Rn. 57; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 145 Rn. 1; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 51. Für § 85 Abs. 2 Var. 3 GmbHG Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 85 Rn. 28; Tiedemann/Rönnau, in: Scholz, GmbHG, § 85 Rn. 52. Abweichend jedoch in Hinblick auf § 315 Abs. 2 S. 1 Var. 3 UmwG Hohn, in: KölnKomm-UmwG, § 315 Rn. 45. 141 Siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; ebenso Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 28; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41.
§ 20 Der Geheimnisverrat in der Absicht, einen anderen zu schädigen
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Fallgruppe des intendierten „Rufmordes“.142 Zwar ist zuzugeben, dass sowohl bei der grunddeliktischen (einfachen) Geheimnisoffenbarung als auch beim (intendierten) „Rufmord“ ein Angriff auf das, den jeweiligen Rechtsgütern übergeordnete, allgemeine Persönlichkeitsrecht stattfindet: Durch die Grunddeliktsverwirklichung erfolgt eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, der intendierte „Rufmord“ seinerseits zielt auf die Ehre143 des Betroffenen. Beide Rechtsgüter werden durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verklammert,144 was eine gewisse Gemeinsamkeit darstellt. Gleichwohl handelt es sich um zwei unterschiedliche Teilbereiche des breit gefassten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, denen ein jeweils eigenständiger Wert zukommt. Dies zeigt die Einteilung im geltenden StGB, welche zwischen den Strafvorschriften zum Ehrschutz (§§ 185 StGB ff.) einerseits und den Straftatbeständen hinsichtlich der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs andererseits in zwei eigenständigen Abschnitten unterscheidet. Auch aus Wertungsgesichtspunkten schichtet sich jedenfalls eine gravierende Ehrverletzung im Sinne eines „Rufmordes“ von der grunddeliktischen Geheimnisoffenbarung ab. Dies begründet sich vor allem darin, dass ein solcher „Rufmord“ nachhaltig wirkt und insoweit zu einer dauerhaften Schädigung der Ehre führt, währenddessen eine bloße Geheimnisoffenbarung – selbst wenn sie „einfache“ bloßstellende Wirkung entfalten sollte – regelmäßig lediglich temporären Charakter hat. Diese Ausführungen lassen erkennen, dass auch der verbreiteten Ansicht, welche lediglich die intendierte Vermögensschädigung genügen lassen möchte, nicht vollends zu folgen ist. Zuzugeben ist dieser Auffassung jedoch, dass sie zu Recht darauf hinweist, dass die Qualifikation des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB – namentlich der Begriff des „Nachteils“ – einschränkend auszulegen ist. Dies ist vorliegend insbesondere geboten, um den in Kapitel 6 entwickelten Sachgerechtigkeitskriterien gerecht zu werden.
142 Siehe zu diesem Beispielsfall Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; siehe auch Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 203 Rn. 41. 143 Der Schutz der Ehre ist als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufzufassen, v. Heintschel-Heinegg, JA 2009, 310, 312. Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz der persönlichen Ehre, siehe BVerfG, NJW 2006, 595. 144 Der Ehrschutz stellt sich als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar; siehe v. Heintschel-Heinegg, JA 2009, 310, 312. Zur Ableitung des Schutzes des persönlichen Lebensund Privatbereichs aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht OLG Hamburg, NStZ 1998, 358.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
II. Einschränkende Auslegung anhand eines Differenzierungskriteriums 1. Entwicklung eines Differenzierungskriteriums unter Zugrundelegung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals Nach § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB wird die Verletzung des Privatgeheimnisses dann qualifiziert, wenn der Täter in der Absicht handelt, einen anderen zu schädigen. Qualifizierendes Merkmal ist mithin die Schädigungsabsicht. Wie bereits dargelegt, bedarf es, um der Ausgestaltung als Qualifikation gerecht zu werden, einer einschränkenden Auslegung.145 Der Begriff der Absicht bietet dabei wenig Spielraum für eine restriktive Auslegung. Dieses subjektive Element ist bereits von strengen Vorgaben geprägt.146 So genügen für die Erfüllung des Qualifikationstatbestandes weder dolus directus II. Grades noch dolus eventualis,147 die gesetzliche Festlegung des Absichts-Erfordernisses schließt diese Vorsatzformen aus. Auf der Klaviatur der subjektiven Elemente nimmt es (scil. das Element der Absicht) daher bereits eine besondere Stellung ein. Eine weitere Einengung148 würde den Anwendungsbereich der Norm nahezu aufheben. Anknüpfungspunkt für einen restriktiven Ansatz sollte daher die intendierte Schädigung sein, mithin der Nachteil, auf dessen Herbeiführung das Handeln des Täters gerichtet ist. Der Nachteil darf sich zunächst nicht auf das bereits durch das grundtatbestandliche Handeln beeinträchtigte Rechtsgut (persönlicher Lebens- und Geheimbereichs des Einzelnen)149 beziehen. Denn dies stellt eine lediglich quantitative 145 Allgemein zur Entwicklung der material orientierten vertikal-systematischen Auslegung Kapitel 6. 146 So wird für Absicht ein zielgerichtetes Wollen vorausgesetzt; siehe Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 51; siehe auch Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74: Täter muss es auf Schädigung ankommen. 147 Siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28. 148 Bspw. durch eine Auslegung, die für das Vorliegen von Absicht fordert, dass die Schädigung das alleinige Ziel des Täters ist; zu Recht (für § 203 Abs. 5 Alt. 2 StGB) ablehnend Dannecker, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, StGB, § 203 Rn. 80: „Wenn der Täter weitere Beweggründe für sein Verhalten hat, schließen diese das Vorliegen der Bereicherungsabsicht nicht aus, solange letztere ihn nur wesentlich motiviert.“. 149 Siehe zu diesem Rechtsgut OLG Dresden, NJW 2007, 3509, 3510; Bock/Wilms, JuS 2011, 24; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 2; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 4: „[…] Unverletzlichkeit der Eigensphäre in ihrer speziellen Ausformung als informationelle Dispositionsbefugnis […]“ [im Original teilweise hervorgehoben]. Einige wollen zusätzlich das allgemeine Interesse an der Verschwiegenheit von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen einbeziehen, so Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 1: vorrangig Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen, daneben jedoch auch Schutz des Allgemeininteresses an der Verschwiegenheit der Personen in den aufgeführten Berufen; in diese Richtung auch Lenckner/Eisele, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 203 Rn. 3: geschützt ist „[…] in erster Linie das Individualinteresse an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen […]“ [im Original teilweise hervorgehoben], das „[…]
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Unrechts- bzw. Schuldsteigerung dar (besonders schwere Verletzung des geschützten Rechtsguts), die keinen neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschiedenen, Unwerttypus umschreibt. Selbiges gilt, wenn die vom Täter intendierte Schädigung in der „einfachen“ Bloßstellung des Betroffenen liegt. In diesem Falle speist sich bereits das (zur Grunddeliktsverwirklichung erforderliche) schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse aus dem potentiell bloßstellenden Charakter der Information. Angesichts dessen zielt in dieser Konstellation die Absicht, den anderen bloßzustellen, gerade nicht auf eine grunddeliktsfremde Schädigung. Vielmehr geht es einzig um die unmittelbaren realen Folgen der Verletzung des Interesses an Geheimhaltung; der Täter zielt insoweit gerade auf den Aspekt, der die Schutzwürdigkeit des Betroffenen (bzw. der Information) i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB unmittelbar begründet, ohne dass ein weiteres (bzw. darüber hinausgehendes) Interesse des Verletzten tangiert werden soll.150 Die Bloßstellung ist letztlich bloßer Reflex der Verletzung des Geheimhaltungsinteresses. In Anbetracht dessen handelt es sich lediglich um eine starke Verletzung des Geheimhaltungsinteresses, was in Hinblick auf eine Qualifikation wenig tragfähig ist. Eine Auslegung, welche solche (intendierte) Schädigungen in den Bereich der Qualifikation des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB einbezieht, verkennt die formale Stellung als Qualifikation. Es genügt daher nicht, jeden erdenklichen, zur grunddeliktischen Schädigung hinzutretenden, Nachteil ausreichen zu lassen. Die von der h.M. vorgenommene Auslegung ist daher abzulehnen. Der Auslegungsvariante, welche das Vorliegen der Absicht der Herbeiführung eines Vermögensschadens fordert,151 ist jedoch auch nicht zu folgen, denn sie engt den Anwendungsbereich zu weit ein. Zuzugeben ist dieser Auffassung jedoch, dass sie den Blick für die erforderliche Einschränkung schärft. Intendiert der Täter nämlich die Verursachung eines Vermögensnachteils, so tritt neben die grundtatbestandliche Rechtsgutverletzung (und die darin liegende Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung) ein völlig artfremder Aspekt, nämlich der Vermögensnachteil. Daraus begründet sich ein Übergang zu einem neuen, wesensfremden Unwerttypus und dies letztlich unabhängig davon, ob die Verletzung des Rechtsguts Vermögen rechts-
allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe […]“ [im Original teilweise hervorgehoben] ist (nur) mittelbar geschützt; ähnlich Fischer, StGB, § 203 Rn. 2. 150 Mit ähnlicher Betonung Schünemann, in: LK-StGB, § 203 Rn. 164: selbständiger Nachteil, der nicht Vermögensnachteil sein muss. 151 So Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 28; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SKStGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84. In Hinblick auf § 315 Abs. 2 S. 1 Var. 3 UmwG einschränkend Hohn, in: KölnKomm-UmwG, § 315 Rn. 45.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
widrig ist oder nicht.152 Denn allein schon dieser Vermögensbezug des (nach der Zielrichtung des Täters) hinzutretenden Nachteils stellt sich gegenüber dem grunddeliktischen Unrecht und der damit verbundenen Schädigung des (schutzwürdigen) Geheimhaltungsinteresses als wesensfremd dar. Jenes (scil. das grunddeliktische Unrecht) ist nämlich gerade nicht von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Neben die grunddeliktische Schädigung tritt damit eine andersartige Schädigung. Dennoch ist „Nachteil“ in § 203 Abs. 5 StGB nicht als Vermögensnachteil zu lesen. Es ist nicht danach zu differenzieren, ob der Täter die Verursachung eines Vermögensnachteils beabsichtigt hat oder nicht. Eine solche Einschränkung geht zu weit, denn sie schließt Fälle aus, in denen zwar nicht die Herbeiführung eines Vermögensnachteils beabsichtigt ist, jedoch dennoch eine über die typische grundtatbestandliche Schädigung hinausgehende, andersartige Schädigung die Zielsetzung des Täters bestimmt. Dies meint die Fälle, in denen der Täter mit der Geheimnisoffenbarung die Schädigung in einem Lebensbereich intendiert, welcher nicht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuzuordnen ist, so bspw. wenn der Täter mit der Geheimnisoffenbarung eine psychische Erkrankung des Geschädigten (Verfallen in Depression wegen des bloßstellenden Charakters der Geheimnisoffenbarung)153 herbeiführen will. Auch diese Fälle weisen eine Wesensfremdheit gegenüber dem grundtatbestandlichen Unrecht auf.154 Es ist daher folgendes Differenzierungskriterium zu wählen: Nachteil i.S.d. § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB ist jeder (zur grundtatbestandlichen Schädigung hinzutretende) Schaden, der sich nicht nur in einer verstärkten Schädigung des grundtatbestandlichen Interesses an Geheimhaltung erschöpft. Der Täter muss also die Herbeiführung eines Nachteils in einem anderen Lebensbereich (bspw. Vermögen, Psyche oder eine 152
Daher verfängt auch das Argument nicht, eine einschränkende Auslegung habe auszuscheiden, weil § 203 StGB nicht dem Vermögensschutz dient; ausführlich dazu Kapitel 7 § 20 B. III. 2. 153 Insofern wird in der Psychologie vom „depressiven Schamaffekt“ gesprochen. 154 Dies wird besonders deutlich, wenn man die unterschiedliche verfassungsrechtliche Fundierung der beiden Rechtsgüter betrachtet. Während das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG gefasst wird (siehe nur BVerfGE 54, 148, 153; BVerfG, NJW 2008, 822, 824; siehe auch Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534), erfolgt die verfassungsrechtliche Verortung der psychischen Gesundheit nach zutreffender h.M. unter Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG (BVerfGE 56, 54, 74 f., wenn vergleichbar mit der Verursachung körperlichen Schmerzes; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 55; Lang, in: BeckOK-GG [Stand: 01. 09. 2014], Art. 2 Rn. 62; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 420; Wiedemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 2 II Rn. 353 f.; siehe auch Jarass/ Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 83: erfasst sind auch „[…] psychisch-seelische Pathologien […]“). Die Gegenansicht (siehe Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 193; restriktiv auch Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 149 f.) vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil eine scharfe begriffliche Trennung den mannigfaltigen „[…] psychophysische[n] Wechselbeziehungen nur höchst unvollkommen gerecht […]“ wird (Wiedemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 2 II Rn. 354). Zu weiteren historischen sowie systematischen Argumenten siehe BVerfGE 56, 54, 74 f.
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gravierende Ehrverletzung) beabsichtigen. Der Nachteil muss erkennbar über die Verletzung des Geheimhaltungsinteresses und dessen Reflexwirkungen hinausgehen. Durch dieses Differenzierungskriterium, beabsichtige Nachteilszufügung in einem grunddeliktsfremden Lebensbereich, gelingt es, rein quantitative Unrechts-/ Schuldsteigerungen aus dem Anwendungsbereich des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB herauszunehmen. 2. Auswirkungen auf den Anwendungsbereich Die bereits erwähnte Fallgruppe der beabsichtigten Bloßstellung unterliegt nach der hier vertretenen Ansicht nicht dem qualifizierten Delikt. Zwar handelt es sich um einen Nachteil, welcher auf den ersten Blick zur grundtatbestandlichen Schädigung des Geheimhaltungsinteresses hinzutritt. Bei genauer Betrachtung gibt die Bloßstellung jedoch – wie aufgezeigt wurde – lediglich die grunddeliktische Schädigung aus anderem Blickwinkel wieder. Ist der potentiell bloßstellende Charakter einer Information der Grund für die Einordnung dieser Information als ein schutzbedürftiges Geheimnis, so stellt sich die Bloßstellung infolge des Geheimnisverrats als integraler Bestandteil der Geheimnispreisgabe dar. Sie hat deshalb keinen eigenständigen Unwert und bewirkt infolgedessen keine maßgebliche Abwandlung des Geschehens. Anders liegt es, wenn nicht die „einfache“ Bloßstellung, sondern eine gravierende Ehrverletzung im Sinne eines „Rufmordes“ intendiert ist. Beabsichtigt der Täter den „Rufmord“, so greift er die Ehre des Geschädigten in nachhaltiger Weise an. Sein Angriff hat dann erkennbar eine zweifache Zielrichtung – Geheimhaltungsinteresse einerseits, gravierende Verletzung der Ehre andererseits – und bezieht sich auf zwei unterschiedliche Komponenten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der intendierte Schaden erschöpft sich im Falle des „Rufmords“ nicht in einer weiteren bzw. stärkeren Beeinträchtigung des grundtatbestandlich erfassten Geheimhaltungsinteresses, sondern geht insbesondere aufgrund seines nachhaltigen Schädigungscharakters deutlich und entscheidend darüber hinaus. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur „einfachen“ Bloßstellung, welche lediglich Reflex der Verletzung des Geheimhaltungsinteresses ist. Bei den (sonstigen) denkbaren immateriellen Schäden ist zu differenzieren. Diese sind weder in toto „zuzulassen“,155 noch von vornherein auszuschließen.156 Entscheidend ist stets die Orientierung am gebildeten Differenzierungskriterium. Die Absicht, einen immateriellen Schaden hervorzurufen, genügt daher nur dann, wenn sich die Einbuße erkennbar auf einen grunddeliktsfremden Lebensbereich bezieht. 155
Ausdrücklich für den Einbezug immaterieller Schäden Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Dannecker, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, StGB, § 203 Rn. 81. 156 So aber Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Wie bereits erwähnt, ist der Qualifikationstatbestand u. a. dann erfüllt, wenn der Täter in der Absicht handelt, bei einem anderen eine psychische Erkrankung herbeizuführen. III. Beachtung der für die Auslegungstätigkeit geltenden Schranken 1. Keine Wortlautinkompatibilität Die hier entwickelte Auslegung ist vereinbar mit dem Normwortlaut. Gemäß § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB wird die Verletzung des Privatgeheimnisses dann qualifiziert, wenn der Täter in der Absicht handelt, einen anderen zu schädigen. Dem Wortlaute nach ist dies nicht auf bestimmte Schädigungen beschränkt. Eine Beschränkung auf Nachteile in bestimmten Lebensbereichen ist jedoch jedenfalls dann mit dem Wortlaut vereinbar, wenn der Begriffskern im Wesentlichen erhalten bleibt. Die Einschränkung darf mithin nicht dazu führen, dass der überwiegende Teil der dem Begriffskern zuzuordnenden Fälle aus dem Normanwendungsbereich herausgelöst wird. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter „schädigen“ das Hervorrufen eines Schadens.157 Hierbei ist, wie ein Blick in verschiedene Wörterbücher zeigt, nicht nur die finanzielle Schädigung, sondern auch die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigung des Ansehens bzw. des Rufs gemeint.158 Beschränkt man nun den Anwendungsbereich des § 203 Abs. 5 StGB in der hier entwickelten Weise, lässt man es also zur Tatbestandserfüllung nicht genügen, wenn der Täter mit der Preisgabe des Geheimnisses lediglich eine temporäre „einfache“ Bloßstellung beabsichtigt, so verbleiben die Fälle der intendierten gesundheitlichen oder finanziellen Schädigung sowie die beabsichtigten gravierenden Ehrverletzungen im Anwendungsbereich. Damit bleibt der Begriffskern in einem wesentlichen Teil unangetastet bzw. erhalten. Die einschränkende Auslegung führt also nicht zur Herauslösung des überwiegenden Teils der dem Begriffskern zuzuordnenden Fälle bzw. Fallgruppen aus dem Normanwendungsbereich.
157 Vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1512 (Stichwort: „schädigen“): „[…] bei jmdn., etw. einen Schaden hervorrufen […]“. 158 Siehe Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 1274 (Stichwort: „schädigen“): „[…] jmds. Ansehen, Interessen, Gesundheit, seinen guten Ruf [schädigen] […]“; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1512 (Stichwort: „schädigen“): „[…] bei jmdn., etw. einen Schaden hervorrufen: jmdn. finanziell s.; jmds. Ruf s.; […]“; siehe auch Bertelsmann, Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 1187 (Stichwort: „schädigen“): „[…] jmds. Ruf, Ansehen s. […]“; Göttert, Neues deutsches Wörterbuch, S. 717 (Stichwort: „Schaden“): „[…] materielle oder geistige Beeinträchtigung, die durch äußerliche Einwirkungen, Unfälle oder Mißverständnisse verursacht wird […]“.
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2. Kein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille Daneben bedarf es einer Untersuchung, ob der entwickelten Differenzierung der gesetzgeberische Wille entgegensteht. a) Die gesetzgeberischen Äußerungen zum Schutzzweck des § 203 StGB Der Qualifikationstatbestand des § 203 Abs. 5 StGB wurde in Anlehnung an § 300 Abs. 3 StGB a.F. formuliert.159 Nach dem Willen des Gesetzgebers dient § 203 StGB – mit Ausnahme des, eine erweiternde Wirkung entfaltenden,160 § 203 Abs. 2 S. 2 StGB161 – dem Schutz des Privatgeheimnisses.162 Dies soll, jedenfalls nach den knappen Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien, scheinbar auch für den Absatz 5 gelten.163 Geschützt ist danach (primär) das Geheimhaltungsinteresse.164 Dem Schutz anderer Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz des Vermögens,165 dient die Norm (§ 203 StGB) unter Zugrundelegung der Gesetzgebungsmaterialien dagegen nicht.166 Fraglich ist, ob dem in dieser Absolutheit hinsichtlich der Qualifikation des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB zu folgen ist. Wie bereits an anderer Stelle in der Untersuchung aufgezeigt wurde, kann sich eine Qualifikation allgemein auch als Kombination von Rechtsgutsangriffen darstellen. Neben den Angriff auf das grunddeliktische Rechtsgut tritt dann im Rahmen des Qualifikationstatbestands ein zweiter Angriff,
159
Siehe BT-Drucks. 7/550, S. 243. Nach dieser Norm stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erhoben worden sind, einem Geheimnis i.S.d. § 203 Abs. 2 S. 1 StGB gleich. Ersetzt wird damit das Tatbestandsmerkmal „Geheimnis“; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 50. Zur Gesetzesbegründung siehe BT-Drucks. 7/550, S. 241 f. 161 Dieser dient dem Schutz der Privatsphäre; siehe BT-Drucks. 7/550, S. 238. 162 Siehe BT-Drucks. 7/550. S. 238. 163 So hat der Gesetzgeber im Rahmen der Erwähnung dieser Schutzfunktion auch den Absatz 5 genannt; siehe BT-Drucks. 7/550. S. 238: „Geschützt wird in Absatz 1, 2 Satz 1, Absatz 3 bis 5 das Privatgeheimnis.“. 164 Vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 238: „[…] stets muß es sich um ein Geheimnis im materiellen Sinne handeln, also um eine Tatsache, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und an deren Geheimhaltung die geschützte Privatperson ein berechtigtes (schutzwürdiges) Interesse hat.“. 165 Dieser Aspekt findet verschiedentlich Erwähnung in Hinblick auf die Auslegung des § 203 Abs. 5 Var. 2 StGB; siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83; vgl. dazu auch BGH, NStZ 1993, 538, 539. 166 Daran ändert nichts, dass das Geheimhaltungsinteresse sich auch aus wirtschaftlichen Interessen speisen kann (vgl. Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 21). Wie der Gesetzgeber ausgeführt hat, geht es bei § 203 StGB primär um den Schutz des Privatgeheimnisses (vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 238). Dies ergibt sich auch aus der systematischen Stellung im 15. Abschnitt, der mit „Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs“ überschrieben ist. 160
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
der auf ein grunddeliktsfremdes Rechtsgut gerichtet ist.167 Die hieraus folgende Umwandlung in einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus bewirkt, dass die entsprechende Norm auch der Sache nach (mithin nach materialen Gesichtspunkten) eine Qualifikation darstellt.168 Nach diesem Ansatz kann einer Qualifikation durchaus eine Schutzfunktion in Hinblick auf grunddeliktsfremde Rechtsgüter zukommen; das erhöhte (und wesenverschiedene) Unrecht des Qualifikationstatbestandes wiederum speist sich dann aus dem Hinzutreten des Angriffs auf das andere, grunddeliktsfremde Rechtsgut. Für eine solche Sichtweise auch bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB (Einordnung der Nachteilsvariante als Umschreibung eines kombinierten Rechtsgutsangiffs) würde der Normwortlaut einen Anknüpfungspunkt bieten. So ist die „Absicht, […] einen anderen zu schädigen“ erforderlich, was durchaus den Schluss auf einen Schutzaspekt dieser Variante tragen würde. Denn gerade der systematische Zusammenhang mit der grunddeliktischen Begehungsweise des § 203 Abs. 1 StGB deutet darauf hin, dass damit die Verletzung eines weiteren (anderen) Rechtsguts gemeint ist und der Qualifikation damit Schutzcharakter bezüglich dieses Rechtsguts zukommt. Gleichwohl wäre nicht sicher, ob eine solche Interpretation dem Willen des Gesetzgebers entsprechen würde, da die Gesetzesmaterialien – wie aufgezeigt – eher auf eine Beschränkung auf den Geheimnisschutz hindeuten. Anstelle einer Fokussierung auf den Schutz grunddeliktsfremder Rechtsgüter (wie beispielsweise das Vermögen) bietet es sich an, wie verschiedentlich bereits vorgeschlagen, den Aspekt der verwerflichen Zweck-Mittel-Relation169 in den Mittelpunkt der Überlegungen zu rücken. Durch diese Verlagerung des dogmatischen Ansatzes wird gewährleistet, dass der gesetzgeberische Wille nicht unterlaufen wird und zugleich – zumindest mittelbar – der Gedanke des Schutzes grunddeliktsfremder Rechtsgüter gestärkt. Strafschärfungsgrund ist bei der Variante 3 des § 203 Abs. 5 StGB nach diesem Ansatz die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation.170 Die (beabsichtigte) Verletzung eines weiteren Rechtsguts wird damit zwar nicht aus dogmatischer Sicht zum Regelungsinhalt. Gleichwohl dürfte die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation de facto regelmäßig mit einer intendierten Verletzung weiterer Rechtsgüter abseits des Geheimhaltungsinteresses einhergehen. Denn der Ansatz nimmt das Fernziel des Täters in den Blick, welches bei Variante 3 des § 203 Abs. 5 StGB in der Schädigung der sonstigen Interessen des Betroffenen liegt.
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Dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4 b). Siehe dazu Kapitel 4 § 11 E. II. 4 b). 169 Siehe dazu Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49. 170 Im Ausgangspunkt ebenso Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64, die jedoch allesamt – entgegen des hier entwickelten Standpunkts – eine Beschränkung auf Vermögensnachteile vertreten. 168
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b) Einschränkende Auslegung ¼ 6 Einführung neuer Schutzaspekte Abgesehen von dieser notwendigen allgemeinen dogmatischen Justierung lassen sich aus den gesetzgeberischen Aussagen keine weiteren Vorgaben ableiten. Insbesondere schließt es die gesetzgeberische Zwecksetzung nicht per se aus, Beschränkungen im Rahmen der auslegenden Tätigkeit vorzunehmen. Denn die gesetzgeberische Willensäußerung bezieht sich lediglich auf den Schutzzweck der Norm und steht daher lediglich einer Beschränkung mittels „Hineinlesens“ neuer Schutzzwecke entgegen. Darüber hinaus finden sich keinerlei Anhaltspunkte in den Gesetzgebungsmaterialien, die eine dezidiert ablehnende Haltung des Gesetzgebers gegenüber jeglicher Beschränkung des Nachteilsbegriffs ersichtlich werden lassen. Die gesetzgeberische Willensbekundung lässt eine solche Haltung damit nicht erkennen. Es ist demnach mit dem gesetzgeberischen Willen vereinbar, den Nachteilsbegriff auf die Schädigung bestimmter Interessen zu beschränken. Die vorgeschlagene Einengung auf die (beabsichtigte) Verletzung bestimmter Interessen ist auch nicht gleichzusetzen mit einer Beschränkung auf bestimmte Schutzzwecke, denn sie betrifft lediglich den „Gegenstand“ der Nachteilsabsicht, nicht hingegen die rechtliche Bewertung des intendierten Nachteils. Damit erfolgt durch eine solche einschränkende Auslegung keine Einbindung neuer Schutzaspekte in § 203 Abs. 5 StGB. Der vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung steht der gesetzgeberische Wille demzufolge nicht entgegen. c) Notwendigkeit der Rechtswidrigkeit des Nachteils? Der intendierte Nachteil muss – ebenso wie die erstrebte Bereicherung in Variante 2171 – nicht rechtswidrig sein. So ist auch die erstrebte Verursachung eines rechtsordnungskonformen Nachteils erfasst. Dies zeigt ein Blick auf die Gesetzesentwicklung. In den § 203 Abs. 5 StGB wurde das in der Vorläufernorm (§ 300 Abs. 3 S. 1 StGB a.F.) enthaltene Erfordernis der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils nicht übernommen.172 Die Fassung des § 203 Abs. 5 StGB enthält damit ihrem Wortlaute nach für keine der drei Varianten eine Rechtswidrigkeitsvoraussetzung. Dies zeigt, dass im Gegensatz zur Vorläufernorm das besondere 171 Siehe BGH, NStZ 1992, 538, 539; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Fischer, StGB, § 203 Rn. 50; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74. 172 Folglich wird die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils auch weit überwiegend nicht verlangt (siehe BGH, NStZ 1992, 538, 539; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Fischer, StGB, § 203 Rn. 50; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; a.A. Jung, in: NKStGB1, § 203 Rn. 41 (mit entsprechender teleologischer Reduktion auf rechtswidrige Vermögensvorteile); Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB27, § 203 Rn. 74). Ob dies dem Gesetzgeber bei der Normschaffung vollends bewusst gewesen ist, kann zumindest bei Betrachtung der Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien (siehe BT-Drucks. 7/550, S. 243: Formulierung in Anlehnung an § 300 Abs. 3 StGB a.F.) bezweifelt werden.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Unrecht gerade nicht in der Rechtswidrigkeit der hinzutretenden Komponente liegt.173 Damit jedoch kann auch der Schutz weiterer Rechtsgüter nicht im Fokus der Norm (§ 203 Abs. 5 StGB) stehen. Vielmehr geht es unter dem Gesichtspunkt der verwerflichen Zweck-Mittel-Relation bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB primär darum, dass durch die Verknüpfung mit dem Fernziel der Nachteilszufügung eine erhöhte Gefahr für das grundeliktische Rechtsgut einhergeht und der Täter erhöhtes Unrecht begeht, indem er den Geheimnisverrat instrumentalisiert. Anschaulich zeigt sich dies bei genauer Betrachtung der Fallgruppe, bei der der Täter die Herbeiführung eines Vermögensnachteils beabsichtigt. Diese umfasst auch diejenigen Fälle, in denen der Täter die Herbeiführung einer Vermögenseinbuße erstrebt, der rechtsordnungskonform ist. Dies ist beispielsweise in den Fällen gegeben, in denen der schweigepflichtige Arzt, ohne gerechtfertigt zu sein,174 die Strafverfolgungsbehörden über eine von einem Patienten begangene Straftat informiert,175 damit dieser (zu Recht) zu einer Geldstrafe verurteilt wird.176 Daneben sind die Fälle zu nennen, in denen der Schweigepflichtige, in der Absicht, den Betroffenen an der künftigen Einnahme173
Konsequent ist es daher, bei Variante 3 die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation zwischen beabsichtigtem Nachteil und Eingriff in das grundtatbestandliche Rechtsgut als Strafschärfungsgrund anzusehen (vgl. Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; ähnlich Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49, die jedoch allesamt – entgegen des hier entwickelten Standpunkts – eine Beschränkung auf Vermögensnachteile befürworten). Für Variante 2 wird die „[…] fehlende Konnexität zwischen dem Anspruch auf den Vermögensvorteil und der Verletzung fremder Persönlichkeitsrechte“ als Strafschärfungsgrund ausgemacht (Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83). Letztlich umschreiben Variante 1 und 2 des § 203 Abs. 5 StGB eine Kommerzialisierung des grundtatbestandlichen Unrechts; siehe dazu bereits Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (1). Dies kommt insbesondere auch in den Stellungnahmen zu den entsprechenden Straftatbeständen im Gesellschaftsrecht (§ 85 GmbHG, § 315 UmwG) deutlich zum Ausdruck; siehe dazu Tiedemann/Rönnau, in: Scholz, GmbHG, § 85 Rn. 51 sowie Hohn, in: KölnKomm-UmwG, § 315 Rn. 44. 174 Zum Streitstand, ob neben einer Rechtfertigung gemäß § 34 StGB auch die Möglichkeit der Rechtfertigung nach Abwägung der widerstreitenden Pflichten oder Interessen bzw. wegen der Wahrnehmung berechtigter Interessen besteht, siehe Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 85 ff. 175 Wobei der Patient die Begehung weiterer Straftaten nicht beabsichtigt und dies auch gegenüber dem Arzt kundgetan hat. 176 Eine Rechtfertigung wegen Notstands (§ 34 StGB) scheidet in diesem Beispiel bereits mangels des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr (es besteht keine Wiederholungsgefahr) aus. Auch wirkt das Strafverfolgungsinteresse hinsichtlich des bereits begangenen Delikts hier nicht rechtfertigend. Denn grundsätzlich genügt dieses nicht, um die Verletzung der Schweigepflicht zu rechtfertigen (OLG Bremen, MedR 1984, 112; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 88; Fischer, StGB, § 203 Rn. 47; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 66; siehe auch Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 31a: im Ausgangspunkt ist Strafverfolgungsinteresse nicht genügend, um Rechtfertigung herbeizuführen, nur bei schweren Verbrechen gerechtfertigt; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 25: Rechtfertigung einer zum Zwecke der Strafverfolgung begangenen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht scheidet regelmäßig aus). Allenfalls bei einem besonders schweren Verbrechen käme eine Rechtfertigung in Betracht (Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 31a).
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erzielung zu hindern, einer Behörde Mitteilung über Tatsachen macht, die zur Untersagung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit führen.177 § 203 Abs. 5 StGB erfasst damit – anders als beispielsweise § 263 StGB (Betrug) – auch rechtsordnungskonforme Vermögensverschiebungen178 und greift damit „weiter“ als dieser. Neben dem Fall der erstrebten Verursachung einer rechswidrigen Vermögenseinbuße ist bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB auch die beabsichtigte Herbeiführung eines rechtsordnungskonformen Vermögensnachteils umfasst. Der Betrug als zentrales Vermögensdelikt des StGB179 setzt demgegenüber eine (objektiv)180 rechtswidrige Vermögensverschiebung voraus.181 Der vermögensbezogene Vorteil ist bei § 263 StGB deswegen rechtswidrig, weil der (korrespondierende) Vermögensnachteil des Opfers nicht durch die Rechtsordnung gedeckt ist.182 Der Betrugstatbestand beschränkt den Rechtsgüterschutz damit auf die Fälle rechtswidriger Schädigungen.183 Ein strafrechtlich relevanter Rechtsgutsangriff setzt bei § 263 StGB die Rechtswidrigkeit der Vermögensverschiebung, mithin die Rechtswidrigkeit der Vermögenseinbuße,184 voraus.185 Anders liegt es – wie aufgezeigt wurde – bei der Schädigungsvariante des § 203 Abs. 5 StGB. Auch dies zeigt, dass der Erklärungsansatz der verwerflichen Zweck-Mittel-Relation vorzugswürdig ist.
177 Bzw. ähnlich gelagerte Fälle, in denen der Betroffene eine vertragliche Verpflichtung eingegangen ist, diese aufgrund der (zu erwartenden) behördlichen Untersagung nicht erfüllen kann und infolgedessen seinem Auftraggeber die geleistete Zahlung zurückerstatten muss. 178 Ausdrücklich für § 203 Abs. 5 Var. 2 StGB (Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern): BGH, NStZ 1992, 538, 539; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Fischer, StGB, § 203 Rn. 50; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; a.A. Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB27, § 203 Rn. 74. 179 Rechtsgut des Betrugs ist das Vermögen; siehe Fischer, StGB, § 263 Rn. 3 m.w.N. 180 BGH, NStZ 1997, 431; Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 799; Kindhäuser, in: NKStGB, § 263 Rn. 369; siehe dazu auch Tiedemann, in: LK-StGB, § 263 Rn. 264 f. 181 Zutreffend stellt Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 799 fest, dass sich das Merkmal der Rechtswidrigkeit „[…] nicht lediglich auf den erstrebten Vorteil, sondern auf die Vermögensverschiebung im Ganzen [bezieht]“ [im Original teilw. hervorgehoben]. Ebenso Kindhäuser, in: NK-StGB, § 263 Rn. 369. 182 Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 799; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 340. 183 Entsprechendes gilt auch im Rahmen des § 242 StGB. Zutreffend wird für diesen die Notwendigkeit der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Enteignung herausgestellt (siehe Schmitz, in: MK-StGB, § 242 Rn. 153). Auch beim Diebstahl ist die „Schädigungskomponente“ (mithin die Enteignungskomponente, welche die Rechtsgutsverletzung betrifft; vgl. Schmitz, in: MK-StGB, § 242 Rn. 153) durch die Rechtswidrigkeit geprägt. 184 Vgl. Hefendehl, in: MK-StGB, § 263 Rn. 799; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 340: „Rechtswidrig ist der Vermögensvorteil, weil der Vermögensverlust des Opfers rechtswidrig ist. Daher kann der Vermögensvorteil nicht rechtswidrig sein, wenn die Rechtsordnung den Vermögensverlust des Opfers billigt.“. 185 Vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 263 Rn. 368: „Die lediglich unerlaubte Realisierung einer dem Täter bereits zustehenden Rechtsposition ist demnach nicht als strafrechtlich relevantes Unrecht anzusehen.“.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
d) Die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation als Strafschärfungsgrund Strafschärfungsgrund ist bei der Variante 3 des § 203 Abs. 5 StGB – wie bereits ausgeführt – die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation,186 nicht hingegen das Hinzutreten der Verletzung eines weiteren Rechtsguts. Ansatzpunkt für die Strafrahmenverschiebung ist bei allen Varianten des § 203 Abs. 5 StGB, dass der Täter den Geheimnisverrat (bedacht) einsetzt, um ein von ihm verfolgtes Ziel zu erreichen. Bei den Varianten 1 und 2 ist dies die Vermögensverschiebung zu eigenen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten, was letztlich eine Kommerzialisierung des grundtatbestandlichen Unrechts durch den Täter darstellt.187 Bei Variante 3 steht es im Fokus des Täters, den Betroffenen in einem vom Geheimhaltungsinteresse losgelösten, anderem Interesse bzw. Lebensbereich zu schädigen. Von § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB werden auch (intendierte) rechtsordnungskonforme Schädigungen erfasst.188 Die hier vertretene Auslegung liest keinen über den grundtatbestandlichen Schutz hinausgehenden, besonderen Schutzaspekt in § 203 Abs. 5 StGB hinein.189 Eine Kollision mit der Schutzzweckfestlegung des Gesetzgebers190 ist daher nicht auszumachen. Im Fokus der Qualifikation steht einzig die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation,191 die damit verbundene erhöhte Gefahr für das grundeliktische Rechtsgut und dass der Täter erhöhtes Unrecht begeht, indem er den Geheimnisverrat für seine Zwecke instrumentalisiert.
186 Im Ausgangspunkt ebenso Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84 sowie Bosch, in: SSWStGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64, die jedoch allesamt – entgegen des hier entwickelten Standpunkts – eine Beschränkung auf Vermögensnachteile vertreten. 187 Vertieft bereits Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (1). 188 Dahingehend stimmt dieses Ergebnis mit der Variante 2 des § 203 Abs. 5 StGB überein. Bei dieser muss eine Rechtswidrigkeit der Bereicherung nicht gegeben sein, siehe BGH, NStZ 1992, 538, 539; Cierniak/Pohlit, in: MK-StGB, § 203 Rn. 135; Fischer, StGB, § 203 Rn. 50; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 83; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74; a.A. Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB27, § 203 Rn. 74. 189 Wenngleich eine solche unmittelbare Schutzfunktion qualifizierter Delikte durchaus möglich ist. Insoweit gibt es Qualifikationstatbestände, die als kombinierte Rechtsgutsangriffe begriffen werden können (so tritt beim Wohnungseinbruchsdiebstahl gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben den grunddeliktischen Angriff eine massive Verletzung des Hausrechts durch „Eindringen“ in den Kernbereich des Privat- und Intimlebens). Gleichwohl scheidet eine solche Annahme bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB angesichts der gesetzgeberischen Willenbekundung wohl aus. 190 Siehe BT-Drucks. 7/550. S. 238: Schutz des Privatgeheimnisses. 191 Im Ausgangspunkt ebenso Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84 sowie Bosch, in: SSWStGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64, die jedoch allesamt – entgegen des hier entwickelten Standpunkts – eine Beschränkung auf Vermögensnachteile vertreten.
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Des Weiteren wurde herausgearbeitet, dass sich der Nachteilsbegriff des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB nicht auf Schädigungen des Vermögens beschränkt.192 Gleichwohl sind aber andererseits solche Schädigungen nicht umfasst, die sich in der Sache als unmittelbare Folge der Verletzung des grunddeliktisch geschützten Geheimhaltungsinteresses darstellen (bspw. die einfache „Bloßstellung“). Dieser Beschränkung der relevanten Nachteile steht der gesetzgeberische Wille nicht entgegen. IV. Blick auf die sonstigen Auslegungskriterien Für den hier eingenommenen Standpunkt streitet auch das systematische Argument. Die beiden anderen in § 203 Abs. 5 StGB enthaltenen qualifizierenden Elemente („gegen Entgelt“; „in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern“) nehmen jeweils eine zumindest beabsichtigte Vermögensverschiebung in den Blick. Sie umschreiben jeweils eine Kommerzialisierung193 des grunddeliktischen Unrechts.194 Diese vermögensrechtliche Komponente hat zwar nicht konsequenterweise auch für Var. 3 des § 203 Abs. 5 StGB zu gelten.195 Denn den Verzicht auf einen Vermögensbezug bei der Variante 3 offenbart bereits der Normwortlaut. Anders als bei den anderen beiden in § 203 Abs. 5 StGB enthaltenen Varianten findet sich hier nämlich kein Bezug zur Vermögenslage. Es wird vielmehr lediglich von der „Absicht, […] einen anderen zu schädigen“ gesprochen. Damit wird eine Übertragung des Vermögensaspekts auf die Schädigungsabsichtsvariante der gesetzlichen Ausgestaltung (insb. dem Normwortlaut) nicht gerecht. Dennoch lässt die Systematik (mithin die Beschränkung auf Vermögensvorteile in den ersten beiden Varianten) erkennen, dass nicht jeglicher Nachteil genügen soll. Um die innertatbestandliche Konsistenz (der Qualifikationsnorm) zu wahren,196 ist es daher notwendig, nur bestimmte Schädigungsarten (Vermögenseinbußen, Schädigungen der psychischen Gesundheit, gravierende Ehrverletzungen) zuzulassen. 192
Siehe bereits Kapitel 7 § 20 B. II. 1. In eine ähnliche Richtung tendieren diejenigen, die in der verwerflichen Zweck-MittelRelation (so Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; ähnlich Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49) den Grund für die Strafschärfung sehen. Deutlich Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64: „Erst die inkonnexe Zweck-Mittel-Relation zwischen vermögensbezogenem Ziel und Eingriff in ein immaterielles Rechtsgut begründet die gegenüber Abs. 1 gesteigerte Strafwürdigkeit.“. 194 Allgemein zu Elementen, welche eine Kommerzialisierung des grunddeliktischen Unrechtsrechts umschreiben, Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (1). 195 Mit entsprechender Argumentation jedoch Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; ebenso Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49: „[…] systematischer Vergleich mit den anderen Qualifikationsgründen […]“. Siehe auch Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41, der die Position der h.M. als unschlüssig bezeichnet, weil diese – anders als bei dem Merkmal der Bereicherungsabsicht – bei der Schädigungsabsicht einen Vermögensbezug nicht anerkennt. 196 Mit entsprechender Argumentation wird von anderen die Beschränkung auf Vermögensschädigungsabsicht begründet; siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; ähnlich Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49. 193
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Gegen eine noch weitere Verengung des Schädigungsbegriffs, wie zum Teil im Schrifttum vorgeschlagen,197 spricht ein Blick auf den Schutzzweck der Norm. Auch § 203 Abs. 5 StGB soll nach den Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien dem Schutz des Privatgeheimnisses dienen.198 Als Rechtsgut ist damit der persönliche Lebens- und Geheimbereich des Einzelnen auszumachen.199 Das Privatgeheimnis ist jedoch auch dann einer besonderen Gefahr ausgesetzt, wenn der Täter die Herbeiführung eines Nichtvermögensschadens beabsichtigt. Denn auch dann stellt die Nachteilszufügungsabsicht die Triebfeder des Täters dar.200 Das Rechtgut ist bereits deshalb einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, weil der Täter die Geheimnisoffenbarung für seine Zwecke (nämlich die Absicht, einen anderen zu schädigen) instrumentalisiert und dadurch ein Ablassen von der Tat unwahrscheinlicher wird. Hierfür ist es unerheblich, welchen Lebensbereich die (täterseitig) intendierte Schädigung betrifft. Der Schwerpunkt des durch § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB umschriebenen Unrechts liegt damit in der verwerflichen Zweck-Mittel-Relation.201 Der Konnex zwischen Geheimnisverrat und Zweckverfolgung steht im Mittelpunkt. Nimmt man einen rechtsgutszentrierten Blickwinkel ein und verdeutlicht sich diesen Zusammenhang, so wird klar, dass es völlig unerheblich ist, ob es sich bei dem vom Täter erstrebten Nachteil um einen Vermögensnachteil handelt.
197 Für eine Beschränkung auf beabsichtigte Vermögensschädigungen Bock/Wilms, JuS 2011, 24, 28; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 49; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; Jung, in: NK-StGB1, § 203 Rn. 41; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84. In Hinblick auf § 315 Abs. 2 S. 1 Var. 3 UmwG Hohn, in: KölnKomm-UmwG, § 315 Rn. 45. 198 Vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 238. 199 OLG Dresden, NJW 2007, 3509, 3510; Bock/Wilms, JuS 2011, 24; Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 2; Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 4: „[…] Unverletzlichkeit der Eigensphäre in ihrer speziellen Ausformung als informationelle Dispositionsbefugnis […]“ [im Original teilweise hervorgehoben]. Einige wollen zusätzlich das allgemeine Interesse an der Verschwiegenheit von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen einbeziehen, so Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 1: vorrangig Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen, daneben jedoch auch Schutz des Allgemeininteresses an der Verschwiegenheit der Personen in den aufgeführten Berufen; in diese Richtung, jedoch hinsichtlich des Einbezugs des Allgemeininteresses weniger weit gehend Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 3: geschützt ist „[…] in erster Linie das Individualinteresse an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen […]“ [im Original teilweise hervorgehoben], das „[…] allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe […]“ [im Original teilweise hervorgehoben] ist (nur) mittelbar geschützt; ähnlich Fischer, StGB, § 203 Rn. 2. 200 Es bedarf nämlich eines zielgerichteten Willens des Täters; siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28. 201 Worin auch der Strafschärfungsgrund gesehen wird; siehe Kargl, in: NK-StGB, § 203 Rn. 84; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 56. Lfg. Mai 2003], § 203 Rn. 64; ähnlich Bosch, in: SSWStGB, § 203 Rn. 49, die jedoch allesamt – entgegen des hier entwickelten Standpunkts – eine Beschränkung auf Vermögensnachteile befürworten.
§ 21 Das Mordmerkmal der Mordlust
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Eine Beschränkung auf beabsichtigte Vermögensschädigungen ist daher abzulehnen.202
§ 21 Das Mordmerkmal der Mordlust A. Skizzierung des Meinungsstandes Anders als in vielen anderen Bereichen des Strafrechts findet man in Hinblick auf das Mordmerkmal der Mordlust in weiten Teilen203 eine Übereinstimmung von h.L. und Rechtsprechung. Entsprechend der jetzigen Definition204 tötet aus Mordlust derjenige, bei dem der Tod des Opfers als solcher der einzige Zweck der Tat ist, insbesondere wenn er (d. h. der Täter) allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschen handelt.205 Neben dieser „Freude“ lässt man auch die Motive der Langeweile, Angeberei bzw. die Tötung zur nervlichen Stimulanz oder aus (sportlichem)
202 Ebenso die h.M. (siehe nur Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 28; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 74), die jedoch – im Gegensatz zum hier entwickelten Standpunkt (dazu Kapitel 7 § 20 B. II.) – auf jegliche Beschränkung verzichtet. 203 Kritisch jedoch Kelker, Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, S. 594 ff.; Fabricius, StV 1995, 637 f.; Kargl, StraFo 2001, 365, 366. De lege ferenda für eine Ersetzung der „Mordlust“ durch das Mordmerkmal „Tötung mehrerer Menschen“ Fahlbusch, Unhaltbarkeit des Zustands der Mordmerkmale, S. 40. In jüngerer Vergangenheit hat sich die eigens eingesetzte Expertenkommission jedoch für eine grundsätzliche Beibehaltung des Mordmerkmals der Mordlust ausgesprochen, zugleich jedoch die Notwendigkeit einer inhaltlichen Neuorientierung angemerkt; siehe Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 32. 204 Nach vormaliger Definition des Bundesgerichtshofs hat aus Mordlust gehandelt, „[…] wer aus einer unnatürlichen Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens tötet.“ (BGH, NJW 1953, 1440); kritisch Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31, die diese Definition als „wenig realistisch“ kennzeichnen. Ebenso kritisch Eschelbach, in: BeckOKStGB, § 211 Rn. 16: „[…] missverständlich, weil sie [scil. die Definition] auf eine krankhafte psychische Lage des Täters hinzuweisen scheint, die eher exkulpierend wirken müsste, statt ein Höchstmaß an Schuld zu verkörpern […].“. Siehe dazu auch Kühl, JA 2009, 566; Fahlbusch, Unhaltbarkeit des Zustands der Mordmerkmale, S. 30 f., 32 ff.; zur nachfolgenden Reaktion des Bundesgerichtshofs auf die Kritik aus dem Schrifttum BGHSt 34, 59, 61 (Besprechung der Entscheidung bei Geerds, JR 1986, 519 f.). Die „alte“ Formel der Rechtsprechung verteidigend Köhne, Jura 2009, 100 f. 205 BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 1994, 2629, 2630; 2002, 382, 384; siehe auch BGH, NStZ 2007, 522, 523. Die Definition des Bundesgerichtshofs wird von weiten Teilen des Schrifttums geteilt, siehe Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49; mit geringfügigen Einschränkungen folgend Rössner/Wenkel, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22; enger jedoch Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 40, die ein „lustvolles oder mindestens freudvolles Erleben des Tötungsaktes“ fordern; dies explizit ablehnend Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 51 Fn. 145.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Vergnügen206 genügen.207 Darüber hinaus soll auch die Tötung aus „Mutwillen“208 dem Mordmerkmal unterfallen.209 Als weitere Beispiele werden die Tötung zum Nervenkitzel bzw. Zeitvertreib angeführt.210 Auch die Tötung ohne jeden Anlass soll erfasst sein.211 Maßgeblich soll hierbei letztlich sein, dass der Tod der einzige Zweck der Tat ist.212 Der Bundesgerichtshof verwendet in diesem Zusammenhang die Formel, dass vom Merkmal der Mordlust diejenigen Fälle umfasst seien, „[…] bei denen weder ein in der Person des Opfers213 oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlass noch ein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck die Tat bestimmt.“214. Insoweit soll es auch genügen, wenn mit der Einstellung215 getötet worden ist, keinen weiteren Grund216 für die 206
So auch Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49: Tötung im Rahmen einer inszenierten Jagd aus „pseudo-sportiven Jagderwägungen“. 207 Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; entsprechende Beispiele finden sich auch bei Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49. 208 Dazu BGHSt 34, 59, 60. 209 Siehe Fischer, StGB, § 211 Rn. 8; Küpper, Strafrecht BT I, § 1 Rn. 37; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4. 210 Siehe Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31; mit ähnlichen Beispielen Otto, Strafrecht BT, § 4 Rn. 5. 211 So Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31; kritisch hierzu Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8, 42; Saliger, StV 2003, 38, 39 f.; zweifelnd Eschelbach, in: BeckOKStGB, § 211 Rn. 16: begrifflich (eigentlich) nicht anzunehmen. 212 Siehe dazu BGHSt 34, 59, 61; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 2 Rn. 54; Eisenberg/Schmitz, NStZ 2008, 94, 96; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Jähnke, in: LK-StGB, § 211 Rn. 6; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 11; Schroeder, JuS 1984, 275, 277. 213 Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15: „Notwendige äußere Bedingung wird regelmäßig sein, dass das Opfer dem Täter keinerlei sozialen Anlass zur Tat gegeben hat […].“. 214 BGH, NJW 2002, 382, 384. Siehe auch BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 1994, 2629, 2630; NStZ 2007, 522, 523; dem folgend Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Eser/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4; Kühl, JA 2009, 566, 567; Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 6; Schneider, in: MKStGB, § 211 Rn. 49; Sinn, in: SK-StGB [Stand: 133. Lfg. Juni 2012], § 211 Rn. 13; Otto, Jura 1994, 141, 144. Grotendiek/Göbel, NStZ 2003, 118, 119 schließen daraus eine Sonderstellung des Mordmerkmals als „Binnen-Merkmal“. Kritisch zur Formel der Rechtsprechung Kargl, StraFo 2001, 365, 366; Köhne, Jura 2009, 100, 101. 215 Diese „[…] subjektive Bereitschaft zum absolut grundlosen Töten […]“ muss jedoch positiv festgestellt werden; vgl. BGH, NStZ 2006, 166, 167 (jedoch mit der Verortung unter die „sonstigen niedrigen Beweggründe“); folgend (wiederum mit Subsumtion unter das Mordmerkmal der Mordlust) Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52. Siehe auch Rössner/Wenkel, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22: „Nicht verwirklicht ist dieses Tatbestandsmerkmal, wenn kein Motiv festgesestellt wird.“. 216 Teilweise wird die „grundlose Tötung“ als Fallgruppe der sonstigen niedrigen Beweggründe aufgefasst; siehe Fischer, StGB, § 211 Rn. 22; aus der Rechtsprechung BGH, NStZRR 2005, 309, 310; BGH, Urteil v. 19. 10. 2011 – 1 StR 273/11, juris Tz 32. Wohl danach
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Tötung haben zu müssen.217 In dieser prinzipiellen Missachtung des fremden Lebens soll die Gefährlichkeit des Täters liegen.218 Einschränkend wird vereinzelt jedoch gefordert, dass der Täter „[…] tatsächlich aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelt […]“219, mithin „[…] es dem Täter gerade auf Lustgewinn durch Tötung eines Menschen ankommen muss […]“220. Teilweise unter Anknüpfung an die „alte“ Definition des Mordmerkmals durch die Rechtsprechung wird dabei eine „Freude“ bzw. ein „positives Gefühl des Täters durch die Tötung“ verlangt.221 Die bloße Tötung ohne Motiv genüge daher nicht.222
unterscheidend, ob direkter Tötungsvorsatz vorliegt (dann Mordlust) oder nicht BGH, NJW 2002, 382, 384; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 5a. 217 So ausdrücklich Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52. Siehe auch die Ausführungen zu den „niedrigen Beweggründen“ in BGH, NJW 2002, 382 ff.: in dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass „[…] ein niedriger Beweggrund auch dann gegeben sein kann, wenn der Täter in dem Bewußtsein handelt, keinen Grund für eine Tötung zu haben oder zu brauchen. Eine solche Einstellung, bei der der Täter meint, nach eigenem Gutdünken über das Leben des Opfers verfügen zu können, steht auf sittlich tiefster Stufe und ist besonders verachtenswert.“ (BGH, NJW 2002, 382, 383). Am Ende des Urteils findet sich der Hinweis, dass eine Befassung mit dem Mordmerkmal der Mordlust notwendig werde, wenn die erneute Hauptverhandlung zur Feststellung direkten Tötungsvorsatzes führen sollte (BGH, NJW 2002, 382, 384); ebenso danach differenzierend, ob direkter Tötungsvorsatz vorliegt, Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 5a. Kritisch aber Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 373 f. 218 BGHSt 34, 59, 61; dem folgend Otto, Strafrecht BT, § 4 Rn. 5; hinsichtlich dieses „Gefährlichkeitsurteils“ folgend Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8. 219 Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8; zurückhaltender, jedoch auch die Freude-/ Spaßkomponente betonend, Mitsch, in: AnwKomm-StGB, § 211 Rn. 19. 220 Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 9; in eine ähnlich Richtung Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 40, die ein „lust- oder mindestens freudvolles Erleben des Tötungsaktes“ fordern; diese Auffassung explizit ablehnend Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 51 Fn. 145; kritisch auch Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 2 Rn. 54 mit dem Vorwurf der Tautologie. 221 So Köhne, Jura 2009, 100, 101. 222 So Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8, der überdies auch die Annahme eines sonstigen niedrigen Beweggrundes ablehnt, Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42. Neumann stellt zudem klar, dass nach seiner Ansicht auch das Bewusstsein des Täters „keinen Grund für die Tötung zu haben oder zu brauchen“ nicht als niedriger Beweggrund einzuordnen ist (Neumann, a.a.O., Rn. 42). Die Gegenauffassung wirke „künstlich“ und stelle letztlich eine bloße Fiktion dar (Neumann, a.a.O., Rn. 42 Fn. 31). Diesbezüglich auch ablehnend Rössner/Wenkel, in: Dölling/ Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22: „Die Feststellung der Grund- bzw Anlasslosigkeit der Tat ist nicht ausreichend.“.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
B. Auslegung unter Berücksichtigung der materialen Deliktsgruppensystematik I. Beurteilung der Auslegungsvariante der h.M. aus materialem Blickwinkel Grundsätzlich ist jede vorsätzliche Tötung mit einer Entscheidung über Leben und Tod verbunden.223 Dass sich der Täter also für die Tötung des Opfers entschieden hat bzw. sich zum „Herren über Leben und Tod“ gemacht hat, kann den Übergang vom Totschlag zum Mord nicht begründen.224 Bei den Fällen, bei denen kein Anlass zur Tat besteht und mit der Tat auch kein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck verfolgt wird,225 der Tod also der einzige Zweck der Tat ist,226 erschöpft sich die Tat auf subjektiver Seite im Wesentlichen in der erwähnten Entscheidung über Leben und Tod. Dies gilt auch227 dann, wenn der Täter mit der Einstellung tötet, keinen Grund für die Tötung zu haben bzw. brauchen zu müssen.228 Diesen Fällen ist
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Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42; Saliger, StV 2003, 38, 41. Mit entsprechender Tendenz auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 39. 224 Ebenso Saliger, StV 2003, 38, 41. Anders jedoch der Bundesgerichtshof, der dies wiederholt zur Begründung des Vorliegens niedriger Beweggründe (bei direktem Tötungsvorsatz: Mordlust, siehe BGH, NJW 2002, 382, 384; ebenso Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 5a) herangezogen hat; so BGH, NJW 1971, 571; 2002, 382, 383; NStZ 1981, 100 f. Siehe auch BGH, Urteil v. 19. 10. 2011 – 1 StR 273/11, juris Tz 32: „Eine solche Einstellung [scil. die Einstellung des Täters, keinen Grund für die Tötung zu haben oder zu brauchen] stellt einen niedrigen Beweggrund dar, wenn der Täter meint, nach eigenem Gutdünken über das Leben des Opfers verfügen zu können.“; abweichend wohl BGH, Beschluss v. 03. 04. 2008 – 5 StR 525/07, juris Tz 27. Zu Recht ablehnend Fischer, StGB, § 211 Rn. 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 39; Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42. Ebenso kritisch (mit Blick auf die (fehlende) Eignung zur Konkretisierung der Motivgeneralklausel): Schneider, in: MKStGB, § 211 Rn. 72: „[…] nicht geeignet, einen niedrigen Beweggrund auszuweisen […].“. 225 Diese werden von der Rechtsprechung und h.L. unter das Merkmal der Mordlust subsumiert; siehe BGH, NJW 2002, 382, 384. Siehe auch BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 1994, 2629, 2630; NStZ 2007, 522, 523; dem folgend Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4; Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 6; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49; Otto, Jura 1994, 141, 144. 226 Dies als Fallgruppe der Mordlust-Tötung aufführend BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 2002, 382, 384; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 2 Rn. 54; Eisenberg/ Schmitz, NStZ 2008, 94, 96; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Jähnke, in: LK-StGB, § 211 Rn. 6; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 31; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 11; Schroeder, JuS 1984, 275, 277. 227 Siehe auch Grünewald, HRRS 2015, 162, 164, die ausführt: „Die grund- oder anlasslos begangene Tat lässt sich also nur als Grundtatbestand des jeweiligen Delikts konzipieren.“. 228 Siehe zu dieser Fallgruppe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52. Jedenfalls bei Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes als Mordlust qualifizierend BGH, NJW 2002, 382, 384. Kritisch Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42 Fn. 31; Saliger, StV 2003, 38, 39 f.
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gemein, dass ein weiteres prägendes Element nicht hinzutritt.229 Dies wird offenbar, wenn man die Tötung ohne Zweck oder Anlass genauer betrachtet. Denn bei diesen macht sich der Täter denknotwendig überhaupt keine „weitergehenden Gedanken“ über seine Tötungshandlung. Seine Tötungshandlung ist mit keinerlei anderen Interessen bzw. Zielsetzungen oder anlass-/personenbezogenen Gefühlsregungen230 verknüpft.231 Vom Tötungsvorsatz losgelöste subjektive Faktoren liegen nicht vor. Das Geschehen ist damit in subjektiver Hinsicht auf den unmittelbaren Tötungsakt fokussiert. Dass dies den Totschlag zum Mord qualifiziert, erscheint mehr als fraglich. So tritt nämlich gerade kein Element zum „Totschlagsgeschehen“ hinzu. Folglich zeichnen diese Fälle auch keinen neuen, dem Totschlag wesensverschiedenen Unwerttypus. Hieran ändert es nichts, auf die Einstellung des Täters abzustellen. So wird die Erfüllung des Merkmals der Mordlust verschiedentlich darauf gestützt, dass der Täter mit der Einstellung tötet, keinen Grund für die Tötung zu haben bzw. brauchen zu müssen.232 Neben dem grundsätzlichen Bedenken, dass dies letztlich aus psychologischer Sicht eine Fiktion darstellt,233 ist auch festzustellen, dass das Hinzutreten dieser Einstellung des Täters nicht genügt, um die Tötung maßgeblich von anderen Totschlagsvarianten abzuheben. Diese Einstellung hebt die Tötung des Menschen nicht in eine andere „Ebene“. Sie hat kein solches Gewicht und auch keine solche Typizität, dass sie das grunddeliktische Unrecht der Tötung eines Menschen entscheidend zu verändern vermag. Vielmehr bleibt trotz einer solchen Einstellung des Täters der Schwerpunkt des Unrechts bzw. der Schuld eindeutig in der Zerstö229 In eine entsprechende Richtung auch Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 373 f.: „So lässt sich im Fehlen eines Grundes für eine Tötung keine Steigerung des Unrechts (oder der Schuld) sehen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine vorsätzliche Tötung, die nicht durch weitere Besonderheiten gekennzeichnet ist. Mithin um den ,Normalfall‘ einer vorsätzlichen Tötung, da Faktoren, die das Unrecht (oder die Schuld) nach oben oder nach unten modifizieren könnten, nicht gegeben sind.“. Gleichwohl kann daraus – entgegen Grünewald – nicht geschlussfolgert werden, dass im Rahmen einer gesetzlichen Neuformulierung der Tötungsdelikte „nach unten“ abgestuft werden muss, d. h. neben ein Grunddelikt der Tötung eine privilegierende Regelung zu setzen ist und auf Abstufungen „nach oben“ verzichtet werden kann. Die Ausführungen Grünewalds zeigen aber zutreffend auf, dass die Modellierung der Mordlust durch die Rechtsprechung unzutreffend ist. 230 Dies sind gerade die integralen Bestandteile der Definition des Bundesgerichtshofs; siehe BGH, NJW 2002, 382, 384: „Nach der Rechtsprechung des BGH sollen mit diesem Mordmerkmal die Fälle erfasst werden, bei denen weder ein in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlass noch ein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck die Tat bestimmt […].“. 231 Mit entsprechender Konnotation Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 373, die im Rahmen ihrer Analyse der Rechtsprechung darauf hinweist, dass in den Fällen der „grundlosen“ Tötung täterseitig intensive Gefühle (Hass, Freude) nicht vorliegen und daraus folgert, dass es sich um eine „einfache“ Tötung handelt (siehe Grünewald, a.a.O., S. 373 f.). 232 So Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52. Jedenfalls bei Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes als Mordlust qualifizierend BGH, NJW 2002, 382, 384. 233 Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42 Fn. 31.
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rung bzw. Aufhebung eines menschlichen Lebens. Die Bildung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus ist damit also nicht verbunden. Diese Ausführungen zeigen, dass die Auslegung von Rechtsprechung und h.L. dazu führt, dass im Kernbereich des Anwendungsbereichs von § 211 Abs. 2 Gruppe 1 Var. 1 StGB viele Fallgruppen enthalten sind, die bloße Modifikationen des Totschlags-Unrechts darstellen. Die Entwicklung eines neuen Differenzierungskriteriums ist daher angebracht.234 Hierfür ist eine nähere Präzisierung des Mordmerkmals der Mordlust notwendig. Ohne allzu viel vorwegzunehmen, lässt sich bereits an diesem Punkt feststellen, dass eine Beschränkung auf Motive exzeptioneller Art anzustreben ist. Denn nur wenn solche gegeben sind, tritt neben das Tötungsunrecht ein prägendes Element, welches das Geschehen auf eine „andere Ebene“ hebt (mithin die Wesensverschiedenheit zur „einfachen“ Tötung konstituiert), sodass sich der Übergang vom Totschlag zum Mord rechtfertigen lässt. II. Einschränkende Auslegung anhand eines Differenzierungskriteriums 1. Entwicklung eines Differenzierungskriteriums unter Zugrundelegung des Mordmerkmals Mordlust sowie Stellungnahme zur (Un-)Geeignetheit der Formel der Rechtsprechung Nach dem Wortlaut wird eine Tötung dann als Mord eingestuft, wenn der Täter aus Mordlust handelt. Wie im vorangegangenen Abschnitt festgestellt wurde, werden nach der überwiegenden Auslegung dieses Mordmerkmals zahlreiche Fälle in den Anwendungsbereich gelegt, welche sich trotz des Hinzutretens eines subjektiven Elements nicht maßgeblich vom Unrecht bzw. der Schuld der „einfachen“ Tötung abheben. Um solche bloß quantitativen Unrechts- bzw. Schuldsteigerungen auszusondern, wird vorgeschlagen, das Mordmerkmal der Mordlust als ErwerbsunrechtsElement zu verstehen.235 Gelingt es, dies zu begründen, so erhellt sich der Wechsel von Totschlag zu Mord. Denn der Totschlag ist geprägt durch die Tötung eines Menschen und damit als Schädigungsunrecht anzusehen. Addiert man hierzu Erwerbsunrecht, so begründet dies einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus.236 Dann nämlich enthält der subjektive Bereich nicht (nur) die Entscheidung über 234 Auch die im Rahmen der beabsichtigten Neuregelung der Tötungsdelikte eingesetzte Expertenkommission sieht Bedarf für eine inhaltliche Änderung des Merkmals der Mordlust; siehe Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 32. Grundsätzlich hat sich die Expertenkommission jedoch für die Beibehaltung der Mordlust als Abgrenzungskriterium zwischen Mord und Totschlag ausgesprochen; siehe Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, a.a.O. Damit dürfte es nicht um das Merkmal als solches gehen, sondern um dessen Konkretisierung durch den Rechtsanwender. Diesbezüglich soll in den vorliegenden Ausführungen ein neuer Blickwinkel aufgezeigt werden. 235 Allgemein zum Erwerbsunrecht Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa). 236 Siehe allgemein dazu bereits Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa). Hingegen gänzlich ablehnend in Bezug auf eine „qualitätsändernde Wirkung“ von Mordmerkmalen Müssig, in: FS Paeffgen, S. 301, 309.
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Leben und Tod,237 sondern darüber hinaus das artfremde Erwerbsmoment. Diese Konstellation hebt sich damit entscheidend vom Unrecht der „einfachen“ Tötung ab. Seinem Inhalte nach ist das Mordmerkmal der Mordlust bei dieser Auslegung gekennzeichnet durch ein Erwerbsmoment. Wie bereits ausgeführt wurde, muss sich das Erwerbmoment nicht auf Vermögenspositionen oder Ähnliches beziehen,238 wenngleich diese sehr häufig Gegenstand des Erwerbsinteresses239 sind. Bei dem Merkmal der Mordlust geht es greifbar nicht um eine solche Vermögensposition. Es ist deshalb danach zu fragen, was Mordlust als solche ausmacht. Es gilt den Gegenstand des Erwerbsinteresses so weit wie möglich zu präzisieren. Dies kann selbstverständlich nicht losgelöst vom Tatbestandsmerkmal erfolgen, denn dieses bildet den Ausgangspunkt für die Bildung eines Differenzierungskriteriums.240 Es bietet sich daher an, den Wortlaut näher zu betrachten. Nach dem Duden versteht sich unter Mordlust ein „wilder Drang“ bzw. ein „heftiges Verlangen nach Töten“.241 Eine entsprechende Tendenz zeigen auch die Umschreibungen des Wortbestandteils „Lust“. Diese wird beschrieben als „inneres Bedürfnis, etwas bestimmtes zu tun, haben zu wollen“242, also ein „auf die Befriedigung eines Wunschen gerichtetes Verlangen“243. Daneben wird gesetzt das „aus der Befriedigung, der Erfüllung eines Wunsches […] entstehende […] […] freudige […] Gefühl; gesteigerte Freude“244. Nimmt man dies zusammen, so ist die Lust einerseits das Bedürfnis/Verlangen, andererseits das (freudige) Gefühl, welches gerade aus der Erfüllung des Bedürfnisses/Verlangens resultiert. Hier wird der Anknüpfungspunkt für das Erwerbsmoment deutlich. Es geht letztlich um die Befriedigung eines Bedürfnisses bzw. Verlangens245 hinsichtlich der Tötung eines Menschens (und die
237 Diese ist jedem (vorsätzlichen) Töten immanent; vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42. 238 So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 74. Siehe auch Klesczewski, ARSP (Beiheft 66) 1997, S. 77, 95. 239 Zur Kommerzialisierung des grunddeliktischen (Schädigungs-)Unrechts Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (1). 240 Siehe dazu die Grundlegung in Kapitel 6 § 17 D. 241 Siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1222 (Stichwort: Mordlust). 242 Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust); ebenso findet sich in anderen Wörterbüchern beim Stichwort „Lust“ der Hinweis auf „Bedürfnis“, siehe Göttert, Neues Deutsches Wörterbuch: „triebhafte Begierde; Verlangen; Bedürfnis; Regung“ (Stichwort: Lust). 243 Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust). 244 Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust). 245 Die Lust-Komponente hervorhebend Schroeder, JuS 1984, 275, 277, der im Übrigen jedoch weitestgehend der h.M. folgt. Ebenfalls die Lust-Komponente betonend und infolgedessen die weite Auslegung der h.M. ablehnend Köhne, Jura 2009, 100, 101, der insoweit sogar eine Überschreitung der Grenzen des Normwortlauts moniert und auf einen Konflikt mit Art. 103 Abs. 2 GG verweist.
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hieraus resultierende „Freude“246).247 Die Tötung dient damit der Befreiung von diesem (heftigen) Bedürfnis bzw. Verlangen nach Tötung. Erwerbsgegenstand ist damit diese Befreiung von dem (heftigen) Bedürfnis bzw. Verlangen nach Tötung und das daraus resultierende (mithin aus der Bedürfnisbefriedigung resultierende) positive Gefühl.248 Aus Mordlust handelt daher derjenige, der einzig tötet, um ein (drängendes) Bedürfnis nach Tötung zu befriedigen249 und hieraus ein positives Gefühl250 zu erlangen.251 Diese (intendierte) Bedürfnisbefriedigung ist der Zweck der Tötung.252 Die 246 Zweifelnd, ob es überhaupt eine ursprüngliche bzw. reine „Freude“ bzw. „Lust“ an Tötung gibt, hingegen Fabricius, StV 1995, 637 f.; Kargl, StraFo 2001, 365, 366, welche auf die (insoweit verneinenden) kriminologischen Erkenntnisse aus den 1970er und 1980er Jahren verweisen (abweichend damals jedoch bereits Bauer, in: Tötungsdelikte, S. 211, 213, der jedenfalls in Hinblick auf Serien-und Wiederholungstäter auch „[…] Taten, die eine ausgeprägte Mordlust – mitunter geradezu einen Tötungstrieb – sichtbar werden lassen […]“ benennt). Mittlerweile wird in der forensisch-psychiatrischen Praxis jedoch durchaus von der Existenz des Phänomens der Mordlust ausgegangen (siehe Kröber, in: Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 647 f.; siehe auch Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 172: Mordlust wird – eventuell auch angesichts der Lehrmeinungen aus den 1970er/80er Jahren – in seiner praktischen Bedeutung unterschätzt). Unter Zugrundelegung dieser aktuellen empirischen Erkenntnisse dürften die Einwände von Fabricius und Kargl nicht mehr greifen. Überdies entbindet selbst die geringe statistische Häufigkeit nicht davon, das gesetzliche Mordmerkmal der Mordlust sachgerecht auszulegen (in einer entsprechene Richtung Köhne, Jura 2009, 100). 247 Ebenso den Aspekt der „Freude“ unter Hinweis auf den Normwortlaut betonend Köhne, Jura 2009, 100, 101. 248 Ebenso mit Schwerpunkt auf das Erwerbsmoment (freilich ohne dies entsprechend zu benennen): Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 9 sowie Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 40, die auf den Lustgewinn (so Neumann, a.a.O., Rn. 9) bzw. das lustvolle/freudvolle Erleben (so Gössel/Dölling, a.a.O., § 4 Rn. 40) abstellen. Siehe auch Köhne, Jura 2009, 100, 101: „Freude“, „positiver Effekt“, „positives Gefühl des Täters durch die Tötung“. Teilweise finden sich auch in der Rechtsprechung entsprechende Tendenzen (siehe BGH, NJW 2002, 382, 384: „[…] Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens […]“); siehe auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 8: „Es geht um eine Befriedigung des Täters durch den Tötungsvorgang selbst oder durch den – von der Person des Opfers unabhängigen – Tötungserfolg […]“. 249 Andeutungsweise bei Fischer, StGB, § 211 Rn. 8: Befriedigung durch Tötung. 250 So bereits Köhne, Jura 2009, 100, 101, der von einem „positiven Gefühl des Täters durch die Tötung“ spricht. Eine entsprechende Pointierung weist die in den älteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs enthaltene Definition (aus Mordlust handelt, „[…] wer aus einer unnatürlichen Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens tötet.“, siehe BGH, NJW 1953, 1440) auf. Auch in der jüngeren Rechtsprechung finden sich entsprechende Wendung; siehe BGHSt 34, 59, 62: „[…] er beging die Tat „aus reiner Freude an der Vernichtung des Lebens.“; in diese Richtung auch BGH, NStZ 2007, 522, 523 (dazu und allgemein zur Entwicklung der Rechtsprechungslinie Kühl, JA 2009, 566 f.). Im Gegensatz zum Ansatz von Köhne sowie dem der älteren Rechtsprechung ist nach aktueller Rechtsprechung und h.L. das Merkmal der Mordlust jedoch nicht auf solche Konstellationen beschränkt, sondern soll – wie bereits dargestellt wurde – einen weitaus größeren Anwendungsbereich haben. 251 Ähnlich Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 40, die verlangen, „[…] daß der Täter den Tötungsakt in seiner Vorstellung lust- oder mindestens freudvoll erlebt und daß dieses
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Tötung erfolgt daher gerade nicht ohne jeden Zweck.253 Kennzeichnend für die Tötung aus Mordlust ist gerade deren Zweckhaftigkeit,254 nämlich die Tötung als Mittel der Bedürfnis-/Triebbefriedigung. Während das Merkmal der Mordlust den Trieb zur Zerstörung, welcher auf Destruktion gerichtet ist, abbildet,255 ist in Abgrenzung dazu beim Lustmord (mithin bei der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs) die sexuelle Komponente256 ausschlaggebend.257 Nach alledem lässt sich an dieser Stelle festhalten: Es genügt jedenfalls zur Erfüllung des Mordmerkmals der Mordlust nicht, wenn die Tötung ohne jeden Zweck erfolgt.258 Denn in diesem Fall ist die Gefühlslage des Täters als indifferent (i.S.v. gleichgültig)259 einzuordnen. Er hat gerade kein (drängendes) Bedürfnis nach Tösubjektive Geschehen zum Motiv der Tötung wird.“ Ebenso Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 9: „[…] Lustgewinn durch Tötung […]“; diese Auffassung explizit ablehnend Eser/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 51 Fn. 145. 252 Eine Aussage ähnlicher Tendenz findet sich bei Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 6: „Es soll um eine Triebbefriedigung durch den Tötungsvorgang oder den Tötungserfolg an sich gehen.“. Anders als die vorliegende Konzeption folgt Momsen jedoch im Wesentlichen der Rechtsprechung zur Mordlust-Tötung. 253 Im Ergebnis ebenso Saliger, StV 2003, 38, 40, der feststellt, dass die Mordlust-Tötung kein Unterfall der grundlosen Tötung ist, weil bei dieser (scil. der Tötung aus Mordlust) gerade „interne Gründe“ vorliegen. Insoweit scheidet eine solche Auffassung nach Saliger bereits begrifflich aus. 254 Saliger, StV 2003, 38, 40 verweist zutreffend auf „interne Beweggründe“. Siehe auch Köhne, Jura 2009, 100, 101: häufig spielen andere Motive eine Rolle, bspw. „sportliches Vergnügen“. 255 Siehe auch die Ausführungen zur forensisch-psychiatrischer Praxis von Kröber, in: Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, S. 647: „[…] gleichwohl gibt es Täter, deren wesentlicher Antrieb darin besteht, zu erleben, wie von ihrer Hand ein Mensch stirbt […].“. 256 Die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs ist insoweit dadurch geprägt, dass der Täter entweder in der Tötung selbst geschlechtliche Befriedigung sucht, der Tod des Opfers zu diesem Zweck angestrebt (oder zumindest billigend in Kauf genommen) wird oder wenn die Tötung erfolgt, um sich anschließend an der Leiche sexuell zu befriedigen; siehe dazu Fischer, StGB, § 211 Rn. 9 m.w.N. 257 Entsprechend unterscheidet sich auch der „Gegenstand“ des Lustgewinns: bei der Mordlust findet der Täter seine Befriedigung in der Destruktion, also der Zerstörung des Lebens eines anderen; beim Lustmord geht es hingegen darum, eine sexuelle Befriedigung zu erlangen. Zur Abgrenzung auch Köhne, Jura 2009, 100, 102: Element der Lust bedeutet bei der Mordlust nicht ein sexuelles Verlangen. 258 Anders die h.M., die gerade darin eine typische Tötung aus Mordlust erblickt; vgl. BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 1994, 2629, 2630; 2002, 382, 384; NStZ 2007, 522, 523; dem folgend Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4; Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 6; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49; siehe auch Kühl, JA 2009, 566, 567: „Das Abstellen auf den fehlenden oder nichtigen Anlass ermöglicht eine weitere prinzipielle Fundierung der Mordlust.“. Wie hier hingegen Köhne, Jura 2009, 100 ff. 259 Ebenso Köhne Jura 2009, 100, 102, der feststellt, dass für Mordlust eine gleichgültige bzw. neutrale Haltung des Täters bezüglich der Tötung des anderen nicht ausreicht.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
tung, welches er befriedigen möchte. Deswegen fehlt es jedoch in einem solchen Fall am erforderlichen Erwerbsmoment. Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen die Ungeeignetheit der von der Rechtsprechung häufig verwendeten Formel, die auch im Schrifttum vermehrt Widerhall gefunden hat.260 Nach dieser unterfallen diejenigen Fälle dem Mordmerkmal der Mordlust, bei denen „[…] weder ein in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlass noch ein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck die Tat bestimmt.“.261 Diese Definition enthält primär eine Negativabgrenzung (kein personen- bzw. situationsbezogener Anlass sowie kein Zweck außerhalb des Tötungsgeschenes)262 und lässt die subjektive Ebene des Tötungsgeschehens infolgedessen weitgehend unbeleuchtet. Denn aus ihr wird (außer der Erkenntniss, dass es für die Tötung einen personen- bzw. situationsbezogenen Anlass nicht gab und der Täter auch keinen Zweck außerhalb des Tötungsgeschehens verfolgt hat) nicht ersichtlich, durch welche subjektiven Elemente die Tötung aus Mordlust gekennzeichnet ist. Damit jedoch schafft diese Formel es nicht, das Merkmal der Mordlust inhaltlich zu konturieren. Die Folge dessen zeigt sich anschaulich in der Bandbreite an Fallgruppen, die diesem Merkmal nach der h.M. unterfallen sollen (von der Tötung aus Langeweile, über die Tötung aus Willkür oder Mutwillen bis hin zur Tötung aus Freude sollen eine Vielzahl heterogener Beweggründe unter das Merkmal der Mordlust fallen).263 Damit jedoch werden auch Fälle diesem Mordmerkmal unterstellt, die sich vom Unrecht der „einfachen“ Tötung nicht in dem Maße abheben, dass eine Verortung in den Mordtatbestand gerechtfertigt ist.264 Diese Fälle sind eben – wie bereits aufgezeigt265 – nicht als wesensverschiedene Unwerttypen zu qualifizieren. Die Formel des Bundesgerichtshofs vermag es nicht, die bloßen Unrechtssteigerungen aus dem Anwendungsbereich des § 211 herauszuhalten. Diese Definition der Rechtsprechung und h.L. ist damit nicht geeignet, um
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Siehe dazu Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4; Momsen, in: SSWStGB, § 211 Rn. 6; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49; Otto, Jura 1994, 141, 144. 261 BGH, NJW 2002, 382, 384. Siehe auch BGHSt 34, 59, 61; BGH, NJW 1994, 2629, 2630; NStZ 2007, 522, 523. 262 Zu diesem Kritikpunkt Kelker, Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, S. 595. Zur Kritik siehe auch Kargl, StraFo 2001, 365, 366: „In dieser ,negativen‘ Interpretation des Mordmerkmals ist ein mit dem Bestimmtheitsgrundsatz schwerlich vereinbarer richterlicher Handlungsspielraum angelegt, der den Geschehensablauf für unverständlich erklären und auf diese Weise die Suche nach Motiven abbrechen kann.“. 263 Siehe zu den einzelnen Nachweisen Kapitel 7 § 21 A. sowie B. I. 264 Mit ähnlicher Argumentation gegen die Einstufung der Fälle, in denen der Täter in dem Bewusstsein handelt „keinen Grund für die Tötung zu haben oder zu brauchen“, als Tötung aus niedrigen Beweggründen Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 42; anders hingegen BGH, NStZRR 2005, 309, 310; BGH, Urteil v. 19. 10. 2011, 1 StR 273/11, juris Tz 32. 265 Siehe den vorangegangenen Abschnitt, Kapitel 7 § 21 B. I.
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den aus der vertikal-systematischen Betrachtungsweise folgenden Anforderungen an die Auslegung266 des Mordmerkmals der Mordlust Rechnung zu tragen. Anders hingegen ist die hier entwickelte, an das Hinzutreten von Erwerbsunrecht anknüpfende, Definition einzuschätzen. Sie legt den Fokus auf die Befriedigung des Bedürfnisses nach Tötung.267 Durch das damit einhergehende Erwerbsmoment wird die „einfache“ Tötung in einen wesensfremden Unwerttypus transformiert, was letztlich den Wechsel zum Mordtatbestand rechtfertigt. 2. Auswirkungen auf den Anwendungsbereich Es ist ohne Weiteres ersichtlich, dass durch die hier herausgebildete Abgrenzungformel zahlreiche Fallgruppen, welche nach überwiegender Meinung unter das Merkmal der Mordlust fallen (sollen), nicht mehr diesem Mordmerkmal zuzurechnen sind. Namentlich trifft dies die Fälle der Tötung aus Langeweile268 oder Mutwillen269 sowie die „grundlose“ Tötung bzw. die Tötung mit der Einstellung, keinen Grund für die Tötung zu haben oder zu brauchen270. In diesen Fällen fehlt es an einem (täterinternen) drängenden Bedürfnis nach Tötung, sodass es letztlich an dem erforderlichen „Erwerbsmoment“ (welches in der Befriedigung ebendieses Bedürfnisses liegt) mangelt. Der Täter „erwirbt“ hier keine Entlastung durch Befriedigung und damit einhergehende Beseitigung eines Drangs, weil ein solcher bereits gar nicht gegeben ist.271 Freilich bleibt die Frage bestehen, ob in diesen Fällen nicht ein „sonst niedriger Beweggrund gegeben ist.272
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Allgemein dazu Kapitel 6 § 17. Eine ähnliche Tendenz weist der Hinweis von Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 6 auf, der feststellt, dass es „[…] um eine Triebbefriedigung durch den Tötungsvorgang oder den Tötungserfolg an sich gehen [soll].“. 268 A.A. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 16; Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 8; Rössner/Wenkel, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49. 269 A.A. BGHSt 34, 59, 60; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Rössner/Wenkel, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22. 270 A.A. Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52. Jedenfalls bei Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes als Mordlust qualifizierend BGH, NJW 2002, 382, 384. Bezüglich dieser Fallgruppe wie hier Saliger, StV 2003, 38, 39 f.; Köhne, Jura 2009, 100, 101; ebenso wohl Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 7, der im Übrigen jedoch der Auslegung der Rechtsprechung (sowie h.L.) folgt. Kritisch auch Sinn, SK-StGB [Stand: 133. Lfg. Juni 2012], § 211 Rn. 13: „Bei grundloser Tötung ist keinesfalls zwingend Mordlust anzunehmen […]. Ein nicht ersichtlicher Grund zur Tötung ist lediglich ein Indiz für Mordlust.“. Gegen die Annahme einer Steigerung von Unrecht bzw. Schuld im Falle der „grundlosen“ Tötung auch Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 373 f. 271 Siehe auch Köhne, Jura 2009, 100, 101, der auf das Fehlen des „positiven Gefühls des Täters durch die Tötung“ hinweist und deshalb konstatiert, dass „der Wortlaut des Merkmals (,Lust‘) verlassen wird.“. 272 Siehe dazu den Exkurs im nachfolgenden Abschnitt. 267
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Die vorliegend vertretene Definition der Mordlust273 führt zu einer schärferen Konturierung des Begriffs und einer Konzentration auf den eigentlichen Begriffskern.274 Hierdurch wird es vermieden, dass das Merkmal der Mordlust zu einem „Sammelbecken“ für Tötungs-Fallgruppen mit völlig konträren subjektiven Prägungen (Tötung aus Langeweile im Gegensatz zur Tötung aus Freude275)276 verkommt. Dies entspricht auch der Systematik des § 211 StGB. Denn das Gesetz schreibt diese Funktion gerade nicht diesem Merkmal zu, sondern dem der „sonstigen niedrigen Beweggründe“, welches zu Recht auch als Motivgeneralklausel277 bezeichnet wird. Die im Gesetz benannten Beispiele für „niedrige Beweggründe“278 (Mordlust, Habgier, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs) stellen hingegen „fest konturierte Tatbestandsmerkmale“279 dar. Für sie bedarf es daher bereits aufgrund dieses Charakters einer festen Umgrenzung.280 3. Exkurs: Bloße Verschiebung in den Bereich der Motivgeneralklausel? – Zur praktischen Relevanz der Neuorientierung beim Merkmal der Mordlust Wie bereits kurz angetippt wurde, wird, wenn man das Merkmal der Mordlust entsprechend den hier entwickelten Kriterien eingrenzt, die Frage virulent, inwieweit 273 Aus Mordlust handelt derjenige, der einzig tötet, um ein (drängendes) Bedürfnis nach Tötung zu befriedigen und hieraus ein positives Gefühl zu erlangen; siehe dazu Kapitel 7 § 21 B. II. 1. 274 Insoweit zeigt sich, dass die grundsätzliche Kritik an diesem Mordmerkmal – „unheilbare Definitionsschwäche des Begriffs“ (so Kargl, StraFo 2001, 365, 366) – nicht berechtigt ist (ebenso Köhne, Jura 2009, 100, 102). Abzulehnen ist nicht das gesetzliche Mordmerkmal als solches, sondern dessen (bisherige) Auslegung durch Rechtsprechung und h.M. 275 Nach herrschender Ansicht unterfallen beide dem Merkmal der Mordlust, siehe Kapitel 7 § 21 A. und B. I. 276 Anders als die h.M. zum derzeitigen Mordmerkmal der Mordlust unterscheidet Walter in seinem Regelungsvorschlag zum Mordtatbestand zwischen der Mordlust einerseits (die durch die Voraussetzung der „Freude an der Gewalt oder dem Leid des Opfers“ abgebildet werden soll) und dem Motiv der Langeweile (welches nach seinem Vorschlag Eingang in das Gesetz finden soll) andererseits; siehe Walter, NStZ 2014, 368 ff. Dies zeigt zu Recht auf, dass zwischen beiden subjektiven Komponenten ein wesentlicher Unterschied besteht. 277 Siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48, 73; folgend Eschelbach, in: BeckOKStGB, § 211 Rn. 29. 278 BGH, NJW 1952, 1026; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 4; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 30; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48. 279 Siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48. 280 Dies übersieht Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48, dessen Ausführungen auch auf der gesetzlichen Systematik fundieren. Schneider mahnt nicht eine genaue Begriffszeichnung an, sondern lehnt lediglich die Möglichkeit ab, bei Erfüllung eines solchen Mordmerkmals im Rahmen einer Gesamtwürdigung vom Übergang zum Mord abzusehen (siehe Schneider, a.a.O., Rn. 48). Damit übersieht er jedoch, dass die (aufgrund der Heterogenität der unter dieses Merkmal gefassten Fallgruppen und dem Fehlen eines Leitgedankens) völlig konturlos gewordene Auslegung des Mordmerkmals „Mordlust“ der gesetzlichen Ausgestaltung nicht gerecht wird und daher änderungsbedüfrftig ist.
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die ausgeschiedenen Fallgruppen den „sonst niedrigen Beweggründen“ zufallen. Das ist auch aus dem Blickwinkel des Straftäters relevant, denn diesen wird die Frage nach der dogmatischen Verortung seiner Tat deutlich weniger interessieren als die daraus zu ziehenden Konsequenzen bzw. die Frage, ob er der Mordstrafbarkeit und der damit verbundenen lebenslangen Freiheitsstrafe gänzlich entgeht. Es wäre fatal, das Vorliegen eines sonst niedrigen Beweggrundes nur deshalb anzunehmen, weil die Motivationslage des Täters eine Ähnlichkeit zur Mordlust aufweist.281 Die Ähnlichkeit mit einem der gesetzlich aufgeführten niedrigen Beweggründe vermag für sich allein die Einordnung als „niedrig“ nicht zu begründen.282 Sie (scil. die Ähnlichkeit) genügt zur Begründung nicht und führt daher nicht automatisch zur Annahme eines sonstigen niedrigen Beweggrundes.283 Andernfalls würde die Funktion der gesetzlich aufgeführten niedrigen Beweggründe, nämlich die Begrenzung des Mordtatbestandes mittels präziser Umschreibung284 einzelner Motivationslagen, vereitelt.285 Die Arbeit zu deren inhaltlicher Konkretisierung würde durch eine solch „unbedarfte“ Anwendung der Motivgeneralklausel quasi obsolet werden. Die Begriffe der speziell aufgeführten niedrigen Beweggründe würden zudem mittelbar entgrenzt. Überdies deutet auch der Wortlaut „sonst aus niedrigen Beweggründen“ darauf hin, dass der Ähnlichkeit keine zu große Bedeutung einzuräumen ist.286
281 Mit entsprechender Tendenz jedoch BGH, NStZ-RR 1996, 98 f.: Erwähnung der Fallgestaltungen, bei denen sich die „[…] Niedrigkeit der Beweggründe schon allein daraus ergibt, daß sie den in § 211 II StGB aufgeführten speziellen Mordmerkmalen (Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier) nahestehen […]“. Aus dem Schrifttum: Jähnke, in: LK-StGB, § 211 Rn. 25, der diese Fälle (Beweggründe, die einem der gesetzlich aufgeführten speziellen Beweggründen „nahe stehen“) als relativ unproblematisch bezeichnet; ebenso Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 85: „weitgehend unproblematisch“; in der Sache gleich Fischer, StGB, § 211 Rn. 22; Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 211 Rn. 33. Zu Recht kritisch Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7; Saliger, StV 2003, 38, 40. 282 Ebenso Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7; Saliger, StV 2003, 38, 40; Selbiges gilt für die Fälle der „Verdeckungsnähe“, siehe Neumann, a.a.O., Rn. 37; anders jedoch BGH, NStZ 1992, 127 f.; Fischer, StGB, § 211 Rn. 22. 283 Ebenso Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7. Treffend für die „verdeckungsnahen“ Fälle (Neumann, a.a.O., Rn. 37): „Das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes kann deshalb nicht mit Verweis auf die „Verdeckungsnähe“, sondern muss anhand der allgemeinen Kriterien sachlich begründet werden.“, wobei bei diesen, aufgrund der Nichtzugehörigkeit zu den (speziellen) niedrigen Beweggründen, sogar das Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) gegen einen unbesehenen Rückgriff auf das Mordmerkmal der „sonst niedrigen Beweggründe“, mithin eine Argumentation mit der Ähnlichkeit zum Verdeckungsmord, streitet (Neumann, a.a.O., Rn. 37; ebenso Brunhöber, HRRS 2011, 513, 517 f.). 284 Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48: „fest konturierte Tatbestandsmerkmale“. 285 Vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7: „strafbarkeitsbegrenzende Funktion“. Ebenso Saliger, StV 2003, 38, 40. 286 Noch weiter gehend Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7, der darin einen Verweis auf qualitativ andere Beweggründe sieht.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
Es ist daher auch bei Ähnlichkeit zu einem der speziellen niedrigen Beweggründe eine eigenständige Prüfung des Unterfallens unter die „sonst niedrigen Beweggründe“ notwendig.287 Bei dieser spielt neben dem Erreichen der notwendigen 287
Gleichwohl – dies sei ausdrücklich klargestellt – verschließt die Ähnlichkeit (bzw. auch die (bloße) Teilverwirklichung eines der anderen Beweggrund-Mordmerkmale) nicht die Möglichkeit, einen sonst niedrigen Beweggrund anzunehmen. Erforderlich ist jedoch eine eigenständige, von einer Ähnlichkeits-Argumentation gelöste, Prüfung. In Hinblick auf das Element der „Gleichwertigkeit“ kann bei der Teilverwirklichung der Voraussetzungen eines anderen Beweggrund-Mordmerkmals durchaus das daraus resultierende minus im Unrechts-/ Schuldgehalt durch das Hinzutreten eines anderen subjektiven Unrechts-/Schuldelements ausgeglichen werden. Hierin unterscheidet sich dieses Vorgehen erheblich von der Bildung sonstiger besonders schwerer Fälle bei der Regelbeispielstechnik (dazu Kapitel 8). Denn nach dem Wortlaut des § 211 StGB qualifiziert sich der Totschlag zum Mord, wenn der Täter „sonst aus niedrigen Beweggründen“ tötet. Die Verwendung des Plurals deutet darauf hin, dass nicht nur das Vorliegen eines einzigen niedrigen Beweggrundes den Mord begründen kann, sondern auch das Vorliegen mehrerer, (insgesamt) als niedrig zu beurteilender, Beweggründe – mithin ein als niedrig einzuordnendes Motivbündel – genügt (vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 29; zutreffend stellt auch Geilen, JR 1978, 341, 343 fest, dass bereits die Gesetzesformulierung (Verwendung des Plurals) zeigt, dass nur selten lediglich ein einziges Motiv vorliegt). Dann jedoch ist es schlüssig, bei bloßer Teilverwirklichung eines speziellen niedrigen Beweggrundes einen Ausgleich des minus gegenüber der „Vollverwirklichung“ durch hinzutretende andere subjektive Elemente zuzulassen. Daneben begründet sich der Unterschied zur Bildung der sonstigen besonders schweren Fälle in der divergierenden gesetzlichen Ausgestaltung. Der Begriff der „sonstigen besonders schweren Fälle“ ist viel weiter als die im Rahmen des § 211 StGB verwendete Motivgeneralklausel der „sonst niedrigen Beweggründe“. Die Motivgeneralklausel legt bereits begrifflich fest, dass nur Beweggründe (mithin Motive; zur synonymen Verwendung Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 29), die zudem auf tiefster Stufe stehen müssen, die Strafrahmenverschiebung rechtfertigen. Sie begrenzt damit die Anzahl der möglichen strafrahmenverschiebenden Faktoren (nämlich auf bestimmte subjektive Elemente). Anders hingegen liegt es bei der Generalklausel der „besonders schweren Fälle“. Diese lässt, jedenfalls nach dem Gesetzestext, sämtliche Arten strafschärfender Faktoren für die Strafrahmenverschiebung zu, greift also – im Gegensatz zur Motivgeneralklausel des § 211 StGB – aus dem „Pool“ strafschärfender Umstände nicht einzelne heraus. Aufgrund dieser Weite ist, um die Handhabung der Generalklausel überhaupt vorhersehbar und kontrollierbar zu machen, eine Eingrenzung zwingend erforderlich. Daher ist im Rahmen der Regelbeispielstechnik bei der Bildung der sonstigen besonders schweren Fälle letztlich die Vornahme einer Gesamtwürdigung abzulehnen (ausführlich dazu Kapitel 8 § 23 A.). Stattdessen ist danach zu fragen, ob einzelne, herausgehobene Aspekte gegeben sind (dazu Kapitel 8 § 23 B.). Folge dessen ist jedoch, dass ein Ausgleich eines minus der Unrechts-/Schuldschwere gegenüber der „Vollverwirklichung“ eines Regelbeispiels ausscheidet (was freilich der Bejahung eines besonders schweren Falles nicht entgegensteht, wenn neben der „Teilverwirklichung“ eines Regelbeispiels auch einzelne, herausgehobene Aspekte vorliegen, die für sich genommen den erforderlichen Unrechts-/Schuldschweregrad erreichen). Dann (wenn also – anders als bei der letztgenannten Konstellation – lediglich bzw. ausschließlich die „Teilverwirklichung“ eines Regelbeispiels vorliegt) fehlt es jedoch an der notwendigen Gleichwertigkeit (siehe Kapitel 8 § 23 B.) des Falles mit den gesetzlich aufgeführten Regelbeispielen in Hinblick auf den Unrechts-/Schuldgehalt. Daher kann im Rahmen der Ausfüllung der Generalklausel der besonders schweren Fälle die Teilverwirklichung eines Regelbeispiels nicht genügen, um einen solchen (besonders schweren Fall der Deliktsverwirklichung) zu begründen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten: die Teilverwirklichung eines speziellen niedrigen Beweggrundes kann in Verbindung mit einem anderen Beweggrund die Qualifizierung zum Mord bewirken. Die Teil-
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Unrechts-/Schuldschwere (Gleichwertigkeit), welche freilich unter Rückgriff auf die im Gesetz erwähnten speziellen Beweggründe zu ermitteln ist,288 eine entscheidende Rolle, ob die Fallkonstellation unter das Leitkriterium der „niedrigen Beweggründe“ gefasst werden kann. Dies zeigt die Bedeutung des Leitkriteriums auf.289 Es würde den Rahmen dieser Arbeit vollends sprengen, eine Konkretisierung der Motivgeneralklausel durchzuführen bzw. einen Leitgedanken für diese zu entwickeln.290 Diese „hochabstrakte Verwerflichkeitsformel“291 erfasst ein solches Spektrum an Fallgestaltungen, dass dies – wie auch der Umfang der monographischen Bearbeitungen dieser Fragestellung verdeutlicht292 – einen solchen Raum in Anspruch nehmen würde, dass der Schwerpunkt dieser Arbeit vollkommen verschoben werden würde.293 In jüngerer Vergangenheit hat Klesczewski einen weiterführenden Ansatz entfaltet. Nach diesem kommt es auf das krasse Missverhältnis zwischen Anlass und Tat an.294 Ein solches ist beispielsweise bei egoistischen Tatantrieben dann gegeben, wenn es dem Täter noch nicht einmal darauf ankommt, Gefahren von geringwertigen verwirklichung eines Regelbeispiels hingegen kann, auch wenn ein weiterer unrechts-/ schuldsteigernder Faktor hinzutritt, die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles nicht begründen, es sei denn dieser hinzutretende Faktor ist so „gewichtig“, dass er für sich genommen (mithin ohne Berücksichtigung der Teilverwirklichung des Regelbeispiels) bereits die erforderliche Anhebung des Unrechts-/Schuldgehalts bewirkt. Damit wird jedoch – worauf ausdrücklich hingewiesen wird – keine strenge Gegenschlusswirkung der Regelbeispiele erzeugt (ebensowenig wird der in der Literatur vereinzelt vertretenen Ansicht gefolgt, welche eine Analogiewirkung der Regelbeispiele ablehnt; so Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 73 f.; für § 243 StGB siehe auch Arzt, JuS 1972, 515, 516; anders hingegen Reichenbach, Jura 2004, 260, 264). Die Ähnlichkeit schließt die Möglichkeit der Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles nicht aus (siehe dazu Kapitel 8 § 23 B. bis D.). Jedoch kann, da eine Gesamtwürdigung abzulehnen ist (siehe Kapitel 8 § 23 A.), ein Defizit an Unrechts-/Schuldschwere nicht kompensiert werden. Weil ein solcher Ausgleich nicht möglich ist, scheidet bei der Teilverwirklichung eines Regelbeispiels (welche denknotwendig ein solches Defizit aufweisen) die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles de facto aus. Dies hindert aber nicht daran, eine Verwirklichungsform, welche eine Ähnlichkeit zu einem Regelbeispiel aufweist, als sonstigen besonders schweren Fall einzustufen, wenn sie die notwendige Gleichwertigkeit in Hinblick auf Unrechts-/Schuldschwere aufweist. 288 Insoweit bedarf es einer Art „Gleichwertigkeit“ mit den sonstigen Mordmerkmalen. 289 Ebenso die Notwendigkeit eines Leitkriteriums hervorhebend Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 75. Ausführlich zu den Leitgedanken der Mordregelung Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 23 ff., 46. 290 Einen Überblick über die diversen Ansätze gibt Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 73 ff. 291 Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 71. 292 Siehe aus der (jüngeren) Vergangenheit bspw. Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 89 ff.; eine Darstellung verschiedener Ansätze findet sich bei Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 75 ff. 293 Nicht ohne Grund sieht Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 72 „[…] mannigfache […] Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Ausformung der Motivgeneralklausel […].“. 294 Dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 77.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
(bzw. leicht ersetzbaren) Gütern abzuwehren;295 darin liegt eine „Abkopplung von dem Aspekt der Bestandssicherung“.296 Diesem Ansatz ist zu folgen, da er es schafft, den Leitgedanken der Motivgeneralklausel und seine Konkretisierung aus dem geltenden Recht – nämlich durch „Umkehrung“ der in § 34 StGB enthaltenen Verhältnismäßigkeitsformel – abzuleiten.297 Damit wird sichergestellt, dass rechtliche Kriterien, nicht jedoch sittliche maßgebend sind.298 Es soll darüber hinaus mit zweierlei sein Bewenden haben. Zum einen die bereits erläuterte Ablehnung des Standpunkts299, man könne aus der bloßen Ähnlichkeit zu einem der gesetzlich vertypten niedrigen Beweggründe die „Niedrigkeit“ eines Beweggrundes folgern.300 Zum anderen die Darlegung der deswegen bestehenden praktischen Relevanz der vorgenommenen einschränkenden vertikal-systematischen Auslegung des Mordmerkmals der Mordlust. Folgt aus einer solchen, dass bestimmte Fallgruppen nicht mehr dem Mordmerkmal der Mordlust unterliegen, so sind diese Fallgruppen nicht automatisch aufgrund ihrer „Ähnlichkeit“ zur Mordlust-Tötung den sonst niedrigen Beweggründen zuzuschlagen. Die aus der einschränkenden vertikal-systematischen Auslegung des Tatbestandsmerkmals Mordlust folgende Herausnahme bestimmter Fallgruppen aus dem Anwendungsbereich des Merkmals der Mordlust301 wirkt sich jedoch selbst dann aus, wenn man die entsprechenden Fallgruppen den „sonstigen niedrigen Beweggründen“ zuschlägt (was freilich – wie oben dargelegt – einer eigenständigen Prüfung bedarf). Denn bei diesen gelten andere (täterbegünstigende) Prinzipien, was in bestimmten Konstellationen zu abweichenden Ergebnissen (genauer: zur Ablehnung der Mordstrafbarkeit) führt. So kommt es bei einer Einordnung als sonst niedriger Beweggrund in Frage, dass die Mordstrafbarkeit verneint wird,302 weil der Täter die Tat unter dem Einfluss gefühlsmäßiger bzw. triebhafter Regungen begangen hat, welche er gedanklich nicht beherrschen und willentlich nicht steuern konnte.303 Denkbar ist dies namentlich in den Fällen von Alkoholeinfluss304 oder bei Vorliegen
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Siehe Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 26. So Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 77. Daher kann insoweit von einer „Hemmungslosigkeit der Eigensucht“ ausgegangen werden; Klesczewski, a.a.O., Rn. 77. 297 Dazu Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 26. 298 So bereits Klesczewski, Strafrecht BT, § 2 Rn. 77. 299 Siehe Jähnke, in: LK-StGB, § 211 Rn. 25. 300 Ebenso Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 7, 37. 301 Siehe dazu die Ausführungen vor Beginn des Exkurses. 302 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleibt die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung erhalten, siehe BGH, NJW 1993, 3210, 3211. 303 BGH, NJW 1993, 3210, 3211; 1994, 2629, 2630; NStZ-RR 2006, 340, 341; NStZ 2007, 525; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 39; Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 5b. 304 Siehe Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 39. 296
§ 21 Das Mordmerkmal der Mordlust
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einer außergewöhnlichen Persönlichkeitsstruktur305. Anders hingegen liegt es bei der Erfassung durch das Mordmerkmal der Mordlust.306 Nach ganz h.M. ist es bei dem Merkmal der Mordlust letztlich unerheblich, ob u. U. Triebe und Emotionen vorgelegen haben, welche der Täter gedanklich bzw. willentlich nicht steuern konnte; diese schließen die Annahme von Mordlust nicht aus.307 Hierdurch können sich Unterschiede ergeben, je nachdem, ob man eine Zuordnung zur Mordlust oder zur Motivgeneralklausel („sonst niedrige Beweggründe“) vornimmt. Darin zeigt sich die praktische Relevanz der dogmatischen Zuordnung. Es hat damit auch aus Sicht des Praktikers seinen guten Grund, die dogmatische Verortung von Fallgruppen vertieft zu durchdenken. Wird bspw. im Beweggrund des Mutwillens, entgegen der h.M.,308 ein sonst niedriger Beweggründen gesehen,309 so würde – abweichend vom Ergebnis, welches unter Zugrundlegung der h.M. (Tötung aus Mutwillen als Mordlust-Tötung) folgt – im Falle des Vorliegens von alkohol-/drogenbedingt nicht beherrsch- bzw. steuerbarer Regungen (Aktivierung der unbedingten Gleichgültigkeit gegenüber menschlichen Lebens aufgrund alkohol-/drogenbedingter Aufhebung entgegenstehender Hemmungen) die Mordstrafbarkeit entfallen. Festhalten lässt sich damit, dass die Präzisierung des Merkmals der Mordlust durchaus praktische Relevanz hat und damit sinnvoll ist. Zum einen sind die damit der Mordlust entzogenen Konstellationen (selbst wenn sie eine Ähnlichkeit zu den Mordlust-Fallkonstellationen aufweisen) nicht automatisch den sonst niedrigen Beweggründen „zuzuschlagen“, sodass durchaus die Möglichkeit einer Herabstufung zur Totschlagsstrafbarkeit besteht. Zum anderen gelten im Bereich der sonst niedrigen Beweggründe andere, täterbegünstigende Prinzipien (bspw. die Ablehnung niedriger Beweggründe, wenn der Täter die Tat unter dem Einfluss gefühlsmäßiger bzw. triebhafter Regungen begangen hat, welche er gedanklich nicht beherrschen
305 Siehe Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 39: „[…] wenn der Täter zu einer Wertung seiner Beweggründe als niedrig schon seiner Persönlichkeitsstruktur nach nicht fähig ist und sich damit auch der Relevanz der maßgeblichen Umstände nicht bewusst werden kann.“. Ebenso BGH, NStZ 2007, 525; Fischer, StGB, § 211 Rn. 16. 306 Ausdrücklich diesen Unterschied zwischen den beiden Mordmerkmalen (Mordlust einerseits und sonst niedrige Beweggründe andererseits) aufzeigend BGH, NJW 1994, 2629, 2630; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15. 307 Siehe BGH, NJW 1994, 2629, 2630; NStZ 2007, 522, 523; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15; Fischer, StGB, § 211 Rn. 8; Mitsch, JuS 1996, 121, 123; Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 10; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 51; kritisch jedoch Grotendiek/Göbel, NStZ 2003, 118, 121 f., welche darin einen Verstoß gegen das Schuldprinzip erblicken (Grotendiek/Göbel, a.a.O., S. 122); ebenso mit kritischen Anmerkungen Fabricius, StV 1995, 637. 308 Siehe nur BGHSt 34, 59, 61; weitere Nachweise zur h.M. in Kapitel 7 § 21 A. 309 Was freilich unterstellt, dass sowohl eine Gleichwertigkeit mit den gesetzlich aufgezählten niedrigen Beweggründen (Mordlust; Habgier; Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs) als auch eine Vereinbarkeit mit dem Leitkriterium der (sonst) niedrigen Beweggründe vorliegt.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
und willentlich nicht steuern konnte)310, aus welchen bei Vorliegen bestimmter Umstände eine abweichende Einordnung der Tat (Totschlag statt Mord!) resultiert. III. Beachtung der Grenzen der Auslegung Die Grenzen der Auslegung sind hier unproblematisch gewahrt. Es wurde bereits an anderer Stelle auf den Wortlaut „Mordlust“ Bezug genommen und dieser zum Ausgangspunkt der Überlegungen gemacht.311 Bereits dies zeigt, dass eine Wortlautinkompatibilität vorliegend offensichtlich nicht in Betracht kommt. Vielmehr legt der Wortlaut gerade eine verstärkte Beachtung der „Lust“-Komponente nahe, was in einem abschließenden Punkt nochmals thematisiert werden soll.312 Auch ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille ist vorliegend nicht erkennbar. Der aktuelle § 211 StGB basiert – von der abweichenden Rechtsfolgenbestimmung abgesehen – auf der, während der nationalsozialistischen Diktatur erfolgten, Neuformulierung des Mordtatbestandes, welche durch das Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941313 erfolgt ist.314 Der die Mordmerkmale enthaltene Absatz 2 ist bis heute unverändert geblieben.315 Lediglich die Strafdrohung war Gegenstand von Gesetzesänderungen.316 Es verwundert daher nicht, dass sich in den Gesetzesmaterialien zu den Änderungen nach 1945 keine Aussagen zu dem Merkmal der Mordlust finden. Ein erkennbarer entgegenstehender gesetzgeberischer Wille ist damit nicht vorhanden. Im Ergebnis gilt selbiges für die Ansichten der „Erzeuger“ des Mordtatbestands im Jahre 1941. Diese wollten – blickt man auf das Schrifttum der damaligen Zeit317 – mit ihrer Änderung des Mordparagraphen die Hinwendung zum Täterstrafrecht umsetzen.318 Zu Recht wird dies nicht 310 Siehe dazu BGH, NJW 1993, 3210, 3211; 1994, 2629, 2630; NStZ-RR 2006, 340, 341; NStZ 2007, 525; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 39; Lackner/ Kühl, StGB, § 211 Rn. 5b. 311 Siehe Kapitel 7 § 21 B. II. 1. 312 Dazu Kapitel 7 § 21 B. IV. 313 RGBl. I, S. 549. 314 Eine Aufführung der Gesetzesänderungen seit 1945 findet sich bei Deckers/Fischer/ König/Bernsmann, NStZ 2014, 9 sowie Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 40 Fn. 5. 315 Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 39 f. 316 Dazu Grünewald, das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 40. 317 Siehe Freisler, DJ 1941, 929, 936: „[…] gesetzgeberische Umreißung von Verbrecherpersönlichkeiten […]“; Schmidt-Leichner, DR 1941, 2145, 2147: „[…] soll den Wandel vom Tat- zum Täterstrafrecht zum Ausdruck bringen.“. 318 So auch die Feststellung in der Begründung des Gesetzesantrags des Landes SchleswigHolstein v. 12. 02. 2014 zur Bereinigung der §§ 211 StGB ff.; siehe BR-Drs. 54/14, S. 1 f. Siehe dazu auch Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 22, die insoweit konstatieren, dass die Neuformulierung des Mordparagraphen im Jahre 1941 eine Art „Versuchsballon“ gewesen sei, um die Reaktionen auf die Hinwendung zur Tätertypenlehre zu registrieren. Siehe auch Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 493.
§ 21 Das Mordmerkmal der Mordlust
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nur abgelehnt,319 sondern darüber hinaus – trotz der Gesetzformulierung, welche den „Mörder“ vom „Totschläger“ unterscheidet und damit die ursprüngliche täterstrafrechtliche Ausrichtung der §§ 211 ff. StGB offenbart320 – auch als völlig irrelevant in Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des §§ 211 ff. StGB angesehen.321 Wird jedoch einer der tragenden Grundgedanken der Reform des Mordtatbestands im Jahre 1941 als nicht relevant angesehen, so hat dies konsequenterweise auch für andere Zwecksetzungen zu gelten. Damit ist es letzten Endes irrelevant, ob die hier entwickelte enge Auslegung des Merkmals der Mordlust vereinbar oder unvereinbar ist mit dem Willen des historischen „Gesetzgebers“ aus dem Jahre 1941.322
319 Neben den Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht und der Unvereinbarkeit mit dem modernen Ansatz des Tatstrafrechts kann gegen eine solche „Tätertypen“-Lehre auch vorgebracht werden, dass eine Fundierung der Tätertypen „Mörder“ bzw. „Totschläger“ weder kriminologisch noch als normative Figur erfolgt ist; vgl. dazu Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 6. 320 Siehe Schneider, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 188, der von der „[…] an die spezifisch nationalsozialistische Tätertypenlehre angelehnte Terminologie der §§ 211 Abs. 1, 212 Abs. 1 (,Totschläger‘; ,Mörder‘) […]“ spricht. Ebenso Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 212 Rn. 2: „Die überholte Tätertypenbezeichnung des ,Mörders‘ und des ,Totschlägers‘ sollte lediglich auf die besondere Rolle hinweisen, die bei Abgrenzung von Mord und Totschlag der Persönlichkeit des Täters zukomme.“; Kühl/Hinderer, JuS 2010, 697, 702: Wortlaut entspricht der veralteten (nicht mehr vertretenen) Tätertypenlehre; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 6: „[…] Folge der Personalisierung des Mordtatbestandes […]“. Auch in der Begründung zum Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein v. 12. 02. 2014 zur Bereinigung der §§ 211 StGB ff. (BR-Drs. 54/14, S. 2) findet sich die Feststellung, dass „[…] in den Gesetzesformulierungen (,Mörder ist, wer …‘ bzw. ,ohne Mörder zu sein‘) die nationalsozialistische Strafrechtsideologie, insbesondere die Tätertypen-Lehre ihren Niederschlag gefunden hat.“. 321 Siehe für die in § 212 Abs. 1 StGB enthaltene Formulierung „ohne Mörder zu sein“: Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 212 Rn. 1: „heute ohne sachliche Bedeutung“; Neumann, in: NK-StGB, § 212 Rn. 6: „heute ohne regulative Funktion“; Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 212 Rn. 1: „tatbestandlich belanglos“; Sinn, in: SK-StGB [Stand: 133. Lfg. Juni 2012], § 212 Rn. 1: „lediglich historische Bedeutung“. Fischer, StGB, § 212 Rn. 2 bezeichnet die Gesetzesformulierung als „eher verwirrend“; in der Sache gleich Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 6: „[…] irreführende Formulierung […] unnützer Ballast.“. Auch bei dem Streit um die Systematik der Tötungsdelikte (Verhältnis Mord – Totschlag) werden die Bezeichnungen als irrelevant angesehen: siehe Kaspar/Broichmann, ZJS 2013, 249; Klesczewski, in: FS Universität Leipzig, S. 489, 493; Küper, JZ 1991, 910, 912; Rengier, Strafrecht BT II, § 4 Rn. 1; Schneider, in: MK-StGB, Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 188. 322 Überdies ist zu konstatieren, dass sich in den häufig herangezogenen damaligen Ausführungen Freislers (DJ 1941, 929 ff.) zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs weder eine Definition noch eine Konkretisierung des Mordmerkmals Mordlust findet. Auch ein Blick in die Begründung zu den §§ 405, 406 (Mord, Totschlag) des vorangegangenen Entwurfs eines Deutschen Strafgesetzbuchs aus dem Jahre 1936 (Abdruck bei Schubert/Regge/Rieß/Schmid, Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung NS-Zeit (1933 – 1939) – Strafgesetzbuch, Band 1, 2. Teil, S. 245 f.) bringt keine weitergehenden Erkenntnisse. Das dort in § 405 enthaltene Merkmal der Mordlust wird weder definiert noch näher erläutert.
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
IV. Blick auf die (sonstigen) Auslegungskriterien Neben den bislang vorgebrachten Argumenten streiten auch die Wortlautauslegung und die systematische Auslegung für die hier entwickelte Sichtweise. Die, der Umsetzung des Abgrenzungskriteriums (Beschränkung der Mordlust auf Fälle des „Erwerbsunrechts“) dienende, Definition der Mordlust wurde u. a. mit Blick auf den Wortlaut „Mordlust“ entwickelt.323 Mittels eines Blickes in verschiedene Wörterbücher konnte festgestellt werden,324 dass sowohl das Kompositum (Mordlust)325 als auch der Wortbestandteil „Lust“326 nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mit einem Verlangen, Bedürfnis bzw. Drang in Verbindung gebracht werden.327 Zudem wird unter dem Wort „Lust“ auch das, aus der Bedürfnisbefriedigung folgende, freudige Gefühl verstanden.328 Die entwickelte Definition spiegelt diese im allgemeinen Sprachgebrauch enthaltenen Bedeutungszuschreibungen deutlich wider. Auch liegt es bei Betrachtung des ermittelten allgemeinen Sprachgebrauchs nahe, in dem Merkmal der Mordlust ein Erwerbsunrechts-Element zu erblicken. Denn die Begriffserläuterungen verweisen nicht lediglich auf das Verlangen, das Bedürfnis bzw. den Drang,329 sondern (im Falle des Wortbestandteils der „Lust“) auch auf die Bedürfnisbefriedigung und die damit verbundene positive Veränderung auf der Gefühlsebene.330 Dies zeigt nachdrücklich, dass der Wortlaut auf ein Erwerbsmoment beim Täter hindeutet und nicht Ausdruck einer Umschreibung besonders mißbilligenswerter Motivationslagen vielgestaltigster Art ist. Es ist daher bereits aufgrund des Normwortlauts der Tendenz der h.M.331 entgegenzutreten,332 unter das Merkmal der Mordlust Motivationslagen unterschied323
Siehe Kapitel 7 § 21 B. II. 1. Siehe dazu Kapitel 7 § 21 B. II. 1. 325 Siehe dazu zum Stichwort „Mordlust“: Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1222 (Stichwort: Mordlust). 326 Siehe dazu zum Stichwort „Lust“: Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust). 327 Auch Köhne, Jura 2009, 100, 101, mahnt zur Berücksichtigung des Wortbestandteils „Lust“. 328 Siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust). Ebenso auf den Wortlaut rekurrierend Köhne, Jura 2009, 100, 101, der insoweit der aktuellen (entgrenzenden) Auslegung der Mordlust durch die Rechtsprechung vorwirft: „Die Erstreckung entspricht damit nicht dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und genügt nicht der verfassungsrechtlich erforderlichen restriktiven Auslegung des § 211 StGB.“. 329 Siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust); S. 1222 (Stichwort: Mordlust). 330 Siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 1149 (Stichwort: Lust): „aus der Befriedigung, der Erfüllung eines Wunsches […] entstehendes angenehmes, freudiges Gefühl; gesteigerte Freude; Vergnügen […].“. 331 Siehe zu dieser Kapitel 7 § 21 A. 332 Überdies spricht auch die gesetzliche Systematik gegen eine solche extensive Auslegung des Merkmals der Mordlust. Die Mordlust stellt im Verbund der niedrigen Beweggründe einen speziellen, mithin im Gesetz explizit aufgeführten, niedrigen Beweggrund dar (so auch Eser/ 324
§ 21 Das Mordmerkmal der Mordlust
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lichster Art zu fassen. Abschließend ist mithin festzustellen, dass der Normwortlaut für die vorgenommene Auslegung streitet. Der Normwortlaut steht hier also der Auslegung nicht nur nicht entgegen, sondern unterstützt bzw. begründet sogar die hier ermittelte Auslegung. Dazu tritt ein systematisches Argument. Wie bereits festgestellt wurde, umschreiben die Mordmerkmale „Habgier“ und „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ Erwerbsunrecht.333 Legt man das Tatbestandsmerkmal Mordlust anhand seines engen Zusammenhangs mit diesen Mordmerkmalen aus, so ist es schlüssig, auch dieses als Ausdruck von Erwerbsunrechts zu begreifen.334 Dem steht es nicht entgegen, dass die vorhandene Motivgeneralklausel („sonst aus niedrigen Beweggründen“) nicht ausschließlich Fallkonstellationen des Erwerbsunrechts erfasst. Aufgrund deren Stellung als Auffangklausel335 kann diese nicht dazu verwendet werden, die speziellen niedrigen Beweggründe näher zu konkretisieren.336 Sie kann Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 14: gesetzliches Beispiel für niedrigen Beweggrund). Neben die speziellen, im Gesetz explizit erwähnten, niedrigen Beweggründe („Mordlust“; „Habgier“; „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“) hat der Gesetzgeber die Motivgeneralklausel der „sonst niedrigen Beweggründe“ gesetzt, welcher die Funktion einer Auffangsklausel zukommt (siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 72: „unverzichtbarer Auffangtatbestand“). Wegen dieser gesetzlichen Systematik ist es abzulehnen, die speziellen niedrigen Beweggründen, also auch das Tatbestandsmerkmal Mordlust, weit auszulegen. Denn ansonsten würde diesen, eine ihnen fremde Funktion, nämlich die einer Auffangklausel (welche nach der Systematik jedoch gerade den „sonst niedrigen Beweggründen“ obliegt), (zumindest implizit) zugeschrieben. Bei der Auslegung der speziellen niedrigen Beweggründe ist daher auf deren Begriffskern zu fokussieren. Dies verkennt jedoch die h.M., welche Motive unterschiedlichster Prägung als Mordlust einstuft (perverse Freude an Tötung einerseits, Langeweile andererseits; siehe Kapitel 7 § 21 A.), und damit in systemwidriger Weise das Tatbestandsmerkmal Mordlust zu einer zweiten Generalklausel macht. 333 Siehe Kapitel 4 § 11 E. II. 4. g) aa) (1). 334 Wobei sich der entsprechende „Erwerbsgegenstand“ aus dem Wortlaut erschließt; dazu Kapitel 7 § 21 B. II. 1. 335 Siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 72: „unverzichtbarer Auffangtatbestand“. 336 Mit entsprechender Argumentation gegen einen Rückgriff auf die im Rahmen der Motivgeneralklausel vorzunehmende „Gesamtwürdigung aller Umstände“ bei der Verdeckungs-Variante BGH, NStZ 1996, 189, 190; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 210: „[…] systematisch nicht plausibel, Wertungsaspekte und Interpretationstechniken, die allein zur Konkretisierung einer konturlosen Generalklausel dienen, auf präzise geregelte, aus sich heraus aussagekräftige Sondersachverhalte zu übertragen.“. Der Durchführung einer Gesamtwürdigung hingegen wohl zuneigend BGH, NStZ-RR 2009, 173, 174; kritisch hierzu Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 111; siehe auch Lackner/Kühl, StGB, § 211 Rn. 13: nicht unbedenklich. Hinsichtlich der Parallelproblematik bei den speziellen Motiven der 1. Gruppe (Stichwort: Übertragung des „Gesamtwürdigungsdogmas“ der Motivgeneralklausel): Schneider, in: MKStGB, § 211 Rn. 48, welcher zu Recht die „Implantierung des Gesamtwürdigungsdogmas“ bei den speziell aufgeführten niedrigen Beweggründen ablehnt. Damit ist freilich nicht abschließend entschieden, ob aus gleichheitssatzrechtlichen Gründen in besonderen Ausnahmefällen eine negative Typenkorrektur erforderlich ist (allgemein dazu Kapitel 5 § 13 D. und E.). Diese weist jedoch im Vergleich zu dem hier abgelehnten Ansatz (Gesamtwürdigung nach Feststellung der Voraussetzungen der Verdeckungsvariante) eine weitaus geringere Reichweite auf. Sie vermag zur Verneinung der Mordstrafbarkeit nur in besonderen Ausnahmefällen führen
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Kap. 7: Anwendungsbeispiele für eine vertikal-systematische Auslegung
wegen ihrer „Verklammerungswirkung“ zwar ggf. die äußeren Grenzen aufzeigen.337 Steht jedoch die Nichtüberschreitung dieser Grenzen fest, so kann sie aufgrund ihrer Vagheit338 keinen (weiteren) Beitrag zur Ausleuchtung des Inhalts des speziellen niedrigen Beweggrundes leisten.339 Auf den Inhalt des Mordmerkmals der Mordlust kann daher aus Richtung der Motivgeneralklausel nicht geschlossen werden,340 (nämlich nur dann, wenn eine Verurteilung wegen Mordes einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellen würde). Die Durchführung einer negativen Typenkorrektur ist an die Überwindung weitaus „höherer Hürden“ geknüpft als die bloße Gesamtwürdigung. Überdies ist eine negative Typenkorrektur nicht Teil des regelmäßigen Normanwendungsprogramms, sondern verfassungsrechtlich gebotene Rechtsfortbildung, sie hat mithin Ausnahmecharakter. Anders als die „Gesamtwürdigung“ stellt sie die Verdeckungsvariante nicht unter einen Vorbehalt (vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 111: „[…] Vorbehalt der entsprechenden Bewertung des konkreten Tatmotivs […].“) der Gesamtbetrachtung. Während die „Gesamtwürdigung“ das positive Erfordernis der „Niedrigkeit“ aufstellt, stellt die negative Typenkorrektur keine positive Voraussetzung auf, sondern ermöglicht lediglich in eng gezeichneten Ausnahmefällen die Verneinung der Mordstrafbarkeit. Dies führt zu abweichenden Ergebnissen in den Fällen, in denen die „Niedrigkeit“ nicht festgestellt werden kann, gleichwohl jedoch auch keine solch unrechts-/schuldmindernden Faktoren gegeben sind, welche eine negative Typenkorrektur rechtfertigen würden (Bsp. Verdeckungsabsicht liegt vor, ohne Hinzutreten einer weiteren besonderen Motivationslage; Gesamtwürdigungs-Lösung mangelns Niedrigkeit: § 212 StGB; negative Typenkorrektur mangels Vorliegens besonderer unrechts-/schuldmindernder Faktoren: § 211 StGB). Überdies ist folgendes zu beachten. Die negative Typenkorrektur fußt nicht auf einer verfehlten systematischen Auslegung, sondern auf einem verfassungsrechtlichen (Art. 3 Abs. 1 GG) Erfordernis, welches zur Rechtsfortbildung zwingt. Es zeigt sich damit, dass die Eröffnung der Möglichkeit einer negativen Typenkorrektur auch bei Ablehnung einer Gesamtwürdigung keinen „Bruch“ darstellen würde. Ob bei der Verdeckungsvariante überhaupt das Erfordernis einer gleichheitssatzrechtlich fundierten negativen Typenkorrektur besteht, ist damit freilich nicht abschließend geklärt. Insoweit kommt es auf den materialen Gehalt dieser Qualifikation an (allgemein dazu Kapitel 5 § 13 D. und E.). Dies zu bestimmen, ist Aufgabe weiterer Forschungen. 337 So wäre eine Auslegung der speziellen niedrigen Beweggründe, welche auch achtenswerte Motive einbezieht, unzulässig, da die Motivgeneralklausel gerade das Erfordernis der Niedrigkeit statuiert. 338 Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 71 bezeichnet die Motvigeneralklausel als eine „hochabstrakte Verwerflichkeitsformel“. 339 Insbesondere kann nicht von der tatbestandlichen Reichweite der Motivgeneralklausel (auch Erfassung von Fallkonstellationen, die kein Erwerbsunrecht darstellen) auf die der speziellen niedrigen Beweggründe geschlossen werden. Neben der Begehung eines systematischen Bruchs ist einem solchen Vorgehen vorzuwerfen, dass es zur Entgrenzung dieser „fest konturierte[n] Tatbestandsmerkmale“ (so die Einordnung von Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 48) führen würde. Damit würde deren Zweck der näheren Umschreibung der Motivgeneralklausel konterkariert. 340 Es ist vielmehr umgekehrt die Motivgeneralklausel („sonst aus niedrigen Beweggründen“) anhand der in der 1. Gruppe aufgeführten speziellen Motive auszulegen; vgl. zu einem entsprechenden Vorgehen Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 72 ff., der jedoch einem solchen Vorgehen teilweise kritisch gegenübersteht. Siehe zur Konkretisierung der Motivgeneralklausel („sonst aus niedrigen Beweggründen“) anhand der 1. Gruppe der Mordmerkmale Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 211 Rn. 30; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 72, welche jedoch die im Folgenden erwähnte – und hier abgelehnte, weil die gesetzliche Ausformung der speziellen niedrigen Beweggründe nivelliernde – Ähnlichkeits-Argumenta-
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weshalb es für die Auslegung von „Mordlust“ unerheblich ist, dass von der Motivgeneralklausel auch Fälle erfasst sind, die sich nicht als Erwerbsunrecht darstellen. Aufgrund dieses Charakters ist die Motivgeneralklausel infolgedessen nicht dazu geeignet, Impulse für die Auslegung des Mordmerkmals Mordlust zu geben. Damit spricht auch die systematische Auslegung für eine Beschränkung auf ein Erwerbsmoment. Mordlust liegt nach alledem beispielsweise dann vor, wenn die Tötung aus Nervenkitzel bzw. im Rahmen eines „Jagdvergnügens“ erfolgt.341 In diesem Falle handelt der Täter, um seine Gewaltfantasien – die auf die Tötung eines anderen Menschen bezogen sind – zu stillen. Antriebsfeder ist in diesem Falle der Trieb zur Destruktion, welcher durch die Tötung des anderen befriedigt wird. Mit dieser Triebbefriedigung verbunden ist das „freudige/lustvole“342 Gefühl, welches insoweit den Erwerbsgegenstand darstellt. Die Tötung bezweckt343 die Herbeiführung dieses positiven Gefühls.344 Andererseits ist das Merkmal der Mordlust jedoch nach der hier entwickelten Konzeption345 zu verneinen, wenn der Täter die Tötung „grundlos“ (genauer: mit der Einstellung, keinen Grund für die Tötung zu benötigen) tötet, beispielsweise aus Langeweile346. Hier fehlt es am notwendigen Erwerbsmoment, da der Täter gerade nicht zur Triebbefriedigung handelt und daher auch keinen „Lustgewinn“ erfährt.347 Seine Haltung in Hinblick auf die Tötung des anderen ist vielmehr von Gleichgültigkeit geprägt und damit im Ausgangspunkt nicht zweckhaft.
tion vertreten. Die Orientierung an den gesetzlich benannten niedrigen Beweggründen darf freilich nicht dazu führen, dass die Annahme eines niedrigen Beweggrundes (einzig) damit begründet wird, dass das gegebene Motiv eine Ähnlichkeit zu den gesetzlich aufgeführten speziellen niedrigen Beweggründen aufweist; siehe dazu bereits Kapitel 7 § 21 B. II. 3. 341 Zu dieser Fallgruppe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49: Tötung im Rahmen einer inszenierten Jagd aus „pseudo-sportiven Jagderwägungen“. 342 Ebenso die „Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens“ betonend Neumann, in: NK-StGB, § 211 Rn. 8. Ähnlich Gössel/Dölling, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 40. Ablehnend hingegen Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211 Rn. 15. 343 Vgl. Saliger, StV 2003, 38, 40. Siehe auch Köhne, Jura 2009, 100, 101 f. 344 Ebenso Köhne, Jura 2009, 100, 101. 345 Anders jedoch die h.M., siehe Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 52; im Falle des direkten Tötungsvorsatzes Mordlust bejahend BGH, NJW 2002, 382, 383 f. 346 A.A. (d. h. Motiv der Langeweile von der Mordlust erfasst) Eschelbach, in: BeckOKStGB, § 211 Rn. 16; Momsen, in: SSW-StGB, § 211 Rn. 8; Rössner/Wenkel, in: Dölling/ Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 211 Rn. 22; Schneider, in: MK-StGB, § 211 Rn. 49. 347 Ebenso Köhne, Jura 2009, 100, 101.
Kapitel 8
Folgerungen für die Definition der sonstigen „besonders schweren Fälle“ § 22 Stand der Diskussion zu den sonstigen „besonders schweren Fällen“ A. Gänzliche Ablehnung der Annahme sonstiger besonders schwerer Fälle Die Regelbeispielstechnik ist vielfach auf Ablehnung gestoßen,1 wobei dies vornehmlich mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG fließende Bestimmtheitsgebot,2 teilweise jedoch auch mit dem Analogieverbot,3 begründet wurde.4 Im Zuge dessen hat 1 Eine Darstellung hierzu findet sich bei Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 33 ff.; Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 51 ff. 2 Siehe hierzu Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 29, welche ihre Skepsis damit begründen, dass die Strafrahmenverschiebung nur „in der Regel“ erfolgt und damit „[…] den Bedingungen von Verlässlichkeit und Voraussehbarkeit des Gesetzes schwerlich genügt […]“ werde; ähnlich Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 59; siehe auch Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschnitt Rn. 101, S. 179 f.; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 58 ff., 139 f.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 159. Kohlmann hat frühzeitig konstatiert, dass der Verfassungsgrundsatz „nullum crimen sine lege“ durch die vermehrte Verwendung der Regelbeispielstechnik zunehmend an Bedeutung verliert (siehe Kohlmann, JZ 1970, 590, 591). Kritisch auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 100 Rn. 15: „unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG hochgradig unbefriedigend.“; stark an der Verfassungskonformität des § 263 Abs. 3 S. 1 StGB in Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz zweifelnd Gaede, in: AnwKomm-StGB, § 1 Rn. 22, der insoweit die Verdoppelung der Freiheitsstrafenandrohung betont. 3 So die Auffassung von Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f., 567: Umgehung des Analogieverbots und infolgedessen Einstufung als nicht legitimes Gesetzgebungskonzept. Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162 konstatiert, dass „[…] die Regelbeispiele [als qualifizierende Tatbestandsmerkmale] aufgrund der gesetzlich zugelassenen Analogie zu Lasten des Täters verfassungswidrig [sind], es sei denn, die Analogie wird restriktiv in Übereinstimmung mit Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB ausgelegt.“. Eine Verstoß gegen das Analogieverbot nimmt auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 66 ff., 139 f., an. Siehe auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 113 Rn. 83. 4 Beide Verfassungsprinzipien ansprechend Calliess, NJW 1998, 929, 934 f.; Duttge, in: Dölling/Duttge, Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, § 243 Rn. 2; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 151; siehe auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 139 f., der darüber hinaus noch Verstöße gegen das Rückwirkungsverbot (dazu E. Horn, a.a.O., S. 75 ff.; mit entsprechender Überlegung bereits Calliess, JZ 1975, 112,
§ 22 Diskussion zu den sonstigen „besonders schweren Fällen“
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Calliess die prägnante „nur, aber nicht immer“-Formel5 entwickelt. Nach dieser soll der Richter einen besonders schweren Fall nur dann annehmen können (mithin den Sonderstrafrahmen ausschließlich dann zur Anwendung bringen können), wenn ein Regelbeispiel verwirklicht ist.6 Mit anderen Worten: Die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles ist ausgeschlossen. Dogmatisch soll es sich hierbei um eine verfassungskonforme Auslegung (mithin Auslegung zur Vermeidung des Verdikts der Verfassungswidrigkeit) handeln.7
B. Vornahme einer Gesamtwürdigung Die Rechtsprechung hingegen bejaht die Möglichkeit, trotz Nichterfüllung eines Regelbeispiels einen (sonstigen) besonders schweren Fall anzunehmen. Hierzu soll
117) sowie das Demokratie- und das Gewaltenteilungsprinzip (dazu E. Horn, a.a.O., S. 79 ff.) ausmacht; siehe auch Sotelsek, Quantifizierung von Unrecht und Schuld, S. 223 f.; weitere kritische Äußerungen finden sich bei Freund, ZStW 109 (1997), 455, 471; Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff.; Hettinger, GA 1995, S. 399, 414 f.; Kohlmann, JZ 1970, 590, 591; Sander/Hohmann, NStZ 1998, 273, 274; Stächelin, StV 1998, 98, 102; siehe auch Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 517, der jedoch letzten Endes einen Verfassungsverstoß nicht auszumachen vermag (siehe Streng, a.a.O., Rn. 520). Völlig anders jedoch Dannecker, in: LKStGB, § 1 Rn. 233, der Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot für nicht angebracht hält. 5 Calliess, NJW 1998, 929, 935; ders., JZ 1975, 112, 117; dem folgend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 162. Ebenso Gropp, JuS 1999, 1041, 1049 unter der Bezeichnung „beschuldigtenfreundliche restriktive Auslegung der Regelbeispiele“; siehe auch Gropp, Strafrecht AT, § 3 Rn. 45t; sympathisierend – jedenfalls de lege ferenda – nunmehr wohl auch Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 280. Einschränkend Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, 88, der dies nur annimmt, wenn der Strafrahmen, der sich aus der Untergrenze des Regelstrafrahmens (Strafrahmen des Grundelikts) und der Obergrenze des Sonderstrafrahmens (Strafrahmen der Regelbeispielsnorm) ergibt, zu unbestimmt ist (konkret: auf ein Vergehen ein Sonderstrafrahmen für besonders schwere Fälle gesetzt wird, der eine Höchststrafe von mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht). Auch Scheffler, ZStW 117 (2005), 766, 782 folgt der „nur, aber nicht immer“-Formel nur in bestimmten Konstellationen (nämlich dann, wenn der Gesetzgeber bei der Formulierung der Regelbeispielsnorm auf das Voranstellen eines „gemeinsamen Nenners“ verzichtet). Einschränkend folgend auch Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 81, 88, der eine „Halbierung der Regelbeispielswirkung“ annimmt (mithin die Möglichkeit der Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles ablehnt), wenn der fiktive Gesamtstrafrahmen (zusammengesetzt aus grunddeliktischer Mindeststrafe und Höchststrafenandrohung der Regelbeispielsnorm) unbestimmt i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG ist, mithin weiter als 5 Jahre Freiheitsstrafe reicht. Kritisch zu dieser „Formel“ Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 297 f.; siehe allgemein zur Regelungsmethode des „nur, aber nicht immer“ und den diesbezüglichen Beratungen der Strafrechtskommission in den 1950er Jahren Waßner, Stellung der besonders schweren Fälle, S. 77 ff. 6 Vgl. Calliess, NJW 1998, 929, 935. Kritisch in Hinblick auf die Möglichkeit bei Nichtvorliegen eines Regelbeispiels einen sonstigen besonders schweren Falles anzunehmen Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f. 7 Siehe Calliess, NJW 1998, 929, 935.
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eine Gesamtwürdigung vorzunehmen sein.8 Ein besonders schwerer Fall wird dabei angenommen, wenn bei Gesamtwürdigung von Tat und Täter unter Abwägung aller Umstände zur äußeren und inneren Tatseite das Tatbild vom Durchschnitt der praktisch in Betracht kommenden Delikte in einem Maß abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.9 Dies hat auch im Schrifttum zahlreiche Anhänger gefunden.10
C. Einschränkende Ansätze Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird jedoch auch vielfach kritisiert.11 Daraus folgend haben sich verschiedene Ansätze entwickelt.12 Einige davon sollen im Folgenden dargestellt werden.13
8
Siehe BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 322; BGH NStZ 1984, 436; 1992, 229; siehe auch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2000, 158, 159. 9 BGHSt 23, 254, 257; 28, 318, 319; 29, 319, 322; BGH NStZ 1984, 436; 1992, 229. Den Bogen zu den Ausführungen in den Motiven zum StGB des Norddeutschen Bundes von 1870 schlägt Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 271, der insoweit der Gesamtwürdigungsformel des BGH kritisch gegenübersteht. 10 Siehe Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 14 Rn. 22 (jedoch unter Ausschluss bloß Regelbeispielsähnlicher Fälle); Dreher, ZStW 77 (1965), 220, 230 f.; Krey/ Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 14; Maiwald, NStZ 1984, 433, 439; ders., in: FS Gallas, S. 137, 158 f.; Rengier, Strafrecht BT I, § 3 Rn. 4; Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1147; Stree/Kinzig, in: Schönke/ Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff. Rn. 50; Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 46 Rn. 17; Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 67; einschränkend Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 73 f., die zwar eine „engere Analogiewirkung“ (zu den Begrifflichkeiten „engere“ und „weitere“ Analogiewirkung siehe Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 88 ff.) ablehnen, jedoch die Vornahme einer Gesamtwürdigung zur Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles nicht als (verfassungsrechtlich) ausgeschlossen ansehen. Für den besonders schweren Fall des Diebstahls: Arzt, JuS 1972, 385, 389 f.; ders., JuS 1972, 515, 519 f., der jedoch betont, dass auch der Nichterfüllung eines Regelbeispiels Indizwirkung zukommt. Zahlreiche weitere Nachweise finden sich bei Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 28 Fn. 109. 11 Zu den Einwänden bezüglich der Vornahme einer Gesamtwürdigung siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 207 ff.; die in § 62 StGB Entwurf 1962 enthaltene Definition der „besonders schweren Fälle“ wurde wegen ihrer unbestimmten Fassung von Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 51 f. kritisiert. Die „Gesamtwürdigung“ ebenfalls ablehnend Morawski, Systeme der Ein-und Abstufung der Tatschwere, S. 108 f. 12 Siehe dazu die umfangreiche Darstellung bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 221 ff. 13 Neben den dargestellten Ansätzen ist noch die Stellungnahme von Hoyer zu erwähnen. Dieser lehnt sowohl eine Gesamtwürdigung ab als auch die „engere Analogiewirkung“; siehe dazu Hoyer, in: SK-StGB, § 243 Rn. 10 f.
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I. Verstärkte Bindung an die in der Norm aufgeführten Regelbeispiele Vielfach wird – unter Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen – gefordert, dass die Bildung sonstiger besonders schwerer Fälle durch enge Anlehnung an die in der Norm enthaltenen Regelbeispiele zu erfolgen hat.14 Gefordert wird hierbei u. a. die Vergleichbarkeit mit einem der in der Norm enthaltenen Regelbeispiele15 bzw. mit einem der diesen zu Grunde liegenden Leitbildern.16 II. Abstellen auf einzelne, herausgehobene Umstände Von anderer Seite17 wird vertreten, dass nur einzelne erschwerende Umstände zur Bejahung eines sonstigen besonders schweren Falles führen können.18 Hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Umständen wird hierbei jedoch durch die verschiedenen Vertreter danach differenziert, inwieweit ein Rückgriff auf die in anderen Vorschriften aufgeführten Regelbeispiele bzw. Qualifikationstatbestandsmerkmale möglich ist. 1. Deliktsübergreifende Sichtweise – Orientierung an den Regelbeispielen/Qualifikationstatbestandsmerkmalen anderer Normen Nach der Ansicht von Eisele darf der Richter die Bejahung des Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles nur auf einzelne (herausgehobene) erschwerende Umstände stützen, also solche, die einer abstrakten Regelung zugänglich sind.19 Insoweit handele es sich um eine „generalisierende“ bzw. „halbabstrakte“ 14 Siehe Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 42a; Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 61 f.; weitere Nachweise bei Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 226 ff. 15 Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 62. Das Erfordernis der „Artgleichheit“ betonend Hub, Ausgestaltung der besonders schweren Fälle, S. 151. 16 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 42a; in der Tendenz auch Wessels/ Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 210. 17 Einen knappen Überblick gibt Morawski, Systeme der Ein-und Abstufung der Tatschwere, S. 107 ff. 18 Neben den im Folgenden genannten Autoren lehnen auch Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 64; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 80 f. die Durchführung einer Gesamtwürdigung ab. 19 Eisele, JA 2006, 309, 311; ders., Regelbeispielsmethode, S. 210 ff., 220 f.; ebenso Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313: „[…] nur einzelne Merkmale mit dem gleichen Abstraktionsgrad wie Qualifikationen und Privilegierungen [lösen] die besonders schweren Fälle [aus] […]“, der zudem darauf hinweist, dass ggf. der Rückgriff auf zwei Umstände erfolgen kann (ders., a.a.O., 313 f.). Einen ähnlichen Ansatz vertritt Kaulfuß, der jedoch zwischen Analogie- und Äquivalenzwirkung differenziert und infolgedessen nur für letztere einen (jedoch mittelbaren) Rückgriff auf die in anderen Normen aufgeführten Regelbeispiele befürwortet, wobei sich dieser vollzieht durch eine Orientierung an den deliktsübergreifenden Grundwertungen, welche wiederum (von Kaulfuß selbst) aus der Gesamtheit der Regelbeispiele
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
Bestimmung20 der für die Strafrahmenverschiebung maßgeblichen Umstände. Als Orientierungspunkt könnten hierbei (auch) die in anderen Normen aufgeführten Regelbeispiele und Qualifikationstatbestandsmerkmale dienen.21 2. Orientierung am jeweiligen Deliktstypus – Erfordernis eines neuen, die Eigenart kennzeichnenden Gepräges Nach der Konzeption von Wessels sind die maßgeblichen Umstände deliktsspezifisch zu ermitteln.22 Es sei eine auf das spezielle Delikt abgestimmte Typenbildung notwendig, weshalb man sich am Leitbild der jeweiligen Regelbeispiele zu orientieren habe.23 Auf Regelbeispiele bzw. Qualifikationstatbestandsmerkmale anderer Normen solle hierbei nicht zurückgegriffen werden, da die Antwort auf die Frage, ob ein sonstiger besonders schwerer Fall vorliege, nicht allgemein beantwortet werden könne.24 Erforderlich für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles sei, dass die erschwerenden Umstände nicht nur eine rein quantitative Erhöhung von Unrecht und Schuld darstellten, sondern darüber hinaus auch
abgeleitet wurden (siehe dazu Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 66 ff., 75 ff., 78 f., 158 f.). Siehe auch Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 950 f., 953 f. sowie (für sonstige besonders schwere Fälle im Rahmen des § 243 StGB) Kindhäuser, in: NKStGB, § 243 Rn. 6. In jüngster Vergangenheit hat J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 148 f., einen weiteren Ansatz entwickelt: „Die für die Begründung eines sonstigen besonders schweren Falles allein relevanten Bestimmungskriterien ergeben sich – wie auch sonst – aus der Funktion des jeweiligen (rechtswidrig und hinreichend schuldhaft verwirklichten) Tatbestands selbst. Es bedarf lediglich einer Gewichtung des in Rede stehenden tatbestandlichen Fehlverhaltens nebst etwaigen Fehlverhaltensfolgen bzw. gleichwertiger Tatumstände.“ (J. Heinrich, a.a.O., S. 148). Die letztgenannten Komponenten hat Heinrich dabei (unter Anknüpfung an eine „personale Straftatlehre“ und deren Einzelvoraussetzungen) weiter entfaltet bzw. ausdifferenziert (dazu J. Heinrich, a.a.O., S. 80 ff.), sodass sie eine systematisierte Aufstellung möglicher strafrahmenändernder Einzelfaktoren entwickelt hat. 20 Zu den Begrifflichkeiten Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 211, 220. Siehe dazu auch Montenbruck, Strafrahmen, S. 225. 21 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 233 ff.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 954; J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 149; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; wohl auch Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46 Rn. 69: „qualifikationstatbestands- oder im Wesentlichen regelbeispielsorientierte Strafrahmenwahl“; entschieden dagegen Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 7; Hoyer, in: SK-StGB [47. Lfg. Februar 1999], § 243 Rn. 10 f. Kritisch auch Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 97 f. 22 Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 302 ff.; im Grundsatz zustimmend Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 98. Zur Kritk siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 226; Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 62 ff.; Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 156 ff.; Hettinger, in: FS Paeffgen, S. 267, 281 f. hat mit Blick auf die weitreichenden Strafrahmenüberschneidungen Zweifel hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Typenbildung. 23 Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 302. 24 Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 302.
§ 22 Diskussion zu den sonstigen „besonders schweren Fällen“
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qualitativ geeignet seien,25 der Tat ein neues ihre Eigenart kennzeichnendes Gepräge zu geben.26 Hierbei soll es indizielle Bedeutung haben, ob der Tatform eine Bezeichnung zugeordnet werden kann, die ihre Typizität ausdrückt.27 25 In der Sache auch Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 85; siehe auch Gallas, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 1959, Band XII, Allgemeiner Teil, S. 279, 280: „[…] Richter [muss] sozusagen einen weiteren Typus bilden, der sich von dem des Grundtatbestandes unterscheidet.“ (Gallas, a.a.O., S. 279); „[…] gedachte[r] qualifizierte[r] Typus […]“ (Gallas, a.a.O., S. 280). 26 Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 303; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 59: „andere Unrechtsqualität“, „spezifische[s] Unrecht des Normaltatbestandes [muss] [sich] verändern“ (Horn, a.a.O., Rn. 59a); mit entsprechender Feststellung auch E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 140, nach dem „[…] rein quantitative Veränderungen des Unrechts eben keinen besonders schweren Fall auslösen, sondern an die Umstände besondere qualitative Anforderungen zu stellen sind.“. Diese, auf der Betrachtung der Strafrahmenüberlappungen sowie der in § 243 StGB normierten Regelbeispiele beruhende (siehe E. Horn, a.a.O., S. 101 ff.; 109), Feststellung ist indes abzulehnen. Durch die Fokussierung auf die in § 243 StGB enthaltenen Regelbeispiele wird die notwendige materiale Betrachtung der gesetzlich normierten Unwertsachverhalte unzulässig verkürzt. Wie bereits festgestellt wurde, existieren durchaus eine Reihe von Regelbeispielen, die lediglich eine quantitative Unrechtssteigerung umschreiben (bspw. § 94 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB sowie § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB; so bereits die Erkenntnis von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 158, der jedoch seinerseits die Existenz qualitativer Unrechtssteigerungen verkennt). Auch ergibt sich aus den existierenden Strafrahmenüberschneidungen nichts anderes. Zwar besteht durchaus eine Interdependenz zwischen Straftatbestand und Strafandrohung (ausführlich dazu Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 68 ff.), jedoch reicht diese nicht so weit, dass von der Strafandrohung bzw. dem Verhältnis verschiedener Strafandrohungen zueinander unmittelbar auf den materialen Gehalt des normierten Unwertsachverhalts geschlossen werden kann. Die zum Teil weitreichenden Überschneidungen von Regel- und Sonderstrafrahmen stellen sich eher als Folge fehlender Abstimmung im Bereich der Strafrahmenschaffung dar (vgl. Hettinger, in: FS Küper, S. 95, 106 f.; siehe allgemein zur Kritik an den geltenden Strafrahmen Hettinger, in: FS Küper, S. 95 ff.; ders., in: FS Maiwald, S. 293, 315, Fn. 108: Fehlen eines Strafrahmensystems; pointiert Zipf, Kriminalpolitik, S. 202: historisch bedingter Wildwuchs; siehe bereits Dreher, in: FS Bruns, S. 141, 150 ff.; kritisch in Hinblick auf die Strafrahmengestaltung innerhalb der Deliktsgruppe des Diebstahls Blei, in: FS Heinitz, S. 419, 423 ff.), denn als gesetzgeberischer Hinweis auf Beschaffenheit der Unrechtssteigerung. Auch würde ein solches Vorgehen letztlich die notwendige Betrachtung des im Voraussetzungsbereich Normierten „überspielen“. Darüber hinaus sind die Überschneidungen (zumindest dem Grunde nach) sachgerecht (und ihre Sinnhaftigkeit verdeutlicht sich), wenn man – eine Gesamtwürdigung ablehnend – lediglich einzelne, herausgehobene Umstände als geeignete Momente für eine Strafrahmenschärfung ansieht. Denn dann kann trotz des Vorliegens eines solchen Umstands der (Gesamt-)Unrechts- bzw. Schuldgehalt durch das Vorliegen einer Vielzahl unrechts-/schuldmindernder Faktoren entscheidend gemindert sein, sodass eine Strafe weit unter der im Regelstrafrahmen vorgesehenen Höchststrafe angezeigt ist (vgl. Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313 für den Fall der Verwirklichung eines Regelbeispiels und Nichtwiderlegung der Indizwirkung, wenn zugleich jedoch mehrere „nicht erhebliche“ (d. h. nicht die Widerlegung der Indizwirkung herbeiführende) unrechts-/schuldmindernde Gesichtspunkte gegeben sind; kritisch in Hinblick auf die Überschneidungen von Regel- und Sonderstrafrahmen jedoch Noll, Gesetzgebungslehre, S. 266 f., der damit letztlich die „Auflösung“ der im Voraussetzungsbereich enthaltenen Differenzierung verbindet und entsprechende Kasuistik (inkl. der Regelbeispielsformung) als „überflüssig“ ansieht). Aus den existierenden Strafrahmenüberschneidungen kann daher nicht gefolgert werden, die Abschichtung
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
§ 23 Stellungnahme Wie Eisele umfassend dargelegt hat,28 verstößt die Regelbeispielsmethode als solche weder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz29 noch gegen das Analogieverbot30.31 Entsprechendes ergibt sich auch aus der verfassungsgerichtlichen Judikatur zur Regelbeispielstechnik.32 Auch die in dieser Arbeit entwickelten verfassungsrechtlichen Schranken für den Einsatz der Regelbeispielsmethode – welche von der Frage nach der hinreichenden
der besonders schweren Fälle habe qualitativ zu erfolgen (im Ergebnis ebenso Hettinger, in: FS Küper, S. 95, 107, der zutreffend auf die Bedeutung der Strafrahmen im Schuldstrafrecht, mithin die Abhängigkeit des Strafrahmens vom Unrechts-/Schuldgehalt des (im Voraussetzungsbereich) umschriebenen Sachverhalts, hinweist). Zu beachten ist des Weiteren, dass gewichtige Gründe (letzten Endes entscheidend) dafür sprechen, ausschließlich quantitative Unrechtssteigerungen für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles genügen zu lassen (ausführlich dazu Kapitel 8 § 23 B. I. und II.). 27 Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 303 f.; kritisch zum Ansatz Wessels äußert sich Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 157 f. 28 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 383 ff.; zu einer Überprüfung aus jüngerer Vergangenheit J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 145 ff. 29 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 397 ff., 445 f.; im Ergebnis ebenso schon Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 53 ff.; Reineke, Regelbeispiele im Strafprozeß, S. 12 f.; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 110 ff.; siehe auch Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 233: Zweifel nicht angebracht; nach Dannecker ist die Regelbeispielstechnik „[…] solange berechtigt, wie der Gesetzgeber damit die Erfordernisse der möglichst weitgehenden Bestimmtheit und der schuldangemessenen Strafe in ein angemessenes Verhältnis bringt.“ (Dannecker, a.a.O., Rn. 235). Siehe auch Rüping, in: BonnKomm-GG [Stand: 60. Lfg. Mai 1990], Art. 103 Abs. 2 Rn. 72; Satzger, in: SSW-StGB, § 1 Rn. 27. 30 Ein Verstoß gegen das Analogieverbot (mithin die Verfassungswidrigkeit der Norm wegen Verstoßes gegen das Analogieverbot) scheidet bereits deswegen aus, weil einzig der Richter (bzw. ein sonstiger Rechtsanwender) Adressat dieses Verbotes ist. Somit kann lediglich eine Rechtsanwendung gegen das Analogieverbot verstoßen, nicht jedoch die Schaffung einer Norm; a.A. Zieschang, Jura 1999, 561, 563 f., 567: Umgehung des Analogieverbots und infolgedessen Einstufung der Regelbeispielsmethode als nicht legitimes Gesetzgebungskonzept. Im Ergebnis wie hier hingegen (also Ablehnung eines Verstoßes gegen das Analogieverbot) Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 404 ff., 446; J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 150 ff.; Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 50 f.; Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134. 31 Freilich ist damit noch nicht belegt, dass Regelbeispielsnormen durchweg verfassungsrechtlich unproblematisch sind. Wie in Kapitel 4 § 11 festgestellt wurde, liegt eine Verfassungswidrigkeit dann vor, wenn ein Verstoß gegen den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt auszumachen ist, weil ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener, Unwerttypus in Gestalt eines Regelbeispiels geformt wurde. In diesen Fällen bezieht sich die Verfassungswidrigkeit jedoch nur auf das jeweilige (einzelne) Regelbeispiel und nicht auf die gesamte Regelbeispielsnorm. Daher folgt aus ihr nicht die Verfassungswidrigkeit der Verwendung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“. 32 Vgl. BVerfGE 45, 363 ff.
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Bestimmtheit sowie der Umgehung des Analogieverbots zu trennen sind33 – bedeuten keineswegs, dass diese Gesetzgebungstechnik als solche unzulässig und damit ihr Einsatz stets zu verwerfen ist. Vielmehr halten die Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentvorbehalts (lediglich) dazu an, die jeweilige Unrechtsumschreibung in den Blick zu nehmen.34 Eine Regelbeispielsnorm ist danach nur dann verfassungswidrig, wenn in ihr ein neuer, wesensfremder Unwerttypus umschrieben wird.35 Soweit eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus in der Regelbeispielsnorm erfasst wird, hält sie den entfalteten verfassungrechtlichen Maßstäben stand.36 Daraus folgt, dass die Gesetzgebungstechnik Regelbeispielsmethode als solche (d. h. vorbehaltlich ihres korrekten Einsatzes in Hinblick auf den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt) mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Verwendung der Generalklausel „sonstiger besonders schwerer Fall“ durch den Gesetzgeber ist daher – aus verfassungsrechtlicher Sicht – zu akzeptieren.37 Die Ablehnung der Möglichkeit der Bildung sonstiger besonders schwerer Fälle („nur, aber nicht immer“-Formel) ist infolgedessen – auch weil es sich hierbei nicht um einen Analogieschluss handelt38 – nicht angezeigt.39 33
Erfüllung des Bestimmtheitsgrundsatzes einerseits und Vereinbarkeit mit dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt sind hierbei zwei voneinander zu trennende Fragestellungen; vgl. Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 184. 34 Ähnlich auch die abschließende Feststellung von Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 204: „Nicht der Einsatz der Regelbeispielstechnik ist zu verwerfen, sondern deren Verwendung ohne Berücksichtigung des tiefgreifenden Unterschiedes zwischen Rechtsfolgenvoraussetzungen und Strafzumessung […].“. 35 Ebenso Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 f., 80; sehr ähnlich ist die von Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff., vertretene Auffassung. 36 Im Ergebnis gleich Klesczewski, Strafrecht BT, § 1 Rn. 66 ff.; ebenso Gössel, in: FS Hirsch, S. 183, 199 ff. 37 Wie bereits erwähnt, kommt nach dem vorliegenden Ansatz im Bereich der Regelbeispielstechnik primär die Verfassungswidrigkeit einzelner Regelbeispiele wegen Verstoßes gegen den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt in Betracht. Liegt ein solcher Fall vor, so tangiert dies jedoch nicht die Regelbeispielsnorm als solche in ihrer Gesamtheit und damit auch nicht die in dieser Norm enthaltene Generalklausel „besonders schwerer Fall“. Die Möglichkeit der Bildung sonstiger besonders schwerer Fälle ist daher auch nicht deswegen abzulehnen. 38 Die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles stellt keinen verbotenen Analogieschluss dar. So zu Recht Gropp, JuS 1999, 1041, 1049 Fn. 98 mit dem Hinweis auf das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke, da der Gesetzgeber selbst den richterlichen Entscheidungsfreiraum (nämlich durch Verwendung gerade der Regelbeispielsmethode, also der Verknüpfung der Regelbeispiele mit der Generalklausel) geschaffen hat. Gegen die Annahme eines unzulässigen Analogieschlusses auch Vogel, in: LK-StGB, § 243 Rn. 66; Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 300 Fn. 29. Methodisch stellt sich die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines sonstigen besonders schweren Falles letztlich als Subsumtion unter die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ dar und bewegt sich damit innerhalb des (freilich weit gefassten) Wortlauts der Regelbeispielsnorm (in der Argumentation ähnlich Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 46 ff., der feststellt, dass es sich nicht um eine Rechtsfortbildung außerhalb des Gesetzes handelt, mithin nicht über den Sinngehalt der Regelbeispielsnorm hinausgegangen wird; ebenso bereits Wahle, Rechtsnatur der besonders
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
Dennoch sind die in der vorliegenden Arbeit gewonnenen Erkenntnisse bei der Konturierung und Konkretisierung des Rechtsbegriffs „sonstige besonders schwere Fälle“ zu berücksichtigen. Daneben treten weitere Anforderungen an die Bestimmung der sonstigen besonders schweren Fälle, die zur Erhaltung der Struktur der Regelbeispielsnormen erforderlich sind.40 Diese wurden bereits von anderer Seite entwickelt41 und finden im folgenden Berücksichtigung.42
A. Einschränkende Vorgaben in Hinblick auf die Bildung sonstiger besonders schwerer Fälle, insbesondere Verwerfung der „Gesamtwürdigungslösung“ Die Vornahme einer Gesamtwürdigung ist aus verschiedenen Gründen abzulehnen.43 Zum einen führt sie zu einer Vermengung von Strafrahmenwahl und schweren Fälle, S. 78 f.; vgl. auch Peters, in: Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I/2, S. 19, der zutreffend darauf hinweist, dass auch auf Rechtsfolgenseite Subsumtionsvorgänge stattfinden können). Die Normanwendung resultiert letzten Endes aus der Struktur der Regelbeispielsnormen (Verknüpfung der Regelbeispiele mit der Generalklausel „besonders schwerer Fall“) und ist damit auf den Gesetzgeber zurückzuführen; in der Sache auch Krey, Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 237: „erlaubte innertatbestandliche Analogie“; diesem folgend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 405. Siehe auch J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 151, die feststellt, dass sich der „[…] Rechtsanwender noch innerhalb der ihm gegenüber vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungsanordnung [bewegt].“; siehe auch J. Heinrich, a.a.O., S. 152 a.E. 39 Diese „nur, aber nicht immer“-Formel widerspricht zudem dem gesetzgeberischen Willen, der gerade darauf gerichtet ist, die Möglichkeit der Annahme eines (abseits der Regelbeispiele liegenden) sonstigen besonders schweren Falles (und damit die Sonderstrafrahmenanwendung) zu eröffnen. In seinen rechtsgebietsübergreifenden Ausführungen zur Regelbeispielsmethode spricht W. Schünemann, JZ 2005, 271, 276 von einem (Verstoß gegen das) Ausschöpfungsgebot. 40 Mit ähnlicher Tendenz hinsichtlich der Regelbeispielsnormen im Zivilrecht W. Schünemann, JZ 2005, 271, 276 f., der insoweit von einem „Zurückhaltungsgebot“ ausgeht. 41 Siehe dazu die Nachweise in Kapitel 8 § 23 A. 42 Bei der Konturierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ kommt auch noch eine weitere Schwierigkeit zum tragen. Zutreffend weist Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 88, 101, 113 darauf hin, dass das Fehlen eines charakteristischen Grundgedankens gerade dann offenbar wird, wenn es um die Frage geht, wann ein besonders schwerer Fall zu bejahen ist bei Nichterfüllung der Voraussetzungen der normierten Regelbeispiele (dies ebenso monierend Maiwald, in: FS Gallas, S. 139, 157: Fehlen eines tertium comparationis). Es ist daher bedeutsam, aus der Vielzahl möglicher Aspekte diejenigen herauszufiltern, die entscheidend für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles sein sollen. Hierzu können auch die in dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse beitragen. 43 Ebenfalls eine Gesamtwürdigung im Rahmen der Bestimmung des Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles ablehnend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 207 ff., 220; ders., JA 2006, 309, 311; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 950 f., 953 f.; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 60; Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 25 ff.; Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 243 Rn. 10 f.; Kaulfuß, Regelbeispielstechnik
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Strafzumessung i.e.S.,44 was letztlich der vom Gesetzgeber durchgeführten Strafrahmenabstufung (Schaffung eines Sonderstrafrahmens für die Wertgruppe der besonders schweren Fälle) nicht gerecht wird45 und damit der Struktur der Deliktsgruppengestaltung (Bestehen zweier Normen, Grund- und Komplementärnorm, mit jeweils eigenem Strafrahmen) widerspricht. Noch schwerer wiegt, dass die „Gesamtwürdigungsformel“ letztlich zirkelhaft ist46 und damit kaum geeignet ist, zur Konkretisierung und Konturierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ beizutragen.47 Zudem droht durch die Vornahme einer Gesamtwürdigung die praktische Entwertung der gesamten Regelbeispielsnorm und zwar gerade in Hinblick auf den höheren Grad an Bestimmtheit, der einer solchen Norm im Vergleich zu den vollends „unbenannten besonders schweren Fällen“ zukommt.48 Denn sie birgt zumindest die Gefahr, dass die sonstigen Wirkungen der Regelbeispiele überspielt werden.49
vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 78 f., 158 f.; Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 127 f.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; ders., Strafrahmen, S. 95 ff., 225; Otto, JZ 1985, 21, 24; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 80 f.; Wilcken, Doppelverwertung, S. 158 f. Kritisch auch Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 42a: „rechtsmethodisch zu unbestimmt“; Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 313 ff., nach dem die bestehenden (teils massiven) Strafrahmenüberlappungen der Begriffsbestimmung des Bundesgerichtshofs entgegenstehen; siehe auch Schmitz, in: MK-StGB, § 243 Rn. 61 f.; Eschelbach, in: SSWStGB, § 46 Rn. 67 hat Bedenken in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG. Ablehnend auch J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 147 f., 152. 44 Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 60: Verwischung des Vorrangs der abstrakten Strafrahmenwahl. Zutreffend weist Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 208, darauf hin, dass (zur Beurteilung, ob die Anwendung des Sonderstrafrahmens geboten ist) letztlich eine Vorwegnahme der Strafzumessung i.e.S. notwendig wäre (mithin müsste das Ergebnis der Strafzumessung i.e.S. vor der Strafrahmenwahl feststehen). 45 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 207, der von einer Aushöhlung der durch den Gesetzgeber durchgeführten Wertgruppenbildung und Strafrahmenabschichtung spricht. Ähnlich bereits Blei, in: FS Heinitz, S. 419, 426; Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschnitt Rn. 101, S. 179 f.; siehe auch Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 947 f., welche feststellen, dass die „[…] Gesamtbetrachtungslehre […] die Bindung an die Wertmaßstäbe der einzelnen Strafrahmen [konterkariert] […].“. Siehe auch Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 33 f., der insoweit sogar einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erblickt. Dies dürfte bereits deswegen ausscheiden, weil primärer Adressat des Bestimmtheitsgebots nicht der Richter, sondern der Gesetzgeber ist. Zu weit gegriffen dürfte es auch sein, wenn Gramsch in der Anwendung der „Gesamtwürdigungsformel“ einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der Form der Rechtsanwendungsgleichheit erblicken möchte (siehe Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 26 ff.). 46 Zur gleichen Einschätzung gelangen Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 208, Maiwald, NStZ 1984, 433, 435 f.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313. 47 Was den erhobenen Vorwurf der Unbestimmtheit der Formel erklärt; siehe dazu Eser/ Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 243 Rn. 42a: „rechtsmethodisch zu unbestimmt“. 48 Zur Gegenüberstellung der beiden Gesetzestechniken siehe Kapitel 2 § 4 E. II. und IV.; Kapitel 3 § 7 C. und D. 49 So auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 209. Deutlich auch ders., JA 2006, 309, 311.
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
Das Vorliegen eines sonstigen besonders schweren Falles kann daher nur auf einzelne (herausgehobene) erschwerende Umstände gestützt werden.50 Diese Faktoren müssen unrechts- und/oder51 schulderhöhend sein,52 d. h. die Berücksichtigung schuldabgekoppelter Faktoren, insbesondere solcher mit präventivem Hintergrund,53 ist unzulässig.54 In Hinblick auf die für die Strafrahmenverschiebung erforderliche Erhöhung des Unrechts- und/oder Schuldgehalts hat eine Orientierung an den geregelten Regelbeispielen stattzufinden.55 Für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles ist damit eine Erhöhung von Unrecht und/oder Schuld (freilich – da eine Gesamtwürdigung abzulehnen ist56 – verursacht durch das Vorliegen einzelner, 50 Ebenso Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 207 ff., 220; ders., JA 2006, 309, 311; Frisch/ Bergmann, JZ 1990, 944, 950 f., 953 f.; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 59 ff.; Montenbruck, NStZ 1987, 311, 313; ders., Strafrahmen, S. 95 ff., 225; Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 80 f.; ähnlich Kaulfuß, Regelbeispielstechnik vor dem Hintergrund des 6. StrRG, S. 78 f., 158 f.; Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46 Rn. 69 schlägt eine „[…] qualifikationstatbestands- oder im Wesentlichen regelbeispielsorientierte Strafrahmenwahl […]“ vor. 51 Dafür, dass (auch) rein schuldsteigernde Umstände genügen Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 239 f.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 953; Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschn. Rn. 99, S. 178; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 33 Rn. 67; wohl auch Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 14; a.A. Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 59a; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 152. 52 Weitere Einschränkungen ergeben sich u. U. aus dem Zeitpunkt des Eintritts des erschwerenden Umstands; siehe zur Frage der Berücksichtigung von Vor- bzw. Nachtatverhalten die instruktiven Ausführungen von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 243 ff. 53 Ablehnend hinsichtlich ausschließlich spezial- oder ausschließlich generalpräventiver Umstände auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 240 f., 242 f.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 950 f.; J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 148; Horn, in: SKStGB [Stand: 35. Lfg Januar 2001], § 46 Rn. 59a. In der Sache gleich Kindhäuser, in: FS Triffterer, S. 123, 127 f. 54 Ebenso einen Bezug zu Unrecht bzw. Schuld fordernd Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 238 ff.; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 950 f.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 156; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 514 f.; in der Sache auch Eschelbach, in: SSW-StGB, § 46 Rn. 67: „So ist insbesondere eine Strafrahmenerhöhung wegen der Annahme eines besonders schweren Falles, der nach Schuldgesichtspunkten nur das Regeltatbild erfüllt, aber aus Gesichtspunkten, die alleine durch präventive Strafzwecke gerechtfertigt erscheinen, zu einer Strafrahmenverschiebung in malam partem führt, mit dem Schuldgrundsatz unvereinbar und daher zu beanstanden.“. In der Sache bereits ähnlich Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 51 f.; wohl auch Hoyer, in: SK-StGB [Stand: 47. Lfg. Februar 1999], § 243 Rn. 5. Siehe auch Jeschek, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 1959, Band XII, Allgemeiner Teil, S. 21 zu der Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit des Nachtatverhaltens. Zu den überwiegend anderslautenden Stimmen siehe Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 1959, Band XII, Allgemeiner Teil, S. 22 ff., 275 ff. 55 Zu Recht betont Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21, dass die im Einzelfall vorliegenden Umstände denen gleichwertig sein müssen, die in den Regelbeispielen umschriebenen werden. Ebenso Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134. Siehe auch BGHSt 28, 318, 320: „maßstabbildende Bedeutung“; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 14. 56 Ebenso Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 207 ff., 220; ders., JA 2006, 309, 311.
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(herausgehobener) erschwerender Umstände)57 in dem Maße notwendig, wie sie in den normierten Regelbeispielen niedergelegt ist bzw. im Falle der Regelbeispielsverwirklichung eintreten würde.58 Die Regelbeispiele stellen damit einen Vergleichsmaßstab für die Beurteilung des konkreten Einzelfalles dar.59 Darin zeigt sich letztlich der – bereits in der Gesetzesbegründung erwähnte60 – „maßstabbildender Charakter“61. Von Bedeutung kann darüber hinaus auch die Höhe des „Strafrahmensprungs“ sein.62 In Hinblick auf die Bestimmung, welches Maß an Erhöhung von Unrechts- bzwSchuldgehalt die Regelbeispiele verkörpern, kann auch auf diejenigen Regelbeispiele zurückgegriffen werden, die neue, dem Grunddelikt wesensfremde Unwerttypen darstellen. Die in dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse erzwingen bei diesem Punkt keine einschränkende Betrachtung. Denn die Bestimmung des erforderlichen Unrechts-/Schuldniveaus setzt lediglich am Maß von Unrecht und Schuld an, mithin am, in den Regelbeispielen verkörperten, Unrechts- und Schuldgehalt. Es geht letztlich um die Ermittlung der „Unrechtsmenge“, nicht jedoch um die Qualität des umschriebenen Unrechtssachverhalts. Die aus dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben sind daher bei diesem Vorgehen nicht tangiert. Diese untersagen lediglich die Bildung neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypen in Form von Regelbeispielen,63 und nehmen damit Bezug auf die „Qualität“ der Regelbeispiele. Inhaltliche Einschränkungen bezüglich des Maßes der Unrechts- und/oder Schulderhöhung 57 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 229: „Möchte der Richter die Anwendung des Sonderstrafrahmens auf einem nicht vom Gesetz genannten erschwerenden Umstand stützen, muss er prüfen, ob dieser in seinem Schweregehalt mit den vom Gesetz genannten Regelbeispielen vergleichbar ist.“. Zutreffend weist Eisele mit dieser Formulierung darauf hin, dass einzig die Unrechts-/Schulderhöhung durch den einzelnen erschwernden Umstnd maßgeblich ist. Andernfalls würde man sich nämlich in Widerspruch setzen zur vorherigen Ablehnung der „Gesamtwürdigungslösung“ des Bundesgerichtshofs. 58 In der Sache (hinsichtlich des Punktes der erforderlichen Steigerung von Unrecht bzw. Schuld) gleich Theune, in: LK-StGB, Vor §§ 46 – 50 Rn. 21, der betont, dass die im Einzelfall vorliegenden Umstände denen gleichwertig sein müssen, die in den Regelbeispielen umschriebenen werden; Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134: „[…] Gleichwertigkeit mit diesen nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld […]“ [im Original hervorgehoben]; Mitsch, Strafrecht BT II, S. 84: „[…] so viel Gewicht […], dass insgesamt der gesteigerte Unrechts- und Schuldgehalt einer regelbeispielsgemäßen Tat erreicht wird.“. Ausführlich dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 229 ff. 59 Siehe dazu BGHSt 28, 318, 320: „maßstabbildende Bedeutung“. In der Sache auch Krey/ Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT II, Rn. 134: Regelbeispiele dienen als Bewertungsmaßstab. 60 Siehe dazu die Begründung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StRG), BT-Drucks. 13/7164, S. 42: die Regelbeispiele sollen wesentliche Richtlinien sein für die Bestimmung, ob (trotz Nichtvorliegens eines Regelbeispiels) ein sonstiger besonders schwerer Fall gegeben ist („maßstabbildende Bedeutung“). 61 Vgl. auch BGHSt 28, 318, 320: „maßstabbildende Bedeutung“. 62 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 229 f. 63 Ausführlich dazu Kapitel 4 § 11.
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
ergeben sich daraus64 hingegen nicht. Folglich leiten sich daraus weder Anforderungen bezüglich der notwendigen Unrechts- bzw. Schulderhöhung ab, noch ergibt sich daraus diesbezüglich65 (scil. in Hinblick auf die Festlegung des erforderlichen Maßes an Unrechts-/Schuldsteigerung) eine (verfassungsrechtlich induzierte) Beschränkung der in der Generalklausel enthaltenen Ermächtigung (des Richters) zur Ausformung des Rechtsbegriffs „besonders schwerer Fall“. Eine Umgehung der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist ausgeschlossen, da das Maß der Unrechts-/Schuldsteigerung keinen Einfluß darauf hat, ob ein neuer, wesensfremder Unrechtstypus gebildet wird. Dass einzelne Regelbeispielsnormen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts entsprechen, führt nicht dazu, dass sie bei der vorliegenden Überlegung zwingend unberücksichtigt bleiben müssen. Wie soeben geschildert, liegt der Kern des verfassungsrechtlichen Vorwurfs auf einer anderen Ebene und ist deswegen durch die Berücksichtigung dieser Regelbeispiele bei der Bestimmung des für eine Strafrahmenverschiebung notwendigen Unrechts-/ und Schuldgehalts gar nicht tangiert. Die entsprechenden Regelbeispiele sind nicht wegen des von ihnen verkörperten Unrechts- und Schuldgehalts (i.S.e. „Unrechts-/Schuldmenge“) verfassungsrechtlich nicht tragbar,66 sondern deswegen, weil sie einen neuen, wesensfremden Unwerttypus enthalten bzw. die Umschreibung eines solchen darstellen. Dies hat jedoch grundsätzlich keine Auswirkungen auf die in selbiger Norm enthaltene Generalklausel. Auch auf die Konkretisierung dieser Generalklausel wirkt es sich nur aus, soweit dies zur Durchsetzung der (aus dem strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt fließenden) verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Strafrahmenabstufung notwendig ist. Dies ist jedoch – wie soeben dargelegt – vorliegend67 (d. h. in Hinblick auf die Ermittlung des erforderlichen Maßes an Unrechts-/Schuldsteigerung) nicht der Fall. Wie sich im Anschluss zeigen wird, haben die herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben jedoch in anderer Weise Einfluss auf die Konkretisierungsarbeit. 64 Anders liegt es freilich in Hinblick auf die Anforderungen des Schuldgrundsatzes, die insbesondere dann virulent werden, wenn mit dem Wechsel zum Sonderstrafrahmen der Regelbeispielsnorm ein sprunghafter Anstieg der Mindeststrafenandrohungen verbunden ist. Jedoch besteht hier bezüglich einer Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Schranken das bereits erwähnte Problem der (unmöglichen) Umrechnung von Unrechts-/Schuldschwere in bestimmte Strafgrößen; siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 5 § 13 C. 65 Anders liegt es hingegen in Hinblick auf die „Qualität“ der entsprechenden Fallkonstellationen. Dies wird in den folgenden Ausführungen zu den Ableitungen aus der herausgearbeiteten Grundlegung thematisiert. 66 Auch ist es nicht die Gesetzgebungstechnik der Regelbeispiele an sich, die gegen das Grundgesetz verstößt. 67 Zu den Ableitungen aus dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt (insb. unter Anknüpfung an die Unterscheidung zwischen neuem, wesensverschiedenem Unwerttpyus einerseits und bloßer Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus andererseits) wird im folgenden Abschnitt ausgeführt.
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B. Ableitungen aus den herausgearbeiteten Grundsätzen I. Allgemeine Ableitungen Vielfach wird die (vorzugswürdige) Ansicht, dass bei der Bestimmung des Vorliegens eines sonstigen besonders schweren Falles keine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist, damit begründet, dass der Richter – da er insoweit eine Aufgabe des Gesetzgebers übernehme – diese in entsprechender Weise ausüben müsse und infolgedessen – da der Gesetzgeber bei der Normbildung gerade keine Gesamtwürdigung vornehme, sondern im Wege der antizipierten Strafzumessung lediglich einzelne Faktoren heraushebe – lediglich auf einzelne, herausgehobene unrechts-/ schulderhöhende Faktoren rekurrieren könne, mithin ein besonders schwerer Fall nur bei Vorliegen einzelner, herausgehobener unrechts-/schulderhöhender Faktoren gegeben sei.68 Ob dieses Argument tatsächlich verfängt, kann – da der entsprechenden Auffassung bereits aus anderen, gewichtigen Gründen Folge zu leisten ist69 – vorliegend offen bleiben.70 Jedoch berührt es einen wesentlichen Punkt. Berücksichtigung hat nämlich auch das (Kompetenz-)Verhältnis von Gesetzgeber zu Rechtsanwender zu finden. Die verfassungsrechtliche Überprüfung der Regelbeispielstechnik anhand des (in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen) strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts hat zu Tage gefördert, dass es verfassungsrechtlich unzulässig ist, einen neuen, dem Grunddelikt wesensfremden Unwerttypus als Regelbeispiel auszugestalten, mithin einen solchen gesetzlich in Form eines Regelbeispiels zu fassen.71 Das
68 Zu dieser Argumentation Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 210 ff.; siehe auch Frisch/ Bergmann, JZ 1990, 944, 951; in dieselbe Richtung auch Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 80: „Denn es ist gerade Sinn und Zweck strafrechtlicher Tatbestände, aus bestimmten menschlichen Verhaltensweisen das Typische und Gemeinsame zu abstrahieren, während die „Nebenumstände“ bei der Strafzumessung innerhalb des mit der Tatbestandserfüllung festgelegten Strafrahmens zu bewerten sind; ob der Gesetzegeber die Tatbestände kasuistisch beschreibt oder ob dem Richter durch bloße „Tatbestandsrahmen“ eine Mitwirkung bei der tatbestandlichen Festlegung zugestanden wird, ist dabei ohne Bedeutung.“. 69 Siehe Kapitel 8 § 23 A. 70 Wenngleich durchaus fraglich erscheint, warum für die richterliche (Konkretisierungs-) Tätigkeit die gleichen Prämissen gelten sollen wie für die Tätigkeit des Gesetzgebers. Insoweit handelt es sich nämlich um verschiedene Gewalten, die bzw. deren Tätigkeiten unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Erfordernissen unterworfen sind. Dass der Gesetzgeber nicht auf der Ebene einer „Gesamtwürdigung“ verharren kann, folgt bereits aus dem Bestimmheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Selbst wenn man diesem Gebot Vorgaben für die richterliche Rechtsanwendungstätigkeit entnehmen will (so BVerfGE 126, 170, 198; anders Jähnke, ZIS 2010, 463, nach dem sich lediglich das Analogieverbot, nicht jedoch das Bestimmtheitsgebot, an den Rechtsanwender richtet), so erscheint zumindest fraglich, ob diese eine ebensolche Strenge aufweisen. 71 Ausführlich dazu Kapitel 4 § 11.
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
damit ausgemachte Delegationsverbot72 ist auch bei der Konkretisierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“, mithin der Bestimmung bzw. Herausarbeitung der maßgeblichen Entscheidungsparameter, von Belang. Es besagt nämlich, dass der Richter nicht dazu ermächtigt werden kann neue, dem Grunddelikt wesensfremde Unwerttypen abstrakt zu bewerten, diesen also verbindlich einen Strafrahmen zuzuordnen.73 Zwar ist nicht klar bzw. nicht aus dem Normwortlaut ermittelbar, ob eine solche Delegation überhaupt Inhalt der Generalklausel ist. Jedoch kann dies dahinstehen, da eine solche Befugnisdelegation letztlich ohnehin – weil verfassungsrechtlich unzulässig – unwirksam wäre.74 Enthält jedoch die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ keinesfalls eine wirksame Ermächtigung des Richters dazu, einem neuen, wesensfremden Unwerttypus verbindlich einen Strafrahmen zuzuordnen, so ist dies von maßgeblicher Bedeutung für die Konkretisierung und Konturierung dieser Generalklausel. Diese muss sich nämlich (auch) an diesen verfassungsrechtlich hergeleiteten Momenten ausrichten. Konkret bedeutet dies, dass es dem Richter verwehrt ist, unter die Begrifflichkeit „besonders schwerer Fall“ neue, dem Grunddelikt wesensfremde Unwerttypen zu fassen. Ein solches Vorgehen würde zum einen die im Gesetz enthaltene Ermächtigung überschreiten,75 zusätzlich jedoch auch das (aus dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt abgeleitete) Delegationsverbot umgehen, weshalb dieses praktisch „ins Leere laufen“ würde.76 Es ist erforderlich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts an die Gestaltung von Komplementärnormen auch auf der Ebene der Konkretisierung von Komplementärnormen (also im Bereich der Rechtsanwendung77) fortwirken. Nur so wird gewährleistet, dass sie vollends Entfaltung finden und nicht letzten Endes durch eine etwaige Rechtsanwendung unterlaufen werden. Darf die Befugnis zur Bewertung von neuen Unwerttypen aus verfassungsrechtlicher Sicht 72 Ein analoger Gedanke findet sich bei Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 71 f., der im Rahmen der Konkretisierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ auch auf den übertragungsfeindlichen Kernbereich gesetzgeberischer Tätigkeit hinweist. 73 Siehe bereits Kapitel 4 § 8 sowie § 11 A., C. und D. 74 Vgl. Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 531a: „Stellt das BVerfG fest, dass ein Gesetz wegen Widerspruchs mit dem Grundgesetz nichtig ist, so ist dieses Gesetz von Anfang an rechtsunwirksam […].“ [im Original teilw. Hervorgehoben]. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 1, 14, 37; 7, 377, 387; 8, 51, 71). 75 So weit reicht die Ermächtigung zur (inhaltlichen) Ausformung der allgemeinen Wertgruppe „besonders schwere Fälle“ nämlich, wie aufgezeigt wurde, gerade nicht. Zutreffend auch Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 71, der darauf hinweist, dass es dem Richter trotz der in der Generalklausel enthaltenen Befugnisdelegation verwehrt ist, eigene Kriminalpolitik zu betreiben. 76 Letztlich wirken die Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts damit im Bereich der Generalklauselkonkretisierung fort. 77 Bei der Konkretisierung der Generalklausel „besonders schweren Fälle“, welche die Frage nach der Bildung der sonstigen schweren Fälle einschließt, handelt es sich um Rechtsanwendung. Vgl. dazu, dass es sich bei dem „Ausfüllen“ von Generalklauseln um rechtsanwendende Tätigkeit handelt, Hirsch, JR 1966, 334.
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nicht auf den Richter übertragen werden, wäre eine entsprechende Norm (und damit die Delegation) insoweit unwirksam, so darf (folgerichtig) eine entsprechende Überlegung auch nicht vom Rechtsanwender in Ansatz gebracht werden. Denn die in der Regelbeispielsnorm enthaltene Ermächtigung zur Ausformung der Generalklausel („besonders schwere Fälle“) reicht gar nicht so weit (ermächtigt also nicht dazu, neuen Unwerttypen Strafrahmen zuzuordnen) und könnte (wegen der verfassungsrechtlichen Schranken, die unmittelbar die Norm-Unwirksamkeit nach sich ziehen würden78) auch gar nicht so weit reichen. Bei der Konkretisierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ kommt dem Richter damit kein freies Erfindungsrecht79 zu.80 Die Bildung der sonstigen besonders schweren Fälle hat sich vielmehr strikt am grunddeliktischen Unwerttypus zu orientieren. Ein sonstiger besonders schwerer Fall ist demnach nur dann anzunehmen, wenn sich der zu entscheidende Fall (unter abstrahierender Betrachtung) nicht als neuer, wesensfremder Unwerttypus darstellt, sondern als bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus.81 Verknappt man dies, so lässt sich for78 Vgl. Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 531a: „Stellt das BVerfG fest, dass ein Gesetz wegen Widerspruchs mit dem Grundgesetz nichtig ist, so ist dieses Gesetz von Anfang an rechtsunwirksam […].“ [im Original teilw. Hervorgehoben]. 79 Mit ähnlicher Tendenz in Hinblick auf Regelbeispielsnormen im Zivilrecht W. Schünemann, JZ 2005, 271, 276 f., der ein Zurückhaltungsgebot des Rechtsanwenders annimmt und konstatiert, dass die Hinzufügung der Generalklausel „[…] alles andere als ein Freibrief für ihren exzessiven Einsatz sein kann.“ (W. Schünemann, a.a.O., 276). 80 Vgl. zur entsprechenden Kritik an der Regelbeispielsmethode Freund, ZStW 109 (1997), 455, 471; Stächelin, StV 1998, 98, 102. 81 Im Ergebnis nahezu gleich (jedoch auch mit Bezug auf die Auslegung der in § 62 E 1962 enthaltenen Legaldefinition der „besonders schweren Fälle“) Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 71 f., 97, 161, welcher es für die Begründung eines sonstigen besonders schweren Falles gerade nicht genügen lässt, wenn „qualitativ“ anderes Unrecht vorliegt (Wahle, a.a.O., S. 72), mithin nur bei „Erhöhung“ des Unrechts, nicht jedoch bei einer „Änderung“ des Unrechts einen besonders schweren Fall annimmt (Wahle, a.a.O., S. 97). Mit einer entsprechenden Tendenz Hettinger, in: FS Küper, S. 95, 107: „Jedenfalls dann, wenn ein Sonderstrafrahmen für besonders schwere Fälle nicht mit Regelbeispielen versehen ist, also nicht einmal besondere, „möglicherweise“ als qualitativ zu beurteilende Kriterien aufweist, kann er nur noch quantitativ vom Unrechts- und Schuldgehalt des Normal- oder Regelfalls abgeschichtet werden. […] Letztlich kann aber auch dann nichts anderes gelten, wenn die Strafrahmenmodifikation für „besonders schwere Fälle“ mit Regelbeispielen veranschaulicht wird.“ [Hervorhebungen im Original]; für die unbenannten besonders schweren Fälle Hettinger, GA 1995, S. 399, 419: „Die Abschichtung der Tattypen besonders schwerer Fall oder Normal- bzw. Regelfall (der jeweiligen Gattung) kann also lediglich nach quantitativ austarierten Maßstäben erfolgen.“ (ebenso ders., in: FS Maiwald, S. 293, 316); siehe auch Hettinger, in: FS Maiwald, S. 293, 302: Bezeichnung als „[…] rein quantitative Scheidung.“. Eine ähnliche Tendenz weist auch die Erläuterung von Kindhäuser zu den sonstigen besonders schweren Fällen des § 283 a StGB auf; siehe Kindhäuser, in: NK-StGB, § 283a Rn. 11: „Allerdings ist es mit dem Grundsatz des tatbestandlich vertypten Unrechts kaum in Einklang zu bringen, wenn die Schwere der Fälle in der Literatur auch mit Bezug auf Umstände, die nicht unter den unmittelbaren Rechtsgüterschutz fallen […] begründet wird.“. In der Tendenz anders hingegen die Ausführungen in der Begründung zum Entwurf 1962: „Aus diesem Erfordernis einer Erhöhung von Unrecht und Schuld und aus der Tatsache, daß sich die Regelstrafrahmen und die Strafrahmen für besonders
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mulieren, dass ein sonstiger besonders schwerer Fall nur dann vorliegt, wenn eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung vorliegt, nicht jedoch qualitativ anderes Unrecht.82 Für eine solche Auffassung spricht auch die Art und Weise der Einbindung der Regelbeispielsnormen in das StGB. Diese ist geprägt durch einen engen Bezug zum Grundtatbestand.83 Besonders deutlich wird dies in § 243 StGB, welcher mit der Formulierung „in besonders schweren Fällen wird der Diebstahl“ (siehe § 243 Abs. 1 S. 1 StGB) eine ausdrückliche Bezugnahme zum Grunddelikt und dem damit enthaltenen Unwerttypus aufweist. Darüber hinaus ist der enge Bezug zum Grundtatbestand jedoch auch bei sonstigen Normen zu erblicken. So findet die mittels Regelbeispielen exemplifizierte Generalklausel häufig ihre Verortung in einem Absatz derjenigen Norm, die auch das Grunddelikt enthält.84 Dann ist ein enger systematischer Zusammenhang mit dem Grunddelikt gegeben. II. Positionierung hinsichtlich auftretender Einzelfragen Mittels des soeben entwickelten Ansatzes kann bezüglich verschiedenener im Schifttum behandelter Einzelfragen Stellung genommen werden. So folgt aus ihm, dass die Schädigung oder Gefährdung eines weiteren, nicht durch das Grunddelikt geschützten, Rechtsguts die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles in aller Regel nicht zu begründen vermag.85 Betrachtet man schwere Fälle stets in einem nicht unerheblichen Bereich überschneiden, wird sich in der Praxis wahrscheinlich ergeben, daß ein besonders schwerer Fall im allgemeinen nur dann vorliegt, wenn die Tat gegenüber dem Regelfall einen herausgehobenen Typus bildet, für den der Gesetzgeber einen erschwerten Tatbestand schaffen könnte, wenn dem nicht das Bedenken gegen eine allzu kasuistische Ausgestaltung der Strafvorschriften entgegenstände.“ (siehe BT-Drucks. IV/650, S. 184). 82 Ebenso Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 72, 97. In der Tendenz auch Hettinger, in: FS Küper, S. 95, 107; ders., in: FS Maiwald, S. 293, 302, 316; ders., GA 1995, 399, 419. A.A. Wessels, in: FS Maurach, S. 295, 303; Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 58 f.; Horn, in: GS Kaufmann, S. 573, 584; E. Horn, Die besonders schweren Fälle und Regelbeispiele im Strafgesetzbuch, S. 140. Anders (als hier) wohl auch Morawski, Systeme der Ein-und Abstufung der Tatschwere, S. 109. 83 Siehe dazu auch die Ausführungen von Lange, Materialien zur Strafrechtsreform, Band I, Gutachten, S. 84, der insoweit in seinem Gutachten gegen die Verortung einer Formel im Allgemeinen Teil des StGB plädiert. 84 Siehe nur § 94 Abs. 2 StGB; § 99 Abs. 2 StGB; § 100 Abs. 2 StGB; § 113 Abs. 2 StGB; § 121 Abs. 3 StGB; § 177 Abs. 6 StGB (vormals § 177 Abs. 2 StGB); § 218 Abs. 2 StGB; § 240 Abs. 4 StGB; § 253 Abs. 4 StGB; § 261 Abs. 4 StGB. 85 Ebenso Bloy, ZStW 107 (1995), 576, 585 ff.; Hub, Ausgestaltung der besonders schweren Fälle, S. 86 ff., 96 f. (hinzutretende Verletzung eines anderen Rechtsguts erhöht weder Erfolgsnoch Handlungsunwert und ist daher für sich genommen nicht genügend, um besonders schweren Fall zu begründen); siehe auch Kindhäuser, in: NK-StGB, § 283a Rn. 11: „Allerdings ist es mit dem Grundsatz des tatbestandlich vertypten Unrechts kaum in Einklang zu bringen, wenn die Schwere der Fälle in der Literatur auch mit Bezug auf Umstände, die nicht unter den
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nämlich eine solche Situation, so stellt sich dies regelmäßig nicht als bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus dar. Eher zeigt sich darin eine Kombination von Rechtsgutsangriffen, was letztlich zur Formung eines solchen Unwerttypus führt, der dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremd ist.86 Unter Berücksichtigung der in dieser Arbeit entwickelten Grundlagen wird klar, dass eine solche Tätigkeit dem Richter nicht zusteht, zumal damit auch die (abstrakte) Bewertung des gebildeten (neuen) Unwerttypus einhergehen würde.87 Etwas anderes kann wohl dann gelten, wenn die Rechtsgüter ihrem materialen Gehalt nach eine so enge Verwandtschaft aufweisen, dass die hinzutretende Schädigung bzw. Gefährdung des anderen Rechtsguts nicht die „Entfremdung“ vom grunddeliktischen Unwerttypus verursacht. Zutreffenderweise kann daher der besonders hohe Wert einer gestohlenen Sache einen besonders schweren Fall i.S.v. § 243 StGB darstellen.88 Zwar schützt § 242 StGB lediglich das Eigentum,89 nicht jedoch das Vermögen als Ganzes.90 Jedoch ist das Rechtsgut des Eigentums regelmäßig91 auch mit Vermögensinteressen verknüpft.92 Damit stellt sich die besondere Beeinträchtigung des Vermögensinteresses aufgrund des besonderen Wertes der gestohlenen Sache nicht als so wesensverschieden dar, dass durch ihre Addition die Transformation in einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus vollzogen wird. Denn die Beeinträchtigung des Vermögensinteresses ist in aller Regel (bereits) unmittelbaren Rechtsgüterschutz fallen […] begründet wird.“. In der Sache letztlich auch Wahle, Rechtsnatur der besonders schweren Fälle, S. 70 ff., 97 f.; anders hingegen Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 260 ff. 86 Siehe bereits Kapitel 4 § 11 E. II. 4. b). 87 Eine entsprechende Stoßrichtung weist auch die Argumentation von Bloy, ZStW 107 (1995), 576, 587 f., auf, der darauf hinweist, dass ein soches Vorgehen (mithin die Berücksichtigung außertatbestandlicher Auswirkungen) „[…] auf die Bildung sekundärer Straftatbestände durch den Richter hinausläuft, die das Strafgesetzbuch nicht kennt.“. 88 So bspw. BGHSt 29, 319, 322; wohl auch Kindhäuser, in: NK-StGB, § 243 Rn. 6. 89 Bloß das Eigentum als das durch § 242 StGB geschützten Rechtgut ansehend Fischer, StGB, § 242 Rn. 2; Schmitz, in: MK-StGB, § 242 Rn. 4 ff.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II, Rn. 70; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 242 Rn. 2; ähnlich Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 242 Rn. 1/2: Verfügungsmöglichkeit des Rechtsgutsinhabers; in diese Richtung auch Kindhäuser, in: NK-StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 242 bis 248 c, Rn. 1 f.; teilweise wird zusätzlich der Gewahrsam als geschützt angesehen BGH, NJW 1957, 1933, 1934; Lackner/Kühl, StGB, § 242 Rn. 1; Rengier, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 1 (zur Ablehnung dieser Erweiterung siehe Schmitz, in: MK-StGB, § 242 Rn. 8 f.; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 242 Rn. 2; ähnlich Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 1/2: allenfalls kumulativ mitgeschützt). 90 Wittig, in: BeckOK-StGB, § 242 Rn. 2. 91 Dies zeigt sich auch darin, dass vereinzelt auf eine verstärkte Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen gedrängt wird; siehe zu diesen Ansätzen die Darstellung bei Eser/ Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 6; Vogel, in: LK-StGB, Vor §§ 242 ff. Rn. 54 ff. 92 So auch die Erkenntnis von Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 6: „[…] [dass] einzuräumen [ist], dass mit dem Eigentum regelmäßig wirtschaftliche Interessen verknüpft sind und die §§ 242 ff. als Vermögensdelikte iwS […] zumindest auch dem Schutz dieser Interessen dienen […]“.
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Gegenstand der grunddeliktischen Rechtsgutsverletzung. Dass sie bei einer wertvollen Diebesbeute besonders stark ausgeprägt ist, ist dann jedoch lediglich als quantitative Steigerung des Erfolgsunrechts zu bewerten. Ein weiterer Problembereich, der in der Wissenschaft diskutiert wird, ist die Frage, ob die zusätzliche Verwirklichung eines weiteren Straftatbestandes die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles rechtfertigen kann.93 Wie bereits festgestellt wurde, muss der weitere Straftatbestand durch ein tatbestandsbezogenes Verhalten i.S.d. Grunddelikts verwirklicht worden sein.94 Auch hier muss wieder nach der allgemeinen Ableitung differenziert werden. Wandelt sich das Geschehen durch die Mitverwirklichung des weiteren Straftatbestandes entscheidend um (stellt es sich also bei abstrahierender Betrachtung als dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschieden dar), so ist die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles zu verneinen.95 Es handelt sich dann nämlich um ein „aliud“ gegenüber dem Grundtatbestand.96 III. Fortsetzung der Begründung (antizipierte Replik) – Auseinandersetzung mit den (möglichen) Gegenargumenten Auch Eisele hat sich mit diesen Einzelfragen auseinandergesetzt und jeweils abweichende Auffassungen geäußert und entsprechend begründet.97 In Anbetracht der in der vorliegenden Arbeit erzielten Erkenntnisse, vermögen seine Argumente jedoch nicht zu überzeugen. Zwar ist zuzugeben, dass die beabsichtigte Flexibilisierung durch die hier vertretene restriktive Handhabung der Generalklausel teilweise vereitelt wird.98 Jedoch ist dies gerade Folge davon, dass es sich um eine verfassungsrechtlich problematische Gesetzgebungstechnik handelt. Die „Beschneidung“ der Flexibilität erfolgt nicht ohne Grund, sondern ist der Fortwirkung der Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts ge93
Ausführlich dazu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 263 ff. So bereits Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 263, 265. 95 In die entgegengesetzte Richtung Horn, in: SK-StGB [Stand: 35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 59a: kein besonders schwerer Fall, „[…] wenn der Unrechtsgehalt der verschiedenen, tateinheitlich verwirklichten Tatbestände „gleichgerichtet“ […]“ ist. 96 In der Sache ähnlich Hub, Ausgestaltung der besonders schweren Fälle, S. 86 ff., 96 f., die wie vorliegend damit argumentiert, dass es sich gegenüber dem Grundtatbestand um anderes Unrecht handelt und die (nicht finale) Erfüllung eines anderen Tatbestands (daher) weder Erfolgs- noch Handlungsunrecht der jeweiligen Tat erhöht. Demzufolge kann – so Hub zutreffend – auch nicht von einem besonders schweren Fall der jeweiligen Tat (Diebstahl, Betrug u.s.w.) ausgegangen werden. Anders soll dies nach der Ansicht von Hub nur dann sein, wenn damit zugleich eine Erhöhung des Handlungsunwerts verbunden ist (Hub, a.a.O., S. 97). Allein die Verwirklichung eines weiteren Straftatbestands genügt indes nicht (Hub, a.a.O., S. 97). Andere Ansicht jedoch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 266 f. 97 Siehe Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 260 ff. sowie 266 f. 98 Vgl. zu diesem Argument Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 261 f. 94
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schuldet. Insoweit ist nämlich bei der Konkretisierung und Konturierung der Generalklausel zu berücksichtigen, in welchem Maße der Gesetzgeber im Lichte des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts überhaupt Befugnisse auf den Richter übertragen kann.99 Die vorgebrachten Abgrenzungsschwierigkeiten100 ergeben sich nicht erst aus einer restriktiven Handhabung der Generalklausel. Aufgrund der Vagheit der Formulierung „besonders schwerer Fall“ sind diese bereits im Gesetzestext angelegt und treten damit unabhängig davon auf, ob man der vorliegenden Konzeption folgt. Zudem ist es zur Bestimmung von Rechtsgütern durchaus möglich, auf die bisherigen Erkenntnisse in Wissenschaft und Rechtspraxis Bezug zu nehmen. Dass die vorliegende Konzeption gegebenenfalls dazu führt, dass der Sonderstrafrahmen nicht zur Anwendung kommt, obwohl dies nach der Höhe von Unrecht und Schuld angemessen wäre,101 führt nicht dazu, dass sie als verfehlt einzustufen ist. Dieses Phänomen ist vielmehr symptomatisch für ein rechtstaatlich geprägtes Strafrecht. Es ist gerade Folge des Grundsatzes des fragmentarischen Charakters des Strafrechts,102 welchem auch in vertikaler Hinsicht Bedeutung zukommt.103 Zudem bringt ein solches Ergebnis letztlich auf der Ebene des Einzelfalls zum Ausdruck, dass die Verfassung dem Streben des Gesetzgebers, sämtliche schwerwiegende Fälle mittels der Generalklausel zu erfassen, Grenzen setzt. Auch ein Verweis auf den Inhalt der im Gesetz aufgeführten Regelbeispiele vermag nicht zu überzeugen.104 Insoweit wird verkannt, dass diese u. U. gerade nicht den verfassungsrechtlichen Erfordernissen genügen und damit auch nicht (vollends) geeignet sind zur Konkretisierung der Entscheidung über die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles beizutragen. Wie bereits aufgezeigt wurde,105 können ebensolche Regelbeispiele (mithin Regelbeispiele, die einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus verkörpern) lediglich bei der Bestimmung der notwendigen Unrechts-/Schuldschwere („Unrechts-/Schuldmenge“) herangezogen werden. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung ihres Inhalts (Verhätnis zum Grunddelikt: Begründung eines wesensverschiedenen Unwerttypus) ist jedoch ausgeschlossen, da dieser insoweit gerade den Kern des verfassungsrechtlichen Vorwurfs bildet.
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Siehe bereits Kapitel 8 § 23 B. I. Vgl. zu diesem Argument Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 261. 101 Vgl. die Argumentation Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 266 f. 102 Dazu Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 7 II 1, S. 52 f. 103 Vgl. Hirsch, in: FS Gössel, S. 287, 295. 104 Siehe hierzu Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 262 bzw. 266. 105 Siehe Kapitel 8 § 23 A. 100
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C. Zur Gegenschlusswirkung Von einigen Stimmen im Schrifttum wird (mit Blick auf das Analogieverbot) eine (strenge) Gegenschlusswirkung106 angenommen, nach der die (engere)107 Analogiewirkung von Regelbeispielen verneint wird.108 Nach dieser Ansicht kann das Vorliegen eines sonstigen besonders schweren Falles nicht mit der Ähnlichkeit zu einem Regelbeispiel begründet werden.109 Diesem Standpunkt wird vorliegend nicht gefolgt.110 Jedoch führt die hier entwickelte Position faktisch zu einer eingeschränkten Gegenschlusswirkung. Zwar schließt die Ähnlichkeit (der zu beurteilenden Situation) mit einem Regelbeispiel die Möglichkeit der Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles nicht aus.111 Jedoch kann, da eine Gesamtwürdigung abzulehnen ist (siehe Kapitel 8 § 23 A.), ein Defizit an Unrechts-/Schuldschwere nicht kompensiert werden. Weil ein solcher Ausgleich nicht möglich ist, scheidet bei der Teilverwirklichung eines Regelbeispiels (welche denknotwendig ein solches Defizit gegenüber der Vollverwirklichung des Regelbeispiels aufweist112) die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles de facto aus.113 Denn es fehlt dann an der notwendigen Gleichwertigkeit des Falles mit den gesetzlich aufgeführten Regelbeispielen in Hinblick auf den Unrechts-/Schuldgehalt. Dies hindert indes aber nicht daran, eine Verwirklichungsform, welche eine Ähnlichkeit zu einem Regelbeispiel aufweist (und nicht bloße Teilverwirklichung eines Regelbeispiels ist), als sonstigen besonders schweren Fall einzustufen, wenn 106
Begriff bei Arzt, JuS 1972, 385, 390 Fn. 21. Zur Unterscheidung zwischen „enger“ und „weiter“ Analogiewirkung Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 88 ff. 108 So Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 73 f.; siehe für § 243 StGB auch Arzt, JuS 1972, 515, 516. 109 Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 73 f. unter Berufung darauf, dass auch bei der Auslegung von Regelbeispielen das Analogieverbot anzuwenden sei. 110 Ebenso ablehnend Dannecker, in: FS Roxin, S. 285, 302; Kastenbauer, Die Regelbeispiele im Strafzumessungsvorgang, S. 250; Matthies, Exemplifikation und Regelbeispiele, S. 91; einschränkend Schmitz, in: MK-StGB, § 1 Rn. 66: nur in engen Grenzen zuzulassen. In der Sache eine enge Analogiewirkung annehmend (sog. „Sicherungsetiketten-Fälle“) OLG Stuttgart, NStZ 1985, 76; OLG Düsseldorf, NJW 1998, 1002; dem zuneigend Scheffler, ZStW 117 (2005), 766, 781. Zum Streitstand Matthies, Exemplifikationen und Regelbeispiele, S. 90 ff. 111 A.A. Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1 Rn. 73 f. 112 Insoweit mindert sich die Unrechts-/Schuldschwere in dem Maße, in dem die Teilverwirklichung hinter der Vollverwirklichung zurückbleibt. 113 Im Ergebnis zutreffend ist daher die Auffassung von Gramsch, Strafrahmenkonkurrenz, S. 116, dass beim versuchten Regelbeispiel die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles ausscheidet. Denn letztlich stellt der bloße Versuch (mangels Erfolges) ein minus zur tatsächlichen Verwirklichung des Regelbeispiels dar, weshalb diese Konstellation (Versuch einer Regelbeispielsverwirklichung) einer Teilverwirklichung im vorliegenden Sinne (Erfüllung nicht sämtlicher Voraussetzungen des gesetzlich normierten Regelbeispiels) gleichsteht. 107
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sie die notwendige Gleichwertigkeit in Hinblick auf Unrechts-/Schuldschwere aufweist. Dann muss der Fall jedoch einen entsprechenden herausgehobenen Einzelaspekt aufweisen. Damit kommt die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles nur bei (regelbeispiels-)ähnlichen Fällen in Betracht, die nicht eine bloße Teilverwirklichung eines Regelbeispiels darstellen.114 Anschaulich darstellen lässt sich dies am Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB mit seinen verschiedenen Varianten. Diese enthalten zwei Elemente. Zum einen das Gelangen in einen Raum, zum anderen die Überwindung eines Zutrittshindernisses mittels einer der genannten Handlungen (einsteigen, einbrechen et cetera). Eine bloße Teilverwirklichung wäre das Gelangen in einen Raum ohne die Vornahme einer der aufgeführten Handlungen, bspw. durch Betreten durch eine unverschlossene Tür. Da die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles nur auf einzelne, herausgehobene Faktoren gestützt werden kann,115 ist in diesem Falle der Teilverwirklichung ein Ausgleich des mit der Nichtvornahme einer der aufgeführten Handlungen einhergehenden minus‘ an Unrecht und Schuld nicht möglich. Daher kann nicht kumulativ der überdurchschnittlich hohe Wert der Beute Berücksichtigung finden.116 Ein sonstiger besonders schwerer Fall ist damit in diesem Beispiel nicht anzunehmen. Anders hingegen liegt es, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Fall nicht um eine solche bloße Teilverwirklichung eines Regelbeispiels handelt, sondern um einen sonstigen (regelbeispiels-)ähnlichen Fall. Im Falle des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB ist dabei an den Fall zu denken, in dem ein dressierter Affe dazu benutzt wird, um eine Sache aus einem verschlossenen Raum zu stehlen, indem dieser über die „Katzenklappe“ in das Gebäude geschleust wird. Hier muss dann entsprechend geprüft werden, inwieweit diese Begehungsweise ihrem Unrechts- und Schuldgehalte nach den in § 243 StGB Beschriebenen gleichkommt.
D. Ergebnisformulierung: Voraussetzungen für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falls Ein sonstiger besonders schwerer Fall ist unter folgenden Voraussetzungen anzunehmen:
114 (Regelbeispiels-)Ähnlichkeit umfasst insoweit als Oberbegriff die Fälle der Teilverwirklichung und die sonstigen ähnlichen Fälle. 115 Zur Begründung dieser Ansicht siehe Kapitel 8 § 23 A. 116 Dies schließt es freilich nicht aus, dass bereits die Höhe der Diebesbeute ansich einen sonstigen besonders schweren Fall begründet. Dazu muss aber dieser Faktor aus sich heraus bereits (also bei selbstständiger Betrachtung) eine den geregelten Regelbeispielen entsprechende Unrechts-/Schulderhöhung bewirken. In Hinblick auf die Höhe des Wertes der Diebesbeute dürfte dies nur bei besonders/außergewöhnlich hohen Beträgen der Fall sein.
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Kap. 8: Folgerungen für die Definition der „besonders schweren Fälle“
Es müssen einzelne, herausgehobene Umstände vorliegen, die in Hinblick auf ihren Unrechts-/Schuldgehalt dem Unrechts-/Schuldgehalt der gesetzlich aufgeführten Regelbeispiele entsprechen (die mithin hinsichtlich des Maßes der Unrechts-/Schuldsteigerung der Regelbeispielserfüllung gleichwertig sind) und die ausschließlich eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung oder eine (sonstige) Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus darstellen, nicht jedoch Abbild qualitativ anderes Unrecht sind. Vorzunehmen ist also keine Gesamtwürdigung. Ein sonstiger besonders schwerer Fall kann vielmehr nur mit dem Vorliegen einzelner, herausgehobener erschwerender Umstände begründet werden. Die gesetzlich normierten Regelbeispiele haben hinsichtlich des Maßes der erforderlichen Unrechts-/Schuldsteigerung maßstabbildenden Charakter. Des Weiteren muss die Bindung an das Grunddelikt bzw. die grunddeliktische Handlung beachtet werden.117 Die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles ist ferner nur dann möglich, wenn eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung vorliegt, nicht jedoch qualitativ anderes Unrecht.
117 Mit abweichendem Ansatz, jedoch ebenfalls die Bindung an das Grunddelikt betonend, J. Heinrich, Gesetzliche Bestimmung von Strafschärfungen, S. 148: „Die für die Begründung eines sonstigen besonders schweren Falles allein relevanten Bestimmungskriterien ergeben sich – wie auch sonst – aus der Funktion des jeweiligen (rechtswidrig und hinreichend schuldhaft verwirklichten) Tatbestands selbst. Es bedarf lediglich einer Gewichtung des in Rede stehenden tatbestandlichen Fehlverhaltens nebst etwaigen Fehlverhaltensfolgen bzw. gleichwertiger Tatumstände.“.
Kapitel 9
Die Gestaltung des Sonderstrafrahmens, speziell der Weite des Sonderstrafrahmens, sowie die Teilnichtigkeit von (Sonder-)Strafrahmen § 24 Vorgaben an die Weite von Sonderstrafrahmen Die bereits herausgearbeiteten Vorgaben an die Gestaltung von Strafrahmen (konkret die maximal zulässige Strafrahmenweite)1 gelten auch für die Schaffung von Sonderstrafrahmen. Zum einen handelt es sich bei diesen auch um Strafrahmen, weshalb eine andere Beurteilung wenig schlüssig erscheint. Darüber hinaus wird nur so sichergestellt, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur erkennbaren Bewertung des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unrechts stets nachkommt. Auch wäre der Schutz des Bürgers vor überweiten Strafrahmen nur unzureichend, wenn der Gesetzgeber zwar beim Grunddelikt hinreichend erkennbar bewerten müsste (also im grunddeliktischen Bereich zu weite Strafrahmen untersagt wären), jedoch bei den aufgesetzten Strafnormen (mithin den Komplementärnormen) jegliche Strafrahmenweite zulässig wäre. Gerade aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich der Reichweite des Anwendungsbereichs von Regelbeispiels-Normen (insoweit resultierend aus der dort verwendeten Generalklausel „besonders schwere Fälle“) würden zu weite Sonderstrafrahmen dazu führen, dass es für den Bürger kaum vorhersehbar wäre, welches Strafmaß zu erwarten ist.2 Dann jedoch wäre gegenüber überweiten Grundstrafrahmen kaum etwas gewonnen. 1
Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. Zwar könnte man anführen, dass dies auch zutrifft, wenn der Sonderstrafrahmen der Regelbeispielsnorm bei 1 Jahr Freiheitsstrafe beginnt (und es demnach zulässig ist, als Höchststrafe einen Strafwert von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe festzusetzen). Jedoch verkennt dies, dass auch andere verfassungsrechtliche Vorgaben die Gestaltung des Strafrahmens beeinflussen. Die Festsetzung einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe für einen besonders schweren Fall muss sich am Gebot schuldangemessenen Strafens messen lassen (nach diesem Gebot müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein; vgl. BVerfG, NJW 1997, 1910 f.). Die Festsetzung einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe und die damit einhergehende (Möglichkeit der) Erstreckung des Sonderstrafrahmens auf den Strafbereich über 6 Jahren Freiheitsstrafe kann daher nicht ohne Weiteres erfolgen, sondern bedarf einer Rechtfertigung durch Erfassung entsprechenden Unrechts auf der Voraussetzungsseite der Norm. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Festsetzung einer solch hohen Freiheitsstrafe (Mindeststrafe 1 Jahr oder mehr) für eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unrechts ist in aller Regel zweifelhaft, wenn dem Grunddelikt ansich lediglich ein geringer Unrechtsgehalt innewohnt. Daher ist es dem Gesetzgeber (aufgrund des Gebotes 2
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Auch die Sonderstrafrahmen müssen daher eine erkennbare Bewertung des Bewertungsgegenstandes (unabhängig davon, ob sie einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus beinhalten) enthalten. Wenn der Gesetzgeber als Strafrahmenuntergrenze eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr festsetzt, so kann er als Strafrahmenobergrenze allenfalls 6 Jahre Freiheitsstrafe vorsehen.3 Legt er in diesen Fällen die Strafrahmenobergrenze in den Bereich über 6 Jahre Freiheitsstrafe, so ist seine Bewertung des Bewertungsgegenstandes nicht mehr erkennbar und es liegt ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz (und das darin enthaltene Stringenzgebot) vor. Beträgt die Mindesstrafe hingegen 1 Jahr Freiheitsstrafe oder mehr, so kann der Gesetzgeber (im jeweiligen Strafrahmen) auch eine Strafandrohung oberhalb von 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Dies gilt sowohl für den Sonderstrafrahmen eines Qualifikationstatbestandes als auch für den Sonderstrafrahmen einer Regelbeispielsnorm. Der Grund für die Unzulässigkeit der Verknüpfung einer Mindeststrafe von unter 1 Jahr Freiheitsstrafe mit einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren liegt darin, dass der Einordnung als Vergehen die Festsetzung einer Strafrahmenobergenze von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe widerspricht. Da diese Strafrahmenobergrenze für sich genommen (d. h. unabhängig von der Ausgestaltung der Strafrahmenuntergenze) bewirkt, dass ein konstitutives Element der Deliktsart Vergehen (nämlich die prinzipielle4 Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle) fehlt, führt sie die innere Widersprüchlichkeit des Strafrahmens herbei. In diesem Falle enthält der Strafrahmen eine widersprüchliche Bewertungen des Bewertungsgegenstandes (Strafrahmenuntergrenze: Vergehen; Strafrahmenobergrenze: kein schuldangemessenen Strafens) in vielen Fällen verwehrt als Mindeststrafe eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr festzusetzen. Damit zeigt sich, dass es durchaus sinnvoll ist, die Vorgaben an die Strafrahmenweite auch bei den Sonderstrafrahmen anzuwenden, denn dann scheidet in diesen Fällen zugleich die Festsetzung einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe in der Regelbeispiels-Norm aus. Es macht also durchaus Sinn (und auch einen Unterschied), wenn man der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bzgl. der Strafrahmenweite auch bei Sonderstrafrahmen Grenzen setzt. 3 Zur ausführlichen Herleitung siehe Kapitel 3 § 6 B. 4 Freilich kann der, durch die im Mindestmaß erhöhte Strafandrohung bewirkte, Ausschluss einiger Regelfälle aus dem Bereich der Strafaussetzungsfähigkeit bereits das tatsächliche Vorliegen dieses konstitutiven Merkmals der Deliktsart Vergehen vereiteln. Jedoch führt dies nicht zur inneren Widersprüchlichkeit des Strafrahmens, sondern ist vielmehr Folge der gesetzlich zulässigen Erhöhung der Strafrahmenuntergrenze über das absolute Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe. Steht dieses Abheben der Strafrahmenuntergrenze vom absoluten Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe nach der gesetzlichen Systematik nicht der Einordnung als Vergehen entgegen (vgl. § 12 Abs. 2 StGB, wonach Vergehen lediglich eine Mindestfreiheitsstrafe von weniger als 1 Jahr aufweisen müssen), so können auch die daraus resultierenden Folgen dies nicht tun. Daher steht der Wegfall der Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle der Einordnung als Vergehen nur dann entgegen, wenn er allein durch die Höchststrafenfestsetzung (mithin durch die Höchststrafenfestsetzung ansich) verursacht wurde. Nur wenn die Höchststrafenfestsetzung ansich bewirkt, dass nicht alle Regelfälle der Strafaussetzungsmöglichkeit unterliegen, liegt eine innere Widersprüchlichkeit des Strafrahmens vor (Unvereinbarkeit der Strafrahmenkomponenten Strafrahmenuntergrenze (Vergehen) und Strafrahmenobergrenze (kein Vergehen). Eingehend dazu Kapitel 3 § 6 B. IV. 4. e) sowie V. 4.
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Vergehen), weshalb infolgedessen der Sonderstrafrahmen eine erkennbare Bewertung des Gesetzgebers nicht beinhaltet. Legt er hingegen eine Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe fest, so folgt daraus eine Einordnung als Verbrechen, weshalb die Festsetzung einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe sich nicht als widersprüchlich darstellt. Entsprechendes gilt für die Strafrahmengestaltung bei Regelbeispiels-Strafnormen. Zwar bleibt bei einer Regelbeispiels-Norm der Deliktscharakter als Vergehen auch bei Festsetzung einer Mindeststrafe von 1 Jahr oder mehr erhalten (vgl. § 12 Abs. 3 StGB). Jedoch nähert der Gesetzgeber mit einer solchen Mindeststrafenfestsetzung die in den Regelbeispielen erfassten Unwertsachverhalte der Deliktsart Verbrechen an. Mit einer entsprechenden Ausgestaltung (Mindeststrafe 1 Jahr oder mehr) der Strafrahmenuntergrenze (des Sonderstrafrahmen) bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass es sich um solche Unwertsachverhalte handelt, die der Deliktsart Verbrechen in etwa gleichwertig sind. Eine Festsetzung von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe im Bereich der Maximalstrafe stellt sich daher nicht als widersprüchlich zur Mindeststrafenfestsetzung dar, sondern ist die (insoweit folgerichtige) Fortführung dieser Annäherung an die Deliktsart Verbrechen. Für die weitere Untersuchung ist daher festzuhalten: Auch die Sonderstrafrahmen müssen bzgl. ihrer Weite den herausgearbeiteten Vorgaben genügen, d. h. auch bei ihnen ist die Verknüpfung einer Strafrahmenuntergrenze von unter einem Jahr Freiheitstrafe mit einer Strafrahmenobergrenze von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe unzulässig.
§ 25 Teilnichtigkeit führt nicht zu Gesamtnichtigkeit A. Hinführende Erläuterungen, insb. Identifizierung der Teilnichtigkeitsproblematik Fraglich ist, welche Folgen es hat, wenn der Gesetzgeber dennoch in einem Strafrahmen eine Mindeststrafe von unter 1 Jahr Freiheitsstrafe mit einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe kombiniert. Dies ist bspw. der Fall bei der Regelbeispielsvorschrift des besonders schweren Falles der Diebstahls (§ 243 Abs. 1 Satz 1 – Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu 10 Jahren) sowie – aus dem grundtatbestandlichen Bereich – bei § 315 Abs. 1 StGB (Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, und Luftverkehr), welcher eine Strafandrohung von sechs Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.5 In diesen Fällen verstößt der Strafrahmen angesichts der gesetzlich festgesetzten Höchststrafe (mithin der Strafrahmenobergrenze) gegen den Schuldgrundsatz und ist 5 Im Nachfolgenden erfolgt eine Prüfung der Voraussetzungen für eine bloße Teilnichtigkeitserklärung bei fehlerhaftem Sonderstrafrahmen. In Bezug auf Grundstrafrahmen geschieht dies in Kapitel 9 § 26.
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daher verfassungswidrig. Es ist daher (zumindest) von einer Teilnichtigkeit entsprechender Normen auszugehen.6 Die Nichtigkeit bezieht sich dabei lediglich auf die festgesetzte Strafrahmenobergrenze.7 Die Strafnormen sind nichtig, soweit sie eine Strafandrohung von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Es fragt sich freilich, ob dies zur Nichtigkeit der gesamten Strafnorm (Gesamtnichtigkeit) führt.8 Entscheidend sind damit die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Teilnichtigkeit. Grundsätzlich ist die Teilnichtigkeitserklärung die Regel.9 Eine Gesamtnichtigkeitserklärung kommt nur dann in Betracht, wenn die Teilnichtigkeitserklärung nicht ausreicht.10 Aus Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber ist dessen Wille nämlich soweit aufrechtzuerhalten, wie es sinnvoll und verfassungsgemäß ist.11 Da es im vorliegenden Fall nicht genügt einzelne Wörter (bzw. eine Wortgruppe) aus dem Normtext zu streichen, um den verfassungsgemäßen vom verfassungswidrigen Teil zu trennen, kommt lediglich eine qualitative Teilnichtigkeit in Betracht.12 Diese Art der Teilnichtigkeit ist mittlerweile, auch wegen der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,13 weit überwiegend anerkannt.14 6 Siehe allgemein zur Teilnichtigkeit einzelner Rechtsnormen Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 39 Rn. 1387 ff. 7 Vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 39 Rn. 1387: Teilnichtigkeit kann sich auch auf einzelne Satzteile beziehen; ebenso Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 70 Rn. 115: auch ein „[…] in einem einzelnen Satz, Satzteil, Wort oder Wortteil zum Ausdruck kommender selbstständiger Regelungsbestandteil […]“ kann für nichtig erklärt werden. 8 Zur spiegelbildlichen Konstellation der Verfassungswidrigkeit der Mindeststrafenandrohung und der daraus resultierenden Frage des Vorliegens einer Teil- oder Gesamtnichtigkeit siehe Lorenzen, Zur Rechtsnatur und verfassungsrechtlichen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte, S. 132 ff. 9 Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 70 Rn. 115; Hömig, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rn. 40; Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 77: bei Teilnichtigkeit ist der Teilnichtigkeitserklärung der Vorzug zu geben. Vgl. auch BVerfGE 8, 274, 301; 22, 134, 152; 65, 325, 358; BGHZ 16, 192, 198. 10 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 39 Rn. 1388. 11 Insoweit besteht aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes und des Willens des Gesetzgebers eine Verpflichtung, die Norm so weit wie irgend möglich zu erhalten; so Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 76; in der Sache auch Stober, JA 1979, 416, 422, der zutreffend ausführt: „Der Gesetzgeber will die Entstehung wirksamen Rechts ermöglichen und zieht deshalb eine partielle Aufrechterhaltung der Norm der Totalnichtigkeit vor […]. Aus diesem Grunde wird mit der Teilnichtigkeitserklärung auch nicht in legislatorische Kompetenzen eingegriffen […].“. 12 Vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 39 Rn. 1389. Eingehend zur qualitativen Teilnichtigkeit Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 92 ff. 13 Vgl. BVerfGE 8, 51, 52; 9, 268; 11, 168, 169; 15, 167, 169; 19, 330, 331. Vgl. auch Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 68, die aufgrund einer Analyse der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung feststellt, dass das Bundesverfassungsgericht die qualitative Teilnichtigkeitserklärung für grundsätzlich zulässig erachtet. 14 Vgl. nur Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 39 Rn. 1389; Löwer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR III, § 70 Rn. 115. Vertieft Graßhof, Vollstreckung von Normenkontrollent-
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Eine Rechtsnorm kann sich als ein Bündel von Einzelanordnungen darstellen.15 Nicht jede Einzelanordnung ist dann explizit im Wortlaut der Rechtsnorm aufgeführt, vielmehr sind sämtliche Einzelanordnungen unter einem bestimmten abstrakten Begriff vereint. Ist eine solche (nicht explizit im Normwortlaut aufgeführte) Einzelanordnung verfassungswidrig, so kann sie nicht aus dem Wortlaut der Rechtsnorm ausgesondert werden.16 Auch in diesen Konstellationen muss die Annahme einer Teilnichtigkeit aber möglich sein, da eine Zufälligkeit in der Gesetzesformulierung (abstrakte Fassung anstelle der enumerativen Aufführung der Einzelanordnungen) die Gesamtnichtigkeit der Norm nicht zu rechtfertigen vermag.17 Daher ist es richtig, die qualitative Teilnichtigkeit anzuerkennen.18 Gerade diese Situation ist bei verfassungsrechtlich zu weiten Strafrahmen gegeben.19 Dies wird deutlich, wenn man Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen sieht.20 Aufgrund der gesetzestechnischen (abstrakten) Formulierung als Strafrahmen („Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren“; „Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren“), mithin des Verzichts21 auf die (textliche) Aufführung jeder scheidungen, S. 296 ff.; Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 70 ff.; kritisch jedoch Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 386 ff. 15 Vgl. Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 235. Siehe dazu auch Ipsen, Rechtsfolgen, S. 100. 16 Vgl. Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 235: „Daher [scil. aufgrund der Tatsache, dass eine Rechtsnorm eine Vielzahl von Einzelanordnungen des Gesetzgebers enthält] ist es auch denkbar, dass nicht ein gewisser Teil des Normtextes, sondern einige dieser Einzelanordnungen, welche sich im Normtext selbst aufgrund dessen Abstraktheit nicht als einzelne Wortfolgen ausweisen lassen, gegen die Verfassung verstoßen.“. 17 So zu Recht bereits Schenke, Rechtsschutz, S. 317 Fn. 4; folgend Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 235. 18 Siehe zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ipsen, Rechtsfolgen, S. 100 f. 19 Die Zulässigkeit einer Teilnichtigkeiterklärung auf der Rechtsfolgenseite bejahend Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 78 Rn. 19 (mit dem zutreffenden Hinweis, dass es sich um eine Norm handeln muss, die verschiedene Rechtsfolgen anordnet); so bereits Graßhof, Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen, S. 143: Teilnichtigkeitserklärung kann auch in Form der Verkürzung der Rechtsfolgenanordnung geschehen, S. 301: Wenn die „[…] Rechtsfolgenanordnung um bestimmte Rechtsfolgen gekürzt werden [soll], muß die Norm überhaupt […] verschiedene Rechtsfolgen anordnen. Sieht die Norm nur eine Rechtsfolge vor, kann diese nicht eingeschränkt[,] sondern nur verändert werden.“; die Möglichkeit jedenfalls nicht verneinend BVerfGE 20, 35, 39 f.; bejahend sogar BGHZ 16, 192, 198 f.; kritisch jedoch Sachs, DVBl. 1979, 389, 393. 20 Vgl. Frisch, Revisionsrechtliche Probleme, S. 134: „Der Strafrahmen ist das Surrogat einer unübersehbaren Normenkasuistik, eines Bündels ausformulierter Strafdrohungen, ist unvollständige, „gebündelte“ Gesetzgebung.“. Siehe auch Frisch, a.a.O., S. 161: Strafrahmen steht „[…] statt eines Bündels einzeln ausformulierter Strafdrohungen […].“. Dem folgend Bergmann, Milderung der Strafe, S. 26; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 34. 21 Nach Frisch, Revisionsrechtliche Probleme, dient der Strafrahmen als Surrogat für eine unübersehbare Normenkasuistik (S. 134), steht also „[…] statt eines Bündels einzeln ausformulierter Strafdrohungen […].“ (S. 161 f.). Ebenso Bergmann, Milderung der Strafe, S. 26; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 34.
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einzelnen Strafandrohung,22 ist es nicht möglich mittels Streichung einzelner Strafandrohungen die verfassungswidrigen Strafandrohungen aus dem Normtext zu eliminieren. Dennoch ist es nicht gerechtfertigt geradewegs (d. h. ohne Prüfung, ob nicht eine Teilnichtigkeit in Betracht kommt) die gesamte Strafandrohung, mithin den gesamten Strafrahmen, als verfassungswidrig zu deklarieren, denn er (scil. der Strafrahmen) enthält ohne Zweifel auch einzelne Strafandrohungen, welche verfassungsgemäß sind.23 Daher ist auch in diesem Fall – vorausgesetzt die Bedingungen dafür sind erfüllt – eine qualitative Teilnichtigkeitserklärung vorzunehmen (insoweit also eine Teilnichtigkeitserklärung ohne Normtextreduzierung24).25
B. Die Voraussetzungen einer Teilnichtigkeitserklärung bzw. Voraussetzungen für die Annahme einer bloßen Teilverfassungswidrigkeit bei Sonderstrafrahmen Jedoch müssen dafür bestimmte Voraussetzungen gegeben sein.
22 So enthält der Strafrahmen „Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren“ sämtliche (gesetzlich zulässig, vgl. § 39 StGB) Einzelstrafandrohungen zwischen den Strafwerten 6 Monate und 10 Jahre, d. h. die Einzelstrafandrohungen 6 Monate; 6 Monate 1 Woche; 6 Monate 2 Wochen; […]; 1 Jahr; 1 Jahr und 1 Monat; 1 Jahr und 2 Monate; […]; 9 Jahre 11 Monate; 10 Jahre. 23 Verfassungsgemäß sind die einzelnen Strafandrohungen nämlich, wenn sie nicht in Widerspruch stehen zur Einordnung des Delikts als Vergehen. Die Verfassungswidrigkeit des Strafrahmens ist nur gegeben, soweit er in Widerspruch steht zu dieser Einordnung als Vergehen. Insoweit bezieht sich die Verfassungswidrigkeit lediglich auf den Bereich bzw. den Teil des Strafrahmens, der über der für Vergehen maximal zulässigen Höchststrafandrohung von 6 Jahren Freiheitsstrafe liegt. Nur dieser Teil des Strafrahmens (mithin diejenigen Einzelstrafandrohungen, die in diesem Bereich des Strafrahmens liegen) steht in Widerspruch zur Einordnung des Delikts in die Dichotomie der Straftaten (entspricht also nicht der Deliktsart Vergehen) und bewirkt, dass es an einer erkennbaren gesetzgeberischen Bewertung des Bewertungsgegenstandes fehlt. Von der Verfassungswidrigkeit sind daher nur diejenigen einzelnen Strafandrohungen erfasst, die über dem maximal zulässigen Strafwert (eingehend zur Herleitung Kapitel 3 § 6 B.) von 6 Jahren Freiheitsstrafe liegen. Der Strafrahmen enthält damit sowohl verfassungsgemäße Einzelstrafandrohungen (sämtliche Strafandrohungen bis einschließlich 6 Jahren Freiheitsstrafe) als auch verfassungswidrige Einzelstrafandrohungen (sämtliche Strafandrohungen von mehr als 6 Jahre Freiheitsstrafe). 24 Zur Begrifflichkeit Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 235. 25 Zutreffend hebt Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 78 Rn. 19 hervor, dass eine qualitative Teilnichtigkeitserklärung (auf der Rechtsfolgenseite nur) möglich ist, wenn die Rechtsnorm verschiedene Rechtsfolgen anordnet (so bereits Graßhof, Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen, S. 301). Begreift man den Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen, so wird deutlich, dass dies in der vorliegenden Konstellation gegeben ist.
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I. Teilbarkeit Zunächst muss die Rechtsnorm überhaupt teilbar sein.26 Der verbleibende Teil muss einen selbstständigen Regelungssinn aufweisen und ohne den nichtigen Teil angewandt werden können.27 Letztlich muss also trotz Streichung des verfassungswidrigen Teiles eine sinnvolle Regelung erhalten bleiben. In der vorliegenden Konstellation ist die Rechtsfolgenanordnung der Strafnorm lediglich verfassungwidrig, soweit sie eine Strafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Von dieser Verfassungswidrigkeit unberührt sind der Voraussetzungsbereich der Strafnorm sowie die Rechtsfolgenseite, soweit sie Strafen von bis zu 6 Jahren Freiheitsstrafe betrifft. Kupiert man den Strafrahmen entsprechend, so erhält man eine Strafnorm, die sowohl einen Tatbestand (insoweit Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne) als auch eine Rechtsfolge (Verhängung einer Strafe aus dem gekürzten Strafrahmen) enthält. Entscheidend ist, dass gerade nicht die gesamte Rechtsfolgenseite verfassungswidrig (und daher von der Nichtigkeit betroffen) ist, sondern nur ein Teil. Damit verbleibt (nach Entfernung des verfassungswidrigen Teils) eine Rechtsnorm mit „Wenn-Dann“-Struktur, mithin eine sinnvolle abstraktgenerelle Regelung,28 welche ohne Weiteres angewandt werden kann und zudem auch sinnvoll ist. II. Kein Entgegenstehen des Normzwecks Daneben müssen weitere Voraussetzungen vorliegen. 1. Entscheidungserheblichkeit des objektiven Gesetzeszwecks Von Gesamtnichtigkeit ist auszugehen, wenn sich aus dem objektiven Sinn der Regelung ergibt, dass die anderen (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Bestimmungen (in Hinblick auf diesen objektiven Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung) keine selbstständige Bedeutung haben,29 d. h. wenn die Gesamtregelung durch die Herausnahme des nichtigen Teils ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlieren 26 Ebenso (als Voraussetzung einer qualitativen Teilnichtigkeitserklärung) Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 71. 27 Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 33. Ähnlich Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 71, nach der die Teilbarkeit zu bejahen ist, „[…] wenn der Norm nach der Teilnichtigkeitserklärung noch Normqualität zukäme bzw. sie noch anwendbar wäre.“. In der Sache auch BVerfGE 8, 274, 301; 22, 134, 152; 65, 325, 358; 82, 159, 189; 119, 59, 95: Gesamtnichtigkeit dann, „[…] wenn […] die übrigen, mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben […].“. Vgl. dazu auch Hömig, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rn. 40. 28 Vgl. zu dieser Bedingung für eine Teilnichtigkeitserklärung, Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 76. 29 BVerfGE 8, 274, 301; 53, 1, 23.f; 65, 325, 358; 82, 159, 189; 119, 59, 95. So auch Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rn. 40.
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würde, insoweit also eine unzertrennbare Einheit vorliegt30. Das Aufrechterhalten des nicht nichtigen Teils muss mithin dem Sinn und Zweck der Rechtsnorm entsprechen. Entscheidend ist, ob der Normzweck, so wie er im Gesetz manifestiert ist,31 auch mit dem nach der Teilnichtigkeitserklärung übrig bleibenden (nicht verfassungswidrigen) Gesetzesteil erreicht werden kann.32 Diese Voraussetzung liegt vor, wenn – unter Berücksichtigung des objektivierten gesetzgeberischen Willens33 – nicht auszuschließen ist, dass der Gesetzgeber das Gesetz so erlassen hätte, hätte er die Verfassungswidrigkeit gekannt.34 Vorliegend ist damit – anders als bei der Prüfung der Zulässigkeit einer (verfassungskonformen) Rechtsfortbildung – nicht auf die subjektive Zwecksetzung des 30 BVerfGE 8, 274, 301: „Aus der Nichtigkeit einzelner Vorschriften folgt […] die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes nur dann […], wenn die verfassungswidrige Vorschrift Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlöre, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus […], wenn also die nichtige Vorschrift mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, daß sie eine untrennbare Einheit bilden […].“. So auch BVerfGE 57, 295, 334; 65, 325, 358; 74, 33, 43. 31 Für eine Orientierung am objektivierten Willen des Gesetzgebers: BVerfGE 8, 274, 301; 9, 305, 333; 65, 325, 358; 74, 33, 43; 82, 159, 189; 119, 59, 95: jeweils Maßgeblichkeit des objektiven Sinnes des Gesetzes; Gern, NVwZ 1987, 851, 853 f.; Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 60 f.; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 43; Stober, JA 1979, 416, 422; a.A. (für eine Orientierung am subjektiven Willen des Erklärungsurhebers) Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 83 ff. Zum Streitstand Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 224 f. 32 Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 60. So auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 42: entscheidend ist, „[…] ob der verfassungsmäßige Teil des Gesetzes noch sinnvoll ist, und zwar in der Linie des ursprünglichen Zieles und Zweckes des Gesetzes.“ [im Original teilweise hervorgehoben]; Stober, JA 1979, 416, 422: Gesamtnichtigkeit nur, „[…] wenn die Auslegung ergibt, daß der übrig bleibende Gesetzesteil gemessen an dem ursprünglichen Ziel und Zweck der Norm kein sinnvolles Gebilde mehr ist.“. Ähnlich Gern, NVwZ 1987, 851, 854: Aufrechterhaltung muss durch „[…] sinnvolle, gesetzeszweckentsprechende, die Eigenart des geregelten Lebenssachverhaltes berücksichtigende Argumentation begründet werden [können] […].“. Anders jedoch Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 240, die entscheidend auf den (mutmaßlichen) Willen des Gesetzgebers abstellt und nicht lediglich auf den objektivierten, d. h. im Normtext manifestierten, Willen des Gesetzgebers. 33 Vgl. dazu Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 42 f. 34 Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 78. In der Sache ähnlich Kintrup, Teilnichtigkeit von Rechtsnormen, S. 122 f., der eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 VwVfG befürwortet und daraus schließt, dass „[…] Teilnichtigkeit […] grundsätzlich ein[tritt], die Gesamtnichtigkeit nur, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, daß der Gesetzgeber das Gesetz ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.“. Ob der Teil eine entsprechende Wesentlichkeit aufweist soll dabei „[…] von den im Gesetz vom objektiven Empfängerhorizont erkennbaren Motiven und Vorstellungen des Gesetzgebers […]“ abhängen (Kintrup, a.a.O., S. 123). Insoweit legt auch Kintrup zu Grunde, dass lediglich die im Gesetz zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Motive bzw. Vorstellungen Berücksichtigung finden, nicht jedoch solche, die keinen Niederschlag in der gesetzlichen Regelung gefunden haben. Damit nähert er sich dem Standpunkt an, der maßgeblich auf den objektiven Sinn des Gesetzes abstellt.
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Gesetzgebers abzustellen. Entscheidend ist der objektive telos, mithin der objektivierte gesetzgeberische Wille.35 Damit treten bei dieser Prüfung die in den Gesetzgebungsmaterialien enthaltenen Willensbekundungen in den Hintergrund. Diese Hinwendung zur „objektiven Theorie“ vermag auf den ersten Blick zu verwundern, denn an anderer Stelle – nämlich bei der erwähnten Prüfung der Zulässigkeit einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung – wurde primär auf die gesetzgeberischen Äußerungen in den Gesetzgebungsverfahren abgestellt, indem die etwaigen Bundestags-Drucksachen konsultiert wurden. Zu beachten ist jedoch, dass es sich um zwei unterschiedliche Rechtsinstitute handelt, die auf verschiedenen Ebenen liegen. Die Nichtigkeitserklärung formeller Bundesgesetze ist beim Bundesverfassungsgericht monopolisiert.36 Nur dieses ist dazu befugt, die Nichtigkeit solcher Rechtsnormen (zu denen auch das StGB zählt) auszusprechen. Dem Bundesverfassungsgericht kommt im Verfassungsstaat eine besondere Stellung zu, denn es ist (auch ausweislich des § 1 Abs. 1 BVerfGG) selbst Verfassungsorgan.37 Wegen dieser Stellung und seiner (grundgesetzlich verankerten, vgl. Art. 93 GG) Kompetenz für (bundes-)verfassungsrechtliche Fragen38 ist es „[…] dem Vorwurf unberechtigten Eingriffs in die Gesetzgebungssphäre weit weniger ausgesetzt als die anderen Gerichte.“.39 Anders als die anderen Gerichte (sowie die sonstigen Rechtsanwender) ist das Bundesverfassungsgericht materiell nur an das Grundgesetz und formell an das BVerfGG als Verfahrensordnung gebunden.40 Im Gegensatz zu anderen Rechtsanwendern liegt beim Bundesverfassungsgericht somit keine strenge Bindung an das (einfache) Gesetz vor, was sich folgerichtig bereits aus der Normverwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts ergibt.41 Darin unterscheidet sich das Verfassungsgericht von den anderen Rechtsanwendern. Aus diesem Fehlen einer strengen Bindung an das einfache Gesetzesrecht, was in der (besonderen) Befugnis zur Normverwerfung kulminiert, folgt die fehlende Bindung an den gesetzgeberischen Willen auf dieser Ebene verfassungsgerichtlicher Tätigkeit. Das Verfassungsgericht kann sich, soweit es um die Nichtigkeitserklärung von Normen geht, über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, sodass im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Rechtsnormen bei der Entscheidung 35
Vgl. dazu Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 42 f. Zum Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 24 Rn. 753. 37 So auch BVerfGE 7, 377, 413; ausführlich dazu Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 26 ff. 38 Siehe auch Kriele, ZRP 1975, 74: „[…] zur verbindlichen Verfassungsinterpretation berufene[s] Verfassungsorgan […]“. 39 BVerfGE 7, 377, 413. 40 Vgl. Rieble, NJW 2011, 819, 821. 41 Denn es wäre insoweit widersinnig einerseits eine strenge Bindung des Verfassungsgerichts an einfache Gesetze anzunehmen, ihm andererseits jedoch die Kompetenz zur Normverwerfung zuzusprechen. Die Ausübung Letzterer setzt gerade voraus, dass das Bundesverfassungsgericht nicht an das einfache Gesetzesrecht gebunden ist. 36
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über die Nichtigkeitserklärung nicht danach zu fragen ist, ob die Nichtigkeitserklärung dem gesetzgeberischen Willen entspricht. Bei dem Nichtigkeitsurteil hat das Bundesverfassungsgericht den Willen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen. Mithin erfolgt ein solches (d. h. ein Nichtigkeitsurteil) ohne Beachtung, ob der Wille des Gesetzgebers dem entgegensteht, denn nur so kann das Gericht seiner Stellung als „Hüter der Verfassung“42 gerecht werden. Konsequenterweise muss dies auch für die Teilnichtigkeitserklärung gelten, da auch diese eine Nichtigkeitserklärung (nicht jedoch Rechtsanwendung) darstellt, nämlich eine solche, die sich auf einen bestimmten (abtrennbaren) Teil der jeweiligen Rechtsnorm bezieht. Anders liegt es hingegen, wenn es um die verfassungskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung geht. Diese bewegen sich im Rahmen der Anwendung des Gesetzesrechts und ordnen sich diesem (scil. dem Gesetz) gerade unter. Sie haben damit die gesetzgeberische Zwecksetzung zu berücksichtigen. Seine Begründung findet dies darin, dass jedweder Rechtsanwender zur verfassungskonformen Rechtsanwendung (sei es Auslegung oder Rechtsfortbildung) berufen bzw. legitimiert ist.43 Es fehlt damit – anders als bei der (Teil-)Nichtigkeitserklärung – an einer Monopolisierung bei einer besonderen Instanz. Damit kommt der Bindung an den gesetzgeberischen Willen in diesem Bereich eine besondere Bedeutung zu. Im Unterschied zur Ebene der Teilnichtigkeitserklärung ist bei der Rechtsanwendung eine Verneinung der Bindung an den gesetzgeberischen Willen auch nicht erforderlich, denn die Rechtsanwendung setzt – anders als die Verwerfung von Rechtsnormen – nicht die Loslösung vom gesetzgeberischen Willen voraus. Vielmehr ist hier der gesetzgeberische Wille bei der Rechtsanwendung sogar von herausgehobener Bedeutung. Deshalb kommt auf der Ebene der verfassungskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung dem Willen des Gesetzgebers eine wesentliche Bedeutung zu. 2. Exkurs: zur (berechtigten) Koexistenz von verfassungskonformer Auslegung, verfassungskonformer Rechtsfortbildung und Teilnichtigkeitserklärung Zusammengefasst kann mit Blick auf den vorangegangenen Abschnitt gesagt werden, dass bei der Frage nach der Teilnichtigkeitserklärung der objektive Sinn und Zweck der Gesetzesnorm eine Grenze zieht, nicht jedoch die subjektive Zwecksetzung des Gesetzgebers, da im Bereich der (Teil-)Nichtigkeitserklärung denknotwendig eine Bindung an den gesetzgeberischen Willen ausscheidet, dieser Rechtsfigur die Unabhängigkeit vom gesetzgeberischen Willen immanent ist.44 42 Zu dieser Bezeichnung BVerfGE 1, 184, 195, 196; 1, 396, 408; 40, 88, 93; ähnlich BVerfGE 96, 133, 138: „Garant der Bundesverfassung“. 43 Diese Befugnis der Gerichte hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, siehe nur BVerfGE 68, 337, 344; so auch Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 441. 44 Andernfalls – würde man also eine Bindung an den gesetzgeberischen Willen annehmen – wäre es dem Verfassungsgericht vollends verwehrt, Rechtsnormen zu verwerfen, da dies regelmäßig dem Willen des Gesetzgebers (der ja gerade die entsprechende Norm geschaffen hat und damit ihre Geltung will) widersprechenen dürfte. Dann jedoch könnte das Bundesver-
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Anders hingegen liegt es auf der Ebene der verfassungskonformen Rechtsanwendung, weil sich dort eine „Unterordnung“ unter das Gesetz (und damit auch den Willen des Gesetzgebers) vollzieht und dieser Bereich nicht nur dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist, sondern sämtlichen Rechtsanwendern offensteht. Dies zeigt auf, dass es sinnvoll ist, ein Nebeneinander beider Rechtsfiguren (Teilnichtigkeitserklärung einerseits, verfassungskonforme Rechtsanwendung andererseits) zu akzeptieren.45 Beide haben einen eigenen Anwendungsbereich (so kommt eine Teilnichtigkeitserklärung nur in Betracht bei Teilbarkeit der Norm) und unterliegen – wie soeben erläutert – unterschiedlichen Beschränkungen. Es ergibt sich daraus ein schrittweises Vorgehen. Ist eine Norm (teilweise) verfassungsrechtlich nicht haltbar, so muss zunächst versucht werden, im Rahmen des Normwortlauts die verfassungsrechtlichen Spannungen zu beseitigen (verfassungskonforme Auslegung). Gelingt dies nicht (da der Wortlaut es nicht zulässt),46 so ist zu untersuchen, ob die Vornahme einer (wortlautüberschreitenden) verfassungskonformen Rechtsfortbildung (verfassungskonforme Reduktion oder Analogie) möglich ist, wobei diesbezüglich der Wille des Gesetzgebers eine entscheidende Grenze bildet.47 Steht der (erkennbare) Wille des Gesetzgebers (welcher u. a. durch das Heranziehen der Materialien zum Gesetzgebungsverfahren zu ermitteln ist) der Durchführung einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung (entscheidend) entgegen (wäre eine solche mithin unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen), so hat diese zu unterbleiben. Die Mittel des „normalen“ Rechtsanwenders sind dann ausgeschöpft. Es ist dann das Bundesverfassungsgericht, welches über die Norm zu befinden hat, da bei diesem das Normverwerfungsmonopol liegt. Dieses muss jedoch nicht die gesamte Norm für nichtig erklären, sondern kann – sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind – eine Teilnichtigkeitserklärung abgeben. Die Voraussetzungen für eine Teilnichtigkeitserklärung sind dabei jedoch nicht identisch mit denen für eine verfassungskonforme Rechtsanwendung.48 Wie aufgezeigt wurde, bildet hinsichtlich der Frage nach der bloßen Teilnichtigkeit nicht bereits der gesetzgeberische Wille eine Schranke, sondern (erst) der objektive Sinn und Zweck der fassungsgericht seine Funktion als Kontrollinstanz bzw. „Hüter der Verfassung“ (siehe BVerfGE 1, 184, 195, 196; 1, 396, 408; 40, 88, 93) gar nicht ordnungsgemäß erfüllen. 45 Nicht zu folgen ist Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 387, die beide Rechtsfiguren zwar nicht dogmatisch, jedoch praktisch gleichsetzen. In eine ähnliche Richtung geht auch Schmidt, Grundrechte als verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 87 ff.; auch dieser verkennt jedoch, dass es gute Gründe für ein Nebeneinander der Rechtsfiguren gibt (dazu im Haupttext). Selbiges gilt für die Ausführungen von Eilsberger, JuS 1970, 321, 323 ff. 46 Zur begrenzenden Funktion des Wortlauts im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung Zippelius, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, Band II, S. 108, 115 f. 47 Ist eine (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung unvereinbar mit dem Willen des Gesetzgebers, so ist sie unzulässig (hat also zu unterbleiben), da sie gegen das Verbot des Contralegem-Judizierens verstößt [dazu bereits Kapitel 5 § 12 B. II. 2. a)]. 48 Weshalb weder eine dogmatische noch eine praktische Gleichsetzung beider Rechtsfiguren erfolgen kann; anders Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 387, die beide Rechtsfiguren zwar nicht dogmatisch, jedoch praktisch gleichsetzen.
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Gesetzesnorm. So kann es durchaus sein, dass eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung wegen Unvereinbarkeit mit dem (klar erkennbaren) gesetzgeberischen Willen ausscheidet (bspw. aufgrund einer hinreichend deutlichen Erklärung in den Gesetzgebungsmaterialien), eine Teilnichtigkeitserklärung hingegen möglich ist, da sie den objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes aufrechterhält. Darin zeigt sich, dass der Teilnichtigkeitserklärung durchaus ein eigenständiger Anwendungsbereich zukommt, diese also zum Zuge kommen kann, wenn eine verfassungskonforme Auslegung/Rechtsfortbildung ausscheidet. Es kann damit weder eine Gleichsetzung erfolgen,49 noch die Sinnhaftigkeit dieser Rechtsfigur geleugnet werden. Verfassungskonforme Auslegung, verfassungskonforme Rechtsfortbildung und Teilnichtigkeitserklärung lassen sich – wie aufgezeigt – voneinander abgrenzen.50 Sie unterliegen unterschiedlichen Schranken (Auslegung: Wortlautinkompatibilität; Rechtsfortbildung: Unvereinbarkeit mit dem klar erkennbaren gesetzgeberischen Willen; Teilnichtigkeitserklärung: fehlende Teilbarkeit sowie Unvereinbarkeit mit dem objektiven Sinn und Zweck der Norm). Sie stellen – legt man das MethodikPrinzip der Vorrangigkeit der Auslegung (vor der Rechtsfortbildung) und den vom Bundesverfassungsgericht statuierten Vorrang der verfassungskonformen Rechtsanwendung (vor der Nichtigkeitserklärung) zu Grunde – nacheinander geschaltete Stufen51 der Bewältigung normbezogener verfassungsrechtlicher Spannungen dar. 3. Sinn und Zweck von Komplementärnormen („aufgesetzten“ Normen) Es ist erforderlich, zunächst nochmals Sinn und Zweck von Komplementärnormen (Qualifikationstatbestände bzw. „Regelbeispiels“-Strafnormen) zu beleuchten. Diese dienen, wie jede Strafnorm,52 dem Schutz von Rechtsgütern. Durch diese beiden Regelungstypen sollen bestimmte, bereits einen Grundtatbestand erfüllende, Verhaltenweisen herausgehoben werden, welche durch den Gesetzgeber als besonders schwerwiegende Verwirklichungsvarianten angesehen werden.53 Bei Qua49
Anders Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 387. Siehe dazu auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 528 f. 51 Auch ein Stufenverhältnis (jedoch ohne Berücksichtigung der Möglichkeit der verfassungskonformen Rechtsfortbildung) annehmend Stober, JA 1979, 416, 422. 52 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 3 Rn. 10 ff.; Hassemer/Neumann, in: NKStGB, Vorbemerkungen zu § 1 Rn. 109; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 1 III, S. 7 f.; Lackner/Kühl, StGB, Vorbemerkung zu § 13 Rn. 4; Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 1, 7 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 6 ff.; siehe auch BVerfGE 120, 224, 239 f.: „Das Strafrecht wird als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung also besonders dringlich ist.“. Vertieft zur Problematik des Rechtsgüterschutzes Löffelmann, in: Jahn/Krehl/ Löffelmann/Güntge, Die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen, Rn. 534 ff. 53 Dies hat gelegentlich auch in den Ausführungen zu Gesetzgebungsverfahren seinen Ausdruck gefunden; vgl. hierzu die Begründung zur Aufnahme der Zwangsheirat in den Regelbeispielskatalog der besonders schweren Nötigung (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB a.F.) 50
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lifikationstatbeständen findet diese Funktion dadurch ihren praktischen Ausdruck, dass aufgrund der gesetzlichen Vertypung (mithin der Vertatbestandlichung54) der Verwirklichungsvarianten im Falle der Verurteilung eines Täters ein besonderer strafrechtlicher Vorwurf erhoben wird.55 Dass der Täter ein qualifiziertes Delikt begangen hat, wird dann nämlich im Urteilstenor ausgesprochen.56 In diesem besonderen Vorwurf (und der damit verbundenen besonderen Bemakelung des Täters) zeigt sich letztlich, dass es sich um besonders herausgehobene Fälle der Verwirklichung eines Delikts handelt. Darüber hinaus bewirken entsprechende Strafnormen auch eine Antizipation der Strafzumessung,57 wobei daraus freilich weder geschlossen werden kann, dass sich die Funktion „aufgesetzter“ Strafnormen58 darin erschöpft,59 noch dass die Schaffung BT-Drucks. 15/3045, S. 10: Aufnahme als Regelbeispiel zur Betonung des besonderen Unrechts. In der weiteren Entwicklung wurde die Zwangsheirat mit ähnlicher Begründung (siehe dazu BT-Drucks. 17/4401, S. 9, 12) in einen eigenständigen Straftatbestand (§ 237 StGB) gefasst. Siehe auch BT-Drucks. 7/550, S. 397: „Die angeführten Regelbeispiele […] kennzeichnen jedoch in Form einer für den Richter maßgeblichen Leitlinie sehr anschaulich die Verhaltensweisen, die den Tatfolgen oder den besonderen Umständen nach als besonders verwerflich anzusehen sind.“; BT-Drucks. 17/13707, S. 4, zur Einführung des Straftatbestands der Genitalverstümmelung (§ 226a StGB): „Aber auch in strafrechtlicher Hinsicht kann ein weiterer Beitrag geleistet werden durch einen Tatbestand, der ausdrücklich die Genitalverstümmelung unter Strafe stellt und damit das Bewusstsein für das damit verbundene Unrecht schärft […].“. Siehe dazu auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 79: „Bei den Abwandlungen eines Grundtatbestands nimmt der Gesetzgeber also Bezug auf bestimmte Erscheinungsformen in der Wirklichkeit, denen er einen besonderen (Un-)Wertrang zuteilen will. Die konkreten Erscheinungsformen, die er als „besonders“ regelungsbedürftig im Auge hat, verallgemeinert er wieder […].“. Siehe jedoch auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 160, der Regelbeispielsnormen eine „plakative Wirkung“ abspricht. Dem ist deswegen nicht zu folgen, weil die kennzeichnende Wirkung bereits aus der Aufnahme in den Gesetzestext folgt. Hieraus folgt bereits in für Jedermann sichtbarer Weise, dass der Gesetzgeber die Verwirklichungsform als besonders strafwürdig erachtet. 54 Gemeint ist damit die (formale) Fassung der Verwirklichungsvariante als Qualifikationstatbestand. 55 Allgemein zum strafrechtlichen Vorwurf Lagodny, Schranken der Grundrechte S. 96 ff. 56 Insoweit besteht ein Unterschied zwischen Qualifikationstatbeständen und Regelbeispielsnormen. Während die Erfüllung des Qualifikationstatbestandes im Schuldspruch auftaucht, wird die Annahme eines besonders schweren Falles aufgrund Verwirklichung eines Regelbeispiels im Schuldspruch nicht erwähnt, sodass bei letzterem im Schuldspruch nur die Verurteilung wegen Begehung des Grunddelikts aufgeführt wird (siehe BGH, NStZ 1984, 262, 263; NStZ-RR 2007, 111 f.; Fischer, StGB, § 46 Rn. 84; Lackner/Kühl, StGB, § 46 Rn. 21; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff., Rn. 56; eine Ausnahme soll jedoch bestehen für die Vergewaltigung, siehe BGH NJW 1998, 2987, 2988; Renzikowski, in: MK-StGB, § 177 Rn. 123). 57 Vgl. Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 133 sowie Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 426, die den (Qualifikations-)Tatbestand als „antizipierte Strafzumessung“ auffassen; folgend Arzt, JuS 1972, 385, 386. In der Sache auch Maiwald, in: FS Gallas, S. 137, 144: Präjudizierung des Richters durch Aufstellung von Qualifizierungen. 58 Diese Strafnormen dienen nämlich (auch) der Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung. Virulent wird dies bei Delikten, deren verschiedene Verwirklichungsformen
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solcher Strafnormen dem freien Belieben des Gesetzgebers unterliegt.60 Auch begründet dies nicht die Möglichkeit der Gleichsetzung von Tatbestandsbildung61 und Strafzumessung.62 Es handelt sich vielmehr um eine Funktion der Komplementärnormen, die jedoch – wie bereits erwähnt – durch andere Funktionen ergänzt wird. Eine Reduzierung der Bedeutung entsprechender Strafnormen auf diese Funktion ist daher abzulehnen.63 Betrachtet man jedoch diese Funktion näher, so zeigt sich, dass die Schaffung einer aufgesetzten Strafnorm insoweit vorbestimmend auf die Strafzumessung einwirkt, als sie (zumindest in aller Regel64) die Verhängung bestimmter Strafen ausschließt. Ist im Sonderstrafrahmen eine höhere Mindeststrafe vorgesehen als im grunddeliktischen Regelstrafrahmen (ist ein Strafrahmenwechsel also mit der Anhebung der Mindeststrafe verbunden), so scheiden die zwischen diesen beiden Strafwerten liegenden Strafen aus, wenn die strafrahmenändernden Voraussetzungen gegeben sind. Zudem entfällt meist auch die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe. Dies kann man als zwingende gesetzliche Vorgabe für den Richter (bzw. für die richterliche Strafzumessung) sehen. Diesem ist es danach untersagt, eine Geldstrafe zu verhängen bzw. eine Freiheitsstrafe unter einem bestimmten Maß (nämlich unter der Mindeststrafe des Sonderstrafrahmens) auszuwerfen. Insoweit determiniert die Strafnormbildung die richterliche Strafzumessung. Nicht zu unterschätzen in Hinblick auf den Gesichtspunkt der Antizipation richterlicher Strafzumessung ist auch, dass sich mit dem Strafrahmenwechsel eine Verschärfung des Spektrums zulässiger Strafen vollzieht. Der Richter hat den konkreten Fall anhand einer verschärften Strafenskala (dem Sonderstrafrahmen) zu bewerten.65 Mag dies einen stark voneinander abweichenden Unrechtsgehalt aufweisen. Ausführlich dazu Kapitel 3 § 7. Daneben stehen die im Haupttext aufgeführten Funktionen. 59 Vgl. allgemein dazu, dass Tatbeständen mehrere Funktionen zukommen, Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 77, der feststellt, dass diese primär der Festsetzung der Strafbarkeitsvoraussetzungen dienen und erst „in zweiter Linie Anknüpfungspunkte für die Strafzumessung bereithalten“. 60 So jedoch Schröder, in: FS Mezger, S. 415, 421, 423, 428. 61 Insoweit versteht sich hier der Begriff Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne. Daher umfasst im vorliegenden Kontext die Tatbestandsbildung sowohl die Schaffung eines Qualifikationstatbestandes als auch die Schaffung einer Regelbeispiels-Strafnorm. Letztlich geht es um die gesetzgeberische Tätigkeit, bei der bestimmte Verwirklichungsformen eines Deliktes herausgegriffen werden und (im Besonderen Teil des StGB) in einer vom Grundtatbestand getrennten Strafnorm (wobei auch die Fassung in einem neuen Absatz bzw. neuem (Halb-)Satz genügt) zusammengefasst und mit einem Sonderstrafrahmen versehen werden. 62 Ebenso ablehnend Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 76. 63 Vgl. allgemein dazu, dass Tatbeständen mehrere Funktionen zukommen, Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 77. 64 Anders liegt es nur, wenn die im Sonderstrafrahmen vorgesehene Mindeststrafe der des Regelstrafrahmens entspricht. 65 Dies als Funktion des Sonderstrafrahmens aufzeigend Horn, in: SK-StGB [35. Lfg. Januar 2001], § 46 Rn. 58. Siehe auch Horn, in: GS Kaufmann, S. 573, 584, nach dem der Sonderstrafrahmen die „[…] wichtige (und – wenn man es richtig macht – auch höchst praktische) Funktion [hat] […] die Maßstäbe des Normalstrafrahmens zu verschieben; er „wirkt“ also auch dann, wenn die Strafe für den Einbruch im Regeldiebstahls-Rahmen fest-
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zwar – anders als die Anhebung der Mindeststrafe – nicht unmittelbare Auswirkungen zeitigen, so ist es dennoch von maßgeblicher Bedeutung für die richterliche Strafzumessungstätigkeit im Einzelfall, weil sich die Bewertung der einzelnen Straftat insoweit auf einer verschärften Ebene vollzieht. Auch aus diesem Blickwinkel kommt dem gesetzlich festgelegten Strafrahmenwechsel Vorgabenwirkung hinsichtlich der richterlichen Strafzumessungstätigkeit zu, wenngleich sich dieser Aspekt nur indirekt auf die Festlegung der konkreten Strafe auswirkt. Letztlich dient die Schaffung einer „aufgesetzten“ Strafnorm auch der (verfassungsrechtlich erforderlichen) Strafrahmenabstufung.66 Hierbei geht es auch um die Schaffung der Möglichkeit zur Verhängung einer höheren Strafe, d. h. einer Strafe, die über dem Höchstmaß des grunddeliktischen Strafrahmens liegt. Insoweit dienen die Komplementärnormen (aus objektiver Sicht67) auch dazu, dem Richter den Strafenbereich jenseits des grunddeliktischen Strafrahmens zu eröffnen, diesen (scil. den Richter) mithin dazu zu ermächtigen, eine oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegende Strafe zu verhängen. 4. Nichtvereitelung a) Grundsätzliche Nichtvereitelung Betrachtet man diese verschiedenen Zwecke, so erkennt man, dass diese durch eine Teilnichtigkeitserklärung (mithin die Kappung des Sonderstrafrahmens bei einem Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe) nicht vereitelt werden. Kupiert man den Strafrahmen, so bleibt dennoch eine eigenständige Strafnorm (bestehend aus einer Unrechtsbeschreibung im Voraussetzungsbereich und einem Sonderstrafrahmen) bestehen, sodass die entsprechende Verwirklichungsform weiterhin im Gesetzestext hervorgehoben wird. Handelt es sich um ein qualifiziertes Delikt, so bleibt der damit verbundene besondere Vorwurf im Falle der Verurteilung weiterhin bestehen. Denn unabhängig von der Ausgestaltung und der Reichweite des Strafrahmens bleibt die Einordnung als qualifiziertes Delikt und damit die besondere Erwähnung im Schuldspruch bestehen. gesetzt wird.“. Nicht zu folgen ist jedoch den Ausführungen Horns, dass die „besonders schweren Fälle“ qualitativ abzuschichten seien. 66 Eingehend zur verfassungsrechtlich erforderlichen Strafrahmenabstufung Kapitel 3 § 7. 67 Dies ist freilich nicht zu verwechseln mit der subjektiven Zwecksetzung des Gesetzgebers, welche im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer verfassungskonformen Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Mangels eindeutiger Belege in den Gesetzesmaterialen konnte eine entsprechende subjektive gesetzgeberische Zwecksetzung nicht ermittelt werden. Gleichwohl kann an dieser Stelle der Untersuchung ein entsprechender objektiver Gesetzeszweck – was im vorliegenden Zusammenhang (Frage nach der Teilnichtigkeit von Komplementärnormen mit überweitem Strafrahmen) von Bedeutung ist – ausgemacht werden, da dieser eine eindeutige Verlautbarung des Gesetzgebers nicht voraussetzt. Hierin spiegeln sich die unterschiedlichen Grenzen für die verfassungskonforme Rechtsfortbildung einerseits und die Teilnichtigkeitserklärung andererseits wider.
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Auch die Funktion als antizipierte Strafzumessungsregel wird in aller Regel nicht tangiert. Da die Teilnichtigkeitserklärung lediglich den oberen Teil des Strafrahmens betrifft, bleibt die Untergrenze des Sonderstrafrahmens unberührt. Der Ausschluss bestimmter Freiheitsstrafwerte (nämlich derjenigen, die zwischen dem Mindestmaß des grunddeliktischen Strafrahmens und dem Mindestmaß des Sonderstrafrahmens liegen) bleibt erhalten. Selbiges gilt für einen ggf. vorliegenden Ausschluss der Geldstrafenverhängung. Soweit der Sonderstrafrahmen entweder (im Vergleich zum grunddeliktischen Regelstrafrahmen) eine Erhöhung der Mindeststrafe enthält und/ oder die im Grundtatbestand vorgesehene Möglichkeit der Geldstrafenverhängung in der Strafandrohung der „aufgesetzten“ Strafnorm ausgeschlossen wird, enthält der Sonderstrafrahmen eine verbindliche Vorbestimmung der richterlichen Strafzumessungstätigkeit. Diese Vorgaben folgen aus der Anhebung der Mindeststrafe, d. h. sie sind in ihrem Ursprung beim unteren Ende des Strafrahmens zu verorten.68 Es ergeben sich (bei einer entsprechenden Teilnichtigkeitserklärung des Strafrahmens) demzufolge keine Änderungen in Hinblick auf die gesetzlich festgelegten (direkt wirkenden) Einschränkungen der richterlichen Strafzumessungstätigkeit, da die Teilnichtigkeitserklärung zur Kappung des Strafrahmens führt und damit lediglich das obere Ende des Strafrahmens tangiert. Diese (scil. die gesetzlichen Einschränkungen der richterlichen Strafzumessungstätigkeit) bleiben daher vollumfänglich bestehen. Folglich wird auch dieser Sinn einer solchen Strafnorm nicht vereitelt. Selbiges ist in Hinblick auf den Gesichtspunkt der Schärfung der Strafenskala zu konstatieren. Die Vorgabenwirkung der gesetzlichen Anordnung des Strafrahmenwechsels für die richterliche Strafzumessung bleibt auch bei einer Teilnichtigkeitserklärung erhalten. Auch die letzte Funktion – Eröffnung des oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegenden Strafbereichs – wird in aller Regel nicht entscheidend bzw. vollends vereitelt. Findet eine Reduktion des Strafrahmens auf den Strafwert 6 Jahre Freiheitsstrafe statt, so liegt die Strafrahmenobergrenze in aller Regel dennoch über der angedrohten Höchststrafe des Grunddelikts. Blickt man in das StGB so zeigt sich nämlich, dass die entsprechenden grunddeliktischen Strafrahmen meist bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsehen,69 teilweise auch bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe70. In 68
Damit ist zugleich nachgewiesen, dass die Argumentation von Noll, Gesetzgebungslehre, S. 266 f., nicht verfängt. Nach diesem resultiert aus der Überschneidung von Regel- und Sonderstrafrahmen eine „Entwertung“ der Differenzierung im Voraussetzungsbereich, insoweit ist nach seiner Ansicht eine „Kasuistik verbunden mit unbestimmten Rechtsfolgen – z. B. im Strafrecht mit weiten Strafrahmen – […] überflüssig […].“. Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass eine Strafschärfung bereits mit dem Wechsel zur höheren Mindeststrafe eintritt. Da dies regelmäßig Folge des Wechsels vom Regel- zum Sonderstrafrahmen ist, kann die Berechtigung der deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung nicht in Zweifel gezogen werden. Trotz einer Überschneidung der beiden Strafrahmen hat die Komplementärnorm damit ihre Berechtigung, sodass eine Entwertung bzw. eine Überflüssigkeit von Komplementärnormen nicht anzunehmen ist. 69 So bspw. § 121 Abs. 1 StGB; § 184b Abs. 1 StGB; § 223 Abs. 1 StGB; § 233a Abs. 1 StGB; § 236 Abs. 1 StGB; § 242 Abs. 1 StGB; § 259 Abs. 1 StGB; § 263 Abs. 1 StGB; § 264 Abs. 1 StGB; § 266 Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 1 StGB; § 283 Abs. 1 StGB; § 283d Abs. 1 StGB.
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diesen Fällen, in denen eine Teilnichtigkeitserklärung virulent wird, wird dieser Zweck nicht vereitelt. b) Ausnahme: § 51 Abs. 2 WaffenG Ausnahmsweise anders kann es jedoch sein, wenn der Unterschied zwischen Grunddelikt und „aufgesetzter“ Norm durch die Kappung des Sonderstrafrahmens (nahezu) vollkommen eingeebnet wird. In solchen Fällen kommt es zur (weitgehenden) Egalisierung der Unterschiede zwischen Grunddelikt und Komplementärnorm und daher zur Vereitelung des Gesetzeszwecks. Dies dürfte jedoch nur ausnahmsweise vorkommen, und zwar dann, wenn der Sinn und Zweck der Komplementärnorm primär in der Erhöhung der Strafrahmenobergrenze, mithin in der Eröffnung des oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegenden Strafbereichs, liegt. Dies ist der Fall, wenn der Sonderstrafrahmen im Mindestmaß dem grunddeliktischen Regelstrafrahmen entspricht und der Strafrahmenwechsel einen Ausschluss der Geldstrafenverhängung nicht bewirkt.71 Dann nämlich kommt dem Sonderstrafrahmen bei objektiver Betrachtung nicht die Funktion einer verbindlichen (direkt wirkenden) Vorbestimmung der richterlichen Strafzumessung zu. Wegen des Gleichbleibens der Strafrahmenuntergrenze ist in diesen Fällen mit dem Strafrahmenwechsel eine direkte Determination der richterlichen Strafzumessung nicht verbunden, sodass mit diesen Normen auch keine entsprechende Zwecksetzung verbunden ist. Der (primäre) Sinn und Zweck solcher Normen kann daher nur darin liegen, die Möglichkeit der Verhängung einer höheren (d. h. jenseits des grunddeliktischen Strafrahmens liegenden) Freiheitsstrafe zu eröffnen. Mit den entsprechenden Normen soll dem Richter die Möglichkeit eröffnet werden, in bestimmten Fällen eine oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegende Strafe zu verhängen. Liegt in einer solchen Konstellation die grunddeliktische Strafrahmenobergrenze nahe an der „Kappungsgrenze“ von 6 Jahren Freiheitsstrafe, so wird dieser primäre Sinn und Zweck der „aufgesetzten“ Strafnorm (nämlich Eröffnung des oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegenden Strafbereichs, d. h. Ermächtigung des Richters zur Verhängung einer jenseits des grunddeliktischen Strafrahmens liegenden Strafe) nahezu vereitelt, wenn man den Sonderstrafrahmen, soweit er 6 Jahre Freiheitsstrafe überschreitet, für nichtig erklärt. Denn dann stünde nach der Teilnichtigkeitserklärung neben dem grunddeliktischen Strafrahmen ein (kupierter) Sonderstrafrahmen, der sich vom grunddeliktischen Strafrahmen (insb. in Hinblick 70
So bspw. § 125 Abs. 1 StGB; § 291 Abs. 1 StGB. Insoweit ist vorliegend darauf abzustellen, dass die verfassungsrechtlich unbedenkliche andere Strafrahmenkomponente (Strafrahmenuntergrenze) dem grunddeliktischen Gegenstück entspricht. Vergleichbare Erwägungen finden sich bereits bei Lorenzen, Zur Rechtsnatur und verfassungsrechtlichen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte, S. 137, in Hinblick auf die Teilnichtigkeits-Frage im Falle der Verfassungswidrigkeit der Mindeststrafe bei Übereinstimmung von grunddeliktischer Höchststrafe und Höchststrafe der Qualifikation. 71
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auf die Höchststrafenfestsetzung) nur geringfügig unterscheidet. In diesen Fällen kann der Normzweck mit dem übrig bleibenden Gesetzesteil nicht mehr erreicht werden.72 Denn das Kupieren des Sonderstrafrahmens bewirkt de facto das Entfallen des oberhalb des Grundstrafrahmens liegenden Strafbereichs, sodass dieser durch den Strafrahmenwechsel gerade nicht eröffnet wird. Die Teilnichtigkeit führt daher in diesen Fällen zur Gesamtnichtigkeit der „aufgesetzten“ Strafnorm. Relevant ist dies jedoch lediglich bei § 51 Abs. 2 WaffenG.73 Es kann damit folgendes festgehalten werden: Einer Reduzierung der Strafrahmenobergrenze auf das verfassungsrechtlich zulässige Maß (6 Jahre Freiheitsstrafe) steht – von dem erwähnten Ausnahmefall (§ 51 Abs. 2 WaffenG) abgesehen – der Sinn und Zweck entsprechender Vorschriften nicht entgegen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der reduzierte Strafbereich vollumfänglich im vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafbereich liegt, weshalb im Verhältnis zur Regelung des Gesetzgebers lediglich ein minus und kein aliud vorliegt.74 Darin zeigt sich, dass ein unzulässiger Eingriff in den legislativen Kompetenzbereich (und damit eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes) nicht vorliegt.75 III. Formulierbarkeit Zudem muss auch die letzte Voraussetzung gegeben sein. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Unterschied 72
Vgl. zu dieser Voraussetzung für eine Teilnichtigkeitserklärung Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 60. So auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 42: entscheidend ist, „[…] ob der verfassungsmäßige Teil des Gesetzes noch sinnvoll ist, und zwar in der Linie des ursprünglichen Zieles und Zweckes des Gesetzes.“ [im Original teilweise hervorgehoben]; Stober, JA 1979, 416, 422: Gesamtnichtigkeit nur, „[…] wenn die Auslegung ergibt, daß der übrig bleibende Gesetzesteil gemessen an dem ursprünglichen Ziel und Zweck der Norm kein sinnvolles Gebilde mehr ist.“. Ähnlich Gern, NVwZ 1987, 851, 854: Aufrechterhaltung muss durch „[…] sinnvolle, gesetzeszweckentsprechende, die Eigenart des geregelten Lebenssachverhaltes berücksichtigende Argumentation begründet werden [können] […].“. 73 Sowohl der grunddeliktische Strafrahmen (vgl. § 51 Abs. 1 WaffenG) als auch der Sonderstrafrahmen für besonders schwere Fälle (§ 51 Abs. 2 WaffenG) sehen als Mindeststrafe 1 Jahr Freiheitsstrafe vor. Kürzt man den Sonderstrafrahmen auf einen Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe, so wird der Unterschied zum grunddeliktischen Strafrahmen (der ein Höchstmaß von 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht) nahezu eingeebnet. Der Zweck der Erhöhung der Strafrahmenobergrenze wird dadurch quasi vereitelt. Daher ist in diesem Fall von einer bloßen Teilnichtigkeitserklärung abzusehen. 74 Insoweit darf nämlich „[…] durch die Streichung eines Passus [nicht] etwas ganz anderes aus dem Gesetz [werden] […]“, Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 43. Die qualitative Teilnichtigkeitserklärung darf also lediglich zu einem „minus“ im Verhältnis zur Ausgangsnorm führen, nicht hingegen zu einem „aliud“, so Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 78 Rn. 19. 75 Eingehend zum Problem der drohenden Vermischung der verschiedenen Gewalten Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 72 ff.
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zwischen nichtigem und gültigem Teil auch formulierbar sein muss.76 Insoweit ist es erforderlich, dass beide Teile justitiabel voneinander abgegrenzt werden können.77 Dies wird vorliegend dadurch gewährleistet, dass als Strafrahmenobergenze der maximal zulässige Strafwert (6 Jahre Freiheitsstrafe) herangezogen wird. Es lässt sich daher folgendes formulieren: „Die Strafnorm ist verfassungswidrig, soweit sie eine Strafandrohung von mehr als 6 Jahren Freiheitststrafe vorsieht“. Damit ist eindeutig beschrieben, welcher Teil der Norm verfassungswidrig (und damit nichtig) ist.78
C. Ergebnis: Teilnichtigkeit von Sonderstrafrahmen Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Teilnichtigkeit (Nichtigkeit der Strafrahmenobergrenze bzw. genauer: Nichtigkeit der „Einzelstrafandrohungen“, die über dem Strafwert 6 Jahre Freiheitsstrafe liegen) nicht zur Gesamtnichtigkeit der entsprechenden Strafnorm führt.79 Wenn ein (Sonder-)Strafrahmen also bei einer Strafrahmenuntergrenze von unter einem Jahr Freiheitstrafe eine Strafrahmenobergrenze von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, ist die Strafrahmenobergrenze (um den aus dem Schuldgrundsatz fließenden verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge zu tun) auf 6 Jahre Freiheitsstrafe zu reduzieren.80 Aufgrund des Normverwerfungsmonopols81 des Bun76 So die Feststellung von Kreutzberger, Gesetzlich nicht geregelte Entscheidungsvarianten, S. 68. 77 Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 70 Rn. 115; vgl. auch BVerfGE 21, 12, 39 f.; ähnlich auch Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 239 f., die darüber hinaus fordert, dass „[…] die Erklärung selbst, also die Entscheidungsformel, derart klar sein [muss], dass sie sich am verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgebot messen lassen kann.“ (Schweitzer, a.a.O., S. 240). 78 Aufgrund der präzisen Formulierung liegt auch keine Unbestimmtheit der Strafandrohung vor. 79 Entsprechendes stellt Lorenzen für den Fall der Verfassungswidrigkeit der Mindeststrafe (Strafrahmenuntergrenze) fest, siehe Lorenzen, Zur Rechtsnatur und verfassungsrechtlichen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte, S. 138, 158 f.; vgl. auch Graßhof, Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen, S. 301, der für den Fall des Vorliegens einer Skala im Rechtsfolgenbereich die Möglichkeit einer Teilnichtigkeitserklärung wohl bejaht. 80 Die verfassungskonforme Reduktion eines Strafrahmens wird in der strafrechtswissenschaftlichen Literatur bereits an anderer Stelle vorgeschlagen. So soll der durch § 83a StGB eröffnete (über-)weite Strafrahmen, aufgrund der Bedenken bzgl. der Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, dahingehend eingeschränkt werden, dass bei wirksamem Rücktritt weder die Höchststrafe noch eine dieser nahe kommende Strafe verhängt werden darf; siehe Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 83a Rn. 13; zutreffend weist Paeffgen, in: NK-StGB, § 83a Rn. 11 darauf hin, dass es sich hierbei um eine teleologische Reduktion handelt; ebenso Zöller, in: SK-StGB, § 83a Rn. 11. Lediglich den Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot konstatierend Rudolphi/Jäger, in: SK-StGB [Stand: 144. Lfg. August 2014], § 1 Rn. 15. Verfassungsrechtliche Bedenken hat auch Dannecker, in: LK-StGB, § 1 Rn. 236.
576
Kap. 9: Die Gestaltung des Sonderstrafrahmens
desverfassungsgerichts ist es dem Rechtsanwender jedoch verwehrt, diese verfassungsrechtlich gebotene Reduzierung der Strafrahmenobergrenze selbst vorzunehmen.82
§ 26 Zur Teilnichtigkeit von Grunddelikten/-strafrahmen Sollte ein Grundstrafrahmen gegen die herausgearbeiteten Vorgaben des Schuldgrundsatzes verstoßen – hat der Gesetzgeber also bei einem Vergehen eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen, so ist das Grunddelikt in Entsprechung zu dem soeben Gesagtem teilnichtig und der Grundstrafrahmen dementsprechend zu kupieren. Diese Teilnichtigkeits(-serklärung) ist mit dem (objektivierten) Sinn und Zweck eines Grundtatbestandes regelmäßig vereinbar. Der Grundtatbestand dient wie jede Strafvorschrift dem Rechtsgüterschutz.83 Seine Schaffung bewirkt die Strafbarstellung des jeweiligen Verhaltens und kennzeichnet dieses zugleich als besonders verwerfliches menschliches Handeln. Diese Wirkung des Grunddelikts, welche sich auf das „Ob“ der Strafbarkeit bezieht, wird durch die Kappung des Strafrahmens bei 6 Jahren Freiheitsstrafe nicht berührt, weil diese lediglich einen Teil der Rechtsfolgenanordnung, nicht aber den Bestand des Grunddelikts als solchem betrifft. Das Siehe dazu auch Sonnen, in: AK-StGB, § 83a Rn. 9, der jedoch scheinbar Bedenken in Hinblick auf die Zulässigkeit der einschränkenden Anwendung des Strafrahmen hat. 81 Zu diesem Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, § 24 Rn. 753. 82 Entsprechend für das Vorliegen einer verfassungswidrigen Mindeststrafe Lorenzen, Zur Rechtsnatur und verfassungsrechtlichen Problematik der erfolgsqualifizierten Delikte, S. 159. Allgemein zur (ausschließlichen) Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Teilnichtigkeitserklärung Schweitzer, Befristung prinzipaler Normenkontrollverfahren, S. 236. Wohl abweichend Eilsberger, JuS 1970, 321, 325, welcher hinsichtlich der Konstellation einer im Einzelfall schuldunangemessenen (weil zu „hohen“) gesetzlichen Mindeststrafe einen weit reichenden strafrichterlichen Ermessensspielraum bezüglich einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG annimmt. Eilsberger verkennt in seinen Ausführungen, dass es verschiedene (hintereinander geschaltete) Stufen der Bewältigung verfassungsrechtlicher Konfliktlagen gibt, welche jeweils an Voraussetzungen gebunden sind und dadurch (jeweils unterschiedlichen) Grenzen unterliegen. Kann der Richter den Konflikt nicht mittels einer verfassungskonformen Rechtsanwendung lege artis beseitigen, so bleibt nur die Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht, welche sich wiederum auf die Gesamtnorm oder einen Normteil (dann: Teilnichtigkeit) beziehen kann. Ein „freier“ richterlicher Ermessensspielraum dahingehend, welcher Stufe er sich bedienen möchte, besteht insoweit gerade nicht. Sind weder verfassungskonforme Auslegung noch Rechtsfortbildung möglich, so hat der Richter der Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG nachzukommen. Der Richter kann daher gerade nicht zwischen den Rechtsfiguren der einzelnen Stufen wählen und diese nach Belieben „austauschen“ bzw. auf diese nach Belieben „zugreifen“. 83 Siehe nur BVerfGE 120, 224, 239 f.: „Das Strafrecht wird als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung also besonders dringlich ist.“.
§ 26 Zur Teilnichtigkeit von Grunddelikten/-strafrahmen
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jeweilige Verhalten bleibt in demselben Umfang strafbar. Auch eine spürbare Verminderung des Rechtsgüterschutzes dürfte mit der faktischen Begrenzung auf die Höchststrafe von 6 Jahren Freiheitsstrafe nicht einhergehen. Denn mit Blick auf die Ergebnisse verschiedener Forschungsarbeiten wird angenommen, dass die Sanktionsintensität, respektive die Höhe der Strafdrohung, im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Straftatbegehung hat.84 Daher stehen auch präventive Gesichtspunkte grundsätzlich nicht entgegen. Auch wenn man auf die Ermächtigung zur Strafenverhängung fokussiert, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Durch die Kappung des Strafrahmens bei 6 Jahren Freiheitsstrafe wird das „Ob“ der Strafenverhängung nicht tangiert. Lediglich das „Wie“ erfährt eine – jedoch geringfügige – Einschränkung, da mit der Teilnichtigkeitserklärung die Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Jahren ausscheidet. Dies fällt jedoch letztlich nicht ins Gewicht, da die bestehenden Strafrahmen in der gerichtlichen Praxis ohnehin kaum ausgeschöpft werden und der gesetzlich festgelegten Höchststrafe insgesamt eine eher untergeordnete Rolle bei der Strafzumessung der Gerichte zukommt.85 Zudem darf nicht verkannt werden, dass auch eine „faktische“ Höchststrafe von 6 Jahren Freiheitsstrafe genug Spielraum belässt, um auch schwere Fälle der Deliktsverwirklichung auf angemessene Weise zu sanktionieren. Nur ganz ausnahmsweise dürfte eine Teilnichtigkeit bei einem Grunddelikt ausscheiden, nämlich dann, wenn gerade die festgesetzte gesetzliche Höchststrafe im Fokus der Schaffung des Grunddelikts steht und dieses letztlich seinen Sinn aus der Höhe der Strafrahmenobergrenze „speist“. Dies dürfte jedoch eher theoretischer Natur sein und praktisch nicht vorkommen.
84
Siehe dazu Eisenberg, Kriminologie, § 41 Rn. 14 ff., 17. Siehe dazu Götting, Gesetzliche Strafrahmen und Strafzumessungspraxis, S. 180 f., 224 f., 234 f.; der herausgefunden hat, dass (in der richterlichen Praxis) der Mindeststrafenfestsetzung, nicht jedoch der gesetzlich festgesetzten Höchststrafe, eine besondere Bedeutung zukommt. Siehe dazu bereits die Erhebungen bei Exner, Strafzumessungspraxis, S. 75 ff., 81 ff. Siehe auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz, S. 375: Absenkung der Strafrahmen ist möglich, ohne dass dies unmittelbaren Einfluss auf die Praxis der Strafzumessung hätte; Strafrahmen werden so gut wie nie nach oben „ausgereizt“; siehe auch ders., a.a.O., S. 851: gegenwärtig Strafrahmenuntergrenze, nicht Strafrahmenobergrenze für Strafzumessung von besonderer Bedeutung. 85
578
Kap. 9: Die Gestaltung des Sonderstrafrahmens
§ 27 Übersicht: Die Vorgaben des Schuldgrundsatzes – in seiner Ausprägung als Stringenzgebot – bezüglich der Strafrahmengestaltung sowie die Überprüfung von Strafrahmen in Hinblick auf ihre Weite
Grunddelikt Vorgabe des Schuldgrundsatzes (Stringenzgebot)
Gegenstand der Bewertung/ Für die Überprüfung maßgebliche Mindeststrafe
Unbenannter bes. RegelbeispielsQualifikationsschwerer Fall norm tatbestand Kombination einer Strafrahmenuntergrenze von unter einem Jahr Freiheitsstrafe mit einer Strafrahmenobergrenze von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe ist unzulässig86 Nur bei Verbrechen oder diesen angenäherten Regelbeispielsnormen87 (d. h. einer Mindeststrafe von 1 Jahr oder mehr) darf der Strafrahmen in den Bereich über 6 Jahre Freiheitsstrafe reichen GrundstrafGrundstrafrahSonderstrafrahmen einzeln; getrennt von Grundstrafrahmen rahmen men und Sonderstrafrahmen werden „zusammengerechnet“, da einer bloßen (fiktiven) Strafrahmenerweiterung gleichzusetzen88
maßgeblich ist Mindeststrafe im Grundstrafrahmen
86
maßgeblich ist Mindeststrafe im Sonderstrafrahmen
Ausgangspunkt ist dabei: Ein Vergehen darf nicht mit einer Höchststrafdrohung von mehr als 6 Jahren verknüpft werden; für Komplementärnormen gilt – unabhängig davon, ob die jeweilige Komplementärnorm eine Wandlung zu einem Verbrechen überhaupt bewirken kann – im Grundsatz: Wenn die im Sonderstrafrahmen vorgesehene Mindeststrafe unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt, darf die Höchststrafe maximal 6 Jahre Freiheitsstrafe betragen. 87 Dies sind solche Regelbeispielsnormen, bei denen der Gesetzgeber im Sonderstrafrahmen eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe als mehr vorgesehen hat. 88 Entscheidend ist daher, welcher Strafandrohungsbereich sich ergibt, wenn man die grunddeliktische Mindeststrafe und die im Sonderstrafrahmen für die „unbenannten besonders schweren Fälle“ vorgesehene Höchststrafe in die Betrachtung nimmt.
§ 27 Übersicht Grunddelikt Teilnichtigkeit89
Folgerung für den Einsatz der Technik im Rahmen der notwendigen90 Strafrahmenabstufung (vertikale „Auffächerung“ der Deliktsgruppe bei grunddeliktischem Vergehen); Eignung zur Festsetzung einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe für die (besonders) gravierenden Verwirklichungsvarianten eines Vergehensdelikts
89
Ja; Grundstrafrahmen bei 6 Jahren Freiheitsstrafe kupiert
Unbenannter bes. schwerer Fall Ja; Sonderstrafrahmen bei 6 Jahren Freiheitsstrafe kupiert i.E. ungeeignet, da einer bloßen Erweiterung des Grundstrafrahmens gleichzusetzen; Obergrenze des Sonderstrafrahmens kann zulässigerweise niemals weiter als 6 Jahre Freiheitsstrafe reichen (da Mindeststrafe des grunddeliktischen Vergehens maßgeblich)
579 RegelbeispielsQualifikationsnorm tatbestand Ja; Sonderstrafrahmen bei 6 Jahren Freiheitsstrafe kupiert
Im Ausgangspunkt geeignet91; Obergrenze des Sonderstrafrahmens kann zulässigerweise weiter als 6 Jahre Freiheitsstrafe reichen (Voraussetzung: Sonderstrafrahmenuntergrenze mind. 1 Jahr)
Nur zur Abstufung innerhalb Strafbereich bis zu 6 Jahren Freiheitsstrafe geeignet
Wenn Strafrahmen entgegen der o.g. Vorgaben über 6 Jahre Freiheitsstrafe hinausreicht. Dies meint die Konstellation, in welcher die Regelungsalternative der Ausdehnung des grunddeliktischen Strafrahmens nicht besteht, da dies eine Überschreitung der verfassungsrechtlich maximal zulässigen Vergehens – Höchststrafe von 6 Jahren Freiheitsstrafe bedeuten würde. Das liegt dann vor, wenn die Absicht besteht, eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe für die (besonders) gravierenden Verwirklichungsvarianten eines Vergehensdelikts festzusetzen. 91 Weitere Vorgaben ergeben sich freilich – wie umfassend aufgezeigt wurde – mit Blick auf den im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unwertsachverhalt. 90
Kapitel 10
Die Strukturierung einer Deliktsgruppe unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben
Straftatkategorie des Grunddelikts (GD)
Verbrechen
Keine Vorgaben zu beachten, d.h. grundsätzlich sämtliche Gesetzestechniken einsetzbar Ausnahme (nur QTB): exorbitanter Sanktionssprung
Vergehen
Obergrenze des geplanten Sonderstrafrahmens oberhalb 6 Jahren Freiheitsstr.
Obergrenze des geplanten Sonderstrafrahmens weniger/gleich 6 Jahren Freiheitsstr.
Nur Regelbeispielstechnik (RBspTech) oder Qualifikationstatbestand (QTB) zulässig;
grundsätzlich sämtliche Gesetzestechniken einsetzbar
Ausnahmen (nur QTB zulässig): exorbitanter Sanktionssprung; GD im Mindestmaß nicht erhöht und Sonderstrafrahmen bis 15 Jahre Freiheitsstr.
Ausnahme (nur QTB zulässig): exorbitanter Sanktionssprung
Unrechtsbeschreibung im Voraussetzungsbereich
Neuer, dem GD wesensverschiedener Unwerttypus
?
Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus
Im Zweifel QTB Nur QTB zulässig
QTB und RBspTech zulässig; Bei QTB ggf. Ausschlussregelung notwendig
Kap. 10: Die Strukturierung einer Deliktsgruppe
581
Die Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken im Rahmen der deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung bei grunddeliktischem Vergehen Unbenannte besonders schwere Fälle
Zulässig: Bei Einsatz im Rahmen von Strafrahmenabstufungen innerhalb des Strafenbereiches bis 6 Jahren Freiheitsstrafe. Unzulässig: *
*
Regelbeispielstechnik
Bei Einsatz im Rahmen „notwendiger“ Strafrahmenabstufungen, d. h. beabsichtigter Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb von 6 Jahren Freiheitsstrafe.1 Bei Schaffung eines exorbitanten Sanktionssprungs.
Zulässig: *
*
Zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung;2 d. h. Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb von 6 Jahren Freiheitsstrafe; jedoch muss Sonderstrafrahmen selbst den Anforderungen des Schuldgrundsatzes an die Strafrahmenweite genügen.3 Wenn in den Regelbeispielen eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus umschrieben wird.
Unzulässig: *
Wenn der Sonderstrafrahmen in der Regelbeispielsnorm eine Höchststrafenandrohung von 15 Jahren Freiheitsstrafe (oder sogar lebenslange Freiheitsstrafe) vorsieht und das Grunddelikt im Mindestmaß nicht erhöht ist.
1 Dies bedeutet letztlich, dass unbenannte besonders schwere Fälle nur dann zum Einsatz kommen können, wenn und soweit der Gesetzgeber von der Schaffung einer Komplementärnorm absehen und stattdessen zulässigerweise eine Ausdehnung des grunddeliktischen Strafrahmens vornehmen könnte. Ist das Grunddlikt ein Vergehen ist dies nur dann der Fall, wenn die ins Auge gefasste Höchststrafenandrohung den Wert von 6 Jahren Freiheitsstrafe nicht überschreitet. 2 Erst Recht kann die Regelbeispielstechnik eingesetzt werden, um eine Strafrahmenabstufung innerhalb des Strafenbereichs bis zu 6 Jahren Freiheitsstrafe vorzunehmen. 3 Daher gilt: Soll im Sonderstrafrahmen eine Höchststrafenandrohung von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen werden, so muss im Sonderstrafrahmen zugleich eine Mindeststrafe von 1 Jahr oder mehr festgesetzt werden.
582
Kap. 10: Die Strukturierung einer Deliktsgruppe
*
*
Qualifikationstatbestand
Bei Schaffung eines exorbitanten Sanktionssprungs. Wenn in den Regelbeispielen ein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus umschrieben wird.
Zulässig: *
*
*
*
Wenn ein Grunddelikt, dessen Strafandrohung im Mindestmaß nicht erhöht ist, durch eine Komplementärnorm ergänzt werden soll, deren Sonderstrafrahmen bis zur höchstzulässigen zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren (oder sogar lebenslanger Freiheitsstr.) reichen soll. Bei Schaffung eines exorbitanten Sanktionssprungs. Wenn in den strafrahmenschärfenden Merkmalen ein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus umschrieben wird. Wenn in den strafrahmenschärfenden Merkmalen eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus umschrieben wird (ggf. Ausschlussregelung notwendig).
Kapitel 11
Zusammenfassung 1.
Es ist (mittlerweile) common sense, dass der Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) den Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Rechtsfolgenandrohung in Form von Strafrahmen fassen. Im Lichte des Schuldgrundsatzes hat der Gesetzgeber den, in den einzelnen Straftatbeständen umschriebenen, Unwertsachverhalten eine angemessene Strafandrohung zuzuordnen (Teilprinzip des Gebots schuldangemessenen Strafens). Bei vielgestaltigen Delikten (scil. Delikten, die mit extrem unterschiedlichen (Unrechts-/Schuld-)Schweregraden verwirklicht werden können) führt dies zu einem Spannungsverhältnis zwischen beiden Grundsätzen. a) Während der Schuldgrundsatz für eine tendenziell weite Ausgestaltung des Strafrahmens streitet, um allen Verwirklichungsvarianten bereits auf Normebene eine schuldangemessene Strafe zuzuordnen, mahnt das Bestimmtheitsgebot eine enge Strafrahmenfassung an, um dem Gebot der Bestimmtheit auf Rechtsfolgenebene (bestmöglich) Geltung zu verschaffen. b) Eine Verschärfung erfährt dieser verfassungsrechtlich induzierte Zielkonflikt, wenn man die Anforderungen dieser beiden Gebote an die Strafrahmenweite fortentwickelt bzw. konkretisiert.
2.
Für Vergehen darf der Gesetzgeber allenfalls (d. h. maximal) eine Höchststrafe von 6 Jahren Freiheitsstrafe festsetzen. Dies gebietet das aus dem Schuldgrundsatz ableitbare Stringenzgebot. Auch dem Bestimmtheitsgebot lassen sich hinsichtlich der Ausgestaltung der Strafrahmenweite konkretere Vorgaben entnehmen als bislang angenommen, obgleich diese nicht an die des Stringenzgebots heranreichen. Bestimmtheitsgrundsatz und Schuldgrundsatz (in der Ausprägung des Stringenzgebots) stellen unterschiedlich strenge Anforderungen an die Ausgestaltung der Rechtsfolge, insb. die Strafrahmenweite. Beide haben dieselbe Zielrichtung und streiten für eine enge Ausgestaltung von Strafrahmen. a) Mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) unvereinbar ist es, einen Strafrahmen im Besonderen Teil des StGB so zu fassen, dass Strafrahmenuntergrenze und Strafrahmenobergrenze deckungsgleich mit den äußersten Grenzen zulässiger zeitiger Freiheitsstrafen sind. Die im Besonderen Teil des StGB enthaltenen Strafrahmen dürfen damit den (im Allgemeinen Teil des StGB festgelegten) gesamten Bereich zeitiger Freiheitsstrafen nicht ausschreiten, d. h. dürfen nicht deckungsgleich mit diesem sein. Begründet
584
Kap. 11: Zusammenfassung
werden kann dies mit Blick auf die Struktur des StGB (Einteilung in Allgemeiner Teil und Besonderer Teil), welche sich auch im Bereich der Rechtsfolgenregelungen widerspiegelt und die Konkretisierungsfunktion von Strafrahmen offenbart. b) Ausgehend davon lassen sich die im Besonderen Teil des StGB enthaltenen Strafrahmen mit Blick auf ihre Weite am Maßstab des Bestimmtheitsgebots (über-)prüfen. Bildet der Gesetzgeber Normen für unbenannte besonders schwere Fälle oder ergänzt er die grunddeliktischen Normen durch eine mittels der Regelbeispielsmethode geformte Vorschrift, so sind diese mit Blick auf die Vorgaben des Bestimmtheitsgebots als strafrahmenerweiternd zu qualifizieren, sodass der fiktive Gesamtstrafrahmen (welcher von der grunddeliktischen Mindeststrafe bis zur in der Komplementärnorm vorgesehenen Höchststrafe reicht) Gegenstand der Prüfung der Einhaltung der Anforderungen des Bestimmtheitsgebots ist. Begründung findet dies in der zentralen (Teil-)Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes, im Bereich des Strafrechts Vorhersehbarkeit für den Bürger zu gewährleisten. Diese verlangt bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes des Art. 103 Abs. 2 GG eine laienorientierte Betrachtung, welche auch im Bereich der Überprüfung der Bestimmtheit von Rechtsfolgenanordnungen zu gelten hat. Da jedoch ein juristischer Laie die Abgrenzung zwischen Grundnorm und solchen1 Komplementärnormen ob ihrer vagen Fassung nicht vornehmen zu vermag, sind diese in diesem Zusammenhang als bloße Strafrahmenausdehnungen zu begreifen. c) Will der Gesetzgeber dem Richter für ein bestimmtes Delikt die gesamte Bandbreite zeitiger Freiheitsstrafen zur Verfügung stellen, so hat er eine Deliktsgruppe auszuformen und innerhalb dieser mindestens eine tatbestandliche Abwandlung (mithin einen Qualifikationstatbestand) zu installieren. Es wäre daher bspw. aus Sicht des Art. 103 Abs. 2 GG nicht möglich, unter Beibehaltung der derzeitigen Rechtsfolgenanordnungen die schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) in eine Regelbeispielsnorm umzuwandeln. 3.
Für die mit der Strafrahmenschaffung verbundene Bewertungstätigkeit des Gesetzgebers gibt der Schuldgrundsatz neben der Verpflichtung zur Durchführung einer Bewertung auch die Pflicht vor, sich am jeweils niedergelegten Unwerttypus zu orientieren. Daraus resultiert das gestufte Strafrahmensystem.
4.
Daneben gebietet es der Schuldgrundsatz, dass sich aus dem Strafrahmen eine erkennbare gesetzgeberische Bewertung des im Voraussetzungsbereich umschriebenen Unwertsachverhalts (des jeweiligen Unwerttypus) entnehmen lässt. Insoweit enthält der Schuldgrundsatz auch Vorgaben in Hinblick auf das Ergebnis der gesetzgeberischen Bewertungstätigkeit. Hieraus lässt sich ein
1 Gemeint sind in diesem Zusammenhang Komplementärnormen, die als unbenannte besonders schwere Fälle oder mittels Verwendung der Regelbeispielsmethode gefasst sind.
Kap. 11: Zusammenfassung
585
Stringenzgebot ableiten, denn eine erkennbare gesetzgeberische Bewertung des Unwertsachverhalts ist (auch) dann nicht vorhanden, wenn die Rechtsfolgenanordnung in sich widersprüchlich ist. 5.
Zur Überprüfung der Stringenz der Unwerttypenbewertung des Gesetzgebers kann auf die wesentlichen, mit der Strafrahmenbildung und -zuordnung verbundenen, gesetzgeberischen Entscheidungen (Ausschluss der Geldstrafenverhängung; Einordnung in die Kategorie Verbrechen oder Vergehen; Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit) zurückgegriffen werden. Diese sind Ausdruck der gesetzgeberischen Bewertung des niedergelegten Unwertsachverhalts und damit geeignete Ansatzpunkte zur Operationalisierung des Stringenzgebots. Das Gebot der innerdeliktischen Stringenz der Rechtsfolgenzuordnung macht es notwendig, dass die Strafrahmengestaltung der Kategoriezuordnung (Verbrechen oder Vergehen) entspricht.
6.
Der Deliktskategorie Vergehen kann eine idealtypische Strafrahmengestaltung zugeordnet werden. Nach dieser muss bei Vergehen die Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle gewährleistet sein. Dies ist die deliktsartspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bei Vergehen. a) Ausgangspunkt ist das Stufensystem des § 56 StGB, welchem mittels Zuhilfenahme einer Projektion der in § 12 StGB enthaltenen Dichotomie der Straftaten entnommen werden kann, dass ihm nicht nur die bloße Unterscheidung nach dem Maß der im konkreten Einzelfall verwirkten Freiheitsstrafe, sondern (indirekt) auch eine Unterscheidung nach Verbrechen und Vergehen zugrundeliegt. Es zeigt sich nämlich, dass die niedrigen Anforderungen der Stufen I und II (Anforderungen an die Strafaussetzung gemäß § 56 Abs. 1 und 3 StGB) fast ausnahmslos bei Vergehen zur Anwendung kommen, da die Grenzziehung zu den wesentlich erhöhten Anforderungen der Stufe III (§ 56 Abs. 2 StGB) fast deckungsgleich zur Unterscheidung zwischen vergehensexklusivem2 und sonstigem Strafenbereich verläuft. b) Aus dieser Überlegung folgt, dass das Gesetz die Deliktskategorie Vergehen in Hinblick auf die Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit privilegiert. Damit diese im Gesetz angelegte Privilegierung nicht konterkariert bzw. sogar faktisch ausgehoben wird, bedarf es einer Fortwirkung und Berücksichtigung bei der Tätigkeit der Strafrahmenfestsetzung/-schaffung. Dies ist überdies aus Gesichtspunkten der Systemgerechtigkeit bzw. der folgerichtigen Gesetzgebung geboten. c) Zur näheren Spezifizierung dieser Grundlagen ist an die Regelfall-Strafandrohung anzuknüpfen, da diese nicht nur die häufigste Erscheinungsform des Delikts betrifft, sondern dadurch auch besonders deutlich ausgewiesen wird, wie der Gesetzgeber den Unwerttypus als solchen, mithin frei von 2
Freiheitsstrafe unter 1 Jahr; vgl. § 12 Abs. 1 und 2 StGB.
586
Kap. 11: Zusammenfassung
besonderen unrechts-/schulderhöhenden oder unrechts-/schuldmindernden Umständen, bewertet. Zudem ist die Regelfall-Strafandrohung, da sie auf den Bezug auf einen bestimmten Fixpunkt verzichtet, ein geeigneter Indikator für die gesetzgeberische Bewertung des Unwerttypus. Denn in ihr kommen sowohl Mindest- als auch Höchststrafenfestsetzung zur Geltung. Um diesen Ansatz weiter zu entfalten, insbesondere um die Grenzen zulässiger Strafrahmenreichweite konkret zu „beziffern“, bedarf es zunächst eines Blickes darauf, welcher Bereich gesetzlicher Sanktionsandrohungen den Regelfällen (mithin den Fällen der regelmäßigen Deliktsverwirklichung) zuzuordnen ist. d) Das untere Drittel des Strafrahmens ist entsprechend bzw. in Übereinstimmung mit den Stimmen aus Rechtspraxis und Wissenschaft als der den Regelfällen zugeordnete Strafenbereich anzusehen. Diese normative Verortung der regelmäßigen Deliktsverwirklichung dürfte mittlerweile – jedenfalls stillschweigend – eine gesetzgeberische Billigung erfahren haben. Die entsprechende gerichtliche Praxis wurde bereits frühzeitig (in den 1930er Jahren) aufgezeigt sowie mittlerweile wiederholt aufgegriffen und (empirisch) bestätigt. Aufgrund dieser weitreichenden Verbreitung ist von einer Kenntnis des Gesetzgebers von dieser richterlichen Praxis auszugehen, wofür sich auch Anhaltspunkte in einem Gesetzgebungsdokument finden. In der diesbezüglichen gesetzgeberischen Untätigkeit dürfte eine stillschweigende Billigung zu erblicken sein, da angesichts der praktischen Bedeutung dieser Verortung der Regelfälle zu erwarten gewesen wäre, dass der Gesetzgeber bei einer diesbezüglich ablehnenden Haltung eine allgemeine Strafzumessungsregel geschaffen hätte, um dieser gerichtlichen Strafzumessungspraxis die Grundlage zu entziehen. Auch aus einem anderen Gesichtspunkt rechtfertigt sich die Verortung der Regelfälle in das untere Drittel des Strafrahmens: Sie bewirkt, dass auf der Ebene richterlicher Strafzumessung auf nicht mehr zeitgemäße Strafrahmen (bzw. zu hohe Höchststrafenandrohungen) reagiert werden kann und so eine schuldangemessene Bestrafung im Einzelfall sichergestellt wird. Sie ist damit Ausgangspunkt einer praxisgerechten Strafzumessung im engerern Sinne. Zugleich wird durch diese normative Zuordnung der Regelfälle in das untere Drittel des Strafrahmens sichergestellt, dass bestimmte Schutzmechanismen – bpsw. § 47 Abs. 1 StGB, „kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefälle“ – die ihnen zugedachte Wirkung auch praktisch entfalten können. Überdies wird so gewährleistet, dass der obere Bereich der Strafrahmen den (besonders) gravierenden Formen der Deliktsverwirklichung vorbehalten bleibt und deren Bestrafung sich maßgeblich von der Sanktionierung der regelmäßigen Deliktsverwirklichung abhebt. Die Funktion der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe bzw. des oberen Bereichs der Strafrahmen bezieht sich – wie im Rahmen der Schaffung der Rückfall-
Kap. 11: Zusammenfassung
587
vorschrift des § 48 StGB a.F. aufgeführt wurde – insoweit auf die (besonders) gravierenden Deliktsverwirklichungsvarianten und bewirkt, dass auf diese angemessen reagiert werden kann. Für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung haben sie jedoch allenfalls mittelbare Bedeutung. e) Um der gesetzlich angelegten Privilegierung von Vergehen in Hinblick auf die Strafaussetzungsfähigkeit auch im Rahmen der Festlegung von konkreten Strafrahmen Geltung zu verschaffen, muss bei Vergehen grundsätzlich bezüglich aller Regelfälle der Deliktsverwirklichung die Strafaussetzungsmöglichkeit festgeschrieben werden. Die Regelfall-Strafandrohung – welche sich aus der Festlegung von Strafrahmenunter- und Strafrahmenobergrenze ergibt – ist entsprechend auszugestalten. Nur durch die Festlegung dieser deliktsartspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit (totale Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle) wird sichergestellt, dass Vergehen bei abstrakter Betrachtung in Hinblick auf die Strafaussetzungsmöglichkeit nie schlechter gestellt werden als Verbrechen und sich ihre Priviliegerung tatsächlich fortsetzt. f) Aus diesen Überlegungen lässt sich ableiten, dass bei Vergehen maximal eine Strafrahmenobergrenze von 6 Jahren Freiheitsstrafe festsetzt werden darf. Geht man von einem Vergehen mit im Mindestmaß nicht erhöhter Strafdrohung aus, so darf – in Anbetracht dessen, dass eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nur bis zu einer verwirkten Strafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe möglich ist (vgl. § 56 Abs. 2 StGB) – der den Regelfällen zugeordnete Strafenbereich („unteres Drittel“ des Strafrahmens) maximal bis zu einem Strafwert von 2 Jahren reichen. Der Höchststrafenwert von 6 Jahren ergibt sich somit aus einer Verdreifachung des den Regelfällen zugeordneten Oberwertes von 2 Jahren Freiheitsstrafe. g) Auch für den Sonderfall des Vergehens mit im Mindestmaß erhöhter Strafandrohung gilt nichts anderes. Unschädlich ist hierbei, dass bei diesen bereits aufgrund der angehobenen Mindeststrafe die totale Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle entfällt. Dies begründet sich wie folgt: Der Schuldgrundsatz in seiner Ausformung als Stringenzgebot bezüglich der Rechtsfolgenandrohung zielt auf die Verhinderung widersprüchlicher Festsetzungen innerhalb einer Rechtsfolgenanordnung (vorliegend: Widerspruch zwischen Mindeststrafe (Einordnung als Vergehen) und Höchststrafe (keine Einordnung als Vergehen aufgrund Nichtfestsetzung der totalen Aussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle). Wird jedoch die totale Strafaussetzungsfähigkeit sämtlicher Regelfälle nicht durch die Festsetzung der Höchststrafe (und die damit einhergehende Ausdehnung der RegelfallStrafandrohung „nach oben“, d. h. Ausdehnung über den maximal aussetzungsfähigen Strafwert von 2 Jahren Freiheitsstrafe hinaus) verhindert, sondern ist diese bereits in der (Anhebung der) Mindeststrafe angelegt, so entsteht kein Widerspruch zwischen Mindest- und Höchststrafenfestset-
588
Kap. 11: Zusammenfassung
zung. Vielmehr ist die Anhebung der Mindeststrafe bis zu einem Strafwert von 11 Monaten 3 Wochen und die damit einhergehende Einengung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bereits im Gesetz selbst als vergehensspezifisch angelegt (vgl. § 12 Abs. 2 StGB). In dieser Konstellation ist die Zweckrichtung des Stringenzgebots deswegen gar nicht tangiert. Deutlich wird dies an folgender Kontrollüberlegung: Würde man auch bei solchen Vergehen bedingungslos am Gebot der totalen Aussetzungsfähigkeit festhalten, so hätte dies die widersinnige Konsequenz, dass der Gesetzgeber entsprechend des Maßes der Anhebung der Mindeststrafe die Höchststrafdrohung absenken müsste. Dies jedoch würde die Anforderungen vollends überspitzen. 7.
Durch das im Schuldgrundsatz enthaltene Stringenzgebot erhält ein Systembruch (Fehlen einer Fortsetzung der grundsätzlichen, im Gesetz angelegten, Privilegierung der Deliktskategorie Vergehen bei der Strafrahmenausgestaltung) eine verfassungsrechtliche Dimension. Das Stringenzgebot gebietet es, Vergehen einen idealtypischen Strafrahmen zuzuordnen. Tut dies der Gesetzgeber nicht, so führt dies nicht nur zum Systembruch, mithin zu einem Mangel an Folgerichtigkeit, sondern auch zu einem Verstoß gegen den Schuldgrundsatz (in der Ausformung des Stringenzgebots). Denn bei einem solchen Strafrahmen, welcher für ein Vergehen eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, widersprechen sich die (durch die Festsetzung der Strafrahmenuntergrenze erfolgende) Einordnung als Vergehen und die Höchststrafenfestsetzung, weil letztere (im Gegensatz zu ersterer) nicht auf eine Einordnung bzw. Bewertung als Vergehen, sondern (da sie gerade das Bestehen der vergehensspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit verhindert) auf die Einordnung bzw. Bewertung als Verbrechen hinweist. Wegen dieser inneren Widersprüchlichkeit des Strafrahmens vermag dieser eine erkennbare gesetzgeberische Bewertung des niedergelegten Unwerttypus nicht zu vermitteln.
8.
Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass der Gesetzgeber, wenn er ein Delikt als Vergehen einordnet, diesem maximal eine Höchststrafe von 6 Jahren Freiheitsstrafe zuordnen darf. Unter Geltung des Schuldgrundsatzes darf daher für Vergehen der Strafrahmen allenfalls bis zu einem Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe reichen. Setzt der Gesetzgeber bei einem Vergehen eine höhere Freiheitsstrafenandrohung fest, so verstößt er gegen den Schuldgrundsatz in der hier entwickelten Ausprägung (Stringenzgebot).
9.
In Hinblick auf den Umgang mit Vergehenstatbeständen, welche eine höhere Höchststrafenfestsetzung enthalten (deren Strafrahmen also über 6 Jahre Freiheitsstrafe hinaus reicht), gilt das folgende. Bei solchen verfassungswidrigen – weil zu weit geratenen – Vergehensstrafrahmen kommt zum einen die Teilnichtigkeitserklärung in Betracht, durch welche der gesetzliche Strafrahmen letztlich bei einem Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe kupiert wird. Dass die
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Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, wurde in Kapitel 9 aufgezeigt und wird am Ende der Zusammenfassung nochmals verkürzt dargestellt. Alternativ dürfte auch eine bloße Unvereinbarkeitserklärung betroffener Vergehens-Straftatbestände in Betracht kommen. Diese bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungsform sollte vorliegend mit der Anordnung der übergangsweisen Weitergeltung betroffener Vergehens-Straftatbestände verbunden werden, um die Entstehung etwaiger strafrechtlicher Schutzlücken zu verhindern. Dies ist jedoch nur dann hinnehmbar, wenn die Weitergeltung der Strafvorschrift in Bezug auf ihre Rechtsfolgenanordnung auf das gerade noch zulässigen Maß (von 6 Jahren Freiheitsstrafe) beschränkt wird. Eine Bestrafung ist dann nur noch unter Zugrundelegung des entsprechend kupierten Strafrahmens (Höchststrafe 6 Jahre Freiheitsstrafe) zulässig. 10. Hinzuweisen ist darauf, dass dem Stringenzgebot ein einseitiges Schutzkonzept bzw. ein einseitiger Schutzzweck, nämlich die Verhinderung zu weiter Strafrahmen, zu Grunde liegt. Deshalb kann damit eine zu enge Ausgestaltung von Strafrahmen nicht moniert werden. 11. Aufbauend auf dieser Erkenntnis, dass der Gesetzgeber bei Vergehen nicht eine beliebig hohe Höchststrafe festsetzen kann, die Einordnung als Vergehen sich mithin nicht mit einer Strafrahmenobergrenze über dem Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe verträgt, schärft sich der Blick auf die Notwendigkeit von Strafrahmenabstufungen (deliktsgruppeninterner Ausdifferenzierungen). Es konkretisiert sich das bereits erwähnte Spannungsverhältnis zwischen verfassungsrechtlich notwendiger Erkennbarkeit der Unwerttypenbewertung durch entsprechend eng gestaltete Strafrahmen und Erforderlichkeit einer Bereitstellung schuldangemessener Strafandrohungen auch für die schweren Verwirklichungsformen des Delikts. a) Virulent wird die Frage nach der Auflösung dieses Spannungsverhältnisses bei den Delikten, deren regelmäßige Verwirklichungsformen nur mit einem (sehr) geringen Unrechts- und Schuldgehalt verbunden sind, so bspw. die Körperverletzung sowie der Diebstahl, und deren Begehung daher reglmäßig einer nur geringfügigen Bestrafung bedarf. Bei diesen hat einerseits eine Ausgestaltung des Grundelikts als Vergehen zu erfolgen, da ansonsten ob der Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe eine schuldunangemessene Strafandrohung vorliegen würde. Andererseits verbietet das im Schuldgrundsatz verankerte Stringenzgebot dann jedoch die Festlegung einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe, obwohl ein Bedürfnis für die Eröffnung der Möglichkeit zur Verhängung entsprechender Strafen in Hinblick auf die Fälle der schweren Verwirklichungsformen (u. a. Fallkonstellationen der schweren Körperverletzung bzw. Wohnungseinbruchsdiebstahl) durchaus besteht. b) In diesen Fällen bedarf es einer Strafrahmenabstufung, mithin einer gesetzlichen deliktsgruppeninternen Ausdifferenzierung. Neben das Grund-
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delikt, welches als Vergehen auszustalten ist, ist eine Komplementärnorm mit Sonderstrafrahmen zu setzen. Hierbei hat eine Strafrahmenabstufung „nach oben“ zu erfolgen. Eine Strafrahmenabstufung „nach unten“, mithin die Kombination von grunddeliktischem Verbrechenstatbestand und Sonderstrafrahmen für „minder schwere Fälle“ stellt keine Alternative dar, weil einer solchen Regelung nicht nur die sachgerechte Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge abgehen würde, sondern ihr darüber hinaus ein gestörtes Regel-Ausnahmen-Verhältnis innewohnen würde. Überdies läge möglicherweise sogar eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor. 12. In Hinblick auf die Durchführung dieser notwendigen Strafrahmenabstufung kann sich der Gesetzgeber zulässigerweise nur der Regelungstechnik des qualifizierten Delikts sowie der Regelbeispielstechnik bedienen. Nicht zielführend ist in den Fällen der notwendigen Strafrahmenabstufung die Schaffung einer Komplementärnorm für unbenannte besonders schwere Fälle, da diese der bloßen Erweiterung des grunddeliktischen Strafrahmens gleichzusetzen ist. De Facto handelt es sich bei der Schaffung einer entsprechenden Komplementärnorm (unbenannte besonders schwere Fälle) daher nicht um eine Strafrahmenabstufung, sodass sich die Zulässigkeit entsprechender Konstellationen in Hinblick auf die Vorgaben des dem Schuldgrundsatz innewohnenden Stringenzgebots – analog der Überprüfung am Maßstab des Bestimmtheitsgebots – nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer entsprechenden fiktiven Regelstrafrahmenerweiterung bemisst. Damit ist die Beifügung einer Norm für unbenannte besonders schwere Fälle an ein (grunddeliktisches) Vergehen dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn ihr Strafrahmen über den Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe hinausreicht. Will der Gesetzgeber für die (besonders) gravierenden Deliktsverwirklichungsvarianten eines Vergehens eine Strafandrohung von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsehen, so ist die Verwendung der Regelungsform der unbenannten besonders schweren Fälle im Ergebnis ungeeignet, da der Sonderstrafrahmen (für die „unbenannten besonders schweren Fälle“) zulässigerweise niemals über 6 Jahre Freiheitsstrafe hinausreichen kann. a) Bei letzterer Regelungstechnik (scil. bei den Normen der unbenannten besonders schweren Fälle) steht – anders als bei den anderen beiden genannten (Regelbeispielstechnik und Qualifikationstatbestand) – der Strafrahmenabstufung keine Entsprechung auf Unrechtsseite gegenüber, da sich der Gesetzgeber auf die Wiederholung der allgemeinen Wertgruppe der besonders schweren Fälle beschränkt und eine deliktsorientierte Spezifizierung dieser unterlässt. Hierdurch ergeben sich u. a. Bedenken aus Sicht des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts (Art. 103 Abs. 2 GG) sowie des Gewaltenteilungsgrundsatzes.
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b) Anders hingegen ist die Regelbeispielstechnik zu beurteilen. Bei dieser handelt es sich um ein zulässiges Mittel zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung,3 da sie sich erheblich von der Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle unterscheidet. Mittels der Aufführung der Regelbeispiele präzisiert der Gesetzgeber die allgemeine Wertgruppe der besonders schweren Fälle (zumindest in unvollkommener Weise), grenzt diese – was zwar nicht ohne weiteres (mithin „auf den ersten Blick“) erkennbar, jedoch durch genaue Analyse der Regelbeispielsnorm und deren Mechanik ermittelbar ist – von der Wertgruppe der „Normalfälle“ ab und vollzieht damit eine Abschichtung im Bereich des Unrechts. Zudem setzt er dem richterlichen „Ermessen“ mit solchen Normen deutlich engere Grenzen als bei Verwendung der Regelungstechnik der unbenannten besonders schweren Fälle, was zu einer stärkeren revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit richterlicher Entscheidungen führt. Die Regelbeispielsmethode ist in Hinblick auf die Vorgaben des Stringenzgebots (Schuldgrundsatz) an die Gestaltung der Strafrahmenweite anders zu bewerten als bezüglich der Vorgaben an die Bestimmtheit der Strafandrohung (hier: zulässiges Mittel zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung, dort (103 Abs. 2 GG): kein zulässiges Mittel der notwendigen Strafrahmenabstufung). Dies begründet sich in den divergierenden Grundlagen/-sätzen und Zielrichtungen dieser beiden Verfassungsprinzipien.4 13. Neben den soeben Genannten lassen sich auch anderen Verfassungsgrundsätzen Vorgaben an Gestaltung der Binnengliederung von Deliktsgruppen entnehmen. Insoweit begrenzt der in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Der Gesetzgeber hat sich der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes zu bedienen, wenn er in der Komplementärnorm einen neuen, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensfremden Unwerttypus bildet. Denn in diesen Fällen bedarf es einer verbindlichen (sowie endgültigen) gesetzgeberischen Strafrahmenzuordnung zum umschriebenen Unwertsachverhalt, da dieser neue Unwerttypus in den vorhandenen gesetzlichen Regelungen noch keine gesetzgeberische Bewertung erfahren hat, was jedoch mit Blick auf die „Wesentlichkeitsdoktrin“, 3 Anders ist es – wie ausgeführt – wenn der Bestimmtheitsgrundsatz die Strafrahmenabstufung gebietet. Denn bei diesem spielt die Vorhersehbarkeit aus Bürgersicht eine zentrale Rolle. Eine Regelbeispielsnorm ist aus Sicht eines Laien nicht exakt vom Grunddelikt abzuschichten (mithin besteht keine entsprechende Eindeutigkeit aus Laiensicht, was bereits die weitreichende Diskussion um die Bildung der sonstigen besonders schweren Fälle zeigt), sodass sie in diesem Kontext (also bzgl. einer durch das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG induzierten Notwendigkeit einer Strafrahmenabstufuung) als bloße Strafrahmenausdehnung anzusehen ist. Hierin zeigt sich das „Durchschlagen“ des zentralen Elements der Vorhersehbarkeit aus Bürgersicht. 4 Begründet ist dies darin, dass beim Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG die Vorhersehbarkeit aus Bürgersicht und damit eine laienorientierte Sichtweise eine zentrale Rolle spielt.
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nach welcher der Gesetzgeber sämtliche wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen hat, notwendig ist. Das im Voraussetzungsbereich einer Komplementärnorm umschriebene Unrecht hat damit determinierende Wirkung in Hinblick auf die Auswahl der Regelungstechnik und wirkt damit (mittelbar) als Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. a) Der in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene strenge strafrechtliche Parlamentsvorbehalt macht es erforderlich, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Darunter sind neben den grundrechtswesentlichen Angelegenheiten auch die Leitentscheidungen im jeweiligen Sachbereich zu verstehen. Hinsichtlich dieser Materien besteht ein Delegationsverbot. Nach diesem ist es dem Gesetzgeber untersagt, sich der Entscheidung zu enthalten und diese auf andere staatliche Institutionen zu übertragen. b) Als Leitentscheidung im Bereich des Strafrechts ist die Bewertung von Unwerttypen anzusehen. Erst mit dieser wird ersichtlich, wie der Gesetzgeber den jeweiligen Unwerttypus in Hinblick auf Unrechts- und Schuldschwere abstrakt (auch im Vergleich zu anderen Unwerttypen) bewertet. Sie komplettiert damit die Abbildung eines Unwerttypus im Gesetz. Die Bewertung des Unwerttypus stellt eine zentrale Entscheidung dar, insbesondere weil daran anknüpfend zahlreiche Folgerungen für die Rechtsanwendung abzuleiten sind. Ohne eine gesetzgeberische Bewertung der Unwerttypen stünden diese beziehungslos nebeneinander, was mit Blick auf den Schuldgrundsatz nicht tragbar ist. c) Angesichts dessen, dass die gesetzgeberische Entscheidung über die Strafrahmenzuordnung ob der Struktur der Regelbeispielstechnik (namentlich der bloßen Indizwirkung der Regelbeispiele) bei Regelbeispielsnormen eine Lückenhaftigkeit i.S.e. Fehlens einer Endgültigkeit aufweist, kann die Strafrahmenzuordnung nicht als hinreichende gesetzgeberische Bewertung der in den Regelbeispielen umschriebenen Einzelfaktoren angesehen werden. Denn der Gesetzgeber lässt letztlich den Richter darüber entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen (insoweit enthalten Regelbeispielsnormen keine Leitlinien für die richterliche Entscheidung über das Abweichen von der Indizwirkung) dieser von der Indizwirkung abweicht und damit von der Anwendung des Sonderstrafrahmens absieht. Aufgrund dieses Mangels an Verbindlichkeit (insoweit fehlt es an einer von Seiten des Gesetzgebers geschaffenen zwingenden Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen) kann im Sonderstrafrahmen nicht die (gesetzgeberische) Bewertung der in den Regelbeispielen umschriebenen Unwertsachverhalte erblickt werden. Denn die Letztentscheidung über die Zuordnung des Sonderstrafrahmens trifft nach der Mechanik der Regelbeispiele (Möglichkeit der Widerlegung der Indizwirkung) der Richter. Bei Regelbeispielsnormen liegt daher einzig eine verbindliche Bewertung der allge-
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meinen Wertgruppe der besonders schweren Fälle vor, da insoweit eine hinreichend feste, mithin verbindliche Verknüpfung zwischen Voraussetzungsseite und Strafrahmen gegeben ist. d) Solange in der Regelbeispielsnorm kein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus gebildet wird, ist dies unproblematisch. Denn eine solche bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus spezifiziert lediglich den grunddeliktischen Unwerttypus. Für diesen ist bereits eine gesetzgeberische Bewertung, nämlich in der grunddeliktischen Rechtsfolgenandrohung, existent. e) Anders jedoch liegt es, wenn in der Regelbeispielsnorm ein neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus gebildet wird. Denn für diesen hält das Gesetz noch keine gesetzgeberische Bewertung bereit. Da diese Bewertung – aufgrund des aus Art. 103 Abs. 2 GG abzuleitenden Delegationsverbots – vom Gesetzgeber selbst vorzunehmen ist, verbietet sich in diesen Fällen die Verwendung der Regelbeispielsmethode. Denn mangels Verbindlichkeit der Verknüpfung zwischen Regelbeispielen und Sonderstrafrahmen enthält diese Regelungsform, wie bereits ausgeführt, keine gesetzgeberische Bewertung des im Regelbeispiel umschriebenen neuen Unwerttypus. In diesen Konstellationen hat der Gesetzgeber sich daher der Regelungsform des qualifizierten Delikts zu bedienen. f) Zu den grundrechtswesentlichen (und damit delegationsfeindlichen) Entscheidungen gehört die Entscheidung über die Vorverlagerung des Versuchsbeginns. Folgerichtig ist es daher, den Versuchsbeginn nicht mit dem bloßen Ansetzen zur Verwirklichung eines Regelbeispiels gleichzusetzen. g) Grundrechtswesentlich – und damit zulässigerweise nicht der Regelung mittels Regelbeispielsnorm zugänglich – ist es, wenn die Strafandrohung der Komplementärnorm einen exorbitanten Strafrahmensprung vorsieht. Soll der Sonderstrafrahmen der Komplementärnorm eine derart gravierende Verschiebung der Sanktionsandrohung bewirken, so muss sich der Gesetzgeber der Technik des qualifizierten Delikts bedienen. Mit Blick auf das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist dies der Fall, wenn mit dem Wechsel zum Sonderstrafrahmen die Möglichkeit der Aussetzung der (Vollstreckung der) Strafe zur Bewährung entfällt, der Sonderstrafrahmen – anders als der grunddeliktische Strafrahmen – (erst) im Bereich oberhalb der aussetzungsfähigen Strafen beginnt, also eine Mindeststrafe vom mehr als 2 Jahren vorsieht. Selbiges gilt, wenn mit dem Wechsel zum Sonderstrafrahmen die Möglichkeit der Geldstrafenverhängung entfällt. 14. Mit diesen Erkenntnissen lässt sich die wiederholt vorgebrachte Behauptung widerlegen, dass zwischen qualifiziertem Delikt und Regelbeispielsnorm keine tiefgreifenden Unterschiede bestünden und der Gesetzgeber letztlich frei in der Wahl der Regelungstechnik sei. Vielmehr ermöglicht es die hier entwickelte Ansicht, dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht Vorgaben für die
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Schaffung von Komplementärnormen zu geben. Anders als vereinzelte Stimmen in der Literatur es vertreten, muss hierfür aber nicht eine an der Mechanik der Regelbeispielsnormen vorbei gehende dogmatische Einordnung als Tatbestände erfolgen. Die Kritisierung der Regelbeispielstechnik aus verfassungsrechtlicher Sicht setzt eine solche dogmatische Einordnung ebenso wenig voraus, wie die Einordnung als Strafzumessungsregel von sämtlichen Verfassungsvorgaben entbindet. Regelbeispielsnormen lassen sich daher als Strafzumessungsregeln begreifen, ohne dass damit ein Bereich grenzenlosen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums betreten wird. 15. Wie bereits ausgeführt wurde, ist es in Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verwendung der Regelbeispielsmethode entscheidend, ob ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener Unwerttypus geformt wird oder die bloße Umschreibung einer Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus vorliegt. Diese Abgrenzung kann vereinfachend mittels des Begriffspaars qualitativ-quantitativ dargestellt werden. Entscheidend ist stets eine Gegenüberstellung des im Grunddelikt erfassten Unwerttypus und des in der Komplementärnorm umschriebenen Unwertsachverhalts. Insoweit hat die Prüfung komparativen Charakter. In der Untersuchung wurden zahlreiche Kriterien für die Bestimmung des Vorliegens eines wesensverschiedenen Unwerttypus entwickelt und dargestellt. Anknüpfungspunkt hierfür waren die im Gesetz vorhandenen strafrahmenschärfenden Merkmale bzw. Faktoren. Bei der Prüfung einer konkreten Norm sollte zunächst auf diese Kriterien zurückgegriffen werden (sie dienen als Hilfsmittel zur Konkretisierung der Abgrenzungsformel), wobei jedoch zu beachten ist, dass diese nicht sämtliche Konstellationen erfassen (können). Insoweit ist stets anhand des konkreten Norminhalts zu prüfen, inwieweit die Komplementärnorm einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus abbildet. 16. Die Entwicklung der Kriterien hat gezeigt, dass nicht jedes strafrahmenschärfende Merkmal in eine der beiden Kategorien, quantitative Unrechtssteigerung oder qualitative Unrechtsabwandlung, eingeordnet werden kann. Dies hat zu der Erkenntnis geführt, dass es eine weitere Dimension im System der Komplementärnormen gibt, nämlich die der ambivalenten Komplementärnormen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie, aufgrund der Weite der Fassung ihres Wortlauts, sowohl Fallkonstellationen erfassen, die bloß quantitative Steigerungen des grunddeliktischen Unwerttypus darstellen, als auch solche, die als qualitative Unrechtsabwandlungen (und damit als Abbild neuer Unwerttypen) einzuordnen sind. Exemplarisch dafür kann die in § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB enthaltene Qualifikation des Geheimnisverrats genannt werden. Nach dieser tritt in Form eines qualifizierten Delikts eine Verschärfung des Strafrahmens ein, wenn der Täter in der Absicht gehandelt hat, einen anderen zu schädigen. Der Wortlaut enthält keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Schädigungen bzw. das Betroffensein bestimmter Lebensbereiche. Umfasst sind damit – lässt man die anderen Auslegungsarten außer Betracht – auch solche (intendierten)
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Schädigungen, die das grunddeliktisch bereits erfasste Geheimhaltungsinteresse bzw. dessen Anknüpfungspunkt betreffen: Gründet das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse gerade im potentiell bloßstellenden Charakter einer Information, so ist eine täterseitig intendierte Bloßstellung des Betroffenen nicht auf die Schaffung eines eigenständigen Unwerts bezogen. Andererseits erfasst die Qualifikation bzw. das qualifizierende Merkmal jedoch auch Konstellationen, in denen neben die grunddeliktische Schädigung ein völlig neuer Aspekt in Form der (intendierten) Verletzung eines weiteren/anderen Rechtsguts tritt und dies den Kern des Geschehens bildet. (Verfassungsrechtliche) Fragen werfen die ambivalenten Strafrahmenschärfungsgründe dann auf, wenn sie als Regelbeispiele fungieren. Mit Blick auf die herausgearbeiteten Vorgaben des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts ist die Verwendung der Regelbeispielstechnik dann unzulässig, wenn das ambivalente Merkmal in seinem Kernbereich einen qualitativ anderen Unwerttypus beschreibt, mithin der Kernbereich der Komplementärnorm einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus abbildet. Dies ist der Fall, wenn sich bei einem unbefangenen Blick (mithin augenscheinlich) der in der Komplementärnorm abgebildete Unwertsachverhalt als neuer, wesensverschiedener Unwerttypus darstellt, die Komplementärnorm in ihrem Kernbereich also einen solchen neuen Unwerttypus abbildet. Unbeachtlich ist es dabei jedoch, wenn die Komplementärnorm in ihrem Randbereich bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus erfasst. Entscheidend ist damit die konkrete Regelung, sodass jeweils eine Einzelprüfung veranlasst ist. Als Faustregel kann dabei folgender Maßstab festgehalten werden: Ergibt sich aus der Addition des jeweiligen Regelbeispiels in aller Regel die Transformation in einen neuen, wesensfremden Unwerttypus? Maßgeblich ist hierbei der materiale Kernbereich des jeweiligen Regelbeispiels, weshalb diejenigen Regelbeispiele verfassungsrechtlich unproblematisch sind, die aufgrund ihrer vagen bzw. abstrakten Fassung nur einen wenig greifbaren Kernbereich haben. 17. Die vorangegangenen Erkenntnisse zugrunde gelegt lassen sich zwei Konstellationen ausmachen, bei denen es zu Spannungen zwischen Regelungsform und Regelungsinhalt (materialem Unwertgehalt) kommt (Inkongruenz von Form und Inhalt). Zum einen ist dies der Fall, wenn der Gesetzgeber einen dem Grunddelikt wesensfremden (mithin neuen) Unwerttypus in Form eines Regelbeispiels fasst. Dann nämlich ist ein Verstoß gegen den strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG gegeben. Die im Schrifttum bislang geübte Kritik an dieser Regelungstechnik (scil. der Regelbeispielstechnik) hat deshalb durchaus ihre Berechtigung, wenngleich sie bislang nicht hinreichend verfassungsrechtlich substantiiert gewesen ist. Umgekehrt sind auch diejenigen Normen nicht vollends unproblematisch, in denen der Gesetzgeber eine bloße Modifikation des grundeliktischen Unrechts in Form eines qualifizierten Deliktes fasst. Dann nämlich kann es zumindest in
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Grenzfällen zu Konflikten mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kommen. Beiden Konstellationen gemeinsam ist, dass dem Rechtsanwender – unter Wahrung der Grenzen zulässiger Auslegung und Rechtsfortbildung – Mittel zur Abwendung der Verfassungswidrigkeit zur Verfügung stehen. 18. Enthält eine Regelbeispielsnorm einen neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus, so kann grundsätzlich mittels einer verfassungskonformen Reduktion der (insoweit) fehlerhaften Regelbeispielsnorm deren Aufrechterhaltung erreicht werden. Nach dieser, als verfassungskonforme Rechtsfortbildung einzuordnenden, Reduktion kommt bei Erfüllung des Regelbeispiels (sowie Nichtwiderlegung der damit einhergehenden Indizwirkung) nicht der Sonderstrafrahmen, sondern lediglich der Strafrahmen des Grunddelikts5 zur Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, dass die Untergrenze des Sonderstrafrahmens Sperrwirkung entfaltet, mithin als zwingende Vorgabe für die richterliche Strafzumessung i.e.S. fortwirkt. Der Richter hat hiernach eine Strafe aus dem Bereich zwischen der Untergrenze des Sonderstrafrahmens und der Obergrenze des Grundstrafrahmens auszuwerfen. Mit dieser verfassungskonformen Reduktion gelingt es, den Kern des verfassungsrechtlichen Vorwurfs, welcher letzten Endes im Fehlen einer unbedingten Verknüpfung zwischen Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen liegt, zu beseitigen und zugleich dem gesetzgeberischen Willen weitestmöglich Geltung zu verschaffen, indem die gesetzlich angeordnete Anhebung der Strafrahmenuntergrenze faktisch (nämlich durch die Annahme einer Sperrwirkung der Untergrenze des Sonderstrafrahmens) verwirklicht wird. a) Möglich ist die Durchführung dieser verfassungskonformen Reduktion bei fast allen fehlerhaften Regelbeispielsnormen. Insoweit hat eine eingehende Prüfung gezeigt, dass es sich um eine zulässige Rechtsfortbildung praeter legem handelt. Insbesondere ist sie vereinbar mit dem Gesetzeszweck. Der Zweck von Regelbeispielsnormen ist die Strafschärfung. Die Anhebung der Strafrahmenobergrenze hingegen stellt (in aller Regel – zu den Ausnahmen wird in einem späteren Punkt ausgeführt) keinen eigenständigen Zweck dar, sondern ist lediglich die gesetzestechnische Umsetzung der gesetzgeberischen Zwecksetzung der Strafschärfung. Anders ausgedrückt: die gesetzgeberische Wertentscheidung – auf welche es bei der Auslotung der Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung entscheidend ankommt – umfasst nur die Strafschärfung für Regelbeispielsfälle,6 nicht hingegen die Verschiebung der Strafrahmenobergrenze. Dieser Zweck der Strafschärfung wird durch die entwickelte verfassungskonforme Reduktion nicht vereitelt, da durch die Anerkennung der Sperrwirkung der im Sonderstrafrahmen enthaltenen 5
Mithin der Grundstrafrahmen. Selbstverständlich – ob der Fassung als bloßes Regelbeispiel – vorbehaltlich einer Widerlegung der Indizwirkung. 6
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Mindeststrafe eine faktische Verschiebung des Bereichs möglicher Strafen zu Ungunsten des Täters erfolgt. Insoweit ist dies eine Strafschärfung durch Strafrahmenverengung. b) Nicht möglich ist die Durchführung der verfassungskonformen Reduktion bei solchen Normen, bei denen die Anhebung der Strafrahmenobergrenze (Wechsel von der grunddeliktischen Höchststrafe hin zur Höchststrafe der Regelbeispielsnorm) ausnahmsweise eigenständige Bedeutung hat, mithin der Gesetzgeber mit (der Einfügung) der Regelbeispielsnorm gerade dies7 bezeckt hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der Gesetzgeber diesen Gesetzeszweck hinreichend klar und deutlich kommuniziert hat. Als Anhaltspunkt kann hier ggf. der hypothetische Wille des Gesetzgebers herangezogen werden. In diesen Fällen kann die Regelbeispielsnorm nicht mittels einer verfassungskonformen Reduktion „gerettet“ werden, es bleibt bei der Verfassungswidrigkeit. Von den untersuchten Normen ist dies jedoch nur bei § 300 S. 2 Nr. 2 StGB anzunehmen. c) Dem Rechtsanwender ist es verwehrt, denjenigen Zustand (zwingende Strafrahmenverschiebung aufgrund zwingender Zuordnung des Sonderstrafrahmens)8 herzustellen, der bei korrekter gesetzlicher Ausgestaltung bestünde. Das eigentlich „richtige“ Ergebnis ist mittels Rechtsfortbildung nicht zu erreichen. Ein entsprechender Einwand gegen die hier entwickelte verfassungskonforme Reduktion verfängt daher nicht. Dies lässt sich folgendermaßen begründen: Die mit der Regelbeispielsnorm verbundene Strafrahmenverschiebung kann – da sie gerade den Kernbereich der verfassungsrechtlichen Kritik berührt – mit Blick auf den strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt nicht aufrechterhalten werden. Dies jedoch hat zwingend zur Folge, dass eine Anwendung des Sonderstrafrahmens zu unterbleiben hat. Daneben ist zu bedenken, dass die Herbeiführung einer zwingenden Strafrahmenverschiebung mit den Mitteln der Rechtsfortbildung einen Verstoß gegen das im Strafrecht geltende Verbot der Rechtsfortbildung in malam partem bedeuten würde. Die Erzwingung des eigentlich „richtigen“ Rechtszustandes mittels einer Rechtsfortbildung ist auch deswegen nicht haltbar. d) Auch wenn die entwickelte Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen angesichts des mit ihr verbundenen Gleichbleibens der Strafrahmenobergrenze trotz Regelbeispielsverwirklichung (insoweit ergibt sich die Höchststrafe nach der Reduktion auch in diesem Falle der Regelbeispielserfüllung aus dem grunddeliktischen Strafrahmen) auf den ersten Blick nicht vollends zufriedenstellend erscheinen mag, so bietet sie doch einen Ausweg aus der verfassungsrechtlichen Konfliktlage. Sie bildet damit eine Mög7
Den Austausch der Höchststrafe. Also in der Sache Behandlung der fehlerhaften Regelbeispielsnorm als Qualifikationstatbestand mit zwingender Rechtsfolgenverknüpfung. 8
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lichkeit, um betroffene Regelbeispielsnormen, die ansonsten der Nichtigkeit anheim fallen würden, weiterhin – wenn auch im eingeschränkten Maße – zur Anwendung zu bringen und hat im Gegensatz zur Alternative der Nichtigkeit konstruktiven Charakter. Sie unternimmt es, bestmöglich auf ein fehlerhaftes Gesetz zu reagieren und „repariert“ dieses im Rahmen des verfassungsrechtlich und methodisch Zulässigen. Die verfassungskonforme Reduktion verschafft so dem Gesetzeszweck der Strafschärfung – welcher bei einer Nichtigkeitserklärung und der damit einhergehenden umfassenden Nichtanwendung der betroffenen Regelbeispielsnorm völlig vereitelt werden würde – Geltung. 19. Auf der anderen Seite können sich auch diejenigen Normen als heikel darstellen, bei welchen der Gesetzgeber eine bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus in Form eines qualifizierten Delikts in das StGB eingefügt hat. In Hinblick auf einzelne Normen findet sich in der wissenschaftlichen Erörterung wiederholt dieser Problempunkt, wenngleich dieser nicht unter diesem Topos9 bzw. diesen Begrifflichkeiten diskutiert wird, sondern vielmehr einzelnormbezogen festgestellt wird, dass die Erfüllung der hinzutretenden Tatbestandsmerkmale die Strafrahmenschärfung nicht „trage“. Zwar ist es prinzipiell von der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit umfasst, bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus zu qualifizierten Delikten zu formen, mithin quantitativen Unrechtssteigerungen den Rang qualifizierender Merkmale zuzuweisen. Jedoch hat die vorliegende Untersuchung offengelegt, dass bei solchen Qualifikationstatbeständen – jedenfalls dann, wenn nicht nur das qualifizierende Merkmal erfüllt ist, sondern zudem erhebliche unrechts-/schuldmindernde Umstände (bspw. die Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen) gegeben sind – die Bestrafung aus dem Qualifikationstatbestand gleichheitswidrig sein kann. Daneben können sich (Legitimations-)Fragen in Hinblick auf das Gebot schuldangemessenen Strafens ergeben. Angesichts der Schwierigkeit, verschuldetes Unrecht in ein bestimmtes Strafmaß „umzurechnen“, kann freilich nicht angegeben werden, wann genau der Korridor schuldangemessener Strafen verlassen wird. Insoweit greift das Gebot schuldangemessenen Strafens regelmäßig nur, wenn die (Mindest-)Strafandrohung der Qualifikation deutlich zu „hoch“ gegriffen ist, wenn die Mindeststrafe also offensichtlich schuldunangemessen ist in Hinblick auf den denkbar leichtesten Fall des qualifizierten Delikts. a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gilt auch im Strafrecht. Tatbestandliche Differenzierungen, mithin die Verortung bestimmter Sachverhalte in ein qualifizierendes Delikt, bedürfen daher – da mit ihnen eine ungleiche Behandlung (Anwendung des verschärften Strafrahmens, insb. Wegfall von Strafbereichen durch Verschiebung der Mindeststrafe; verän9
Inkongruenz von Norminhalt und -form.
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derter Schuldspruch, stärkerer sozialethischer Tadel und damit intensiverer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verurteilten) einhergeht – einer Rechtfertigung. In einem auf Schuld basierenden strafrechtlichen System muss die Rechtfertigung schuldbezogen sein, mithin in schuldrelevanten (bzw. unrechtsrelevanten) Faktoren ihren Ursprung haben. Tatbestandliche Differenzierungen (mithin der stärkere Eingriff in die Grundrechte des Verurteilten bei Sachverhalten, die dem qualifizierten Delikt unterfallen) lassen sich durch die (mit der Erfüllung des qualifizierenden Tatbestandsmerkmals einhergehende) erhöhte Unrechts- und Schuldschwere rechtfertigen und sind damit im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Wenn das qualifizierte Delikt zudem einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus erfasst, rechtfertigt auch dies die ungleiche Behandlung, da in diesem Falle zwei völlig unterschiedliche Unwerttypen (grunddeliktischer Unwerttypus einerseits; neuer, im Qualifikationstatbestand erfasster, Unwerttypus andererseits) gegeben sind und die Divergenz zwischen beiden resp. ihre Wesensverschiedenheit die ungleiche Behandlung verfassungsrechtlich „trägt“. Bei Letzterem ist die gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung damit „zweispurig“. Der in der vorliegenden Arbeit herausgearbeiteten Unterscheidung von qualifizierten Delikten nach ihrem materialen Unwertgehalt kommt damit im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes (genauer: der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen aufgrund tatbestandlicher Differenzierungen10) maßgebliche Bedeutung zu, da aus ihr eine Einteilung in „einspurige“ und „zweispurige“ Rechtfertigung folgt. b) Anknüpfungpunkt für die Überprüfung von Qualifikationstatbeständen am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ist die Tatsache, dass dann, wenn das qualifizierende Merkmal lediglich eine bloß quantitative Unrechtssteigerung umschreibt, die soeben aufgeführte grundsätzliche Rechtfertigung der ungleichen Behandlung der Sachverhalte (mit/ohne Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals) lediglich auf der unterschiedlichen Unrechts-/ Schuldschwere beruht. In Fällen, in denen nicht nur das qualifizierende Merkmal gegeben ist, sondern zudem erhebliche unrechts- und/oder schuldmindernde Momente und bei denen aufgrund der kompensierenden Wirkung Letzterer der Unrechts-/Schuldgehalt der Tat nicht über dem der Grunddeliktsverwirklichung liegt, entfällt der rechtfertigende Grund für die ungleiche Behandlung. Eine Bestrafung aus dem qualifizierten Delikt (insb. der intensivere Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Aufnahme der Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes in den Schuldspruch) ist dann – wie eine ausführliche Prüfung gezeigt hat – unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz. Aufgrund der Tangierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist 10 Und damit auch im Bereich der tatbestandsförmigen vertikalen Deliktsgruppenstrukturierung.
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bei der Rechtfertigungsprüfung ein strenger Maßstab anzulegen, weshalb das Vorliegen eines sachlichen Grundes (resp. Nichtvorliegen von Willkür) nicht genügt, sondern (unter Zugrundlegung der sog. neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts) eine an der klassischen Verhältnismäßigkeitsprüfung angelehnte Prüfung (abwägende Gegenüberstellung von Unterschieden und Ungleichbehandlung) zu erfolgen hat. Festzuhalten ist damit, dass zumindest in Einzelfällen, in denen erhebliche unrechts-/schuldmindernde Faktoren vorliegen, eine Bestrafung aus dem qualifizierten Delikt gleichheitswidrig ist. c) Um diesen verfassungsrechtlichen Spannungen Rechnung zu tragen (bzw. eine im Einzelfall drohende gleichheitswidrige Verurteilung zu verhindern), bedarf es im Einzelfall einer negativen Typenkorrektur. Aus der Reichweite der gleichheitsrechtlichen Problematik folgt hierbei eine qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite der Rechtsfigur der negativen Typenkorrektur. Da diese (scil. die negative Typenkorrektur) im vorliegenden Zusammenhang eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung ist, mithin ein Mittel zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustands darstellt, kann sie nur dann Anwendung finden, wenn überhaupt eine verfassungsrechtliche (hier: gleichheitsrechtliche) Problemlage gegeben ist. Eine negative Typenkorrektur kommt daher nur in Betracht, soweit in dem qualifizierten Delikt bloße Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus enthalten sind. Denn nur bezüglich dieser Fallgruppen kann durch die kompensierende Wirkung der unrechts-/schuldmindernden Umstände (mithin die Senkung des Unrechts-/ Schuldgehalts auf grunddeliktischen Niveau) die Rechtfertigung der ungleichen Behandlung (Bestrafung aus dem qualifizierten Delikt) im Einzelfall entfallen. Soweit die Qualifikation hingegen einen neuen, wesensfremden Unwerttypus umschreibt, rechtfertigt bereits die Unterschiedlichkeit der Unwerttypen (grunddeliktischer Unwerttypus einerseits, neuer (vom qualifizierten Delikt) erfasster Unwerttypus andererseits) die Ungleichbehandlung. Insoweit wirkt die Differenzierung zwischen „einspuriger“ und „zweispuriger“ Rechtfertigung konsequenterweise auf der Ebene der verfassungskonformen Rechtsfortbildung fort. Bevor überhaupt über die Durchführung einer negativen Typenkorrektur nachgedacht wird, muss daher zunächst geprüft werden, inwieweit der Anwendungsbereich dieser Rechtsfigur eröffnet ist. Bei ambivalenten Qualifikationstatbeständen muss daher zunächst abgegrenzt werden, ob eine (tatbestandlich erfasste) Fallgruppe vorliegt (bzw. im konkreten Fall verwirklicht ist), die sich nicht als ein neuer, dem grunddeliktischen Unwerttypus wesensverschiedener Unwerttypus darstellt. Die Gesamtheit dieser Fallgruppen gibt die qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite der Rechtsfigur negative Typenkorrektur wieder.
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d) Weiterhin muss geprüft werden, ob der verfassungsgemäße Zustand nicht durch Auslegung erzielt werden kann. Insoweit ist zunächst der Versuch zu unternehmen, die Norm durch vertikal-systematische Auslegung (zu dieser wird im Folgenden noch ausgeführt) einzuschränken. Ist dies nicht möglich, so ist im Einzelfall eine negative Typenkorrektur mit der Folge der Bestrafung aus dem Grunddelikt (Schuldspruch entsprechend dem Grunddelikt sowie die Anwendung des Regelstrafrahmens) in Betracht zu ziehen. e) Die Vornahme einer negativen Typenkorrektur setzt hierbei voraus, dass der konkrete Fall einem neuen, wesensfremden Unwerttypus (bzw. dessen Unrechts-/Schuldgehalt) evident ungleichwertig ist (mithin diesem in evidenter Weise nicht entspricht) und er sich daher nicht entscheidend vom grunddeliktischen Unwertsachverhalt (und dessen Unrechts- sowie Schuldgehalt) abhebt. Soweit vorhanden, können dabei die im Bereich derselben Deliktsgruppe normierten, dem Grunddelikt der Deliktsgruppe wesensfremden, Unwerttypen zur Konkretisierung des Bezugspunktes dienen. Aufgrund der Voraussetzung der Evidenz (welche zur Absicherung der richterlichen Gesetzesbindung geboten ist) ist es erforderlich, dass die Ungleichwertigkeit des konkreten Falles mit dem eines neuen, wesensfremden Unwerttypus offensichtlich, mithin „greifbar“ bzw. besonders auffällig, ist. Je höher die durch die Verwirklichung des qualifizierenden Elements verursachte Unrechtsbzw. Schuldsteigerung (gegenüber der grunddeliktischen Begehungsweise) ist, desto stärker muss die unrechts- bzw. schuldmindernde Wirkung der unrechts-/schuldrelevanten Umstände sein, um das Merkmal der evidenten Ungleichwertigkeit zu erfüllen und ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung (Bestrafung aus dem Sonderstrafrahmen des Qualifikationstabestandes) durch verfassungskonforme Rechtsfortbildung zu rechtfertigen (bzw. in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zwingend erforderlich zu machen). Die eingehende Prüfung hat gezeigt, dass auch in Hinblick auf die negative Typenkorrektur die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung (in aller Regel) gegeben sind und sie deswegen ein zulässiges Mittel richterlicher Rechtsanwendung darstellt. 20. Bei der Bildung von Komplementärnormen sollte der Gesetzgeber angesichts der gewonnenen Erkenntnisse zukünftig Vorsicht walten lassen. Ausgangspunkt sollte stets die Betrachtung des materialen Unwertgehalts der ins Auge gefassten Regelung sein. Erst wenn klar ist, welchen Inhalt die Komplementärnorm auf Voraussetzungsseite haben soll (welchen Unwert sie also verkörpert), kann die „passende“ Regelungstechnik zugeordnet werden.11 Wenn in der Komplementärnorm ein neuer, dem Grunddelikt wesensverschiedener Unwerttypus (mithin qualitativ anderes Unrecht) erfasst werden soll, so hat sich der Gesetzgeber zwingend der Regelungsform des qualifizierten Delikts zu bedienen. 11
Es geht damit u. a. um die Verhinderung einer Form-Inhalt-Inkongruenz.
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Kommt der Unrechtsbeschreibung kein entsprechender materialer Gehalt zu – handelt es sich also lediglich um eine Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus – so steht es dem Gesetzgeber im Ausgangspunkt frei, ob er die legislative Technik des Qualifikationstatbestands oder die Regelbeispielsmethode wählt. Wenn und soweit Unklarheiten über die Einordnung des auf der Voraussetzungsseite zu umschreibenden Unwertgehalts bestehen, sollte der Regelungstechnik des Qualifikationstatbestandes der Vorrang zukommen. Da Qualifikationstatbestände – wie aufgezeigt wurde – wegen ihrer zwingenden Strafrahmenzuordnung in bestimmten Einzelfällen in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie das Gebot schuldangemessener Bestrafung problematisch sein können, ist des weiteren zu ermitteln, inwieweit sich bei der jeweils gegenständlichen (geplanten) Qualifikation eine solche Problemlage (im Einzelfall) ergeben kann. Sollte dies der Fall sein, so hat der Gesetzgeber eine Ausschlussregelung zu ergänzen, nach welcher in bestimmten Konstellationen eine Bestrafung lediglich nach dem grunddeliktischen Rechtsfolgenprogramm zu erfolgen hat. Dieser Ausschluss einer verschärften Bestrafung – im geltenden Recht findet sich ein Vorbild in § 243 Abs. 2 StGB – sollte in einem gesonderten Absatz innerhalb der Qualifikationsvorschrift erfasst werden (komplementärnorminterner Ausschluss). Die Notwendigkeit einer solchen Ausschlussregelung besteht indes nicht, wenn die Qualifikation ausschließlich einen neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypus verkörpert, da die schärfere Bestrafung in diesem Falle stets gerechtfertigt ist und damit eine Situation der Gleichheitswidrigkeit der Bestrafung aus dem verschärften Rechtsfolgenprogramm der Qualifikation von vornherein ausscheidet. 21. Die vorliegende Grundlegung kann daneben – abseits zwingender verfassungsrechtlicher Erfordernisse – für die Auslegung qualifizierter Delikte fruchtbar gemacht werden. Es bietet sich an, Qualifikationstatbestände unter Orientierung am materialen Idealbild (Erfassung von neuen, dem Grunddelikt wesensverschiedenen Unwerttypen) auszulegen. Insoweit ist unter dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit derjenigen Auslegungsvariante der Vorzug zu geben, welche die Fälle bloß quantitativer Unrechtssteigerungen aus dem Anwendungsbereich des qualifizierten (ambivalenten) Delikts (weitestmöglich) ausscheidet. So gelingt es, der äußeren Form des qualifizierten Delikts auch bei der Auslegung12 Rechnung zu tragen und einen höheren Legitimationsgrad in Hinblick auf die Strafrahmenschärfung zu erzielen. Man kann dies als (materialorientierte) vertikal-systematische Auslegung bezeichnen. Notwendig ist hierbei die Bildung bzw. Formulierung eines tatbestandsbezogenen Differenzierungskriteriums. Dieses (scil. das Differenzierungskriterium) muss im Rahmen der Normauslegung gebildet werden, insb. bedarf es einer 12
Mithin der Ermittlung des Norminhalts.
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Stütze im Normwortlaut. Als Anknüpfungspunkte haben daher die Tatbestandsmerkmale des qualifizierten Delikts zu dienen. Zu berücksichtigen ist stets, dass es sich um eine Auslegungsmethode handelt, welche gegenüber den anderen Auslegungsmethoden keinen absoluten Vorrang hat. Sie darf die anderen Auslegungsmethoden nicht leichtfertig „überspielen“. Andererseits tritt sie jedoch auch nicht stets hinter diese zurück. Vielmehr haben (wie bei jedweder anderer Auslegung – insoweit gelten auch bei der materialorientierten vertikal-systematischen Auslegung die allgemeinen Begrenzungen der Auslegungstätigkeit) nur der eindeutige (entgegenstehende) gesetzgeberische Wille sowie eine Wortlautinkompatibilität absolute Ausschlusswirkung. Als eine von mehreren Auslegungsmethoden kann die vertikal-systematische Auslegung helfen, den Inhalt bzw. die Reichweite einer (ambivalenten) Qualifikation zu bestimmen. Sie ist geeignet, nach Anwendung der klassischen Auslegungscanones eine weitere Konkretisierung herbeizuführen bzw. Unklarheiten (bspw. auch bzgl. der Erfassung bestimmter Fallgruppen) zu beseitigen. Insoweit ist sie vom Ablauf her gesehen ein Auslegungskriterium der 2. Stufe. Hilfreich kann sie auch sein, wenn es um die Entscheidung zwischen mehreren Auslegungsergebnissen geht, indem sie einen Standpunkt um vertikalsystematische Erwägungen ergänzt bzw. „auflädt“. Ratsam kann es sein, auf bereits existierende dogmatische Ansätze zuzugreifen und diese mit Blick auf vertikal-systematische Erwägungen zu beurteilen. Im Folgenden konnte in der Arbeit aufgezeigt werden, dass die erzielten Erkenntnisse nicht auf abstrakter Ebene verharren, sondern aus ihnen heraus Erträge in Hinblick auf die Auslegung einzelner im StGB enthaltener Qualifikationen erzielt werden können. a) In Hinblick auf das in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB enthaltene Merkmal des „gefährlichen Werkzeugs“ zeigen material orientierte vertikal-systematische Erwägungen auf, dass die durch Rechtsprechung und weite Teile des Schrifttums vorgenommene Auslegung nicht haltbar ist. Diese stellt zu niedrige Anforderungen an die Erheblichkeit drohender körperlicher Schäden. Bloß überdurchschnittlich schwere körperliche Schäden bilden letztlich nur eine quantitative Steigerung des grunddeliktischen Erfolgsunrechts ab. Ob diese den Strafrahmenwechsel sowie den verschärften Schuldspruch tragen, ist zu bezweifeln. Jedenfalls erscheint die gängige Auslegung nicht sachgerecht mit Blick auf die tatbestandsförmige Ausgestaltung des Merkmals. Folgerichtig ist es daher, die Anforderungen an die Erheblichkeit drohender Verletzungen zu verschärfen. Richtige „Stellschraube“ dafür ist die notwendige Gefahrintensität. Bei der Bildung des Differenzierungskriteriums kann auf die in § 226 StGB aufgezählten Schädigungen geblickt werden, denn bei diesen ist nicht nur die Schwere der Verletzung prägend, sondern gerade auch die (durch die Verletzung verursachte) dauerhafte Beeinträchtigung der selbstbestimmten
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Lebensführung. Die schwere Körperverletzung stellt damit einen neuen, der einfachen Körperverletzung wesensfremden Unwertypus dar, da bei ihr die auf den Körper sowie die körperlichen Funktionen bezogene Verfügungsmöglichkeit des Verletzten für einen Teilbereich dauerhaft aufgehoben wird und damit völlig andersartiges Unrecht verwirklicht wird. Gleichwohl darf – entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht – der Anwendungbereich des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB nicht auf drohende schwere Körperverletzungen beschränkt bleiben. Dem steht bereits der Normwortlaut entgegen. Überdies würde eine solche Auffassung den Anwendungsbereich zu stark einschränken. Die in § 226 StGB aufgeführten schweren Folgen sind nur als Orientierungspunkte für das Erfordernis der „Erheblichkeit“ aufzufassen. Ein gefährliches Werkzeug liegt demnach vor, wenn die konkrete Verwendung des (objektiv gefährlichen) Werkzeugs dazu geeignet ist, eine der in § 226 StGB umschriebenen schweren Folgen oder eine solch gravierende Verletzung bzw. Gesundheitsschädigung herbeizuführen, die in ihrer Schwere den in § 226 StGB Genannten zumindestens approximativ entspricht. Letzteres dürfte nur dann in Betracht kommen, wenn neben einer besonderen Intensität bzw. Nachhaltigkeit der Verletzung auch eine lange Dauer der Beeinträchtigung (bzw. sogar eine Irreversibilität der Verletzung) tritt. Der gesetzgeberische Wille steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Die gründliche Betrachtung der Gesetzesgenese hat offenbart, dass sich die gesetzgeberischen Willensbekundungen nur auf den zu fordernden Gefahrengrad beziehen, nicht jedoch auf das Element der Gefahrintensität. Der Gesetzgeber hat sich damit – was von verschiedenen Seiten verkannt wird – nicht gegen jegliche Einschränkung des Anwendungsbereichs ausgesprochen. b) Die vertikal-systematische Betrachtung ist auch in Bezug auf die in § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB enthaltene Qualifikation aufschlussreich. Nach dieser Variante kommt es dann zu einer Strafrahmenverschiebung, wenn der Geheimnisverrat in der Absicht erfolgt ist, einen anderen zu schädigen. In Hinblick auf das Element der Schädigung wird einerseits vertreten, dass jegliche (beabsichtigte) Schädigung (u. a. auch die „einfache“ Bloßstellung) genügt (so die h.M.). Andere Stimmen hingegen verlangen, dass der Täter die Herbeiführung eines Vermögensnachteils beabsichtigt hat. Die Ausarbeitung des Problemkreises hat gezeigt, dass keinem der beiden Ansätze zu folgen ist. Die erstgenannte Ansicht verkennt die formale Stellung als Qualifikationstatbestand, denn sie lässt auch solche (beabsichtigte) Nachteile genügen, die lediglich den Anknüpfungspunkt für das grundtatbestandliche Geheimhaltungsinteresse betreffen (so bspw. wenn der Täter auf die öffentliche Bloßstellung abzielt, indem er eine Information offenbart bezüglich derer sich das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen aus dem potentiell bloßstellenden Charakter (der Information) speist). In diesen Fällen richtet sich die Schädigungsabsicht des Täters nicht auf die Verwirklichung eines
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eigenständigen Unwerts, da die Bloßstellung letztlich lediglich die reale Verkörperung der bereits mit Grunddeliktserfüllung einhergehenden Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs darstellt. Bei einer solchen Auslegung ist daher fraglich, ob die schärfende Strafrahmenverschiebung gerechtfertigt ist. Sie (d. h. diese Auslegungsvariante der h.M.) ist infolgedessen abzulehnen. Jedoch kann auch der anderen Ansicht, welche die Qualifikation auf intendierte Vermögensschädigungen beschränkt, nicht beigepflichtet werden. Denn sie engt den Anwendungsbereich zu sehr ein. Die Bildung des Differenzierungskriteriums hat ergeben, dass unter Nachteil i.S.d. § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB jeder (zur grundtatbestandlichen Schädigung hinzutretende) Schaden zu verstehen ist, der sich nicht nur in einer verstärkten Schädigung des grundtatbestandlichen Interesses an Geheimhaltung erschöpft. Der Täter muss also die Herbeiführung eines Nachteils in einem anderen Lebensbereich (bspw. Vermögen, Psyche, gravierende Ehrverletzungen) beabsichtigen. Der Nachteil muss hierbei erkennbar über die Verletzung des Geheimhaltungsinteresses und dessen Reflexwirkungen hinausgehen. Die Rechtswidrigkeit des Nachteils ist hierbei nicht erforderlich (erfasst sind insoweit auch Konstellationen, in denen der Täter die Herbeiführung eines rechtsordnungskonformen Nachteils beabsichtigt). Strafschärfungsgrund bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB ist damit primär nicht etwa das Hinzutreten der (strafrechtlich relevanten) Verletzung eines weiteren Rechtsguts,13 sondern die verwerfliche Zweck-Mittel-Relation. Der Täter setzt den Geheimnisverrat bedacht ein, um ein von ihm verfolgtes Ziel zu erreichen. Bei den Varianten 1 und 2 des § 203 Abs. 5 StGB ist dies die Vermögensverschiebung zu eigenen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten, was letztlich eine Kommerzialisierung des grundtatbestandlichen Unrechts durch den Täter darstellt. Bei Variante 3 wiederum steht es im Fokus des Täters, den Betroffenen in einem vom Geheimhaltungsinteresse losgelösten, anderen Interesse bzw. Lebensbereich zu schädigen. Der Täter begeht dabei erhöhtes Unrecht, weil er den Geheimnisverrat für seine Zwecken instrumentalisiert. c) Auch in Hinblick auf das Mordmerkmal der Mordlust konnte die material orientierte vertikal-systematische Grundlegung fruchbar gemacht werden. Sie führt zu einer Neuorientierung bei der Auslegung dieses Merkmals. Zunächst konnte aufgezeigt werden, dass die Auslegung dieses Mordmerkmals durch Rechtsprechung und h.L. Defizite aufweist. Sie führt dazu, 13 Wenngleich der Schutz weiterer Rechtsgüter bei einem Qualifikationstatbestand grundsätzlich durchaus primärer Normzweck sein kann – insoweit würde die Qualifikation eine Kombination von Rechtsgutsangriffen abbilden. Wie aufgezeigt wurde, liegt es im Falle des § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB jedoch gerade anders.
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dass eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst werden, die sich nicht maßgeblich vom Grunddelikt des Totschlags abheben und daher den Sprung zur lebenslangen Freiheitsstrafe nicht zu rechtfertigen vermögen. So sollen nach der gängigen Auslegung auch diejenige Fälle unter den Begriff der Mordlust fallen, bei denen kein Anlass zur Tat bestand und auch kein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck verfolgt wurde, der Tod mithin der einzige Zweck der Tat war. In diesen Fällen erschöpft sich die subjektive Tatseite im Wesentlichen auf die, allen Tötungsakten immanente, Entscheidung über Leben und Tod. Vom Tötungsvorsatz losgelöste besondere subjektive Faktoren liegen hier nicht vor, sodass sich das Geschehen nicht wesentlich von dem einer „normalen“ Tötung unterscheidet. Dies zeigt, dass bei diesen Fällen der Wechsel in den Mordtatbestand (gerade auch angesichts der damit verbundenen lebenslangen Freiheitsstrafe) nicht zu rechtfertigen ist. Die gängige Auslegung des Mordmerkmals der Mordlust führt dazu, dass im Kernbereich der Mordlustvariante viele Fallgruppen enthalten sind, die bloße Modifikationen des Totschlags-Unrechts darstellen. Es bedarf daher einer Neuorientierung. Ausgangspunkt für die Bildung eines Differenzierungskriteriums ist das Tatbestandsmerkmal Mordlust. Der Wortbedeutung nach umschreibt es einerseits ein Bedürfnis/Verlangen, andererseits das (freudige) Gefühl, welches gerade aus der Erfüllung des Bedürfnisses/des Verlangens resultiert. Dies dient als Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Erwerbsmoments. Danach geht es bei der Mordlust letztlich um die Befriedigung eines Bedürfnisses zur Tötung eines anderen Menschen und die daraus resultierende Freude. Erwerbsgegenstand ist damit die Befreiung von dem (heftigen) Bedürfnis/Verlangen nach Tötung und das daraus resultierende positive Gefühl. Durch die Konstitution dieses Erwerbsmoments im Rahmen der Analyse des Mordmerkmals der Mordlust gelingt es, diesem Mordmerkmal einen Inhalt zuzuschreiben, der die Transformation in einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus bewirkt und damit Rechtfertigung für die drastische Verschärfung der Rechtsfolgenandrohung bietet. Denn durch das Hinzutreten des subjektiven Elements der Mordlust wandelt sich das grunddeliktische Schädigungsunrecht (Zerstörung eines Menschenlebens) zu einer Unrechts-Kombination aus Schädigungs- und Erwerbsunrecht. Aus Mordlust handelt daher derjenige, der einzig tötet, um ein (drängendes) Bedürfnis nach Tötung zu befriedigen und hieraus ein positives Gefühl zu erlangen. Kennzeichnend für die Mordlust-Tötung ist damit gerade deren Zweckhaftigkeit, nämlich die Tötung als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Entgegen der Auffassung von Rechtsprechung und h.L. sind von Mordlust damit diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen der Täter keinen Zweck mit der Tötung verfolgt. Denn in diesen Fällen ist die Gefühlslage des Täters als indifferent (i.S.v. gleichgültig) einzuordnen; er hat gerade kein Bedürfnis zur Tötung. Der vorliegend entwickelte Standpunkt ähnelt damit der in der
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früheren Rechtsprechung anerkannten Definition des Merkmals der Mordlust. Die hier vertretene Definition der Mordlust führt zu einer schärferen Konturierung des Begriffs und einer Konzentration auf den (eigentlichen) Begriffskern. Sie verschafft dem Normwortlaut die ihm gebührende Geltung, indem sie eine verstärkte Beachtung der „Lust“-Komponente realisiert. Durch die entwickelte Definition wird zudem vermieden, dass das Mordmerkmal der Mordlust zu einem „Sammelbecken“ für Tötungsfallgruppen mit völlig konträren subjektiven Prägungen verkommt. Diese Funktion kommt nicht der Mordlust-Variante, sondern der Auffangvariante der „sonst niedrigen Beweggründe“ zu. 22. Die Regelbeispielsmethode als solche verstößt weder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz noch gegen das Analogieverbot. Ein Verstoß gegen das Analogieverbot scheidet schon deswegen aus, weil dieses sich einzig an den Richter (bzw. den sonstigen Rechtsanwender) wendet. Damit kann lediglich die Rechtsanwendung, nicht jedoch die Schaffung einer Norm gegen das Analogieverbot verstoßen. Gleichwohl wird darauf hingewiesen, dass einzelne Regelbeispielsnormen gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt verstoßen können. Dies wurde bereits ausführlich erörtert. 23. Der Richter kann trotz Nichtverwirklichung eines Regelbeispiels einen (sonstigen) besonders schweren Fall annehmen und so die verschärfte Rechtsfolgenanordnung zur Anwendung bringen. Die Formel „nur, aber nicht immer“ ist abzulehnen. Die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles stellt keinen Analogieschluss dar, da der Gesetzgeber selbst – nämlich durch Verwendung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“ – den richterlichen Entscheidungsfreiraum gegründet hat. Der Richter bewegt sich deswegen innerhalb des Normwortlauts. Methodisch stellt sich die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines sonstigen besonders schweren Falles als Subsumtion unter die Generalklausel „besonders schwerer Fall“ dar und bewegt sich daher – wie bereits angemerkt wurde – innerhalb des (freilich weit gefassten) Wortlauts der Regelbeispielsnorm. 24. Die Gesamtwürdigungslösung des Bundesgerichtshofs ist abzulehnen, weil sie zu einer Vermengung von Strafrahmenwahl und Strafzumessung i. e.S. führt und damit unvereinbar ist mit der gesetzlichen Systematik, welche geprägt ist durch eine Strafrahmenabstufung innerhalb der Deliktsgruppe. Zudem ist die Formel des Bundesgerichtshofs zirkelschlüssig. Das Vorliegen eines sonstigen besonders schweren Falles kann infolgedessen nur auf einzelne, herausgehobene Umstände gestützt werden. Diese Faktoren müssen unrechts- und/oder schulderhöhend sein, d. h. die Berücksichtigung schuldabgekoppelter Faktoren, insb. solcher mit (rein) präventivem Hintergrund, ist unzulässig. Für die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles ist eine Erhöhung von Unrecht und/oder Schuld in dem Maße notwendig, wie sie in den normierten
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Regelbeispielen niedergelegt ist bzw. im Falle der Regelbeispielsverwirklichung eintreten würde (Gleichwertigkeit in Hinblick auf Unrechts-/Schuldschwere). Die Regelbeispiele stellen damit einen Vergleichsmaßstab für die Beurteilung des konkreten Einzelfalles dar; ihnen kommt „maßstabbildender Charakter“ zu. Des Weiteren muss die Bindung an die grunddeliktische Handlung berücksichtigt werden. 25. Neben diesen Anforderungen lassen sich weitere Vorgaben aus den in dieser Untersuchung herausgearbeiteten Grundsätzen ableiten. Die verfassungsrechtliche Überprüfung der Regelbeispielstechnik anhand des in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts hat zu Tage gefördert, dass es verfassungsrechtlich unzulässig ist, einen neuen, dem Grunddelikt wesensfremden Unwerttypus in Form eines Regelbeispiels zu fassen. Das damit ausgemachte Delegationsverbot ist auch bei der Konkretisierung der Generalklausel „besonders schwerer Fall“, mithin der Bestimmung bzw. Herausarbeitung der maßgeblichen Entscheidungsparameter, von Belang. Es besagt, dass der Richter nicht dazu ermächtigt werden darf, neue, wesensfremde Unwerttypen abstrakt zu bewerten, diesen also verbindlich einen Strafrahmen zuzuordnen.14 Um zu gewährleisten, dass dieses Delegationsverbot nicht unterlaufen wird, sondern vollends Entfaltung findet, muss es in Hinblick auf die Rechtsanwendung Vorgabenwirkung entfalten. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die in der Regelbeispielsnorm enthaltene Ermächtigung zur richterlichen Ausformung der sonstigen besonders schweren Fälle eine Ermächtigung zur abstrakten Bewertung neuer Unwerttypen gar nicht enthalten könnte, denn diese wäre – wie bereits erwähnt – unvereinbar mit dem strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt. Folge dessen ist, dass dem Richter bei der Bildung der sonstigen besonders schweren Fälle kein freies Erfindungsrecht zukommt; er hat sich vielmehr strikt am grunddeliktischen Unwerttypus zu orientieren. Neue, dem Grunddelikt wesensfremde Unwerttypen darf der Richter nicht unter den Begriff der sonstigen besonders schweren Fälle fassen, da dies zugleich eine Zuordnung des Sonderstrafrahmens und damit eine verfassungsrechtlich unzulässige Bewertung von (neuen) Unwerttypen bedeuten würde. Ein sonstiger besonders schwerer Fall ist danach nur dann anzunehmen, wenn sich der zu entscheidende Fall (unter abstrahierender Betrachtung) nicht als neuer, dem Grunddelikt wesensfremder Unwerttypus darstellt, sondern als bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus. Verknappt man dies, so bedeutet das, dass ein sonstiger besonders schwerer Fall nur dann vorliegt, wenn eine quantitative Unrechts-/Schuldsteigerung gegeben ist, nicht jedoch qualitativ anderes Unrecht. Mittels der in dieser Untersuchung entwickelten 14
Denn dies ist zwingende Aufgabe des Gesetzgebers.
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Grundlegung kann diese vereinzelt vertretene Ansicht auf ein (verfassungsrechtlich begründetes) Fundament gestellt werden und so deren Richtigkeit „untermauert“ werden. Auch aus Wortlaut und systematischer Stellung der Regelbeispielsnormen lässt sich eine solche enge Bindung an das Grunddelikt (und den dort niedergelegten Unwerttypus) schließen. Abschließend zu konstatieren ist, dass aus dem verfassungsrechtlichen (Art. 103 Abs. 2 GG entnommenen) Delegationsverbot eine Begrenzung des richterlichen Entscheidungsspielraums folgt, weil ansonsten dessen Vorgabenwirkung vollends „verpuffen“ würde. Folge der entwickelten Formel ist, dass die Schädigung oder Gefährdung eines weiteren, nicht bereits durch das Grunddelikt geschützten, Rechtsguts die Annahme eines sonstigen besonders schweren Falles in aller Regel nicht zu begründen vermag. Betrachtet man nämlich eine solche Situation, so stellt sich diese regelmäßig nicht als bloße Modifikation des grunddeliktischen Unwerttypus dar. Anders liegt es aber, wenn die beiden Rechtsgüter eine so enge Verwandtschaft aufweisen, dass die hinzutretende Schädigung/Gefährdung des anderen Rechtsguts nicht die „Entfremdung“ vom grunddeliktlichen Unwerttypus verursacht. Die mit diesem Ansatz eintretende Einschränkung des richterlichen Entscheidungsspielraums, mithin die „Beschneidung“ der Flexibilität von Regelbeispielsnormen, ist hinzunehmen, da sie nicht grundlos erfolgt, sondern der Fortwirkung des strengen, strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts geschuldet ist. 26. Den Stimmen, welche eine strenge Gegenschlusswirkung der Regelbeispiele (= Ausschluss der engeren Analogiewirkung) befürworten, ist nicht zu folgen. Jedoch führt die hier entwickelte Position faktisch zu einer eingeschränkten Gegenschlusswirkung. Im Ergebnis sind – da eine Gesamtwürdigung abzulehnen ist und daher ein Defizit an Unrechts-/Schuldschwere nicht kompensiert werden kann – Fälle der Teilverwirklichung von Regelbeispielen mangels Gleichwertigkeit bzgl. der Unrechts-/Schuldschwere nicht als sonstige besonders schwere Fälle einzuordnen. Davon unberührt bleibt jedoch die Entscheidung über die Einordnung derjenigen Fallkonstellationen, die regelbeispielsähnlich15 sind und zudem in Hinblick auf Unrechts-/Schuldschwere diesen (scil. den Regelbeispielen) gleichwertig sind. Diese können durchaus als sonstige besonders schwere Fälle anzusehen sein. 27. Die bereits herausgearbeiteten Vorgaben an die Gestaltung von Strafrahmen (konkret die maximal zulässige Strafrahmenweite) gelten auch für die Schaffung von Sonderstrafrahmen. Auch Sonderstrafrahmen müssen eine erkennbare Bewertung des Bewertungsgegenstandes (und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen neuen, wesensverschiedenen Unwerttypus handelt) enthalten. Deshalb gilt auch hier: Wenn der Gesetzgeber als Strafrahmenunter15
Jedoch keine Teilverwirklichung eines Regelbeispiels darstellen.
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grenze eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr festsetzt, so kann er als Strafrahmenobergrenze allenfalls 6 Jahre Freiheitsstrafe vorsehen. Andernfalls (d. h. setzt er die Höchststrafenandrohung in diesen Fällen bei mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe an) ist seine Bewertung des Bewertungsgegenstandes nicht mehr erkennbar und es liegt ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz (in seiner Teilausprägung als Stringenzgebot) vor. Das bedeutet letzten Endes, dass auch bei den Sonderstrafrahmen die Verknüpfung einer Strafrahmenuntergrenze von unter einem Jahr mit einer Strafrahmenobergrenze von mehr als 6 Jahren unzulässig ist. Neben diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber auch das Gebot schuldangemessenen Strafens zu beachten. Verbietet das Gebot schuldangemessenen Strafens die Festsetzung einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe oder mehr (bspw. weil in der Komplementärnorm lediglich eine geringfügige16 Modifikation des grunddeliktischen Unrechts umschrieben wird und jenem (scil. dem grunddeliktischen Unrecht) nur ein geringer Unrechtsgehalt innewohnt), so verwehren ihm die in dieser Untersuchung herausgearbeiteten Vorgaben des Schuldgrundsatzes an die Erkennbarkeit gesetzgeberischer Bewertungstätigkeit die Festsetzung einer Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe. Die verschiedenen Wirk- bzw. Vorgabenbereiche des Schuldgrundsatzes ergänzen sich insoweit. 28. Verstößt der Gesetzgeber gegen die soeben aufgeführten Vorgaben (kombiniert er also in einem (Sonder-)Strafrahmen eine Mindeststrafe von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe mit einer Strafrahmenobergrenze von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe), so hat dies nicht die Gesamtnichtigkeit der Strafnorm, sondern nur die Teilnichtigkeit zu Folge. Die Nichtigkeit bezieht sich in diesen Fällen nur auf die festgesetzte Strafrahmenobergrenze bzw. – begreift man den Strafrahmen zutreffenderweise als Bündel von Einzelstrafandrohungen – auf die Einzelstrafandrohungen, die über dem Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe liegen. Die entsprechende Strafnorm ist verfassungswidrig (und damit nichtig), soweit sie eine Strafandrohung von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Um den aus dem Schuldgrundsatz fließenden verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge zu tun, ist die Strafrahmenobergrenze auf 6 Jahre Freiheitsstrafe zu reduzieren (der (Sonder-)Strafrahmen insoweit zu kupieren). Wegen des Normverwerfungsmonopols kann dies jedoch – da es sich um eine Teilnichtigkeitserklärung handelt – nur durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen. a) Begreift man den (Sonder-)Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen und sind einige von diesen Strafandrohungen verfassungsrechtlich nicht haltbar, so liegt eine Situation vor, die – wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind – klassischerweise durch eine qualitative Teilnichtigkeitserklärung aufzulösen ist. Wie in der Untersuchung aufgezeigt wurde, 16
Auch in Bezug auf die Unrechts-/Schuldsteigerung geringfügige.
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liegen die Voraussetzungen für eine qualitative Teilnichtigkeit(-serklärung) vor. Insbesondere steht der (objektive) Normzweck nicht entgegen. b) Sinn und Zweck von Komplementärnormen ist es zum einen, bestimmte Verhaltensweisen, welche durch den Gesetzgeber als besonders schwere Verwirklichungsvarianten des Grunddelikts angesehen werden, (im Gesetzestext) hervorzuheben. Bei Qualifikationstatbeständen findet dies seinen praktischen Ausdruck in dem verschärften Schuldspruch und dem damit verbundenen besonderen Vorwurf gegenüber dem Täter. Des Weiteren dienen Komplementärnormen der Antizipation der Strafzumessung. Durch sie kommt es zu einer vorbestimmenden Einwirkung auf die richterliche Strafzumessung. Ist im Sonderstrafrahmen eine höhere Mindeststrafe vorgesehen als im grunddeliktischen Regelstrafrahmen (ist der Strafrahmenwechsel also mit der Anhebung der Mindeststrafe verbunden), so scheiden die zwischen diesen beiden Strafwerten liegenden Strafen aus, wenn die strafrahmenändernden Voraussetzungen erfüllt sind. Zudem entfällt zusätzlich meist die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe. Diese Wirkungen des Strafrahmenwechsels stellen zwingende gesetzliche Vorgaben für den Richter bzw. die richterliche Strafzumessung dar. Insoweit determiniert die Strafnormbildung die richterliche Strafzumessung. Hinzu tritt, dass mit dem Strafrahmenwechsel eine Verschärfung des Spektrums zulässiger Strafen eintritt. Daraus folgt, dass der Richter den konkreten Fall anhand einer verschärften Strafenskala (nämlich den Sonderstrafrahmen) zu bewerten hat. Auch hierdurch wird die richterliche Strafzumessungstätigkeit beeinflußt. Darüber hinaus dient die Schaffung einer Komplementärnorm (aus objektiver Sicht)17 auch der Strafrahmenabstufung. Hierbei geht es um die Schaffung der Möglichkeit (bzw. der Ermächtigung) zur Verhängung einer Strafe, die das Höchstmaß des grunddeliktischen Strafrahmens übersteigt. Insoweit bewirken Komplementärnormen, dass – für den Fall der Erfüllung ihrer Voraussetzungen – dem Richter ein Strafenbereich jenseits des grunddeliktischen Strafrahmens eröffnet wird. c) Diese (objektiven) Gesetzeszwecke können auch mit dem nach der Teilnichtigkeitserklärung übrig bleibenden (nicht verfassungswidrigen) Gesetzesteil erreicht werden. Insofern wird die Erreichung der Normzwecke grundsätzlich nicht durch das Kupieren des Strafrahmens vereitelt. Kappt man den Strafrahmen, so bleibt dennoch eine eigenständige Strafnorm (bestehend aus Unrechtsbeschreibung im Voraussetzungsbereich und einem 17
Nicht jedoch ist dies als (subjektive) gesetzgeberische Zwecksetzung einzustufen, da es insoweit an einer hinreichend deutlichen gesetzgeberischen Verlautbarung in den Gesetzesmaterialien fehlt. Der Gesetzgeber hat den Komplementärnormen (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht den Zweck der Eröffnung des Strafenbereichs oberhalb des grunddeliktischen Strafrahmens beigelegt, was in ausführlicher Weise aufgezeigt wurde.
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Sonderstrafrahmen) erhalten, sodass die entsprechende Verwirklichungsform weiterhin im Gesetzestext hervorgehoben wird. Handelt es sich um ein qualifiziertes Delikt, so bleibt der damit verbundene besondere Vorwurf im Falle der Verurteilung weiterhin bestehen. Die Teilnichtigkeitserklärung lässt die Primärsanktion insoweit unberührt. Auch die Funktion als antizipierte Strafzumessungsregel wird in aller Regel nicht tangiert. Da die Teilnichtigkeitserklärung die Untergrenze des Sonderstrafrahmens unberührt lässt, bleibt der sich mit der Strafrahmenverschiebung und dem Wechsel zur Sonderstrafrahmen-Mindeststrafe vollziehende Ausschluss bestimmter Freiheitsstrafen erhalten. Selbiges gilt für einen ggf. vorliegenden Ausschluss der Geldstrafenverhängung. Diese direkt wirkenden gesetzlichen Einschränkungen richterlicher Strafzumessungstätigkeit erfahren durch das Kupieren des Strafrahmens keine Änderung, da sie an das untere Ende des Sonderstrafrahmens anknüpfen, die Kappung hingegen jedoch nur das obere Ende des Sonderstrafrahmens betrifft. Bestehen bleibt zudem die Verschärfung der Strafenskala, da bei Erfüllung der strafrahmenändernden Merkmale der schärfere (wenn auch kupierte) Sonderstrafrahmen an die Stelle des Regelstrafrahmens tritt. Die Verschärfung der Skala wird bereits durch den Wechsel der Mindeststrafe vollzogen. Auch die letzte Funktion – die Eröffnung des oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegenden Strafenbereichs – wird in aller Regel nicht entscheidend bzw. vollends vereitelt. Findet eine Reduktion des Strafrahmens auf den Strafwert 6 Jahre Freiheitsstrafe statt, so liegt die Strafrahmenobergrenze in aller Regel dennoch (weiterhin) über der angedrohten Höchststrafe des Grunddelikts. Denn ein Blick in das StGB zeigt, dass die entsprechenden grunddeliktischen Strafrahmen meist (lediglich) bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsehen, teilweise auch nur 3 Jahre Freiheitsstrafe. d) Ausnahmsweise kann jedoch eine Vereitelung des (objektiven) Normzwecks durch das Kupieren des Sonderstrafrahmens gegeben sein und damit eine bloße Teilnichtigkeit(-serklärung) ausscheiden. In diesen Fällen führt die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Komplementärnorm. Relevant ist dies bei § 51 Abs. 2 WaffenG. Die Vornahme einer Teilnichtigkeitserklärung scheidet aus, wenn durch die Kappung des Sonderstrafrahmens der Unterschied zwischen Grunddelikt (bzw. Regelstrafandrohung) und Komplementärnorm (bzw. Sonderstrafrahmen) nahezu vollkommen eingeebnet wird. Dies ist der Fall, wenn Sinn und Zweck der Komplementärnorm primär die Erhöhung der Strafrahmenobergrenze, mithin die Eröffnung des oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe liegenden Strafbereichs, ist und zudem die grunddeliktische Höchststrafe nahe an der „Kappungsgrenze“ von 6 Jahren Freiheitsstrafe liegt. Ersteres (mithin dieser spezielle Normzweck) ist anzunehmen, wenn der Sonderstrafrahmen im Mindestmaß dem grunddeliktischen Regelstraf-
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rahmen entspricht und der Strafrahmenwechsel einen Ausschluss der Geldstrafenverhängung nicht bewirkt. Bei einer solchen Regelungskonstellation stünde nach der Teilnichtigkeitserklärung neben dem grunddeliktischen Strafrahmen ein (kupierter) Sonderstrafrahmen, der sich vom grunddeliktischen Strafrahmen (insb. in Hinblick auf die Höchststrafenfestsetzung) nur geringfügig unterscheidet. Dies bedeutet jedoch, dass der spezielle Normzweck mit dem übrig bleibenden Gesetzesteil nicht erreicht werden kann, da durch die Kappung des Sonderstrafrahmens ein Großteil des jenseits des grunddeliktischen Strafrahmens liegenden Strafbereichs weggefallen ist. Die mit der Teilnichtigkeitserklärung verbundene Kappung des Sonderstrafrahmens bewirkt in diesen Regelungskonstellationen, dass der spezielle Normzweck der Komplementärnorm (Eröffnung der Strafbereiche oberhalb der grunddeliktischen Höchststrafe) vereitelt wird, da insoweit mit dem Strafrahmenwechsel eine Eröffnung weiterer Strafbereiche nicht mehr verbunden ist. 29. Sollte ein Grundstrafrahmen gegen die herausgearbeiteten Vorgaben des Schuldgrundsatzes verstoßen – hat der Gesetzgeber also bei einem Vergehen eine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen, so ist das Grunddelikt teilnichtig und der Grundstrafrahmen dementsprechend bei dem Strafwert von 6 Jahren Freiheitsstrafe zu kupieren. Nur ganz ausnahmsweise dürfte eine Teilnichtigkeit bei einem Grunddelikt ausscheiden, nämlich dann, wenn gerade die festgesetzte gesetzliche Höchststrafe im Fokus der Schaffung des Grunddelikts steht und dieses letztlich seinen Sinn aus der Höhe der Strafrahmenobergrenze „speist“. Dies dürfte jedoch eher theoretischer Natur sein und praktisch nicht vorkommen. 30. Einen Überblick über die Vorgaben des Schuldgrundsatzes hinsichtlich der Weite von Strafrahmen, Fragen der Überprüfung von (Sonder-)Strafrahmen sowie daraus folgende Konsequenzen für den Einsatz der verschiedenen Regelungstechniken bei der Durchführung von Strafrahmenabstufungen findet sich in § 27. Während diese Übersicht die Strafrahmen – und damit die Rechtsfolgenseite – in den Blick nimmt, fokussiert die Tabelle in § 15 auf die Unrechtsbeschreibung auf der Seite der Normvoraussetzungen. Die Übersicht in § 15 befasst sich mit der Zuordnung der möglichen (materialen) Regelungsmaterien zu den verschiedenen (formalen) Gesetzgebungstechniken sowie den Folgen bei Nichtbeachtung der herausgearbeiteten Grundsätze. 31. Die Durchführung der Binnendifferenzierung bzw. „Auffächerung“ einer Deliktsgruppe unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlichen Vorgaben wird in den beiden Übersichten in Kapitel 10 dargestellt. Während in der ersten Übersicht in Form eines Entscheidungsbaums der dazu erforderliche Gedankengang abgebildet wird, nimmt die zweite Übersicht die einzelnen Gesetzgebungstechniken in den Blick und zeigt auf, wann deren Einsatz im Rahmen der gesetzlichen Ausdifferenzierung einer Deliktsgruppe zulässig bzw. unzu-
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lässig ist. Hierbei zeigt sich deutlich, dass der legislativen Technik des Qualifikationstatbestands gewisse Regelungsbereiche exklusiv vorbehalten sind, welche nicht – jedenfalls nicht ohne Verfassungsverstoß – mittels einer der anderen beiden Techniken geregelt werden können. Die Wahl der formalen Gesetzestechnik steht daher – anders als es vielfach behauptet wird – nicht im freien Belieben des Gesetzgebers, sondern muss sich am Inhalt der ins Auge gefassten Komplementärnorm – und zwar sowohl mit Blick auf die geplante Rechtsfolgenanordnung als auch auf die materiale Unrechtsbeschreibung im Voraussetzungsbereich – orientieren und wird von diesem aus verfassungsrechtlicher Sicht determiniert. Die Übersicht zeigt zum einen die Bedeutung der Regelungsform Qualifikationstatbestand. Andererseits wird aber auch deutlich, dass es für die anderen beiden Techniken – die unbenannten besonders schweren Fälle sowie die Regelbeispielsmethode – durchaus Einsatzmöglichkeiten gibt, ihre Verwendung also (entgegen einiger Stimmen im Schrifttum) nicht stets von Verfassungs wegen abzulehnen ist. Namentlich bei den unbenannten besonders schweren Fällen sind diese jedoch begrenzt. Denn diese Regelungstechnik ist aus verfassungsrechtlicher Sicht ungeeignet, um ein grunddeliktisches Vergehen durch einen Sonderstrafrahmen, der über den Strafwert von 6 Jahren Freiheitstrafe hinausreicht, zu ergänzen. Besteht bei einem grunddeliktischen Vergehen das Bedürfnis, für besonders gravierende Fälle der Deliktsverwirklichung eine Strafandrohung jenseits von 6 Jahren Freiheitsstrafe vorzusehen, so kann dies mittels der Schaffung einer Strafnorm für unbenannte besonders schwere Fälle nicht bewerkstelligt werden. In dieser häufig vorkommenden Konstellation muss sich der Gesetzgeber daher der Regelbeispielsmethode bedienen oder einen Qualifikationstatbestand schaffen. Unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Binnengliederung von Deliktsgruppen können Strafnormen für unbenannte besonders schwere Fälle infolgedessen nur zur Strafrahmenstaffelung innerhalb des Strafenbereichs bis 6 Jahren Freiheitsstrafe dienen.
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Stichwortregister absolute Ausschlusswirkung der Wortlautinkompatibilität 462 Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge 171 allgemeiner Gleichheitssatz 377 – eigenständiger Wert 385 – Entfallen der gleichheitssatzrechtlichen Rechtfertigung bei Vorliegen kompensierender Faktoren 390, 599 – Gegenüberstellung des Gebots schuldangemessenen Strafens 385 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung und materiale Betrachtung des vertypten Unwertsachverhalts 600 – im Bereich des Strafrechts 377, 598 – keine Gleichheit im Unrecht 406 – kompensierende Wirkung unrechts-/ schuldmindernder Umstände 391, 415, 599 – Kriterien für eine negative Typenkorrektur 430 – negative Typenkorrektur bei Qualifikationstatbeständen 418 – negative Typenkorrektur zur Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung 419, 600 – personenbezogene Differenzierungen durch Qualifikationstatbestandsbildung 402 – qualifizierende Merkmale als Differenzierungskriterien 379 – Rechtfertigung der Qualifikationsanwendung bei Vorliegen unrechts-/schuldmindernder Umstände 404 – Rechtfertigung der Ungleichbehandlung infolge Qualifikationstatbestandsbildung 398, 403 – Rechtfertigungsmaßstäbe 398 – Reichweite der gleichheitssatzrechtlichen Problemlage bei Qualifikationstatbeständen 424, 599
– Schaffung von Qualifikationstatbeständen 379, 598 – Schuldbezogenheit der Rechtfertigung von Differenzierungen 380, 598 – strenger Rechtfertigungsmaßstab für vertikale tatbestandliche Differenzierungen 400 – und Gebot präziser Tatbestandsformulierung 409 – und tatbestandliche Differenzierungen 377, 598 – Ungleichbehandlung infolge Qualifikationstatbestandsbildung 396 – wesentlich Gleiches 393 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430, 454, 599 f. ambivalente Qualifikationstatbestände und gleichheitssatzrechtliche Problemlage 425 Analogieverbot 49, 54, 247, 534, 540, 607 Analogiewirkung 57 Antizipation der Strafzumessung 256, 569, 611 Auffächerung von Deliktsgruppen – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 613 Ausdifferenzierung der Deliktsgruppe 31, 589 – allgemeiner Gleichheitssatz und Gebot präziser (Qualifikations)Tatbestandsformulierung 409 – Auswahlentscheidung zwischen den Regelungstechniken 209 – Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums („Wie“) 209 – bei vielgestaltigen Delikten 167 – determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 240, 246, 601
Stichwortregister – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 582 – Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Gesetzestechniken (Strafrahmenabstufung) 578 – Entscheidungsbaum 580 – Gesamtkonzeption 441 – Gesamtkonzeption (Übersicht) 447 – Gesetzestechniken 179 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung der Qualifikationstatbestandsbildung 386, 389 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung und materiale Betrachtung des vertypten Unwertsachverhalts 391, 412 – grundrechtswesentliche Entscheidungen 221 – Komplementärnormbildung de lege ferenda 448 – materiales Idealbild des neuen, wesensfremden Unwerttypus bei Qualifikationen 430 – negative Typenkorrektur bei Qualifikationstatbeständen 418 – neuer, wesensfremder Unwerttypus 230, 240 – notwendige Strafrahmenabstufung („Ob“ der Ausdifferenzierung) 167, 589 – Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes 209 – Rechtfertigung der Ungleichbehandlung infolge Qualifikationstatbestandsbildung 398 – Strafrahmenabstufung „nach unten“ 171 – strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 591 – unrechts-/schuldbezogene Rechtfertigung vertikaler tatbestandlicher Differenzierungen 381 – verbindliche Strafrahmenzuordnung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 232 – Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes 377 – wegen der Pflicht zur erkennbaren Bewertung (Schuldgrundsatz) 100 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430
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Ausdifferenzierung von Deliktsgruppen – determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 613 Auslegungskriterium der 2. Stufe 460 Ausschluss der Geldstrafenverhängung 107 Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung 120 – Auswirkungen der Mindest- und Höchststrafenfestsetzungen 142 – Bewährungsstrafe als eigenständige Strafart 109 – deliktsartspezifische Reichweite bei Vergehen 125 – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen bei der Strafrahmengestaltung („Wie“) 133 – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen („Ob“) 125, 128 – Nichtbeachtung der Forwirkung der Vergehens-Privilegierung ist nicht gleichheitswidrig 129 – „Ob“ und Reichweite der Möglichkeit 108 – Privilegierung von Vergehen 123, 585, 587 – Strafaussetzungsmöglichkeit bezüglich der Regelfälle als Anknüpfungspunkt 145 – Stufensystem des § 56 StGB 120 – und Dichotomie der Straftaten 122, 585 – Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung 152, 162 – vergehensspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit 119, 587 – vergehensspezifische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit 147 Auswirkungen einer Strafrahmenverschiebung 337 Bande 292 besonders schwere Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) 363 besonders schwerer Fall des Diebstahls (§ 243 StGB) 235, 262, 270, 290, 450 Bestimmtheitsgrundsatz – bezüglich der Sanktionsandrohung (Rechtsfolgenseite) 84 – bezüglich der Tatbestandsseite 47
642
Stichwortregister
– fiktiver Gesamtstrafrahmen 90, 584 – Regelbeispielstechnik 534, 540, 607 – Spannungsverhältnis mit Gebot schuldangemessenen Strafens 61 – Weite von Strafrahmen 84, 583 – Zweck 203, 584 Bewährungsstrafe als eigenständige Strafart 109 Bewertungstätigkeit des Gesetzgebers – die wesentlichen Festsetzungen als Indikatoren gesetzgeberischer Bewertung 113 f. – Rekonstruktion gesetzgeberischer Bewertung 113 – wesentliche Festsetzungen 102 Binnengliederung von Deliktsgruppen 589 – allgemeiner Gleichheitssatz und Gebot präziser (Qualifikations)Tatbestandsformulierung 387, 409 – Auswahl zwischen den Gesetzestechniken 593 – Auswahlentscheidung zwischen den Regelungstechniken 209 – Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums („Wie“) 209 – bei vielgestaltigen Delikten 167 – bisherige Diskussion in der Wissenschaft 76 – determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 240, 246, 601, 613 – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 582, 613 – Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Gesetzestechniken (Strafrahmenabstufung) 578 – Entscheidungsbaum 580 – Gesamtkonzeption 441 – Gesamtkonzeption (Übersicht) 447 – Gesetzestechniken 179 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung der Qualifikationstatbestandsbildung 386, 389 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung und materiale Betrachtung des vertypten Unwertsachverhalts 391, 412 – grundrechtswesentliche Entscheidungen 221
– Komplementärnormbildung de lege ferenda 448, 601 – komplementärnorminterne Ausschlussregelung 450 – materiales Idealbild des neuen, wesensfremden Unwerttypus bei Qualifikationen 430 – negative Typenkorrektur bei Qualifikationstatbeständen 418 – neuer, wesensfremder Unwerttypus 230, 240 – notwendige Strafrahmenabstufung („Ob“ der Ausdifferenzierung) 589 – Rechtfertigung der Ungleichbehandlung infolge Qualifikationstatbestandsbildung 398 – Strafrahmenabstufung „nach unten“ 171 – strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 591 – unrechts-/schuldbezogene Rechtfertigung vertikaler tatbestandlicher Differenzierungen 381 – verbindliche Strafrahmenzuordnung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 232 – vertikal-systematische Auslegung qualifizierter Delikte 453 – Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes 377 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430, 454 dauerhafte und schwerwiegende Schädigung 267 Delegationsverbot 309, 592 – ambivalente Regelbeispielsnormen 303 – bei Bildung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus 234, 241 – bei grundrechtswesentlichen Entscheidungen 221, 227 – bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 593 – bezüglich Leitentscheidungen 213, 592 – bezüglich „wesentlicher“ Entscheidungen 221 – Delegation von Entscheidungen bei der Regelbeispielstechnik 592
Stichwortregister – determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 240 – Entscheidung über die Anwendung des Sonderstrafrahmens 222 – grundrechtswesentliche Entscheidungen 593 – hinsichtlich der Bewertung neuer, wesensfremder Unwerttypen 233 – Indizwirkung der Regelbeispiele und Delegation von Entscheidungen 216, 219, 224, 239 – neuer, wesensfremder Unwerttypus 232 – Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes 221 – Regelungsdichteanweisung 213 – strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 210 – und Konkretisierung der Generalklausel bei Regelbeispielsnormen 547 – Unwerttypen-Bewertung als Leitentscheidung 230, 233, 592 – Unwerttypen-Bewertung und verbindliche Strafrahmenzuordnung 233 – Unzulässigkeit der Regelbeispielstechnik 221, 234, 241 – verbindliche gesetzgeberische Strafrahmenzuordnung 232, 234, 241 – verfassungsrechtliche Grundlagen 210, 230 – Vorgaben für die Konkretisierung der Generalklausel 608 deliktsbezogene Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit 108 deliktsgruppeninterne Ausdifferenzierung – wegen der Pflicht zur erkennbaren Bewertung (Schuldgrundsatz) 100 Deliktstatbestand – Begriff 45 determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 240 Dichotomie der Straftaten 103 – idealtypische Ausgestaltung der Strafrahmen von Vergehen 156 – Stimmigkeit von Kategoriezuordnung und Rechtsfolgenfestsetzung für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung 157 – und gesetzgeberische Bewertung eines Delikts 104, 122
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– und Strafaussetzung zur Bewährung 149 – und System der gesetzlichen Regelung zur Strafaussetzung zur Bewährung 122, 585 Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck 317, 434 Eindeutigkeit der gesetzgeberischen Willensäußerung 339, 346 f. Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 580 erkennbare Bewertung der Unrechtsmaterie 95, 97, 584 Erkennbarkeit gesetzgeberischer Bewertung 584 Erwerbsunrecht 517 Erwerbsunrechts-Elemente 279 Form-Inhalt-Inkongruenz Formenmissbrauch 307
307
Gebot schuldangemessenen Strafens 369, 598 Gebot schuldangemessenen Strafens und allgemeiner Gleichheitssatz 372 Gebot schuldangemessenen Strafens (Vorgaben für qualifizierte Delikte) 372 gefährliche Körperverletzung 474, 489 – Gefahrintensität 260 gefährliche Körperverletzung durch Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs 474, 603 – Beachtung der Grenzen der Auslegung 485 – Beispiele 482 – Beschränkung des Anwendungsbereichs 478 – bestehende einschränkende Ansätze 476 – Beurteilung aus materialem Blickwinkel 477 – Bezugnahme auf § 226 StGB 478, 603 – die anderen Varianten des § 224 StGB 489 – Differenzierungskriterium 479 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung 479, 603
644
Stichwortregister
– einschränkende vertikal-systematische Auslegung und gesetzgeberischer Wille 487 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung und Normwortlaut 485 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung und sonstige Auslegungskriterien 489 – erforderlicher Gefahrengrad 483 – Gefahrintensität und Gefahrengrad 474 – Gesetzesgenese 487 – konkrete Gefährdung 483 – Meinungsstand 474 – Orientierung an den in § 226 StGB aufgeführten schweren Folgen 479 Gegenschlusswirkung 554 Geheimnisverrat in Schädigungsabsicht 302, 493, 604 – Beachtung der Grenzen der Auslegung 502 – Beschränkung auf grunddeliktsfremde Nachteile 498 – Beschränkung des Anwendungsbereichs 501 – Beurteilung aus materialem Blickwinkel 494 – Differenzierungskriterium 498 – „einfache“ öffentliche Bloßstellung und „Rufmord“ 495, 498, 501 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung 498, 605 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung und gesetzgeberischer Wille 503 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung und Normwortlaut 502 – einschränkende vertikal-systematische Auslegung und sonstige Auslegungskriterien 509 – fremdes Geheimhaltungsinteresse 494 – grunddeliktischer Angriff 495, 498 – intendierte rechtsordnungskonforme Schädigungen 505, 508 – intendierter Nachteil in einem grunddeliktsfremden Lebensbereich 500 – kein Rechtswidrigkeitserfordernis bezüglich des Nachteils 505
– keine Beschränkung auf intendierte Vermögensschädigungen 509 – Kommerzialisierung des grunddeliktischen Unrechts bei § 203 Abs. 5 Var. 1 und 2 StGB 509 – Meinungsstand 493 – negative Typenkorrektur 426 – Notwendigkeit einer einengenden Auslegung 495 – verwerfliche Zweck-Mittel-Relation als Strafschärfungsgrund 504, 506, 508, 510 – Vorläufernorm 503 – Zielrichtung Vermögensschaden 499 Generalklausel 25, 55, 60, 65, 67, 80, 89, 92, 183, 216, 224, 541, 546 – 549, 553, 607 f. Gesamtwürdigung 535 Gesetzestechniken 63, 70, 179, 206 Gesetzeszweck der Strafschärfung 320, 330 gesetzgeberische Gestaltung von Strafrahmen – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen bezüglich der Strafaussetzungsfähigkeit 125, 128 gestaffeltes Strafrahmensystem 97, 99 Gewaltenteilungsprinzip 186 Gewerbsmäßigkeit 272, 290 Gewinnsucht 349 Gewohnheitsmäßigkeit 273, 291 Grunddelikt – Rechtsgüterschutz 576 Habgier 279 Harmonisierung von Strafrahmen (6. StrRG) 323 höchstzulässige Strafrahmenobergrenze bei Vergehen (Schuldgrundsatz) 165, 583 idealtypischer Strafrahmen für Vergehen 118, 156, 585 Kategorien strafrahmenschärfender Merkmale 258 Kommerzialisierung des grunddeliktischen Schädigungsunrechts 282
Stichwortregister Komplementärnormbildung de lege ferenda 448, 601 Komplementärnormen – ambivalente Komplementärnormen 299, 301, 594 – ambivalente Regelbeispielsnormen im Lichte des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts 303, 595 – Antizipation der Strafzumessung 256, 569, 611 – Auswahl zwischen den Gesetzestechniken 240, 246, 593 – Betrachtung des materialen Unwertgehaltes 235, 241, 243, 249 f., 256 – determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 240, 246, 601, 613 – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 582, 613 – Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Gesetzestechniken (Strafrahmenabstufung) 578 – Entstehung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus 235, 249 – Entstehung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus (Kriterien) 259 – Entstehung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus (Prüfung der Wesensverschiedenheit) 250 – Erwerbsunrecht 517 – Erwerbsunrechts-Elemente 279 – Form-Inhalt-Inkongruenz 595 – Formenmißbrauch 595 – Gesamtkonzeption 441 – Gesamtkonzeption (Übersicht) 447 – höchstzulässige Weite von Sonderstrafrahmen 557 – Kategorien strafrahmenschärfender Merkmale 258 – Kommerzialisierung des grunddeliktischen Schädigungsunrechts 282 – Komplementärnormbildung de lege ferenda 448, 601 – komplementärnorminterne Ausschlussregelung 450, 602 – neuer, wesensfremder Unwerttypus 230 – objektiver Sinn und Zweck 568, 611 – Perpetuierungsunrechts-Elemente 290
645
– quantitative Steigerung des grunddeliktischen Erfolgs 299 – Rechtsgüterschutz 568 – Spanungsfeld zwischen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und strengem strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt 354 – strafrahmenschärfende Merkmale 254 – Strafrahmenschärfung durch Strafrahmenverengung 333 – Teilverfassungswidrigkeit bei überweitem Sonderstrafrahmen 563 – Terminologie 60 – Unterscheidung zwischen Form (formaler Gesetzestechnik) und Inhalt (materialem Unwertgehalt) 242 f., 246 – verbindliche Strafrahmenzuordnung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 232 – Zuordnung der Regelungsmaterien zu den verschiedenen Regelungstechniken 447 komplementärnorminterne Ausschlussregelung 450, 602 Kupieren eines überweiten Grundstrafrahmens 576 Kupieren eines überweiten Sonderstrafrahmens 575 Kupieren von Strafrahmen 610 Leitentscheidungen im Strafrecht 230 Lückenfeststellung und -ausfüllung 313, 432 materiales Idealbild bei Qualifikationen 454 materiales Idealbild des neuen, wesensfremden Unwerttypus 430, 457 Mehrzahl an Angriffen 272 minder schwere Fälle 327 Mordlust 511, 605 – Auswirkungen der vertikal-systematischen Auslegung auf den Anwendungsbereich 521 – Beachtung der Grenzen der Auslegung 528 – Beispiele 521, 533 – bestehende einschränkende Ansätze 513 – Beurteilung aus materialem Blickwinkel 514
646
Stichwortregister
– Entwicklung eines Differenzierungskriteriums 516 – Kritik an der Formel der Rechtsprechung 520 – Meinungsstand 511 – Mordlusttötung als Erwerbsunrecht 516, 606 – Notwendigkeit einer einschränkenden vertikal-systematischen Auslegung 516 – Relevanz der einschränkenden vertikalsystematischen Auslegung 527 – systematische Auslegung 531 – und sonst niedrige Beweggründe 522, 531 – vertikal-systematische Auslegung und gesetzgeberischer Wille 528 – vertikal-systematische Auslegung und sonstige Auslegungskriterien 530 – Wortlautauslegung 517, 530 – Zweckhaftigkeit der Mordlusttötung 518, 606 Mordtatbestand – einschränkende Auslegung des Mordmerkmals der Mordlust 428 – Erwerbsunrecht 517 – Habgier 279 – historische Betrachtung 528 – Legitimationsfragen 363 – Leitkriterium für die sonst niedrigen Beweggründe 525 – Mordlust 297, 511, 605 – Mordlust und sonst niedrige Beweggründe 522, 531 – Motivgeneralklausel 295, 522, 525, 527, 531 – niedrige Beweggründe 294 – sonst niedrige Beweggründe 522 – und allgemeiner Gleichheitssatz 409 negative Typenkorrektur 600 – allgemeine Ableitungen 422 – bei § 203 Abs. 5 Var. 3 StGB 426 – bei ambivalenten Qualifikationstatbeständen 425 – bei Qualifikationstatbeständen 418 – Beispiele 423 – Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck 434
– Eignung zur Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung 419 – Eindeutigkeit des entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens 435 – Einordnung in die Gesamtkonzeption 441 – Formel für die Anwendung 423 – Gegenüberstellung der Erkenntnisse zur Regelbeispielstechnik 441 – Gegenüberstellung der Regelbeispielstechnik 442 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung und materiale Betrachtung des vertypten Unwertsachverhalts 600 – keine Reduktion auf „Null“ 440 – keine wesentliche Umstrukturierung der Norm 438 – Kriterien 430, 601 – Lückenfeststellung und -ausfüllung 432 – qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite 424, 600 – Schranke des Contra-legem-Judizierens 434 – und Bindung an das Gesetz 439, 442 – Vorrang einer einschränkenden vertikalsystematischen Auslegung 428 f., 471 – zulässige verfassungskonforme Rechtsfortbildung 432 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430 negative Typenkorrektur zur Verhinderung gleichheitswidriger Verurteilungen 432 neuer, wesensfremder Unwerttypus 593 – Abgrenzungsformel 248 – als materiales Idealbild bei Qualifikationen 430 – ambivalente Komplementärnormen 299, 301 – bei Angriff auf ein weiteres – grunddeliktsfremdes – Rechtsgut 260, 262 – besondere Eigenschaften des Tatobjekts 270 – dauerhafte und schwerwiegende Schädigung 267 – determinierende Wirkung für die Formwahl 241
Stichwortregister – Einordnung in Abhängigkeit des grunddeliktischen Unwerttypus 269, 275, 289 – Erfolgsintensität bzw. -ausprägung 264 – Erwerbsunrechts-Elemente 279 – Gewerbsmäßigkeit 272 – Gewohnheitsmäßigkeit 273 – Kommerzialisierung des grunddeliktischen Schädigungsunrechts 282 – materiales Idealbild bei Qualifikationen 454 – Mehrzahl an Angriffen 272 – Perpetuierungsunrechts-Elemente 290 – Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes 241 – Prüfung der Wesensverschiedenheit 250, 594 – quantitative Steigerung des grunddeliktischen Erfolgs 264, 299 – Raub 262 – schwere Körperverletzung 267, 478 – Sonderpflichtdelikte 274 – Sonderpflichtverletzung als Erwerbsunrechts-Tatbestand 284 – Todesgefahr-Qualifikation 263 – und gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung vertikaler tatbestandlicher Differenzierungen 391, 395, 412, 425 – Varianten der gefährlichen Körperverletzung 489 – Vergewaltigung 266, 283 – veruntreuende Unterschlagung 286 – vom Gefährdungs- zum Verletzungserfolg 265 – (Wohnungs)Einbruchsdiebstahl 235 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430, 454 Normverwerfungsmonopol 565, 575 „nur, aber nicht immer“-Formel 80, 534, 541, 607 objektiver Gesetzeszweck 565 objektiver Sinn und Zweck 568 objektiver Sinn und Zweck von Komplementärnormen 568 Orientierung am materialen Idealbild 454, 457
647
Perpetuierungsunrechts-Elemente 290 Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes 78, 209, 232, 241 Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes (Bestimmtheitsgrundsatz Rechtsfolgen) 89, 584 Privilegierung von Vergehen hinsichtlich der Strafaussetzungsfähigkeit 585 Qualifikationstatbestand 70 – allgemeiner Gleichheitssatz und Gebot präziser Tatbestandsformulierung 387 – allgemeiner Gleichheitssatz und Unvollständigkeit qualifizierter Delikte 387, 409 – ambivalente Qualifikationstatbestände und gleichheitssatzrechtliche Problemlage 425 – Antizipation der Strafzumessung 569 – Ausnahmecharakter der gleichheitssatzrechtlichen Problematik 415 – bei Affekttaten 421 – besonders schwere Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB 363 – Einsatz zur Strafrahmenabstufung 578 – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 582 – Entfallen der gleichheitssatzrechtlichen Rechtfertigung bei Vorliegen kompensierender Faktoren 390, 599 – Erfassung einer bloßen Modifikation des grunddeliktischen Unrechts 362, 598 – erhöhte Mindeststrafenfestsetzung 372 – Erwerbsunrecht 517 – exklusive Regelungsbereiche 580, 582, 614 – formale Abgrenzung 54 – gefährliche Körperverletzung 474, 489 – Gesamtkonzeption (Übersicht) 447 – gleichheitsrechtliche Spannungen 595 – gleichheitssatzrechtliche Problemlage bei bloßen Modifikationen des grunddeliktischen Unrechts 390, 395, 412, 420, 425, 599 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung 386 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung des Wohnungseinbruchsdiebstahls 414
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Stichwortregister
– gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung mit Blick auf das Grunddelikt 389 – gleichheitssatzrechtliche Rechtfertigung und materiale Betrachtung des vertypten Unwertsachverhalts 391, 412, 600 – Grenzen für die Auslegungstätigkeit 455 – kompensierende Wirkung unrechts-/ schuldmindernder Umstände 391, 415, 419 – Komplementärnormbildung de lege ferenda 448 – komplementärnorminterne Ausschlussregelung 450, 602 – Kriterien für eine negative Typenkorrektur 430 – Legitimation im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz 380 – Legitimationsfragen bei der Erfassung einer bloßen Modifikation des grunddeliktischen Unrechts 362 – materiales Idealbild des neuen, wesensfremden Unwerttypus 430, 457 – negative Typenkorrektur 418, 600 – negative Typenkorrektur als zulässige verfassungskonforme Rechtsfortbildung 432 – negative Typenkorrektur bei ambivalenten Qualifikationstatbeständen 425 – negative Typenkorrektur bei Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen 421 – negative Typenkorrektur und Bindung an das Gesetz 439, 442 – negative Typenkorrektur zur Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung 419 – objektiver Sinn und Zweck 568 – Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes 78, 209, 232, 241, 593 – Pflicht zur Schaffung eines Qualifikationstatbestandes (Bestimmtheitsgrundsatz Rechtsfolgen) 89, 584 – qualifikationstatbestandsspezifische Reichweite der Rechtsfigur negative Typenkorrektur 424, 600 – qualifizierende Merkmale als Differenzierungskriterien 379 – Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 398, 403
– Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei kompensierender Wirkung unrechts-/ schuldmindernder Umstände 404 – Relevanz der Strafrahmenverschiebung 368 – Relevanz einer Vertypung als qualifiziertes Delikt 366 – Schuldbezogenheit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung 380 – Schuldspruch 569 – Schuldspruch als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht 367, 397, 599 – schwere Körperverletzung 478 – stärkerer Eingriff in Grundrechte 400 – strenger Rechtfertigungsmaßstab für vertikale tatbestandliche Differenzierungen 400 – Struktur 50 – Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG 396 – Unterscheidung zwischen formaler Gesetzestechnik und materialem Unwertgehalt 53 – verschärfte Primär- und Sekundärsanktion 397 – vertikal-systematische Auslegung 453, 602 – vertikal-systematische Auslegung ambivalenter Qualifikationstatbestände 457, 468 – Vertypung quantitativer Unrechts-/ Schuldelemente 362 – Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes 377 – Vorgabenwirkung des Gebots schuldangemessenen Strafens 372, 598 – Vorrang einer einschränkenden vertikalsystematischen Auslegung vor der negativen Typenkorrektur 428, 471 – Wertgruppenbildung, – bewertung und -konkretisierung 63 – zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung 590 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430, 454, 457, 599 f. qualitative Teilnichtigkeit 560, 610
Stichwortregister quantitative Steigerung des grunddeliktischen Erfolgs 299
Raub 262 Rechtsgüterschutz 568, 576 Reduktion in malam partem 319 Regelbeispielstechnik 73 – Ablehnung der Gesamtwürdigung 542 – Abschichtung im Bereich des Unrechts 195 – ambivalente Regelbeispielsnormen im Lichte des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts 303, 595 – Analogieschluss 607 – Analogiewirkung 57 – Antizipation der Strafzumessung 569 – ausnahmsweise bestehender eigenständiger Zweck der Strafrahmenobergrenzenanhebung 597 – Auswirkungen einer Strafrahmenverschiebung 337 – Delegation von Entscheidungen 82 – Delegationsverbot und Konkretisierung der Generalklausel 547 – dogmatische Einordnung 594 – dogmatische Einordnung als Strafzumessungsregel 245 – Einsatz im Rahmen einer Strafrahmenabstufung 205, 578, 584 – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 582 – erhöhte Überprüfbarkeit richterlicher Entscheidungen 198 – Fehlen einer abschließenden gesetzgeberischen Strafrahmenzuordnung 218 – fiktiver Gesamtstrafrahmen 205 – fiktiver Gesamtstrafrahmen als Prüfungsgegenstand (Bestimmtheitsgrundsatz Rechtsfolgenseite) 90 – flexible Verknüpfung von Regelbeispiel und Sonderstrafrahmen als gesetzgeberische Grundentscheidung 315, 359 – Folgen des Einsatzes bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 307 – Form-Inhalt-Inkongruenz 307 – Formenmissbrauch 307 – Gegenschlusswirkung 609
649
– Gegenüberstellung der negativen Typenkorrektur bei Qualifikationstatbeständen 442 – Generalklausel 607 – Generalklausel und strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 224, 608 – Gesamtkonzeption (Übersicht) 447 – Gesamtwürdigung (sonstige besonders schwere Fälle) 535, 607 – Gesetzeszweck der Strafschärfung 320, 324 – Indizwirkung 57, 193 – Indizwirkung und Delegation von Entscheidungen 216, 219, 224, 239, 592 – Indizwirkung und Fehlen einer gesetzgeberischen Bewertung 238 – Indizwirkung und Lückenhaftigkeit gesetzgeberischer Entscheidung 216, 238 – kein allgemeiner eigenständiger Gesetzeszweck der Strafrahmenobergrenzenanhebung 322, 325, 330 – keine Gleichsetzung mit bloßer Strafrahmenerweiterung 190 – Komplementärnormbildung de lege ferenda 448 – Kritik 534 – Leitbildcharakter der Regelbeispiele 191 – Lückenhaftigkeit gesetzgeberischer Entscheidung 216 – maßstabbildende Bedeutung der Regelbeispiele 192, 545, 607 – Mechanik 65 – Mischform 56, 65 – „nur, aber nicht immer“-Formel 80, 534, 541, 607 – objektiver Sinn und Zweck 568 – Regelbeispiele und Versuchsbeginn 228 – sonstige besonders schwere Fälle 534, 607 – sonstige besonders schwere Fälle – einschränkende Ansätze 536 – Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und strengem strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt 354 – Strafschärfung als Gesetzeszweck 330, 596 – strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 541
650
Stichwortregister
– Struktur 56 – Teilverfassungswidrigkeit bei Form-Inhalt-Inkongruenz 307 – umgekehrte Indizwirkung 197 – und Analogieverbot 534, 540, 607 – und Bestimmtheitsgrundsatz 94, 534, 540, 607 – Unterscheidung zwischen gesetzgeberischer Wertentscheidung und diesbezüglicher gesetzestechnischer Umsetzung 335 – Unterschiede zu unbenannten besonders schweren Fällen 190, 200, 591 – Unterschiede zwischen den Anforderungen von Schuldgrundsatz und Bestimmtheitsgebot 202 – unterschiedliche Bewertung anhand Schuldgrundsatz und Bestimmtheitsgebot 205 – unvollkommene (Grund)Präzisierung 68, 591 – unvollkommene Wertgruppenkonkretisierung 190 – Unzulässigkeit bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 232, 234, 241 – Unzulässigkeit der Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung 354 – verfassungskonforme Reduktion bei Form-Inhalt-Inkongruenz 308, 361, 596 – verfassungskonforme Reduktion bei Form-Inhalt-Inkongruenz (Vereinbarkeit mit Gesetzeszweck) 317, 331 – verfassungskonforme Reduktion bei Formenmissbrauch 308 – verfassungsrechtliche Einschätzung 247, 540 – Vorsatz-Erfordernis 199 – Vorverlagerung des Versuchsbeginns 225 – Wertgruppenbildung, -bewertung und -konkretisierung 65 – zur Durchführung einer notwendigen Strafrahmenabstufung 190, 202, 590 f. Regelfälle der Deliktsverwirklichung 585 – Definition 133 – gesetzgeberische Bewertung der Regelfälle 133 – Strafandrohung 138
– Strafandrohung für die Regelfälle 133, 135 – Strafaussetzungsfähigkeit aller Regelfälle bei Vergehen 142 – unteres Drittel des Strafrahmens 586 – zugeordneter Strafrahmenbereich 138 Schuldbezogenheit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung 380 Schuldgrundsatz – Anforderungen an die Strafrahmenbildung 98 – deliktsartspezifische Reichweite der Strafaussetzungsfähigkeit bei Vergehen 146 – determinierende Wirkung der Einordnung als Vergehen 118 – erkennbare Bewertung der Unrechtsmaterie 95, 97, 584 – Erkennbarkeit gesetzgeberischer Bewertung 159 – Folgen eines überweiten Strafrahmens 166, 588 – Gebot schuldangemessenen Strafens 369 – Gebot schuldangemessenen Strafens und allgemeiner Gleichheitssatz 385 – Gebot schuldangemessenen Strafens (Vorgaben für qualifizierte Delikte) 372 – gesetzgeberische Unrechtsbewertung und Strafrahmenweite 102 – gestaffeltes Strafrahmensystem 97, 99 – höchstzulässige Strafrahmenobergrenze bei Vergehen 160 – höchstzulässige Strafrahmenobergrenze bei Vergehen (Schuldgrundsatz) 165, 583, 587 f., 609 – höchstzulässige Strafrahmenweite bei Vergehen (Schuldgrundsatz) 165 – höchstzulässige Weite von Sonderstrafrahmen 557, 609 – notwendige Strafrahmenabstufung 167 – Reichweite von Vergehensstrafrahmen 160 – Stringenz der gesetzgeberischen Bewertung 157 – Stringenzgebot 112, 157 – Teilverfassungswidrigkeit eines überweiten Strafrahmens 575 f.
Stichwortregister – und hinreichend „bestimmter“ Einheitsstrafrahmen 97 – und Inkonsistenz der Rechtsfolgenzuordnung 159 – vergehenstypische Strafandrohung 132 – Vorgaben an die Strafrahmengestaltung (Übersicht) 578 – Vorgaben für die Strafrahmengestaltung 95 Schuldspruch als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht 367, 397, 599 schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) 267, 478, 603 Sonderpflichtdelikte 274, 284 Sonderpflichtdelikte als ErwerbsunrechtsTatbestände 284 Sonderstrafrahmen 609 sonstige besonders schwere Fälle 607 – Ablehnung einer Gesamtwürdigung 542 – Ableitungen aus den herausgearbeiteten Grundsätzen 547 – Analogieschluss 607 – Anforderungen 544 – antizipierte Replik 552 – Delegationsverbot 547 – einschränkende Ansätze 536 – Gegenschlusswirkung 554 – Generalklausel 607 – Gesamtwürdigung 535, 607 – maßstabbildender Charakter der Regelbeispiele 545 – „nur, aber nicht immer“-Formel 534, 541 – nur bei Modifikationen des grunddeliktischen Unwerttypus 549 – regelbeispielsähnliche Fälle 555 – Schädigung bzw. Gefährdung eines weiteren Rechtsguts 550 – Verwirklichung eines weiteren Straftatbestandes 552 – Voraussetzungen 555, 608 – Vorgaben des strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalts 547, 608 Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und strengem strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt 354 Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht zur erkennbaren Bewertung und dem Gebot schuldangemessenen Strafens 100, 583
651
Spannungsverhältnis zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit 354 Strafaussetzungsfähigkeit aller Regelfälle bei Vergehen 142 Strafrahmen – als Ausdruck gesetzgeberischer Bewertung 96 – Ausschluss der Geldstrafenverhängung 107 – Auswirkungen der Verbrechenseinordnung 103 – Auswirkungen einer Strafrahmenverschiebung 337 – bei vielgestaltigen Delikten 167 – Bewertungsfunktion 96, 112 – Bewertungsfunktion und Konflik mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens 100 – Bewertungsfunktion und Strafrahmenweite 102 – Bündel von Einzelstrafandrohungen 561 – deliktsartspezifische Rechtsfolgenzuordnung bei Vergehen 142 – deliktsartspezifische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit bei Vergehen 125 – deliktsbezogene Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit 108 – deliktsbezogene Strafaussetzungsmöglichkeit 108 – deliktsgruppenübergreifende Abstimmung von Strafrahmen 130 – determinierende Wirkung der Einordnung als Vergehen 118 – die wesentlichen Festsetzungen als Indikatoren gesetzgeberischer Bewertung 112 – „Einheitsstrafrahmen“ 97 – Einordnung als Verbrechen oder Vergehen 103 – Folgen eines überweiten Strafrahmens 166, 559, 578, 588 – folgerichtige Strafrahmengestaltung 128 – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen bezüglich der Strafaussetzungsfähigkeit („Wie“) 147 – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen bezüglich der Strafaussetzungsmöglichkeit („Wie“) 133
652
Stichwortregister
– gesamte Bandbreite zeitiger Freiheitsstrafen 88 – gestaffeltes Strafrahmensystem 97, 99 – Harmonisierung (6. StrRG) 323 – höchstzulässige Strafrahmenobergrenze bei Vergehen (Schuldgrundsatz) 160, 583, 587 f., 609 – höchstzulässige Strafrahmenweite bei Vergehen (Schuldgrundsatz) 165 – höchstzulässige Weite 31, 34 – höchstzulässige Weite (Bestimmtheitsgrundsatz) 88, 583 – höchstzulässige Weite von Sonderstrafrahmen 557, 609 – idealtypischer Strafrahmen für Vergehen 118, 156, 585 – Kupieren eines überweiten Grundstrafrahmens 576 – Kupieren eines überweiten Sonderstrafrahmens 575 – minder schwere Fälle 327 – Nichtbeachtung der Forwirkung der Vergehens-Privilegierung ist nicht gleichheitswidrig 129 – normativer Durchschnittsfall 136 – notwendige Strafrahmenabstufung 589 – Orientierung an der Unrechtsumschreibung 97 – Regelfall-Bewertung durch Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit 144 – Regelfälle 133 – Reichweite von Vergehensstrafrahmen (Schuldgrundsatz) 160 – sachgerechte Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge 171 – Spannungsverhältnis zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Gebot schuldangemessenen Strafens 61 – Stimmigkeit von Kategoriezuordnung und Rechtsfolgenfestsetzung für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung 157 – Strafandrohung für die Regelfälle 135, 138 – Strafrahmenabstufung „nach unten“ 171 – strafrahmenschärfende Merkmale 254 – Strafrahmenschärfung durch Strafrahmenverengung 333
– Stringenz der gesetzgeberischen Rechtsfolgenanordnung 157 – Stringenzgebot 157 – Teilnichtigkeit von Strafrahmen 578, 610 – totale Aussetzungsfähigkeit der Regelfälle bei Vergehen 146, 151 – Unvereinbarkeitserklärung 588 – verfassungsrechtliche Dimension eines Systembruchs 158 – Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung 587 – vergehenstypische Strafandrohung 132 – Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Ausgestaltung der Strafrahmenweite 84 – Vorgaben des Schuldgrundsatzes 95 – Vorgaben des Schuldgrundsatzes – Stringenzgebot (Übersicht) 578 – Weite von Sonderstrafrahmen 609 – Weite von Strafrahmen (Schuldgrundsatz) 578 – wesentliche Festsetzungen 102, 113 – wesentliche gesetzgeberische Wertungen 102 – Widerspruch zwischen Strafrahmenunterund Strafrahmenobergrenze 159 – Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Festsetzungen 153 – Widersprüchlichkeit von Strafrahmenkomponenten 157 Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen 561 Strafrahmenabstufung – Auflösung eines Spannungsverhältnisses 180 – durch Regelbeispielsnormen 205 – Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Gesetzestechniken 578 – Gesetzestechniken 63, 70, 179, 206 – mittels unbenannter besonders schwerer Fälle 181 – „nach unten“ 171 – notwendige Strafrahmenabstufung 31, 40, 167, 589 f. – „Ob“ 31, 40 – Spannungsverhältnis 180 – strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 209
Stichwortregister – und Schuldgrundsatz 100 – Unterschiede zwischen den Anforderungen von Schuldgrundsatz und Bestimmtheitsgebot 202 – Vorfrage nach der maximal zulässigen Strafrahmenweite 76 – Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes (Rechtsfolgenseite) 94 – „Wie“ 34 Strafrahmenabstufung „nach unten“ 171 – als Regelungsalternative 171 – mittels Privilegierungstatbestandes 177 Strafrahmenänderungsgründe – benannte 54 – unbenannte 54 strafrahmenschärfende Merkmale 254 Strafrahmenschärfung durch Strafrahmenverengung 333 Strafschärfung als Gesetzeszweck 330 Strafschärfung als gesetzgeberische Wertentscheidung 335 strenger strafrechtlicher Parlamentsvorbehalt 209, 591 – Bedeutung der Unwerttypen-Bewertung 230 – Betrachtung des materialen Unwertgehaltes 249 – Delegationsverbot 210, 212, 592 – determinierende Wirkung des umschriebenen Unrechts für die Formwahl 240 – Entscheidung über die Anwendung des Sonderstrafrahmens 222 – Entstehung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus 249, 594 – Entstehung eines neuen, wesensfremden Unwerttypus (Kriterien) 259 – Fehlen einer gesetzgeberischen Bewertung bei Regelbeispielstechnik 238 – Grundlagen 212 – grundrechtswesentliche Entscheidungen 221, 593 – neuer, wesensfremder Unwerttypus 230, 240, 593 – Prüfung der Wesensverschiedenheit 250, 594 – Regelungsdichteanweisung des Art. 103 Abs. 2 GG 309
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– und Konkretisierung der Generalklausel bei Regelbeispielsnormen 547 – Unwerttypen-Bewertung als Leitentscheidung im Strafrecht 230 – Vorgaben für die Konkretisierung der Generalklausel 608 – Vorverlagerung des Versuchsbeginns 225 – Wesentlichkeitstheorie 212 Stringenz der gesetzgeberischen Rechtsfolgenanordnung 157 Stringenz von Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung 117 Stringenzgebot 157, 585, 588 – Bewertung durch Festlegung der deliktsbezogenen Reichweite der Aussetzungsmöglichkeit 108 – deliktsartspezifische Rechtsfolgenzuordnung bei Vergehen 142 – deliktsartspezifische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit bei Vergehen 125, 146 – determinierende Wirkung der Einordnung als Vergehen 118 – einseitiges Schutzkonzept 163 – Erkennbarkeit gesetzgeberischer Bewertung 159 – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen bezüglich der Strafaussetzungsfähigkeit („Wie“) 147 – Fortwirkung der Privilegierung von Vergehen bezüglich der Strafaussetzungsmöglichkeit („Wie“) 133 – Gegenüberstellung der wesentlichen Festsetzungen 116 – gesetzgeberische Bewertung der Regelfälle als Anknüpfungspunkt 145 – Herleitung 112 – höchstzulässige Strafrahmenobergrenze bei Vergehen (Schuldgrundsatz) 583, 587 f., 609 – höchstzulässige Weite von Sonderstrafrahmen 609 – innerdeliktische Stringenz der Rechtsfolgenzuordnung 117 – Regelfall-Bewertung durch Festlegung der deliktsspezifischen Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit 144
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Stichwortregister
– Reichweite der Aussetzungsfähigkeit der Regelfälle als Anknüpfungspunkt 145 – Sonderstrafrahmen 558 – Stimmigkeit von Kategoriezuordnung und Rechtsfolgenfestsetzung für die Regelfälle der Deliktsverwirklichung 157 – Strafaussetzungsfähigkeit aller Regelfälle bei Vergehen 142 – Strafrahmen von Komplementärnormen 558 – Stringenz von Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung 117 – totale Aussetzungsfähigkeit der Regelfälle bei Vergehen 146, 151 – Vergehen mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafandrohung 152, 162, 587 – vergehenstypische Reichweite der Strafaussetzungsmöglichkeit 119 – vergehenstypische Strafandrohung 132 – Vorgaben an die Strafrahmengestaltung (Übersicht) 578 – wesentliche Festsetzungen als Ansatzpunkte 113, 116, 585 – Widerspruch zwischen Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung 159 – Widersprüchlichkeit der wesentlichen Festsetzungen 117 – Widersprüchlichkeit gesetzgeberischer Festsetzungen 113, 153 Strukturierung einer Deliktsgruppe 580 Stufen zur Bewältigung normbezogener verfassungsrechtlicher Spannungen 566 Stufensystem des § 56 StGB 120, 585 Systemgerechtigkeit der Gesetzgebung – allgemein 125 – deliktsgruppenübergreifende Abstimmung von Strafrahmen 130 – und Strafrahmengestaltung 129 Tatbestand – Tatbestandsbegriffe 45 – und Gesetzestext 48 Teilnichtigkeit – bei überweitem Strafrahmen 559, 610 – Entscheidungserheblichkeit des objektiven Normzwecks 611 – qualitative Teilnichtigkeit 560
– qualitative Teilnichtigkeitserklärung 562, 610 – Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen 561 – Verhältnis zu verfassungskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung 566 – Verhältnis zur Gesamtnichtigkeitserklärung 560 – von Strafnormen 559 – Voraussetzungen 563 Teilnichtigkeit von Strafrahmen – Übersicht 578 Teilverfassungswidrigkeit 307 – bei überweitem Grundstrafrahmen 576, 610, 613 – bei überweitem Sonderstrafrahmen 559, 610 – Entscheidungserheblichkeit des objektiven Normzwecks 563, 611 – kein Entgegenstehen des objektiven Normzwecks 563 – qualitative Teilnichtigkeitserklärung 560, 610 – Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen 561 – Teilbarkeit 563 – Unterschiede zur verfassungskonformen Rechtsfortbildung 565 – Verhältnis zu verfassungskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung 566 – Verhältnis zur Gesamtnichtigkeitserklärung 560 – von Regelbeispielsnormen 307 – von Strafnormen 559 – Voraussetzungen 563 Teilverfassungswidrigkeit bei überweitem Grundstrafrahmen 576 Teilverfassungswidrigkeit bei überweitem Sonderstrafrahmen 559, 610 – Bestehenbleiben der Wirkungen des Strafrahmenwechsels 571 – Entscheidungserheblichkeit des objektiven Normzwecks 563, 611 – grundsätzliche Nichtvereitelung des objektiven Gesetzeszwecks 571 – kein Entgegenstehen des objektiven Normzwecks 563
Stichwortregister – Kupieren des Sonderstrafrahmens 575, 610 – Normverwerfungsmonopol 575 – objektiver Sinn und Zweck von Komplementärnormen 568, 611 – qualitative Teilnichtigkeitserklärung 561, 610 – Sonderfall § 51 Abs. 2 WaffenG 573, 612 – Strafrahmen als Bündel von Einzelstrafandrohungen 561 – Voraussetzungen 563 Teilverfassungswidrigkeit eines überweiten Strafrahmens 575 f. Teilverfassungswidrigkeit von Strafrahmen – Übersicht 578 Umgang mit überweiten Strafrahmen 166, 559, 576 unbenannte besonders schwere Fälle 54, 72, 590 – Einsatz zur Strafrahmenabstufung 578, 584, 590 – Einsatzgebiete der einzelnen Gesetzestechniken 582 – fehlende Abstufung im Bereich des Unrechts 181 – fiktiver Gesamtstrafrahmen als Prüfungsgegenstand (Bestimmtheitsgrundsatz Rechtsfolgenseite) 90 – Generalklausel 55 – Gewaltenteilungsprinzip 186 – Gleichsetzung mit der Erweiterung des Grundstrafrahmens 181 – Komplementärnormbildung de lege ferenda 448 – und Annahme eines Gesamtstrafrahmens 185 – und Bestimmtheitsgrundsatz 94 – verfassungsrechtliche Zulässigkeit 187 – Wertgruppenbildung, -bewertung und -konkretisierung 64 – Zulässigkeit einer fiktiven Grundstrafrahmenerweiterung 187 Unrechtsformen 278 Unrechtstatbestand 47, 50 Unterscheidung zwischen Form (formaler Gesetzestechnik) und Inhalt (materialem Unwertgehalt) 242 f., 246
655
Unterscheidung zwischen gesetzgeberischer Grundentscheidung und diesbezüglicher gesetzestechnischer Umsetzung 335 Unterschiede zwischen den Anforderungen von Schuldgrundsatz und Bestimmtheitsgebot 202 Unvereinbarkeitserklärung 166, 588 Unwerttypen-Bewertung als Leitentscheidung im Strafrecht 230 Unwerttypus – und Deliktstatbestand 49 – und Strafvorschrift 49
Verbot des Contra-legem-Judizierens 316, 434 Verbrechen – als besonders sozialschädliche und besonders strafwürdige Delikte 104 – Auswirkungen der Verbrechenseinordnung 103 – Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Verbrechenseinordnung 174 – Einordnung als gesetzgeberische Bewertung 105 – hohe Anforderungen an Strafaussetzung zur Bewährung 123 – verfassungsrechtliche Bedeutung von § 12 Abs. 3 StGB 223 verfassungskonforme Auslegung, verfassungskonforme Rechtsfortbildung und Teilnichtigkeitserklärung 566 verfassungskonforme Rechtsfortbildung – Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck 317, 434 – Eindeutigkeit der gesetzgeberischen Willensäußerung 339, 346 f. – Eindeutigkeit des entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens 435 – hypothetischer Wille des Gesetzgebers 341 – in malam partem 358 – keine Reduktion auf „Null“ 352, 440 – keine wesentliche Umstrukturierung der Norm 350, 438 – Lückenfeststellung und -ausfüllung 313, 432
656
Stichwortregister
– negative Typenkorrektur zur Verhinderung gleichheitswidriger Verurteilungen 432 – Reduktion in malam partem 319 – Unterscheidung zwischen gesetzgeberischer Wertentscheidung und diesbezüglicher gesetzestechnischer Umsetzung 335 – Unterschiede zur Teilverfassungswidrigkeit (Teilnichtigkeitserklärung) 565 – Verbot des Contra-legem-Judizierens 316, 434 – verfassungskonforme Reduktion einer Regelbeispielsnorm bei Form-Inhalt-Inkongruenz 308 – verfassungskonforme Reduktion einer Regelbeispielsnorm bei Formenmissbrauch 308 – Vorrang einer einschränkenden vertikalsystematischen Auslegung vor der negative Typenkorrektur 428 – zur Verhinderung einer gleichheitswidrigen Verurteilung 415 verfassungskonforme Reduktion einer Regelbeispielsnorm bei Form-Inhalt-Inkongruenz 308 verfassungskonforme Reduktion fehlerhafter Regelbeispielsnormen 308, 361, 596 – als zulässige Rechtsfortbildung praeter legem 596 – antizipierte Replik auf mögliche Einwände 354 – Aufrechterhaltung der Strafschärfung 331 – ausnahmsweise bestehender eigenständiger Zweck der Strafrahmenobergrenzenanhebung 339, 344, 346, 349, 597 – Doppelkriterium Wortsinn und Gesetzeszweck 317 – Gesetzeszweck der Strafschärfung 320 – hypothetischer Wille des Gesetzgebers 341 – kein allgemeiner eigenständiger Gesetzeszweck der Strafrahmenobergrenzenanhebung 330 – keine Reduktion auf „Null“ 352 – keine wesentliche Umstrukturierung der Norm 350 – Lückenfeststellung und -ausfüllung 313
– nicht möglich bei § 300 Satz 2 Nr. 2 StGB 347 – notwendige Eindeutigkeit einer weitergehenden Zwecksetzung 339 – sonstige Auswirkungen der Strafrahmenverschiebung 337 – Strafrahmenschärfung als gesetzgeberische Wertentscheidung 335 – Strafrahmenschärfung durch Strafrahmenverengung 333 – Strafschärfung als Gesetzeszweck 330, 596 – Struktur der Entscheidung über die Sonderstrafrahmenanwendung als Kernpunkt der Kritik 357 – Unterscheidung zwischen gesetzgeberischer Grundentscheidung und diesbezüglicher gesetzestechnischer Umsetzung 335 – Unzulässigkeit der Annahme einer zwingenden Strafrahmenverschiebung 354 – Verbot des Contra-legem-Judizierens 316 – Vereinbarkeit mit dem Gesetzeszweck 331 – Vorzugswürdigkeit einer Reduktion 597 Vergehen – idealtypischer Strafrahmen 585 – Vorgaben an die Strafrahmenbildung (Übersicht) 578 Vergewaltigung 266, 283 verschärfte Primär- und Sekundärsanktion 397 vertikal-systematische Auslegung 453, 602 – absolute Ausschlusswirkung der Wortlautinkompatibilität 462 – absolute Ausschlusswirkung des eindeutigen (entgegenstehenden) gesetzgeberischen Willens 462 – ambivalenter Qualifikationstatbestände 457, 468 – Auslegungskriterium der 2. Stufe 460 – Bildung eines (tatbestandsbezogenen) Differenzierungskriteriums und materiales Idealbild 458 – Eindeutigkeit des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers 463
Stichwortregister – Formulierung eines (tatbestandsbezogenen) Differenzierungskriteriums 457 – Grenzen 455 – Grundlegung 454 – Herangehensweise 470 – Orientierung am materialen Idealbild 454, 457 – sonstige Kollisionen 466 – Stellung im Gesamtsystem der Auslegungscanones 459, 603 – und Grenzen für die Auslegungstätigkeit 461 – und negative Typenkorrektur 471 – „Widersprechens“-Erfordernis 463 – Wortlautschranke 465 – Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 457 veruntreuende Unterschlagung 286
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verwerfliche Zweck-Mittel-Relation als Strafschärfungsgrund 605 Vorfrage nach der maximal zulässigen Strafrahmenweite 76 Vorgaben an die Strafrahmengestaltung (Übersicht) 578 Vorverlagerung des Versuchsbeginns 225 Weite von Sonderstrafrahmen 609 Wertgruppenbildung, -bewertung und -konkretisierung 63 Wesentlichkeitstheorie 212 Widerspruch zwischen Kategoriezuordnung und Strafrahmengestaltung 159 (Wohnungs)Einbruchsdiebstahl 235 Zweispurigkeit der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bei neuen, wesensfremden Unwerttypen 430, 454, 457