Zugang zum Recht für Verbraucher: Ein Vergleich der alternativen Streitbeilegung in Verbrauchersachen mit der gerichtlichen Streitbeilegung [1 ed.] 9783428558247, 9783428158249

Vielfach scheuen Verbraucher die prozessuale Durchsetzung ihrer Rechte. Die Europäische Union setzt deswegen auf den Aus

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German Pages 256 [257] Year 2019

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Zugang zum Recht für Verbraucher: Ein Vergleich der alternativen Streitbeilegung in Verbrauchersachen mit der gerichtlichen Streitbeilegung [1 ed.]
 9783428558247, 9783428158249

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Schriften zum Prozessrecht Band 256

Zugang zum Recht für Verbraucher Ein Vergleich der alternativen Streitbeilegung in Verbrauchersachen mit der gerichtlichen Streitbeilegung

Von Franziska Hidding

Duncker & Humblot · Berlin

FRANZISKA HIDDING

Zugang zum Recht für Verbraucher

Schriften zum Prozessrecht Band 256

Zugang zum Recht für Verbraucher Ein Vergleich der alternativen Streitbeilegung in Verbrauchersachen mit der gerichtlichen Streitbeilegung

Von Franziska Hidding

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-15824-9 (Print) ISBN 978-3-428-55824-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85824-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Ihr liegt der Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Februar 2018 zugrunde. Zuallererst möchte ich herzlich meinem Doktorvater Prof. Dr. Gerald Mäsch danken, der die Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht Abt. I angeregt und unterstützt hat und sich stets Zeit für eine fachliche Diskussion nahm. Bei Prof. Dr. Ingo Saenger bedanke ich mich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für erkenntnisreiche Gespräche und seine Hilfsbereitschaft danke ich ferner Herrn Privatdozent Dr. Martin Fries, LL.M. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl herzlich danken für die schöne Zeit und viele fachliche wie freundschaftliche Gespräche. Ganz besonders hervorheben möchte ich Dr. Bettina Gausing, die mit viel Sorgfalt, Interesse und vor allem Scharfsinn mein Manuskript gelesen und wertvolle Hinweise und Anregungen eingebracht hat. Mein ganz besonderer Dank gilt Dr. Nicolai Culik. Sein kritisches und unermüdliches Überarbeiten meines Manuskripts hat entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Vielmehr danke ich ihm jedoch dafür, dass er unsere gemeinsame Promotionszeit mit Humor, Optimismus und Lebensfreude bereichert hat. Schließlich danke ich meinen wunderbaren Eltern, Ingrid und Prof. Dr. Dr. Johannes Hidding, für ihre vorbehaltlose Unterstützung und Begleitung während meiner Ausbildung und dafür, dass sie mir immer ein sicherer Rückhalt sind. Ihnen widme ich diese Arbeit. Berlin, im Juni 2019

Franziska Hidding

Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung 

15

A. Einführung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Zielsetzung und methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 D. Begrifflichkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kapitel 2

Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab 

26

A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . 26 B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Kapitel 3

Vergleich des Zugangs zum Recht durch Verbraucherschlichtung und durch Gerichtsverfahren 

64

A. „Zugang“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C. Ergebnis des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Kapitel 4

Zugang zum Recht durch das Zusammenspiel von Verbraucherschlichtung und gerichtlichem Verfahren 

212

A. Zusammenspielvon Verbraucherschlichtung und gerichtlichem Verfahren . . . 212 B. Weniger Verbraucherschutzals Folge des aktuellen Zusammenspiels . . . . . . . 218 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

8 Inhaltsübersicht Kapitel 5

Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht für Verbraucher 

220

A. Mehr Zugang zu den Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 B. Mehr Recht bei den Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 C. Folge: Verbesserter Zugang zum Recht für den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . 233 D. Verbleibende Rolle der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 F. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung 

15

A. Einführung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Zielsetzung und methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 D. Begrifflichkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kapitel 2

Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab 

26

A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . I. Verbraucherschlichtung nach dem VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neuregelung auf Initiative der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich des VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mögliche Streitbeilegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlichtungsstruktur in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgrenzung zu Kundenbeschwerdestellen von Unternehmen . . . . . . . II. Gerichtliche Lösung von Verbraucherkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontradiktorisches Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Gütegedanke in der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinfachungen und Beschleunigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren nach billigem Ermessen und europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäisches und deutsches Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis und Schwerpunktsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 26 27 29 32 36 39 41 42 42 45

B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsbestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Uneinheitliche Begriffsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zugang zum Recht in ADR-RL und VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formulierung einer Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das „Ob“ der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 52 52 53 54 54

45 47 49

10 Inhaltsverzeichnis b) Das „Wie“ der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Abgrenzung zum Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Strengere Anforderungen beim Zugang zum Recht für Verbraucher . . 59 II. Zweiteilung des Begriffs in die Bestandteile „Zugang“ und „Recht“ und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Kapitel 3

Vergleich des Zugangs zum Recht durch Verbraucherschlichtung und durch Gerichtsverfahren 

A. „Zugang“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Information und Bekanntheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen zur Bekanntmachung der Verbraucherschlichtung . . . aa) Webseiten der Verbraucherschlichtungsstellen . . . . . . . . . . . . . bb) Bundesamt für Justiz als zentrale Anlaufstelle . . . . . . . . . . . . . cc) ODR-Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mitteilungspflichten der Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bekanntheit des Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Örtliche Präsenz der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Örtliche Präsenz der Verbraucherschlichtungsstellen . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatsächliche Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatsächliche Nutzung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rationales Desinteresse gegenüber der Justiz . . . . . . . . . . . . . bb) Unbegründetheit des rationalen Desinteresses . . . . . . . . . . . . . (1) Dauer des Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kosten des Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatsächliche Nutzung der Verbraucherschlichtungsstellen . . . . . . . aa) Einfluss von Dauer und Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . (1) Dauer der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kosten der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einfluss des VSBG auf das rationale Desinteresse . . . . . . . . . II. Phase der Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antrag auf Durchführung einer Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . aa) Antragstellung bei der Verbraucherschlichtungsstelle . . . . . . . bb) Antragstellung über die ODR-Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag auf Durchführung eines Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 64 65 65 65 66 66 67 68 73 74 75 78 82 83 83 83 85 85 88 92 93 93 93 95 97 99 99 99 99 102 103 106

Inhaltsverzeichnis11 2. Teilnahmepflicht und -bereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiwilligkeit der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilnahme am Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnungsgründe der Verbraucherschlichtungsstelle . . . . . . . . . . . b) Ablehnungsgründe der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108 108 111 112 112 115

B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Gewährleistung beim Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Gewährleistung bei der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Auswahl des Streitmittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Einfluss des Trägers der Verbraucherschlichtungsstelle . . . . . . . . . 122 c) Unternehmerfinanziertes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Vermeidung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Vorbeschäftigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Beschäftigungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Transparenz der Verfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Öffentlichkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Veröffentlichung des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Transparenz für die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Transparenz der Prozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Öffentlichkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Veröffentlichung des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 d) Transparenz für die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Kontradiktorische Verfahrensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Dispositions- und Beibringungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Verbraucherschutz durch materielle Prozessleitung . . . . . . . . . . . . . 148 d) Besonderheiten bei Anwendung des Unionsverbraucherrechts . . . . 152 2. Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Dispositions- und Beibringungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Weniger Verbraucherschutz im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Keine Besonderheit bei Anwendung des Unionsverbraucherrechts  165 IV. Rechtmäßigkeit des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

12 Inhaltsverzeichnis 1. Rechtsfundierung bei der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Ausrichtung am geltenden Recht und Beachtung des zwingenden Verbraucherrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Anwendbares Recht bei internationalen Sachverhalten . . . . . . . . . . 170 c) Umgang mit Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Umgang mit ungeklärtem Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 e) Qualifikation des Streitmittlers als Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Rechtskenntnisse und Fachwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 cc) Konkrete Beteiligung der qualifizierten Person . . . . . . . . . . . . 183 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 f) Kompromisslösungen bei der Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Rechtsfundierung bei den Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Rechtsprechung im kontradiktorischen Streitverfahren . . . . . . . . . . 189 b) Einbußen bei „Bagatellverfahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Vergleichsschlüsse im Schatten des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 V. Vertretung im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 VI. Durchsetzbarkeit des Verfahrensergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Durchsetzbarkeit der Verbraucherschlichtungsergebnisse . . . . . . . . . . . 200 2. Durchsetzbarkeit der gerichtlichen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 C. Ergebnis des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das „Ob“ der Streitbeilegung: „Zugang“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das „Wie“ der Streitbeilegung: „zum Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205 206 208 211

Kapitel 4

Zugang zum Recht durch das Zusammenspiel von Verbraucherschlichtung und gerichtlichem Verfahren 

212

A. Zusammenspielvon Verbraucherschlichtung und gerichtlichem Verfahren . . . 212 I. Steuerung durch die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Steuerung durch die Streitbeilegungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 B. Weniger Verbraucherschutzals Folge des aktuellen Zusammenspiels . . . . . . . 218 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Inhaltsverzeichnis13 Kapitel 5

Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht für Verbraucher 

220

A. Mehr Zugang zu den Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Größere Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einführung eines Verbrauchergerichtsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Änderung der Prozesskostenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Technische Modernisierungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Stärkere Veröffentlichung der Ergebnisse von Verbraucherverfahren . . . .

220 220 222 223 223 224

B. Mehr Recht bei den Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wert des Urteils gegenüber der gütlichen Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsklarheit und Entwicklung des Verbraucherrechts . . . . . . . . . . . . 2. Steuerung des Unternehmerverhaltens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Friedensstiftende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhinderung von Vergleichsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stärkere Aufklärung durch den Richter zur Förderung des Urteils . . . . . .

225 225 225 226 228 231 232

C. Folge: Verbesserter Zugang zum Recht für den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . 233 D. Verbleibende Rolle der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 F. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Kapitel 1

Einleitung A. Einführung und Bedeutung Die Europäische Union (EU) fördert schon seit langem die Austragung von Verbraucherkonflikten im außergerichtlichen Bereich. Eine jahrzehntelange Politik strebt an, den Zugang der Verbraucher zum Recht zu verbessern und zu diesem Zweck die außergerichtliche Streitbeilegung voranzutreiben.1 Die Impulse dafür geben Grünbücher,2 Kommissionsmitteilungen3 und Empfehlungen4. Es kann von einem Trend zur alternativen Streitbeilegung gesprochen werden.5 Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellen die Richtlinie 2013 / 11 / EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADR-RL)6 und die Verordnung (EU) Nr. 524 / 2013 über die 1  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 66 f. m. w. N.; Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 12 ff.; Roth, JZ 2013, 637, 638. 2  Europäische Kommission, Grünbuch zum Zugang der Verbraucher zum Recht und Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt, 16.11.1993, KOM(93) 576 endg.; Europäische Kommission, Grünbuch über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht, 19.4.2002, KOM(2002), 196 endg. 3  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission: Die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten, 30.3.1998, KOM(1998) 198 endg.; Europäi­ sche Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Alternative Verfahren zur Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten im Binnenmarkt, 29.11.2011, KOM(2011) 791 endg. 4  Europäische Kommission, Empfehlung der Kommission vom 30.3.1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten zuständig sind, ABl. L 115, 17.4.1998, 98 / 257 / EG; Euro­ päische Kommission, Empfehlung der Kommission über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, ABl. L 109, 4.4.2001, 2001 / 310 / EG. 5  Althammer, in: Brocker / Knops / Roth, FS Bamberger, 1, 1; Basedow, EuZW 2015, 1, 1; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 136; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 5. 6  Richtlinie 2013 / 11 / EU des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006 / 2004 und der Richtlinie 2009 / 22 / EG, ABl. L 165, 63, 18.6.2013.

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Kap. 1: Einleitung

Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ODR-VO)7 dar. Diese sich ergänzenden Gesetzgebungsinstrumente geben den Mitgliedstaaten auf, ein flächendeckendes unionsweites Netz an Streitbeilegungsstellen zu etablieren, das weitgehend einheitlichen Qualititätsanforderungen genügt und eine Alternative zur Konfliktlösung bei Gericht darstellt. Die Rechtsakte sollen die Unzulänglichkeiten der alternativen Streitbeilegung bei Beteiligung von Verbrauchern8 beheben. Als europaweite Defizite ergaben sich bislang, dass die alternativen Streitbeilegungsmethoden nicht hinreichend bekannt waren, in einigen Ländern nur wenige außergerichtliche Streitbeilegungsstellen existierten, verbindliche Mindeststandards fehlten und die Lösung grenzüberschreitender Konflikte nicht reibungslos funktionierte.9 In der Vergangenheit wirkte die EU zwar auch auf die Gerichtsverfahren ein, um den Rechtsschutz zu verbessern. Mangels ihrer Kompetenz zur Modifizierung des Gerichtsschutzes für nationale Streitigkeiten konnte sie allerdings nur für grenzüberschreitende Fälle ein Mahnverfahren und ein Bagatellverfahren schaffen. Die ADR-RL setzt nun ausschließlich auf den Ausbau der außergerichtlichen Streitbeilegung und gilt für nationale wie internationale Konflikte gleichermaßen.10 Dadurch erhofft man sich eine schnelle, kostengünstige und niedrigschwellige Lösung von Verbraucherkonflikten, anhand derer die Verbraucher insbesondere geringfügige Forderungen leichter durchsetzen können.11 Die alternative Streitbeilegung – auch im deutschen Sprachraum häufig als alternative dispute resolution (ADR) bezeichnet – wird von der EU neben der Förderung von Sammelklagen als Mittel angesehen, Vertrauen in die Durchsetzung der eigenen Rechte zu schaffen. Dies soll in der Folge den europäischen Binnenmarkt neu beleben.12 7  Verordnung (EU) Nr. 524 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006 / 2004 und der Richtlinie 2009 / 22 / EG, ABl. L 165, 1, 18.6.2013. 8  Dass in dieser Arbeit durchgehend die männliche Form verwendet wird, dient allein der besseren Lesbarkeit. Wenn von „Verbraucher“, „Unternehmer“, „Streitmittler“, „Richter“ etc. die Rede ist, gilt die weibliche Form stets als umfasst. 9  Civic Consulting of the Consumer Policy Evaluation Consortium (CPEC), Study on the use of Alternative Dispute Resolution in the European Union, vom 16.10.2009 im Auftrag der DG SANCO (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz), abrufbar unter: http: /  / ec.europa.eu / consumers / archive / redress_cons / adr_study.pdf. 10  Kritisch zur Kompetenz der EU zur Regelung nationaler ADR-Verfahren Rühl, Journal of Consumer Policy 2015, 431, 442 f. 11  Europäische Kommission, Binnenmarktakte: Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen, KOM(2011) 206 endg., 11; zur hohen Bedeutung des Verbraucherschutzes bei Zunahme des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs s. Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, 20. 12  Europäische Kommission, Binnenmarktakte: Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen, KOM(2011) 206 endg., 11.



A. Einführung und Bedeutung 17

Die ADR-RL überlässt es den Mitgliedstaaten der EU, die Gestalt des alternativen Verfahrens auszuformen. So kann es sich um Verfahren handeln, bei denen der Streitmittler die Parteien zu einer gütlichen Einigung veranlasst, eine Lösung vorschlägt oder eine Entscheidung auferlegt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die Vorgaben der EU in Form der Verbraucherschlichtung und Verbrauchermediation umzusetzen und sich somit gegen ein Entscheidungsverfahren entschieden. Den gesetzlichen Rahmen bildet das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der ­ Ver­ordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG)), welches die Vorgaben der ADR-RL – teilweise überschießend – umsetzt. Das VSBG verweist gemäß § 18 VSBG für die Durchführung von Mediationen auf das Mediationsgesetz und stellt für die Schlichtung umfassende Regeln auf. Dadurch ordnet es den Bereich der Schlichtung, der in Deutschland bislang, im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen, nicht einheitlich war.13 Im außergerichtlichen Bereich war lediglich das Schiedsverfahren schon länger durch die §§ 1025 ff. ZPO zusammenhängend geregelt. Seit dem Jahr 2008 unterliegt auch die Mediation aufgrund des lang ersehnten Mediationsgesetzes einer Struktur. Die Schlichtung hingegen war zwar in vielen Branchen etabliert,14 allerdings war sie bislang nur durch partielle und rudimentäre Regelungen geprägt und deckte nicht alle Branchen ab.15 Die Schlichtungsstellen agierten auf Grundlage ihrer individuellen Verfahrensordnungen und – soweit vorhanden – bereichsspezifischen Festsetzungen. Das VSBG schafft nun erstmals ein verfahrensund branchenübergreifendes Regelungskonzept für die außergerichtliche Schlichtung.16 Dadurch regelt der Gesetzgeber zudem einen Bereich, der sich bislang privat entwickelt und etabliert hat17 und sich formal zwischen den Beschwerdeverhandlungen von Unternehmern mit ihren Kunden und dem Gerichtsverfahren einordnet.18 13  Berlin, ZKM 2015, 26, 26; Greger, ZZP 2015, 137, 139; Greger, in: Greger /  Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 1. 14  Beispielsweise nach §  191f BRAO, § 111b EnWG, § 342 KAGB, § 57  ff. LuftVG, § 47a TKG, § 14 UKlaG, § 214 VVG für die Bereiche des rechtsanwalt­ lichen Berufsrechts, der Energiewirtschaft, der Kapitalanlagen, des Luftverkehrs, der Telekommunikation, der Zahlungsdienste und Finanzdienstleistungen und für den Bereich des Versicherungsvertrags. 15  Benöhr / Hodges / Creutzfeldt-Banda, in: Hodges / Benöhr / Creutzfeldt-Banda, Con­ sumer ADR in Europe, 73, 87; Berlin, ZKM 2015, 26, 26; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 19, bezeichnet den Aufbau der Schlichtungen als „Flickenteppich“. 16  Berlin, in: Tamm / Tonner, Verbraucherrecht, § 23 Rn. 35. 17  Deutlmoser / Engel, MMR 2012, 433, 434. 18  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 276.

18

Kap. 1: Einleitung

Die europäische und deutsche Gesetzgebung haben eine kontroverse ­ iskussion über die Lösung von Verbraucherkonflikten angestoßen. WissenD schaftlern und Praktikern drängt sich die Frage auf, ob die Verlagerung der Konfliktbeilegung in den außergerichtlichen Bereich den Verbraucher besser schützt und es ihm erleichtert, seine Rechtsinteressen zu verfolgen oder ob vielmehr Gegenteiliges bewirkt wird. Experten raten zur Vorsicht: Gerade Verbraucherstreitigkeiten dürften im Rahmen von Schlichtungen und Mediationen nicht zu „frei“ gelöst werden, weil dadurch materielle Verbraucherrechte unzureichend beachtet werden könnten. Wenngleich der Referentenentwurf nur „allgemeine Rechtskenntnisse“19 und eine „Berücksichtigung des geltenden Rechts“20 von den Streitmittlern forderte, führten die während des Gesetzgebungsprozesses geäußerten Bedenken dazu, dass Streitmittler nun gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG zum Richteramt befähigt oder zertifizierte Mediatoren sein müssen. Außerdem legt § 19 Abs. 1 VSBG fest, dass der Schlichtungsvorschlag das zwingende Verbraucherrecht beachten soll. Dadurch soll eine bessere Rechtsbeachtung erreicht werden. Das Resultat des umstrittenen Gesetzesvorhabens ist eine Verbraucherschlichtung, die in vielen Punkten justizähnliche Züge annimmt. Wenig überraschend werden daher Stimmen laut, die ein „Parallelsystem“21 monieren und eine „private Schat­ tenjustiz“22 befürchten. Die Gleichläufigkeit kommt auch dadurch zum Vorschein, dass beide Systeme versuchen, den Interessen der Verbraucher durch ein Schnellverfahren nachzukommen und gütliche Einigungen in Form von Vergleichen vermehrt zu erreichen. Es besteht folglich ein Spannungsverhältnis zwischen der staatlichen Justiz und der außergerichtlichen Verbraucherstreitbeilegung, das noch nicht ausbalanciert ist. Hinzu kommt, dass für die kommenden Jahre ein Zuwachs der außergerichtlichen Streitbeilegung prognostiziert wird, sodass damit gerechnet werden kann, dass ihr eine zentrale Bedeutung für die Lösung von Verbraucherkonflikten zukommen wird.23 Dies wird häufig als Chance für den Zugang 19  § 5 Abs. 2 des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 10.11.2014. 20  § 17 Abs. 1 des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 10.11.2014. 21  Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1708; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 137; wohl auch Rühl, ZZP 2014, 61, 94. 22  Eidenmüller / Engel, Schöne neue Schlichtungswelt, FAZ v. 12.7.2013, Nr. 159, 7; Roth, DRiZ 2015, 24, 25. 23  Hodges, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 336, 367: „mainstream method of resolving consumer disputes“.



B. Zielsetzung und methodischer Ansatz 19

zum Recht betrachtet. Unter dem Tenor „Schlichten ist besser als Richten“ werden vor allem ökonomische Argumente für ADR vorgebracht.24 Mit Zunahme der Bedeutung von ADR steigt aber auch die Kritik. Die Diskussion ist nicht neu, sondern wurde vor allem in den 1980er Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika geführt. Bekannte Monographien dieser Zeit tragen Titel wie „Against Settlement“25, „For Reconciliation“26 oder „Whose Dispute Is It Anyway?“27. Heute ist das Thema aktueller denn je und wird speziell bezogen auf den Verbraucher und die Durchsetzung von Verbraucherschutzrecht geführt. Nun erscheinen auch in Deutschland wissenschaftliche Veröffentlichungen mit Überschriften wie „Against Settlement“28, „Against False Settlement“29 und „Ist Jhering veraltet?“30.

B. Zielsetzung und methodischer Ansatz Das Ziel der Arbeit ist es, das Verfahren der Verbraucherschlichtung in einen konkreten Bezug zum Gerichtsverfahren zu setzen. Dadurch soll Klarheit darüber erlangt werden, wie sich die Verbraucherschlichtung in das ganzheitliche System der Verbraucherstreitbeilegung eingliedert und welche Rolle sie einnehmen kann. Der Gesetzgeber und die Literatur sind sich noch nicht über die Funktion der Verbraucherschlichtung einig. So soll sie laut Gesetzgeber die Justiz entlasten.31 Eine Entlastung kann aber nur erfolgen, wenn das VSBG eine vergleichbare Streitbeilegung wie bei Gericht schafft, sodass Konflikte, die andernfalls bei Gericht ausgetragen worden wären, nun im Wege der Verbraucherschlichtung gelöst werden. Dies könnte durch ein paralleles und gleichwertiges System erreicht werden, welches das Gericht entlastet, weil es weniger formal, schneller und für die Parteien insgesamt attraktiver ist. Konträr dazu ist die Aussage, dass gerade kein Parallelsystem geschaffen werde. Das neue System soll das Gerichtsverfahren ergänzen und nicht mit

24  S. nur Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 131 f. m. w. N.; Prütting, JZ 1985, 261, 261 ff. 25  Fiss, 93 Yale Law Journal 1984, 1073. 26  Shaffer / McThenia, 94 Yale Law Journal 1985, 1660. 27  Menkel-Meadow, 83 Georgetown Law Journal 1995, 2663. 28  Risse, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 133. 29  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261. 30  Fries, Blog zur Verbraucherstreitbeilegung, 5.6.2015: Ist Jhering veraltet?, abrufbar unter: http: /  / www.verbraucherstreitbeilegung.de / ist-jhering-veraltet-christianwolf-njw-2015-1656 / , bezugnehmend auf v. Jhering, „Der Kampf ums Recht“. 31  BT-Drs. 18 / 5295, 3.

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Kap. 1: Einleitung

ihm konkurrieren.32 Es wird betont, dass Konflikte gelöst werden sollen, die andernfalls überhaupt nicht gelöst würden, weil es sich um Konflikte handele, welche die Parteien nicht vor Gericht austragen können oder wollen. Die Schlichtungen und Mediationen erreichten eine andere Zielgruppe als Gerichte. Es wird mithin deutlich, dass noch nicht geklärt ist, welche Stellung die Verbraucherstreitbeilegung einnehmen soll. Freilich wird diese erst geklärt sein, wenn die tatsächliche Inanspruchnahme der Systeme in den kommenden Jahren ausgewertet worden ist. Zum heutigen Zeitpunkt kann aber zumindest aus theoretischer Sicht analysiert werden, in welchen Aspekten außergerichtliche und gerichtliche Streitbeilegungssysteme gleichlaufen. Von der Praxis wird zudem folgender Bericht mit Spannung erwartet: § 43 VSBG gibt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf, in einem begleitenden Forschungsvorhaben die Funktionsweise einer ausgewählten Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle zu untersuchen.33 Gerade kurz nach Erlass des VSBG ist es wichtig, das Verfahren zu ana­ lysieren, um Fehlentwicklungen zu unterbinden und positive Ansätze zu stärken.34 Eine eingehende Analyse des Zusammenspiels von Verbraucherschlichtungen und Gerichtsverfahren kann aufzeigen, ob das VSBG eine Rechtsschutzlücke schließt oder „überflüssig“ ist. Sie kann zudem herausarbeiten, welche Vorteile im Rahmen der Verbraucherschlichtung bestehen und daraus Rückschlüsse für eine Optimierung des Gerichtsverfahrens ziehen.35 So kann die Arbeit Impulse für die künftige Gesetzgebung in Bezug auf das VSBG und die ZPO geben. Bislang fehlt eine umfassende Auseinandersetzung mit der Interaktion der Verbraucherschlichtung nach dem VSBG mit dem Gerichtsverfahren.36 32  S. nur Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 63; Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 150; Gaier, NJW 2016, 1367, 1370; Hirsch, NJW 2013, 2088, 2094; Janzen, VuR Sonderheft 2016, 4, 9; Lemmel, ZKM 2015, 22, 25; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 9; Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 84. 33  Dadurch soll bis zum 31.12.2020 u. a. erforscht werden, inwieweit die Verbraucherschlichtung genutzt wird, wie sich die Arbeitsweise darstellt und wie lange die Verfahren dauern. 34  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 140. 35  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 78. 36  So Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 81 f.; Hirsch, NJW 2013, 2088, 2089: „Die rechtssoziologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieses zukünftigen ‚Soft-Rechtsschutzsystems‘ neben der klassischen Judikative […] sind noch in keiner Weise absehbar. […] Diese Grundsatzfragen bedürfen noch vertiefter wissenschaftlicher Untersuchung und Diskussion“; die Habilitationsschrift von Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, gibt einen umfassenden Einblick zur Verbraucherrechtsdurchsetzung durch alle Streitbeilegungssysteme, auf Seite 195–233 auch der Verbraucherschlichtung nach dem VSBG, allerdings unter einem anderen Prüfungsmaßstab.



B. Zielsetzung und methodischer Ansatz 21

Der methodische Ansatz der Arbeit ist der Vergleich. Die Gegenüberstellung der Konfliktlösung nach dem VSBG und der gerichtlichen Lösungsmöglichkeiten für Verbraucherkonflikte deckt die Stärken und Schwächen der Systeme dezidiert auf. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnis kann die Arbeit die Systeme einer kritischen Würdigung unterziehen und nach dem Grundsatz „fitting the forum to the fuss“37 untersuchen, welches Verfahren für welche Art von Verbraucherkonflikten am besten geeignet ist. Gleichermaßen entsteht für den Verbraucher ein realistisches Bild der Streitbeilegungsformen. Dies soll ihm zwar kein konkretes Verfahren an die Hand legen, jedoch ein transparentes Bild zeichnen, auf welches er im Konfliktfall frei und informiert zurückgreifen kann. Die vergleichende Untersuchung ist gerade in Bezug auf die vorgenommene Implementierung der Richtlinienvorgaben in Deutschland wichtig, weil hier das Gerichtsverfahren im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten gut funktioniert; es wird häufig in Anspruch genommen und endet beim Amtsgericht durchschnittlich innerhalb weniger Monate.38 Das Gerichtsverfahren genießt zudem bei dem Großteil der Bevölkerung ein hohes Ansehen.39 Deswegen kann grundsätzlich angezweifelt werden, ob die alternative Verbraucherschlichtung notwendig ist.40 Die Herausforderung des Vergleichs besteht darin, dass die Verbraucherschlichtung nach dem VSBG noch nicht lange existiert.41 Sie befindet sich noch im Entwicklungsstadium und ist noch nicht deutlich ausgeformt. Das VSBG räumt dem Streitmittler für den Verfahrensablauf sehr viel Ausgestaltungsspielraum ein, sodass jedes Verfahren unterschiedlich ausgeprägt sein kann.42 Die Schlichtungsordnungen der einzelnen Schlichtungsstellen, die künftig und bereits heute als Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des VSBG anerkannt werden, unterscheiden sich. Hinzu kommt, dass stets neue 37  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 262; zuerst Sander / Goldberg, 10 Negotiation Journal 1994, 49 ff., in Bezug auf die Auswahl eines passenden ADR-Verfahrens. 38  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 11, 26, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DE Serie_serie_00000101. 39  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 7, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtschutz.de / media / rechtsschutz / pdf / unternehmen_1 /  ROLAND_Rechtsreport_2017_Final.pdf. 40  V. Daniels, AnwBl 2015, 238, 240, bezweifelt, dass die ADR-Richtlinie von der EU-Kommission gerade in Bezug auf den deutschen Rechtsraum konzipiert worden ist. 41  Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 15. 42  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 1; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 15.

22

Kap. 1: Einleitung

Verbraucherschlichtungsstellen anerkannt werden können. Das Schlichtungsangebot ist dadurch einer ständigen Veränderung ausgesetzt. Als gesetzlicher Rahmen setzt das VSBG allerdings die Mindestanforderungen für die Verbraucherschlichtung. Auf spezielle Schlichtungsordnungen wird bei der Untersuchung aus diesem Grund nur beispielhaft eingegangen. Eingrenzend bezieht sich der Vergleich nur auf Konflikte zwischen Verbrauchern und Unternehmern.43 Außerdem setzt die Arbeit den Schwerpunkt auf nach dem VSBG durchgeführte Schlichtungen und geht nur sekundär auf die Mediation ein. Dies liegt daran, dass der Schlichtung und der gericht­ lichen Streitbeilegung zum heutigen Zeitpunkt die größte Bedeutung für die Lösung von Verbraucherkonflikten zukommt.44 Sie bieten eine zügigere und interessengerechtere Streitbeilegung für die Parteien. Hingegen sind Mediationen mehrphasig aufgebaut und aufgrund der erforderlichen Eigenarbeit der Parteien aufwändig und zeitintensiv.45 Ihnen kommt im Anwendungsbereich des VSBG eine nachrangige und weniger praktische Bedeutung zu, da sie schon aufgrund der zeitlichen Vorgaben des § 20 Abs. 2 VSBG und der Kostenbegrenzung gemäß § 23 VSBG nicht in den Rahmen der Verbraucherschlichtung passen.46 Dennoch soll die Mediation bei der Untersuchung nicht unberücksichtigt bleiben, weil es kaum möglich wäre, die Schlichtung getrennt von der Mediation zu untersuchen. § 18 VSBG verweist für die Durchführung eines Mediationsverfahrens auf das Mediationsgesetz und akzeptiert auch die Kombination beider Verfahren. Weiterhin beschränkt sich die Arbeit auf den Vergleich mit Individualverfahren, da die Verbraucherschlichtung ein solches ist.

C. Gang der Darstellung Das zweite Kapitel stellt die Vergleichsobjekte und den Vergleichsmaßstab dar. Zunächst wird der genaue Anwendungsbereich des VSBG beleuchtet, die Methodik der Verbraucherschlichtung dargestellt und untersucht, wie sich die Verbraucherschlichtung in das außergerichtliche Streitbeilegungsangebot einfügt. Dies verschafft ein Verständnis für die neuen Regelungen des VSBG. 43  Gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 3 VSBG gilt das VSBG für Verfahren, an denen Verbraucher oder Unternehmer als Antragsteller oder Antragsgegner beteiligt sind, mithin auch für reine Verfahren zwischen Unternehmern oder Verbrauchern. 44  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 252. 45  Berlin, ZKM 2015, 26, 27; Gläßer, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 85, 86; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 2. 46  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C Rn. 1.



D. Begrifflichkeiten23

Sodann wird erörtert, auf welche Art und Weise Verbraucherkonflikte bei Gericht gelöst werden und dabei insbesondere auf die gütliche Streitbei­ legung und die Beschleunigungsmöglichkeiten eingegangen. Im Folgenden wird der Vergleichsmaßstab erläutert. Dieser ist der „Zugang zum Recht“ bzw. „access to justice“. Die Arbeit geht den Ungenauigkeiten der Verwendung des Begriffs nach und entwickelt ein eigenes Verständnis. Das dritte Kapitel führt den Vergleich durch und untersucht den Zugang zum Recht des Verbrauchers durch Verbraucherschlichtung und gerichtliche Verfahren. Zuerst wird der Zugang zu den Streitbeilegungssystemen geprüft, wobei die Phase der Vorbereitung des Verfahrens von der Phase der Einleitung des Verfahrens unterschieden wird. Für den Zugang ist entscheidend, wie bekannt die Verfahren sind, inwieweit sie tatsächlich genutzt werden, welche die örtlich zuständige Stelle ist, wie der Antrag gestellt wird, ob eine Teilnahmepflicht besteht und welche Hindernisse sich der Verfahrensführung in den Weg stellen. Anschließend nimmt der Vergleich die genauen Verfahrensdurchführungen sowie das materielle Ergebnis der Verfahren unter die Lupe, mithin die Frage nach dem „Recht“, zu welchem Zugang gewährt wird. Neben dem Ablauf des Verfahrens, der Transparenz, der Unabhängigkeit der streitbeilegenden Institution und der Vertretung im Verfahren wird vor allem in den Fokus gestellt, in welchem Ausmaß das Ergebnis das materielle Recht beachtet. Das dritte Kapitel prüft dementsprechend, ob und inwiefern die Verbraucherschlichtung und das Gerichtsverfahren jeweils als selbstständiges System Zugang zum Recht für Verbraucher bieten. Dies leitet über zum vierten Kapitel, welches der Frage nachgeht, ob die Verfahren dergestalt zusammenspielen können, dass sie einen adäquaten Zugang zum Recht für Verbraucher gewähren. Es wird prognostiziert, wie sich die Verfahren entwickeln werden. Im abschließenden fünften Kapitel wird analysiert, wie der Zugang zum Recht verbessert werden kann. Es werden grundsätzliche Überlegungen angestellt, wie gütliche Einigungen im Unterschied zu Drittentscheidungen den Zugang zum Recht beeinflussen und konkrete Vorschläge formuliert, wie die bestehenden Defizite des Gerichtsverfahrens behoben werden können, damit für Verbraucher ein besserer Zugang zum Recht besteht.

D. Begrifflichkeiten Die Arbeit verwendet die Begrifflichkeiten, die auch im VSBG benutzt werden. Die im Streit vermittelnde Person wird im Sinne des § 6 VSBG als Streitmittler bezeichnet. Obwohl der Streitmittler je nach Verfahrensordnung

24

Kap. 1: Einleitung

Schlichtungen, Mediationen oder Kombinationen beider Verfahren leiten kann und somit präziser als „Mediator“ oder „Schlichter“ bezeichnet werden könnte, wird der Einheitlichkeit halber stets auf den Begriff des „Streitmittlers“ zurückgegriffen. Dieser indiziert, dass ein Verfahren nach dem VSBG geführt wird und dass die gleichen Anforderungen an die Kompetenz gestellt werden, unabhängig davon, welche Methode angewendet wird. Gleichermaßen werden die Verfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle als Verbraucherschlichtung bezeichnet und umfassen mithin Mediationen, Schlichtungen und ihre Zwischenformen. Bei Bezug auf ein konkretes Schlichtungsverfahren, bei welchem der Streitmittler die Mediationsmethode nicht anwendet, ist der Terminus „Schlichtung“ ohne den Zusatz „Verbraucher-“ besser geeignet. Ebenso wird auch nicht von Schlichtungs- oder Mediationsstellen, sondern – wie im VSBG – von Verbraucherschlichtungsstellen gesprochen. Die Arbeit versteht unter einer Schlichtung die Verfahren, in denen eine neutrale Person den streitenden Parteien einen Lösungsvorschlag unterbreitet, den diese anerkennen können.47 Der Begriff der Mediation deckt sich mit der Legaldefinition in § 1 Mediationsgesetz. Als Verbraucherkonflikte gelten Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Die Bezeichnungen als „Verbraucher“ und als „Unternehmer“ entsprechen ebenfalls dem Verständnis des VSBG und ergeben sich demnach nicht anhand einer europäisch autonomen Begriffsbestimmung, sondern aus den §§ 13, 14 BGB.48 Dies erfasst die Mindestvorgaben der Begriffsbestimmung in Art. 4 Abs. 1 lit. a und b ADR-RL,49 sodass keine richtlinienkonforme Auslegung des Verbraucher- oder Unternehmerbegriffes notwendig ist.50 Es kommt auf die geschäftliche oder private Zielrichtung der Aktivität an: Ein Unternehmer ist, wer als natürliche oder juristische Person oder als rechtsfähige Personengesellschaft das Rechtsgeschäft in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit ausübt. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft abschließt, das gewerblichen und beruflichen Zwecken dienen kann, überwiegend aber ein privates Ziel verfolgt. Bei sog. „dual-use-Verträgen“ wird auf die überwiegende private Zweckrichtung abgestellt, was dem Verbraucherbegriff nach der Ver-

47  Der Begriff „Schlichtung“ meint in dieser Arbeit mithin die Schlichtung im engeren Sinne, so wie sie in der Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 258 / 15, 76, bezeichnet und auch in § 19 VSBG umgesetzt wurde; s. umfassend dazu Kap. 2 A. I. 4 der Darstellung. 48  Meller-Hannich, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 4 Rn. 18 f.; BT Drs. 18 / 5089, 52. 49  BT Drs. 18 / 5089, 52; Meller-Hannich, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 4 Rn. 23. 50  Meller-Hannich, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 4 Rn. 11.



D. Begrifflichkeiten25

braucherrechterichtlinie entspricht.51 Es wird mit dem modernen Verbraucherleitbild gearbeitet, das sich durch die Rechtsprechung des EuGH entwickelt hat und mittlerweile in weiten Bereichen auch dem deutschen Ver­ ständnis entspricht.52 Grundlage der Bewertung ist mithin der Maßstab eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers.53 Dennoch ist der durchschnittliche Verbraucher nicht routiniert darin, sein Recht durchzusetzen. Dadurch ist er dem Unternehmer in der Streitbeilegung unterlegen. Dies liegt daran, dass er sein Recht nur unzureichend kennt und mit den ihm zur Verfügung stehenden Konfliktlösungsverfahren nicht vertraut ist.54 Auch gelingt es Verbrauchern oft nicht, den Sachverhalt und ihre Forderungen präzise vorzutragen.55 Die Arbeit geht somit davon aus, dass der durchschnittliche Verbraucherkonflikt von einer ungleichen Stärke in der Streitverhandlung geprägt ist.

51  BT Drs.  17 / 13951, 61; Meller-Hannich, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 45, 63; Meller-Hannich, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 4 Rn. 19; s. zudem Erwägungsgrund 18 ADR-RL. 52  S. nur Bornkamm / Feddersen, in: Köhler / Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 0.71. 53  EuGH, Urt. v. 16.7.1998  – C-210 / 96, EuZW 1998, 526, 528  – Gut Springenheide. 54  Dazu umfassend Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 30 ff.; Koch, Verbraucherprozeßrecht, 20 ff.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 124 ff. 55  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 41; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 12.

Kapitel 2

Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab Dieses Kapitel zeigt die Grundlagen des Vergleiches auf: Die Vergleichsobjekte (A.) und den Vergleichsmaßstab (B.). Zunächst wird mithin der genaue Anwendungsbereich des VSBG dargestellt, ferner die Verfahrensformen des Amtsgerichts für den Verbraucher erläutert und sodann die beiden Vergleichsobjekte zueinander in Bezug gesetzt. Im Anschluss wird der Vergleichsmaßstab „Zugang zum Recht“ definiert und seine Unbestimmtheit aufgedeckt. Den Abschluss bildet eine Zweiteilung des Begriffs für den Fortgang der Arbeit.

A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren I. Verbraucherschlichtung nach dem VSBG Das erste Vergleichsobjekt ist die Verbraucherschlichtung nach dem VSBG. 1. Neuregelung auf Initiative der EU Das VSBG bildet das Regelwerk für die Verbraucherschlichtung. Es setzt die Vorgaben der ADR-RL um und ist, mit einer Überschreitung der Umsetzungsfrist um ein knappes Jahr, am 1.4.2016 in Kraft getreten. Die meisten Normen des VSBG betreffen die Organisation der Verbraucherschlichtungsstellen und stellen Anforderungen an die Streitmittler und das Verfahren der Schlichtung. Der Gesetzgeber intendiert mit dem VSBG eine Stärkung der außergerichtlichen Schlichtungsverfahren, legt dabei aber ein besonderes Augenmerk auf das materielle Recht.1 Die mit der ADR-RL in Verbindung stehende ODR-VO ist seit dem 9.1.2016 geltendes Recht in den EU-Mitgliedstaaten. Diese gilt ohne Umsetzung unmittelbar in Deutschland und regelt die Online-Beilegung von im Internet geschlossener Verbraucherverträge. Art. 1 ODR-VO gibt als Ziel vor, 1  Janzen,

VuR Sonderheft 2016, 4, 4.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 27

dass eine „Online-Plattform“ (ODR-Plattform) eingerichtet wird. Damit ist eine Webseite2 gemeint, die es ermöglicht, Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Internet beizulegen. Dieser Ansatz ist Teil der „digitalen Dimension“ des europäischen Binnenmarkts.3 Die Webseite ist bereits seit Anfang 2016 in Betrieb und koordiniert das von den Verbraucherschlichtungsstellen durchgeführte Verfahren. Sie stellt ein elektronisches Beschwerdeformular zur Verfügung, welches sie, wenn es vollständig ausgefüllt ist, sowohl an den Beschwerdegegner als auch an die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle weiterleitet, §§ 8–9 ODR-VO. Die Verbraucherschlichtungsstelle übermittelt der ODR-Plattform gemäß Art. 10c ODR-VO das Verfahrensergebnis, die es wiederum den Parteien mitteilt. Die Europäische Kommission betreibt, pflegt und finanziert die ODR-Plattform gemäß Art. 5 Abs. 1 ODR-VO. Sie ist zudem für die Übersetzungsfunktion der Plattform verantwortlich. Der Anwendungsbereich der ODR-VO ist weit, weil heutzutage über den klassischen Onlineshop hinaus sehr viele Verträge online abgeschlossen werden.4 Die ADR-RL und die ODR-VO fügen sich in die Entwicklung der Streitbeilegung in den meisten EU-Mitgliedstaaten ein: Die Fallzahlen bei den Gerichten gehen zurück5 und viele Unternehmer bieten eigene Online-Streit­ beilegungen6 an. Diese beiden Aspekte werden durch die Richtlinie und die Verordnung aufgegriffen.7 2. Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle Das VSBG ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 VSBG anwendbar, wenn eine Verbraucherschlichtungsstelle mit der Beilegung einer Streitigkeit betraut ist. § 2 Abs. 1 Nr. 2 VSBG bestimmt, dass Verbraucherschlichtungsstellen nach dem VSBG oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Schlichtungsangebot vornehmlich durch private Verbraucherschlichtungsstellen erfüllt werden und nur subsidiär durch die behördlichen Verbraucher2  Die

Webseite ist verfügbar unter: https: /  / webgate.ec.europa.eu / odr. 4 Abs. 1 lit. e ODR-VO. 4  Braun / Oppelt, VuR Sonderheft 2016, 33, 34. 5  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie 10 Reihe 2.1, 12 f., abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_serie_000 00101. 6  So zum Beispiel Ebay, Amazon und Paypal, vgl. dazu die Webseiten, abrufbar unter: http: /  / pages.ebay.de / einkaufen / ebay-kaeuferschutz.html, https: /  / pay.amazon. com / de / help und https: /  / www.paypal.com / at / webapps / mpp / buyer-protection. 7  Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 106. 3  Artt. 1,

28

Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

schlichtungsstellen.8 So entstammen auch die bisherigen auf der Liste geführten anerkannten Stellen hauptsächlich dem privaten Sektor. Die Stelle muss gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VSBG außergerichtlich organisiert sein, sodass ein Güterichter eines Gerichts nicht Verbraucherschlichtungsstelle sein kann. Für die Anerkennung als private Verbraucherschlichtungsstelle ist gemäß § 25 i. V. m. § 27 Abs. 1 VSBG ein begründeter Antrag bei der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Justiz9, einzureichen, in welchem die Verfahrensordnung und die Regeln über die Organisation und Finanzierung der Einrichtung beigefügt sind. Es ist zu befürworten, dass ein Bundesamt die Anerkennung der Schlichtungsstellen kontrolliert.10 Dadurch wird eine bundesweit einheitliche Qualität erreicht. Das Bundesamt für Justiz prüft gemäß § 24 S. 1 VSBG, ob die Stelle ihren Sitz im Inland hat, sie auf Dauer angelegt ist und ihre Finanzierung tragfähig erscheint. Durch die auf Dauer an­ gelegte Einrichtung sind ad-hoc-Schlichtungsstellen ausgenommen.11 Des Weiteren müssen die Stellen gemäß § 24 S. 1 VSBG die Anforderungen der §§ 3–23 VSBG erfüllen. Die Anforderungen beziehen sich auf die Struktur der Streitbeilegungsstelle (Träger, Zuständigkeit, Organisation, Beteiligung von Verbänden, Informationspflichten der Verbraucherschlichtungsstellen), auf die Person des Streitmittlers (Qualifikation, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Abberufung, Verschwiegenheit) und auf das Verfahren (Mitteilungsformen, Unterrichtungen, Vertretungsmöglichkeiten, Sprache, Verfahrensablehnungen, Gewährung rechtlichen Gehörs, Schlichtungsvorschlag, Verfahrensdauer, Verfahrensabschluss und Entgelt). Für die Einrichtung von behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen verweist § 28 VSBG mit einigen Ausnahmen ebenfalls auf die §§ 3–23 VSBG. Der Verweis nimmt lediglich die Paragraphen aus, die sich nur auf den Träger, die Finanzierung und die Sprache beziehen und folglich für behördliche Schlichtungsstellen schon aufgrund ihrer Behördeneigenschaften nicht relevant sind. Die genauen organisatorischen und fachlichen Anforderungen sind somit nahezu deckungsgleich für die behördlichen und die privaten Verbraucherschlichtungsstellen. Nur die anerkannten Stellen dürfen sich gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 VSBG als Verbraucherschlichtungsstelle bezeichnen. Sie werden gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 VSBG in die Liste der Verbraucherschlichtungsstellen eingetragen, die 8  BR-Drs. 258 / 15,

47. § 27 VSBG ist das Bundesamt für Justiz solange die zuständige Behörde, bis durch Bundesgesetz beschlossen wurde, dass eine andere Behörde zuständig ist. 10  Ähnlich Greger, ZZP 2015, 137, 148; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 11  Erwägungsgrund 20 ADR-RL; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 218. 9  Gem.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 29

vom Bundesamt für Justiz als zentrale Anlaufstelle für Verbraucherschlichtung geführt wird und auf der Webseite einsehbar ist. Die Eintragung hat nur deklaratorische Wirkung.12 Bezeichnet sich eine Stelle als Verbraucherschlichtungsstelle ohne als eine solche nach dem VSBG oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet worden zu sein, handelt sie ordnungswidrig, was gemäß § 41 i. V. m. § 2 Abs. 2 S. 1, 2 VSBG mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Dadurch soll die einheitliche Qualität der Verbraucherschlichtungsstellen erreicht werden. Es verhindert aber nicht, dass weiterhin in Deutschland gegründete Schlichtungsstellen existieren dürfen, welche die Qualitätsanforderungen des VSBG nicht erfüllen.13 Sie dürfen sich lediglich nicht als Verbraucherschlichtungsstelle bezeichnen. Die Qualität bleibt zudem lückenhaft, weil das Bezeichnungsverbot gemäß § 2 Abs. 2 S. 3 VSBG nicht für Stellen gilt, die in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und auf die Liste gesetzt wurden. Diese müssen nur die Anforderungen des Gesetzes des jeweiligen Mitgliedstaates, das die ADR-RL umsetzt, erfüllen. Mangels vollharmonisierender Wirkung14 der Richtlinie entstehen Qualitätsunterschiede. 3. Anwendungsbereich des VSBG § 4 Abs. 1 VSBG legt fest, dass die Verbraucherschlichtungsstellen auf Antrag eines Verbrauchers Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten aus einem Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB oder über das Bestehen eines solchen Vertragsverhältnisses führen. Diese Grundzuständigkeit können die Verbraucherschlichtungsstellen gemäß § 4 Abs. 3 VSBG auf Konflikte zwischen Verbrauchern und solche zwischen Unternehmern erweitern. Auch kann sie gemäß § 4 Abs. 4 VSBG auf Verbraucher beschränkt werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt15 in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben und auf Unternehmer, die im Inland niedergelassen16 sind. Mangels gegenteiliger Angaben sind aber auch Verfahren mit Unternehmern aus Drittstaaten er12  Steike,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 2 Rn. 7. Hess, JZ 2015, 548, 552. 14  Art. 3 Abs. 2 ADR-RL. 15  Der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt werden weder vom VSBG noch von der ADR-RL definiert und müssen autonom ausgelegt werden. 16  Die Niederlassung wird durch Art. 4 Abs. 2 ADR-RL autonom als der Ort definiert, wo der Geschäftssitz, der satzungsmäßige Sitz oder die Hauptverwaltung ist, wobei Zweigniederlassungen eingeschlossen sind, wenn der Unternehmer nicht nur eine natürliche Person ist; dazu auch Rühl, ZZP 2014, 61, 66. 13  Kritisch

30

Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

laubt.17 Weiterhin kann die Verbraucherschlichtungsstelle sich auf die Beilegung von Streitigkeiten mit einem einzelnen Unternehmer beschränken, solange sichergestellt ist, dass der Trägerverein nicht aus einem mit diesem verbundenen Unternehmen besteht.18 Eine Beschränkung auf ein Bundesland muss laut § 4 Abs. 2 S. 3 VSBG anhand eines Zusatzes hinter der Bezeichnung kenntlich gemacht werden. Sachlich sind vor allem Kaufverträge19, Dienstleistungsverträge20 und Werkverträge21 vom Anwendungsbereich des VSBG erfasst. Arbeitsvertrag­ liche Streitigkeiten schließt § 4 Abs. 1, 3 VSBG ausdrücklich aus. Bei Ehe-, Familien- und Erbstreitigkeiten sind Verbraucher und Unternehmer typischerweise nicht in ihrer Eigenschaft als Verbraucher und Unternehmer beteiligt. Aus diesem Grund sind diese Streitigkeiten vom Anwendungsbereich ausgenommen.22 Weiterhin ausgeschlossen sind gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VSBG nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,23 Gesundheitsdienstleistungen24 und Streitigkeiten aus Verträgen über Weiter- und Hochschulbildung durch staatliche Einrichtungen25. Neben entgeltlichen Verträgen kann es sich auch um unentgeltliche Verbraucherverträge handeln.26 17  Meller-Hannich,

in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 4 Rn. 11. in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 4 VSBG Rn. 12. 19  Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind erfasst, s. Art. 4 Abs. 1 lit. c ADRRL, ebenso wie der Verkauf und die Bereitstellung digitaler Inhalte gegen Entgelt gem. Erwägungsgrund 16 ADR-RL, vgl. dazu näher Rühl, ZZP 2014, 61, 68 und Meller-Hannich, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 45, 51, die auch erläutert, dass Werklieferungsverträge als Kaufverträge gelten. 20  Zum genauen Umfang der Dienstleistungsverträge nach der Auslegung der ADR-RL s. die umfassende Darstellung bei Rühl, ZZP 2014, 61, 69 f. 21  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 41 ff. 22  BR-Drs. 258 / 15, 60. 23  Unter diesen sind „staatliche oder im Namen des Staates erbrachte Dienstleistungen, die auf vertraglicher Grundlage, aber ohne eine wirtschaftliche Gegenleistung des Leistungsempfängers erbracht werden“, zu verstehen, s. BR-Drs.  258 / 15, 62; näher Erwägungsgrund 13 ADR-RL. 24  Hiermit sind Dienstleistungen gemeint, „die von Angehörigen der Gesundheitsberufe gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten“, s. Art. 2 Abs. 2 lit. h ADR-RL; ebenso BR-Drs. 258 / 15, 62. 25  Erfasst sind neben Universitäten auch Volkshochschulen, kommunale oder staatliche Schulen, Musikschulen oder ähnliche Bildungseinrichtungen, s. BR-Drs. 258 / 15, 63. 26  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 46, dies aus einem Umkehrschluss aus § 312 Abs. 1 BGB ableitend. 18  Greger,



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 31

Nicht eindeutig ist, ob auch vorvertragliche Schuldverhältnisse nach § 311 Abs. 2 BGB erfasst sind, da weder § 4 Abs. 1 VSBG noch die Gesetzesbegründung darüber Aufschluss geben. Das Ziel der ADR-RL, ein hohes Verbraucherschutzniveau herzustellen, spricht dafür, dass der vorvertragliche Bereich erfasst ist.27 Durch diese Auslegung könnten zudem Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden werden. Eine Streitwertgrenze gibt es nicht. Es bleibt den einzelnen Verbraucherschlichtungsstellen überlassen, gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VSBG eine solche festzulegen. Zwei besondere Formen von Verbraucherschlichtungsstellen sind die allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle und die Universalschlichtungsstelle. Die allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle hat einen weiten Anwendungsbereich. Ihre Zuständigkeit ist gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG nicht auf bestimmte Wirtschaftsbereiche, Vertragstypen oder Unternehmer beschränkt. Als einzige Beschränkung ist erlaubt, dass sich die allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle nur auf ein Bundesland bezieht. Dies muss dann kenntlich gemacht werden. Einen ebenso weiten Zuständigkeitsbereich haben die Universalschlichtungsstellen, welche als „Auffangschlichtungsstellen“ fungieren. Ergänzend sorgen sie gemäß Art. 5 Abs. 3 ADR-RL dafür, dass die Mitgliedsstaaten ihrer Verpflichtung nachkommen, ein ausreichendes Schlichtungsangebot bereitzustellen. § 29 Abs. 1, 2 VSBG legt fest, dass die Länder sie bei Bedarf einrichten, wenn kein ausreichendes Schlichtungsangebot besteht. Das ist der Fall, wenn nicht für jede Streitigkeit nach § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG mit einem in diesem Land niedergelassenen Unternehmer eine Verbraucherschlichtungsstelle vorhanden ist. Neben der Einrichtung einer Universalschlichtungsstelle können die Mitgliedstaaten auch gemäß § 29 Abs. 3 S. 1 VSBG auf vorhandene geeignete Verbraucherschlichtungsstellen zurückgreifen und diese mit der Aufgabe der Universalschlichtungsstelle beleihen oder beauftragen. Mit der Beleihung geht die Befugnis einher, Gebühren zu erheben. Bei der ­Beauftragung agiert die Verbraucherschlichtungsstelle nach § 29 Abs. 2 S. 2 VSBG weiterhin als private Verbraucherschlichtungsstelle. Die Universalschlichtungsstellen lehnen Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1–6 VSBG nur ab, wenn eine andere Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist und wenn weder der Unternehmer in diesem Land niedergelassen noch der Verbraucher dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz hat. Weiter darf die Streitigkeit sachlich nicht in den in § 4 Abs. 2 Nr. 1 VSBG festgelegten Anwendungsbereich fallen. Der Streitwert darf zudem nicht unter zehn Euro oder über 5.000 Euro liegen. Abschließend darf der Anspruch nicht zuvor 27  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG Rn. 52; Meller-Hannich, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 45, 55.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

gegenüber dem Unternehmer geltend gemacht worden oder der Antrag offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg sein.28 Diese Ablehnungsgründe dienen dem reibungslosen Ablauf eines Schlichtungsverfahrens. Sie beeinträchtigen nicht die grundsätzliche Weite des Anwendungsbereichs. Die Universal­ schlichtungsstellen werden ihre Tätigkeit erst ab dem 1.1.2020 beginnen.29 Bis dahin fördert das Bundesministerium der Justiz gemäß § 43 Abs. 1 VSBG die Arbeit einer ausgewählten Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle, die bundesweit zuständig ist. Es handelt sich um die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V. Sie wird angerufen, wenn keine branchenspezifische Verbraucherschlichtungsstelle in dem betroffenen Bereich existiert und übernimmt folglich für die Anfangszeit die Aufgabe der Universalschlichtungsstelle. Insgesamt betrachtet ist die Struktur der Verbraucherschlichtungsstellen nur schwer zu erfassen. Durch aufwändige Recherche muss der Verbraucher für jede Branche und speziell für den Bereich seines Wohnsitzes herausfinden, welche Stellen zuständig sind. Auch muss er sich mit den jeweiligen Zuständigkeitsbegrenzungen vertraut machen. Immerhin ist von Vorteil, dass das VSBG alle Bereiche abgedeckt und in jedem Fall eine Stelle zuständig ist. 4. Mögliche Streitbeilegungsmethoden Es besteht eine Vielzahl von außergerichtlichen Verfahren und Methoden zur Lösung von Konflikten, die unter dem Begriff „alternative Streitbeilegung“ zusammengefasst werden.30 Lediglich die Begriffe „Schiedsverfahren“ und „Mediation“ werden dank der Regelungen in §§ 1025 ff. ZPO und im Mediationsgesetz einheitlich gebraucht.31 Daneben haben sich keine einheitlichen Bezeichnungen durchgesetzt, sodass die Abgrenzung am besten typologisch erfolgen kann.32 Hierbei bietet sich eine Kategorisierung in Einigungs-, Vorschlags- und Entscheidungsverfahren an.33

28  Weitere Ablehnungsgründe aus § 14 VSBG können die Schlichtungsstellen fakultativ in ihren Verfahrensordnungen aufnehmen. 29  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 26. 30  Berlin, in: Tamm / Tonner, Verbraucherrecht, § 23 Rn. 3. 31  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 4. 32  Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung, Gutachten F für den 67. DJT, F 28. 33  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 91 f.; ganz ähnlich Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  D Rn. 4, der sie in Moderationsverfahren, Evaluationsverfahren und Drittentscheidungs-



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 33

Auch das VSBG geht typologisch vor, indem § 5 Abs. 2 VSBG festlegt, dass dem Verbraucher keine verbindliche Lösung auferlegt werden kann und auch nicht das Recht des Verbrauchers ausgeschlossen werden darf, die Gerichte anzurufen. Dass der Verbraucher sich nur freiwillig binden kann, wird überdies durch § 309 Nr. 14 BGB sichergestellt, der Klageverzichtsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterbindet.34 Das VSBG erfasst somit Verfahren, bei denen die Parteien die Lösung freiwillig anerkennen und ihnen diese nicht auferlegt wird. Es handelt sich dabei um Mediations- und Schlichtungsverfahren sowie um kombinierte Verfahren, die Elemente der Schlichtung und der Mediation enthalten. Hingegen sind Schiedsgerichts- und Schiedsgutachtenverfahren ausgeschlossen, weil bei ihnen auch der Verbraucher gebunden wird.35 Der Ausschluss von Entscheidungsverfahren ergibt Sinn, weil die amtsgerichtlichen Verfahren in Deutschland innerhalb weniger Monate abgeschlossen werden, die Gerichtskosten im europäischen Vergleich moderat sind und die Verbraucher häufig rechtsschutzversichert sind und Prozesskostenhilfe erlangen.36 Ein relativ gut funktionierendes Entscheidungsverfahren existiert demnach bereits. Im Rahmen der Streitbeilegung der Verbraucherschlichtungsstellen kommt der Schlichtung gegenüber der Mediation eine größere praktische Bedeutung zu. § 19 VSBG ist die Schlüsselnorm für die Schlichtung und beschreibt ihre Wesensmerkmale: Der Streitmittler unterbreitet einen Lösungsvorschlag, welcher von den Parteien anerkannt werden kann und am geltenden Recht ausgerichtet sein soll. Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis von einer Schlichtung.37 Die Parteien formulieren die Lösung nicht selbst, sondern entscheiden, ob sie den Vorschlag des Streitmittlers annehmen oder nicht.38 Es handelt sich lediglich um eine „Empfehlung an die Streitparteien“39. verfahren einteilt und auch noch als vierte Kategorie die Konfliktlösung ohne neutralen Dritten hinzunimmt. 34  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 5 Rn. 12. 35  BT-Drs. 18 / 5089, 41; Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 5 Rn. 14. 36  Berlin, ZKM 2015, 26, 28; zu den Rechtsschutzversicherungen auch Schäfer, DRiZ 1995, 461, 466. 37  Statt vieler Koeble, in: Kniffka / Koeble, Kompendium des Baurechts, 1.  Teil: Außergerichtliche Streitbeilegung und schiedsgerichtliche Verfahren, Rn. 75; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag / Ergebnis des Verfahrens, Rn. 2; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 19; vgl. ferner Art. 10 Abs. 1 S. 4 BaySchlG. 38  Röthemeyer, ZKM 2013, 47, 47. 39  Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung, Gutachten F für den 67. DJT, F 30.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Der Gesetzgeber40 präzisiert, dass mit § 19 VSBG die Schlichtung im engeren Sinne gemeint ist. Diese unterscheidet sich von der Mediation und von kombinierten Verfahrensformen. Das VSBG benutzt den Terminus „Schlichtung“ aber zum Teil auch als Oberbegriff für Schlichtungs- und Mediationsverfahren – so schon die Bezeichnung als „Verbraucherschlichtungsstelle“. Das VSBG bezeichnet damit untechnisch die Schlichtung im weiteren Sinne.41 Präziser wäre es gewesen, die Stelle als Verbraucherstreitbeilegungsstelle zu benennen.42 Ferner ist in § 29 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 VSBG von einem „Schlichtungsangebot“ die Rede, obwohl auch die Mediation umfasst wird. Die Gleichsetzung ist häufiger in der Literatur zu finden und fußt wohl auf der Tatsache, dass bei beiden Verfahren keine Bindung an das Ergebnis besteht.43 Die Arbeit hält sich an das Begriffsverständnis des VSBG, sodass unter „Schlichtung“ die in § 19 VSBG festgesetzte Methode zu verstehen ist und „Verbraucherschlichtung“ der Oberbegriff für alle Methoden der Verbraucherschlichtungsstellen ist.44 Um den Lösungsvorschlag zu verfassen, benötigt der Schlichter stets einen konkreten Orientierungsmaßstab.45 Im Rahmen der Verbraucherschlichtung soll dies gemäß § 19 VSBG eine Ausrichtung am geltenden Recht sein. Um den Lösungsvorschlag zu unterbreiten, muss der Schlichter sich Kenntnisse über den Sachverhalt verschaffen, wodurch ihm eine aktive Rolle zukommt.46 Auf die konkrete Ausformung des Vorschlags haben die Parteien bei der Schlichtung nur indirekten Einfluss durch ihre Teilnahme am Verfahren.47 Neben der Schlichtung sind Mediationsverfahren möglich. Führt der Streitmittler eine Mediation, gelten gemäß § 18 VSBG die Regeln des Me­ diationsgesetzes ergänzend, mit Ausnahme der freien Wahl des Mediators. § 1 Mediationsgesetz definiert die Mediation als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Im Vergleich zur Schlichtung wird den Parteien 40  BT-Drs.

258 / 15, 76. 18 / 5089, 41. 42  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 19; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 116. 43  Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung, Gutachten F für den 67. DJT, F 30. 44  S. dazu schon Kap. 1 D. der Darstellung. 45  Röthemeyer, ZKM 2013, 47, 49. 46  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 20. 47  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 13. 41  BT-Drs.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 35

bei der Mediation mehr Eigenverantwortung zugesprochen. Die Parteien sind die „Herren des Verfahrens“.48 Der Mediator steuert die Kommunikation, die Struktur und die Organisation des Gesprächs und unterstützt die Parteien dabei, eine eigene Lösung zu finden.49 Anhand der Mediationstechnik werden vermehrt Konflikte auf der Beziehungsebene gelöst. Aus diesem Grund bietet sich die Mediation nur in den selteneren Fällen an, wenn Verbraucher und Unternehmer eine persönlich ausgestaltete Beziehung haben, etwa bei Dauergeschäftsbeziehungen.50 Die genaue Art der Verfahrensführung ist dem Streitmittler überlassen.51 Die Schlichtungs- und Mediationsmethode können während des Verfahrens gewechselt und kombiniert werden. Es ist somit vorstellbar, dass der Streitmittler zunächst die Mediation als Verfahrensform wählt, um schon allein durch Kommunikation den Konflikt zu lösen und bei Scheitern dieser die Schlichtung startet.52 Eine zeitgleiche Kombination beider Typen (Hybridverfahren) stellt die Konfliktmoderation dar. Bei dieser schlägt der Streitmittler keine Lösung vor. Er wirkt aber aktiver als bei der Mediation auf die Parteien ein und vermittelt zwischen diesen konkrete Lösungsmöglichkeiten.53 Ziel der Konfliktmoderation ist es, eine konstruktive Kommunikation zwischen den Parteien zu erzeugen.54 Ein weiteres Hybridverfahren ist eine Schlichtung, die für den Unternehmer bindend ist. Aus § 5 Abs. 2 VSBG e contrario wird deutlich, dass für den Unternehmer eine verbindliche Lösung vorgesehen werden kann. Es handelt sich in diesem Fall um Schlichtungsvorschläge, die von Verbraucherseite für ihre Geltung noch akzeptiert werden müssen, von Unternehmerseite aber im Vorhinein akzeptiert wurden. Im weiten Sinne kann dabei noch von Schlichtung gesprochen werden. Möglich wäre auch die Bezeichnung als „hybride 48  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 20; Wagner, NZBau 2001, 169, 170, 172. 49  Berlin, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 67, 68; Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung, Gutachten F für den 67. DJT, F 30; Katzenmeier, ZZP 2002, 51, 69; Risse, ZKM 2004, 244, 244. 50  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C Rn. 1. 51  Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 15. 52  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 27; Wagner, NZBau 2001, 169, 170, der allerdings die mediativen Techniken als eine Ausprägung der Schlichtung selbst ansieht. 53  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 1 Rn. 7. 54  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 15.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Schlichtungsverfahren mit asymmetrischer Bindungswirkung“. In der Praxis tritt diese Selbstverpflichtung der Unternehmer bereits auf. So kann beim Versicherungsombudsmann gemäß § 11 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung55 bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro für den Unternehmer verbindlich entschieden werden.56 Die vom VSBG gestatteten Methodenwechsel und -kombinationen erschweren es dem Streitmittler zu entscheiden, ob das VSBG oder das Mediationsgesetz gilt. Entscheidend ist dies insbesondere für den Fall, dass sich das Mediationsgesetz und das VSBG widersprechen. § 18 VSBG legt fest, dass das Mediationsgesetz ergänzend anzuwenden ist, wenn eine Mediation durchgeführt wird. Die Besonderheiten des Mediationsgesetzes müssen mithin zusätzlich beachtet werden.57 Die Formulierung von § 18 VSBG offenbart jedoch nicht, wie im Konfliktfall vorzugehen ist. Aufschluss gibt Art. 3 Abs. 2 der ADR-RL, der klarstellt, dass die Mediations-RL durch die ADRRL nicht berührt wird. Der lex-posterior-Grundsatz gilt in diesem Zusammenhang mithin nicht. Das bedeutet, dass die Regeln des VSBG gegenüber dem Mediationsgesetz nachrangig sind, solange die Rechtsakte mit den Richtlinien übereinstimmen.58 Widersprechen sich die Regeln aber nicht, wendet der Streitmittler sowohl das Mediationsgesetz als auch das VSBG an, die sich in diesem Fall ergänzen.59 5. Schlichtungsstruktur in Deutschland Das VSBG baut auf der bestehenden Schlichtungsstruktur auf, indem die vorhandenen Schlichtungsstellen als Verbraucherschlichtungsstellen fungieren können. Schon vor Inkrafttreten des VSBG waren Schlichtungsstellen in Deutschland weit verbreitet. Im europäischen Vergleich ist die Verbraucherschlichtung in Deutschland aber noch nicht sehr alt.60 Als Grund dafür 55  Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmannes, Stand: 23.11.2016, abrufbar unter: https: /  / www.versicherungsombudsmann.de / das-schlichtungsverfahren /  verfahrensordnungen / vomvo / . 56  S. näher zum Versicherungsombudsmann Hirsch, ZKM 2013, 15, 17. 57  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 26. 58  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C Rn. 1; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 225; weitergehend Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 18 Rn. 10, welcher der Mediations-RL sogar für ihre überschießende Umsetzung, also auch für den Bereich der nicht grenzüberschreitenden Konflikte, Vorrang einräumt; Rühl, ZZP 2014, 61, 67; Wagner, ZKM 2013, 104, 106. 59  Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 223. 60  S. den umfassenden Länderbericht für Deutschland Benöhr / Hodges / CreutzfeldtBanda, in: Hodges / Benöhr / Creutzfeldt-Banda, Consumer ADR in Europe, 73 ff.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 37

wird das vergleichsweise gut und rasch arbeitende Justizsystem angesehen.61 Es gab schon vor dem VSBG ein Netz an behördlichen und privaten Schlichtungsstellen, das branchenspezifisch geknüpft war. Die Schlichtungsstellen weisen einen hohen Grad an Spezialisierung auf.62 Sie erfassen für Verbraucher vor allem die Bereiche des Baurechts und des sonstigen Handwerks63, den Bereich der Telekommunikation,64 des Onlinehandels,65 des Personenver­kehrs,66 aber auch der Anwaltshaftung.67 Ebenso ist die Schlichtung im Bereich des Versicherungs- und Bankenwesens sehr verbreitet.68 Aufgrund dieser Vielzahl an Branchen gab es schon vor dem VSBG eine beträchtliche Anzahl von Schlichtungsstellen für Verbraucherkonflikte.69 Der Gesetzgeber des VSBG ging von 30 privaten und sechs behördlichen Schlichtungsstellen in Deutschland aus.70 Andere Autoren konstatieren ein viel größeres Netz aus über 200 Schlichtungsstellen.71 Diese Zahl zeichnet jedoch kein realistisches Bild, weil sie nicht erkennen lässt, dass einigen Stellen kaum Bedeutung zukommt.72 So werden vor allem auch örtliche Schieds- und Schlichtungsstellen mit einbezogen, welche bei den regionalen Industrie- und Handelskammern angesiedelt sind.73 Hingegen ist zu beachten, dass von den Schlichtungsstellen nur die wenigsten bundesweit tätig waren und somit eine uneinheitliche und unübersichtliche 61  Benöhr / Hodges / Creutzfeldt-Banda, in: Hodges / Benöhr / Creutzfeldt-Banda, Con­ sumer ADR in Europe, 73 ff.; Katzenmeier, ZZP 2002, 51, 78. 62  Janzen, VuR Sonderheft 2016, 4, 5; Rühl, ZZP 2014, 61, 83. 63  Die Bauschlichtungsstellen werden von den Handwerkskammern mitgetragen: Es gibt die Schlichtungen von den Handwerkskammern, den Innungen, Kreishandwerkerschaften und auch die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht. 64  Die Schlichtungsstelle Telekommunikation, abrufbar unter: https: /  / www.bundes netzagentur.de / DE / Sachgebiete / Telekommunikation / Verbraucher / Streitbeilegung /  streitbeilegung-node.html. 65  Der Online-Schlichter, abrufbar unter: https: /  / www.online-schlichter.de / herz lich-willkommen-auf-dem-schlichtungsportal-fuer-elektronischen-geschaeftsverkehr. 66  Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, abrufbar unter: https: /  / soep-online.de / index.html. 67  Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft, abrufbar unter: http: /  / www. schlichtungsstelle-der-rechtsanwaltschaft.de. 68  S.  den Versicherungsombudsmann e. V., abrufbar unter: https: /  / www.versiche rungsombudsmann.de, und den Ombudsmann der privaten Banken, abrufbar unter https: /  / bankenombudsmann.de, die hohe Fallzahlen aufweisen. 69  Umfassend dazu Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland, 49 m. w. N. 70  BT Drs. 18 / 5089, 48. 71  Isermann / Berlin, VuR 2012, 47, 48; Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland, 49. 72  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 19. 73  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 89.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Struktur vorherrschte.74 Auch die dem Gerichtsverfahren vorangestellten Schlichtungen für Bagatellsachen gemäß § 15a EGZPO boten aufgrund der Landeskompetenz kein einheitliches Konzept zur Schlichtung. Ferner war nicht gewährleistet, dass die Standards der EU eingehalten wurden, die diese zuvor schon in unverbindlichen Empfehlungen festlegte.75 Das VSBG setzt genau an dieser Stelle an, indem die stark frequentierten branchenspezifischen Schlichtungsstellen als Verbraucherschlichtungsstellen leicht anerkannt werden können und somit in Zukunft einer qualitativen Kontrolle durch das VSBG unterliegen. Der Fokus wird auf die privaten Schlichtungsstellen gerichtet und somit die Schlichtungslandschaft in Deutschland nicht stark verändert. Durch die Möglichkeit der freiwilligen Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle greift das VSBG nicht in die Tätigkeiten der bisher existierenden privaten Schlichtungsstellen ein, sondern bildet nur einen neuen Rahmen, in den diese sich einfügen können, indem sie sich bei Bedarf an die spezifischen Vorgaben anpassen und die Bezeichnung Verbraucherschlichtungsstelle führen. Dafür sind bei den meisten Schlichtungsstellen keine strukturellen, sondern nur geringfügige Änderungen vonnöten. So zeigte sich bereits in den ersten Monaten nach Inkrafttreten des VSBG, dass die meisten der in Deutschland bestehenden branchenspezifischen Schlichtungsstellen nun den Zusatz „Verbraucherschlichtungsstelle“ tragen und auf der Liste76 gemäß § 33 VSBG geführt sind, weil sie die Anforderungen bereits erfüllen. Die weitreichendste Änderung, die die bereits existierenden Mediations- und Schlichtungsstellen tästigen müssen, um als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt zu werden, ist die von § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG geforderte Streitbeilegung durch einen zertifizierten Mediator oder einen Rechtsassessor. Denn zuvor fungierten häufig Experten in den jeweiligen technischen oder wissenschaftlichen Bereichen als Streitschlichter.77 Zudem waren die meisten Stellen nicht institutionell unabhängig und beteiligten nicht wechselseitig Verbraucher- und Unternehmerverbände, wie es nun durch § 9 VSBG vorgesehen ist.

74  Bundesweit tätig sind: Schlichtungsstelle Energie, Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, Ombudsmann der Versicherungen, Ombudsmann der privaten Banken, Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur im Bereich der Telekommunikation; s. auch Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 90; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 216, der die ADR-Landschaft in Deutschland als „bunt und unübersichtlich“ bezeichnet. 75  Isermann, VuR 2012, 47, 52. 76  Die Liste befindet sich auf der Webseite des Bundesamts für Justiz, abrufbar unter: https: /  / www.bundesjustizamt.de / DE / Themen / Buergerdienste / Verbraucher schutz / Verbraucherstreitbeilegung / Verbraucherschlichtungsstellen / Uebersicht_node. html. 77  Eidmann, Schlichtung, 10 f.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 39

Der Rückgriff auf die bestehenden Schlichtungsstellen in Deutschland ist sinnvoll, weil so nicht überstürzt neue Stellen geschaffen werden, ohne die Reaktionen der Verbraucher auf die Neuregelungen des VSBG abzuwarten.78 Die Verbraucherschlichtungsstellen erfüllen dadurch einheitliche qualitative Anforderungen, was durch regelmäßige Überprüfung durch staatliche Behörden gemäß § 26 VSBG sichergestellt wird. Da den Verbraucherschlichtungsstellen aber immer noch ein großer Spielraum zugestanden wird, kann der durch das VSBG gesetzte Rahmen nur bedingt zu einer übersichtlicheren Schlichtungsstruktur beitragen. 6. Abgrenzung zu Kundenbeschwerdestellen von Unternehmen § 1 Abs. 2 VSBG nimmt von seinem Geltungsbereich ausdrücklich solche Streitbeilegungsstellen aus, die nur von einem Unternehmer oder von mit ihm verbundenen Unternehmen79 getragen oder finanziert werden oder die nur im Auftrag eines solchen Unternehmers oder von mit ihm verbundenen Unternehmen tätig werden. Diese an das Unternehmen angegliederten Gütestellen werden häufig Kundenbeschwerdestellen genannt. Es handelt sich um eine vom Unternehmer eingerichtete Kontaktstelle, welche die bilaterale Verhandlung erleichtern soll.80 Die meisten Kundenbeschwerdestellen fallen schon mangels Vereinsträgerschaft aus dem Anwendungsbereich des VSBG heraus. Schlichtungsstellen von verbundenen Unternehmen, die sich im Verein zusammenschließen, werden hingegen von § 1 Abs. 2 VSBG erfasst.81 Das VSBG ordnet sich formal zwischen den Beschwerdeverhandlungen von Unternehmern mit ihren Kunden und dem Gerichtsverfahren ein.82 Allerdings sind die Verbraucherschlichtung und die Beschwerdestellen der Unternehmer dennoch verzahnt: Die Verbraucherschlichtung ist nur zulässig, wenn vorher ein Einigungsversuch mit dem Unternehmer stattgefunden hat. Der Verbraucher muss sich demnach zunächst an den Unternehmer wenden. Dies stellt aber keine Hürde dar, da der Verbraucher oftmals ohnehin nur die Kundenbeschwerdestelle erreicht, wenn er mit dem Unternehmer Kontakt aufnimmt. 78  Hirsch,

139.

NJW 2013, 2088, 2090; ähnlich Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136,

79  Verbundenes Unternehmen ist so zu verstehen wie in § 15 Aktiengesetz, s. BRDrs. 258 / 15, 60. 80  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 13. 81  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C Rn. 6. 82  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 276.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Faktisch sind solche an das Unternehmen angegliederte Gütestellen nur einem Unternehmer zugeordnet, sodass strukturelle Bedenken gegen eine neutrale Verfahrensführung aufkommen, zumal der Anschein bestehen könnte, dass einseitig zugunsten des Unternehmers agiert werde.83 Es ist somit richtig, dass diese Stellen nicht als Verbraucherschlichtungsstelle im Sinne des VSBG anerkannt werden.84 Sie erfüllen nämlich eine andere Funktion: Sie stellen den ersten Anlaufpunkt für den unzufriedenen Kunden (Verbraucher) dar und versuchen, den Konflikt durch aufklärende Hinweise, kulante Leistungen oder auch Entschuldigungen erst gar nicht entstehen zu lassen. Die Kundenbeschwerdestellen sind darauf angelegt, zu einer güt­ lichen Einigung zu gelangen, wenn das Problem einfach ausgeräumt werden kann. Sie können sehr effektiv sein, weil die Beschwerden frühzeitig und verbraucherfreundlich ausgeräumt werden können.85 In den meisten Fällen stellt der Unternehmer eine Onlinestreitbeilegung zur Verfügung. Bekannt sind bei Verbrauchern beispielsweise die Onlinestreitbeilegung von Ebay86, Amazon87 und Paypal88. Auf den Online-Plattformen erwartet die Verbraucher technische Hilfe: Zur Ausfertigung von Formularen stehen Anleitungen und vorgefertigte Textbausteine bereit.89 Dadurch wird allerdings zugleich der Sachverhalt stark vereinfacht.90 Abschließend entscheidet der Computer unter Zuhilfenahme von Algorithmen, wie der Konflikt zu lösen ist.91 Dabei bleibt das staatliche Recht außen vor. Stattdessen werden von den Unternehmen an den Stellen, an denen das Privatrecht „zu kompliziert“ ist, einfache Regeln aufgestellt.92 Diesen Regeln folgen die Algorithmen mechanistisch: Beispielsweise wird der Kaufpreis pauschal zurückerstattet, wenn der Artikel nicht versandt wurde.93

83  BR-Drs.  258 / 15, 59; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 1 Rn. 11. 84  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 1 Rn. 11. 85  BR-Drs.  158 / 15, 59; zur erfolgreichen Arbeit einer Beschwerdestelle einer Versicherung s. umfassend und mit Erfolgswerten Cornelius-Winkler, SVR 2013, 201, 201. 86  Abrufbar unter: http: /  / pages.ebay.de / einkaufen / ebay-kaeuferschutz.html. 87  Abrufbar unter: https: /  / pay.amazon.com / de / help. 88  Abrufbar unter: https: /  / www.paypal.com / at / webapps / mpp / buyer-protection. 89  Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 105. 90  Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147, 149  f.; näher Fries, NJW 2016, 2860, 2861. 91  Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 105. 92  Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147, 149 f.; kritisch Fries, NJW 2016, 2860, 2861. 93  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 245 f.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 41

Der Erfolg der Streitbeilegungssysteme von PayPal und Ebay zeigt auf, dass sich viele Verbraucher damit zufriedengeben, den Konflikt anhand von simplen Regeln beizulegen.94 Daneben trägt die Kostengünstigkeit und Schnelligkeit des Verfahrens dazu bei, dass die Verbraucher die von der ­Gütestelle vorgeschlagene Lösung akzeptieren.95 Auch für Unternehmen ist es von Vorteil, wenn ihre Beschwerdemanagementabteilung zunächst mit dem Verbraucher Verhandlungen führt. Oft wird erst bei Scheitern der Verhandlungen festgelegt, welche Art der Konfliktlösung durchgeführt wird und bei Vertragsschluss nur die Offenheit gegenüber alternativer Streitbeilegung vereinbart.96 Aufgrund der qualitativen Schwächen ist es aber zu befürworten, dass das VSBG nun ein leicht zugängliches und niedrigschwelliges Streitbeilegungsverfahren bietet, das neben die Kundenbeschwerdestellen tritt. Dies verhindert, dass auch komplexere Konflikte ausschließlich von den firmeneigenen Beschwerdesystemen gelöst werden, bei denen Bedenken hinsichtlich der Neutralität bestehen. Die Verbraucherschlichtung stellt demgegenüber eine qualitätsvollere Konfliktbeilegung dar, weil sie eine gründlichere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und der Rechtslage fordert.

II. Gerichtliche Lösung von Verbraucherkonflikten Die Verbraucherschlichtung soll ausschließlich mit dem Verfahren vor den Amtsgerichten verglichen werden. Der Grund dafür ist, dass das Amtsgericht nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert bis 5.000 Euro regelmäßig sachlich zuständig ist. Typische Verbraucherkonflikte sind gerade solche mit geringen Streitwerten, sodass ein Streitwert von über 5.000 Euro die Seltenheit darstellt.97 Insofern ist das amtsgerichtliche Verfahren kongruent mit dem Anwendungsbereich der Schlichtungen.98 Außerdem sieht § 30 Abs. 1 Nr. 4 VSBG zumindest für die Universalschlichtungsstellen vor, dass sie die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens ablehnen, wenn der Wert des Streitgegenstandes weniger als zehn Euro und mehr als 5.000 Euro beträgt. Werden die Begriffe „gerichtlich“ bzw. „Gerichtsverfahren“ verwendet, beziehen sich diese streng genommen auf das Amtsgericht.

94  Adolphsen,

BRAK-Mitteilungen 2017, 147, 150. in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 106. 96  Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 10, in Bezug auf die Siemens AG. 97  Loos, ERPL 2016, 61, 62; Storskrubb, ERPL 2016, 7, 19. 98  Wolf, NJW 2015, 1656, 1660. 95  Eidenmüller,

42

Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Das Verfahren bei den Amtsgerichten bietet verschiedene Formen für die Lösung von Verbraucherkonflikte an, die im Folgenden dargestellt werden. 1. Kontradiktorisches Entscheidungsverfahren Mit Erhebung der (zulässigen) Klage wird grundsätzlich der Weg zu einem Sachurteil eingeschlagen. Dieses enthält die gerichtliche Erkenntnis über ­einen sachlichen Streitgegenstand.99 Folgt das Urteil auf eine streitige Verhandlung, wird es als kontradiktorisches Urteil bezeichnet, es sei denn es handelt sich um ein Versäumnisurteil.100 Der Richter verfolgt die starren Regeln der ZPO. Ist die Sache zur Entscheidung reif, hat der Richter gemäß § 300 ZPO ein Endurteil zu erlassen. Er soll mithin zum einen die Sache zur Entscheidungsreife bringen und zum anderen die Entscheidung auch herbeiführen.101 Der Rechtsstreit wird im Regelfall in einer mündlichen Verhandlung, dem Haupttermin nach § 272 Abs. 2 ZPO, beigelegt. Entweder ist dieser Termin durch ein schriftliches Vorverfahren nach § 276 ZPO gründlich vorbereitet oder es wird ein früher erster Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275 ZPO) angesetzt, § 272 Abs. 2 ZPO. Führt der frühe erste Termin durch hinreichende Vorbereitung gemäß § 275 Abs. 1 ZPO zur Erledigung, ist er der Sache nach ein Haupttermin.102 Diese prozessualen Maßnahmen dienen der Beschleunigung des Verfahrens.103 2. Der Gütegedanke in der ZPO In der ZPO ist der Gütegedanken fest integriert. Zum einen schreibt § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO vor, dass der mündlichen Verhandlung eine Güteverhandlung vorauszugehen hat, zum anderen gibt § 278 Abs. 1 ZPO dem Richter auf, zu jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht zu sein. § 278 Abs. 1 ZPO beinhaltet für den Richter eine echte Verpflichtung.104 Die gütliche Einigung muss ihm zweckmäßig und aussichtsreich 99  Musielak,

in: Musielak / Voit, ZPO, § 300 Rn. 3. in: Musielak / Voit, ZPO, § 300 Rn. 3; Feskorn, in: Zöller, ZPO,

100  Musielak,

§ 300 Rn. 6. 101  Thole, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 300 Rn. 1; Reichold, in: Thomas / Putzo, ZPO, § 300 Rn. 1; Feskorn, in: Zöller, ZPO, § 300 Rn. 2. 102  Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 272 Rn. 2; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 272 Rn. 3; Geisler, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 272 Rn. 4; Reichold, in: Thomas / Putzo, ZPO, § 272 Rn. 4. 103  Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, Einf. vor § 272 Rn. 2; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 272 Rn. 1; Greger, in: Zöller ZPO, § 272 Rn. 4. 104  Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 278 Rn. 10; Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 9.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 43

erscheinen,105 wobei es neben verfahrensökonomischen Gesichtspunkten darauf ankommt, ob sich die Parteien dauerhaft einigen können.106 Die Güteverhandlung dient dazu, sich bereits zu Beginn des Prozesses Klarheit über die Chancen einer Einigung der Parteien zu verschaffen. Sie soll dazu führen, dass der Konflikt frühzeitig beigelegt wird.107 Auch sollen Kosten gespart und die Belastung der Gerichte gesenkt werden.108 Die Gütebemühungen finden nach § 278 Abs. 2 S. 3 ZPO in der Regel mündlich statt.109 § 278 ZPO schlägt sich nieder in Vergleichsschlüssen, Klage- und Rechtsmittelrücknahmen, Erledigungserklärungen, Anerkenntnissen und Verzichten – mithin in allen Verfahrensbeendigungen ohne kontradiktorisches Urteil.110 Die Güteverhandlung sowie weitere Gütebemühungen können gemäß § 278 Abs. 5 ZPO entweder vom Streitrichter selbst geführt werden oder an einen nicht entscheidungsbefugten Güterichter verwiesen werden. Die Verweisung liegt im Ermessen des Gerichts und berücksichtigt, ob die Parteien grundsätzlich offen gegenüber alternativen Streitbeilegungsmethoden sind.111 Der Güterichter kann alle Methoden der Streitbeilegung einsetzen, einschließlich der Mediation. Diese unterliegt nicht den Regeln des Mediationsgesetzes, kann aber an diesem ausgerichtet sein.112 Scheitert die Güteverhandlung, schließt sich gemäß § 279 Abs. 1 ZPO unmittelbar die mündliche Verhandlung oder der frühe erste Termin an. Ist bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Stelle vorangegangen oder erscheint die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos, so ist diese gemäß § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht länger obligatorisch. Als außergerichtliche Stelle zählen neben Verbraucherschlichtungsstellen ebenso die von der Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestellen gemäß § 15a EGZPO. Letztere erfassen zwar häufig Verbraucherkonflikte, weil 105  Prütting,

in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 10. in: ders., ZPO, § 278 Rn. 3. 107  Bacher, in BeckOK ZPO, § 278 Rn. 2; Greger, in: Zöller, ZPO, § 278 Rn. 7. 108  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 2, 6. 109  Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgt von Amts wegen, bei Nichterscheinen kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, § 278 Abs. 3 S. 2 ZPO i. V. m. § 141 Abs. 2, 3 ZPO. 110  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 3; Greger, in: Zöller, ZPO, § 278 Rn. 3. 111  BT-Drs. 17 / 8058, 21; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 20; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469. 112  So auch Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 25; Ahrens,  NJW 2012, 2465, 2469 f.; Fritz / Schroeder, NJW 2014, 1910, 1911; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 108; im Einzelnen str., vgl. zum Meinungsstand: Evaluierung des Mediationsgesetzes. Rechtstatsachliche Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, BT-Drs. 18 / 13178, 28. 106  Saenger,

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

sie unter anderem für Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 750 Euro das Güteverfahren zwingend vorsehen.113 Die Bedeutung dieser Stellen ist aber stark gesunken: Starke Kritik114 und negative Erfahrungen in der Praxis115 führten dazu, dass die Bundesländer, die § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO bereits umgesetzt hatten, dies wieder rückgängig machten oder die Vorschrift von vornherein nicht umgesetzt wurde.116 Ob die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos ist und somit nicht stattfinden muss, entnimmt der Richter dem Verhalten der Parteien, dem Streitstand und aus den Schriftsätzen im Rahmen einer subjektiven Prognose zu Beginn des Prozesses.117 Die Erklärung der Parteien, dass sie die Verhandlung als aussichtslos ansehen, ist dabei nur ein Indiz für den Richter. Sie hindert ihn nicht daran, die Güteverhandlung dennoch als sinnvoll zu erachten.118 Der Richter kann seine Entscheidung zudem in jeder Lage des Prozesses korrigieren, weil er gemäß § 278 Abs. 1 ZPO jederzeit wieder auf eine gütliche Einigung hinwirken kann.119 Dies hat ferner den Vorteil, dass es später zu einer Güteverhandlung kommen kann, wenn der Richter zu Beginn des Verfahrens noch nicht hinreichend auf die Güteverhandlung vorbereitet war und sie somit nicht in vollem Maße ausgenutzt hat. § 278 Abs. 6 ZPO führt zur weiteren Erleichterung des Vergleichsschlusses, indem schriftliche Vergleichsvorschläge des Gerichts schriftlich angenommen werden oder die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten können. Letzteres geschieht meist unter Zu­ hilfenahme von Rechtsanwälten und wird deshalb als Anwaltsvergleich bezeichnet.120 Zweck dieser Vorschrift ist es, den Vergleichsschluss im Vergleich 113  Nicht erfasst sind gem. § 15 a Abs. 2 Nr. 5 EGZPO die durch Mahnbescheid eingeleiteten Klagen, sodass die Schlichtung für Zahlungsklagen nicht bedeutend ist, s. Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 16. 114  Dazu umfassend Jenkel, Der Streitschlichtungsversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung in Zivilsachen, 153 ff.; Peters, AnwBl 1997, 531 ff.; Wesche, MDR 2003, 1029, 1029 ff. 115  Eidenmüller, JZ 2015, 539, 539; umfassend am Beispiel Nordrhein-Westfalens Feix, Die Verankerung einvernehmlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess, 161 ff., insbes. 180 f. 116  Zuletzt 2013 in Baden-Württemberg abgeschafft; zur Erfolglosigkeit bereits Deckenbrock / Jordans, MDR 2013, 945, 948; Micklitz, Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts?, Gutachten A für den 69. DJT, A 93. 117  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 20; Saenger, in: ders., ZPO, § 278 Rn. 10. 118  Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 5. 119  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 22. 120  S. §§ 796a–796c ZPO.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 45

zu § 794 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO weiter zu vereinfachen,121 das Gericht zu entlasten und Kosten zu sparen.122 Das Ergebnis stellt gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz ZPO einen Vollstreckungstitel dar und entfaltet materiellrechtliche Wirkungen123 – sofern er materiell-rechtlich (§ 779 BGB) wie prozessual (§ 794 ZPO) wirksam ist, was aber regelmäßig der Fall ist.124 Einzige Einschränkung gegenüber dem Prozessvergleich ist die Tatsache, dass sich über kein Rechtsgeschäft verglichen werden kann, das die beiderseitige Anwesenheit der Parteien erfordert wie die Auflassung.125 3. Vereinfachungen und Beschleunigungen Das kontradiktorische Entscheidungsverfahren erfährt einige Modifikationen, die es vereinfachen und beschleunigen sollen. Dies entspricht insbesondere dem Interesse der Verbraucher an einem zügigen und günstigen Verfahren. Zum einen gibt es für Streitigkeiten mit geringen Streitwerten das Verfahren nach billigem Ermessen und das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen (a)). Zum anderen können Geldforderungen durch das europäische und deutsche Mahnverfahren durchgesetzt werden (b)). a) Verfahren nach billigem Ermessen und europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen Bei Verbraucherkonflikten wird häufig das Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 495a ZPO bestimmt.126 Dies ist möglich bei allen zivilgerichtlichen Streitigkeiten beim Amtsgericht, in denen der Streitwert 600 Euro nicht übersteigt, außer bei Familiensachen, Ehesachen und arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.127 Die häufige Nutzung mag an dem geringen Streitwert liegen, der typisch für Verbraucherkonflikte ist. Doch auch abgesehen von 121  Bacher,

in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 36b. in: Musielak / Voit, ZPO, § 278 Rn. 1. 123  Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 40; Greger, in: Zöller, ZPO, § 278 Rn. 34. 124  So die einzig überzeugende Lehre von der Doppelnatur, die den Parteiinteressen am besten entspricht, weil sie zu keinen praktischen Nachteilen führt, da verhindert wird, dass ein zusammenhängendes Konstrukt künstlich auseinandergerissen wird. 125  OLG Jena, Beschl. v. 3.11.2014 – 3 W 452 / 14, RPfleger 2015, 261, 261; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.8.2006  – 3 Wx 137 / 06, NJW-RR 2006, 1609, 1610; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 41. 126  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 64. 127  Für familienrechtliche Streitigkeiten ergibt sich dies im Umkehrschluss aus dem Verweis in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG auf die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor dem Landgericht, für die arbeitsrechtlichen Streitigkeiten aus § 46 Abs. 2 S. 2 ArbGG. 122  Foerste,

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Verbraucherkonflikten ist die praktische Bedeutung des Verfahrens nach billigem Ermessen hoch: Von allen durch ein streitiges Urteil erledigten Verfahren beim Amtsgericht ging in etwa 30 Prozent ein Verfahren nach billigem Ermessen voraus.128 Dies ist vor allem deshalb beachtlich, weil das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen nur bei Streitwerten bis zu 600 Euro bestimmen kann. Für den Bereich dieses Streitwertniveaus ist der prozen­ tuale Anteil der vorangegangen Verfahren mithin noch höher. Die Entscheidung darüber, ob diese Verfahrensart durchgeführt wird, obliegt nicht den Parteien, sondern dem Richter.129 Dieser prognostiziert die Kosten- und Zeitvorteile und berücksichtigt, dass ausreichend rechtliches Gehör erhalten bleibt.130 Es ist ausreichend, dass der Richter den Parteien mitteilt, dass das vereinfachte Verfahren durchgeführt wird.131 Dabei kann er auch jederzeit wieder zum üblichen Verfahren zurückkehren, wenn er dies für sachdienlich hält.132 Das Verfahren nach billigem Ermessen führt zu einer schnelleren Ermittlung der Entscheidungsgrundlage. Der Wortlaut des § 495a S. 2 ZPO begrenzt das Ermessen nur dadurch, dass auf Antrag einer Partei das Verfahren mündlich abgehalten werden muss. Jedoch müssen auch die wesentlichen Verfahrensgrundsätze und -rechte beachtet werden, wie das Recht auf einen gesetzlichen Richter oder das Recht auf Gehör.133 Auch für grenzüberschreitende134 Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 5.000 Euro135 besteht ein vereinfachtes Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 861 / 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (Geringfügige-Forderungen-VO)136. Dieses gilt 128  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 18, 22, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DE Serie_serie_00000101. 129  Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 495a Rn. 10; Deppenkemper, in: Münch / Komm ZPO, § 495a Rn. 12; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 471. 130  Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 495a Rn. 6 ff.; Deppenkemper, in: Münch / Komm ZPO, § 495a Rn. 12. 131  Schelp, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 495a Rn. 5. 132  Deppenkemper, in: Münch / Komm ZPO, § 495a Rn. 13. 133  Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 1108. 134  Der Streit ist grenzüberschreitend, wenn mindestens eine Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat, s. Art. 3 Geringfügige-Forderungen-VO. 135  Dies gilt seit dem 14.7.2017 gem. Art. 2 Abs. 2 Geringfügige-Forderungen-VO, zuvor galt das Verfahren nur bis zu einem Streitwert von 2.000 Euro. 136  Verordnung (EG) Nr. 861 / 2007 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ABl. L 199, 1, 31.7.2007, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 517 / 



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 47

nach der Wahl des Antragstellers alternativ zum Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 495a ZPO.137 Seine praktische Bedeutung ist allerdings gering.138 Im Jahre 2016 gab es nur 483 erledigte Verfahren.139 In Anbetracht der steigenden Anzahl grenzüberschreitender Verträge und damit einhergehend auch transnationaler Konflikte, verwundert diese geringe Anzahl. Das Verfahren für geringfügige Forderungen wird vornehmlich für die Durchsetzung von Ansprüchen gegen ausländische Fluggesellschaften genutzt, die in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung 261 / 2004 / EG140 fallen.141 Das Ziel, das Verfahren zu erleichtern und zu beschleunigen, wird vor allem durch eine Reihe von Formblättern erreicht, die für die Klageeinreichung, die Vervollständigung der Klage, das Antwortschreiben des Beklagten und auch für Bestätigungen des Gerichts vorhanden sind. Dazu tragen ebenfalls strenge Fristenregelungen und die Schriftlichkeit des Verfahrens gemäß Artt. 4 Abs. 1, 5, 14 Geringfügige-Forderungen-VO bei.142 Auch das Beweisverfahren ist nach Art. 9 Geringfügige-Forderungen-VO vereinfacht: Das Gericht wählt die am wenigsten aufwändige Art der Beweisaufnahme, kann schriftliche Aussagen der Parteien und Sachverständigen und ferner eine schriftliche Vernehmung zulassen. b)  Europäisches und deutsches Mahnverfahren Eine weitere Besonderheit stellt das Mahnverfahren dar. Das deutsche Mahnverfahren ist eine Form des erstinstanzlichen Erkenntnisverfahrens und ist im siebten Buch der ZPO geregelt. Das europäische Mahnverfahren findet seine Grundlage in der Verordnung (EG) Nr. 1896 / 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMahnverfVO)143. Beide sind auf eine 2013 vom 13.5.2013; die Verordnung gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark. 137  Dazu Schelp, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 495a Rn. 4. 138  Kern, JZ 2012, 389, 389. 139  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 18, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_ serie_00000101; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 160. 140  Verordnung (EG) Nr. 261 / 2004 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­ stützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295 / 91, ABl. L 46 / 1, 17.2.2004. 141  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 160. 142  Kern, JZ 2012, 389, 390. 143  Verordnung (EG) Nr. 1896 / 2006 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. L 399, 1, 30.12.2006, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2015 / 2421 vom 16.12.2015.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

rasche Beilegung der Streitigkeit bedacht.144 Sie sind rein schriftliche Verfahren, die dem streitigen Verfahren vorgelagert sind und im Einzelfall zu diesem überleiten können. Wenn der Antragsgegner nach § 688 ZPO bzw. Art. 4 EuMahnverfVO passiv bleibt, werden Geldforderungen zügig zu einem vollstreckbaren Titel geführt – dem Vollstreckungsbescheid gemäß § 699 ZPO bzw. dem Europäischen Zahlungsbefehl gemäß Art. 12 Abs. 1 EuMahnverfVO. Das europäische Mahnverfahren gilt laut Art. 2 Abs. 1 EuMahnverfVO nur für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handels­ sachen, das Mahnverfahren nach den §§ 688 ff. ZPO nur für nationale. Die Anträge auf Mahnbescheide können nach § 689 Abs. 1 S. 2 ZPO bzw. Art. 8 S. 2 EuMahnverfVO maschinell bearbeitet werden. Weder ist vorgesehen, dass der Antragsgegner beteiligt wird, noch, dass geprüft wird, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auch zusteht. So weist der Mahnbescheid nach § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausdrücklich darauf hin, dass das Gericht nicht geprüft hat, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch zusteht. Stattdessen wird nur geprüft, ob die Forderung offensichtlich unbegründet ist.145 Beim europäischen Verfahren soll gemäß Art. 8 S. 1 EuMahnverfVO zwar überprüft werden, ob die Forderung begründet erscheint. Da das Verfahren aber automatisiert ist, erfolgt dies nur kursorisch. Ebenso legt auch Art. 9 Abs. 1 EuMahnverfVO fest, dass die Prüfung sich auf die offensichtliche Unbegründetheit der Forderung beschränkt. Erst wenn der Antragsgegner aktiv wird, führt das Gericht ein streitiges Verfahren durch und setzt sich rechtlich mit dem Konflikt auseinander. Beim deutschen Mahnverfahren kann der Antragsgegner gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch einlegen und dadurch nach § 700 Abs. 3 S. 1 ZPO eine streitige Verhandlung initiieren. Zudem kann jede Partei gemäß § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO eine Verhandlung beantragen, nachdem der Antragsgegner Widerspruch eingelegt hat. Beim Europäischen Mahnverfahren kann gleichfalls gemäß Artt. 16, 17 Abs. 1, 2 EuMahnverfVO gegen den europäischen Zahlungsbefehl Einspruch erhoben werden. Bei Einspruch und Widerspruch stellen das deutsche und europäische Mahnverfahren dementsprechend eine besondere Form der Prozesseinleitung dar.

144  Art. 1 Abs. 1 lit. a VO (EG) 1896 / 2006; Erwägungsgrund 6 Verordnung (EG) Nr. 1896 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens; BT-Drs. 11 / 5462, 30. 145  OLG Celle, Beschl. v. 1.1.2011 – 31 Ss 29 / 11, NStZ-RR 2012, 111, 112; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.12.1987 – 3 Ws 76 / 87, MDR 1982, 502, 503; OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.6.1987  – VIII ZR 154 / 86, RPfl 1987, 422, 422; AG Coburg, Beschl. v. 3.3.2016 – 15-7790975 / 00 / N, NJW 2016, 3107, 3107; BT-Drs. 11 / 5462, 31; Voit, in: Musielak / Voit, ZPO, § 691 Rn. 2; Seibel, in: Zöller, ZPO, § 691 Rn. 1.



A. Vergleichsobjekte: Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren 49

Das europäische und deutsche Mahnverfahren erweisen sich folglich als Forderungsdurchsetzungssysteme, die dem Versäumnisurteil beim Gericht aus dem Grund ähneln, dass die Gegenseite nicht angehört wird, weil sie sich nicht äußern will oder nicht erscheint. Demgemäß sind auch die Rechtsfolgen des Vollstreckungsbescheids des Mahnverfahrens und des vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteils gemäß § 700 Abs. 1 ZPO die gleichen. Das Mahnverfahren hilft dem Verbraucher hingegen nur bei unbestrittenen Geldforderungen. Da Unternehmer diese aber in der Regel begleichen, weil sie meistens nicht zahlungsunfähig sind, ist das Mahnverfahren untypisch für die Durchsetzung von Ansprüchen des Verbrauchers gegen den Unternehmer. So richtet es sich auch in der Praxis meistens gegen den Verbraucher.146 Verweigert der Unternehmer die Zahlung, liegt dies in den ganz überwiegenden Fällen daran, dass er die Forderung bestreitet. Das Mahnverfahren ist in diesen Fällen nutzlos, weil dann ohnehin rechtliche oder tatsächliche Aufklärung vonnöten ist. Anderes gilt nur, wenn es sich um solch geringe Beträge handelt, dass der Unternehmer aus Effizienzgründen davon Abstand nimmt, Widerspruch einzulegen. Das Mahnverfahren dient somit nur der Lösung eines geringen Anteils von Verbraucherkonflikten.

III. Zwischenergebnis und Schwerpunktsetzung Dem Verbraucher offenbart sich sowohl vor Gericht als auch außergerichtlich eine Methodenvielfalt.147 Beide Systeme versuchen ihre Methoden bestmöglich auf die Bedürfnisse der Parteien anzupassen. Ihnen ist gemein, dass sie eine gütliche Einigung als oberste Prämisse ansehen. In der ZPO wurden die gütlichen Einigungsmethoden gestärkt und institutionell verankert.148 Es kann flexibel zwischen der Mediationsmethode, dem Hinwirken auf eine gütliche Einigung, dem Unterbreiten von Vergleichsvorschlägen und der richterlichen Entscheidung variiert werden. Das VSBG stabilisiert und strukturiert das außergerichtliche Schlichtungsverfahren und bietet ebenso Schlichtungs- und Mediationsverfahren an. Dadurch sind Doppelstrukturen entstanden.149 Bei Gericht besteht aber insgesamt ein breiter gefächertes Angebot, weil auch ein Entscheidungsverfahren existiert. 146  Weber,

VuR Sonderheft 2016, 22, 25. Flexibilität des Gerichtsverfahrens Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 65. 148  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 6; Zekoll / Bälz / Amelung, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 1, 1. 149  Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1708; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 137; wohl auch Rühl, ZZP 2014, 61, 94. 147  Zur

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Zudem bestehen zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Lösung von Verbraucherkonflikten viele Schnittstellen:150 Zum einen muss zu Beginn des Gerichtsverfahrens ein Güteversuch abgehalten werden, welcher fakultativ auch außerhalb des Gerichts und insbesondere bei einer Verbraucherschlichtungsstelle stattfinden kann. Zum anderen besteht mit § 278a ZPO die Möglichkeit, das laufende Gerichtsverfahren für einen außergerichtlichen Streitbeilegungsversuch zu unterbrechen. Von dieser Möglichkeit wird bislang in der Praxis jedoch nur selten Gebrauch gemacht.151 Eher verweist der Richter auf die „innergerichtliche Mediation“, das heißt die Güteverhandlung mit einem Güterichter, weil diese im Allgemeinen zügiger abläuft und sich die Parteien nicht auf einen Mediator einigen müssen.152 Doch auch die gerichtliche Güteverhandlung hat in der Praxis nicht viel Erfolg. So wird sie häufig mit der Begründung umgangen, der Gütetermin sei aussichtslos.153 Aufgrund der Parallelen zwischen der ZPO und dem VSBG im Bereich der gütlichen Streitbeilegung soll diesen bei dem Vergleich eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Der Schwerpunkt wird auf die gütlichen Einigungsmethoden bei Gericht gesetzt. Zum einen ist die gütliche Beendigung eines Gerichtsverfahrens am besten vergleichbar mit einer Schlichtung154 und zum anderen belegen Statistiken die enorme praktische Bedeutung von Vergleichsschlüssen bei Gericht155. Seit der Zivilrechtsreform 2002 ist der Anteil der durch Vergleich beendeten Verfahren erheblich gestiegen.156 Im Jahr 2016 trennten sich die Parteien in immerhin circa 160.000 amts­ gerichtlichen Verfahren mit einem gerichtlichen Vergleich, während etwa 260.000 Verfahren durch Urteil beendet wurden.157 150  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 77; Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 2. 151  Lambert Löer, in: Klowait / Gläßer, Mediationsgesetz, § 278a Rn. 18; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  E Rn. 65; Greger, NJW 2007, 3258, 3260; Hommerich / Prütting / Ebers / Lang / Traut, Evaluation ZPO-Reform, 84 ff. 152  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 65. 153  Greger, JZ 2004, 805, 807. 154  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 43. 155  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 18, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_ serie_00000101; zu den vielen Vergleichen auch: Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer /  Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag / Ergebnis des Verfahrens, Rn. 44; Wolfsteiner, in: MünchKomm ZPO, § 794 Rn. 7; Feix, Die Verankerung einvernehmlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess, 224; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 24 f. 156  So schon die Auswertung der ersten Jahre, s. Hommerich / Prütting / Ebers / Lang / Traut, Evaluation ZPO-Reform, 47 f.



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 51

Parteien, die sich auf eine Verbraucherschlichtung einlassen, sind konsensuellen Streitbeilegungsmethoden gegenüber grundsätzlich offen eingestellt und würden sich vermutlich auch bei gerichtlichen Gütebemühungen kompromissbereit zeigen. Aus diesem Grund wird nicht nur das das materielle Recht am stärksten abbildende Urteil untersucht, sondern sich mit dem Realfall bei Gericht auseinandergesetzt, bei dem Vergleichsschlüsse und zivilprozessuale Auflockerungen eine große Rolle spielen.158 Das Urteil bleibt aber nicht unberücksichtigt, weil die Möglichkeit, ein solches anzustreben, nicht verschlossen bleibt. Das Bewusstsein, dass im Falle des Scheiterns einer gütlichen Einigung bei Gericht ein Urteil ergeht, prägt den Zivilprozess auf nicht unerhebliche Weise.

B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht Der Untersuchungsmaßstab „Zugang zum Recht“ eignet sich aus dem Grunde, dass er dem Charakter und der gesetzgeberischen Motivation der Rechtsakte entspricht. Das VSBG und die ADR-RL erklären den Zugang zum Recht an vielen unterschiedlichen Stellen zu ihrem Ziel.159 Und auch Gerichtsreformen werden schon länger damit begründet, dass der Zugang zum Recht verbessert werden soll.160 Ein guter Zugang zum Recht stärkt den europäischen Binnenmarkt, weil der Verbraucher motiviert ist, grenzüberschreitende Geschäfte abzuschließen, wenn er der Konfliktlösung vertraut.161 Für den europäischen Gesetzgeber stellte dies gemäß Erwägungsgrund 6 ADR-RL eine Motivation dar, die ADR-RL zu schaffen.

157  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 18, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_ serie_00000101, von insgesamt 1.020.966 Verfahren endeten 262.238 in einem Urteil und 158.134 in einem gerichtlichen Vergleich. 158  Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 67, spricht sich ebenfalls für die Betrachtung des Realfalles aus. 159  S. dazu ausführlich in diesem Kapitel unter B. I. 2. der Darstellung; ähnlich auch Gläßer, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 85, 98. 160  S. nur Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2002 / 8 / EG des Rates vom 27. 1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, ABl. L 26 / 41; Art. 1 Abs. 1 lit. a EuMahnverfVO; Art. 1 Geringfügige-Forderungen-VO. 161  Erwägungsgrund 7 ADR-RL; Art. 1 ADR-RL; Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1705 f.; Gibson, Journal of Consumer Policy 1992, 407, 407; Greger, ZZP 2015, 137, 138.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Der Vergleichsmaßstab eignet sich, da der Zugang zum Recht nicht nur durch Gerichte, sondern auch durch alternative Streitbeilegung erreicht werden kann. Dies wird im Folgenden dargelegt. Zudem wird eine Definition des Begriffs „Zugang zum Recht“ erarbeitet.

I. Begriffsbestimmung 1. Uneinheitliche Begriffsverwendung Der Begriff „Zugang zum Recht“ wird häufig verwendet und doch ist oft nicht eindeutig, was gemeint ist.162 Weder besteht eine Legaldefinition, noch wird der Begriff in der juristischen Literatur einheitlich verwendet. Während früher nur der Ausdruck „Zugang zur Justiz“ existierte, wurde in der Folge vermehrt der Terminus „Zugang zum Recht“ gebraucht. Heutzutage ist auch von „Zugang zur ADR“ die Rede.163 Auffällig ist, dass die Begriffe „Zugang zum Recht“, „Zugang zur Justiz“ und „Zugang zur ADR“ ungenau verwendet werden. So wird der Zugang zur Justiz als Zugang zum Recht bezeichnet.164 Ebenso kommt es vor, dass ADR-Verfahren unter den Terminus Zugang zur Justiz subsumiert werden.165 Auch der aus dem anglistischen Raum und der internationalen Literatur bekannte Begriff „access to justice“ wird in der juristischen Literatur in Deutschland verwendet. Doch auch access to justice ist schwer zu definieren, weil er nicht klar bezeichnet wird.166 Ebenso wenig wie für die deutsche Terminologie gibt es auch in den englischsprachigen Rechtswörterbüchern keine einheitliche Begriffsdefinition.167 Eindeutig ist aber, dass die Begriffe „access to justice“ und „Zugang zum Recht“ das Gleiche bedeuten.168 Dass die deutsche Literatur trotz gleicher 162  Weder in Creifelds, Rechtswörterbuch, noch in Köbler, Juristisches Wörterbuch, sind Definitionen zu finden; zum Mangel einer Definition von „access to justice“ Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 36; ähnlich Kilian, AnwBl 2008, 236, 236. 163  Dazu Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 4. 164  BT Drs.  18 / 6060, 2; ähnlich Creifelds, Rechtswörterbuch, 735, durch Gleichstellung der Begriffe „Justizgewährungsanspruch“ und „Rechtsgewähranspruch“; Cornelius-Winkler, SVR 2013, 201, 207; Drexel, Der Zugang zum Recht, 3. 165  So die Agentur der  Europäischen Union für Grundrechte, Zugang zur Justiz in Europa: Ein Überblick über Herausforderungen und Chancen, Wien 2011, 15 ff., sowie abrufbar unter: http: /  / fra.europa.eu / de / news / 2015 / zugang-zur-justiz-fur-alle. 166  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 6. 167  Nur den Begriff access to the courts, aber nicht access to justice definierend: Garner, Black’s Law Dictionary; Garner, A Dictionary of Modern Legal Usage; New­man, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law; dazu auch Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 3.



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 53

Bedeutung die Termini beider Sprachen verwendet, mag den vielen inter­ nationalen Forschungsprojekten geschuldet sein, die in englischer Sprache verfasst sind. Für die Definition von Zugang zum Recht soll nicht zuletzt wegen der rechtsvergleichenden Forschung auch auf englischsprachige Lite­ ratur Bezug genommen werden. Zu nennen ist das „Florence Access-to-­ justice Project“ von Mauro Cappelletti und Bryant G. Garth. Das vierjährige rechts­ vergleichende Forschungsprojekt wurde Ende der siebziger Jahre durchgeführt und zählt zu den bedeutendsten Projekten zu dem Thema access to ­justice.169 Es beschäftigt sich mit den Barrieren zur Justiz und stellt rechtspolitische Überlegungen an, wie diese Barrieren abgebaut werden können. 2. Zugang zum Recht in ADR-RL und VSBG In der ADR-RL und im VSBG taucht immer wieder das Wort „Zugang“ in Bezug auf den Zugang zu außergerichtlicher und gerichtlicher Streitbeilegung auf.170 Nach Erwägungsgrund 4 ADR-RL soll auch durch die „Gewährleistung des Zugangs zu einfachen, effizienten, schnellen und kostengünstigen Möglichkeiten der Beilegung inländischer und grenzübergreifender Streitigkeiten“ das Vertrauen der Verbraucher in den Markt gestärkt werden. Art. 5 ADR-RL und Erwägungsgründe 25–27 ADR-RL nennen den „Zugang zu AS-Stellen“, den „Zugang zu AS“ und den „Zugang zu AS-Verfahren“, welche nicht erschwert oder beeinträchtigt werden dürfen.171 Der Begriff „Zugang zum Recht“ wird hingegen nicht erwähnt. Art. 8 ADR-RL fasst den leichten Zugang zum Verfahren auch unter den Terminus „Effektivität“ und versteht darunter ein leicht erreichbares, kostengünstiges und schnelles Verfahren.172 Effektivität bedeute gemäß Art. 8b ADR-RL, dass die Parteien „Zugang zu dem Verfahren [haben], ohne einen Rechtsanwalt oder einen Rechtsberater beauftragen zu müssen“. Das Äquiva168  So auch deutlich Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 33 in der vorgenommenen Übersetzung; Kilian, AnwBl 2008, 236, 236; Reich, ERCL 2014, 258, 258 f.; Ring, Das neue VSBG in der anwaltlichen Praxis, 21; Die gleiche Bedeutung der Begriffe wird auch durch den gleich verlaufenden Wandel ihrer Bedeutung offensichtlich: Beide Begriffe standen früher nur für die Justizgewährung und umfassen nach modernem Verständnis auch alternative Methoden. 169  Storskrubb, ERPL 2016, 7, 15. 170  § 14 Abs. 2 S. 2 VSBG; Artt. 1, 2 Abs. 3, 5 Abs. 1 und Abs. 3–5, 8b, 15 Abs. 3 ADR-RL; Erwägungsgründe 4, 6, 24, 25, 26, 27, 45, 60 ADR-RL; BR-Drs.  258 / 15, 1, 2, 7, 44, 47, 51, 72–74, 87, 91, 98. 171  Dies könnte als ein Wandel hin zum Begriff „Zugang zu ADR“ sein, s. Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung. 172  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 124.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

lent der englischen Fassung der Richtlinie lautet „access to ADR“.173 Die deutsche Fassung benutzt folglich weder die Bezeichnung „Zugang zum Recht“ noch „Zugang zur Justiz“ und auch die englische Fassung spricht nicht von access to justice. Dies mag zwar erstaunen, weil der Begriff „Zugang zum Recht“ durchaus in anderen Dokumenten der EU zu finden ist und auch inhaltlich zutrifft. Da die ADR-RL allerdings nur die alternative Streitbeilegung ausbaut, ist es präziser, wie vorliegend, nur vom Zugang zur ADR zu sprechen und nicht vom Zugang zum Recht – jedenfalls dann, wenn das Verständnis zugrunde gelegt wird, dass Zugang zur Justiz und Zugang zur ADR Unterformen des Oberbegriffs „Zugang zum Rechts“ sind.174 Konsequent und präzise ist auch der Ausdruck „Zugang zu den Gerichten“ / „access to the judicial system“ in Erwägungsgrund 45 der ADR-RL, wo es ausschließlich um gerichtliche Verfahren geht. Obwohl das in der Richtlinie geäußerte Ziel, den Zugang der Verbraucher zur Streitbeilegung zu verbessern, nicht als access to justice bzw. Zugang zum Recht bezeichnet wird, ist doch erkennbar, dass es eine Verbesserung des Zugangs zum Recht umschreibt und meint.175 Insbesondere die Anforderungen an die Qualität des Verfahrens, des Ergebnisses und der Schlichterqualifikation weisen auf den Begriffsbestandteil „Recht“ hin.176 3. Formulierung einer Definition Das Verständnis von Zugang zum Recht umfasst zwei Bereiche: Das „Ob“ der Streitbeilegung und das „Wie“ der Streitbeilegung. a) Das „Ob“ der Streitbeilegung Zunächst kommt es darauf an, ob das Streitbeilegungsverfahren tatsächlich genutzt wird. Dem Einzelnen darf nicht nur formal möglich sein, das Streitbeilegungsverfahren anzustrengen, sondern er muss seine Rechte auch praktisch durchsetzen können.177 Jedem Verbraucher muss ein Weg offen stehen, 173  s. Erwägungsgrund 4 ADR-RL: „access to simple, efficient, fast and low-cost ways of resolving domestic and cross-border disputes“; Erwägungsgrund 25–26 ADRRL: „access to ADR procedures“, „access to ADR“, „access to ADR entities“ oder auch leicht abweichend in Erwägungsgrund 27 ADR-RL: „easy recourse to ADR“. 174  s. dazu umfassend in diesem Kapitel unter B. II. der Darstellung. 175  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 35: „[…] which must surely be taken to mean access to justice“. 176  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 40: „[…] what the Directive understands by ‚quality‘ equates with the ‚justice‘ element in access to justice.“ 177  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 6; Gibson, Journal of Consumer Policy 1992, 407, 409; Storskrubb, ERPL 2016, 7, 15.



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 55

seinen Ansprüchen im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens effektiv Geltung zu verschaffen.178 Ein adäquater Zugang zum Recht meint demnach eine günstige, schnelle, gut erreichbare und wenig formale Streitbeilegung.179 Der Zugang zum Recht kann beispielsweise durch vereinfachte prozessuale Strukturen erreicht werden, die das Verfahren leichter verständlich und somit attraktiver machen und zu einer verstärkten Nutzung führen.180 Auch Fak­ toren wie die Dauer des Prozesses, Prozesskostenhilfe und die effektive Durchsetzung der erreichten Lösung bedingen den Zugang zum Recht.181 Es ist das prozessuale Ideal, dass jeder, unabhängig von seinen finanziellen, sozialen oder intellektuellen Fähigkeiten in der Lage sein sollte, seine Rechte durch den Gebrauch von zulässigen Mitteln durchzusetzen.182 Auch Streitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug sollten von diesem Verständnis des Zugangs zum Recht erfasst sein.183 Cappelletti und Garth haben die Entwicklung zu einem verbesserten access to justice in drei Phasen eingeteilt: In der ersten Phase ging es darum, dem finanziell benachteiligten Bevölkerungsanteil die Prozessfinanzierung zu erleichtern. In der zweiten Phase wurde der prozessuale Beistand ausgebaut. In der dritten Phase wird das System der Streitbeilegung selbst kritisch hinterfragt.184 Der prozessuale Gehalt kommt in den ersten beiden Phasen zum Tragen. b) Das „Wie“ der Streitbeilegung Neben der Gewährleistung des „Zugangs“ wird durch das Element „zum Recht“ die Qualität der Streitbeilegung ausgedrückt.185 Dies meint das „Wie“ der gebotenen Streitbeilegung. 178  Benöhr, Journal of Consumer Policy 2013, 87, 88; Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 6; Wrbka / Van Uytsel / Siems, in: Wrbka /  Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 1, 1. 179  Benöhr, Journal of Consumer Policy 2013, 87, 88; Wagner, CMLR 2014, 165, 165. 180  So in Bezug auf die Chancen der alternativen Streitbeilegung Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. Emerging Issues and Perspectives, v, vii, viii. 181  Gibson, Journal of Consumer Policy 1992, 407, 409. 182  Palmer, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 17, 29; Wrbka, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 23, 25, 27. 183  Europäische Kommission, Mitteilung IP / 10 / 1372 vom 25.10.2010, 1; Gibson, Journal of Consumer Policy 1992, 407, 409. 184  Cappelletti / Garth, 27 Buffalo Law Review 1978, 181, 185. 185  So in Bezug auf den Begriff „access to justice“ Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 40.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Eine hochwertige Streitbeilegung zeichnet sich durch ein faires Verfahren aus.186 Zu diesem tragen insbesondere die hohe fachliche Kompetenz, die Unparteilichkeit und die kommunikativen Fähigkeiten der den Streit beilegenden Personen sowie die Beteiligung der Parteien im Verfahren bei.187 Zum Zugang zum Recht gehört weiterhin auch die nachhaltige Zufriedenheit mit der Streitbeilegung.188 Das „Wie“ des Zugangs zum Recht ist bedingt durch das „Ob“, denn ein sozial gerechtes Verfahren besteht nur, wenn es gleichermaßen für jeden erreichbar – also zugänglich – ist.189 Dass der qualitative Gehalt des Zugangs zum Recht im Wortbestandteil Recht enthalten ist, wird durch den englischen Begriff access to justice noch deutlicher, denn justice kann mit Gerechtigkeit übersetzt werden. Die Qualität des Zugangs zum Recht, das „Wie“ der Streitbeilegung, erfordert neben einem qualitativen Verfahren auch ein qualitatives Ergebnis. Letzteres kann durch die Beachtung der materiellen Rechte erreicht werden.190 Um herauszufinden, mit welcher Form der Streitbeilegung die materiellen Rechte am stärksten durchgesetzt werden können, muss man sich soziologischer, politischer, psychologischer und ökonomischer Analysen bedienen und die Streitbeilegungssysteme anderer Kulturkreise heranziehen.191 Außerdem müssen vielseitige Streitbeilegungsmechanismen erforscht und ausgebaut werden, um das Gerichtssystem zu verbessern.192 Zugang zum Recht kann aber auch durch ein Ergebnis erreicht werden, welches das geschriebene Recht weniger stark beachtet. Dies geschieht typischerweise bei ADR-Verfahren. Den Anstoß, den Zugang zum Recht auch durch ADR-Verfahren als verwirklicht anzusehen, gaben Cappelletti und Garth: Zur kritischen Hinterfragung des Streitbeilegungssystems, dem Inhalt der dritten Phase der access to justice-Entwicklung, zähle auch der Ausbau der alternativen Streitbeilegung.193 Entscheidend sei, dass das Streitbeilegungsverfahren zu einem individuell und sozial gerechten Ergeb186  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 100; Letto-Vanamo, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 151, 155 f.; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 18. 187  Letto-Vanamo, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 151, 155 f. 188  Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 27. 189  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 6; Cappelletti / Garth, 27 Buffalo Law Review 1978, 181, 182; Wrbka / Van Uytsel / Siems, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 1, 1. 190  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 9. 191  Cappelletti / Garth, 27 Buffalo Law Review 1978, 181, 185. 192  Cappelletti / Garth, 27 Buffalo Law Review 1978, 181, 185. 193  Bush, in: Cappelletti, Access to Justice. Emerging Issues and Perspectives, 191, 197; Cappelletti / Garth, 27 Buffalo Law Review 1978, 181, 185.



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 57

nis führt.194 Die Beachtung der materiellen Rechte sei nur sekundär.195 Demnach kann Zugang zum Recht auch durch ein Werturteil erreicht werden, das Fairness, Gleichheit und moralische Korrektheit beachtet.196 Das Ergebnis muss sich lediglich auf faire und unparteiische Erwägungen stützen.197 Mithin kann jede Streitbeilegungsform den Idealzustand des Zugangs zum Recht grundsätzlich erreichen, solange sie effektiv, effizient, einfach, transparent und fair ist.198 So kann Zugang zum Recht sogar durch die Onlinestreitbeilegung realisiert werden.199 Es trägt auch zur Gerechtigkeit bei, wenn eine große Anzahl von Konflikten – wenn auch nur „gesetzesnah“ – anhand von Wertvorstellungen und Billigkeit gelöst wird.200 Denn wenn das Verfahren attraktiver ist, werden insgesamt mehr Konflikte gelöst. Von Wert für die Rechtsdurchsetzung ist dementsprechend auch, wie häufig sie erfolgt.201 Durch die Auflockerung von Formalitäten und die Konzentration auf Interessen erreicht die alternative Streitbeilegung häufig Konflikte, die andernfalls ungelöst blieben.202 Eine Lösung, die annähernd der Rechtslage entspricht, bietet einen besseren Zugang zum Recht, als wenn überhaupt nicht über die Streitigkeit verhandelt wird.203 194  Cappelletti / Garth, 195  Cappelletti / Garth,

in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 6. in: Cappelletti, Access to Justice. Emerging Issues and Per-

spectives, v, vii, vii. 196  Wrbka,  European Consumer Access to Justice Revisited, 6, unterscheidet begrifflich zwischen „non-valuing justice“ und „value-oriented justice“. 197  Wrbka / Van Uytsel / Siems, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 1 ff. 198  Benöhr, Journal of Consumer Policy 2013, 87, 88; Brand, Party Autonomy and Access to Justice in the UNCITRAL Online Dispute Resolution Project, 3; ähnlich Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 27. 199  Brand, Party Autonomy and Access to Justice in the UNCITRAL Online Dispute Resolution Project, 3; Hörnle, Cross-border Internet Dispute Resolution, 89 f.; a A Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 289 Fn. 94, die dies als Neubesetzung des traditionellen Verständnisses von „justice“ sehen. 200  Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 395. 201  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 9. 202  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. Emerging Issues and Perspectives., v; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C Rn. 2; Lemmel, ZKM 2015, 22, 25 f. 203  Brand, Party Autonomy and Access to Justice in the UNCITRAL Online Dispute Resolution Project, 25: „[…] access to courts is of little practical value – and thus is not access to justice“; Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 57 f.; im Ansatz auch zu erkennen bei Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 395.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

Obwohl nicht immer deutlich zum Ausdruck gebracht, wird heute meistens vertreten, dass der Zugang zum Recht auch durch alternative Streitbeilegungsverfahren erreicht werden kann.204 Viele Facetten, wovon die Rechtsbindung eine ist, prägen die Qualität der Streitbeilegung. Außergerichtliche und gerichtliche Verfahren gewichten jeweils andere Faktoren des Zugangs zum Rechts stärker. Somit bewirken sie nicht nur alleine den Zugang zum Recht, sondern auch das Zusammenspiel von außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren.205 Eine optimale und effektive Durchsetzung der Rechte kann durch ein Streitbeilegungsverfahren kaum erreicht werden.206 Stets verbleiben Barrieren. So ist ein einfacher Zugang zum Verfahren gegeben, wenn das Verfahren möglichst schnell und kostengünstig abläuft. Dies zu gewähren geht aber stets mit Einbußen bei der Gründlichkeit der Verfahrensführung einher. Gerade bei niedrigen Streitwerten fällt eine effektive Rechtsdurchsetzung nicht leicht.207 Barrieren für den Zugang zum Recht sind meistens ökonomischer, geographischer oder psychologischer Natur.208 c) Abgrenzung zum Justizgewährungsanspruch Zugang zum Recht wird auch durch außergerichtliche Verfahren gewährleistet. Deswegen ist der Zugang zum Recht vom Justizgewährungsanspruch zu unterscheiden. Das Grundgesetz garantiert den Justizgewährungsanspruch in Art. 19 Abs. 4 als Rechtsschutz gegen Verletzungen subjektiver Rechte durch Akte öffentlicher Gewalt. Für Streitigkeiten aus dem Privatrecht leitet er sich aus 204  Deutlich zuletzt BT-Drs. 17 / 11472, 1; Hess, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 46; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 4; Benöhr, Journal of Consumer Policy 2013, 87, 103; Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 38; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 5; Gläßer, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 85, 95; Wagner, CMLR 2014, 165, 165; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, Preface xiii. 205  Ähnlich Storskrubb, ERPL 2016, 7, 9. 206  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 10, sieht diesen Zustand bei kompletter Waffengleichheit der Parteien, sodass es nur noch auf die juristische Erörterung des Konflikts ankommt. 207  Benöhr, Journal of Consumer Policy 2013, 87, 88; Cappelletti, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, vii, ix. 208  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 14; Johnson, in: Cappelletti, Access to Justice. Emerging Issues and Perspectives, 1, 8 ff.; ähnlich Koch, Verbraucherprozeßrecht, 60 ff.; Miletzki, Formen der Konfliktregelung im Verbraucherrecht, 10 ff., unterscheidet zwischen sozialen Barrieren, die in den Parteien selbst gründen und Barrieren der Institutionen der Rechtspflege.



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 59

dem Rechtsstaatsprinzip ab und ist in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG geltend zu machen. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG ergänzen den Zugang zur Justiz. Die EU-Grundrechtecharta determiniert den Justizgewährungsanspruch in Art. 47 und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrem Art. 6 EMRK. Ähnlich dem Zugang zum Recht beinhaltet der Justizgewährungsanspruch die Bereitstellung eines Gerichtssystems, welches gewissen Qualitätsanforderungen genügt, von jedermann gleichermaßen erreicht werden kann, unabhängig ist, ein effektives Verfahren bietet und in einer verbindlichen Entscheidung durch einen Richter endet.209 Dabei muss das Verfahren jedoch in einem Urteil münden können, das der Richter aufgrund der Anwendung des Rechts fällt.210 Im Unterscheid dazu sind private Streitbeilegungsstellen keine staatliche Gerichte und fällen deswegen auch kein unmittelbar vollstreckbares Urteil. Die außergerichtliche Streitbeilegung kann somit nicht unter den Begriff Zugang zur Justiz subsumiert werden.211 Der Zugang zur ADR und der Zugang zur Justiz sind hingegen beides Formen des Zugangs zum Recht. 4. Strengere Anforderungen beim Zugang zum Recht für Verbraucher Personen, die mit dem Gerichtssystem nicht vertraut sind und denen ihre Rechte und Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten nicht bewusst sind, haben einen schlechteren Zugang zum Recht.212 Diese sogenannten „one shotters“ sind benachteiligt gegenüber „repeat players“, die sich gut mit dem Rechtssystem auskennen.213 Bei den „one shotters“ handelt es sich häufig um Verbraucher. Sie weisen eine besondere Unerfahrenheit auf, sodass sie ihre Interessen im Verfahren weniger gut durchsetzen können als Unternehmer. Trotz des gewandelten Verbraucherleitbildes, das den Verbraucher als weniger 209  S. nur BVerfG, Beschl. v. 12.2.1992  – 1 BvL 1 / 89, BVerfGE 85, 337, 345; Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19, Rn. 352 ff.; Creifelds, Rechtswörterbuch, 735, Stichwort „Justizgewährungsanspruch“; Schmehl, Parallelverfahren und Justizgewährung, 223 ff. 210  BVerfG, Beschl. v. 30.1.1985  – 1 BvR 99 / 84, BVerfGE 69, 126, 140; Rauscher, in: MünchKomm ZPO, Einleitung Rn. 19. 211  Schmehl, Parallelverfahren und Justizgewährung, 220. 212  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 30 ff.; Koch, Verbraucherprozeßrecht, 20 ff.; Wrbka / Van Uytsel / Siems, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 1, 4; ähnlich Benöhr, Journal of Consumer Policy 2013, 87, 88, die Bedeutung von access to justice für Verbraucher betonend. 213  Galanter, 9 Law and Society Review 1974, 95, 97; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 124 ff.

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Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

schutzwürdig ansieht, besteht diese prozessuale Schwäche weiter fort.214 Neben mangelnder Erfahrung in der Prozessführung und im Verständnis juristischer Sachverhalte liegt der Grund häufig in den geringeren finanziellen Ressourcen.215 Im Rahmen von Verbraucherkonflikten ist ein guter Zugang zum Recht deswegen von besonderer Bedeutung.216 Die strukturelle Schwäche des Verbrauchers ist zu berücksichtigen.217 Zugang zum Recht besteht nur, wenn der Verbraucher auf einem leicht zugänglichen und fairen Wege seine Forderungen durchsetzen kann. Da der Verbraucher dafür potentiell mehr Hilfe benötigt, müssen niedrigere Anforderungen an den Zugang und höhere Anforderungen an das Verfahren und das Ergebnis gestellt werden.218 Unter dem Schlagwort „Access to Justice 2.0“ wird diskutiert, wie die Kombination von prozessualen und materiellen Aspekten einen bestmöglichen Verbraucherschutz erreichen kann.219 Mechanismen, die besonders schnell, unkompliziert und einfach sind, sollen zur Rechtsdurchsetzung beitragen.220 Das Ziel ist es, eine gleiche Verhandlungsmacht zwischen den Parteien herzustellen.221 Das Streitbeilegungsverfahren muss auf den Verbraucher „zugeschnitten“ sein, indem seine strukturelle Verhandlungsschwäche ausgeglichen wird.222 Für den Zugang zum Recht der Verbraucher ist besonders wichtig, dass die Konfliktlösung die materielle Rechtslage widerspiegelt, weil der Verbraucher durch das materielle Recht einen besonderen Schutz erfährt.223 Insbesondere tragen die Haustürwiderrufsrichtlinie224, die Verbrauchsgüterkauf214  S.

dazu Kap. 1 D. der Darstellung. ERPL 2016, 33, 38; Storskrubb, ERPL 2016, 7, 19. 216  Wrbka, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 23, 26 ff. 217  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 36. 218  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 36: „(consumer-oriented) notion of access to justice“; Wrbka, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 23, 27 f. 219  Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 29. 220  Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 29. 221  Hess, ZZP 2005, 427, 442; Katzenmeier, ZZP 2002, 51, 83. 222  Hess, ZZP 2005, 427, 442; so zumindest für den Zivilprozess Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 53. 223  So auch Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergericht­ liche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198 endg., 30.3.1998, 23; ähnlich Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 263; Engel, Collaborative Law, 31; Hess, ZZP 2005, 427, 442; Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 29. 224  Richtlinie 85 / 577 / EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372, 31.12.1985. 215  Fejös / Willett,



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 61

richtlinie225 und zuletzt die Verbraucherrechterichtlinie226 zu ihrem Schutz bei, indem sie auf das Privatrecht indirekt einwirkten. Es würde dem Schutz der Gruppe der Verbraucher zuwiderlaufen, wenn die vielen Verbraucherschutznormen durch die Konfliktlösung keine Geltung erlangen würden. Das objektive Recht sieht im Zweifel mehr Schutz vor, als individuell zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer vereinbart würde. Denn bei einer privatautonomen Vereinbarung setzt die stärkere Partei ihre Interessen besser durch. Die Rechtsbeachtung als ein Bestandteil des Zugangs zum Recht muss bei Verbraucherkonflikten deswegen stärker gewichtet werden. Dies darf aber nicht zu einer langen Dauer und Ineffizienz des Verfahrens führen. Wenn das Verfahren aus diesen Gründen in der Praxis nicht genutzt wird, ist die Beachtung des materiellen Rechts wertlos. Neben der Rechtsbeachtung umfasst der Zugang zum Recht nämlich noch andere Werte.

II. Zweiteilung des Begriffs in die Bestandteile „Zugang“ und „Recht“ und Zwischenergebnis Die Begriffe Zugang zum Recht und Justizgewährungsanspruch werden uneinheitlich verwendet. Die unklaren Bezeichnungen sind sicherlich dem Umstand geschuldet, dass die Begriffe alte Prinzipien veranschaulichen und eine Entwicklung stattgefunden hat, die neue Facetten des Begriffs hervorgebracht hat. Access to justice / Zugang zum Recht ist als Oberbegriff anzusehen und umfasst sowohl gerichtliche als auch außergerichtliche Verfahren.227 Zugang zur Justiz und der Justizgewährungsanspruch beziehen sich hingegen nur auf die staatlichen Gerichte und Zugang zur ADR meint den Zugang zur alternativen Streitbeilegung auch außerhalb der Gerichte. Zugang zum Recht beinhaltet das „Ob“ und das „Wie“ einer Streitbeilegung: Es kommt darauf an, wie leicht eine solche Streitbeilegung zu erreichen ist und welche Barrieren sich den Parteien in den Weg stellen (Zugang). Der Zugang muss effektiv und tatsächlich praktisch nutzbar sein. Sodann 225  Richtlinie 1999 / 44 / EG des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. 171 / 12, 7.7.1999. 226  Richtlinie 2011 / 83 / EU des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93 / 13 / EWG des Rates und der Richtlinie 1999 / 44 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85 / 577 / EWG des Rates und der Richtlinie 97 / 7 / EG des  Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 / 64, 22.11.2011. 227  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 4.

62

Kap. 2: Vergleichsobjekte und Vergleichsmaßstab

kommt es auch auf die Qualität der Streitbeilegungsverfahren an, die sich in der Qualität des Ergebnisses ausdrückt (zum Recht). Ob ein guter Zugang zum Recht besteht, muss daran beurteilt werden, ob Personen ihre Rechte tatsächlich im Verfahren geltend machen. Dies und auch das Verfahren selbst wird durch verschiedene Aspekte beeinflusst. Diese Bestandteile werden im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren unterschiedlich stark gewichtet. Obwohl dem Kriterium der Rechtsbeachtung bei Verbraucherkonflikten eine starke Gewichtung zukommt, ist es nur eines von vielen Bestandteilen, die den Zugang zum Recht ausmachen. Deswegen führt der gewählte Vergleichsmaßstab nicht dazu, dass lediglich analysiert wird, inwieweit die Ergebnisse der Verfahren das materielle Recht beachten. Dies würde die Diskussion zu einseitig auf die Rechtsbindung der Streitbeilegungsorgane lenken und verkennen, dass zum Zugang zum Recht mehr zählt. Außerdem wird auch nicht nur der gute Zugang in den Fokus gestellt, der bewirkt, dass Verbraucher ihre Rechte im größeren Maße durchsetzen.228 Vielmehr beleuchtet die Arbeit, welche verfahrensrechtlichen Einbußen folgen können, wenn der Zugang zwar verbessert wird, dafür allerdings klare prozessuale Regeln fehlen.229 Der Maßstab Zugang zum Recht ermöglicht es, den Zugang und die Qualität der Verfahren zusammenhängend zu bewerten. Durch diesen breiten Maßstab wird gewährleistet, sowohl prozessuale als auch materielle Aspekte zu untersuchen und die Systeme dadurch insgesamt besser zu verstehen.230 Bei der Analyse wird der Begriff Zugang zum Recht in die Ausdrucksbestandteile „Zugang“ und „Recht“ unterteilt. Auch einige Autoren gliederten den Terminus auf diese Weise auf.231 Die Trennung von access und justice wurde auch speziell dafür vorgenommen, den Zugang zum Recht für den Verbraucher zu analysieren.232 Die Zweiteilung zeigt die Schwächen und Stärken der Streitbeilegungssysteme dezidierter auf und dient deswegen als Grundlage für eine kritische Erörterung des Verhältnisses von Verbraucherschlichtung und Verbrauchergerichtsverfahren. Diese Erörterung kann die geschieht häufig laut Reich, ERCL 2014, 258, 260. den verfahrensrechtlichen Einbußen auch Drexel, Der Zugang zum Recht, 198 f.; Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 39 Fn. 39. 230  Wrbka, European Consumer Access to Justice Revisited, 29 f., 4. 231  Cappelletti / Garth, in: Cappelletti, Access to Justice. A World Survey, 1, 6; Cappelletti / Garth, 27 Buffalo Law Review 1978, 181, 182; Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 40; Wrbka,  European Consumer Access to Justice Revisited, 3 ff., 27 ff.; Wrbka / Van Uytsel / Siems, in: Wrbka / Van Uytsel / Siems, Collective Actions, 1, 1; ähnlich Drexel, Der Zugang zum Recht, 3, der zwischen dem Zugang zum Gericht und der Ausgestaltung des Verfahrens am Maßstab von Art. 6 EMRK und Art. 47 Europäische Grundrechte-Charta differenziert. 232  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 36. 228  Dies 229  Zu



B. Vergleichsmaßstab: Zugang zum Recht 63

zukünftige Rolle der Verbraucherschlichtung aufzeigen. Außerdem dient die Zweiteilung der Übersichtlichkeit und ist auch in der ADR-RL wiederzu­ finden.233 Sie weist allerdings insofern eine Schwäche auf, als sich die zu vergleichenden Aspekte nicht immer sauber der Kategorie „Zugang“ oder „Recht“ zuordnen lassen. Die Schlüsselelemente der Richtlinie sind der Zugang und die Qualität: „Zugang“ wird 26 Mal erwähnt und „zugänglich“ 14 Mal, „Qualität“ oder „qualitativ“ zusammen zwölf Mal. Die Ausdrücke sind in der gesamten Richtlinie verstreut und untermalen, dass der Zugang zum Recht verbessert werden soll.234 Dazu gibt die Richtlinie in Art. 1 i. V. m. Erwägungsgrund 5 jedoch ausdrücklich vor, dass der Zugang zu qualitativen und fairen Stellen der außergerichtlichen Streitbeilegung verbessert werden soll.235 Sie präzisiert demzufolge, dass nicht allgemein Zugang zum Recht, sondern speziell Zugang zur ADR geschaffen werden muss. Wäre nur gefordert, dass der Zugang zum Recht für Verbraucher verbessert wird, hätten die Mitgliedstaaten dies auch durch ein gutes gerichtliches Streitbeilegungssystem erreichen können. Dies ist insofern misslich, als dass die Mitgliedstaaten dadurch gedrängt werden, die Parallelstrukturen auszubauen.236 Die Arbeit geht mithin nicht der Frage nach, ob die Ziele der Richtlinie erreicht werden, sondern untersucht im größeren Zusammenhang, ob durch sie und ihre Umsetzung der Zugang zum Recht verbessert wurde. Dadurch wird zwischen der Qualität der Verbraucherschlichtung und der Qualität der Justiz ein Bezug hergestellt, sodass für Verbraucher ein umfassendes Bild ihrer Streitbeilegungsmöglichkeiten entsteht. Die Bestandteile des Zugangs zum Recht werden dabei in Bezug auf Verbraucherkonflikte besonders gewichtet.

auch Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 40. an Fejös / Willett, ERPL 2016, 33 ff., der die Wörter „access“ und „quality“ in der ADR-Richtlinie zählt und mit „access to justice“ gleichsetzt; in der englischen Fassung der Richtlinie tauchen die Begriffe „access“ und „accessible“ insgesamt 35 Mal auf. 235  Dazu Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 43. 236  Kritisch Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 43. 233  Dazu

234  Angelehnt

Kapitel 3

Vergleich des Zugangs zum Recht durch Verbraucherschlichtung und durch Gerichtsverfahren Beim Zugang zum Recht handelt es sich um ein Optimum, das für die streitigen Parteien erreicht werden soll und das speziell der schwächeren Partei des Verbrauchers Schutz bietet. Für den Verbraucher besteht Zugang zum Recht, wenn er ein qualitätsvolles Verfahren tatsächlich erreichen kann. Die Bestandteile des Zugangs zum Recht werden gegliedert in „Zugang“ (A.) und „zum Recht“ (B.). Bei der Analyse des Gerichtsverfahrens wird deutsches Verfahrensrecht zu Grunde gelegt, denn das internationale Zivilprozessrecht geht bei internationalen Sachverhalten von der Grundregel aus, dass das Verfahren nach eigenem Recht (lex fori) abgewickelt wird.1

A. „Zugang“ Ein Zugang besteht, wenn das Verfahren erreichbar ist, ohne dass unüberwindbare Hürden entgegenstehen. In der Phase der Vorbereitung des Verfahrens (I.) kommt es darauf an, wie bekannt die Streitbeilegungsstelle ist und ob sie für eine mündliche Verhandlung auch in räumlicher Hinsicht erreichbar ist. Nur wenn das Verfahren keinen zu hohen Aufwand darstellt, wendet sich der Verbraucher diesem zu und nutzt es tatsächlich. In der Phase der Einleitung des Verfahrens (II.) bedingen eine einfache Antragstellung und ein weiter Anwendungsbereich der Streitbeilegungsstelle einen guten Zugang. Auch ist relevant, ob die Teilnahme am Verfahren freiwillig ist.

1  S.

nur Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 319.



A. „Zugang“ 65

I. Vorbereitungsphase 1. Information und Bekanntheit Eine Streitbeilegungsstelle ist nur dann als zugänglich zu bezeichnen, wenn sie dem Verbraucher bekannt ist und es ihm möglich ist, alle relevanten Informationen über die Nutzung des Systems auf einfache Weise zu erlangen. Inwiefern dies dem Verbraucher bei der Verbraucherschlichtung (a)) und bei den Gerichten (b)) möglich ist, wird im Folgenden untersucht. a) Maßnahmen zur Bekanntmachung der Verbraucherschlichtung Ein wesentliches Hindernis des Zugangs zur alternativen Streitbeilegung für Verbraucher war vor Erlass der ADR-RL die mangelnde Kenntnis von Streitbeilegungsstellen.2 Als spezielles ADR-Verfahren weist seit einigen Jahren allein die Mediation einen hohen Bekanntheitsgrad auf.3 Die VerbraucherADR wurde hingegen als eine „verborgene Welt“4 bezeichnet. Der Grund dafür war die regionale und sektorale Fragmentierung und die uneinheitliche Bezeichnung der Stellen.5 Damit einher geht die Tatsache, dass die alternative Streitbeilegung in Deutschland im internationalen Vergleich noch nicht sehr stark entwickelt ist.6 Da bereits der Ausgang des Konflikts unsicher ist, neigen die meisten Menschen dazu, wenigstens ein Verfahren anzustrengen, das ihnen bekannt ist.7 Hinzu kommt die generelle Wertschätzung der deutschen Justiz, die sich selbst bei Streitigkeiten mit einem geringen Streitwert in einer regen Nutzung der amtsgerichtlichen Verfahren äußert.8 Aufgrund dieser Zufriedenheit mit dem Gerichtsverfahren werden keine Alternativen in Betracht 2  Erwägungsgrund 5 ADR-RL; Berlin, ZKM 2013, 108, 109; Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 152; Eidenmüller, JZ 2015, 539, 541; Rühl, RIW 2013, 737, 740; in Bezug auf den Ombudsmann der privaten Banken auch Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland, 70. 3  Etwa 70 Prozent haben von der Mediation gehört, aber lediglich vier Prozent waren an einem Mediationsverfahren beteiligt, s. ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 17 f., abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechts schutz.de / unternehmen / presse_2 / publikationen / publikationen.html. 4  Berlin, ZKM 2015, 26, 30, in Anlehnung an den Titel einer Konferenz in Oxford am 28.10.2011: „The Hidden World of Consumer ADR: Redress and Behaviour“. 5  Isermann, VuR 2012, 47, 48. 6  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 36. 7  Eidenmüller, JZ 2015, 539, 541. 8  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 7, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen / presse_2 / publikationen / pu

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

gezogen. Außerdem suchen viele Verbraucher bei Entstehung eines Konflikts zunächst einen Rechtsanwalt auf, der häufiger zu einem Gerichtsverfahren als zu einem alternativen Verfahren rät.9 Diese Zugangsbarrieren hat auch der Gesetzgeber zur Kenntnis genommen: So wird in Erwägungsgrund 5 der ADR-RL bedauert, dass Verbraucher und Unternehmer noch keine Kenntnisse über die bereits bestehenden alternativen Streitbeilegungsverfahren haben und nur ein geringer Anteil der Bürger mit einer Beschwerdeeinreichung vertraut ist. Dem entgegentretend führen das VSBG und die ODR-VO vielseitige Maßnahmen ein, die zu einer besseren Bekanntheit der Stellen führen sollen. aa) Webseiten der Verbraucherschlichtungsstellen Erstens müssen die Verbraucherschlichtungsstellen gemäß § 10 Abs. 1 VSBG auf ihren Webseiten Information über den Verfahrensablauf bereitstellen, sowie über den Streitmittler, über die Kosten und den Ablauf des Verfahrens, über die Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle, ferner über ihre Erreichbarkeit und Zuständigkeit. Zudem muss die Verbraucherschlichtungsstelle einen Abdruck der Schlichtungsordnung bereithalten. Diese umfassende Information wird nach § 10 Abs. 2 VSBG auch in Textform übermittelt. Dadurch werden auch die Verbraucher erreicht, die nicht mit dem Internet vertraut sind. Die Informationspflicht verbessert die Kenntnis über die Existenz der Verbraucherschlichtung allerdings nur geringfügig. Vielmehr dient sie nur denjenigen Verbrauchern, die bereits die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle kennen und weitergehende Informationen wünschen, um sich für oder gegen die Schlichtung zu entscheiden. Für diese wird die Verbraucherschlichtung verständlicher, sodass Vertrauen auf- und Hemmungen abgebaut werden können. Dies in der Phase vor Einreichung der Beschwerde von entscheidender Bedeutung. Insgesamt verbessert diese Information den Zugang der Verbraucher zur Verbraucherschlichtung leicht.10 bb) Bundesamt für Justiz als zentrale Anlaufstelle Neben den Webseiten der einzelnen Verbraucherschlichtungsstellen stellt zweitens die Webseite des Bundesamts für Justiz die zentrale Informationsblikationen.html; Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 227; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 35. 9  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 35 f. 10  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 296.



A. „Zugang“ 67

quelle dar. § 33 VSBG gibt vor, dass dort eine Liste aller inländischen anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen bereitgehalten werden muss sowie ein Verweis auf die Webseite der Europäischen Kommission, auf der die ­europaweit anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen aufgelistet sind und eine Weiterleitung zur ODR-Plattform besteht. Daneben wird die Liste gemäß § 33 Abs. 1 S. 3 VSBG auch jährlich im Bundesanzeiger bekanntgegeben und gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 VSBG auf Anfrage in Textform zur Verfügung gestellt. Da die Liste stets aktuell zu halten ist, stellt sie für Verbraucher eine zuverlässige Informationsquelle dar.11 Ebenso wie die Information auf den Webseiten der Verbraucherschlichtungsstelle dient die Webseite des Bundesamts denjenigen, die bereits erwägen, ein Verbraucherschlichtungsverfahren durchzuführen und sich freiwillig näher informieren wollen. Dazu ist zu jeder Verbraucherschlichtungsstelle ein Steckbrief vorhanden, anhand dessen auch die möglichen Ablehnungsgründe der Verbraucherschlichtungsstellen erfasst werden können. Die zuständige Stelle kann nicht verbindlich ermittelt werden. Erst muss sich mit dem Vertragspartner geeinigt und sodann die Verbraucherschlichtungsstelle angerufen werden, welche die Beschwerde wiederum begründet ablehnen kann. Die Liste der Verbraucherschlichtungsstellen ist nur in deutscher Sprache erhältlich, was für in Deutschland wohnhafte Verbraucher von Nachteil ist, die dieser nicht mächtig sind. cc) ODR-Plattform Drittens hilft die ODR-Plattform den Verbrauchern die passende Stelle aufzufinden, wenn der Grund für den Konflikt ein online geschlossener Vertrag ist. Die ODR-Plattform hat „Lotsenfunktion“12 bei der Vorbereitung des ADR-Verfahrens, da sie bei der Ermittlung der richtigen Stelle und der Beschwerdeeinreichung hilft. Auf der ODR-Plattform befindet sich eine Liste aller Verbraucherschlichtungsstellen inklusive Beschreibung des jeweiligen Anwendungsbereichs. Anhand dieser können sich Verbraucher vorab informieren oder sogleich ihre Beschwerde über die ODR-Plattform einreichen und sich mit ihrer Hilfe an die zuständige Stelle wenden. Dazu werden die 11  Das Bundesamt erlangt gem. § 32 Abs. 2 VSBG von der zuständigen Behörde die für die Liste erforderliche Information zur Anerkennung und zum Widerruf der privaten Verbraucherschlichtungsstellen und von der Aufsichtsbehörde gem. § 32 Abs. 3 VSBG Auskunft über Anerkennung und Widerruf der behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen; ebenso erlangt das Bundesamt gem. § 32 Abs. 4 VSBG Informationen über die Beleihung oder Beauftragung einer anerkannten Verbraucherschlichtungsstelle mit der Aufgabe der Universalschlichtung. 12  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 56.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

nötigen Informationen über den Antragsteller in einem Online-Formular abgefragt. Die Bekanntheit der noch neuen ODR-Plattform muss sich erst entwickeln. Der Rahmen dafür ist gesetzt: Die in der EU niedergelassenen Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen und die Online-Marktplätze13 stellen gemäß Art. 14 ODR-VO einen Link zur ODR-Plattform auf ihrer Webseite bereit.14 Unter Konsultation dieser Webseite wurde in den meisten Fällen auch der Online-Vertrag geschlossen, sodass mit einer Kenntnisnahme eher gerechnet werden kann als bei nicht ­online geschlossenen Verträgen. Informationen über die ODR-Plattform zu erlangen ist einfach, weil bereits ihre Startseite jede Sprache der EU zur Auswahl stellt. Dadurch bestehen keine Sprachbarrieren. dd) Mitteilungspflichten der Unternehmer Viertens müssen Unternehmer die Verbraucher hinreichend und offensichtlich über die Verbraucherschlichtung und ihr Angebot zur Teilnahme informieren, §§ 36, 37 VSBG. Zu unterscheiden ist zwischen der allgemeinen Informationspflicht und der Informationspflicht nach Entstehen der Streitigkeit. Die allgemeine Informationspflicht vor Entstehen der Streitigkeit betrifft laut § 36 Abs. 1 VSBG nur Unternehmer, die eine Webseite unterhalten oder AGB benutzen.15 § 36 Abs. 3 VSBG nimmt aber Kleinunternehmer mit höchstens zehn Beschäftigten vom Anwendungsbereich aus.16 Die Informa13  Gem. Art. 4 Abs. 1 lit. f ODR-VO ist ein „Online-Marktplatz“ ein Diensteanbieter im Sinne des Art. 2b der Richtlinie 2000 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbes. des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. L 178, 1–16, der es Verbrauchern und Unternehmern ermöglicht, auf der Website des Online-Marktplatzes Online-Kaufverträge und Online-Dienstleistungsverträge abzuschließen. 14  Art. 14 ODR-VO ist ebenso wie die französische und englische Fassung der Verordnung eindeutig, während Erwägungsgrund 30 ODR-VO lediglich eine SollVorschrift enthält; die Verpflichtung gilt nur für den Online-Marktplatzbetreiber und nicht zusätzlich für die Online-Betreiber, die Angebote auf dem Online-Marktplatz einstellen, s. OLG Dresden, Urt. v. 17.1.2017 – 14 U 1462 / 16, VuR 2017, 120. Dies schadet allerdings nicht der Bekanntheit der ODR-Plattform. 15  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 2. 16  Relevanter Stichtag ist der 31.12. des Vorjahres; die Kleinunternehmer müssen jedoch gem. Art. 14 ODR-VO auf ihrer Webseite einen Link zur ODR-Plattform zur Verfügung stellen, wenn sie auch einen Online-Vertragsschluss anbieten; kritisch zum Ausschluss der Kleinunternehmer Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 8 Grenzüberschreitende Streitigkeiten, Rn. 15.



A. „Zugang“ 69

tion erscheint gemäß § 36 Abs. 1 VSBG auf der Webseite des Unternehmers oder, wenn keine Webseite vorhanden ist, in dessen AGB. § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG verpflichtet den Unternehmer dazu, anzugeben, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Ist er zur Teilnahme verpflichtet, muss er gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle mitsamt ihrer Anschrift und Webseite hinweisen. Grundsätzlich ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 2 VSBG nicht verpflichtet, an einem ADRVerfahren teilzunehmen. Eine Verpflichtung besteht nur in einzelnen Branchen wie beispielsweise die Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen gemäß § 13 Abs. 2 Luftverkehrsschlichtungsverordnung bei Streitigkeiten über die Rechte von Fluggästen.17 Die Verpflichtung kann auch aufgrund von Mitgliedschaften in Vereinen herrühren, die Träger von Schlichtungsstellen sind. Diese können in der Satzung vorschreiben, dass die Mitglieder zur Schlichtung bereit sein müssen.18 Ebenso kann der Unternehmer mit dem Verbraucher oder der Verbraucherschlichtungsstelle vertraglich vereinbart haben, dass eine Schlichtung durchgeführt wird.19 Der Unternehmer muss auch in dem Fall berichten, dass er überhaupt nicht zur Teilnahme bereit ist.20 Dies ist wichtig für die Erreichbarkeit der Verbraucherschlichtung, weil dadurch stets eine Information gegeben wird.21 Ansonsten müsste der Verbraucher unter Umständen in den AGB oder auf der Webseite des Unternehmers suchen und könnte sich nicht sicher sein, ob er etwas übersehen hat oder der Unternehmer wirklich nicht zur Schlichtung bereit ist. Erklärt sich ein Unternehmer nicht allgemein zur Schlichtung bereit, sondern will sich in jedem Fall einzeln festlegen, muss der Verbraucher weiter nachfragen. Die Informationspflicht ist aber auch in diesem Fall hilfreich, weil der Verbraucher auf die Möglichkeit der Verbraucherschlichtung aufmerksam wird, was zu einer größeren Bekanntheit dieses Verfahrens führt.22

17  S. umfassend Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 185. 18  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 7 Informationspflichten der Unternehmer, Rn. 11; Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 7. 19  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 182; Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 37 Rn. 5. 20  Kritisch dazu Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 9, der bezweifelt, dass Verbraucherinteressen dieses „an den Pranger stellen“ rechtfertigen können. 21  AA Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 9. 22  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 7 Informationspflichten der Unternehmer, Rn. 12; a A Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 10.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Da jedoch Kleingedrucktes auf Webseiten und in AGB von Verbrauchern nicht immer gründlich gelesen wird,23 ist die allgemeine Informationspflicht nur von geringem Nutzen. Vielsprechender ist die Informationspflicht, nachdem die Streitigkeit entstanden ist. Diese besteht nach § 37 VSBG und gilt für jeden Unternehmer unabhängig von der Größe des Betriebes und der Nutzung von Webseite oder AGB. § 37 Abs. 1 S. 1, 3 VSBG verpflichtet den Unternehmer, dem Verbraucher die bei dessen Schlichtungsbereitschaft zuständige Verbraucherschlichtungsstelle mitzuteilen, wenn die Parteien nicht in der Lage waren, sich einvernehmlich zu einigen. Sind mehrere Verbraucherschlichtungsstellen zuständig, sind alle zu nennen. Daraus ergibt sich eine doppelte Absicherung: Zusätzlich zur anfänglichen Informationserlangung wird der Verbraucher erneut auf die Beteiligung des Unternehmers und die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle aufmerksam gemacht. Dieser Hinweis ist effektiver als eine Erwähnung in AGB oder auf der Webseite des Unternehmers, weil der Verbraucher nicht selbst aktiv werden muss, um informiert zu werden. Die Information in AGB oder auf der Webseite hat hingegen den Vorteil, dass der Verbraucher sie bei Bedarf nachlesen kann. So wird der Verbraucher auch schon vor Mitteilung eines Problems an den Unternehmer darüber unterrichtet, dass eine Streitbeilegung durch Verbraucherschlichtung möglich ist. Auch kann sich der Verbraucher, bevor überhaupt der erste geschäftliche Kontakt mit dem Unternehmer hergestellt wird, vorab im Internet über die Schlichtungsbereitschaft informieren. Dies kann sich nicht in unerheblichem Maße auf die Kontrahierungsbereitschaft auswirken.24 Ein Nachteil besteht nur dann, wenn der gegenteilige Effekt eintritt und mehrere zuständige Verbraucherschlichtungsstellen angegeben werden, sodass der Verbraucher nicht weiß, an welche er sich wenden soll.25 Kleinunternehmer sind von der allgemeinen Informationspflicht vor Entstehen der Streitigkeit nach § 36 VSBG ausgenommen. Das führt dazu, dass vor Vertragsschluss noch keine Kenntnis über die Verbraucherschlichtung besteht. Der Verbraucher muss beim Unternehmer in Erfahrung bringen, ob dieser bereit ist, an einer Verbraucherschlichtung teilzunehmen. In vielen Fällen besteht zu Kleinunternehmern aber ohnehin ein persönlicherer Kontakt als zu großen Unternehmern, sodass davon auszugehen ist, dass dieser Umstand den Verbraucher nicht beeinträchtigt. Es wäre praxisfern, auch Kleinunternehmer zu verpflichten, da solche Unternehmer häufig keine Webseite und auch keine AGB haben. Zudem wird so vermieden, dass die Infor23  Théocharidi,

ERPL 2016, 103, 107. GPR 2012, 232, 233. 25  Schobel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 219, 227. 24  Becklein,



A. „Zugang“ 71

mation unbeabsichtigt unterbleibt.26 Bei größeren Betrieben kann von einer guten Organisationsstruktur und der Kenntnis der Informationspflichten ausgegangen werden. Obwohl zu befürworten ist, dass Kleinunternehmer keine Informationspflicht trifft, steht eine geringere Nutzung der Verbraucherschlichtung zu befürchten. Die Informationspflichten treffen aufgrund der Vorgabe des Art. 13 ADRRL auch die in anderen Mitgliedstaaten der EU niedergelassenen Unternehmer. Somit wird auch der international kontrahierende Verbraucher geschützt. Allerdings ist nicht vorgegeben, in welcher Sprache der Hinweis des Unternehmers erfolgen muss.27 Es bleibt somit zu hoffen, dass die international tätigen Unternehmer diesen Hinweis zumindest – wie vermutlich auch den übrigen Teil ihrer Internetseite – in englischer Sprache zugänglich machen. Jedenfalls wird es für den mit dem Unternehmer kontrahierenden Verbraucher in der Regel verständlich sein, da er zuvor einen Vertrag mit dem Unternehmer abgeschlossen hat. Zumindest wird dieses Manko wieder teilweise dadurch ausgeglichen, dass das Bundesamt für Justiz für grenzüberschreitende Konflikte als besondere Kontaktstelle dient, welche die Verbraucher dabei unterstützt, die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle für ihre grenzüberschreitende Streitigkeit zu finden. Vollständig ausgeräumt ist das Informationsdefizit aber nicht, weil der Verbraucher aktiv auf das Bundesamt zugehen muss. Bleibt er passiv, wird er nicht direkt durch den Unternehmer in seiner Sprache informiert. Erfüllen Unternehmer ihre Informationspflicht, steigert dies die Bekanntheit der Verbraucherschlichtung und informiert den Verbraucher umfassend über die Nutzung des Verfahrens. Dies ist allerdings durch die Einhaltung der Pflicht bedingt. Das VSBG sieht keine Sanktion für die Missachtung vor. Dies sollte geändert werden, zumal auch Art. 21 ADR-RL vorschreibt, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen festlegen müssen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Der deutsche Gesetzgeber ging davon aus, dass die Vorgaben der ADR-RL durch das Schadensrecht im BGB hinreichend erfüllt seien: Es können Ansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher oder vertraglicher Pflichten geltend gemacht werden.28 Ob diese Ansprüche erfolgreich wären, ist allerdings zweifelhaft: Als Anspruchsgrundlage könnte § 280 Abs. 1 BGB, gegebenenfalls i. V. m. § 311 Abs. 1 BGB herangezogen werden. Dazu müsste die gesetzliche Hinweispflicht, welcher der Unternehmer nicht nachkommt, als eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis zu werten sein. Auch könnte es sich bei der Hinweisdennoch Greger, ZZP 2015, 137, 143. in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 8 Grenzüberschreitende Streitigkeiten, Rn. 14. 28  BT-Drs. 18 / 5089, 74. 26  Zweifelnd 27  Braun,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

pflicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handeln, sodass ein deliktsrechtlicher Anspruch bestünde. Dazu müsste die Informationspflicht zumindest auch dem Schutz individueller Interessen dienen.29 Laut der Gesetzesbegründung ist das Ziel der Informationspflicht, dem Verbraucher das Auffinden der zuständigen Stelle zu erleichtern – es dient mithin dem Schutz des Verbrauchers.30 Das Verschulden des Unternehmers wird nachweisbar sein. Größere Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich beider Anspruchsgrundlagen bei der Feststellung eines Schadens.31 Dieser könnte in dem nicht geltend gemachten Anspruch liegen, beispielsweise der nicht geltend gemachte Schaden an einem gekauften Produkt. Für diesen Schaden ist die Pflichtverletzung des Unternehmers aber nicht kausal. Dass allein durch die Nichtinformation ein Schaden entsteht, ist nicht denkbar, weil der Verbraucher auch bei Untätigkeit mit Sicherheit wusste, dass er das Gericht hätte anrufen können. Selbst wenn der Verbraucher durch ein Gerichtsverfahren höhere Kosten zahlen muss, würde er diese bei erfolgreichem Prozess gemäß § 91 Abs. 1 ZPO erstattet bekommen. Demzufolge stünde der Verbraucher nicht schlechter dar, als wenn er eine Verbraucherschlichtung durchgeführt hätte. Zudem ist die Verbraucherschlichtung für die meisten Unternehmer freiwillig, sodass auch nicht sicher ist, ob überhaupt eine Verbraucherschlichtung durchgeführt worden wäre. Ferner ist der Nachweis schwierig, wie die Verbraucherschlichtung ausgegangen wäre, hätten sich beide Parteien darauf eingelassen. Es ist dementsprechend unwahrscheinlich, dass ein Schadenersatzanspruch besteht. Die Sanktionierung des Unternehmers über § 280 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB ist somit nicht sichergestellt. Nur durch das Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) kann durchgesetzt werden, dass die Unternehmer die Informationspflicht einhalten.32 Die gemäß § 3 UKlaG anspruchsberechtigten Stellen können Abmahnungen und Klagen vornehmen. § 2 Abs. 2 Nr. 12 UKlaG stellt insoweit klar, dass Verstöße gegen die Informationspflichten aus §§ 36, 37 VSBG Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften darstellen. Auch können Unternehmer gemäß § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gegen Mitbewerber vorgehen, weil eine Missachtung der 29  Ständ. Rechtsprechung, s. nur zuletzt BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VZ ZR 255 / 11, NJW 2014, 64, 64. 30  BT Drs. 18 / 5089, 74. 31  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 36 VSBG Rn. 17; Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 17; Greger, ZZP 2015, 137, 143. 32  BT Drs.  18 / 5089, 74; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 36 VSBG Rn. 16; Steike, in: Borowski / Röthemeyer /  Steike, VSBG, § 36 Rn. 17, § 37 Rn. 9; Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 7 Informationspflichten der Unternehmer, Rn. 34.



A. „Zugang“ 73

Vorgaben des § 36 VSBG auch eine unlautere Handlung darstellen kann.33 Der bei einer berechtigten Abmahnung gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu zahlende Aufwendungsersatz stellt eine Sanktion dar, die nicht weitreichend genug ist.34 Der Unternehmer wird demnach nicht wirksam und abschreckend sanktioniert. Die Mitteilungspflichten der Unternehmer verbessern somit nur dann den Zugang zur Verbraucherschlichtung, wenn sich die Unternehmer freiwillig daran halten. b) Bekanntheit des Gerichtsverfahrens Die vielschichtigen Informationspflichten des VSBG sind eine Neuerung, da es diese für die Justiz nicht gibt.35 Hingegen verfügt die Justiz aufgrund ihrer jahrhundertelangen Existenz über ein ausreichendes Maß an Bekanntheit. Der Verbraucher ist sich der Existenz der Gerichte bewusst und kennt in den meisten Fällen die öffentlich zugänglichen Justizgebäude in seiner Stadt. Über das Justizportal des Bundes und der Länder36 kann er sich auch online über die zuständigen Gerichte informieren. Vorteil der Gerichte ist auch, dass sie Kontinuität garantieren. Ist der Verbraucher einmal mit den örtlichen Gerichten vertraut, ist er auch auf etwaige zukünftige Gerichtsverfahren vorbereitet. Im Gegensatz dazu können Verbraucherschlichtungsstellen wieder von der Liste gestrichen werden, wenn sie die Qualitätsanforderungen nicht mehr erfüllen. Dies bewirkt, dass sich der Verbraucher regelmäßig neu darüber informieren muss, ob die ihm unter Umständen bereits vertraute Verbraucherschlichtungsstelle noch auf der Liste steht.37 Zudem sind die Verbraucherschlichtungsstellen stark spezialisiert, sodass der Verbraucher auch bei jedem neu aufkommenden Streit neu ermitteln muss, welche Stelle zuständig ist. Im Vergleich zum Gerichtsverfahren stellt dies für den Verbraucher eine größere Schwierigkeit dar. Wird ein unzulässiger Rechtsweg beschritten, verweist das unzuständige Gericht gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Allerdings sind die konsensuellen Lösungsmöglichkeiten bei Gericht weniger bekannt.38 Das Gerichtsverfahren wird mit dem streitigen Verfahren, 33  Röthemeyer, 34  Roder,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 7 Rn. 34. in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 9 Aufsicht und Rechtsdurchset-

zung Rn. 4. 35  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 40. 36  Abrufbar unter: http: /  / www.justiz.de / OrtsGerichtsverzeichnis / index.php. 37  Théocharidi, ERPL 2016, 103, 108. 38  Greger, Abschlussbericht zur Evaluation des Modellversuchs Güte­richter, 4.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

das in einem Urteil endet, assoziiert. Nicht alle Verbraucher kennen das amtsgerichtliche Güteverfahren oder den Verweis auf einen Güterichter, der alle Methoden der Streitbeilegung anwenden kann. Zwar wird der Verbraucher, sobald er das Gericht angerufen hat, von diesem durch die verschiedenen Konfliktlösungsmöglichkeiten geleitet. So können ihm die konsensuellen Lösungsmöglichkeiten bei Gericht gar nicht entgehen. Dennoch wird das Gerichtsverfahren meistens erst eingeleitet, wenn der Verbraucher mit einer Streitentscheidung durch das Gericht einverstanden ist und keine gütliche Lösung erwartet. Zwar kann sich der Verbraucher bei Verbraucherzentralen oder anhand der Zivilprozessordnung informieren. Jedoch wird selbst auf der Webseite des Bundesamtes für Justiz nicht hinreichend deutlich, dass auch bei Gericht gütliche Einigungsmethoden möglich sind. Der Verbraucher muss sich somit selbst über die Methoden bei Gericht Kenntnis verschaffen. Im Unterschied dazu wird ihm die Verbraucherschlichtung auf unterschiedlichen Wegen durch den Unternehmer nähergebracht – sofern sich dieser an die Informationspflichten der §§ 36, 37 VSBG hält. Somit weisen sowohl das Verfahren beim Amtsgericht als auch die Verbraucherschlichtung Informationsdefizite auf. Das streitige Gerichtsverfahren ist zurzeit noch bekannter als die Verbraucherschlichtung. Der Unterschied verringert sich allerdings durch die vielfachen Möglichkeiten der Informa­ tionsgewinnung über die Verbraucherschlichtung. Dies ändert aber nichts daran, dass die zuständige Stelle unklar ist, weil für fast jede Branche eine andere Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist. 2. Örtliche Zuständigkeit Eine leicht erreichbare Streitbeilegungsstelle stellt einen weiteren Aspekt eines guten Zugangs zum Recht dar. Weite Wege zur zuständigen Streitbeilegungsstelle hemmen den Verbraucher, ein Verfahren anzustrengen. Bei einem ausschließlich schriftlich durchgeführten Verfahren trifft diese Aussage aber nur bedingt zu, denn die Parteien müssen nicht persönlich aufeinandertreffen. Gerade Verbraucherkonflikte werden meistens schriftlich gelöst. Für die Verbraucherschlichtung ist in § 17 Abs. 2 VSBG der Grundsatz der Schriftlichkeit verankert, von dem auch nur abgewichen werden kann, wenn beide Parteien zustimmen und die Verfahrensordnung dies vorsieht. Bei ADR-Verfahren greifen die Beteiligten typischerweise auf Fernkommunikationsmittel zurück.39 Bei Gericht ist die Mündlichkeit zwar immer noch der Regelfall und ein schriftliches Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 39  Berlin, ZKM 2015, 26, 29; Creutzfeldt, What people expect from ombudsmen in the UK, 26, auf Grundlage von 1.024 befragten Nutzern von öffentlichen und pri-



A. „Zugang“ 75

ZPO nur bei Zustimmung beider Parteien möglich.40 Allerdings wird gerade für die Lösung von Verbraucherkonflikten das – grundsätzlich schriftliche – Verfahren nach billigem Ermessen immer bedeutsamer. Die örtliche Nähe ist aber auch bei schriftlichen Verfahren bedeutsam, wenn zur Mündlichkeit gewechselt werden kann. Ein tatsächlicher Zugang zum mündlichen Verfahren besteht nur dann, wenn die Streitbeilegungsstelle örtlich leicht erreichbar ist.41 Außerdem bedingt die örtliche Zuständigkeit bei internationalen Sachverhalten auch die Verfahrenssprache der Streitbeilegungsstelle. Kann eine Stelle in einem anderen Mitgliedstaat nur in einer fremden Sprache kontaktiert werden, besteht für den Verbraucher kein guter Zugang zu dieser Stelle. Die örtliche Erreichbarkeit muss bei Verbraucherkonflikten dementsprechend für die Bewertung des Zugangs berücksichtigt werden, auch wenn die Verfahren meistens schriftlich geführt werden. a) Örtliche Präsenz der Gerichte Die örtliche Nähe des Gerichts beeinflusst den Zugang und die tatsächliche Inanspruchnahme durch den Verbraucher.42 Für die Beilegung von Streitigkeiten stehen über 600 Amtsgerichte bereit, sodass das Bundesgebiet weitreichend abgedeckt ist und ein funktionierendes Gerichtssystem besteht. Aufgrund dieser hohen Dichte an Amtsgerichten in Deutschland kann von einem ortsnahen und zuverlässigen System gesprochen werden.43 Es gibt hingegen bei nationalen Streitigkeiten keinen speziellen Verbrauchergerichtsstand, sodass die Gerichte für den Verbraucher nicht immer leicht zugänglich sind.44 Der allgemeine Gerichtsstand ist gemäß §§ 12, 13, 17 ZPO nach dem Wohnsitz des Beklagten zu bestimmen und richtet sich mithin nach dem Unternehmer. Nur für sehr spezielle Verbraucherverträge gibt es vaten Ombudsmannverfahren in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich. 40  Anderes gilt nur gem. Art. 5 Abs. 1 lit. a Geringfügige-Forderungen-VO wonach sich das Gericht an das Begehr der Parteien, mündlich zu verhandeln, nicht halten muss, wenn es der Auffassung ist, dass ein faires Verfahren auch so gewährleistet ist. 41  AA Berlin, ZKM 2015, 26, 29. 42  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 132. 43  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 63. 44  Deutliche Kritik daran bei Micklitz, Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts?, Gutachten A für den 69. DJT, A 90; w.N. bei Schultzky, in: Zöller, ZPO, § 29c Rn. 1.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

den Verbraucher begünstigende besondere Gerichtsstände wie § 26 Fernunter­ richtsschutzgesetz, § 215 Versicherungsvertragsgesetz oder § 29c ZPO für Haustürgeschäfte.45 Ferner ist bei Verbraucherkonflikten häufig der besondere Gerichtsstand nach § 29 ZPO maßgeblich. Demnach kommt es auf den Ort an, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, das heißt der Schuldner die Leistungshandlung vorzunehmen hat.46 Der Erfüllungsort ist demzufolge materiell-rechtlich nach §§ 269, 270 BGB zu bestimmen.47 Dies führt wiederum zu keinem einheitlichen Erfüllungsort, sondern zu vielen situationsbedingten Unterschieden, was sich insbesondere im Bereich des ­ Kaufrechts bemerkbar macht.48 In den meisten Fällen ist allerdings für den Verbrauchsgüterkauf der Unternehmersitz für die Klage des Verbrauchers maßgeblich.49 Nach § 269 Abs. 2 und 3 BGB wird der Erfüllungsort regelmäßig der Unternehmersitz sein.50 Zudem ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Erfüllungsort im Zweifel der Ort, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. Bei Unternehmen ist dies der Sitz. Trotz der im Einzelfall strittigen Abweichungen und Besonderheiten bei der Bestimmung des Erfüllungsortes, richtet er sich folglich meistens nach dem Beklagten, sodass der klagende Verbraucher benachteiligt wird.51 Ist der Verbraucher hingegen Beklagter, ist er grundsätzlich gemäß §§ 12, 13 ZPO am allgemeinen Gerichtsstand, mithin an seinem Wohnsitz zu verklagen. Diese Regelung kann wegen § 29 Abs. 2 ZPO auch nicht dadurch umgangen werden, dass eine Erfüllungsortvereinbarung getroffen wird, die zur Zuständigkeit des Gerichts am Erfüllungsort führt, wenn der Verbraucher der Kläger ist. 45  Kritisch dazu Mankowski, JZ 2003, 1122, 1122, der keinen einleuchtenden Grund dafür sieht, genau für diese materiell-rechtlichen Sondergebiete einen Verbrauchergerichtsstand festzulegen. 46  Prägnant dazu Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 29 Rn. 31. 47  Statt vieler Patzina, in: MünchKomm ZPO, § 29 Rn. 19; Heinrich, in: Musie­ lak / Voit ZPO, § 29 Rn. 19; Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 29 Rn. 6 ff.; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 134. 48  Dazu detailliert Heinrich, in: Musielak / Voit ZPO, § 29 Rn. 20 ff. insbes. Rn. 28; s. zu der Meinungsverschiedenheit rund um den Erfüllungsort bei Rückgewährschuldverhältnissen Stöber, NJW 2006, 2661 ff. 49  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 134; Micklitz, Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts?, Gutachten A für den 69. DJT, A 90; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 9; Stöber, NJW 2006, 2661, 2665. 50  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 134. 51  Patzina, in MünchKomm ZPO, § 29 Rn. 19; Bendtsen, in: Saenger, ZPO, § 29 Rn.  6 ff.



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Für die zu untersuchenden Fälle der Verfahrenseinleitung durch den Verbraucher für die Durchsetzung des Rechts muss der Verbraucher aber mög­ licherweise weite Wege auf sich nehmen. Dies kann ihn hemmen, ein Verfahren anzustrengen. Mehr Schutz erlangt der Verbraucher durch die Zuständigkeitsregeln für grenzüberschreitende Sachverhalte. Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO52 überlässt ihm die Wahl, seine Klage vor den Gerichten des Staates zu erheben, in dem der Vertragspartner seinen Wohnsitz hat oder vor dem örtlichen Gericht an seinem eigenen Wohnsitz. Dem Wohnsitz des Vertragspartners steht gemäß Art. 17 Abs. 2 Brüssel Ia-VO dessen Niederlassung gleich. Diese Regelung gilt ausweislich Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO nicht mehr nur für Vertragspartner aus anderen Mitgliedstaaten, sondern auch für Drittstaatsangehörige. Der Vertragspartner aber kann eine Klage gegen den Verbraucher lediglich vor den Gerichten des Mitgliedstaates erheben, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, Art. 18 Abs. 2 Brüssel Ia-VO. Dies führt dazu, dass der Verbraucher gegen seinen Willen nicht in einem anderen Staat als dem seines Wohnsitzes die Gerichte anrufen muss. Der Verbraucher kann das Gericht somit in den meisten Fällen53 leicht erreichen. Der Verbrauchergerichtsstand setzt gemäß Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO voraus, dass es sich um einen Verbrauchervertrag über den Kauf einer beweglichen Sache auf Teilzahlung, ein Darlehen, ein Kreditgeschäft, das in Raten zurückgezahlt werden muss, oder um alle anderen Fälle handelt, in denen der Vertragspartner seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausrichtet oder dort sogar seine gewerb­ liche Tätigkeit ausübt. Der sachliche Anwendungsbereich entspricht somit weitestgehend dem des VSBG.54 Ein Ausrichten auf einen Mitgliedstaat wird immer dann angenommen, wenn offenkundig der Wille des Unternehmers besteht, dort wohnhafte Verbraucher für einen Vertragsschluss zu ge-

52  Verordnung (EU) Nr. 1215 / 2012 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und ­Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 351 / 1, 20.12.2012. 53  Im Verhältnis zu Beklagten aus Island, Norwegen und der Schweiz gilt nicht die Brüssel Ia-VO, sondern das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988, dessen Bestimmungen denen der EuGVVO größtenteils entsprechen; s. zum Verbrauchergerichtsstand Art. 15 ff. LugÜ. 54  Ausdrücklich nicht vom Verbrauchergerichtsstand der Brüssel Ia-VO erfasst sind die Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen; hingegen sind reisevertragsrechtliche Streitigkeiten von § 4 VSBG erfasst.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

winnen.55 Dies kann in den meisten Fällen angenommen werden, zumal schon die Internetpräsenz in einer in dem jeweiligen Mitgliedstaat verständlichen Sprache ausreichend sein kann.56 Der Verbrauchergerichtsstand stellt neben der näheren Entfernung auch deswegen einen Vorteil dar, weil der Verbraucher Prozesse nur vor einem ihm bekannten Gericht gemäß der ihm bekannten Verfahrensordnung führt und dabei die jeweilige Amtssprache des Mitgliedstaates geführt wird, in dem er wohnt.57 Bei nationalen Gerichtsverfahren wird der Verbraucher durch den Gerichtsstand somit weniger gut geschützt als bei internationalen Sachverhalten. b) Örtliche Präsenz der Verbraucherschlichtungsstellen Die Nähe einer gut erreichbaren Verbraucherschlichtungsstelle wird in Einzelfällen für den Zugang relevant. Die ADR-RL intendiert ein flächendeckendes Angebot an Verbraucherschlichtungsstellen.58 Dadurch, dass die Dichte an vorhandenen ADR-Stellen in den Mitgliedstaaten stark differiert,59 stellt sich die Umsetzung dieser Vorgabe sehr unterschiedlich dar. In Deutschland gibt es bereits viele anerkannte private Verbraucherschlichtungsstellen und die Universalschlichtungsstelle sorgt dafür, dass die noch vorhandenen Lücken geschlossen werden. Die Lücken werden gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 VSBG aber nur insoweit geschlossen, als dass für jede Streitigkeit nach § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG mit einem in diesem Bundesland niedergelassenen Unternehmer eine Verbraucherschlichtungsstelle zur Verfügung steht. Es muss somit nur eine Verbraucherschlichtungsstelle in dem jeweiligen Bundesland erreichbar sein. Dies ist im Vergleich zu den Amtsgerichten, deren Dichte im ganzen Bundesgebiet wie dargestellt sehr hoch ist, wenig. Ebenso wie beim Gerichtsverfahren kommt hinzu, dass die zuständige Stelle im Bundesland des Unternehmenssitzes liegt. Die Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle richtet sich mithin nicht nach dem Wohnsitz des Verbrauchers. Zudem müssen sich der Verbrau55  EuGH, Urt. v. 7.12.2010 – C-585 / 08, C-144 / 09, EuZW 2011, 98, 102 ff. – Alpenhof, Pammer; Mankowski, IPRax 2012, 144, 145 f.; Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, Art. 17 EuGVVO n. F. Rn. 8 m. w. N. 56  S. zu der Kasuistik des EuGH die Fallbeispiele bei Gottwald, in: MünchKomm ZPO, Art. 17 VO (EU) 1215 / 2012 Rn. 10 ff. m. w. N.; Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, Art. 17 EuGVVO n. F. Rn. 8 m. w. N. 57  Dazu Mäsch, JZ 2008, 359, 359 f. 58  Es soll eine „vollständige Abdeckung“ gewährleistet werden, s. Erwägungsgründe 24–26 ADR-RL; Art. 5 Abs. 3 ADR-RL. 59  Erwägungsgrund 6 ADR-RL.



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cher und der Unternehmer bei mehreren zuständigen Stellen auf eine Stelle einigen. Dies ist für den Verbraucher von Nachteil, zumal er bei den Einigungsgesprächen auf die Bereitschaft des Unternehmers, am Verfahren teilzunehmen, angewiesen ist. Insgesamt wird dem Verbraucher somit (noch) kein flächendeckendes dichtes Netz an Verbraucherschlichtungsstellen in der Nähe seines Wohnorts zur Verfügung gestellt. Noch schlechter ist der Zugang bei unionsweiten Streitigkeiten. Obwohl das VSBG die Vorgaben von Art. 5 Abs. 1 ADR-RL60 überschießend umgesetzt hat, bestehen Schutzlücken. Private und behördliche Verbraucherschlichtungsstellen dürfen nach §§ 4 Abs. 4, 28 VSBG ihre Zuständigkeit für Unternehmer ausschließen, die nicht im Inland niedergelassen sind. Durch die Branchenabdeckung in den einzelnen Bundesländern ist nur garantiert, dass für jeden Streit mit einem inländischen Unternehmer eine zuständige Verbraucherschlichtungsstelle existiert. Gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 VSBG wird auch keine ergänzende Universalschlichtungsstelle geschaffen, wenn es für den sachlichen Anwendungsbereich des VSBG eine Streitbeilegungsstelle gibt, die Konflikte beilegt, an denen ein inländischer Unternehmer beteiligt ist. Die Verpflichtung aus Art. 5 Abs. 2 lit. e ADR-RL, internationale Streitigkeiten beizulegen, wird schon dadurch ausreichend erfüllt, dass die allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle Streitigkeiten zwischen inländischen Unternehmern und ausländischen Verbrauchern führt.61 Sie kann folglich Konflikte zwischen inländischen Verbrauchern und ausländischen Unternehmern gemäß § 4 Abs. 2 S. 3 VSBG ausschließen. So hat auch die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V., die aktuell einzige allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle in Deutschland, in § 1 ihrer Verfahrensordnung62 diesen Ausschluss vorgenommen. Es ist den Verbraucherschlichtungsstellen freigestellt, ihre Zuständigkeit auf Unternehmer aus dem Ausland zu erweitern.63 Ob sie diese Möglichkeit nutzen ist allerdings ebenso ungewiss, wie die Frage, ob der Unternehmer sich auf ein solches Verfahren einlässt.

60  Art. 5 Abs. 1 ADR-RL gibt lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass für alle Streitigkeiten mit Unternehmern, die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassen sind, eine Verbraucherstreitbeilegungsstelle zuständig ist, die den Anforderungen der Richtlinie entspricht. Dabei kommen die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung auch nach, wenn sie sich auf Stellen in einem anderen Mitgliedstaat stützen. 61  Höxter, VuR Sonderheft 2016, 29, 30; Kotzur, VuR 2015, 243, 245; Rühl, RIW 2013, 737, 742. 62  In der Version vom 1.4.2016, abrufbar unter: https: /  / www.verbraucher-schlich ter.de / schlichtungsverfahren / verfahrensordnung. 63  Höxter, VuR Sonderheft 2016, 29, 30.

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Wenn dementsprechend ein in Deutschland wohnhafter Verbraucher Streit mit einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmer hat, ist nicht zwingend eine deutsche Verbraucherschlichtungsstelle zuständig.64 Eine Universalschlichtungsstelle im Inland ist absurderweise nur dann zuständig, wenn in einem Bundesland für nationale Streitigkeiten nicht genügend Verbraucherschlichtungsstellen vorhanden sind, um den materiellrechtlichen Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG abzudecken.65 In diesem – so gewiss nicht vom Gesetzgeber bedachten – Fall muss gemäß § 29 Abs. 2 VSBG eine Universalschlichtungsstelle eingerichtet werden, welche im Umkehrschluss aus § 30 Abs. 1 Nr. 2 VSBG auch zuständig ist für Streitigkeiten zwischen einem in Deutschland niedergelassenen Verbraucher und einem Unternehmer mit Sitz im Ausland. Nur in dem Fall, dass sowohl der Unternehmer im Ausland niedergelassen ist, als auch der Verbraucher im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, lehnt die Universalschlichtungsstelle den Antrag gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 VSBG ab. Das Schlichtungsangebot ist aber bereits ausreichend und die Universalschlichtungsstelle wird nicht geschaffen, wenn für jede Streitigkeit mit einem in dem jeweiligen Bundesland niedergelassenen Unternehmer eine Verbraucherschlichtungsstelle zur Verfügung steht, § 29 Abs. 2 VSBG. Die Universalschlichtungsstelle kann also nicht verhindern, dass Streitigkeiten nur mit im Inland niedergelassenen Unternehmern gelöst werden müssen. Da die Universalschlichtungsstellen behördlich eingerichtet sind, ist zudem davon auszugehen, dass eine einmal bestehende Universalschlichtungsstelle nicht länger als nötig aktiv bleibt, weil sie für den Staat Kosten verursacht. Sobald genügend private Verbraucherschlichtungsstellen vorhanden sind, wird die Universalschlichtungsstelle ihre Tätigkeit wieder einstellen. Sodann stehen dem Verbraucher nur ausländische Stellen zur Lösung grenzüberschreitender Konflikte zur Verfügung. In den meisten Fällen wird somit nur eine Stelle im Ausland zuständig sein.66 Dass sich die Zuständigkeit demzufolge sowohl bei nationalen als auch bei internationalen Streitigkeiten stets nach dem Unternehmersitz richtet, hat für

64  Meller-Hannich, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 4 Rn. 30; Höxter, VuR Sonderheft 2016, 29, 30; Kotzur, VuR 2015, 243, 246 f.; Stürner, in: Stürner /  Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 11, 21. 65  Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 10. 66  Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 8 Grenzüberschreitende Streitigkeiten, Rn. 9, 22; Stürner, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 11, 21.



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den Verbraucher besonders bei den internationalen Streitigkeiten negative Folgen: Erstens ist in den meisten Fällen die Verbraucherschlichtungsstelle weiter entfernt. Dies ist für den Verbraucher trotz regelmäßig schriftlicher Verfahren nachteilig, weil so der Wechsel zu einem mündlichen Verfahren faktisch versperrt wird. Zweitens wird der Verbraucher mit einer Verbraucherschlichtungsstelle konfrontiert, die als Verfahrenssprache die Landessprache des Mitgliedstaats des Unternehmersitzes vorgibt.67 Es ist nicht vorgesehen, dass die Dokumente während des Verfahrens in die Sprache des Verbrauchers übersetzt werden müssen.68 Es ist lediglich möglich, dass die Verbraucherschlichtungsstelle freiwillig mehrere Verfahrenssprachen anbietet und die Sprache des Verbrauchers davon mitumfasst ist. Etwas abgeschwächt werden die Sprachbarrieren weiter dadurch, dass die nationalen Verbraucherzentralen, wenn sie die Beschwerden vermitteln, Übersetzungen vornehmen können.69 Hierzu dient das umfangreiche ECC-Net (European Consumer Centres Network), durch welches die Verbraucherzentralen vernetzt sind. Nicht zuletzt unterstützt die ODR-Plattform die Kommunikation im Bereich der rein elektronisch abgewickelten Verträge gemäß Art. 5 Abs. 4 lit. e ODR-VO mit einem automatischen Übersetzungsprogramm.70 Die geäußerte Kritik71 gegenüber den Sprachproblemen bei den Verbraucherschlichtungsverfahren ist folglich für diesen großen Bereich der komplett online abgewickelten Fallbearbeitung nicht berechtigt. Sobald aber das Format der Onlinestreitbeilegung nach der ODR-Plattform nicht ausreicht und darüber hinausgehend Informationen ausgetauscht werden, richtet sich die Verfahrenssprache nach der Verbraucherschlichtungsstelle.72 Das gilt im Übrigen auch bei einem Wechsel von einer Online-Streitbeilegung zu einem mündlichen Verfahren. Die Verbraucherschlichtungsstelle kann zwar zu jeder Zeit des Ver67  Höxter, VuR Sonderheft 2016, 29, 31; Loos, ERPL 2016, 61, 75; Rühl, RIW 2013, 737, 740. 68  Kotzur, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 59, 62 f. 69  Civic Consulting of the Consumer Policy Evaluation Consortium (CPEC), Study on the use of Alternative Dispute Resolution in the European Union, vom 16.10.2009 im Auftrag der DG SANCO (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz), 112, abrufbar unter: http: /  / ec.europa.eu / consumers / archive / redress_ cons / adr_study.pdf; Rühl, RIW 2013, 737, 740. 70  Steffek, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil G Art. 10 ODR-VO Rn. 3. 71  Rühl, RIW 2013, 737, 744. 72  Loos, ERPL 2016, 61, 75.

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fahrens erneut auf die ODR-Plattform zurückgreifen, um das Online-Übersetzungsprogramm zu nutzen.73 Allerdings ist unsicher, ob dieses eine gute Qualität gewährleisten kann.74 Ein in Deutschland wohnhafter Verbraucher hat nicht nur Sprachprobleme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, sondern auch in dem Fall, dass er in Deutschland wohnhaft ist, aber der deutschen Sprache nicht mächtig. Bei den deutschen Verbraucherschlichtungsstellen müssen die Parteien zustimmen, wenn eine andere Verfahrenssprache als Deutsch gelten soll. Bei Kenntnis der Sprachbarrieren der anderen Seiten, können sich die Parteien dadurch gegenseitig schaden und den reibungslosen Ablauf des Verfahrens erschweren.75 Dies stellt eine erhebliche Schwäche der Verbraucherschlichtung dar, da es umständlich und unattraktiv für einen Verbraucher ist, ein Verfahren in einer fremden Sprache zu führen.76 Es ist für ihn aufwendig, selbstständig einen Übersetzer zu engagieren, zumal er für die Kosten aufkommen muss.77 Im Gegensatz dazu wird bei Gerichtsverfahren aufgrund des Verbrauchergerichtsstands eine Übersetzung häufig nicht erforderlich sein. Beherrscht eine Partei nicht die deutsche Sprache, wird gemäß § 185 GVG ein Dolmetscher hinzugezogen. Der Übersetzer wird vom Gericht gestellt und seine Vergütung zählt als Auslage des Gerichts.78 c) Zwischenergebnis Der Verbraucher hat bei nationalen Streitigkeiten häufig keinen guten Zugang, weil sich das zuständige Gericht in vielen Fällen am Unternehmersitz befindet. Dies stellt für den Verbraucher eine Barriere dar. Im Bereich dieser nationalen Streitigkeiten führen die Regeln des VSBG grosso modo zu einem ebenso geringen Schutz für den Verbraucher wie durch das Gerichtsverfahren. Die Gerichte sind zwar aufgrund ihrer hohen Anzahl leichter zu erreichen, da das Verbraucherschlichtungsverfahren aber in der Regel häufiger schriftlich abläuft, hemmt die größere räumliche Streuung den Verbraucher nicht, das Verfahren einzuleiten. Vielmehr ist die Bekanntheit der Verbraucherschlichtungsstelle ein Hemmungsfaktor. Deswegen könnte der Zugang zu Verbraucherschlichtungsstellen auch dadurch verbessert werden, dass nur 73  Braun / Oppelt,

VuR Sonderheft 2016, 33, 35. gilt, obwohl gem. Erwägungsgrund 19 ODR-VO auch menschliche Unterstützung geleistet werden soll; Braun / Oppelt, VuR Sonderheft 2016, 33, 34. 75  Meller-Hannich, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 45, 62. 76  Rühl, RIW 2013, 737, 744. 77  Gascón Inchausti, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 31, 39, 49; Rühl, RIW 2013, 737, 745. 78  GKG KV 9005; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 185 GVG Rn. 16. 74  Dies



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eine überschaubare – aber dafür übersichtlichere – Anzahl größerer Verbraucherschlichtungsstellen in Deutschland anerkannt wird.79 Weniger gut erreichbar sind die Verbraucherschlichtungsstellen bei internationalen Sachverhalten.80 Der Verbraucher muss sich an eine Verbraucherschlichtungsstelle am Unternehmersitz richten, die unter Umständen im Ausland belegen sein kann. Nur im Einzelfall können sich Verbraucher und Unternehmer auf eine Stelle im jeweiligen Bundesland des Verbrauchers einigen, nämlich wenn in diesem eine Universalschlichtungsstelle eingerichtet wurde. Diese Benachteiligung des Verbrauchers durch das VSBG ist konträr zur dargestellten Ausprägung des Verbraucherrechts in Deutschland in Bezug auf die Gerichtsstände.81 Es läuft dem verbraucherschützenden System der Brüssel Ia-VO zuwider.82 Zwar muss auch hier berücksichtigt werden, dass die meisten Verfahren schriftlich ablaufen, es verbleiben aber Sprachpro­ bleme. Diesen kann die ODR-VO nur für online geschlossene Verträge abhelfen. Insgesamt ist der Zugang hinsichtlich der örtlichen Präsenz bei Gerichten besser als bei Verbraucherschlichtungsstellen. 3. Tatsächliche Nutzung Die tatsächliche Nutzung eines Streitbeilegungsverfahrens ist Zeugnis für den Zugang zum Recht. a) Tatsächliche Nutzung der Gerichte aa) Rationales Desinteresse gegenüber der Justiz Trotz vieler Bemühungen, dem Verbraucher die gerichtliche Prozessführung zu erleichtern, verspüren Verbraucher in vielen Fällen eine „Gerichtsmüdigkeit“ und tragen ihre Konflikte nicht aus. Sie haben sowohl bei internationalen Sachverhalten als auch bei nationalen Streitigkeiten eine Gerichtsscheue entwickelt.83 Dieses Phänomen wird als „rationales Desinteresse“ 79  Berlin,

ZKM 2015, 26, 29. VuR Sonderheft 2016, 29, 30. 81  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 42. 82  Stürner, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 11, 21. 83  BT-Drs. 18 / 5292, 9; L’Heureux, JCP 1992, 445, 445; Hodges, in: Zekoll /  Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 336, 336 ff.; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 12. 80  Höxter,

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oder „rationale Apathie“ bezeichnet.84 Auch wird allgemein von einem „Vollzugsdefizit“85 oder im Englischen von „avoidance“86 gesprochen. Die Hauptgründe für das rationale Desinteresse sind die Kosten, aber auch der Aufwand und der im Vergleich zu diesem relativ geringe Nutzen bei Verfahren mit geringen Streitwerten.87 Dieses Missverhältnis zwischen den Verfahrenskosten und den Kosten, die auf dem Spiel stehen, ist ein typisches Merkmal von Verbraucherkonflikten.88 Pauschal gilt: Je geringer der Streitwert, desto größer die Gerichtsscheue.89 Wenn es sich um kleinere Summen bis zu 500 Euro handelt, würden 50 Prozent aller Verbraucher in Europa nicht vor Gericht klagen.90 Gerade wenn ein Verbraucher keine Rechtsschutzversicherung hat, schreckt er davor zurück, das Kostenrisiko einzugehen, zumal ihm bekannt ist, dass der Verlierer des Prozesses die Kosten des Verfahrens tragen muss. Doch selbst wenn der Verbraucher von dem Erfolg der Klage überzeugt ist und deswegen keine Kosten befürchtet, besteht eine hohe psychologische Hürde.91 Diese ergibt sich aus der Summe der zu erwartenden Unannehm84  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 8; Althammer, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 9, 16; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 16; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 52; zum Teil wird der Begriff auch generell für die Nichtnutzung von Streitbeilegungsmethoden genutzt, gerichtlich oder außergerichtlich, s. Frank / Henke /  Singbartl, VuR 2016, 333, 336. 85  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 7 ff. 86  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 53 f. m. w. N. 87  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 8; Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 53 f.; Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 151; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 21; Weber, VuR Sonderheft 2016, 22, 28; Weber, in: Heiderhoff / Schulze, Verbraucherrecht und Verbraucherverhalten, 187, 193; a A Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138, die behauptet, dass ungeklärt sei, ob etwaige Mängel im gerichtlichen Verfahren die Gründe darstellen. 88  Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1705  f.; Gibson, Journal of Consumer Policy 1992, 407, 410; Riehm, JZ 2016, 866, 869; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 19. 89  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 14. 90  S.  TNS Opinion & Social, Special Eurobarometer 342. Consumer empowerment, April 2011 im Auftrag der DG SANCO (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz), 217, abrufbar unter: http: /  / ec.europa.eu / consumers / consumer_ empowerment / docs / report_eurobarometer_342_en.pdf; dazu Stürner, in: Stürner /  Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 11, 13; dem entgegentretend Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 227 mit Verweis auf amtsgerichtliche Verfahren mit einem geringen Streitwert. 91  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 13; Stürner, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 11, 13.



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lichkeiten wie unter anderem dem zeitlichen Aufwand.92 Dieser ist für den Verbraucher besonders entscheidend, weil Verbraucherkonflikte häufig in Bezug auf Gebrauchsgüter entstehen und es bei einer langen Prozessdauer für den Verbraucher vorteilhafter wäre, die dem Konflikt zugrunde liegende Sache direkt zu ersetzen.93 Der Verbraucher ist gewillter, einen Prozess zu führen, wenn es um persönliche Konflikte im Bereich der Familie oder hohe Geldbeträge geht. Konflikte mit geringen Streitwerten, um die es sich beim Untersuchungsgegenstand handelt, bleiben hingegen häufiger ungeklärt.94 Das rationale Desinteresse des Verbrauchers liegt insbesondere im Bereich grenzüberschreitender Konflikte vor.95 Der Verbraucher ist gehemmter, ein internationales Verfahren zu führen, bei dem sich die dargestellten Gründe des rationalen Desinteresses noch verstärken.96 bb) Unbegründetheit des rationalen Desinteresses Das rationale Desinteresse ist ein tatsächliches Phänomen, das ein Gefühl der Rechtsteilnehmer widerspiegelt und sich in der Nutzung des Verfahrens ausdrückt. Da es vornehmlich in den Kosten und der Verfahrensdauer begründet ist, die von den Verbrauchern als zu hoch und zu lange wahrgenommen werden, werden diese im Folgenden ausgewertet. (1) Dauer des Gerichtsverfahrens In der Bevölkerung besteht der Eindruck, dass die meisten Verfahren bei Gericht zu lange dauern.97 Diese Wahrnehmung hat sich in den letzten Jah92  Scherpe,

Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 19. Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 14 m. w. N. 94  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 20. 95  TNS Opinion Social, Special Eurobarometer 395. European Small Claims Procedure, April 2013 im Auftrag der DG JUST (Generaldirektion Justiz), 37, 40, abrufbar unter: http: /  / ec.europa.eu / commfrontoffice / publicopinion / archives / ebs / ebs_395 _en.pdf. 96  DG SANCO (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz), Consultation Paper „On the use of Alternative Dispute Resolution as a means to resolve disputes related to commercial transactions and practices in the European Union“, 1, abrufbar unter: https: /  / www.eerstekamer.nl / eu / europeesvoorstel / _on_the_use_of_al ternative_dispute / document / f= / vimbh336cmun.pdf m. w. N. 97  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 7, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen / presse_2 / publikationen / pu blikationen.html, so die Aussage von 80 Prozent der Befragten repräsentativen Bürger. 93  Scherpe,

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ren sogar noch verstärkt,98 ist aber unbegründet: So endet etwa die Hälfte alle Verfahren beim Amtsgericht in weniger als drei Monaten.99 Ein Blick auf typische verbraucherrechtliche Streitigkeiten wie das Kaufvertragsrecht, das Reisevertragsrecht oder das Kreditsicherungsrecht offenbart, dass sich diese noch häufiger schnell erledigen.100 Eine zügigere Bearbeitung wird selbst nicht durch § 29 Abs. 2 und 3 VSBG für die Verbraucherschlichtung versprochen. Im Zivilverfahren gilt der Beschleunigungsgrundsatz.101 Die stringente Anwendung der ZPO bietet ausreichend Gewähr dafür, dass der Prozess nicht übermäßig lange dauert.102 Damit sich das Verfahren schnell erledigt, kann gemäß § 275 ZPO ein früher erster Termin bestimmt werden. Vor allem wenn zu erwarten ist, dass sich der Unternehmer nur im geringen Maße zu der Klage des Verbrauchers äußern wird, kann der Konflikt auf diese Weise zügig beendet werden. Die Parteien können außerdem gemäß § 273 Abs. 2 ZPO dazu veranlasst werden, schon zu einem frühen Zeitpunkt alle streitigen Punkte darzulegen; zudem können ihnen enge Erwiderungsfristen gesetzt werden.103 Als weitere vorbereitende Maßnahme kann der Richter gemäß § 273 Abs. 2 ZPO amtliche Auskünfte oder Urkunden anfordern und Zeugen und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden. Diese Maßnahmen bewirken, dass der Streit in nur einem Termin beigelegt werden kann – der Sache nach handelt es sich dann um einen Haupttermin.104 Es ist auch möglich, den frühen ersten Termin durch eine Güteverhandlung gemäß § 278 Abs. 2 ZPO zu erfüllen.105 98  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 10, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen / presse_2 / publikationen / pu blikationen.html. 99  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie 10 Reihe 2.1, 11, 26, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_serie _00000101. 100  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 40, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_ serie_00000101; zu früheren Statistiken schon: Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 66; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138. 101  Häufig wird dieser als Verfahrensgrundsatz gezählt, vgl. v. Bargen, Gerichts­ interne Mediation, 317 m. w. N. 102  Kritisch dennoch Greger, NZV 2016, 1, 3. 103  Dazu Bacher, in: BeckOK ZPO, § 272 Rn. 3; Saenger, in: ders. ZPO, § 275 Rn. 1. 104  BGH, Urt. v. 14.7.1983 – VII ZR 328, 82, NJW 1983, 2507, 2508; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 272 Rn. 3; Foerste, in: Musielak / Voit ZPO, § 275 Rn. 1; Saenger, in: ders. ZPO, § 275 Rn. 1. 105  Greger, NZV 2016, 1, 5.



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Wird kein früher erster Termin zur Vorbereitung des Haupttermins bestimmt, findet ein schriftliches Vorverfahren statt. Der Beklagte wird gemäß § 276 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und innerhalb einer Frist von weiteren zwei Wochen die Klage schriftlich zu erwidern. So kann die Klage in kurzer Zeit bearbeitet werden. Durch die vorbereitenden Schriftsätze sind die Parteien und der Richter zudem umfassend auf die Verhandlung vorbereitet und können sich schneller den wesentlichen Punkten zuwenden. Sie können sich auf die Gegenrede vorbereiten und nötige Informationen und Beweise beschaffen, die für den mündlichen Parteivortrag von Bedeutung sind.106 Die Kombination von vorbereitenden Schriftsätzen und mündlichen Vorträgen führt somit zu einer Beschleunigung des Prozesses.107 Eine zeitige Beendigung des Verfahrens kann auch dadurch erreicht werden, dass die formalen Prozessvorgaben gelockert werden. Dies geschieht in der Praxis vor allem in der Güterichterverhandlung, beim Verfahren nach billigem Ermessen und dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen.108 Eine pauschale Festlegung der Verfahrensdauer, wie im VSBG vorgesehen, ist in einem regulären amtsgerichtlichen Verfahren nicht geboten. Stets besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Beschleunigungsgrundsatz und der Pflicht des Richters, die Entscheidung sorgfältig vorzubereiten und auszufertigen. So kann nur gefordert werden, dass der Richter den Rechtsstreit so schnell bearbeitet, wie es ihm im Einzelfall ohne Einbußen in der Gründlichkeit möglich ist.109 Anderes ist nur beim europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen der Fall. Bei diesem muss 30 Tage nach Vorliegen der Entscheidungsgründe oder nach Abhalten einer etwaigen münd­ lichen Verhandlung gemäß Art. 7 Abs. 2 Geringfügige-Forderungen-VO ein Urteil ergehen. Wird diese Frist allerdings stets eingehalten, besteht zu erwarten, dass die Lösung weniger gründlich erarbeitet wurde. Die durchschnittliche Verfahrensdauer kann somit insgesamt als gut bewertet werden.110 Der Eindruck einer lahmen Justiz, welcher beispielsweise im Pariser Justizpalast durch eine Schildkröte am Fuße der Justitia-Statue symbolisch in Stein gemeißelt ist, trifft somit in Deutschland nicht zu. 106  Stürner,

ZZP 2014, 271, 288. in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 45. 108  S. zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 12; zum Güterichterverfahren Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 173. 109  Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 52. 110  Hirtz, NJW 2014, 2529, 2530; Hubig, ZKM 2014, 167, 167; Tombrink, BRAKMitteilungen 2017, 152, 155. 107  Musielak,

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(2) Kosten des Gerichtsverfahrens Ein weiterer Grund für das rationale Desinteresse sind die Kosten des Gerichtsverfahrens, die Verbraucher dazu bewegen, das Gerichtsverfahren zu meiden.111 Der Roland-Rechtsschutzreport 2014 hat versucht zu beziffern, bis zu welchem Streitwert Verbraucher bereit sind, eine Klage zu erheben und einen Durchschnittswert von 1.950 Euro ermittelt.112 Dieser Wert wird häufig von Befürwortern von ADR-Verfahren zitiert, um aufzuzeigen, dass ADR-Verfahren die beste Lösung für Konflikte mit geringen Streitwerten sind. Der Aussage des Berichts stehen die Justizstatistiken gegenüber: Etwa ein Drittel der beim Amtsgericht geführten Prozesse beläuft sich auf Streitwerte unter 600 Euro.113 Es werden demnach verhältnismäßig viele Gerichtsverfahren mit Streitwerten unter 600 Euro geführt, von denen auch der Großteil typische Verbraucherstreitmaterien sind.114 Somit strengen Verbraucher bei geringen Streitwerten durchaus Gerichtsverfahren an.115 Die Behauptung, der Kosten- und Zeitaufwand bei Streitwerten unter 600 Euro sei zu groß, ist in dieser Pauschalität somit unzutreffend. Dennoch gibt es in diesem Bereich ungelöste Konflikte, was das rationale Desinteresse belegt. Daraus kann geschlossen werden, dass es eine noch größere Anzahl an Verbraucherkonflikten gibt als bislang durch Justizstatistiken aufgezeigt wird. Viele dieser Konflikte bleiben aufgrund des dargestellten rationalen Desinteresses ungelöst. Dieser Zustand verstärkt sich außerdem wohl dadurch, dass die Neuzugänge bei Gericht rückläufig sind: Von 2003 bis heute ist ein stetiger und ausnahmsloser Rückgang von Klageerhebungen zu verzeichnen.116 111  Borowski, VuR Sonderheft 2016, 45, 51; Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1705 f.; Koch, Verbraucherprozeßrecht, 60. 112  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2014: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem, zur Chancengleichheit und zur Mediation, 8, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen /  presse_2 / publikationen / publikationen.html; kritisch dazu Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138, die angesichts der vielen Enthaltungen auf Seiten der Befragten die Aussagekraft bezweifelt. 113  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 11, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_ serie_00000101. 114  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 11, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_ serie_00000101; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 8. 115  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 8. 116  Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie  10 Reihe 2.1, 12 f., abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie _serie_00000101.



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Um aufzuzeigen, ob sich das Gerichtsverfahren mit seiner aktuellen Ausgestaltung der Kostenregeln nicht gut dazu eignet, Konflikte mit geringen Streitigkeiten zu lösen, werden im Folgenden die Kosten dargelegt. Die Kosten des Gerichtsverfahrens setzen sich aus unterschiedlichen Posten zusammen: Aus den Kosten einer eventuellen Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, den Gerichtskosten und den zusätzlichen Kosten, die durch Aufwendungen rund um das Gerichtsverfahren entstehen wie Reise- und Gutachterkosten und Verdienstausfälle. Die Gerichtskosten setzen sich aus Gebühren und Auslagen zusammen. Die Gebühren sind eine öffentlich-rechtliche Abgabe für die Inanspruchnahme der Gerichtsbarkeit. Sie richten sich gemäß § 34 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) nach dem Streitwert,117 wenn keine konkrete Summe festgelegt wurde. Die Gebühren sind im GKG nebst Kostenverzeichnis geregelt, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, Anlage 2 zu § 34 GKG. Der Kostenverlauf ist hingegen degressiv: Die Gerichtskosten steigen nicht linear mit dem Streitwert an. Sie sind vergleichsweise höher, wenn der Streitwert gering ist.118 Auslagen sind prozessspezifische Ausgaben des Gerichts, wie beispielsweise Büromaterial und Entschädigungen von Sachverständigen, Dolmetschern und Zeugen.119 Die Rechtsanwaltskosten richten sich ebenso wie die Gebühren nach dem Streitwert. Sie werden anhand einer gesetzlichen Gebührentabelle bestimmt;120 möglich ist auch die Vereinbarung eines Zeithonorars.  Grundsätzlich hat die unterliegende Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten eines Prozesses zu tragen. Dazu zählen neben den Gerichtskosten auch die Anwaltskosten, sofern sie aus dem Auftreten des Anwalts nach der Klage resultieren.121 Vorgerichtliche Anwaltskosten sind nur dann ersatzfähig, wenn sie echte Schadenspositionen darstellen. Dies führt dazu, dass die unterliegende Partei gerade bei kleinen Streitwerten einem vergleichsweise hohen Kostenrisiko ausgesetzt ist. Zusätzliche Kosten können dadurch entstehen, dass der zuständige Richter gemäß § 144 ZPO von Amts wegen einen 117  Der

Streitwert richtet sich nach §§ 39 ff. GKG. einem Streitwert bis 500 Euro betragen die Gerichtsgebühren 35 Euro, bei einem Streitwert bis 1.000 Euro betragen sie 53 Euro, bei einem Streitwert bis 1.500 Euro 71 Euro und bei einem Streitwert bis 2.000 Euro 89 Euro, s. § 34 Abs. 1 GKG. 119  Die Höhe der Auslagen richtet sich nach der Kostenverordnung Nr. 9000–9018; detailliert Flockenhaus, in: Musielak / Voit ZPO, Vorbemerkung § 91 Rn. 4; Schellhammer, Die Arbeitsmethode des Zivilrichters, Rn. 326. 120  S. das Vergütungsverzeichnis in § 2 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) Anlage 1 sowie die Gebührentabelle in § 13 RVG Anlage 2. 121  S. statt vieler Schulz, in: MünchKomm ZPO, § 91 Rn. 38. 118  Bei

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Sachverständigenbeweis anordnen kann, dessen Kosten von der unterlegenen Partei zu tragen sind. Trotz großer Unterschiede im Einzelfall soll eine ungefähre Aufstellung der Kosten für Fälle mit einem Streitwert bis 500 Euro erfolgen. Denn in diesem Bereich ist der Großteil der Verbraucherkonflikte angesiedelt. Dies ist gleichzeitig der Bereich, in dem die Kosten im Verhältnis zum Streitwert am höchsten sind und das rationale Desinteresse somit am ehesten begründet ist. Bei einer Prozessbeendigung durch Urteil kann die verlierende Partei mit Kosten von etwa 400 Euro rechnen.122 Die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren belaufen sich auf 103 Euro pro Anwalt: Eine 1,2-fache Terminsgebühr (54 Euro)123 und eine 1,3-fache Verfahrensgebühr (59 Euro)124. Die Gerichtsgebühren betragen 105 Euro, wobei die Auslagen noch nicht einberechnet sind. Wird das Verfahren durch einen Vergleichsschluss beendet, können die Parteien gemäß § 98 S. 1 ZPO über die Kostenverteilung bestimmen. Regelmäßig werden aber nach dieser Norm die Kosten mangels Vereinbarung als gegeneinander aufgehoben angesehen, sodass sie für die einzelne Partei insgesamt niedriger sind. Dies gilt für Prozessvergleiche, Vergleiche vor dem Güterichter, ebenso wie bei außergerichtlichen Einigungen gemäß § 278a ZPO.125 Die Parteien sind jeweils mit etwa 150 Euro belastet: Die Gerichtsgebühren betragen nur 35 Euro nebst Auslagen. Hinzu kommen gegebe­ nenfalls die jeweiligen Rechtsanwaltskosten: Eine 1,2-fache Terminsgebühr (54 Euro)126 und eine 1,5-fache Einigungsgebühr (68 Euro)127. Eine Reduzierung der Kosten ist stets zu erreichen, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet. In diesem Fall entfallen die Terminsgebühren. Da viele Verbraucherkonflikte im Wege des schriftlichen Verfahrens nach billigem Ermessen gelöst werden, sind die Kosten somit häufig geringer. 122  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 68, rechnet mit einem Risiko von etwa 420 Euro. 123  Vergütungsverzeichnis (VV) Nr. 3104 i. V. m. § 13 Abs. 1 S. 1 RVG. 124  VV Nr. 3100 i. V. m. § 13 Abs.1 S. 2 RVG; Aufrundung gem. § 2 Abs. 2 S. 2 RVG. 125  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 81, 201; beim Güterichterverfahren kann gem. Kostenverzeichnis 1900, 5600 GKG eine zusätzliche Gebühr von 0, 25 anfallen, wenn der Güterichter einen Prozessvergleich abschließt, der über den Wert des Verfahrensgegenstandes hinausgeht und in der Folge neu festgesetzt werden muss. 126  VV Nr. 3104 i. V. m. § 13 Abs. 1 S. 1 RVG. 127  VV Nr. 1000 i. V. m. § 13 Abs.1 S. 2 RVG; Aufrundung gem. § 2 Abs. 2 S. 2 RVG.



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Zudem muss beachtet werden, dass das Anwaltshonorar einen hohen Kostenfaktor darstellt. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist für das Verfahren vor dem Amtsgericht jedoch nicht vorgeschrieben. Freiwillig hinzugezogen wurde ein Rechtsanwalt in weniger als der Hälfte der Verfahren.128 Dies ist ein weiterer Grund dafür, dass die Kosten in den meisten Verfahren deutlich geringer sind. Weiterhin kann staatliche Prozesskostenhilfe erlangt werden. Diese richtet sich für Verfahren vor deutschen Gerichten nach den Regeln der §§ 114 ff. ZPO. Für grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb der EU gelten die §§ 114 ff. ZPO ebenfalls aufgrund des Verweises in § 1076 ZPO.129 Voraussetzung ist, dass die Prozesskosten aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht, nicht sofort oder nur teilweise aufgebracht werden können, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Diese Bedürftigkeit wird mithilfe der in § 115 ZPO normierten Tabelle festgestellt. Daneben legt § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO fest, dass die Rechtsverfolgung hinreichend erfolgversprechend sein muss und nicht mutwillig erscheinen darf. Trifft beides zu, wird die Zahlungsanordnung nach den Regeln des § 115 ZPO beschränkt und dem zur Verfügung stehenden Einkommen angepasst.130 Prozesskostenhilfe wird in Deutschland verhältnismäßig großzügig gewährt.131 Bei grenzüberschreitenden Prozessen erleichtert die Prozesskostenhilferichtlinie132 die Antragstellung, sodass sie auch tatsächlich erlangt werden kann.133 Die Prozesskostenhilfe stellt aber nur für bedürftige Personen eine Erleichterung dar. Sie hilft nicht darüber hinweg, dass auch vermögenden Personen die Kosten zum Streitwert unverhältnismäßig hoch erscheinen können. Diese dürften aber häufig rechtsschutzversichert sein.134 Eine Rechtsschutzversicherung erbringt die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der versicherten Personen entstan128  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 30, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen / presse_2 / publikationen / pu blikationen.html. 129  Die §§ 1076–1078 ZPO sind die Umsetzung der Vorgaben der Prozesskostenhilferichtlinie (s. Fn. 424), s. dazu Mäsch, in: Langenbucher, Europäisches Privatund Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 35. 130  Ein beigeordneter Rechtsanwalt kann seine Kosten nur gegenüber dem Staat geltend machen, s. § 122 ZPO; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470. 131  Hay / Rösler, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, 105. 132  Richtlinie 2002 / 8 / EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, ABl. L 26 / 41, 31.1.2003. 133  Mäsch, in: Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, §  9 Rn. 35. 134  Dux, Die pro-bono Tätigkeit des Anwalts und der Zugang zum Recht, 188 f.

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denen Kosten im vereinbarten Umfang.135 In Deutschland sind über 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger rechtsschutzversichert, was im weltweiten Vergleich wohl unerreicht ist.136 Folglich reduzieren sich in vielen Fällen die Gerichtskosten. (3) Zwischenergebnis Für Personen, die Prozesskostenhilfe erlangen können und solche, die rechtsschutzversichert sind, ist das rationale Desinteresse unbegründet, weil die Verfahrensführung mit nur geringen oder überhaupt keinen Kosten verbunden ist.137 Der Anteil der rechtsschutzversicherten Personen in Deutschland ist sehr hoch, sodass für diese die Kosten einem guten Zugang zum Recht nicht entgegenstehen stehen sollten. Im Übrigen gilt: Je kleiner der Streitwert, desto größer das Missverhältnis der zu tragenden Kosten zum Streitwert.138 Trotz dieses Missverhältnisses können die Kosten jedoch als insgesamt niedrig angesehen werden, sodass es nicht nachvollziehbar erscheint, allein aus diesem Grund von der Einleitung eines Verfahrens abzusehen. Ebenso wenig kann die Verfahrensdauer als Grund angeführt werden, da sie wie dargestellt kürzer ist als verbreitet angenommen. Das gleichwohl bestehende rationale Desinteresse könnte aber im Gerichtskostenvorschuss, der gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 GKG zu leisten ist, begründet sein. Erst am Ende des Prozesses werden bei vollständigem Obsiegen einer Partei dieser die Gerichts- und Anwaltskosten sowie sonstige Auslagen ersetzt, §§ 91 ff. ZPO. Es stellt psychologisch einen Unterschied dar, Kosten vorzustrecken und nur bei vollständigem Obsiegen erstattet zu bekommen oder von vornherein überhaupt nicht zahlen zu müssen. Zudem ist die Berechnung der Prozesskosten nicht transparent. Die Kosten hängen insbesondere davon ab, ob in mehreren Instanzen verhandelt wird, in welcher Form der Rechtsstreit endet und ob Gutachter herangezogen werden. Würde 135  § 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, GDVMusterbedingungen 2012, abrufbar unter: http: /  / www.gdv.de / wp-content / uploads /  2017 / 06 / Musterbedingung_Rechtsschutz_ARB_2012_Stand_Juni_2017_final.pdf. 136  S. die Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. über den Bestand an Versicherungsverträgen in der Rechtsschutzversicherung, abrufbar unter: https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 6599 / umfrage / vertrags bestand-der-rechtsschutzversicherung-seit-1990 / ; Dux, Die pro-bono Tätigkeit des Anwalts und der Zugang zum Recht, 188; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 137 m. w. N.; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 11; Schäfer, DRiZ 1995, 461, 466. 137  Ähnlich Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 11, der im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe die Verbraucherschlichtung und das Gerichtsverfahren aus Kostengesichtspunkten als gleich attraktiv bewertet. 138  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 18.



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der Verbraucher genau wissen, in welcher Spannbreite sich die möglichen Kosten bewegen und dass er auch ihre Höhe beeinflussen kann, würde das Gerichtsverfahren sicherlich stärker genutzt. b) Tatsächliche Nutzung der Verbraucherschlichtungsstellen aa) Einfluss von Dauer und Kosten des Verfahrens Die Nutzung der Verbraucherschlichtung hängt ebenso wie die Nutzung des Gerichtsverfahrens hauptsächlich von den Kosten und der Dauer des Verfahrens ab. (1) Dauer der Verbraucherschlichtung Mit der Verbraucherschlichtung soll ein schnelles System der Streitbeilegung geschaffen werden. Pauschal wird in § 20 VSBG die Länge von 90 Tagen für die Bearbeitung der Akte festgelegt. Diese Angabe verspricht dem Verbraucher eine schnelle Lösung des Konflikts, die die Attraktivität steigert. Die 90-Tage-Frist täuscht aber und es bestehen viele Ausnahmen, die doch zu einer längeren Verfahrensdauer führen können: Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Beschwerde vollständig eingegangen ist. In der Regel ist die Beschwerdeakte gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 VSBG vollständig, wenn die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Die Parteien müssen sich insbesondere auch zum Vorbringen der Gegenpartei geäußert haben können.139 Dies kann in Form des schriftlichen und mündlichen Austauschs erfolgen. Die 90 Tage sind folglich nur der Zeitraum, in dem der Streitmittler anhand der Akte einen Schlichtungsvorschlag vorbereitet.140 Dies entspricht beim Gerichtsverfahren dem Zeitraum ab dem Schluss der mündlichen Verhandlung.141 Für den Fall, dass der Streitmittler der Ansicht ist, dass die Beschwerdeakte doch noch nicht vollständig ist und mehr als nur einzelne Fragen geklärt werden müssen, kann erneut in die Phase der Sachverhaltsaufklärung gewechselt werden und die 90-Tage-Frist beginnt abermals zu laufen.142 Ferner gibt es keinen Anspruch auf Einhaltung der 90-Tage-Frist. Mit Zustimmung 139  BR-Drs.

258 / 15, 77. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 20 Rn. 4, 6, der vertritt, dass es sich trotz der Möglichkeit der Befragung der Parteien in dieser Phase um eine Entscheidungsfrist handelt. 141  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138; Stadler, ZZP 2015, 165, 185. 142  Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 20 Rn. 5. 140  Borowski,

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der Parteien kann die Bearbeitungszeit gemäß § 20 Abs. 3 S. 1 VSBG stets verlängert werden. Zudem kann die Frist selbst ohne Einverständnis und nur nach Unterrichtung der Parteien bei der Schlichtung besonders schwieriger Fälle gemäß § 20 Abs. 3 VSBG verlängert werden. Das Gesetz macht keine Angaben dazu, wann eine Streitigkeit als besonders schwierig einzuordnen ist.143 Eine Einschätzung dessen würde voraussetzen, dass die Streitmittler als juristische Laien, die Komplexität des Konflikts erfassen, was bezweifelt werden muss. Allerdings muss die Schwierigkeit der Streitigkeit nicht begründet werden. Ebenso wenig kann eine Fehleinschätzung des Streitmittlers sanktioniert werden.144 Demzufolge wird auch § 20 Abs. 2 VSBG nicht verhindern können, dass die Frist verlängert wird und der Schlichtungsvorschlag nicht innerhalb von 90 Tagen ausgearbeitet wird. Zu der Gesamtdauer des Verfahrens kommt außerdem hinzu, dass den Parteien eine Bedenkzeit bis zur Zustimmung des Vorschlags gewährt wird.145 Dies zeigt, dass das Verfahren von der Antragstellung beginnend gerechnet insgesamt länger dauern kann als 90 Tage, was auch wahrscheinlich ist.146 Insbesondere ist eine längere Dauer bei einer Mediation zu erwarten, weil diese auf den intensiven Austausch angelegt ist. Bei dieser ist deshalb auch davon auszugehen, dass die Frist konkludent verlängert wird.147 Auch Schlichtungsverfahren werden länger als 90 Tagen dauern, wenn sie gründlich erfolgen. Bei Schlichtungen können lange Verfahren nur in dem Fall verhindert werden, dass die Parteien keine aufwändige Sachverhaltsaufklärung wünschen, das gegnerische Vorbringen nicht bestreiten und kein intensiver Schriftverkehr erfolgt, sondern der Streitmittler die Beschwerdeakte zügig vervollständigen kann. Ein solches Schnellverfahren impliziert, dass die Lösung nicht in Kooperation mit den Parteien erarbeitet wird, sondern das Verfahren schriftlich und knapp abläuft.148 Es ist zu erwarten, dass der Schwerpunkt der Schlichtungsverfahren auf die Zügigkeit gelegt wird und die Beschwerdeakte nicht gründlich zusammengestellt wird. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Streitmittler in den meisten Verfahren einen Schlichtungsvorschlag innerhalb von 90 Tagen ausfertigen wird. Da dies aber nicht die gesamte Dauer des Verfahrens darstellt, wird das Verfahren somit 143  Borowski,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 20 Rn. 8. in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 20 VSBG Rn. 5, mit Bezug auf die regelmäßig fehlende Nachweisbarkeit des Schadens; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 13. 145  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 108. 146  Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226; Luzak, ERPL 2016, 81, 87. 147  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 20 VSBG Rn. 3. 148  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 20 VSBG Rn. 3. 144  Greger,



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insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreiten. Als Richtwert kann die Dauer der brancheninternen Schlichtungs- und Ombudsmannverfahren gelten. Beim Ombudsmann der privaten Banken wird das Verfahren durchschnittlich in vier bis sechs Monate geführt.149 Summa summarum ergibt sich kein nennenswerter Unterschied zur Dauer der Verfahren beim Amtsgericht, würde bei der Berechnung der Gerichtsverfahren erst der Eingang der vollständigen Beschwerde als Fristbeginn angesetzt.150 (2) Kosten der Verbraucherschlichtung § 23 Abs. 1 VSBG gibt vor, dass Verbraucher bei Teilnahme an einem Verbraucherschlichtungsverfahren aus zwei Gründen Kosten tragen müssen: Erstens kann das Entgelt bis zu 30 Euro betragen, wenn der Antrag missbräuchlich ist. Zweitens kann ein angemessenes Entgelt erhoben werden, wenn das Verfahren nicht gegen einen Unternehmer, sondern einen anderen Verbraucher geführt wird. Verfahren zwischen zwei Verbrauchern sollen freilich wie erwähnt an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Unter welchen Voraussetzungen der Antrag missbräuchlich ist, wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Dies ist jedenfalls nicht bereits dann anzunehmen, wenn ein Ablehnungsgrund aus § 14 VSBG vorliegt.151 Die Verbraucherschlichtungsstellen sollten die Auslegung der Missbräuchlichkeit an die Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Abs. 2 ZPO anlehnen, die bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Antrags auf Prozesskostenhilfe eine Rolle spielt. Nach § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Dabei sind Rechtsstreitigkeiten nicht allein deshalb mutwillig, weil es sich nur um einen geringen Streitwert handelt.152 Der Zweck dieser Regelung ist, Rechtsstreitigkeiten nicht auf Kosten 149  Bundschuh, ZBB 1998, 2, 6; ähnlich Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226; Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland, 66. 150  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138; Stadler, ZZP 2015, 165, 185, die sogar der Ansicht ist, dass die Schlichtungsverfahren nicht mit der Schnelligkeit der Gerichtsverfahren mithalten werden können. 151  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 23 Rn. 3, leitet dies richtigerweise aus der Regelung in § 14 Abs. 1 lit. a VSBG ab, wonach der Streitmittler das laufende Verfahren abbrechen kann, wenn der Unternehmer sich auf die Verjährung beruft – die Verjährung bei Antragstellung führt also noch nicht zur Ablehnung des Verfahrens; zustimmend Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 256. 152  BT-Drs. 17 / 11472, 29.

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der Allgemeinheit zu ermöglichen, die bei besonnener Einschätzung der Prozesschancen und -risiken nicht geführt würden.153 Ebenso wenig sollte ein Verbraucherschlichtungsverfahren nicht nur geführt werden, um den Unternehmer absichtlich mit den Verfahrenskosten zu schädigen. Das Ziel der Vorschriften ist somit vergleichbar, sodass die Auslegung des § 23 Abs. 1 VSBG an § 114 Abs. 2 ZPO angelehnt werden sollte. Der Antrag wird aber selten als missbräuchlich im Sinne des § 23 Abs. 1 VSBG zu bewerten sein. Folglich sind Verfahren für den Verbraucher in den allermeisten Fällen kostenlos und nur der Unternehmer wird zur Kostentragung herangezogen. Die zur Kostentragung verpflichteten Unternehmer werden die Kosten zwar dauerhaft auf die Verbraucher umlagern, indem sie die Preise für die Produkte erhöhen.154 Dies bezieht der Verbraucher aber nicht in seine Erwägungen bei der Auswahl der Streitbeilegungsverfahren ein. Solange nur die individuellen Kosten für die Streitbeilegung gesenkt sind, bleiben sie attraktiv und werden genutzt. Entstehen aber im Laufe des Verfahrens zusätzliche Kosten, wie zum Beispiel im Falle einer mündlichen Verhandlung die Reisekosten oder Kosten für Beweise und Sachverständigengutachten, können diese bei entsprechender Einigung auf die Parteien verteilt werden.155 Die Kosten des Rechtsanwalts müssen stets von der Partei getragen werden, die ihn hinzuzieht.156 Dies ist ein entscheidender Unterschied zum Gerichtsverfahren, bei welchem die verlierende Partei alle Kosten, sogar grundsätzlich auch die gegnerischen Rechtsanwaltsgebühren, tragen muss.157 Folglich bleibt die Verbraucherschlichtung kostenlos, wenn sie nicht mit besonderer Gründlichkeit verfolgt wird. Sobald die Lösung des Falles komplizierter wird, weil Sachfragen nicht leicht zu klären sind, kommen für den Verbraucher Kosten auf. Für Verbraucher ist es jedoch nicht unüblich, auf juristische Aufklärung und die genaue Erläuterung der Rechtslage zugunsten eines kostengünstigeren Verfahrens zu verzichten.158 153  BT-Drs.

17 / 11472, 29. 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 272; Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226; Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 390, der jedoch davon ausgeht, dass private Streitbeilegung dennoch insgesamt weniger Kosten als die Gerichte hervorrufen wird, weil es so aussieht, als würde dort effizienter gearbeitet. 155  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 15; Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 103. 156  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 23 VSBG Rn. 6. 157  Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226. 158  Hodges, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 336, 364. 154  Eidenmüller / Engel,



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Somit entstehen für den Verbraucher in den meisten Fällen nur geringfügige Kosten. bb) Einfluss des VSBG auf das rationale Desinteresse Das VSBG hat aufgrund der minimalen Kosten für den Verbraucher das Potential, auch die Konflikte mit geringen Streitwerten zu erreichen, die aufgrund des hohen Kostenrisikos nicht zu Gericht gelangen.159 Allerdings gelingt dies nur, wenn auf eine mündliche Verhandlung und auf eine gründliche Sachverhaltsaufklärung mit aufwändiger Beweisaufnahme verzichtet wird, weil ansonsten die Kosten und die Dauer des Verfahrens steigen und auch der Verbraucher die Kosten tragen muss. Geringe Kosten können bei komplexen Sachverhalten folglich dazu führen, dass Unklarheiten verbleiben. Bei einem unklaren Sachverhalt würde eine am geschriebenen Recht ausgerichtete Lösung wie § 19 VSBG sie grundsätzlich erfordert, nur erreicht werden, wenn die Lösung auf Grundlage einer Beweislastentscheidung gefunden wird. Dies ist jedoch untypisch für Schlichtungsverfahren. Vielmehr werden bei Schlichtungen meistens Kompromisslösungen gefunden.160 Somit ist auch vom Streitmittler zu erwarten, dass er Kompromisslösungen ausarbeitet und Wahrscheinlichkeiten abwägt. Dies erfüllt wiederum nicht die Vorgabe des § 19 VSBG, sodass das VSBG in sich widersprüchlich ist. Arbeitet der Streitmittler bei der Ausformung der Schlichtungsvorschläge von vornherein auf einen Vergleichsvorschlag hin und haftet nicht streng am geltenden Recht, wird die Verbraucherschlichtung an Attraktivität gewinnen und von Verbrauchern intensiv genutzt werden. Sie ist zwar auch nicht schneller als das amtsgerichtliche Verfahren, aber kostengünstiger. Dies bevorzugen Verbraucher häufig gegenüber einer gründlichen Konfliktlösung anhand des Rechts. So ist das Vertrauen in die Nutzung der alternativen Konfliktlösungssysteme in den letzten Jahren gestiegen. 48 Prozent der Bevölkerung gaben an, dass sie eine Mediation für die Lösung eines rechtlichen Konflikts bevorzugen würden, nur 19 Prozent präferieren das Gerichtsverfahren.161 Daraus wird deutlich, dass die gütliche Einigung einer Streitent­ scheidung vorgezogen wird und den Verbrauchern noch nicht hinreichend bewusst ist, dass bei Gericht auch Mediationen durchgeführt werden kön159  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 263, 268; Luzak, ERPL 2016, 81, 86. 160  S. dazu umfassend Kap. 3 B. IV. 1. f) der Darstellung. 161  ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 20, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen / presse_2 / publikationen / pu blikationen.html.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

nen. Dass Mediationen bevorzugt werden verwundert, da das Gefühl weniger zu erhalten als das Gesetz einem gewährt, gerade auch häufig einen Grund für Verbraucher darstellt, kein außergerichtliches Verfahren einzuleiten.162 Wenn die Vorteile der außergerichtlichen Streitbeilegung allerdings überwiegen, wird hingenommen, dass sich das Recht möglicherweise nicht in vollem Maße bewährt.163 Außerdem zeigen Studien, dass es weniger als der Hälfte der Verbraucher nicht darauf ankommt, dass sie bei dem Ergebnis der Streitschlichtung das erlangen, was ihnen rechtlich zusteht, solange ihr Problem gelöst wird und sie eine neutrale Stellungnahme zum Konflikt erhalten.164 Dies erklärt auch, warum die Branchenschlichtung in Deutschland erheblich an Bedeutung gewonnen hat und kontinuierlich Zuwächse verzeichnet.165 Nur weil Unternehmervertreter und Anwälte die Schlichtungsverfahren oft nicht kennen oder nicht mit ihnen vertraut sind, wird noch vermehrt das konventionelle Gerichtsverfahren angestrebt.166 Da das VSBG die bislang lückenhafte und unübersichtliche Struktur167 der alternativen Streitbeilegung in Deutschland ordnet,168 wird in Zukunft wohl eine stärkere Nutzung der Verbraucherschlichtung zu verzeichnen sein.169 Prognostiziert wird vor allem eine Zunahme der Streitbeilegung bei Summen von 40 bis 80 Euro.170 Jedoch muss der Verbraucherschlichtung eine Etablierungsphase zugestanden werden. Es wird sich positiv auf die Resonanz der Verbraucherschlichtung auswirken, dass der Weg zum Gericht nicht versperrt ist.171 So kann das Verfahren genutzt werden, ohne dass die gerichtliche Lö162  So generell in Bezug auf freiwillige Streitbeilegungsverfahren Feix, Die Verankerung einvernehmlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess, 219. 163  Dies für Familienmediationen annehmend Feix, Die Verankerung einvernehmlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess, 219. 164  Creutzfeldt, What people expect from ombudsmen in the UK, 13, Abbildung 1, Studie auf Grundlage von 1024 Befragten Nutzer von öffentlichen und privaten Ombudsmannverfahren in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich. 165  Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 104. 166  Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 22. 167  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 88. 168  Greger, ZZP 2015, 137, 139. 169  So Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 308; Greger, ZZP 2015, 137, 141; Hodges, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 336, 364 ff.; s. aber zu den Unklarheiten beim Auffinden der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle in diesem Kapitel unter A I. 1. b) der Darstellung. 170  Frank / Henke / Singbartl, VuR 2016, 333, 336; zu ersten Zahlen siehe Kap. 4 A. I. der Darstellung. 171  Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 23.



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sung als Chance verbaut wird.172 Negativ könnte sich aber auswirken, dass das VSBG zusätzlich anfallende Kosten für etwaige Sachverständigengutachten oder die Beteiligung von Rechtsanwälten nicht angibt.173 Auch die klare Nennung von 90 Tagen kann wie aufgezeigt in die Irre führen. Schlussfolgernd hat die Verbraucherschlichtung das Potential, das rationale Desinteresse zu mindern.174 Der Zugang ist aufgrund der geringen Kosten des Verfahrens besser als bei den Amtsgerichten.

II. Phase der Einleitung des Verfahrens 1. Antragstellung Für einen guten Zugang zu einem Streitbeilegungsverfahren ist es wichtig, dass es dem Verbraucher leicht gemacht wird, seine Beschwerde einzureichen. Neben verständlichen Formularen können telefonische oder persönliche Hilfsangebote den Zugang verbessern.175 a) Antrag auf Durchführung einer Verbraucherschlichtung Das Verbraucherschlichtungsverfahren wird durch einen Antrag bei der Stelle selbst eingeleitet (aa)). Fällt die Sache aber in den Anwendungsbereich der ODR-VO, kann der Antrag auch online auf der ODR-Plattform gestellt werden (bb)). aa) Antragstellung bei der Verbraucherschlichtungsstelle Das VSBG macht keine Angaben dazu, welchen Inhalt der Antrag bei der Verbraucherschlichtungsstelle enthalten soll. In Anlehnung an die zivilprozessuale Regelung des § 253 ZPO ist zu fordern, dass der Antragsteller seinen Namen und den Namen des Antragsgegners benennt, sowie seine Beschwerde und sein Ziel beschreibt.176

172  Kritisch aber Engel, AnwBl 2013, 478, 482, der befürchtet, dass die Verbraucherschlichtung als Probeverfahren missbraucht wird. 173  Luzak, ERPL 2016, 81, 87. 174  Wohl auch Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 268. 175  Miletzki, Formen der Konfliktregelung im Verbraucherrecht, 75; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 253. 176  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 70.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Die Verbraucherschlichtungsstellen können die nötige Form des Antrags festsetzen. Machen sie keine Angaben, bedeutet dies, dass jede Form der Mitteilung zugelassen ist.177 § 11 VSBG gibt lediglich vor, dass jegliche Kontaktaufnahme in Textform akzeptiert werden muss und dass keine strengere Vorgabe gemacht werden darf. Ausweislich der Gesetzesbegründung bezieht sich § 11 VSBG auf die Textform im Sinne des § 126b BGB, sodass auch eine elektronische Übertragung zulässig ist.178 Wird der Antrag elektronisch gestellt, hat dies den Vorteil, dass er zeit- und ortsunabhängig erfolgen kann.179 Daneben wird aber auch die Gruppe von Verbrauchern erreicht, die nicht technisch versiert ist, denn es wird jedes Medium akzeptiert, auf dem eine Erklärung für den Empfänger zugänglich gespeichert werden kann.180 Eine mündliche Antragstellung wird indes von den meisten Verbraucherschlichtungsstellen nicht vorgesehen, nicht zuletzt weil es sich um schriftlich geführte Verfahren handelt.181 In einigen Schlichtungsordnungen ist vorgesehen, dass die Verbraucherschlichtungsstelle den Antragsteller auf formale Mängel seines Antrags hinweist.182 Davon abgesehen wird bei der Antragstellung meistens nur anhand von online auszufüllenden Formularen Hilfe geleistet.183 Solche Online-Formulare sind in der bisherigen Schlichtungspraxis gängig und stehen häufig fakultativ zur Verfügung.184 Sie können direkt auf der Webseite der Schlichtungsstelle ausgefüllt und abgesendet werden. Dies hat den Vorteil, dass automatisch angezeigt wird, ob der Antrag vollständig ist. Ob Verbraucherschlichtungsstellen solche Online-Formulare flächendeckend und einheitlich zur Verfügung stellen, hängt von ihren einzelnen Schlichtungsordnungen ab. Das VSBG schreibt dies – anders als Art. 5 Abs. 2 lit. a ADR-RL – leider nicht vor. Dass das Einreichen vom Einhalten einer Frist abhängig gemacht werden kann, erschwert die Antragstellung nicht bedeutend, zumal auch laut § 17 Abs. 1 S. 3 VSBG die Frist auf Antrag verlängert werden kann. 177  Borowski,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 11 Rn. 6. 18 / 5089, 58; BR-Drs.  258 / 15, 70; Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 11 Rn. 5; Becklein, GPR 2012, 232, 235; Ring, Das neue VSBG in der anwaltlichen Praxis, 97 f. 179  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 114. 180  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 304 f. 181  Dies als Hürde betrachtend Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226. 182  So z. B. § 11 Abs. 3 LuftSchlichtV. 183  Dazu Berlin, ZKM 2015, 26, 28; Stadler, ZZP 2015, 165, 182. 184  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 304; vgl. nur beispielhaft das Formular der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, abrufbar unter: https: /  / soep-online.de / ihre-beschwerde.html. 178  BT-Drs.



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Geht eine Beschwerde bei der Verbraucherschlichtungsstelle ein, prüft sie anhand der eigenen Verfahrensordnung und des VSBG, ob sie zuständig ist und ob keine Ablehnungsgründe vorliegen.185 Hat der Unternehmer sich im Vorhinein zur Durchführung von Verbraucherschlichtungsverfahren bereit erklärt,186 beginnt das Verfahren. Andernfalls unterrichtet die Verbraucherschlichtungsstelle den Unternehmer über den Antrag und erfragt seine Zustimmung. Zwischen den Parteien und der Verbraucherschlichtungsstelle wird ein Vertrag geschlossen, durch den sich die Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet, das Verfahren nach der Verfahrensordnung durchzuführen; der Unternehmer verpflichtet sich, das Entgelt gemäß § 23 Abs. 2 VSBG zu zahlen.187 Die Antragstellung sowie das Verfahren erfolgen gemäß § 12 Abs. 1 VSBG grundsätzlich in deutscher Sprache. Gemäß § 12 Abs. 2 VSBG bleibt es der Verbraucherschlichtungsstelle überlassen, auch andere Sprachen zuzulassen.188 Soll das Verfahren in einer anderen Sprache geführt werden, müssen beide Parteien dies nach § 12 Abs. 1 S. 1 VSBG akzeptieren. Gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 VSBG kann auch eine Sprache gewählt werden, die nicht in der Verfahrensordnung vorgesehen ist, wenn beide Parteien dies wünschen und auch der Streitmittler in dieser Sprache verhandlungssicher ist. Es besteht selbst die Möglichkeit, sich auf zwei verschiedene Sprachen zu einigen. Es kann jedoch mit guten Gründen bezweifelt werden, dass sich ein Streitmittler häufig auf die Verfahrensführung in einer anderen Sprache einlässt. Dies ist auch regelmäßig mit höheren Kosten verbunden, welche vom Träger der Verbraucherschlichtungsstelle akzeptiert werden müssen. Nachteilig ist dies vor allem für Personen, die zwar ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, der deutschen Sprache aber nicht mächtig sind. Sie müssen auf eigene Kosten Übersetzungshilfen beanspruchen, denn die Verbraucherschlichtungsstellen stellen keinen Dolmetscher. Ebenso werden deutsche Verbraucher benachteiligt, die ein Verfahren vor einer ausländischen Schlichtungsstelle führen: Fällt die Streitigkeit nicht in den Anwendungsbereich der ODR-VO, gilt die Verfahrenssprache, auf die 185  S. zu

den Ablehnungsgründen in diesem Kapitel bei A. II. 3. a) der Darstellung. ist nicht als invitatio ad offerendum, sondern als bindendes Angebot zu werten, Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 36 VSBG Rn. 13; Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 25. 187  Zwischen den Parteien und der Schlichtungsstelle entsteht ein dreiseitiges Rechtsverhältnis, das als Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB zu qualifizieren ist, bei behördlichen Schlichtungsstellen als ein öffentliches-rechtliches Verhältnis sui generis, s. Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 188; Gössl, RIW 2016, 473, 475 m. w. N. 188  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 42. 186  Dies

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

sich die Schlichtungsstelle im Ausland festgelegt hat, denn die ADR-RL gestattet es, dass das Verfahren nur in der jeweiligen Landessprache angeboten wird. Es ist anzunehmen, dass dies zumeist der Fall sein wird.189 Insgesamt betrachtet stellt es einen positiven Beitrag für den Zugang dar, dass der Antrag in elektronischer Form akzeptiert wird. Insbesondere die Online-Formulare durchbrechen viele Hürden der Antragstellung. Der Zugänglichkeit abträglich sind jedoch zum einen die möglichen auftretenden Sprachprobleme und zum anderen, dass jede Verbraucherschlichtungsstelle frei darin ist, die genauen Anforderungen eigenständig zu regeln. Dadurch ist die Antragstellung für den Verbraucher nicht transparent. Er muss sich bei jedem Streit neu informieren.190 Allein Online-Formulare können dem ein Stück weit abhelfen, weil der Verbraucher durch diese sicher sein kann, dass er keine Information übersehen hat. Online-Formulare sind aber nicht zwingend bereitzustellen. bb) Antragstellung über die ODR-Plattform Eine weitere Möglichkeit, ein Verfahren bei einer Verbraucherschlichtungsstelle einzuleiten, besteht für online abgeschlossene Kauf- und Dienstleistungsverträge. Auf der Webseite der ODR-Plattform befindet sich ein spezielles Online-Formular, welches der Beschwerdeführer ausfüllen muss. Neben Entscheidungsfragen zum Ankreuzen enthält es auch einige Freifelder. Anhand der anzugebenden Information kann die zuständige Stelle aufgefunden werden und bestenfalls unmittelbar mit der Konfliktlösung begonnen werden. Die Plattform sowie das Beschwerdeformular sind in allen europäischen Amtssprachen zugänglich. Die Beschwerde wird gemäß Art. 5 Abs. 4 lit. e ODR-VO von einem Online-Übersetzungsprogramm automatisch übersetzt. Dies kann als ein großer Vorteil angesehen werden, weil ein gemeinsames Sprachverständnis der Parteien schon allein zu einem gegenseitigen Nachgeben und einer friedlichen Lösung führen kann.191 Trotz der qualitativen Schwächen von Übersetzungsprogrammen192 können etwaige Hemmungen bei der Lösung eines multilingualen Konflikts beseitigt werden.

189  Höxter,

VuR Sonderheft 2016, 29, 31. auch Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226. 191  Braun / Oppelt, VuR Sonderheft 2016, 33, 34. 192  Solche sind anzunehmen, obwohl gem. Erwägungsgrund 19 ODR-VO auch menschliche Unterstützung geleistet werden soll; Braun / Oppelt, VuR Sonderheft 2016, 33, 34. 190  Kritisch



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Die ODR-Plattform leitet den Antrag an die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle weiter, sobald sich die Parteien auf eine Stelle verständigt haben.193 Sie können gemäß Art. 9 Abs. 3 lit. a ODR-VO zwischen mehreren zuständigen Stellen frei wählen und sich sogar auf eine grundsätzlich nicht zuständige ADR-Stelle einigen, welche dann zuständig wird.194 In diesem Zusammenhang steht zu befürchten, dass eine Einigung in vielen Fällen nur dann erfolgt, wenn es sich um eine vom Unternehmer benannte ADR-Stelle handelt.195 Kommt innerhalb von 30 Tagen keine Einigung über eine Verbraucherschlichtungsstelle zustande, wird die Beschwerde nicht weiter bearbeitet und die Parteien können sich mit einem Online-Streitbeilegungsberater in Kontakt setzen, Art. 9 Abs. 8 ODR-VO. Dieser Berater soll unterstützend tätig werden und setzt sich beispielsweise für eine gute Kommunikation zwischen den Parteien ein.196 Bei der Durchführung von grenzüberschreitenden Verfahren werden die Parteien gemäß Art. 7 ODR-VO zudem durch eine Kontaktstelle für die Online-Streitbeilegung unterstützt.197 Diese Aufgabe übernimmt in Deutschland das Zentrum für  Europäischen Verbraucherschutz e. V. in Kehl.198 Die Parteien werden bei der Beschwerdeeinreichung über die Verbraucherrechte in dem Mitgliedstaat der Kontaktstelle informiert, ihnen werden die Funktion der Online-Streitbeilegung und die Verfahrensregeln sowie weitere Streitbeilegungsmöglichkeiten näher gebracht, Art. 7 Abs. 2 lit. a ODR-VO. b) Antrag auf Durchführung eines Gerichtsverfahrens Im Unterschied zur Verbraucherschlichtung erfolgt die Klageerhebung bei den Amtsgerichten einheitlich. § 253 Abs. 2 ZPO gibt vor, dass neben der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts der Anspruchsgegenstand und -grund angegeben sowie ein bestimmter Antrag gestellt werden muss. Nur für die Einleitung eines Mahnverfahrens und eines europäischen Verfahrens 193  Roder,

in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 81. aus Art. 9 Abs. 3 lit. a 2. Halbsatz ODR-VO entnehmend Meller-Hannich, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 19, 34. 195  Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 30. 196  Deutlmoser / Engel, MMR 2012, 433, 437. 197  Art. 7 Abs. 3 ODR-VO legt fest, dass die Unterstützungshandlungen nur für grenzüberschreitende Konflikte gelten; gem. Art. 7 Abs. 4 ODR-VO könnte die Zuständigkeit auch erweitert werden, davon hat Deutschland aber keinen Gebrauch gemacht, s. § 40 Abs. 1 Nr. 2 VSBG. 198  Das Bundesamt für Justiz hat diese Funktion gem. § 40 Abs. 2 VSBG dem Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz übertragen; zukünftig könnte auch das ECC-Net die Aufgabe der ODR-Kontaktstelle übernehmen, so Braun / Oppelt, VuR Sonderheft 2016, 33, 35. 194  Dies

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für geringfügige Forderungen bestehen Sonderregelungen. Für das Gros der Konflikte kann nach einem bekannten formellen Muster vorgegangen werden. § 184 GVG bestimmt, dass die Klage schriftlich und in deutscher Sprache einzureichen ist. § 496 ZPO gestattet es zudem, die Klage mündlich bei der Geschäftsstelle eines beliebigen Amtsgerichts zu Protokoll zu geben, welches die Klage in dem Fall an das zuständige Gericht weiterleitet. Dies begünstigt vor allem Kläger, die nicht anwaltlich vertreten werden.199 Für die Form der Klageeinreichung galt gemäß §§ 130, 130a ZPO a. F. bislang die Schriftform. Die elektronische Klageeinreichung wurde zunächst anhand von Pilotprojekten an einzelnen Gerichten erprobt. § 130a Abs. 2 ZPO a. F. bestimmte aber bereits, dass die Landesregierungen und die Bundesregierung dazu ermächtigt sind, die Kommunikation in Form eines elektronischen Dokuments zuzulassen. Obwohl daraufhin bei den meisten Landesgerichten und bei allen Bundesgerichten die elektronische Einreichung ermöglicht wurde, erfolgte die Antragstellung bisweilen fast immer noch auf herkömmlichem Wege.200 Dies mag daran gelegen haben, dass die genauen Anforderungen differierten und für den Verbraucher unübersichtlich waren.201 Diese unzufriedenstellende Situation hat sich nun durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten202 geän­ dert:203 Der elektronische Rechtsverkehr ist seit dem 1.1.2018204 bundesweit vereinheitlicht und gilt ausnahmslos bei allen Zivilverfahren. Gemäß § 130a Abs. 1 ZPO n. F. ist die elektronische Form für vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter erlaubt. Ab dem Jahr 2022 wird der elektronische Rechtsverkehr zwischen Rechtsanwälten und dem Gericht sowie behördenintern verpflichtend sein, Art. 1 Nr. 4 i. V. m. Art. 26 Abs. 7 Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. Die elektronische Klageeinreichung stellt eine wichtige Modernisierungsmaßnahme dar, die geeignet ist, den Zugang zu den Gerichten zu verbessern. Insbesondere die Möglichkeit sie bei allen Zivilgerichten vorzunehmen, kann zur vermehrten Nutzung durch die Verbraucher beitragen. Dadurch, dass eine weitere Form der Klageeinreichung existiert, kann der Verbraucher die für 199  Braun,

Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 1105. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 60. 201  Müller, JuS 2015, 609, 610. 202  BGBl. Teil I 2013, Nr. 62, 16.10.2013, 3786. 203  S. zu den Neuerungen des Gesetzes auch Jost / Kempe, NJW 2017, 2705, 2705. 204  Allerdings bestehen Umsetzungsspielräume und die Umsetzung kann durch Rechtsverordnung bis zum 31.12.2019 hinausgezögert werden. 200  Röthemeyer,



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ihn komfortabelste Form auswählen. Insgesamt sind die ihm zur Verfügung stehenden Mittel daher und gerade auch Dank des mündlichen Antrags vielfältiger als bei der Verbraucherschlichtung. Gleichwohl besteht noch eine größere Hürde gerichtliche Verfahren einzuleiten, weil das elektronische Dokument gemäß § 130a Abs. 3 ZPO n. F. jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Unterschrift versehen werden muss. Aus Sicherheitsgründen und insbesondere um Manipulationen zu verhindern, reicht eine einfache E-Mail an das Gericht nicht aus.205 Dies ist mühsamer als bei den Verbraucherschlichtungsstellen, die über ein OnlineFormular oder per E-Mail angerufen werden können. Handelt es sich um einen grenzüberschreitenden Konflikt, leistet die EU bei der Antragstellung Hilfe. So unterrichtet das Europäische Justizielle Netz in Zivil- und Handelssachen auf seiner Webseite in verschiedenen Amtssprachen über die prozessualen Möglichkeiten in allen Mitgliedstaaten.206 Es wird über die Prozessrechte informiert und beim Auffinden des zuständigen Gerichts assistiert. Da der Verbraucher allerdings durch den Verbrauchergerichtsstand geschützt ist, wird er diese Hilfe nicht oft in Anspruch nehmen müssen, sondern kann sich nach den nationalen Vorgaben für eine Klageeinreichung richten. Dadurch ist ihm auch die Antragstellung bei grenzüberschreitenden Konflikten erleichtert. Abweichendes gilt nur für die Einleitung eines Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen: Bei beiden muss die Antragstellung zwingend mithilfe eines Formblatts erfolgen, § 703c ZPO und Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 Geringfügige-Forderungen-VO. Beim Mahnverfahren ist dies dem Umstand geschuldet, dass der Antrag maschinell bearbeitet wird. Das Formular ist unter anderem leicht im Internet zu finden207 und es kann ausgewählt werden, ob der Mahnantrag ausgedruckt und per Post an das Gericht geschickt wird oder online ausgefüllt und elektronisch versendet wird. Bei der zweiten Möglichkeit benötigt der Verbraucher eine sogenannte Signaturkomponente für die elektronische Unterschrift. Der Mahnantrag stellt sich folglich als niedrigschwellig dar. Dem Anwendungsbereich unterfallen aber nicht viele Verbraucherkonflikte. In den wenigen verbleibenden Fällen richtet sich das Mahnverfahren überdies meistens gegen den Verbraucher und wird nicht von diesem eingeleitet.208 205  Müller,

JuS 2015, 609, 610. unter: https: /  / e-justice.europa.eu / content_how_to_proceed-34-lu-de. do?member=1; Hess, in Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 47. 207  Abrufbar unter: https: /  / www.online-mahnantrag.de / omahn / Mahnantrag. 208  Weber, VuR Sonderheft 2016, 22, 25; s. dazu unter Kapitel 2, A. II. 3. b) der Darstellung. 206  Abrufbar

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Auch bei den europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen erweist sich die Antragstellung als einfach und dennoch wird das Verfahren nicht viel genutzt.209 Auch bei diesen ist das Formblatt leicht auffindbar,210 weil es bei jedem Gericht und je nach Mitgliedstaat auch an anderen öffentlichen Orten wie beispielsweise bei Verbraucherorganisationen oder Beratungsstellen erhältlich ist. Ferner sind eine elektronische Version des Klage­ antrags und weitere Formblätter auf der Webseite des Europäischen Justizportals in jeder mitgliedstaatlichen Amtssprache erhältlich.211 Zudem ist das Formular in der Verordnung selbst als Anhang abgedruckt, sodass es auch auf diesem Wege im Internet zu finden ist. Das Formular kann entweder auf dem Postweg oder elektronisch bei dem Gericht des Wohnsitzes eingereicht werden. Bei etwaigen aufkommenden Problemen bei der Antragstellung legt Art. 11 Geringfügige-Forderungen-VO fest, dass die Gerichte bei der Antragstellung Hilfe leisten sollen. Trotz dieser Besonderheiten stellt sich die Antragstellung bei Gericht insgesamt als übersichtlich dar. c) Bewertung Die Antragstellung bei einer Verbraucherschlichtungsstelle bedarf in der Summe einer geringeren Einhaltung an Formalitäten und ist deswegen einfacher als beim Gericht. Bei der Verbraucherschlichtung reichen für die Antragstellung eine einfache E-Mail und vielfach sogar das Ausfüllen eines Online-Formulars. Zwar kann neuerdings auch mit dem Gericht in elektro­ nischer Form kommuniziert werden, allerdings kann insbesondere die elek­ tronische Signatur dem Verbraucher noch Schwierigkeiten bereiten, da der Rechtsverkehr mit dieser noch nicht vertraut ist. Die Hürde für die gericht­ lichen Verfahren ist somit höher. Es ist zu erwarten, dass die Justiz weitere Modernisierungsmaßnahmen vornimmt. Beim Mahnverfahren und beim europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen besteht bereits die Möglichkeit, Formulare elektronisch zu übersenden. § 130c ZPO n. F. ermächtigt nun das Bundesministerium der Justiz dazu, weitere elektronische Formulare einzuführen. Wird diese Möglichkeit genutzt, werden die Gerichte besser zugänglich, weil Verbraucher durch die Antragstellung geleitet werden und die Schwierigkeiten bei der Formulierung ihres rechtlichen Anliegens somit weitestgehend beseitigt werden können.

209  S. Kapitel

2, A. II. 3. a) der Darstellung. Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 164. 211  Unter der Rubrik „dynamische Formulare“, abrufbar unter: https: /  / e-justice. europa.eu / home.do?plang=de&action=home. 210  A A



A. „Zugang“ 107

Die (noch) bestehende leichtere Antragstellung bei der Verbraucherschlichtung liegt vor allem an der ODR-VO.212 In ihrem Anwendungsbereich können Verbraucherschlichtungen stets über ein Online-Formular eingeleitet werden. Zwar stellen auch die mitgliedstaatlichen Gerichte ein Formular für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zur Verfügung, allerdings betrifft die ODR-VO nicht nur grenzüberschreitende Verträge, sondern alle online geschlossenen Verträge. Die elektronische Beschwerdeeinreichung über die ODR-Plattform erleichtert die Antragstellung auch gerade aus dem Grund, dass in den Anwendungsbereich der ODR-VO ausschließlich online geschlossene Verträge fallen und somit vorausgesetzt werden kann, dass die Parteien mit der Onlinekommunikation vertraut sind. Vorteilhaft an den Online-Formularen der ODR-VO ist vor allem, dass sofort eingesehen werden kann, welche Angaben für die Antragstellung erforderlich sind und automatisch darauf hingewiesen wird, welche Angaben fehlen.213 Wichtig ist freilich, dass in Online-Formularen stets ausreichend Freifelder vorgesehen sind, sodass dem Verbraucher keine Aussage oktroyiert wird, weil er nur unter einer begrenzten Auswahl an Vorformulierungen auswählen kann.214 Dies ist bei dem Formular auf der ODR-Plattform gegeben. Außerdem beseitigt die ODR-VO weitgehend die Sprachprobleme, die bei den Verbraucherschlichtungsstellen auftreten können. Außerhalb des Anwendungsbereichs der ODR-VO stellt sich als Hürde zu den Verbraucherschlichtungsstellen dar, dass die Antragstellung für den Verbraucher aufgrund der Freiräume der einzelnen Schlichtungsstellen nicht transparent ist. Stärker als bei Gericht und bei Nutzung der ODR-Plattform, muss er sich mit den jeweiligen Anforderungen vorab vertraut machen. In diesem Fall bestehen ferner Sprachbarrieren. Die Verbraucherschlichtungsstellen täten gut daran, ein einheitliches System zu etablieren, das nicht zu viele Unterschiede zwischen ihnen zulässt. Dadurch könnte der Zugang verbessert werden. Es ist bedauerlich, dass das VSBG die Chance verpasst hat, die Antragstellung einheitlich zu regeln. Insgesamt überwiegen die Vorteile der Antragstellung auf Durchführung einer Verbraucherschlichtung nur leicht und werden zukünftig durch weitere Modernisierungen in der Justiz abnehmen.

212  Berlin,

Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 304. Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 304. 214  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 2 Grundlagen und Anwendungsbereich des VSBG, Rn. 118. 213  Berlin,

108

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

2. Teilnahmepflicht und -bereitschaft Ein guter Zugang zum Verfahren besteht nur, wenn die Chancen groß sind, dass der Antragsgegner auch am Verfahren teilnimmt bzw. der Konflikt gelöst werden kann. a) Freiwilligkeit der Verbraucherschlichtung Die Umsetzung der ADR-RL in Deutschland hat bislang noch nicht zu einer verpflichtenden Teilnahme an der Verbraucherschlichtung für eine der Parteien geführt, obwohl Art. 1 S. 2 ADR-RL dies zulassen würde. Für den Verbraucher ist dies auch zukünftig nicht zu erwarten: § 309 Nr. 14 BGB lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, den Verbraucher nicht zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung zu drängen. Hiernach darf der Unternehmer dem Verbraucher in seinen AGB nicht auferlegen, zuerst eine außergerichtliche Streitbeilegung durchführen zu müssen, bevor er den Streit zu Gericht trägt. Eine Auferlegung dieser Pflicht durch den Gesetzgeber würde den Verbraucher in die gleiche Lage versetzen, sodass damit nicht zu rechnen ist. Wahrscheinlicher ist, dass der Gesetzgeber den Unternehmer zur Teilnahme verpflichten wird. Denn in einigen Branchen besteht für Unternehmer bereits eine Teilnahmepflicht: Im Bereich der Energie gemäß § 111b Abs. 1 S. 2 Energiewirtschaftsgesetz,215 für den Luftverkehr nach § 57a Luftverkehrsgesetz216 und gemäß § 191f Bundesrechtsanwaltsordnung für die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Auch die Mitglieder des eingetragenen Vereins des Versicherungsombudsmanns sind durch ihre Mitgliedschaft zur Teilnahme an Verbraucherschlichtungen verpflichtet.217 Zudem gibt es viele dies befürwortende Stimmen aus Rechtsliteratur und Politik218 215  Dies wurde mit § 4 Abs. 2 S. 2 Verfahrensordnung Schlichtungsstelle Energie e. V. auch in die Verfahrensordnung der Verbraucherschlichtungsstelle aufgenommen; kritisch zur Teilnahmepflicht der Unternehmer Eidenmüller / Engel, ZZP 2015, 149, 155 f. 216  Bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr regelt § 57 LuftVG zwar die grundsätzlich freiwillige Teilnahme, durch § 57a LuftVG besteht aber faktisch ein Zwang zur Teilnahme an den privaten Schlichtungsverfahren, weil bei Nichtteilnahme ein Verfahren bei der behördlichen Schlichtungsstelle verpflichtend ist, s. Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 320. 217  Dabei ist fast die komplette Branche abgedeckt, denn der Versicherungsombudsmann hat 290 Mitglieder, s. die Mitgliederliste auf der Webseite, abrufbar unter: https: /  / www.versicherungsombudsmann.de / wp-content / uploads / Mitgliederliste.pdf; Berlin, ZKM 2013, 108, 110. 218  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 42; s. zu den Kontroversen während des Gesetzgebungsprozesses Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 91.



A. „Zugang“ 109

Freilich handelt es sich um eine brisante Frage, die sich im grundsätzlichen Spannungsverhältnis zwischen der Freiwilligkeit außergerichtlicher Verfahren und ihrem effektiven Zugang bewegt.219 Die Schlichtungspraxis ist nicht einheitlich: Es sind sowohl gesetzliche Teilnahmepflichten als auch Selbstverpflichtungen der Verbände oder die gänzlich freiwillige Teilnahme vorgesehen.220 Dadurch dass Unternehmer ausdrücklich auf ihren Webseiten und in ihren AGB über ihre Teilnahmebereitschaft informieren müssen, besteht aber selbst ohne eine gesetzliche Pflicht ein psychologischer Druck zur Teilnahme.221 §§ 36, 37 VSBG verpflichten den Unternehmer seine Partizipation doppelt und ausdrücklich zu erklären. In vielen Fällen werden sich Unternehmer allein deswegen zur Teilnahme an außergerichtlichen Verfahren bereiterklären, um ihren Ruf bei den Kunden zu verbessern.222 So könnte die Teilnahme­ bereitschaft zu einem „‚Gütesiegel‘ für guten Kundenservice“ werden,223 da eine schnelle und unbürokratische Streitabwicklung häufig zu mehr Zufriedenheit bei den Kunden führt und die Geschäftsbeziehung weniger belastet.224 Auch wird durch die Konfrontation mit der Frage der Beteiligung gefördert, dass Unternehmer sich überhaupt mit der oftmals unbekannten ­ Verbraucherschlichtung auseinandersetzen.225 Die Information über die Teilnahmebereitschaft ist somit sehr wichtig. 219  Berlin,

Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 320. Verfahren sind z. B. durch § 6 Abs. 1 lit. b Verfahrensordnung der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V. und § 4 Abs. 4 Schlichtungsordnung des Online-Schlichters vorgesehen. 221  Berlin, ZKM 2013, 108, 109, bezeichnet ihn als „faktische[n] Druck“; Greger, ZZP 2015, 137, 142; kritisch gegenüber den Informationspflichten deshalb Groß, BRAK-Mitteilungen 2017, 146, 146. 222  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 26 f.; Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland, 69; a A Greger, ZZP 2015, 137, 144; Isermann, VuR 2012, 47, 51. 223  Berlin, ZKM 2013, 108, 109; Schobel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 219, 225. 224  DG SANCO (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz), Consultation Paper „On the use of Alternative Dispute Resolution as a means to resolve disputes related to commercial transactions and practices in the European Union“, 2, abrufbar unter: https: /  / www.eerstekamer.nl / eu / europeesvoorstel / _on_the_use_of_alternative_dispute / document / f= / vimbh336cmun.pdf; Gössl, NJW 2016, 838, 839; Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 14; Berlin, ZKM 2013, 108, 110, sich auf Erfahrungsberichte des Bundesverbands Direktvertriebs (BVD) und des Zentrums für  Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) stützend, s. dazu http: /  / www. online-schlichter.de / media / file / 7.PM_BDD_ZEV.pdf. 225  So haben viele Unternehmer bislang von der Schlichtung Abstand gehalten, weil sie die Angebote der alternativen Streitbeilegung nicht kannten, s. Berlin, ZKM 2013, 108, 111. 220  Freiwillige

110

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Weiterhin kann die Attraktivität und folglich die Verfahrensnutzung durch die kurze Dauer der Verbraucherschlichtung gesteigert werden.226 Obwohl die vorgegebenen 90 Tage wie aufgezeigt nicht eingehalten werden können, gibt es zumindest keinen Instanzenzug, wodurch zu erwarten ist, dass die Verbraucherschlichtung trotzdem schneller ist als die Gerichtsverfahren. Durch eine effiziente Streitlösung kann der Unternehmer die Verfahrenskosten minimieren. Ebenso stellt die Vertraulichkeit der Verbraucherschlichtung für die Unternehmer einen Vorzug dar, der zur freiwilligen Partizipation anregen könnte.227 Andernfalls können veröffentlichte Verfahrensergebnisse leicht der Reputation schaden. Der Gesetzgeber erhofft sich eine rege Nutzung durch die Flexibilität der Verbraucherschlichtung, die ein maßgeschneidertes und zielorientiertes Verfahren ermöglicht.228 Teilweise wird behauptet, dass auch die geringen Kosten des Verfahrens für den Unternehmer attraktiv seien.229 Dagegen kann aber eingewendet werden, dass die einseitig zu tragenden Kosten zu einer ungleichen Belastung führen, die Unternehmer auch von den Verfahren abhalten könnten.230 Da § 23 Abs. 1 VSBG vorgibt, dass gegen Verbraucher nur im Missbrauchsfall und bei einem reinen Verbraucherverfahren ein Entgelt erhoben werden kann, bleibt den privaten Verbraucherschlichtungsstellen nichts anderes übrig, als die Unternehmer einseitig mit einem Entgelt231 zu belasten. Die Beträge, die gemäß § 31 Abs. 1 VSBG von der Universalschlichtungsstelle erhobenen werden, belaufen sich zwischen 190 und 380 Euro. Sie sind kostendeckend und am Streitwert orientiert. Auch bei privaten Stellen wird das Entgelt nicht geringer ausfallen können. Ein höheres als ein kostendeckendes Entgelt sollte aber nicht angesetzt werden. Extrem hohe Entgelte würden den effet utile der ADR-RL unterlaufen, weil dann kein Unternehmer mehr würde teilnehmen wollen.232 Die Belastung der Unternehmer erfolgt, anders als im Zivilprozess 226  Sessler,

in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 14. NJW 2016, 838, 839; Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland, 69. 228  DG SANCO (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz), Consultation Paper „On the use of Alternative Dispute Resolution as a means to resolve disputes related to commercial transactions and practices in the European Union“, 2, abrufbar unter: https: /  / www.eerstekamer.nl / eu / europeesvoorstel / _on_the_use_of_al ternative_dispute / document / f= / vimbh336cmun.pdf. 229  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 309; Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 14. 230  Greger, ZZP 2015, 137, 141; Schobel, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 219, 225, sich vor allem auf die Höhe der Kosten beziehend. 231  Dieses muss gem. § 23 Abs. 2 VSBG angemessen ausfallen. 232  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 23 VSBG Rn. 4; Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 107. 227  Gössl,



A. „Zugang“ 111

gemäß § 91 ZPO, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.233 Die Kosten entsprechen in etwa denen, die im Falle des Unterlegens bei einem Gerichtsverfahren erhoben werden können. Sie allein sollten für den Unternehmer deswegen nicht als Grund herangezogen werden können, nicht an einer Schlichtung teilzunehmen, weil bei Gericht ein ähnliches Kostenrisiko besteht. Da sich das Kostenrisiko bei Gericht allerdings nur bei Unterlegen erfüllt, deutet die bereits rege Nutzung der Verbraucherschlichtung durch die Unternehmer auf ein Überwiegen der anderweitigen Vorteile der Verbraucherschlichtung hin. Dies zeigt sich auch darin, dass Unternehmer die Finanzierung bei einigen Schlichtungsverfahren sogar selbst initiiert haben.234 Praxisberichte zeigen zudem, dass sich Schlichtungsverfahren nicht per se als finanziell nachteilig erweisen, sondern sie sich für Unternehmer schon rentieren, wenn sie in 25–30 Prozent zu einer Einigung führen.235 Dass die Unternehmer die Kosten zu tragen haben, hat bislang nicht dazu geführt, dass sie eine Teilnahme am Verfahren verweigern. Das Verfahren scheint für sie hinreichend attraktiv zu sein. Trotz der überwiegend freiwilligen Teilnahme ist der Zugang somit nicht versperrt. b) Teilnahme am Gerichtsverfahren Das Gericht garantiert der klagenden Partei eine Lösung des Rechtsstreits. Dies ist ein entscheidender Vorteil gegenüber der außergerichtlichen Streitbeilegung, die nur erfolgen kann, wenn die Parteien freiwillig dazu bereit sind. Eine Entscheidung des Gerichts kann hingegen nicht verhindert, sondern nur verzögert werden. Widersetzt sich die gegnerische Partei der Ladung des Gerichts, kann ein Versäumnisurteil oder eine Entscheidung nach Lage der Akten ergehen. Die nicht erschienene Partei hat nicht die Gelegenheit zur Stellungnahme und wird dadurch im Zweifel benachteiligt. Das Gericht ist dadurch leichter zugänglich als die Verbraucherschlichtung: Die Teilnahme kann zwar ebenso wenig erzwungen werden, allerdings kann in jedem Fall eine Lösung des Konflikts erreicht werden. Ferner ist das System einheitlich und der Verbraucher muss sich nicht wie bei der Verbraucherschlichtung im Einzelfall über die Teilnahmebereitschaft informieren. Die Informationspflicht zur Teilnahmebereitschaft in AGB und auf den Webseiten stellt zwar eine Verbesserung der Transparenz und somit des Zugangs zur Verbraucherschlichtung dar, erreicht aber nicht die gleiche Wirkung wie bei Gericht. Die 233  Kritisch Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 97, mit dem Vorschlag, der Staat solle bei Obsiegen des Unternehmers für die Kosten aufkommen. 234  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 309. 235  Gössl, NJW 2016, 838, 839 m. w. N.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Verbraucherschlichtungsstellen bleiben somit in diesem Aspekt weniger zugänglich als die Gerichte. 3. Hindernisse Ein weiteres Kriterium zur Beurteilung des Zugangs zu einem Streitbeilegungsverfahren stellen Verfahrenshindernisse dar. Solche ergeben sich vor allem, wenn sich die Streitbeilegungsstelle aus vielen Gründen einem Verfahren widersetzen kann. Kann ein Antrag auf Streitbeilegung abgelehnt werden, ohne dass dafür hohe Voraussetzungen zu erfüllen sind oder die Gründe nachvollzogen werden müssen, verunsichert dies den Antragsteller und hemmt ihn, einen Verfahrensantrag zu stellen.236 a) Ablehnungsgründe der Verbraucherschlichtungsstelle Die Verbraucherschlichtungsstelle lehnt einen Antrag ab, wenn einer der Gründe der Verfahrensordnung erfüllt ist. Der deutsche Gesetzgeber hat fünf von sechs der von Art. 5 Abs. 4 ADR-RL als möglich erachteten Ablehnungsgründe umgesetzt.237 Das VSBG hat einige Ablehnungsgründe als zwingend ausgestaltet, andere können fakultativ von den Verbraucherschlichtungsstellen aufgenommen werden.238 Das Ermessen der Verbraucherschlichtungsstellen hat zum Nachteil, dass nicht jede Verbraucherschlichtungsstelle aus den gleichen Gründen ein Verfahren ablehnen kann. Der Verbraucher kann dadurch verunsichert und der Zugang verschlechtert werden. § 14 Abs. 2 S. 2 VSBG bestimmt, dass die Ablehnungsgründe keine erhebliche Beeinträchtigung des Zugangs zu dem Streitbeilegungsverfahren darstellen dürfen. Weil jede Ablehnung den Zugang für den Verbraucher beeinträchtigt, kann aus dieser Norm geschlossen werden, dass ein Antrag im Zweifel angenommen werden sollte. Für den Fall, dass eine Streitigkeit nur zum Teil in den Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschlichtungsstelle fällt, sollte der Antrag deshalb dem Telos in § 14 Abs. 2 S. 2 VSBG entsprechend angenommen werden.239 236  Fichtner,

in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 14 Rn. 6. Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 36: „Werden alle sechs Bedingungen in mitgliedstaatliches Recht umgesetzt, wird aus dem weiten Tor des Kommissionsentwurfs eine schmale Tür.“ 238  Nicht überzeugende a  A Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 14 Rn. 6, der aus BR-Drs. 258 / 15, 72 entnimmt, dass die Ablehnungsgründe immer fakultativ sein müssten, dabei aber verkennt, dass sich die Gesetzesbegründung auf selbiger Seite widerspricht, sodass keine eindeutige Aussage gewonnen werden kann. 239  Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 14 Rn. 34. 237  Kritisch



A. „Zugang“ 113

Der Antrag wird zunächst gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 VSBG zwingend abgelehnt, wenn die Sache nicht in die Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle fällt. Da jede Verbraucherschlichtungsstelle gemäß § 4 Abs. 2 und 3 VSBG den gesetzlichen Anwendungsbereich sowohl einschränken als auch erweitern kann, besteht eine Vielfalt von unterschiedlichen Regeln. Wird eine unzuständige Stelle angerufen, so muss sie auch nicht an die zuständige Stelle verweisen; eine Pflicht zur Mitteilung der zuständigen Stelle ergibt sich gemäß § 30 Abs. 3 VSBG lediglich für die Universalschlichtungsstelle.240 Der Ablehnungsgrund erklärt sich aus organisatorischen Gründen. Er führt aber dazu, dass der Verbraucher nicht klar erfassen kann, welche Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist und die Streitigkeit nicht ablehnt.241 Ähnlich uneinheitlich ist der optionale Ablehnungsgrund im Fall der Überoder Unterschreitung einer bestimmten Streitwertgrenze, § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VSBG. Dadurch dass der Gesetzgeber auch hier den Verbraucherschlichtungsstellen überlassen hat, die Streitwertgrenzen festzusetzen, sieht sich der Verbraucher mit einem unübersichtlichen System konfrontiert. Erschwert wird der Zugang des Weiteren durch die Ablehnungsgründe, die an rechtliche Prüfungen gebunden sind. Da die Streitmittler, die nicht zum Richteramt befähigt sind, den Ablehnungsgrund nicht rechtssicher einschätzen können, sind die Ergebnisse für den Verbraucher nicht transparent.242 Es besteht das Risiko, dass der Ablehnungsgrund zu häufig, zu früh oder aus sachfremden Erwägungen angenommen wird. Dadurch kann der Verbraucher selbst mithilfe anwaltlicher Beratung nicht sicher prognostizieren, ob sein Antrag angenommen wird. Außerdem kann er wegen der rechtlichen Prüfung gehemmt sein, überhaupt einen Antrag zu stellen.243 Eine rechtliche Prüfung ist zum einen vonnöten für die Einschätzung, ob der Antrag gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 VSBG abgelehnt wird, weil er offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist. Zum anderen bedarf die Prüfung der effektiven Beeinträchtigung des Betriebs der Verbraucherschlichtungsstelle einer juristischen Analyse. Es kommt gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. a und b VSBG darauf an, ob der Sachverhalt oder rechtliche Fragen nur mit einem unangemessenen Aufwand geklärt werden können oder ob eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist. Es kann nur erkannt 240  Gössl, NJW 2016, 838, 841; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 14 VSBG Rn. 16; aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht überzeugend Fichtner, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 14 Rn. 14, der die Pflicht auch für alle übrigen Verbraucherschlichtungsstellen annimmt. 241  Borowski, VuR Sonderheft 2016, 45, 51. 242  Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 138. 243  Borowski, VuR Sonderheft 2016, 45, 51.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

werden, ob es sich um eine grundsätzliche Rechtsfrage handelt, wenn die Rechtsnormen und die Rechtsprechung in diesem Bereich sicher beherrscht werden. Ob diese nur mit unangemessenem Aufwand geklärt werden kann, erfordert ebenfalls eine juristische Bewertung. Des Weiteren wird ein Antrag nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 VSBG abgelehnt, wenn der Anspruch nicht zuvor dem Antragsgegner gegenüber vorgebracht wurde. Dieser Ablehnungsgrund verschlechtert nicht den Zugang zum Recht. Vielmehr kann es als Beitrag zur Verfahrenseffizienz und zur Parteiautonomie angesehen werden, zuerst eine inter partes-Lösung anstreben zu müssen.244 Anderes gilt nur, wenn Verbraucher nach einer gescheiterten bilateralen Einigung davon absehen, auf die Verbraucherschlichtungsstelle zuzugehen, weil sie eine erfolgreiche Schlichtung für unwahrscheinlich erachten. Um dies zu verhindern sollten die Verbraucherschlichtungsstellen bei der Ablehnung des Antrags explizit darauf hinweisen, dass der gescheiterte Einigungsversuch zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer nicht zur Grundlage der Verbraucherschlichtung wird, sondern das Verfahren unabhängig davon geführt wird und mithin Aussicht auf Erfolg hat.245 Diesen Hinweis sieht das VSBG jedoch nicht vor. Zur Verbesserung des Zugangs zur Verbraucherschlichtungsstelle sollte ein solcher Hinweis verpflichtend sein. Es stellt ebenfalls keine Zugangssperre dar, dass der Antrag gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 VSBG abgelehnt werden kann, wenn bereits ein Verfahren durchgeführt wurde oder bei einer anderen Verbraucherschlichtungsstelle oder Gericht anhängig ist. Auf diese Weise wird nur verhindert, dass zwei parallele Verfahren geführt werden. Neben den Ablehnungsgründen besteht ein weiteres Hindernis dadurch, dass der Verbraucher nicht sicher sein kann, dass der Antrag die Verjährung seines Anspruchs hemmt. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB normiert, dass die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags gehemmt wird oder wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird. Das VSBG verpflichtet den Streitmittler allerdings nicht, den Antrag bekannt zu geben. Unterbleibt die Bekanntgabe, kann die Verjährung nicht gehemmt werden. Zudem erfolgt die Bekanntgabe nicht, wenn die Verbraucherschlichtungsstelle davon ausgeht, dass ein Ablehnungsgrund erfüllt ist.246 Dies führt dazu, dass die Verjährungswirkung sogar dann eintritt, wenn der Streitmittler fälschlicherweise einen Ablehnungsgrund als gegeben ansieht.247 Dies könnte durch eine Gesetzesänderung behoben werden, die vorsieht, dass die Verfah244  Berlin,

Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 327. Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 328. 246  Borowski, VuR Sonderheft 2016, 45, 48. 247  Borowski, VuR Sonderheft 2016, 45, 49. 245  Berlin,



A. „Zugang“ 115

rensordnungen der Verbraucherschlichtungsstellen die Streitmittler dazu verpflichten, den Antrag unverzüglich bekannt zu geben, bevor sie die Ablehnungsgründe geprüft haben.248 Ein Hindernis zur Verbraucherschlichtung besteht zuletzt dadurch, dass die Hinweispflicht der Unternehmer über ihre Teilnahmebereitschaft dazu ausgenutzt werden kann, den Verbraucher in ein Gerichtsverfahren zu drängen: Ein Güteantrag hemmt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Verjährung nicht, wenn das Verfahren nicht im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird.249 Unternehmer können Verbraucherschlichtungsverfahren in ihren AGB pauschal ablehnen. Dies kann bewirken, dass der Verbraucher, wenn er einen Schlichtungsantrag stellt, entweder seinen Anspruch wegen einer Verjährung verliert oder dass er sogar davon abgebracht wird, ein Verbraucherschlichtungsverfahren einzuleiten. Der Verbraucher kann dadurch in ein Gerichtsverfahren gedrängt werden.250 Ihm bleibt nur die Möglichkeit, den Unternehmer zu kontaktieren und diesen zur Verbraucherschlichtung zu bewegen, was das Vorgehen verkompliziert und dem Verbraucher den Zugang zur Verbraucherschlichtung erschwert. b) Ablehnungsgründe der Gerichte Die gerichtlichen Ablehnungsgründe überschneiden sich mit denen der Verbraucherschlichtung. Eine Ablehnung erfolgt, wenn kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, die Sache anderweitig anhängig ist oder ein gewisser Streitwert nicht erreicht ist. Das fehlende Rechtsschutzbedürfnis entspricht der offensichtlichen Erfolglosigkeit oder Mutwilligkeit bei der Verbraucherschlichtung und führt gleichfalls dazu, dass dem Verbraucher die diesbezügliche Einschätzung nicht leichtfällt. Insgesamt ist das Gericht aber vergleichsweise zugänglicher: Ist es sachlich oder örtlich nicht zuständig, wird der Antrag anders als bei der Verbraucherschlichtung nicht abgelehnt, sondern die Klage gemäß §§ 17a Abs. 2 GVG, 281 ZPO an das zuständige Gericht verwiesen. Dies stellt einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Verbraucherschlichtung dar. Das angerufene Amtsgericht wird zudem ohnehin häufiger sachlich zuständig sein, weil 248  Borowski,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 14 Rn. 29. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 11; der BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526 / 14, NJW 2016, 233, 235, sieht es als rechtsmissbräuchliches Verhalten des Verbrauchers, wenn dieser die Gütestelle zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft, obwohl der Unternehmer im Vorfeld klargestellt hat, dass er keine Güteverhandlung durchführen will; diese Rspr. kann auf Verbraucherschlichtungen übertragen werden, s. Gössl, NJW 2016, 838, 839. 250  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 36 Rn. 11. 249  Steike,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Amtsgerichte für die zu untersuchenden Verbraucherkonflikte nicht branchenspezifisch organisiert und deswegen leichter auffindbar sind. Ebenso divergieren Gerichte und Verbraucherschlichtung darin, dass das Gericht keinen Antrag ablehnen kann, weil ein großer Aufwand betrieben werden müsste oder grundsätzliche Rechtsfragen ungeklärt sind. So können bei Gericht insgesamt weniger Fälle abgelehnt werden. Außerdem sind die Ablehnungsgründe im VSBG zum Teil offener formuliert als in der ZPO. § 14 VSBG führt dazu, dass die Verbraucherschlichtungsstellen zu viele Fälle ablehnen können, was den Zugang des Verbrauchers zur Streitschlichtung verschlechtert.251 Gleiches gilt für die Streitwertgrenzen, die jede Schlichtungsordnung einzeln festlegt, weil die darauf gestützten Antragsablehnungen dadurch uneinheitlich sind. Ferner müssen bei der Verbraucherschlichtung die Ablehnungsgründe häufiger juristisch geprüft werden, wodurch ebenfalls Rechtsunsicherheit besteht. Auch dies erschwert den Zugang zur Verbraucherschlichtung.252 Das VSBG wurde aufgrund dessen zutreffend als „Verbraucherstreitbeilegungs(verhinderungs)gesetz“253 bezeichnet. Dem Zugang zum Gerichtsverfahren sind insgesamt weniger Hindernisse in den Weg gestellt.

B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis Neben dem Zugang zur Streitbeilegung ist für den Zugang zum Recht auch die Qualität des Verfahrens und des Ergebnisses entscheidend (zum Recht). Diese Prüfung des „Wie“ der Streitbeilegung gliedert sich in die Punkte Unabhängigkeit, Transparenz, kontradiktorische Verfahrensweise, Rechtmäßigkeit, Vertretung, Durchsetzbarkeit und Vollstreckung. Diese materiellen Verfahrensgrundsätze sind angelehnt an die von der Europäischen Kom­ mission aufgestellten Kriterien, die für einen erfolgreichen Einsatz alterna­ tiver Streitbeilegungsmechanismen in Verbrauchersachen aufgestellt worden sind.254 Sie stehen für die Qualität eines Verfahrens. Sowohl die Streitbeilegungsinstitution als auch die das Verfahren leitende Person sollten unabhän251  Meller-Hannich / Höland / Krausbeck,

ZEuP 2014, 8, 36. VuR Sonderheft 2016, 45, 51. 253  Borowski, VuR Sonderheft 2016, 45, 48. 254  S.  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198 endg., 30.3.1998; ergänzt wurde der Prüfungspunkt „Durchsetzbarkeit und Vollstreckung“, gestrichen wurde Effizienz und Handlungsfreiheit, die Effizienz wird schon bei der 252  Borowski,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis117

gig sein (I.). Qualitätsvoll ist das Verfahren, wenn es für die Allgemeinheit und die Parteien transparent ist (II.) und die Parteien auf kontradiktorische Weise ihre Interessen kundtun können (III.). Ebenso wird untersucht, inwieweit die Verfahrensergebnisse auf dem geschriebenen Recht beruhen (IV.) und ob die Parteien das Recht haben, sich im Verfahren durch einen recht­ lichen Beistand vertreten zu lassen (V.). Zuletzt ist für die Qualität der Streitbeilegung entscheidend, ob das Ergebnis durchgesetzt werden kann (VI.).

I. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Die Qualität einer Streitbeilegung definiert sich durch ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.255 Die die Konfliktlösung leitende Person ist unabhängig, wenn sie frei von äußeren Anreizen ist, die zu einem Verfahrensergebnis eines bestimmten Inhalts verleiten können.256 Neutral oder unparteiisch ist eine Person, wenn sie dem Ergebnis des Verfahrens objektiv gegenübersteht.257 Unabhängigkeit bezieht sich mithin auf das Grundverhältnis zwischen der die Konfliktlösung leitenden Person und dem Träger, Unparteilichkeit auf das konkrete Ergebnis.258 Unparteilichkeit wird auf zweierlei Ebenen angestrebt: Zum einen muss die die Konfliktlösung leitende Person selbst, der Richter oder der Streitmittler, neutral sein. Zum anderen kann die Institution der Streitbeilegungsstelle auf Neutralität überprüft werden. 1. Gewährleistung beim Gerichtsverfahren Das staatliche Gerichtsverfahren ist sehr gut dafür geeignet, eine unabhängige und autonome Entscheidung des Konflikts zu erreichen.259 Die FinanPrüfung des Zugangs hinreichend berücksichtigt und die Handlungsfreiheit dient nur der Abgrenzung zu obligatorischen außergerichtlichen Stellen. 255  Art. 6 EMRK benennt z. B. Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausdrücklich. 256  Definition angelehnt an Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 205; ähnlich Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 116, der darunter die fehlende Verbindung des Streitmittlers zu den Parteien subsumiert; Greger, in: Fischer / Unberath, Das neue Mediationsgesetz, 79, 85; Vallines García, in: Stürner /  Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 79, 80; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 110, konkretisiert, dass die Unabhängigkeit von Exekutive, Legislative und politischen Parteien gemeint ist. 257  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 208; Greger, in: Fischer / Unberath, Das neue Mediationsgesetz, 79, 85; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 110; ähnlich Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 116. 258  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 7 Rn. 9; Stadler, ZZP 2015, 165, 169. 259  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 294.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

zierung durch öffentliche Gelder und die feste Institutionalisierung führen dazu, dass Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit ausgeräumt werden.260 Grundlegendes Wesensmerkmal der Rechtsprechung ist die Neutralität des Richters.261 Er muss das Neutralitäts- und Unabhängigkeitspostulat der Artt. 20 Abs. 3, 9 Abs. 1, 97, 92 GG, § 1 GVG, § 25 DRiG erfüllen. Dass die am Prozess beteiligten Personen sich auf die Unparteilichkeit verlassen können, wird insbesondere durch §§ 41–48 ZPO gewährleistet.262 Zur Unabhängigkeit zählt die persönliche und sachliche Unabhängigkeit.263 Persönlich unabhängig ist der Richter insbesondere, weil er gemäß Art. 97 Abs. 2 GG nicht absetzbar oder versetzbar ist.264 Dadurch kann der Dienstherr nicht mit einer Amtsenthebung drohen.265 Außerdem soll ein gesichertes wirtschaftliches und berufliches Auskommen seine Unabhängigkeit garantieren.266 Sachliche Unabhängigkeit wird dadurch erreicht, dass der Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG nur dem Gesetze, aber keiner Institution oder Person unterworfen ist. Er ist frei von äußerer Einflussnahme.267 Der noch im Entwurf des Verfassungskonvents vorgesehene Zusatz, dass der Richter auch seinem Gewissen unterworfen sei, wurde bewusst gestrichen – er soll allein dem Gesetz unterworfen sein.268 Dazu tragen auch das Tätigkeitsverbot bei Stellen außerhalb der Gerichtsverwaltung und das „Mäßigungsgebot“ bei politischer Meinungsbekundung bei.269 Der Grundsatz der Gewaltenteilung bewirkt die Unabhängigkeit von der Legislative und der Exekutive. Für Streitsachen wird der Richter anhand eines strikten Geschäftsplans des Gerichts eingeteilt. Der Geschäftsplan wird von keiner der Staatsgewalten beeinflusst und der Bürger hat ein subjektives Recht auf diesen.270 Wei-

260  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 205; Vallines García, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 79, 87. 261  S. nur BVerfG, Beschl. v. 27.4.1971  – 2 BvL 31 / 71, BVerfGE 31, 43, 45 f.; Papier, NJW 2001, 1089, 1090. 262  Dazu auch Voßkuhle, Rechtsschutz, 101. 263  Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 92 GG Rn. 7; ausführlich Papier, NJW 2001, 1089 ff. 264  BVerfG, Beschl. v. 25.2.1964 – 2 BvR 411 / 61, BVerfGE 17, 252, 259; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 304; Rennert, JZ 2015, 529, 536. 265  Rennert, JZ 2015, 529, 537. 266  Stadler, ZZP 2015, 165, 169. 267  Hillgruber, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 97 GG Rn. 25 ff.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 304 m. w. N. 268  S. dazu nur Hillgruber, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 97 Rn. 33. 269  Stackmann, in: MünchKomm ZPO, § 42 Rn. 30; Stadler, ZZP 2015, 165, 168. 270  S. die einfachgesetzlichen Regelungen in § 21a ff. GVG; v. Bargen, Gerichts­ interne Mediation, 281 f. m. w. N.



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sungen der Justiz können nur Gerichts- oder Justizverwaltungsaufgaben betreffen.271 Dass die Person des Richters das Verfahren führt, ist in allen kontradiktorischen Verfahren gewährleistet. Auch der die alternativen Methoden einsetzende Güterichter ist ein Richter, der nur zusätzlich eine spezielle Mediatorenausbildung durchlaufen hat. Er nimmt mit dem Güteverfahren eine richterliche Aufgabe wahr und handelt im Rahmen seiner Tätigkeit bei vollständiger richterlicher Unabhängigkeit.272 2. Gewährleistung bei der Verbraucherschlichtung Die Verbraucherschlichtung ist im Unterschied dazu eine Form der außergerichtlichen Streitbeilegung; bei diesen bestimmen typischerweise die Parteien die die Streitlösung leitende Person. Das VSBG wählt jedoch für Verbraucherschlichtungen einen anderen Weg und überlässt die Auswahl der Streitmittler nicht den Parteien, sondern der Verbraucherschlichtungsstelle.273 Dies mag dadurch motiviert sein, dass Verbraucher und Unternehmer meistens nicht gleich durchsetzungsstark sind und die Auswahl des Streitmittlers den Verbraucher benachteiligen würde. Vernachlässigt wird dadurch aber, dass auch die Streitbeilegungsstelle strukturell abhängig sein kann und möglicherweise einen Streitmittler festlegt, der einer Partei zugeneigter ist. Aus diesem Grund müssen bei der außergerichtlichen Streitbeilegung grundsätzlich die Regelungen über die Neutralität und Qualifikation der den Streit beilegenden Person umso umfangreicher sein, je weniger die Parteien die Auswahl dieser Person kontrollieren können.274 §§ 24, 27 VSBG versuchen dem Rechnung zu tragen, indem sie festlegen, dass die Kontrolle der Besetzung der Streitmittlerposten dem Bundesamt für Justiz als Anerkennungsbehörde obliegt. Mithin wird bei der Verbraucherschlichtung der Staat involviert, um Neutralität und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Dem Bundesamt wird über jeden neueingestellten Streitmittler berichtet, da die Verbraucherschlichtungsstelle nach § 25 Abs. 2 VSBG jede Änderung der für die Aner-

271  BVerfG, Beschl. v. 22.101974 – 2 BvR 147 / 70, BVerfGE 38, 139, 152 f.; Hillgruber, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 97 GG Rn. 21 ff. 272  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 127. 273  Kritisch Steffek / Unberath, in: Steffek / Unberath, Regulating Dispute Resolution, 13, 25. 274  Steffek / Unberath, in: Steffek / Unberath, Regulating Dispute Resolution, 13, 25: „The more control the parties have as regards initiation control, neutral choice control, result-content control and result-effect control, the less intensive the regulation of the intermediary’s neutrality and qualification needs to be.“

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kennung relevanten Umstände mitteilen muss.275 Die Stelle bleibt nur als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt, wenn die Anforderungen an den Streitmittler hinsichtlich seiner Qualifikation, Vortätigkeit, Vergütung, Amtsdauer und Abberufung gemäß §§ 6–8 VSBG erfüllt sind. Zudem prüft das Bundesamt die Anforderungen an die Zusammensetzung eines Streitmittlergremiums, an den Träger der Stelle und an die Beteiligung von Interessenverbänden bei der Bestellung und Abberufung von Streitmittlern. Die Kon­ trolle bewirkt aber nur, dass die Bestimmungen des VSBG zur Neutralität und Unabhängigkeit eingehalten werden. Jedoch sind diese Bestimmungen nicht weitreichend genug, wie im Folgenden dargestellt wird. a) Auswahl des Streitmittlers Zunächst sind die Regeln zur Auswahl der Streitmittler nicht ausreichend. § 6 Abs. 1 S. 1 VSBG sieht vor, dass es mindestens einen Streitmittler geben muss. Gibt es nur einen, bedarf dieser eines Vertreters und beide dürfen keine Verbraucher- oder Unternehmerinteressen wahrnehmen. Es ist aber erlaubt, dass der Träger der Verbraucherschlichtungsstelle einseitige Unternehmerinteressen wahrnimmt oder durch einen Interessenvertreterverband finanziert276 wird. Dies ist problematisch, weil der Träger den Streitmittler auswählt. § 9 VSBG legt aus diesem Grund fest, dass bei der Auswahl des Streitmittlers Verbraucher- oder Unternehmerverbände wechselseitig beteiligt werden müssen.277 Dies muss aus teleologischen Gründen auch dann gelten, wenn der Träger zwar nicht vollständig, aber immerhin teilweise von einem Interessenverband der einen Seite finanziert wird, ohne dass sich auch ein Interessenverband der anderen Seite beteiligt.278 Was genau unter einer Beteiligung im Sinne des § 9 VSBG zu verstehen ist, definiert das VSBG nicht. In der Schlichtungspraxis ist zum Teil eine sehr weitgehende Betei­ ligung vorgesehen. So hat der paritätisch zusammengesetzte Beirat der Schlichtungsstelle Energie die Aufgabe, dem Vorstand die Ombudsperson

275  BT-Drs. 18 / 5089, 65; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 28 VSBG Rn. 4. 276  Es muss sich dabei nicht um eine Finanzierung von sämtlichen Kosten handeln, nach Sinn und Zweck der Norm ist vielmehr die mögliche Einflussnahme entscheidend, s. Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn.  82 f. 277  Erfolgt die Finanzierung (entgegen dem Wortlaut der Norm) durch mehrere Verbände, so muss entsprechend ein Gegengewicht durch mehrere zu beteiligende Verbände hergestellt werden, s. Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn.  79 f. 278  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 30.



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vorzuschlagen.279 Jedoch stellt dies eine überschießende Umsetzung der Vorgaben des VSBG dar. Denn obwohl das VSBG die Beteiligung nicht präzisiert, ist zumindest aus § 25 Abs. 3 S. 2 VSBG ersichtlich, dass „Empfehlungen“ der Verbände als mögliche Beteiligung ausreichen. Empfehlungen müssen naturgemäß nicht zwingend beachtet werden, sodass es sich um eine schwache Form der Beteiligung handelt. Ausreichend ist sogar, dass die andere Partei nur angehört wird.280 Es besteht auch kein Vetorecht, sodass der Einfluss der Verbraucherverbände insgesamt gering ist.281 Das VSBG verhindert lediglich, dass permanent von den Empfehlungen des Verbands abgewichen wird. Denn über die Beteiligung muss die zuständige Behörde gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 VSBG informiert werden und die Abweichung von einer Empfehlung muss gemäß § 25 Abs. 3 S. 2 VSBG begründet werden. Bei ständiger Nichtbeachtung der Empfehlungen kann nicht mehr von einer Verbandsbeteiligung – welche Anerkennungsvoraussetzung ist – gesprochen werden, sodass die Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle widerrufen werden muss.282 Da aber ein häufiges Abweichen von Empfehlungen folgenlos bleibt, ist die Kontrolle insgesamt nicht effektiv. Es ist dadurch nicht sichergestellt, dass die Streitmittler unabhängig sind und sich die Unternehmervertretung nicht gegen die Verbrauchervertretung durchsetzt.283 Das Kontrollrecht der Behörde ermöglicht keine weitergehenden Möglichkeiten oder gar eine materielle Prüfung der Abweichungsbegründung der Verbraucherschlichtungsstelle.284 Hinzu kommt, dass das VSBG auch nicht genau bestimmt, welche Umstände zu einer Unabhängigkeit führen, sodass versteckte Umstände nicht unbedingt von der Kontrollbehörde berücksichtigt werden können.285 Das VSBG kann folglich nicht bewirken, dass der Streitmittler auf Grundlage einer die Interessen von Verbrauchern und Unternehmern in gleicher Weise berücksichtigenden Entscheidung bestellt wird. Die Unabhängigkeit ist dadurch nicht garantiert. 279  S.  den Hinweis auf der Webseite, abrufbar unter: https: /  / www.schlichtungs stelle-energie.de / ombudsperson.html; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 58. 280  Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 54. 281  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 9 Rn. 8; Braun, in: Roder /  Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn. 88; Steike, VuR Sonderheft 2016, 43, 44 ff.; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 55. 282  Ebenso wohl auch Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 25 Rn. 9, der zumindest die Gewähr der Unparteilichkeit, die eine Anerkennungsvoraussetzung darstellt, als gefährdet einstuft; a A Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn. 89. 283  Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 55. 284  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 25 Rn. 5. 285  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 209.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Handelt es sich um ein Streitmittlergremium, dürfen seine einzelnen Mitglieder Verbraucher- oder Unternehmerinteressen wahrnehmen. Für diesen Fall statuiert § 7 Abs. 5 S. 1 VSBG deshalb, dass beide Seiten in gleicher Anzahl vertreten sein müssen. Die paritätische Besetzung ist ein wichtiger Beitrag für die Neutralität und unbedingt erforderlich, wenn Streitmittler einseitige Interessen vertreten.286 Durch die paritätische Besetzung bleiben die Streitmittler zwar abhängig, die Interessen werden aber ausgeglichen und somit insgesamt eine ausgewogene, als gerecht empfundene Entscheidung erreicht. Die Interessen der Verbraucher und Unternehmer spielen folglich unmittelbar bei der Lösungsfindung eine Rolle, sodass keine Verbände beteiligt werden müssen.287 Die Regelungen des VSBG bezüglich Streitmittlergremien sind somit im Unterschied zu denen zu Einzelstreitmittlern ausreichend. b) Einfluss des Trägers der Verbraucherschlichtungsstelle Eine weitere Schwächung der Neutralität und Unabhängigkeit erfolgt durch die Finanzierung des Streitmittlers. Bei privaten Verbraucherschlichtungsstellen, die nicht durch die öffentliche Hand finanziert werden, schwingt die Gefahr mit, dass der Financier den Streitmittler beeinflusst und dadurch auf das Ergebnis der Streitbeilegung einwirkt.288 Weder das VSBG noch die Gesetzesbegründung legen eindeutig fest, von wem der Streitmittler finanziert wird. § 3 S. 1 VSBG statuiert lediglich, dass der einzig zulässige Träger ein eingetragener Verein ist.289 Aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Trägerverein kann auf die Finanzierung des Streitmittlers geschlossen werden.290 Dies ist nicht zwingend, würde aber am meisten Sinn ergeben, weil eine dauerhafte Beschäftigung mit einer dauerhaften Finanzierung einherge286  Zur Bedeutung der paritätischen Besetzung Reich, in: Blankenburg / Gottwald / Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, 219, 222. 287  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 25 Rn. 7. 288  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 205; Steike, VuR Sonderheft 2016, 43, 43. 289  § 9 VSBG deutet zwar an, dass auch ein Verband Träger sein kann, allerdings beruht dies wohl auf einem Redaktionsversehen und die Norm ist so zu lesen, dass der Träger nur ein Verein sein muss, dieser aber so ausgestaltet sein kann, Unternehmerinteressen wahrzunehmen und in dem Fall gem. § 9 VSBG die Beteiligung von Verbraucherverbänden erforderlich ist, s. Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 9 Rn. 2; das Redaktionsversehen ist wohl darauf zurückzuführen, dass im Gesetzgebungsverfahren zunächst der Verband als Träger festgelegt wurde, s. auch Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn. 13. 290  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 7 VSBG Rn. 1; wohl auch Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 7 Rn. 12 f.



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hen muss und nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Streitmittler durch die teilnehmende Unternehmerpartei in jedem Einzelfall vergütet wird. Gegen die Finanzierung durch den Trägerverein könnte prima facie § 7 Abs. 2 S. 1 VSBG sprechen. Dieser legt fest, dass der Streitmittler nicht nur von einem einzelnen Unternehmer vergütet werden darf.291 Dies lässt darauf schließen, dass auch Unternehmer den Streitmittler finanzieren können, denn könnte nur der Trägerverein den Streitmittler finanzieren, hätte dieser Umstand keiner Erwähnung mehr bedurft, weil er ohnehin ausgeschlossen wäre. Aus einem Umkehrschluss zu § 7 Abs. 2 S. 1 VSBG könnte somit der Schluss gezogen werden, dass die Finanzierung nicht nur durch den Trägerverein erfolgen kann. Mehr Sinn ergibt es aber, § 7 Abs. 2 S. 1 VSBG lediglich eine Klarstellungsfunktion zuzusprechen: Der Streitmittler wird vom Trägerverein entlohnt und dies bedeutet, dass kein einzelner Unternehmer für die Vergütung aufkommt. Verdeutlicht würde dadurch auch, dass die Finanzierung nicht durch den Trägerverein erfolgen darf, wenn dieser wiederum hauptsächlich durch einen einzelnen Unternehmer finanziert wird, denn dann käme es einer Vergütung durch einen einzelnen Unternehmer gleich.292 Wird § 7 Abs. 2 S. 1 VSBG dahingehend ausgelegt, kann davon ausgegangen werden, dass der Streitmittler von dem Trägerverein finanziert wird. Dem Trägerverein ist es indes durch § 3 S. 2 VSBG gestattet, einseitig Verbraucher- oder Unternehmerinteressen wahrzunehmen oder von einem Verband, der Unternehmerinteressen oder Verbraucherinteressen wahrnimmt, finanziert zu werden. Gemeint ist ein Idealverein, dessen Zweck neben der Führung einer Verbraucherschlichtungsstelle auch ein weiterer sein kann, bei dem die Interessen von Verbrauchern oder Unternehmern wahrgenommen werden.293 Der Verein kann sich ausschließlich aus Unternehmern zusammensetzen und selbst ein am Verfahren als Partei fungierender Unternehmer kann Mitglied des Trägervereins sein.294 Dies kann zu einer mittelbaren Abhängigkeit führen.295 Statistische Auswertungen belegen, dass bei Streitbeilegungen durch die Gütestellen der Unternehmer die meisten Schlichtungsvorschläge zulasten der Verbraucher ausfielen.296 Es steht zu befürchten, dass der Träger aufgrund seiner Funktion als Financier die Streitmittler unter 291  Ebenso ist der einzige Zweck der Norm, die Finanzierung des Streitmittlers durch einen einzelnen Unternehmer aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, BRDrs. 258 / 15, 68. 292  Ähnlich Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 7 Rn. 12. 293  Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn. 14 f. 294  S. dazu Art. 6 Abs. 4 ADR-Richtlinie. 295  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 1 Rn. 11; Steike, VuR Sonderheft 2016, 43, 43. 296  Schmitt, VuR 2015, 134 ff., der sich auf den Tätigkeitsbericht über Schlichtungsverfahren des Bundesverbandes der öffentlichen Banken, VÖB, bezieht.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Druck setzt, bestimmte Verfahrensergebnisse zu erzielen.297 Gleiches gilt, wenn die Einflussnahme durch Interessenvertreter der Verbraucher bewirkt wird. Um einer Einflussnahme vorzubeugen, sieht § 3 S. 2 VSBG lediglich vor, dass dem Träger für den Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle ein getrennter, zweckgebundener und ausreichender Haushalt bereitstehen muss. Dies bedeutet, dass zu Beginn einer Haushaltsperiode ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, damit die Verbraucherschlichtungsstelle ihre Kosten decken kann und nicht einzeln anfallende Kosten beim Financier beantragen muss.298 Ein den Trägerverein finanzierender Unternehmerverbund kann mithin nicht die Finanzierung einzelner Aufgaben steuern,299 sondern nur den Zweck und die Höhe der Mittel. Die Verbraucherschlichtungsstelle kann dadurch freier über ihren Haushalt verfügen. Eine Abhängigkeit verbleibt aber, weil die Mittel insgesamt gekürzt werden können, wenn die Arbeit des Streitmittlers für den einseitige Interessen vertretenden Träger oder dessen Geldgeber keinen Vorteil mehr verspricht.300 Die Vereinsträgerschaft und die Bildung eines getrennten Haushalts können somit die Beeinflussung des Verfahrensergebnisses nicht verhindern.301 Auch die Regelung des § 7 Abs. 2 VSBG, wonach es keinen Zusammenhang zwischen der Vergütung und dem Ergebnis des Streitbeilegungsverfahrens geben darf, wirkt dem nicht entgegen. Dadurch ist nur sichergestellt, dass der Streitmittler kein höheres Gehalt oder Zuschläge dafür bekommt, dass er bei seiner Lösung eine bestimmte Partei bevorzugt.302 Doch Lösungen, die einseitige Parteiinteressen begünstigen, müssen nicht finanziell motiviert sein, sondern können auch dadurch entstehen, dass der Streitmittler oder der Träger von vornherein die Interessen einer Partei vertritt. Zusammenfassend ist es der Unabhängigkeit und Neutralität des Streitmittlers abträglich, dass der Träger einseitig Verbraucher- oder Unternehmer­ interessen wahrnehmen darf. 297  Fries,

Verbraucherrechtsdurchsetzung, 207. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 3 Rn. 5; Braun, in: Roder /  Röthemeyer / Braun, VSBG, § 3 Schlichtungsstellen, Rn. 62. 299  Steike, VuR Sonderheft 2016, 43, 43. 300  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 207; Stadler, ZZP 2015, 165, 171. 301  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 7 VSBG Rn. 2; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 229; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 30; Stadler, ZZP 2015, 165, 171; Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 381. 302  In BR-Drs.  258 / 15, 68 ist von Erfolgsprämien die Rede und wird auf Art. 6 Abs. 1 lit. d ADR-RL verwiesen; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 7 Rn. 15. 298  Steike,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis125

c) Unternehmerfinanziertes Verfahren Die Unabhängigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle und die Neutralität des Streitmittlers können auch dadurch beeinflusst werden, dass lediglich von den Unternehmern ein Entgelt für das Verfahren erhoben wird.303 Führt ein Unternehmer massenhaft Verfahren bei derselben Verbraucherschlichtungsstelle, finanziert er dadurch gewissermaßen die Verbraucherschlichtungsstelle. Die einseitige Finanzierung eines Streitbeilegungsverfahrens gilt als Paradebeispiel für eine fehlende Unabhängigkeit,304 denn „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Möglich ist, dass private Verbraucherschlichtungsstellen, die von der Teilnahme der Unternehmer abhängig sind, dazu neigen, ihnen ein besonders attraktives Verfahren anzubieten und hierfür ihre Neutralität ein Stück weit aufgeben.305 Bedenken in dieser Hinsicht kommen vor allem deshalb auf, weil die Schlichtung für Unternehmer im Vergleich nicht kostengünstiger ist als Gerichtsverfahren und die rege Nutzung der Schlichtung somit indiziert, dass die dortigen Verfahrensergebnisse den Unternehmern im Vergleich zum Gerichtsverfahren einen Vorteil bringen.306 Diese Neutralitätsbedenken könnten nur ausgeräumt werden, wenn die Verfahrensergebnisse umfassend veröffentlicht würden. Dadurch würden Verbraucher auf unternehmerbegünstigende Lösungen aufmerksam und könnten parteiische Stellen meiden. Das VSBG schreibt den Verbraucherschlichtungsstellen hingegen nicht vor, Einzelfälle zu veröffentlichen, sodass mangels Transparenz kein Vertrauen geschaffen werden kann. Die Bedenken hinsichtlich der Neutralität könnten nicht vollständig aus­ geräumt werden, wenn Branchenverbände, Innungen und Industrie- und Handelskammern die Verbraucherschlichtung finanzierten.307 Ebenso wenig kommt es in Betracht, die Verbraucherschlichtung staatlich zu finanzieren, denn dies widerspräche dem Charakter der alternativen Streitschlichtung und wurde deswegen im Gesetzgebungsverfahren auch nicht in Erwägung gezogen.308 Dass jeweils die verlierende Partei für die Kosten aufkommt, wurde vom Gesetzgeber ebenfalls nicht als taugliche Lösung erachtet, denn dies Schmitt, VuR 2015, 134, 139. Verbraucherrechtsdurchsetzung, 205; Vallines García, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 79, 87. 305  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 23 VSBG Rn. 5; Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 42. 306  S. dazu umfassend in diesem Kapitel unter 3 A. II. 2. a) der Darstellung. 307  Schmitt, VuR 2015, 134, 139; a. A. Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 203. 308  So aber in Österreich gem. § 13 Österreichisches Alternative-StreitbeilegungGesetz vorgesehen; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen 303  Ähnlich 304  Fries,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

würde den Zugang zur Verbraucherschlichtung für den Verbraucher verschlechtern. Insgesamt betrachtet schadet die einseitige Verfahrensfinanzierung durch die Unternehmer mithin der Neutralität des Streitmittlers. d) Vermeidung von Interessenkonflikten Wie gezeigt bestehen strukturelle Neutralitätsbedenken aufgrund von einseitiger Interessenvertretung des Trägers der Verbraucherschlichtungsstelle und einer einseitigen Verfahrensfinanzierung durch den Unternehmer. Trotzdem fordert § 7 Abs. 1 VSBG, dass der Streitmittler unabhängig und an Weisungen nicht gebunden ist und die Gewähr für eine unparteiische Streitbeilegung bietet. Dies soll erreicht werden, indem ihm gewisse Vorbeschäftigungen verboten sind und seine Beschäftigungsdauer zeitlich begrenzt ist. Ob Interessenkonflikte dadurch wirklich unterbunden werden können, wird im Folgenden geprüft. aa) Weisungsfreiheit § 7 Abs. 1 S. 1 VSBG legt fest, dass der Streitmittler nicht an Weisungen gebunden ist. Allerdings wird er seine Arbeit nicht vollständig frei von Weisungen ausüben können. Zum einen ist das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeiternehmern durch Weisungen geprägt, sodass zu erwarten ist, dass der Träger der Verbraucherschlichtungsstelle dem Streitmittler Anordnungen macht. Zum anderen können sich die Parteien darauf einigen, organisatorische Weisungen auszusprechen. Sie können beispielsweise dem Streitmittler die Änderung einer Frist oder eines anderen Details der Verfahrensordnung auftragen. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift sollen demnach nicht sämtliche Weisungen untersagt werden, sondern nur solche, die das Ergebnis des Verfahrens und die wesentliches Verfahrensschritte betreffen.309 Dies kann mit dem Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit verglichen werden. Die Weisungen des Trägers und der Parteien können mithin den Bereich der Organisation der Streitbeilegung betreffen, sind aber insoweit untersagt, als dass sie in den Kernbereich der Streitbeilegung fallen.310 Dass der Kernbereich nicht Konfliktlösung, Teil C § 23 VSBG Rn. 5; dazu Schmitt, VuR 2015, 134, 139, der sich für eine Finanzierung durch eine staatliche Stiftung ausspricht. 309  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 7 VSBG Rn. 1. 310  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 7 Rn. 3 f.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis127

berührt wird, ist Grundvoraussetzung dafür, dass der Streitmittler einen Schlichtungsvorschlag frei und selbstständig erarbeiten kann und somit zu befürworten. Hingegen kann trotz Weisungsfreiheit kein neutrales Ergebnis erreicht werden, wenn der Streitmittler aus den anderen bereits dargelegten Gründen parteiisch ist. Denn dann ist er auch ohne Weisungen zu einem Verfahrensausgang geneigt, der eine Partei begünstigt. Die Festsetzungen von § 7 VSBG reichen somit nicht alleine aus, um die Unparteilichkeit des Streitmittlers zu erzielen. bb) Vorbeschäftigungsverbot Interessenkonflikten soll zudem dadurch vorgebeugt werden, dass ein zeitlicher Abstand zu einer vorherigen beruflichen Tätigkeit bei einem Branchenunternehmen oder -verband hergestellt wird: Der Streitmittler darf in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung nicht für einen Unternehmer, der sich zur Teilnahme am Verfahren verpflichtet hat oder aufgrund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist, tätig gewesen sein, auch nicht für ein mit diesem Unternehmer verbundenes Unternehmen oder für einen Verband, dem das Unternehmen angehört und welcher Unternehmerinteressen in dem Wirtschaftsbereich wahrnimmt, für den die Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist, § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 VSBG. Gleiches gilt gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 VSBG für die Vorbeschäftigung bei einem Verbraucherverband, der Verbraucherinteressen in diesem Bereich wahrnimmt. Auch wenn dies aus dem Wortlaut nicht eindeutig hervorgeht, ist aufgrund des Zwecks der Vorschrift davon auszugehen, dass auch eine aktuelle Beschäftigung als Tätigkeit in den letzten drei Jahren vor der Bestellung gilt.311 Das Vorbeschäftigungsverbot gilt gemäß § 7 Abs. 5 S. 2 VSBG nicht für Streitmittler eines Gremiums. Dies liegt daran, dass sie ohnehin einseitige Interessen wahrnehmen können. Eine vorherige Beschäftigung kann bei einem Einzelstreitmittler zu einer Sympathie führen, die über die finanzielle Abhängigkeit zu Zeiten der Beschäftigung hinausreicht. In jedem Fall führt es zu Skepsis der anderen Partei und dem Verdacht eines Interessenkonflikts. Die Regelung ist mithin äußerst wichtig. Freilich wäre eine Sperre bei vorheriger Beschäftigungsnähe noch effektiver und geeignet, weitere Zweifel auszuräumen. Dies würde allerdings den Personenkreis zu stark eingrenzen, vor allem, wenn es um spezielle Fachbereiche geht.312 Es muss berücksichtigt werden, dass gerade die Personen, die zuvor für Unternehmer gearbeitet haben, spezifisches Fachwissen 311  Röthemeyer,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 56. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 42; Stadler, ZZP 2015, 165, 174 f. 312  Röthemeyer,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

und auch bereits Erfahrungen im Umgang mit Verbraucherstreitigkeiten haben können. Durch diese praktischen Erfahrungen kann sich der Streitmittler positiv vom Richter abheben und zum Ausbau eines Netzes aus spezialisierten branchenspezifischen Schlichtungsstellen beitragen. Aus diesem Grund darf eine Vorbeschäftigung der anschließenden Tätigkeit als Streitmittler nicht grundsätzlich entgegenstehen.313 Eine Verbesserung könnte jedoch erzielt werden, wenn im Einzelfall geprüft würde, ob ein hinreichender innerer Abstand zur vorherigen Tätigkeit besteht. Die vom VSBG vorgesehene dreijährige Karenzzeit eignet sich hierfür nur bedingt. War der Streitmittler zuvor jahrzehntelang bei dem Verband oder dem Unternehmen beschäftigt, ist nicht davon auszugehen, dass bereits drei Jahre später sämtliche Sympathien verflogen sind.314 Verbraucherschlichtungsstellen mit wenigen Streitmittlern sollten zudem die Lebensläufe der Streitmittler, aus denen alle vorherigen beruflichen Beschäftigungen hervorgehen, auf ihrer Internetseite veröffentlichen.315 Eine solche Offenlegungspflicht trifft bereits Mediatoren: Sie müssen den Parteien Informationen über ihren fachlichen Hintergrund, ihre Ausbildung und ihre Erfahrungen gemäß § 3 Abs. 5 Mediationsgesetz zukommen lassen. Die Parteien können sich dadurch eigenständig von der Unparteilichkeit überzeugen. Auch eine Bestimmung zur Nachbeschäftigung bei den in § 7 Abs. 3 VSBG genannten Unternehmen und Verbänden würde die Unabhängigkeit stärken. Dadurch würde verhindert, dass eine angebotene lukrative Nachbeschäftigung die Streitmittler beeinflusst. Art. 6 Abs. 3 lit. c ADR-RL verlangt dies leider nur von Streitmittlern, denen es nach der nationalen Regelung gestattet ist, ausschließlich von einem einzelnen Unternehmer beschäftigt oder entlohnt zu werden – mit der Streitbeilegung durch die „médiateurs d’entreprise“ ist Frankreich dafür das Paradebeispiel. Die Regelung zur Vorbeschäftigung stellt dementsprechend einen erfolgsversprechenden Ansatz dar, der aber im Detail nicht konsequent weiterverfolgt wird. Die Vorbeschäftigung wird nicht hinreichend publiziert, sodass Zweifel an der Unparteilichkeit aufkommen können. Es kann nicht komplett ausgeschlossen werden, dass Streitmittler durch eine Vorbeschäftigung beeinflusst sind.

Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 208. Verbraucherrechtsdurchsetzung, 208; a A Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 3 Rn. 42, der in Anbetracht eines Vergleichs zum politischen Amt drei Jahre als zu lang betrachtet; ebenso Stadler, ZZP 2015, 165, 174 f., ein nur einjähriges Tätigkeitsverbot fordernd. 315  Zu wirksamer Kontrolle durch die Öffentlichkeit Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 208 f. 313  AA

314  Fries,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis129

cc) Beschäftigungsdauer Als weitere Maßnahme zur Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sieht § 8 Abs. 1 VSBG vor, dass der Streitmittler für eine angemessene Dauer zu bestellen ist. Dies meint gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 VSBG eine Beschäftigung von mindestens drei Jahren, eine Wiederbestellung ist zulässig. Sehen private Streitbeilegungsstellen eine kurze Beschäftigungsdauer vor, können Streitmittler dazu geneigt sein, einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, der dem Interesse des Trägers der Verbraucherschlichtungsstelle entspricht, um eine Verlängerung ihres Vertragsverhältnisses zu erreichen. Eine längere Beschäftigung führt zu weniger Abhängigkeit vom Träger und zu mehr Freiraum für den Streitmittler.316 Eine sehr lange Beschäftigung kann jedoch ebenso gefährlich sein wie eine kurze Beschäftigung. Denn mit zunehmender Beschäftigungsdauer steigt das Sicherheitsgefühl beim Streitmittler, was auch zu einer Beeinflussung von anderer Seite führen kann.317 Diese entgegenstehenden Aspekte müssen abgewogen und in Ausgleich gebracht werden. Die Beschäftigungsdauer von mindestens drei Jahren erscheint angemessen.318 Art. 6 Abs. 3 lit. b ADR-RL hat drei Jahre sogar für Streitmittler, die nur von einem einzelnen Unternehmer beschäftigt oder vergütet werden, vorgesehen, sodass diese Zeitspanne für eine von einem Verein getragene Verbraucherschlichtungsstelle, bei welcher die Abhängigkeitsgefahr geringer ist, ebenfalls als angemessen gewertet werden kann.319 Dem Spielraum nach oben sind dadurch Grenzen gesetzt, dass eine sehr lange Beschäftigungsdauer nicht mehr als „angemessen“ im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 VSBG angesehen werden kann. Zudem kann der Streitmittler, wenn Zweifel an seiner Unabhängigkeit bestehen, gemäß § 8 Abs. 2 VSBG abberufen werden. Die Regeln gewährleisten mithin in hinreichendem Maße, dass der Streitmittler durch die Beschäftigungsdauer möglichst wenig in seiner Unabhängigkeit und Neutralität beeinflusst wird.320

316  Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 lit. b ADR-Richtlinie, der vorgibt, dass der Berufungszeitraum ausreichend lang sein müsse, um die Unabhängigkeit des Handelns zu gewährleisten. 317  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 8 Rn. 2, 11. 318  Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 129; Stadler, ZZP 2015, 165, 176. 319  BR Drs. 258 / 15, 69. 320  Kritisch Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 8 Rn. 2, der vertritt, dass § 8 Abs. VSBG nur zur Unabhängigkeit des Streitmittler von der Streitbeilegungsstelle führt, nicht aber der Abhängigkeit von Unternehmen und Verbänden vorbeugt.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Effektiver wäre es nur, wenn auch die Wiederwahl ausgeschlossen würde und der Streitmittler nur einmal für eine lange Periode gewählt werden könnte.321 Dies würde aber die Arbeit der Verbraucherschlichtungsstelle erschweren, weil häufige Wechsel der Streitmittler die Effizienz der Stelle mindern. 3. Bewertung Die Bestimmungen des VSBG, die für Neutralität und Unabhängigkeit des Streitmittlers und der Verbraucherschlichtungsstelle sorgen sollen, sind nicht weitreichend genug. Sie werden bereits dadurch unterlaufen, dass gemäß § 3 S. 2 VSBG sowohl der Trägerverein als auch der ihn finanzierende Verband einseitige Interessen wahrnehmen darf.322 Der Trägerverein bestimmt zudem den Streitmittler. Die dafür vorgesehene Beteiligung von Verbraucher- und Unternehmerverbänden ist nicht effektiv genug, sodass ein Streitmittler berufen werden kann, der keine Gewähr für eine unparteiische Verfahrensführung bietet. Der Streitmittler kann folglich ein einseitiges Interesse am Verfahrensausgang haben und einer Partei zugeneigt sein.323 Ebenso wenig können die Vereinsträgerschaft und die Bildung eines getrennten Haushalts für den Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle verhindern, dass der Träger oder der ihn finanzierende Verband den Streitmittler beeinflusst und so die Neutralität des Ergebnisses gefährdet. Dies wird dadurch zugespitzt, dass genügend Spielräume für eine Beeinflussung durch den Trägerverein bestehen. So ergibt sich beispielsweise gemäß § 19 VSBG Flexibilität hinsichtlich der Beachtung des Rechts.324 Dem können auch nicht die Regelungen zur Vorbeschäftigung entgegenwirken, weil sie nicht hinreichend in die Tiefe gehen. Verstärkt wird diese Schwäche des VSBG dadurch, dass ein befangener Streitmittler im konkreten Einzelfall nicht von der Streitbeilegung ausgeschlossen wird, so wie dies bei Richtern erfolgt.325 Das VSBG stellt keine Befangenheitsregeln auf. Die Unparteilichkeit des Streitmittlers bei der Verbraucherschlichtung stellt zugegebenermaßen eine der größten Herausforderungen dar.326 Das VSBG weist zwar gute Ansätze auf, kann aber im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit nicht überzeugen. Eine vollständige Unparteilichkeit der 321  So Schmitt, VuR 2015, 134, 139, in Bezug auf branchenspezifische Schlichtungsstellen. 322  Schmitt, VuR 2015, 134, 138; Wagner, CMLR 2014, 165, 179. 323  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 184. 324  Wagner, CMLR 2014, 165, 179. 325  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 209. 326  Stadler, ZZP 2015, 165, 186.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis131

Streitbeilegungsinstitution ist wohl nur zu erreichen, wenn sie staatlich organisiert wäre.327 Auch das Argument, dass viele Schlichter ehemalige Richter hoher Gerichte sind und somit ihre Unabhängigkeit bereits unter Beweis gestellt haben,328 kann unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte nicht restlos überzeugen.

II. Transparenz Weitere Qualitätsmerkmale sind die Transparenz und Verständlichkeit von Streitbeilegungsverfahren. Parteien empfinden ein Ergebnis als gerecht, wenn das Verfahren für sie nachvollziehbar und fair gestaltet ist – selbst dann, wenn sie durch das Ergebnis nicht das zuvor verfolgte Ziel erlangen.329 Die Transparenz führt in der Folge zum einen zur stärkeren Nutzung des Verfahrens, zum anderen kann der Verbraucher ein Verfahren besser vorbereiten, wenn er es durchschaut. Für Schlichtungsverfahren ist Transparenz besonders wichtig, weil das Verfahren nur erfolgreich abgeschlossen werden kann, wenn die Lösung durch die Parteien akzeptiert wird.330 Die Transparenz bezieht sich auf verschiedene Aspekte: Zunächst ist relevant, ob das Verfahren für die Beteiligten nachvollziehbar gestaltet ist.331 Zudem wird es für die Allgemeinheit transparent, wenn die Verhandlung öffentlich ist. Damit verknüpft ist die Frage, ob Informationen aus dem Verfahren durch die Parteien oder die den Streit beilegende Person weitergegeben werden dürfen und inwieweit das Verfahrensergebnis veröffentlicht wird. Ein veröffentlichtes Ergebnis ist transparent und schafft Vertrauen, wenn es umfassend begründet ist.332 1. Verbraucherschlichtung Zunächst wird die Transparenz bei den Verbraucherschlichtungen unter die Lupe genommen. 327  Hess,

ZZP 2005, 427, 446. ZKM 2015, 141, 141; kritisch Fries, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 9. 329  V. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 217. 330  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 331  Hess, ZZP 2005, 427, 446. 332  Bezüglich des Schlichtungsvorschlags Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198 endg., 30.3.1998, 20. 328  Hirsch,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

a) Transparenz der Verfahrensordnung Das VSBG gibt für die Verfahren nur einen weiten Rahmen vor, von dem jede Verbraucherschlichtungsstelle individuell durch ihre Verfahrensordnung abweichen kann. Diese Uneinheitlichkeit führt zu der vielfach geäußerten Kritik, dass es sich nicht mehr um einen unbürokratischen Zugang zum Recht handele und die Regelungen für Laien kaum nachvollziehbar seien.333 Dies verkennt jedoch, dass das Transparenzdefizit durch umfassende Informationspflichten ausgeglichen wird: Über das genaue Verfahren wird nach §§ 10, 16 VSBG sowohl jede Partei persönlich bei der Antragstellung als auch auf der Webseite jeder einzelnen Verbraucherschlichtungsstelle informiert. Es wird auf die Verfahrensordnung verwiesen, welche in der Regel klar aufgebaut und in einer auch für juristische Laien verständlichen Sprache verfasst ist. Zudem werden in § 10 Abs. 1 VSBG der Ablauf und die Kosten des Verfahrens erläutert und über die Erreichbarkeit sowie über die Zuständigkeit, den Streitmittler und die Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle informiert. Die Schlichtungsordnung wird dem Verbraucher folglich auf verständliche Weise nähergebracht. b) Öffentlichkeit des Verfahrens Der Verfahrenstransparenz abträglich ist freilich, dass die Verbraucherschlichtungsverfahren nicht öffentlich stattfinden. Das VSBG vermeidet eine ausdrückliche Erwähnung der fehlenden Öffentlichkeit. Stattdessen taucht das positiv besetzte Wort „Transparenz“ in der ADR-RL und in der Begründung des VSBG vielfach auf.334 Dies soll den mangelnden Einblick in konkrete Verfahrensabläufe, bei denen man selbst nicht Partei ist, verdecken. Es kann nicht kontrolliert werden, ob sich die Streitmittler tatsächlich an die Verfahrensregeln halten. Verstärkt wird dies durch eine umfassende Verschwiegenheitspflicht der Streitmittler, von der nur gelegentlich wahrgenommene und sich nicht auf den Streit beziehende Tatsachen ausgenommen sind.335 In einem 333  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 31; Kotzur, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 59, 60 f.; Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226; Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 37; Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 114. 334  BR-Drs. 258 / 15, 1, 41, 44, 65, 75, 89, 92, 95, 105, 106; Erwägungsgrund 10, 39 ADR-Richtlinie; Artt. 1, 2 Abs. 2 lit. a, 2 Abs. 3, 6 Abs. 3a, 7, 19 Abs. 2 ADR-RL; näher zu in der Richtlinie verwandten ausfüllungsbedürftigen Schlagworten wie Fairness, Transparenz und Effektivität Stürner, in: ZZP 2014, 271, 328 f. 335  Es handelt sich um einen Grundsatz, von dem nur durch Rechtsvorschrift – nicht durch Schlichtungsordnungen – abgewichen werden kann, s. § 22 VSBG; Rechtsvorschriften können die Anzeigepflicht aus § 128 StGB, die Auskunftspflichten



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis133

anschließenden Gerichtsverfahren können die Streitmittler und ihre Hilfspersonen Zeugnis verweigern und die Akten des Schlichtungsverfahrens unter Verschluss halten.336 Eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht wird gemäß § 22 S. 3 VSBG i. V. m. § 4 S. 3 Mediationsgesetz nur gemacht, wenn die Offenlegung für die Umsetzung oder Vollstreckung des Ergebnisses erforderlich ist, aus Gründen der öffentlichen Ordnung geboten ist oder es sich offensichtlich um offenkundige Tatsachen handelt, die nicht verschwiegen werden müssen.337 Das Verfahren ist somit nur für die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten transparent. Ihr rechtliches Gehör gemäß § 17 VSBG sollte in diesem Kontext so ausgelegt werden, dass es ein Recht auf Akteneinsicht für die Parteien und Prozessbevollmächtigen impliziert.338 Da das Verbraucherschlichtungsverfahren aber ohnehin ein schriftliches Verfahren ist und nur in Ausnahmefällen mündlich stattfindet, schon strukturell bedingt wenig ­Öffentlichkeit vorgesehen ist, ist die Bedeutung der fehlenden Öffentlichkeit gering. c) Veröffentlichung des Verfahrensergebnisses Ein kleiner Einblick in die Tätigkeit der Verbraucherschlichtungsstellen kann nur durch die in § 34 VSBG normierten Berichts- und Auskunftspflichten erreicht werden: Im Tätigkeitsbericht muss laut § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b VSBInfoVO339 die Zahl der Anträge auf Verfahrensdurchführung angegeben sowie über Ablehnungen und Ablehnungsgründe informiert werden.340 Die Anträge müssen danach gegliedert werden, auf welchen Streitgegenstand sie sich hauptsächlich beziehen. Zudem gibt § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. c–e VSBInfoVO vor, dass die Zahl der ergebnislos gebliebenen Verfahren genannt werden muss, wenn möglich auch die Zahl der Fälle, in denen sich die Parteien an das Ergebnis aus § 34 VSBG, aber auch bei den behördlichen Schlichtungsstellen Anzeigepflichten von Amtsträgern sein, Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 22 Rn. 7, 9. 336  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 52. 337  Zur Seltenheit dieser Ausnahmen in der Schlichtungspraxis Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 22 Rn. 13. 338  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 218. 339  Verordnung über Informations- und Berichtspflichten nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (Verbraucherstreitbeilegungs-Informationspflichtenverordnung – VSBInfoV), 28.2.16, BGBl. I, 326. 340  Der Bericht erscheint gem. § 34 Abs. 1 S. 2 VSBG universell einsehbar auf der Webseite der Schlichtungsstelle, wird auf Anfrage auch in Textform übermittelt und kann von der zuständigen Behörde gem. § 34 Abs. 4 VSBG jederzeit angefragt werden.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

gehalten haben und die durchschnittliche Dauer der Verfahren. Auch muss angegeben werden, welchen Anteil die grenzüberschreitenden Streitigkeiten ausmachen, wenn dieser bekannt ist, § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. f VSBInfoVO. Über Probleme und Geschäftspraktiken, die häufig Anlass von Streitigkeiten waren, wird nach § 34 Abs. 3 VSBG in anonymisierter Form berichtet.341 Aus den Berichten geht nicht hervor, wie der Streitmittler diese Problemfälle bewertet hat, denn es müssen keine Einzelfallbeispiele gemacht werden.342 Einzelne Fälle können nur eingesehen werden, wenn Verbraucherschlichtungsstellen auf ihrer Webseite freiwillig beispielhafte Schlichtungsvorschläge von allgemeinem Interesse veröffentlichen.343 Daraus folgt, dass Verbraucher keinen Überblick über die genaue Schlichtungstätigkeit erlangen und deshalb die Erfolgsaussichten ihres eigenen Antrags nicht sicher prognostizieren können.344 Dass die Parteien keine Auskunft über Präzedenzen erhalten, schadet der Rechtssicherheit.345 Der Tätigkeitsbericht ist dem Verbraucher nur von geringem Nutzen. Lediglich die Angabe über häufig geführte Streitigkeiten kann dazu motivieren, auch eine Streitigkeit aus diesem Bereich einzuleiten. Außerdem wird zu Recht angezweifelt, dass sich die Verbraucherschlichtungsstellen an die genauen Berichtspflichten halten, da schwer zu kontrollieren ist, worüber nicht berichtet wird.346 Der alle zwei Jahre erscheinende Evaluationsbericht führt auch nicht zu einer größeren Transparenz, da er nicht veröffentlicht wird347, sondern nur zur internen Kontrolle an eine höhere Stelle weitergeleitet wird.348 Durch den 341  § 4 Abs. 1 Nr. 2 VSBInfoVO; Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 223; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 64; a A Frank / Henke /  Singbartl, VuR 2016, 333, 338 f., von einer weiten Auslegung des § 34 Abs. 4 VSBG ausgehend, die den Namen und die Geschäftspraktik des Unternehmers umfasst. 342  Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 38; kritisch Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 57; Tonner, ZKM 2015, 132, 134. 343  So die Schlichtungsstellen nach dem Energiewirtschaftsgesetz, § 111 b) Abs. 8 S. 3 EnwG; Entscheidungssammlung des Versicherungsombudsmannes, abrufbar unter: https: /  / www.versicherungsombudsmann.de / entscheidungssuche / ; die Empfehlungen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, abrufbar unter: https: /  / soep-online.de / 94.html. 344  Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 227. 345  Stürner, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 11, 27. 346  Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 64. 347  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 34 Rn. 7. 348  Gem. § 34 Abs. 2 VSBG übermittelt die private Verbraucherschlichtungsstelle den Bericht an die zuständige Behörde, die behördliche Verbraucherschlichtungsstelle an die Aufsichtsbehörde und die Universalschlichtungsstelle an das nach Maßgabe des § 29 Abs. 4 VSBG zuständige Bundesamt für Justiz.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis135

Evaluationsbericht werden vornehmlich die Anerkennungsvoraussetzungen überprüft.349 Folglich sieht das VSBG keine Transparenz der Tätigkeit der Verbraucherschlichtungsstellen für die Allgemeinheit vor. d) Transparenz für die Beteiligten Für die am Verfahren selbst beteiligten Personen wird die Verbraucherschlichtung freilich transparenter als für die Allgemeinheit. Sie erhalten gemäß § 19 Abs. 2 VSBG einen schriftlichen Schlichtungsvorschlag mitsamt einer Begründung. Die Begründung enthält gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 VSBG neben dem zugrundeliegenden Sachverhalt auch eine rechtliche Bewertung. Durch die rechtliche Bewertung erläutert der Streitmittler rechtliche Unklarheiten, die sich zum Beispiel aufgrund von uneinheitlicher Rechtsprechung ergeben, aber nicht inwiefern die Lösung von der Rechtslage abweicht.350 Die rechtliche Bewertung unterscheidet sich aus diesem Grund von dem Schlichtungsvorschlag, da dieser auch auf außerrechtliche Erwägungen gestützt werden kann.351 Die Parteien werden gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VSBG lediglich zu Beginn des Verfahrens in abstrakter Form darauf hingewiesen, dass das Ergebnis der Verbraucherschlichtung von dem Ergebnis eines Gerichtsverfahrens abweichen kann. Nur wenn die rechtliche Begründung umfangreich und fundiert ausfällt, können die Parteien allenfalls die mögliche richterliche Lösung und eine Abweichung vom Verbraucherrecht erahnen. Die rechtliche Begründung gibt somit weniger Aufschluss über die rechtliche Fundierung des Schlichtungsvorschlags, als über die Chancen und Risiken eines anschließenden Gerichtsprozesses.352 Mehr Transparenz wäre gegeben, wenn begründet würde, warum der Schlichtungsvorschlag vom Gesetz abweicht, beispielsweise Beweisschwierigkeiten als Grund angegeben würden.353 Diese Forderung ist jedoch aktuell nicht zu erfüllen, da der Streitmittler nicht zwangsläufig zum Richteramt befähigt ist und somit unter Umständen nicht in der Lage ist, die Abweichung vom Gesetz hinreichend zu begründen.

349  Steike, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 34 Rn. 10; s. zum Inhalt des Berichts § 34 Abs. 3 VSBG; § 5 Abs. 1 Nr. 1–4 VSBInfoVO. 350  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 47 f., 58; Rö­ themeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag / Ergebnis des Verfahrens, Rn.  48 ff. 351  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 47. 352  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 51. 353  Gössl, RIW 2016, 473, 479.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Dass die rechtliche Begründung nur für den Schlichtungsvorschlag verlangt wird und nicht für das Mediationsverfahren ist sinnvoll, weil die Me­ diationsvereinbarung nicht auf Grundlage rechtlicher Erwägungen getroffen wird und es schwierig ist, die Motive der Parteien für die Einigung wiederzugeben.354 2. Gerichtsverfahrens Im Folgenden werden die bei der Verbraucherschlichtung untersuchten Gesichtspunkte mit der Transparenz bei den Gerichtsverfahren in Bezug gesetzt. a) Transparenz der Prozessordnung Im Vergleich zu den vielen verschiedenen Schlichtungsordnungen wird das Verfahren vor den Amtsgerichten durch die ZPO geregelt, die verbindlich und nicht verhandelbar ist.355 Dennoch besteht keine vollständige Transparenz: Die ZPO verfügt über mehr als tausend Paragraphen, sodass es allein schon aufgrund der Masse an Normen für Nichtjuristen schwierig ist, sich zurechtzufinden.356 Zudem ist die Rechts- und Verfahrenssprache für viele Verbraucher nicht leicht verständlich.357 Oft muss ein Jurist zur Hilfe genommen werden.358 Hinzu kommt, dass vielen Verbrauchern die Methodenvielfalt des Gerichtsverfahrens nicht bekannt ist. Sie gehen irrtümlicherweise davon aus, in den meisten Fällen ein Urteil zu erlangen und sind sich nicht der enormen praktischen Bedeutung von Vergleichen bewusst.359 Insbesondere die konsensuellen Methoden sind häufig nicht bekannt. Aus den wenigen sie betreffenden Paragraphen wird nicht deutlich, wie gütliche Verfahren genau vonstattengehen – zumal diese Paragraphen erst einmal gefunden werden müssen.360 Auch der Verfahrensablauf des Verfahrens nach billigem Ermes354  Kleinschmidt, 355  Greger,

ZZP 2015, 215, 232. in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung,

Teil D Rn. 66. 356  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 137; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung 60. 357  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 124 ff. 358  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 60. 359  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 148. 360  So gilt die Prozessordnung weiterhin, wenn im kontradiktorischen Streitverfahren mit Gütebemühungen auf einen Vergleichsschluss hingewirkt wird, damit der Wechsel zum Urteilsverfahren nicht gestört ist, s. Stürner, Juristische Rundschau 1979, 133, 136; dies wird aus der ZPO nicht hinreichend deutlich.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis137

sen ist nicht transparent.361 Die Verfahrensordnungen der Schlichtungen sind für den Verbraucher in dieser Hinsicht klarer und verständlicher als die Zivilprozessordnung. b) Öffentlichkeit des Verfahrens Weitaus mehr Transparenz für die Allgemeinheit wird im Zivilprozess jedoch durch den Grundsatz der Öffentlichkeit erreicht. Dritte und vor allem auch die Presse können der Verhandlung beiwohnen und das richterliche Handeln kontrollieren.362 Der Grundsatz folgt aus dem Rechtsstaat- und dem Demokratieprinzip363 und ist Justizgrundrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK. Einfachgesetzlich bestimmt § 169 GVG, dass von der Öffentlichkeit die Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht und die Verkündung des Urteils oder des Beschlusses umfasst sind. Dies sind die Bereiche, die auch mündlich stattzufinden haben.364 Schriftlichen Verfahren kann hingegen naturgemäß nicht beigewohnt werden. Diese erfassen aber einen Großteil der Verfahren, der insbesondere durch die Heraufsetzung des Streitwerts beim europäischen Verfahren für gering­ fügige Forderungen noch ausgeweitet wird.365 Zudem sind die Verfahren vor dem Güterichter vertraulich, weil dieser, anders als der die Güteverhandlung leitende Streitrichter, nicht erkennendes Gericht im Sinne des § 169 GVG ist.366 Er muss dem Spruchkörper, wenn die Güteverhandlung scheitert, nicht die Gründe für das Scheitern nennen367 und ihm steht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu.368 Ferner kann der Öffentlichkeitsgrundsatz beschränkt werden, um öffentliche und private Interessen zu schützen. Im Anwendungsbereich der Verbraucherkonflikte können insbesondere wichtige Betriebs-, Geschäfts-, Steuer- oder Erfindungsgeheimnisse dazu 361  Röthemeyer,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 64. Verbraucherrechtsdurchsetzung, 165. 363  Dazu statt vieler Bruns, in: Bruns / Münch / Stadler, Die Zukunft des Zivilprozesses, 53, 60 f. m. w. N., der den Wandel der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur hin zur Anerkennung als demokratisches Prinzip mit Verfassungsrang erläutert. 364  Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 50; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 169 GVG Rn. 11. 365  Stadler, ZZP 2015, 165, 182. 366  BT-Drs. 17 / 5335, 13; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 10, 26. 367  Foerste, in: Musielak / Voit ZPO, § 278 Rn. 15a. 368  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470; a A wohl Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 29, der zumindest vertritt, dass die Verschwiegenheitspflicht des § 4 Media­ tionsgesetz nicht gilt. 362  Fries,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

führen, dass die Öffentlichkeit nach § 172 Nr. 2 GVG ausgeschlossen wird. Trotz dieser Einschränkungen gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit im überwiegenden Maße und führt zu einem transparenten Gerichtsverfahren. Es ist freilich zuzugeben, dass die wenigsten Verbraucher vom Grundsatz der Öffentlichkeit Gebrauch machen und einer Gerichtsverhandlung beiwohnen, geschweige denn mangels Einsicht in die vorbereitenden Schriftsätze viel nachvollziehen könnten.369 Doch auch ohne eine konkrete Inanspruchnahme des Grundsatzes der Öffentlichkeit ist dieser unabkömmlich, um den Richter potentiell in Bezug auf eine faire Verfahrensführung und Einhaltung der Prozessgrundrechte zu kontrollieren.370 Dies schafft Vertrauen in die Gerichtsbarkeit.371 Dieses Vertrauen kann in Bezug auf die für die Öffentlichkeit stets verschlossene Verbraucherschlichtung nicht entstehen. Trotz weitestgehender schriftlicher Verbraucherschlichtungsverfahren und auch zunehmender Bedeutung der Schriftlichkeit bei Gericht kommt dem Öffentlichkeitsgrundsatz dementsprechend eine wichtige Bedeutung zu. Zudem muss der Parteiöffentlichkeit für den individuellen Verbraucherschutz ein hoher Wert beigemessen werden. Diese zeigt sich in dem in § 357 Abs. 1 ZPO statuierten Recht der Parteien, an jeder Beweisaufnahme teilzunehmen und in dem Recht auf Akteneinsicht und Anforderung von Ausfer­ tigungen, Auszügen, Abschriften und elektronischen Dokumenten, § 299 Abs. 1, 4 ZPO. c) Veröffentlichung des Verfahrensergebnisses Eine weitere Facette des Grundsatzes der Öffentlichkeit ist es, dass die gerichtlichen Entscheidungen öffentlich zugänglich gemacht werden.372 Aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt die Aufgabe der Gerichte, diejenigen Entscheidungen publik zu machen, an denen ein öffentliches Interesse bestehen könnte.373 An den Entscheidungen der höheren Gerichte besteht in den meisten Fällen ein größeres Interesse, weil sie bedeutsamere Fragen behandeln. Da aber nicht alle grundsätzlichen Fragen zur nächsten Instanz gelangen, sind nicht ausschließlich die Entscheidungen der höheren Gerichte veröffentlichungswür369  Fries,

Verbraucherrechtsdurchsetzung, 165 f. in: Jauernig / Hess, Zivilprozessrecht, 112. 371  Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 50; v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 342. 372  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 149; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 169 GVG Rn. 13. 373  BVerwG, Urt. v. 26.2.1997  – 6 C 3 / 96, NJW 1997, 2694 ff.; Hoffmann-Riem, JZ 1989, 637, 637; umfassend auch Odersky, in: FS Pfeiffer, 325, 333 ff. 370  Hess,



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dig, sondern mitunter auch amtsgerichtliche Verfahren.374 Es ist zuzugeben, dass die Veröffentlichung der amtsgerichtlichen Entscheidungen und speziell im Bereich von Verbraucherkonflikten relativ rar gesät ist.375 Allerdings ist dies der Transparenz nicht stark abträglich, da sich Verbraucher auch an den rechtlichen Erwägungen höhergerichtlicher Leitentscheidungen orientieren können.376 Die Veröffentlichung erfolgt vor allem in juristischen Datenbanken und Zeitschriften. Diese sind in der Regel für den Verbraucher nicht kostenfrei und dienen somit eher den Anwälten. Speziell bei Verbraucherkonflikten ist allerdings auch die Verbreitung durch die Presse bedeutsam. Die mediale Aufmerksamkeit ist in Bezug auf Verbraucherstreitigkeiten im Vergleich zu anderen Rechtsthemen sehr hoch.377 Zudem gibt es für den Verbraucher leicht erreichbare Publikationen auf Webseiten: Die Bundesgerichte und die Justizministerien der Länder stellen Onlinedatenbanken bereit, anhand derer ergangene Entscheidungen aller Gerichte – also auch der Amtsgerichte – durch die Eingabe von Suchbegriffen oder des Entscheidungsdatums recherchiert werden können.378 Eine ähnliche Datenbank besteht seit Anfang 2016 vom Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, auf welcher ausgewählte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, der obersten Gerichtshöfe des Bundes sowie des Bundespatentgerichts kostenlos aufzufinden sind und täglich aktualisiert werden.379 Außerdem findet sich auf dieser Seite ein Link zu Rechtsprechungsportalen der Länder. Veröffentlichte Entscheidungen im Internet eignen sich am besten dazu, vom Verbraucher leicht zur Kenntnis genommen zu werden. Neben dem Abdruck von Urteilen sind Verbraucher ferner berechtigt, anonymisierte Abschriften von Urteilen und Beschlüssen vom Gericht zu erhalten, ohne dass dies den Anforderungen an eine Akteneinsichtsgewährung gemäß § 299 Abs. 2 ZPO genügen müsste.380 374  BVerwG,

Urt. v. 26.2.1997 – 6 C 3 / 96, NJW 1997, 2694, 2694. VuR Sonderheft 2016, 36, 40; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 16 f. 376  AA Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 17, der der Ansicht ist, dass es sich hier um Fälle mit hohen Streitwerten handele, die für Verbraucher untypisch seien und somit nicht als Leitbild herangezogen werden können. 377  Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 34. 378  S. für die Gerichte in Nordrhein-Westfalen das Justizportal des Landes Nordrhein-Westfalen, abrufbar unter: https: /  / www.justiz.nrw.de / BS / nrwe2 / index.php; zur Effektivität der Veröffentlichung durch elektronische Medien ferner Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 149 f. 379  Abrufbar unter: http: /  / www.rechtsprechung-im-internet.de / jportal / portal / page /  bsjrsprod.psml. 380  BGH, Beschl. v. 5.4.2017 – IV AR (VZ) 2 / 16, NJW 2017, 1819, 1819. 375  Berlin,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Die veröffentlichten Urteile führen mithin zu einer enormen Transparenz. Im Unterschied dazu tragen die Tätigkeitsberichte der Verbraucherschlichtungsstellen kaum zu einer größeren Transparenz des Verfahrens und geben auch keine Auskunft über die Ergebnisse einzelner Verfahren. Endet ein Gerichtsverfahren allerdings in einem Vergleich, so wird dieser nicht veröffentlicht. Durch den hohen Anteil an Vergleichsschlüssen bleiben daher viele Verfahrensausgänge im Verborgenen. Verbraucher können sich zwar ohnehin nicht an veröffentlichten Vergleichen orientieren, denn Vergleiche stellen nicht die Anwendung des Rechts auf einen konkreten Sachverhalt dar und sagen somit nichts zur Auslegung des Rechts aus.381 Allerdings würde eine Zunahme von Vergleichsschlüssen dazu führen, dass die faktische Anwendung des Rechts für die Allgemeinheit immer weniger transparent wird. Ebenso wenig für die Öffentlichkeit transparent ist das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, weil das Ergebnis gemäß Art. 7 Abs. 2 Geringfügige-Forderungen-VO allein den Parteien zugestellt wird und nur die Allgemeinheit erreichen kann, wenn ein Anwalt die Ergebnisse veröffentlicht oder einer Zeitschrift mitteilt.382 Die Vergleichsschlüsse und die Ergebnisse des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sind mithin ähnlich undurchsichtig wie die Ergebnisse der Verbraucherschlichtung. Entscheidender Unterschied ist aber, dass man sich über die gerichtliche Praxis immer noch an gleichgelagerten Urteilen orientieren kann. Insgesamt besteht trotz der Schwächen im Bereich der Publikation amtsgerichtlicher Entscheidungen383 im Vergleich zu den Schlichtungsvorschlägen ein besserer Einblick in die Praxis der Gerichte. Der Tätigkeitsbericht der Streitbeilegungsstellen reicht bei weitem nicht an die Information heran, die der Verbraucher durch veröffentlichte Gerichtsentscheidungen erlangt.384 d) Transparenz für die Beteiligten Für die beteiligten Parteien ist das Gerichtsverfahren stets transparent. Bei einem Vergleichsschluss erhalten sie das Protokoll, bei einem Urteil die Urteilsbegründung. In den Entscheidungsgründen385 des Urteils sind die Erwä381  Riehm,

JZ 2016, 866, 873. Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 168. 383  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 150 f. fordert eine Steigerung der Veröffentlichung durch eine europaweite Justizdatenbank, in der sämtliche Gerichtentscheidungen veröffentlicht werden. 384  Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 227. 385  Das Urteil muss gem. § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Entscheidungsgründe enthalten, eine Verletzung der Begründungspflicht stellt gem. § 547 Nr. 6 ZPO einen absoluten Revisionsgrund dar. 382  Kritisch



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis141

gungen, auf denen die Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht beruht, enthalten. Die Erwägungen müssen verständlich und einsichtig formuliert sein, sodass erkennbar ist, wie das Gericht zu der Entscheidung gekommen ist. Die Begründung muss aber nicht etwa auf sämtliche Meinungsstreite in der Literatur eingehen.386 Der Richter begründet, wovon er sich bei der freien Würdigung der Beweise hat leiten lassen und wodurch er überzeugt wurde.387 Im Unterschied zur Begründung des Verbraucherschlichtungsvorschlags ist die Urteilsbegründung aufschlussreich, weil die rechtlichen Erwägungen mit dem Urteil konkret in Verbindung gebracht und nicht abstrakt gegeben werden. In einigen Fällen wird von dieser Musterform des Urteils abgewichen: § 313b ZPO gestattet bei einem Versäumnisurteil, einem Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil auf die Entscheidungsgründe zu verzichten. Dies ist konsequent, weil die Entscheidungsgründe keine Rechtsauslegung zu Tage bringen würden. Zudem können der Tatbestand und die Entscheidungsgründe weggelassen werden, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist und die Parteien auf die Entscheidungsgründe verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen wurde, § 313a ZPO. Die Möglichkeit betrifft häufig die typischen Verbraucherkonflikte, weil diese geringe Streitwerte haben und eine Berufung somit oft nicht zulässig ist.388 Ist der wesentliche Inhalt hingegen im Protokoll vermerkt, schafft dieses hinreichend Transparenz. Ein freiwilliger Verzicht kann aber zu einem Transparenzdefizit führen. Da dieses aber auf Freiwilligkeit beruht, ist es hinzunehmen und keine Schwäche der ZPO. Zudem wurde von der Möglichkeit nur in etwa elf Prozent der streitigen Urteile Gebrauch gemacht.389 Der Amtsrichter muss in diesem Fall seine Erwägungen in Form einer kurzen Begründung gemäß § 313 Abs. 3 ZPO zusammenfassen. Insgesamt werden jedoch in den meisten Fällen beim Amtsgericht die Entscheidungsgründe veröffentlicht und nur in wenigen Fällen auf sie verzichtet.390 Außerdem gilt die Formerleichterung nicht bei grenzüberschreitenden Konflikten, bei denen zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird, § 313a Abs. 4 ZPO. 386  Musielak,

in: MünchKomm ZPO, § 313 Rn. 4. vieler BGH, Urt. v. 27.9.1951 – IV ZR 155 / 50, NJW 1952, 23, 25. 388  Wittschier, in: Musielak / Voit ZPO, § 495a Rn. 8 ff. 389  Von 79.871 Erledigungen durch ein streitiges Urteil waren 6.946 solche Urteile nach § 313a Abs. 2 ZPO, Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie 10 Reihe 2.1, 18, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / re ceive / DESerie_serie_00000101. 390  32 Prozent der Urteile sind solche mit Streitwerten bis 600 Euro, s. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Zivilgerichte 2016: Fachserie 10 Reihe 2.1, 26, abrufbar unter: https: /  / www.destatis.de / GPStatistik / receive / DESerie_serie_00000101. 387  Statt

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Endet das Verfahren durch einen Prozessvergleich, entfällt die Begründungspflicht ohnehin, weil kein Urteil ergeht. Der Grund dafür ist, dass ein Vergleich keine präzise Rechtsanwendung beispielhaft zum Vorschein bringt und somit für die Allgemeinheit nicht sehr relevant ist.391 Das Verfahren wird aber gemäß § 160 ZPO protokolliert.392 Das Protokoll enthält insofern zwar keine rechtliche Begründung; gemäß § 160 ZPO sind allerdings zumindest die vom Richter während der Verhandlung geäußerten rechtlichen Hinweise sowie die wesentlichen Verfahrensvorgänge zu vermerken. Durch das Protokoll erhalten die Parteien somit mehr Information über die rechtlichen Hintergründe, als ihnen in der Begründung des Schlichtungsvorschlags mitgeteilt wird. Zudem wird der Richter im Rahmen des Verfahrens auf die bestehenden Beweisprobleme und Unklarheiten eingegangen sein, die einen Vergleich rechtfertigen. Die Hinweise des Richters sind dabei rechtlich fundierter und geben mehr Aufschluss als etwaige Hinweise des Streitmittlers, welcher juristisch nur gering qualifiziert sein kann. Zusammenfassend ist das Verfahrensergebnis bei einem Vergleich weniger transparent als bei einem Urteil. Im Vergleich zur Verbraucherschlichtung erlangen die Parteien aber deutlich mehr Informationen. 3. Zwischenergebnis Der genaue Verfahrensablauf wird bei den Verbraucherschlichtungen deutlicher als bei Zivilprozessen. Das Gerichtsverfahren ist aber insgesamt transparenter als die Verbraucherschlichtung. Dies liegt am weit ausgeprägten Grundsatz der Öffentlichkeit, der weitgehenden Veröffentlichung der Ver­ fahrensergebnisse für die Allgemeinheit und an der umfassenden Protokol­ lierung und Begründung der Verfahrensergebnisse. Die Details der Verbraucherschlichtung bleiben verborgen.

III. Kontradiktorische Verfahrensweise Eine kontradiktorische Verfahrensweise steigert die Ergebnisrichtigkeit und verbessert die Qualität einer Streitbeilegung.393 Sie beinhaltet, dass die Parteien im Verfahren ihre Standpunkte vertreten können und gleichermaßen von den von der Gegenpartei geltend gemachten Positionen und Sachverständigen- und Zeugenaussagen Kenntnis erlangen.394 Dies kann grundsätzlich auch durch schriftliche Verfahren hinreichend gewährt werden.395 391  Riehm,

JZ 2016, 866, 872 f.; Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 40. vieler Habersack, in: MünchKomm BGB, § 779 BGB Rn. 77. 393  Rennert, JZ 2015, 529, 535. 392  Statt



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis143

Es wird zuerst auf das kontradiktorische Gerichtsverfahren eingegangen (1.). Anschließend wird ein Blick auf die Verbraucherschlichtung geworfen und diese mit dem Zivilprozess im Rahmen einer vergleichenden Bewertung zugleich in Bezug gesetzt (2.). 1. Gerichtsverfahren Das Gerichtsverfahren verläuft mit Ausnahme des Mahnverfahrens kontradiktorisch. Die Parteien erlangen rechtliches Gehör, es gelten der Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz. Weiterhin wird dem Richter die materielle Prozessleitung überlassen und es gelten einige Besonderheiten bei der Anwendung von Unionsverbraucherrecht. a) Rechtliches Gehör Das Verfahrensgrundrecht in Art. 103 GG sichert das rechtliche Gehör im gerichtlichen Verfahren. Es ist spezielle Ausprägung der Justizgewährung396 und konstitutiv für ein rechtsstaatliches Verfahren.397 Der Einzelne soll als Subjekt Einfluss auf den Verfahrensablauf nehmen können.398 Er hat das Recht, sich zu äußern, den Prozess eigenständig zu gestalten und über die Äußerungen des Anderen informiert zu werden.399 Über das Vorbringen der anderen Partei muss so frühzeitig berichtet werden, dass noch genügend Zeit zur Stellungnahme besteht.400 Ebenfalls ist vom rechtlichen Gehör umfasst, dass das Gericht angebotene Beweise berücksichtigt.401

394  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die außergericht­ liche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Bei­ legung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198 endg., 30.3.1998, 20, 22 f. 395  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die außergericht­ liche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Bei­ legung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198 endg., 30.3.1998, 20. 396  Scherpe, ZZP 2016, 153, 168. 397  BVerfG, Urt. v. 30.4.2003  – 1 PBvU 1 / 02, NJW 2003, 1924, 1926; BVerfG, Urt. v. 9.7.1980 – 2 BvR 702 / 80, BVerfGE 55, 1, 6. 398  BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 – 1 BvR 396 / 55, BVerfGE 9, 89, 95. 399  BVerfG, Urt. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1 / 02, NJW 2003, 1924, 1926. 400  Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 28. 401  Scherpe, ZZP 2016, 153, 168.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Die ZPO erwähnt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht noch einmal explizit, integriert diesen aber in den Verfahrensregeln.402 Nach §§ 99 Abs. 2 S. 3, 118 Abs. 1 S. 1 ZPO wird den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. § 136 Abs. 3 ZPO trägt dem vorsitzenden Richter auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Sache erschöpfend erörtert wird. Dazu präzisiert § 139 Abs. 1 ZPO, dass die Parteien bei der Erörterung zu beteiligen sind und der Richter darauf hinwirken muss, dass sie sich rechtzeitig und vollständig über die erheblichen Tatsachen erklären können. Ebenso muss das Gericht den Parteien gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich aller Punkte geben auf die sich das Gericht stützt und insbesondere auf diese Punkte hinweisen, wenn die Parteien sie übersehen haben oder das Gericht sie anders beurteilt.403 Dies muss nach § 139 Abs. 4 ZPO wiederum so früh wie möglich geschehen, damit noch hinreichend Zeit zur Äußerung besteht. Ferner konkretisiert § 225 Abs. 2 ZPO den Anspruch auf rechtliches Gehör, indem Gesuche zur Friständerung nur nach Anhörung der anderen Partei bewilligt werden dürfen. Dementsprechend wird ein umfassendes rechtliches Gehör verschafft, überraschende Entscheidungen werden vermieden.404 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt bei allen gerichtlichen Verfahren, einschließlich bei dem Verfahren vor dem Güterichter.405 Er strahlt auf alle Verfahrensschritte aus.406 Eine verhältnismäßige Einschränkung stellen die eng auszulegenden §§ 296, 530, 282 ZPO dar, wonach verfristet vorgebrachte Argumente nur berücksichtigt werden, wenn sie den Prozess nicht verzögern oder die Partei sich für die Verspätung entschuldigt.407 Grundsätzlich kann das kontradiktorische Verfahren auch durch schrift­ liche Verfahren hinreichend gewährt werden.408 Jedoch hat der Verbraucher häufig Schwierigkeiten damit, seine Forderungen und den Sachverhalt präzise auszuformulieren, vor allem, wenn er im Verfahren vor dem Amtsgericht 402  Musielak, 403  Dazu

in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 28. Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der

ZPO, 114. 404  Scherpe, ZZP 2016, 153, 172. 405  Stürner, ZZP 2014, 271, 327; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 144. 406  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 126. 407  BGH, Urt. v. 22.5.2001 – VI ZR 268 / 00, NJW-RR 2001, 1431, 1432; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 296 Rn. 1. 408  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über die außergericht­ liche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Empfehlung der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Bei­ legung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, KOM(1998) 198 endg., 30.3.1998, 20.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis145

keine anwaltliche Hilfe beansprucht.409 Durch die Fachsprache wird die Verständigung schwieriger und dies wird noch verstärkt, wenn schriftlich kommuniziert wird.410 Diesem Problem kann der Richter bei einer münd­ lichen Verhandlung besser durch Nachfragen abhelfen. Die Mündlichkeit ist vor allem bei Verfahren mit geringen Streitwerten wichtig, weil bei diesen häufig Interessen relevant sind, die in der Klageschrift nicht genannt sind, deren Hinzuziehung aber für eine befriedigende Konfliktlösung von Bedeutung sind.411 Obwohl §§ 128, 127 ZPO grundsätzlich den mündlichen Parteivortrag vorsehen, werden immer mehr Verfahren schriftlich geführt. Dies stellt mithin einen Nachteil für das rechtliche Gehör des Verbrauchers dar. Es ist somit wichtig, dass der Verbraucher zumindest beeinflussen kann, ob das Verfahren mündlich oder schriftlich geführt wird. Zu befürworten ist deswegen § 128 Abs. 2 ZPO, wonach die Parteien zustimmen müssen, wenn das Hauptverfahren schriftlich stattfinden soll und eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen soll. Bei dem grundsätzlich schriftlichen Verfahren nach billigem Ermessen und beim europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen kann gemäß § 495a S. 2 ZPO bzw. Art. 5 Abs. 1 S. 2 Geringfügige-Forderungen-VO auf Antrag einer Partei zur Mündlichkeit gewechselt werden.412 Dies ist essenziell, da die Schriftlichkeit gerade durch das Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 495a ZPO immer stärkeren Eingang in das amtsgerichtliche Verfahren findet.413 Zu kritisieren ist deswegen, dass sich der Richter beim europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen dem Antrag der Parteien zur Mündlichkeit widersetzen kann, wenn er der Meinung ist, dass ein faires Verfahren auch ohne Mündlichkeit sichergestellt ist.414 Dadurch ist nicht gewährleistet, dass sich eine Partei mündlich äußern kann, wenn sie dies möchte. Da die Bedeutung dieses Verfahrens aber im Vergleich zum Verfahren nach billigem Ermessen gering ist, ist für den Großteil der Konflikte eine rege mündliche Beteiligung der Parteien möglich. 409  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 127; Halfmeier, VuR 2017, 38, 39; Halfmeier, VuR Sonderheft 2016, 17, 20; Koch, Verbraucherprozeßrecht, 55; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 441 m. w. N.; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 12; Stürner, ZZP 2014, 271, 321. 410  Koch, Verbraucherprozeßrecht, 56. 411  Kern, JZ 2012, 389, 390, 395. 412  In der Praxis kommt es immerhin in 28 Prozent der Verfahren zu einer mündlichen Verhandlung auf Antrag einer Partei, s. Rottleuhner, NJW 1996, 2473, 2475; Stürner, ZZP 2014, 271, 313, bezeichnet das Verfahren nach billigem Ermessen dennoch als „Verfahren zweiter Klasse“. 413  Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 441. 414  Art. 5 Abs. 1 S. 2 Geringfügige-Forderungen-VO; Erwägungsgrund 14 Geringfügige-Forderungen-VO.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Es gibt einige weitere Einschränkungen der Mündlichkeit, die aber nicht stark ins Gewicht fallen: Entscheidungen über Kosten und sonstige Beschlüsse können gemäß § 128 Abs. 3, 4 ZPO grundsätzlich schriftlich gefällt werden, ohne dass die Parteien die Mündlichkeit beantragen können.415 Ausnahmsweise kann auch ein Verfahren, das zu einem Urteil führt, ohne mündliche Verhandlung vonstattengehen: Dies gilt für ein Anerkenntnisurteil gemäß § 307 S. 2 ZPO, ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO und ein Urteil, das einen Einspruch gemäß § 341 Abs. 2 ZPO als unzulässig verwirft.416 Der Grund dafür ist jeweils, dass keine Kontroversen bestehen oder die Parteien sich nicht verteidigen. Es dient der Effizienz und schränkt den Verbraucher insofern nicht ein, der sich zu einem kontroversen Streitthema einigen möchte. Der Mündlichkeit gleichwertig sind die durch § 128a ZPO erlaubten Videoübertragungen in die mündliche Verhandlung. Den Parteien kann demnach gestattet werden, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten. Die Verhandlung wird inklusive einer Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zeitgleich mit Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.417 Die Nutzung der technischen Möglichkeiten ist insbesondere für einen guten Zugang wichtig, da es viele Verbraucher zurückschrecken lässt, wenn sie persönlich anwesend sein müssen. Vertrauliche Einzelgespräche beschränken das rechtliche Gehör, denn die dort erlangten Informationen werden nicht an die andere Partei weitergegeben. Der ZPO sind vertrauliche Einzelgespräche fremd. Einzig der Güterichter kann nach Absprache mit den Parteien solche vornehmen.418 Dadurch, dass er auch die Methode der Mediation anwenden kann, die auf Vertraulichkeit basiert, ist diese Möglichkeit nur konsequent und nicht zu kritisieren. Das rechtliche Gehör ist somit im Gerichtsverfahren umfassend ausgeprägt. b) Dispositions- und Beibringungsgrundsatz Kontradiktorische Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass es in der Macht der Parteien steht, das Verfahren zu beginnen und zu beenden.419 Das 415  Dazu v. Selle, in: BeckOK ZPO, § 128 Rn. 16 ff.; gem. § 320 Abs. 3 ZPO kann in bestimmten Fällen aber wiederum die Mündlichkeit beantragt werden. 416  Dazu v. Selle, in: BeckOK ZPO, § 128 Rn. 20. 417  Gemeint ist hiermit beispielsweise eine Übertragung via Skype. 418  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 129, 145. 419  Wolfsteiner, in: MünchKomm ZPO, § 794 Rn. 21.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis147

Zivilverfahren beginnt nur auf Initiative einer Partei. Die Verfahren können vom Antragsteller jederzeit abgebrochen werden. Außerdem steuern die Parteien den genauen Ablauf des Verfahrens. Sie legen den Streitgegenstand fest, an den das Gericht gebunden ist.420 Der Richter kann gemäß § 308 ZPO nicht von den Anträgen der Parteien abweichen. Außerdem sind die Parteien dafür verantwortlich, die Tatsachen und Beweise in den Prozess einzubringen.421 Ausgeformt wird der Beibringungsgrundsatz durch §§ 130 Nr. 3, 282 Abs. 1, 592, 288, 138 Abs. 3, 139 Abs. 1, 3, ZPO, wonach in sämtlichen Konstellationen die Tatsachen von den Parteien vorgebracht werden müssen.422 In §§ 282 Abs. 1, 359 Nr. 3, 371, 373, 420, 424, 445 ZPO wird deutlich, dass die Parteien die Beweise grundsätzlich selbst anzutreten haben. Das Gericht kann den Parteien gemäß § 273 Abs. 2, 139 ZPO jedoch aufgeben, sich über klärungsbedürftige Punkte zu äußern und nach § 278 Abs. 3 ZPO das persönliche Erscheinen anordnen. Der Hinweis auf die Vervollständigung des Sachverhalts geschieht zuweilen sehr nachdrücklich, sodass der Einfluss des Richters auf den Sachverhalt in der Praxis erheblich ist.423 Außerdem kann der Richter auch selbst Beweise erheben. Er darf zwar nach § 373 ZPO nicht von Amts wegen Zeugen vernehmen, dafür aber gemäß § 144 ZPO Sachverständigenbeweise anordnen und ein Sache in Augenschein nehmen, unter den Voraussetzungen des § 448 ZPO Parteivernehmungen abhalten, einer Partei gemäß § 452 Abs. 1 ZPO anordnen, ihre Aussage zu beeidigen, nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO amtliche Auskünfte einholen und schließlich auch Beiakten und Urkunden gemäß §§ 142, 143 ZPO anfordern. Stellen die Parteien keinen Beweisantrag, kann der Richter zwischen allen Beweisen außer der Zeugenvernehmung auswählen. Die Beweiserhebung von Amts wegen ist mithin in einem nicht unerheblichen Umfang erlaubt.424 Schließlich gehört es zu den wesentlichen Aufgaben des Richters, den Sachverhalt aufzuklären, um den Streit entscheiden zu können.425 Für eine Aufklärung ist jedoch stets erforderlich, dass das Vorbringen von der Gegenpartei bestritten wurde – ansonsten gilt es gemäß §§ 138 Abs. 2, 331 Abs. 1 S. 1, 288 ZPO als zugestanden. Ferner muss das Vorbringen beweiserheblich sein,

420  S. beispielhaft BGH, Urt. 5.11.2009 – IX ZR 239 / 07, NJW 2010, 2210, 2210 f.; Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung Rn. 35. 421  Statt vieler Reichold, in: Thomas / Putzo, ZPO, Einleitung I Rn. 2; Bruns, in: Bruns / Münch / Stadler, Die Zukunft des Zivilprozesses, 53, 58; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 419 f. 422  Bruns, in: Bruns / Münch / Stadler, Die Zukunft des Zivilprozesses, 53, 58; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 419. 423  V. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 302. 424  Scherpe, ZZP 2016, 153, 173. 425  Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, § 300 Rn. 8; Rennert, JZ 2015, 529, 531.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

mithin für die Verteidigung oder Begründung der Klage mitentscheidend.426 Ist eine Behauptung unstreitig, so wird diese nicht weiter nachgeprüft, sondern gilt nach § 138 Abs. 3 ZPO als feststehend. Trotz dieser aktiven Rolle des Richters ist das Verfahren aber insgesamt immer noch in der Hand der Parteien. Der aktive Richter trägt nur dazu bei, dass die von den Parteien beigebrachten Tatsachen bewiesen werden, damit die Basis für eine Entscheidung geschaffen ist. Eine Einschränkung des Beibringungsgrundsatzes erfahren die Parteien durch das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen. Art. 9 Abs. 1 Geringfügige-Forderungen-VO legt fest, dass die Bestimmung der Beweismittel und des Umfangs der Beweisaufnahme dem Gericht und nicht den Parteien obliegt und diese davon abhängig gemacht wird, ob es in den Augen des Richters erforderlich ist. Ihm ist durch Art. 9 Abs. 3 Geringfügige-Forderungen-VO aufgetragen, die Art der Beweisausnahme zu wählen, die am einfachsten und am wenigsten aufwändig ist. Dies ist zu kritisieren, weil es zum einen das rechtliche Gehör der Parteien beschränkt und zum anderen der Wahrheitsfindung schaden kann.427 Zusammengefasst wird das Verfahren, abgesehen von dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen, durch die Parteien gesteuert, sodass die Parteien zur Verfahrensqualität beitragen. c) Verbraucherschutz durch materielle Prozessleitung Der kontradiktorische Austausch der Parteien wird durch den Richter geleitet. Die materielle Prozessleitung nach § 139 ZPO ist Ausdruck eines gleichberechtigten Diskurses und ebenfalls ein Beitrag zur Qualität des Verfahrens.428 Da der Zweck des Zivilprozesses die Bestimmung und anschließende Verwirklichung subjektiver Rechte ist, sind das streitige Verfahren und die gütlichen Streitbeilegungsmethoden bei Gericht rechtlich geprägt und der Richter hat gewisse Aufklärungspflichten.429 Die aktive Rolle des Richters bezweckt, den Parteien zur effektiven Geltendmachung ihrer Rechte zu verhelfen.430 So führt § 139 ZPO in erster Linie dazu, einen umfassenden Tatsachenvortrag zu erhalten.431 Dazu wird darauf hingewirkt, dass die Par426  Scherpe,

ZZP 2016, 153, 170. JZ 2012, 389, 397. 428  Mäsch, JZ 2008, 359, 359. 429  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 4. 430  Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 2. 431  BT-Drs. 14 / 4722, 77. 427  Kern,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis149

teien ihren Vortrag präzisieren.432 Auch auf übersehene rechtliche Gesichtspunkte weist das Gericht hin.433 Gemäß § 504 ZPO wird zudem über die Unzuständigkeit des Amtsgericht und die Folgen einer rügelosen Einlassung informiert. Außerdem wird nach § 232 ZPO über mögliche Rechtsbehelfe belehrt. Der Richter darf von § 139 ZPO freilich nur im Rahmen seiner Neutralität Gebrauch machen.434 Gleichfalls begrenzen ihn die Verhandlungs- und Dispositionsmaxime, sodass er sich auf einem „schmalen Grat“ bewegt.435 Neutralität besteht, wenn zumindest ansatzweise ein erkennbarer Bezug zu bereits vorgebrachten Behauptungen hergestellt werden kann.436 So soll weder auf Anträge, Einreden und neue Anspruchsgrundlagen hingewirkt werden, wenn dies nicht zumindest in groben Zügen im Parteivorbringen angelegt ist.437 Es darf auch kein Hinweis zu zweckmäßigem Vorgehen gemacht werden.438 Hingegen weist der Richter auf die Klarstellung der Anträge der Parteien hin.439 Zudem werden Beweismittel und -anträge durch Nachfragen klargestellt.440 Das Gericht muss insbesondere deutlich machen, wenn es einen Beweis von Amts wegen erheben könnte, darauf aber verzichtet.441 Die Hinweise gemäß § 139 ZPO können die Unterlegenheit des Verbrauchers ausgleichen.442 Denn unter Wahrung seiner Neutralität kann der Richter ergänzende Hilfestellung leisten, die zur Waffengleichheit der Parteien

432  Scherpe,

ZZP 2016, 153, 176. in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 2. 434  BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 22 / 03, NJW 2004, 164, 164 f.; Fritsche, in: MünchKomm ZPO, § 139 Rn. 8; Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 5; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 2. 435  Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 5; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 2; ähnlich Prütting, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 139 Rn. 2. 436  BGH, Urt. v. 9.10.2003 – I ZR 17 / 01, MDR 2004, 408, 409; BT-Drs. 14 / 4722, 77; v. Selle, in: BeckOK ZPO, § 139 Rn. 7; Fritsche, in: MünchKomm ZPO, § 139 Rn. 8; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 39; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 431; Schellhammer, Die Arbeitsmethode des Zivilrichters, Rn. 30; Scherpe, ZZP 2016, 153, 153, 172. 437  BT-Drs. 14 / 4722, 77; Fritsche, in: MünchKomm ZPO, § 139 Rn. 8; Wöstmann, in: Saenger, ZPO, § 139 Rn. 2; a A Heiderhoff, ZEuP 2001, 276, 293. 438  Scherpe, ZZP 2016, 153, 153, 172. 439  Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 10 ff.; Wöstmann, in: Saenger, ZPO, § 139 Rn. 2. 440  Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 14; Wöstmann, in: Saenger, ZPO, § 139 Rn. 2. 441  Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 14. 442  Roth, in: Münch, Prozessrecht und materielles Recht, 283, 285; Hess, ZZP 2005, 427, 445. 433  Stadler,

150

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

führt.443 Das Gebot der materiellen Waffengleichheit wird aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens in Verbindung mit dem Gleichheitssatz abgeleitet und beinhaltet, dass die Beteiligten gleichberechtigt an der Entscheidungsfindung partizipieren.444 Die Neutralität gebietet es gleichwohl nicht, dass der Richter in dem Maße Hinweise gibt, dass er sich auf die Seite der schwächeren Partei stellt.445 Es darf nicht initiativ im Interesse einer Partei vorgegangen werden, Hilfestellungen müssen hingegen geleistet werden.446 Dies hat in dem Maße zu geschehen, dass Ungleichbehandlungen ausgeglichen werden, die sich aus Erfahrungen, Wissen, Informationsdefiziten, Irrtümern und Sprach- und Verständnisproblemen ergeben können.447 Die Parteien werden somit gleichbehandelt: Beiden werden gleichermaßen Hinweise gegeben, wenn im Tatsachenvortrag Lücken entstehen oder rechtliche oder tatsächliche Aspekte erkennbar übersehen werden. Dadurch, dass bei Verbrauchern aber häufiger Lücken im Vortrag bestehen, werden sie auch mehr Hinweise erhalten. Denn im Prozess besteht zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer ein Ungleichgewicht: Verbraucher nehmen meistens eine sehr passive Rolle ein.448 Unternehmer sind in der Prozessführung erfahrener. Verbraucherschutz ist somit nur eine Folge, aber nicht der Zweck von § 139 ZPO. Der Einfluss des Richters ist aber dadurch begrenzt, dass es letztlich im Ermessen der Parteien steht, die Hinweise zu befolgen.449 Diese nutzen nicht immer die ihnen gewährte Hilfeleistung in vollem Maße aus. Hinweise werden auch gegeben, wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist.450 Der Umfang der richterlichen Pflicht variiert aber, je nachdem ob die Partei anwaltlich vertreten ist oder nicht.451

443  Stadler,

in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 5. Die pro-bono Tätigkeit des Anwalts und der Zugang zum Recht, 128; v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 218 f. 445  Prütting, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 139 Rn. 2; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 3 f. 446  Prütting, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 139 Rn. 2; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 4, 24. 447  Dux, Die pro-bono Tätigkeit des Anwalts und der Zugang zum Recht, 129; Koch, Verbraucherprozeßrecht, 52, m. w. N.; Zimmermann, in: ders., ZPO, § 139 Rn. 6. 448  Reich, in: Blankenburg / Gottwald / Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, 219, 220. 449  Musielak, in: Musielak / Voit ZPO, Einleitung ZPO Rn. 39. 450  S. nur BGH, Urt. v. 27.10.1994 – VII ZR 217 / 93, NJW 1995, 399, 401; Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 6; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 25 f.; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 429. 451  Str., so aber Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 6; Zimmermann, in: ders., ZPO, § 139 Rn. 6; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 429. 444  Dux,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis151

Die Hinweise sind in der mündlichen Verhandlung sowie auch schon zuvor und sogar bei einer vorausgehenden Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO zu geben.452 Dies ergibt sich nach § 278 Abs. 2 S. 2 ZPO aus der Formulierung „freie Würdigung aller Umstände“ und dem Telos einer Güteverhandlung, denn sie ergibt nur Sinn, wenn sich die Parteien auf Augenhöhe begegnen.453 Die Hinweise bei der Güteverhandlung entsprechen in ihrem Umfang den Hinweisen in der streitigen Verhandlung, mit dem Unterschied, dass darüber hinaus explizit die Prozesschancen erläutert werden.454 Ebenso gilt § 139 ZPO bei schriftlichen Verfahren, die ohne mündliche Verhandlung enden455 – mithin auch beim Verfahren nach billigem Ermessen.456 Auch bei Prozessvergleichen ist § 139 ZPO anwendbar. Eine über § 139 ZPO hinausgehende Fürsorgepflicht457 ergibt sich aus § 17 BeurkG analog im Falle eines Prozessvergleichs, der gemäß § 127a BGB die notarielle Beurkundung und die Beratungspflichten des Notars ersetzt.458 § 139 ZPO findet hingegen keine Anwendung für die vom Güterichter durchgeführte Mediation.459 Obwohl der Güterichter freier in seiner Verfahrensgestaltung ist und nicht an das Mediationsgesetz gebunden,460 wird das Mediationsgesetz als Anhaltspunkt genommen, um die genauen Pflichten des Güterichters zu bestimmen. Er hat zwar keine Beratungs- und Hinweispflich452  Prütting, in: MünchKomm ZPO, § 278 Rn. 26; Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 3; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 7 f. 453  Prütting, in: MünchKomm ZPO, § 278 Rn. 26, 27; Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 3. 454  Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 7; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 60 f., sich für eine analoge Anwendung des § 139 Abs. 2 ZPO aussprechend. 455  Stadler, in: Musielak / Voit, ZPO, § 139 Rn. 3; Prütting, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 139 Rn. 4; Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 9. 456  Kern, in: Stein / Jonas, ZPO, § 139 Rn. 9. 457  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 115. 458  BGH, Beschl. v. 3.8.2011 – XII ZB 153 / 10, NJW 2011, 3451, 3452; Wolfsteiner, in: MünchKomm ZPO, § 794 Rn. 45; Müller-Teckhof, MDR 2014, 249, 252; Wolf, in: Bittner / Klicka / Kodek / Oberhammer, FS Rechberger, 719, 727, 729 f. 459  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 136. 460  Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 25; Ahrens,  NJW 2012, 2465, 2469 f.; Fritz / Schroeder,  NJW 2014, 1910, 1911; Schramm, Richterliche Pflichten und ­Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 108; im Einzelnen str., vgl. zum Meinungsstand: Evaluierung des Mediationsgesetzes. Rechtstatsachliche Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, BT-Drs.  18 /  13178, 28.

152

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

ten, muss aber analog § 2 Abs. 6 Mediationsgesetz eine Partei auf eine Beratung hinweisen, wenn er Beratungsbedarf erkennt.461 Dadurch wird erreicht, dass die Parteien den Inhalt der Vereinbarung verstehen und die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen.462 Der Güterichter soll aufklären und informieren, bei einer Mediation aufgrund der gesteigerten Selbstbestimmung der Parteien aber nur in geringerem Maße.463 Zudem haben rechtliche Aspekte eine untergeordnete Bedeutung. Die Analogie wird damit begründet, dass die Mediation nur Sinn ergebe, wenn die Parteien eine autonome Entscheidung treffen, was nur durch vollständige Informiertheit möglich sei.464 Mithin trägt auch § 139 ZPO zur kontradiktorischen Verfahrensweise bei und bewirkt, dass sich die Parteien gleichermaßen über die für die Verfahrensführung relevanten Punkte äußern können und keine Partei bevorzugt wird. d) Besonderheiten bei Anwendung des Unionsverbraucherrechts Der Dispositions- und der Beibringungsgrundsatz können im Zivilprozess dazu führen, dass das materielle Verbraucherschutzrecht nicht vollends zur Geltung kommt.465 Die Anwendung dieser Grundsätze bewirkt, dass der Verbraucher selbst die Verantwortung trägt und ihm durch das Prozessrecht anders als durch das materielle Recht kein besonderer Schutz zugutekommt.466 Auch die materielle Prozessleitung nach § 139 ZPO ändert nichts daran, dass die Parteien die Tatsachen beizubringen haben. Die Sachverhaltsaufklärung hängt davon ab, was der meist juristisch unerfahrene Verbraucher als relevant ansieht und geltend macht. Der Richter kann nur die vorgebrachten Tatsachen auf ihre Richtigkeit überprüfen und dazu ergänzend ein Beweisverfahren anstrengen. Zuweilen wird unter dem Stichwort „Materialisierung des Prozessrechts“ diskutiert, inwieweit die Wertungen des materiellen Rechts auch auf das Prozessrecht übertragen werden müssen, was zu einem stärkeren Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts führen würde.467 Dies lässt 461  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 136. 462  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 110. 463  Stürner, DRiZ 1976, 202 ff.; a A Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470. 464  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 110. 465  Heiderhoff, ZEuP 2001, 276, 279. 466  Heiderhoff, ZEuP 2001, 276, 279. 467  Dazu Roth, in: Münch, Prozessrecht und materielles Recht, 283, 285.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis153

sich erreichen, indem die Unterlegenheit des Verbrauchers ausgeglichen wird und der Richter befugt wird, unter Schwächung des Beibringungsgrundsatzes verstärkt eigene Untersuchungen anzustellen.468 Der EuGH hat sich dem Thema der Mitwirkung der Gerichte zugunsten einer besseren Durchsetzung des Unionsrechts angenommen.469 Eine beachtliche Rechtsprechungsserie begründet eine Pflicht der nationalen Gerichte, von Amts wegen das Verbraucherunionsrecht zu prüfen, das durch europäische Verbraucherschutz-Richtlinien entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Verbraucher sich auf das Unionsrecht beruft. Dies wurde in vielen Vorabentscheidungsverfahren in Bezug auf Art. 6 Richtlinie 93 / 13 / EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen470 bestimmt.471 Die Rechtsprechung wurde für Art. 11 Abs. 2 Verbraucherkredit-Richtlinie472 und Art. 4 Haustürgeschäfte-Richtlinie473 bestätigt. Der EuGH begründet diese mit dem Effektivitätsprinzip, dem hohen Stellenwert der europarechtlichen Verbraucherschutzvorschriften und der Verhandlungsschwäche und Wissenslücke der Verbraucher.474

468  Hess, ZZP 2005, 427, 445; Roth, in: Münch, Prozessrecht und materielles Recht, 283, 285. 469  Die Mitwirkungsrolle der nationalen Gerichte hat der EuGH zwar bislang nur anhand einzelner Fälle und bezüglich einzelner Normen entschieden, jedoch ist eine Linie in seiner Rechtsprechung zu erkennen; dazu Trstenjak, ERPL 2013, 451, 461 ff.; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen im Unionsprivatrecht, 40 ff. 470  Richtlinie des Rates vom 5.4.1993, ABl. L 95, 29, 21.4.1993. 471  EuGH, Urt. v. 21.2.2013  – C-472 / 11, NJW 2013, 987, 988 f.  – Banif Plus Bank Zrt; EuGH, Urt. v. 26.10.2006  – C-168 / 05, NJW 2007, 135, 135 f.  – Mostaza Claro, obwohl allerdings nicht ganz eindeutig ist, ob von Amts wegen geprüft werden kann, weil vor dem nationalen Gericht, das die Vorlagefrage gestellt hat, die Verbraucherin sehr wohl die Missbräuchlichkeit geltend gemacht hat, bloß nicht im zuvorigen Schiedsverfahren; EuGH, Urt. v. 21.11.2002 – C-473 / 00, NJW 2003, 275, 277 – Cofidis SA, legte fest, dass es für die Prüfung von Amts wegen keine Frist geben darf; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen im Unionsprivatrecht, 41. 472  Richtlinie 87 / 102 / EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 42, 48, 12.2.1987, in der durch die Richtlinie 98 / 7 / EG des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998, ABl. L 101, 17, 1.4.1998, geänderten Fassung; EuGH, Urt. v. 4.10.2007 – C-429 / 05, EuZW 2008, 19, 23 – Rampion u. a. 473  Richtlinie 85 / 577 / EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372, 31.12.1985; EuGH, Urt. v. 7.5.2009  – C-227 / 08, Slg. 2009, I-11939  – Eva Martín Martín. 474  S. nur EuGH, Urt. v. 21.2.2013  – C-472 / 11, NJW 2013, 987, 987 f.  – Banif Plus Bank Zrt; EuGH, Urt. v. 26.10.2006 – C-168 / 05, NJW 2007, 135, 135 f. – Mostaza Claro.

154

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Dass zwingendes Recht von Amts wegen geprüft wird, ist in Deutschland jedoch ohnehin vorgesehen.475 Dem Richter obliegt dies, wenn er eine vollumfängliche rechtliche Würdigung vornimmt. So muss beispielsweise auch eine Klauselkontrolle vorgenommen werden, wenn sich der Verbraucher nicht auf die unwirksame Klausel stützt. Dies bedeutet für sich genommen aber noch keine Beschränkung von Dispositions- und Beibringungsgrundsatz, weil diese Grundsätze sich nicht auf das Beibringen des anwendbaren Rechts beziehen, sondern die Disposition des tatsächlichen Verhandlungsstoffs betreffen. In einigen Urteilen des EuGH wurde allerdings deutlich, dass das nationale Gericht nicht nur von Amts wegen das Unionsrecht prüfen muss, sondern auch „Untersuchungsmaßnahmen“476 durchzuführen hat.477 Das bedeutet, dass auch Tatsachen von Amts wegen ermittelt werden müssen. Die Beibringung der Tatsachen hinsichtlich des Unionsrechts obliegt somit nicht nur den Parteien. Der EuGH stellt jedoch klar, dass dies nur gilt, sofern das Gericht „über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt“478. In Deutschland besteht wie dargelegt mit § 139 ZPO die Möglichkeit, den Parteien Fragen zu stellen und auch Beweiserhebungen können vom Gericht initiiert werden. Dadurch verfügt der Richter über rechtliche und tatsächliche Grundlagen, Tatsachen zu ermitteln. Das Unionsrecht verpflichtet zur Ausschöpfung dieser Möglichkeiten. Anderes gilt für Mahnverfahren: Bei diesen sind die erforderlichen Grundlagen nicht vorhanden, weil der Rechtspfleger schon keine umfassende rechtliche Würdigung vornimmt und auch nicht den Sachverhalt erforschen kann.479 Im Mahnverfahren muss somit keine Amtsermittlung stattfinden.480 Die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen fehlen auch bei der Güteverhandlung. Bei dieser findet keine Beweisaufnahme statt. Stattdessen muss zur mündlichen Verhandlung gewechselt werden, wenn die Parteien Meller-Hannich, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 19, 39. andere Sprachfassungen des Urteils untermalen deutlich die aktive Rolle des Gerichts, s. das Urteils in der englischen („investigate“), französischen („des mesures d’instruction“) und italienischen („misure istruttorie“) Sprachfassung. 477  EuGH, Urt. v. 21.2.2013  – C-472 / 11, NJW 2013, 987, 987 f.  – Banif Plus Bank Zrt.; s. dazu auch Kohler / Seyr / Puffer-Mariette, Unionsrecht und Privatrecht; s. zur Rechtsprechung des EuGH im Jahre 2010, ZEuP 2011, 874, 878 f. 478  S. nur EuGH Urt. v. 6.10.2009 – C-40 / 08, SchiedsVZ 2010, 110, 113 – Asturcom Telecomunicaciones SL. 479  So Mäsch, in: Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 37. 480  Mäsch, in: Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, §  9 Rn. 37. 475  Dazu

476  Auch



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis155

sich nicht einigen und eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts angestrebt wird. Diese Auslegung des Zusatzes der „erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen“ führt nicht zu einer Überschreitung der Kompetenz der EU, denn das Verfahrensrecht wird weiterhin von den Mitgliedstaaten gestaltet. Die im deutschen Zivilprozessrecht vorhandenen Möglichkeiten sind nach alledem ausreichend, um die Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zu erfüllen. Der EuGH fordert zwar ein leichtes Abweichen vom Beibringungsgrundsatz, indem Tatsachen durch das Gericht erforscht werden müssen. Dies kann aber unter regulärer Anwendung und Ausschöpfung der Möglichkeiten der ZPO, insbesondere im Bereich der Beweisaufnahme und § 139 ZPO erfolgen. Unter Ausschöpfung der prozessualen Möglichkeiten kann das Effektivitätsprinzip mithin erfüllt werden. Die Rechtsprechung des EuGH bezieht sich bislang lediglich auf einzelne Regeln und Fallgruppen und hat wohl noch nicht ihre endgültige Ausprägung erreicht. Es kann aber bereits gefolgert werden, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte den Verbraucher im Verfahren zu unterstützen haben, wenn es um die vom EuGH behandelten Richtlinien handelt.481 Nicht ausreichend ist, dass nur die materiellen verbraucherschützenden Vorgaben in die nationalen Rechtsordnungen integriert werden, sondern es muss auch prozessual die Durchsetzung gefördert werden, um den Verbraucher zu schützen.482 Teilweise wird kritisiert, dass der EuGH durch seine Rechtsprechung den Bereich der nationalen Prozessrechte antaste, welcher der Autonomie der Mitgliedstaaten unterliege.483 Es werde eine offene Materialisierung vorgenommen und die Grenzen der Rechtsprechung durch den EuGH überschritten.484 Diese Kritik verkennt aber, dass der europäische Gesetzgeber nur materiell-rechtlich festlegt, dass eine Norm zwingenden Charakter hat. Dies führt in der Folge dazu, dass das Gericht sie beachten muss und seine prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen muss, um ihr zur Wirksamkeit zu verhelfen. Der EuGH gibt zudem nur punktuell vor, die mitgliedstaatlichen Prozessregeln auszunutzen. Es ist legitim, dass sich der EuGH dafür einsetzt, dass die Richtlinien in den Mitgliedstaaten ihre volle Wirkung entfalten können.

481  Trstenjak,

ERPL 2013, 451, 461 ff., 476. ERPL 2013, 451, 452. 483  In Bezug auf Banif Plus Bank Zrt. / Csaba Csipai Rs. C-472 / 11 Roth, in: Münch, Prozessrecht und materielles Recht, 283, 300. 484  Roth, in: Münch, Prozessrecht und materielles Recht, 283, 294. 482  Trstenjak,

156

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Die Rechtsprechung ist mithin zu befürworten, weil ein besserer Verbraucherschutz bewirkt wird. Der Verbraucher wird gleichwohl nur so weit geschützt, bis er mit dem Unternehmer gleichgestellt ist, der die erforderlichen Tatsachen aufgrund seiner Rechtskunde einbringt. Dies entspricht der richterlichen Hinweispflicht. Auch diese geht wie dargelegt nicht so weit, dass gezielt die Rechtsstellung des Verbrauchers verbessert wird. 2. Verbraucherschlichtung Das kontradiktorische Gerichtsverfahren wird nun im Folgenden mit der Verbraucherschlichtung in Bezug gesetzt. a) Rechtliches Gehör Bei der Verbraucherschlichtung handelt es sich auch um ein kontradiktorisches Verfahren mit der Möglichkeit zur Äußerung für die Parteien.485 In Art. 9 ADR-RL als Fairness und in § 17 VSBG als rechtliches Gehör bezeichnet gibt das Regelwerk eindeutig vor, dass die Parteien sowohl das Recht haben, sich zu äußern, als auch die von der Gegenseite erbrachten Äußerungen zu hören.486 Das rechtliche Gehör orientiert sich mithin an Art. 103 GG, ist aber abgeschwächt und trägt seiner zivilprozessualen Ausprägung nicht in allen Punkten Rechnung.487 So gehört zum rechtlichen Gehör gemäß Art. 103 GG nicht nur, dass Äußerungen abgegeben werden können, sondern auch, dass diese berücksichtigt werden.488 Schon dies ist bei der Verbraucherschlichtung nicht gewährleistet, weil die Lösungen des Streitmittlers sehr frei ausgestaltet werden können.489 Dass der Streitmittler den Parteien für ihre Stellungnahmen, Tatsachenund Bewertungsvorbringen gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 VSBG eine Frist setzen kann und auch eine Präklusion möglich ist,490 unterscheidet die Verbraucherschlichtungen nicht von den Gerichtsverfahren, bei denen gemäß § 296 ZPO 485  Stadler, ZZP 2015, 165, 178; Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 98. 486  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 3 ff. 487  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 35; Stürner, ZZP 2014, 271, 320, Fn. 241. 488  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 3; Radtke / Hagemeier, in: BeckOK GG, Art. 103 Rn. 7; Remmert, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 1 GG Rn. 90. 489  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 6. 490  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 17; Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 17.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis157

verspätetes Vorbringen zurückgewiesen wird. Fristen und Präklusionsvorschriften leisten dem Gebot des rechtlichen Gehörs ausreichend Folge, da das Verfahren effektiv sein muss und irgendwann eine Entscheidung ergehen muss.491 Zwar stellt die Präklusion in der ZPO eine Ausnahme und wird deswegen eng ausgelegt.492 Allerdings wird es ebenso bei der Verbraucherschlichtung nicht häufig vorkommen, dass Stellungnahmen der Parteien präkludiert werden, weil die Lösung des Verfahrens von der Akzeptanz der Parteien abhängt und ihnen durch Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen entgegengekommen wird.493 Die ADR-RL und das VSBG regeln nicht die Zulässigkeit von vertraulichen Einzelgesprächen zwischen dem Streitmittler und einer Partei, die das rechtliche Gehör grundlegend einschränken.494 Für das kontradiktorische Verfahren bzw. das rechtliche Gehör ist aber essenziell, ob diese Kommunikation erfolgt und offengelegt werden muss. § 17 VSBG gewährt zwar das „rechtliche Gehör“, es ist aber nicht eindeutig, ob dies ebenso wie im Zivilprozess bedeutet, dass alle Gespräche zwischen dem Streitmittler und der einen Partei der anderen Partei mitgeteilt werden müssen, sodass sich letztere auch äußern kann. Art. 9 Abs. 1 lit. a ADR-RL regelt lediglich, dass „die von der Gegenpartei vorgebrachten Argumente, Beweise, Unterlagen und Fakten sowie etwaige Feststellungen und Gutachten von Experten“ der anderen Partei auszuhändigen sind, sodass sie dazu Stellung nehmen kann. Daraus kann zumindest entnommen werden, dass einseitige Kommunikation dann offenzulegen ist, wenn der Lösungsvorschlag auf ihr beruht.495 Bei einem vertraulichen Einzelgespräch werden aber nicht zwangsläufig Argumente oder Unterlagen beigebracht, sondern es können auch unterschwellig Sympathien erweckt werden. Ferner ist nicht immer deutlich, worauf der Lösungsvorschlag beruht. Somit ist davon auszugehen, dass vertrauliche Einzelgespräche vielfach ohne eine Offenlegung zulässig sind. Außerdem ist es möglich, dass die Parteien vertrauliche Einzelgespräche durch ihre ausdrückliche Zustimmung erlauben.496 Denn das Verfahren beruht immer auf Freiwilligkeit und sollte flexibel sein. Dies ist gerade bei ungleichen Parteien zu kritisieren, weil so möglicherweise der Verbraucher dazu gedrängt 491  Bacher, in: BeckOK ZPO, §  296 Rn. 1; Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 17; Scherpe, ZZP 2016, 153, 172. 492  BGH, Urt. v. 22.5.2001 – VI ZR 268 / 00, NJW-RR 2001, 1431, 1432. 493  Ähnlich Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 17 VSBG Rn. 5. 494  Dies bedauernd Stürner, ZZP 2014, 271, 320 Fn. 241. 495  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 17 VSBG Rn. 1, 3. 496  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 17 VSBG Rn. 1, Teil D Rn. 73.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

wird, vertrauliche Einzelgespräche zu erlauben, ohne sich ihrer verfahrensrechtlichen Einbußen bewusst zu sein. Vertrauliche Einzelgespräche führen zur Undurchsichtigkeit des Verfahrens für die andere Partei und bergen das Risiko, dass der Streitmittler in Bezug auf einen Streitpunkt nicht von beiden Parteien gleichermaßen informiert wird.497 Mithin verliert der Verbraucher an Schutz. Bei Mediationsverfahren werden Einzelgespräche ohnehin praktiziert, weil das Verfahren gemäß § 1 Abs. 1 Mediationsgesetz vertraulich ist. Dass vertrauliche Einzelgespräche bei Gericht nur im Rahmen der Güteverhandlung möglich sind, stellt im Vergleich zum Gerichtsverfahren somit eine Schwäche der Verbraucherschlichtung dar. Des Weiteren soll rechtliches Gehör grundsätzlich allein durch schriftliche Äußerungen erlangt werden.498 Eine mündliche Erörterung ist nicht erforderlich; das Verfahren wird gemäß § 17 Abs. 2 ZPO nur mündlich geführt, wenn dies in der Verfahrensordnung einer Verbraucherschlichtungsstelle zugelassen ist, beide Parteien zustimmen und der Streitmittler auch damit einverstanden ist.499 Das heißt, dass sich der Streitmittler einer mündlichen Verhandlung stets widersetzen kann.500 Zudem ist von mindestens einer Partei zu erwarten, dass sie sich bei grenzüberschreitenden Konflikten einer mündlichen Verhandlung entgegenstellt. Die Hürde zu einem mündlichen Verfahren ist folglich sehr viel höher ist als bei Gericht. Zwar gibt es auch bei Gericht viele schriftliche Verfahren, um die Effizienz zu steigern. Dort ist allerdings wie dargelegt in den allermeisten und entscheidenden Fällen dafür gesorgt, dass zu einem mündlichen Verfahren gewechselt werden kann. Es stellt deswegen gegenüber dem Gerichtsverfahren eine Schwächung des rechtlichen Gehörs dar, dass der Verbraucher eine mündliche Verhandlung nach dem VSBG nicht ohne Zustimmung des Unternehmers und des Streitmittlers beantragen kann. Es sei daran erinnert, dass die Mündlichkeit für Verbraucher in besonderem Maße für das rechtliche Gehör bedeutsam ist.501 Der Benachteiligung der Verbraucher durch das schriftliche Verfahren wird teils entgegengehalten, dass der Streitmittler entgegensteuern könne, indem er den Verbraucher darauf hinweist, dass dieser sich anwaltlich vertreten 497  Stürner,

ZZP 2014, 271, 320 Fn. 241. 75; Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 18; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 17 VSBG Rn. 1; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 13. 499  BR-Drs. 258 / 15, 75; Gössl, NJW 2016, 838, 841; insbes. in Bezug auf ODRVerfahren Steffek, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil G Rn. 483 f. 500  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 23. 501  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 330. 498  BR-Drs.  258 / 15,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis159

lassen könne.502 Jedoch führt anwaltlicher Beistand zu Kosten, die der Verbraucher selbst tragen muss. Es gibt keine Kostenerstattung und auch keine Prozesskostenhilfe, sodass es unwahrscheinlich erscheint, dass der Verbraucher einen Anwalt beauftragt.503 Vielmehr wird er bei den typischerweise geringen Streitwerten gehemmt sein, weitere Kosten zu investieren. Dieser Hinweis kann die Benachteiligung dementsprechend nicht vollends beseitigen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung einigen, können die Verfahrensordnungen vorsehen, dass ähnlich dem § 128a ZPO eine zeitgleiche Video- und Tonübertragung stattfindet.504 Dies ist dem rechtlichen Gehör nicht abträglich, sondern erzeugt die gleichen Wirkungen wie eine Verhandlung von Angesicht zu Angesicht und verbessert zugleich den Zugang zur Streitbeilegung. Das rechtliche Gehör hat somit insgesamt bei Gericht einen höheren Gehalt. b) Dispositions- und Beibringungsgrundsatz Noch stärker als beim Gerichtsverfahren können die Parteien über den Ablauf, den Inhalt, die Einleitung und die Beendigung des Verfahrens disponieren.505 Wie der Zivilprozess beginnt auch das Verbraucherschlichtungsverfahren nur auf Initiative einer Partei. Hinzu kommt, dass die Gegenpartei in den allermeisten Fällen sogar der Teilnahme zustimmen muss. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich der Unternehmer vorher zur Teilnahme verpflichtet hat. Die Verfahren können vom Antragsteller jederzeit abgebrochen werden. Dadurch, dass die Parteien dem Schlichtungsvorschlag zustimmen müssen, verfügen sie über das Verfahrensergebnis. Die Verbraucherschlichtungsstellen sind im Vergleich zu den Gerichten jedoch freier in Bezug auf die Bindung an die Parteianträge: Es können Lösungen vorgeschlagen werden, die nicht strikt an die Anträge der Parteien gebunden sind.506 Hingegen muss der Schlichtungsvorschlag gemäß § 19 VSBG stets auf den Darstellungen der Parteien gründen und die Verbrau502  Stadler,

ZZP 2015, 165, 181. BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 227. 504  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 87, 103. 505  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 68. 506  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 41; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 2. 503  Limperg,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

cherschlichtungsstelle darf keine eigenen Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhalts initiieren.507 Möglich ist aber, dass die Parteien und die Verbraucherschlichtungsstelle vereinbaren, dass der Streitmittler umfangreichere Beweisaufnahmen durchführen soll.508 Sowohl die Parteien, als auch der Streitmittler können aber auch von einer Beweisaufnahme absehen.509 Eine Beweisaufnahme bietet sich eher bei hohen Streitwerten an,510 denn Beweiserhebungen führen zu hohen Kosten und die Parteien müssen sich einigen, wer diese trägt. Hohe Kosten, die insbesondere durch Sachverständigenberichte aufkommen, sind für die Parteien unattraktiv.511 Das führt dazu, dass der Sachverhalt häufig nicht gründlich aufgeklärt wird.512 Dies entspricht dem Charakter der Verbraucherschlichtung: Als schnelles und schriftliches Verfahren kann sie nicht in gleichem Maße wie das Gerichtsverfahren für die gründliche Aufklärung des Sachverhalts sorgen. So schließen auch die meisten anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen bereits in ihren Schlichtungsordnungen umfassende Beweisaufnahmen aus: Es wird bestimmt, keine eigene Beweisaufnahme durchzuführen, es sei denn der Beweis kann durch die Vorlage einer Urkunde erbracht werden.513 Der 507  BR-Drs.  258 / 15, 76; Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 9; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 20; Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 209; Althammer, in: SchmidtKessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 138; Ring, Das neue VSBG in der anwaltlichen Praxis, 127; a A Prütting, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 7. 508  BT-Drs. 18 / 5089, 63; BR-Drs.  258 / 15, 76; Prütting, in: Althammer / MellerHannich, VSBG, § 19 Rn. 8; Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 211; ähnlich Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 20. 509  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 9. 510  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 211. 511  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 202, 212; Stadler, ZZP 2015, 165, 184. 512  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 4. 513  So die Ombudsstelle für Investmentfonds, s. § 16 Abs. 3 Verfahrensordnung für die aussergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten im Bereich des Bundesverband Investment und Asset Management e. V. (BVI)  – Stand Januar 2014; die Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V., s. § 6 Abs. 4 Verfahrensordnung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken; die Schlichtungsstelle bei der Deutschen Bundesbank, s. Seite 8 der Verfahrensordnung; die Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V., s. § 6 Abs. 4 Verfahrensordnung für die außergerichtliche Schlichtung von Kundenbeschwerden für die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe; die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft, s. § 4 Nr. 2 lit. g der Satzung, wobei es als Grund für die Ablehnung einer Beschwerde gesehen wird, wenn der Beweis nicht allein anhand von Urkunden erbracht werden kann; s. zudem Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 202.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis161

Grund liegt darin, dass sich der Urkundsbeweis gut in einem schriftlichen Verfahren eignet und nicht kostspielig ist.514 Andere Schlichtungsordnungen erwähnen noch nicht einmal ausdrücklich den Urkundsbeweis, sondern stellen nur fest, dass kein Beweisverfahren durchgeführt wird515 oder äußern sich gar nicht zu Beweisen.516 Nimmt eine Schlichtungsordnung konkret zu zulässigen Beweisen Stellung, sind die anderen Beweise der ZPO ausgeschlossen.517 Enthält die Schlichtungsordnung keine Angabe zu den zulässigen Beweisen, sind die Beweise der ZPO und alle weiteren erdenklichen Beweismittel hingegen grundsätzlich möglich.518 Eine Beweisaufnahme entsprechend den Vorgaben der ZPO ist demnach bei vielen Verbraucherschlichtungsstellen nicht ausgeschlossen, doch wenn die Parteien die Schriftlichkeit des Verfahrens beibehalten wollen, sind die möglichen Beweise begrenzt.519 Der Augenscheinsbeweis kann jedoch dadurch geführt werden, dass dem Streitmittler ein Foto von der Sache übermittelt wird, solange nicht die Echtheit der Urkunde selbst in Frage steht.520 Der Zeugenbeweis eignet sich bei einem schriftlichen Verfahren nur, wenn die Zeugen per Videoübertragung zugeschaltet werden oder telefonisch vom Streitmittler befragt werden.521 Der Zeugenbeweis hat allerdings ohnehin den grundlegenden Nachteil, dass die Ladung von Zeugen nicht durchsetzbar ist, die Zeugen keine Pflicht zur Aussage trifft und sie auch nicht vereidigt werden können.522 514  Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 29; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 14; Stadler, ZZP 2015, 165, 184; Fries, Blog zur Verbraucherstreitbeilegung, 16.2.2016: Interview zur Verbraucherschlichtung aus Anwaltspe rspektive, abrufbar unter: http: /  / www.verbraucherstreitbeilegung.de / interview-ver braucherschlichtung-rechtsanwalt / . 515  § 4.5 der Verfahrensordnung der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V., gültig seit 1.4.2016; §§ 11 Abs. 2, 9 Abs. 2 der Schlichtungsordnung der Schlichtungsstelle Post der Bundesnetzagentur sowie § 18 Abs. 2 S. 3 Postgesetz, veröffentlicht im ABl. der Bundesnetzagentur Nr. 06 / 2016 vom 6.4.2016; §§ 10 Abs. 2, 12 Abs. 2 Schlichtungsordnung der Verbraucherschlichtungsstelle Telekommunikation der Bundesnetzagentur sowie § 47a Abs. 3 Telekommunikationsgesetz i. V. m. § 5 VSBG, veröffentlicht im ABl. Nr. 06 / 2016 der Bundesnetzagentur vom 06.04.2016 als Mitteilung Nr. 287 / 2016. 516  Die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz. 517  Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 9. 518  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 11; Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 6, 9; Roder, in: Roder / Röthemeyer /  Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 202. 519  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 211; Stadler, ZZP 2015, 165, 184. 520  Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 33. 521  Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 34. 522  Heetkamp, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 17 Rn. 11; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 46; Greger, in: Greger / Un-

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Da die Verbraucherschlichtungsstellen nicht mit dieser Aufgabe beliehen worden sind, bleibt diese Befugnis bei den mit hoheitlichen Mitteln ausgestatteten Gerichten.523 Die Sachverhaltsermittlung aufgrund von Beweise ist durch die meisten Schlichtungsordnungen mithin stark begrenzt. Das wird noch dadurch verstärkt, dass viele Schlichtungsordnungen in Umsetzung von § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. a VSBG vorsehen, dass ein Antrag auf Schlichtung schon abgelehnt wird, wenn die Klärung des Sachverhalts einen unangemessen hohen Aufwand darstellen würde. Daran wird deutlich, dass den Parteien bei der Verbraucherschlichtung nicht unbeschränkt das Recht gewährt ist, zum Verfahren durch Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, sondern dies nur in den Grenzen der Effizienz und Schnelligkeit geschehen soll. Zu erwarten sind vereinfachte, sehr schnelle Versuche, den Sachverhalt aufzuklären, ohne den effektiven Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle durch zu hohen Aufwand zu beeinträchtigen. Denn Schlichtungsvorschläge können auch unterbreitet werden, wenn dem Streitmittler limitierte Informationen vorliegen.524 Das Unmittelbarkeitsprinzip gilt bei den Verbraucherschlichtungsverfahren nicht. Dadurch, dass das Verfahren und die Beweise ohnehin schriftlich sind, erlangt der Streitmittler die gesamte Akte und erarbeitet eine Lösung. Einen persönlichen Eindruck kann er sich so ohnehin nicht machen. Auch dies mindert die Qualität der Streitbeilegung. Somit ist zu konstatieren, dass die Freiheit, welche den Verbraucherschlichtungsstellen für die Verfahrensausgestaltung gewährt ist, zulasten von Dispositions- und Beibringungsgrundsatz der Parteien genutzt wird. Diese Grundsätze werden in einigen Aspekten beschränkt, sodass die Verbraucherschlichtung in diesem Aspekt für Verbraucher weniger Qualität aufweist als das Gerichtsverfahren.

berath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  D Rn. 68, 199; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 14; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 244. 523  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 46; anderes gilt nur gem. §§ 1050, 1062 Abs. 4 ZPO für die Schiedsgerichte: Diese können beim Amtsgericht am Ort der vorzunehmenden Handlung die Vornahme eine richterlichen Handlung beantragen, zu welcher das Schiedsgericht nicht befugt ist, es kann somit vom Gericht gefordert werden, die Aussage eines Zeugens zu erzwingen – diese Regelung gilt allerdings nur für Schiedsgerichte und ist nicht auf andere außergerichtliche Verfahren zu übertragen, s. Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 243. 524  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 4; Luzak, ERPL 2016, 81, 98.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis163

c) Weniger Verbraucherschutz im Verfahren Für Verbraucherkonflikte ist es wichtig, dass Verhandlungsparität hergestellt wird und die strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers ausgeglichen wird. Dazu muss dieser über seine prozessualen und materiellen Rechte aufgeklärt werden.525 Das gilt besonders für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern, denn ein faires Ergebnis wird nur erreicht, wenn Waffengleichheit zwischen den Parteien besteht, damit es sich bei einem Vergleich wahrhaftig um eine privatautonome Einigung handelt.526 Eine verstärkte Intervention des Streitmittlers kann die prozessuale Unterlegenheit des Verbrauchers auffangen.527 Bei Gerichtsverfahren wird dies wie dargelegt durch die in § 139 ZPO normierte materielle Prozessleitung erreicht. Eine dem § 139 ZPO vergleichbare Norm gibt es im VSBG nicht. Aus der im Vergleich zum Mediator aktiveren Rolle – der Mediator führt bedingt durch seine passive Rolle keine eigene Sachverhaltsaufklärung durch – wird jedoch geschlussfolgert, dass der Schlichter stärker auf die Sachverhaltserforschung hinwirken muss, um eine Bewertung des Sachverhalts vornehmen zu können.528 Denn um überhaupt als Basis für die Ausformung des Schlichtungsvorschlags nach § 19 VSBG zu dienen, muss die Sachlage hinreichend klar sein. Der Streitmittler kann sich demnach Sachverhaltskenntnisse verschaffen, indem er die Parteien insbesondere auf fehlende Punkte hinweist. Anhaltspunkte für die Rolle des Streitmittlers geben außerdem die zuvor praktizierten Verfahren der bereits bestehenden Schlichtungsstellen, an denen sich der Gesetzgeber bei der Ausformung des VSBG orientiert hat. Es ist üblich, dass der Schlichter zusammenfasst, wie sich der Sachverhalt nach seiner Einschätzung und dem Parteivortrag darstellt und dann die rechtlichen und tatsächlichen Probleme aufzeigt, um den Parteien darauf aufbauend einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten.529 Der Schlichter macht insbesondere auf die Schwierigkeiten eines gerichtlichen Verfahrens aufmerksam, welche zumeist darin liegen, den Beweis zu erbringen.530 Ist der Parteivortrag nicht umfassend genug und kann der Sachverhalt nicht ausreichend konstruiert

525  Hess,

ZZP 2005, 427, 445. ERPL 2016, 7, 18. 527  Hess, ZZP 2005, 427, 445. 528  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 200. 529  Gössl, RIW 2016, 473, 479; Gössl, NJW 2016, 838, 841; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 530  Gössl, RIW 2016, 473, 479; Gössl, NJW 2016, 838, 841. 526  Storskrubb,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

werden, kann der Streitmittler darauf hinweisen.531 Gleiches gilt für die Vollständigkeit des Antrags: Auch hier besteht keine Pflicht, die Parteien auf Unvollständigkeit hinzuweisen.532 Der Streitmittler kann in Anlehnung an § 139 ZPO die Parteien aktiv dazu anregen, ergänzende Ausführungen vorzubringen.533 Wäre es dem Streitmittler erlaubt, auch eine verbindliche Entscheidung zu treffen, müsste er zwingend analog § 139 Abs. 2 ZPO auf erkennbar übersehene Umstände, auf welche die Entscheidung gestützt wird, hinweisen.534 Da im Anwendungsbereich des VSBG aber kein Entscheidungsverfahren durchgeführt wird, steht es im Ermessen des Streitmittlers, ergänzende Hinweise zu geben. So zeigt auch die Streichung der im Gesetzentwurf noch vorgesehenen Anforderung von Stellungnahmen, Belegen und Mitteilungen, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, Hinweismöglichkeiten des Streitmittlers in den Gesetzeswortlaut aufzunehmen.535 Der Grund ist auch hier wiederum, dass bei schriftlichen Verfahren wie der Verbraucherschlichtung eine rege Kommunikation naturgemäß begrenzter ist und somit kaum Gelegenheit dazu besteht, Hinweise zu geben. Gibt der Streitmittler jedoch freiwillig Hinweise, so liegt die Grenze wie beim Gerichtsverfahren in seiner Neutralitätspflicht.536 Eine Schutzlücke besteht demgemäß dadurch, dass im Vergleich zum Richter die Neutralität des Streitmittlers nicht garantiert ist. Macht der Schlichter die Parteien darauf aufmerksam, dass ihr Vorbringen unvollständig ist, legt er anschließend gemeinsam mit ihnen fest, ob er die Tatsachen aufklären soll oder den Schlichtungsvorschlag aufgrund von Billigkeitserwägungen erarbeiten soll.537

531  Borowski,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 19. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 22. 533  Stadler, ZZP 2015, 165, 183. 534  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 74. 535  Vgl. den Wortlaut von § 13 Abs. 5 lit. a VSBG-Entwurf, Bearbeitungsstand 10.11.2014, abrufbar unter: http: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Dokumente / RefE_zum_Verbraucherstreitbeilegungsgesetz.html; in dem Sinne Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 138, aus dem Wortlaut des Entwurfs eine aktive Rolle des Streitmittlers schließend. 536  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 189, 193; Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 139. 537  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 200; ebenso Stadler, ZZP 2015, 165, 184, die dem Telos der Richtlinie eine Hinweispflicht des Streitmittlers entnimmt. 532  Borowski,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis165

Im Vergleich zum Gerichtsverfahren ist folglich nicht sichergestellt, dass durch Hinweise versucht wird, das Waffenungleichgewicht zu vermindern.538 Der Streitmittler muss die Parteien in keiner Weise ergänzend aufklären. Beim Gerichtsverfahren sorgt hingegen insbesondere § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dafür, dass § 139 ZPO beachtet wird, indem die Wiederaufnahme des Verfahrens festgeschrieben ist, wenn die Hinweis- und Aufklärungspflicht verletzt wurde. Zudem muss die Aufklärung gemäß § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO aktenkundig gemacht werden. Dies bewirkt, dass der Nachweis einer Verletzung des § 139 ZPO leichter zu beweisen ist, um darauf gestützt gemäß § 513 Abs. 1 ZPO Berufung einzulegen.539 Die Verfahrensrechte der Parteien sind folglich gegenüber dem Gerichtsverfahren beschränkter. Es wird der Verbraucherschlichtung sogar eine „Entmaterialisierung der europäischen nationalen Prozessrechte“ nachgesagt.540 Dies führt dazu, dass der Verbraucher im Verbraucherschlichtungsverfahren weniger geschützt wird. d) Keine Besonderheit bei Anwendung des Unionsverbraucherrechts Im Unterschied zu den Gerichtsverfahren werden auch die Tatsachen, die für die Anwendung der verbraucherschützenden Normen beigebracht und bewiesen werden müssen, nicht von Amts wegen ermittelt: Die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Richter diesbezüglich Untersuchungsmaßnahmen anstellen muss, bezieht sich nur auf die staatlichen Gerichte. Sie kann auch nicht auf die Verbraucherschlichtungen übertragen werden. Der Streitmittler muss nicht von Amts wegen den Sachverhalt ermitteln.541 Zum Teil wird aus der Vorgabe aus § 19 Abs. 1 VSBG, den Schlichtungsvorschlag am geltenden Recht auszurichten, geschlussfolgert, dass eine Ermittlung von Amts wegen erfolgen müsse, um so die effektive Durchsetzung des Verbraucherrechts zu bewirken. Die Rechtsprechung des EuGH müsse auf die Schlichtung übertragen werden, da sie auf dem Effektivitätsprinzip und somit auf dem materiellen Recht gründet.542 Diese Ansicht verkennt aber, dass die Verbraucherschlichtungsstelle das materielle Recht und insbesondere die Verbraucherschutzgesetze nur beachten soll, dadurch somit gerade ein Spielraum verbleibt. Die Verbraucherschlichtung soll zudem zu einer zügigen Konfliktlösung führen, dem aufwändige Untersuchungen abträglich 538  Halfmeier,

VuR Sonderheft 2016, 17, 21. NJW 2001, 3756, 3757. 540  Roth, in: Münch, Prozessrecht und materielles Recht, 283, 285. 541  BT-Drs. 18 / 5089, 62. 542  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 18. 539  Schneider,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

wären. Hinzu kommt, dass § 19 Abs. 1 S. 1 VSBG klarstellt, dass der Schlichtungsvorschlag auf der sich aus dem Streitbeilegungsverfahren ergebenen Sachlage ergeht – die Sachlage erwächst aber laut § 17 VSBG nur aus den Darlegungen der Parteien. Der Streitmittler soll demgegenüber keine Aufklärungen vornehmen.543 Es widerspricht weder der ADR-RL noch dem VSBG, wenn der Streitmittler einen Schlichtungsvorschlag unterbreitet, der auf einem lückenhaften und ungeklärten Sachverhalt beruht. Die Lücken müssen nicht durch Aufklärungen des Streitmittlers gefüllt werden. Zudem ist der Streitmittler auch nicht zur förmlichen Beweisaufnahme befugt und braucht nach der Gesetzesbegründung544 für eine solche die Zustimmung der Parteien. Er verfügt somit schon nicht über die vom EuGH vorausgesetzten „erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen“545. Auch in diesem Punkt unterscheidet sich die Verbraucherschlichtung mithin vom Gerichtsverfahren. Der Sachverhalt wird bei der Verbraucherschlichtung nicht so gründlich ermittelt wie beim Gerichtsverfahren. Dies stellt zwar eine konsequente Anwendung des Beibringungsgrundsatzes dar, geht aber auf Kosten des Verbraucherschutzes. In der Folge führt ein unklarer Sachverhalt dazu, dass die Wertungen des materiellen Rechts nicht vollends zur Geltung kommen, da der Streitmittler durch die Sachverhaltslücken allenfalls die Beweislastregeln berücksichtigen kann. Das kontradiktorische Gerichtsverfahren bietet dem Verbraucher insgesamt mehr Schutz.

IV. Rechtmäßigkeit des Verfahrensergebnisses Dass die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens ein Qualitätsmerkmal ist, hängt damit zusammen, dass die Gesetze eine Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers sind. Zugang zum Recht kann zwar auch durch außergerichtliche Verfahren verwirklicht werden, die das geschriebene Recht nicht so streng beachten, allerdings stellt die Rechtsbeachtung gerade für Verbraucherkonflikte einen wichtigen Aspekt für die Bewertung des Zugangs zum Recht dar.546 Inwieweit das geschriebene Recht im Rahmen der Verbraucherschlichtung und des Gerichtsverfahrens beachtet wird, hängt zum einen von den Vorgaben für die jeweiligen Verfahren und zum anderen von der Qualifikation der die Streitlösung leitenden Person ab. Ihre Qualifikation beeinflusst deshalb 543  Röthemeyer,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 20. 18 / 5089, 63. 545  Diese Einschränkung wurde u. a. vorgenommen von EuGH, Urt. v. 21.2.2013 – C-472 / 11, NJW 2013, 987, 988 – Banif Plus Bank Zrt. und EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – C-40 / 08, SchiedsVZ 2010, 110, 113 – Asturcom Telecomunicaciones SL. 546  S. dazu umfassend Kap. 2 B. I. 4. der Darstellung. 544  BT-Drs.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis167

entscheidend die Qualität des Verfahrens und dessen Lösung, da diese Person die Verfahrensausgestaltung beeinflusst, die Lösung erarbeitet, die Parteien aufklärt und ihnen Hinweise gibt.547 Die besondere Kompetenz, die von Streitmittlern und Richtern gefordert wird, muss in den wesentlichen Punkten des Verfahrens zum Tragen kommen. Je mehr Aufgaben an Hilfspersonen delegiert werden, deren Qualifikation nicht vorgeschrieben ist, desto weniger Nutzen hat der Verbraucher von der Qualifikation des Streitmittlers oder Richters. Zuerst wird die Rechtsfundierung bei der Verbraucherschlichtung analysiert (1.), bevor sich danach mit der Gesetzesnähe der verschiedenen Ergebnisse des Gerichtsverfahrens auseinandergesetzt wird (2.). 1. Rechtsfundierung bei der Verbraucherschlichtung Die Rechtsfundierung bei der Verbraucherschlichtung wird durch die Vorgaben des VSBG bestimmt (a)), wozu auch zählt, inwiefern ausländisches Recht bei internationalen Sachverhalten ermittelt wird (b)) und wie mit Auslegungsfragen (c)) oder ungeklärten Sachverhalten umgegangen wird (d)). Des Weiteren spielt die Qualifikation des Streitmittlers bei der Rechtsbeachtung eine Rolle (e)). Zuletzt wird auf die praktische Bedeutung von Kompromisslösungen eingegangen (f)). a) Ausrichtung am geltenden Recht und Beachtung des zwingenden Verbraucherrechts § 19 Abs. 1 S. 2 VSBG stellt folgende Anforderungen an den Schlichtungsvorschlag: „Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein und soll insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten.“ Das VSBG differenziert zwischen geltendem Recht und zwingenden Verbraucherschutzgesetzen und unterscheidet zwischen „beachten“ und „ausrichten“. Zwingendes Verbraucherschutzrecht ist freilich Teil des geltenden Rechts. Dies wird auch durch das Wort „insbesondere“ deutlich. Die Unterscheidung dient somit nur der Betonung, dass das Verbraucherschutzrecht Beachtung findet. Diese Hervorhebung mag dadurch motiviert sein, dass sie dem Rechtsanwender verdeutlicht, dass die Verbraucherschlichtung als eine Alternative zu den Gerichten geschaffen wurde und der Verbraucher durch die Schlichtung nicht seinem gesetzlichen Schutz beraubt werden soll. Prak547  Berlin,

ZKM 2015, 26, 29.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

tisch macht es aber keinen Unterschied, ob es sich um zwingendes Verbraucherschutzrecht oder anderes Recht handelt.548 Das VSBG setzt die Vorgaben aus Art. 11 ADR-RL überschießend um. Dort ist eine Rechtsbindung nur für den Fall vorgesehen, dass eine Lösung auferlegt wird. Bei der Schlichtung und der Mediation müsste das zwingende Recht mithin nach den europäischen Vorgaben nicht beachtet werden, denn nach der Systematik der ADR-RL wird unterschieden zwischen Verfahren mit auferlegter Lösung und solcher, bei denen ein Lösungsvorschlag ergeht. Die Rechtsbindung des § 19 VSBG gilt nur, wenn wirklich ein Schlichtungsverfahren vorausgegangen ist, was sich nicht anhand der Bezeichnung beurteilt, sondern mittels der Beteiligung des Streitmittlers und der Parteien. Erarbeiten die Parteien die Lösung anhand der Mediationsmethode, handelt es sich nicht um eine Schlichtung, sodass § 19 VSBG nicht gilt und alle Vereinbarungen in den Grenzen von §§ 134, 138 BGB möglich sind.549 Bei einer Mediation ist es anders als bei der Schlichtung noch nicht einmal geboten, dass die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachtet werden.550 Aufgrund der Soll-Vorschrift des § 19 VSBG ist es nicht vorhersehbar, in welchen Fällen eine Lösung wirklich am Gesetz ausgerichtet wird.551 Es ist naheliegend die Soll-Vorschrift so auszulegen, dass die Rechtsbeachtung die Regel ist, allerdings bei besonders gelagerten Fällen ohne Weiteres von der Regel abgewichen werden kann. Dadurch wird deutlich, dass der Streitmittler nicht so streng wie ein Richter bei einem Urteil an das Gesetz gebunden ist, sondern der Vorschlag nicht allein aus dem Recht folgen muss.552 Das Recht wird mitunter als „Richtschnur“ und „Orientierungshilfe“ bezeichnet.553 Es handelt sich nur um eine Annäherung an das Recht.554 Ebenfalls können „weiche“ Kriterien wie „Billigkeits- und Kulanzerwägungen“ eine Rolle spielen.555 Der Streitmittler soll auch die Interessen der Parteien berücksichtigen, soweit diese nicht mit den Rechtspositionen übereinstim548  Prütting,

in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 12. in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 8 ff.; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 228. 550  Wagner, ZKM 2013, 104, 107. 551  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 50, die Rechtsbindung „vage und offen“ beschreibend. 552  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 29; MellerHannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 26; dies entspricht der Gesetzesbegründung, vgl. BR-Drs. 258 / 15, 76 und BT-Drs. 18 / 5089, 63. 553  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 5. 554  Gaier, NJW 2016, 1367, 1371. 555  Hirsch, ZKM 2015, 141, 142. 549  Röthemeyer,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis169

men.556 Der Schlichtungsvorschlag kann sich somit den Wünschen und Zielen der Parteien anpassen und dabei die Rechtslage missachten.557 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass es schwierig sein wird, in einem schriftlichen Verfahren die Interessen der Parteien zu erkennen.558 Der Streitmittler muss die Parteien gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VSBG darauf hinweisen, dass der Schlichtungsvorschlag von einer gerichtlichen Lösung abweichen kann. Auch dies indiziert, dass die Lösung häufig nicht an das Gesetz gebunden ist.559 Die von § 20 Abs. 2 VSBG anvisierte kurze Dauer des Verfahrens spricht ebenfalls dafür, dass das Recht häufig nicht beachtet wird. Denn eine gründliche Sachverhaltsaufklärung und eine exakte Rechtsbeachtung kosten Zeit.560 Diese im VSBG angelegten Gründe legen somit einerseits eine gelockerte Sachverhaltsaufklärung und Rechtsbeachtung nahe. Andererseits ist die Rechtsbeachtung als Regel formuliert. Es wird das Spannungsverhältnis sichtbar, dem sich der Gesetzgeber ausgesetzt sah: Außergerichtliche Streitbeilegung ist einerseits von Privatautonomie geprägt, andererseits besteht ein Interesse an der Rechtskonformität des Wirtschaftslebens.561 Die privatautonome Prägung ist im Selbstbild der Schlichtungsstellen tief verankert. Nach Aussagen eines Schlichters einer als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannten Schlichtungsstelle geht es bei der Schlichtung nicht vornehmlich um das Verfahrensergebnis, sondern um Verfahrensgerechtigkeit in Form eines fairen, transparenten und nachvollziehbaren Verfahrens.562 Ein solches Verfahren trage unabhängig vom konkreten Ausgang des Verfahrens zur Zufriedenheit der Parteien bei, weil sie das Gefühl haben, die Rechtslage verstanden zu haben.563 Trotz der Soll-Vorschrift des § 19 Abs. 1 VSBG betonen Streitmittler die Vorteile der Flexibilität hinsichtlich der Rechtsbeachtung. ADR-Verfahren haben typischerweise eine andere Aufgabe als das Recht durchzusetzen. Außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren werden als „Verfahrenssystem[e] abgeschwächter Rechtsbindung“ bezeichnet.564 Der Konsens ist bei der Verbraucherschlichtung der Rechtsbeachtung übergeord556  Prütting, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 15; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 41. 557  Prütting, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 15. 558  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 41. 559  Gössl, RIW 2016, 473, 479. 560  Wagner, CMLR 2014, 165, 166. 561  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 21. 562  So Berlin, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 43, 52, in Bezug auf die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. 563  Berlin, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 43, 53. 564  Stürner, ZZP 2014, 271, 317.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

net.565 Deswegen erstaunt die häufige Benutzung des Wortes „Anspruch“ im VSBG.566 b) Anwendbares Recht bei internationalen Sachverhalten § 19 Abs. 1 S. 2 VSBG gibt dem Streitmittler auf, das „geltende Recht“ zu beachten. Damit ist allein das materielle Recht gemeint und nicht das Prozessrecht, weil das VSBG eigenständige Verfahrensregeln vorsieht.567 Bei grenzüberschreitenden Fällen ist jedoch nicht immer das Sachrecht am Ort der Verbraucherschlichtungsstelle anwendbar. Das anwendbare Recht muss vielmehr anhand der Regeln des internationalen Privatrechts am Sitz der Verbraucherschlichtungsstelle ermittelt werden.568 Der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist der Hauptvertrag zwischen den Parteien, welcher von der Schlichtungsvereinbarung und vom Vertrag zwischen den Parteien und der Verbraucherschlichtungsstelle zu unterscheiden ist.569 Da europäische Verordnungen grundsätzlich Vorrang vor nationalen Regelungen haben, gilt für die Streitigkeiten, die von der ADR-RL erfasst sind, in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark570 die Verordnung (EG) Nr. 593 / 2008 des  Euro­ päischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO)571. Somit können die Parteien gemäß Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO in Verbindung mit Art. 3 Rom I-VO das anwendbare Recht wählen.572 Haben der Verbraucher und der Unternehmer keine Rechtswahl getroffen, ist das anwendbare Recht nach dem Verbrauchergerichtsstand gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO zu bestimmen573 – 565  Nürnberg,

Verbraucherschlichtung, 42. nur § 14 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 5 VSBG, § 30 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 6 VSBG, § 31 Abs. 2 VSBG; ebenso Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 41. 567  Prütting, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 12; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 30, präzisierend, dass dies nicht für die Regeln zur Beweislast gilt, weil diese im materiellen Recht wurzeln. 568  BT-Drs. 18 / 5089, 62 f.; BR-Drs.  258 / 15, 76; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 28; Ring, Das neue VSBG in der anwaltlichen Praxis, 129; a A Prütting, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 12. 569  Gössl, RIW 2016, 473, 475 ff. 570  S. Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO; die anderen Mitgliedsstaaten wenden die Rom I-VO gem. Art. 3 Rom I-VO aber im Verhältnis zu Dänemark an (loi uniforme). 571  Verordnung (EG) Nr. 593 / 2008 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. L 177 / 6, 4.6.2008. 572  Zu der komplizierten Folge des Günstigkeitsvergleichs im Einzelnen Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, 32 ff. 573  So Gössl, RIW 2016, 473, 475. 566  S.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis171

es ist mithin das Recht des Staates anwendbar, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Unternehmer in diesem Staat seine Tätigkeit ausübt oder diese auf den Staat ausrichtet. Da die Verbraucherschlichtungsstellen gemäß § 4 Abs. 4 VSBG ihre Zuständigkeit auf im Inland niedergelassene Unternehmer begrenzen können, ergeben sich grenzüberschreitende Fälle – wenn überhaupt – vornehmlich zwischen deutschen Unternehmern und ausländischen Verbrauchern. Die deutsche Verbraucherschlichtungsstelle soll dann regelmäßig ausländisches Recht anwenden. Jedoch kann wegen des Fehlens der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. a und b Rom I-VO, wonach die Tätigkeit des Unternehmers in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers ausgeübt oder auf diesen ausgerichtet sein muss, doch auf die Grundnorm des Art. 4 Rom I-VO zurückzugreifen sein mit der Folge der Anwendung des Rechts desjenigen Staates, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat. Auch gilt die Kolli­ sionsnorm für Verbraucher nicht, wenn ein Ausschlussgrund gemäß Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO vorliegt, insbesondere bei einem Beförderungsvertrag oder wenn der Verbraucher die Dienstleistung nicht in dem Staat in Anspruch nimmt, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für das Gros der Verbraucherkonflikte mit Auslandsbezug wird jedoch Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO mit der Folge einschlägig sein, dass der Streitmittler ausländisches Recht anwenden soll. Dies ist mit erheblicher Schwierigkeit verbunden.574 Es kann bezweifelt werden, dass die Verbraucherschlichtungsstellen überhaupt über die erforderlichen juristischen und sprachlichen Fähigkeiten verfügen.575 In Anbetracht der Tatsache, dass durch das VSBG gerade die Lösung grenzüberschreitender Fälle verbessert werden sollte, ist dieses Ergebnis unbefriedigend.576 Ein großer praktischer Aufwand besteht vor allem auch, weil die Verbraucherschlichtungsstellen von Gesetzes wegen nicht über die gleichen Möglichkeiten verfügen wie Gerichte gemäß § 293 ZPO.577 Zwar kann eine Verbraucherschlichtungsstelle auch ein Gutachten über die ausländische Rechtslage anfordern, dazu müsste aber wohl in Anbetracht der Kostentragung ein Einverständnis der Parteien erlangt werden. Das Verbraucherschlichtungsverfahren wird durch die Ermittlung ausländischen Rechts teurer und komplizierter.578 574  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 135 f., 333; Loos, ERPL 2016, 61, 73 f. 575  Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 246; Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 153; Loos, ERPL 2016, 61, 73 f. 576  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 153. 577  Gössl, NJW 2016, 838, 842; Gössl, RIW 2016, 473, 480; Ring, Das neue VSBG in der anwaltlichen Praxis, 130. 578  Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 246.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Aufgrund dieser Mängel ist zu erwarten, dass die Verbraucherschlichtungsstellen in der Praxis erst gar nicht versuchen werden, das ausländische Recht zu ermitteln. Stattdessen werden sie es vorziehen, eine Lösung nach Billigkeit zu finden oder von vornherein heimisches Recht anzuwenden. Dieses Vorgehen wird auch in der Literatur vielfach befürwortet. Argumentiert wird zunächst mit § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VSBG, der es den Verbraucherschlichtungsstellen gestattet, einen Schlichtungsantrag abzulehnen, wenn die Rechtsfragen nur mit unangemessenem Aufwand geklärt werden können. Die Anwendung heimischen Rechts solle gestattet sein, weil dadurch vermieden würde, dass der Großteil der grenzüberschreitenden Fälle aus diesem Grund abgelehnt werden müsse.579 Richtig daran ist, dass es dem von der ADR-RL intendierten Ziel, den Zugang zum Recht für grenzüberschreitende Fälle innerhalb Europas zu verbessern, zuwiderlaufen würde, wenn grenzüberschreitende Fälle überhaupt nicht gelöst würden. Allerdings ist es den Verbraucherschlichtungsstellen überlassen, den Ablehnungsgrund aufzunehmen, sodass nicht zu erwarten ist, dass alle von ihm Gebrauch machen. Die Vorgabe, ausländisches Recht zu ermitteln, würde somit nicht zwangsläufig zu einer Ablehnung der Anträge führen. Darf aber ein Streitigbeilegungs­ gesuch gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VSBG sogar abgelehnt werden, erscheint es logisch, als ein Minus zur Ablehnung die Streitigkeit annehmen und auf der Basis des heimischen Rechts entscheiden zu dürfen. Ferner wird § 19 VSBG teleologisch hinterfragt und befürwortet, dass sich die Verbraucherschlichtungsstellen seinen Vorgaben widersetzen sollen um heimisches Recht anzuwenden.580 Dies sei vor allem aufgrund der Vorreiterrolle Deutschlands bei der Umsetzung der EU-Vorgaben zum Verbraucherschutz legitim.581 Einen Verstoß gegen die Vorgaben der ADR-RL würde das Außerachtlassen ausländischen Rechts jedenfalls nicht darstellen, da die Richtlinie die Rechtsbeachtung nur für verbindlich auferlegte Lösungen vorgibt.582 Begründet wird diese Ansicht weiterhin mit dem Wesen der Schlichtung: Diese solle effizient und kostengünstig sein, was durch die Anwendung von ausländischem Recht schwer zu erreichen sei.583 579  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 153; Prütting, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 19 Rn. 12. 580  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 35; Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 8 Grenzüberschreitende Streitigkeiten, Rn. 30; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag / Ergebnis des Verfahrens, Rn. 32, 35; Gössl, NJW 2016, 838, 842; Höxter, VuR Sonderheft 2016, 29, 32; Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 153; Pelzer, ZKM 2015, 43, 45. 581  Pelzer, ZKM 2015, 43, 45; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 35. 582  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 153.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis173

Auch wenn die Anwendung deutschen Rechts im Einzelfall aufgrund des europäisch initiierten Verbraucherschutzrechts und dadurch bedingten nationalen Ähnlichkeiten nicht zu einem allzu großen Unterschied führen würde, ist diesen Ansichten aber entgegenzutreten. Das internationale Privatrecht darf nicht vollständig außer Acht gelassen werden. Denn dies würde eine Ausweitung des Begriffes „soll“ darstellen, die nicht mehr vom Wortlaut des § 19 VSBG gedeckt ist. Es muss zumindest ansatzweise versucht werden, das ausländische Recht anzuwenden. Durch das Prinzip der Mindestharmonisierung bestehen Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen, deren Details im Bereich des Verbraucherrechts gerade entscheidend sind.584 Auch eine Berufung auf das Wesen der Schlichtung ist aufgrund der ungenauen und häufig nicht möglichen Charakterisierung außergerichtlicher Streitbeilegung nicht überzeugend. Die Verbraucherschlichtungsstellen können zur Ermittlung des ausländischen Rechts auf das Netz der europäischen Verbraucherzentren585 zurückgreifen, sodass praktische Schwierigkeiten minimiert werden können.586 Außerdem kann der Streitmittler die Parteien dazu an­ regen, sich einvernehmlich zugunsten der Anwendung deutschen Rechts zu einigen. Dies würde aufgrund des hohen Verbraucherschutzniveaus in Deutschland für den Verbraucher keine Gefahr darstellen und würde auch die Ziele der ADR-RL nicht unterlaufen.587 Solange § 19 VSBG in der aktuellen Fassung beibehalten wird, sollte somit das ausländische Recht – jedenfalls in Ansätzen – ermittelt werden. Eine Verbesserung könnte allerdings erreicht werden, indem die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle anhand des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers ermittelt wird, der auch für den Gerichtsstand entscheidend ist. Dadurch könnte in vielen Fällen vermieden werden, dass eine Streitbeilegungsstelle fremdes Recht anwenden soll. c) Umgang mit Auslegungsfragen Die Verbraucherschlichtungsstellen können der Frage ausgesetzt sein, wie eine ausländische Norm auszulegen ist und auch wie eine heimische Norm im Hinblick auf das Unionsrecht ausgelegt werden muss. 583  Braun, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 8 Grenzüberschreitende Streitigkeiten, Rn. 31. 584  Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 246; Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, 19. 585  European Consumer Centres Network (ECC-Net), abrufbar unter: http: /  / ec. europa.eu / consumers / solving_consumer_disputes / non-judicial_redress / ecc-net / in dex_en.htm. 586  Gössl, NJW 2016, 838, 842; Kotzur, VuR 2015, 243, 244. 587  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 35.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Es besteht die Möglichkeit, kostspielige Rechtsgutachten einzuholen. Die Kosten sind allerdings von den Parteien zu tragen, sodass dies unwahrscheinlich ist. Aufgrund der Soll-Vorschrift in § 19 VSBG können auch Lösungsvorschläge gemacht werden, obwohl Zweifel in Bezug auf die Rechtsanwendung bestehen. Zudem kann der Schlichtungsantrag gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. b VSBG abgelehnt werden, weil eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist. Dazu ist es jedoch zum einen erforderlich, dass die Verbraucherschlichtungsstellen diesen fakultativen Ablehnungsgrund in ihrer Verfahrensordnung vorsehen. Zum anderen muss der Streitmittler überhaupt in der Lage sein, die recht­ lichen Unklarheiten zu erkennen, was bei zertifizierten Mediatoren zu bezweifeln ist. Gerichte können die Frage gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung des europäischen Primär- und Sekundärrechts dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Diese Möglichkeit besteht für die Verbraucherschlichtungsstellen jedoch nicht.588 Dies liegt daran, dass sie nicht als Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV gelten. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist ein vorlageberechtigtes Gericht ein solches, das aufgrund einer gesetzlichen Grundlage eingerichtet wurde, ständigen Charakter hat, eine obligatorische Gerichtsbarkeit mit einem streitigen Verfahren darstellt, Rechtsnormen anwendet und unabhängig ist.589 Dabei kann die Voraussetzung „obligatorisch“ in zweierlei Hinsicht verstanden werden: Entweder meint dies, dass die Entscheidung der Einrichtung zwingend durchsetzbar ist oder, dass sich die Parteien dieser Einrichtung zwingend unterwerfen müssen. Beides trifft auf die Verbraucherschlichtungsstellen nicht zu, sodass sie nicht vorlageberechtigt sind. Dass es nicht möglich ist, Auslegungsfragen klären zu lassen, führt dazu, dass die Schlichtungsvorschläge in der Rechtsanwendung und -interpretation nicht einheitlich sind, sondern zu einer Fragmentierung führen.590 Die Lösungsfindung anhand des Gesetzes ist somit erschwert. Rechtsfragen bleiben ungeklärt, sodass Unsicherheiten und Ungenauigkeiten auftreten, wenn der Streitmittler den Schlichtungsvorschlag am geltenden Recht ausrichten will. Die Vorgabe des § 19 Abs. 1 S. 2 VSBG kann nur schwerlich erfüllt werden.

588  Basedow,

EuZW 2015, 1, 2; Loos, ERPL 2016, 61, 76 f. nur EuGH, Urt. v. 17.9.1997 – C-54 / 96, NJW 1997, 3365, 3365 f. – Dorsch Consult; umfassend dazu v. Hein, in: MünchKomm BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 147. 590  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 290. 589  S.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis175

d) Umgang mit ungeklärtem Sachverhalt Zu den unaufgeklärten Rechtsfragen kommt hinzu, dass der Sachverhalt häufig nicht genau aufgeklärt ist. Die Verbraucherschlichtung nimmt aus Effektivitätsgesichtsgründen bewusst Abstand von einer gründlichen Klärung tatsächlicher Fragen.591 Das VSBG gibt nicht vor, was der Streitmittler zu tun hat, wenn Tatsachen nicht aufzuklären sind.592 Aus der Gesetzesbegründung kommt hingegen eindeutig zum Vorschein, dass eine umfassende Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht gewollt ist.593 Der Streitmittler kann bei unklaren Tatsachen prognostizieren, wie das Gericht mit der Unklarheit im Sachverhalt umgehen würde und wie Beweise durch das Gericht gewürdigt würden.594 Dem Zivilrichter sind in diesem Fall Darlegungs- und Beweislastregeln zur Hand gelegt. Auch hat das materielle Verbraucherrecht viele Darlegungs- und Beweislastregeln ausformuliert. Der Streitmittler soll darauf zurückgreifen und sich daran orientieren.595 Dabei muss er gleichwohl berücksichtigen, dass eine Beweisaufnahme bei Gericht die Tatsachen im konkreten Fall möglicherweise eindeutiger zum Vorschein bringen würde.596 So würde in einem Gerichtsverfahren beispielsweise eine Entscheidung nach Beweislast entbehrlich sein können. Bei widersprüchlichen Tatsachen schätzt der Streitmittler häufig ab, welche Darstellung wahrscheinlicher ist. Ergeht der Vorschlag des Streitmittlers in diesem Fall aufgrund einer Gewichtung der Beweisrisiken, muss der Streitmittler diese Gewichtung in den Schlichtungsvorschlag aufnehmen, damit die Parteien abwägen können, ob sich die gerichtliche Klärung immer noch lohnt.597 Auch kann eine Quotelung nach Interessen erfolgen, die in einer Kompromisslösung endet, sodass keine Partei „ihr volles Recht“ zugestanden bekommt.598

591  Wollschläger, in: Blankenburg / Leipold / Wollschläger, Neue Methoden im Zivilverfahren, 13, 46. 592  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 25. 593  BR Drs. 258 / 15, 43. 594  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 38, darauf hinweisend, dass diese Prognosen zurückhaltend vorgenommen werden sollten; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag / Ergebnis des Verfahrens, Rn. 50. 595  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 147. 596  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 37. 597  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 4. 598  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 141, 147.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Dass der Streitmittler bei der Ausarbeitung der Lösungsvorschläge ebenfalls Billigkeitserwägungen einbeziehen kann, ist konsequent und richtig, weil so der Tatsache Rechnung getragen werden kann, dass der Sachverhalt ungenau aufgeklärt wurde und die an der Rechtslage orientierte Lösung zu „hart“ ausfallen würde.599 Dadurch wird eine „Alles-oder-nichts-Lösung“ nach Beweislastverteilung vermieden. Problematisch ist aber wiederum, dass bei unklarem Sachverhalt auch oft nicht klar ist, was billig ist. Im Ergebnis kann es somit vorkommen, dass der Streitmittler für einen Konflikt eine Lösung vorschlägt, bei welcher der Sachverhalt von fehlerhaften Angaben und Zweifeln durchzogen ist.600 Die ungenaue Sachverhaltsaufklärung und der darauf beruhende Schlichtungsvorschlag führen zu einem qualitativen Manko der Verbraucherschlichtung gegenüber den Gerichten.601 Dies ist besonders aus dem Grund nachteilig für den Verbraucher, dass die meisten Verbraucherkonflikte um tatsächliche Fragen kreisen und weniger um komplexe juristische Fragestellungen.602 Erst wenn der Sachverhalt vollständig und richtig aufgeklärt ist, kommt der Vorteil der Rechtsanwendung zum Vorschein, der darin liegt, dass die Parteien das erlangen, was ihnen materiell-rechtlich zusteht.603 Durch Billigkeitsentscheidungen kann die Unklarheit des Sachverhalts nur in geringem Maße ausgeglichen werden und führt zu einer Verstärkung von Einzelfallgerechtigkeit. Die Wertungen des Gesetzes, insbesondere im Bereich des Verbraucherrechts, kommen dadurch weniger zur Geltung. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Beweislastverteilung häufig zu Gunsten des Verbrauchers ausfällt. e) Qualifikation des Streitmittlers als Problem Für die in § 19 VSBG geforderte Beachtung des Rechts, die Ermittlung des anwendbaren Rechts und das Erkennen von Auslegungsfragen ist juristische Kompetenz vonnöten. Die Kompetenz des Streitmittlers war eines der meist diskutierten und umstrittenen Themen im Gesetzgebungsprozess. Dies liegt daran, dass dessen Qualifikation für die Akzeptanz und somit auch für den Erfolg des Streitbeilegungsverfahrens von erheblicher Bedeutung ist.604

599  Pelzer,

ZKM 2015, 43, 45. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 17 Rn. 13. 601  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 50. 602  Hess, ZZP 2005, 427, 451. 603  Riehm, JZ 2016, 866, 869. 604  Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 36. 600  Borowski,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis177

Da die deutschen Schlichtungsstellen, die mit Juristen besetzt waren, in der Vergangenheit den größten Erfolg verzeichnen konnten,605 wurde vielfach die Forderung nach Streitmittlern laut, die zum Richteramt befähigt sind.606 Diese können bei den von ihnen vorgenommenen Schlichtungen ein größeres Maß an Rechtssicherheit gewähren, was vor allem den Unternehmern zugutekäme.607 Zudem vertrauen Verbraucher und Unternehmer stärker auf die Richtigkeit der Einschätzung der Rechtslage durch einen Juristen als durch einen nicht juristisch qualifizierten Schlichter und würden somit anschließend weniger häufig Gerichtsverfahren einleiten.608 Andere Stimmen hielten wegen den häufig bei Schlichtungen aufkommenden tatsächlichen Fragen wirtschaftlichen Sachverstand für bedeutsamer.609 Nicht nur die juristische Kompetenz sei für den Erfolg eines Streitbeilegungsverfahrens entscheidend.610 Den Parteien komme es auf die Persönlichkeit des Streitmittler an, die sich durch besonderen wirtschaftlichen Sachverstand, Erfahrungswerte und Verhandlungsgeschick im Bereich der Konfliktlösung auszeichne, wobei juristische Fähigkeiten nur sekundär seien.611 Die ADR-RL bleibt relativ unkonkret und überlässt es den Mitgliedstaaten, näher zu bestimmen, was mit dem „erforderlichen Fachwissen“ gemeint ist und welches genaue „Wissen“ und welche „Fähigkeiten“ gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a ADR-RL „erforderlich“ sind. Diese Offenheit der Regelung ist dem Umstand geschuldet, dass die Mitgliedsstaaten auch bei der Festlegung der 605  Berlin, ZKM 2015, 26, 29; Berlin, in: Tamm / Tonner, Verbraucherrecht, § 23 Rn. 49; Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 150; Hess, in: Uzunalli, FS Pekcanitez, 171, 174; Kotzur, VuR 2015, 243, 246; Tonner, ZKM 2015, 132, 134. 606  Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 134 f.; Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 288 f.; Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1709; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 204; Gsell, ZZP 2015, 189, 194; Hess, JZ 2015, 548, 553; Kotzur, VuR 2015, 243, 250; Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 27; wohl auch Berlin, in: Tamm / Tonner, Verbraucherrecht, § 23 Rn. 51; ebenso schon Scherpe, Außergericht­ liche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 225 m. w. N., sich aber nicht auf Verbraucherschlichtungsstellen beziehend; a A Rühl, ZZP 2014, 61, 86 f. 607  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 289. 608  Berlin, ZKM 2015, 26, 29. 609  Reich, in: Blankenburg / Gottwald / Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, 219, 222. 610  Auch das BVerfG weist darauf hin, dass es bei der Schlichtung nicht nur auf die rechtliche Bewertung ankomme, sondern auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Es läge deswegen auf der Hand, dass die maßgeblichen Kriterien für die Bewertung der die Streitlösung leitenden Person nicht mit denen identisch sein müssen, die für die rechtsberatenden Berufe gelten, BVerfG, Beschl. v. 14.2.2007 – 1 BvR 1351 / 01, NJW-RR 2007, 1073, 1075. 611  Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 13, 23, dies anhand der Erfahrungen der Firma Siemens erläuternd.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Verfahrensart und der Rechtsnähe des Ergebnisses einen Spielraum haben und daran die Kompetenz anpassen können. Die deutsche Umsetzung in § 6 VSBG positioniert sich eindeutiger als die ADR-RL, weist jedoch weiterhin Schwächen hinsichtlich der Klarheit auf.612 So legen § 6 Abs. 2 S. 1 und S. 2 VSBG fest: „Der Streitmittler muss über die Rechtskenntnisse, insbesondere im Verbraucherrecht, das Fachwissen und die Fähigkeiten verfügen, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind. Der Streitmittler muss die Befähigung zum Richteramt besitzen oder zertifizierter Mediator sein.“ Von Relevanz ist die Bedeutung von „Rechtskenntnisse[n]“ und „Fachwissen“ sowie der Gehalt der „Fähigkeiten“ im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG. aa) Rechtskenntnisse und Fachwissen Unklar ist, was die Norm mit der Unterscheidung zwischen Rechtskenntnissen und Fachwissen bezweckt.613 Es wäre eine Dopplung, wenn unter „Fachwissen“ Verbraucherrechtskenntnisse, also allgemeines juristisches Fachwissen, verstanden wird, denn dieses wird schon vom Terminus „Rechtskenntnisse“ erfasst.614 Das Fachwissen muss vielmehr als besonderes Branchenwissen verstanden werden, welches je nach Tätigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle neben den allgemeinen (Verbraucher-)Rechtskenntnissen bestehen muss, beispielsweise im Verkehrsrecht, Versicherungsrecht oder in Bezug auf technische Fragen.615 Der Streitmittler muss immer dann zusätzlich über das Branchenwissen verfügen, wenn es sich nicht um eine allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle handelt, sondern die Stelle nur für bestimmte Wirtschaftsbereiche oder Vertragstypen zuständig ist. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass der zum Richteramt befähigte Streitmittler seine Qualifizierung nicht weiter nachweisen muss, sondern die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG ohne Weiteres erfüllt.616 Nach § 5 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz erwirbt die Befähigung zum Richteramt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt. Dass diese Rechtsassessoren hinreichende Rechts612  Fries,

in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 3, 18. die Begründung des Gesetzes ist diesbezüglich nicht aufschlussreich. 614  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 25. 615  BT-Drs. 18 / 5089, 56; wohl auch Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 27. 616  BR-Drs.  258 / 15, 66: „Personen mit Befähigung zum Richteramt erfüllen die Voraussetzung des § 6 Absatz 2 ohne weiteres.“. 613  Auch



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis179

kenntnisse besitzen und diese nicht weiter nachweisen müssen, ist in Bezug auf das allgemeine Rechtswissen richtig. Aufgrund der Tatsache, dass Juristen durch die Staatsexamina die Fähigkeit erlangen, sich auch in unbekannte Rechtsgebiete einzuarbeiten,617 sind die Verbraucherrechtskenntnisse bei Rechtsassessoren grundsätzlich gut oder können zumindest schnell erworben werden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass das Branchenwissen, wenn es sich nicht um juristische Themen handelt, nicht nachgewiesen werden muss, denn dieses wird in der Ausbildung nicht vermittelt.618 Art. 6 Abs. 6 ADR-RL gibt den Mitgliedstaaten zwar auf, die Verbraucherschlichtungsstellen dazu zu ermutigen, Schulungen für die Streitmittler anzubieten, das VSBG sieht allerdings nichts dergleichen vor. Es ist bedauerlich, dass das VSBG hier keine überschießende Regelung getroffen hat und Schulungen zu einer Verpflichtung ausgeformt hat. Für die zertifizierten Mediatoren regelt das VSBG oder seine Gesetzesbegründung nicht, dass die Anforderungen aus § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG durch das erworbene Zertifikat als erlangt gelten. Sie müssen somit darüber hinaus Rechtskenntnisse und Fachwissen vorweisen. Wie diese nachgewiesen werden sollen, gibt weder das VSBG, noch die Richtlinie an.619 Der zertifizierte Mediator hat eine Mediatorenausbildung durchlaufen, die bestimmten Anforderungen entspricht. Ferner muss er regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen; Rechtskenntnisse werden bei der Ausbildung hingegen nicht vermittelt.620 In der Mediatorenausbildung wird lediglich innerhalb weniger Stunden dafür sensibilisiert, rechtlich relevante Sachverhalte zu erkennen, um so gegebenenfalls eine externe rechtliche Beratung empfehlen zu können.621 617  Röthemeyer,

in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 24. ZKM 2015, 26, 29; Hodges, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 336, 366 schlägt ein Training für die Streitmittler vor, welches die Einhaltung der Kompetenzstandards gewährleisten soll. 619  Rühl, ZZP 2014, 61, 74; Art. 6 Abs. 6 ADR-RL weist diesbezüglich nur darauf hin, dass die Verbraucherschlichtungsstellen dazu ermutigt werden sollen, juristische Schulungen anzubieten. Diese würden anschließend durch die zuständigen Behörden anhand jener Daten überwacht, die die Verbraucherschlichtungsstellen gem. Art. 19 Abs. 3 lit. g ADR-RL ohnehin den Behörden zu übermitteln haben. Eine Übermittlung von Informationen über Schulungen muss allerdings nur erfolgen, wenn solche Schulungen stattfinden: Das Konzept ist demnach nicht stimmig. 620  Die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV)), BGBl. 2016 Teil I Nr. 42, 1997, ist am 1.9.2017 in Kraft getreten und regelt, welche Anforderungen an eine Mediatorenausbildung zu stellen sind, um sich anschließend zertifizierter Mediator zu nennen. 621  S. Anhang Nr. 7 lit. d Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung; dazu Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 110, der erläutert, dass es sich um insgesamt zwölf Stunden handelt, in denen Rechtskenntnisse vermittelt werden. 618  Berlin,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Die Zertifikatserlangung ist nicht an den Beweis von Rechtskenntnissen gekoppelt. Es wird den Mediatoren demnach nicht einmal ansatzweise näher­ gebracht, wie ein rechtlicher Konflikt gelöst werden muss.622 Ohne einen objektiven Nachweis der Rechtskenntnisse können die Anforderungen des § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG somit nur schwer und wenn überhaupt nur uneinheitlich erfüllt werden. Durch das Nebeneinander von Rechtswissen und sonstigem Fachwissen in Form von Branchenwissen setzt das VSBG den Grundstein dafür, dass der Streitmittler umfassend qualifiziert ist, um sich von dem nur juristisch ausgebildeten Amtsrichter abzuheben. Diese hohe Kompetenz kann sich jedoch allenfalls bei den Rechtsassessoren bewahrheiten, wenngleich ihr Branchenwissen wie dargestellt nur schwer nachweisbar und überprüfbar ist. Der zertifizierte Mediator wird jedoch noch nicht einmal allgemeine Rechtskenntnisse verlässlich nachweisen können. Trotz dieser unterschiedlichen juristischen Qualifikation stellt § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG die zum Richteramt befähigte Person und den zertifizierten Mediator auf die gleiche Stufe und sieht sie gleichermaßen als geeignete Streitmittler für jedes Verfahren – Vermittlungs- und Vorschlagsverfahren – an.623 Dies ist zu kritisieren, weil die zwei Berufsgruppen sehr verschieden sind. Es würde mehr Sinn ergeben, das interessenorientierte Mediationsverfahren klar den zertifizierten Mediatoren zuzuordnen und die Schlichtungsvorschläge, die gemäß § 19 VSBG das Recht beachten sollen, von Juristen ausarbeiten zu lassen. Die jetzige Regelung ist widersprüchlich und nicht zufriedenstellend. Dadurch, dass ohnehin beide Verfahren von beiden Berufsgruppen geführt werden dürfen, ist es nicht gerechtfertigt sich auf diese zwei speziellen Qualifikationen zu beschränken. Andere berufliche Nachweise werden nicht akzeptiert. So sind Personen ausgenommen, die ein dem Studium der Rechtswissenschaft ähnliches Studium abgeschlossen haben, wie beispielweise das der Wirtschaftsjuristen.624 Trotz der in diesem Rahmen erworbenen Rechtskenntnisse müssen sie das Mediatorenzertifikat erwerben. Gleiches gilt für 622  Eidenmüller,

in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 110. in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 32, 22; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 10. 624  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 6 VSBG Rn. 6; ähnlich Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 12; Schmidt-Kessel, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in ­Verbraucherangelegenheiten, in: Anlage zum Wortprotokoll der 70. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags, Protokoll Nr. 18 / 70, 72, 83; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 55. 623  Röthemeyer,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis181

Personen, die nur die Erste Juristische Prüfung absolviert haben. Dabei ist aber festzustellen, dass diese beiden Gruppen bessere juristische Kenntnisse besitzen als die zertifizierten Mediatoren. Aus diesen Gründen ist es nicht nachvollziehbar, ihnen die Streitmittlertätigkeit zu untersagen. Allerdings ist zuzugeben, dass die Öffnung für weitere Berufsgruppen zu größeren Abstrichen in der Rechtssicherheit führen würde. Auch bieten andere Ausbildungen nicht denselben Vergleichswert wie die juristischen Staatsexamina. Aus diesen Gründen sollte lediglich eine klare Verfahrenszuordnung getroffen werden. Zertifizierten Mediatoren, deren Rechtskenntnisse nicht verlässlich nachgewiesen werden können, sollte es nicht erlaubt sein, Schlichtungsvorschläge auszuarbeiten. Um die Rechtsbindung nach § 19 VSBG für die Schlichtungsvorschläge zu gewährleisten, sollte das VSBG festlegen, dass Verbraucherschlichtungen nur von Personen durchgeführt werden dürfen, welche die Befähigung zum Richteramt erworben haben. bb) Fähigkeiten Neben Rechtskenntnissen und Fachwissen erfordert § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG noch Fähigkeiten, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind. Welche genauen Anforderungen erfüllt werden müssen und wie sie nachgewiesen werden können, präzisiert das VSBG wiederum nicht. Dies ist vor allem deswegen nachteilig, weil das VSBG auch die Ausformung des genauen Verfahrens den einzelnen Verbraucherschlichtungsstellen überlässt.625 Somit können die für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen Fähigkeiten der Streitmittler keinen einheitlichen Anforderungen entsprechen. § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG sollte so ausgelegt werden, dass verfahrensbezogene Fähigkeiten in Bezug auf Kommunikation und Organisation gemeint sind, die zu einer strukturierten und erfolgreichen Verhandlung beitragen.626 Solche Fähigkeiten können im Rahmen einer Mediatorenausbildung oder in anderen Lehrgängen zum Konfliktmanagement vermittelt werden.627 Dass Streitmittler solche Fähigkeiten aufweisen müssen, ist zu befürworten. Die kommunikative Vermittlung ist sowohl bei der Mediation als auch bei der Schlichtung von großer Bedeutung.628 Sie kann bewirken, dass auch nicht rechtlich begründete Spannungen zwischen den Parteien beigelegt wer625  Röthemeyer,

in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 28. in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 21; Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 27. 627  So Fries, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 21. 628  Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 150. 626  Fries,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

den können.629 Kommunikative Fähigkeiten der Streitmittler wirken sich zudem positiv auf die Akzeptanz des Schlichtungsvorschlags aus.630 Es ist Inhalt der Mediatorenausbildung, diese verfahrensspezifischen Fähigkeiten zu vermitteln. Dennoch legt der Wortlaut von § 6 Abs. 2 VSBG nahe, dass selbst zertifizierte Mediatoren die Fähigkeiten nachweisen müssen. Dies ist nicht nachvollziehbar, denn gerade diese Fähigkeiten zeichnen einen Mediator aus.631 Das VSBG sollte deswegen klarstellen, dass die ­verfahrensspezifischen Fähigkeiten aus § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG als mit der Mediatorenausbildung erlangt gelten. Dies betrifft auch den Fall, dass die Media­toren eine Schlichtung durchführen, denn diese verlangt nicht nach weitergehenden Fähigkeiten als bereits in der Mediatorenausbildung vermittelt wurden. Vielmehr reduziert sich das Verfahren auf die Anhörung der Parteien und gezieltes Nachfragen, für das keine speziellen Fähigkeiten erforderlich sind, sondern nur eine Verinnerlichung der Schlichtungsordnung. Aus dem Grund muss auch der Streitmittler, der zum Richteramt befähigt ist, keine gesonderten verfahrensspezifischen Fähigkeiten nachweisen, wenn er eine Schlichtung durchführt. Anderes gilt nur dann, wenn er eine Mediation begleitet. Denn § 18 VSBG verweist auf das Mediationsgesetz, sodass sich zumindest für die Mediation insbesondere an § 5 Abs. 1 S. 2 Media­ tionsgesetz orientiert werden muss. Aus § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG und § 18 VSBG i. V. m. § 5 Mediationsgesetz ist zu schlussfolgern, dass immer dann, wenn eine Mediation durchgeführt wird, der Streitmittler als Mediator ausgebildet sein muss und sich regelmäßig fortbildet.632 Dagegen spricht auf den ersten Blick der Wille des Gesetzgebers: Wie bereits dargelegt, sollen Personen mit Befähigung zum Richteramt die Fähigkeiten des § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG ohne Weiteres erfüllen.633 An anderer Stelle der Gesetzesbegründung scheint dieser Aussage aber bezüglich der Kompetenz der Rechtsassessoren widersprochen zu werden: Als Einigungsvoraussetzung soll an die Befähigung zum Richteramt angeknüpft werden. Darüber hinaus sollen Schlichter zusätzlich zum juristischen Fachwissen über kommunikative Fähigkeiten verfügen, die dann weiter ausgeführt werden.634 Bei dieser Aussage wird aber nicht deutlich, ob diese zusätzliche Voraussetzung 629  Berlin,

Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 290. Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 217 f. 631  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 18; zur Unklarheit des Wortlauts Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 24. 632  So Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 18 Rn. 14, 27; Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 20. 633  BR-Drs. 258 / 15, 66. 634  BT-Drs. 18 / 6904, 69. 630  Berlin,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis183

für den Rechtsassessor gilt oder nur für den zertifizierten Mediator. Daraus könnte abgeleitet werden, dass zusätzliche Anforderungen erforderlich sind. Ebenso wenig ist aber ausgeschlossen, dass Personen mit Befähigung zum Richteramt die Anforderungen des § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG ohne Weiteres erfüllen. Die Gesetzesbegründung ist somit nicht eindeutig. Der Vorrang des Mediationsgesetzes im Falle eines Widerspruches mit der ADR-RL635 gebietet es aber, § 6 VSBG so auszulegen, dass die Anforderung nach § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG auch von Rechtsassessoren erfüllt werden müssen. Denn § 5 Mediationsgesetz verlangt von jeder Person, die eine Mediation nach dem Mediationsgesetz durchführt, dass sie sich einer Aus- und Fortbildung als Mediator unterzogen hat. Die Fähigkeiten zur „Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle“ nach § 6 Abs. 2 S. 1 VSBG liegen somit nur dann vor, wenn der Streitmittler bei Leitung einer Mediation, die Anforderungen aus § 5 Mediationsgesetz erfüllt. Es ist nicht ausreichend, dass er nur nach § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG die Befähigung zum Richteramt besitzt. Hingegen muss der zum Richteramt befähigte Streitmittler nicht zusätzlich das Zertifikat besitzen, da dieses nach § 5 Abs. 2 Mediationsgesetz fakultativ und auch nach § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG nicht für die Person mit Befähigung zum Richteramt vorgesehen ist. Es könnte allerdings vorgesehen werden, dass keine Mediatorenausbildung durchlaufen werden muss, wenn der Betroffene zuvor viele Jahre als Richter tätig war. Da im Rahmen der Güteverhandlung alternative Methoden angewendet werden und Richter im Rahmen ihrer Tätigkeit an Seminaren teilnehmen, um Prinzipien und Techniken der Mediation zu erlernen,636 ist davon auszugehen, dass der Richter die verfahrensbezogenen Anforderungen erfüllt. Insgesamt sorgt das VSBG dafür, dass die Durchführung einer Mediation durch einen Streitmittler erfolgt, der zum Mediator ausgebildet ist. Diese „Fähigkeiten“ sind allerdings für die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses der Verbraucherschlichtung von geringer Bedeutung. cc) Konkrete Beteiligung der qualifizierten Person Für die Rechtsfundierung der Schlichtung ist es wichtig, dass der Streitmittler als die am besten qualifizierte Person an der Erarbeitung des Lösungsvorschlags konkret beteiligt ist. Die Qualifikation des Streitmittlers kommt nur zur Geltung, wenn die wesentlichen Aufgaben auch von ihm durchgeführt werden. § 6 Abs. 1 S. 1 VSBG weist ihm die Verantwortung für die Streitbeilegung zu. Es muss gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 VSBG einen gleich635  S. umfassend 636  Greger,

dazu Kap. 2 A. I. 4. der Darstellung. NJW 2007, 3258, 3259.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

wertigen Vertreter geben, sodass stets eine qualifizierte Person die Verantwortung trägt. Das VSBG weist viele Bereiche allein dem Streitmittler zu. Geht es um Rechtsanwendung und besteht ein Handlungsspielraum, obliegt diese Aufgabe stets dem Streitmittler, sodass dieser das materielle Ergebnis des Verfahrens direkt beeinflusst.637 Anderes gilt nur für organisatorische Vorgänge, mithin Tätigkeiten ohne Handlungsspielraum, bei denen keine Rechtsanwendung erforderlich ist. Diese sind nicht speziell dem Streitmittler zugewiesen, sondern obliegen ganz allgemein der Verbraucherschlichtungsstelle.638 Administrative und inhaltliche Aufgaben zu trennen, ist sinnvoll, weil damit erreicht wird, dass der hoch qualifizierte Streitmittler nur für die Aufgaben eingesetzt wird, die nur von ihm sinnvollerweise erfüllt werden können, womit Kosten gesenkt werden können.639 Die Grenze zwischen administrativen und inhaltlichen Aufgaben ist nur in §§ 17 Abs. 1 S. 2 und 19 Abs. 3 S. 3 VSBG nicht ganz eindeutig, wonach die Mitarbeiter des Streitmittlers Fristen zur Stellungnahme und zur Annahme des Vorschlags setzen dürfen. Es besteht durchaus ein Ermessenspielraum. Fristen haben Einfluss auf die Fairness eines Verfahrens und hätten somit dem Tätigkeitsbereich des Streitmittlers zugewiesen werden sollen.640 Da aber der Streitmittler insgesamt die Verantwortung für das Verfahren trägt, kann er sich den für die Parteien gesetzten Fristen widersetzen und Stel­ lungnahmen auch noch nach Fristablauf anfordern, wenn er diese für die Vorschlagsvorbereitung benötigt. Die Mitarbeiter unterliegen zudem den Weisungen des Streitmittlers,641 sodass er die Fristsetzung in den meisten Fällen im Vorhinein steuern kann. Diese genaue Aufgabenzuweisung des VSBG und die Letztverantwortung des Streitmittlers sind zu befürworten. Sie weisen jedoch Lücken auf, wenn der Streitmittler sich Hilfspersonen für die ihm persönlich zugewiesenen Aufgaben bedient. Dies widerspricht nicht § 6 Abs. 1 S. 1 VSBG, denn allein 637  Der Streitmittler selbst muss den Schlichtungsvorschlag unterbreiten, er darf über die Ablehnung des Verfahrens entscheiden, vereinbart bei Bedarf mit den Parteien eine Verfahrenssprache, die von den von der Verfahrensordnung vorgesehenen abweicht, kann eine mündliche Erörterung festlegen und ist zuletzt auch für eine bestimmte Form der Beendigung des Verfahrens zuständig, s. §§ 19 Abs. 1, 14 Abs. 1–2, 12 Abs. 2, 17 Abs. 2, 15 Abs. 2 VSBG. 638  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 5 f. 639  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 313 f.; Hess, ZZP 2005, 427, 451. 640  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 4 Streitmittler, Rn. 37. 641  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 6 VSBG Rn. 3.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis185

aus der Verantwortung für ein Verfahren kann nicht geschlossen werden, dass der Verantwortende Aufgaben nicht delegieren kann. Die Gesetzesbegründung führt zwar aus, dass die Hilfspersonen die für die Verfahrensführung erforderlichen Kenntnisse besitzen müssen,642 allerdings beschreibt sie diese Kenntnisse nicht. Somit bleibt die Qualifikation der Hilfspersonen unkonkret. Es ist jedenfalls nicht erforderlich, dass die Hilfspersonen die Anforderungen des § 6 VSBG erfüllen. Ferner trifft die Hilfsperson keine Pflicht, etwaige Interessenkonflikte offenzulegen.643 Dementsprechend stellt eine starke Beteiligung von Hilfspersonen ein Risiko für die Qualität der Streitbeilegung dar.644 Bei einem großen Ansturm auf die Verbraucherschlichtungsstelle ist es gut möglich, dass die Qualifikation des Streitmittlers nur noch als „Aushängeschild“ nach außen zählt.645 Dies gilt vor allem deshalb, weil die Verbraucherschlichtungsstelle nach § 6 Abs. 1 VSBG nur mit zwei Personen besetzt sein muss, die die besondere Qualifikation aufweisen. Bei hohem Andrang wird es zwangsläufig zu Engpässen kommen und dazu führen, dass Aufgaben delegiert werden – nicht zuletzt, weil auch die Kosten für einen Streitmittler hoch sind. Um die laufenden Kosten gering zu halten und um zu verhindern, dass auch Verbraucher zur Kostentragung herangezogen werden müssen, werden Verbraucherschlichtungsstellen die Anzahl der Streitmittler mit Befähigung zum Richteramt möglichst gering halten.646 Die konkrete Beteiligung der qualifizierten Person ist folglich nicht sichergestellt. Sie ist zwar für den Lösungsvorschlag verantwortlich, ob sie aber die Schlichtungsakte vollständig liest oder dies ihren Mitarbeitern überlässt, ist unklar.647 Dies kann zu Ungenauigkeiten und Fehlern führen, wenn der Streitmittler auf die Vorarbeiten der Mitarbeiter vertraut – zumal wichtige aus dem Sachverhalt erkennbare Aspekte oft nur von den Juristen selbst als wichtig erkannt werden können. Sogar der Entwurf des Schlichtungsvorschlags kann von einer anderen Person ausgearbeitet worden sein.648

642  BR-Drs. 258 / 15,

66. Gössl, NJW 2016, 838, 840. 644  AA Hess, ZZP 2005, 427, 451, der es als hinnehmbar ansieht, die Hilfspersonen zur Ermittlung des Sachverhalts einzusetzen und nur die eigentliche Sachentscheidung vom Rechtsassessor durchführen zu lassen. 645  Limperg, BRAK-Mitteilungen 2015, 225, 226. 646  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 289; Gsell, ZZP 2015, 189, 210, moniert, dass die Niedrigschwelligkeit durch die Streitmittlerkosten zerstört werden könnte. 647  Fries, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 14. 648  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 6 Rn. 8. 643  Kritisch

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Um eine Ausrichtung des Schlichtungsvorschlags an der Rechtslage zu erreichen, müsste mindestens ein qualifizierter Streitmittler durchgehend am Verfahren und der Lösungsausarbeitung beteiligt sein.649 Dass dies nicht geregelt ist, stellt eine Schwäche des VSBG dar. dd) Zwischenergebnis Mit der Vorgabe in § 19 VSBG, dass das geltende Recht beachtet werden soll, hat sich der Gesetzgeber für ein rechtsgebundenes Verfahren aus­ gesprochen,650 das dem Gerichtsverfahren sehr ähnelt. Es stellt eine Abkehr von außergerichtlichen Verfahren dar, die ausschließlich an Interessen orientiert sind. Das VSBG ist aber in sich widersprüchlich, weil aufgrund der Regelung des § 6 VSBG nicht sichergestellt ist, dass die Vorgaben aus § 19 VSBG erfüllt werden können. § 19 VSBG trägt dem Verständnis Rechnung, dass es sich bei der Verbraucherschlichtung um ein Verfahren handelt, bei welchem eine umfassende rechtliche Bewertung vorgenommen wird und das Ziel nicht primär eine Kompromisslösung ist. Dagegen weist § 6 VSBG auf ein Kompromissverfahren hin, bei welchem die Rechtslage sekundär ist.651 Zertifizierte Mediatoren, die nur punktuell Rechtskenntnisse besitzen, können die Position des Streitmittlers einnehmen und eine Schlichtung durchführen. Sie können den von § 19 VSBG geforderten Regelfall der Rechtsbeachtung nicht gewährleisten.652 So wird die Einführung der Verbraucherschlichtungsstellen auch als Perpetuierung der strukturellen Benachteiligung der Verbraucher angesehen, die eine Abkehr von der Durchsetzung des Rechts sei.653 Gerade das Verbraucherrecht ist ein besonders komplexes Rechtsgebiet, welches für den Laien nicht leicht zugänglich ist, auch weil die Verhältnisse zu dem allgemeinen bürgerlichen Recht und dem Europarecht sowie eine 649  Fries, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 10; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 204; ähnlich Kessler, Die Bindung des Schiedsgerichts an das materielle Recht, 18, dies in Bezug auf Schiedsrichter vertretend; ähnlich Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 226; a A Hess, JZ 2015, 548, 553, der die Beteiligung des Juristen nur für die Letztverantwortung verlangt. 650  Fries, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 19. 651  Fries, in: Althammer / Meller-Hannich, VSBG, § 6 Rn. 19; ähnlich Gsell, ZZP 2015, 189, in Bezug auf Erwägungsgrund 36 ADR-RL. 652  Braun, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 35, 40; Gsell, ZZP 2015, 189, 195; Hess, JZ 2015, 548, 553, der den Einsatz von Juristen als einzige Möglichkeit ansieht, die zwingenden Verbraucherrechte hinreichend zu beachten; ähnlich Mäsch, JZ 2008, 359, 360; Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 102. 653  Halfmeier, VuR 2017, 38, 39.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis187

komplexe Rechtsprechung überblickt werden müssen.654 So sind manche Normen erst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH nachzuvollziehen.655 Die geringen Qualifikationsanforderungen sind deswegen nicht dadurch gerechtfertigt, dass bei der Verbraucherschlichtung besonders einfach zu lösende Fälle aufkämen.656 Von einem geringen Streitwert darf nicht auf die vermeintliche Einfachheit des juristischen Konflikts geschlossen werden.657 Dass es bei Verbraucherstreitigkeiten häufig auf Sachfragen ankommt,658 führt nicht dazu, dass für die Rechtslösung weniger juristischer Sachverstand vonnöten ist.659 Um die Vorgaben aus § 19 VSBG einhalten zu können, dürften nur Personen mit Befähigung zum Richteramt als Streitmittler tätig werden.660 Dies wäre wie dargelegt leicht zu erreichen, indem eine konkrete Zuordnung unternommen würde: Die Mediation sollte nur von zertifizierten Mediatoren und die Schlichtung nur von Rechtsassessoren durchgeführt werden. So stünde für jedes Verfahren der „passende“ Streitmittler zur Verfügung. Der ausschließliche Einsatz von Rechtsassessoren für die Schlichtung würde zudem dazu führen, dass die Schlichter auf Augenhöhe mit den Juristen der Rechtsabteilung der Unternehmen sind.661 Dies steigert in der Folge ihre Unabhängigkeit662 und bewirkt eine unbeeinflusste Rechtsbeachtung.

654  Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 136; Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 110; s. die Beispiele bei Gsell, ZZP 2015, 189, 194; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 56. 655  Gsell, ZZP 2015, 189, 194. 656  Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 134; Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 385. 657  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 225; Tonner, ZKM 2015, 132, 134; a A Hodges, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 336, 363; Hess, ZZP 2005, 427, 451. 658  So Hess, ZZP 2005, 427, 451. 659  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 225. 660  S. nur Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 117, 134 f.; Berlin, in: Tamm / Tonner, Verbraucherrecht, § 23 Rn. 51; Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 288 f.; Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1709; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 204; Gsell, ZZP 2015, 189, 194; Hess, JZ 2015, 548, 553; Kotzur, VuR 2015, 243, 250; Tonner, ZKM 2015, 132, 134; Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 27; a A Rühl, ZZP 2014, 61, 86 f. 661  Berlin, ZKM 2015, 26, 29; Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 288; Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 150. 662  Berlin, ZKM 2015, 26, 29; Berlin, in: Tamm / Tonner, Verbraucherrecht, § 23 Rn. 51.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Nachteilig wäre nur, dass der Wechsel von einem Mediationsverfahren zu einem Schlichtungsverfahren mit einem Personenwechsel einhergehen müsste. So ließe sich das Verfahren nicht mehr leicht und flexibel an die Interessen der Parteien anpassen. Allerdings ist ein flexibler Methodenwechsel nur von Wert, wenn sowohl die Schlichtung als auch die Mediation professionell durchgeführt werden. Deswegen ist diese Flexibilitätseinbuße hinzunehmen. Außerdem ist die Verbraucherschlichtung ohnehin darauf ausgerichtet, schriftliche Schnellverfahren anzubieten, sodass die reine Schlichtung das am häufigsten durchgeführte Verfahren ist und vermutlich nur selten zur Mediation gewechselt wird. Um Probleme bei hybriden Verfahren auszuräumen, wäre es wohl am besten, ausschließlich Personen mit Befähigung zum Richteramt als Streitmittler einzusetzen, die zusätzlich verfahrensbezogene Fähigkeiten besitzen, die sie im Rahmen einer Mediatorenausbildung erlangt haben. So wären in einer Person die Qualitätsanforderungen für jegliche Verfahren vereint. Dass aktuell aber keine Verfahrenszuordnung für die Streitmittler getroffen wird, keine einheitlichen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden und die konkrete Beteiligung des qualifizierten Streitmittlers nicht sichergestellt ist, steht der Rechtmäßigkeit des Schlichtungsvorschlags entgegen. f) Kompromisslösungen bei der Schlichtung Die Rechtsfundierung des Schlichtungsergebnisses leidet des Weiteren darunter, dass Schlichtungen erfolgreicher sind, wenn sie einen Kompromiss zwischen den Positionen herbeiführen, da dies die Akzeptanz der Entscheidung erhöht. In den meisten Fällen schlägt der Schlichter eine 70 Prozent zu 30 Prozent-Lösung vor.663 Bei einem Zuspruch von 90 Prozent des geforderten Anspruchs ist die Gefahr hoch, dass die Partei den Vorschlag nicht akzeptiert, weil für sie der Verdacht naheliege, dass sie im Urteil auch 100 Prozent zugesprochen bekommen würde.664 An Fallzahlen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. (söp) wird deutlich, dass den Fluggästen häufig nicht der volle vom Gesetzgeber nach Art. 7 der Verordnung über die Fluggastrechte pauschalisierte Schadensersatzbetrag zugestanden wurde.665 Stattdessen sahen Schlich663  V. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 55; Rott, ERPL 2016, 143, 152; in Bezug auf die Praxis bei Schiedsgerichten Risse, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 133, 145. 664  Risse, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 133, 145. 665  So die Auswertung von Hess, JZ 2015, 548, 551; s. dazu die veröffentlichten Empfehlungen der söp auf ihrer Webseite, abrufbar unter: https: /  / soep-online.de / 94. html.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis189

tungsvorschläge Kompromisse vor, die Geldzahlungen der Fluggesellschaft in Form von Reisegutscheinen gewährten. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der Streitmittler aufgrund der freiwilligen Teilnahme der Parteien eine für alle zufriedenstellende Lösung finden muss, weil ansonsten das Schlichtungsverfahren scheitert. Ein weiterer Grund der Kompromisslösungen trotz klarer Rechtslage kann sein, dass der Streitmittler aufgrund mangelnder Kompetenz die Lösung nach der Gesetzeslage nicht erkennt. Insgesamt bestehen dementsprechend bei der Verbraucherschlichtung viele Lücken, die der Rechtgebundenheit des Ergebnisses entgegenstehen. 2. Rechtsfundierung bei den Gerichtsverfahren Um die Rechtmäßigkeit der Ergebnisse des Zivilprozesses genauer zu betrachten, wird zunächst auf das kontradiktorische Streitverfahren durch den qualifizierten Richter eingegangen (a)). Im Folgenden spielen das davon abweichende Verfahren für geringfügige Forderungen (b)) und Vergleichsschlüsse (c)) eine Rolle. Sodann wird eine abschließende Bewertung der Rechtsfundierung der gerichtlichen Lösung von Verbraucherkonflikten vorgenommen (d)). a) Rechtsprechung im kontradiktorischen Streitverfahren Aufgabe der Gerichte ist die Rechtsprechung. Diese wird definiert als „letztverbindliche Klärung der Rechtslage […] im Rahmen besonders geregelter Verfahren“666. Die Bindung des Richters an das Gesetz ist in Artt. 97 Abs. 1, 23 Abs. 3 GG und § 1 GVG normiert. Sie stellt das Korrelat zu der Unabhängigkeit des Richters dar und legitimiert ihn demokratisch.667 Im Bereich seiner Entscheidungsfindung ist der Richter einzig an das Recht und das Gesetz gebunden.668 Dennoch ist das, was Recht ist, im Einzelfall diskussionswürdig und die Gesetze lassen Spielraum für die Berücksichtigung verschiedener Einzelfälle, sodass sich die Bindung des Richters an das Recht nicht einfach als gegeben bezeichnen lässt. Der Gesetzgeber kann nicht jeden Einzelfall bis ins Detail berücksichtigt haben, sodass eine gewisse Eigenleistung des Richters gefor666  S.

nur BVerfG, Urt. v. 8.2.2001 – 2 BvF 1 / 00, BVerfGE 103, 111, 138. in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 97 GG Rn. 22; Rennert, JZ 2015, 529, 531. 668  S. nur BVerfG, Urt. v. 30.4.2003  – 1 PBvU 1 / 02, NJW 2003, 1924, 1926; Hillgruber, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 97 GG Rn. 26; Schilken, JZ 2006, 860, 860; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 133 ff. 667  Hillgruber,

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

dert ist.669 Der Richter ist kein „Subsumtionsautomat“. Er muss die Rechtsnormen, die er anwendet, nach eigener Rechtsüberzeugung auslegen.670 Dieser Spielraum wird mit Begriffen wie „Wahrheitssuche“ oder „Rechtsfindung“ umschrieben.671 Es führt dazu, dass die Rechtsprechung „konstitutionell uneinheitlich“ ist.672 Trotzdem handelt sich bei der richterlichen Auslegung nicht um eine persönliche Wertung des Richters. Denn der Richter ist im Rahmen seines Spielraums an den Willen des Gesetzgebers gebunden; dem Grunde nach vollzieht der Richter dasjenige nach, was der Gesetzgeber wollte.673 Der Entscheidungsmaßstab des Richters ist mithin objektiv bestimmt und für die Parteien erkennbar.674 Neben der Bindung an die sachlichen Rechtsnormen und das Gewohnheitsrecht beachtet der Richter auch die höchstrichterliche Rechtsprechung und setzt sich mit dem Schrifttum auseinander. Rechtsprechung setzt eine gewisse Kompetenz voraus. Die Befähigung zum Richteramt erfordert wie dargelegt gemäß § 5 DRiG ein Studium der Rechtswissenschaften an einer Universität mit der anschließenden ersten Staatsprüfung675 sowie die Absolvierung des juristischen Vorbereitungsdienstes mit der anschließenden zweiten juristischen Staatsprüfung. Der juristisch hoch qualifizierte Richter kann sich nach der ZPO für die Aufgabe der Streitbeilegung keiner Hilfspersonen bedienen. Einzig die Verwaltung der Akten und Schreibarbeit kann delegiert werden. Mithin ist gewährleistet, dass das Urteil von einem Richter erarbeitet wird, der in der Lage ist, eine gründliche Auslegung des Rechts vorzunehmen. Die Bindung an das Recht wird durch die Instanzen kontrolliert. Ferner kann für Fragen zur Auslegung des Unionsrechts gemäß Art. 267 AEUV eine Vorlagefrage an den EuGH gestellt werden. Im Vergleich zur Verbraucherschlichtung erlangt der Verbraucher bei den Amtsgerichten mithin grundsätzlich eine rechtmäßige Lösung.

669  Gausing,

Das Abgeordnetenmandat zwischen Staat und Gesellschaft, 143. Wittreck, Verwaltung, 133 ff. 671  Umfassend dazu Gausing, Das Abgeordnetenmandat zwischen Staat und Gesellschaft, 143. 672  BVerfG, Urt. v. 26.4.1988  – 1 BvR 669 / 87, 1 BvR 686 / 87, 1 BvR 687 / 87, BVerfGE 78, 123, 126; Morgenthaler, in: BeckOK Grundgesetz, Art. 97 GG Rn. 11. 673  S. nur Hillgruber, in: Maunz / Dürig Art. 97 GG, Rn. 62; Wittreck, Verwaltung, 196. 674  Rennert, JZ 2015, 529, 533. 675  Zu den Ausnahmen Schmidt-Räntsch, in: Schmidt-Räntsch / Schmidt-Räntsch, DRiG, § 5 DRiG Rn. 4. 670  Dazu



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis191

b) Einbußen bei „Bagatellverfahren“ Eine gründliche Sachverhaltsaufklärung ermöglicht eine saubere Anwendung des Rechts, weil dadurch die Tatsachen eindeutig bewiesen werden können und ein subsumierbarer Sachverhalt vorliegt. Werden Abstriche bei der Verfahrensgestaltung vorgenommen, geschieht dies in den meisten Fällen auf Kosten der Sachverhaltsaufklärung. Ein unzureichend aufgeklärter Sachverhalt bildet allerdings ein „unsicheres Fundament“, auf das sich der Richter bei der Rechtsanwendung stützt.676 Die Folge ist eine Entscheidung, die durch Beweislastverteilungen bestimmt ist. Die Beweislastregeln führen zwar dazu, dass das materielle Recht nicht unmittelbar angewendet wird, allerdings ergeht eine Entscheidung „in dessen Geiste“.677 Selbst die Beweislastregeln sind Ausdruck gesetzlicher Wertungen.678 Dennoch kann behauptet werden, dass es sich nicht um eine „optimale[…] Rechtsverwirklichung“ handelt, wenn der Sachverhalt schlecht aufgeklärt ist.679 Alternativ können sich die Parteien bei unklarem Sachverhalt auf einen Vergleich einigen. Einschränkungen bei der Sachverhaltsermittlung werden beim Verfahren nach billigem Ermessen, beim europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen und auch beim europäischen und deutschen Mahnverfahren vorgenommen. Mahnverfahren haben allerdings eine andere Funktion; sie ersetzen in der Form nicht die Rechtsprechung durch Urteile, weil sie kein streitiges Verfahren darstellen, sondern nur Forderungsdurchsetzungsverfahren sind. Es wird gar nicht erst versucht, den Sachverhalt zu ermitteln. Beim Verfahren nach billigem Ermessen obliegt die Ausgestaltung des Verfahrens und mithin auch die Ermittlung des Sachverhalts dem Ermessen des Richters.680 Dem Richter ist es gestattet, gänzlich von den §§ 355–455 ZPO abzuweichen.681 Aufgrund der grundsätzlichen Schriftlichkeit des Verfahrens erfolgt auch die Beweisaufnahme grundsätzlich auf schriftlichem Wege. So werden den Zeugen gemäß § 377 Abs. 3 S. 1 ZPO Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Im Rahmen des Freibeweises holt der Richter sogar telefonische oder schriftliche Auskünfte von den Zeugen und

676  So Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 158, jedoch in Bezug auf Vorschläge zu einer Ausweitung des § 495a ZPO. 677  Reinhardt, NJW 1994, 93, 93. 678  Reinhardt, NJW 1994, 93, 99. 679  Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 67. 680  Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 495a Rn. 10. 681  Wittschier, in: Musielak / Voit, ZPO, § 495a Rn. 6; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 124.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Sachverständigen ein, ohne dass die andere Partei mithören kann.682 Ferner kann der Richter Auskunftspersonen befragen, die von den Parteien nicht benannt wurden.683 Dies beschränkt das Fragerecht der Partei gemäß § 397 ZPO sowie die Parteiöffentlichkeit gemäß § 357 ZPO. Weiterhin kann das Unmittelbarkeitsprinzip gemäß § 355 ZPO missachtet werden. Dieses Prinzip stellt sicher, dass die Verhandlung über den Rechtsstreit und die Beweisaufnahme vor dem gleichen Spruchkörper stattfindet, der auch die Entscheidung über den Rechtsstreit trifft.684 Ohne die Unmittelbarkeit kann sich der Richter schlechter ein persönliches Bild machen, um sich von dem Sachverhalt zu überzeugen. Aus diesem Grund hat das Ermessen aber auch seine Grenzen. Denn der Richter muss auch beim Verfahren nach billigem Ermessen gemäß §§ 286, 287 ZPO von den zugrunde gelegten Tatsachen überzeugt sein, es darf ihm nicht nur glaubhaft erscheinen.685 Der Sachverhalt muss dementsprechend deutlich sein. Die Überzeugung von den Tatsachen zu erreichen, kann eine umfassende Beweiserhebung erfordern, sodass die Abweichung von den Verfahrensregeln im Einzelnen wieder gering ist. Weiter wird das richterliche Ermessen begrenzt, wenn es um den Freibeweis geht: Es dürfen zwar im Rahmen des Freibeweises telefonische Auskünfte eingeholt werden, Art. 103 GG gebietet aber, dass der anderen Partei dies stets mitgeteilt werden, damit sie die Gelegenheit hat, sich zu entscheidungsrelevanten Punkten zu äußern.686 Außerdem muss den Parteien gewährt werden, den Zeugen Fragen zu stellen.687 Auch dies führt dazu, dass die informelle Zeugenbefragung wiederum beschränkt ist. Die Klärung des Sachverhalts ist demensprechend zwar im Verfahren nach billigem Ermessen vereinfacht, das Ermessen des Richters führt allerdings insgesamt nur zu geringfügigen Abweichungen von den §§ 355 ff. ZPO. Grobe Ungenauigkeiten im Sachverhalt sind deswegen nicht zu erwarten. Das materielle Recht und die Regeln zu Beweislast müssen angewendet sowie rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen von Amts wegen 682  BT-Drs.  11 / 4155, 11; Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 495a Rn. 20; Wittschier, in: Musielak / Voit, ZPO, § 495a Rn. 6; Pukall, in: Saenger ZPO, § 495a Rn. 11; Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 1109; a A Fischer, MDR 1994, 978, 980, sich gegen den Freibeweis aussprechend. 683  BT-Drs. 11 / 4155, 11; Wittschier, in: Musielak / Voit, ZPO, § 495a Rn. 6. 684  Musielak, in: Musielak / Voit, ZPO, Einleitung ZPO Rn. 47. 685  BT-Drs. 11 / 4155, 11; Toussaint, in: BeckOK ZPO, § 495a Rn. 11, 21; Deppenkemper, in: MünchKomm ZPO, § 495a Rn. 16. 686  BVerfG, Beschl. v. 5.4.2012  – 2 BvR 2126 / 11, NJW 2012, 2262, 2263; Deppenkemper, in: MünchKomm ZPO, § 495a Rn. 19. 687  Deppenkemper, in: MünchKomm ZPO, § 495a Rn. 20, 38.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis193

berücksichtigt werden.688 Die verbleibenden Ungenauigkeiten bei der Rechtsanwendung sind mithin ebenso marginal wie die Unterschiede zum regulären Verfahren. Ein weiteres Verfahren zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens stellt das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen dar. Dieses war zunächst in der Verordnung (EG) Nr. 861 / 2007 geregelt, ist nun mit der Verordnung (EU) 2015 / 2421 mit Wirkung zum 14.7.2017 geändert ­worden und wird durch §§ 1097 ff. ZPO ergänzt. Das Verfahren gilt nach Art. 2 Abs. 1 Geringfügige-Forderungen-VO in Zivil- und Handelssachen für grenzüberschreitende Rechtssachen, bei denen der Streitwert der Klage 5.000 Euro zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage nicht überschreitet. Die Erhöhung des Streitwerts von 2.000 auf 5.000 Euro hat dazu geführt, dass nun nahezu alle Verbraucherkonflikte erfasst sind und das Verfahren bei allen grenzüberschreitenden Verfahren vom Amtsgericht angewendet werden kann. Da Art. 5 Abs. 1 Geringfügige-Forderungen-VO die Gewährleistung eines schnellen Verfahrens zum Ziel hat, soll das Verfahren nur schriftlich stattfinden. Begehrt eine Partei, dass das Verfahren mündlich geführt wird, so muss sich das Gericht gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a Geringfügige-Forderungen-VO nicht daran halten, wenn es der Auffassung ist, dass in dem Fall ein faires Verfahren auch ohne eine mündliche Verhandlung stattfinden kann.689 Ferner wird der Umfang einer Beweisaufnahme nach Art. 9 Abs. 1 S. 1 Geringfügige-Forderungen-VO durch das Gericht bestimmt. Diesem ist gestattet, die „einfachste und am wenigsten aufwändige Art der Beweisaufnahme“ auszuwählen. Zeugen und Sachverständige können schriftlich aussagen und auch die Parteivernehmung kann schriftlich erfolgen, Art. 9 Abs. 2 GeringfügigeForderungen-VO. Mündliche Sachverständigenbeweise oder mündliche Aussagen dürfen gemäß Art. 9 Abs. 4 Geringfügige-Forderungen-VO nur dann zugelassen werden, „wenn es nicht möglich ist, aufgrund anderer Beweismittel ein Urteil zu fällen“. Solche anderen Möglichkeiten können gemäß Art. 8 Abs. 1 Geringfügige-Forderungen-VO Fernkommunikationsmittel sein wie eine Video- oder Telefonkonferenz. Diese sollen folglich grundsätzlich vorrangig eingesetzt werden. Es ist die Tendenz erkennbar, dass es auf die Einfachheit und Schnelligkeit, nicht aber auf die gründliche Aufklärung ankommt. Somit begünstigen die Regeln des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen eine ungenaue Tatsachenlage. 688  LG Baden-Baden, Beschl. v. 3.2.1994  – 3 T 57 / 93, NJW-RR 1994, 1088; Toussaint, in BeckOK ZPO, § 495a Rn. 12, 21; Deppenkemper, in: MünchKomm ZPO, § 495a Rn. 15; Wittschier, in: Musielak / Voit, ZPO, § 495a Rn. 5. 689  Kritisch dazu Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 163, der sich auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und Art. 47 Grundrechtecharta stützt.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Das Verfahren nach billigem Ermessen und das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen laufen somit beide Gefahr, dass der Sachverhalt nur ungenau aufgeklärt wird. Da aber beide die grundrechtlichen Garantien beachten müssen, sind die Auswirkungen gering. Dadurch, dass die Lösung von einem Richter erarbeitet wird, bietet sie im Unterschied zur Verbraucherschlichtung die Gewähr für eine Rechtsbeachtung.690 Die einzige Ungenauigkeit ergibt sich somit aufgrund von verbleibenden Sachverhaltslücken, aber nicht bezüglich der Subsumtion der Rechtsregeln auf den Sachverhalt. c) Vergleichsschlüsse im Schatten des Rechts Eine Möglichkeit des Umgangs mit ungenauen Sachverhaltsaufklärungen ist der Vergleichsschluss. Es erfolgt keine Rechtsprechung, sondern die Parteien einigen sich privatautonom über die Lösung des Streits und räumen so vorhandene Unklarheiten im Sachverhalt aus. Der Grund ist, dass der Sachverhalt nicht oder nur mit hohem Aufwand aufgeklärt werden kann. Häufig führt die Güteverhandlung zu einem Vergleichsschluss.691 Bei dieser wird von vornherein auf eine Beweisaufnahme verzichtet, wenn sie der mündlichen Verhandlung gemäß § 278 Abs. 2 ZPO vorgeschaltet ist.692 Es wird in diesem Fall somit gar nicht erst versucht, Recht zu sprechen. Können sich die Parteien aber nicht einigen, schließt sich eine mündliche Verhandlung an, die darauf ausgerichtet ist, den Sachverhalt gründlich zu klären. Im Rahmen der Hauptverhandlung führen allerdings Gütebemühungen des Richters ebenfalls häufig zu einem Vergleichsschluss. Zudem kann die Verhandlung unterbrochen werden, um eine Güteverhandlung beim Güterichter gemäß § 278 Abs. 5 ZPO durchzuführen. Wird der Vergleich in diesen Fällen zu einem späten Zeitpunkt des Verfahrens geschlossen, können schon umfassende Handlungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen worden sein. Eine Beendigung des Verfahrens durch einen Vergleichsschluss führt per se noch nicht zu einem starken Abweichen vom Recht. Zwar gibt schon die Legaldefinition des Vergleichs in § 779 Abs. 1 BGB vor, dass ein gegenseitiges Nachgeben stattfinden muss. Gegenseitiges Nachgeben ist allerdings sehr weit auszulegen und schon bei geringen Eingeständnissen anzuneh690  Fries,

Verbraucherrechtsdurchsetzung, 161. in: Musielak / Voit, ZPO, § 278 Rn. 16; neben Vergleichsschlüssen können aus der Güterverhandlung auch Klagerücknahmen, Erledigungserklärungen, Anerkenntnisse oder Verzichte hervorgehen. 692  Prütting, in: MünchKomm ZPO, § 278 Rn. 27; Foerste, in: Musielak / Voit, ZPO, § 278 Rn. 10; Gottwald, in: Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPO, § 104 Rn. 28; a A Assmann, in: Wieczorek / Schütze, ZPO, § 278 Rn. 50, der das geringe Ausmaß möglicher Beweiserhebungen aufzeigt. 691  Foerste,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis195

men.693 Ein Nachgeben kann schon in jedem kleinsten Verzicht auf eine prozessuale Position gesehen werden.694 Es reicht ein Entgegenkommen, wobei dieses nicht die Aufgabe einer materiellen Rechtsposition beinhalten muss.695 Ein Nachgeben liegt sogar dann vor, wenn auf eine nicht bestehende, sondern nur behauptete Rechtsposition verzichtet wird.696 Spiegelt der Vergleich allerdings weitestgehend die Rechtslage wider, führt dies in den meisten Fällen zu einer einseitig begünstigenden Lösung, die wohl nicht den Interessen beider Parteien entspricht und auf welche sie sich somit auch nicht einigen würden. Dementsprechend stellt der Vergleich meistens einen rechtlichen Kompromiss dar. Das Gericht richtet seinen Vergleichsvorschlag lediglich an der Sach- und Rechtslage aus.697 Der Richter kann von seinem Ermessen Gebrauch machen und ist nicht strikt an die vom materiellen Recht vorgegebenen Rechtsfolgen gebunden, sondern kann eine flexiblere Lösung finden. Die Bindung an das materielle Recht ist mit einer Soll-Vorschrift zu vergleichen.698 Der Richter darf mit seinem Vergleichsvorschlag nicht bewusst vom Recht abweichen – auch nicht aufgrund sozialer Erwägungen, beispielsweise um ein soziales Ungleichgewicht zu kompensieren.699 Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung muss nicht berücksichtigt werden, wenngleich sich der Richter zumeist freiwillig daran hält.700 Gleiches gilt auch, wenn der Güterichter einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Als Teil der rechtsprechenden Gewalt ist er grundsätzlich an Recht und Gesetz gebunden701 und darf nicht an Lösungen mitwirken, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen.702 693  BGH, Urt. v. 13.4.1970  – III ZR 75 / 69, NJW 1970, 1122, 1124; Stadler, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 779 BGB Rn. 8; Staudinger, in: Schulze / Dörner et al., Bürgerliches Gesetzbuch, § 779 BGB Rn. 6; Fleindl / Haumer, Der Prozessvergleich, 21; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 34. 694  Fleindl / Haumer, Der Prozessvergleich, 21; Schulte / Rüssel, Alternative Konfliktbeilegung durch Verhandlung, Mediation, Schlichtung, 61, mit dem Beispiel, dass ein Nachgeben auch die Gewährung von Ratenzahlungen oder die Übernahme von Teilen der Verfahrenskosten ist. 695  Fleindl / Haumer, Der Prozessvergleich, 23; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 32. 696  Fleindl / Haumer, Der Prozessvergleich, 23 f. 697  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 12; Schellhammer, Die Arbeitsmethode des Zivilrichters, Rn. 516; Wolf, ZZP 1976, 260, 265. 698  Wolf, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 153, 154. 699  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 12, 10. 700  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 23. 701  Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 34; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469; Greger, in: Arnold / Lorenz, GS Unberath, 111, 118; Joussen, in: Arnold / Lo-

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Der Vergleichsvorschlag darf aber grundsätzlich nicht das zwingende Recht missachten – insbesondere nicht das zwingende Verbraucherrecht.703 Anderes gilt nur in dem Fall, dass ernsthafte Zweifel bezüglich der Tatsachen oder Rechtsfragen bestehen.704 Dass diese Zweifel tatsächlich bestehen und nicht nur vorgespielt werden, ist unerlässlich.705 Ansonsten könnte der Vergleich zur Umgehung des zwingenden Rechts ausgenutzt werden. Der Vergleich kann jedoch stets dazu ausgenutzt werden, bei ungeklärtem Sachverhalt die meistens den Verbraucher begünstigenden Beweislastregeln zu umgehen. Eine Grenze wird dem Vergleich durch §§ 134, 138 BGB gesetzt.706 Ob gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen wird, muss das Gericht prüfen.707 Vergleichsschlüsse unterscheiden sich somit qualitativ von Urteilen. Der ungeklärte Sachverhalt führt vermehrt zu Kompromisslösungen. Die einvernehmliche Lösung des Konflikts kann dabei „im Schatten des Rechts“ erfolgen.708 d) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist bei Gericht ein Trend zu Schnelllösungen für Verbraucherkonflikte zu konstatieren. Zwar kommt dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen nur wenig praktische Bedeutung zu, allerdings hat renz, GS Unberath, 241, 245; Roth, ZZP 2016, 3, 10; zurückhaltender Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 103: das materielle Recht gebe „allenfalls Orientierungspunkte“. 702  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 136. 703  S. nur Habersack, in: MünchKomm BGB, § 779 BGB Rn. 5; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 33; Stürner, in: Breidenbach / Coester-Waltjen / Hess / Nelle / Wolf, Konsensuale Streitbeilegung, 5, 22. 704  Habersack, in: MünchKomm BGB, § 779 BGB Rn. 5, 11; Sprau, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 779 Rn. 6; Bork, Der Vergleich, 226 f.; Eidenmüller / Engel, ZZP 2015, 149, 152; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 73, der dies für die auf Initiative der Europäischen Union fußenden Verbraucherrechte richtigerweise aus dem Effektivitätsprinzip folgert; Kocher, Funktionen der Rechtsprechung, 418; Riehm, JZ 2016, 866, 870; Roth, JZ 2013, 637, 643. 705  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 32. 706  Gottwald, in: Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPO, § 130 Rn. 46; Seiler, in: Thomas / Putzo ZPO, § 794 Rn. 16; Riehm, JZ 2016, 866, 870. 707  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 58 f., diese Prüfungspflicht systematisch mit der Gesetzesbegründung des § 278 Abs. 6 S. 1 Var. 1 ZPO, BT-Drs.  15 / 3482, 17, begründend, wo sie ausdrücklich erwähnt wird. 708  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 161.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis197

das Verfahren nach billigem Ermessen eine große Tragweite.709 Signifikant ist ferner die Vielzahl von Vergleichsschlüssen bei Gericht.710 Grund dafür mag die klare Aussage des § 278 ZPO sein, auf friedliche Einigungen hinzuwirken. Ferner bringt ein Vergleich dem Richter eine Arbeitserleichterung.711 Auch könnten die Anwälte durch die zusätzliche Einigungsgebühr, die sie bei einem Vergleichsschluss erhalten, dazu verleitet sein, den Mandanten zum Vergleichsschluss zu drängen. Zudem soll es zu einer Beschleunigung des Prozesses führen, weil auf eine genaue Sachverhaltsaufklärung verzichtet werden kann, wenn die Parteien sich einigen. Die vermeintlich geringeren Kosten eines Vergleichsschlusses sind laut einer Studie für die Parteien ein wesentlicher Beweggrund zum Abschluss eines Vergleichs.712 Da Verbraucher typischerweise nicht häufig prozessieren, sind ihnen geringe Kosten wichtig. Ein Vergleichsschluss ist für sie umso attraktiver, je höher der Streitwert ist, weil dadurch hohe Kosten im Falle des Verlierens minimiert werden.713 3. Bewertung Der Verzicht auf eine gründliche Sachverhaltsaufklärung und die Zunahme von Prozessvergleichen zeigen auf, dass bei Gericht vermehrt privatautonom vereinbarte Streitlösungen erreicht werden. Bei diesen dient das Gesetz als Orientierung, aber es besteht keine strenge Bindung. Insofern besteht eine Parallele zu Verbraucherschlichtungen.714 Auch diese werden grundsätzlich schriftlich geführt und es erfolgt keine gründliche Beweisaufnahme. Der Schlichtungsvorschlag soll lediglich an der Rechtslage ausgerichtet sein und Auslegungsfragen über das deutsche und das europäische Recht können nicht gelöst werden. Nicht zuletzt, weil zertifizierte Mediatoren als Streitmittler zugelassen sind, besteht keine Gewähr dafür, dass das materielle (Verbraucher-)Recht beachtet wird.715 In Anbetracht der besonderen Gewichtung der Rechtsbeachtung als Bestandteil des Zugangs zum Rechts weisen beide Verfahren ein Manko auf. 709  S.

dazu umfassend Kap. 2 A. II. 3. a) der Darstellung. dazu umfassend Kap. 2 A. III. der Darstellung. 711  S. dazu umfassend Kap. 5 B. II. der Darstellung. 712  Egli, Vergleichsdruck im Zivilprozeß, 55; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 26. 713  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 26 f. 714  Gaier, NJW 2016, 1367, 1371; Riehm, JZ 2016, 866, 871. 715  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 288 f.; Frank / Henke / Singbartl, VuR 2016, 333, 337; Roth, JZ 2013, 637, 639. 710  S.

198

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Diese Erkenntnis relativiert die Bedenken zur defizitären Rechtsverwirk­ lichung bei ADR-Verfahren716 und lässt den Hinweis des Streitmittlers gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VSBG, dass das Schlichtungsergebnis vom Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen könne, illusorisch erscheinen.717 Trotz dieser Ähnlichkeit der außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren weicht der Prozessvergleich weniger stark vom geschriebenen Recht ab als der Vergleich als Ergebnis einer Verbraucherschlichtung.718 Das liegt daran, dass im Rahmen eines Prozessvergleichs nur dann über zwingendes Verbraucherrecht disponiert wird, wenn über die Tatsachenoder Rechtslage ernsthafte Zweifel bestehen. Diese Einschränkung gilt bei der Verbraucherstreitbeilegung nicht. Außerdem kann der die Verhandlung führende Richter die Rechtslage besser erkennen als der Streitmittler. Bei der Verbraucherschlichtung ist nämlich nicht durchgehend ein Rechtsassessor mit der Streitbeilegung betraut. Eine stärkere Rechtsbeachtung bei einem Vergleichsgespräch vor Gericht ist schließlich dann zu erwarten, wenn sich das in Aussicht stehende Urteil im Laufe des Verfahrens schon abgezeichnet hat.719 Dies kommt vor, wenn der Vergleichsschluss zu einem späten Zeitpunkt des Verfahrens erfolgt. Die Parteien haben sich dann bereits Klarheit über die Rechtslage verschafft, einigen sich aber, um eine kostspielige und zeitintensive Beweisaufnahme zu vermeiden. Ihnen wurden zuvor die Risiken und Chancen und die Rechtslage aufgezeigt, sodass sie sich daran bei ihrem Vergleichsschluss orientieren können. Die Qualität des Vergleichsschlusses ist höher, wenn er zu einem späten Zeitpunkt des Prozesses abgeschlossen wird, die Tatsachen- und Rechtslage schon weitgehend geklärt ist und nur noch geringe Unsicherheiten verbleiben.720 Begünstigt wird diese Art des Vergleichs dadurch, dass der Richter auf Grundlage von § 139 ZPO Einblick in seine Erwägungen gibt.721 Die Parteien haben folglich ein ausreichendes Fundament, auf das sie ihren Vergleich stützen können. Folglich sorgt die staatliche Justiz insgesamt für eine bessere Rechtsdurchsetzung, weil qualitativ besser mit ungeklärten Sach- und Rechtsfragen um716  Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 83; a A Althammer, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 9, 13 f. 717  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 718  Althammer, in: Brocker / Knops / Roth, FS Bamberger, 1, 5; Eidenmüller /  Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 263, 273. 719  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 281; Palmer, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 17, 43 f. 720  Koch, Verbraucherprozeßrecht, 58 f. 721  S. dazu umfassend Kap. 3 B. III. 1. c) der Darstellung.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis199

gegangen wird und die Richter juristisch hoch qualifiziert sind.722 Vorteilhaft ist auch, dass das Verfahren bei Gericht formalisiert ist. Das bei Verbraucherkonflikten bestehende Machtgefälle kann dann nicht dafür ausgenutzt werden, das Verfahren zu den eigenen Gunsten abzuändern.723

V. Vertretung im Verfahren Das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, gilt im europäischen Justizraum als wesentliche Verfahrensgarantie.724 Bei einem Verfahren vor dem Amtsgericht ist im Umkehrschluss aus § 78 ZPO die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts fakultativ. Das gilt auch für Güteverfahren725 und gemäß Art. 10 Geringfügige-Forderungen-VO auch für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen. Ebenso ist es bei der Verbraucherschlichtung gemäß § 13 VSBG den Parteien überlassen, einen Rechtsanwalt oder eine andere zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistung befugte Person hinzuzuziehen.726 Bei Mediationen ist es hingegen untypisch, Rechtsbeistand zu suchen, denn das Verfahren basiert auf dem persönlichen Austausch und ist an Interessen ausgerichtet. Nach § 2 Abs. 6 S. 2 Mediationsgesetz muss der Mediator die Parteien aber auf die Möglichkeit hinweisen, die Vereinbarung durch einen Rechtsanwalt oder Rechtsberater überprüfen zu lassen. Dies ist wichtig, wenn es sich um eine rechtsgestaltende Vereinbarung handelt.727 Dass Rechtsanwälte eine besondere Rolle einnehmen, wird durch die Tatsache untermalt, dass ihre Hinzuziehung häufiger zu Gerichtsverfahren als zu 722  S. vor allem Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1704 ff.; Roth, JZ 2013, 637, 637 ff.; Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 390 f. 723  Seybold, Mediation und gerichtliches Verfahren, 72. 724  Dazu Hess, ZZP 2005, 427, 445. 725  OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.9.2002  – 4 W 65 / 02, NJW-RR 2003, 1653; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 11; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470. 726  In Betracht kommt somit auch die Vertretung durch Vereinigungen, durch Verbraucherverbände oder durch sonstige Personen mit einer besonderen persönlichen oder familiären Beziehung, wenn die Vertretung unentgeltlich erfolgt, s. §§ 6–8 RDG; dazu auch Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 87, 87, 105. 727  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 75; dass der Hinweis des Mediators wichtig ist, liegt vor allem daran, dass Verbraucher durch anwaltliche Beratung in dem Erhalt ihrer rechtlichen Positionen geschützt werden und dies sogar größtenteils durch die Rechtsanwaltshaftung abgesichert ist, s. jedoch den davon zu unterscheidenden Fall der Haftung des anwaltlichen Mediators BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34 / 17, NJW 2017, 3442 ff.

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Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

außergerichtlichen Konsensverfahren führt.728 Es zeigt zudem, dass der Verbraucher häufig erst durch den Rechtsanwalt seine rechtlichen Chancen aufgezeigt bekommt. Dadurch, dass sowohl bei der Verbraucherschlichtung als auch bei dem Gerichtsverfahren eine Vertretung möglich ist, bieten sie einen gleichwertigen Schutz für den Verbraucher. Eine rechtmäßige Lösung wird freilich eher erreicht, wenn der Verbraucher im Verfahren vertreten wird. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Unternehmer regelmäßig auch rechtlichen Beistand hinzuzieht und der Verbraucher mit rechtlichen Argumenten konfrontiert wird.729 Ein Anwaltszwang würde somit zwar zu mehr Rechtsdurchsetzung und dementsprechend mehr Verbraucherschutz verhelfen; allerdings stellt es eine größere Zugangshürde dar, wenn man einen Rechtsanwalt hinzuziehen muss und für die Kosten aufkommen oder sie zumindest vorstrecken muss. Die Zugangshürde ist somit niedriger, wenn die Hinzuziehung fakultativ ist. Die vorgesehenen Regeln im VSBG und in der ZPO stellen folglich eine Stärkung des Zugangs zum Recht dar.

VI. Durchsetzbarkeit des Verfahrensergebnisses Die Durchsetzbarkeit ist ein bedeutender Bestandteil des Zugangs zum Recht. Denn es ist von geringem Nutzen, ein Recht oder einen Anspruch zugesprochen zu bekommen, ohne diese anschließend durchsetzen zu können. Es ist Ausdruck der Qualität einer Streitbeilegung, wenn das Ergebnis durchsetzbar ist. Die Durchsetzbarkeit des Ergebnisses ist besonders für den Verbraucher wichtig. Er hat nicht die Erfahrung und Stärke, den Unternehmer dazu zu bringen, sich an die Lösung zu halten und steht hilflos da, wenn der Unternehmer sich widersetzt.730 Auch ist die internationale Durchsetzung sehr wichtig.731 Ein für den Unternehmer bindendes Ergebnis trägt zum Zugang zum Recht bei.732 1. Durchsetzbarkeit der Verbraucherschlichtungsergebnisse Der Vorschlag, den die Verbraucherschlichtungsstellen unterbreiten, hat keine Rechtskraftwirkung. Zwar gestattet es Art. 2 Abs. 2 ADR-RL den Mitgliedstaaten, eine Rechtskraftwirkung mit anschließendem Ausschluss des 728  Scherpe,

Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 16. JZ 2016, 866, 869. 730  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 46. 731  Brand, Party Autonomy and Access to Justice in the UNCITRAL Online Dispute Resolution Project, 3. 732  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 47. 729  Riehm,



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis201

Gerichtsverfahrens zu implementieren, doch hat Deutschland davon keinen Gebrauch gemacht. § 5 Abs. 2 VSBG legt fest, dass dem Verbraucher keine verbindliche Lösung auferlegt werden darf. Der Unternehmer kann sich gemäß § 19 Abs. 4 VSBG einer Lösung vorab unterwerfen.733 Dies stellt aber nur eine privatautonome Bindung ohne Rechtskraftwirkung dar.734 Zur Vollstreckung der Lösung der Verbraucherschlichtung schweigen das VSBG und die Gesetzesmaterialien.735 Wenn die Parteien den Schlichtungsvorschlag akzeptieren, schließen sie einen rein materiell-rechtlichen Vertrag.736 Beruht der Vertragsschluss auf gegenseitigem Nachgeben, handelt es sich in den allermeisten Fällen um einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB.737 Dieser ist die häufigste Beendigungsform eines Schlichtungsverfahrens. Ein Vergleich kommt nur dann nicht zustande, wenn eine Partei ihren Anspruch vollständig und ohne jegliche Einbuße erhält oder auf diesen verzichtet. Es kann sich dann um ein abstraktes Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB oder um einen Erlassvertrag nach § 397 BGB handeln.738 Bei einem Erlass stellt sich die Frage der möglichen Zwangsvollstreckung naturgemäß nicht. Wird dem Antrag des Verbrauchers vollständig entsprochen, handelt es sich um ein konstitutives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB oder um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, welches im BGB nicht geregelt ist.739 All diese Verträge sind keine Vollstreckungstitel.740

733  Eine solche einseitige Bindung entsteht z. B. für Unternehmer, die sich der Streitbeilegung bei einem Versicherungsombudsmann unterwerfen, bei Streitwerten bis 10.000 Euro, s. § 10 Abs. 3 S. 2, § 11 Abs. 1 Vom-VO des Versicherungsombudsmannes (Stand 23.11.2016). 734  Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 157, 164. 735  Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 157, 166. 736  Gössl, RIW 2016, 473, 475; Gössl, NJW 2016, 838, 840; Hilbig-Lugani, ZZP 2013, 463, 464. 737  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 63; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  C § 19 VSBG Rn. 10; auf Sonderfälle eingehend; Gössl, RIW 2016, 473, 475; Hilbig-Lugani, ZZP 2013, 463, 464; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 220; Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 157, 166. 738  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 63; Pelzer, ZKM 2015, 43, 44. 739  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 67. 740  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 90; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  C § 19 VSBG Rn. 13; Gössl, RIW 2016, 473, 475; Gössl, NJW 2016, 838, 840; Hess, ZZP 2005, 427, 454; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 65.

202

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Lediglich Vergleiche der von einer Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Schlichtungsstelle sind Vergleiche im prozessualen Sinne und können gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwangsvollstreckt werden. Dies gilt aber nicht für die Verbraucherschlichtungsstellen, da diese nicht auf gleiche Weise gegründet werden.741 Der Ausbau der behördlichen Verbraucherschlichtung in Form einer Kombination mit dem Verfahren nach § 15a EGZPO könnte somit die Vollstreckung vereinfachen.742 Ferner ist es den Ländern nicht verwehrt, die Verbraucherschlichtungsstellen als Landesgütestellen anzuerkennen.743 Auch könnte der Vergleich, der im Rahmen eines Verbraucherschlichtungsverfahrens geschlossen wird, als Vollstreckungstitel in § 794 Abs. 1 ZPO aufgenommen werden.744 Solange dies nicht geschieht, ist die Zwangsvollstreckung nur auf Umwegen zu erreichen: Der Vergleich und das Schuldanerkenntnis können zum durchsetzbaren Titel werden, indem der Anspruch im Wege des Mahnverfahrens gemäß §§ 688 ff. ZPO oder des Urkundenprozesses nach §§ 592 ff. ZPO durchgesetzt wird.745 Dem entsprechend gelten im europäischen Justizraum das europäische Mahnverfahren und die Regeln der Art. 58 ff. Brüssel Ia-VO zur Zwangsvollstreckung von Urkunden aus anderen Mitgliedstaaten.746 Für die Vollstreckung als Urkunde muss jedoch ein Notar oder eine Urkundsperson einer Behörde beteiligt werden.747 Außerdem wäre nicht der gesamte Anwendungsbereich des VSBG erfasst. Die nicht erfassten Fälle müssten im Rahmen einer Klage auf Vertragserfüllung durchgesetzt werden.748 Ferner kann eine notarielle Urkunde das Ergebnis der Verbraucherschlichtung festhalten und gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO als Vollstreckungstitel dienen. Nachteilig daran sind gleichwohl die anfallenden Notargebühren.749

741  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 13; Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 157, 166. 742  Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 74. 743  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 93. 744  AA Prütting, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, 157, 166, der sogar ohne erfolgte Aufnahme in die Norm von einer Vollstreckbarkeit ausgeht. 745  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 83. 746  Gullo, Mediation unter der Herrschaft des Rechts?, 202; Hess, ZZP 2005, 427, 455. 747  Hess, ZZP 2005, 427, 455. 748  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 19 VSBG Rn. 12; Hess, ZZP 2005, 427, 454. 749  Gullo, Mediation unter der Herrschaft des Rechts?, 200 Fn. 780.



B. „zum Recht“: Verfahren und Verfahrensergebnis203

Sodann gibt es die Möglichkeit, einen Anwaltsvergleich gemäß § 796a ZPO abzuschließen. Dabei müssen die Willenserklärungen von den Anwälten abgegeben werden; die Parteien können den Vergleich aber eigenständig aushandeln. Der Anwaltsvergleich kann entweder vom Gericht oder vom Notar für vollstreckbar erklärt werden. Er ist allerdings nicht typisch für Verbraucherstreitigkeiten, da häufig kein anwaltlicher Beistand geleistet wird.750 Des Weiteren sind Vereinbarungen zwischen den Verbraucherschlichtungsstellen und den Gerichten über die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs möglich. Werden Vergleiche zu richterlichem Protokoll genommen, die im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens oder des Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe geschlossen wurden, stellen sie gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Vollstreckungstitel dar. Eine solche Protokollierung könnte auch für Vergleiche einer Verbraucherschlichtungsstelle gesetzlich eingeführt werden. Obwohl ADR-Verfahren nicht die Vollstreckung im Visier haben,751 gibt es dementsprechend verschiedene Möglichkeiten, den Vergleich, der im Wege einer Verbraucherschlichtung erreicht wird, zu vollstrecken. Allerdings ist die Vollstreckung umständlich und mit hohen Kosten verbunden, denn es müssen Anwälte bzw. Notare beteiligt oder das Gericht zur Hilfe genommen werden. Ohne einen Vollstreckungstitel hat der Verbraucher alleine nicht genügend Durchsetzungs- und Verhandlungskraft, um die freiwillige Befolgung der Lösung vom Unternehmer zu erreichen. Das Verbraucherschlichtungs­ ergebnis ist somit nicht leicht durchsetzbar, sodass dieser Punkt dem Zugang zum Recht abträglich ist.752 Einzig die Chance einer freiwilligen Erfüllung der Verbraucherschlichtungsvereinbarung kann zu einer leichten Durchsetzung des Ergebnisses führen. In vielen Fällen wird die Vollstreckung obsolet sein, weil der Schuldner das Ergebnis akzeptiert und somit die Verpflichtung freiwillig erfüllt.753 Bei konsensuellen Lösungen ist es grundsätzlich wahrscheinlicher, dass die Lösung freiwillig umgesetzt wird, als bei einer Entscheidung durch einen Dritten.754 So wird auch aus der Schlichtungspraxis berichtet, dass sich die 750  Meller-Hannich,

in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 19, 39. in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 370. 752  Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 45. 753  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 19 Rn. 92; in Bezug auf die Mediationsabschlussvereinbarung Joussen, in: Arnold / Lorenz, GS Unberath, 241, 243; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 65. 754  Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn. 45; Bierbrauer / Gottwald, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der 751  Wagner,

204

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

Parteien an die vereinbarten Lösungen freiwillig halten.755 Einer auf Freiwilligkeit basierenden Durchsetzung steht es allerdings im Wege, wenn der Unternehmer von dem Schlichtungsergebnis nicht vollends überzeugt ist. So kann es vorkommen, dass er sich im Schlichtungsverfahren gedrängt fühlt, den Vorschlag anzunehmen.756 Dies ist vor allem dann zu erwarten, wenn Schlichtungsordnungen den Unternehmer an den Lösungsvorschlag binden, ohne dass dieser ihn akzeptiert haben muss.757 Dies ist beispielsweise beim Ombudsmann der privaten Banken und beim Versicherungsombudsmann der Fall.758 Die Bindung an das Ergebnis könnte in Zukunft verbessert werden, indem die Verbraucherschlichtungsstellen unter Anpassung der datenschutzrecht­ lichen Vorschriften eine „name and shame“-Liste führen. Diese könnte publik machen, welche Unternehmer sich nicht an die vertragliche Verpflichtung halten und diese Unternehmer dadurch dazu bewegen, die Schlichtungslösung zu befolgen, um ihren Ruf zu verbessern.759 Insgesamt geht die Durchsetzung der Ergebnisse der Verbraucherschlichtungen nicht reibungslos vonstatten. 2. Durchsetzbarkeit der gerichtlichen Lösungen Im Vergleich dazu ist die Vollstreckung der Gerichtsurteile ihr Wesensmerkmal. Selbst die internationale Vollstreckung von Urteilen gestaltet sich einfach. Das Gerichtsurteil wird mit einer Vollstreckungsklausel versehen, welche gemäß § 724 ZPO Grundlage der Zwangsvollstreckung ist. Der wirksam abgeschlossene Prozessvergleich ist gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der Zwangsvollstreckung einem Urteil gleichgestellt und somit sofort vollstreckbar. Der Vergleich ist somit im Unterschied zur Schlichtung nicht nur Prozeßvergleich, 191, 191 ff. mit Verweis auf empirische Studien; Sander / Rozdeiczer, 11 Harvard Negotiation Law Review 2006, 1, 16 m. w. N. 755  Über die Erfahrung der Siemens AG, s. Sessler, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 9, 14. 756  V. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 56 f., Risse, Wirtschaftsmediation, § 1 Rn. 22. 757  Roder, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 5 Verfahren, Rn. 41. 758  § 6 Abs. 5 lit. a Verfahrensordnung des Ombudsmannes der privaten Banken, abrufbar unter: https: /  / bankenombudsmann.de / geschaeftsstelle / verfahrensordnung / ; § 11 Abs. 1 Verfahrensordnung für Beschwerden gegen Versicherungsunternehmen, abrufbar unter: https: /  / www.versicherungsombudsmann.de / das-schlichtungsverfah ren / verfahrensordnungen / vomvo / . 759  Luzak, ERPL 2016, 81, 90.



C. Ergebnis des Vergleichs205

ein materiell-rechtlicher Vertrag, sondern ein vollstreckbarer Hoheitstitel.760 Auch die Einigung vor einem Güterichter nach § 278 Abs. 5 ZPO wird zu einem vollstreckbaren Titel, wenn der Güterichter den Vergleich protokolliert.761 Die Zustimmung der Parteien zur Protokollierung des Gütevergleichs wird schon konkludent gegeben, wenn die Parteien einen Vergleich schließen.762 Im Gegensatz zum Verbraucherschlichtungsverfahren verläuft die Vollstreckung somit reibungslos. Die unionsweite Durchsetzbarkeit von Entscheidungen wurde durch den europäischen Gesetzgeber erleichtert. Die Vollstreckung der Ergebnisse des Gerichtsverfahrens ist vor allem durch die Brüssel Ia-VO,763 die Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene ­Forderungen764 und durch die europäische Mahnverfahrensverordnung für unbestrittene Geldforderungen765 verbessert. Noch einfacher ist die Durchsetzung eines Ergebnisses, das im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen erzielt wurde. Dieses kann ohne eine Vollstreckbarkeitserklärung in jedem Mitgliedstaat der EU anerkannt und vollstreckt werden.766 Insgesamt ist die Durchsetzung gerichtlicher Verfahrensergebnisse somit einfach und verbessert den Zugang zum Recht.

C. Ergebnis des Vergleichs Die Untersuchung des Zugangs zum Recht für Verbraucher durch die Verbraucherschlichtung und durch das Gerichtsverfahren hat viele Facetten der Verfahren zum Vorschein gebracht, die im Folgenden in einem Ergebnis zusammengefasst werden. 760  Schramm,

25.

Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO,

761  Bacher, in: BeckOK ZPO, § 278 Rn. 29; Ahrens NJW 2012, 2465, 2470; Brose, GRUR 2016, 146, 150; Joussen, in: Arnold / Lorenz, GS Unberath, 241, 244 f.; Künzl, MDR 2016, 952, 955; Thole, ZZP 2014, 339, 350 f. 762  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 108 f. 763  Verordnung (EU) Nr. 1215 / 2012 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 351 / 1, 20.12.2012. 764  Verordnung (EG) Nr. 805 / 2004 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. L 143, 15, 30.4.2004. 765  Verordnung (EG) Nr. 1896 / 2006 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. L 399, 1, 30.12.2006. 766  Art. 21–23 Geringfügige-Forderungen-VO; dazu Kern, JZ 2012, 389, 391.

206

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

I. Das „Ob“ der Streitbeilegung: „Zugang“ Die umfassenden Hinweispflichten des Unternehmers führen dazu, dass die Verbraucherschlichtung immer bekannter wird und Hilfe geleistet wird, die zuständige Stelle aufzufinden. Auch die ODR-Plattform trägt dazu bei, dass sich Verbraucher leichter orientieren können. Das VSBG ordnet die bisherige außergerichtliche Streitbeilegungslandschaft und macht sie übersichtlicher. Die unterschiedlichen Verbraucherschlichtungsstellen sind jedoch branchenspezifisch verstreut, sodass sich der Verbraucher bei jedem aufkommenden Streit neu über die zuständige Stelle informieren muss. So wird der Zugang für den Verbraucher leicht erschwert. Zudem überlässt das VSBG den Verbraucherschlichtungsstellen bei der Ausgestaltung ihrer Schlichtungsordnungen viel Spielraum. Aus diesem Grund ist hinsichtlich der Zuständigkeit, der Anerkennung und der Ablehnungsgründe keine einheitliche Linie zu erkennen. Der Verbraucher muss jedes Mal erneut die einzelnen Schlichtungsordnungen oder die Webseiten der Verbraucherschlichtungsstelle zu Rate ziehen, um sich den Ablauf der Schlichtung zu vergegenwärtigen. Dies ist der Transparenz des Schlichtungsangebots abträglich.767 Das Gerichtsverfahren ist dagegen bekannter und bietet ein bundesweit einheitliches System. Die Gerichte sind einfach gegliedert und für den Bereich der meisten Verbraucherkonflikte auch nicht in Branchen eingeteilt, sodass die Anlaufstelle das Amtsgericht des Wohnsitzes ist. Der Verbraucher wird besonders geschützt, da ihm für unionsweite Streitigkeiten ein spezieller Gerichtsstand geboten wird. Dadurch ist die zuständige Stelle für ihn viel leichter erreichbar als bei der Verbraucherschlichtung, wo die zuständige Stelle sich auch bei internationalen Sachverhalten in den meisten Fällen nach dem Unternehmersitz richtet. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Verbraucherschlichtungsverfahren freiwillig ist und die Teilnahme ein Entgegenkommen des Unternehmers darstellt.768 Die Entfernung der Streitbeilegungsstelle ist zwar bei der Verbraucherschlichtung weniger bedeutsam als beim Gericht, weil das Schlichtungsverfahren meistens schriftlich geführt wird. Bei internationalen Sachverhalten ist es aber von Nachteil, wenn sich die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle im Ausland befindet und das Verfahren nur in einer fremden Sprache angeboten wird. Übersetzungen wer767  AA Lemmel, ZKM 2015, 22, 25, die Verbraucherstreitbeilegung nach dem VSBG insgesamt als niedrigschwellig bewertend; s. dazu umfassend Kap. 3 A. I. 1. a) der Darstellung. 768  Kritisch Kotzur, VuR 2015, 243, 247, der betont, dass der Unternehmer auch damit rechnen müsse, gerichtlich in einem anderen Bundesland geladen zu werden und deswegen Gleiches für die Schlichtung fordert.



C. Ergebnis des Vergleichs207

den vielfach erforderlich, die wiederum Kosten verursachen und das Verfahren weniger zugänglich machen. Dies benachteiligt den Verbraucher. Anderes gilt nur für Verträge, die online geschlossen wurden. Diese können durch die ODR-VO gelöst und dabei automatisch übersetzt werden. Für den Bereich außerhalb des Anwendungsbereichs der ODR-VO leistet das Gericht aber in diesem Punkt einen besseren Zugang.769 Des Weiteren trägt zum Zugang zum Gericht bei, dass weniger Anträge abgelehnt werden können, unzulässige Klagen an die zuständige Stelle weitergeleitet werden und der Konflikt in jedem Fall gelöst wird, selbst wenn sich der Beklagte dem Verfahren widersetzt. Dem Zugang abträglich ist aber wiederum, dass die gütlichen Einigungsmöglichkeiten häufig nicht bekannt sind. So kann der Güterichter etwa im Güteverfahren auf eine weitreichende Methodenvielfalt zurückgreifen. Kennen die Verbraucher diese Methoden nicht, werden sie ein Gerichtsverfahren nur anstrengen, wenn sie ein Urteil anstreben.770 Außerdem ist es etwas einfacher, das Schlichtungsverfahren einzuleiten, weil meistens ein Formular ausgefüllt und elektronisch übermittelt werden kann. Die elektronische Kommunikation ist im Schlichtungsverfahren schon länger als bei Gericht etabliert und an weniger Sicherheitsmaßnahmen gebunden. Als besonders einfach erweist es sich, einen Schlichtungsantrag im Anwendungsbereich der ODR-VO zu stellen. Die ODR-VO gilt für alle online geschlossenen Verträge gemäß Art. 2 Abs. 1 ODR-VO. Da die meisten grenzüberschreitenden Konflikte solche sind, die online abgeschlossen werden, ist die Bedeutung der ODR-VO für grenzüberschreitende Fälle groß.771 Das Verfahren ist schnell, kostengünstig und niedrigschwellig, weil es komplett online abläuft. Der Teilbereich der ODR-Verfahren ist besser zugänglich als die anderen Schlichtungsverfahren, weil die Internetseite der ODR-Plattform als zentrale Anlaufstelle fungiert. Dadurch sind Zugangshürden des VSBG überwunden, die aufgrund des unübersichtlichen Netzes an Schlichtungsstellen bestehen. Zudem werden die sprachlichen Probleme bei der Antragstellung überwunden. Dadurch, dass der Anwendungsbereich der ODR-VO aber nicht deckungsgleich mit der ADR-RL bzw. dem VSBG ist, verbleiben Zugangsbarrieren, wenn die ODR-VO nicht zur Anwendung kommt.772 Insgesamt ist das Ziel eines guten Zugangs zu einer Streitbeilegung für alle grenzüberschreitenden Fälle demzufolge durch die Verbraucherschlich769  S.

dazu umfassend Kap. 3 A. I. 2. der Darstellung. dazu umfassend Kap. 3 A. I. 1. b) der Darstellung. 771  Braun / Oppelt, VuR Sonderheft 2016, 33, 34. 772  S. dazu umfassend Kap. 3 A. II. 1. der Darstellung. 770  S.

208

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

tung nicht erreicht.773 Dennoch wird die Verbraucherschlichtung nach einer Etablierungsphase zugänglicher sein und mehr genutzt werden als das Gerichtsverfahren, weil die niedrigen Kosten das rationale Desinteresse des Verbrauchers mildern. Zwar würde die Verbraucherschlichtung auch dann in etwa gleich hohe Kosten wie beim Amtsgericht verursachen, wenn die Schlichtung aufwändig geführt wird, der Sachverhalt gründlich aufgeklärt wird und das Verfahren vielleicht sogar mündlich stattfindet. Die Verbraucherschlichtung ist allerdings darauf ausgerichtet, dass der Verbraucher auf die Gründlichkeit verzichtet. Es wird folglich meistens auf den Regelfall des schriftlichen Schnellverfahrens hinauslaufen. Ohnehin erweckt das VSBG bei dem Verbraucher den Eindruck, dass das Verfahren stets kostenlos ist. Dieser Eindruck bewirkt eine intensive Nutzung der Verbraucherschlichtung.774 Da der Kostenaspekt sich entscheidend auf die Nutzung des Verfahrens auswirkt, muss dieser besonders hoch gewichtet werden, wenn der Zugang eines Systems analysiert wird. Obwohl jedes Verfahren Zugangshürden aufweist, überlagert deswegen die Kostengünstigkeit der Verbraucherschlichtung die anderen Zugangsbarrieren. Die Verbraucherschlichtung hat mithin ein größeres Potential genutzt zu werden und ist den Verbrauchern bei ausreichender Kenntnis besser zugänglich als die Gerichte.

II. Das „Wie“ der Streitbeilegung: „zum Recht“ Es handelt sich um eine Binsenweisheit, dem Gerichtsverfahren das Attribut „formelles Recht“ zuzuschreiben und der alternativen Streitbeilegung die „informelle Gerechtigkeit“.775 Diese pauschale Zuordnung entspricht nicht (mehr) der Realität. Während die alternative Verbraucherschlichtung formalisierter geworden ist, haben sich im staatlichen Gerichtsverfahren flexible und informale Möglichkeiten der Streitbeilegung etabliert. Die Verbraucherschlichtung und das amtsgerichtliche Verfahren für Verbraucherkonflikte haben sich stark angenähert.776 Manche gehen deswegen so weit, das Verfahren bei den Verbraucherschlichtungsstellen zwar nicht als gerichtlich aber dennoch als rechtsstaatlich zu bezeichnen.777 Dies verkennt aber, dass die Verbraucherschlichtung hinter 773  Gascón Inchausti, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 31, 38, 56; Kotzur, VuR 2015, 243, 244, 246. 774  S. dazu umfassend Kap. 3 A. I. 3. b) bb) der Darstellung; zu ersten Zahlen siehe Kap. 4 A I. der Darstellung. 775  Dazu Zekoll / Bälz / Amelung, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 1,1: „Formal law versus informal justice“. 776  S. dazu umfassend Kap. 2 A. III der Darstellung. 777  Gössl, NJW 2016, 838, 838; so zumindest in Bezug auf den Versicherungsombudsmann Wolf, NJW 2015, 1656, 1660; kritisch Roth, ZZP 2016, 3, 7.



C. Ergebnis des Vergleichs209

verschlossener Tür und schriftlich geführt wird, sodass die Grundsätze der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit nicht beachtet werden. Es werden keine Einzelfälle veröffentlicht, sondern nur jährlich pauschal über häufige Streitigkeiten berichtet. Es kann nur unter strengen Voraussetzungen zu einem mündlichen Verfahren gewechselt werden. Dies widerspricht einem rechtsstaatlichen Verfahren und unterscheidet die Verbraucherschlichtung von den Verfahren bei Gericht. Zwar wird der Grundsatz der Öffentlichkeit auch bei Gericht durch die vielen schriftlichen Verfahren und die unveröffentlichten Vergleichsschlüsse beschränkt. Insgesamt sind allerdings das Gerichtsverfahren und die Verfahrensergebnisse trotzdem transparenter als bei der Verbraucherschlichtung.778 Kritiker werfen dem VSBG die Schaffung einer „Paralleljustiz“ vor.779 Diese Kritik ist hinsichtlich der Ergebnisform des Vergleichs, die sowohl bei der Verbraucherschlichtung als auch bei den Gerichten vornehmlich erreicht wird, nachvollziehbar. Der Vergleich stellt eine Möglichkeit der Parteien dar, ein Ergebnis zu erzielen, das nicht streng das Recht anwendet. Der Vergleich kann das Bedürfnis der Verbraucher nach einem schnellen und kostengünstigen Verfahren befriedigen, weil er auf einem ungenau aufgeklärten Sachverhalt beruhen kann. Allerdings ist der aus dem Gerichtsverfahren resultierende Vergleich von dem Vergleich als Ergebnis einer Verbraucherschlichtung zu unterscheiden,780 da die Ausgangssituation eine andere ist: So ist die Qualität des Gerichtsverfahrens unter Berücksichtigung aller dargelegten Qualitätskriterien immer noch höher als bei der Verbraucherschlichtung.781 Dies liegt vor allem an der materiellen Prozessleitung des Richters. Er gibt Hinweise und klärt die Parteien auf, sodass der Tatsachenvortrag präzisiert werden kann. Diese Hinweise können zwar auch von einem Streitmittler ergehen, dieser ist aber weniger rechtlich qualifiziert als der Richter und bietet ferner nicht die gleiche Gewähr in Bezug auf seine Neutralität und Unabhängigkeit.782 Die Hinweise des Streitmittlers haben dadurch nicht die gleiche rechtliche Qualität wie solche des Richters. Außerdem kann sich das Urteil bereits abgezeichnet und der Richter schon auf die Beweislastverteilung aufmerksam 778  S.

dazu umfassend Kap. 3 B. II. der Darstellung. dazu umfassend Kap. 3 B. IV. 3., sowie auch Kap. 1 A., Kap. 2 A. III. der Darstellung. 780  S. dazu umfassend Kap. 3 B. IV. 3. der Darstellung. 781  Deutlich in der Hinsicht ebenso Engel, NJW 2015, 1633, 1633: „Mehr Zugang zu weniger Recht“; Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 110; Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 35; Roth, DRiZ 2015, 24 ff.: „Verbraucherschutz zweiter Klasse“; Roth, JZ 2013, 637, 642: „justizähnliche[s] Verfahren zweiter Klasse“; Stürner, ZZP 2014, 271, 316 ff. 782  S. dazu umfassend Kap. 3 B. I. der Darstellung. 779  S.

210

Kap. 3: Vergleich des Zugangs zum Recht

gemacht haben, sodass sich die Parteien bei ihrem Vergleichsschluss stärker an der Rechtslage orientieren können. Zudem führt der Richter in geringem Maße auch eigene Untersuchungsmaßnahmen durch, um die Tatsachen zu klären, die für einen weiten Bereich des Verbraucherunionsrechts relevant sind. Ohnehin sind die Möglichkeiten der Beweisaufnahme viel weitgehender als bei außergerichtlichen Verfahren.783 Weiterhin ist die gerichtliche Streitbeilegung qualitätsvoller, weil das Verfahrensergebnis leicht und sicher durchgesetzt werden kann.784 Der Prozessvergleich geht mithin aus einem stärker rechtsgebundenen Verfahren hervor, bei dem auch die Rechtsexpertise des Richters auf das Ergebnis Einfluss nimmt. Ein Vergleichsschluss bei Gericht ist dadurch insgesamt rechtsorientierter als ein solcher bei einer Verbraucherschlichtungsstelle. Dies wirkt sich in Form von Verbraucherschutz aus.785 Dem Richter sind folglich Mittel an die Hand gelegt, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher nicht „über den Tisch gezogen wird“. Im Übrigen bleibt im Gerichtsverfahren die Tür zu einem Urteil stets offen. Das Urteil stellt ebenso wie der Vergleich einen Weg dar, bestehende Unklarheiten im Sachverhalt zu überwinden, indem anhand der Beweislastregeln entschieden wird. Dadurch ist das Ergebnisspektrum bei Gericht viel weitreichender als bei der Verbraucherschlichtung, bei der in Deutschland nur gütliche Einigungen erzielt werden können. Qualitätseinbußen aufgrund von prozessualen Erleichterungen, die insbesondere ein Verfahren nach billigem Ermessen mit sich bringt, können sich die Parteien immerhin in Teilbereichen widersetzen.786 Das Gerichtsverfahren ist dementsprechend insgesamt sehr qualitätsvoll. Im Gegensatz dazu ist die Rechtsdurchsetzung bei der Verbraucherschlichtung defizitär.787 Es wird die „flächendeckende Vertreibung der Verbraucher aus dem Recht“ prognostiziert.788 Noch spitzer wurde formuliert, dass es sich nicht um einen „access to justice“, sondern um einen „escape from justice“ handele.789 Das VSBG bietet „mehr Zugang zu weniger Recht“790.

783  S. zur

kontradiktorischen Verfahrensweise Kap. 3 B. II. 1. der Darstellung. dazu Kap. 3 B. VI. 2. der Darstellung. 785  S. zur Bedeutung der Rechtmäßigkeit der Lösung für den Zugang zum Recht für Verbraucher Kap. 2 B. I. 4. der Darstellung. 786  S. dazu umfassend Kap. 3 B. III. 1. a) sowie Kap. 2 A. II. 3. a) der Darstellung. 787  Deutlich Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 296; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 256. 788  Roth, DRiZ 2015, 24, 24. 789  So allgemein in Bezug auf ADR Lindblom, ERPL 2008, 63, 67. 790  S. den Titel des Aufsatzes von Engel, NJW 2015, 1633, 1633. 784  S.



C. Ergebnis des Vergleichs211

III. Fazit Aktuell bietet die Verbraucherschlichtung mithin mehr Zugang und die Gerichte bieten mehr Recht. Zugang und Recht korrespondieren miteinander: Das Verfahren ist entweder schnell und kostengünstig oder gewährleistet die Durchsetzung von Verbraucherrechten. Denn eine stärkere Rechtsbeachtung führt meistens deswegen zu höheren Kosten, weil der Sachverhalt umfassend aufgeklärt wird, Sachverständigengutachten angefordert werden und sich die Prozessdauer aufgrund der Gründlichkeit verlängert. Zudem ist der Einsatz von Rechtsassessoren kostspielig. Prozessvergleiche zeigen diesen Zusammenhang zwischen Kosten und Recht auf: Vergleiche führen zu weniger Kosten für den Verbraucher, beachten aber auch meistens weniger das geschriebene Recht. Für die Bewertung, welches Verfahren einen besseren Zugang zum Recht bietet, ist entscheidend, ob der Zugang oder das Recht mehr wiegt. Soll das einzige Ziel sein, zu erreichen, dass die Verbraucher überhaupt in Aktion treten, um einen Streit mit einem Unternehmer beizulegen? Oder sollte ihnen eine qualitativ hochwertige aufwändige und möglichst nah am Recht befindliche Streitbeilegung geboten werden, die aber möglicherweise zum heutigen Zeitpunkt noch nicht alle Streitigkeiten erreicht und Verbraucherkonflikte ungelöst lässt? Sowohl die Verbraucherschlichtung als auch die gerichtliche Streitbeilegung bieten dem Verbraucher in der aktuellen Ausgestaltung keinen vollumfänglichen Zugang zum Recht. Ein verbesserter Zugang zum Recht könnte aber durch die Kombination der beiden Verfahren erreicht werden.

Kapitel 4

Zugang zum Recht durch das Zusammenspiel von Verbraucherschlichtung und gerichtlichem Verfahren Zugang zum Recht könnte durch ein Zusammenspiel der außergericht­ lichen Verbraucherschlichtung und dem gerichtlichen Verfahren erreicht werden.

A. Zusammenspielvon Verbraucherschlichtung und gerichtlichem Verfahren Die Verbraucherschlichtung und die Streitbeilegung beim Gericht könnten sich ergänzen, sodass jeweils unterschiedliche Verbraucherinteressen befriedigt würden. Dadurch könnte für jeden Verbraucherkonflikt ein passendes Streitbeilegungsverfahren zur Verfügung stehen und ein guter Zugang zum Recht erreicht werden.1 Der EU-Gesetzgeber selbst hat die Stärkung der außergerichtlichen Verbraucherverfahren durch die ADR-RL als eine Ergänzung betrachtet:2 Nur die juristisch anspruchsvollen Verbraucherkonflikte sollen durch Gerichtsverfahren und die einfach gelagerten Konflikte durch Verbraucherschlichtungen beigelegt werden.3 Für diesen Gedanken des Nebeneinanders spricht, dass sich die Verbraucherschlichtung nicht für gründliche Sachverhaltsermittlungen und auch nicht für die Erfassung komplexer juristischer Probleme eignet. Stattdessen können durch Schlichtungen viele gleichgelagerte Fälle, bei denen sich die Rechtsanwendung ähnelt und bei denen keine Sachverhaltsaufklärung erfor1  Potential für das Zusammenspiel sehen: Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer /  Braun, VSBG, Einführung Rn. 33; Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 63; Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 150; Gaier, NJW 2016, 1367, 1370; Gascón Inchausti, in: Stürner / Gascón Inchausti / Caponi, The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 31, 34; Greger, ZZP 2015, 137, 139; Hirsch, ZKM 2015, 141, 142; Hirsch, NJW 2013, 2088, 2094; Janzen, VuR Sonderheft 2016, 4, 9; Lemmel, ZKM 2015, 22, 25; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 36; Riehm, JZ 2016, 866, 867; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 9; Weber, in: Heiderhoff / Schulze, Verbraucherrecht und Verbraucherverhalten, 187, 210; Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 84. 2  Erwägungsgrund 27 ADR-RL. 3  Erwägungsgrund 25 ADR-RL.



A. Zusammenspiel213

derlich ist, schnell gelöst werden.4 Dadurch könnte dem Interesse einer zügigen und günstigen Streitbeilegung bei einfach gelagerten Fällen entsprochen werden. Für die komplexen Fälle könnte hingegen eine interessengerechte Lösung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gefunden werden. Entweder kann der Richter den Parteien die Schwierigkeiten offenlegen und dadurch das Fundament für einen Prozessvergleich bereiten oder sogar ein Urteil fällen. Auch in der Literatur wird dies als vielversprechendes Modell gewertet.5 Es wird eine „Verzahnung“ zwischen der Verbraucherschlichtung und dem Gerichtsverfahren erhofft, die zu einem „ganzheitlichen Ansatz der Verbraucherstreitlösung“ führt.6 Für das Zusammenspiel müsste gewährleistet werden, dass die kategorisierten Konflikte das jeweils passende Streitbeilegungsverfahren erreichen. Es müsste nach der Komplexität und der Schwierigkeit der Fälle unterschieden werden. Dies könnte entweder durch die Parteien (I.) oder durch die Streitbeilegungsstellen erfolgen (II.).

I. Steuerung durch die Parteien Die Kategorisierung der Fälle könnte von den Parteien gesteuert werden. Diesen steht es zur Wahl, eine Verbraucherschlichtungsstelle oder ein Gericht anzurufen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Parteien selbst die Fälle entsprechend einteilen können. Sie sind dazu in den meisten Fällen schon aus dem Grund nicht in der Lage, dass ihnen das Fachwissen und die Erfahrung fehlen. Hinzu kommt, dass den Verbrauchern der Charakter der Verbraucherschlichtung und des Gerichtsverfahrens nicht offensichtlich ist. Sie können nicht einschätzen, welches Verfahren sich zur Durchsetzung ihrer Interessen am besten eignet. Die bestehenden Qualitätsunterschiede zwischen den Verfahren7 sind ihnen nicht hinreichend deutlich. Dem Verbraucher wird durch das VSBG suggeriert, es handele sich um qualitativ gleichgelagerte Streitbeilegungen, mit dem Unterschied, dass die Verbraucherschlichtung schneller und kostengünstiger sei. Insbesondere § 19 VSBG erweckt den Eindruck, dass die Schlichtung dem Gerichtsverfahren selbst hinsichtlich der Rechtsbeachtung nahezu gleichwertig ist und ein Ersatz für ein Urteil erlangt werden kann. kritisch Borowski, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, § 14 Rn. 56. Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 63; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 59. 6  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 52. 7  S. dazu umfassend Kap. 3 C. II.–III. der Darstellung. 4  Dazu

5  Berlin,

214

Kap. 4: Verbraucherschlichtung und gerichtliches Verfahren

Um dem entgegenzuwirken wäre eine neutrale Stelle erforderlich, die den Verbraucher über alle Streitbeilegungsmöglichkeiten unterrichtet8 und deut­ lich macht, wie die Verfahren im Einzelnen voneinander abzugrenzen sind. Die Information auf der Webseite des Bundesamts für Justiz9 ist nicht umfassend genug, weil das Verhältnis zwischen Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren nicht deutlich wird. Um dem Verbraucher dabei zu helfen, das für ihn passende Verfahren zu finden, könnten die Verbraucherzentren ihn stärker beraten und eine umfassende Voranalyse tätigen.10 Weil unklar ist, wie die Verfahren voneinander abzugrenzen sind und sie sich aus Verbrauchersicht stark ähneln, kann es dazu kommen, dass der Mehrwert eines gerichtlichen Verfahrens nicht mehr erkannt wird.11 Der Verbraucher wird dann nur von den abschreckenden Kosten des Gerichts geleitet sein und die Verbraucherschlichtungsstelle anrufen.12 Hinzu kommt, dass der Verbraucher die Verfahren nicht kumulativ nutzen wird. Wurde eine Verbraucherschlichtung durchgeführt, ist es unwahrscheinlich, dass er anschließend noch das Gericht anrufen wird; eher wird er wegen der in Aussicht stehenden Kosten und Mühen davon absehen.13 Aufgrund der suggerierten Parallelität ist der Verbraucher unsicher, ob das Gerichtsverfahren wirklich zu einem anderen Ergebnis führen wird. Selbst wenn ihm bewusst ist, dass das Recht bei der Verbraucherschlichtung nur grob beachtet wird, lässt er sich darauf ein, solange das Verfahren kostengünstig, schnell und einfach ist.14 Neben den abschreckenden Kosten gibt es auch das dargestellte „rationale Desinteresse“,15 das Verbraucher davon abhält, anschließend noch ein Gerichtsverfahren einzuleiten. Aus diesen Gründen ist es nicht überzeugend, den Schlichtungsverfahren zuzusprechen, eine sinnvolle Analyse für die Vorbereitung eines nachfolgenden Gerichtsprozesses zu bieten.16 gefordert von Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 69. dazu umfassend Kap. 3 A. I. 1. a) bb) sowie Kap. 3 A. I. b) der Darstellung. 10  Berlin / Braun, ZKM 2014, 149, 151. 11  Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147, 149. 12  S. dazu umfassend Kap. 3 C. I. sowie Kap. 3 A. I. 3. b) bb) der Darstellung. 13  Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 111; Eidenmüller /  Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 261, 263; Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1707, die eine Verstärkung dessen durch die Besetzung des Streitmittlerpostens mit prominenten Personen wie ehemalige BGH-Richter sehen, wie dies bei Verbraucherschlichtungsstellen bereits erfolgt. 14  Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147, 150. 15  S. dazu umfassend Kap. 3 A. I. 3. a) aa) der Darstellung. 16  So Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag / Ergebnis des Verfahrens, Rn. 51; Gössl, NJW 2016, 838, 839; Röthemeyer, VuR Sonderheft 2016, 9, 16; kritisch Engel, AnwBl 2013, 478, 482, auf die Missbrauchsmöglichkeiten des kostengünstigen vorgeschalteten Verfahrens hinweisend. 8  So 9  S.



A. Zusammenspiel215

Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Zahl der außergericht­ lichen Verbraucherstreitigkeiten steigen und die Anzahl der Gerichtsprozesse weiter absinken wird.17 Die zunehmende Bedeutung der Verbraucherschlichtung ergibt sich nicht nur bei solchen Verbraucherkonflikten, die bislang aus dem Grund ungelöst blieben, dass das Gericht Zugangsbarrieren aufweist – mithin nicht nur bei Konflikten mit geringen Streitwerten.18 Denn auch Konflikte mit höheren Streitwerten, die zurzeit bei Gericht gelöst werden, werden von der Verbraucherschlichtung angezogen. Davon ging auch der Bundestag aus, als er bei der Kostenkalkulation Einsparungen in der Justiz prognostizierte,19 weil durch das VSBG Gerichtsverfahren vermieden werden. Dass die Verbraucherschlichtung auch Streitigkeiten mit geringen Streitwerten erreicht, bedeutet mithin nur, dass insgesamt mehr Konflikte gelöst werden. So zeigen bereits erste Statistiken, dass die Verbraucherschlichtung über die ODR-Plattform erfolgreich angelaufen ist. Allein 13.638 Verbraucher aus Deutschland haben seit Inbetriebnahme der ODR-Plattform Anfang 2016 schon Anträge gestellt, wobei die meisten den Sektor des Flugverkehrs und die Bekleidungsindustrie betrafen.20 Auch im Offline-Bereich hat besonders die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. (söp) Zuwächse zu verzeichnen: Im Jahr 2016 sind im Vergleich zum Vorjahr 17 Prozent mehr Schlichtungsanträge eingegangen.21 Ebenso berichten die Schlichtungsstelle Post22 und die Schlichtungsstelle Energie23 über einen Anstieg der Schlichtungsanträge seit Inkrafttreten des VSBG. Andere Verbraucherschlichtungsstellen, wie beispielsweise der Versicherungsombudsmann, verzeichnen seit einigen Jahren ein konstant hohes Niveau.24 Valide Aussagen können jedoch erst nach einigen Jahren getroffen werden, da Schlichtungs17  Hess,

in: Uzunalli, FS Pekcanitez, 171, 171 ff. Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 63; Fejös /  Willett, ERPL 2016, 33, 34; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 52. 19  BT-Drs. 18 / 5295, 3. 20  S.  die Statistik der Online-Streitbeilegungs-Plattform, abrufbar unter: https: /  /  ec.europa.eu / consumers / odr / main / index.cfm?event=main.statistics.show. 21  Jahresbericht 2016 der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. (söp), 11, abrufbar unter: https: /  / soep-online.de / assets / files / A_02.03._sop_ Jahresbericht-2016.pdf. 22  So die Mitteilung der Centrale für Mediation, abrufbar unter: https: /  / www. centrale-fuer-mediation.de / 47945.htm. 23  Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle Energie, 1, abrufbar unter: https: /  /  www.schlichtungsstelle-energie.de / presse / presseartikel / taetigkeitsbericht-der-schlich tungsstelle-energie-39.html. 24  Jahresbericht 2016 des Versicherungsombudsmannes, 2, abrufbar unter: https: /  /  www.versicherungsombudsmann.de / wp-content / uploads / Jahresbericht2016neu.pdf. 18  AA

216

Kap. 4: Verbraucherschlichtung und gerichtliches Verfahren

stellen häufig Schwankungen im Bereich der Verfahrenseingänge ausgesetzt sind, was oftmals mit höchstrichterlichen Leitentscheidungen in der jeweiligen Branche im Zusammenhang steht. Aufgrund des Bedeutungszuwachses wird die Verbraucherschlichtung richtigerweise als „Bypass“25 bezeichnet, weil sie die Streitigkeiten den erst­ instanzlichen Gerichten der Mitgliedstaaten entziehen kann.26 Verbraucher werden dementsprechend nicht dazu beitragen, dass die einfach gelagerten Fälle zu den Verbraucherschlichtungsstellen und die komplexen Fälle zu den Gerichten gelangen.

II. Steuerung durch die Streitbeilegungsstellen Die Kategorisierung der Fälle könnte aber durch die Streitbeilegungsstellen erfolgen. Wie dargelegt ist damit zu rechnen, dass die meisten Verbraucherkonflikte vor die Verbraucherschlichtungsstellen getragen werden. Diese sind mithin die primären Anlaufstellen, die dafür sorgen müssten, dass die juristisch komplexen Fälle die Gerichte erreichen und einfach gelagerte Fälle von ihnen zufriedenstellend gelöst werden. Ob zwischen Verbraucherschlichtungsstellen und Gerichten ein harmonisches Zusammenspiel besteht, ist folglich primär durch den Streitmittler und nicht durch die Streitparteien bedingt. Der Streitmittler kann eine Kategorisierung in gewisser Form durch die Ablehnungsgründe vornehmen. § 14 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 VSBG erlaubt den Schlichtungsordnungen vorzusehen, dass der Streitmittler die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens ablehnt, wenn die Behandlung den effektiven Betrieb ernsthaft beeinträchtigen würde, weil rechtliche Fragen nur mit einem unangemessenen Aufwand geklärt werden können oder eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist. Da die Aufnahme dieses Ablehnungsgrundes in das Ermessen der Schlichtungsstelle gestellt ist, ist allerdings nicht sicher, ob diese Ablehnung tatsächlich erfolgen wird. Aus diesem Grund kann nicht verhindert werden, dass ein Großteil der Konflikte außergerichtlich gelöst wird. Das VSBG könnte aber in der Form geändert werden, dass alle Verbraucherschlichtungsstellen diesen Ablehnungsgrund zwingend ausgestalten.27 Auch könnte § 14 Abs. 2 S. 2 VSBG modifiziert werden. Die Norm bestimmt, dass die Ablehnungsgründe den Zugang von Verbrauchern zu dem Streitbei25  Eidenmüller / Engel,

ZIP 2013, 1704, 1706 f. Graf-Schlicker, AnwBl 2014, 573 ff.: „Der Zivilprozess vor dem Aus?“; Roth, JZ 2013, 637, 641: „Bedeutungsverluste der Zivilgerichtsbarkeit […]“. 27  Althammer, in: Brocker / Knops / Roth, FS Bamberger, 1, 7. 26  Dazu



A. Zusammenspiel217

legungsverfahren nicht erheblich beeinträchtigen dürfen. Es müsste an dieser Stelle klargestellt werden, dass die einschränkende Auslegung der Ablehnungsgründe nicht für den Ablehnungsgrund des § 14 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 VSBG gilt. So würde der Streitmittler bei Zweifeln, ob es sich um eine ungeklärte oder schwierige Rechtsfrage handelt, den Schlichtungsantrag ablehnen. Wird der Antrag auf Schlichtung allerdings abgelehnt, besteht die Gefahr, dass der Verbraucher gänzlich davon absieht, ein Streitbeilegungsverfahren durchzuführen. Dem müsste entgegengewirkt werden, indem der Streitmittler den Antragsteller unmittelbar, nachdem er den Schlichtungsantrag abgelehnt hat, auf das Gerichtsverfahren aufmerksam macht. Noch effektiver wäre es, wenn der Streitmittler den Antragsteller nur um Erlaubnis bitten müsste, ob die Verbraucherschlichtungsstelle den Antrag an das Gericht weiterleiten darf. Dadurch bliebe es dem Verbraucher erspart, selbst das zuständige Gericht ausfindig machen zu müssen und die Klage nach den formalen Anforderungen des Gerichts zu formulieren. Möglich ist allerdings auch, dass erst zu einem späteren Verfahrenszeitpunkt deutlich wird, dass es sich um einen komplexen Streit handelt, der vor Gericht gelöst werden sollte. Ebenso kann sich herausstellen, dass die Parteien daran interessiert sind, den Sachverhalt gründlich aufzuklären und ein formelles Beweisverfahren wünschen. In diesem Fall müsste der Streitmittler die Kategorisierung während des Verfahrens vornehmen. Das VSBG sieht jedoch bislang nicht vor, dass der Streitmittler einen Wechsel zu einem anderen Verfahren vorschlagen kann, so wie es § 278a ZPO für den Zivilprozess festsetzt. Würde diese Möglichkeit vorgesehen, sollte aus Effizienzgründen dafür gesorgt werden, dass das Gericht die bereits von der Verbraucherschlichtungsstelle herausgefundenen Informationen erlangen und verwerten kann. Dazu sollte vorgesehen werden, dass die Parteien gefragt werden, ob sie einer Weitergabe der Information der Verbraucherschlichtungsstelle an das Gericht zustimmen wollen.28 Da diese Möglichkeiten bislang aber noch nicht bestehen, kann der Streitmittler eine Einteilung der Fälle nur vornehmen, indem er einen Schlichtungsantrag ablehnt. Dies kann den Verbraucher in der Folge dazu bewegen, ein Gerichtsverfahren einzuleiten. Bei Gericht ergeben sich allerdings die dargestellten Zugangsbarrieren. Somit ist es möglich, dass die juristisch komplexen Fälle in der Folge ungelöst bleiben. Wenn Verbraucherschlichtungsstellen als erste Anlaufstelle für die Verbraucher über die Aufteilung der Konflikte entscheiden, verbleibt zudem der 28  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 51.

218

Kap. 4: Verbraucherschlichtung und gerichtliches Verfahren

entscheidende Nachteil, dass die Streitmittler nicht zwangsläufig die juristische Kompetenz haben, um das juristische Ausmaß eines Konflikts zu erfassen.29 Es ist zu bezweifeln, dass der Streitmittler erkennt, ob es sich nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 VSBG um eine grundsätzliche und ungeklärte Rechtsfrage handelt. Der Streitmittler könnte sich allenfalls an den Grundlagen zur Zulassung einer Revision orientieren. Dies könnte ihm behilflich sein, um einzuschätzen, wann ein solcher Streit komplex und mithin abzulehnen wäre. § 124 Abs. 2 VwGO formuliert insofern – deutlicher als § 543 Abs. 2 ZPO – Gründe für eine Berufungszulassung. Allerdings wird selbst für die Prüfung des Abweichens von Entscheidungen anderer Gerichte gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO juristischer Sachverstand vonnöten sein. Doch selbst wenn Verbraucherschlichtungsstellen eine Person mit Befähigung zum Richteramt beschäftigen, kann diese nicht die Masse an eingehenden Verfahren überprüfen. Aus Kostengründen wird auch nicht die Anzahl der beschäftigten Rechts­ assessoren erhöht werden können. Sie dienen wie bereits dargelegt schon jetzt vornehmlich als „Aushängeschild“.30 Somit ist wahrscheinlich, dass der Streitmittler in den allermeisten Fällen den Antrag annehmen und einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten wird. Die Verbraucherschlichtung kann folglich nicht gewährleisten, dass Verbraucherkonflikte in zweckmäßige Kategorien eingeteilt werden. Bei der Schlichtung verbleiben nicht nur die einfach gelagerten Fälle und die rechtlich brisanten Fälle erreichen nicht allein das Gericht. Somit ergänzen sich Verbraucherschlichtungen und Gerichtsverfahren nicht gut.

B. Weniger Verbraucherschutzals Folge des aktuellen Zusammenspiels Erfolgt die Beilegung von Verbraucherkonflikten hauptsächlich durch die Verbraucherschlichtungsstellen, wirken sich die aufgezeigten qualitativen Defizite der Verbraucherschlichtungen vermehrt aus.31 Insbesondere handelt es sich bei der Verbraucherschlichtung um „law enforcement ‚light‘ “,32 bei der das zwingende Verbraucherrecht oft nicht zur Geltung kommt. Auch sind die Verbraucherkonflikte der Öffentlichkeit entzogen, da weder das Verfahren als solches öffentlich ist, noch einzelne Verfahrensergebnisse veröffentlicht werden. Um dem entgegenzuwirken, könnte die Verbraucherstreitbei­ legung im außergerichtlichen Bereich noch stärker dem instanzgericht­lichen 29  Althammer,

in: Brocker / Knops / Roth, FS Bamberger, 1, 7. dazu umfassend Kap. 3 B. IV. 1. e) cc) der Darstellung. 31  S. dazu umfassend Kap. 3 C. II. der Darstellung. 32  Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 384. 30  S.



C. Ergebnis219

Verfahren angenähert werden.33 Jedoch wird diese Annäherung aufgrund der privaten Natur der Verbraucherschlichtung an ihre Grenzen stoßen;34 beispielsweise ist die Beweisaufnahme ohne hoheitliche Mittel beschränkt und die Parteien können nicht zum Verfahren gezwungen werden. Einer kompletten Transparenz des Verfahrens und des Ergebnisses würde der Unternehmer widersprechen, der dem Verfahren zustimmen muss. Eine Verdrängung der Verbraucherkonflikte in den privaten Sektor würde somit den Fokus auf die Konfliktlösung und nicht auf den Rechtsschutz richten. Materielle Verbraucherrechte kämen weniger zur Geltung.

C. Ergebnis Schlussfolgernd besteht auch durch das Zusammenspiel von Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren kein guter Zugang zum Recht für Verbraucher. Dies liegt daran, dass nicht transparent ist, wie die Streitbeilegungssysteme voneinander abzugrenzen sind. Einerseits kann dies dazu führen, dass der Verbraucher überhaupt kein Verfahren mehr einleitet. Andererseits kann ein Verfahren eingeleitet werden, über dessen Qualität sich der Verbraucher nicht bewusst ist. Da die Kosten für den Verbraucher der entscheidende Faktor für die Wahl einer Streitbeilegungsstelle sind, wird er sich nach zunehmender Bekanntheit und Etablierung der Verbraucherschlichtung vornehmlich für diese entscheiden. Der Zugang zur Verbraucherschlichtung ist besser als der Zugang zu den Gerichtsverfahren. Die Verbraucherschlichtungsstellen sorgen ihrerseits nicht dafür, dass komplexe juristische Fälle an das Gericht weitergeleitet werden. Somit besteht die Möglichkeit, dass ein Großteil der Verbraucherkonflikte außergerichtlich gelöst wird und der Justiz verborgen bleibt. Das führt dazu, dass das Verbraucherrecht weniger zur Geltung kommt. Das Recht ist demzufolge nicht gut zugänglich. Der Verbraucher ist am besten geschützt, wenn ihm ein breit gefächertes Angebot an Streitbeilegungsformen zur Verfügung steht. Dieses wird ihm durch das aktuelle Zusammenspiel von Verbraucherschlichtungen und Gerichtsverfahren de facto nicht gewährt. Für ein vielfältiges Angebot muss das Gerichtsverfahren in einigen Punkten reformiert werden, die im Folgenden aufgezeigt werden. 33  Tonner,

ZKM 2015, 132, 132. Prütting, JZ 1985, 261, 271 allgemein in Bezug auf außergerichtliche

34  S. schon

Verfahren.

Kapitel 5

Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht für Verbraucher Der Zugang zum Recht könnte verbessert werden, wenn das Gerichtsverfahren an Attraktivität gewinnt. Denn das Zusammenspiel von Verbraucherschlichtung und Gerichtsverfahren riskiert andernfalls wie dargelegt einen Bedeutungsverlust der Zivilgerichtsbarkeit für die Lösung von Verbraucherkonflikten. Ein schlecht zugängliches Gerichtsverfahren engt das Streitbeilegungsangebot und mithin den Zugang zum Recht des Verbrauchers ein. Um ein breites Streitbeilegungsangebot zu gewährleisten, muss das Gerichtsverfahren reformiert werden. Erstens muss mehr Zugang zu den Gerichten bestehen. Zweitens muss auch mehr Recht bei den Gerichten erzielt werden. Mehr Recht zu bieten bedeutet insbesondere, dass das Urteil als attraktive Alternative neben dem Prozessvergleich steht. Es dürfen dem Verbraucher mit der Verbraucherschlichtung und dem Gerichtsverfahren nicht zwei gleich „softe“ Verfahren geboten werden, deren oberste Prämisse die gütliche Einigung ist.

A. Mehr Zugang zu den Gerichten Das Gerichtsverfahren muss so ausgestaltet sein, dass es sowohl für die Verbraucher attraktiv ist, die ein rechtsgebundenes Verfahren suchen und ein Urteil anstreben, als auch für die Verbraucher, die noch unsicher sind, ob eine gütliche oder streitige Konfliktlösung erreicht werden kann. Die Zugangshindernisse müssen soweit beseitigt werden, dass die das Recht suchenden Verbraucher nicht von der Klageeinreichung abgehalten werden.

I. Größere Transparenz Eine Barriere zum Gerichtsverfahren ist die fehlende Transparenz. Verbraucher sind sich der vielen Möglichkeiten der gerichtlichen Streitbeilegung häufig nicht bewusst. Sie assoziieren das Gericht nur mit einem streitigen Verfahren.1 Zudem gehen sie häufig von hohen Kosten und einer langen 1  S.

dazu umfassend Kap. 3 A. I. 1. b) der Darstellung.



A. Mehr Zugang zu den Gerichten221

Dauer aus. Daraus resultiert ein rationales Desinteresse, das aber nicht begründet ist.2 Denn die Gerichtsverfahren dauern im Durchschnitt nicht länger und auch die Kosten allein können nicht den Grund darstellen, nicht für die Durchsetzung des eigenen Rechts aktiv zu werden. Durch eine größere Transparenz könnte der Verbraucher zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens angeregt werden. Wird ihm die Qualität der gerichtlichen Streitbeilegung bewusst gemacht, wäre er in der Folge häufiger dazu bereit, den Preis des Gerichtsprozesses zu zahlen. Es sollte für den Verbraucher offensichtlich sein, wie das Verfahren ausgestaltet ist, wie lange es dauert und welche Kosten entstehen können. Das gesamte Kostenrisiko sollte detailliert erklärt werden: Wie hoch die Kosten ausfallen können, wie sie bei einem Vergleichsschluss oder anderer Verfahrensbeendigungen reduziert werden können, wie gering die Kosten bleiben, wenn kein Berufungsverfahren eingeleitet wird oder wenn Beweisaufnahmen stattfinden müssen. Ferner sollte über den meist nicht erkannten Vorteil des Urteils aufgeklärt werden, der darin besteht, dass auf die obsiegende Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO überhaupt keine Kosten zukommen. Auch muss deutlicher werden, dass jederzeit zur alternativen Streitbeilegung gewechselt werden kann, wenn dies den Interessen der Parteien entspricht. Das Gericht kann den Parteien die alternative Streitbeilegung gemäß § 278a ZPO vorschlagen und dadurch die Tür zu allen Streitbeilegungsformen öffnen. Demnach ist es vorteilhaft, das Gericht als erste Anlaufstelle zu konsultieren, was den Parteien bewusst gemacht werden sollte. Es würde auch schon viel Zulauf zum Gericht bewirken, wenn dem europäischen Mahnverfahren und dem Verfahren für geringfügige Forderungen zu mehr Bekanntheit verholfen und die Verfahrenseinleitung vereinfacht würde.3 Dadurch würde der Mut der Verbraucher wachsen, in noch mehr Fällen einen Prozess ohne anwaltlichen Beistand zu führen, was zudem die Kosten deutlich reduzieren würde. Die Verbraucherzentralen sollten auf diese Punkte deutlich hinweisen. Ebenso sollte auf der Webseite des Bundesamts für Justiz ausführliche Information zur Verfügung stehen. Eine Verbesserung könnte ebenfalls dadurch erreicht werden, dass eine umfangreiche Beratung nach Anrufung des Gerichts erfolgt, die die Parteien unterstützt, das passende Verfahren zu finden.4 2  S.

dazu umfassend Kap. 3 A. I. 3. a) bb) der Darstellung. ZIP 2013, 1704, 1708; ähnlich Calliess, Der Richter im Zivilprozess. Sind ZPO und GVG noch zeitgemäß?, Gutachten A für den 70. DJT, A 97 f., der für Verbraucher die Neuschaffung eines summarisches Schnellverfahren fordert, um die Prozessdauer zu minimieren. 4  Ähnlich Nelle, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 123, 130. 3  Eidenmüller / Engel,

222

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

Vor allem aber sollte stärker publiziert werden, dass es sich bei der Verbraucherschlichtung um ein Verfahren handelt, bei dem der Lösungsvorschlag unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht sehr qualitätsvoll ist. Der Hinweis, dass die Lösung von dem Ergebnis eines Gerichtsverfahrens abweichen kann, ist nicht ausreichend.5 Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VSBG wird dies zudem erst dann angemerkt, wenn die Verbraucherschlichtungsstelle bereits angerufen wurde, was zu spät ist. Bereits vor Anrufung der Streitbeilegungsstelle sollte dem Verbraucher bewusst sein, dass es sich bei dieser nicht um einen Ersatz zum Gericht handelt, sondern um ein zügiges aber ungenaues Verfahren.

II. Einführung eines Verbrauchergerichtsstands Außerdem sollte die örtliche Erreichbarkeit verbessert werden. Bei nationalen Sachverhalten befindet sich der Gerichtsstand gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 BGB häufig am Wohnsitz des Schuldners.6 Dadurch muss der Verbraucher einen Gerichtsstand in Kauf nehmen, der in den meisten Fällen von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt abweicht. So erlangt er bei nationalen Streitigkeiten weniger Schutz als durch § 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO, der für Unionssachverhalte sicherstellt, dass sich das zuständige Gericht nach Wahl des Verbrauchers an dessen Wohnsitz befindet. Dies sollte geändert und auch für nicht-grenzüberschreitende Konflikte ein Verbrauchergerichtsstand eingeführt werden.7 Der Zugang zu den Gerichten sollte zumindest für die typischen Sachgebiete verbessert werden, in denen Verbraucherkonflikte vermehrt aufkommen, wie insbesondere dem Kaufrecht. Als Vorbild eines solchen Verbraucherschutzes im nationalen Recht kann Art. 32 der Schweizer ZPO gelten.8 Demnach kann der Verbraucher9 wählen, ob er das Gericht an seinem Wohnsitz oder am Wohnsitz oder Sitz des Vertragspartners anruft. Weitergehend könnte zudem die Wahl zwischen dem Wohnsitz und dem gewöhnlichen Aufenthalt gestattet werden.10 So würde der 5  Gössl,

NJW 2016, 838, 841. den Einzelheiten und Ausnahmen Kap. 3 A. I. 2. a) der Darstellung. 7  Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 227; Mankowski, JZ 2003, 1122, 1123; Micklitz, Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts?, Gutachten A für den 69. DJT, A 90; Mues, ZIP 1996, 739, 740 f.; instruktiv hierzu auch Roth, in: Bruns / Münch / Stadler, Die Zukunft des Zivilprozesses, 69, 73 ff. 8  Mankowski, JZ 2003, 1122, 1122; Nöhre, in: Höland / Meller-Hannich, Nichts zu klagen? Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz, 34 ff. 9  Im Schweizer Recht ist der Verbraucher der Konsument. 10  Roth, in: Bruns / Münch / Stadler, Die Zukunft des Zivilprozesses, 69, 75. 6  S. zu



A. Mehr Zugang zu den Gerichten223

schon im materiellen Recht praktizierte Schutz der Verbraucher auch auf das Prozessrecht übertragen.

III. Änderung der Prozesskostenrechts Des Weiteren sollte der Zugang durch eine Änderung des Prozesskostenrechts verbessert werden. Die Kosten für ein Gerichtsverfahren können gerade bei Streitigkeiten mit geringfügigen Streitwerten eine Zugangsbarriere darstellen. Allerdings ist es für einen guten Zugang nicht nötig, dass die Kosten des Verfahrens beim Amtsgericht wie bei der Verbraucherschlichtung gänzlich entfallen, da sich das Verfahren auch bei geringen Kosten immer noch als niedrigschwellig darstellt.11 Wie dargelegt würde allein eine Transparenz der möglichen Kosten bereits die bestehenden Hemmungen des Verbrauchers verringern. Ein weiterer Grund dafür, dass der Verbraucher an der Verfahrenseinleitung gehemmt ist, stellt allerdings der Gerichtskostenvorschuss dar, der gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 GKG zu leisten ist. Dies benachteiligt insbesondere den klagenden Verbraucher, denn es ist ein psychologischer Unterschied, Kosten vorzustrecken und bei vollständigem Obsiegen erstattet zu bekommen oder im Vorhinein gar nicht zahlen zu müssen.12 Aus diesem Grund sollte § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG durch den Zusatz ergänzt werden, dass der Verfahrenskostenvorschuss nicht zu zahlen ist, wenn ein Verbraucher das Verfahren einleitet. Einschränkend könnte lediglich zum Schutze des Gerichts vorgesehen werden, dass der Verbraucher in einer zu bestimmenden Form Sicherheit leisten muss. Eine Sicherheitsleistung würde den Verbraucher weniger belasten als eine Vorauszahlung.

IV. Technische Modernisierungen Die Kommunikation mit den Verbraucherschlichtungsstellen erweist sich als zeitgemäßer als mit dem Gericht. Die technische Weiterentwicklung des Gerichtssystems sollte deswegen vorangetrieben und neuen Entwicklungen angepasst werden.13 Dies würde den Zugang zu den Gerichten verbessern. Zu befürworten ist bereits das neu eingeführte Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten,14 welches vor allem die 11  Eidenmüller / Engel,

ZIP 2013, 1704, 1709. dazu Kap. 3 A. I. 3. a) bb) (3) der Darstellung. 13  Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147, 150; Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 290; Fries, NJW 2016, 2860, 2864 f.; Greger, NZV 2016, 1 ff.; Hess, in: Uzunalli, FS Pekcanitez, 171, 179. 14  BGBl. Teil I 2013 Nr. 62, 16.10.2013, 3786; s. dazu umfassend Kap. 3 A. II. 1. b) der Darstellung. 12  S. umfassend

224

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

elektronische Kommunikation von Anwälten mit dem Gericht erleichtern soll. Das Gesetz vereinheitlicht die zuvor bestehenden, bundesweit verschiedenen Regeln über den Umgang mit elektronischen Dokumenten. Zu begrüßen ist auch die geplante Einführung der „e-Akte“. Die elektronische Antragstellung beim Amtsgericht sollte allerdings für den Verbraucher weiter vereinfacht werden, indem ihm ein online abrufbares Formular zur Verfügung gestellt wird, anhand dessen er seinen Klageschriftsatz erstellen und gemäß § 130a ZPO dem Gericht zukommen lassen kann.15 Da die elektronische Kommunikation an den Gerichten nur verhalten genutzt wird,16 sollten die neuen Kommunikationsformen zudem transparent gemacht werden, um die Verbraucher dadurch anzuregen, diese zu nutzen.

V. Stärkere Veröffentlichung der Ergebnisse von Verbraucherverfahren Für einen guten Zugang zum Recht ist es erforderlich, dass sich Verbraucher über die möglichen Verfahrensausgänge anhand von veröffentlichten Verfahrensergebnissen auf einfache Weise informieren können. Dadurch können sie sich besser auf ihr Verfahren vorbereiten. Trotz der geringen Menge an veröffentlichten Entscheidungen des Amtsgerichts besteht allein aufgrund der höchstrichterlichen Veröffentlichungen ein guter Überblick über Entscheidungsverfahren mit Verbraucherbeteiligung. Diese sind auf verschiedenen Webseiten frei einsehbar.17 Verfahrensbeendigungen durch Vergleiche werden jedoch nicht veröffentlicht. Aufgrund der Zunahme von Prozessvergleichen führt dies dazu, dass weniger sichtbar wird, wie das Verbraucherrecht in der Praxis zur Anwendung kommt und worauf sich die Parteien üblicherweise einigen. Um das Gerichtsverfahren vorhersehbarer und zugänglicher zu machen, sollte dies geändert werden. Obwohl Vergleiche keinen Aufschluss über die Auslegung des Rechts geben, sollten sie dennoch veröffentlicht werden. Dadurch böte sich dem Verbraucher ein realistisches Bild über die üblichen Verfahrensbeendigungen bei Gericht, was sein Vertrauen stärken könnte. Ferner würde ihm auch die praktische Bedeutung von Prozessvergleichen bewusst. Dies könnte ihn zum einen dazu motivieren, einen Vergleich anzustreben. Zum anderen könnte der Verbraucher die Verfahrenskosten besser prognostizieren, wenn er die Möglichkeit eines Prozessvergleiches in seine Kalkulation einbezieht. 15  Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1709; Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 129. 16  Röthemeyer, in: Borowski / Röthemeyer / Steike, VSBG, Einführung Rn. 60. 17  S. dazu umfassend Kap. 3 B. II. 2. der Darstellung.



B. Mehr Recht bei den Gerichten 225

B. Mehr Recht bei den Gerichten Neben den Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu den Gerichten sollte auch der Zugang zum Recht bei den Gerichtsverfahren verbessert werden. Verbraucherschlichtungen und Gerichtsverfahren enden beide häufig gütlich. Dabei wird die Rechtslage aufgrund des gegenseitigen Nachgebens regelmäßig nicht strikt durchgesetzt. Dies führt dazu, dass insgesamt weniger Urteile im Bereich des Verbraucherrechts ergehen. Der Verbraucher wird dadurch prima facie nicht sehr stark beeinflusst, da er daran interessiert ist, den Konflikt beizulegen.18 Die Parteien sind die „Herren des Verfahrens“ und entscheiden selbst darüber, ob der Konflikt gütlich oder streitig enden soll. Sie können nicht von einer gütlichen Einigung abgehalten werden. Allerdings sollte dem Verbraucher eine große Bandbreite von Formen der Verfahrensbeendigung geboten werden und deswegen auch das Urteil de facto leicht zugänglich sein. Wenn weniger Urteile ergehen, verschlechtert dies auf lange Sicht den Verbraucherschutz. Dies soll im Folgenden dargelegt werden, indem der Wert des Urteils für den Verbraucher gegenüber dem Vergleichsschluss aufgezeigt wird (I.). Anschließend werden Maßnahmen zur Förderung des Urteils vorgeschlagen: Dies ist zum einen die Verhinderung, dass Druck ausgeübt wird, einen Vergleich zu schließen (II.) und zum anderen die stärkere Aufklärung der Verbraucher (III.).

I. Wert des Urteils gegenüber der gütlichen Einigung Die Rechtsprechung in Form von Urteilen hat einen wichtigen Wert für den individuellen Verbraucher aber in ihrer Summe ebenfalls für die Gesamtheit von Verbrauchern. 1. Rechtsklarheit und Entwicklung des Verbraucherrechts Die Rechtsprechung präzisiert und erläutert, wie die Norminhalte im Einzelnen zu verstehen sind.19 Dies bietet dem Rechtsanwender Klarheit und Rechtssicherheit. Durch die Kenntnis seiner Rechte ist der Verbraucher in der Folge bereits dann geschützt, wenn er seine Beschwerden gegenüber dem 18  Dazu Menkel-Meadow, 83 Georgetown Law Journal 1995, 2663  ff.; kritisch deswegen v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, der dafür plädiert, nicht vor der Durchsetzung der eigenen Rechte zurückzuschrecken. 19  Halfmeier, VuR Sonderheft 2016, 17, 19.

226

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

Unternehmer kommuniziert. Er kann sich ferner anhand der veröffentlichten Rechtsprechung auf ein Streitbeilegungsverfahren vorbereiten. Zwar wurde aufgezeigt, dass der Prozessvergleich sogar weitaus rechtsorientierter ist, als der bei der Verbraucherschlichtung erlangte Vergleichsschluss. Er kann in vielen Fällen die Rechtslage in dieser Form nahezu widerspiegeln.20 An ihm kann sich der Verbraucher allerdings nicht orientieren, weil er nicht veröffentlicht wird. Außerdem führen Prozessvergleiche trotz der häufigen Rechtsnähe insgesamt dennoch zu einem Bedeutungsverlust des Verbraucherschutzrechts. Zu viele Vergleiche untergraben die wichtige gesellschaftliche Aufgabe der Gerichte, dem Recht und den dahinterstehenden Wertungen zur Geltung zu verhelfen.21 Ein Großteil der Verbraucherkonflikte bleibt in diesem Fall im Verborgenen. Werden weniger Urteile gefällt und veröffentlicht, wird die Justiz nicht mehr in der Lage sein, das Rechts- und Wirtschaftsleben mit Verbraucherbeteiligung abzubilden.22 Neben den individuellen Vorteilen der Rechtsklarheit führen Urteile auch zur Aufdeckung von mitunter schädigenden Praktiken der Unternehmer. Dies ist für die Gesamtheit der Verbraucher vorteilhaft, weil es den Gesetzgeber dazu bewegt, das Verbraucherschutzrecht zu stärken. 2. Steuerung des Unternehmerverhaltens Des Weiteren können Urteile das Verhalten von Unternehmern beeinflussen. So erkennen Unternehmer den Anspruch des Verbrauchers vermutlich auch deswegen häufig an, um eine Revisionsentscheidung zu vermeiden.23 Sie akzeptieren einzelne belastende Ergebnisse in Form von Vergleichen bereitwilliger, da sie nicht veröffentlicht werden. Ergeht ein Urteil, erzeugt dies eine faktische Bindungswirkung und kann zu einer Vielzahl von gleichgelagerten negativen Entscheidungen führen. Dass Unternehmer dies vermeiden wollen, wird auch durch den Zeitpunkt vieler Vergleichsschlüsse sichtbar: Sie erfolgen nachdem die Parteien den Sach- und Streitstand erläutert haben und auch die Beweisaufnahme bereits stattgefunden hat oder zum Teil auch erst in der zweiten Instanz.24 Dies legt die Vermutung nahe, dass sich die Parteien in diesen Fällen vergleichen, um ein Urteil abzuwenden, dessen Inhalt vom Richter bereits angedeutet wurde.25 Die schädigende Praxis der Unternehmer bleibt dann verborgen. 20  S.

dazu umfassend Kap. 3 B. IV. 3. der Darstellung. 93 Yale Law Journal 1984, 1073, 1085. 22  Ähnlich Althammer, in: Brocker / Knops / Roth, FS Bamberger, 1, 6; MellerHannich, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 19, 42. 23  Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, 114 ff. 24  Prütting, in: MünchKomm ZPO, § 278 Rn. 11. 21  Fiss,



B. Mehr Recht bei den Gerichten 227

Erfolgt die Rechtsdurchsetzung hingegen durch Urteil, steuert dieses das Unternehmerverhalten.26 Denn selbst ein rechtstreuer Unternehmer ist signifikant weniger dazu motiviert, sich rechtstreu zu verhalten, wenn das Recht systematisch nicht durchgesetzt wird.27 Bei vielen Vergleichsschlüssen planen es Unternehmer sogar ein, nicht den vollen Schadensersatz zahlen zu müssen.28 In diesen Fällen ist es für sie ökonomisch vorteilhaft, sich nicht an die Rechtsnormen zu halten.29 Wenn das Recht aber vermehrt durchgesetzt wird und die zu erwartenden Sanktionen durch höchstrichterliche Entscheidungen vorhersehbar sind,30 ergeben sich präventive Effekte und das Gesetz wird eher befolgt.31 Obwohl diese Effekte im Individualverfahren nicht zu unterschätzen sind, ergeben sich dadurch Einschränkungen, dass Verbraucherrechte eher selten in Form von Sammelklagen durchgesetzt werden. Viele Verfahren müssen geführt werden, bis die Schadensersatzzahlungen des Unternehmers den Nutzen, den er durch den Rechtsverstoß hat, überwiegen.32 Denn Unternehmer verhalten sich typischerweise nicht nur einem, sondern vielen Verbrauchern gegenüber in gleicher Weise unrechtmäßig, sodass „Streuschäden“ entstehen.33 Sammelklagen könnten eine noch weitergehende Prävention erreichen. 25  Prütting,

in: MünchKomm ZPO, § 278 Rn. 11. in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 109; Eidenmüller /  Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 263; Risse, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 133, 136; Stürner, Juristische Rundschau 1979, 133, 137; weniger kritisch Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 395, der der Ansicht ist, dass auch Kompromisslösungen das Verhalten des Unternehmers steuern können. 27  Halfmeier, VuR Sonderheft 2016, 17, 19. 28  Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 109. 29  Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1706; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 36 f.; Wagner, CMLR 2014, 165, 167; einschränkend Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 9, 29, in Rn. 30, der darauf hinweist, dass es sich dabei um den vorsätzlich handelnden Unternehmertyp handelt, dem bewusst ist, einen Rechtsbruch zu begehen und der von Unternehmern zu unterscheiden ist, die bei unklarer Rechtslage unbedacht agieren. 30  Halfmeier, VuR Sonderheft 2016, 17, 20. 31  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, Einführung Rn. 31; Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 263, 296; Nürnberg, Verbraucherschlichtung, 68; Roth, DRiZ 2015, 24, 27; Stürner, Juristische Rundschau 1979, 133, 137; Tamm, VuR Sonderheft 2016, 51, 59, deswegen kollektive Klageverfahren fordernd; Wagner, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 369, 373; Zekoll / Elser, in: Althammer, Verbraucherstreitbeilegung, 55, 58. 32  Halfmeier, VuR Sonderheft 2016, 17, 18. 33  Ein Streuschaden verteilt sich auf viele Betroffene und ist in der Masse erheblich, führt für den einzelnen Betroffenen aber nur zu einem geringen Schaden, s. Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1708; Halfmeier, VuR Sonderheft 2016, 17, 18. 26  Eidenmüller,

228

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

3. Friedensstiftende Wirkung Nicht zuletzt haben Urteile ebenso wie gütliche Einigungen eine friedensstiftende Wirkung. Teilweise werden gütliche Einigungen dennoch als einer richterlichen Entscheidung gegenüber grundsätzlich vorzugswürdig betrachtet.34 Es heißt, Vergleiche belasten die Prozessbeteiligten weniger,35 was vor allem auf unerfahrene Prozessführer zutreffe.36 Konsensuelle Streitbeilegungsmethoden gelten vielfach als zukunftsorientierter als das Urteil.37 Der Behauptung, gütliche Einigungen seien vorzugswürdig, kann in dieser Pauschalität freilich nicht zugestimmt werden.38 Zuzugeben ist zunächst, dass gütliche Einigungen den Parteien viele Vorteile versprechen: Eigene Gerechtigkeitsvorstellungen können verwirklicht und eine auf die Parteien zugeschnittene Lösung gefunden werden.39 Die alternative Erforschung des Konflikts kann Interessen40 zu Tage fördern, die bei einem klassischen Gerichtsprozess versteckt blieben. Neben recht­lichen Positionen können andere Aspekte, wie zum Beispiel das Begehren einer schlichten Entschuldigung oder einer positiven Bewertung im Internet darunter fallen.41 Es ist legitim, wenn Streitparteien das Gesetz nur als ein Hilfsmittel für den Fall ansehen, dass es ihnen nicht gelingt, sich friedlich zu e­ inigen.42 Ein 34  BVerfG, Beschl. v. 14.2.2007  – 1 BvR 1351 / 01, NJW-RR 2007, 1073, 1074: „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung“; Foerste in: Musielak / Voit ZPO, § 278 Rn. 1; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  E Rn. 3; Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 1. 35  Egli, Vergleichsdruck im Zivilprozeß, 55; wohl auch Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 4. 36  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 29. 37  Mähler / Mähler, in: Breidenbach / Henssler, Mediation für Juristen, 13, 23; Röhl, in: Blankenburg / Gottwald / Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, 15, 20. 38  Ähnlich Greger, in: Zöller, ZPO, § 278 Rn. 36. 39  Riehm, JZ 2016, 866, 869; ähnlich Röhl, in: Blankenburg / Gottwald / Strempel, Alternativen in der Ziviljustiz, 15, 20, 21. 40  Unter Interessen werden die im Einzelfall relevanten Kriterien verstanden, deren Berücksichtigung für die Parteien zu einer als gerecht empfundenen Lösung führen, s. Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 143; Fejös /  Willett, ERPL 2016, 33, 44. 41  Röthemeyer, in: Roder / Röthemeyer / Braun, VSBG, § 6 Schlichtungsvorschlag /  Ergebnis des Verfahrens, Rn. 53; Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 149. 42  Dazu Stürner, ZZP 2014, 271, 329, der in diesem Zusammenhang konstatiert, dass die US-amerikanische Gesellschaft der Rechtsnorm eine verminderte Bedeutung beimisst.



B. Mehr Recht bei den Gerichten 229

Grund für diese geringe Wertschätzung des geschriebenen Rechts kann in einer Abwehrreaktion auf die immer höhere Dichte an Rechtsnormen in einer pluralistischen Gesellschaft gesehen werden, die sich nicht länger auf einen einheitlichen Wertekanon reduzieren lässt.43 Im Rahmen gütlicher Einigungen eigenständig über das Recht zu disponieren erfordert aber ein gleiches Maß an Willensfreiheit. Vergleiche enden immer dann unbefriedigend, wenn eine Partei die Verhandlungen dominiert. Die Schwierigkeit, ein ausgeglichenes Ergebnis herbeizuführen, ergibt sich vor allem im Rahmen von Verhandlungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern.44 Eine flexible, auf Befriedigung der Interessen ausgerichtete Konfliktlösung bewirkt häufig, dass Verbraucher gegenüber Unternehmern benachteiligt sind, weil sie nicht die gleiche Verhandlungsstärke besitzen.45 Unternehmer können einen Prozessvergleich insbesondere aus dem Grund forcieren, dass sie bei ungeklärten Sachverhalten eine Entscheidung nach Beweislast vermeiden wollen, die häufig zu Gunsten des Verbrauchers ausfällt.46 Eine Kompromisslösung in Form eines Vergleichs kommt dementsprechend häufig nur dem Unternehmer zugute und der Verbraucher erhält meistens weniger, als ihm rechtlich zusteht. Wird sich die unterdrückte Partei erst im Nachhinein ihrer rechtlichen Position bewusst, wird sie ihre Entscheidung anschließend bereuen. Zudem ergaben Befragungen von Prozessparteien, dass Urteile überwiegend als ein gerechtes Ergebnis empfunden und als Erfolg angesehen werden.47 Die Reaktionen auf Vergleiche fallen demgegenüber undeutlicher und diffuser aus.48 Dies zeigt, dass eine eindeutige Rechtsprechung zu einem befriedigenden Gefühl und persönlichem Rechtsfrieden führt. Die meisten Bürger haben „sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze“49. Sie zu befolgen entspricht mithin den Interessen der Bürger. Dies gilt vor allem 43  Stürner,

ZZP 2014, 271, 330. diesem Sinne Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, 22  f.; Stürner, ZZP 2014, 271, 331 Fn. 281. 45  Drexel, Der Zugang zum Recht, 199; Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 281 f. 46  S. dazu umfassend Kap. 3 B. IV. 1. d) der Darstellung. 47  Das Forschungsprojekt dauerte von 1977–1981, untersuchte die Arbeitsgerichtsbarkeit und wurde von der Stiftung Volkswagenwerk finanziert, s. umfassend dazu Rottleuhner, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 185, 187 ff.; ferner Fejös / Willett, ERPL 2016, 33, 44. 48  Rottleuhner, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 185, 188. 49  So die Ergebnisse des ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Roland Rechtsreport 2017: Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem und zur Mediation, 10, abrufbar unter: https: /  / www.roland-rechtsschutz.de / unternehmen /  presse_2 / publikationen / publikationen.html. 44  In

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Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

für Verbraucher, weil das materielle Recht sie häufig begünstigt. Sonstige Interessen, wie der Erhalt einer guten Beziehung zum Unternehmer, sind für die Verbraucher nebensächlich, denn sie genießen ein großes Marktangebot, was ihnen ein leichtes Austauschen des Unternehmers ermöglicht.50 Ferner kann Rechtsfrieden sowohl durch gütliche Einigungen als auch durch Urteile erreicht werden.51 Nur weil gütliche Einigungen auch häufig „friedliche Einigungen“ genannt werden, bedeutet das nicht, dass Rechtsfrieden allein durch gütliche Einigungen erreicht werden kann. Rechtsfrieden besteht, wenn der Rechtsstreit dauerhaft beigelegt und beide Parteien zufrieden sind.52 Zufriedenheit ist zwar leicht anzunehmen, wenn die Lösung in einem Konsens der Parteien besteht, weil ein echter Konsens zeigt, dass die Lösung als gerecht empfunden wird.53 Urteile aber klären die rechtlichen Positionen und tragen dadurch zur Bewährung der Rechtsordnung bei.54 Die endgültige und verbindliche Lösung der Problemlage durch ein Urteil ist friedensstiftend.55 Vor allem führen Urteile als konkrete Feststellung der Rechtslage auch dazu, dass zukünftige Konflikte vermieden werden können.56 Der Instanzenzug bei Gericht ist demzufolge nicht Ausdruck der Unzufriedenheit der Parteien57, sondern dient vielmehr einer gerechten und juristisch umfassend ausgebauten Entscheidung. Folglich ist weder eine streitige Entscheidung noch ein Vergleich grundsätzlich vorzugswürdig.58 Der Individualität von Konflikten kann am besten mit einem breit gefächerten Streitbeilegungsangebot begegnet werden, aus denen die Parteien die für sie passende Methode auswählen können.59 Dafür muss allerdings auch das Urteil als eine attraktive Verfahrensbeendigungsform zur Verfügung stehen, denn es trägt ebenso gut wie der Vergleich zum Rechtsfrieden bei. 50  Scherpe,

Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 7. BT-Drs. 14 / 4722, 58, wonach gütliche Einigungen dem Rechtsfrieden nachhaltiger dienten als Urteile; ähnlich Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E Rn. 3. 52  Fleindl / Haumer, Der Prozessvergleich, Kap. 6 Rn. 11, Kap. 8 Rn. 2. 53  BVerfG, Beschl. v. 14.2.2007 – 1 BvR 1351 / 01, NJW-RR 2007, 1073, 1074. 54  Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 79 BVerfGG Rn. 2; Katzenmeier, ZZP 2002, 51, 83. 55  Musielak, in: Musielak / Voit, ZPO, Einleitung ZPO Rn. 5; Fries, ZZP 2017, 131, 132; Knauss, ZRP 2009, 206, 207; Köper, Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren, 102 f.; Rennert, JZ 2013, 297, 297 f. 56  Engel, Collaborative Law, 11; Rennert, JZ 2015, 529, 533. 57  AA Fleindl / Haumer, Der Prozessvergleich, Kap. 6 Rn. 11, Kap. 8 Rn. 2. 58  Fiss, 93 Yale Law Journal 1984, 1073, 1075; Prütting, in: Münch / Komm ZPO, § 278 Rn. 3; Stürner, Juristische Rundschau 1979, 133, 133. 59  Steffek, in: Fischer / Unberath, Das neue Mediationsgesetz, 29, 40. 51  AA



B. Mehr Recht bei den Gerichten 231

II. Verhinderung von Vergleichsdruck Einer Verfahrensbeendigung durch Urteil steht es im Wege, wenn auf die Parteien Druck ausgeübt wird, einen Vergleich zu schließen. Wie dargelegt hat der Unternehmer häufig ein Interesse daran, ein rechtsverbindliches Urteil zu vermeiden. Außerdem können Rechtsanwälte auf die Beendigungsform des Verfahrens Einfluss nehmen. Sie erlangen eine zusätzliche Gebühr bei einem Vergleichsschluss, was sie dazu veranlassen kann, auf einen solchen hinzuwirken.60 Was die Arbeitsbelastung des Rechtsanwalts anbelangt, kann diese im Einzelfall geringer sein, wenn die Parteien sich in einem frühen Prozessstadium auf einen Vergleich einigen.61 Daneben kann aber auch von Seiten des Gerichts Druck auf den Verbraucher ausgeübt werden, einen Vergleich zu schließen.62 Selbst ein gut aufgeklärter Verbraucher kann dadurch dazu geneigt sein, entgegen seiner recht­ lichen Ansprüche zu agieren. Ein Vergleichsschluss bringt dem Richter eine Arbeitserleichterung, denn er muss weder den Sach- und Streitstand formulieren, noch die rechtlichen Erwägungen begründen.63 Außerdem wird mitunter sogar die dienstliche Beurteilung eines Richters mitunter von dem Prozentsatz erzielter Vergleiche abhängig gemacht.64 Dies kann ihn dazu be­ wegen, die Parteien zu einem Vergleichsschluss zu motivieren.65 Es kommt vor, dass der Richter zu Beginn des Prozesses voreingenommen und auf eine unmissverständliche Weise seine Ansicht zum Rechtsstreit kundtut und damit eine Partei einschüchtert.66 So kann allein die Autorität und Rhetorik des Richters einen Vergleichsdruck erzeugen.67 Die Parteien befürchten, das 60  Eine

Einigungsgebühr gem. VV RVG Nr. 1000, 1003. Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO,

61  Schramm,

28.

62  Knauss, ZRP 2009, 206, 206; Schnabel, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 53, 60; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, 27, mit beispielhaften Zitaten von Richtern; ähnlich Risse, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 133, 148. 63  Fiss, 93 Yale Law Journal 1984, 1073, 1086; Rudolph, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 35, 35, der jedoch darauf hinweist, dass ein gut vorbereiteter Vergleichsvorschlag nicht weniger Aufwand bedeuten dürfte, da die Rechts- und Sachlage genauso gründlich erarbeitet werden muss wie bei einer Entscheidung; Schnabel, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 53, 55. 64  Kritisch Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann ZPO, § 278 Rn. 7. 65  Schellhammer, Die Arbeitsmethode des Zivilrichters, Rn. 513. 66  Schnabel, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 53, 57. 67  Feix, Die Verankerung einvernehmlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess, 227; Stürner, Juristische Rundschau 1979, 133, 136.

232

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

Wohlwollen des Richters bei der Urteilsfindung zu verlieren, wenn sie nicht auf seine Einigungsbemühungen eingehen.68 Das „Damoklesschwert des am Ende drohenden Urteils“ schwebt permanent über den Parteien und führt dazu, dass sie nicht unbeeinflusst agieren.69 Der Richter darf den Parteien jedoch keinen Vergleich aufzwingen.70 Die verfassungsrechtliche Aufgabe der Rechtsprechung gemäß Artt. 92, 30 Abs. 3 GG setzt ihm Grenzen, weil seine Aufgabe die Rechtsprechung ist und nicht das Schlichten.71 Dass das Gericht gemäß § 278 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Streits bedacht sein muss, bedeutet nicht, einen Vergleichsvorschlag nahe zu bringen.72 Der Richter gilt als befangen, wenn er zu viel Druck auf die Parteien ausübt und sachfremde Erwägungen wie beispielsweise hohe Erledigungszahlen anstellt.73 Es ist allerdings schwierig eine klare Grenze zwischen prozesstaktischen Hinweisen und einem Druckaufbau durch den Richter zu ziehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass dem Richter keine Anreize gesetzt werden, möglichst viele Vergleiche zu schließen. Die dienstliche Beurteilung sollte deswegen nicht von der Anzahl der Vergleiche abhängig gemacht werden. Das Urteil und der Vergleich sollten als gleichwertige Prozessbeendigungsformen behandelt werden, damit sie je nach Interessen der Parteien erreicht werden können.

III. Stärkere Aufklärung durch den Richter zur Förderung des Urteils Des Weiteren sollten die richterlichen Hinweispflichten verstärkt werden und der Richter dazu verpflichtet sein, den Parteien noch umfangreicher seine Einschätzung der Rechtslage zu übermitteln, bevor diese sich auf einen Vergleich einigen.74 Denn ein Grund für die vielen Vergleichsschlüsse kann neben dem ungeklärten Sachverhalt die Überforderung der Gesellschaft mit den rechtlichen Vorgaben sein.75 Gerade das Verbraucherrecht besteht aus vielen Normen, die nicht in einem Kapitel, sondern über das gesamte BGB 68  Feix, Die Verankerung einvernehmlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess, 227. 69  Schnabel, in: Gottwald / Hutmacher / Röhl / Strempel, Der Prozeßvergleich, 53, 59. 70  BAG, Urt. v. 12.5.2010 – 2 AZR 544 / 08, NZA 2010, 1250, 1253; BGH, Urt. v. 6.7.1966 – I b ZR 83 / 64, NJW 1966, 2399, 2399 ff. 71  Stürner, Juristische Rundschau 1979, 133, 135. 72  Prütting, in: Prütting / Gehrlein, ZPO, § 139 Rn. 4. 73  Knauss, ZRP 2009, 206, 208. 74  Knauss, ZRP 2009, 206, 208. 75  Fiss, 93 Yale Law Journal 1984, 1073, 1075.



C. Verbesserter Zugang zum Recht für den Verbraucher233

verstreut auftauchen. Sie unterliegen häufig Neuerungen und sind somit weder dem Unternehmer, noch dem Verbraucher bekannt. Wird dem Verbraucher das Verbraucherrecht, das auf den Konflikt Anwendung findet, nähergebracht, kann ihn dies von einem Vergleichsschluss abhalten. Es kann stärker dazu motivieren, das Verfahren zu einer Entscheidung zu bringen. Denn ist sich der Verbraucher des hohen Schutzes durch das materielle Recht bewusst, wird er diesen auch einfordern wollen. So sollen sich die Parteien freilich privatautonom einigen dürfen, wobei es sich aber um eine informierte Entscheidung handeln muss. Neben der Aufklärung sollte den Richter deswegen eine gesteigerte Fragepflicht treffen, wenn die Parteien über das materielle Verbraucherschutzrecht disponieren wollen. Die Aufklärungs- und Fragepflicht muss allerdings innerhalb der Grenzen der Unparteilichkeit, die insbesondere durch die Auslegung des § 139 ZPO präzisiert sind, vorgenommen werden.

C. Folge: Verbesserter Zugang zum Recht für den Verbraucher Die vorgeschlagenen Änderungen des Gerichtsverfahrens sind dazu geeignet, dieses in seiner Attraktivität zu steigern, sodass es weniger stark von der Verbraucherschlichtung verdrängt wird. Ein zugängliches Gerichtsverfahren verbessert insgesamt den Zugang zum Recht für den Verbraucher, weil die Justiz für eine stärkere Verbraucherrechtsdurchsetzung sorgt – insgesamt somit mehr „Recht“ bietet als die Verbraucherschlichtung. Dadurch könnte dem Optimum für Verbraucher, möglichst viel „Zugang“ und viel „Recht“ zu kombinieren, am nächsten gekommen werden. Das Gerichtsverfahren hat gegenüber der Verbraucherschlichtung entscheidende Vorteile, welche bei einer zunehmenden Verdrängung verblassten. Das Verfahren und das Ergebnis des Gerichtsverfahrens sind aus rechtlichen Gesichtspunkten insgesamt qualitätsvoller als das Verbraucherschlichtungsverfahren. Durch die größere Rechtsgebundenheit kommt das Verbraucherrecht stärker zum Tragen.76 Dies gilt selbst für einen gütlichen Prozessvergleich. Allerdings sollte der Richter die Parteien wie dargelegt stärker über ihre materiellen Rechte aufklären und keinen Druck auf sie ausüben, einen Vergleich zu schließen. Dies würde das Urteil attraktiver machen und in vielen Fällen die interessengerechteste Lösung darstellen. Nur dann kommt der entscheidende Vorteil des Gerichts zum Vorschein, der darin liegt, dass eine große Bandbreite von Verfahrensmethoden angeboten wird und leicht von 76  S.

lung.

dazu die Schlussfolgerungen aus dem Vergleich in Kap. 3 C. II. der Darstel-

234

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

einer Methode zur anderen gewechselt werden kann. Es kann eine Entscheidung des Richters erlangt, sich gütlich geeinigt und mit dem Güterichter sogar eine Mediation durchgeführt werden. Dadurch kann die für den indivi­ duellen Fall beste Verfahrensform gefunden werden.77 Ist das Gericht besser zugänglich, wird es auch für die gütliche Streitbeilegung stärker genutzt werden sowie auch von Parteien, die noch unsicher sind, welche Streitbeilegungsmethode für sie in Frage kommt. Das Verfahren kann in jedem Fall abgeschlossen werden, ohne dass ein Wechsel der den Streit beilegenden Person, der mit Aufwand verbunden wäre, zwingend erfolgen muss, sodass es trotz eines Methodenwechsels effizient ist. Das Gericht öffnet zudem häufig erst die Tür zu alternativen Methoden, weil viele Parteien die alternative Streitbeilegung aus eigenem Antrieb nicht initiieren würden, das Gericht diese aber bei angedeutetem Interesse der Parteien ohne großen Aufwand einleiten kann.78 Haben die Parteien allerdings ein Interesse an einer Entscheidung, ermöglicht die Verfahrensvielfalt dem Gericht seiner „Justizgewährungspflicht“79 nachzukommen. Insbesondere bei klarer Tatsachen- und Rechtslage erscheint das Urteil vielfach als die interessengerechteste Lösung des Konflikts. Ebenso ist das Urteil häufig interessengerecht, weil die meisten Unternehmer eine Beschwerdemanagementabteilung haben, um den Streit auf direktem Wege beizulegen. Diese ist für den Verbraucher in den meisten Fällen die erste Anlaufstelle, sodass eine gütliche Beilegung des Konflikts oftmals bereits gescheitert ist. Ist die Kulanz des Unternehmers dadurch ausgeschöpft, können freiwillige und weitere Zugeständnisse im Gerichtsverfahren zunächst nicht erwartet werden. Die Einlassung auf eine gütliche Einigungsmethode erscheint unwahrscheinlich. In diesem Fall favorisiert häufig auch der Verbraucher eine Rechtsdurchsetzung.80 Durch Anrufung des Gerichts kann das in diesem Fall interessengerechteste Urteil erreicht werden. Daneben bleibt aber auch stets die Chance auf eine gütliche Einigung bestehen.

77  Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 324  f.; Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil  E Rn. 43; Palmer, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 17, 25; zur Idee des „multi-door-courthouse“ s. Nelle, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 123 ff. 78  Nelle, in: Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung, 123, 129. 79  Knauss, ZRP 2009, 206, 207. 80  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 199.



D. Verbleibende Rolle der Verbraucherschlichtung235

D. Verbleibende Rolle der Verbraucherschlichtung Bereits vor Inkrafttreten des VSBG konnte die branchenspezifische Schlich­tung in Deutschland Erfolge aufweisen. Die Bedeutung der außergerichtlichen Schlichtung liegt darin, ein Streitbeilegungsverfahren für die Personen anzubieten, die nach einer Alternative zu einem Gerichtsverfahren suchen.81 Die Methoden sind insgesamt für den Verbraucher vielfältiger, wenn ihm auch weiterhin außergerichtliche Alternativen angeboten werden. Dabei besteht ein breit gefächertes Streitbeilegungsangebot vor allem dann, wenn sich die Verbraucherschlichtung von den gerichtlichen Verfahren absetzt. Dies kann zum Beispiel durch den oft praktizierten Einsatz von Branchenfachmännern erreicht werden. Eine starke Annäherung der Schlichtung an das gerichtliche Verfahren hat für den Verbraucher hingegen kaum einen Mehrwert. Gleichwohl sollte die Verbraucherschlichtung zu mehr „Recht“ beitragen. Das bedeutet, dass die Verbraucherschlichtung in ihren Grenzen mehr Qualität in Bezug auf das Verfahren und das Ergebnis bieten sollte. In diesem Zusammenhang kommt der Transparenz eine besondere Rolle zu: Dass die Lösung das Recht lediglich beachten soll und Rechtsassessoren nicht stets als Streitmittler fungieren, sollte den Verbrauchern zumindest offensichtlich sein. Nur so wird ihnen bewusst, welche Art der Streitbeilegung geboten wird. Es muss deutlich werden, dass es sich um ein Verfahren handelt, das weniger darauf ausgelegt ist, das Recht zu beachten. Die Soll-Vorschrift des § 19 VSBG wirkt jedoch in vielen Fällen irreführend, weil sie von den Verbraucherschlichtungsstellen de facto nicht erfüllt werden kann. Auch darf durch § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG nicht der Eindruck entstehen, dass die zum Richteramt befähigten Streitmittler einen Schlichtungsvorschlag ausarbeiten, der stets das Recht beachtet und so einen gleichwertigen Ersatz des Urteils bietet. Dass dies nicht der Fall ist, muss bereits bei der Auswahl des Streitbeilegungsverfahrens klargestellt werden. Zu einer größeren Transparenz sollte auch eine stärkere Veröffentlichung der Verfahrensergebnisse beitragen. Mit Zunahme der Fälle bei den Verbraucherschlichtungsstellen sollten die Anforderungen an den Grundsatz der Öffentlichkeit erhöht werden.82 Ansonsten könnten die Unternehmer dazu verleitet werden, Verbraucher zu einer alternativen Konfliktlösung zu drängen, 81  Palmer, in: Zekoll / Bälz / Amelung, Formalisation and Flexibilisation in Dispute Resolution, 17, 31; a A Eidenmüller, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 2016, 101, 109, der dafür plädiert, dass Verbraucherkonflikte vor Gericht gelöst werden sollten. 82  Isermann, VuR 2012, 47, 53; Miletzki, Formen der Konfliktregelung im Verbraucherrecht, 76, dies allgemein für Schlichtungen unter Beteiligung von Verbrauchern vertretend; Meller-Hannich / Höland / Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 34; Rühl, ZZP

236

Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

um so das Entstehen eines schlechten Rufs zu vermeiden.83 Die umfassende Veröffentlichung würde daneben die rechtswissenschaftliche Diskussion anregen,84 wichtige Erkenntnisse für die Rechtspraxis zutage fördern und dem Gesetzgeber den Handlungsbedarf aufzeigen.85 Zu fordern ist, dass konkrete Einzelfälle mit den Lösungen veröffentlicht werden, die der Streitmittler vorgeschlagen hat, mitsamt der Angabe, ob die Parteien dem Vorschlag gefolgt sind.86 Es sollte nicht erlaubt sein, nur Standardkonstellationen exemplarisch zu veröffentlichen, allerdings sollten die Namen der beteiligten ­Unternehmer und Verbraucher anonymisiert werden können.87 Andernfalls könnten die Unternehmer sich dem Verfahren widersetzen, sodass die Verbraucherschlichtung nicht mehr zugänglich wäre. Die Veröffentlichung sollte am besten online auf dem ODR-Portal erfolgen, damit sich jeder Verbraucher individuell und ohne anwaltliche Hilfe auf einer zentralen Stelle informieren kann.88 Die Verbraucherschlichtung kann insgesamt dazu beitragen, dass ein weitreichendes Streitbeilegungsangebot besteht, das den Verbraucher schützt.

E. Fazit Die vergleichende Analyse hat aufgedeckt, dass es sich bei der Verbraucherschlichtung und dem Gerichtsverfahren trotz ihrer gegenseitigen Annäherung um zwei verschiedene Streitbeilegungssysteme handelt, die nicht in der Lage sind, einander zu ersetzen, sondern verschiedenen Verbraucher­ interessen Rechnung tragen. Nur ihr Zusammenspiel kann den Verbrauchern viel „Zugang“ zu viel „Recht“ bieten. Dafür müssten die Verbraucherschlichtungsstellen und die Gerichte allerdings zwei klar voneinander abgrenzbare Konfliktlösungsverfahren bieten, die de facto gut zugänglich sind und deren Vor- und Nachteile dem Verbraucher deutlich vermittelt werden. 2014, 61, 93; Tonner, ZKM 2015, 132, 134; a A Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 40. 83  Eidenmüller / Engel, 29 Ohio State Journal on Dispute Resolution 2014, 261, 283. 84  Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 39; Hess, JZ 2015, 548, 553. 85  Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 39. 86  Hess, JZ 2015, 548, 553; Rühl, ZZP 2014, 61, 93, zumindest in Bezug auf Schlichtungsverfahren; Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbraucher­ sachen, 281; a A Greger, in: Greger / Unberath / Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil C § 35 VSBG Rn. 1; Berlin, VuR Sonderheft 2016, 36, 40 ff., sich nur für die Veröffentlichung exemplarischer Fälle aussprechend. 87  Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 281. 88  Ähnlich Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten, 301, der die Veröffentlichung auf einer juristischen Online-Datenbank vorschlägt.



F. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen237

Um dies zu erreichen, muss zum einen mehr Transparenz geschaffen werden. Zum anderen müssen die Defizite im Zugang zum Recht, welche die Systeme jeweils aufweisen, behoben werden, denn diese können bisher nicht durch ihr Zusammenspiel ausgeglichen werden. Dazu sollte die relativ gut zugängliche Verbraucherschlichtung in vielen Einzelpunkten so modifiziert werden, dass mehr „Recht“ geboten wird. Vor allem müssen das Verfahren und das Ergebnis stärker veröffentlicht werden. Bei den Gerichten ist für einen besseren Zugang zu sorgen, indem die bestehenden Zugangshürden für Verbraucher gesenkt werden. Weiterhin muss insbesondere das gerichtliche Entscheidungsverfahren an Attraktivität gewinnen, um so zu einem Mehr an „Recht“ beizutragen. Ansonsten läuft das Gerichtsverfahren Gefahr, in praxi von der Verbraucherschlichtung ersetzt zu werden – auf Kosten des Zugangs zum Recht. Die Verbraucherschlichtung ist in aller Munde. Das darf aber nicht davon ablenken, dass Gerichtsreformen nötig sind, denn die Justiz hat gegenüber der Verbraucherschlichtung einiges aufzuholen. Leider lassen die vom Gesetzgeber aufgrund der Schaffung des VSBG einkalkulierten Kosteneinsparungen im Bereich der Justiz befürchten, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, nun eine passende Lösung für die Beilegung von Verbraucherkonflikten mit geringen Streitwerten gefunden zu haben. Dieser Entwicklung sollte zum Schutze der Verbraucher entgegengewirkt werden.

F. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 1. Durch Inkrafttreten des VSBG sind Doppelstrukturen entstanden: Sowohl bei der Verbraucherschlichtung als auch beim Gerichtsverfahren wird für die Lösung von Verbraucherkonflikten meistens ein zügiges und schrift­ liches Verfahren geführt, das überwiegend in Vergleichsschlüssen endet, die nicht veröffentlicht werden. 2.  Die Qualität des Zugangs eines Streitbeilegungsverfahrens wird durch viele Faktoren beeinflusst. Für die tatsächliche Inanspruchnahme sind für den Verbraucher die Kosten das wichtigste Kriterium. Da diese bei der Verbraucherschlichtung geringer ausfallen als bei gerichtlichen Verfahren, wird die Verbraucherschlichtung auf Dauer verstärkt genutzt werden. 3. Der aus den geringen Kosten resultierende gute Zugang zu den Verbraucherschlichtungsstellen wird im Bereich der Verbraucherkonflikte in Zukunft zu einem Bedeutungsverlust der Zivilgerichtsbarkeit führen. Dies liegt daran, dass die Verbraucherschlichtung und die Gerichtsbarkeit nicht dergestalt zusammenspielen, dass sie die unterschiedlichen Interessen ab­ decken, die im Rahmen einer Konfliktlösung eine Rolle spielen. Die Ver-

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Kap. 5: Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Recht

braucher rufen vermehrt die Verbraucherschlichtungsstellen an, welche die Fälle jedoch nicht an das Gericht weiterleiten. Einer Übermittlung der juristisch komplexen Fälle steht zudem die defizitäre juristische Qualifikation der Streitmittler im Wege. 4. Eine Verdrängung der Verbraucherkonflikte in den außergerichtlichen Bereich führt dazu, dass das materielle Recht insgesamt weniger durchgesetzt wird, weil die Schlichtung auf Kompromisslösungen ausgerichtet ist und von juristischen Laien durchgeführt werden kann. Dies führt zu einem geringeren Verbraucherschutz, weil sich die materielle Rechtmäßigkeit einer Lösung in der Regel positiv auf den Verbraucher auswirkt. Dem Verbraucherschutz ist es zudem abträglich, dass die Verbraucherschlichtung nicht die Gewähr bieten kann, von den Unternehmern unabhängig zu sein. 5.  Der Prozessvergleich unterscheidet sich von dem bei der Verbraucherschlichtung erzielten Vergleich durch seine etwas stärkere Rechtsgebundenheit. Das materielle Recht kommt in vielen Fällen insbesondere dadurch stärker zum Vorschein, dass der Richter eigene Untersuchungsmaßnahmen anstellt, juristisch qualifiziert ist, die Gewähr für Unabhängigkeit und ­Unparteilichkeit bietet und den in der Prozessführung unerfahrenen Verbraucher im Rahmen seiner materiellen Prozessleitung durch das Verfahren führt. 6. Die Zunahme gerichtlicher und außergerichtlicher Vergleichsschlüsse hat zur Folge, dass das Verbraucherschutzrecht an Bedeutung verliert. Damit einhergehend bildet die Justiz nicht länger das Rechts- und Wirtschaftsleben ab, das Unternehmerverhalten wird weniger gesteuert und das Recht kann weniger fortgebildet werden. Ferner bewirkt die Zunahme von Vergleichen, dass sich der Verbraucher schlechter auf den Prozess vorbereiten kann. Vergleichsschlüsse sollten deswegen sowohl von den Gerichten als auch von den Schlichtungsstellen veröffentlicht werden. 7.  Ein guter Zugang zum Recht besteht für den Verbraucher, wenn ihm ein möglichst breit gefächertes, methodenvielfältiges Angebot für die Beilegung von Konflikten zur Verfügung steht. Um dies in Zukunft zu garantieren, müsste der Zugang zu den Gerichten verbessert werden. Dazu sollten Verbraucher umfangreicher über ihre prozessualen Möglichkeiten und die Kosten des Gerichtsverfahrens aufgeklärt werden. Des Weiteren sollten sie keinen Prozesskostenvorschuss zahlen müssen. Ihnen sollte auch für nationale Konflikte ein Verbrauchergerichtsstand geboten werden und der zeitgemäßen technischen Kommunikation mit dem Gericht zur stärkeren Nutzung verholfen werden. 8. Für einen guten Zugang zum Recht müsste das Urteil eine attraktive Form der Verfahrensbeendigung bei Gericht darstellen. Dies kann dadurch



F. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen239

geschehen, dass der Richter die Verbraucher während des Verfahrens stärker über ihre Rechte aufklärt und von jeglicher Druckausübung, einen Vergleich zu schließen, absieht. Das Urteil muss gleichrangig neben der gütlichen Streitbeilegung stehen, sodass dem Verbraucher alle Formen der Verfahrensbeendigung zur freien Auswahl stehen.

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Sachverzeichnis Access to justice  23, 51, 59, 211, 233 ADR-Richtlinie  15, 26, 29 Allgemeine Geschäftsbedingungen  33, 68, 69, 108, 109, 111, 115 Allgemeine Verbraucherschlichtungs­ stelle  31, 79, 178 Alternative Streitbeilegung  16, 32, 57, 65, 221 Anerkannte Verbraucherschlichtungs­ stellen  27, 38 Antragstellung  99, 112 Anwendbares Recht  170 Bagatellverfahren  45, 87, 145, 191 Beweisaufnahme  47, 97, 147, 152, 160, 166, 191, 194, 210, 217, 221 Beweislast  97, 175, 191, 196, 229 Branchenwissen  178 Bundesamt für Justiz  28, 66, 71, 214, 221 Dauer des Verfahrens  85, 93 Dispositionsgrundsatz  146, 154, 159 Ermessen  112, 150, 164, 184, 191, 192, 195 Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen  46, 87, 105, 137, 140, 145, 148, 191, 193, 196, 199, 205, 221 Fachwissen  127, 177, 178, 182 Freiwilligkeit  33, 38, 72, 108, 203 Güterichter  28, 43, 50, 74, 119, 137, 146, 151, 194, 205 Gütestelle § 15a EGZPO  38, 43, 202 Güteverhandlung  42, 50, 86, 137, 151, 154, 194

Justizgewährungsanspruch  58, 61 Kommunikation  35, 81, 103, 104, 157, 164, 181, 207, 223, 224, 238 Kontradiktorisches Verfahren  42, 143, 156 Kosten des Verfahrens  95 Kundenbeschwerdestelle  39 Mahnverfahren  47, 105, 143, 154, 191, 221 Materielle Prozessleitung  144, 148, 152, 164, 198 Mediation  33, 43, 158, 168, 182, 183, 187 Mitteilungspflichten der Unternehmer  68 ODR-Plattform  67, 81, 102, 107, 207, 215 ODR-Verordnung  16, 26, 68, 81, 83, 102, 207 Öffentlichkeit des Verfahrens  131, 132, 137, 209, 218 Örtliche Zuständigkeit  75, 115, 222 Prozesskosten  84, 88, 223 Rationales Desinteresse  83, 85, 97, 208 Rechtliches Gehör  133, 143, 156 Rechtsbindung des Streitmittlers  167 Rechtsdurchsetzung  167, 189, 231 Sachverständigengutachten  47, 89, 96, 99, 147, 192, 211 Schiedsgericht  33 Schlichtung  17, 21, 24, 33, 36 Sprache / Sprachbarrieren  67, 68, 71, 75, 78, 81, 83, 101, 102, 104, 107, 132, 136, 150, 171

256 Sachverzeichnis Streitmittler  23, 120, 122, 125–127 Träger der Verbraucherschlichtungsstelle  28, 30, 69, 120, 122, 126, 129 Transparenz  92, 102, 113, 125, 131, 220, 235, 237 Unabhängigkeit  117, 187, 189, 209, 238 Universalschlichtungsstelle  31, 41, 78, 83, 110, 113 Unparteilichkeit  117, 233, 238 Verbrauchergerichtsstand  75, 105, 170, 222 Verbraucherschlichtungsstelle  22, 24, 27, 29, 39, 66, 99

Verfahren nach billigem Ermessen  45, 87, 145, 191 Vergleichsdruck  231 Vergleichsschluss  18, 43, 44, 194, 224, 225, 231 Veröffentlichung von Verfahrensergebnissen  133, 138, 224 Vertraulichkeit  34, 110, 137, 146, 157 Vertretung  199 Vorbeschäftigung des Streitmittlers  127, 130 Webseiteninformationen  66, 68, 109, 221 Weisungsfreiheit  119, 126, 184 Zugang zum Recht  23, 51, 59, 211, 233