132 76 4MB
German Pages 347 [348] Year 2017
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 133 herausgegeben von Rolf Stürner
Fabian Laugwitz
Einvernehmliche Streitbeilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten unter den ADR-Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC)
Mohr Siebeck
Fabian Laugwitz, geboren 1981; Studium der Rechtswissenschaften und Begleitstudium im Europäischen Recht an der Universität Würzburg; 2009 Erste Juristische Prüfung; Promotionsstudium und Aufbaustudium des Europäischen Rechts (LL.M. Eur.); Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter im Bereich Fachsprachen und ausländisches Recht an der Universität Würzburg; Referendariat im OLG-Bezirk Frankfurt am Main/LG Darmstadt; 2013 zweite Juristische Staatsprüfung; seit 2013 als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig; 2015 Promotion.
e-ISBN PDF 978-3-16-154830-7 ISBN 978-3-16-154667-9 ISSN 0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Zugl.: Würzburg, Univ., Diss., 2016 © 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Kirchheim/Teck gesetzt und von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Herbst 2014 abgeschlossen. Bei der Drucklegung konnten Entwicklungen bis zum Jahr 2015 punktuell berücksichtigt werden. Mein tiefempfundener Dank gilt an erster Stelle meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Oliver Remien, der die Entstehung dieser Arbeit mit seinen konstruktiven Anmerkungen und seiner steten Diskussionsbereitschaft begleitet und gefördert hat. Herrn Prof. Dr. Christoph Weber danke ich vielmals für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die freundliche Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“ danke ich Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner. Mein herzlicher Dank gilt zudem meinen Freunden und meiner Familie, die mich bei der Anfertigung dieser Arbeit stets unterstützt und motiviert haben und insofern einen ganz wesentlichen Beitrag zu deren Fertigstellung geleistet haben. Vielmals bedanken möchte ich mich insbesondere bei Frau Dr. Caroline Rupp, die die Durchsicht des Manuskripts auf sich genommen und mit ihren wertvollen Hinweisen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Besonders danken möchte ich meiner Ehefrau, Frau Dr. Helena Laugwitz, die mir bei der Erstellung dieser Arbeit stets unterstützend zur Seite stand und mich immer wieder aufzumuntern wusste. Mein größter Dank gilt jedoch meinen Eltern, die mich stets uneingeschränkt und in jeder Hinsicht unterstützt haben. Durch Ihren Zuspruch und Rückhalt war es mir überhaupt erst möglich, diese Arbeit zu erstellen. Ihnen und Helena ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im August 2016
Fabian Laugwitz
Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Kapitel I: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 1 § 2
Thematische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Kapitel II: ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 § 3 § 4 § 5 § 6 § 7
Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften der ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . Verbreitung von ADR-Verfahren in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erforderlichkeit eines rechtlichen Rahmens für einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 14 23 30 32
Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . 36 § 8 § 9
Geschichte der ICC Regeln zu ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 ADR-Verfahren in internationalen Geschäftsbeziehungen . . . . . . . . . . . . 52
Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln . . . 80 § 10 Standort der ICC-ADR-Regeln im Umfeld der übrigen ICC Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Natur, Wirkweise und Zielsetzung der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . § 12 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADR-Verfahren . . . . § 14 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80 82 92 99 102
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . 103 § 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens . . . . § 16 Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18 Das frühe erste Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Wahl der Streitbeilegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 184 193 202 203
VIII
Inhaltsübersicht
§ 20 Durchführung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 Ende des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Kosten des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit sich an das ICC-ADR-Verfahren anschließenden Entscheidungsverfahren . . . . . . . .
209 228 234 243 247
Kapitel VI: Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 § 25 § 26 § 27 § 28
Grundsätzliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbleibende Lücken/Unzulänglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum ICC-ADR-Regime . . . . . . Multi-tiered Dispute Resolution und hybride ADR-Verfahren . . . . . . . . .
260 262 266 268
Kapitel VII: Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 § 29 Die Entwicklung und Einführung der neuen Mediations-Regeln . . . . . . . 278 § 30 Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 § 31 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Materialverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Kapitel I: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 1
Thematische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Kapitel II: ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 § 3 I. II. III.
§ 4 I. II. III. IV.
Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generelle Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bandbreite der unter den Begriff ADR fallenden Verfahren . . . . . . . . Beispiele für alternative Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . .
1. Mediation/Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Early Neutral Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mini Trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Med-Arb-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. MEDALOA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. DRBs und DABs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7 8 10 10 12 12 13 13 14
Eigenschaften der ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Neutrale Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Positive Eigenschaften von ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Negative Eigenschaften von ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsfälle und Positionierung von ADR-Verfahren . . . . . . . .
14 15 16 18 20
§ 5 Allgemeine Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . 23 § 6 Verbreitung von ADR-Verfahren in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 § 7 Erforderlichkeit eines rechtlichen Rahmens für einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . 36 § 8 Geschichte der ICC Regeln zu ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
X
Inhaltsverzeichnis
II.
ICC Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration von 1922–1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. ICC Rules of Optional Conciliation 1988–2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. ICC Rules of Amicable Dispute Resolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Wertung dieser Entwicklung . . . . . . . . . . . . .
38 42 43 48
§ 9 ADR-Verfahren in internationalen Geschäftsbeziehungen . . . . . . . . . 52 I. Funktionale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Vermeidung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . 2. Spezifische Schwachstellen internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten . II. Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entrechtlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verfahrensfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inkompatibilität von ADR Verfahren mit Entscheidungsverfahren . . . a. Prozesswesentliche Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Prozessverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Sicherungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verpflichtung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Organisatorischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis zwischen rechtlichen und funktionalen Aspekten . . . . 1. Unproblematische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägungsbedürftige Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Prozessverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Organisatorischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54 62 63 64 65 67 67 68 69 70 70 71 72 73 74 75 75 76 77 78
Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln 80 § 10 Standort der ICC-ADR-Regeln im Umfeld der übrigen ICC Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 § 11 Natur, Wirkweise und Zielsetzung der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . 82 I. Natur und Wirkweise der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Zielsetzung der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Ermöglichung einer gütlichen Beilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürfnisse der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verfahrensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Abänderbarkeit der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Methodenoffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Förderung der Verbreitung von ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 86 86 88 89 91
Inhaltsverzeichnis
XI
III. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 § 12 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Klauselvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Regeln und Kostenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Leitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 92 93 96 97 98
§ 13 Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADR-Verfahren . 99 § 14 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . 103 § 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens . 103 I. Funktionen antizipierter ADR-Musterabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
II.
1. Zweck des Antizipierens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Positive Wirkung des Antizipierens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Umgehung von Einstiegshürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Teilnahmepflicht und Ausschluss paralleler Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Verzahnung mit Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Negative Wirkung des Antizipierens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung vorformulierter Abreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion und Wirkung der vier Klauselvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitigkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 1. Vorschlag: Freiwillige ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verhandlungspflicht und Ausschluss paralleler Verfahren . . . . . . . aa. Behandlung durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Zugang zu nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Umgehung von Einstiegshürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Wertung und Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 2. Vorschlag: Verpflichtung, über die Durchführung eines ADR-Verfahrens zu verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Teilnahmeverpflichtung und Ausschluss paralleler Verfahren . . . . aa. Behandlung durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorliegen einer bindenden Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . (2) Reichweite der bzw. Verstoß gegen die Verpflichtung . . . . (3) Folge eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Zugang zu nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104 104 105
107 109 109 110 112 114 114 115 116 116 117 118 118 119 121 121 122 122 123 124 125 126 127
XII
Inhaltsverzeichnis
(3) Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b. Umgehung von Einstiegshürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c. Wertung und Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. 3. Vorschlag: Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens mit zeitlicher Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a. Teilnahmeverpflichtung und Ausschluss paralleler Verfahren . . . . 133 aa. Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb. Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (1) Rechtsprechung vor der Woolf Reform . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Rechtsprechung nach der Woolf Reform . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Anwendung auf Klauselvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 dd. Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 ee. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 ff. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 gg. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 hh. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Anwendung des FAA auf Mediationsabreden . . . . . . . . . . 158 (2) Die Anwendung von Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) Zusammenfassung und Anwendung auf den Klauselvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 ii. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b. Umgehung von Einstiegshürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c. Wertung und Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. 4. Vorschlag: Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens und, soweit erforderlich, eines anschließenden ICC-Schiedsgerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a. Teilnahmeverpflichtung und Ausschluss paralleler Verfahren . . . . 171 aa. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Form der Abrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) Zuständigkeit, über Kompetenz zu entscheiden . . . . . . . . . 172 bb. Wirkung in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b. Umgehung von Einstiegshürden und methodische Vorteile . . . . . . 179 c. Wertung und Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a. Lücken und Änderungen an den Klauselvorschlägen . . . . . . . . . . . 181 b. Gesamtbewertung der Klauselvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
§ 16 Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Voraussetzung für die Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
1. Voraussetzungen der ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Inhaltsverzeichnis
II.
XIII
Wege der Einleitung nach den ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . 188
1. Einleitung des Verfahrens bei Bestehen einer Vereinbarung . . . . . . . . 2. Einleitung des Verfahrens in Ermanglung einer Vereinbarung . . . . . . 3. Einleitung des Verfahrens bei Uneinigkeit über das Bestehen einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zeitpunkt des Verfahrensbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 189
190 191 192
§ 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Auswahl nach den ICC-ADR-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
1. Gemeinsame Nominierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Bestellung durch die Internationale Handelskammer . . . . . . . . . . . . . 195 Einsetzung und Unabhängigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
II. III. Die Gewährleistung der Wahl eines qualifizierten und neutralen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Wertung und Änderungen an den Auswahlregelungen . . . . . . . . . . . . 200 § 18 Das frühe erste Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 § 19 Wahl der Streitbeilegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nach den ICC-ADR-Rules wählbare Streitbeilegungsmethoden . . . . II. ICC-ADR und hybride Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ablauf der Wahl einer Streitbeilegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203 204 205 207 209
§ 20 Durchführung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 I. Verfahrensschutz innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . 210 1. Mangelnde Verfahrensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Neutraler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Internationale Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensbeginn und Verjährungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Autonome Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gegenmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Artikel 7 I ICC-ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Strukturelle Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210 210 213 214 215 216 217 220 221 222 222 223 225 226
§ 21 Ende des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Mögliche Abschlussvarianten des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . 228
1. Erfolgreiche Beilegung der Streitigkeit/Meinungsverschiedenheit . . . 228 2. Scheitern des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
XIV
II.
Inhaltsverzeichnis
a. Automatischer Abbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Abbruch durch Parteierklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Abbruch durch den Neutralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Abbruch durch die Internationale Handelskammer . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . .
229 230 231 231 232 233
§ 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Notwendigkeit der Durchsetzbarkeit von gütlichen Einigungen . . . . 234 II. Grundsätzliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Autonome Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Vereinheitlichung der Vollstreckungspraxis . . . . . . . . . a. Europäische Mediationsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wege zur Bildung eines durchsetzbaren Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlung in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut . . . . 2. Umwandlung in notarielle Urkunde nach Artikel 57 EuGVVO . . . . . IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238 239 240 242 243
§ 23 Kosten des ICC-ADR-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Pauschalgebühr nach Artikel 4 I ICC-ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Kosten des Neutralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243 244 244 246 246 247
235 237 237
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit sich an das ICC-ADR-Verfahren anschließenden Entscheidungsverfahren . . . . . . 247 I. Sich nach dem ICC-ADR-Verfahren ergebende Gefahren . . . . . . . . . 248 1. Artikel 7 II bis IV ICC-ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einbringen von Schriftstücken und anderen Umständen . . . . . . . . b. Beteiligung des Neutralen in einem Entscheidungsverfahren . . . . . c. Die Beteiligten als Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Standard nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Wirkung von prozessualen Vertraulichkeitsvereinbarungen . . 2. Organisatorische Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Multi-tiered Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249 249 250 251 252 252 254 256 257 257 258 259
Inhaltsverzeichnis
XV
Kapitel VI: Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 § 25 Grundsätzliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 § 26 Verbleibende Lücken/Unzulänglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Artikel 7 V ICC-ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einschränkungen des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Artikel 1 ICC-ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Neutraler und ADR-Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262 263 264 264 265 265
§ 27 Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum ICC-ADR-Regime . . . . 266 I. Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
1. Vertragsstrafe und pauschalierter Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Vertraulichkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3. Zusätzliche Haftungsabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
§ 28 Multi-tiered Dispute Resolution und hybride ADR-Verfahren . . . . . . . I. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einfluss der Internationalen Handelskammer in Multi-tiered Dispute Resolution Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268 269 270 271 273
Kapitel VII: Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 § 29 Die Entwicklung und Einführung der neuen Mediations-Regeln . . . . 278 § 30 Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Publikationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Präambel/Einführende Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Verwaltungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderungen der Regeln durch die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Restliche Absätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung bei Bestehen einer Mediationsabrede, Artikel 2 . . . . . . . . . 2. Einleitung ohne Mediationsabrede, Artikel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280 280 280 281 282 284 284 285 285 285 286
XVI
Inhaltsverzeichnis
V. Ort und Sprache der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Auswahl des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Durchführung und Beendigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Honorare und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Registrierungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verwaltungskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Höhe der Verwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Honorare und Auslagen des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ernennungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Parallele Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Klauselvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Änderungen einzelner Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderung des dritten Klauselvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klauselzusätze bezüglich Eilschiedsrichterverfahren . . . . . . . . . . . . . XIII. Mediation Guidance Notes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288 288 289 290 291 291 291 291 292 293 293 294 294 294 295 296 296
§ 31 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Materialverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Abkürzungsverzeichnis A. Disp. R. Asian Dispute Review alte Fassung a. F. The American Review of International Arbitration A. R. of Int. Arb. AAA American Arbitration Association Australian Commercial Dispute Center ACDC Amicable/Alternative Dispute Resolution ADR AJP Aktuelle Juristische Praxis Alt. Alternative American Review of International Arbitration Am. Rev. Int’l Arb. AnwBl Anwaltsblatt Arb. Int. Arbitration International Arbitration Journal Arb. J. Art. Artikel Swiss Arbitration Association Bulletin ASA Bulletin Au. Constr. L. Nwsltr. Australian Construction Law Newsletter Boston Bar Journal B. B. J. Bond Law Review B. L. Rev Best Alternative to a Negotiated Agreement BATNA BB Betriebs-Berater bzgl. bezüglich Les Cahiers de l’Arbitrage C. de l’A. California Law Review Cal. Law Rev. CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Columbia Law Review Col. L. Rev. Civil Procedure Rules CPR D. Digi. e Gov. El. Democracia Digital e Governo Eletrônico Dispute Adjudication Board DAB Der Betrieb DB Ders. Derselbe DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. Dispute Resolution Journal Disp. Res. J. Dispute Review Board DRB Eingetragener Verein e. V. EuGVVO Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW FAA Federal Arbitration Act Family Court Review Fam. C. Rev. International Federation of Consulting Engineers FIDIC Familie, Partnerschaft, Recht FÜR gemäß gem.
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
GewArch Gewerbearchiv Hastings Business Law Journal H. Bus. L. J. Harv. Neg. L. Rev. Harvard Negotiation Law Review Hrsg. Herausgeber In Verbindung mit i. V. m. International Bar Association IBA ICC International Chamber of Commerce Arbitration Bulletin ICC Int. C. of Arb. Bull ICC Internationale Chamber of Comnmerce International Arbitration Law Review Int. Arb. L. Rev. International Business Lawyer Int. B. Lawyer Int’l J. Evidence & Proof International Journal of Evidence and Proof Journal of Dispute Resolution J. Disp. Res. John Marshall Law Review J. Marshall L. Rev. Journal of Empirical Studies J. of Emp. L. Stud. J. of Int. Arb Journal of International Arbitration The Journal of Legal Studies J. of L. Stud. Journal of the Kansas Bar Association J. of the K. B. Ass. La Semaine Juridique Édition Générale JCP G JuS Juristische Schulung Law and Society Review L. and S. R. Mealy’s International Arbitration Report M. Int. Arb. R. Mediation Committee Newsletter Med. C. Newsl. Neg. J. Negotiation Journal Neue Juristische Online-Zeitschrift NJOZ Neue Juristische Wochenschrift NJW No. Number Ntr. D. L. Rev. Notre Dame Law Review Österreichische Juristen-Zeitung ÖJZ Ohio St. J. on Disp. Resol. Ohio State Journal on Dispute Resolution Oxford Journal of Legal Studies Ox. J. L. Stud. RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RDC Revue des contrats Rev. arb. Revue de l’arbitrage Recht der Internationalen Wirtschaft RIW Revised Uniform Arbitration Act RUAA Scots Law Times S. L. T. South Texas Law Review S. Tex. L. Rev. SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren Singapore Academy of Law Journal Sing. A. of L. J. Special Supplement Spec. Suppl. Tulane Law Review Tul. L. Rev. u. a. und andere UCLA Law Review UCLA L. Rev. Uniform Mediation Act UMA Unif. L. Rev. Uniform Law Review Vindobona Journal of International Commercial Law & V. of Int. Com. L. & Arb Arbitration Victoria University of Wellington Law Review V. U. W. L. Rev Vanderbilt Journal of Transnational Law Vand. J. Transnat’l L. Vgl. Vergleiche Vol. Volume Wisconsin Law Review Wis. L. Rev.
Inhaltsverzeichnis
WM z. B. ZEuP ZKM ZVglRWiss
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Zum Beispiel Zeitschrift für Zivilprozess International Zeitschrift für Konfliktmanagement Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
XIX
Kapitel I
Einleitung § 1 Thematische Einführung Die Globalisierung ist eines der dominierenden Themen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. In ihrem Sog wurde es für viele Unternehmen leichter, ihre Waren auf dem Weltmarkt anzubieten und neue Geschäftspartner auf einem internationalen Parkett zu gewinnen. In der Folge floriert heute der internationale Handel zwischen Parteien verschiedenster Rechtsordnungen. Dieser Entwicklung folgte als Schattenseite jedoch auch die Zunahme von Streitigkeiten zwischen transnationalen Parteien.1 Dabei eröffnet die Internationalität der Geschäftsbeziehung eine Vielzahl zusätzlicher potentieller Streitauslöser,2 wie zum Beispiel die unterschiedliche Kultur oder Sprache der Parteien. Internationale Streitigkeiten stellen die Parteien vor mannigfaltige Probleme. Das zentrale Problem ist dabei die unübersichtliche Gemengelage verschiedenster Rechtsordnungen. Bereits die Ermittlung des zuständigen Forums und des anwendbaren Rechts ist mit erheblichen Problemen behaftet. Zudem ist es für die Parteien zu Anfang einer Geschäftsbeziehung oft nur schwer abzusehen, welches Recht im Falle einer Streitigkeit später tatsächlich anwendbar ist.3 Ein antizipiertes Festlegen sowohl des Forums als auch des anwendbaren Rechts erscheint vor diesem Hintergrund nur schwer möglich. Dieser initialen Unsicherheit folgen zahlreiche Gefahren, die sich konkret aus der Anwendung fremder Rechtsordnungen für international Handeltreibende ergeben können. Man denke nur an überproportional lang dauernde italienische Zivilverfahren4 oder aber an die astronomischen punitive damages, die zuweilen in U. S.-amerikanischen Zivilprozessen verhängt werden. Neben diese Unwägbarkeiten treten erhebliche zusätzliche Kosten, die durch eine interna1
Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1870 f.). Vgl. näher zu diesen zusätzlichen Streitauslösern weiter unten unter Kapitel III § 9 I 1. 3 Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass Faktoren, die Einfluss auf die Streitigkeit haben und zugleich Anknüpfungspunkt für das anwendbare Recht sind, erst im Laufe einer Handelsbeziehung auftreten können und somit nicht in einer vorherigen Regelung berücksichtigt werden können. 4 Stürner, in: FS Schütze, S. 593 ff. (596) berichtet etwa von durschnittlich rund drei Jahren in erster Instanz, wobei in Abhängigkeit von dem Gerichtsbezirk auch Verfahrenslängen von durchschnittlich bis zu 1.480 Tagen (so in Bari) in erster Instanz zu beobachten sind. 2
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Kapitel I: Einleitung
tionale Prozessführung verursacht werden.5 Diese Gesamtsituation mag einen an den in dem Roman “Bleak House” von Charles Dickens beschriebenen Fall Jarndyce/Jarndyce erinnern, in dem das Parteieninteresse und die Gerechtigkeit durch den Selbstzweck des Verfahrens allmählich ersetzt wurde. In der Folge sollte man allerdings nicht soweit gehen über das Gerichtswesen zu denken, “That there is not an honourable man among its practitioners who would not give – who does often give – the warning, ‘Suffer any wrong that can be done you, rather than come here’”.6 Die Parteien müssen vielmehr ein Forum finden, in welchem sie ihre Streitigkeit sicher und befriedigend zu einer Lösung bringen und das nach Möglichkeit auf die Besonderheiten internationaler Geschäftsbeziehungen Rücksicht nimmt. Eine monetäre Besonderheit internationaler Geschäftsbeziehungen ist dabei, dass der Wert der internationalen Geschäftsbeziehung, aufgrund der kostspieligeren Anbahnungsphase,7 ungemein höher als der einer rein nationalen Geschäftsbeziehung anzusetzen ist. Doch nicht nur die rein rechtliche Bewältigung von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten erscheint als mit der fortschreitenden Globalisierung zunehmend schwierig. Vielmehr wird es für die Parteien immer schwieriger, Streitigkeiten auf der Stufe einfacher Verhandlungen zu lösen. Dies ist unter anderem8 durch den steigenden Preisdruck auf Lieferanten- und Kundenseite9 bedingt und zum anderen dem Wegfallen von Führungspositionen aufgrund moderner Lean-Management-Strukturen zuzuschreiben.10 Die Möglichkeiten der Konfliktlösung durch einfache Verhandlung sind insofern begrenzt, womit ein formelles gerichtliches Verfahren oftmals als der letzte Ausweg zur Lösung von Differenzen erscheint. Jedoch bietet sich neben einfachen Verhandlungen und formellen Gerichtsverfahren noch eine weitere Form der Streitbeilegung an: die Schiedsgerichtsbarkeit. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist für die Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten schon seit langer Zeit die zu wählende Alternative.11 Aufgrund der zunehmenden Dauer, Kosten und Komplexität internationaler Schiedsverfahren, die als Symptome einer “arbitration sickness” gesehen werden können, büßen Schiedsverfahren allmählich jedoch an Attraktivität ein.12 5 Beispiele
für solche zusätzlichen Kosten sind Reisekosten, die Kosten für die Hinzuziehung eines weiteren örtlichen Rechtsbeistands oder aber die Kosten für die Übersetzung von Dokumenten. Vgl. näher: Bor, in: Arbitration 73/2007, S. 90 ff. (96); Brenninkmeijer/ Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 222. 6 Dickens, Bleak House, S. 4. 7 Bor, in: Arbitration 73/2007, S. 90 ff. (96); Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 222. 8 Vgl. näher hierzu: Stubbe, in: BB 14/2001, S. 685 ff. 9 Stubbe, in: SchiedsVZ 3/2006, S. 150 ff. (151). 10 Stubbe, in: BB 14/2001, S. 685 ff. (685). 11 Dies sieht auch so: Remien, in: FS Kropholler, S. 869 ff. (869). 12 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (415).
§ 1 Thematische Einführung
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Das hierdurch entstandene Vakuum wurde in den letzten Jahren, verstärkt aus dem asiatischen und nordamerikanischen Raum kommend, durch den Begriff der Alternative Dispute Resolution (ADR) gefüllt. Unter dem englischen Begriff der Alternative Dispute Resolution ist eine zwischen den tradierten Methoden der Verhandlung der Parteien und der formell gerichtlichen Entscheidungsverfahren13 stehende Gruppe von Streitbeilegungsmechanismen zu verstehen,14 die sich einerseits durch ihre Freiwilligkeit und andererseits durch ihre Unterstützung durch einen oder mehrere neutrale Dritte auszeichnen. Da diese Verfahren wohl vor allem15 wegen der Unzulänglichkeiten nationaler Streitentscheidungsverfahren eine Renaissance16 erfuhren, kann man sagen, dass “[…] ADR as it comes to us from the US was a solution born out of crisis”.17 Aufgrund ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit von nationalen Rechtsvorschriften und ihrem konsensualen Charakter rücken sie in letzter Zeit immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und präsentieren sich als Königsweg zur Beilegung nicht nur internationaler Streitigkeiten. Gerade für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten scheinen sich ADR-Verfahren dabei besonders gut zu eignen.18 So wird durch einvernehmliche Verfahren nicht nur die Geschäftsbeziehung der Parteien, die gerade im internationalen Bereich besonders wertvoll ist, geschont.19 Vielmehr ist – gerade bei grenzüberschreitenden Konflikten – zentraler Vorteil dieser Verfahren, dass sie nicht darauf angewiesen sind, zur Beilegung einer Streitigkeit auf nationale Rechtsnormen zurückzugreifen,20 womit es zu einer Entrechtlichung des Konflikts kommt. Diese Entrechtlichung sollte allerdings nicht, ähnlich wie die Worte Dick the Butchers in Shakespeares King Henry VI Teil II “The first thing we do, let’s kill all the lawyers”, vorschnell dahingehend missinterpretiert werden, man könne auf Juristen und Rechtsrat verzichten. Die Aussage Dick the Butchers kann nicht nur negativ, sondern auch als Kompliment an Juristen verstanden werden. Betrachtet man 13
Zu diesen sind sowohl Schiedsverfahren als auch nationale Gerichtsverfahren zu zählen. bleibt hier, dass in einigen Ländern, wie zum Beispiel den USA, die Schiedsgerichtsbarkeit als Teil der ADR-Verfahren gesehen wird und insofern eine andere Abgrenzung vorgenommen wird. Vgl. näher zur Abgrenzung des Begriffes ADR weiter unten unter Kapitel II § 3 II. 15 Vgl. zu den weiter Gründen weiter unten unter Kapitel II § 5. 16 Von einer Renaissance kann insofern gesprochen werden, als dass ADR-Verfahren schon seit Jahrhunderten bekannt waren und zur Beilegung von Streitigkeiten herangezogen wurden. Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel II § 5. 17 Dies sieht auch die Working Group on Means of Alternative Dispute Resolution der Internationalen Handelskammer in ihrem Bericht. Vgl. Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (414). 18 Eidenmüller, in: Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 53. 19 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.) Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 408; Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (207); Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2108). 20 Koch, in: Bachmann u. a. (Hrsg.) Grenzüberschreitung, S. 399 ff. (404). 14 Anzumerken
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Kapitel I: Einleitung
den Kontext der Aussage Dick the Butchers und dessen Person,21 so können diese Worte vielmehr auch dahingehend verstanden werden, dass ohne die stabilisierende Kraft von Juristen Chaos und Anarchie herrschen würde, da Juristen nicht nur bei dem Sprechen von Recht, sondern auch bei der sozialen Kohäsion eine wichtige Rolle spielen.22 Gleiches gilt in einvernehmlichen Verfahren, die auch nicht alleinstehend, sondern in ihrem Kontext betrachtet werden müssen. Schließlich sind sie in das Recht eingebettet, womit eine gänzliche Negation rechtlicher Gesichtspunkte als wenig ratsam erscheint. Auch alternative Streitbeilegungsverfahren bergen für die Streitparteien ein rechtliches Gefahrenpotential. Würde man rechtliche Gesichtspunkte ausblenden, wäre dem Missbrauch in ADR-Verfahren Tür und Tor geöffnet. „Alternative“ Streitbeilegung ist also nicht als durchweg „anstelle“ herkömmlicher Gerichtsverfahren, sondern eher als „ergänzend zu“ diesen zu verstehen. Um diesen rechtlichen Gefahren alternativer Streitbeilegungsverfahren entgegen zu treten, bietet eine Vielzahl nichtstaatlicher Organisationen eigene Regelwerke für die Einleitung und Durchführung alternativer Streitbeilegungsverfahren an. Neben anderen Institutionen23 aus dem Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit hat auch die Internationale Handelskammer am 1. Juli 2001 ein Regelwerk zur konsensualen Streitbeilegung veröffentlicht: die ICCADR-Regeln. Fraglich ist, ob es mit ihnen den Parteien einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit tatsächlich möglich wird, den Gefahren eines einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens unter gleichzeitiger Wahrung der Vorteile solcher Verfahren entgegenzutreten. Dabei interessiert insbesondere, ob den Interessen eines international Handeltreibenden mit einem Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln Genüge getan wird oder ob auch hier, wie im Falle der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, ein Weg in die “ADR Sickness”24 bereits vorgezeichnet ist.
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind alternative Streitbeilegungsverfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten. Die Untersuchung betrifft dabei nicht alle Verfahren der alternativen Streitbeilegung, sondern 21 Er ist immerhin ein Revoluzzer und Mörder, dessen Ziel es war, zusammen mit Jack Cade an die Macht zu gelangen. 22 Vgl. näher hierzu Kornstein, Kill all the Lawyers? Shakespears Legal Appeal, S. 28 ff. 23 Beispiele für weitere Institutionen sind unter anderem die American Arbitration Association, das Chartered Institute of Arbitrators, die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, die World Intellectual Property Organization oder die China International Economic and Trade Commission. 24 In Anlehnung an den von Jean-Claude Goldsmith verwendeten Begriff der “Arbitration Sickness”. Vgl. Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (415).
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung
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beschränkt sich auf Verfahren nach den Amicable Dispute Resolution Rules (ADR-Rules) des International Chamber of Commerce (ICC) in Paris. Bei der Betrachtung wird dabei regelmäßig angenommen, dass durch die Parteien einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit die im ICC-ADR-Verfahren subsidiär zur Anwendung kommende Mediation als Streitbeilegungsmethode verwendet wird. Gerade bei Aussagen, die nationales Recht betreffen, können sich durch die Wahl einer anderen ADR-Verfahrensart Änderungen ergeben. Ob der Weite der Palette an möglichen ADR-Verfahrensarten und der unterschiedlichen nationalen Interpretationen25 der Begrifflichkeiten wird im Folgenden nicht auf alle möglichen ADR-Verfahrensarten eingegangen. Zudem beschränkt sich die Arbeit auf Fragen der Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten. Nicht zu verwechseln ist diese Arbeit mit einem Kommentar zu den ADRRules. Zu Anfang dieser Arbeit wird dabei zunächst auf Aspekte von ADRVerfahren im Allgemeinen eingegangen um auf diesen Aussagen aufbauend danach die ICC-ADR-Regeln im Besonderen näher zu betrachten. Ziel der Ausführungen ist die Entwicklung eines fundierten Urteils über die Stärken, Schwächen, Perspektiven und Veränderungsmöglichkeiten der ADR-Verfahren und der ICC-Regeln. Die Untersuchung wird in Kapitel II zunächst auf ADR-Verfahren im Allgemeinen eingehen, dann die Begrifflichkeiten, Eigenschaften, Entwicklung und Verbreitung der einvernehmlichen Streitbeilegung kurz näher erläutern und abschließend die Rolle des Rechts in ADR-Verfahren beleuchten. In Kapitel III wird dann auf den Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln eingegangen. Als Ausgangspunkt wird die Entwicklung einvernehmlicher Regelwerke innerhalb der Internationalen Handelskammer untersucht, um im Anschluss die allgemein relevanten Aspekte für einvernehmliche Streitbeilegungsregelwerke darzustellen, um an späterer Stelle als Basis für die Bewertung der ICC-ADRRegeln zu dienen. Die Betrachtungen ist dabei als eine abstrakte Analyse der einzelnen Regelungsfaktoren zu verstehen, die darauf abzielt, die Wirkung von Aspekte zu verdeutlichen, die sich über verschiedene Teilbereiche des ICCADR-Verfahrens erstrecken. Kapitel IV richtet seinen Fokus auf die Wirkweise, den Aufbau sowie den Standort der ICC-ADR-Regeln. Ziel dieses Kapitels ist es, dem Leser einen Überblick über die ICC-ADR-Regeln zu geben und bereits grob ein Verständnis für das ICC-ADR-Verfahren zu vermitteln. Detailliert beschrieben wird das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln dann in Kapitel V. Dabei werden nicht nur das Verfahren und seine Wirkung in Verbindung mit nationalem Recht dargestellt, sondern es wird auch vor dem Hintergrund des im Kapitel III Gesagten eine Wertung vorgenommen. 25
Vgl. näher hierzu sogleich unten in Kapitel II § 3.
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Kapitel I: Einleitung
In Kapitel VI folgt dann eine Gesamtbewertung des ICC-ADR-Verfahrens, innerhalb derer nicht nur der durch die ICC-ADR-Regeln etablierte Standard bewertet wird, sondern auch auf Änderungen und Ergänzungen durch die Parteien sowie die Wirkung von sogenannten Multi-tiered-Verfahren eingegangen wird und auf die in Kapitel VII dann ein Fazit zu den ICC-ADR-Regeln folgt. Das abschließende Kapitel VIII geht zuletzt dann noch auf die zum 1. Januar 2014 in Kraft getretenen ICC Mediations-Regeln ein. Dabei werden vor allem die zentralen Änderungen näher beleuchtet, zu denen es mit dem Inkrafttreten der neuen ICC Mediations-Regeln kam.
Kapitel II
ADR-Verfahren Trotz der zunehmenden Bekanntheit des Schlagwortes „alternative Streitbeilegung“ auch in Deutschland ist das Wissen um solche Streitbeilegungsmethoden noch begrenzt. Nachfolgend wird daher grob dargestellt, was unter dem Akronym ADR zu verstehen ist, und wodurch sich ADR-Verfahren auszeichnen. Daran anschließend werden grob die historische Entwicklung und die verschiedenen Ursprünge der einvernehmlichen Streitbeilegung dargestellt, um anschließend die Verbreitung von ADR-Verfahren in der Praxis darzustellen. Abschließend wird dann die Frage näher beantwortet, ob es eines rechtlichen Rahmens für die einvernehmliche Streitbeilegung bedarf.
§ 3 Begriffsbestimmung Bezüglich der Frage, was unter dem Akronym ADR zu verstehen ist und was dieses umfasst, gibt es so viele Antworten wie Autoren. Im Folgenden wird versucht, diesem Streit weit möglichst zu entgehen, zumal dieser eher semantischer Natur ist und damit nur am Rande interessiert. Nichts desto trotz soll eine grobe Übersicht der Meinungen dem Leser die internationalen Zerklüftungen und die relative Unklarheit der Materie verdeutlichen.
I. Generelle Begriffsbestimmung Unter ADR-Verfahren werden im Allgemeinen solche Verfahren verstanden, die außerhalb eines national-gerichtlichen Verfahrens zur Beilegung von Streitigkeiten zum Einsatz kommen. Für außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren werden zuweilen auch andere Sammelbezeichnungen geführt. Ein Beispiel hierfür ist das Akronym EDR,1 welches zwar anzutreffen ist, sich bis dato aber nicht durchsetzen konnte. Allgemein durchgesetzt hat sich hingegen der Begriff ADR, wobei umstritten bleibt, was genau durch das Akronym ADR bezeichnet wird. Nach US-amerikanischem Verständnis ist unter dem Kürzel 1 Als Akronym für Early, Extra-judicial und Effective Dispute Resolution vgl. Villareal, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 145; Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 6; Walther, in: AJP 7/2001, S. 755 ff. (759).
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Kapitel II: ADR-Verfahren
ADR die Alternative Dispute Resolution zu verstehen.2 Dieser Terminologie wird zumeist gefolgt.3 Jedoch gibt es auch andere Varianten, wobei meistens dem A eine andere Bedeutung zukommt.4 Neben der Bezeichnung ADR sind jedoch noch andere Akronyme anzutreffen, welche sich aus den jeweiligen Übersetzungen der Alternative Dispute Resolution in andere Sprachen bilden lassen.5 Selten werden diese jedoch wieder zurück ins Englische übersetzt, wie zum Beispiel in Lateinamerika, wo unter anderem von Alternative Methods of Dispute Resolution, kurz AMDR6 gesprochen wird. Daneben gibt es deutsche Autoren, die eine deutsche Übersetzung für das Kürzel bieten, welche sich bis jetzt in Deutschland jedoch nicht durchsetzen konnten.7 Insgesamt ist somit unter ADR im Zweifel grundsätzlich die Alternative Dispute Resolution nach dem US-amerikanischen Begriff zu verstehen. Von dieser inzwischen etablierten Terminologie abweichend ist in Zusammenhang mit den ICC-ADR-Regeln das Kürzel ADR als Amicable Dispute Resolution aufzufassen.8 Auch wenn diese Terminologie von der Alternative Dispute Resolution abweicht, bezeichnet sie doch das Gleiche. Insofern kommt diesem Unterschied nur eine geringe Bedeutung zu.
II. Bandbreite der unter den Begriff ADR fallenden Verfahren Neben der Frage, wofür das Akronym ADR steht, ist zudem strittig, was dieses genau umschreibt.9 Zwar ist allgemein anerkannt, dass ADR-Verfahren solche 2
Garner, Black’s Law Dictionary, S. 58. Brown/Marriott, in: ADR Principles and Practice, S. 13 ff.; Caponi, in: Il Foro Italiano, 126/2003, V, S. 165 ff. (165); Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (Fundstelle); Gottwald, in: FPR 4/2004, S. 163 ff. (163); Demeyere, in: Arb. Int. 3/2003, S. 313 ff. (313); González de Cossío, in: Ars Juris, 30/2003, S. 39 ff. (61); Haft, in: Handbuch Mediation, S. 99; Magnus, in: Mediation, S. 570; Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 5; Schütze, in: ZVglRWiss 97/1998, S. 117 ff. (117); Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 7; Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (191); Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2106). 4 So wird gelegentlich von Appropriate oder Additional Dispute Resolution gesprochen. Zur Entwicklung des Begriffes Appropriate Dispute Resolution vgl. Gottwald, in: FPR 4/2004, S. 163 ff. (163); Lack, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 339 ff. (344). Andere, wohl nicht ganz ernst gemeinten Interpretationen des Kürzels ADR sind zudem Avoid Disastrous Results (vgl. Duve, BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (9) Fn. 11) oder aber das gerade von Prozessanwälten zuweilen verwendete Alarming Decline of Revenue. 5 So z. B. das französische Kürzel RAD. Siehe: Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (415). 6 Diese ist die englische Übersetzung für den in Lateinamerika gebräuchlichen Namen der Mecanismos Alternos de Solucion de Controversias. So verwendet zum Beispiel von Droulers, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 51 ff. (51). 7 So zum Beispiel das Akronym AKR für „Außergerichtliche Konfliktregelung“ vgl. Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 6. 8 ICC, ADR Rules and Guide to ICC ADR S. 17. 9 Arntz, in: SchiedsVZ 2014, S. 237 ff. (240). 3
§ 3 Begriffsbestimmung
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sind, die alternativ zu national staatlichen Gerichtsverfahren stehen, doch ist streitig, ob eine weitere Grenzziehung besteht. Nach US-amerikanischem Verständnis umfassen ADR-Verfahren alle Streitbeilegungsverfahren außerhalb staatlicher Gerichtsverfahren und damit sowohl einvernehmliche Verfahren als auch Schiedsverfahren.10 Dabei wird von der US-amerikanischen Ansicht bei der Grenzziehung auf den nicht-staatlichen Charakter eines Entscheidungsverfahrens abgestellt.11 Diese Grenzziehung ergibt sich vor allem aus der Entwicklung der alternativen Streitbeilegung in den Vereinigten Staaten.12 Somit sind in den Vereinigten Staaten Schiedsverfahren als private Entscheidungsverfahren auch als unter den ADR-Begriff fallende alternative Streitbeilegungsverfahren zu qualifizieren. Dieser Auffassung folgt zum Beispiel auch Australien,13 wo die Schiedsgerichtsbarkeit als ADR-Verfahren begriffen wird. Dem gegenüber ist nach europäischem Verständnis die Schiedsgerichtsbarkeit nicht zu den ADR-Verfahren zu zählen.14 Dies ergibt sich daraus, dass nach europäischem Verständnis die Grenzziehung nach dem konsensualen Charakter zu erfolgen hat und somit „Alternativ“ nach europäischem Verständnis den Kontrast zwischen Entscheidungsverfahren und konsensualem Verfahren oder, anders gesagt, bindendem und nicht bindendem Verfahren widerspiegelt.15 Bei beiden Einteilungen ergeben sich jedoch Probleme in der Praxis, da sich inzwischen Verfahren entwickelt haben, welche, wie zum Beispiel Med-ArbVerfahren,16 nicht in das dargebotene Raster klar einzuordnen sind. Um diesem Mangel Abhilfe zu leisten, gibt es Autoren, die eine sechsstufige Unterteilung propagieren. Doch auch hier ergeben sich Probleme bei der Einordnung von Verfahren. Die Internationale Handelskammer hat sich für eine klare Abgrenzung entschieden. So werden die ICC-ADR-Rules nun getrennt von den ICCSchiedsregeln veröffentlicht. Zudem entschied sich die Internationale Handels10 Black’s Law Dictionary, S. 86; Demeyere, in: Arb. Int. 3/2003, S. 313 ff. (322); Duve, BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (9); Plant, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 75 ff. (75); Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 7. Gegen diese Vermischung und für eine neue Gruppierung spricht sich aus: Sternlight, in: J. Disp. Res. 2000, S. 97 ff. 11 Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 221; Brown/Marriott, in: ADR Principles and Practice, S. 2 f.; Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 59; Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (697). 12 Hauptgrund für die Entwicklung in den Vereinigten Staaten war eine allgemeine Unzufriendenheit mit U. S. amerikanischen Zivilverfahren. Vergleiche näher hierzu weiter unten Kapitel II § 5. 13 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (191). 14 Barrington/Mills/Demeyere, in: Arb. Int. 3/2003, S. 313 ff. (322); Mourre, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 63 ff. (64), Stubbe, in: SchiedsVZ 3/2006, S. 150 ff. (151); Swee Im, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 31 ff. (32). 15 Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 59. Es gibt jedoch auch die genau umgekehrte Meinung, welche Mediation nicht als ADR Verfahren ansieht, da es schließlich nicht zu einer Streitentscheidung kommen würde. Sehr unterhaltsam hierzu: Marshall, in: Disp. Res. J., Mai/Juli 2002, S. 33 ff. 16 Zum Begriff der Med-Arb-Verfahren siehe weiter unten unter Kapitel II § 3 III 4.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
kammer für den Terminus der Amicable Dispute Resolution-Regeln, wodurch auch die Abgrenzung nach dem einvernehmlichen Charakter zum Ausdruck gebracht wird. Noch klarer erfolgt die Abgrenzung durch die ICC-ADR-Regeln selbst, in deren Leitfaden die Internationale Handelskammer feststellt, dass ADR im ICC-Sprachgebrauch die Schiedsgerichtsbarkeit nicht umfasst, sondern lediglich Verfahren umschreibt, die ohne vollstreckbare Entscheidung oder Schiedsspruch beendet werden.17 Insofern umfasst der ICC-ADR-Begriff auch einvernehmliche Entscheidungsverfahren wie zum Beispiel die Neutral Evaluation,18 die zwar mit der Entscheidung eines Dritten endet, der aber nur eine vertragliche Wirkung zukommt. Die am Ende einer Neutral Evalutation ergehende Entscheidung ist gerade nicht wie ein Urteil oder Schiedsspruch direkt durchsetzbar.
III. Beispiele für alternative Streitbeilegungsverfahren Methodisch gibt es eine Vielzahl außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren. Im Folgenden soll nur auf die bekanntesten Verfahren kurz eingegangen werden und deren Bezug zu den ICC-ADR-Regeln dargestellt werden.
1. Mediation/Schlichtung Die zurzeit wohl prominenteste Form der alternativen Streitbeilegung in Deutschland ist die Mediation. Was unter Mediation zu verstehen ist und wie diese sich von der Schlichtung unterscheidet, ist mangels einer international gültigen Legaldefinition jedoch unklar.19 Sowohl das UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation20 als auch die Richtlinie 2008/52/ EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (Mediationsrichtlinie)21 tragen diesem Umstand Rechnung, indem sie die Begrifflichkeiten ausdrücklich unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung definieren. 22Die nach der Mediationsrichtlinie erlassene Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten (ADR-Richtlinie)23 und die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über die Online-Beilegung von Verbrau17
ICC, ICC ADR Rules und Leitfaden S. 17. Welche auch explizit in den ICC-ADR-Rules auf S. 18 genannt wird. 19 Demeyere, in: Arb. Int. 3/2003, S. 313 ff. (321); Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.) ADR in Business, S. 82. 20 Vgl. Art. 1 Nr. 3 des UNCITRAL Model Law on Commercial Conciliation: “For the purpose of this Law, ‘conciliation’ means a process, whether reffered to by the expression conciliation, mediation or an expression of similar import, …”. 21 Richtlinie 2008/52/EC vom 21. Mai 2008. 22 Vgl. Art. 3 a der Richtlinie 2008/52/EG: „‚Mediation‘ ist ein strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung …“. 23 Richtlinie 2013/11/EU vom 21. Mai 2013. 18
§ 3 Begriffsbestimmung
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cherstreitigkeiten (ODR-Verordnung)24 vermeiden hingegen vollkommen diese Begrifflichkeiten.25 Einige Autoren sehen beide Begriffe als Bezeichnungen für ein und dasselbe Verfahren,26 andere unterscheiden die Schlichtung von der Mediation nach der Art der Beteiligung des neutralen Dritten, wobei dieser bei der Schlichtung im Gegensatz zur Mediation27 einen eigenen Lösungsvorschlag unterbreitet.28 Wieder andere Autoren sehen dies genau umgekehrt und vertreten die Ansicht, die Mediation enthielte Lösungsvorschläge des neutralen Dritten.29 Was unter Mediation und Schlichtung in den einzelnen Rechtsordnungen zu verstehen ist, ergibt sich zudem oft30 aus den für diese jeweils gültigen Legaldefinitionen.31 Jedoch kann auch innerhalb eines Rechtssystems trotz Legaldefinitionen die Unterscheidung schwer fallen.32 Für die vorliegende Arbeit kann die Frage jedoch offen bleiben, da eine Differenzierung für die rechtliche Betrachtung der ICC-ADR-Regeln unerheblich ist. Der Unterschied besteht nur auf methodischer Ebene und ist für die rechtliche Betrachtung eher von untergeordnetem Interesse. Hinzu kommt, dass in dem an die ICC-ADR-Regeln angehängten Leitfaden definiert wird, was methodisch unter Mediation und Schlichtung im Sprachgebrauch der ICC-ADR-Regeln zu verstehen ist. Der Leitfaden sieht vor, dass unter Mediation und Schlichtung jeweils ein Verfahren zu verstehen ist, bei dem ein neutraler Dritter ohne eigene Sachentscheidungen bei der gütlichen Beilegung von Streitigkeiten behilflich
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Verordnung (EG) Nr. 524/2013 vom 21. Mai 2013. Vgl. näher zu den Problemen, die sich aus der verwendeten Terminologie des deutschen Gesetzentwurfs zur Umsetzung der ADR-Richtlinie (BT-Drucksache 18/5089) ergeben, Trossen, in: SchiedsVZ 2015, S. 187 ff. 26 So z. B. Haft, in: Verhandlung und Mediation, S. 245, Folson/Minan, in: Folson/Gordon/Spanogle (Hrsg.), International Business Transactions, S. 1060; Mackie/Miles/Marsh, in: The ADR Practice Guide, S. 11; Pryles, in: Sanders, Intl. Handbook on Comm. Arb., Vol. 1, Suppl. 13, 1992, Australia, S. 30; Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (18). 27 Vgl. Elser, Mediation als Verbraucher-ADR-Verfahren, S. 31; Schuster, in: Rechtsbefriedung durch Schlichtungsstellen, S. 10; Paulsson/Rawding/Reed/Schwartz, in: The Freshfields Guide to Arbitration and ADR, S. 109. 28 Vgl. Eidenmüller, in: Henssler/Koch (Hrsg.), Mediation in der Anwaltspraxis, S. 53; Risse, in: ZKM 6/2004, S. 244 ff. (245); Wagner/Eidenmüller, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 16. 29 Vgl. Folson/Minan, in: Folsom/Gordon/Spanogle (Hrsg.), International Business Transactions, S. 1060; Mackie/Miles/Marsh, in: The ADR Practice Guide, S. 11. 30 Dies ist jedoch nicht immer so. Ein Beispiel bildet hier Kanada, dessen Rechtsordnung keine Legaldefinition der Mediation kennt. Vgl. Ellger, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 674. 31 Vgl. z. B. Art 10 I Satz 4 des Bayerischen Schlichtungsgesetz, § 1 Absatz 2 des Mediationsgesetzes oder aber Section 2 (1) des U. S. amerikanischen Uniform Mediation Act (UMA). 32 Vgl. hierzu z. B. die Rechtslage in Neuseeland. Baylis, in: V. U. W. L. Rev. 1999, S. 38 ff. 25
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Kapitel II: ADR-Verfahren
ist.33 Somit werden hier die Begriffe Schlichtung und Mediation implizit synonym verwendet.34
2. Early Neutral Evaluation Die Early Neutral Evaluation, teils auch nur Neutral Evaluation genannt, ist ein einvernehmliches Streitbeilegungsverfahren, das sich in seinem Verfahrensdesign an klassische Entscheidungsverfahren anlehnt. In ihr werden durch den neutralen Dritten die Prozessaussichten der Parteien bewertet und aufgrund dieser Bewertung dann Vergleichsgespräche geführt.35 Der neutrale Dritte ist dabei zumeist entweder ein Anwalt oder aber ein technischer Experte, abhängig davon ob, der Streit eher technischer oder rechtlicher Natur ist.36 Auch die Neutral Evaluation ist unter den ICC-ADR-Regeln möglich.37
3. Mini Trial Sogenannte Mini Trials verfolgen einen ähnlichen Ansatz wie die Early Neutral Evaluation, wobei sie sich bei der letztendlichen Beilegung der Streitigkeit noch stärker als die Early Neutral Evaluation an Entscheidungsverfahren orientieren. Unter Mini Trial sind dabei solche Verfahren zu verstehen, in denen die Parteien einem Gremium aus einem neutralen Dritten und hochrangigen Entscheidungsträgern der Parteien den Konflikt, ähnlich wie in einem Gerichtsverfahren, präsentieren.38 Anschließend treten die Entscheidungsträger im Gremium unter Leitung des neutralen Dritten in Vergleichsverhandlungen, um so eine Lösung des Konflikts zu erreichen.39 Ziel der Mini Trial-Methodik ist es, die Prozessaussichten der Parteien zu objektivieren und auf dieser Grundlage Verhandlungen hochrangiger Vertreter der Parteien zu etablieren.40 Auch wenn Mini Trial-Verfahren im Vergleich mit anderen ADR-Verfahren relativ kostenintensiv sind, hat sich diese Verfahrensart gerade für den Bereich komplexer Streitigkeiten, die zum Beispiel oft in großen Bauprojekten entstehen, als besonders wirkungsvoll herausgestellt.41 So wurde beispielsweise durch 33
ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 29. Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 82. 35 Engel, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 408 f.; Risse, in: ZKM 6/2004, S. 244 ff. (245). 36 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (425). 37 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 28. 38 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (424); Goode, Commercial Law, S. 1252; Wagner/Eidenmüller, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 19 39 Risse, in: ZKM 6/2004, S. 244 ff. (245). 40 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 195. 41 Cooley/Lubet, Arbitration Advocacy, S. 256. 34
§ 3 Begriffsbestimmung
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ein Mini Trial-Verfahren eine jahrelange Streitigkeit über einen Gasliefervertrag zwischen Texaco und Borden nicht nur innerhalb kürzester Zeit beigelegt, sondern führte im Anschluss sogar dazu, dass die Parteien einen weiteren Multimillionen-Dollar-Gaslieferungsvertrag miteinander eingingen.42 Auch Mini Trials sind unter den ICC-ADR-Regeln ausdrücklich möglich.43
4. Med-Arb-Verfahren Unter Med-Arb-Verfahren versteht man eine Mischung aus Mediations- und Schiedsverfahren.44 Sie fallen unter die Gruppe der hybriden ADR-Verfahren.45 Anders als in gestuften Verfahren verläuft das Med-Arb-Verfahren nicht sequentiell, sondern ist als ein Gesamtverfahren zu sehen. Dabei schließt sich an die erste Mediationsstufe direkt ein Schiedsverfahren an, wobei der Mediator nach Übergang in das Schiedsverfahren zum Schiedsrichter wird.46 Vorteil solcher Verfahren ist, dass die für eine erfolglose Mediation aufgewendete Zeit nicht ohne Nutzen bleibt, da der spätere Schiedsrichter durch das Mediationsverfahren mit dem Streit bereits durch seine Stellung als Mediator vertraut wird.47 Ob Med-Arb-Verfahren unter den ICC-ADR-Regeln durchführbar sind, soll an späterer Stelle48 der Arbeit ausführlich erörtert werden, da Med-Arb-Verfahren eine zur Zeit besonders kontrovers diskutierte Verfahrensart darstellen und insofern die Vereinbarkeit solcher Verfahren mit den ICC-ADR-Regeln einer eingehenderen Betrachtung bedarf.
5. MEDALOA MEDALOA ist eine ADR-Verfahrensart, die dem Med-Arb-Verfahren sehr ähnlich ist. Die Abkürzung steht für Mediation followed by Last-Offer Arbitration.49 Anders als beim Med-Arb-Verfahren folgt hier dem Mediationsverfahren nicht ein normales Schiedsverfahren, sondern es schließt sich an das Mediationsverfahren eine Last-Offer Arbitration an. Unter Last-Offer Arbitration, auch Baseball Arbitration50 genannt, versteht man ein Schiedsverfahren, in dem die 42 Dies berichten Paulsson/Rawding/Reed/Schwartz, The Freshfields Guide to Arbitration and ADR, S. 121. 43 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 28. 44 Vgl. näher hierzu Engel, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 414. 45 Vgl. näher zu den hybriden ADR-Verfahren weiter unten unter Kapitel V § 193 II. 46 Cooley/Lubet, Arbitration Advocacy, S. 3; Dendorfer, in: Rasmussen-Bonne/Freer/Lüke (Hrsg.), Balancing of interests, S. 110; Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (17). 47 Rubino-Sammariano, in: International Arbitration, S. 19. 48 Siehe hierzu weiter unten unter Kapitel V § 19 II. 49 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 527 ff. 50 Zu dieser Bezeichnung kam es, da diese spezielle Form des Schiedsverfahren in den USA häufig bei Vertragsverhandlungen mit Profisportlern verwendet wird.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
Parteien dem Schiedstribunal jeweils ihr bestes Angebot vortragen, und das Schiedstribunal dann entscheidet, welches der Angebote seiner Beurteilung am ehesten entspricht.51
6. DRBs und DABs Dispute Review Boards und Dispute Adjudication Boards kommen vor allem in komplexen Bauvorhaben zur Anwendung, da die in großen Bauprojekten zwangsläufig auftretenden Streitigkeiten durch Schieds- oder Gerichtsverfahren nicht zufriedenstellend beigelegt werden können.52 Entwickelt haben sich diese Verfahrensarten in Tunnelbauprojekten, weshalb gern davon die Rede ist, sie seien “born in a tunnel”. Dabei wird bereits bei Vertragsschluss ein Gremium aus in der Regel drei Neutralen gebildet, welche im betreffenden Bereich eine gewisse fachliche Expertise aufweisen.53 Dieses Gremium entscheidet dann über die im Laufe des Bauvorhabens entstehenden Streitigkeiten, wobei beim DRB gegen die Entscheidung des Gremiums Einspruch erhoben werden kann54 und beim DAB diese vorläufig vertraglich bindend ist und nur im Rahmen eines Schiedsverfahrens anfechtbar ist.55 Der Vorteil von Dispute Boards liegt vor allem darin, dass Konflikte zeitnah beigelegt werden und das Projekt selber somit nur unwesentlich verzögert wird. Zwar wird im Leitfaden der ICC-ADRRegeln darauf hingewiesen, dass sich die ICC-ADR-Regeln für DRBs und DABs in der Regel nicht eignen,56 doch lassen sich, die gemäß Artikel 1 der Regeln notwendige Einwilligung der ICC vorausgesetzt, die ICC-ADR-Regeln mittels Parteivereinbarung für DABs und DRBs anpassen.57
§ 4 Eigenschaften der ADR-Verfahren ADR-Verfahren, wie zum Beispiel die Mediation, sind vor allem durch ihren nicht bindenden Charakter geprägt. Aus diesem Charakter erwächst den ADRVerfahren eine Reihe von Eigenschaften, welche in Verbindung mit der Beiziehung eines neutralen Dritten ein sehr eigenes Profil der ADR-Verfahren bilden. Grundsätzlich verleiht diese offene und auf Gegenseitigkeit beruhende Ausrichtung ADR-Verfahren eine Reihe positiver Eigenschaften. Jedoch erwachsen 51 Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Law and Practice of International Commercial Arbitration, S. 48. 52 Harbst/Mahnken, in: SchiedsVZ 1/2005, S. 34 ff. (34). 53 Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (24). 54 Demeyere, in: IDR 1/2005, S. 21 ff. (25). 55 Genton, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 96. 56 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 28. 57 Knutson, in: Int. B. L. 3/2002, S. 119 ff. (124 f.).
§ 4 Eigenschaften der ADR-Verfahren
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aus der unabdingbaren Offenheit des Verfahrens auch zahlreiche Nachteile. In diesem Abschnitt sollen ein kurzer Überblick über diese Vor- und Nachteile und typische Anwendungsfälle für ADR-Verfahren aufgezeigt werden.
I. Der Neutrale Dritte Auch wenn die Frage, was unter ADR-Verfahren begrifflich zu verstehen ist, bereits vorstehend beantwortet worden ist, so ist noch die Frage offen, was ein ADR-Verfahren faktisch ausmacht. Grundsätzlich haben alle ADR-Verfahren gemeinsam, dass in ihnen eine neutrale dritte Person anwesend ist.58 Anders als bei Entscheidungsverfahren erlässt dieser neutrale Dritte am Ende des Verfahrens jedoch kein bindendes Urteil, da ihm die Entscheidungsmacht hierzu fehlt.59 Es ist vielmehr Aufgabe des neutralen Dritten, den Fokus der Parteien langsam weg von den Geschehnissen der Vergangenheit hin zu einer in der Zukunft liegenden und sich auf die funktionsfähige Geschäftsbeziehung konzentrierenden kreativen Lösung zu lenken.60 Der neutrale Dritte ist dabei das entscheidende Abgrenzungsmerkmal zu einfachen Parteiverhandlungen, da es vor allem durch ihn ermöglicht wird, eine Vertrauensatmosphäre wiederherzustellen und mit Hilfe verschiedener Techniken, wie zum Beispiel der shuttle diplomacy,61 die tatsächlichen Interessen der Parteien zu ergründen.62 Die letztendliche Entscheidungsmacht liegt in ADR-Verfahren jedoch alleine bei den Parteien, die sich gegen oder für die Beilegung der Streitigkeit am Ende des Verfahrens entscheiden können.63 Damit können ADR-Verfahren aber auch, im Unterschied zu Schieds- und Gerichtsverfahren, vollkommen ergebnislos enden.64 Zudem werden auch die Art, der Ablauf und die Dauer des Verfahrens einvernehmlich durch die Parteien festgelegt.65 Die Parteien in ADR-Verfahren haben also insgesamt eine sehr große Kontrolle über das Verfahren selber. Damit sind ADR-Verfahren im Vergleich zu Entscheidungsverfahren auch näher an der Managementebene eines Unternehmens angesiedelt und wirken somit zumindest teilweise eher als Managementtool denn als Streitentscheidungsver58
Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 221; Demeyere, in: Arb. Int. 3/2003, S. 313 ff. (319). 59 Risse, in: ZKM 6/2004, S. 244 ff. (244). 60 Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 10. 61 Unter shuttle diplomacy versteht man eine Technik, bei welcher der neutrale Dritte abwechselnd jede Partei einzeln anhört. Die Parteien begegnen sich dabei nicht. Siehe: Garner, Black’s Law Dictionary, S. 524. Vgl. näher hierzu Hoffman, in: Neg. J. 2011, S. 263 ff. 62 Tochtermann, in: JuS 2/2005, S. 131 ff. (132). 63 Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1865); Stubbe, in: SchiedsVZ 3/2006, S. 150 ff. (152). 64 Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (304). 65 Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2107).
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fahren.66 Vor diesem Hintergrund deutet sich eine komplementäre Beziehung67 zwischen ADR-Verfahren und Schiedsverfahren an. Dieses Verhältnis wird im späteren Verlauf der Arbeit näher erläutert und beschrieben. Zudem gilt es noch anzumerken, dass ADR-Verfahren nicht zwingend im Vorfeld eines Schiedsoder Gerichtsverfahrens stehen müssen, sondern auch zum Beispiel nach einem Gerichtsverfahren zur Klärung der Durchsetzbarkeit des Urteils durchgeführt werden können.68 Ziel desjenigen, der als Partei an einem ADR-Verfahren teilnimmt, ist es also anders als bei Schieds- oder Gerichtsverfahren nicht, aufgrund einer akkuraten Analyse seiner objektiv bestehenden Rechte und Ansprüche ein Urteil zu erhalten. Stattdessen strebt er an, mit Hilfe der Expertise Dritter die Unnachgiebigkeit und Unbeugsamkeit der anderen Partei zu überwinden, um im Idealfall zu einer gütlichen Einigung zu gelangen.69
II. Positive Eigenschaften von ADR-Verfahren Grundlegendster Vorteil70 von ADR-Verfahren ist, dass sie sich im Gegensatz zu Entscheidungsverfahren nicht mit der Vergangenheit aufhalten, sondern in die Zukunft gerichtet allein eine Lösung des Problems anstreben.71 Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass ADR-Verfahren nach interessenbasierten Lösungen anstatt nach rechtlichen Lösungen suchen.72 ADR-Verfahren sind zudem in Gestaltung und Ergebnis flexibler als rechtlich stark eingebundene Entscheidungsverfahren.73 Damit ist es auch möglich, sich neu ergebenden Problemen durch die Entwicklung neuer Verfahrensformen Rechnung zu tragen, wie dies zum Beispiel bei der Entwicklung von DRBs beim Tunnelbau der Fall war. Außerdem ist es dem neutralen Dritten aufgrund seiner im Gegensatz zum Schiedsrichter fehlenden Entscheidungsmacht eher möglich, im Zuge von Einzelgesprächen mit den Parteien für die Lösungsfindung relevante Punkte und Interessen aufzudecken.74 Die fehlende Entscheidungsmacht des neutralen Dritten führt weiter dazu, dass die Parteien selber die volle Kontrolle über Ab66 Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 15; Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 22. 67 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (210). 68 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 27. 69 Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (305). 70 Ausführlicher zu den positiven Eigenschaften von ADR-Verfahren siehe: Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 186–211. 71 Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Guillemin, in: ADR in Business, S. 34; Köper, Die Rolle des Rechts in Mediationsverfahren, S. 21. 72 Hunter, in: Arb. Int. 4/2000, S. 379 ff. (383). 73 Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 223; Guillemin, in: ADR in Business, S. 34; Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1864); Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (198). 74 Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1865).
§ 4 Eigenschaften der ADR-Verfahren
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lauf und Ende des Verfahrens haben.75 Dadurch wird es insgesamt möglich, die hinter den Maximalforderungen der Parteien stehenden wahren Bedürfnisse zu ermitteln76 und den Konflikt zu einer für beide Seiten akzeptablen, da direkt mitgestalteten Lösung zu bringen. In der Folge wird wiederum die dem Streit zugrunde liegende dauerhafte Geschäftsbeziehung geschont77 und zudem die wahrgenommene Gerechtigkeit des Verfahrens erhöht.78 Gerade die Schonung der Geschäftsbeziehung ist dabei ein zentraler Vorteil der ADR-Verfahren, zumal der Aufbau einer Geschäftsbeziehung besonders im internationalen Bereich erhebliche Kosten, Zeit und Aufwand mit sich bringt.79 Die sich aus der formlosen Natur des ADR-Verfahrens oft ergebende Entjuristisierung des Konflikts macht es ferner möglich, dass auf Seiten der Parteien Nichtjuristen, wie zum Beispiel die Unternehmensleitung selber, zur Entscheidungsfindung beitragen können.80 Damit wird es möglich, Konflikte aus der operativen Ebene zurück in die oberste Managementebene eines Unternehmens zu holen und damit auch Unternehmensfernziele in die Konfliktlösung mit einzubeziehen, anstatt auf einer unteren Ebene zu verweilen.81 Die Entjuristisierung des Konflikts ermöglicht es zudem, internationale Konflikte von der Gerichtsbarkeit zu trennen und so die Unsicherheiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts oder des international zuständigen Gerichts zumindest im Erfolgsfall zu umgehen. Die Gesamtheit dieser Vorteile führt wiederum zu einer sehr hohen Erfolgsrate von ADR-Verfahren.82
75 Guillemin, in: ADR in Business; S. 34, Köper, in: Die Rolle des Rechts in Mediationsverfahren, S. 23 ff. 76 Risse, In NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1619). 77 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 408; Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (207); Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2108). 78 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (205 f.). Diesen Eindruck erhärtet die Studie AAA, Dispute-Wise Business Management, S. 20, in welcher 87 % der befragten Unternehmen zufrieden mit den durch Mediation gemachten Erfahrungen waren. 79 Bor, in: Arbitration 73/2007, S. 90 ff. (96); Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 222. 80 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 175, Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2108). 81 Zu den Vorteilen der Beteiligung des oberen Managements an der einvernehmlichen Streitbeilegung siehe Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 25. 82 Davis, in: Caller (Hrsg.), ADR and Commercial Disputes, S. 4 spricht davon, dass ca. 85 % aller Mediationen erfolgreich enden. Risse/Wagner, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 780 f., spricht von einer Erfolgsquote vom 70 %, Schubert/Haase, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 257 berichten von Mediatoren, die von 90 % in der Praxis sprechen. Sturrock, in: Scots L. T. 10/2009, S. 49 ff. (52) sieht eine Rate von 75–80 % in seinen Studien bestätigt.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
Darüber hinaus ist die Verfahrenslänge bei ADR-Verfahren um ein vielfaches kürzer als die eines traditionellen Schieds- oder Gerichtsverfahrens.83 In der heutigen Zeit wird es unter anderem vor dem Hintergrund der immer rasanteren technischen Entwicklung notwendig, Streitigkeiten möglichst schnell beizulegen.84 Die im Jahre 2004 durch die ICC betreuten ADR-Verfahren dauerten beispielsweise im Durchschnitt nur drei Monate.85 Unter anderem aus diesem Umstand folgt ein weiterer Vorteil von ADR-Verfahren: sie sind kostengünstiger als Schieds- oder Gerichtsverfahren.86 Schiedsverfahren haben sich hingegen dahingehend entwickelt, alles andere als kostengünstig zu sein.87 Gerade der Kostenfrage kommt heute jedoch eine zentrale Bedeutung zu. So gab in einer Studie der Unternehmensberatung Henning & Company aus dem Jahre 2009 jeder zweite Syndikus-Anwalt an, er müsse möglichst sparsam wirtschaften.88 Zuletzt haben ADR-Verfahren gegenüber einem Gerichtsverfahren den Vorteil, dass in ihnen kein Öffentlichkeitsgrundsatz besteht und der Konflikt und auch Details der zugrundeliegenden Geschäftsbeziehung somit, sollte dies der Wille der Parteien sein, geheim bleiben können.89
III. Negative Eigenschaften von ADR-Verfahren Neben den vielen positiven Eigenschaften weisen ADR-Verfahren jedoch auch eine Reihe negativer Eigenschaften auf. Diese ergeben sich zum einen aus einer gewissen Inkompatibilität von ADR-Verfahren mit Entscheidungsverfahren. Grund für diese teilweise Inkompatibilität ist, dass viele ADR-Verfahren eine Beziehung zwischen dem neutralen Dritten und der Partei voraussetzen, die mit fundamentalen prozessualen Voraussetzungen von sowohl Schieds- als auch Gerichtsverfahren unvereinbar sind.90 Außerdem besteht bei ADR-Verfahren 83 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 407; Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Köper, Die Rolle des Rechts in Mediationsverfahren, S. 27; Weigand, in: BB 1996, S. 2106 ff. (2108); Wang In: Arb. Int 2/2000, S. 189 ff. (198). 84 Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 4. 85 ICC, 2004 Statistical Report, S. 13. 86 Schmitt/Geiger, in: Tiefbau 1/2005, S. 25 ff.; Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2108). 87 Lionett, in: J. of Int. A. 4/1987, S. 69 ff. (69); Siehe auch Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (196), wo sich eine grobe Aufzählung aller Kostenfaktoren in Schiedsverfahren findet. Zur Frage, ob Verfahrenskosten durch den Schiedsrichter in einem Schiedsspruch berücksichtigt werden sollten siehe: Smith, in: Disp. Res. J. Feb./Ap. 2001, S. 30 ff. 88 F. A. Z. vom 15. Juni 2009, S. 15. 89 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 36 f,; Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1864); Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (200). 90 Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (304). Problematisch erscheint beispielsweise, dass der Neutrale Dritte im Rahmen von Einzelgesprächen mit den Parteien Informationen mit der Maßgabe erhält, diese nicht an die andere Partei weiterzugeben. Folge hiervon ist, dass die andere Partei sich zu diesen Informationen nicht erklären kann. Die Beteiligung des neutralen
§ 4 Eigenschaften der ADR-Verfahren
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die Gefahr des Missbrauchs durch eine der Parteien. So können ADR-Verfahren durch eine Streitpartei zur Prozessverschleppung genutzt werden.91 Die durch das ADR-Verfahren gewonnene Zeit könnte der Streitgegner dabei zum Beispiel dafür nutzen, alle seine Aktivposten auf die Seite zu schaffen und sich oder seine Firma für bankrott zu erklären.92 Da die erfolgreiche Durchführung eines ADR-Verfahrens eine gewisse Offenlegung von Interessen und Positionen der Parteien voraussetzt, kann das ADR-Verfahren durch eine Partei auch zur Erlangung prozesswesentlicher Informationen missbraucht werden.93 ADR-Verfahren sind zudem im Unterschied zu Entscheidungsverfahren im Falle ihres Scheiterns vollkommen unproduktiv,94 da sie in diesem Fall ohne Ergebnis enden.95 Zwar ist die Streitbeilegung mit Hilfe von ADR-Verfahren im Vergleich zu traditionellen Entscheidungsverfahren im Erfolgsfall, wie bereits oben erläutert, billiger und schneller, doch gilt dies nicht für den Fall, dass das Verfahren scheitert.96 Ferner darf nicht übersehen werden, dass am Ende eines erfolgreichen ADR-Verfahrens ein Vergleich steht. Dessen Höhe wird aber, bedingt durch den einvernehmlichen Abschluss, immer niedriger sein als die eines Urteils.97 Hieraus kann wiederum resultieren, dass bei Vertragsschluss bereits vereinbarte ADR-Verfahren eine Partei zum Vertragsbruch verleiten, da sie in ihnen dann einen Vorteil für sich sehen kann, wenn der Nutzen des Vertragsbruches voraussichtlich höher als der Schaden in Form des Vergleiches sein wird.98 Nicht zuletzt muss auch angemerkt werden, dass in ADR-Verfahren gewisse Werkzeuge staatlicher Gerichte nicht zur Verfügung stehen. Anders als in Dritten bei späteren Schieds- oder Gerichtsverfahren könnte daher genauso problematisch erscheinen wie die Berücksichtigung von in dem ADR-Verfahren erzielter Ergebnisse. 91 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 409; Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 40. 92 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 186 ff. (198). 93 Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1871); Schubert/Haase, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 263. 94 Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (304); ELSER, Mediation als Verbraucher-ADRVerfahren, S. 122. Jedoch ist dies nicht zwingend, da, je nachdem wie weit das ADR-Verfahren gediehen war, zuweilen der dann vor ein Schieds- oder Nationalgericht gehende Streit durch das ADR-Verfahren konkretisiert wurde oder die Parteibeziehung durch das ADR-Verfahren wieder gestärkt wurde. Siehe: Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 207, Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 408; Sturrock, in: Scots L. T. 10/2009, S. 49 ff. (52); Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 13. 95 Anders ist dies bei Entscheidungsverfahren wie der Schiedsgerichtsbarkeit oder der staatlichen Gerichtsbarkeit, welche den Konflikt, wenn auch erst in letzter Instanz, in jedem Fall zu einem absoluten Ende führen. 96 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 186 ff. (197). Schubert/Haase, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 263. 97 Davis, in: Caller (Hrsg.), ADR and Commercial Disputes, S. 9. 98 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 7.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
einem deutschen Gerichtsverfahren wird zum einen jede Partei ihre Kosten zumeist99 selber tragen.100 Im Zuge eines ADR-Verfahrens ist es zum anderen nicht möglich, durch die Erwirkung einer einstweiligen Anordnung Positionen zu sichern.101 Außerdem besteht nicht die Möglichkeit, Dritte im Zuge der Streitverkündung in das Verfahren zwangsweise mit einzubeziehen, um sich an diesen eventuell schadlos zu halten.102 Neben diesen Verfahrensnachteilen löst das ADR-Verfahren zudem im Gegensatz zu Gerichtsverfahren gewisse materiell-rechtliche Erleichterungen nicht aus.103
IV. Anwendungsfälle und Positionierung von ADR-Verfahren Bei der Positionierung der ADR-Verfahren innerhalb traditioneller Streitverfahren ist zuerst anzumerken, dass ADR-Verfahren zu Entscheidungsverfahren, anders als der Name vermuten lässt nicht im Alternativverhältnis, sondern vielmehr im Wege der Ergänzung stehen.104 Tatsächlich werden ADR-Verfahren zum Beispiel häufig in Verbindung mit Entscheidungsverfahren als eine Vorstufe verwendet.105 Das Schlagwort hierfür ist die Multi-Tiered Dispute Resolution, bei der bereits bei Vertragsschluss ein klares Regime der Anwendbarkeit und Reihenfolge der einzelnen Streitbeilegungsverfahren vereinbart wird.106 Nichtsdestoweniger eignen sich ADR-Verfahren nicht für die Beilegung einer jeden Streitigkeit. Die Entscheidung, einen Konflikt im Wege eines ADRVerfahrens beizulegen, ist für die Partei vielmehr risikoreich und im Ergebnis unsicher, so dass die Partei bereit sein muss, dieses Risiko einzugehen und Geld sowie Zeit für die Chance eines ungewissen, wenn nicht sogar gefährlichen Ergebnisses aufzuwenden.107 Folgend sollen nur kurz typische Anwendungs-
99 Es steht den Parteien natürlich frei, im Vorhinein eine andere Kostenregelung als die Teilung der Kosten zu vereinbaren. Zu möglichen Varianten siehe: Mackie/Miles/Marsh/Allen, in: The ADR Practice Guide, S. 229 ff., 149. 100 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 35. 101 Davis, in: Caller (Hrsg.), ADR and Commercial Disputes, S. 7 f. 102 Schubert/Haase, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 264. 103 Man denke nur an die an verschiedensten Stellen des BGB vorgesehenen Haftungsverschärfungen wie z. B. in § 292 BGB oder aber die Unterbrechung der Ersitzung nach § 941 BGB. Vgl. hierzu Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 146 f. 104 Risse, in: ZKM 6/2004, S. 244 ff. (244); Schiffer, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 7; Tercier, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. xxiii. Auch die ICC nennt dieses ergänzende Verhältnis zwischen ADR-Verfahren und Schiedsgerichtsbarkeit in dem den ADR Regeln angefügten Leitfaden. Siehe: ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 18. 105 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 186 ff. (210). 106 Siehe hierzu näher Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. 107 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 22.
§ 4 Eigenschaften der ADR-Verfahren
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fälle von ADR-Verfahren dargestellt werden und eine grobe Einordnung erfolgen.108 Ein typisches Anwendungsfeld für ADR-Verfahren sind große Bauprojekte.109 Hier führt eine Streitbeilegung mit Hilfe von Schieds- oder Gerichtsverfahren aufgrund der Dynamik und Komplexität solcher Projekte nur zu unbefriedigenden Ergebnissen.110 Schon bei Vertragsbeginn vereinbarte DRBs hingegen sorgen dafür, dass das Bauprojekt bei Aufkommen der bei solchen Projekten unvermeidbaren Streitigkeiten nicht ins Stocken gerät und der Streit sach- und zeitnah beigelegt wird.111 Das ADR-Verfahren wirkt in solchen Fällen als Kommunikationsplattform, durch die Fach- und Projektwissen konsolidiert wird.112 Auch Verträge, die die Herstellung von Prototypen betreffen, eignen sich besonders für ADR-Verfahren, da hier naturgemäß im Vorhinein nur grob die Leistungsmodalitäten geregelt werden können113 und Ergänzungen im Wege der Verhandlung und des Vergleichs festgelegt werden können. Ferner eignen sich internationale und interkulturelle Streitigkeiten gut für die Beilegung mit Hilfe von ADR-Verfahren.114 Bei internationalen Streitigkeiten ist der Grund hierfür, dass das auf den Vertrag anwendbare Recht häufig entweder nur unsicher zu bestimmen ist oder aber bezüglich des Konfliktes keine oder nur unzureichende Regelungen enthält.115 Bei interkulturellen Streitigkeiten hingegen bieten sich ADR-Verfahren an, da der neutrale Dritte die reflexive Selbstkontrolle der Parteien stützen kann und damit ein interkultureller Dialog erleichtert wird.116 Ferner bieten sich Streitigkeiten für eine ADR-Lösung an, welche im Rahmen von auf lange Zeiträume angelegten Verträgen entstehen.117 Ein typisches Feld sind außerdem Auseinandersetzungen innerhalb eines Konzernverbundes.118 Auch die Größe eines Vertrages, die Anzahl der Vertragsparteien sowie die Anzahl der durch den Konflikt mitbetroffenen Nichtvertragsparteien können die Durchführung eines ADR-Verfahrens nahelegen.119 108 Genauer zum Umfeld für ADR-Verfahren siehe Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 21–52; oder auch Duve/Ponschab, Konsens 5/1999, S. 263–268. 109 Vgl. näher hierzu Schmitt/Geiger, in: Tiefbau 1/2005, S. 25 ff. oder Flucher/Kochendörfer/Minckwitz,Viering, Mediation im Bauwesen. 110 Harbst/Mahnken, in: SchiedsVZ 1/2005, S. 34 ff. (34); Stubbe, in: BB 14/2001, S. 685 ff. (685). 111 Harbst/Mahnken, in: SchiedsVZ 1/2005, S. 34 ff. (34); Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (24); Risse, in: ZKM 6/2004, S. 244 ff. (245). 112 Demeyere, in: IDR 1/05, S. 21 ff. (23). 113 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 44. 114 Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 220; Kovach, Mediation, S. 356. 115 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 47. 116 Schwinger, in: ZKM 4/2004, S. 165 ff. (167). 117 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 47. 118 Stubbe, in: BB 14/2001, S. 685 ff. (686). 119 Näher hierzu: Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 48 f.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
Doch es gibt auch Erwägungen, welche die Wahl eines ADR-Verfahrens im Konfliktfall ausschließen. So eignen sich ADR-Verfahren zum Beispiel nicht für die Beilegung von Streitigkeiten, bei denen ein Präzedenzfall für weitere Streitigkeiten geschaffen werden könnte.120 Ein Gerichtsurteil kann durch die Parteien ferner in Fällen erwünscht sein, in denen das Urteil an die Öffentlichkeit eine Signalwirkung haben soll.121 Wie abschreckend die Wirkung eines Urteils sein kann, verdeutlicht auf drastische Weise der Fall der US-Amerikanerin Jammie Thomas-Rasset. Diese wurde anfänglich122 für den illegalen Download von 24 MP3-Liedern zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 1,92 Millionen Dollar verurteilt.123 Es muss jedoch auch bedacht werden, dass aus Gründen der öffentlichen Wahrnehmung auch ein einvernehmliches Verfahren angezeigt sein kann. Ein Beispiel hierfür ist der Streit zwischen der AGIV AG und der Hollandsche Beton Groep nv, die nach einvernehmlicher Beilegung ihrer Streitigkeiten die Öffentlichkeit hierüber informierten.124 Sollten die Parteien eine schnelle Lösung des Konflikts anstreben, sind ADRVerfahren zudem nicht immer schneller als Gerichtsverfahren. Auch kennt das ADR-Verfahren, anders als Gerichtsverfahren, keine direkt durchsetzbare gerichtliche Eilanordnung.125 Die Wahl eines ADR-Verfahrens wäre zudem dann unangebracht, wenn die dem Streit zugrunde liegende Geschäftsbeziehung bereits derart zerstört ist, dass das für ein ADR-Verfahren notwendige Vertrauen auf keinen Fall mehr hergestellt werden kann.126 Dabei ist auch die Intensität des Konfliktes ausschlaggebend: je höher die Intensität des Streits steigt, desto eher scheitert die Mediation.127 Fehlendes Vertrauen kann aber auch dadurch entstehen, dass eine Partei in der Vergangenheit ein ADR-Verfahren zur Verschleppung genutzt hat. Zuletzt darf auch nicht unbeachtet bleiben, dass eine Partei des Streits einfach kein Interesse an der einvernehmlichen Beilegung 120 Davis, in: Caller (Hrsg.), ADR and Commercial Disputes, S. 8; Kraft, in: VersR 22/2000, S. 935 ff. (941), Risse, in: NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1620), Schubert/Haase, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 263; Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 12; WEIGEL, in: NJOZ 2015, S. 41 ff. (41). 121 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 186 ff. (201). Zur immer mehr zunehmenden Bedeutung der Litigation PR siehe: F. A. Z. vom 16./17. Mai 2009, C2 und Holzinger/Wolff, Im Namen der Öffentlichkeit. 122 Anzumerken ist, dass diese Summe später auf 222.000 Dollar reduziert wurde. Vgl. 692 F. 3d 899 C. A. 8 (Minn.), 2012. 123 Siehe hierzu näher: F. A. Z. vom 20. Juni 2009, S. 14. 124 Über den Inhalt der außergerichtlichen Einigung wurde jedoch Stillschweigen vereinbart. Siehe näher zu dem Fall Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 218 f. 125 Davis, in: Caller (Hrsg.), ADR and Commercial Disputes, S. 7 f., Kraft, in: VersR 22/2000, S. 935 ff. (941); Risse, In NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1620). 126 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (11). 127 Näher zu dieser sehr strittigen Aussage siehe: Kleiboer, in: J. of. C. Res. 2/1996, S. 360 ff. (363 f.), die den Meinungsstand hierzu für den Bereich der internationalen zwischenstaatlichen Mediation darstellt.
§ 5 Allgemeine Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung
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haben kann und somit die Durchführung eines ADR-Verfahrens von Anfang an als sinnlos erscheint.128 Insgesamt ergibt sich damit ein breites Anwendungsspektrum für ADR-Verfahren. Dabei lassen sich ADR-Verfahren bereits im Vorfeld von Konflikten zum Beispiel bei Vertragsschluss berücksichtigen, um das Aufkommen von Streitigkeiten von vorne herein zu verhindern.129 Dies ist auch der Grund dafür, dass die Präambel der ICC-ADR-Regeln nicht alleine auf die Anwendbarkeit im Konfliktfall, sondern auch bereits bei Meinungsverschiedenheiten hinweist.130 Andererseits bietet es sich im Konfliktfall oft an, vor dem Beschreiten eines Entscheidungsverfahrens ein ADR-Verfahren durchzuführen, da dieses in vielen Fällen weniger kostspielig und sanfter als ein Entscheidungsverfahren ist.131 Doch auch wenn Entscheidungsverfahren bereits beschritten oder sogar abgeschlossen wurden, hindert dies die Parteien nicht, aus diesen in ein einvernehmliches Verfahren zurückzukehren.132 Dabei ist es beispielsweise in Deutschland gem. § 278 V 2 ZPO sogar für den Richter in einem Zivilrechtsstreit möglich, den Parteien die einvernehmliche Streitbeilegung nahezulegen. Auch in Schiedsverfahren können die Parteien zurück zu einer einvernehmlichen Beilegung gehen.133 Dabei bleibt anzumerken, dass, auch wenn zunächst ein ADR-Verfahren nicht zweckmäßig erschien, sich eine solche Zweckmäßigkeit im Nachhinein noch einstellen kann.134
§ 5 Allgemeine Entwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung Anders als man vermuten mag, handelt es sich bei der einvernehmlichen Streitbeilegung nicht um eine Neuerung aus dem zwanzigsten Jahrhundert.135 Die einvernehmliche Streitbeilegung ist vielmehr ein tradiertes Verfahren, dessen Wurzeln sich bis zu 2600 Jahre zurückverfolgen lassen.136 So wurde bereits im antiken Griechenland im Konfliktfall ein durch Mediation geschlossener 128 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 209, Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (10). 129 So zum Beispiel mit DRBs (s. o.). Doch auch andere ADR-Verfahren können im Vorhinein vereinbart werden. 130 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 7, 21. 131 Fox, International Commercial Agreements, S. 146. 132 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 114. 133 Siehe ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 18. 134 Als Beispiel sei hier z. B. die Durchsetzung eines Urteils genannt, wenn im Nachhinein zwischen den Parteien ein Streit über das Zustandekommen oder aber die Wirksamkeit eines Urteils entsteht. Ein weiteres Beispiel wäre die bei Vollstreckung des Urteils sofort eintretende Insolvenz einer Partei, die eine volle Befriedigung des Titels ausschließen würde. Im Rahmen eines nachträglichen ADR-Verfahrens könnte hier eine Ratenzahlungsabrede getroffen werden. 135 Roebuck, in: Arb. 73/2007, S. 105 ff. (105). 136 Hehn, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 78.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
Vergleich bevorzugt.137 So finden sich in der Ilias bereits Stellen, an denen es zu Mediationen oder mediationsähnlichen Situationen kommt.138 In der Bibel finden sich zahlreiche Textstellen,139 in welchen auf die einvernehmliche Streitbeilegung eingegangen wird.140 Auch in zahlreichen afrikanischen Kulturen ist die einvernehmliche Streitbeilegung seit alters her, zum Beispiel in der Form des Palavers, ein tradiertes Streitbeilegungsverfahren. So war es in den Rechtsordnungen Afrikas und Madagaskars stets Aufgabe des Richters, nicht etwa allein einen verbindlichen Spruch zu treffen und zu entscheiden, was gerecht ist, sondern den Streit durch Ausgleich der Interessen zu befrieden, wobei die Verhaltensnormen des afrikanischen Gewohnheitsrechts lediglich eine Diskussionsgrundlage bildeten und nicht die Rechtsprechung, sondern vielmehr die Friedenswahrung im Mittelpunkt stand.141 Die Gründe für die hohe Bedeutung der einvernehmlichen Streitbeilegung in China sind ähnlich. Hier stellt die einvernehmliche Streitbeilegung ein traditionelles Mittel,142 wenn auch nicht das einzige,143 zur Streitbeilegung dar. Die Anrufung von Gerichten gilt hier als unehrenhaft144 und damit als zu verhindernde Störung der sozialen Harmonie.145 Diese Einstellung ist vor allem im Konfuzianismus begründet, nach dem, ähnlich wie in den meisten afrikanischen Stammeskulturen, nicht das Recht des Einzelnen, sondern das Funktionieren der sozialen Ordnung im Mittelpunkt steht.146 Die Streitvermeidung und Streitschlichtung finden dabei im kleinstmöglichen Kreis statt.147 Die Wurzeln der Mediation in China lassen sich bis in die Zhou-Dynastie (1066–221 v. Chr.) zurückverfolgen.148 Neben China ist auch Japan ein asiatisches Land, in dem die einvernehmliche Streitbeilegung schon seit langem praktiziert wird. So bringen
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Roebuck, in: Arb. 73/2007, S. 105 ff. (106). Siehe näher hierzu: Roebuck, Ancient Greek Arbitration, S. 56 ff. 139 So handelt das 1. Buch der Korinther in Kapitel 6 Verse 1–6 davon, dass Rechtsstreitigkeiten unter Gemeindemitgliedern nicht vor Gericht gehören, sondern durch ein unparteiisches Gemeindemitglied beigelegt werden sollen. 140 Flucher/Kochendörfer/Minckwitz,Viering, Mediation im Bauwesen, S. 8. 141 Wähler, in: David/Grasmann (Hrsg.), Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, S. 629. 142 Pißler, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 602. 143 Zu der gängigen Fehlannahme, es sei das einzige außergerichtliche Streitbeilegungsmittel in Asien, siehe: Diamant, in: J. of Confl. Res., 44/2000, S. 523 ff. (523). 144 Cohen, in: Cal. Law Rev., S. 1201 ff. (1206). 145 Bauer, China und die Fremden, S. 201. 146 Cohen, in: Cal. Law Rev., S. 1201 ff. (1207). 147 Stricker, in: David/Grasmann (Hrsg.), Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, S. 548. 148 Pißler, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 602. Zu den Ursachen für die frühe Entwicklung der Schlichtung siehe: Gerke, Die Schlichtung im chinesischen Recht, S. 20 ff. 138
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die Gesetze des Tokugawa Shogunats (1603–1868 n. Chr.) in Japan die hohe Bedeutung der Mediation für die damalige Gesellschaft klar zum Ausdruck.149 Auch die Ureinwohner des nordamerikanischen Kontinents verwendeten regelmäßig die Mediation zur Beilegung von Streitigkeiten. Bei den NavajoIndianern war es die Aufgabe des naat’aanii, der gewähltes Oberhaupt der Gemeinschaft war, als Mediator im Streitfall zu handeln.150 Dabei war den Navajos aufgrund ihrer Erfahrungen bereits bewusst, dass die durch die Wahl abgeleitete Autorität des naat’aanii ausschlaggebend für den Erfolg der Mediation ist.151 Die Navajos waren sich also eines wesentlichen Erfolgsfaktors einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren bereits sehr früh bewusst: der Autorität. Auch in Australien zählt die einvernehmliche Streitbeilegung zu den tradierten Verfahren. So gibt es für den Bundestaat Queensland zum Beispiel seit 1892 eine gesetzliche Regelung im Courts of Conciliation Act.152 In den Vereinigten Staaten von Amerika schuf die jüdische Gemeinde in New York im Jahre 1920 das Jewish Conciliation Board.153 Insgesamt war die einvernehmliche Streitbeilegung damit schon immer Teil der Verfahrenslandschaft zur Konfliktbeilegung. Jedoch wurde der einvernehmlichen Streitbeilegung als Gesamtheit lange Zeit nicht die Aufmerksamkeit zuteil, welche ihr in den letzten dreißig Jahren gewidmet wurde. Erst ab hier bildete sich, vor allem durch die wissenschaftliche Betrachtung von Verhandlungs- und Vermittlungsverfahren in Nordamerika und Europa, ein differenziertes Verständnis einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren.154 Ihren Anfang nahm diese Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo ein wachsendes Interesse an alternativen Streitbeilegungsverfahren entstand, wobei die Pound Conference155 der American Bar Association im Jahr 1976 in Minnesota oftmals als Startpunkt gesehen wird.156 Dabei gab es eine Vielzahl von Auslösern für dieses gesteigerte Interesse. Zum einen wurde durch Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre nach Wegen gesucht, den einzelnen in die Lage zu versetzen, Streitigkeiten außerhalb des staatlichen Autoritätssystems beizulegen.157 Eine Lösung
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Cohen, in: Cal. Law Rev., S. 1201 ff. (1209). Austin, in: The Judge’s Journal, 32/1993, S. 9 ff. (10). 151 Austin, in: The Judge’s Journal, 32/1993, S. 9 ff. (10). 152 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (430). 153 Duve, in: BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (10). 154 Hehn, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 79. 155 Der volle Namen der Konferenz war: National Conference on the Causes of Popular Dissatisfaction with the Administration of Justice. 156 Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (138); Duve, in: BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (10); Kovach, Mediation, S. 28; Specter/Pearlmann, in: Esplugues/Barona (Hrsg.), Global Perspectives on ADR, S. 537 ff. (545). 157 Duve, in: BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (10). 150
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war die Schaffung der Community und Neighborhood Centers.158 Deren Erfolg führte dann rasch zu einer zunehmenden Institutionalisierung der Mediation, die schließlich mit dem Konzept des multi-door-courthouse159 auch den staatlichen Bereich erfasste.160 Hinzu kam die zunehmende Unzufriedenheit der Bürger bei der Durchsetzung staatlicher Bau- und Planungsvorhaben, sodass man sich mit alternativen Formen der Konfliktregelung in den 1970er Jahren näher auseinandersetzte.161 Doch auch im Bereich komplexer Wirtschaftsstreitigkeiten entwickelte sich ein zunehmendes Interesse an dem Konzept der alternativen Streitbeilegung. Der Hauptgrund hierfür lag in der Länge, den hohen Kosten sowie der prozessualen Ausgestaltung US-amerikanischer Zivilprozesse.162 Ein Faktor163 hierbei war die sogenannte American Rule,164 nach welcher, unabhängig vom Prozessausgang, jede Partei ihre eigenen Prozess- und Anwaltskosten zu tragen hat.165 Gerade diese Regelung macht es für Gläubiger kleiner Verfahren166 wirtschaftlich unmöglich, ihr Recht durchzusetzen, da der Streitwert die Prozesskosten klar übersteigen muss, um einen Prozess wirtschaftlich sinnvoll erscheinen zu lassen.167 Ein weiterer Grund waren die Prozesskosten US-amerikanischer Verfahren. Diese erreichen besonders bei komplexen Wirtschaftsstreitigkeiten, bedingt durch die umfangreiche Zeugen- und Parteivernehmung im Zuge der Discovery,168 astronomische Höhen.169 So kam es im Jahre 1979 dann auch aufgrund der sogenannten “pathology of litigation” auf Initiative von Fortune 500-Unternehmen und größeren Anwaltskanzleien zu der Gründung 158
Duve, in: BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (10). zuerst von Prof. Frank E. A. Sander geprägte Begriff umschreibt einen Prozess, durch welchen eine Streitpartei die für sie am besten geeignete Streitbeilegungsmethode findet. Siehe: Kovach, Mediation, S. 30. 160 Risse, WM, 37/1999, s. 1864 ff. (1865). 161 Hehn, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 89 f. 162 Auch dieser Meinung: Gottwald, in: FPR, 4/2004, S. 163 ff. (164). 163 Schütze, in: ZVglRWiss 97/1998, S. 117 ff. (118). 164 Trotz der durch sie entstehenden Ungleichheit wurde die American Rule durch den US Supreme Court in seiner Verfassungsmäßigkeit wiederholt bestätigt. Vergleiche z.B: Alyeska Pipeline Services Co. v. Wilderness Society, 421 U. S. 240, 247 (1975). 165 Garner, Black’s Law Dictionary, S. 98; Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 59. 166 Dies gilt zumindest für vertragliche Verfahren, da hier nach sec. 1–106 (1) des Uniform Commercial Code (UCC) kein Strafschadensersatz zuerkannt werden kann. 167 Weinschenk stellte in einer Untersuchung fest, dass die gerichtliche Eintreibung einer Forderung in den USA in den Mittsiebzigern des zwanzigsten Jahrhunderts erst ab einem Streitwert von 10.000 $ als wirtschaftlich sinnvoll erachtet werden kann. Siehe: Weinschenk, in: AWD, 3/1973, S. 131 ff. (131). 168 Die Discovery ist die obligatorische Bekanntgabe von Information bezüglich des Streitgegenstandes auf Anfrage der anderen Partei. Siehe: Garner, Black’s Law Dictionary, S. 533. 169 Risse, WM 37/1999, S. 1864 ff. (1865). Vgl. näher zur Discovery und den mit ihr einhergehenden Problemen Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S. 44 ff. 159 Der
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des Center for Public Resources (CPR) in New York,170 welches die Aufgabe hatte, ADR-Methoden zu fördern und zu verbreiten.171 Doch nicht allein die Kosten waren Einflussfaktoren, durch die es zu einer Begünstigung der Entwicklung von ADR-Verfahren kam. Auch das Jurysystem der Vereinigten Staaten begünstigte, ob seiner Unberechenbarkeit bezüglich des Urteils, die Entwicklung von ADR-Verfahren.172 Damit machten die Kosten und Länge von US-amerikanischen Zivilverfahren sowie die Institutionen des Jurytrial und der Discovery173 den Gang vor ein staatliches Gericht in einigen Fällen sehr unattraktiv, womit der Weg für Alternativen vorgezeichnet war.174 Zur tatsächlichen wissenschaftlichen Aufarbeitung der einvernehmlichen Streitbeilegung kam es erst nach einem Aufruf von Frank Sander 1976 auf der Pound Conference, als dieser am Ende eines von ihm gehaltenen Vortrages zur alternativen Streitbeilegung die dort versammelte Anwaltschaft und Vertreter der Justiz dazu aufforderte, sich intensiver mit der Frage nach geeigneteren Streitbeilegungsverfahren zu beschäftigen.175 Insgesamt ist die Alternative Dispute Resolution in den Vereinigten Staaten von Amerika also eine “solution born out of crisis”.176 Diese “solution” fand in ihrer neu und zeitgemäß definierten Form dann aus den USA177 ihren Weg in den Rest der Welt.178 Auf internationaler Ebene etablierten sich zudem immer mehr Institutionen, welche ADR-Regelwerke beziehungsweise die Streitbeilegung mit Hilfe von ADR-Verfahren anboten. So wurde im Jahr 1988 zum Beispiel die China International and Economic Trade Arbitration Commission (CIETAC) geschaffen, die seit ihrer Gründung den Fokus auf Verfahren wie die Schlichtung legte.179 Weitere Beispiele wären die AAA, ICSID, LCIA und die WIPO, die inzwischen alle ihre eigenen Schlichtungs- oder Mediationsordnungen anbieten.180 Auch die UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) beschäftigte sich mit dem Thema der einvernehmlichen Streitbeilegung und verabschiedete erstmals im Juli 1980 ihre UNCITRAL Con170
Duve, in: BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (10); Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2106). Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2106). 172 Schütze, in: ZVglRWiss 97/1998, S. 117 ff. (118). 173 Vgl. hierzu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S. 46. 174 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (414). 175 Sander, in: Levin/Wheeler (Hrsg.), The Pound Conference, S. 86 f. 176 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (414). 177 Neben den USA waren auch Länder wie z. B. Kanada, Australien und England Wegbereiter von ADR Verfahren. Siehe hierzu : Alexander, in: Alexander (Hrsg.), Global Trends in Mediation, S. 2; Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 9; Mistelis, in: Alexander (Hrsg.), Global Trends in Mediation, S. 138. 178 Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1870); Weigand, in: Practitioner’s Handbook on International Arbitration, S. 96; Tochtermann, in: JuS 2/2005, S. 131 ff. (131); Weigand, in: BB 1996, S. 2106 ff. (2106). 179 Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. 2. 180 Hunter, in: Arb. Int. 4/2000, S. 379 ff. (383). 171
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ciliation Rules und daneben schließlich am 24. 06. 2002 ihr UNCITRAL Model Law on International Conciliation.181 In Deutschland zogen die aus den Vereinigten Staaten kommenden Neuerungen erst ab den 1990er Jahren ein nennenswertes, nicht allein akademisches Interesse auf sich.182 Dieses Interesse entwickelte sich dabei schlagartig zu einer regelrechten Euphorie, in welcher die Mediation als omnipotentes Streitbeilegungsverfahren gesehen wurde.183 Diese Euphorie wich dann aber einer differenzierten Betrachtung.184 Dabei kam es paradoxerweise zu einer Übertheoretisierung in Deutschland, nach welcher sich der Markt für einvernehmliche Streitbeilegung den Modellen der Theorie anpassen sollte und insofern einer der zentralen Vorteile von ADR-Verfahren, nämliche deren Flexibilität, aufgegeben wurde.185 Mit der Einführung der Öffnungsklausel in § 15a EGZPO186 am 15. 12. 1999 und deren in Kraft treten zum 1. 1. 2000 wurde dann auch durch den deutschen Gesetzgeber die Frage der außergerichtlichen Streitbeilegung erneut187 aufgegriffen und eine Form der gerichtsverbundenen Streitschlichtung geschaffen.188 Gemäß § 15a EGZPO wurde es für die Länder möglich, Gesetze zu schaffen, die die Erhebung einer Klage erst dann zulässig werden lassen, wenn es im Vorhinein zu einem Schlichtungsversuch zwischen den Parteien gekommen war. Zum 21. 07. 2001 kam es dann zu einer weiteren Institutionalisierung der Mediation in Deutschland durch die Einführung des § 278 V 2 ZPO, durch welchen es für die Gerichte möglich wurde, den Parteien in geeigneten Fällen eine außergerichtliche Streitbeilegung nahe zu legen.189 Mit Umsetzung der Mediationsrichtlinie im Rahmen des Mediationsgesetzte und in Folge der bevorstehenden Umsetzung der ADR-Richtlinie und der Einführung der ODRVerordnung wurde diese Entwicklung noch weiter vorangetrieben. 181
(297).
Dendorfer, in: DB 3/3003, S. 135 ff. (139); Friedrich, in: SchiedsVZ 6/2004, S. 297 ff.
182 Gottwald, in: FPR, 4/2004, S. 163 ff. (164). Zu beachten bleibt jedoch, dass selbstverständlich bereits vor dieser Entwicklung Güteverfahren in Deutschland bekannt waren, jedoch ob der geringen tatsächlichen Ingebrauchnahme in Vergessenheit gerieten. Vgl.: Stadler, in: NJW 34/1998, S. 2479 ff. (2480). 183 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 7. 184 Tochtermann, in: JuS 2/2005, S. 131 ff. (135). 185 Alexander/Gottwald/Trenczek, in: Alexander (Hrsg.), Global Trends in Mediation, S. 201. 186 BGBl. I vom 21. 12. 1999, Nr. 55, S. 2400. 187 Bereits im Jahr 1924 gab es mit dem § 495 a ZPO a. F. eine Regelung im deutschen Recht, die ein obligatorisches Güteverfahren für alle amtsgerichtlichen Prozesse vorsah. Diese Verfahren wurden jedoch mit der letzten Regelung, §§ 608 ff. ZPO a. F., aufgrund ihrer Erfolgs- und Bedeutungslosigkeit abgeschafft. Vgl. Stadler, in: NJW 34/1998, S. 2479 ff. (2480). 188 Tochtermann, in: JuS 2/2005, S. 131 ff. (134). 189 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 8; Schneeweiß, in: DRiZ 2002, S. 207 ff.; Trittmann/Schroeder, in: SchiedsVZ 2005, S. 71 ff. (74).
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Heute ist die einvernehmliche Streitbeilegung in Deutschland von der Angebotsseite190 zwar weit entwickelt,191 doch ist die tatsächliche Relevanz nicht mit der in Ländern wie zum Beispiel den Vereinigten Staaten oder Australien vergleichbar.192 Dennoch lässt sich inzwischen eine verstärkte Bedeutung der außergerichtlichen Streitbeilegung in Deutschland auch auf der Seite der Verwender beobachten.193 Beachtlich ist zudem, dass sich in Deutschland die Diskussion über die einvernehmliche Streitbeilegung weitestgehend auf das Verfahren der Mediation und die Schlichtung beschränkt. Die Vielzahl weiterer Methoden der außergerichtlichen Streitbeilegung wird hingegen nur selten beleuchtet. Es scheint vielmehr so, als würde in Deutschland die einvernehmliche Streitbeilegung mit dem Begriff der Mediation bzw. der Schlichtung gleichgesetzt. Ein differenziertes Verständnis, wie es zum Beispiel in den USA zu finden ist, besteht hingegen in Deutschland derzeit noch nicht.194 In anderen Rechtsordnungen zählt die alternative Streitbeilegung hingegen bereits zum Standardrepertoire. Besonders in den Vereinigten Staaten,195 der Volksrepublik China,196 Japan,197 Australien198 sowie England und Neuseeland199 ist die außergerichtliche Streitbeilegung fester Bestandteil der Konfliktlösungslandschaft geworden. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Frankreich,200 besteht hingegen wie in Deutschland noch Entwicklungsbedarf. Ein wichtiger Schritt bei der Etablierung einvernehmlicher Verfahren in Europa war jedoch die Verabschiedung der Richtlinie 2008/52/EC am 21. 05. 2008, welche 190
Sprich an neutralen Dritten, Institutionen und Regelwerken. Für eine Übersicht über einige deutsche Institutionen im Bereich der Mediation siehe: Hehn/Rüssel, in: NJW 5/2001, S. 347 ff. 192 Alexander/Gottwald/Trenczek, in: Alexander (Hrsg.), Global Trends in Mediation, S. 181. 193 Vgl. hierzu die kurze Zusammenfassung von Duve, in: AnwBl. 1/2004, S. 1 ff. (2). 194 Mit der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung ist allerdings in Deutschland eine Diskussion aufgekommen, die auch in Bezug auf die zur Anwendung kommenden Streitbeilegungsmethoden breiter als zuvor verläuft. Vgl. etwa Busch/Reinhold, in: EuCML 2015, S. 50 ff; Trossen, in: SchiedsVZ 2015, S. 187 ff. 195 Cairns, in: Disp. Res. J., Aug/Okt. 2005, S. 62 ff. (64). Eine Studie der American Arbitration Association aus dem Jahr 2003 ergab, dass 85 % der befragten Unternehmen in den letzten drei Jahren eine Mediation durchgeführt hatten. Siehe: American Arbitration Association, Dispute-Wise Business Management, S. 16. 196 Siehe Pißler, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 627, wo davon die Rede ist, dass in der Volksrepublik China durch Volksschlichtungskomitees in den Jahren 2003–2006 fast 16 Millionen Streitigkeiten mit einer Erfolgsquote von über 95 % geschlichtet wurden. 197 Siehe Hwang S. C./Seng Onn/Chuan Tat, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 174 f., wo berichtet wird, dass im Jahr 2004 in Japan ca. 440.000 Fälle von court-annexed conciliation in zivilen Schlichtungsverfahren durchgeführt wurden. 198 Vergleiche hierzu: Sourdin, in: Alexander (Hrsg.), Global Trends in Mediation, S. 34 ff. 199 Cairns, in: Disp. Res. J., Aug/Okt. 2005, S. 62 ff. (64). Siehe näher zur Entwicklung von ADR Verfahren in Groß Britannien Kallipetis/Ruttle, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 191 ff. 200 Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 250. 191
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Kapitel II: ADR-Verfahren
die Anwendung der Mediation bei grenzübergreifenden Streitigkeiten fördern soll und damit, durch einen Halo-Effekt, auch die Attraktivität der Mediation in nationalen Streitigkeiten fördern wird.201
§ 6 Verbreitung von ADR-Verfahren in der Praxis ADR-Verfahren sind heutzutage fester Bestandteil vieler Rechtsordnungen und besonders aus dem angloamerikanischen und asiatischen Rechtskreis nicht mehr wegzudenken.202 Dabei finden sich alternative Streitbeilegungsformen in fast allen Bereichen des täglichen Lebens wieder.203 So gibt es Mediation unter anderem in Familien- und Erbstreitigkeiten,204 in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten205 sowie mit dem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB auch im Strafrecht.206 Im Verwaltungsrecht kommen ADR-Verfahren zudem beispielsweise bei Großprojekten wie dem Frankfurter Flughafen oder aber beim Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs207 immer öfter zum Zuge.208 Besondere Bedeutung haben ADR-Verfahren in den letzten Jahren jedoch in wirtschaftlichen Streitigkeiten erlangt. Wirtschaftsmediation oder Dispute Management sind nur zwei der Schlagwörter, die immer häufiger anzutreffen sind. In den USA zählen einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren inzwischen zum Alltag und haben eine große Bedeutung erlangt.209 In den letzten Jahren ist interessanterweise jedoch das Interesse an der ehemals so prominenten Schiedsgerichtsbarkeit im Vergleich zur Mediation gesunken. So ergab eine Studie aus dem Jahr 2003 in den Vereinigten Staaten von Amerika, dass 86 % der befragten Unternehmen die Mediation, jedoch nur 72 % die Schiedsgerichtsbarkeit zur Konfliktlösung einsetzen würden.210 201
Howell-Richardson, in: In-House Lawyer, Juli/Aug., 2008, S. 78 ff. (80). einen empirischen Befund für diese Aussage siehe: Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Meditation, S. 77 ff. Zur tatsächlichen Verbreitung von ADR Verfahren in den Vereinigten Staaten von Amerika vgl. den sehr detaillierten Bericht von Stipanowich, in: J. of Emp. L. Stud. 3/2004, S. 843 ff. 203 Verwiesen sei hier auf die lange Liste weiterer Beispiele von Alexander/Gottwald/ Trenczek, in: Alexander (Hrsg.), Global Trend in Mediation, S. 181. Näher zu den wichtigsten Bereichen, in welchen die Mediation Anwendung findet, siehe: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, § 10–17. 204 Hehn/Rüssel, in: NJW 5/2001, S. 347 ff. (348); Tochtermann, in: JuS 2/2005, S. 131 ff. (131). 205 Siehe näher hierzu: Kramer, in: NZA 3/2005, S. 135 ff. 206 Hehn/Rüssel, in: NJW 5/2001, S. 347 ff. (349). 207 Vgl. näher zum Schlichtungsverfahren im „Stuttgart 21“ Großprojekt Eisele, in: ZRP 2011, S. 113 ff. 208 Siehe näher hierzu Ortloff, in: NVwZ 1/2007, S. 33 ff; Schiffer/von Schubert, in: Schiffer (Hrsg.) Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 247. 209 Hehn, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.) Handbuch Mediation, S. 92. 210 American Arbitration Association, Dispute-Wise Business Management, S. 17. 202 Für
§ 6 Verbreitung von ADR-Verfahren in der Praxis
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Deutschland hinkt, wie bereits oben erwähnt, dieser Entwicklung noch hinterher.211 Eine Studie der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) aus dem Jahr 2005 ergab beispielsweise, dass deutsche Unternehmen zwar die außergerichtliche Streitbeilegung mit Drittbeteiligung als grundsätzlich positiver als ein Gerichtsverfahren bewerten, doch entsprach die tatsächliche Inanspruchnahme von außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren nicht dieser Meinung, da der Großteil der Befragten im Konfliktfall aus gescheiterten Verhandlungen direkt zu Gerichtsverfahren übergingen.212 Insofern kann allerdings zumindest von einer Grundakzeptanz der einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren gesprochen werden, zumal sich die Wirtschaftsakteure der Vorteile solcher Verfahren zumindest bewusst sind. Damit ist das Verlassen alter Pfade hin zum neuen Weg der einvernehmlichen Streitbeilegung durch deutsche Wirtschaftsunternehmen zumindest wahrscheinlicher.213 Das undifferenzierte Bild der einvernehmlichen Streitbeilegung, welches in Deutschland noch vorherrscht214 und die Begrenzung des Angebots auf die Verfahren der Mediation und Schlichtung mögen diese Entwicklung jedoch bremsen können. Insofern ist die zu erwartende Entwicklung der einvernehmlichen Streitbeilegung unter anderem stark davon abhängig, inwieweit es in Deutschland zu einem Umdenken hin zu einem differenzierten und methodenreichen Verständnis der einvernehmlichen Streitbeilegung kommt.215 Insgesamt ist die einvernehmliche Streitbeilegung weiter auf dem Vormarsch.216 Dass es für die einvernehmliche Streitbeilegung tatsächlich einen 211 Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass in Deutschland – anders als in den USA – Gerichtsverfahren in nationalen Streitigkeiten durchaus als attraktive Streitbeilegungsmethode wahrgenommen werden, zumal Regelungen wie die American Rule, Punitive Damages oder aber die Discovery in deutschen Gerichtsverfahren nicht zu finden sind. Insofern ist fraglich, ob auch in Deutschland von einer “Pathology of Litigation” gesprochen werden kann. 212 PWC, Commercial Dispute Resolution, S. 4. 213 Klowait/Hill, in: SchiedsVZ 2/2007, S. 83 ff. (83). 214 Siehe hierzu oben unter Kapitel II § 5. 215 Die Bereitschaft zum Umdenken im Bereich nationaler Streitigkeiten ist in Deutschland im Vergleich zu den USA jedoch ungemein geringer, da der Druck zum Auffinden neuer Streitbeilegungsmethoden nicht so hoch ist wie dies in den USA der Fall war. Die bereits oben beschrieben “Pathology of Litigation” besteht im deutschen Rechtssystem eben gerade nicht in dem Maße, wie sie in den USA bestand. Insofern müssen die Vorteile von ADR-Verfahren umso höher wahrgenommen werden, um in Deutschland auf nationaler Ebene ein Umdenken zu bewirken. Im Hinblick auf internationale Streitigkeiten bietet sich jedoch ein anderes Bild. Die ODR-Verordnung und die ADR-Richtlinie waren in Deutschland allerdings ein Impuls für eine in letzter Zeit methodisch breitere Diskussion, die etwa mit der Online Dispute Resolution auch andere Formen der alternativen Streitbeilegung als nur die Mediation und die Schlichtung betrifft. Entsprechend werden in der Literatur inzwischen vermehrt auch andere ADR-Verfahrensarten besprochen (Vgl. etwa Wagner/Eidenmüller, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 14 ff.). Insofern ist in Deutschland zumindest der Grundstein für ein Umdenken in der Praxis gelegt worden. 216 Dies sieht so für Deuschland Wolf, in: NJW 2015, 1656 ff. (1659).
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Kapitel II: ADR-Verfahren
Markt gibt,217 lässt sich daraus erahnen,218 dass inzwischen in Deutschland ADR-Ordnungen verschiedenster Organisationen219 wie Pilze aus dem Boden schießen und die Zahl der Mediatoren und ihrer Ausbildungsprogamme220 stetig zunimmt. Verlässliche Zahlen hierzu gibt es freilich nur wenige, zumal der Großteil der außergerichtlichen Streitbeilegungen aufgrund deren Vertraulichkeit nicht an die Öffentlichkeit gelangen.221 Auch die Entwicklungen zu den ICC-ADR-Verfahren implizieren auf einem internationalem Niveau einen zwar langsamen aber dennoch auch zunehmenden Trend hin zu einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren, zumal sich die Verfahrensanzahl von anfangs nur sechs Anfragen pro Jahr über 12 auf 11 im Jahr 2008 erhöht hat.222 Diese Entwicklung hat das tatsächliche Potential für die einvernehmliche Streitbeilegung bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Circa die Hälfte aller Schiedsfälle der internationalen Handelskammer enden mit einem agreed settlement und nicht mit einem Schiedsurteil.223 Damit besteht innerhalb der Schiedsgerichtsbarkeit ein erhebliches Potential für die einvernehmliche Beilegung von Streitigkeiten. Dieses Potential könnte insbesondere durch die verstärkte Förderung mehrstufiger Streitbeilegungsverfahren erschlossen werden.224
§ 7 Erforderlichkeit eines rechtlichen Rahmens für einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren? Eine Frage, die sich im Rahmen alternativer Streitbeilegungsverfahren nach dem oben gesagten förmlich aufdrängt, ist, ob solche Verfahren überhaupt einen rechtlichen Rahmen225 benötigen oder ob ein solcher nicht sogar kontra217 Näher zum Markt für Mediation siehe: Schlieffen, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 199 ff. 218 Dies ergibt sich jedoch nicht zwingend hieraus. Näher zu Faktoren, die das Wachstum von einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren fördern, siehe: Willis, in: Arbitration 4/2006, S. 339 ff. 219 Alexander/Gottwald/Trenczek, in: Alexander (Hrsg.) Global Trend in Mediation, S. 181. 220 Einige Institutionen, die eine Mediationsausbildung anbieten, finden sich in: Hehn/ Rüssel, in: NJW 5/2001, S. 347 ff. Inzwischen gibt es sogar die Möglichkeit, einen Fachlehrgang Mediation bei der Deutschen Anwalts Akademie zu absolvieren. Vgl. hierzu www. anwaltakademie.de. 221 Schlieffen, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 200. 222 Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel III § 8 V. 223 Goldsmith, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. xvi. 224 Eine Parallele kann insoweit zur deutschen Rechtlage gezogen werden, wo mit Einführung des § 15 a EGZPO auch versucht wurde, bestehende Einigungspotentiale frühzeitig zu aktivieren. 225 Nicht näher beleuchtet soll hier die Frage werden, welche Rolle Recht im einvernehmlichen Verfahren selber, z. B. als Maßstab zur Beurteilung von Einigungsoptionen, spielt. Siehe
§ 7 Erforderlichkeit eines rechtlichen Rahmens
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produktiv für ADR-Verfahren wirkt. Grundsätzlich handelt es sich schließlich bei der einvernehmlichen Streitbeilegung um eine Form der Konfliktlösung, welche gerade nicht auf Rechtsnormen abstellt, sondern deren Wesen es gerade ist, sich vom positiven Recht als Entscheidungsrahmen zu entfernen.226 Man kann also davon sprechen, dass sich die einvernehmliche Streitbeilegung durch eine gewisse „Rechtlosigkeit“ auszeichnet.227 Eine Kodifizierung oder Institutionalisierung einvernehmlicher Verfahren hingegen führt zu einer zumindest potentiellen Beschränkung der informellen und auf Freiwilligkeit basierenden Grundlage.228 Insofern erscheint insgesamt fraglich, ob einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren eines rechtlichen Rahmens bedürfen. Doch darf das Recht in der Mediation nicht mit dem Recht der Mediation verwechselt werden.229 Einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren werfen eine Reihe rechtlicher Fragen auf, welche die Beziehung zwischen den Parteien, zwischen den Parteien und dem neutralen Dritten sowie zu anderen an dem Verfahren beteiligten Dritten230 betreffen. Damit bedürfen auch einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren eines diese Besonderheiten berücksichtigenden rechtlichen Rahmens.231 Diese rechtlichen Fragen ergeben sich zum einen aufgrund der teilweisen Inkompatibilität der einvernehmlichen Streitbeilegung mit traditionellen Entscheidungsverfahren,232 die aufgrund des nicht abschließenden Charakters einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren besonderer Bedeutung erlangt.233 Aufgrund dieser Inkompatibilität bedarf es einer Sicherung des Verfahrens.234 Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich bei außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren, bedingt durch deren nicht zwangsläufig streitabschließenden näher hierzu: Ripke, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 161–174; Tochtermann, in: JuS 2/2005, S. 131 ff. (132). 226 Blobel/Späth, in: ZEuP 2005, S. 784 ff. (786); Hacke, in: Der ADR-Vertrag, S. 19. Entfernen soll hier jedoch nicht bedeuten, dass auf das Recht als Entscheidungsgrundlage vollkommen verzichtet wird. Das Recht wird vielmehr nur in seiner exklusiven Stellung als Entscheidungsmaßstab durch ein „oft facettenreiches Prisma“ ersetzt. Siehe Koch, in: Römermann/Paulus (Hrsg.), Schlüsselqualifikationen für Jurastudium, Examen und Beruf, S. 234. 227 Koch, in: FS Schlosser, S. 399 ff. (400). 228 Schäfer, In ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). 229 Näher zu der Unterscheidung beider Begrifflichkeiten siehe: Eidenmüller, Vertragsund Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 1 ff. 230 Beispiel für einen solchen Dritten wäre z. B. in einem Verfahren nach den ADR-Regeln der internationalen Handelskammer die internationale Handelskammer selbst. 231 Vgl. näher hierzu Duve, in: AnwBl 1/2004, S. 1–6; Risse, Wirtschaftsmediation, S. XX. 232 Zur teilweisen Inkompatibilität siehe weiter unten unter Kapitel II § 4 III. 233 Folge des nicht abschließenden Charakters einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren ist, dass Handlungen aus dem einvernehmlichen Verfahren in das sich zur endgültigen Beilegung der Streitigkeit durchgeführte anschließende Entscheidungsverfahren hineinwirken können. 234 Zur weiteren Bedeutung des Rechts in Mediationsverfahren siehe: Risse, in: BB Beilage 9 zu Heft 27/1999, S. 1 ff.
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Kapitel II: ADR-Verfahren
Charakter, nicht um ein tatsächlich alternatives, sondern vielmehr um ein zu Entscheidungsverfahren wie dem Schieds- und Gerichtsverfahren komplementäres Verfahren.235 Damit besteht jedoch zugleich eine Interaktion zwischen einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren und Entscheidungsverfahren, womit sich die Normen der Schieds- und Gerichtsverfahren auch auf ein (vorheriges oder späteres) einvernehmliches Verfahren auswirken. Somit hat sich zwischen Gerichts- und ADR-Verfahren eine Beziehung entwickelt, welche mit der Beziehung zwischen Schieds- und Gerichtsverfahren vergleichbar ist, die seit nunmehr fast 150 Jahren durch Gesetze bestimmt wird.236 Aus diesem Aspekt heraus wirken Rechtsnormen auf das ADR-Verfahren selber und bedürfen daher der Berücksichtigung. Beispielhaft sei hier der Beginn des Laufes einer Verjährung von Ansprüchen innerhalb der einvernehmlichen Streitbeilegung genannt.237 Auf der anderen Seite ergeben sich jedoch auch Probleme aus dem ADRVerfahren selber. So muss gesichert sein, dass jede Partei ihrer zuvor eingegangenen Verpflichtung nachkommt, im Vorfeld gerichtlicher Verfahren ein einvernehmliches Verfahren durchzuführen. Doch auch der grobe Ablauf eines solchen Verfahrens sollte zumindest subsidiär geregelt sein. Diese Bedürfnisse dürfen jedoch nicht zu einer zu starken Verrechtlichung des Verfahrens selber führen.238 Wie aus der Geschichte der außergerichtlichen Streitbeilegung unter den verschiedenen Ordnungen der Internationalen Handelskammer zu ersehen ist, wirkt eine zu starke Verrechtlichung der einvernehmlichen Streitbeilegung kontraproduktiv, da hierdurch dem Verfahren seine Flexibilität genommen wird und es somit für die Parteien unattraktiver wird. Daher muss sich die Regelung auf gewisse unverzichtbare Grundfragen beschränken. Insgesamt kann die Verrechtlichung der einvernehmlichen Streitbeilegung bis zu einem gewissen Grad jedoch zur Qualitätssicherung solcher Verfahren und ihrer Akzeptanz bei den Verwendern beitragen.239 Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass es zum einen einer rechtlichen Berücksichtigung einvernehmlicher Verfahren in den Normen anderer Entscheidungsverfahren bedarf. Darüber hinaus bedarf es einer grundlegenden rechtlichen Regelung des einvernehmlichen Verfahrens selber.240 Dem grundsätzlichen Bedürfnis nach der rechtlichen Regelung des Rahmens einver235
Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 53. Vgl. näher zum komplementären Verhältnis von Verbrauch-ADR-Verfahren zu Gerichtsverfahren Berlin, Alternative Streitbelegung in Vebraucherkonflikten, S. 60 ff. 236 Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (304). 237 Vgl. näher hierzu weitere unten unter Kapitel II § 9 II. 2. C. 238 Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 405. 239 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 3. 240 Näher zur Notwendigkeit rechtlicher Rahmenbedingungen für Mediationsverfahren siehe z. B. Duve, in: AnwBl. 1/2004, S. 1 ff., Eidenmüller, in: BB-Beilage 7 zu Heft 7/2002, S. 14 ff., Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 1–4.
§ 7 Erforderlichkeit eines rechtlichen Rahmens
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nehmlicher Verfahren wurde durch zahlreiche Gesetzgeber bereits Rechnung getragen. Exemplarisch seien hier nur die Mediationsrichtlinie, die ADR-Richtline und die ODR-Verordnung der Europäischen Gemeinschaft241 oder aber die Gesetzgebung242 in den Vereinigten Staaten von Amerika genannt.243
241 Vgl. näher zu diesen Entwicklungen Eidenmüller/Engel, in: ZIP 2013, S. 1704 ff.; Kotzur, in: VuR 2015, S. 243 ff.; Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, in: ZEuP 2014, S. 8 ff.; Ross, in: D. Digi. e Gov. El. 2014, S. 206 ff.; Rühl, in: FS Coester Waltjen, S. 697 ff. (708 ff.). 242 Siehe zu dieser Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 414 f. 243 Zu einem sehr breiten und detailreichen rechtsvergleichenden Überblick betreffend u. a. der Gesetzgebungslage für Mediationsverfahren siehe: Hopt/Steffek, Mediation.
Kapitel III
Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln Will man die ICC-ADR-Regeln in ihrer Wirkung und bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit näher untersuchen, so gilt es zunächst, die Geschichte der ADR-Regelwerke der internationalen Handelskammer und zudem grob die Wirkweise von ADR-Verfahren in internationalen Geschäftsbeziehungen näher zu betrachten, um hieraus eine Grundlage für die Bewertung der neuen ADR-Regeln der internationalen Handelskammer zu bilden.
§ 8 Geschichte der ICC-Regeln zu ADR-Verfahren Das Gesamtgeflecht der einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren in internationalen Geschäftsbeziehungen und vor allem die Schlussfolgerungen, die sich aus den einzelnen Rollen für ein Standardverfahren ergeben, sind besonders plastisch an der Entwicklung der ICC-Regelwerke zur einvernehmlichen Streitbeilegung zu erkennen. In der Entwicklung der Regelwerke spiegeln sich zahlreiche Lektionen wider, die eine immer größere Annäherung an einen solchen Standard zeigen. Fraglich bleibt dabei, ob mit der Entwicklung der neuen ICCADR-Regeln dem international Handeltreibenden bereits ein zeitgemäßes und leistungsfähiges Instrument zur einvernehmlichen Streitbeilegung an die Hand gegeben ist.
I. Ausgangspunkt Die einvernehmliche Streitbeilegung war der Internationalen Handelskammer seit dem Entschluss zu ihrer Gründung 19191 ein zentrales Anliegen.2 Dies 1 Dieser wurde im Rahmen der International Trade Conference in Atlantic City, USA im Oktober 1919 von führenden Geschäftsleuten der Bereiche Industrie, Handel und Finanzen aus Belgien, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika gefasst. Ihm voraus gingen ab dem Jahr 1904 fünf International Congresses of Chambers of Commerce. Siehe hierzu: ICC, Proceedings Organization Meeting Paris, 1920, S. 5. Ein deutsches Nationalkomitee der ICC wurde erst einige Zeit später im Jahr 1925 gegründet. Siehe näher zur Geschichte der ICC-Deutschland http://www.iccgermany.de/ueber-icc-germany/ geschichte.html (Stand 10. März 2016). 2 Briner, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business S. xix; Hamilton, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., Spec. Suppl. 7, 2001, S. 23 ff. (23); Schwartz, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., 2/1994, S. 5.
§ 8 Geschichte der ICC-Regeln zu ADR-Verfahren
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wird vor allem aus den selbstgesetzten Zielen der Internationalen Handelskammer deutlich, die der erste Vorsitzende der Internationalen Handelskammer, M. Etienne Clémentel, mit dem Satz prägte: “The International Chamber, by grouping together the greatest elements of activity in the world and by creating among its members a vast network of friendships, will take its place in the community of international institutions which in every sphere, in the ideal as well as the material sphere, will help men to free themselves from all thoughts of national selfishness and prepare the future destiny of mankind.”3
Die Internationale Handelskammer verstand sich damit als Wahrer der Freundschaft zwischen den Handeltreibenden verschiedener Nationen und sah es als ihre Aufgabe, diese Freundschaft als neutrale Instanz zu gewährleisten. Somit war es das selbstgesetzte Ziel der Internationalen Handelskammer, Wege zu finden, um Streitigkeiten zwischen Händlern verschiedener Länder beizulegen.4 Diesem Ziel entsprechend wurde durch den Rat der Internationalen Handelskammer im Oktober 1920 beschlossen, die Materie der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit aufzugreifen.5 Diesem Beschluss folgten die Einsetzung des internationalen Schiedskomitees durch den Rat6 sowie mehrere Treffen7 des Komitees im Jahre 1921, an deren Ende dieses seine vorläufigen Überlegungen in einem Plan zusammenfasste und diesen auf dem ersten Kongress der Internationalen Handelskammer im Juli 1921 in London einreichte.8 Dieser Plan mit dem Namen “Proposed Plan for Conciliation and Arbitration between Traders of Different Countries”9 brachte zum Ausdruck, dass es das Anliegen der Internationalen Handelskammer war, sowohl den Gebrauch von Schlichtungs- als auch von Schiedsverfahren zu fördern. Dabei ist insbesondere interessant, dass man bei der Erstellung des Plans vor allem auf Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika zurückgriff, welche diese aufgrund ihres Schieds- und Schlichtungsabkommens mit Argentinien gesammelt hatten.10 Der Plan enthielt, neben einem „Fahrplan“ betreffend die Förderung von Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit, eine in acht Artikel gegliederte Schlichtungsordnung.11 Diese sollte nicht nur als Verfahrensordnung für Schlichtungen dienen, sondern zudem die Schritte zu einer einvernehmlichen Schlichtung mit Hilfe der Internationalen Handelskammer vereinfachen. 3
ICC, Records Nos. 1 à 4, S. 1–2. Arnaud, in: Internationale Wirtschaft, 1/1929, S. 124 ff. (124). 5 ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 13. 6 Ridgeway, in: Merchants of Peace, S. 319. 7 Das Committee on International Arbitration tagte unter Vorsitz von Herrn Lyon-Caen und bestand aus acht weiteren Vertretern aus Belgien, Großbritannien, Italien, den Niederlanden sowie den Vereinigten Staaten. Siehe: ICC, Records Nos. 1 à 4, S. 39, 78 f., 109, 125. 8 ICC, Brochüre Nr. 21 1922, S. 13. 9 Veröffentlicht in der ICC Broschüre Nr. 13 1921 auf den Seiten 23–25. 10 Pozzi, in: ICC, Broschüre Nr. 13 1921, S. 5–21 (14–16). 11 ICC, Broschüre Nr. 13 1921, S. 23–24. 4
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
Die Überzeugung des Komitees war es, dass im Wege der Schlichtungsverfahren die Internationale Handelskammer als neutrale moralische Instanz stellvertretend für die öffentliche Meinung einen Schlichtungsspruch sprechen sollte.12 Das Komitee hatte die Hoffnung, dass die Internationale Handelskammer aufgrund ihrer moralischen Kraft, welche sich aus ihrer Internationalität ergab, zunehmend Streitigkeiten im Wege der Schlichtung beilegen würde.13 Damit lag dem Plan die Auffassung zugrunde, dass zum einen der Glaube an die internationale Freundschaft Meinungsverschiedenheiten überwinden könne und zum anderen die moralische Autorität der Internationalen Handelskammer beschwichtigend wirke.14 Der Plan verwies zudem bereits darauf, dass Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit zwar gleichberechtigt nebeneinander stünden, jedoch klar voneinander zu trennen seien. Nachdem das Komitee seinen vorläufigen Plan eingereicht hatte, verabschiedete der Kongress am 1. Juli 1921 eine Resolution, in welcher er dem Plan grundsätzlich zustimmte und das Komitee damit beauftragte, einen endgültigen Plan aufzustellen.15 Hiernach fanden vier Treffen16 dieses nunmehr “Committee on Commercial Arbitration” genannten Komitees17 statt, in deren Rahmen die Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration entworfen wurden,18 welche letztendlich am 10. Juli 1922 durch den Rat der Internationalen Handelskammer veröffentlicht und in Kraft gesetzt wurden.19
II. ICC Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration von 1922–1987 Die 1922 verabschiedeten Rules of Conciliation and Arbitration gliederten sich in drei Abschnitte. Die erste Sektion A behandelte die Schlichtung, Sektion B die Schiedsgerichtsbarkeit “without legal sanctions” und die letzte Sektion C die Schiedsgerichtsbarkeit “with legal sanctions”.20 Ihnen voran ging eine 12 Vergleiche hierzu auch ICC Broschüre 13 1921 auf Seite 23, wo davon die Rede ist, dass es zu einer Streitbeilegung “primarily and essentially through the moral sanction of public opinion, as expressed by the Organization Members of the International Chamber of Commerce” kommt. 13 ICC, Broschüre Nr. 13 1921, S. 23. 14 Hamilton, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., Spec. Suppl. 7, 2001, S. 23 ff. (26). 15 ICC, Résolutions Vol. 1, London Congress 1921, S. 20–22. 16 Diese fanden am 5. Oktober und 14. sowie 15. Dezember 1921, und später am 10. und 11. Februar sowie im Mai 1922 statt. Siehe: ICC, Records Nos. 1 à 4, S. 109, 125. 17 Dieses bestand aus den ursprünglichen Mitgliedern des Committee on International Arbitration sowie elf weiteren Vertreter verschiedenster Nationen bzw. Institutionen und wurde durch Herrn von Hemert geleitet. Siehe: ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 13–15. 18 Tatsächlich entworfen wurden die Regeln durch Herrn Pozzi, Herrn Archibald, Herrn Streat und Herrn Carlander sowie den Vorsitzenden des Komitees, Herrn von Hemert. Siehe: ICC Broschüre Nr. 21 1922, S. 15. 19 ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 13–15. 20 Der Unterschied zwischen den Regelwerken B und C bestand darin, dass B für Fälle
§ 8 Geschichte der ICC-Regeln zu ADR-Verfahren
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ausführliche Einführung zur Entwicklung der ICC Rules of Conciliation and Arbitration sowie ein kurzes Glossar zu den Organen der Internationalen Handelskammer .21 Vor den Regeln des Abschnittes A waren zudem der Anwendungsbereich und die Leistungsmerkmale der Regeln aus der Sicht der Internationalen Handelskammer festgehalten.22 Die Internationale Handelskammer wies dabei besonders auf ihre Überzeugung hin, dass eine große Anzahl von Streitigkeiten mittels Schlichtung ohne die Zuziehung nationaler oder schiedsgerichtlicher Gerichte gelöst werden könne. Insoweit wurde die Position des internationalen Schiedskomitees, welche diese in ihrem Bericht zum Ausdruck gebracht hatte, in die tatsächlichen Regeln übernommen. Die Schlichtungsordnung der Sektion A selber hingegen bestand im Gegensatz zum ursprünglichen Plan des Committee on Commercial Arbitration nur aus vier Artikeln und trug die Bezeichnung “Rules of Procedure for the Conciliation and Good Office of the International Chamber of Commerce”.23 Festgelegtes Verfahren hierin war die Schlichtung,24 wobei der Schlichter nicht von den Parteien ausgewählt werden konnte, sondern dies vielmehr der Internationalen Handelskammer selbst oblag.25 Die in dem Plan des Komitees vom Juli 1921 enthaltene Hoffnung, die Fallzahlen der durch Schlichtung beigelegten Streitigkeiten würden sich erhöhen, sowie die in den Regeln enthaltene Einschätzung der Internationalen Handelskammer, dass die Schlichtung eine Vielzahl von Streitigkeiten ohne Rückgriff auf Entscheidungsverfahren lösen könne, sollte sich nach dem In-Kraft-Treten26 der ICC Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration auch zunächst bewahrheiten. So konnte der erste27 erfolgreich durch die Internationale Handelskammer beigelegte Streit mit Hilfe der Schlichtung zu einer gütlichen Einigung gebracht werden.28 Auch in der Folgezeit führte die Schlichtung alles galt, in denen eine der Parteien Angehöriger eines Staates war, welcher die Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen nicht geregelt hatte und bei C beide Parteien einem Staat angehörten, welcher die Durchsetzbarkeit eines Schiedsspruches vorsah. 21 ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 12–17. 22 ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 21. 23 ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 23–25. 24 In Form der unverbindlichen Drittentscheidung durch die Executive Commission of the International Chamber of Commerce, siehe: Pozzi, in: ICC, Broschüre Nr. 13 1921, S. 5–21 (16). 25 Siehe hierzu Artikel III der ICC Rules of Procedure for the Conciliation and Good Office of the International Chamber of Commerce, enthalten in ICC Broschüre Nr. 21 1922, S. 23. 26 Und zwar am 10. Juli 1922, siehe: ICC, Broschüre Nr. 21 1922, S. 15. 27 Der erste tatsächlich eingereichte Fall bei der ICC vom 28. Dezember 1922 wurde bereits vor einem Tätigwerden der ICC gütlich direkt durch die Parteien selbst beigelegt. Es handelte sich um einen Streit zwischen einer niederländischen und einer britischen Partei. Siehe: Hamilton, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., Spec. Suppl. 7, 2001, S. 23 ff. (27). 28 Ridgeway, in: Merchants of Peace, S. 325 f. Es handelte sich dabei um eine Streitigkeit zwischen einer französischen und einer belgischen Partei, welche zum einen die Qualität einer Sendung Walnussholz und zum anderen die Schwankungen der belgischen Währung betraf.
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andere als ein Schattendasein neben der Schiedsgerichtsbarkeit und war in der Praxis das prominentere der beiden Streitbeilegungsverfahren.29 Interessant in der Anfangszeit ist jedoch vor allem, dass von den bis zum 19. Juni 1926 beigelegten 47 Streitigkeiten in 32 Fällen, also etwa zwei Drittel der Verfahren, eine gütliche Einigung unter Zuhilfenahme weder der Schlichtung noch der Schiedsgerichtsbarkeit erfolgte.30 Der Arbitration Report Nr. 6 der Internationalen Handelskammer geht dabei so weit, dass er davon berichtet, dass 32 Fälle “by mutual agreement through the mediation of the International Chamber”31 beigelegt wurden. In den folgenden beiden Arbitration Reports wird auf die Terminologie „mediation durch die ICC“ jedoch wieder verzichtet.32 Nichtsdestoweniger blieb die Anzahl der allein durch die Streitparteien beigelegten Streitigkeiten auf einem besonders hohen Niveau. Allein die Anrufung der Internationalen Handelskammer schien damals somit eine streitschlichtende Wirkung zu haben. Insofern kann davon gesprochen werden, dass, wenn auch sehr informell, bereits in der Gründungszeit der Internationalen Handelskammer diese als eine Art Mediator auftrat33 und dieses „Verfahren“, im Vergleich mit der Schiedsgerichtsbarkeit und Schlichtung, das erfolgreichste Streitbeilegungsverfahren darstellte. Dass sich diese vorzeitige Art der Streitbeilegung vor allem durch ihre informelle Natur von der Schlichtung unterscheidet, scheint zumindest ein Grund für den Erfolg der vorzeitigen Einigung zu sein. Über die Jahre erfuhren die Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration zahlreiche Änderungen, wobei die erste bereits 1927 vorgenommen wurde.34 Die Bedeutung der Schlichtung bei der Beilegung von Streitigkeiten verlor später jedoch im Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit stark an Bedeutung. Dies mag wohl zum einen dem Erfolg des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen35 von 29 Hamilton, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., Spec. Suppl. 7, 2001, S. 23 ff. (23, 26); Cairns spricht davon, dass vor dem Zweiten Weltkrieg 80 % aller bei der ICC eingegangenen Fälle durch Schlichtung beigelegt wurden, Cairns, in: Disp. Res. J. August/Oktober 2005, S. 62 ff. (65); Vgl. auch die Zahlen in: ICC, Mitteilung der Internationalen Handelskammer, Nr 16 Januar 1928, S. 11 f., woraus hervorgeht, dass bis zum 6. Dezember 1927 11 Fälle durch die Schiedsgerichtsbarkeit und 12 Fälle mit Hilfe der Schlichtung beigelegt wurden. 30 ICC, Arbitration Report Nr. 6, S. 1. 31 ICC, Arbitration Report Nr. 6, S. 1. 32 Siehe ICC Arbitration Report Nr. 7 und 8 jeweils auf S. 1; später wird davon gesprochen, dass “55 Fälle auf gütlichem Wege nach einfacher Vermittlung der Kammer erledigt wurden“, siehe: ICC, Mitteilung der Internationalen Handelskammer, Nr. 16, S. 11. 33 Soweit man den Begriff dahingehend definiert, dass Mediator derjenige ist, der einem Streit einen der Lösung förderlichen Rahmen gibt und hierbei als neutrale dritte Partei auftritt, die keine Lösung der Streitigkeit vorschlägt. 34 ICC, Mitteilung der Internationalen Handelskammer, Nr 16 Januar 1928, S. 11; Arnaud, in: Internationale Wirtschaft, 1/1929, S. 124 ff. (124); vergleiche näher zu den vorgenommenen Änderungen: ICC, Drucksache Nr. 50, S: 1–3 sowie 7 ff. 35 Interessant ist, dass die ICC eine treibende Kraft hinter dem New Yorker UN-Übereinkommen war und im Jahr 1953 erst dem Economic and Social Council und 1958 dann
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1958 geschuldet sein.36 Zum anderen ist der Bedeutungsverlust wohl auch auf die durch den technischen Fortschritt und die fortschreitende Globalisierung bedingte zunehmende Komplexität von Streitigkeiten und die zunehmende Streitwerthöhe37 zurückzuführen. Die ursprüngliche Schlichtungsordnung war sehr inflexibel, da in ihr mit drei die Anzahl der Schlichter, deren Nationalität sowie deren Benennung durch den Präsidenten der Internationalen Handelskammer festgelegt waren.38 Darüber hinaus war in ihrem Artikel 439 der Ablauf der Schlichtung an sich und nicht nur deren organisatorischer Rahmen festgelegt, womit den Schlichtern selbst wenig Raum zu einem der jeweiligen Streitsituation angepassten Vorgehen blieb. Außerdem gab es keine Bestimmungen betreffend die Kosten eines Schlichtungsverfahrens nach der ICC-Schlichtungsordnung.40 Diesen Mängeln wurde durch die Internationale Handelskammer lange keine Abhilfe geschaffen. Bedenkt man, dass die Internationale Handelskammer seit ihrer ursprünglichen Initiative, die im Genfer Protokoll von 1923 resultierte, eine beständige und treibende Kraft hinter den Entwicklungen, die zum New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen führten,41 war, so liegt die Vermutung nahe, dass der mangelnde Erfolg der einvernehmlichen Streitbeilegung unter ICC-Regelwerken in der Anfangszeit vor allem dem Desinteresse der Internationalen Handelskammer geschuldet war. Die Internationale Handelskammer schien im Schiedsverfahren wohl ein gewinnbringenderes42 Verfahren als in der einvernehmlichen Streitbeilegung zu sehen.
der Conference on International Arbitration der UN einen Regelungsentwurf vorlegte. Siehe: Lynch, The Forces of Economic Globalization, S. 129 f. 36 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 37 Eisenmann, in: Schultsz/van den Berg (Hrsg.) The Art of Arbitration, S. 124. 38 siehe Art. 1 II der Conciliation Rules, enthalten in: ICC, Guide de l’Arbitrage, S. 67 ff. 39 Article 4 Formule de conciliation 1. Après examen du dossier, étude de la question et audition des parties, si elle a été possible, le Comité propose aux parties une formule de conciliation 2. Si la conciliation a lieu, le Comité dresse et signe un procès-verbal constatant les accords des parties. 3. Au cas où la comparution des parties n’a pas été possible, la Comité communique la formule de conciliation aux Président des Comités Nationaux intéressés, et les invite à user de leur influence auprès des parties pour les persuader d’accepter les propositions du Comité. 40 Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 697. 41 Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 6 ff. 42 Die für die ICC zu verdienenden Gebühren sind bei Schiedsverfahren im Vergleich zu Schlichtungsverfahren schließlich ungemein höher.
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III. ICC Rules of Optional Conciliation 1988–2001 Diese Einstellung änderte sich wohl auch aufgrund des zunehmenden Verlusts an Bedeutung des Regelwerkes.43 In den 1980er Jahren führte dieser Bedeutungsverlust dann zu einer grundlegenden Überarbeitung und Vereinfachung der Regeln,44 wodurch die alte Schlichtungs- und Schiedsordnung zum 1. 1. 1988 durch die ICC Rules of Optional Conciliation abgelöst wurde.45 Dabei wurde versucht, die zumindest für den Bereich der Schlichtung sehr starren ICC Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration flexibler zu gestalten, um die Erfolgsaussichten einer für beide Seiten annehmbaren einvernehmlichen Einigung zu erhöhen.46 Veröffentlicht wurden die ICC Rules of Optional Conciliation weiterhin zusammen mit den ICC Rules of Arbitration in einer gemeinsamen Broschüre, die auch weiterhin den Namen ICC Rules of Conciliation and Arbitration trug. Dieser Weg der Veröffentlichung bringt dabei nicht nur die grundlegende Überarbeitung der alten ICC Rules of Conciliation and Arbitration nur ungenügend zum Ausdruck, sondern öffnet darüber hinaus Raum für Missverständnisse, zumal nicht genau klar wird, wie die neuen Schlichtungsregeln nun heißen. Der auffälligste Unterschied zu den alten Regeln war, dass die Ordnung nunmehr nicht nur fünf, sondern elf Artikel umfasste. Die Schlichtung wurde nach der neuen Ordnung nicht mehr durch drei, sondern gemäß Artikel 4 der ICC Rules of Optional Conciliation lediglich durch einen einzigen Schlichter durchgeführt. Dieser wurde gemäß Artikel 4 zudem nicht mehr vom Präsidenten der Internationalen Handelskammer, sondern vom Generalsekretär des Schiedsgerichtshofes benannt. Die neuen ICC Rules of Optional Conciliation enthielten außerdem keine Vorschriften bezüglich des Ablaufs der Schlichtung an sich. Dies wurde gemäß Artikel 5 der neuen Ordnung dem Schlichter frei überlassen. Der Begriff der Schlichtungsordnung war damit auch nicht rein technisch zu verstehen, da es unter den ICC Rules of Optional Conciliation genauso möglich war, andere Verfahren wie z. B. die Mediation zu verwenden.47 In Artikel 9 wurde ferner die in den alten Regeln nicht enthaltene Kostenfrage behandelt. Es wurde durch den Artikel 6 die Vertraulichkeit der Schlichtung und darüber hinaus in Artikel 11 auch ein Verwertungsverbot bezüglich in der Schlichtung gefallener Aussagen geregelt. In Artikel 10 wurde zudem bereits festgelegt, 43 In den Jahren 1983 bis 1992 gingen im Schnitt lediglich 8 Schlichtungsanfragen bei der ICC ein. Siehe: ICC, ICC Int. C. of Arb. Bull., 1/1993, S. 7. 44 In den Jahren zwischen 1922 und 1988 kam es schließlich nur zu geringen Änderungen an den Regeln. 45 Schwartz, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., 2/1994, S. 5; veröffentlicht durch die ICC unter der Publikationsnr. 447 im Jahre 1987. 46 Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 698. 47 Schwartz, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., 2/1994, S. 6.
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dass der Schlichter grundsätzlich48 nicht in späteren Schieds- oder Gerichtsverfahren mitwirken konnte. Insgesamt waren die neuen ICC Rules of Optional Conciliation vom 1. Januar 1988 damit im Vergleich zu den alten Regeln flexibler, wobei gleichzeitig wichtige Fragen, welche unter der alten Ordnung noch offen geblieben waren, durch die neue Schlichtungsordnung geregelt wurden. Die Überarbeitung der Regeln führte jedoch nicht zu der erwarteten Zunahme der durch Schlichtung erfolgreich beigelegten Streitigkeiten. Vielmehr blieb die Nachfrage nach der Schlichtung unter den ICC Rules of Optional Conciliation sehr begrenzt.49 Dies lag zum einen wohl daran, dass inzwischen das Wissen um die Schlichtung als Konfliktlösungsmethode sehr eingeschränkt war.50 Zum anderen musste sich die Schlichtungsordnung der Internationalen Handelskammer nach Jahren des geringen Engagements der Internationalen Handelskammer in diesem Bereich erst wieder etablieren. Daneben wurden durch die Überarbeitung der ursprünglichen Ordnung zwar viele Unzulänglichkeiten behoben und die Ordnung zudem den geänderten Anforderungen der Zeit angepasst, doch waren die ICC Rules of Optional Conciliation in einigen Punkten noch nicht vollkommen ausgereift. So fehlte es der neuen Ordnung z. B. an einer Standardklausel über die Anwendbarkeit der ICC Rules of Optional Conciliation im Konfliktfall.51 Bei der weiteren Überarbeitung der ICC Rules of Conciliation and Arbitration im Jahre 1998 fanden bezüglich der darin enthaltenen ICC Rules of Optional Conciliation keinerlei Änderungen statt,52 obwohl die Internationale Handelskammer sich des Umstandes bewusst war, dass die ICC Rules of Optional Conciliation an einigen Punkten wohl nicht zeitgemäß waren.53
IV. ICC Rules of Amicable Dispute Resolution Zum 1. Juli 2001 wurden die alten ICC Rules of Conciliation in ihrer Form vom 1. Januar 1988 dann jedoch durch die Amicable Dispute Resolution Rules, kurz 48
Die Parteien konnte die Befreiung des Schlichters hiervon jedoch vereinbaren. Siehe hierzu z. B. den Statistical Report 1996 in: ICC, ICC Int. C. of Arb. Bull, 1/1997, S. 12 oder aber den Statistical Report 1998 in: ICC, ICC Int. C. of Arb. Bull, 1/1999, S. 10. 50 Dieser Meinung ist Schwartz, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., 2/1994, S. 17. 51 Die Standardklausel der ICC enthielt zwar den Verweis auf die “Rules of Conciliation and Arbitration”, doch wurde nur die Durchführung eines Schiedsverfahrens hierin festgelegt. Ausweislich des Vorworts blieb die Schlichtung unter den ICC Rules of Optional Conciliation vielmehr rein optional und war keine notwendige Vorstufe zu einem Schiedsverfahren unter den ICC Rules of Arbitration. Siehe: ICC, R. of Conc. and Arb. 1988, S. 5, 7. 52 ICC, Statistical Report 1996, S. 12. 53 So ist im Statistikreport des Jahres 1998 davon die Rede, dass “The ICC Commission on International Arbitration is currently studying the possibility of furthering the ICC involvement in the field of ADR, a process which might eventually lead to a change in the current Rules”. ICC, Statistical Report 1998, S. 10. 49
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ADR-Rules, der Internationalen Handelskammer abgelöst.54 Dieser Ablösung ging ein Prozess der Erneuerung und Modernisierung der alten ICC Rules of Optional Conciliation voraus. Ausgangspunkt dieses Prozesses war ein internationaler Kongress, auf welchem ein amerikanischer Redner über die Vorzüge von ADR-Verfahren sprach.55 Unter den Besuchern dieses Kongresses befand sich unter anderem der Pariser Rechtsanwalt Jean-Claude Goldsmith, welcher aufgrund dieses Vortrages seine Meinung hinsichtlich ADR-Verfahren grundsätzlich zum Positiven änderte. Herr Goldsmith berichtete im Anschluss an die Konferenz dem internationalen Schiedsausschuss des französischen Komitees der Internationalen Handelskammer von seinen dort gewonnen Erfahrungen, woraufhin die ICC ihn damit beauftragte, eine Arbeitsgruppe bezüglich ADR zu bilden und dieser vorzusitzen.56 Es folgten fünf57 Arbeitstreffen dieser “Working Group on ADR”, an deren Ende diese der Kommission einen Bericht vorlegte.58 In dem Bericht wurden die mit ADR gemachten Erfahrungen außerhalb Frankreichs dargestellt59 und allgemeine Gedanken bezüglich der Zukunft für ADR-Verfahren in Frankreich und Europa erläutert.60 Am Schluss folgte ein Vier-Stufen-Plan bezüglich der Verbesserung des ADR-Angebots der Internationalen Handelskammer. Als ersten Schritt schlug die Arbeitsgruppe vor, ein “White Paper on ADR” zu erstellen und dann als zweiten Schritt eine Standardklausel für einfache Mediation zu entwerfen. Als dritter Schritt sollte die Ausarbeitung einer Mediationsordnung folgen, um schließlich im letzten, vierten Schritt innerhalb der Internationalen Handelskammer eine eigenständige ADRAbteilung zu schaffen.61 Nach dem Bericht wurde ein Forum betreffend ADR gegründet.62 Anfang 1999 schuf die Kommission zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer dann, durch zunehmende Nachfrage veranlasst, eine Arbeitsgruppe zur “Promotion, Adaptation and/or Extension of ICC ADR Services”, welche sie im Juni desselben Jahres damit beauftragte, Empfehlungen bezüglich der Zweckmäßigkeit eines verstärkten Engagements der ICC im Bereich der ADR-Verfahren zu erstellen. Aufgrund dieses Berichtes der Arbeitsgruppe wurde diese unter Vorsitz von Peter M. Wolrich am 25. Dezember 1999 durch die Kommission mit den Arbeiten an einer neuen Schlichtungsord54
Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 73. Goldsmith, in: Gazette du Palais, Nov./Dec. 2001, S. 1758 ff. (1758). 56 Goldsmith, in: Gazette du Palais, Nov./Dec. 2001, S. 1758 ff. (1758). 57 Und zwar am 22. April, 10. Juni, 6. Juli, 14. September und 4. Oktober 1994 siehe: Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (420). 58 Veröffentlicht in: The American Review of International Arbitration, 4/1993, S. 413– 474. 59 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (421–442). 60 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (443–466). 61 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (472). 62 Goldsmith, in: Gazette du Palais, Nov./Dec. 2001, S. 1758 ff. (1758). 55
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nung beauftragt.63 Dabei war es zunächst Aufgabe der neuen Arbeitsgruppe, die Rahmenbedingungen für ADR-Aktivitäten innerhalb der Internationalen Handelskammer durch Änderungen oder Ersetzung der bestehenden ICC Rules of Optional Conciliation zu bestimmen.64 Nachdem die Arbeitsgruppe ihre Arbeit der Kommission vorgelegt hatte, wurde sie durch diese im März 2000 damit beauftragt, neue ICC-ADR-Regeln zu entwerfen.65 Bei der Ausarbeitung der neuen ADR-Regeln ging die Arbeitsgruppe in mehreren Schritten vor. Zunächst erstellte sie einen ersten Entwurf einer ADR-Ordnung sowie von ADR-Klauseln, um diese den nationalen Komitees der Internationalen Handelskammer zur Diskussion zu stellen.66 Die durch die nationalen Komitees geäußerten Kommentare und Beobachtungen wurden schließlich während des Kommissionstreffens im November 2000 diskutiert und eingearbeitet, um dann am 16. März 2001 durch den Exekutivausschuss der Internationalen Handelskammer angenommen zu werden.67 Hiernach erstellte die Arbeitsgruppe um Peter M. Wolrich den ICC-ADR-Leitfaden, wobei zunächst durch eine separate Gruppe innerhalb der Arbeitsgruppe ein erster Entwurf erstellt wurde, welcher innerhalb der Arbeitsgruppe dann diskutiert wurde und einige Änderungen68 erfuhr, um letztendlich im Frühjahr 2001 von der Kommission zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit begutachtet zu werden.69 Diese kritisierte an dem Leitfaden vor allem Punkte, aufgrund derer die Regeln bereits zuvor kritisiert worden waren, wie z. B. das Fehlen einer bindenden Mediation nach dem Vorbild von DABs oder aber die fehlende Möglichkeit, Med-Arb-Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln durchzuführen. Diese Kritikpunkte wurde in der endgültigen Fassung des Leitfadens nicht weiter berücksichtigt und der Leitfaden mit den Regeln zusammen schließlich veröffentlicht.70 Mit dem 1. Juli 2001 traten die ICC-ADR-Regeln in Kraft. Die wohl auffälligste Neuerung an den ICC-ADR-Regeln war die Abkehr von der alten Bezeichnung der Rules of Optional Conciliation hin zu der Bezeichnung der Amicable Dispute Resolution Rules. Ein Grund für die Umbenennung in Amicable Dispute Resolution Rules war unter anderem, dass die Internationale Handelskammer hierdurch den Schnitt zu den alten ICC Rules of Optional Conciliation 63
Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (9). 65 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (9). 66 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 67 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (9). 68 So einigten sich die Arbeitsgruppe und die entwerfende Gruppe z. B. darauf, die Betonung auf “amicable dispute resolution” innerhalb des Leitfadens fallen zu lassen. Siehe: Knutson, in: Int. B. Lawyer, 2002, S. 119 ff. (120). 69 Knutson, in: Int. B. Lawyer, 2002, S. 119 ff. (120). 70 Knutson, in: Int. B. Lawyer, 2002, S. 119 ff. (121). 64
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auch in dem neuen Namen klar zum Ausdruck bringen wollte.71 Ein zentrales Anliegen der Arbeitsgruppe “on the Promotion, Adaptation and/or Extension of ICC ADR Services” war es schließlich, ein vollkommen neues und überarbeitetes Regelwerk zu erstellen. Dies war jedoch nicht der Hauptgrund für die Abkehr von der alten Terminologie. Einer der Gründe für die Abkehr von dem Begriff der Conciliation liegt vielmehr in der Umstrittenheit dieses Begriffes: wie bereits dargestellt ist umstritten, was unter den Begriffen Schlichtung und Mediation zu verstehen ist und wie sich diese unterscheiden.72 Darüber hinaus stellt die Schlichtung im europäischen Sinne eine zum Teil überholte Methode der außergerichtlichen Streitbeilegung dar, die mit den in den Vereinigten Staaten entwickelten Methoden nicht zu vergleichen ist; insofern hinken die europäische Entwicklung und das dortige Verständnis den USA hinterher.73 Vor diesem Hintergrund war es wichtig, eine klare Öffnung der Regeln für jegliche nicht bindende Streitbeilegungsmethode vorzunehmen und damit die Verbreitung dieser Methoden gerade in Europa zu fördern. Ziel der Regeln ist es schließlich, den Parteien zu ermöglichen, dass für sie am besten geeignete Verfahren der einvernehmlichen Streitbeilegung zu wählen.74 Neben der Abkehr vom alten Namen der Conciliation Rules entschied man sich außerdem nicht für den Begriff der Rules of Alternative Dispute Resolution sondern für den der Amicable Dispute Resolution. Gerade dieser Punkt war während der Ausarbeitung der Regeln bereits stark umstritten.75 Die Abkehr von der gewöhnlichen Terminologie erfolgte dabei vor allem, um die Frage zu klären,76 was unter ADR-Verfahren zu verstehen ist.77 Auch für Parteien aus dem US-amerikanischen Raum sollte klar sein, dass unter den ICC-ADR-Regeln nur solche Verfahren durchführbar sind, welche auf eine einvernehmliche Beilegung von Streitigkeiten ohne bindende Entscheidung gerichtet sind und somit die Schiedsgerichtsbarkeit ausschließen. Mit der neuen Bezeichnung sollte somit die klare Trennung von Schiedsverfahren und ADR-Verfahren kommuniziert werden.78 Außerdem sollte hierdurch zum einen zum Ausdruck gebracht werden, dass die ICC-ADR-Regeln keine Alternative, sondern vielmehr eine Ergänzung der Schiedsgerichtsordnung darstellen, und zum anderen der einvernehmliche und konsensuale Charakter der Regeln verdeutlicht wer71
Dieser Meinung ist Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). Siehe oben unter Kapitel II § 3 III 1. 73 vgl. Cairns, in: Disp. Res. J. August/Oktober 2005, S. 62 ff. (65). 74 Vgl. ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4. 75 Knutson, in: Int. B. Lawyer, 2002, S. 119 ff. (120); Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 76 Vgl. näher zur Umstrittenheit des ADR-Begriffs oben unter Kapitel II § 3. 77 Und damit die Schiedsgerichtsbarkeit auszuschließen, vgl. González de Cossío, in: Rev. M. de Der. Int. Priv. y Comp., S. 3 ff. (19); Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull.,Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 78 Vgl. ICC, Guide to ICC ADR, S. 3. 72
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den.79 Interessant ist hierbei, dass damit die Internationale Handelskammer sich wieder ein Stück auf ihre Wurzeln zurück besann. Allein die Bezeichnung zeigt schon eine stärkere Rückbesinnung auf die alte Fokussierung auf ein Netzwerk von Freundschaft.80 Eine weitere Neuerung war die Einführung von ICC-ADR-Klauseln. Dabei beließ es die Arbeitsgruppe nicht nur bei einer Standardklausel, sondern entwarf vier in der Bindungsintensität ansteigende Klauseln. Außerdem wurde die Anwendbarkeit der ADR-Regeln nicht allein auf Streitigkeiten (disputes) beschränkt, sondern nunmehr auch auf reine Meinungsverschiedenheiten (differences) erweitert.81 Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass nicht auch der Begriff des “Dispute” in dem Namen der ICC-ADR-Regeln abgelegt wurde.82 Der Anwendungsbereich der ICC-ADR-Regeln wurde im Vergleich zu den alten ICC Rules of Optional Conciliation, welche nur auf internationale Streitigkeiten Anwendung fanden,83 zudem auf nationale Streitigkeiten erweitert.84 Zudem wurden die ICC-ADR-Regeln nun endgültig von der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer getrennt, ein Schritt, der bei der Schaffung der ICC Rules of Optional Conciliation noch nicht gegangen wurde.85 Dies geschah zum einen durch die getrennte Publikation der Regelwerke, zum anderen werden alle Anfragen bezüglich ICC-ADR nun von einem eigenständigen ADR-Sekretariat bearbeitet, welches vom Schiedssekretariat unabhängig ist und direkt dem Generalsekretär der Internationalen Handelskammer Bericht erstattet.86 Damit wurde auch institutionell eine klare Trennung von ADR und Schiedsgerichtsbarkeit vorgenommen. Zudem wurde an die Regeln ein Leitfaden bezüglich des Verfahrens angefügt. Die Anzahl der die Ordnung ausmachenden Artikel verringerte sich wieder auf sieben, womit das Regelwerk wieder mehr Platz für Individualabreden der Parteien lässt und das Verfahren sich insgesamt flexibler gestaltet. In den Folgejahren des Inkrafttretens der ICC-ADR-Regeln kam es nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten zu einem stetigen Anstieg der eingehenden Anfragen. Die Entwicklung fiel von zunächst acht jährlichen Anfragen in den Jahren 2002/200387 auf lediglich 79
Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 7. Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel III § 8 I. 81 Vgl. ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 7; sowie die Präambel der ICCADR-Regeln. 82 So hätte man die Regeln auch Amicable Difference Resolution oder aber Amicable Disagreement Resolution nennen können. 83 Art. 1 ICC Rules of Optional Conciliation. 84 Art. 1 ICC ADR Regeln. 85 Gerade diese Trennung der Regelwerke kann als Emanzipation der einvernehmlichen ICC-Streitbeilegung von der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit gesehen werden. Zudem wird hierdurch die grundlegende Überarbeitung der urspünglichen ICC Rules of Oprional Conciliation klar zum Ausdruck gebracht. 86 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (91). 87 ICC, 2002 Statistical Report S. 17; ICC, 2003 Statistical Report, S. 16. 80
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sechs jährliche Anfragen in den Jahren 2004/2005,88 um dann auf zwölf jährliche Anfragen in den Jahren 2006/200789 zu steigen und im Jahr 200890 auf elf Anfragen zu fallen. Im Jahr 2009 sprang die Zahl der jährlichen Anfragen dann auf 2491 um dann im Jahr 2010 wieder auf 13 Anfragen zu fallen.92 2011 und 2012 wurden mit zunächst 2793 und dann 2194 Anfragen dann aber wieder die Zwanzigermarke überschritten. Insofern kann festgestellt werden, dass, wenn auch verhalten, die ICC-ADR-Regeln insgesamt insofern positiv aufgenommen wurden, als dass die Anzahl der Beantragten Verfahren über die Jahre insgesamt zunahm.
V. Zusammenfassung und Wertung dieser Entwicklung Insgesamt kann die Entwicklung der Ordnungen der Internationalen Handelskammer zur einvernehmlichen Streitbeilegung als Reifeprozess gesehen werden, der in drei grobe Stufen unterteilbar ist. Die erste Stufe der Gründungsjahre zeichnet sich dabei vor allem dadurch aus, dass die einvernehmliche Streitbeilegung eine unter den Parteien sehr erstrebenswerte Variante der Konfliktlösung darstellte. Der Erfolg der Schlichtung in den ersten Jahren ist dabei vor allem auf die Autorität der Internationalen Handelskammer und den damaligen starken Glauben an die streitbeilegende Wirkung internationaler Freundschaften zurückzuführen.95 Diesem schon starken Verständnis und Willen zur einvernehmlichen Streitbeilegung bzw. den entsprechenden Bedürfnissen entsprach das viel zu starre96 und dennoch zu ungenaue Regelwerk der ICC Rules of Arbitration and Conciliation jedoch noch nicht. Insofern versäumte es die Internationale Handelskammer, eines ihrer Ziele zu erreichen, nämlich die Schritte zu einer einvernehmlichen Streitbeilegung mit Hilfe der Internationalen Handelskammer zu vereinfachen. Den Zeitgeist der Gründungsphase der ICC auf den Punkt brachte Young, der schrieb: “The opportunities for Conciliation are inherent in the Organization itself, and no special code of procedure is necessary, or even desirable, to bring these forces into play”,97 zumal die Fallzahlen der einvernehmlichen Streitbeilegung außerhalb der Regelwerke für Schlichtung- und Schiedsverfahren bei der Internationalen Handelskammer um ein Vielfaches höher waren als die Zahl der Streitbeilegung im Rahmen beider 88
ICC, 2004 Statistical Report S. 13; ICC, 2005 Statistical Report, S. 14. ICC, 2006 Statistical Report S. 15; ICC, 2007 Statistical Report, S. 14. 90 ICC, 2008 Statistical Report S. 15. 91 ICC, 2009 Statistical Report S. 15. 92 ICC, 2010 Statistical Report S. 15. 93 ICC, 2011 Statistical Report S. 16. 94 ICC, 2012 Statistical Report S. 16. 95 Hamilton, in: ICC Int. C. of Arb. Bull., Spec. Suppl. 7, 2001, S. 23 ff. (26). 96 Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 697. 97 Young, in: ICC Digest No. 3, S. 3. 89
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Ordnungen zusammengenommen98 und insofern die ICC als Forum an sich als streitbeilegender Faktor genügte. Als zweiter großer Schritt kann dann die vollkommene Neuregelung der Schlichtungsordnung im Jahre 1988 gesehen werden.99 Organisatorisch kam es hier zu einem als positiv zu bewertenden Umdenken. Es war von nun an nicht mehr allein die Aufgabe des Präsidenten der Internationalen Handelskammer, die Schlichter zu benennen, sondern dies oblag nach der neuen Schlichtungsordnung dem Sekretariat des Schiedsgerichtshofes der Internationalen Handelskammer. Zudem wurde die Administrativkommission bezüglich Schlichtung, welche unter den alten Regeln den Präsidenten der Internationalen Handelskammer unterstützt hatte, durch das Sekretariat des Schiedsgerichtshofes abgelöst. Dies war insofern von zentraler Bedeutung, als sich das anfängliche Modell, bedingt durch den Mangel an Personal für diese Administrativkommission, überlebt hatte.100 Damit wurde die Schlichtung durch die Internationale Handelskammer organisatorisch in eine zeitgemäßere Form gebracht. Zudem wurde eine flexiblere Schlichtungsordnung geschaffen, die auch die bis dato ungeklärte Kostenfrage endlich regelte. Jedoch waren die ICC Rules of Optional Conciliation auch ein Schritt in die falsche Richtung. Zum einen oblag es immer noch allein der Internationalen Handelskammer, einen Schlichter zu bestellen. Überdies war es nicht möglich, mehrere Schlichter für ein Verfahren einzusetzen. Insofern griff das Regelwerk noch zu weit in den eigentlichen Schlichtungsprozess ein. Außerdem wurden die ICC Rules of Optional Conciliation weiterhin zusammen mit den ICC Rules of Arbitration veröffentlicht. Mit dem Inkrafttreten der ICC-ADR-Regeln im Jahre 2001 kam es dann wieder zu einer wesentlichen Weiterentwicklung. Die für die zukünftige Bedeutung von ICC-ADR-Verfahren wesentlichste Änderung ist in der Schaffung einer eigenständigen und dem Generalsekretär der Internationalen Handelskammer unterstellten ADR-Abteilung zu sehen. Dieser Schritt war die konsequente institutionelle Weiterentwicklung von ADR-Verfahren innerhalb der Internationalen Handelskammer. Dabei war die Auslagerung der Schlichtung weg von der Administrativkommission bezüglich Schlichtung hin zum Schiedsgerichtshof im Zuge der Novellierung zum Jahr 1988 der erste notwendige Schritt hin zu einer zunehmenden Autonomie von ADR-Verfahren innerhalb der Internationalen Handelskammer gewesen. Doch hatte die Verschiebung der Aufgabe zum Schiedsgerichtshof die weitere Entwicklung nicht in dem Maße gefördert, in dem dies notwendig gewesen wäre. Die Schiedsgerichtsbarkeit war zu diesem 98
ICC, Arbitration Report Nr. 6, S. 1. Die Phase zwischen 1927 und 1988 zeichnete sich vor allem durch Stillstand aus, zumal es hinsichtlich der einvernehmlichen Streitbeilegung zu keiner nennenswerten Überarbeitung der ICC Rules of Conciliation and Arbitration kam. 100 Näher zu den Gründen hierfür: Eisemann, in: Schultsz/van den Berg (Hrsg.), The Art of Arbitration, S. 124. 99
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
Zeitpunkt bereits ein sehr verbreitetes Mittel der Konfliktbeilegung, welches den Test der Zeit besser als die einvernehmliche Streitbeilegung bestanden hatte. Demnach wird der Fokus des Schiedsgerichtshof zu diesem Zeitpunkt, wohl auch ob der Arbeitsbelastung durch Schiedsverfahren,101 weniger auf die gesteigerte Förderung einvernehmlicher Verfahren gerichtet gewesen sein. Genau dies hätte es zu diesem Zeitpunkt aber gebraucht, zumal die einvernehmliche Streitbeilegung unter Zuhilfenahme eines Dritten an Bekanntheit und Zuspruch zum damaligen Zeitpunkt stark eingebüßt hatte. Mit der Schaffung einer eigenen ADR-Abteilung102 wurde dieser Fehler schließlich behoben und die Voraussetzung für eine gesteigerte Aktivität der Internationalen Handelskammer im Bereich einvernehmlicher Streitverfahren geschaffen. Die Schaffung einer autonomeren ADR-Stelle innerhalb der internationalen Handelskammer ist dabei zentral für den Erfolg der ADR-Regeln der internationalen Handelskammer. Nicht nur wurde hierdurch die Kapazität erhöht, sondern darüber hinaus eine Stelle geschaffen, deren vornehmliches Interesse in der Förderung von ADRVerfahren unter den ADR-Regeln der Internationalen Handelskammer besteht. Diese Neuorientierung wurde durch den neuen Namen des Regelwerkes weiter unterstützt. Die ICC-ADR-Regeln mit Leitfaden wurden nun auch getrennt von der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer veröffentlicht. Insofern wurde die klare Trennung von Schiedsverfahren und einvernehmlicher Streitbeilegung, die bei der ersten Schlichtungsordnung ja bereits angestrebt worden war, nun verwirklicht. Zudem wurde die einvernehmliche Streitbeilegung durch den Leitfaden erläutert. Ferner gliederte die Internationale Handelskammer ihre verschiedenen Regelwerke in grüne,103 nicht bindende Verfahren und in rote,104 bindende Verfahren.105 Dies brachte eine höhere Übersichtlichkeit über die Vielzahl der bestehenden Streitbeilegungsmethoden mit sich. Durch die getrennte Veröffentlichung, den neuen Namen, den Leitfaden und die neue Gliederung der Verfahren wurde es für den Anwender der Verfahren zudem leichter, sich unter dem Mediationsbegriff etwas vorzustellen. Gerade die Einordnung der Mediation in den Kontext anderer Streitbeilegungsverfahren und das Verständnis des Verfahrens an sich sind jedoch essentielle Voraus101 In
den Jahren 1988/1989 wurden 304 bzw. 309 Schiedsanfragen bei der ICC eingereicht; ICC, ICC Int. C. of Arb. Bull., 1/1993, S. 3. 102 Die Streitparteien werden nun durch ein separates ADR-Sekretariat beraten und bei der Einleitung des Verfahrens unterstützt. Siehe: Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 73. 103 Hierzu zählen neben den ICC ADR Rules die ICC Rules for Expertise, die Rules on Documentary Credit Dispute Expertise (DOCDEX) sowie die Dispute Boards for construction and other complex projects (DRB Regeln). 104 Dies ist alleine die Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer. 105 Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 54.
§ 8 Geschichte der ICC-Regeln zu ADR-Verfahren
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setzungen für das Funktionieren solcher Verfahren.106 Insgesamt streifte die Internationale Handelskammer mit den ICC-ADR-Regeln nun auch endlich das Korsett des Schlichtungsbegriffes ab und setzte auf ein sehr offenes Regelwerk. Die ICC-ADR-Regeln besinnen sich mehr auf organisatorische Fragen der einvernehmlichen Streitbeilegung. Bei der Art und Weise der Streitbeilegung sowie der Wahl der Neutralen wird den Parteien nun freie Hand gelassen, womit es möglich ist, das Verfahren an die Art der Streitigkeit anzupassen. Damit werden die Regeln zudem zeitloser,107 was ob der sich immer schneller verändernden Geschäftswelt von zentraler Bedeutung für den Erfolg eines solchen Regelwerks ist. Mit den Änderungen kam die Internationale Handelskammer auch den Ansprüchen der international Handeltreibenden nach, denn bis zum heutigen Tage ist die einvernehmliche Streitbeilegung vor Erlass eines Schiedsurteils in der Praxis üblich.108 Daneben liegt die einvernehmliche Lösung stärker im Interesse der Parteien eines Schiedsverfahrens als ein bindender Schiedsspruch.109 Dies zeigt den Anspruch, welchen die Parteien an ein ADR-Regelwerk haben, nämlich die Gewährleistung eines sicheren Forums für ein solches Verfahren. Genau dies versuchen die ICC-ADR-Regeln nun zu gewährleisten, indem sie Verschwiegenheit, Verfahrenslänge und gewisse Verwertungsverbote regeln. Auch die Standardklauseln sind hierbei zu erwähnen, welche den Parteien die Möglichkeit geben, die Intensität dieser Sicherheit festzulegen. Mit den Klauseln und durch die Erweiterung der Anwendbarkeit der ADR-Regeln auch auf reine Meinungsverschiedenheiten erweiterte die Internationale Handelskammer mit ihren neuen ADR-Regeln weiter auch den Anwendungsbereich für ADRVerfahren in das Vorfeld von Streitigkeiten. Genau diese Erweiterung könnte einer der Faktoren sein, die zu einer verstärkten Anwendung von ADR-Verfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten führen können.110 Im Übrigen beschränken sich die ICC-ADR-Regeln auf den organisatorischen Ablauf des Verfahrens. Insgesamt kam es also zu einer Rückbesinnung auf alte Ansichten, wobei die obig zitierte Aussage von Young dahingehend zu verstehen ist, dass es bezüglich der Erlangung der Einigung an sich unnötig ist, Regeln vorzugeben. Diese Renaissance alter Ideen darf jedoch nicht mit „altem Wein in neuen Schläuchen“111 verwechselt werden. Es handelt sich vielmehr 106
Demeyere, in: Arbitration International 3/2003, S 313 ff. (313). sieht auch Goldsmith so, der als Voraussetzung für die Kontinuität eines ADRRegelwerkes dessen Methodenoffenheit sieht. Siehe: Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (470–471). 108 Schmidt-Diemnitz, in: DB 7/1999, S. 369 ff. (371). 109 Siehe hierzu Horvath, In SchiedsVZ 6/2005, S. 292 ff. (292). 110 Dieser Meinung ist: Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. 1/2002, S. 83 ff. (91). 111 Der Vorwurf, die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Entwicklungen zu einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren seien nur alter Wein in neuen Schläuchen wurde unter 107 Dies
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
um eine grundlegende Modernisierung der alten Regelwerke,112 die im Lichte der Erfahrungen seit Schaffung des ersten Regelwerkes 1922 erfolgte. Dabei wurden Irrwege der letzten Jahrzehnte berücksichtigt und zu Unrecht aufgegebene Ideen der Anfangszeit der internationalen Handelskammer wiederbelebt. Ob die internationale Handelskammer mit ihren neuen ADR-Regeln auf neuen Irrwegen wandelt und ob ADR-Verfahren unter den ADR-Regeln der internationalen Handelskammer in Zukunft eine größere Bedeutung zukommen wird, kann alleine die kommende Zeit zeigen.
§ 9 ADR-Verfahren in internationalen Geschäftsbeziehungen Grundsätzlich haben sich inzwischen ADR-Verfahren, wie bereits oben festgestellt,113 als effektive Streitbeilegungsmechanismen bewährt. Dieser Befund beruht jedoch auf einer sehr globalen Betrachtung von ADR-Verfahren im Allgemeinen. Um einen spezifischen Kontext für die spätere Beurteilung der ADRRegeln der Internationalen Handelskammer zu bilden, sozusagen eine Bewertungsgrundlage zu entwickeln, wird im Folgenden zunächst dargestellt, in welchem Umfang ADR-Verfahren sich im Allgemeinen zur Beilegung speziell von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten eignen. Dabei ist für die spätere Bewertung der ICC-ADR-Regeln – die grundsätzliche Eignung von ADR-Verfahren vorausgesetzt – entscheidend, welchen Eigenschaften eines Streitbeilegungsverfahrens in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten eine besondere Bedeutung zukommt und wie ein ADR-Verfahren grundsätzlich ausgestaltet sein muss, um diesen speziellen Anforderungen entsprechen zu können. Daher werden sowohl funktionale (sogleich unter I.) wie auch rechtliche Aspekte (unter II.) der einvernehmlichen Streitbeilegung betrachtet. Beides kann sodann zueinander in Beziehung gesetzt werden (unter III.). Nicht vergessen werden darf zudem, dass der Einsatzbereich für ADR-Verfahren, anders als die obige Betrachtung vermuten lassen könnte, über die Beilegung entstandener Streitigkeiten hinaus auch die Vermeidung von Konflikten umfasst.
I. Funktionale Aspekte Unter funktionalen Aspekten sind solche Aspekte zu verstehen, welche die methodische Eignung von ADR-Verfahren zur Vermeidung und Beilegung von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten betreffen. Rechtliche Probleme der anderem erhoben von: Wedel, in: Sanders (Hrsg.), New Trends in the development of International Commercial Arbitration, S. 264 112 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (194). 113 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel II § 6.
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Beilegung mittels ADR-Verfahren werden als solche im Rahmen der rechtlichen Aspekte betrachtet. Rechtliche Probleme, die durch ADR-Verfahren methodisch gelöst werden,114 werden hingegen im Rahmen der Betrachtung funktionaler Aspekte näher beleuchtet.
1. Vermeidung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten Konfliktvermeidung bedeutet, von Anfang an die Schwachstellen einer Geschäftsbeziehung abzusichern, die zum Auslöser späterer Konflikte werden können, um somit das Entstehen von Konflikten zu verhindern. Die Anforderungen an ADR-Verfahren sind insofern eng mit den Schwachstellen internationaler Geschäftsbeziehungen verbunden. Dies gilt sowohl für die Konfliktvermeidung als auch für die Konfliktbeilegung. Konfliktvermeidung ist hier allerdings als konkrete Absicherung gegen Unstimmigkeiten zu verstehen. Auch wenn die Konfliktvermeidung als Eingreifen in einem frühen Stadium verstanden werden kann, folgt diese Phase der Konfliktvermeidung in ihrer methodischen Dimension der Konfliktbeilegung – sie ist quasi eine „vorgezogene“ Konfliktbewältigung nach denselben Strategien. Grundsätzlich sind internationale Geschäftsvorgänge von zunehmender Komplexität,115 da sie sich in der Regel über längere Zeiträume erstrecken, zumeist mehr als zwei Parteien beteiligt sind und oft durch komplizierte Finanzierungspläne Dritten Einfluss auf das Geschäft eingeräumt wird.116 Einer zunehmenden Komplexität und Dauer muss auf vertraglicher Seite mit Regelungsfreiräumen begegnet werden, um die notwendige Flexibilität für spätere Änderungen zu gewährleisten.117 Dieser Flexibilität folgt damit aber auch die Schattenseite einer vertraglichen „terra nullius“, welche das Entstehen von Streitigkeiten begünstigt. Dieses gewollte und notwendige vertragliche Vakuum wird zudem noch dadurch erweitert, dass es zumeist bei längerfristigen Geschäftsbeziehungen im Vorhinein nicht möglich ist, alle relevanten Punkte vorauszusehen.118 Insgesamt kommt es daher mit zunehmender Komplexität und Dauer einer Geschäftsbeziehung zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Streitigkeit.119 114 Ein
Beispiel für ein solch methodisch zu lösendes rechtliches Problem wäre etwa die Überwindung der Frage des anwendbaren Rechts. 115 Lynch, The Forces of Economic Globalization, S. 1. 116 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 6. 117 Lynch, The Forces of Economic Globalization, S. 4. Näher zu dieser Problematik siehe: Vincent-Jones, Ox. J. L. Stud. 3/2000, S. 317 ff. 118 Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 5. 119 Lynch, The Forces of Economic Globalization, S. 3; Myers, in: Nicklisch (Hrsg.), Der komplexe Langzeitvertrag, S. 503 ff. (519).
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
Will man das Entstehen von Konflikten in internationalen Geschäftsbeziehungen verhindern, muss man folglich einen Weg finden, dieses Regelungs- und Vertrauensloch zu füllen, ohne gleichzeitig den durch die Regelungsfreiräume gewonnenen Flexibilitätsgewinn zunichte zu machen. Die Lösung hierfür ist, eine besonders solide Parteibeziehung zu bilden und zu fixieren, die ein kooperatives Vorgehen in diesem Vakuum ermöglicht und das Vertrauen der Parteien zueinander erhält bzw. wiederherstellt. ADR-Verfahren sind hierfür der Schlüssel. Sie ermöglichen es, diese Probleme bereits bei Vertragsschluss zu berücksichtigen, ohne dabei durch zu starre vertragliche Absprachen die Flexibilität der Geschäftsbeziehung zu beeinträchtigen. Durch die Heranziehung eines neutralen Dritten bereits vor Entstehen der Streitigkeit wird es möglich, eine gewisse Neutralität und strukturierte Formlosigkeit zu generieren.120 Durch ihren kooperativen Charakter ermöglichen es ADR-Verfahren ferner, in lösungsorientierter und geschäftsbeziehungserhaltender Weise121 Schwierigkeiten im Verlauf einer Geschäftsbeziehung zu lösen.122 Das durch die mangelnden Regelungen im Vertrag entstandene Vakuum kann somit durch die Aufnahme eines ADR-Verfahrensregimes im Falle von Problemen oder Ergänzungsbedürfnissen bei der Abwicklung der Geschäftsbeziehung gefüllt werden. Durch das ADR-Verfahren wird dabei ein Weg vorgezeichnet, Lücken im Vertrag und sich ergebenden Änderungen der Sachlage gemeinsam und kooperativ zu begegnen und einen interessengerechten Ausgleich zu finden. Insgesamt ergibt sich hieraus, dass ADR-Regelwerke nicht alleine auf die einvernehmliche Beilegung bereits entstandener internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten abzielen dürfen, sondern daneben auch zur Vermeidung solcher Streitigkeiten eingesetzt werden können müssen. Klammert ein Regelwerk diesen Aspekt hingegen aus, so ist eine volle Entfaltung des Potentials eines ADR-Verfahrens unter ihm nicht möglich. Das ADR-Regelwerk muss dabei sehr methodenoffen sein, da gerade für den Bereich der Vertragslückenfüllung besondere ADR-Verfahrensarten zur Anwendung kommen.
2. Spezifische Schwachstellen internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten Unter den vielen weiter oben erwähnten grundsätzlichen methodischen Vorteile von ADR-Verfahren kommt einigen eine herausragende Bedeutung bei der Beilegung internationaler Streitigkeiten zu. Diese besondere Bedeutung 120 Diese Neutralität und strukturierte Formlosigkeit bringt nach der Meinung von Hunter der Mediator mit an den Verhandlungstisch. Siehe: Hunter, in: Arb. Int. 4/2000, S. 379 ff. (383). 121 Gerade diese Punkte sind zentrale Wesensmerkmale von ADR-Verfahren. Siehe: Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 34; Köper, in: Die Rolle des Rechts in Mediationsverfahren, S. 21, Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (207); Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2108). 122 Sander, in: Levin/Wheeler (Hrsg.), The Pound Conference, S. 74.
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einzelner Vorteile resultiert aus den spezifischen Schwachstellen internationaler Geschäftsbeziehungen. Diese sind zumeist Auslöser von Konflikten und damit, wie bereits bei der Konfliktvermeidung auch,123 bei der Beilegung solcher Streitigkeiten zentral. Eine solche spezifische Schwachstelle internationaler Geschäftsbeziehungen ergibt sich zunächst aus der Beziehung zwischen den Parteien selber. Die internationale Dimension dieser Beziehung eröffnet eine Reihe von Konfliktherden, die aufgrund der unterschiedlichen Sprachen und Kulturen der Parteien sowie aufgrund logistischer Probleme in der Parteibeziehung entstehen.124 Die Sprache ist zwar grundsätzlich als Teil der Kultur einer Partei zu sehen,125 doch aufgrund ihrer Rolle als klassischer Konfliktherd bei Vertragsverhandlungen und ihrer besonderen Bedeutung in internationalen Geschäftsbeziehungen126 separat von der Kultur der Parteien zu behandeln. In Sprachfragen ergeben sich die Konflikte dabei oft bereits bei der akustischen Wahrnehmung des Gesagten127; klassische Konfliktherde sind jedoch Missverständnisse beim tatsächlichen Verstehen und Interpretieren des Gesagten. Ein Beispiel hierfür sind juristische Fachbegriffe wie zum Beispiel „Eigentum“, „Vertrag“ oder „Bürgschaft“, die wegen ihrer unterschiedlichen juristischen Bedeutung in den einzelnen Ländern oft Missverständnisse verursachen, obwohl rein sprachlich klar ist, was gemeint ist.128 Neben den sprachlichen Problemen führt die internationale Dimension einer Geschäftsbeziehung auch zu logistischen Schwierigkeiten. Die zunehmende räumliche Distanz zwischen zwei Geschäftspartnern kann dazu führen, dass die Kommunikation zwischen den Parteien leidet und damit aus mangelhafter Kommunikation Konflikte entstehen. Sowohl diese aus Koordinierungsproblemen entstehenden Konflikte als auch sprachliche Konflikte gilt es rasch beizulegen, damit sie sich nicht über einen längeren Zeitraum hinweg potenzieren. Hierzu sind ADR-Verfahren besser als Entscheidungsverfahren in der Lage.129
123 124
S. 8.
125
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 I. 1. Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business,
Gilbert, Konfliktmanagement in international tätigen Unternehmen, S. 67 f. und zur Rolle der Sprache in internationale Verhandlungen: Salacuse, Making Global Deals, S. 28 ff. 127 Salacuse berichtet z. B. von einem Fall zwischen einer englischen Baufirma und der Sudanesischen Regierung, in der die Sudanesische Seite versehentlich anstatt “We expect to meet the deadline” “We accept to meet the deadline” verstand. Dieser Fall verdeutlicht die Tragweite, die ein rein sprachliches Verständnisproblem mit sich bringen kann. Siehe: Salacuse, Making Global Deals, S. 29. 128 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 8. 129 Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1872). 126 Hierzu
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
Zum einen zeichnen sich einvernehmliche Verfahren nämlich gerade durch ihre Schnelligkeit bei der Beilegung von Streitigkeiten aus.130 Die schnelle Beilegung von aus Sprach- und Koordinierungsproblemen entstandenen Konflikten ist dabei nicht nur aufgrund ihres häufigen Entstehens besonders wichtig, sondern auch weil sie für das Geschäft selber zumeist eher von untergeordneter Bedeutung sind und es dennoch stark behindern können. Häufig ist der Konflikt im Wege der beiderseitigen Aufklärung von Missverständnissen zu lösen – hierfür bietet sich ein gütliches ADR-Verfahren eher an als ein formelles Entscheidungsverfahren, da die Lösung im wesentlichen durch die Verständigung der Parteien selbst herbeigeführt werden kann, sobald die notwendigen Impulse durch eine neutrale Drittinstanz gesetzt wurden. Zum anderen ist die einvernehmliche Streitbeilegung nicht auf die Durchführung an einem bestimmten Ort131 oder zu einer bestimmten Zeit festgelegt. Dies ergibt sich aus der Flexibilität einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren. Die Parteien können das Verfahren alleine nach ihren Vorstellungen gestalten.132 Damit können sie selber aushandeln, an welchem Ort, zu welcher Zeit und in welchem Rahmen das einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren durchgeführt werden soll.133 So eröffnet sich für die Parteien zum Beispiel die Möglichkeit, im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz einzelne Mediationstreffen abzuhalten.134 Eine besonders technologisierte Frucht dieser örtlichen wie zeitlichen Flexibilität ist die Online Dispute Resolution (ODR).135 Bei der Online Dispute Resolution,136 findet das einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren vorwiegend137 im virtuellen Raum statt, sprich der neutrale Dritte 130
Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Köper, in: Die Rolle des Rechts in Mediationsverfahren, S. 27; Weigand, in: BB 1996, S. 2106 ff. (2108); Wang In: Arb. Int 2/2000, S. 189 ff. (198). 131 Der Verfahrensort kann auf die Art und Weise wie ein Verfahren oder aber eine Verhandlung geführt wird, und vor allem auf das Ergebnis, eine zentrale Wirkung haben. Siehe hierzu: Salacuse, Making Global Deals, S. 10 ff. 132 Risse, In NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1615); Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 81. Angemerkt sei hier, dass dies der Idealzustand ist. 133 Bowen, in: Disp. Res. J. Mai/Juli 2005, S. 58 ff. (63); Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (201). 134 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 410. 135 Bei der Online Dispute Resolution handelt es sich um eine Streitbeilegungsform, die sowohl bei einfachen Verhandlungen und einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren als auch bei Schieds- und Gerichtsverfahren zum Einsatz kommen kann, wobei das Verfahren im virtuellen Raum stattfindet. Vgl. näher hierzu Kaufmann-Kohler/Schlutz, Online Dispute Resolution: Challenges for Contemporary Justice, S. 5 ff. 136 Vgl. näher zur Online Dispute Resolution: Behr, Konfliktlösung im Internet; Busch/ Reinhold, in: EuCML 2015, S. 50 ff.; Schultz, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 135 ff. (264). 137 Da es keine einheitliche Definition der Online Dispute Resolution gibt, kann nicht genau definiert werden, ab wann der Anteil des im virtuellen Raum stattfindenden Verfahrensteils
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und die Parteien kommunizieren nur im virtuellen Raum.138 Diese räumliche und zeitliche Flexibilität erlaubt es, Streitigkeiten mit hohen Koordinierungsproblemen trotzdem schnell und kostengünstig zu einem gütlichen Ende zu führen. Besondere Bedeutung hat die Online Dispute Resolution bei der Beilegung von kleinen und mittleren Betriebshaftpflichtstreitigkeiten (business liability claims) erlangt, da hier oft selbst ADR-Verfahren in keinem positiven Kosten/ Nutzen-Verhältnis stehen.139 Neben sprachlichen Missverständnissen kann es zudem zu anderen, aus kulturellen Missverständnissen resultierenden Konflikten kommen.140 Kulturelle Unterschiede umfassen dabei nicht nur landestypische Unterschiede, sondern auch Unterschiede in der Unternehmenskultur.141 Typisches Beispiel für interkulturelle Missverständnisse ist das unterschiedliche Verhandeln US-amerikanischer und japanischer Geschäftsleute.142 Doch auch die Geschäftsgewohnheiten in China sind ein bekannter Punkt, der bei internationalen Geschäften oft zu Missverständnissen führt.143 Solchen kulturellen Unterschieden kann durch ein ADR-Verfahren im Vergleich zu Entscheidungsverfahren besser Rechnung getragen werden.144 Doch auch die Beilegung einer Streitigkeit selbst unterliegt kulturellen Verschiedenheiten.145 Beiden Umständen kann dabei in einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren angesichts deren Flexibilität Rechnung getragen werden.146 Die Berücksichtigung kultureller Unterschiede ist dabei sogar eine Notwendigkeit für die erfolgreiche Beilegung einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit mit Hilfe der einvernehmlichen Streitbeilegung. Denn auch darüber, was unter einer solchen einvernehmlichen Streitbeilegung zu hoch genug ist, um von einer Online Dispute Resolution zu sprechen. Vgl. Kaufmann-Kohler/ Schlutz, Online Dispute Resolution: Challenges for Contemporary Justice, S. 7. 138 Vgl. näher hierzu: Behr, Konfliktlösung im Internet; Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 222 f.; Loock-Wagner, in: Consultant 3/2002, S. 35 ff.; Lynch, The Forces of Economic Globalization, S. 373 ff.; Rule, Online Dispute Resolution for Businesses; Voillemot, in: C. de l’A. IV/2008, S. 289 ff. (298 ff.). 139 Miller/Jentz, Business Law Today, S. 104. 140 Gilbert, Konfliktmanagement in international tätigen Unternehmen, S. 66. 141 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 10. 142 Salacuse, Making Global Deals, S. 47 f. 143 Vgl. hierzu z. B. Waldkirch, in: F. A. Z. vom 5. Oktober 2009, S. 14. 144 Schwinger, in: ZKM 4/2004, S. 165 ff. (167). Zur Beilegung von Streitigkeiten, die vornehmlich auf interkulturellen Verschiedenheiten beruhen, gibt es zudem spezielle Techniken. Stringer und Lusardo nennen diese “cultural mediation”. Siehe Stringer/Lusardo, in: Disp. Res. J. Aug./Okt. 2001, S. 30 ff. 145 Vgl. für einige Beispiele Hunter, in: Arb. Int. 4/2000, S. 379 ff. (388 f.), der zum Beispiel auf die besondere Bedeutung von emotionalen und familiären Bindungen im arabischen Nahen Osten hinweist. 146 Stringer/Lusardo, in: Disp. Res. J. Aug./Okt. 2001, S. 30 ff. zeigen einen fünf Schritte Plan, durch den die Streitparteien kulturelle Unterschiede bei der Beilegung von internationalen Streitigkeiten überwinden können.
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
verstehen ist147 und wie das Verfahren durchzuführen ist, bestehen kulturelle Unterschiede,148 die es zu beachten gilt. Eine weitere Schwachstelle internationaler Geschäftsbeziehungen ergibt sich aus politischen Entwicklungen wie zum Beispiel Kriegen, Handelsembargos, Verstaatlichungen privaten Eigentums oder dem von Regierungen auf eine Vertragspartei ausgeübten Druck, der die Geschäftsbeziehung beeinflusst.149 Zudem ergibt sich auf internationalem Niveau eine Reihe zusätzlicher wirtschaftlicher Schwachstellen, da jede Partei die eigene Position nach den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihres Heimatstaates bewerten wird und damit die andere Partei nicht nur wirtschaftliche Änderungen im eigenen Umfeld, sondern auch im Land der anderen Partei berücksichtigen muss.150 Bei diesen politischen und wirtschaftlichen Problemen ist es oft weniger wichtig, die Rechtslage zu klären. Es gilt vielmehr, in Anbetracht dieser Probleme die Parteiinteressen wieder in Einklang zu bringen und auf die geänderte Sachlage mit konstruktiven und kreativen Lösungen zu reagieren. ADR-Verfahren eignen sich hierfür in besonderem Maße, da sie den Blick auf die Zukunft richten und zielgerichtet eine Lösung des konkreten Problems anstreben.151 Damit ermöglichen es ADR-Verfahren den Parteien, innovative Lösungen zu finden,152 die den individuellen Anforderungen und Interessen entsprechen.153 Doch nicht allein hierbei erlangt dieser in die Zukunft gerichtete Wesenszug Bedeutung. Aus ihm erwächst auch der Vorteil der Schonung der Geschäftsbeziehung. Gerade grenzüberschreitenden Wirtschaftsstreitigkeiten liegen langjährige Geschäftsbeziehungen zugrunde, sodass Konfliktbeilegungsverfahren, welche diese gefährden, oft als ungeeignet erscheinen.154 Der Schonung der Geschäftsbeziehung kommt dabei aufgrund der Kosten, die der Aufbau internationaler Geschäftsbeziehungen mit sich bringt,155 eine be147 Man denke z. B. nur einmal an die Pluralität der Ansichten darüber, was unter dem Begriff ADR zu verstehen ist. Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel II § 3 I. 148 Bowen, in: Disp. Res. J. Mai/Juli 2005, S. 58 ff. (60 f.). Ein Vergleich zwischen dem europäischen und dem U. S. amerikanischen Verständnis von Mediation und eine Betrachtung der Frage, ob beide Verständnisse kompatibel sind, findet sich in: Cairns, in: Disp. Res. J. August/Oktober 2005, S. 62 ff. 149 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 7. 150 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 7. 151 Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 34; Köper, in: Die Rolle des Rechts in Mediationsverfahren, S. 21. 152 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 206; Risse, in: NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1619). 153 Bowen, in: Disp. Res. J. Mai/Juli 2005, S. 58 ff. (64). 154 Risse, in; WM 37/1999, S. 1864 ff. (1872). 155 Bor, in: Arbitration 73/2007, S. 90 ff. (96); Brenninkmeijer/Shelkoplyas, in: Slot/Bulterman (Hrsg.), Globalisation and Jurisdiction, S. 222. Dabei ist vor allem die zu investierende Zeit ein Faktor, der die Kosten des Aufbaus internationaler Geschäftsbeziehungen nach oben
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sondere Bedeutung zu. ADR-Verfahren schonen, im Gegensatz zu Entscheidungsverfahren, die Geschäftsbeziehung.156 Auch dies ist ein zentraler Vorteil von ADR-Verfahren bei der Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten. Bei internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten gibt es über die Schonung der Geschäftsbeziehung hinaus noch einen anderen Vorteil von ADR-Verfahren, der diesen besondere Attraktivität für den internationalen Handeltreibenden verleiht. ADR-Verfahren können sich bei der Beilegung von Konflikten in der Sache von der rechtlichen Ebene lösen.157 Dabei wird diese Trennung zunächst rein methodisch erreicht, da nicht mehr die Frage, wer im Recht ist, gelöst wird, sondern vielmehr angestrebt wird, beide Parteien zu einer befriedigenden Beilegung zu bewegen. Gerade die rechtliche Ebene ist es in internationalen Streitigkeiten jedoch häufig, die zahlreiche Probleme aufwirft und damit die Beilegung der Streitigkeit erheblich erschwert.158 Zentrales Problem ist dabei, dass bereits die Frage des anwendbaren Rechts und des zuständigen Gerichts bei internationalen Streitigkeiten oft schwer zu bestimmen ist, da die jeweiligen Normen zu dieser Frage international nicht einheitlich sind.159 So kann es dazu kommen, dass ein und dieselbe Streitigkeit in mehreren Gerichten anhängig wird und sogar für dieselbe Streitigkeit mehrere Urteile ergehen,160 da gerade auf internationaler Ebene nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine bestehende Rechtshängigkeit (lis pendens) nicht zur Unzulässigkeit oder ein in der Sache bereits ergangenes Urteil im Rahmen der materiellen Rechtskraft nicht zur Unbegründetheit der neuen Klage führt. Auch eine Gerichtsstandsvereinbarung begründet für die Geschäftsparteien keine vollständige Sicherheit, da fraglich ist, ob das berufene Gericht überhaupt seine Wahl annimmt oder nach der Doktrin des forum non conveniens161 die Wahl ablehnt.162 Eine zu große treibt. So musste z. B. McDonalds zehn Jahre lang Verhandlungen führen, bis es in Moskau seine erste Filiale eröffnen konnte. Siehe: Salacuse, Making Global Deals, S. 7 f. 156 Dendorfer, in: DB 3/2003, S. 135 ff. (137); Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (207); Weigand, in: BB 41/1996, S. 2106 ff. (2108). Vgl. näher zu den Gründen weiter oben unter Kapitel II § 4 II. 157 Dies ist jedoch keineswegs zwingend. Die Rechtslage in einem Konflikt kann durchaus auch bei der einvernehmlichen Beilegung einer Streitigkeit eine wesentliche Rolle spielen. Vgl. hierzu z. B.: Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 2; Ripke, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 161 ff.. Jedoch ist es in ADR-Verfahren möglich, das Recht flexibler als in Entscheidungsverfahren handzuhaben und damit schneller zu einem Ergebnis zu kommen. 158 Salacuse sieht das Recht als eines von sieben Hindernissen bei internationalen Verhandlungen. Siehe: Salacuse, Making Global Deals, S. 6 f. 159 Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. 1. 160 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 12 ff., Lynch, The Forces of Economic Globalization, S. 5. 161 Vgl. näher zur internationalen Praxis bezüglich der Doktrin des forum non conveniens: Brand/Jablonski, Forum Non Conveniens. 162 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 15. Zu bedenken ist jedoch, dass, sollte es zu einem international breiten Inkrafttreten des
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Komplexität der internationalrechtlichen Vorfrage kann damit dazu führen, ein jedes Verfahren, das dieses Problem ausklammern kann, als vorzugswürdig erscheinen zu lassen.163 Da ADR-Verfahren es dem international Handeltreibenden ermöglichen, seine Geschäfte diesem Risikofaktor der Pluralität nationaler Regelungen betreffend die internationalrechtlichen Vorfragen weitestgehend zu entziehen, sind sie oft als vorzugswürdig zu beurteilen. Die Frage des anwendbaren Rechts und des zuständigen Gerichts ist jedoch nur ein Teil der rechtlichen Schwachstellen internationaler Geschäftsbeziehungen.164 Auch das tatsächlich anwendbare Recht eines Drittstaats kann Schwachstelle einer internationalen Geschäftsbeziehung sein. Eine anwendbare nationale Rechtsordnung kann so zum Beispiel im Ganzen oder in Bezug auf eine einzelne in Frage stehende Rechtsfrage lückenhaft oder zu ungenau sein.165 Doch auch eine Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit kann für spezifische Geschäftsbeziehungen, beispielsweise komplexe Anlagenbauprojekte, einen nur unzureichenden rechtlichen Rahmen bilden.166 So kann die in den Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika bestehende Gefahr des Strafschadensersatzes (punitive damages) diese als insgesamt unvorteilhaft erscheinen lassen. Zudem können die Parteien zwischen die divergierenden zwingenden Regelungen zweier Staaten geraten.167 Einvernehmliche Verfahren können für all diese rechtlichen Probleme als „Fluchtinstrument“ bzw. Ausweichmechanismus dienen. Eine Umgehung gerichtlicher Verfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten kann neben der Problematik des anwendbaren Rechts auch aufgrund des Verfahrens selber angezeigt sein. So stellen sich Fragen der Neutralität des Gerichts sowie nach der Art und Weise der Prozessführung und Beweisaufnahme.168 Die US-amerikanische Discovery ist nur ein Beispiel dafür, dass es für Parteien angezeigt sein kann, einen US-amerikanischen Zivilprozess zu umgehen. Gerade die Länge und Kosten, die ein US-amerikanisches Gerichtsverfahren unter anderem aufgrund der Discovery169 und weiterer Merkmale wie der American Rule aufweist, können zu einem solchen Abwägungsergebnis Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 kommen, diese Unsicherheit weitestgehend beseitigt wäre. 163 Koch, in: FS Schlosser, S. 399 ff. (412). 164 Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. 1. 165 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 47. 166 Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 49. 167 Paradebeispiel hierfür ist der Streit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und verschiedenen europäischen Staaten, in dem um die Konstruktion der Transsibirischen Pipeline ging. Siehe hierzu: Basedow, RabelsZ 1983, S. 147 ff. 168 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 16 ff. 169 Vgl. näher hierzu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S. 46.
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führen.170 Gerichtsverfahren können in manchen Situationen ferner nicht das Notwendige leisten. In Projekten mit mehreren Parteien, Verträgen und Berührungen zu den verschiedensten Rechtsordnungen eignen sich Gerichtsverfahren zum Beispiel dann nicht für die Beilegung einer einzelnen Streitigkeit hieraus, wenn hierdurch das Geflecht der verschiedenen Leistungen, die aufeinander aufbauen, ins Wanken gebracht wird.171 Zudem fehlt nationalen Gerichten oft die Kompetenz, die für die Beilegung einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit notwendig ist.172 Zuletzt erscheinen Gerichtsverfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten oft als ineffektiv, da ein vor einem nationalen Gericht erstrittenes Urteil in der Regel173 außerhalb der es erlassenden Rechtsordnung keine Wirkung hat.174 Das Erstreiten eines Urteils ergibt für die Partei einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit daher oft nur dann Sinn, wenn sich die beklagte Partei oder deren Vermögen in dem Land befindet, in dem das Urteil ergeht,175 oder zumindest in einem Land, mit dem Vollstreckungsabkommen bestehen. ADR-Verfahren können auch hier Abhilfe schaffen. Jedoch ist gerade diese Verbindlichkeit des ADR-Verfahrens einer der neuralgischen Punkte, da hierdurch Raum zum Missbrauch des ADR-Verfahren entsteht.176 Dies wiegt vor dem Hintergrund jedoch nicht so schwer, dass im Zuge von ADR-Verfahren geschlossene Einigungen durch die Parteien regelmäßig befolgt werden, da die Zufriedenheit der Parteien mit der letztendlichen Einigung im Vergleich zu Entscheidungsverfahren höher ist.177 Insgesamt ergibt sich damit, dass die außergerichtliche Streitbeilegung für die Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten methodisch besser geeignet ist als staatliche oder schiedsgerichtliche Verfahren.178 Hinzu kommt, 170
Risse, in: WM 37/1999, S. 1864 ff. (1865). Guillemin, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 48. 172 Hunter, in: Arb. Int. 4/2000, S. 379 ff. (381). 173 Ausgenommen sind hiervon natürlich die Fälle, in denen es sich um innereuropäische Sachverhalte handelt, die von der EuGVVO abgedeckt werden, oder in denen zwischen dem das Urteil erlassenden Land und dem Land, in dem vollstreckt werden soll, ein Vollstreckungsabkommen besteht. Prominentestes Beispiel bildet hier das sogenannte Luganer Übereinkommen, das die Regelungen der EuGVVO auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums erstreckt. Siehe grundlegend zu den Problemstellungen im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung Geimer, in: Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/2, S. 1359 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 412; Schack, IZVR, Rn. 865; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 149 ff. 174 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 25. 175 Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (205). 176 Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel V § 22 I. 177 Siehe hierzu z. B.: McEwen/Maiman, in: L. and S. R. 1/1984, S. 11 ff. (45); McEwen/ Maiman, in: L. and S. R. 20/1986, S. 439 ff. (443 ff.) oder, mit weiteren Verweisen, Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 84 f. 178 Auch dieser Meinung sind: Bowen, in: Disp. Res. J. Mai/Juli 2005, S. 58 ff. (64); 171
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dass ADR-Verfahren in der Regel im Vergleich zu nationalen und schiedsgerichtlichen Verfahren als besonders kostengünstig anzusehen sind.179 Dabei gilt es jedoch, auch auf methodischer Ebene die kulturellen Unterschiede zwischen den Parteien zu berücksichtigen und ein dem internationalen Charakter der Streitigkeit angepasstes Verfahren zu vereinbaren. Dies ist aufgrund der Flexibilität einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren ohne weiteres möglich.
II. Rechtliche Aspekte Neben den funktionalen Aspekten sind für die Beantwortung der Frage, ob ADR-Verfahren für die Beilegung von internationale Wirtschaftsstreitigkeiten geeignet sind, auch noch eine Reihe von rechtlichen Aspekten von Bedeutung. Auch wenn ADR-Verfahren bei der konkreten Beilegung von Streitigkeiten sich vom Recht als Entscheidungsgrundlage entfernen, sind sie dennoch nicht vollkommen vom materiellen und prozessualen Recht getrennt, sondern vielmehr in dieses eingebettet.180 Rechtliche Aspekte betreffen insofern vor allem das Verhältnis zwischen dem ADR-Verfahren und der übrigen jeweiligen Rechtsordnung. Oft wird die rechtliche Dimension internationaler sowie nationaler ADRVerfahren über vier verschiedene Vertragsverhältnisse in der Konfliktlösung durch ADR-Verfahren dargestellt.181 Diese Gruppierung hat den Vorteil, die Wirkrichtung der einzelnen Regelungen klar zu verdeutlichen. Das Problem bei einer solchen wirkweisen Gruppierung ist jedoch, dass mit ihr eine Reduzierung der rechtlichen Aspekte auf die vertraglichen Beziehungen zwischen den jeweiligen Vertragsparteien einhergeht. Diese Reduzierung verbaut dabei den Blick darauf, wie die einzelnen Regelungen dieser gebildeten Gruppen über die Grenzen der Gruppe hinaus genau interagieren. Es scheint daher angezeigt, eine Gruppierung nach der rechtlichen Funktion der in den einzelnen Vertragsbeziehungen enthaltenen Regelungen, sprich dem angestrebten Ziel vorzunehmen. Erst durch eine solche funktionsweise Gruppierung der einzelnen Regelung wird es möglich, alle übergreifenden Aspekte vollumfassend darzustellen. Aus diesem Grund erfolgt im Folgenden die Gruppierung der einzelnen rechtlichen Aspekte der einvernehmlichen Streitbeilegung in die Gruppen der Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 53; Salacuse, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 227; Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 189 ff. (211). 179 Paul, in: FPR 4/2004, S. 176 ff. (179). 180 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel II § 7. 181 Vgl. Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 31 ff., der zwischen der ADR-Vereinbarung, dem ADR-Verfahrensvertrag, dem ADR-Vergleich und dem ADR-Vertrag unterscheidet. Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 10 ff., unterteilt die einzelnen Verträge in die Mediationsvereinbarung, den Mediatorvertrag, den Mediationsorganisationsvertrag und den Mediationsvergleich.
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Entrechtlichung, der Inkompatibilität, der allgemeinen Sicherungsstruktur und des organisatorischen Rahmens. Zusammen bilden diese Gruppen die funktional rechtliche Dimension der einvernehmlichen Streitbeilegung bei internationalen Streitigkeiten. Die Berücksichtigung und … der in diesen Gruppen enthaltenen Aspekte ist Voraussetzung dafür, dass die methodischen Vorteile der einvernehmlichen Streitbeilegung sich auch tatsächliche entfalten können. Insofern bilden sie den notwendigen Rahmen für das ADR-Verfahren. Damit haben die rechtlichen Aspekte eine positiv unterstützende Wirkung auf die methodischen Aspekte eines ADR-Verfahrens. Dieser positiven Rahmenbildung folgt jedoch auch die Gefahr der Überregulierung des Verfahrens, was letztendlich auch zu einer negativen Wirkung auf methodische Aspekte führen kann. Schließlich bildet die Flexibilität eines ADR-Verfahrens für eine Vielzahl der methodischen Vorteile die Grundlage182 und würde durch zu tiefgreifenden und einschränkende Regelungen abnehmen.
1. Entrechtlichung Die Gruppe der Entrechtlichung enthält Aspekte die die Frage betreffen, inwieweit die „Flucht“ der Parteien vor nationalem Recht als Entscheidungsgrundlage für die Streitbeilegung und vor nationalen Gerichten und Schiedsgerichten als Streitentscheidungsorgan mit Hilfe einvernehmlicher Verfahren möglich ist. Dies ist bei der Bewertung der Geeignetheit einvernehmlicher Verfahren, internationale Wirtschaftsstreitigkeiten beizulegen, der Dreh- und Angelpunkt. Erst wenn die avisierte Flucht vor rechtlichen Problemen in der Praxis auch faktisch von Bestand ist, können die aus der Entrechtlichung zahlreich resultierenden methodischen Vorteile183 sich voll entfalten, womit in der Entrechtlichung der Hauptzweck des ADR-Verfahrens zu sehen ist. Die weiteren tatsächlichen Vorteile eines einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens stehen dabei stets zweitrangig hinter dieser Frage, da ohne abschließende Entrechtlichung trotz einer Einigung weiter ein nationales Entscheidungsverfahren drohen kann. Gerade bei internationalen Streitigkeiten ist die Gefahr paralleler Verfahren besonders hoch,184 wodurch die „Flucht“ vor dem Recht als Entscheidungsgrundlage auch eine Absicherung vor divergierenden Streitentscheidungen darstellt. Zu beachten ist, dass Entrechtlichung nicht vollkommenen Entzug des Verfahrens aus dem Recht bedeutet. Wie bereits bei der Rolle des Rechts in 182 Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (470); Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 42; Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 405; Mackie/Miles/Marsh, in: The ADR Practice Guide, S. 35. 183 Zur methodischen Bedeutung der Entrechtlichung vgl. weiter oben unter Kapitel III § 9 II 1. 184 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 231.
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ADR-Verfahren festgestellt,185 greift das ADR-Verfahren zwar bezüglich der Konfliktlösung oft selber nicht auf Rechtsnormen zurück, doch muss die Durchführung des Verfahrens gewissen Regeln unterworfen werden. In diesem Bereich ist eine Entrechtlichung gerade nicht gewollt. Die Gruppe der Entrechtlichung spaltet sich in zwei Aspekte auf: die Verfahrensfestigkeit und die Verbindlichkeit des Ergebnisses des ADR-Verfahrens.
a. Verfahrensfestigkeit Der Aspekt der Verfahrensfestigkeit betrifft die Frage, ob bei Entstehen einer Streitigkeit gewährleistet ist, dass eine bestimmte Verfahrensart alleine zur Anwendung kommt. Hierdurch wird im Falle von ADR-Verfahren nicht nur verhindert, dass es zu mehreren, schlechtesten falls sogar divergierenden Lösungen der Streitigkeit kommt, sondern darüber hinaus ist auch gesichert, dass die Streitigkeit zunächst tatsächlich in ihrer Beilegung entrechtlicht ist. Dabei ist die Frage nach der Pflicht zur Durchführung eines ADR-Verfahrens keineswegs eine rein akademische Frage.186 Zwar mag trotz Bestehens einer solchen Verpflichtung jede Partei in der Regel nach Anlauf des Verfahrens dieses ohne die Nennung von Gründen beenden können,187 doch kann es auch zum Pflichtenkreis einer Partei gehören, zumindest an der ersten Sitzung eines ADR-Verfahrens teilzunehmen, womit ihr die Vorteile eines ADR-Verfahrens vor Augen geführt werden kann.188 Ohne eine durchsetzbare Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens käme es meistens wohl nicht zu einer solchen ersten Sitzung. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einem ADR-Verfahren hat zudem eine die Anwendungswahrscheinlichkeit eines ADR-Verfahrens erhöhende Signalwirkung. Diese Signalwirkung besteht darin, dass das ADR-Verfahren nicht als reine Förmlichkeit vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens gesehen werden,189 sondern vielmehr als tatsächliche Konfliktlösungsinstrumente. Bedenkt man, dass sich die Parteien bei der Wahl ihres Vorgehens auch von dem in der Regel zu beschreitenden Weg leiten lassen, so führt diese Aufwertung von ADR-Verfahren auf der anderen Seite zu 185
Vgl.hierzu weiter oben unter Kapitle II. § 7. rein akademische Frage sieht es z. B.: Kraft, in: VersR 22/2000, S. 935 ff. (937). 187 Dieses Recht ist in einem ADR-Verfahren regelmäßig angezeigt, da ADR-Verfahren auf die Mitwirkung aller Konfliktparteien angewiesen sind. Hat eine Partei diesen Mitwirkungswillen nicht, so hat eine weitere Durchführung des Verfahrens keinen Sinn mehr und es muss der Partei ermöglicht werden, das Verfahren zu beenden. Siehe hierzu: Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 116 f. 188 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (19). 189 So geschehen bei dem obligatorischen Schlichtungsverfahren nach den landesgesetzlichen Umsetzungen zu § 15a EGZPO, das in der Praxis genau als eine solche Förmlichkeit gesehen wird. 186 Als
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einem verstärkten Druck, sich auf ein solches Verfahren als „Regelverfahren“ einzulassen. Eine tatsächliche Teilnahme an einem ADR-Verfahren und die Wahrnehmung des ADR-Verfahrens durch die Streitparteien als obligatorisch zu führendes Streitbeilegungsverfahren kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Zum einen ist denkbar, eine obligatorische190 Teilnahme an einem ersten Gesprächstermin bei Auftreten einer Streitigkeit zu vereinbaren. Eine weitere Möglichkeit wäre, eine Mindestlaufzeit des ADR-Verfahrens zu vereinbaren. Damit würde das ADR-Verfahren unabhängig vom Parteiwillen über einen vordefinierten Mindestzeitraum laufen und erst nach Ablauf dieser Mindestlaufzeit beendet werden können. Zuletzt würde sich auch noch anbieten, der Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens dadurch Nachdruck zu verleihen, dass die Parteien eine prozessuale Vereinbarung treffen, nach der sie vor Ablauf einer gewissen Frist kein anderes Entscheidungsverfahren anhängig machen können. Auch wenn durch die gerade genannten Verpflichtungen nicht erreicht wird, dass es zwingendermaßen zu einer einvernehmlichen Beilegung der Streitigkeit kommt, so erhöht sich durch sie doch die Wahrscheinlichkeit der einvernehmlichen Beilegung und damit der Entrechtlichung des Konflikts.
b. Verbindlichkeit Neben der Verfahrensfestigkeit ist für die tatsächliche Bestandskraft der Vermeidung nationalen Rechts entscheidend, dass das Ergebnis eines ADR-Verfahrens endgültig und zudem weitestgehend direkt durchsetzbar und vollstreckbar ist. Wäre dies nicht der Fall, könnte die Vermeidung nationalen Rechts nur von vorübergehender Dauer sein. Potentielle Gründe für die Nichteinhaltung der Einigung191 sind dabei mannigfaltig und beruhen nicht allein auf bösen Absichten einer Partei.192 So ist denkbar, dass eine der Parteien, die eine Verpflichtung aus einem ADR-Vergleich zu erfüllen hat, aufgekauft wird und der neue Eigentümer des Unternehmens sich an den durch seinen Vorgänger geschlossen Ver190 Genauer eine tatsächlich obligatorische und damit zum Beispiel durch Vertragsstrafen bewehrte Teilnahmepflicht. Das sog. obligatorische Schlichtungsverfahren nach den landesgesetzlichen Umsetzungen des § 15a EGZPO ist, wie in Kapitel III Fn. 172 bereits erwähnt, beispielsweise de facto gerade kein obligatorisch zu führendes Verfahren, da die obligatorische Komponente nicht konsequent durchgesetzt wird. So wird nach allen Umsetzungsgesetzen trotz Fernbleibens der antragstellenden Partei dieser im Endeffekt eine Erfolglosigkeitsbescheinigung erteilt. Vgl. näher hierzu: Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 117 f. 191 Auch wenn anzumerken ist, dass bei der gütlichen Einigung die freiwillige Erfüllung der gefundenen Einigung doppelt so hoch ist wie bei autoritativen Entscheidungen. Vgl. z. B. McEwen/Maiman, in: L. and S. R. 20/1986, S. 439 ff. (443 ff.) oder, mit weiteren Verweisen, Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 84 f. 192 Lörcher, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 651.
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gleich nicht mehr gebunden fühlt.193 Insbesondere bei Vergleichen, die weit in die Zukunft reichen, ist es daher ratsam, deren Vollstreckbarkeit zu sichern..194 Auch in Bezug auf die Konfliktvermeidung ist wesentlich, dass es durch das ADR-Verfahren zu einer nachhaltigen Schließung vertraglicher Lücken kommt, die geschlossene Einigung also verbindlich für die Parteien ist. Hinzu kommt, dass die Aussicht auf einen die Streitigkeit tatsächlich beendenden Schlusspunkt die Motivation der Parteien zur effektiven Durchführung des ADR-Verfahrens erhöhen kann.195 Aufgrund dieser zahlreichen Auswirkungen kommt der Verbindlichkeit des ADR-Verfahrens im Vergleich zur Verfahrensfestigkeit eine gehobene Bedeutung zu. Diese besondere Bedeutung zeigte sich auch bereits am Beispiel der Schiedsgerichtsbarkeit. Der Erfolg des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist einer der Hauptgründe für den Erfolg der Schiedsgerichtsbarkeit.196 Dementsprechend ist die gesicherte Verbindlichkeit durch einfache direkte Vollstreckbarkeit der Einigung für den Erfolg eines ADR-Verfahrens von besonderer Bedeutung.197 Eine weitere wichtige Funktion der Verbindlichkeit des ADR-Verfahrens ist die Minimierung des Verschleppungspotentials. Der Missbrauch des ADRVerfahrens zur Prozessverschleppung gehört zu den zentralen Gefahren eines ADR-Verfahrens.198 Wäre das Ergebnis des ADR-Verfahrens nicht verbindlich, wäre das Missbrauchspotential eines ADR-Verfahrens über dessen Lauf hinaus noch verlängerbar, indem eine Partei sich nur zum Schein im ADR-Verfahren einigt. Ist das Ergebnis hingegen verbindlich, so ist das Verschleppungspotential auf den Lauf des ADR-Verfahrens begrenzt. Hinzu tritt eine Erhöhung der Qualität des Verfahrensergebnisses, da durch eine gesicherte Verbindlichkeit der Einigung auch die Ernsthaftigkeit gesteigert wird. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn eine gesicherte Verbindlichkeit auf eine fehlende freiwillige Zustimmung zum ADR-Verfahren trifft. Hier würde die gesicherte Verbindlichkeit die aus der fehlenden Zustimmung resultierenden Nachteile noch fixieren, da die unfreiwillig in das ADR-Verfahren gezogene Partei sich gegen die unter Zwang getroffene Einigung nicht wehren könnte.
193 Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 242. 194 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 44. 195 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 277. 196 Newmark/Hill, in: Arb. Int, 1/2000, S. 81 ff. (81). 197 Cimmino, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 286 f.; Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 276, Prütting, in: Prütting (Hrsg.), Außergerichtliche Streitschlichtung, S. 225. 198 Vgl. näher zu dieser Gefahr sogleich unten unter Kapitel III § 9 II 2 b.
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2. Inkompatibilität von ADR Verfahren mit Entscheidungsverfahren Neben der Einleitung und dem Abschluss eines ADR-Verfahrens in einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit muss auch die Variante der Nichteinigung bei ADR-Verfahren bedacht werden.199 Der Umstand, dass ADR-Verfahren methodisch nicht zwingend zu einem Ergebnis führen,200 stellt dabei eine Erweiterung201 der eventuell fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit dar,202 zumal in beiden Fällen die gleichen Fragen bzw. Probleme bestehen. Endet ein ADRVerfahren ohne Einigung, darf aus der Durchführung des ADR-Verfahrens keine Gefährdung des sich anschließenden gerichtlichen203 Verfahrens entstehen und es insofern zu einer Inkompatibilität zwischen ADR- und Entscheidungsverfahren kommen. Gerade die Gefahr eines etwaigen späteren Rechtsverlustes ist einer der zentralen Aspekte, die Streitparteien veranlassen, kein ADR-Verfahren zur Beilegung ihrer Streitigkeiten zur Anwendung kommen zu lassen.204 Da der Fall der Nichteinigung bei ADR-Verfahren relativ selten eintritt,205 ist die Inkompatibilität in ihrer Bedeutung dennoch geringerer einzustufen, als die Entrechtlichung.
a. Prozesswesentliche Informationen Ein Grund für eine Inkompatibilität, oder auch Unvereinbarkeit, zwischen ADRVerfahren und Entscheidungsverfahren ist, dass in den meisten ADR-Verfahren die Technik des unilateralen Zugangs (Informiertheit206) des neutralen Drittens angewandt wird,207 dieser also Zugang zu allen wesentlichen Informationen hat. Neben dem neutralen Dritten erlangen zudem auch die beiden Streitparteien von der jeweils anderen Streitpartei oftmals prozesswesentliche Information. Eine solche Preisgabe von zumeist prozesswesentlichen Informationen ist regelmäßig Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines ADR-Verfahrens,208 da es erst hiernach möglich wird, dem Streit zugrunde liegenden 199
Sick, in: BB Beilage Nr. 5 2003, S. 25 ff. (25). Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (304). 201 Als Erweiterung kann dies gesehen werden, da die Inkompatibilität für Fälle der Nichteinigung neben die in Fällen der tatsächlichen Einigung einschlägige rechtliche Verbindlichkeit tritt. 202 Von einer fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit kann gesprochen werden, wenn der am Ende eines Verfahrens geschlossene Vergleich international nicht durchsetzbar ist oder sogar materiell in einer Rechtsordnung nicht anerkannt wird. 203 Gemeint sind dabei sowohl Schiedsverfahren als auch nationale Gerichtsverfahren. 204 Dies sieht auch so: Eidenmüller, in: SchiedsVZ 4/2003, S. 163 ff. (164). 205 Vgl. näher weiter oben Kapitel II Fn. 75. 206 Kracht, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 322 f. 207 Colman, in: Arb. Int. 3/2003, S. 303 ff. (304). 208 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 24; Hartmann, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 612; Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 12. 200
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Interessen tatsächlich zu fassen und somit eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.209 Folge dieser Preisgabe von Informationen darf aber nicht sein, dass diese gegen den Willen der freiwillig preisgebenden Partei Eingang in ein späteres Entscheidungsverfahren findet und damit gegen die preisgebende Partei verwendet wird. Hierauf Vertrauen zu können ist conditio sine qua non für das ADR-Verfahren,210 da das Vertrauen auf die redliche und auf die einvernehmliche Streitbeilegung beschränkte Verwendung der preiszugebenden Informationen eine wesentliche Voraussetzung für den Entschluss zur Preisgabe von Informationen ist.211 Ein Weg ist hier, dass die Rolle der am ADR-Verfahren beteiligten Personen in späteren Entscheidungsverfahren geregelt wird und zum anderen für gewisse im einvernehmlichen Verfahren preisgegebene Informationen sichergestellt wird, dass diese nicht in ein späteres Entscheidungsverfahren eingebracht werden können, um einen Missbrauch212 von vorneherein auszuschließen. Zu einer Einschränkung des freien Informationsflusses innerhalb des ADR-Verfahrens darf es hingegen nicht kommen, da hierdurch der Erfolg des ADR-Verfahrens erheblich gefährdet würde.
b. Prozessverschleppung Ein zweiter Aspekt innerhalb der Gruppe der Inkompatibilität ist die Absicherung des ADR-Verfahrens vor dessen Missbrauch zur Prozessverschleppung.213 Gerade der Missbrauch von ADR-Verfahren zur Prozessverschleppung stellt eine typische „Kinderkrankheit“ von ADR-Verfahren wie der Mediation dar.214 Dabei sind die Motive für einen solchen Missbrauch mannigfaltig. So könnte 209
Rute, in: J. of the K. B. Ass. 2010, S. 24 ff. (29). Hartmann spricht hier von dem Grundsatz der „Informiertheit“ der Parteien, der besagt, dass die Parteien über alle entscheidungserheblichen Tatsachen und die Rechtslage Kenntnis haben müssen. Vgl. Hartmann, in: Haft/ Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 612 f. 210 Reichert, in: Disp. Res. J. 2004/05, S. 62 ff. (62); SPECTER/PEARLMANN, in: Esplugues/Barona (Hrsg.), Global Perspectives on ADR, S. 537 ff. (549). Dies sah auch der europäische Gesetzgeber so, der die Vertraulichkeit des Mediationsverfahren als wichtig anerkannte und „…ein Mindestmaß an Kompatibilität der zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Wahrung der Vertraulichkeit der Mediation in nachfolgenden zivil- und handelsrechtlichen Gerichts- oder Schiedsverfahren“ anstrebte. Vgl. Erwägungsgrund 23 der Mediationsrichtlinie (2008/52/EG). 211 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 254; Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 39 f.; Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 195 f.; Risse, in: SchiedsVZ 5/2012, S. 244 ff. (250). 212 Von einem Missbrauch muss hier gesprochen werden, da die andere Partei die Informationen nur aus dem Willen heraus preisgibt, die Streitigkeit zu einer einvernehmlichen Beilegung zu führen. 213 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 209 f. 214 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 85.
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das ADR-Verfahren durch eine Streitpartei beispielsweise dafür genutzt werden, einen temporären Liquiditätsengpass zu überbrücken, auch wenn ADRVerfahren nur eine sehr kurze Brücke hierfür bieten.215 Ein Streitgegner könnte das ADR-Verfahren zudem missbrauchen, um alle seine Aktivposten auf die Seite zu schaffen, um dann sich oder seine Firma für bankrott zu erklären.216 Doch auch auf Zeitbasis bezahlte Dritte des ADR-Verfahrens können ob ihres Honorars ein Interesse daran haben, das Verfahren in die Länge zu ziehen.217 Insofern muss gewährleistet sein, dass die Parteien sich einem solchen schädigenden Verhalten entziehen können und damit den Erfolg eines etwaig später stattfindenden Entscheidungsverfahrens nicht gefährden. Erreicht werden kann dies dadurch, dass eine jede Partei das Verfahren alleine und grundsätzlich zu jeder Zeit beenden kann. Um den Zeitraum von ADR-Verfahren kurz zu halten und das dem ADR-Verfahren innewohnende Verschleppungspotential zu begrenzen, kann außerdem eine Frist218 vereinbart werden, nach deren Ablauf das gesamte ADR-Verfahren als gescheitert gilt und damit endet. Die Gefahr der Prozessverschleppung kann ferner noch durch die Aufnahme gewisser Unterfristen für weniger wesentliche Streitpunkte minimiert werden. So kann zum Beispiel eine feste und kurze Frist für die Einigung auf eine bestimmte ADR-Verfahrensart das Verfahren nicht nur beschleunigen, sondern überdies eine Schwachstelle, mit der das Verfahren künstlich in die Länge gezogen werden könnte, beseitigen.
c. Verjährung Zuletzt darf ein späteres Entscheidungsverfahren nicht dadurch gefährdet werden, dass die in einem einvernehmlichen Verfahren einschlägigen Anspruchsgrundlagen bereits während des ADR-Verfahrens und vor Anrufung eines Gerichts zu verjähren drohen.219 Auch wenn die Verjährung von Anspruchsgrundlagen Ziel einer Verfahrensverschleppung sein kann, so muss sie dennoch getrennt betrachtet werden, da auch im Falle der Redlichkeit der Parteien die Verjährung von Ansprüchen drohen kann.220 So kann durch eine drohende Ver-
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Risse, in: NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1620). weist auf diesen Umstand im Falle eines Gerichtsverfahrens hin. Siehe: Wang, in: Arb. Int. 2/2000, S. 186 ff. (198). Auch wenn ADR-Verfahren vergleichsweise kurz sind, bleibt dennoch die Möglichkeit, dass eine Partei diese kurze Zeit gegen die andere Partei nutzt. 217 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 241. 218 Vgl. näher zu der Ausgestaltung unter den ICC-ADR-Regeln unten unter Kapitel V § 21 I 2 a. 219 Auch dieser Meinung sind: Eidenmüller, in: SchiedsVZ 4/2003, S. 163 ff. (164); Nierhauve, Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 1183. 220 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 30. 216 Wang
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
jährung von Ansprüchen innerhalb eines ADR-Verfahrens eine Drucksituation entstehen,221 die zum Abbruch des ADR-Verfahrens führen kann.222 Aufgrund dieser erheblichen negativen Auswirkung auf den Erfolg eines späteren Entscheidungsverfahrens ist die Verjährung ein Aspekt, dem besondere Bedeutung zukommt. Um die Attraktivität eines ADR-Verfahrens zu gewährleisten gilt es gerade hier eine befriedigende Lösung zu finden, die in möglichst vielen Rechtsordnungen zu einer Hemmung oder Unterbrechung des Verjährungslaufes führt.
3. Allgemeine Sicherungsstruktur Eine weitere Gruppe rechtlicher Aspekte ergibt sich aus der Frage, bis zu welchem Grad das ADR-Verfahren selbst eine Sicherungsstruktur benötigt. Unter den Begriff der allgemeinen Sicherungsstruktur fallen dabei solche rechtliche Regelungen des ADR-Verfahrens, die einen allgemeinen Missbrauch verhindern sowie den freien Ablauf des ADR-Verfahrens garantieren. In Abgrenzung zur Gruppe der Inkompatibilität betrifft die Gruppe der allgemeinen Sicherungsstruktur nicht speziell den Erfolg eines bzw. das Verhältnis zu einem späteren Entscheidungsverfahren, sondern auch unabhängig hiervon bestehende allgemeine Aspekte. Insofern kann die Gruppe der allgemeinen Sicherungsstruktur sowohl in Fällen der Einigung als auch der Nichteinigung relevant werden. Dennoch ist die Bedeutung der allgemeinen Sicherungsstruktur geringer als die der Entrechtlichung und der Inkompatibilität, da nicht nur über rechtliche Verpflichtungen, sondern auch auf anderem Wege eine Absicherung erreicht werden kann.
a. Geheimhaltung Wie bereits bei der Betrachtung der Inkompatibilität festgestellt,223 ist die Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens ein zentraler Erfolgsfaktor.224 Doch nicht nur im Verhältnis zu Entscheidungsverfahren erscheint dies von Bedeutung. Auch in Bezug auf die Öffentlichkeit an sich muss bereits während des Laufes des ADR-Verfahrens gewährleistet sein, dass Dritte keine Kenntnis von dem ADRVerfahren selber und den in ihm preisgegebenen Details erlangen.225 So liegt es zum Beispiel oft im Interesse der Streitparteien einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit, dass Geschäftsgeheimnisse nicht an die Öffentlichkeit gelan221 Dabei erfolgt eine Abwägung zwischen Rechtsverlustes durch Verjährung im Nichteinigungsfall und Unerheblichkeit einer etwaigen Verjährung wegen Einigung. 222 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 30. 223 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 II 2 b. 224 Becker/Horn, in: SchiedsVZ 5/2006, S. 270 ff. (272); Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 254. 225 Rute, in: J. of the K. B. Ass. 2010, S. 24 ff. (29).
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gen.226 Auch das Bekanntwerden einer Streitigkeit an sich ist oftmals227 nicht im Interesse eines international Handelstreibenden,228 zumal das Bekanntwerden einer Streitigkeit an sich bereits zahlreiche negative Folgen haben kann.229 Gerade die Möglichkeit der Geheimhaltung einer Streitigkeit ist daher eines der Alleinstellungsmerkmale der Schieds- und ADR-Verfahren, durch das diese gegenüber Gerichtsverfahren erheblich an Attraktivität gewinnen.230 Neben der Sicherung der Vertraulichkeit in Bezug auf spätere Entscheidungsverfahren muss damit auch eine allgemeine Geheimhaltungsvereinbarung treten.231
b. Verpflichtung Dritter Auch das Verhältnis zwischen den Streitparteien und dem neutralen Dritten sowie zu anderen an dem Verfahren beteiligten Dritten, bedarf einer näheren Regelung, um Klarheit über die Ausgestaltung der Rolle der einzelnen Beteiligten zu schaffen. So ist es von zentraler Bedeutung, dass der neutrale Dritte das ADR-Verfahren unparteiisch leitet.232 Ein Weg ist hier, den neutralen Dritten direkt zur Neutralität vertraglich zu verpflichten.233 Eine weitere Möglichkeit zur Absicherung besteht darin, den Streitparteien ein Recht einzuräumen, im Fall aufkommender Zweifel an der Neutralität des neutralen Dritten diesen aus dem Verfahren zu entfernen.234 Damit die Parteien von einem solchen Recht auch tatsächlich Gebrauch machen können, muss neben das Recht zur Ablösung auch noch eine Pflicht des neutralen Dritten treten, etwaige Interessenskonflikte offen zu legen.235 Doch nicht nur der neutrale Dritte sondern auch andere an dem Verfahren beteiligte Dritte wie zum Beispiel die Internationale Handelskammer müssen vertraglich verpflichtet werden, die von ihnen bereitgestellten Dienste unparteiisch auszuführen. Wird diese Unparteilichkeit nicht vereinbart, so kann bereits 226 Bowen, in: Disp. Res. J. Mai/Juli 2005, S. 58 ff. (63); Schubert/Haase, in: Schiffer (Hrsg.) Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 260. 227 In gewissen Konstellationen kann es aber auch Vorteilhaft für eine Partei sein, die Streitigkeit bekanntwerden zu lassen. Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel II § 4 IV. 228 Kraft, in: VersR 2000, S. 935 ff. (940). 229 Zu zum Beispiel auf den Ruf eines Unternehmens. 230 Foster, in: JDR 2009, S. 163 ff. (163); Pörnbacher/Duncker/Baur, in: SchiedsVZ 6/2012, S. 189 ff. (294 f.); Risse, in: SchiedsVZ 5/2012, S. 244 ff. (250). 231 Vgl. näher zu der Ausgestaltung unter den ICC-ADR-Regeln unten unter Kapitel V § 20 I 2. 232 Auch dieser Meinung sind: Hacke, in: Der ADR-Vertrag, S. 225 ff.; Hammacher, in: NZBau 6/2012, S. 335 ff. (336 f.); Tochtermann, in: Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S. 3; Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 10. 233 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 225 ff.; Nierhauve, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 1181. 234 Tochtermann, in: Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S. 137 ff. 235 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 62 f.
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
zu Anfang des ADR-Verfahrens leicht der Eindruck entstehen, dass eine der Streitparteien durch andere Beteiligte, zum Beispiel durch die Internationale Handelskammer, übervorteilt wird. Zuletzt kann noch daran gedacht werden den neutralen Dritten über seine Pflicht zur Neutralität hinaus auch noch dazu zu verpflichten, die Fairness und Gerechtigkeit des ADR-Verfahrens zu sichern. Dabei können aus einer solchen Verpflichtung jedoch zahlreiche Probleme236 entstehen, zumal die Frage, wann ein ADR-Verfahren nicht mehr fair oder gerecht abläuft höchst, subjektiv zu beantworten ist. Zudem droht der neutrale Dritte durch das Geben von Hinweisen zum Zweck der Sicherstellung der Fairness des ADR-Verfahrens zu einer Partei in einen Beratungskontext zu treten, womit die Allparteilichkeit des neutralen Dritten bedroht wäre.237 Trotz dieser Probleme erscheint die Aufnahme einer solchen Pflicht als vorteilhaft. Grund hierfür ist, dass es nur so möglich wird, einem nur für den neutralen Dritten offensichtlichen Missbrauch des ADR-Verfahrens durch eine Partei entgegen zu wirken. So ist etwa denkbar, dass dem neutralen Dritten durch eine Partei Informationen mitgeteilt werden, aufgrund derer sich die Durchführung des ADR-Verfahrens als rechtsmissbräuchlich darstellen würde. Würde eine solche Pflicht nicht vereinbart, so wäre der neutrale Dritte aufgrund seiner Pflicht zur Neutralität und Unparteilichkeit gehindert die andere Partei hierauf hinzuweisen.238
c. Gutgläubigkeit ADR-Verfahren basieren auf der gutgläubigen Kooperation der Parteien. Jeglicher Missbrauch des ADR-Verfahrens nutzt die Gutgläubigkeit der anderen Partei aus und stellt selber ein bösgläubiges Verhalten dar. Neben die konkreten Sicherungspunkte des ADR-Verfahrens muss daher eine Fixierung der ordnungsgemäßen Teilnahme aller Parteien treten. Ein Weg wäre hier, eine Pflicht zur aufrichtigen und gewissenhaften Teilnahme zu vereinbaren. Eine solche Verpflichtung fungiert als „Sicherungsnetz“ des ADR-Verfahrens. Da jeder Missbrauch des ADR-Verfahrens gleichzeitig einen Verstoß gegen die Pflicht zur aufrichtigen und gewissenhaften Teilnahme begründen würde, greift diese Sicherung dort ein, wo die spezifischen Sicherungsaspekte versagen. Damit kommt einer solchen Pflicht eine lückenschließende Aufgabe zu. Die Aufnahme einer solchen Gutglaubensverpflichtung sollte daher zentraler Bestandteil
236 Vgl. näher zu den Problemen die aus einer solchen Verpflichtung entstehen können: Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 184 f. 237 Trenczek, in: DS 3/2009, S. 66 ff. (72). 238 Vgl. näher zu der Ausgestaltung unter den ICC-ADR-Regeln unten unter Kapitel V § 20 I. 1. a.
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eines ADR-Regelwerkes sein, um möglichst weitgehend die Parteien vor einem Missbrauch des ADR-Verfahrens schützen zu können.239
4. Organisatorischer Rahmen Neben diesen speziellen Punkten gilt es auch, dass ADR-Verfahren allgemein formell grundlegend auszugestalten. Nach Ausbruch eines Konfliktes ist es den Parteien zumeist gar nicht oder nur nach zähen und langen Verhandlungen möglich, sich über einzelne Punkte zu einigen.240 Vor diesem Hintergrund erscheint eine Mediationsplanung nach Konfliktentstehung ungemein schwerer möglich.241 Insofern sollte vorab geregelt sein, wie das ADR-Verfahren genau abläuft, um spätere Konflikte über diese für die eigentliche Streitigkeit zumeist unwesentlichen Fragen zu verhindern. So muss geklärt werden, wie das Verfahren eingeleitet und beendet wird. Auch die Wahl des neutralen Dritten gilt es im Vorhinein zu klären. Da diese organisatorischen Fragen aber alleine den Erfolg des ADR-Verfahrens betreffen und überdies keine Auswirkung auf etwaige sich anschließende Entscheidungsverfahren haben, sind Fragen des organisatorischen Rahmens im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Punkten von untergeordneter Bedeutung. Darüber hinaus ist es auch denkbar, den gesamten ADR-Prozess im Vorfeld der Streitigkeit bereits in seinem Ablauf festzulegen. So könnte die genaue ADR-Verfahrensart, wie zum Beispiel die Mediation, vor Entstehen der Streitigkeit festgelegt werden. Je genauer das Regelungsregime ist, desto effektiver wird die Gefahr von Unstimmigkeiten über das ADR-Verfahren minimiert. Zudem schränkt ein detailliertes Verfahrensregime den Raum für den Missbrauch zur Prozessverschleppung ein, da ein klar geregeltes Verfahren nur schwer in die Länge zu ziehen ist. Die Lösung einer internationalen Wirtschaftsstreitigkeit könnte zuletzt auch nicht mehr daran scheitern, dass sich die Streitparteien im Verfahren über das genaue Vorgehen nicht einig werden. Aus der rein rechtlichen Warte erscheint damit eine detaillierte Ausgestaltung des ADR-Verfahrens notwendig für die Durchführung eines sicheren und ausgewogenen Verfahrens. Auf der anderen Seite würde durch eine solch detaillierte Regelunge dem ADR-Verfahren die ihm eigene Flexibilität genommen.
239 Vgl. näher zu der Ausgestaltung unter den ICC-ADR-Regeln unten unter Kapitel V § 20 I. 1. b. 240 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 8; Villareal, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 139. Vgl. näher zu den Gründen weiter unten unter Kapitel V § 15 I. 241 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 89.
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
III. Das Verhältnis zwischen rechtlichen und funktionalen Aspekten Wie bereits oben erwähnt,242 besteht zwischen den methodischen und den rechtlichen Aspekten der einvernehmlichen Streitbeilegung in Teilen ein Konkurrenzverhältnis. Dieses Konkurrenzverhältnis ergibt sich aus dem Umstand, dass einzelne rechtliche Aspekte neben positiven Auswirkungen für die Streitparteien auch negative Auswirkungen auf methodische Aspekte der einvernehmlichen Streitbeilegung haben. Diese negative Wirkung ergibt sich dabei daraus, dass durch einzelne rechtliche Verpflichtungen der Ablauf eines ADRVerfahrens beeinflusst wird. Die Grundlagen für das Funktionieren eines ADRVerfahren bildet aber gerade die besonders hohe Flexibilität einvernehmlicher Verfahren.243 Die hohe Flexibilität von ADR-Verfahren ermöglicht es, dass sich das Verfahren an die Streitigkeit anpassen kann.244 Dieses Ermöglichen einer fallweisen Herangehensweise an die Beilegung einer Streitigkeit ist zentral für den Erfolg eines einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens,245 und ein entscheidender Unterschied zu Entscheidungsverfahren, dem gerade in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten eine besondere Bedeutung zukommt.246 Da die Flexibilität so zentral für den Erfolg des ADR-Verfahrens gerade bei internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten ist und die Art und Weise der Konfliktbeilegung hierdurch in den Händen der Parteien liegt, ist die Parteiautonomie das Leitbild des ADR-Verfahrens.247 Hinzu tritt die freiwillige Zustimmung zur Konfliktlösung durch die Parteien. Diese fungiert als Basis für die versöhnende Kraft einvernehmlicher Verfahren und dient zudem als materielle Gerechtigkeitsgewähr im ADR-Verfahren.248 Gerade diese Aspekte sollten nicht zu sehr tangiert werden.
242
Vgl. Kapitel III § 9 I. Risse, in: NJW 22/2000, S. 1614 ff. (1617 f.). 244 Die große Bedeutung der Flexibilität für den Erfolg eines einvernehmlichen Verfahrens wird besonders an einem durch Oghigian beschriebener Fall deutlich. Siehe: Oghigian, in: M. Int. Arb. R. 4/2003, S. 29 ff. 245 Zu diesem Ergebnis kam auch die Task Force on Improving Mediation Quality der ABA Section of Dispute Resolution in ihrem Final Report, abrufbar unter: http://www.americanbar. org/content/dam/aba/migrated/dispute/documents/FinalTaskForceMediation.authcheckdam. pdf (Stand 10. März 2016). 246 Aufgrund der Flexibilität von ADR-Verfahren ist es beispielsweise möglich, bei der Streitbeilegung kulturellen Besonderheiten einer Partei Rechnung zu tragen. Ein weiteres Beispiel wäre, der technischen Komplexität einer Streitigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass man den Neutralen Dritten um einen neutralen Experten ergänzt, der besondere Kenntnisse auf dem in Streit stehenden Gebiet hat. 247 Perner/Völkl, in: ÖJZ 13/2003, S. 495 ff. (496). 248 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 87 f. 243
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1. Unproblematische Aspekte Mit zunehmender Verpflichtung der Parteien und Regelung des ADR-Verfahrens selber kann es zu einer Einschränkung sowohl der Flexibilität als auch der freiwilligen Zustimmung kommen, die sich damit dann auch negativ auf die methodischen Vorteile der einvernehmlichen Streitbeilegung auswirkt.249 Eine solche negative Wirkung tritt allerdings immer nur dann ein, wenn durch die jeweilige rechtliche Verpflichtung in den Ablauf und die Ausgestaltung des ADR-Verfahrens selber eingegriffen wird. Organisatorische Fragen, welche die Streitbeilegung selbst nicht berühren, führen hingegen in der Regel genauso wenig zu negativen Auswirkung auf die funktionalen Aspekte der einvernehmlicher Streitbeilegung wie Regelungen, die sich in ihrer Wirkung allein auf an das ADR-Verfahren anschließende Entscheidungsverfahren erstrecken. Daneben haben Generalklauseln, die ein ausfüllungsbedürftiges Leitbild bieten, keine negativen Implikationen für die funktionalen Grundlagen der einvernehmlichen Streitbeilegung. Insofern führen rechtliche Regelungen, die Aspekte der Verjährung, Verfahrensfestigkeit,250 Verbindlichkeit,251 Fairness, Neutralität sowie Geheimhaltung252 und Sicherung prozesswesentlicher Informationen253 betreffen, regelmäßig254 zu keinen negativen Auswirkungen auf das ADR-Verfahren.
2. Abwägungsbedürftige Aspekte Anders sieht dies für Aspekte aus, die in den Ablauf des ADR-Verfahrens selber eingreifen. Diese haben durchaus negative Auswirkungen auf das ADR-Verfahren, zumal Sie direkt die Flexibilität und die freiwillige Zustimmung zum ADR-Verfahren begrenzen. Gerade im Rahmen der Prozessverschleppung und des organisatorischen Rahmens führen Regelungsansätze dabei zu negativen Implikationen, da diese Ansätze zumeist vorab den Ablauf des ADR-Verfahrens 249
Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 401; Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). sich genommen begründet die Verfahrensfestigkeit keine Gefahr. Jedoch sollte bedacht werden, dass durch sie andere negative Implikationen eines Verfahrens noch verstärkt werden können, da sie die Partei in das ADR-verfahren zwingen. 251 Vorsicht ist allerdings dort geboten, wo der neutrale Dritte eine Entscheidung trifft. Hier kann die freiwillige Zustimmung und damit die Gerechtigkeitsgewähr im ADR-Verfahren gefährdet sein. 252 Außerhalb von ADR-Verfahren kann eine Pflicht zur Geheimhaltung jedoch dann negativ wirken, wenn es für ein Unternehmen vorteilhaft wäre, die Öffentlichkeit oder Presse über gewisse Sachstände zu informieren. Vgl. Burr, in: Disp. Res. J. 2002, S. 64 ff. (68). 253 Die auf die Zeit nach dem Verfahren beschränkte Wirkung sieht auch so Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 254. 254 Negative Implikationen haben hier nur solche Regelungen, die versuchen durch Festsetzung detaillierter Unterpflichten eine Absicherung zu erreichen. Ein Beispiel wäre hier, durch Festlegung der Redezeiten der Streitpartei die Fairness des ADR-Verfahrens zu gewährleisten. 250 Für
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
festlegen. Nicht übersehen werden darf hier jedoch auch, dass auf der anderen Seite ohne die positive Regelung des Verfahrens und der Verpflichtung der Parteien Unsicherheiten255 entstehen. Es besteht damit bei den negativ wirkenden Aspekten immer auch eine positive Wirkrichtung. Dies macht eine Abwägung zwischen der negativen und der positiven Wirkseite notwendig. Diese Abwägung kann einerseits ergeben, dass die negative Wirkung einer bestimmten Regelungen zu tolerieren ist, da das ADR-Verfahren ansonsten als unsicher, oder sogar gefährlich einzustufen wäre und die Vorteile der Regelung insgesamt überwiegen. Doch auch der gegenteilige Befund ist denkbar, wobei im konkreten Einzelfall bei der Abwägung gerade im internationalen Bereich die tatsächliche Umsetzbarkeit eines rechtlichen Aspekts mit einbezogen werden muss. Im Folgenden sollen daher nur einige relevante Punkte in Bezug auf die problematischen Aspekte näher dargestellt werden.
a. Prozessverschleppung Der Verhinderung des Missbrauchs von ADR-Verfahren zur Prozessverschleppung kommt eine gehobene Bedeutung zu.256 Fraglich ist allerdings, wie dies erreicht werden kann. Zum einen besteht die Möglichkeit des strafbewehrten Verbots der Prozessverschleppung. Der Nachweis eines Missbrauchs wird jedoch nicht immer einfach zu führen sein. Um die Prozessverschleppung effektiv zu verhindern, muss es jeder Partei zu jeder Zeit während des ADR-Verfahrens möglich sein, sich diesem zu entziehen. Ist dies in einzelnen Abschnitten nicht möglich, etwa weil die Pflicht zur Teilnahme an einer ersten obligatorischen Sitzung besteht, so muss es beim Verdacht des Missbrauchs dem Neutralen oder aber einer anderen, an dem Verfahren beteiligten dritten Partei möglich sein, den Verdacht zu überprüfen und das Verfahren gegebenenfalls zu beenden. All diese Punkte wirken grundsätzlich nicht negativ auf die methodischen Vorteile des ADR-Verfahrens. Daneben besteht jedoch noch die Möglichkeit, das Verschleppungspotential des ADR-Verfahrens durch Einfügung von festen Ablauffristen für einzelne Verfahrensabschnitte, wie zum Beispiel die Wahl des Neutralen, zu begrenzen. Folge dieser Fristen ist allerdings, dass dem ADR-Verfahren zeitlich ein enger Rahmen gesteckt wird. Die sonst in ADR-Verfahren herrschende Freiheit, den Lauf des ADR-Verfahrens an die Bedürfnisse der Streitigkeit anzupassen, wird damit begrenzt und das Verfahren büßt damit an Flexibilität ein.257 So könnte ein ADR-Verfahren, das in der Sache eigentlich noch aussichtsreich ist, dennoch ohne Beilegung der Streitigkeit automatisch enden. Auf der anderen 255
Vgl. hierzu näher Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 89 ff. Vgl. hierzu bereits oben unter Kapitel III § 9 II 2 b. 257 Gleicher Meinung: Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 241. 256
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Seite könnte die Aussicht hierauf die Parteien anhalten, den Streit zügig vor Ablauf der Frist beizulegen. Wissen die Parteien um das automatische Ende des Verfahrens und geben sie dem Verfahren eine reelle Chance, so werden sie die Möglichkeit der Beilegung nicht ungenutzt lassen und dafür Sorge tragen, das ADR-Verfahren vor Ablauf der Frist erfolgreich abzuschließen. Bildet man zudem eine Kombination aus fester Frist und der Möglichkeit der Verlängerung dieser Frist durch Parteivereinbarung, wird die Abnahme an Flexibilität weiter minimiert.258 Verbleiben werden nur solche Fälle, in denen alleine der Neutrale eine Chance sieht oder aber die Einigungswahrscheinlichkeit sehr gering ist. Bedenkt man, wie hoch die Gefahr des Missbrauchs zur Prozessverschleppung ist, sind vor dem Hintergrund der verfahrensbeschleunigenden Wirkung solcher Fristen die negativen als in vielen Fällen tolerabel zu bewerten.
b. Organisatorischer Rahmen Besonders schwer fällt die Abwägung zwischen negativem Einfluss auf das ADR-Verfahren und gewonnenen Vorteilen für den Bereich des organisatorischen Rahmens. Die Etablierung eines solchen Rahmens ist an sich für ein reibungslos laufendes Verfahren wesentlich.259 Schließlich müssen die Parteien Klarheit darüber erlangen, wann, wo und wie das ADR-Verfahren abläuft. Jede vorherige Festlegung des Verfahrensablaufs minimiert aber zugleich auch die Flexibilität des ADR-Verfahrens. Die methodischen Vorteile des ADR-Verfahrens können sich mit zunehmender Reglementierung des organisatorischen Rahmens also nicht mehr voll entfalten. Hier stellt sich die Frage, ab wann das ADR-Verfahren übermäßig formalisiert wird und es in der Folge zu einer zu großen Abnahme der Flexibilität des Verfahrens kommt. Allgemein lassen sich hier einzelne Verfahrenspunkte isolieren, die für die Streitbeilegung an sich weniger wesentlich sind und deren Festlegung die einvernehmliche Streitbeilegung damit nur unwesentlich in ihrer Flexibilität behindert. Ein solcher Punkt ist die Einleitung des ADR-Verfahrens. Ein gewisses Grundvorgehen bei der Einleitung eines ADR-Verfahrens ist in der Regel für die spätere Beilegung an sich von nur untergeordneter Bedeutung. Es sollte dabei aber darauf geachtet werden, dass der vorab festgelegte Weg die einvernehmliche Art des Verfahrens widerspiegelt. Der Auswahlprozess eines Neutralen ist für den Erfolg eines ADR-Verfahrens grundsätzlich von besonderer Bedeutung.260 Sollte dieser zu stark reglementieren, welche Personen für die Person des Neutralen in Betracht kommen, 258
Houck, in: Arb. J. 3/1998, S. 3 ff. (5 f.). Vgl. weiter oben unter Kapitel III § 9 II 4. 260 González de Cossío, in: Ars Juris, 30/2003, S. 39 ff. (63). 259
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Kapitel III: Kontext der Betrachtung der ICC-ADR-Regeln
so würde sich dies zentral auf den Erfolg des Verfahrens negativ auswirken. Schließlich ist es vor allem von der späteren Streitigkeit abhängig, welche Eigenschaften ein Neutraler aufweisen soll; der Kreis der möglichen Neutralen darf also nicht bereits im Voraus so stark eingeschränkt werden, dass keine sinnvolle Auswahl durch die Parteien mehr möglich ist. Beispiel für eine solche zu stark in die Bandbreite der wählbaren Personen eingreifende Regelung fand sich in den alten ICC Rules of Optional Conciliation von 1988.261 Nach deren Artikel 4 wurde der Neutrale nicht etwa durch die Parteien, sondern durch den Generalsekretär des Schiedsgerichtshofes bestellt. Hier wurde zwar nicht der Kreis der möglichen Neutralen, aber die Parteikontrolle über die Auswahl negativ beeinflusst. Wird allerdings nur die Art und Weise der Bestellung näher geregelt, so ist regelmäßig dann keine negative Auswirkung auf die methodischen Vorteile zu befürchten, wenn die Regelung die Bandbreite der wählbaren Personen und die Wahlfreiheit der Streitbeteiligten nicht über Gebühr einschränkt. Solche Regelungen sollten grundsätzlich Teil eines ADR-Regelwerkes sein. Auch der Ablauf des letztendlichen Beendigens eines ADR-Verfahrens, wie auch die Kosten des ADR-Verfahrens sind Punkte, die sich nur marginal negativ auf die methodischen Vorteile des Verfahrens auswirken. Die Art und Weise der Beilegung werden durch Vorgaben in diesen Bereichen regelmäßig nicht beeinflusst. Abgesehen werden sollte allerdings von Regelungen, durch die das Vorgehen bei der letztendlichen Beilegung der Streitigkeit zu starr fixiert wird oder aber eine bestimmte ADR-Verfahrensart fixiert wird.262 Als Negativbeispiel mögen hier die ICC Rules of Conciliation and Arbitration von 1922–1987 dienen, die mit ihrem Artikel 4 den Ablauf der Schlichtung detailliert regelten und so dem Schlichter bei der Beilegung der Streitigkeit nur wenig Freiraum ließen.263 Hierdurch wird dem ADR-Verfahren vollkommen die Anpassungsfähigkeit an die konkrete Streitigkeit genommen und damit einer der wesentlichen Vorteile des ADR-Verfahrens zunichte gemacht. Solche Regelungen dürfen sich in einem ADR-Regelwerk daher nicht wiederfinden.
IV. Zusammenfassung ADR-Verfahren sind insgesamt durchaus geeignet, internationale Wirtschaftsstreitigkeiten zu einer befriedigenden Beilegung zu bringen. Die obige Betrachtung hat jedoch auch ergeben, dass Voraussetzung für diesen Befund ist, dass gewisse Eckpunkte des ADR-Verfahrens geregelt werden und das ADR-Verfahren insofern also eines rechtlichen Rahmens bedarf. Dabei greifen viele der zu 261
Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel III § 8 III. Dies sieht auch so: Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (470). 263 Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel III § 8 II. 262
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beachtenden Aspekte nicht wesentlich in den Ablauf des ADR-Verfahrens ein und gefährden dessen Erfolg insoweit nur selten. Jedoch gibt es auch Punkte, wie zum Beispiel den organisatorischen Rahmen, die je nach Ausgestaltung den erfolgreichen Ausgang des ADR-Verfahrens erheblich gefährden können. Gerade im Bereich der internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten darf zudem nicht aus den Augen verloren werden, dass die rechtliche Absicherung auch noch über die Grenzen nur einer Rechtsordnung hinaus von Bestand seien muss. Wie dies erreicht werden kann, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit näher zu beleuchten sein. In Bezug auf solche rechtlichen Aspekte des ADR-Verfahrens, die im Falle ihrer Berücksichtigung negative Auswirkungen auf die eigentlich mit dem ADR-Verfahren verfolgten methodischen Aspekte haben können, muss der Anwender eines ADR-Verfahrens sich die Frage stellen, ob er diesen begegnet und mit welcher Lösung seinem Bedürfnis nach Absicherung einerseits genüge getan ist und andererseits er den Erfolg des ADR-Verfahrens nicht gefährdet sieht. Ob die ICC-ADR-Regeln zum einen eine ausgewogene Basis bilden und zum anderen genügend Raum für die Anpassung an die individuellen Ansprüche der Verwender lassen, wird im Folgenden näher zu prüfen sein.
Kapitel IV
Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln Im Folgenden sollen nun die ICC-ADR-Regeln näher beleuchtet werden um, hierauf wieder aufbauend, im nächsten Kapitel dann das ICC-ADR-Verfahren und die Wirkung der ICC-ADR-Regeln in verschiedenen Rechtsordnungen vertieft zu ermitteln. Bereits die bewegte Geschichte der ICC-Regelwerke für einvernehmliche Verfahren sowie die Ausführungen zu ADR-Verfahren in internationalen Geschäftsbeziehungen haben gezeigt, dass ADR-Verfahren trotz ihres informellen Charakters besonders in einer internationalen Umgebung nicht nur sehr komplex, sondern zudem auch anfällig für Überregulierungen sind, die zu einem sehr starken Attraktivitätsverlust für international Handeltreibende führt. In der folgenden abrissartigen Betrachtung der ICC-ADR-Regeln und der sie umgebenden Themen soll eine erste Einschätzung der Frage erfolgen, ob die neuen ICC-ADR-Regeln ein ADR-Verfahren ermöglichen, das den praktischen Anforderungen eines international Handeltreibenden genügt und damit ein leistungsfähiges und attraktives ADR-Verfahren ermöglicht. Das folgende Kapitel beschränkt sich dabei auf eine Darstellung und Bewertung der Grundstruktur der ICC-ADR-Regeln.
§ 10 Standort der ICC-ADR-Regeln im Umfeld der übrigen ICC Regelwerke Die Amicable Dispute Resolution Regeln sind nur eines der Regelwerke, die durch die internationale Handelskammer zur Beilegung von Streitigkeiten zur Verfügung gestellt werden. Es besteht vielmehr ein System verschiedenster Verfahrensordnungen. Grob einteilen lassen sich diese in „rote“ und „grüne“1 Verfahren. Beide Verfahrensarten unterscheiden sich dabei vor allem in ihrer Bindungswirkung. „Rote“ Verfahren enden mit einem bindenden und durchsetzbaren Schiedsspruch. „Grüne“ Verfahren hingegen zeichnen sich durch die Selbstverwaltung der Parteien, die einvernehmlich vereinbarte Unterstützung durch einen neutralen Dritten und die einvernehmlich ausgehandelte freiwillige Beilegung der Streitigkeit aus.2 Zu den roten Verfahren zählt lediglich die 1 2
Diese farbliche Einteilung erfolgt ob der Farbe des Binderückens der Regelwerke. Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 54.
§ 10 Standort der ICC-ADR-Regeln im Umfeld der übrigen ICC Regelwerke
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Schiedsgerichtsordnung der internationalen Handelskammer. Zu den „grünen“ Verfahrensordnungen zählen neben den Amicable Dispute Resolution Rules noch die ICC Rules of Expertise, die ICC Dispute Board Rules sowie die ICC Documentary Credit Dispute Resolution Expertise3 Regeln. Die ICC Dispute Board Rules sind ein Regelwerk, das es ermöglicht, durch einen ständigen Ausschuss alle Streitigkeiten eines gewissen Rahmens schon während ihres Entstehens beizulegen.4 Damit sind die mit der Streitbeilegung beauftragten Dispute Boards ein ständiger Streitbeilegungsmechanismus, der den ihm unterliegenden Vertrag während seiner gesamten Laufzeit unabhängig davon begleitet, ob eine Streitigkeit besteht.5 Die ICC Rules of Expertise hingegen sind dafür gedacht, in Streitigkeiten bezüglich spezifischer Fachfragen eine neutrale Evaluierung dieser Frage durch einen Experten zu ermöglichen.6 Ähnlich funktionieren die ICC-DOCDEX-Regeln. Diese kommen in Fällen zur Anwendung, in denen Streitigkeiten in Verbindung mit Dokumenten-Akkreditiven, collection und demand guarantee auftreten.7 Der durch die ICCDOCDEX-Regeln berufene Experte erlässt dabei eine ähnliche Entscheidung wie unter den ICC Rules of Expertise.8 Im Gegensatz zu diesen sehr detaillierten Regelwerken sind die ICC-ADRRegeln offen gestaltet. Sie ermöglichen es den Parteien, durch Vereinbarung das für ihre Streitigkeit geeignetste Verfahren zu wählen.9 Nichtsdestoweniger sollten die Parteien allerdings dann von der Wahl der ICC-ADR-Regeln absehen, wenn sich eines der anderen ICC-Verfahren für ihre Streitigkeit besser eignet.10 Es wäre zum Beispiel zwar möglich, unter den ICC-ADR-Regeln auch ein DRB-Verfahren durchzuführen, doch sollte in diesen Fällen die ausdifferenzierteren ICC Dispute Board Rules verwendet werden, da die ICC-ADRRegeln für dieses Verfahren nicht geschaffen sind.11 Die „grünen“ und „roten“ Verfahren der internationalen Handelskammer stehen innerhalb dieses Systems grundsätzlich komplementär zueinander.12 So können die Parteien zum Beispiel während eines Schiedsverfahrens zu einem ADR-Verfahren zurückkehren oder aber einem ADR-Verfahren ein Schieds3
Kurz DOCDEX. ICC, Dispute Board Rules, S. 5. 5 Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 91. 6 ICC, Rules for Expertise, S. 4. 7 Siehe Art. 1.1 der ICC DOCDEX Rules. 8 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (10). 9 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4. 10 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (10). 11 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 28. Auch wenn die ICC-ADR-Regeln für DRB-Verfahren nicht geschaffen sind, so lassen sie sich durch einige Änderungen doch auch für DRB-Verfahren nutzbar machen. Dieses Ändern wird den Parteien durch die Wahl der ICC Dispute Board Regeln erspart. 12 Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 53. 4
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
verfahren nachgliedern.13 Doch nicht nur die „roten“ und „grünen“ Verfahrensordnungen stehen komplementär zueinander, sondern auch die einzelnen Verfahren innerhalb der „grünen“ Ordnung.14 So stehen die ICC Rules of Expertise komplementär zu den ICC-ADR-Regeln. Beispielsweise können die ICC Rules of Expertise dafür verwendet werden, die einvernehmliche Beilegung einer Streitigkeit unter den ICC-ADR-Regeln zu unterstützen.15 Auch die ICC-DOCDEX-Regeln können unterstützend während eines ADR-Verfahrens verwendet werden.16 Dennoch sollte in Streitigkeiten, die eher nach einer Entscheidung im Rahmen eines Verfahrens unter den ICC Rules of Expertise verlangen, auch dieses Regelwerk gewählt werden, anstatt das undifferenziertere ICC-ADR-Verfahren zu wählen.17 Insgesamt stellt sich damit eine Verfahrenslandschaft innerhalb der „grünen“ Verfahren dar, in welcher die ICC-ADR-Regeln als Grundverfahrensart und die weiteren Regelwerke als differenziertere Spezialregeln zu verstehen sind. Die ICC-ADR-Regeln sind dabei im Vergleich zu den anderen Verfahren am informellsten, am vertraulichsten, am stärksten durch die Parteien kontrolliert und zudem am wenigsten streitig.18 Dieses Baukastenprinzip von Streitbeilegungsverfahren ermöglicht es dem international Handeltreibenden, das für seine Zwecke geeignete Regelwerk zu finden und zudem im Zuge von Multitiered Dispute Resolution Verfahren die einzelnen Stufen des Verfahrens unter die Ägide einer einzigen Organisation zu stellen. Diese Verzahnung von einvernehmlichen und Entscheidungsverfahren geht jedoch eventuell nicht weit genug. Die Internationale Handelskammer versteht die Verzahnung der einzelnen Verfahren alleine sequentiell. Mischverfahren werden hingegen durch die Internationale Handelskammer nicht berücksichtigt.19
§ 11 Natur, Wirkweise und Zielsetzung der ICC-ADR-Regeln Wie bereits festgestellt handelt es sich bei ADR-Verfahren zwar um solche Streitbeilegungsverfahren, die sich bei der Beilegung der Streitigkeit vom (nationalen) materiellen Recht als Entscheidungsgrundlage entfernen; nichtsdestoweniger wurde auch festgestellt, dass ADR-Verfahren nicht völlig außer-
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ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 18. Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (10). 15 ICC, Rules for Expertise, S. 4. 16 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (10). 17 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (10). 18 Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.) ADR in Business, S. 90. 19 Vgl. hierzu und zu der Frage wie schwer dieser Mangel wiegt weiter unten unter Kapitel V § 19 II. 14
§ 11 Natur, Wirkweise und Zielsetzung der ICC-ADR-Regeln
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halb des Rechts stehen, sondern eines rechtlichen Rahmens bedürfen.20 Mit den ICC-ADR-Regeln bietet die Internationale Handelskammer ein institutionelles ADR-Regelwerk, welches als ein solcher rechtlicher Rahmen dienen soll.
I. Natur und Wirkweise der ICC-ADR-Regeln Grundsätzlich handelt es sich bei den ADR-Regeln der Internationalen Handelskammer um eine Nebenabrede, die zwischen den Parteien aufgrund ihrer Vereinbarung der Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln Teil des zwischen den Parteien geschlossenen Hauptvertrages wird.21 Die Vereinbarung der Anwendbarkeit und die ICC-ADR-Regeln selber lassen sich dabei zunächst, wie bei Mediationsvereinbarungen üblich,22 in drei23 sich thematisch zum Teil überschneidende Verträge aufteilen: den Vertrag zwischen den Parteien, den Vertrag mit dem neutralen Dritten sowie den Vertrag betreffend die Organisation des Verfahrens. Diese Verträge enthalten dabei sowohl materiell-rechtliche als auch prozessvertragliche Abreden.24 Dabei sind diese nicht untrennbar vermischt, sondern die Verträge sind vielmehr als aus verschiedenen Elementen zusammengesetzte Vereinbarungen zu sehen, die in ihrem Bestand und ihrer Wirksamkeit nicht einheitlich, sondern aufgrund normativer Kriterien teilweise getrennt zu beurteilen sind.25 Aus ihrer vertraglichen Natur heraus wirken die ICC-ADR-Regeln der Internationalen Handelskammer allerdings grundsätzlich auch nur auf dieser vertraglichen Ebene. Die tatsächliche rechtliche Absicherung des einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens durch die ICC-ADR-Regeln ist damit auch auf die vertragliche Ebene beschränkt. So beginnen die ICC-ADR-Regeln zeitlich erst ab dem Zeitpunkt zu wirken, in dem sich die Parteien über die Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln geeinigt haben. Vor diesem Zeitpunkt wirken die ICC-ADR-Regeln hingegen nicht. Doch nicht nur in zeitlicher Hinsicht ist ihre Wirkung beschränkt. Hinzu kommt, dass sich in den ADR Regeln keinerlei Sanktionen, wie etwa Vertragsstrafen, für etwaige Verstöße gegen die Regeln finden.26 Die Internationale Handelskammer besitzt auch keinerlei Autorität, den Parteien im Falle eines 20
Vgl. oben unter Kapitel II § 7. spricht in Bezug auf die ICC-ADR Regeln von einem „Adhäsionsvertrag sui generis“. Vgl. näher Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 22 Siehe näher hierzu: Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 10 ff. 23 Neben diese drei Hauptverträge tritt bei erfolgreicher Beilegung der Streitigkeit noch der ADR-Vergleich. 24 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 9 ff. 25 Dies sieht so allgemein für Verträge mit sowohl materiell-rechtlichen und prozessualen Elementen Wagner, Prozeßverträge, S. 47. 26 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 21 Schäfer
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
Verstoßes Sanktionen aufzuerlegen. Über die Folgen etwaiger Verstöße gegen die Regeln entscheiden vielmehr alleine nationale und Schiedsgerichte in einem sich anschließenden Entscheidungsverfahren. Das Urteil des Gerichts bzw. der Schiedsspruch des Schiedsgerichts erfolgt jedoch wiederum nur im Lichte des anwendbaren prozessualen und materiellen Rechts, womit der Bestand und die Wirkung der Verpflichtungen von diesem abhängig sind. Dabei kann die Vereinbarung mit zwingendem nationalen Recht kollidieren und damit vollkommen unwirksam sein.27 Auch die Auslegung der Vereinbarungen kann je nach Ansicht des jeweils zuständigen Gerichtes stark divergieren.28 Insgesamt ergibt sich damit eine Dimension, welche zusätzliche Unsicherheit in das Verfahren bringt und die tatsächliche Wirkung der ICC-ADR-Regeln auf den ersten Blick gerade in internationalen Streitigkeiten zweifelhaft und unbeständig erscheinen lässt. Für den europäischen Raum ist diese rechtliche Unbeständigkeit der absichernden Wirkung der ICC-ADR-Regeln zwar mit der Umsetzung der Mediationsrichtlinie29 weitestgehend30 beseitigt. Dies ist jedoch kein internationaler Standard. Der mangelnde Erfolg des UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation31 und die kontroversen Diskussionen32 bei der Erstellung des Modellgesetzes zeigen vielmehr die internationalen Zerklüftungen nationaler Standards, die bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen von ADR-Verfahren bestehen.33 Somit ist durch die Vereinbarung der Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln zwar grundsätzlich der erste Stein für die rechtliche Absicherung des Verfahrens gelegt. Jedoch misst sich die Wirksamkeit der Regeln weiter stark an nationalem Recht, welches, wenn sich darin überhaupt Regelungen zu ADR-Verfahren finden, nur von Rechts27 Als Beispiel sei hier nur auf die AGB-Regelungen des deutschen Rechts in den §§ 305 ff. BGB verwiesen, die dazu führen können, dass Teile der ICC-ADR-Regeln unwirksam sind. 28 So ist zum Beispiel möglich, dass die Ansichten der Gerichte bezüglich der Frage ob der Leitfaden ein Bestandteil der ADR-Vereinbarung ist, stark auseinandergehen. 29 Richtlinie 2008/52/EC vom 21. Mai 2008. 30 Einige Fragen bleiben jedoch durch die Mediationsrichtlinie ungeregelt, wie z. B. die der Durchsetzbarkeit einer antizipierten ADR-Abrede. 31 Dieses wurde bis jetzt lediglich von 15 Staaten tatsächlich umgesetzt, wobei der Uniform Mediation Act der USA durch das Modellgesetz stark beeinflusst wurde. Vgl.: http:// www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/2002Model_conciliation_status.html (Stand 10. März 2016). Zudem scheint das Modellgesetz auch bei der Erarbeitung der europäischen Mediationsrichtlinie 2008/52/EC vom 21. Mai 2008 Pate gestanden zu haben, welche sich in Teilen an die Regelungen des Modellgesetzes anlehnt. Vgl.: Friedrich, in: SchiedsVZ 6/2004, S. 297 ff. (297). Vgl. näher zum Modellgesetz: Ginkel, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 1 ff. 32 Beispielhaft zeigen sich diese Diskussionen an der Ausarbeitung des Modellgesetzes bezüglich der Frage der Durchsetzbarkeit einer Mediationseinigung, an deren Ende Art. 14 des UNCITRAL Modelgesetztes nur sehr unbestimmte Regelungen hierfür enthielt. Vgl. Ginkel, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 1 ff. (56). 33 Diese Zerklüftung stellt auch Cimmino beim Vergleich mehrerer Länderberichte fest. Vgl.: Cimmino, Das UNCITRAL-Modelgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 102 ff.
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ordnung zu Rechtsordnung34 stark abweichende Lösungen bereithält. Eine tatsächliche international wirksame Absicherung eines ADR-Verfahrens scheint auf den ersten Blick damit nur über die Flankierung eines ADR-Regelwerkes mit einem international durch die einzelnen Staaten umgesetzten Modellgesetz, ähnlich wie es mit den UNCITRAL Regelungen35 für die Schiedsgerichtsbarkeit erfolgte, möglich. Ob dieser erste Befund in der Praxis so tatsächlich aufrecht zu halten ist, wird im Rahmen der Betrachtung des Verfahrens nach den ICC-ADR-Regeln noch tiefer exemplarisch an einzelnen Rechtsordnungen zu untersuchen sein.36
II. Zielsetzung der ICC-ADR-Regeln Aus dem Vorwort zu den ADR-Regeln der internationalen Handelskammer ergibt sich, dass es das Ziel der ADR-Regeln ist, „den Parteien eine gütliche Beilegung ihrer Streitigkeiten zu ermöglichen und zwar auf diejenige Weise, die am besten ihren Bedürfnissen entspricht“.37
1. Ermöglichung einer gütlichen Beilegung Primäres Ziel der ICC-ADR-Regeln ist insoweit die Ermöglichung einer gütlichen Einigung. Die ICC-ADR-Regeln sollen den Parteien ersparen, sich über vermeintlich wichtige Detailfragen bezüglich des Verfahrens einzeln zu einigen, indem bereits ein Regelungsrahmen vorgegeben wird; sie wollen somit den Fokus der Parteien wieder auf die einvernehmliche Beilegung der Streitigkeit an sich richten.38 Es fällt in dieser Zielsetzung jedoch auf, dass durch die Festlegung auf Streitigkeiten der für die Parteien internationaler Handelsgeschäfte wichtige Bereich der präventiven Konfliktvermeidung39 durch die Zielsetzung der ICC nicht verfolgt scheint. Doch sind die Regeln stets im Zusammenhang mit dem sich an sie anschließenden Leitfaden zu lesen. Dieser stellt fest, dass unter Streitigkeiten im Sinne der ICC ADR Regeln auch reine Meinungsverschiedenheiten zu verstehen sind.40 Damit ist bei genauerer Betrachtung auch
34 Vgl. näher zu der Frage, welches Recht nach deutschem Kollisionsrecht zur Anwendung kommt: Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation. 35 Gemeint sind die UNCITRAL Arbitration Rules und das UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration. 36 Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel IV. 37 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4. 38 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). 39 Vgl. hierzu näher oben unter Kapitel III § 9 II 1 a. 40 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 20 f.
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
die Konfliktvermeidung Teil der Zielsetzung der Internationalen Handelskammer.41
2. Bedürfnisse der Parteien Als zweiter Aspekt sticht bei der Zielsetzung ins Auge, dass explizit die Bedürfnisse der Parteien adressiert werden. Nicht etwa die Gerechtigkeit im internationalen Handelsverkehr oder ein gewisser Standard von internationalen Handelsgeschäften soll durch die ADR-Regeln gefördert werden, sondern die ICC-ADR-Regeln sollen vor allem den Bedürfnissen der Parteien dienen. Insofern stellt sich ein klar dienender und weniger regulierender Auftrag der ICC-ADR-Regeln dar, demzufolge allein die Auswirkung auf die Parteien und weniger die Auswirkung auf höher angesiedelte Ziele, wie zum Beispiel die Interessen der Allgemeinheit, maßgebend sind. Diese Zielsetzung verläuft parallel zum natürlichen Zweck eines jeden ADR-Verfahrens: Findung einer von allen Seiten getragenen und zum allseitigen Nutzen dienenden Lösung.42
a. Verfahrensweise Offen bleibt, welche Weise diejenige ist, die den Bedürfnissen der Parteien bei der gütlichen Beilegung von Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten am besten entspricht. Wie bereits oben festgestellt,43 trägt insbesondere eine hohe Flexibilität des Verfahrens und die freiwillige Zustimmung zum ADR-Verfahren den Bedürfnissen der Parteien Rechnung. Auf diese wird auch durch die Internationale Handelskammer besonderer Wert gelegt. So bringt die internationale Handelskammer im Leitfaden zu den ADR-Regeln zum Ausdruck, dass es ein wesentlicher Grundzug des ICC-ADR-Verfahrens ist, „größtmögliche Flexibilität und Parteikontrolle“ zu bieten.44 Daneben setzt sich die Internationale Handelskammer noch das Ziel, das ADR-Verfahren „nach den festgesetzten Regeln zügig durchgeführt werden können und deshalb relativ kostengünstig“45 sind. Fraglich ist, ob die Rahmengebung des ADR-Verfahrens in der durch die ICC-ADR-Regeln erfolgten Weise grundsätzlich diesen selbstgesteckten Zielen entspricht. Durch die ICC-ADR-Regeln wird die gesamte Organisation und Durchführung des ADR-Verfahrens geregelt. Dabei beschränken sich die Re41 Lincoln sieht im Gebrauch der ICC-ADR-Regeln im Bereich der Streitvermeidung einen Faktor, der den Gebrauch von einvernehmlichen Verfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten erhöhen könnte. Vgl.: Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (91 f.). 42 Schlieffen, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Mediation, S. 8. 43 Vgl. oben unter Kapitel III § 9 III. 44 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 17. 45 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 17.
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geln jedoch auf rudimentäre Grundfragen wie zum Beispiel die Wahl des neutralen Dritten und die Verteilung der durch das Verfahren verursachten Kosten. Somit wird ein organisatorisches Grundgerüst für das ADR-Verfahren bereitgestellt. Das sich aus den ADR-Regeln ergebende Bestreben,46 das Verfahren weitest möglich in der Gestaltungsverantwortung der Parteien zu belassen, findet in Bezug auf den organisatorischen Rahmen zum Beispiel in der Abänderbarkeit der ADR-Regeln durch die Parteien47 oder der Freiheit bei der Wahl des ADR-Verfahrens48 seinen Ausdruck. Die Durchführung des ADR-Verfahrens an sich, also zum Beispiel die Mediation selber, wird durch die ADR-Regeln nur zeitlich begrenzt. Es ist dem neutralen Dritten und den Parteien vielmehr selbst überlassen, das Verfahren nach ihren Vorstellungen zu führen. Fraglich ist jedoch, ob es durch diesen Regelungsansatz nicht zu einer Kollision zwischen den beiden Zielsetzungen kommt. Das Belassen der Gestaltungsverantwortung bei den Parteien und die Zielsetzung, ein zügig durchgeführtes Verfahren zu ermöglichen, kollidieren dabei aus ihrer Natur heraus. Gerade die Erhöhung der Flexibilität durch Belassen der Gestaltungsverantwortung bei den Parteien kann nämlich zu beträchtlichen Verzögerungen des Verfahrens führen,49 zumal als Schattenseite einer erhöhten Flexibilität die Gefahr der Entstehung neuer Konflikte über die Durchführung des ADR-Verfahrens folgt. Fraglich ist damit, ob diese Verzögerungsgefahr und die damit einhergehende tatsächliche Verkomplizierung des Verfahrens sachlich gerechtfertigt sind. Bezüglich der Verkomplizierung und Verzögerung des Verfahrens aufgrund von Modifizierungen der ADR-Regeln durch Parteiabreden gilt es jedoch zu beachten, dass die Modifizierungen in der Regel bereits vor Entstehen einer Streitigkeit bei Aushandlung der Mediationsvereinbarung vereinbart werden. Alleine bei Einleitung eines Verfahrens ohne vorherige Mediationsvereinbarung könnte es zu einer Verzögerung der Streitbeilegung kommen. Auch ist die durch die Wahlfreiheit der Verfahrensart und die Möglichkeit der Bestimmung eines neutralen Dritten entstehende Verzögerungsgefahr eher gering zu bewerten, zumal in beiden Fällen die ADR-Regeln subsidiär feste Regeln für die Wahl enthalten,50 sollten die Parteien sich nicht einigen können. Der durch die Wahlfreiheit entstehende Flexibilitätsgewinn steht zu dieser geringen Verzögerungsgefahr damit verhältnismäßig in Relation. Dieses Ergebnis wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass gerade die fehlende Flexibilität der alten 46
ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 17. Abänderung der Regeln bedarf jedoch der Zustimmung der Internationalen Handelskammer. Siehe Art 1 ICC-ADR. Vgl. näher hierzu sogleich unter Kapitel IV § 11 II. 2. B. 48 Besonders auf diese Wahlfreiheit wird durch die internationale Handelskammer mehrfach hingewiesen. Siehe ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4, 7, 18, 19, 28. 49 Ali/Baker, in: Disp. Res. J. 2/2002, S. 73 ff. (73). 50 Vgl. Art. 3 I ICC-ADR, der es hier der ICC überlässt, die Wahl des neutralen Dritten vorzunehmen. Gem. Art. 5 I ICC-ADR findet für den Fall, dass sich die Parteien nicht über die Verfahrensart einigen können, Mediation statt. 47 Jede
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
Schlichtungsordnungen der internationalen Handelskammer zu deren geringer Bedeutung beitrugen.51 Insofern wurde der Grundkonzeption der ICC-ADRRegeln nach ein ausgewogener Ausgleich zwischen Flexibilität/Parteikontrolle und einem zügigen und kostengünstigen ADR-Verfahren gefunden.
b. Abänderbarkeit der ICC-ADR-Regeln Auch wenn die ICC sich zur größtmöglichen Parteikontrolle bekannt hat, ist fraglich, ob dieses Bekenntnis auch tatsächlich wirksam umgesetzt wurde. Die Kontrolle der Parteien über das ICC-ADR-Verfahren wird in den ADRRegeln vor allem durch die in Artikel 1 Satz 2 ICC-ADR normierte Möglichkeit der Abänderbarkeit der ICC-ADR-Regeln über Parteiabreden umgesetzt. Doch enthält diese Regelung bereits zu Anfang die erste Relativierung des Grundsatzes der größtmöglichen Parteikontrolle. Eine Abänderung der ICC-ADRRegeln ist nach Artikel 1 Satz 2 ICC-ADR nur vorbehaltlich der Zustimmung der Internationalen Handelskammer zu dieser Änderung möglich. Insofern lässt die Internationale Handelskammer den Bedürfnissen der Parteien nicht gänzlich freien Lauf, sondern behält sich zur Gewährleistung der „Integrität der Regeln“52 die Entscheidungshoheit über Änderungen vor. Was dabei unter der Integrität der ICC-ADR-Regeln zu verstehen ist, bleibt offen. Der Rahmen ist also für Änderung im Rahmen von Parteivereinbarungen zwar generell gesetzt, aber nicht unbegrenzt. Dies schränkt zwar einerseits die Parteien in ihren Möglichkeiten ein, erlaubt es aber auch andererseits, vor dem Hintergrund größerer Erfahrung im ADR-Bereich ungeeignete oder impraktikable Regelungen von vornherein zu vermeiden. Besonders aus der generellen Formulierung und Auslegung der ADR-Regeln ergibt sich jedoch der Beigeschmack, dass sich die Internationale Handelskammer vor allem aus den Regeln nicht zu stark selbst verpflichten will.53 Dieses grundsätzlich legitime Interesse führte in seiner faktischen Absicherung jedoch zu einer zu starken Einflussnahme auf die Parteikontrolle. Die Zustimmung zu Änderungen wird die Internationale Handelskammer regelmäßig nicht allein von den Parteiinteressen abhängig machen, sondern auch andere Erwägungen wie den Ruf der Internationalen Handelskammer und ihrer Regelwerke sowie das laufende Geschäft in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Diese Faktoren haben aber über die Genehmigungserteilung bzw. -verweigerung unweigerlich Auswirkung auf das Mediationsverfahren. Zudem wird der Meinungsbildungsprozess der Internationalen Handelskammer in Bezug auf neue Entwicklungen im Bereich der ADR-Verfahren stets einige Zeit 51
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 8 V. Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR. S. 21. 53 Vgl. z. B. die Formulierung der Regelung betreffend die Auswahl des Neutralen. Hier muss die Internationale Handelskammer nur “… all reasonable efforts …” aufwenden, um einen Neutralen zu benennen. Vgl. Art. 3 I ICC-ADR. 52
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in Anspruch nehmen, wodurch wichtigen Entwicklungen nicht von Anfang an gefolgt wird und den Parteien insofern die Anpassung der ICC-ADR-Regeln an die neusten ADR-Methoden erschwert wird. Diesen Fehler beging die Internationale Handelskammer schon bei ihren früheren Regelwerken.54 Es drängt sich damit insgesamt die Frage auf, ob nicht zumindest eine Eingrenzung des Zustimmungsvorbehalts auf Punkte des Regelwerks sinnvoll erschiene, in denen es auch zu einer faktischen Auswirkung auf die Internationale Handelskammer kommt. In Abwesenheit einer solchen Änderung erscheint hier die Parteiherrschaft nur eingeschränkt vorhanden.
c. Methodenoffenheit Neben der Abänderbarkeit stellt sich noch die Frage, ob im Rahmen eines ICC-ADR-Verfahrens tatsächlich auch jede einvernehmliche Streitbeilegungsmethode zur Anwendung kommen kann. Die freie Wahl der Streitbeilegungsmethode ist in einvernehmlichen Verfahren zentral für den Erfolg des Verfahrens, zumal die Anpassung der Streitbeilegungsart an die Streitigkeit der zentrale Vorteil von ADR-Verfahren ist.55 Damit ist die möglichst uneingeschränkte Wählbarkeit wichtiger Bestandteil der Verfahrensart, die den Bedürfnissen der Parteien am besten entspricht, nämlich eines besonders flexiblen Verfahrens. Diesem Anspruch kommt die Internationale Handelskammer mit ihrem ADR-Regelwerk insofern entgegen, als dass sie dieses grundsätzlich methodenoffen gestaltet hat. Es steht den Parteien grundsätzlich frei, „die Regelungstechnik zu wählen, die ihrer Ansicht nach am ehesten zu einer Einigung führen wird“.56 Erst wenn sich die Parteien bei der Wahl einer Verfahrensart nicht einigen können, kommt gemäß Artikel 5 II ICCADR die Mediation zur Anwendung. Dieses grundsätzliche Bekenntnis zur Methodenoffenheit der Internationalen Handelskammer erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht in dem Maße zutreffend, wie es die Formulierung zunächst vermuten lässt. So weist das Vorwort der ADR-Regeln darauf hin, dass „auf Konsens angelegte ADR-Verfahren und Schiedsverfahren auseinander zu halten“ sind.57 Der Leitfaden zu den ADR-Regeln konkretisiert diese Aussage dahingehend, dass „Am Ende eines ICC-ADR-Verfahrens […] auch eine unverbindliche Stellungnahme oder ein unverbindliches Gutachten des Neutralen stehen“ kann.58 Verbindliche Schiedssprüche am Ende eines ADR-Verfahrens oder aber auch die klare 54
Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel II § 8 V. näher Kapitel III § 9 III. Frucht der Anpassungsfähigkeit sind die verschiedensten ADR-Verfahrensarten. Vgl. näher zu diesen Kapitel II § 3 III. 56 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4. 57 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4. 58 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 18. 55 Vgl.
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Erwähnung hybrider Verfahren fehlen hingegen. Allein die Möglichkeit der sequentiellen Verknüpfung von ADR- und Schiedsverfahren wird erwähnt.59 Selbst wenn man den Leitfaden nicht als rechtsverbindlichen Teil der zwischen den Parteien getroffenen ADR-Abrede qualifiziert,60 so ergibt sich auch allein aus den ADR-Regeln schon die starke Vermutung, dass die Internationale Handelskammer die Wahl hybrider oder paralleler Verfahren,61 wie zum Beispiel der MEDALOA,62 nicht zulassen wird, da diese mit dem jetzigen Wortlaut und Zweck der ICC-ADR-Regeln nicht vereinbar scheinen.63 Gestützt wird diese Ablehnung hybrider Verfahren durch die Internationale Handelskammer durch den Umstand, dass eine durch die Internationale Handelskammer eingesetzte Task Force on Reducing Time and Costs in Arbitration in ihrem Bericht aus dem Jahr 200764 auf Kombinationen aus Schieds- und einvernehmlichen Verfahren nicht näher eingegangen war.65 Vielmehr scheint die Internationale Handelskammer hybriden Verfahren gegenüber sehr skeptisch eingestellt zu sein.66 Auch wenn es sich hierbei nur um eine Vermutung handelt,67 so bleibt durch die Ungenauigkeit der Formulierung der ICC-ADRRegeln bezüglich hybriden Verfahren der Eindruck, dass die Zielsetzung, den Parteien größtmögliche Flexibilität einzuräumen, nicht stringent genug verfolgt wird. Auch erscheint fraglich, ob seitens der Internationalen Handelskammer eine Einwilligung in eine klärende Änderung der ICC-ADR-Regeln im Rahmen einer Parteiabrede nach dem oben Gesagten zu erwarten ist. 59
ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 4, 5 f., 18. Meinung ist z. B. Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). Näher zur Problematik der rechtlichen oder tatsächlichen Wirkung des Leitfadens vgl. weiter unten unter: Kapitel IV § 12 V. 61 Zur methodischen Bedeutung dieser Verfahren vgl. weiter unten Kapitel V § 19 II. 62 MEDALOA ist ein Verfahren, welches die Mediation mit der Last Offer Arbitration verbindet. Vgl. hierzu: Dendorfer/Lack, in: SchiedsVZ 4/2007, S. 196 ff. (203 f.). 63 Dabei soll angemerkt sein, dass, wie Art. 7 der ICC-ADR-Regel zeigt, mit einigen Ergänzungen dies grundsätzlich möglich wäre. Näher hierzu vgl. weiter unten unter Kapitel V § 19 II. 64 Zu finden unter http://www.iccwbo.org/Advocacy-Codes-and-Rules/Document-cent re/2012/ICC-Arbitration-Commission-Report-on-Techniques-for-Controlling-Time-andCosts-in-Arbitration/ (Stand 10. März 2016). 65 So festgestellt durch Lack. Vgl. Lack, in: Müller/Rigozzi (Hrsg.), New Developments in International Commercial Arbitration 2008, S. 111. 66 Diesen Eindruck hatte der Autor vor allem während der Teilnahme an einem ICCADR-Training der ICC in Paris im März 2009, in deren Verlauf Fragen der Teilnehmer bezüglich hybrider Verfahren durch die anwesenden Vertreter der Internationale Handelskammer sehr skeptisch beantwortet wurden. Hinzu kommt, dass man sich in der Erstellungsphase der ICC-ADR-Regeln explizit gegen die Einbeziehung von hybriden Verfahren entschied. Vgl. Knutson, in: Int. B. Lawyer, 2002, S. 119 ff. (121). 67 Eine Vermutung bleibt dies insofern, als dass dem Autor weder ein Fall bekannt ist, in welchem die Internationale Handelskammer unter den ICC-ADR-Regeln ein hybrides Verfahren zugelassen oder abgelehnt hat. 60 Dieser
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Konkret bezogen auf hybride Verfahren könnte dies dazu führen, dass die ICC-ADR-Regeln für den Benutzer an Attraktivität verlieren und aufgrund von durch die Internationale Handelskammer nicht gebilligten Verfahrensinnovationen das ursprüngliche Ziel der Methodenoffenheit nicht mehr konsequent verfolgt wird. Die Internationale Handelskammer hätte bei der Erstellung der ADR-Regeln somit stärker auf eine tatsächliche Methodenoffenheit unter Einbeziehung der Parteiwünsche bauen sollen, um ein stets innovatives Regelwerk bereitzustellen, oder aber die Zielsetzung klarer und damit enger formulieren sollen.
3. Förderung der Verbreitung von ADR-Verfahren Zudem verfolgt die internationale Handelskammer das Ziel, die Verwendung von ADR-Verfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten allgemein zu fördern. So ist es eine der Aufgaben des ADR-Sekretariats, die Parteien über ADR-Verfahren aufzuklären und zu beraten.68 Gem. Artikel 2 B der ADR-Regeln ist es zudem auch ohne Bestehen einer vorherigen Vereinbarung für eine Partei möglich, die Einleitung eines Verfahrens nach den ADR-Regeln der internationalen Handelskammer einseitig zu beantragen.69 Das ADR-Sekretariat informiert dann gem. Artikel 2 B II der ADR-Regeln die andere Partei hierüber und räumt ihr eine Frist zur Annahme ein. Das Informieren der anderen Partei beschränkt sich dabei regelmäßig nicht allein auf die Mitteilung des Antrags, sondern umfasst zugleich eine kurze Aufklärung über Natur und Ablauf von ADR-Verfahren nach den Regeln der internationalen Handelskammer. Insofern wird auch hier durch Aufklärung Dritter die Verbreitung von ADR-Verfahren gefördert. Ferner bietet das Events Department der internationalen Handelskammer regelmäßig Lehrgänge und Tagungen zu dem Thema „ICC ADR“ an.70 Jedes Jahr im Februar findet zudem in Paris die ICC Mediation Week71 statt, in deren Rahmen auch die ICC International Commercial Mediation Competition ausgetragen wird. Daneben findet sich eine Reihe von Publikationen der internationalen Handelskammer, durch die international Handeltreibende über die Möglichkeiten der einvernehmlichen Streitbeilegung aufgeklärt werden.72 68
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (7). Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel V § 16 II. 2. 70 Vgl. näher zu den aktuellen Veranstaltungen: http://www.iccwbo.org/training-andevents/all-events/arbitration-and-adr/ (Stand 10. März 2016). 71 Im Rahmen der ICC Mediation Week findet neben der International Commercial Mediation Competition noch die International Mediation Conference statt, die sich primär an Syndizi richtet. Vgl. näher zur ICC Mediation Week: http://www.iccwbo.org/training-andevents/competitions-and-awards/mediation-week/ (Stand 10. März 2016). 72 Siehe hierzu z. B. ICC Publication 640 mit dem Titel “ADR – International Applications” die eine Sammlung verschiedenster Aufsätze zu diesem Thema ist, oder aber ICC Publication 695 mit dem Titel “We Must Talk Because We Can” von David W. Plant. 69
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III. Wertung Die Internationale Handelskammer verfolgt mit ihren ICC-ADR-Regeln damit grundsätzlich Ziele, die dem methodischen Charakter einvernehmlicher Verfahren Rechnung tragen. Dabei bilden diese Ziele eine Grundstruktur der ICCADR-Regeln, die grundsätzlich in weiten Teilen ein geeignetes Regelwerk zur Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten ermöglicht, zumal durch sie den Parteien genug Freiraum verbleibt, um ein an ihre Bedürfnisse angepasstes ADR-Verfahren durchzuführen. Die Grundstruktur der ICC-ADR-Regeln zeigt jedoch bereits problematische Punkte des Regelwerkes. So erscheint problematisch, dass Änderungen an den ICC-ADR-Regeln nur unter Zustimmung der Internationalen Handelskammer möglich sind. Hierunter könnte die Flexibilität des ADR-Verfahrens leiden. Zudem erscheint die tatsächliche Wirkung der ICC-ADR-Regeln nicht unproblematisch. Dabei stellt sich bereits hier die Frage, ob mit dem Instrument eines institutionellen Regelwerkes tatsächlich ein wirksamer rechtlicher Verfahrensschutzraum73 etablierbar ist und welche anderen Wege zur Umgehung dieser Probleme gangbar wären.
§ 12 Aufbau I. Vorwort Die ICC Amicable Dispute Resolution Rules beginnen mit einem kurzen Vorwort.74 In diesem wird auf die langjährige Erfahrung der Internationalen Handelskammer im Bereich der Streitbeilegung verwiesen und die Entwicklung der ICC-ADR-Regeln in groben Grundzügen dargestellt. Das Vorwort der Regeln verweist zudem bereits darauf, dass es unter ihnen den Streitparteien obliegt, das ihrer Meinung nach geeignetste ADR-Verfahren für ihre Streitigkeit zu wählen. Außerdem wird auf das einerseits alternative und andererseits ergänzende Verhältnis zwischen ADR- und Schiedsverfahren eingegangen. Das Vorwort schließt mit der Feststellung des zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs der ICC-ADR-Regeln. Notwendig ist das Vorwort in dieser knappen und dennoch weiten Form, um den potentiellen Anwendern einen kurzen Überblick darüber zu geben, was ein Verfahren nach den Amicable Dispute Resolution Regeln auszeichnet. Gerade dies ist zentral für die weitere Verbreitung von ICC-ADR-Verfahren. Gerade weil international nur eine uneinheitliche Vorstellung darüber besteht, was unter 73 Der rechtliche Verfahrensschutzraum bezeichnet dabei die Gesamtheit aller rechtlichen Schutzmaßnahmen, die ein Missbrauch des ADR-Verfahrens verhindern soll. 74 Dieses findet sich auf Seite 4 der ICC Rules of Amicable Dispute Resolution.
§ 12 Aufbau
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den Begriff des ADR-Verfahrens75 fällt, ist eine klare Umschreibung des Verfahrens zudem zur Vorbeugung von Missverständnissen notwendig. Hier wäre daher ein wenig mehr Klarheit bezüglich der wählbaren Streitbeilegungsmethoden wünschenswert. Zudem legt die Internationale Handelskammer mit der Darstellung ihrer bisherigen ADR-Geschichte einen Grundstein für den Aufbau ihrer Autorität in diesem Bereich. Die rechtliche Bedeutung des Vorworts bleibt hingegen begrenzt. Durch die Aufnahme eines der vier Klauselvorschläge der ICC-ADR-Regeln wird durch die Parteien lediglich die Anwendung der ICC-ADR-Regeln vereinbart. Das Vorwort ist aber kein direkter Teil der Regeln. Insofern wird das Vorwort auch nicht Teil der Parteivereinbarung, zumal die Artikel der ICC-ADR-Regeln nicht auf das Vorwort bezugnehmen.
II. Klauselvorschläge Nach dem Vorwort folgen vier „Vorschläge für ICC-ADR-Klauseln“. Wie sich bereits aus der Bezeichnung76 der einzelnen Klauselvorschläge ergibt, unterscheiden sich die vier Klauselvorschläge dabei vor allem in ihrer Bindungswirkung Die Klauselvorschläge stellen wegen des neuen vierstufigen Systems eine zentrale Veränderung zu den alten ICC Rules of Optional Conciliation dar, welche lediglich innerhalb der Standard ICC Schiedsklausel auf die damaligen Conciliation Regeln verwiesen.77 Die heutige Standard-Schiedsklausel der Internationalen Handelskammer, welche zudem auch nach den ADR-Klauselvorschlägen abgedruckt ist, enthält hingegen keinen Verweis mehr auf die „grünen“ Verfahren78 der Internationalen Handelskammer.79 Die Klauselvorschläge der Internationalen Handelskammer sind ihrer Natur nach als Vorschläge für ADR-Klauseln zu sehen, durch welche die Konfliktparteien den Weg in die einvernehmliche Streitbeilegung im Vorhinein festlegen können. Durch die Aufnahme einer der vier Klauselvorschläge in einen konkreten Vertrag werden die ICC-ADR-Regeln dann im Verhältnis zwischen den Parteien als Nebenabrede dem eigentlichen Vertrag zwischen den Parteien
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Vgl. hierzu das weiter oben unter Kapitel II § 3 Gesagte. Sie heißen „Freiwillige ADR“. „Verpflichtung, über Durchführung eines ADR-Verfahrens zu verhandeln“, „Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens mit zeitlicher Begrenzung“ und „Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens und, soweit erforderlich, eines anschließenden ICC-Schiedsgerichtsverfahrens“. 77 ICC, R. of Conc. and Arb. 1988, S. 6 78 Unter den grünen Verfahrensordnungen der Internationalen Handelskammer sind alle nichtbindenden Verfahrensordnungen zu verstehen. 79 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 6. 76
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
angehängt.80 Insgesamt bilden die Klauselvorschläge damit einen auf ein rechtliches Grundverhältnis bezogenen Vertrag, durch den die Parteien für den Konfliktfall die Durchführung und die rechtlichen Rahmenbedingungen eines ICCADR-Verfahrens vereinbaren.81 Ein solcher Vertrag kann dabei grundsätzlich sowohl vor als auch nach Entstehung eines Konflikts vereinbart werden82 und als selbständige Abrede oder als Vertragsklausel bezogen auf ein vertragliches Grundverhältnis geschlossen werden.83 Die Klauselvorschläge der Internationalen Handelskammer sind damit als im Vorhinein auf ein vertragliches Grundverhältnis geschlossene ADR-Vereinbarungen zu qualifizieren. Ihre Aufnahme in ein vertragliches Grundverhältnis ist dabei für die Einleitung eines Verfahrens nach den ICC-ADR-Regeln nicht zwingend.84 Ein solches kann vielmehr nach Artikel 2 B ICC-ADR auch in Ermanglung einer solchen antizipierten Vereinbarung in Form einer Klausel eingeleitet werden. Nichtsdestoweniger bedarf es auch bei der Einleitung ohne vorherige Vereinbarung in Form einer Klausel über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens einer Vereinbarung der Parteien, sich den ICC-ADR-Regeln zu unterwerfen, welche mit dem Einverständnis der anderen Partei letztendlich geschlossen wird.85 Zuletzt gilt es noch festzustellen, dass die vier Klauselvorschläge der internationalen Handelskammer nicht als Musterklauseln fungieren, sondern vielmehr als Vorschläge für Vertragsklauseln.86 Da sie nicht als festes Muster zu sehen sind, können die Klauselvorschläge dann auch durch die Parteien abgeändert und damit an ihre spezifischen Anforderungen angepasst werden.87 Die Internationale Handelskammer weist sogar explizit darauf hin, dass gerade aufgrund der Abhängigkeit der Durchsetzbarkeit der einzelnen Klauselvorschläge von nationalem Recht Änderungen an den Klauselvorschlägen nicht nur möglich, sondern auch notwendig sein können.88 Artikel 1 ICC-ADR begründet für Änderungen an den Klauseln keinen Zustimmungsvorbehalt durch die Internationale Handelskammer, da Artikel 1 ICC-ADR sich alleine auf Änderungen an 80 Schäfer spricht dabei von einem „Adhäsionsvertrag sui generis. Vgl. Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 81 Für die Mediation im Allgemeinen stellt dies Hutner fest. Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 11. 82 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 90. 83 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 8. 84 So hält die Präambel der Regeln fest, dass für die Parteien die Möglichkeit besteht „die Anwendung solcher Regeln bereits in ihrem ursprünglichen Vertrag“ vorzusehen oder aber „dies zu einem späteren Zeitpunkt“ nachzuholen. Siehe: ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 7. 85 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC-ADR, S. 21 f. 86 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 87 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 35; Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 88 ICC, Guide to ICC ADR, S. 18.
§ 12 Aufbau
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den ICC-ADR-Regeln selber beschränkt. Die Klauselvorschläge sind jedoch gerade nicht Teil der ICC-ADR-Regeln. Mit den Klauselvorschlägen wurde damit insgesamt ein Regime geschaffen, das Parallelen zur Regelung von Schiedsabreden und Schiedsklauseln aufweist.89 Analoge Anwendung finden die auf Schiedsabreden und -klauseln anwendbaren §§ 1029 ff. ZPO bei den Klauselvorschläge hingegen nicht, da zum einen von einer planwidrigen Unvollständigkeit der ZPO keine Rede sein kann und zum anderen, da aufgrund der Entscheidungsmacht des Schiedsrichters beide Verfahren sich grundlegend unterscheiden.90 Die Klauselvorschläge stellen vielmehr das Gegenstück zu einer Muster-Schiedsklausel dar. Durch diese Parallelität ist eine Angleichung von ADR- und Schiedsverfahren erreicht worden, welche es erleichtert, beide Verfahren zu kombinieren. Eine solche Kombination von ADR- und Schiedsverfahren findet sich dann auch in dem vierten Klauselvorschlag, der die ADR- mit der Standard ICC-Schiedsklausel kombiniert und ein gestuftes Regime schafft. Diese gestufte Wirkung des vierten Klauselvorschlags findet sich jedoch genauso wenig bei allen vier Klauselvorschlägen, wie die bindende Wirkung des vierten Klauselvorschlags. Der erste und zweite Klauselvorschlag verpflichten die Parteien weder dazu, im Konfliktfall tatsächlich ein ICC-ADR-Verfahren einzuleiten und zu organisieren, noch sehen sie im Konfliktfall ein gestuftes Streitbeilegungsregime vor. Der zweite Klauselvorschlag geht jedoch insoweit weiter als der erste Klauselvorschlag, als das durch ihn die Parteien vereinbaren, im Konfliktfall über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens tatsächlich zu verhandeln. Der dritte Klauselvorschlag bindet die Parteien im Konfliktfall daran, ein ICC-ADR-Verfahren durchzuführen. Im Unterschied zum vierten Klauselvorschlag schließt sich durch ihn an das erfolglose ICC-ADRVerfahren jedoch kein ICC-Schiedsverfahren an. Ein weiterer zentraler und dennoch leicht zu übersehender Unterschied zwischen dem dritten und vierten Klauselvorschlag ist die unterschiedliche Wirkung der in den beiden Klauselvorschlägen enthaltenen 45-Tages-Frist. Der vierte Klauselvorschlag sieht vor, dass unabhängig von der Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens die Parteien erst nach Ablauf von 45 Tagen ab Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens das ICC-Schiedsgericht anrufen können.91 Durch den dritten Klauselvorschlag wird hingegen lediglich die Pflicht zur Einleitung 89 Diese Parallele zieht für die Wirtschaftsmediation: Beckmann, in: DStR 13/2007, S. 583 ff. (585); Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 12. 90 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 11. Anders wird dies z. B. in den USA gesehen, wo die Regeln betreffend Schiedsvereinbarungen analog auf ADR-Abreden angewandt werden. Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel V § 15 II 4 a hh (1). 91 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (94); Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (13).
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
und Organisation eines ICC-ADR-Verfahrens befristet. Wird das ICC-ADRVerfahren also vor Ablauf der 45 Tage beendet, so sind die Parteien frei darin, unverzüglich ein Entscheidungsverfahren einzuleiten.
III. Präambel Innerhalb der eigentlichen ICC-ADR-Regeln geht den sieben Artikeln eine kurze Präambel voraus. Die Präambel ist in der englischen Originalfassung in zwei Absätze gegliedert. Im ersten Absatz wird die gütliche Beilegung von sowohl Streitigkeiten als auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Wirtschaftspartnern als erstrebenswerte Lösung beschrieben. Dieser Feststellung folgt eine grobe Positionierung des Verfahrens, ein kurzer Verweis darauf, dass eine solche gütliche Beilegung unter Zuhilfenahme eines neutralen Dritten unter der Ägide simpler Regeln durchgeführt werden kann und dass ein solches Vorgehen bereits bei Vertragsschluss oder zu einem sonstigen anderen Zeitpunkt vereinbart werden kann. Der erste Absatz der Präambel ist damit eine knappe Zusammenfassung dessen, was unter einem Verfahren der einvernehmlichen Streitbeilegung mit Drittbeteiligung zu verstehen ist. Im zweiten Absatz der Präambel wird das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln kurz beschrieben. Dabei wird vor allem die Methodenoffenheit der ICC-ADR-Regeln betont und hervorgehoben, dass die ICC-ADR-Regeln mit der Mediation nur subsidiär ein bestimmtes einvernehmliches Verfahren festlegen. Der zweite Absatz der Präambel endet mit dem Verweis auf den an die Regeln anschließenden Leitfaden. Dabei stellt die Präambel fest, dass der Leitfaden nicht Teil der ICC-ADR-Regeln ist, sondern lediglich eine nähere Erklärung der Regeln darstellt. Die Präambel enthält damit für die Wirkung der ICC-ADR-Regeln zentrale Aussagen, wie zum Beispiel deren Anwendung auch für reine Meinungsverschiedenheiten oder den Umstand, dass die ADR-Regeln nicht den Leitfaden umfassen. Sie ist somit für die Wirkung der ICC-ADR-Regeln wesentlich; trotz dieser gehobenen Bedeutung ist ihre rechtliche Wirkung aber unklar. In vielen Rechtssystemen wird fraglich sein, ob der Präambel eine rechtlich bindende Wirkung zukommt oder nicht,92 sie also Teil der ADR-Nebenabrede wird oder aber nicht. Gerade wegen ihrer hohen Bedeutung erscheint dies besonders unglücklich. Wäre die Präambel fester Bestandteil des Adhäsionsvertrages, so wäre schließlich auch über die Wirkung des Leitfadens klar entschieden, da sich die Präambel auf diesen direkt in ihrem Wortlaut bezieht. Die Internationalen Handelskammer geht wohl davon aus, dass die Präambel einen festen Teil der ICC-ADR-Regeln bildet. Schließlich wird die Präambel im Leitfaden als Teil der Darstellung der ICC-ADR-Regeln näher besprochen.93 Es wäre jedoch 92 93
Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (121). ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 20 f.
§ 12 Aufbau
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glücklicher gewesen, hätte sich die Internationale Handelskammer dafür entschieden, die Präambel als eigenen Artikel abzufassen.
IV. Regeln und Kostenübersicht Der Präambel folgen sodann die sieben Artikel, die die ICC-ADR-Regeln selber ausmachen. Sie beginnen mit der Festlegung des Anwendungsbereichs der ICCADR-Regeln in Artikel 1 und gehen weiter mit der Einleitung des Verfahrens in Artikel 2. Der folgende Artikel 3 ICC-ADR regelt die Auswahl des neutralen Dritten. In Artikel 4 ICC-ADR wird die Frage der Kosten und der Honorare im ADR-Verfahren näher dargestellt. Dieser muss dabei im Zusammenhang mit der sich im Anhang befindenden Kostenübersicht gesehen werden, auf die auch durch Artikel 4 I ICC-ADR verwiesen wird. Artikel 5 ICC-ADR regelt die Durchführung des ADR-Verfahrens näher. Dabei wird durch Artikel 5 I, II, IV ICC-ADR nicht das einvernehmliche Verfahren an sich geregelt, sondern vielmehr der Weg in die tatsächliche Beilegung der Streitigkeit festgelegt. So enthält Artikel 5 II ICC-ADR die Regelung, dass subsidiär im Falle der Nichteinigung der Parteien über die ADR-Verfahrensart ein Mediationsverfahren stattfindet. In Absatz 3 wird der neutrale Dritte bei der Verfahrensführung nur insoweit gebunden, dass er sich vom Gebot der Fairness und Unparteilichkeit leiten zu lassen und den Wünschen der Parteien nachzukommen hat. Artikel 6 ICC-ADR regelt dann die Beendigung des Verfahrens. Artikel 7 schließt die ICC-ADR-Regeln mit einigen allgemeinen Vorschriften ab. Im Anschluss an die ICC-ADR-Regeln befindet sich dann die bereits erwähnte Kostenübersicht, die durch die Bezugnahme in Artikel 4 ICC-ADR als Teil der ICC-ADR-Regeln und somit der Parteivereinbarung zu verstehen ist. Die Kostenübersicht enthält Angaben zu den Kosten des Antragsverfahrens, den Verwaltungskosten des ADR-Verfahrens sowie zum Honorar und den Auslagen des neutralen Dritten. Kosten, die den Parteien selber entstehen94 sowie die Kosten für die Räumlichkeiten, in denen das Verfahren stattfindet, sind in der Kostenübersicht nicht enthalten. Die Kostenübersicht ist vielmehr allein als „Preisangabe“ der Internationalen Handelskammer für ein Verfahren nach ihren ICC-ADR-Regeln zu verstehen. Aufgrund dieser Natur der Kostenübersicht ist zu vermuten, dass zukünftig optional noch die Kosten für die Räumlichkeiten mit in den Katalog aufgenommen werden könnten. Diese Spekulation nährt sich aus dem Umstand, dass die internationale Handelskammer seit Oktober 2008 in Paris für die Beilegung von Streitigkeiten die Räumlichkeiten ihres
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z. B.: Anreisekosten oder die Kosten des Aufenthalts der Parteivertreter.
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
ICC Hearing Center95 zur Verfügung stellt.96 Insofern ist zu vermuten, dass die internationale Handelskammer, ähnlich der subsidiären Anwendbarkeit der Mediation, das ICC Hearing Center in Paris als subsidiären Ort des Verfahrens aufnehmen könnte.97 Damit würde die Preistabelle des Hearing Centers wohl auch ihren Weg in die Kostenübersicht finden.
V. Leitfaden Dem Kostenanhang folgt der Leitfaden für ICC-ADR, der in drei Teile aufgeteilt ist. Der erste, „Einführung“ genannte Teil enthält einen Unterabschnitt über die Wesenszüge von ICC-ADR und stellt im zweiten Unterabschnitt die Regeln im Überblick dar.98 Hierauf folgt der zweite Teil, der die einzelnen ICCADR-Regeln darstellt.99 Dabei werden nicht nur die sieben Artikel der ADRRegeln näher erläutert, sondern auch die Präambel. Der letzte, „Darstellung der vorgeschlagenen ICC-ADR-Klauseln“ genannte Teil erläutert dann noch kurz die vier Klauselvorschläge der internationalen Handelskammer.100 Insgesamt ist der Leitfaden damit als ein offizieller kurzer Kommentar zu sehen. Dies ist auch der von der internationalen Handelskammer vorgesehene Zweck des Leitfadens, die ihn in dem Leitfaden damit ausdrückt, dass der Leitfaden „… jedermann die Regeln kurz und verständlich näher bringen“ soll.101 Fraglich ist, welche rechtliche Wirkung dem Leitfaden zukommt. Die Präambel der ICC-ADR-Regeln stellt fest, dass der Leitfaden nicht Teil der ADRRegeln, sondern vielmehr als Erläuterung von diesen getrennt ist. Insofern ist der Leitfaden auch kein Teil des ADR-Vertrags,102 da in den Klauselvorschlägen lediglich davon die Rede ist, dass ein Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln durchgeführt werden soll. Unter den ICC-ADR-Regeln sind nach der Präambel aber eben nur diese und nicht auch der Leitfaden zu verstehen. Problematisch hierbei ist jedoch, dass einige Rechtsordnungen auch die Präambel nicht als Teil des Adhäsionsvertrages qualifizieren,103 zumal sie den eigentlichen ICCADR-Regeln nur vorangestellt ist Da somit der Inhalt der Präambel in einigen 95 Nähere Informationen zum ICC Hearing Center finden sich unter: http://www.iccwbo. org/products-and-services/hearing-centre/ (Stand 10. März 2016). 96 Vgl. Artikel hierüber unter http://www.worldcommercereview.com/publications/artic le_pdf/101 (Stand 10. März 2016). 97 Näher zu der Frage der Bestimmung des Verhandlungsortes, der zur Zeit gem. Art 5 IV der ADR-Regeln im Zweifel durch den neutralen Dritten festgelegt wird, siehe weiter unten unter Kapitel V § 18. 98 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 17–20. 99 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 20–35. 100 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 35–37. 101 ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 20. 102 Auch dieser Meinung ist: Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 103 Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (121).
§ 13 Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADR-Verfahren
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Rechtsordnungen nicht Teil der Vereinbarung ist, fehlt es hier an einer klaren Festsetzung bezüglich der Wirkung des Leitfadens. Der Befund, dass der Leitfaden nicht Teil ICC-ADR-Regeln ist, könnte in diesen Rechtsordnungen falsch sein. So kann sich hier durch Auslegung des Parteiwillens ergeben, dass die Einbeziehung des Leitfadens in die Parteivereinbarung gewollt war. Damit besteht über die Wirkung des Leitfadens insgesamt Ungewissheit. Abhilfe schafft hier eine Abänderung der Pflichtklausel durch die Parteien, die entweder die Präambel als Teil der ICC-ADR-Regeln explizit vereinbaren oder aber in einem zusätzlichen Passus die Wirkung des Leitfadens klar bestimmen können.
§ 13 Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADR-Verfahren Die Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADR-Verfahren beschränkt sich primär auf eine rein administrative Funktion und ist insofern mit ihrer Rolle im Schiedsverfahren vergleichbar. Neben der reinen administrativen Abwicklung des ICC-ADR-Verfahrens nimmt die Internationale Handelskammer, wie im Schiedsverfahren auch, die Rolle einer Informationsstelle und damit die des Lobbyisten für ADR-Verfahren ein. Diese Doppelstellung wird besonders bei der Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens deutlich. Hier ist es Aufgabe des innerhalb der Internationalen Handelskammer für ADR-Verfahren zuständigen ADR Sekretariats, nicht nur die Parteien bezüglich des ICC-ADRVerfahrens zu beraten und den Parteien zu helfen, das Verfahren in Gang zu setzen,104 sondern auch die administrative Abwicklung der Einleitung zu übernehmen. Dabei setzt die Autorität und Reputation der Internationalen Handelskammer bezüglich der Beilegung von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten einen Rahmen, welcher es den Parteien zumindest erleichtert, sich auf ein einvernehmliches Streitbeilegungsverfahren einzulassen.105 Diese Aufklärung der Parteien ist für die erfolgreiche Verbreitung von ADR-Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln zentral. So ergibt sich aus einer Studie in England106 sowie aus dem Erfolg der dort beheimateten National Mediation Helpline, dass der Aufklärung der Parteien und ihrer Anwälte eine erhebliche Bedeutung für den Erfolg des ADR-Verfahrens zukommt.107 104
Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 73. Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). 106 Es handelt sich hierbei um eine Studie mit dem Titel “Legal Aid and mediation for People involved in family breakdown” des National Audit Office aus dem Jahr 2007, abrufbar unter http://www.nao.org.uk/publications/0607/legal_aid_for_family_breakdown.aspx (Stand 10. März 2016). 107 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 83. 105
100
Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
Zudem übernimmt die Internationale Handelskammer sowohl die Auswahl des neutralen Dritten,108 als auch die finanzielle Abwicklung des Verfahrens.109 Die Übernahme der Abwicklung aller finanziellen Aspekte durch die Internationale Handelskammer hat den Vorteil, dass es bei einem Gefälle zwischen den wirtschaftlichen Ausgangspositionen der Parteien nicht zu einem Interessenkonflikt kommen kann, der das Verhältnis zum neutralen Dritten betrifft.110 Ein solcher Interessenkonflikt, der das Verhältnis zum neutralen Dritten beeinflussen könnte, wäre zum Beispiel dann gegeben, wenn eine Partei die von der anderen Partei vorgeschlagene Höhe des Honorars für den neutralen Dritten wirtschaftlich nicht mittragen kann. Ohne das Dazwischentreten einer vierten Partei würde der neutrale Dritte hiervon Kenntnis erlangen. Diese Kenntnis könnte durch die wirtschaftlich schwächere Partei wiederum dahingehend ausgelegt werden, dass der neutrale Dritten nicht mehr neutral ist, da ihm wirtschaftlich gesehen die andere Partei näher steht. Durch die Aushandlung des Honorars durch die Internationale Handelskammer als Mittelsmann111 kann dieser Verdacht nicht entstehen, da der neutrale Dritte von den Honorarvorschlägen der einzelnen Parteien keine Kenntnis erlangt. Aus der Auswahl des neutralen Dritten durch die internationale Handelskammer erwächst der Vorteil, dass eine international stark vernetzte und gut informierte Institution wie die Internationale Handelskammer besonders in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten die Auswahl eines qualifizierten neutralen Dritten ermöglicht.112 Den Parteien alleine fällt es hingegen aufgrund des Dschungels von Anbietern in diesem Bereich oftmals schwer, einen qualifizierten und für ihre Streitigkeit geeigneten neutralen Dritten zu finden. Das Beilegungsverfahren an sich wird allein zwischen den Parteien und dem neutralen Dritten durchgeführt. Die Internationale Handelskammer greift in diesem Stadium nur ein, wenn sie durch die Parteien oder den neutralen Dritten hierzu aufgefordert wird.113 Doch darf nicht verkannt werden, dass die Internationale Handelskammer als Organisation ein gewisses Gewicht besitzt. Aufgrund der Autorität der Internationalen Handelskammer aus ihrer neutralen Stellung heraus mag das Urteil bzw. die Auffassung der Internationalen Handelskammer schließlich von gewissem Gewicht für die Parteien sein. Insofern sind auch informelle Anmerkungen der Internationalen Handelskammer nicht zu unterschätzen. Mahnende Worte der Internationale Handelskammer in
108
Vgl. Art. 3 der ICC-ADR-Regeln. Vgl. Art. 4 der ICC-ADR-Regeln. 110 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). 111 Siehe zum Aushandlungsverfahren Art. 4 II ADR-Regeln i. V. m. Absatz II der ADRKostenübersicht. 112 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). 113 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (99). 109
§ 13 Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADR-Verfahren
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Richtung einer Partei könnten diese von Verstößen gegen die ICC-ADR-Regeln abhalten.114 Insgesamt ist die Rolle der Internationalen Handelskammer im ICC-ADRVerfahren damit durchaus mit der in einem ICC-Schiedsverfahren vergleichbar. Erhebliche Unterschiede ergeben sich alleine bezüglich des Endes des Verfahrens. Anders als in Schiedsverfahren gemäß Artikel 27 der Schiedsordnung der internationalen Handelskammer kommt es bei ICC-ADR-Verfahren nicht zu einer sachlichen Prüfung des Einigungsvertrages. Die Internationale Handelskammer erlangt vielmehr von dem Inhalt der Einigung keinerlei Kenntnis.115 Zweck der Prüfung von Schiedsurteilen nach Artikel 27 der Schiedsordnung der internationalen Handelskammer ist es, gravierende formelle Fehler im Schiedsspruch zu vermeiden, Verstöße gegen zwingende rechtliche Anforderungen des Rechts am Schiedsort zu berichtigen und damit insgesamt eine hohe rechtliche Qualität des Schiedsspruches zu erreichen.116 Fraglich ist, ob eine solche Überprüfung nicht auch für eine im Rahmen eines ADR-Verfahrens getroffene Einigung angezeigt wäre. Schließlich kann eine solche Einigung inhaltlich, genau wie Schiedssprüche auch, an Fehlern leiden. Doch darf nicht übersehen werden, dass ein zentraler Unterschied zwischen einem ADR-Vergleich und einem Schiedsspruch ist, dass ersterer nicht direkt durchsetzbar ist. Die rechtliche Qualität des Vergleichs ist daher eher von untergeordneter Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Vereinbarung auf der Vertragsfreiheit der Parteien beruht und nicht auf dem Spruch des neutralen Dritten. Damit müssen die Parteien vor den Fehlern eines Dritten nicht geschützt werden. Auf der anderen Seite kommt der Vertraulichkeit des Verfahrens eine gehobene Bedeutung zu. Es ist im ICC-ADR-Verfahren sogar möglich, dass die Parteien nicht einmal den Neutralen über den Inhalt des Vergleichs in Kenntnis setzen.117 Insgesamt scheint daher eine Überprüfung des Vergleichs durch die Internationale Handelskammer nicht angezeigt.
114 Diese Autorität der Internationalen Handelskammer war vor allem in den ersten Jahren (ab 1922), in denen ADR-Verfahren bei der Internationalen Handelskammer möglich waren, gut zu erkennen, da hier bereits das Anrufen der internationalen Handelskammer als schlichtendes Moment zu fungieren schien. Vgl. weiter oben unter Kapitel III § 8. 115 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (100). Vgl. näher zum erfolgreichen Abschluß eines ICC-ADR-Verfahrens weiter unten unter Kapitel V § 21 I 1. 116 Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 169. 117 Vgl. hierzu weiter unten unter V § 25 I 2.
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Kapitel IV: Standort, Wirkweise und Aufbau der ICC-ADR-Regeln
§ 14 Zusammenfassung Insgesamt ist das ADR-Regelwerk der Internationalen Handelskammer ein besonders flexibles und offenes Regelungswerk, dass in seiner Zielsetzung und Implementierung in ein System bereits bestehender anderer Regelwerke dem international Handeltreibenden ein auf den ersten Blick grundsätzlich durchaus dessen Bedürfnissen entsprechendes Streitbeilegungsmittel zur Hand gibt. So wird es für den Anwender der ICC-ADR-Regeln aufgrund des bestehenden Baukastenprinzips möglich, verschiedenste Verfahren zu verzahnen und gleichzeitig unter der Ägide einer Organisation die Streitigkeit beizulegen. Gerade das Zusammenspiel von „grünen“ und „roten“ Verfahren ist dabei ein zentraler Vorteil für die ICC-ADR-Regeln, da Multi-tiered Verfahren somit organisatorisch reibungsloser durchgeführt werden können.118 Doch hat sich bei der Betrachtung des grundsätzlichen Aufbaus der ICCADR-Regeln bereits gezeigt, dass die selbstgesetzten Ziele der ICC-ADRRegeln teilweise nicht konsequent genug umgesetzt wurden und zum anderen durch den Aufbau der Regeln bereits Fragen entstehen. Die eben bereits beschriebene Verzahnung erscheint auf den ersten Blick beispielsweise nicht konsequent genug erfolgt zu sein.119 Auch scheint die Parteiautonomie vor dem Hintergrund der bestehenden Zustimmungspflicht zu Änderungen an den ICC-ADR-Regeln nicht in Gänze konsequent verfolgt. Die unklare Wirkung des Leitfadens und der Präambel sind Probleme, die zwar bestehen, denen die Streitparteien aber durch Änderungen an den Klauselvorschlägen Rechnung tragen können.
118
Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel VII § 28. Vgl. näher zum Problem der nicht nur sequentiellen sondern hybriden Verzahnung verschiedener Verfahren weiter unten unter Kapitel V § 19 II. 119
Kapitel V
Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln Auch wenn sich das ADR-Regelwerk der Internationalen Handelskammer nach der gerade erfolgten groben Betrachtung zunächst als flexibles und offenes Regelwerk darstellt, das sich den besonderen Interessen der Parteien weitestgehend unterordnet, ist fraglich, wie sich ein ADR-Verfahren unter dem Regime der ICC-ADR-Regeln im Detail tatsächlich darstellt. Die folgende detaillierte Analyse des ICC-ADR-Verfahrens erfolgt vor dem Hintergrund der oben bereits beschriebenen funktionalen und rechtlichen Aspekten,1 um die Stärken und Schwächen des ICC-ADR-Verfahrens in der Praxis zu beurteilen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Insbesondere interessiert dabei die Fragestellung, inwieweit die vier rechtlichen Hauptaspekte der Entrechtlichung, der Inkompatibilität, der allgemeinen Sicherungsstruktur und des organisatorischen Rahmens in dem Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln effektiv umgesetzt wurden und wie weit den Streitparteien Raum gelassen wird, das Verfahren an ihre Streitigkeit und Rechtslage anzupassen. Insofern gilt es eine tiefgehende Analyse der einzelnen Aspekte im Verfahren selber vorzunehmen, um dann die hieraus gewonnen Ergebnisse bei der Beantwortung der Frage zu verwenden, ob die ICC-ADR-Regeln tatsächlich ein gütliches Streitbeilegungsverfahren nach den Bedürfnissen der Parteien ermöglichen und ob ein Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln bei internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten als tatsächliche praktikable Alternative zu Schiedsverfahren zu sehen ist.
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens Der erste Schritt in ein ICC-ADR-Verfahren liegt oftmals nicht erst in einem an die Internationale Handelskammer gerichtetem Antrag auf Durchführung eines ADR-Verfahrens, sondern vielmehr bereits in der Vereinbarung einer ICCADR-Abrede bei Abschluss des Vertrages, der die später streitige Geschäftsbeziehung begründet hat. 1
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 III.
104
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
I. Funktionen antizipierter ADR-Musterabreden Auch wenn eine antizipierte Vereinbarung keine unabdingbare Voraussetzung für das Einleiten eines ICC-ADR-Verfahrens ist,2 so findet sich in der Praxis eine zunehmende Verbreitung solcher ADR-Abreden in Form3 von Klauseln in internationalen Verträgen.4 Es fragt sich, ob dieser Trend tatsächlichen Notwendigkeiten folgt, oder aber lediglich eine Vorsichtsmaßnahme der Parteien darstellt, aus welcher sich kein tatsächlicher Nutzen für das ADR-Verfahren ergibt. Bei der Beantwortung dieser Frage sind die positiven Aspekte eines antizipierten Vorgehens gegen die negativen abzuwägen. In einem zweiten Schritt wird dann die Notwendigkeit und Funktion vorformulierter Klauseln näher betrachtet.
1. Zweck des Antizipierens a. Positive Wirkung des Antizipierens Der Sinn und Zweck des Antizipierens besteht darin, bereits bei Vertragsschluss das mögliche Auftreten von Konflikten zu berücksichtigen und einen außergerichtlichen Rahmen für deren Beilegung vorzuzeichnen. Insofern stellt die ADR-Abrede eine Art Fahrplan für die Beilegung zukünftiger Streitigkeiten dar, die im Rahmen einer übergeordneten Beziehung entstehen können.5 Daneben eröffnet das antizipierte Vorgehen den Parteien jedoch auch zahlreiche Vorteile für die der Einigung folgende Geschäftsbeziehung.6 Für das ADR-Verfahren an sich interessant ist jedoch vor allem die Auswirkung des Antizipierens auf die Bereitschaft der Parteien, im Konfliktfall tatsächlich auf ein einvernehmliches Verfahren zurückzugreifen, da die Teilnahme an diesem grundsätzlich freiwillig erfolgt.
2
Vgl. oben unter Kapitel IV § 12 II. Unterscheidung der Begriffe ADR-Klausel und ADR-Vereinbarung vgl.: Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 8; Eiholzer, Streitbeilegungsabrede, S. 81 ff.; Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 12. 4 Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 35 f. Besonders Multi-tiered Dispute Resolution Klauseln erfreuen sich dabei zunehmender Popularität. Vgl.: Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (1); Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (250); Melnyk, in: Int. Arb Rev. 4/2002, S. 113 ff. (113); Palmer/Lopez, in: A. R. of Int. Arb. 14/2003, S. 285 ff. (285); Wagoner, in: Arb. J. Juni 1993, S. 77 ff. (81). 5 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 229. 6 Siehe näher zu diesen positiven Auswirkungen des Antizipierens auf die Parteibeziehung Shavell, in: J. of L. Stud. 24/1995, S. 1 ff., der z. B. näher auf die mit dem Antizipieren einhergehende Abnahme der Streitgeneigtheit der Parteien eingeht. 3 Zur
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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aa. Umgehung von Einstiegshürden Die Berücksichtigung von ADR-Verfahren bereits vor Auftreten einer Streitigkeit hat für sich genommen bereits eine die Anwendungswahrscheinlichkeit eines ADR-Verfahrens erhöhende Wirkung. Diese Wirkung ist dabei dem Umstand geschuldet, dass mit Hilfe von antizipierten ADR-Abreden Einstiegshürden für die Anwendung eines ADR-Verfahrens nach den Regeln der Internationalen Handelskammer überwunden werden ohne dabei auf der anderen Seite Einstieghürden für andere Streitbeilegungsverfahren aufzustellen. Die zentralen Einstiegshürden für einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren beruhen vor allem auf der Änderung der Parteibeziehung im Konfliktfall. Kommt es zum Konflikt, so bildet sich das in Geschäftsbeziehungen in der Regel bestehende kooperative Verhältnis der Parteien zurück. An seine Stelle tritt ein Verhältnis der Konkurrenz, in welchem die Parteien allein ihre eigenen Interessen zu verfolgen suchen. Eingeschlossen im Streit ist es dann für die Parteien erheblich schwieriger, diesen zu einer einvernehmlichen Beilegung zu lenken,7 zumal sich die Fronten oftmals derart verhärtet haben, dass sie nur schwer zurückgebildet werden können.8 Der Vorschlag einer Partei, ein ADR-Verfahren durchzuführen, wird in diesem Umfeld durch die andere Partei grundsätzlich kritisch aufgenommen und reaktiv abgewertet.9 Aus diesem Wechsel der Parteibeziehung resultiert, dass sich die Parteien nicht selten nach Ausbruch eines Konfliktes gar nicht oder nur nach zähen und langen Verhandlungen überhaupt einigen können.10 Eine ADR-Planung nach Konfliktentstehung erscheint vor diesem Hintergrund nur ungemein schwerer möglich.11 Dieses Problem zu umgehen ist das primäre Ziel des antizipierten Vorgehens. Erreicht wird dies dadurch, dass das konsensuale Klima des Vertragsschlusses und der Zusammenhang mit einer vertraglichen Hauptsache dafür genutzt wird, bereits zu diesem Zeitpunkt den Weg der einvernehmlichen Streitbeilegung zu sichern und zu definieren.12 Zu diesem Zeitpunkt haben die Parteien eine relativ positive Haltung und sind daher geneigter, sich auf eine ADR-Abrede zu einigen.13 Diese bereits bestehende Basis macht dann die Einigung über einen im Konfliktfall zu beschreitenden einvernehmlichen Streitbeilegungsweg wahrscheinlicher.
7
Villareal, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 141. Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 36 f. 9 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 116. 10 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 8; Villareal, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 139. 11 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 89. 12 Vgl. Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 90. 13 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 441. 8
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Einher mit dem Eintritt des Konfliktes geht ein erhöhtes persönliches Misstrauen gegenüber der anderen Partei.14 Aus diesem Misstrauen kann zum Beispiel bei einer der Parteien der Verdacht entstehen, der Vorschlag der Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens sei eine Falle und nur als Verzögerungstaktik gedacht.15 Das aus dem Verhältniswechsel entstandene Misstrauen zwischen den Parteien kann also zur Folge haben, dass die Parteien den ernst gemeinten Vorschlag zur Durchführung eines ADR-Verfahrens als taktischen Schachzug sehen, der gegen sie verwendet wird und damit nicht in ihrem eigenen Interesse steht. Damit bildet das Misstrauen eine zentrale Einstiegshürde, die regelmäßig den Verdacht des Missbrauchs des ADR-Verfahrens mit sich bringt. Haben sich die Parteien bereits im Vorfeld der Entstehung der Streitigkeit auf die Durchführung eines ADR-Verfahrens geeinigt, so wird dieser Verdacht dadurch zerstreut, dass die Parteien, wenn auch im Vorfeld, gemeinsam ein ADR-Verfahren durchführen wollten. Die Einstiegshürde des Misstrauens wird somit durch antizipierte Vereinbarungen bis zu einem gewissen Grad umgangen.16 Eine weitere Einstiegshürde für ADR-Verfahren bildet die Unwissenheit einer Partei. Oft wissen diese nicht um die Vorteile der einvernehmlichen Streitbeilegung, woraus eine mangelnde Motivation zur Teilnahme resultiert.17 Durch ein antizipiertes Vorgehen kann eine Partei die andere bereits bei Vertragsschluss auf die Möglichkeit der einvernehmlichen Streitbeilegung hinweisen und über deren Vorteile und genaue Wirkweise informieren. Auch wenn allein hierdurch der anderen Partei nicht das volle Potential des ADR-Verfahrens vermittelt werden kann, so kann sich dies dennoch als Impuls herausstellen, welcher im Konfliktfall zu einer verstärkten Beschäftigung der anderen Partei mit dem Thema ADR-Verfahren führt. Zuletzt bildet die Auslegung des einvernehmlichen Streitbeilegungsgesuchs eine oft anzutreffende Einstiegshürde. Im Konfliktfall wird zum Beispiel oftmals der Vorschlag, ein einvernehmliches Streitbeilegungsverfahren durchzuführen, als Zeichen der Schwäche ausgelegt.18 Dabei wird durch die andere Partei vermutet, dass die Partei nur deshalb zu diesem Vorschlag greift, da sie befürchtet, dass sie in einem Entscheidungsverfahren unterliegen würde. Kann sich eine Partei hingegen auf eine antizipierte Abrede berufen, so werden diese Überlegungen zumindest zerstreut, da mit der Abrede ein weiterer Grund für
14 Köper, Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren, S. 17; Risse, Wirtschaftsmediation, S. 116. 15 Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 29; Salacuse, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 226. 16 Riss, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 795. 17 Salacuse, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 226. 18 Sanders, in: Berger (Hrsg.), FS Sandrock, S. 824; Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 10.
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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den Vorschlag vorliegt und die Parteien sich damit wieder auf Augenhöhe befinden.19 Insgesamt zeigt sich damit, dass durch ein antizipiertes Vorgehen vor allem Einstiegshürden auf methodischer und psychologischer Ebene umgangen werden können. Es wird damit leichter, ein ICC-ADR-Verfahren der anderen Partei erfolgreich vorzuschlagen.20 Daher sollten die Parteien grundsätzlich so früh wie möglich eine generelle ADR-Abrede schließen.21
bb. Teilnahmepflicht und Ausschluss paralleler Entscheidungsverfahren Weiter als die bloße Umgehung von Einstiegshürden geht die Beseitigung dieser Hürden durch Vereinbarung einer Teilnahmeverpflichtung an einem ADRVerfahren. Ist eine Partei bereits verpflichtet, an einem ADR-Verfahren teilzunehmen, so bestehen die oben genannten Einstiegshürden nicht mehr, da die Durchführung grundsätzlich gesichert ist. Das ADR-Verfahren kommt insofern unabhängig vom Vorbehalten einer Streitpartei stets zum Zuge. Bezüglich der Unwissenheit einer Partei um die Vorteile eines ADR-Verfahrens geht die Teilnahmeverpflichtung in ihrer Sendungswirkung zudem weiter, da durch sie rein zeitlich bereits die Aufklärungsmöglichkeit insbesondere in Verbindung mit einem ersten obligatorischen Termin ausgeweitet wird. Oft wird eine Partei in einem ADR-Verfahren keinen Sinn mehr sehen, da sie zum Beispiel die Vorteile ihrer BATNA22 gegenüber dem einvernehmlichen Verfahren zu hoch ansetzen.23 Eine Beurteilung des Potentials des ADR-Verfahrens ist für die Parteien ohne einen ersten obligatorischen Termin nur schwer möglich.24 In Verbindung mit der Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens und mit Hilfe der Aufklärungsmöglichkeit innerhalb einer ersten obligatorischen Sitzung kann die antizipierte Teilnahmepflicht dann dazu führen, dass der skeptischen Partei das konkrete Potential des ADR-Verfahrens vermittelt wird, es dadurch zu einer Neubewertung der Streitlage durch die zögernde Partei kommt und damit die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens im Konfliktfall wahrscheinlicher wird. Damit kann ein gewisser Zwang zu ADR-Verfahren durchaus eine heilende Wirkung haben, die geeignet ist bestehende Barrieren zu überwinden.25 19
Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (12). Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 75. 21 Dies sieht auch so Kallipetis/Ruttle, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 237. 22 Best Alternative to a Negotiated Settlement. Bei ihr handelt es sich um die selbstgesetzte beste Alternative zu einer Übereinkunft in einer Verhandlung. 23 Bühring-Uhle/Korchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 229. 24 Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 4. 25 Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (460); Wagner/Eidenmüller, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 7. 20
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Problematisch und stark umstritten an einer solchen Verpflichtung ist allerdings die Frage, ob aus methodischer Sicht diese direkt und indirekt durchsetzbar sein sollte.26 Durch eine solche Durchsetzbarkeit kann dem ADR-Verfahren schließlich die Möglichkeit zur freiwilligen Zustimmung zur Konfliktlösung genommen werden.27 Die indirekte Durchsetzung einer Teilnahmeverpflichtung beschreibt dabei den Ausschluss paralleler Entscheidungsverfahren. Hier wird der Teilnahmepflicht also indirekt über den Mangel an Alternativen zum ADR-Verfahren Nachdruck verliehen. Da besonders in internationalen Streitigkeiten die Gefahr besteht, dass die Parteien parallel in verschiedenen Ländern konkurrierende Entscheidungsverfahren durchführen und damit divergierende Urteile riskieren,28 erscheint ein Ausschluss anderer Verfahren in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten grundsätzlich zweckmäßig. Zudem wird so die Möglichkeit des Entzuges aus dem laufenden ADR-Verfahren durch Anrufung eines Gerichts verhindert. Neben der indirekten Durchsetzung der Teilnahmeverpflichtung besteht auch die Möglichkeit der direkten Durchsetzung. Hier wird durch Leistungsklage versucht, die andere Partei zur Teilnahme am ADR-Verfahren zu bringen. Problematisch an der direkten Durchsetzung ist, dass durch sie parallele Entscheidungsverfahren nicht verhindert werden. Parallele Entscheidungsverfahren können vielmehr höchstens zur Unmöglichkeit der Leistung der ADR-Teilnahme führen und damit alleine Schadensersatzansprüche der anderen Partei begründen.29 Fraglich ist dabei, ob der Nachweis eines Schadens gelingt. Daneben erscheint die Erhebung einer Leistungsklage auf Durchführung des ADR-Verfahrens an sich auch problematisch. Zahlreiche Vorteile des ADRVerfahrens, die sich gerade aus dem Fehlen eines Entscheidungsverfahren ergeben, werden durch die Erhebung der Leistungsklage wieder aufgegeben30: ob eine gerichtlich erzwungene Teilnahme an einem auf Freiwilligkeit und Kompromissbereitschaft beruhenden Verfahren sinnvoll ist, bleibt in vielen Fällen zweifelhaft. Damit scheint die direkte Durchsetzung insgesamt wenig ge26 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 230. 27 Zu bedenken ist hier jedoch, dass die Parteien eines ADR-Verfahrens nie freiwillig in ein ADR-Verfahren eintreten, sondern immer durch die Streitigkeit hierzu gezwungen sind. Zudem verlagert die vorherige Verpflichtung, im Streitfall zuerst ein ADR-Verfahren durchzuführen, die Freiwilligkeit nur auf den Zeitpunkt der Vereinbarung vor, lässt sie jedoch nicht vollkommen entfallen. 28 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 231. Unter Verfahrensschutzraum ist dabei die Gesamtheit der das ADR-Verfahren gegen Missbrauch absichernden Regelungen zu verstehen. 29 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 231. 30 Beispiele wären die Schonung der Geschäftsbeziehung oder aber die besonders schnelle Beilegung der Streitigkeit.
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eignet zu sein, die Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden zu gewährleisten. Doch bestehen auch Konstellationen, in denen die direkte Durchsetzung Vorteile gegenüber der indirekten Durchsetzung aufweist. Ist eine Partei beispielsweise weder an der Durchführung eines ADR-Verfahrens noch an der Einleitung eines Entscheidungsverfahrens interessiert, da die Partei es vorzieht, selbst verklagt zu werden, so kann alleine über die Leistungsklage dem Bestreben nach der Durchführung eines ADR-Verfahrens Nachdruck verliehen werden.31
cc. Verzahnung mit Schiedsverfahren Parallele nationale Gerichtsverfahren können jedoch nicht nur mit Hilfe einer indirekt durchsetzbaren ADR-Teilnahmeplicht ausgeschlossen werden, sondern auch über Schiedsabreden. Dieser Vorteil von Schiedsabreden kann mit Hilfe einer Verzahnung von ADR-Klausel und Schiedsklausel auf das ADR-Verfahren übertragen werden. Weiterer Vorteil einer solchen Verzahnung ist ihr Fungieren als ein Art Filter zur Bestimmung des passenden Streitbeilegungsverfahrens32 sowie die Absicherung des Verfahrensschutzraums33 des ADR-Verfahrens. Für die Verzahnung unerheblich ist dabei, ob das dem Schiedsverfahren vorangestellte ADR-Verfahren zwingend durchzuführen ist oder ob die Durchführung im Ermessen der Parteien liegt.34 Allein die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf ein (idealerweise unter der ICC-Schiedsordnung stattfindendes) Schiedsverfahren führt zu diesem Effekt. Die Verzahnung führt allein hingegen nicht dazu, dass die Parteien tatsächlich auch ein ADR-Verfahren durchführen. Aus einer solchen Verzahnung mit einem nachfolgenden oder alternativen Schiedsverfahren entstehen auch keinerlei negative Auswirkungen auf die methodischen Vorteile eines ADR-Verfahrens, womit die Verzahnung immer dann gewählt werden sollte, wenn sich der Geschäftsgegenstand beziehungsweise das Vertragsverhältnis für Schiedsverfahren eignet.35
b. Negative Wirkung des Antizipierens Neben den zahlreichen positiven Aspekten eines antizipierten Vorgehens geht mit diesem jedoch auch eine Reihe von Problemen einher, wobei dies nur für den Fall gilt, dass durch die ADR-Abrede eine tatsächliche Bindung der Parteien bewirkt wird. Die Probleme ergeben sich zum einen daraus, dass im Vor31
Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 99. Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 251. 33 Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 308. 34 Dies ist alleine bezüglich der Frage der tatsächlichen Entrechtlichung erheblich. 35 Vgl. näher hierzu noch weiter unten unter Kapitel VI § 28. 32
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
hinein schwer vorauszusagen ist, welche Art von Streitigkeiten später entstehen könnte. Insofern kann deren Besonderheiten vor ihrem Entstehen nur schwer Rechnung getragen werden. Um diesem Umstand zu berücksichtigen, müssen ADR-Abreden sehr weit formuliert werden.36 Antagonistisch hierzu wirkt jedoch das Bedürfnis, für den Konfliktfall möglichst klar den Fortgang der einvernehmlichen Streitbeilegung vorzuzeichnen, um weitere Konflikte hierüber zu vermeiden. Dies führt zu einer gewissen Inflexibilität des antizipiert vereinbarten Verfahrens. Hinzu tritt, dass nicht nur die Einschränkung der Flexibilität des ADR-Verfahrens an sich droht, sondern daneben auch die der gesamten Streitbeilegungslandschaft. Dies wiegt dann besonders schwer, wenn im Nachhinein sich die Partei- und Geschäftsbeziehung geändert hat und sich hieraus die Ungeeignetheit37 des ADR-Verfahrens oder aber die bessere Eignung einer anderen Streitbeilegungsart ergibt. Typisches Beispiel wäre hier die Verschiebung der Parteistärken hin zu einem klaren Ungleichgewicht, wodurch eine Partei der anderen im Zuge des einvernehmlichen Verfahrens ihr Optimum aufzwingen könnte. Damit könnte ein ADR-Verfahren auch dort zwingend sein, wo dieses nicht nur nicht praktikabel wäre, sondern sogar schädlich. Die Ungeeignetheit kann sich jedoch auch aus der entstandenen Streitigkeit selber ergeben. Beispiel hierfür wäre eine Streitigkeit über die Interpretation einer allgemeinen Geschäftsbedingung, bei der die Parteien nicht nach einem Kompromiss, sondern vielmehr Klarheit über die Interpretation dieser Klausel suchen.38Zuletzt gilt es zu bedenken, dass antizipierte ADR-Abreden das Entstehen von Streitigkeiten auch begünstigen können. Durch die durchsetzbare ADR-Abrede könnte für eine Partei ein Anreiz zum Vertragsbruch geschaffen werden, da im Ergebnis der Streitverursacher davon ausgehen kann, dass man sich im einvernehmlichen Verfahren „in der Mitte trifft“.39 Es ist damit die Aussicht auf einen Kompromiss, die in Abwägung mit dem Nutzen eine Partei zur Verursachung einer Streitigkeit verleiten könnte, wenn dies in der gleichen Situation in Abwägung mit einem Entscheidungsverfahren die Partei davon abhalten könnte.
c. Abwägung Insgesamt stellt sich damit die Frage, ob sich nach Abwägung der Vorteile gegen die Nachteile die antizipierte Abrede als grundsätzlich vorteilhaft erweist. Der 36
Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 108. der Frage wann sich ADR-Verfahren zur Beilegung einer Streitigkeit nicht eignen vgl. oben unter Kapitel II § 4 IV. 38 Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Redfern and Hunter on International Arbitration, S. 51. Näher zu der Frage wann Streitigkeiten sich nicht für die Beilegung im Zuge von ADRVerfahren eignen vgl. weiter oben unter Kapitel II § 4 IV. 39 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 7. 37 Zu
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111
negative Aspekt, dass sich die einvernehmliche Streitbeilegung im Nachhinein als ungeeignet herausstellen kann, ist dabei in der Regel von untergeordneter Bedeutung, da sich die Parteien dem Verfahren regelmäßig nach dessen Begin frei entziehen können. Werden Durchführungsfristen im Vorhinein vereinbart, so kann das Problem dadurch minimiert werden, dass die Fristen kurz gehalten werden, bei gleichzeitiger Einräumung einer Verlängerungsmöglichkeit40 durch spätere Parteivereinbarung.41 Schwerer wiegt das Problem, dass ein vereinbartes Verfahrensregime nicht den Besonderheiten eines später entstandenen Streits entspricht. Zentral hierbei ist, dass durch das antizipierte Vorgehen die konkrete Durchführung des ADR-Verfahrens nicht zu stark festgelegt werden darf.42 Es muss vielmehr ein Verfahren zur Bestimmung des konkreten ADR-Verfahrens vereinbart werden, um die grundsätzliche Flexibilität zu erhalten. Insgesamt stellt sich dies jedoch eher als ein Problem der konkreten Ausgestaltung und Flexibilität des durch die ADR-Abrede vereinbarten Regelwerkes dar. Damit kann die letztendliche Beantwortung dieser Frage erst nach Untersuchung des Verfahrens nach den ICC-ADR-Regeln selbst erfolgen. Damit bleibt allein die Problematik der Wirkung der antizipierten Abrede als Anreiz für die Eingehung einer Streitigkeit. Dabei gilt es anzumerken, dass die Erwartung, im Rahmen eines ADR-Verfahrens eine günstige Einigung zu erreichen, keineswegs eine feste ist. Schließlich kann das ADR-Verfahren auch erfolglos bleiben und damit die Streitigkeit erst durch ein Entscheidungsverfahren beigelegt werden, in welchem Fall es eben in der Regel nicht zu einem „Treffen in der Mitte“ kommt. Die praktische Bedeutung dieser missbräuchlichen Fallkonstellationen ist damit eher gering anzusehen. Wiegt man dies gegen die zentralen Vorteile des antizipierten Vorgehens ab, so kommt man zu dem Ergebnis, dass der Anreiz zum Missbrauch eher von untergeordneter Bedeutung ist. Der gegen verpflichtende ADR-Abreden vorgebrachte Einwand, diese würden die Freiwilligkeit im ADR-Verfahren entfallen lassen und damit dem ADRVerfahren zentral schaden, kann nicht überzeugen. Schließlich wird durch eine Verpflichtung zur Teilnahme nicht eine Pflicht zur Einigung begründet, womit die Parteien weiter frei darin bleiben, einer Einigung zuzustimmen oder aber eben nicht. Es muss insofern klar zwischen einem Zwang innerhalb des einvernehmlichen Verfahrens43 und dem Zwang zur Einleitung eines solchen 40 Diese Verlängerungsmöglichkeit ist wiederum notwendig, da ansonsten das geschaffene Verfahrensregime zu eng und das Verfahren damit zu unflexibel wäre. 41 Moses, The Principles and Practice of International Commercial Arbitration, S. 47. 42 Dieser Aspekt zeigte sich bereits bei der Bildung der Bewertungsgrundlage. 43 Dieser wirkt immer negative, da ein Zwang innerhalb eines ADR-Verfahrens immer auch die freiwillige Zustimmung zur Beilegung entfallen lässt.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Verfahrens differenziert werden.44 Hinzu kommt, dass bei der Einleitung des ADR-Verfahrens die Parteien nie „freiwillig“ handeln. Sie sind vielmehr durch das Bestehen der Streitigkeit und durch andere Faktoren, wie zum Beispiel das Bedürfnis der Geheimhaltung, hierzu gezwungen. Auch durch die gerichtliche Durchsetzung der ADR-Abrede wird lediglich eine durch die Parteien freiwillig eingegangene Verpflichtung durchgesetzt.45 Bei der gerichtlich durchgesetzten Vereinbarung wird demnach das freiwillige Element lediglich zeitlich auf den Abschluss der Vereinbarung vorverlagert.46 Insgesamt erscheint damit die Vereinbarung einer Verpflichtung zur Teilnahme grundsätzlich weniger negativ auf das ADR-Verfahren einzuwirken als teilweise angenommen. So ergaben zwei Studien zwar, dass die Einigungsrate bei freiwillig eingeleiteten ADR-Verfahren gegenüber zwingend einzuleitenden ADR-Verfahren leicht erhöht waren, doch fanden sich in anderen Studien keine Abweichungen der Einigungsrate zwischen beiden Wegen in das ADR-Verfahren.47 Insgesamt bleibt anzumerken, dass es, insbesondere aufgrund der vielseitigen Einsetzbarkeit von ADR-Verfahren zum Beispiel während eines Schiedsverfahrens, kein Regelvorgehen gibt.48 Nichtsdestoweniger erscheint eine frühzeitige Berücksichtigung einvernehmlicher Verfahren grundsätzlich angebracht zu sein. Vor allem aufgrund des Vorteils der Vorverlegung der Verfahrensentscheidung in einen für Einigungsprozesse geeigneteren Zeitraum und in Anbetracht der Vorteile, die der Abbau von Einstiegshürden, die Verzahnung mit Schiedsverfahren und die Aufstellung von Zugangshürden mit sich bringen, ist ein antizipiertes Vorgehen durch die Parteien insgesamt als vorteilhaft zu sehen.49
2. Bedeutung vorformulierter Abreden Wie bei Schiedsklauseln auch,50 hat dieses positive Abwägungsergebnis jedoch nur dann Bestand, wenn die ADR-Abrede, tatsächlich für den Einzelfall gelungen formuliert ist.51 Gerade die Erstellung einer gelungenen ADR-Abrede
44
Blobel/Späth, in: ZEuP 2005, S. 785 ff. (801). Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (460). 46 Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 38. 47 Wissler, in: Ohio St. J. on Disp. Resol. 17/2002, S. 641 ff. (697). 48 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 114. 49 Dies sieht auch so: Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (12). 50 Vgl. zur hohen Bedeutung einer gut formulierten Schiedsklausel u. a.: International Trade Centre UNCTAD/WTO, Arbitration and alternative dispute resolution, S. 125; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 165; Moses, The Principles and Practice of International Commercial Arbitration, S. 39; Weigand, in: Weigand (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration, S. 15 f. 51 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (92). 45
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für den konkreten Fall ist jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet52 und erfordert seitens des Erstellers Kenntnisse in der einvernehmlichen Streitbeilegung. Bei der Erstellung muss nicht nur der gewünschte Grad der Bindungsintensität oder der gewünschte Ablauf des Verfahrens berücksichtigt werden. Wie bei Schiedsabreden auch,53 ist die ADR-Abrede immer im Lichte des anwendbaren Rechts zu formulieren, um die Durchsetzbarkeit der in der ADR-Abrede enthaltenen Verpflichtungen zu garantieren.54 Hierauf weist auch die Internationale Handelskammer explizit in ihrem Leitfaden zu den ICCADR-Regeln hin.55 Trotz dieser gesteigerten Bedeutung der korrekten Formulierung wissen sowohl transaktionsbegleitende Berater von Unternehmen als auch Transaktionsanwälte im Gegensatz zu ihren konfliktbegleitenden Kollegen zumeist nur wenig über die Bandbreite einvernehmlicher Verfahren und deren rechtliche Anforderungen.56 In Anbetracht dieses Umstandes und aufgrund der Bedeutung der ADR-Abrede und ihrer oft schwierigen Formulierung hat die Internationale Handelskammer mit ihren Klauselvorschlägen den international Handeltreibenden und ihren Anwälten zumindest eine Grundlage für die Erarbeitung einer auf den Einzelfall abgestimmten ADR-Klausel zur Verfügung gestellt. Die oft schwierige Festlegung der Bindungsintensität wird den Parteien dahingehend abgenommen, dass die Internationale Handelskammer den Parteien vier in der Bindungsintensität unterschiedliche Klauselvorschläge zur Verfügung stellt.57 Gerade in Verbindung mit einer Verfahrensordnung wie den ICC-ADR-Regeln bilden solche vorformulierten Standardklauseln eine einfache Alternative58; allerdings sollten die Parteien immer prüfen, ob die Verfahrensordnung auch alle für sie wesentlichen Regelungen enthält.59 Der Nachteil solcher vorformulierten Abreden ist jedoch, dass diese sehr neutral formuliert sind, um den Interessen eines möglich breiten Spektrums potentieller Anwender Rechnung zu tragen. Folge hiervon ist, dass die vorformulierte Klausel nicht nur auf den konkreten Streit nicht ausgerichtet ist, sondern daneben auch die speziellen Interessen und Hintergründe der Parteibeziehung nicht berücksichtigt. Jedoch 52 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 116 f.; Risse, Wirtschaftsmediation, S 105. 53 Vgl. zur Rolle nationalen Rechts bezüglich der Schiedsabrede u. a.: Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Redfern and Huntern on International Arbitration, S. 85; Bühring-Uhle/ Kirchoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 42 ff.; Lew/Mistelis/ Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 133 ff.; Rubino-Sammariano, in: International Arbitration, S. 241 ff.; Weigand, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, S. 19; 54 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 55 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC-ADR, S. 35. 56 Stipanowich, in: J. of Emp. L. Stud. 3/2004, S. 843 ff. (893). 57 Vgl. oben unter Kapitel IV § 12 II. 58 Dies sieht auch so McGuire, in: B. B. J. März/April 2006, S. 31 f. 59 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 105, 110.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
sind die durch die Internationale Handelskammer vorgeschlagenen vier Klauseln auch tatsächlich als reine Vorschläge zu verstehen, die durch die Parteien an den Einzelfall angepasst werden können und sollen.60 Damit stellen die Klauselvorschläge grundsätzlich eine sinnvolle Hilfe für die Parteien dar, die ihnen den zumeist komplizierten Prozess der Formulierung zumindest in Teilen abnimmt. Insbesondere wegen der häufig „stiefmütterlichen“ Behandlung von Streitbeilegungsklauseln durch die Parteien61 ist der Wert solcher Klauselvorschläge nicht zu unterschätzen.
II. Funktion und Wirkung der vier Klauselvorschläge Dieses grundsätzliche Urteil hängt in seinem Bestand jedoch von der tatsächlichen rechtlichen Qualität der vier Klauselvorschläge ab. Dabei interessiert nicht nur ihre tatsächliche Wirkung, sondern vor allem die Bedeutung, die den Formulierungen zugemessen wird. Da es zurzeit kein internationales Instrument gibt, das die nationalen Gerichte dazu verpflichtet, ADR-Abreden durchzusetzen, wird die Frage der Teilnahmeverpflichtung und deren Durchsetzbarkeit fallweise durch nationale Gerichte bestimmt.62 In ihrer direkten rechtlichen Wirkung, also bezüglich des Bestehens einer Teilnahmepflicht und des Ausschlusses paralleler Verfahren, hängen die Klauselvorschläge damit stets von dem über sie entscheidenden Forum ab. Im Folgenden wird dieser direkten rechtlichen Wirkung der vier Klauselvorschläge innerhalb verschiedener Foren nachgegangen und die tatsächliche Wirkung dargestellt.
1. Streitigkeitsbegriff Allen vier Klauselvorschlägen der Internationalen Handelskammer ist gemein, dass sich ihre Wirkung auf “…any dispute arising out of or in connection with the present contract …”63 erstreckt.64 Fraglich ist dabei die Grenze der erfassten Streitigkeiten, die durch diese Formulierung gebildet wird. Allerdings ist diese Frage keineswegs ADR-spezifisch. Vielmehr stellt sie sich ebenso bei Schiedsvereinbarungen und wohl auch bei Zuständigkeitsvereinbarungen. Hier genügt daher ein kurzer Blick in das internationale Schiedsverfahrensrecht. In Bezug auf die Standard-ICC-Schiedsklausel in ihrer damals gültigen Version urteilte
60
ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 35. Risse, Wirtschaftsmediation, S. 90. 62 Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. 6. 63 Vgl. ICC, ADR Rules, S. 4. 64 Die Formulierung der “… Streitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit diesem Vertrag …“ propagiert auch Risse, Wirtschaftsmediation, S. 109. 61
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der United States Court of Appeals in der Rechtssache J. J. Ryan & Son Inc. v. Rhone Poulenc Textile S. A.65: “‘All disputes arising in connection with the present contract …’ must be construed to encompass a broad scope of arbitral issues. The recommended clause does not limit arbitration to the literal interpretation or performance of the contract. It embraces every dispute between the parties having a significant relationship to the contract regardless of the label attached to the dispute.”66
Insofern nahm der United States Court of Appeals eine sehr weite Definition des Begriffes an. Zudem wurde der Formulierung “arising out of” und “in connection with” auch in Schiedsklauseln zum Beispiel durch deutsche,67 englische68 und U. S. amerikanische Gerichte69 eine sehr weite, alle schiedsfähigen Streitigkeiten umfassende Bedeutung zugemessen.70 Aufbauend auf diesen Rechtsprechungen ist der sachliche Anwendungsbereich der vier Klauselvorschläge sehr weit zu sehen. Solange die Streitigkeit eine Beziehung zu dem den Klauselvorschlag enthaltenen Vertrag aufweist, ist damit in der Regel davon auszugehen, dass diese unter die Wirkung des Klauselvorschlags fällt.71 Welche Rechtsnatur die Streitigkeit hat, ist damit unerheblich. Nicht unter den Streitigkeitsbegriff der Klauselvorschläge fallen hingegen solche Streitigkeiten, die von Anfang an offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der ICC-ADRRegeln fallen. Insofern muss es sich um einen business dispute im Sinne der ICC-ADR-Regeln handeln, der durch ein einvernehmliches Verfahren beigelegt werden kann.72
2. 1. Vorschlag: Freiwillige ADR Durch die erste Klausel mit der Überschrift “optional ADR” wird vereinbart, dass “The parties […] at any time, without prejudice to any other proceedings …” beantragen können (“may”), “… to settle any dispute arising out of or in connection with the present contract in accordance with the ICC ADR
65
863 F. 2d 315 (4th Cir. 1988). 863 F. 2d 315, 321. 67 Vgl. OLG Frankfurt, NJW 1986, S. 2202 ff. 68 Vgl. Ethiopian Oilseeds & Pulses Export Corp v Rio del Mar Foods Inc, [1990] 1 Lloyd’s Rep. 86. 69 Vgl. Pennzoil Exploration and Production Co. v. Ramco Energy Ltd., 139 F. 3d 1061 (5th Cir. 1998). 70 Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Law and Practice of International Commercial Arbitration, S. 183; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 266 f. 71 Dies sieht für diese Formulierung innerhalb der Standard-ICC-Schiedsklausel auch so: Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 151. 72 Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel V § 16 I. 66
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Rules”.73 Eine Verzahnung mit einer Schiedsklausel enthält der erste Klauselvorschlag nicht.
a. Verhandlungspflicht und Ausschluss paralleler Verfahren Die Formulierung wirft die Frage auf, ob die Parteien durch den ersten Klauselvorschlag verpflichtet werden, im Konfliktfall ein ICC-ADR-Verfahren durchzuführen oder aber in ihrer Wahl weiterhin frei sind. Da es im ersten Klauselvorschlag an einer Verzahnung mit einem Schiedsverfahren fehlt, hängt von der Beantwortung dieser Frage zudem ab, ob mit Hilfe der indirekten Durchsetzung einer solchen Teilnahmepflicht auch parallele Entscheidungsverfahren ausgeschlossen werden. Der an die ADR-Regeln angeschlossene Leitfaden für ICC-ADR stellt fest, dass durch den ersten Klauselvorschlag keinerlei Verpflichtungen für die Parteien entstehen und diese weiterhin völlige Wahlfreiheit genießen.74 Danach entsteht also keine Bindung an ein ADR-Verfahren, sondern es wird nur die Möglichkeit eröffnet, ein solches durchzuführen. Nicht nur aufgrund der nur begrenzten Wirkung des Leitfadens75 kommt dieser Feststellung jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Frage, ob durch den ersten Klauselvorschlag tatsächlich keine Zugangshürden zu Schieds- und Gerichtsverfahren aufgestellt werden, hängt vielmehr alleine von dessen Auslegung durch schieds- und nationale Gerichte ab. Auch wenn es an einer Verzahnung des ADR-Verfahrens mit einem Schiedsverfahren in dem ersten Klauselvorschlag fehlt, so kann die Ansicht von Schiedsgerichten dabei dennoch relevant werden.76 Dies ist denkbar, wenn die Parteien sich dafür entscheiden, ihrem Vertragswerk neben dem ersten Klauselvorschlag noch eine Schiedsklausel beizufügen oder aber ohne Einbeziehung einer Schiedsklausel ein Schiedsverfahren einzuleiten.
aa. Behandlung durch Schiedsgerichte Schiedsgerichtliche Entscheidungen zur Auslegung des ersten Klauselvorschlags sind bisher leider nicht ersichtlich. Insofern sind auch hier Fälle ähnlicher ADR-Klauseln zu betrachten. Die Frage, ob eine Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens vereinbart wurde, wird dabei durch Schiedsgerichte der Internationalen Handelskammer vor allem anhand der Formulierung einer ADR-Abrede entschieden.77 Eine besonders weiche For73
ICC, ADR Rules, S. 4. ICC, Guide to ICC ADR, S. 36. 75 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel IV § 12 V. 76 Vgl. näher zu der Frage, ob das Schiedsgericht über diese Frage entscheiden kann, weiter unten unter Kapitel V § 15 II 5 a. aa. (1). 77 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (254). 74
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mulierung der ADR-Abrede bringt dabei den optionalen Charakter der ADRAbrede zum Ausdruck.78 Vereinbaren die Parteien zum Beispiel, dass im Konfliktfall “…either party ……may refer the dispute to an expert for consideration of the dispute …”, so folgt hieraus, aufgrund der mit dem Wort “may” offenen Formulierung der Klausel, dass die Durchführung des ADR-Verfahrens nicht zwingend ist.79 ICC Schiedsgerichte sehen damit bei optionaler Ausgestaltung einer ADR-Klausel keinerlei Zugangshürde für Schiedsverfahren im Sinne eines Vorrangs des ADR-Verfahrens.80Da der erste Klauselvorschlag bereits mit seiner Bezeichnung als “optional ADR” und der Verwendung des Wortes “may” seinen optionalen Charakter klar formuliert, ist davon auszugehen, dass der erste Klauselvorschlag aus schiedsrichterlicher Sicht keine Zugangshürde in Richtung eines ICC Schiedsverfahren aufstellt. Gerade auch die Bezeichnung des ersten Klauselvorschlags als “Optional ADR” stellt schließlich klar, dass die Durchführung des ICC-ADR-Verfahrens optional ist und eine Teilnahmepflicht gerade nicht besteht.81 Hinzu tritt noch, dass die Parteien mit dem ersten Klauselvorschlag ausdrücklich vereinbaren, dass die Möglichkeit des Rückgriffs auf ein ICC-ADRVerfahren “… without prejudice to any other proceedings …” besteht. Damit vereinbaren die Parteien unmissverständlich, dass mit dem ersten Klauselvorschlag Entscheidungsverfahren gerade nicht ausgeschlossen werden sollen.82
bb. Zugang zu nationalen Gerichten Anders könnte dies im Hinblick auf nationale Gerichtsverfahren zu beurteilen sein. Jedoch stellt sich auch auf nationaler Ebene die Problematik der durchsetzbaren ADR-Abrede nur dann, wenn diese auch verbindlich formuliert ist. Fehlt es an einer solchen verbindlichen Ausgestaltung der Abrede, so ist diese schon nach ihrer materiell-rechtlichen Grundlage nicht durchsetzbar.83 Nur der klar und unmissverständlich durch beide Parteien niedergelegte Wille, entstehende Konflikte primär über ein ADR-Verfahren zu lösen, führt zur Unzulässigkeit einer vor diesem Versuch erhobenen Klage.84 Es gilt hier grundsätzlich also nichts anderes als bei Schiedsgerichten. Allerdings mag nicht ausgeschlossen 78
Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (5). Case No. 10256. Von einem weiteren, nicht publizierten Schiedsspruch berichtet Pinsolle, der in der Sache der Verwendung des Wortes “may” in einer Schlichtungsklausel die gleiche Wirkung zumisst. Vgl. Pinsolle, Muli-Tiered Dispute Resolution Clauses, S. 3. 80 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72). 81 Kallipetis/Ruttle, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 234. 82 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 117. 83 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 26. 84 Böttcher/Laskawy, in: DB 23/2004, S. 1247 ff. (1249); Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 431. 79 ICC
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
sein, dass bei nationalen Gerichten eher Auslegungsdivergenzen des ersten Klauselvorschlags entstehen,
cc. Zwischenergebnis Insgesamt bleibt damit durch den ersten Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer auf rechtlicher Ebene die Wahlfreiheit einer jeden Partei unberührt. Er räumt vielmehr einer jeden Partei explizit das auch ohne die Vereinbarung bestehende Recht ein, im Konfliktfall ein ICC-ADR-Verfahren zu beantragen. In seiner rechtlichen Wirkung folgt der erste Klauselvorschlag damit der Rechtslage, die unter den, den ICC-ADR-Regeln vorangegangenen alten ICC Rules of Conciliation in ihrer Fassung vom 1. Januar 1988 bestand.85 Damit ist der erste Klauselvorschlag rechtlich als rein deklaratorisch zu qualifizieren, womit er weder Zugangshürden zu Schieds- oder Gerichtsverfahren aufstellt noch eine Verzahnung mit Schiedsverfahren erreicht. Damit steht es bei Vereinbarung des ersten Klauselvorschlags jeder Parteien im Konfliktfall frei, sich ohne vorherige Verhandlung gegen die Streitbeilegung im Wege eines ICC-ADR-Verfahrens zu entscheiden.86 Fraglich ist damit allerdings auch, in wie weit eine solche Klausel überhaupt notwendig ist, zumal sie nur als Abbild der tatsächlichen Rechtslage erscheint.
b. Umgehung von Einstiegshürden Doch darf die Wirksamkeit einer solchen Klausel nicht allein an ihrer rechtlichen Relevanz gemessen und derart ihre methodische Wirkung im Rahmen der Umgehung von Einstiegshürden vergessen werden. Zum einen wird dadurch, dass die Parteien bereits bei dem Vertragsschluss des dem Konflikt zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes an die Möglichkeit der einvernehmlichen Streitbeilegung dachten, auch die tatsächliche Durchführung eines solchen Verfahrens im Konfliktfall gefördert.87 Zum anderen haben sich die Parteien durch eine Vereinbarung nach der ersten Klausel darüber verständigt, dass im Konfliktfall, sollten sich die Streitparteien für die Anwendung eines ADR-Verfahrens entscheiden, eine einvernehmliche Streitbeilegung mit Hilfe der ADRRegeln der Internationalen Handelskammer durchgeführt wird.88 Zwar stellt dies keine bindende Vereinbarung dar, doch mindert eine solche Verständigung 85
Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 117. Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72); Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12); Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. (14). 87 Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 11; Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 88 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (93). 86
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die Gefahr der Entstehung eines Konfliktes während der Wahl einer geeigneten Verfahrensordnung und Institution. Zudem darf nicht vergessen werden, dass im Konfliktfall oftmals der Vorschlag der einvernehmlichen Streitbeilegung als Zeichen der Schwäche ausgelegt wird,89 oder sogar bei der anderen Partei der Verdacht entsteht, der Vorschlag sei eine Falle und zum Beispiel nur als Verzögerungstaktik gedacht.90 Der erste Klauselvorschlag wirkt insofern für die antragende Partei „gesichtswahrend“.91 Eine Vereinbarung nach der Form der ersten Klausel macht es den Parteien vor diesem Hintergrund leichter, der anderen Partei eine einvernehmliche Streitbeilegung vorzuschlagen, da dies auf der Grundlage92 der gemeinsam getroffenen Vereinbarung stattfindet.93 Zuletzt hat die vorherige Vereinbarung in der Form der ersten Klausel eine gewisse Sendungswirkung. Durch die Vereinbarung wird es für eine Partei möglich, die andere Partei, welche bis dahin ein nur begrenztes oder sogar gar kein Wissen über einvernehmliche Streitbeilegung aufweist, auf die einvernehmliche Streitbeilegung nach den ADR-Regeln der Internationalen Handelskammer zumindest hinzuweisen.94 Dabei kann sich dieses Aufmerksam-Machen über ein einzelnes Geschäft hinaus auf die gesamte Geschäftsbeziehung auswirken, da hierdurch die gesamte Geschäftsbeziehung stärker zu einer progressiven und einvernehmlichen Behandlung von Konflikten gelenkt werden kann. Insgesamt entfaltet die erste Klausel damit zwar keine besondere, von der ohnehin gegebenen Lage abweichende rechtliche Wirkung, doch ist sie aufgrund ihrer positiven tatsächlichen Wirkung alles andere als überflüssig.95 Sie entfaltet vielmehr im Bereich der Umgehung von Einstiegshürden eine starke Wirkung.
c. Wertung und Änderungen Der erste Klauselvorschlag ist insgesamt als nicht verpflichtende Vereinbarung zu sehen, welche dennoch bis zu einem gewissen Grad die Umgehung zahlreicher Einstiegshürden erreicht. Ziel des ersten Klauselvorschlags ist es dabei, 89 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 114; Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 10. 90 Ingen-Housz, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 29. 91 Tümpel/Sudborough, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 255 ff. (264); Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. (14). 92 Diese Schaffung einer Grundlage ist auch nach Ansicht der internationalen Handelskammer ein Zweck der ersten Klausel. Siehe: ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 36. 93 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 94 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 115. 95 Dieser Meinung in Bezug auf unverbindliche Mediationsklauseln ist auch Risse, Wirtschaftsmediation, S. 114 ff.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
den Parteien im Konfliktfall eine Grundlage für den Vorschlag, ein einvernehmliches Streitbeilegungsverfahren nach den ICC-ADR-Regeln durchzuführen, zu stellen. Die typischen negativen Wirkungen eines antizipierten Vorgehens fehlen beim ersten Klauselvorschlag, da eine Verpflichtung zur Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens durch ihn gerade nicht begründet wird. Andererseits fehlt dem ersten Klauselvorschlag auch die positive Wirkung der Durchführungspflicht, wie zum Beispiel die gesteigerte Sendungswirkung, die verpflichtend durchzuführenden Sitzungen inne wohnt. Schwerer wiegt, dass durch den ersten Klauselvorschlag parallele Entscheidungsverfahren nicht ausgeschlossen werden, zumal es ihm auch an einer Verzahnung mit einem Schiedsverfahren fehlt. Damit werden zentrale Interessen eines international Handeltreibenden, welche dieser mit der Einbeziehung einer ADR-Abrede regelmäßig verfolgt, gefährdet. Schließlich kommt es nicht zwingend zu einer Entrechtlichung des Konflikts. Vor dem Hintergrund der eigentlichen Interessenlage eines international Handeltreibenden stellt der erste Klauselvorschlag damit vor allem dann eine gute Lösung dar, wenn eine der Parteien ADR-Verfahren reserviert gegenüber steht oder aber wenn sich bereits im Vorfeld andeutet, dass später entstehende Streitigkeit sich nicht für ADRVerfahren eignen könnten. Auch wenn das durch den ersten Klauselvorschlag verfolgte Ziel grundsätzlich erreicht wird, so besteht auch hier Raum für Optimierung. Wie sich bei der Betrachtung des antizipierten Vorgehens im Allgemeinen gezeigt hat, fällt es den Parteien nach Entstehen eines Konflikts oftmals schwer, sich zu einigen.96 Insofern ist es wichtig, möglichst klar den im Konfliktfall zu beschreitenden Weg vorzuzeichnen.97 Durch die ICC-ADR-Regeln werden jedoch Fragen, wie zum Beispiel die Person des neutralen Dritten oder aber das anzuwendende ADR-Verfahren, explizit zu Anfang offen gelassen. Es scheint vor diesem Hintergrund angebracht, dass die Parteien den sehr offen gehaltenen ersten Klauselvorschlag um gewisse Details bereits erweitern. So wäre es sinnvoll, in der Vereinbarung bereits die anzuwendende Verfahrensart zu vereinbaren.98 Hierdurch würde der Konfliktherd der anzuwendenden ADR-Verfahrensart vermieden. In ihrer Flexibilität wären die Parteien dabei im Falle des ersten Klauselvorschlags nicht eingeschränkt, da dieser keine bindende Wirkung entfaltet und die Parteien somit an ihre vorherige Wahl später nicht gebunden sind und im Bedarfsfall eine andere Verfahrensart wählen können. Um das Problem des fehlenden Ausschlusses paralleler Entscheidungsverfahren bis zu einem gewissen Grad zu beheben und die mit dem ICC-ADRVerfahren verfolgten Interessen zu sichern, könnten die Parteien ferner durch 96 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 116; Villareal, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 141. 97 Flögel, Die Mediation im nationalen und internationalen Wirtschaftsverkehr, S. 141. 98 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (93).
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Aufnahme der Standard-ICC-Schiedsklausel nationale Gerichtsverfahren ausschließen. Folge hiervon wäre, dass zumindest die Pluralität der entscheidungsbefugten Foren stark begrenzt würde. Fraglich ist dabei, inwieweit die Formulierungen der ersten Klausel und der Standard-Schiedsklausel der Internationalen Handelskammer kollidieren und ob nicht eine kombinierte Klausel von der Internationalen Handelskammer hätte zur Verfügung gestellt werden sollen. Probleme, die sich aus der Kombination von ADR- und Schiedsabreden regelmäßig ergeben,99 entstehen hier, aufgrund des rein optionalen Charakters des ersten Klauselvorschlags, jedoch in der Regel nicht. Die Parteien sollten daher in Fällen, die sich auch für Schiedsverfahren eignen, die Standard-ICCSchiedsklausel zusätzlich in ihren Vertrag mit aufnehmen.
3. 2. Vorschlag: Verpflichtung, über die Durchführung eines ADR-Verfahrens zu verhandeln Der zweite Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer geht im Vergleich zum ersten Klauselvorschlag insofern weiter, als das durch ihn “…the parties agree in the first instance to discuss and consider submitting the matter to settlement proceedings under the ICC ADR Rules”.100 Fraglich ist insoweit, welche Unterschiede dies auf Seiten der Umgehung von Einstiegshürden mit sich bringt und ob durch den zweiten Klauselvorschlag eine tatsächliche und durchsetzbare Pflicht zum Verhandeln begründet wird.
a. Teilnahmeverpflichtung und Ausschluss paralleler Verfahren Anders als beim ersten Klauselvorschlag könnte sich aus der Formulierung des zweiten Vorschlags ergeben, dass sich die Parteien hier insoweit binden, als dass sie über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens tatsächlich verhandeln müssen. Ausweislich des Leitfadens zu den ICC-ADR-Regeln war dies zumindest die Intention der Internationale Handelskammer.101 Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wann durch eine Partei gegen die durch den zweiten Klauselvorschlag eventuell begründete Verpflichtung verstoßen wurde und inwieweit und in welcher Form eine solche Verpflichtung durchgesetzt werden kann. Auch hier soll wieder kurz auf die Behandlung dieser Fragen durch Schiedsgerichte eingegangen werden, da, wie bereits beim ersten Klauselvorschlag erläutert, es den Parteien schließlich freisteht, neben dem zweiten Klauselvorschlag auch eine Schiedsklausel in ihren Vertrag aufzunehmen. An sich 99 Vgl. Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 234. 100 ICC, ADR Rules, S. 4. 101 ICC, Guide to ICC ADR, S. 18.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
kommt es durch den zweiten Klauselvorschlag jedoch zu keiner Verzahnung von Schieds- und ADR-Verfahren.
aa. Behandlung durch Schiedsgerichte Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Teilnahmepflicht besteht, gehen ICCSchiedsgerichte in zwei Schritten vor: erst prüfen sie, ob die Vereinbarung an sich bindend ist, um dann zu prüfen, ob die durch die Klausel begründete Verpflichtung erfüllt wurde.102 Stellen sie einen Verstoß gegen die aus der Klausel entstandene bindende Verpflichtung fest, so stellt sich noch die Frage, welche Folge ICC-Schiedsgerichte mit diesem Verstoß verbinden.
(1) Vorliegen einer bindenden Vereinbarung Insofern stellt sich zunächst die Frage, ob der zweite Klauselvorschlag nach Ansicht von ICC-Schiedsgerichten eine bindende Verpflichtung zur Durchführung einer ADR-Verhandlung vorsieht. Grundsätzlich spricht es für eine solche verpflichtende Wirkung, wenn die Parteien diese explizit formuliert vereinbaren, indem sie zum Beispiel das Wort “shall” benutzen.103 Bei vagen Formulierungen von ADR-Klauseln entschieden ICC-Schiedsgerichte hingegen, dass diese nicht bindend seien.104 In der deutschen Übersetzung ist die Rede davon, dass „Die Parteien vereinbaren, im Falle von Streitigkeiten … zunächst Verhandlungen … zu führen“.105 In der authentischen englischen Fassung ist davon die Rede, dass die Parteien vereinbaren, “… in the first instance …” die Verhandlung über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens durchzuführen. Damit vereinbaren die Parteien sehr klar, dass die Verhandlung über ein ADR-Verfahren eine Vorstufe bildet, die im Vorfeld eines Entscheidungsverfahrens verbindlich durchzuführen ist. Insofern könnte im Lichte dieser klaren Formulierung davon auszugehen sein, dass der zweite Klauselvorschlag bindend wirkt. Fraglich ist jedoch, ob die Verpflichtung zur Verhandlung aufgrund ihrer Unbestimmtheit nicht als solche für eine bindende Wirkung ungeeignet ist.106 Jedoch erkennen, anders als einige nationale Gerichte,107 ICC-Schiedsgerichte die bindende Wirkung von Verpflichtungen zur Verhandlung grundsätzlich an.108 Damit ist insgesamt von einer bindenden Wirkung des zweiten Klauselvorschlags auszugehen. 102
Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (71 f.). ICC Case No. 9977 und 9984. 104 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72); Palmer/Lopez, in: A. R. of Int. Arb. 14/2003, S. 285 ff. (289). 105 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 5. 106 Palmer/Lopez, in: A. R. of Int. Arb. 14/2003, S. 285 ff. (290). 107 Siehe hierzu sogleich unter Kapitel V § 15 II 3 a. bb. 108 Siehe z. B. ICC Case No. 2478 und 2291. 103
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Dieses Ergebnis kann sich jedoch ändern, sollte der zweite Klauselvorschlag in Verbindung mit einer Schiedsklausel vereinbart worden sein. Auch aus der Formulierung der Schiedsklausel kann sich ergeben, dass eine solche bindende Wirkung des zweiten Klauselvorschlags nicht vereinbart wurde. Dies stellte ein ICC-Schiedsgericht in einem Fall fest, in dem vereinbart worden war, dass die Parteien „toutefois“ das Recht haben, ein Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer anzurufen.109 Insofern kann die Formulierung einer Schiedsklausel auf die Bindungswirkung einer ADR-Klausel durchaus Auswirkungen haben. Solange die Parteien jedoch alleine den zweiten Klauselvorschlag vereinbaren, bleibt es bei ihrer grundsätzlichen Pflicht, über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens zu verhandeln.
(2) Reichweite der bzw. Verstoß gegen die Verpflichtung Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, wann gegen die bindende Verpflichtung des zweiten Klauselvorschlags verstoßen wurde. Diesbezüglich ist die genaue Ausgestaltung der Pflicht zur Verhandlung entscheidend. Diese wird jedoch weder durch die deutsche Formulierung des Klauselvorschlags noch in den näher konkretisierenden Erläuterungen des an die ICC-ADR-Regeln angeschlossenen Leitfadens110 getroffen. In der englischen Originalfassung111 des zweiten Klauselvorschlags findet sich die im Vergleich zum deutschen „Verhandeln“ detailliertere Formulierung “… to discuss and consider submitting the matter …”.112 Damit konkretisiert die neben der französischen maßgebliche englische Fassung die Anforderung des Verhandelns dahingehend, dass auch eine tatsächliche Diskussion der ADR-Möglichkeiten mit ernsthaftem in-Erwägung-Ziehen stattfinden muss. Es ist dabei zu erwarten, dass die ICC Schiedsgerichte bei ihrer Entscheidung, ob eine Streitigkeit verfrüht einem Entscheidungsverfahren zugeführt wurde, vor allem darauf achten werden, ob eine solche Diskussion stattgefunden hat und die Parteien die Möglichkeit eines ICC-ADR-Verfahrens tatsächlich in Betracht gezogen haben.113 Grundsätzlich hängt die Entscheidung des ICC-Schiedsgerichtes dabei von “… the circumstances and chiefly the good faith of the parties”114 ab; ihren guten Willen zei109
ICC Case No. 4229. wenn der Leitfaden zu den ICC-ADR-Regeln eine nähere Konkretisierung der Verhandlungspflicht enthalten würde, so käme dieser keine Rechtsverbindliche Wirkung zu. Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel IV § 12 V. 111 Welche im Gegensatz zur deutschen und neben der französischen die authentische Fassung ist und damit in der Anwendbarkeit im Zweifel der deutschen vorgeht. Siehe: ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 2. 112 ICC, ADR Rules, S. 4. 113 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (73). 114 ICC Case No. 6276. In diesem Fall stand in Frage, ob der Kläger, seiner vertraglichen 110 Selbst
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
gen die Parteien dabei durch “.. seizing every opportunity to try to settle their dispute in an amicable manner”.115 Nichtsdestoweniger ist es den Parteien freigestellt, in welcher Form sie die Verhandlung durchführen, womit weder ein Austausch von Schriftsätzen noch ein tatsächliches Treffen der Parteien stattfinden muss.116 Sich vollkommen einer Verhandlung zu entziehen wird jedoch als Verstoß gegen die Verhandlungspflicht zu werten sein,117 da dies ein klarer Verstoß nicht nur gegen das Handeln im Guten Glauben wäre, sondern auch bedeuten würde, dass eine tatsächliche discussion nicht stattgefunden hat. Zudem werden, wie in der Vergangenheit geschehen, die Schiedsgerichte auch Schriftsätze der Parteien und deren Vorgehen vor Behörden begutachten,118 um festzustellen, ob die Parteien tatsächlich dem ICC-ADR-Verfahren eine Chance gegeben haben und nicht alleine ihre Pflicht zur Teilnahme an der ersten obligatorischen Sitzung „ausgesessen“ haben.
(3) Folge eines Verstoßes Wenn durch das ICC-Schiedsgericht festgestellt wurde, dass ein Verstoß gegen eine bindende Verhandlungsverpflichtung über die Durchführung eines ADRVerfahrens vorliegt, so stellt sich zuletzt noch die Frage, welche Konsequenzen das ICC-Schiedsgericht aus diesem Verstoß zieht. Parallelen könnten sich hier aus der Rechtsprechung zu der bindenden Klausel 67119 der FIDIC Conditions of Contract for Works of Civil Engineering Construction (FIDIC Conditions) ergeben. In zwei Fällen,120 in denen die Antragsteller nach Meinung des Schiedsgerichtes den in Klausel 67 der FIDIC Conditions121 enthaltenen Voraussetzungen einer vorherigen ADR-Verhandlung nicht nachkamen, sah dieses seine Anrufung als “premature” an.122 In zwei anderen Fällen123 zu Klausel 67 der FIDIC Conditions, in denen der Auftragnehmer nach Meinung des SchiedsVerpflichtung entsprechend, zunächst versucht hatte, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. 115 ICC Case No. 6276. 116 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 117. 117 Anderer Meinung ist hier Jarrosson, der auch das Verweigern der Verhandlungsführung nicht als Verstoß gegen den ersten Klauselvorschlag wertet. Vgl. Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 117. 118 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72). 119 Klausel 67.3 der FIDIC Conditions von 1996 entspricht weitestgehend der Klausel 20.5 der FIDIC Conditions von 1999. 120 ICC Case No. 6276 und 6277 121 67.3 Amicable Settlement: “Where notice of dissatisfaction has been given […], the parties shall attempt to settle such dispute amicably before the commencement of arbitration […]”. 122 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S 250 ff. (254); Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 3. 123 ICC Case No. 6238 und 6535.
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gerichtes Klausel 67 nicht nachgekommen war, entschied dieses, es hätte keine Zuständigkeit.124 In allen vier Fällen setzte das Schiedsgericht damit die Pflicht, ein einvernehmliches Verfahren durchzuführen, indirekt durch. Fraglich ist, ob dies auch auf eine reine Verhandlungspflicht übertragen werden kann. In einem der vier Fälle125 entschied das Schiedsgericht dabei auch über eine vereinbarte Pflicht, Streitigkeiten zuerst in beiderseitigen Guten Glauben auf einvernehmliche Weise beizulegen. Dabei war das Schiedsgericht der Meinung, dieses “… prerequisite of the search for an amicable settlement has been satisfied by the claimant in the present case”.
Im Umkehrschluss impliziert diese Aussage, dass, wäre dies nicht der Fall gewesen, das Schiedsgericht auch hier seine Anrufung als verfrüht angesehen hätte. Insgesamt kann somit grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Verstoß gegen die im zweiten Klauselvorschlag enthaltene Verhandlungspflicht die Zurückweisung des Schiedsgesuchs zur Folge hat. Doch gilt es zu beachten, dass Schiedsrichter die Freiheit haben, die für die Situation geeignetste Entscheidung zu treffen und damit in Fällen, in denen eine einvernehmliche Beilegung unmöglich erscheint, die indirekte Durchsetzung dieser Pflicht beziehungsweise die Feststellung eines Verstoßes gegen eine solche Verpflichtung ablehnen können.126 Eine für die Zukunft mögliche Rechtsfolge könnte zudem ein Aussetzen des Schiedsverfahrens127 sein. Bedenkt man die zahlreichen negativen Folgen128 des Schließens des Schiedsverfahrens für die Parteien, wie zum Beispiel die spätere erneute Ernennung eines Schiedsgerichtes, sollte die einvernehmliche Beilegung scheitern, erscheint die Option des Aussetzens des Schiedsverfahrens am ehesten dem Parteiinteresse zu entsprechen.129
bb. Zugang zu nationalen Gerichten Fraglich ist, ob der zweite Klauselvorschlag eine ähnliche Wirkung auf den Zugang zu nationalen Gerichtsverfahren entwickelt. Folgend werden stellvertretend für verschiedene Strömungen die Rechtslagen in England, den USA sowie Australien dargestellt. 124
S. 3.
125
Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules,
ICC Case No. 6276. Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72). 127 Siehe näher zu dessen Zulässigkeit Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 500 ff. 128 Vgl. näher zu den negativen Auswirkungen Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (336 f.). 129 Auch dieser Meinung sind: Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (337); Poudret/ Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 12 f. 126
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
(1) England In England beurteilen Gerichte die Verpflichtungswirkung von ADR-Abreden fallweise, wobei sie, wie Schiedsgerichte auch, in der Regel ihre Entscheidung aus der Formulierung der Klausel fällen.130 Die Durchsetzbarkeit der Verhandlungsverpflichtung des zweiten Klauselvorschlags ist nach der Rechtsprechung dabei als problematisch zu sehen. Zwar erging zum zweiten Klauselvorschlag bis jetzt keine Entscheidung eines englischen Gerichts, doch trafen englische Gerichte bereits Entscheidungen zu Abreden, die eine Pflicht zu Verhandeln vorsahen. Waren solche Abreden in England nach dem Urteil von Lord Wright in Hillas & Co. Ltd. V. Arcos Ltd. zunächst als durchsetzbar zu sehen,131 änderte dies sich mit dem Urteil von Lord Denning M. R. in Courtney & Fairbairn Ltd. V. Tolaini Brothers (Hotels) Ltd.,132 dem Lord Ackner in Walford v. Miles133 in der Sache folgte.134 Lord Denning M. R. begründete sein Urteil dabei: “The reason is because it is too uncertain to have any binding force. No court could estimate the damages because no one can tell whether the negotiations would be successful or would fall through: or if successful, what the result would be. It seems to me that a contract to negotiate, like a contract to enter into a contract, is not a contract known to the law”135
Lord Ackner ging in seiner Begründung sogar noch weiter und stellte fest: “A duty to negotiate in good faith is as unworkable in practice as it is inherently inconsistent with the position of a negotiating party. […] Accordingly a bare agreement to negotiate has no legal content.”136
Insgesamt waren damit Vereinbarungen zur Verhandlung genau wie auch Vereinbarungen zur Einwilligung aufgrund ihrer fehlenden Bestimmtheit als nicht durchsetzbar zu sehen.137 Auch die spätere Rechtsprechung des House of Lords in Channel Tunnel Group Ltd. V. Balfour Beatty Construction Ltd.138 änderte an dieser grundsätzlichen Absage an die Durchsetzbarkeit von Verhandlungsverpflichtungen nichts, da durch Lord Mustill in der Sache nicht über eine Verhandlungsverpflichtung entschieden wurde, sondern über die Pflicht, eine Streitigkeit zunächst mit Hilfe
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O’Connor/Hayley, ICC International Commercial Dispute Resolution, S. 3. (1932) 147 L. T., S. 503, 515. 132 [1975] 1 W. L. R. 297. 133 [1992] 2 A. C. 128. 134 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (251). 135 [1975] 1 W. L. R. 297, 301. 136 [1992] 2 A. C. 128, 138. 137 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (251); Kayali, in: J. of Int. Arb. 6/2010, S. 551 ff. (562). 138 [1993] AC 334. 131
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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eines Expertenpanels139 beizulegen. Dieser Entscheidung entsprechend wurde durch McKinnon J. in Halifax Financial Services Ltd. v. Intuitive Systems Ltd.140 erneut festgestellt, dass nur Klauseln, die ein Entscheidungsverfahren vorsehen, durchsetzbar sind.141 Auch die auf die Woolf Reform folgende Entscheidung Cable & Wireless v. IBM142 änderte hieran nichts. Coleman J. stellte in seiner Entscheidung vielmehr fest, dass in diesem Fall die Parteien eben nicht lediglich vereinbart hatten, ihre Streitigkeit im Zuge von Verhandlungen beizulegen.143 Zudem stellte er fest: „No doubt, therefore, if in the present case the words of clause 41.2 had simply provided that the parties should ‘attempt in good faith to resolve the dispute or claim’, that would not have been enforceable.”144
Insofern blieb es auch in Cable & Wireless v. IBM bei der grundsätzlichen Absage bezüglich der Durchsetzbarkeit von reinen Verhandlungsverpflichtungen.145 Insgesamt sind damit sogenannte “agreements to negotiate” nach englischem Recht nicht durchsetzbar.146 Der zweite Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer sieht allerdings mit seiner Formulierung “to discuss and consider” genau eine solche Verhandlungspflicht vor. Dabei konkretisiert der Klauselvorschlag zudem die Pflicht nicht näher, wodurch die durch die Gerichte bemängelte Unbestimmtheit der Verhandlungspflichten auch hier zu finden ist. Damit geht der zweite Klauselvorschlag in seiner rechtlichen Wirkung nach englischem Recht insgesamt nicht weiter als der erste Klauselvorschlag. Verpflichtungen entstehen für die Parteien aus ihm nach der bisherigen englischen Rechtsprechung dagegen nicht.147
(2) USA Bei der Betrachtung der Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika gilt es zu bedenken, dass hier das Vertragsrecht sich nach den common law-Regeln der einzelnen Bundesstaaten richtet.148 Trotz der zahlreichen Rechtsanglei139 Die in Frage stehende Klausel sah vor, dass “… such dispute or difference shall … in the first place be referred in writing to and be settled by a panel of three persons (acting as independent experts but not as arbitrators) who shall … state their decision …”. 140 [1999] 1 All ER (Comm) 303. 141 Tochtermann, in: Unif. L. Rev. 3/2008, S. 685 ff. (690). 142 [2002] EWHC 2059 (Comm). 143 Mackie, in: Arb. Int. 3/2003, S. 345 ff. (347); KAYALI, in: J. of Int. Arb. 6/2010, S. 551 ff. (566). 144 [2002] EWHC 2059 (Comm). 145 Tochtermann, in: Unif. L. Rev. 3/2008, S. 685 ff. (693). 146 Berger, in: FS Schlosser, S. 19 ff. (26 f.). 147 Dies sieht auch so: Kallipetis/Ruttle, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 235. 148 Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 98.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
chungsbemühungen in diesem Bereich149 ist damit eine allgemeinverbindliche Antwort auf die Frage der Bindungswirkung des zweiten Klauselvorschlags nur schwer möglich. Hinzu kommt, dass auch nicht von nur einem U. S.-amerikanischen Zivilprozessrecht gesprochen werden kann, da es eine Vielzahl einzelstaatlicher Verfahrensordnungen gibt sowie daneben die Federal Rules of Civil Procedure, die für Verfahren vor Bundesgerichten gelten.150 Hinzu kommt, dass in den einzelnen Bundesstaaten kodifizierte Normen für prozesshindernde ADR-Abreden fast vollständig fehlen.151 Dieser fehlenden rechtlichen Konformität entsprechend sind US-amerikanische Gerichte sich nicht einig darüber, ob Verhandlungsabreden tatsächlich durchsetzbar sind.152 Dennoch lässt sich bezüglich der Frage der Durchsetzbarkeit von “agreements to negotiate” eine allgemeine Tendenz in den USA feststellen. So scheint die moderne Sicht in den USA zu sein, dass Verhandlungsabreden dann indirekt durchsetzbar sind, wenn ihre Konditionen ausreichend genug bestimmt sind.153 Der Standardfall hierzu ist die Rechtssache Itek Corp. v. Chicago Aerial Industries,154 in welcher der Supreme Court von Delaware die bindende Natur einer Verhandlungsabrede anerkannte und auf welche sich zahlreiche andere Gerichte155 in der Folge bezogen haben.156 In der Rechtssache Allied Sanitation Inc. v. Waste Management Holdings Inc.157 ging das Gericht dann sogar soweit, grundsätzlich gewillt zu sein, auch “agreements to negotiate” unter den Anwendungsbereich des eigentlich für Schiedsverfahren geltenden Federal Arbitration Act (FAA) zu fassen, was zu deren Durchsetzbarkeit unter dessen § 3158 führt.159 149 Siehe z. B. den Uniform Commercial Code oder aber das in den USA seit 1. 1. 1988 in Kraft befindliche CISG. 150 Wagner, Prozeßverträge, S. 175. 151 Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 430. Eine Ausnahme bildet § 508-D-18 der Hawaii Revised Statutes: “If the real estate purchase contract provides for alternative dispute resolution, then prior to filing an action in any court to enforce this chapter, a seller or buyer shall first submit the claim to alternative dispute resolution as required in the real estate purchase contract”. 152 File, in: IBA Med. C. Newsl. Juli 2007, S. 33 ff. (33). 153 Vgl. Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 6, der auf die Rechtssache Copeland v. Baskin Robbins U. S. A., 96 Cal. App. 4th 1251, 1259 (2002) sowie auf Howtek Inc. v. Relisys, 958 F. Supp. 46 (D. N. H. 1996) verweist. 154 248 A. 2d 625 (Del. 1968). 155 So z. B.: Channel Home Centers v. Crossman, 795 F. 2d 291 (3d Cir. 1986); Opdyke Inv. Co. v. Norris Grain Co., 413 Mich. 354, 320 N. W. 2d 836 (1982); Arnold Palmer Golf Co. v. Fuqua Indus. Inc., 541 F. 2d 584 (6th Cir. 1976). 156 Vgl. Farnsworth, in: Col. L. Rev. 2/1987, S. 217 ff. (265). 157 97 F. Supp. 2d 320 (E. D. N. Y 2000). 158 9 U. S. C. Section 3 eröffnet den Gerichten die Möglichkeit, dass Verfahren bei Verstoß gegen eine “arbitration” Abrede auszusetzen: “If any suit or proceeding be brought in any of the courts of the United States upon any issue referable to arbitration under an agreement in writing for such arbitration, the court in which such suit is pending, upon being satisfied that
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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Für die Wirkung des zweiten Klauselvorschlags im Rechtsraum der Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet dies grundsätzlich, dass hier die Parteien, anders als im englischen Rechtsraum, verpflichtet werden, über die Durchführung eines ADR-Verfahrens tatsächlich zu verhandeln. Fraglich bleibt jedoch, in wie weit darüber hinaus gehende Anforderungen durch die Gerichte an die Parteien gestellt werden. Zudem ist nicht auszuschließen, dass einzelne Gerichte in Bezug auf den zweiten Klauselvorschlag anders entscheiden, weil ihnen dieser beispielsweise zu ungenau formuliert ist.
(3) Australien In Australien stellt sich die Rechtslage der englischen sehr ähnlich dar, zumal australische Gerichte in ihrer Rechtsprechung auf englische Urteile bezugnehmen. In der Entscheidung Hooper Bailie Associated Ltd. v. Natcon Group PTY Ltd.,160 in der unter anderem auf englische Entscheidungen verwiesen wurde, die eine Verhandlungsvereinbarung als nicht durchsetzbar ansahen,161 unterschied Giles J. die Mediationsabrede allerdings von der reinen Verhandlungsabrede und stellte fest: “An agreement to conciliate or mediate is not to be likened … to an agreement to agree. Nor is it an agreement to negotiate, or negotiate in good faith, perhaps necessarily lacking certainty and obliging a party to act contrary to its interests.”162
Vor diesem Hintergrund ist in Australien, wie in England auch, die Durchsetzbarkeit von reinen Verhandlungsabreden fraglich. Generell werden Streitbeilegungsklauseln hier nur dann von Gerichten durchgesetzt, wenn in ihnen der Streitbeilegungsprozess bestimmt genug ist, um ihn durchzusetzen, und die Klausel als eine ausdrückliche Vorstufe für Schieds- oder Gerichtsverfahren formuliert wurde.163 Der zweite Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer spricht weder davon, dass die Verhandlungen über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens eine zwingende Vorstufe zu Entscheidungsverfahren bilden, noch wird durch sie ein klar bestimmter Verhandlungsprozess vereinbart. Insgesamt begründet der zweite Klauselvorschlag damit für den austhe issue involved in such suit or proceeding is referable to arbitration under such an agreement, shall on application of one of the parties stay the trial of the action until such arbitration has been had in accordance with the terms of the agreement, providing the applicant for the stay is not in default in proceeding with such arbitration”. 159 Vgl. Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 12. Näher zu der Ausweitung des Anwendungsbereichs des FAA auf ADR-Abreden unten unter Kapitel V § 15 II 4 a. hh. (1). 160 (1992) 28 NSWLR 194. 161 Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (163). 162 (1992) 28 NSWLR 194, 209. 163 Palmer/Lopez, in: A. R. of Int. Arb. 14/2003, S. 285 ff. (289 f.).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
tralischen Rechtsraum keine bindende Verpflichtung, über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens tatsächlich zu verhandeln.
cc. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die Fragen der Verpflichtungswirkung des zweiten Klauselvorschlags und dessen Durchsetzung je nach dem entscheidenden Forum höchst unterschiedlich bewertet werden. Haben ICC-Schiedsgerichte in der Vergangenheit eine solche bindende Verpflichtung anerkannt und in der Regel dort, wo sie erfolgversprechend war, durchgesetzt, so wird durch nationale Gerichte mancher Rechtsordnungen Absprachen in der Form des zweiten Klauselvorschlags der bindende Charakter vor allem aufgrund ihrer Unbestimmtheit abgesprochen. Aus dieser Pluralität der Ansichten resultiert, dass es mitnichten aufgrund der Verhandlungspflicht zu einem Ausschluss paralleler Verfahren kommt. Da auch dem zweiten Klauselvorschlag die Verzahnung mit Schiedsverfahren fehlt, werden durch ihn parallele Verfahren damit nur dort ausgeschlossen, wo die Verpflichtung zur Verhandlung direkt durchsetzbar ist. Doch auch wegen der nur schwer bestimmbaren Frage, wann tatsächlich gegen die unbestimmte Verhandlungspflicht verstoßen wurde, erscheint der Ausschluss paralleler Verfahren sehr unsicher. Das reine Blockieren der Verhandlungen durch eine Partei wäre damit nach der authentischen englischen Fassung der ICC-ADR-Regeln wohl als ein Verstoß gegen die aus der zweiten Klausel entstehende Verhandlungspflicht zu werten. Die genaue Ausgestaltung der Verhandlungspflicht wird jedoch auch durch die Formulierung des zweiten Klauselvorschlags nicht klarer. So ist es den Parteien freigestellt, in welcher Form sie die Verhandlung durchführen, womit weder ein Austausch von Schriftsätzen noch ein tatsächliches Treffen der Parteien stattfinden muss.164 Im Endeffekt ist es damit schwierig festzustellen, wann einen Verstoß gegen diese Vereinbarung tatsächlich vorliegt,165 wenn nicht eine totale Blockade der Gespräche durch eine Partei erfolgt.
b. Umgehung von Einstiegshürden Auch wenn die rechtliche Wirkung des zweiten Klauselvorschlags international alles andere als einheitlich ist, so baut die Aufstellung einer Verhandlungspflicht im Vergleich zum ersten Klauselvorschlag den Abbau von Einstiegshürden aus. Zu bedenken ist hier, dass viele Wirtschaftsteilnehmer nicht um die Wirkung
164 165
Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 117. Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. (15).
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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und Vielfalt einvernehmlicher Streitbeilegungsmethoden wissen.166 Insofern verschafft die verpflichtende Verhandlung über die Durchführung eines ICCADR-Verfahrens einer Partei die Möglichkeit, der anderen Partei ein einvernehmliches Verfahren näher zu bringen. In einer solchen Verhandlung ist es zudem möglich, durch die Zuziehung eines Experten die Vorteile für die andere Partei aus seiner Erfahrung näher konkretisieren zu lassen. In einer Verhandlung über die Durchführung einer einvernehmlichen Streitbeilegung ist es außerdem möglich, die Gründe für die Ablehnung eines solchen Verfahrens durch die andere Partei näher zu erfragen. Dabei kann sich zeigen, dass es sich um Gründe handelt, denen durch anderweitige Vereinbarungen Rechnung getragen werden kann. Damit eröffnet die zweite Klausel für die durchführungswillige Partei die Möglichkeit, auf die andere Partei stärker einzuwirken und dieser die einvernehmliche Streitbeilegung näher zu bringen. Zudem kann der zweite Klauselvorschlag der ICC-ADR-Regeln als eine Art zweiseitige Corporate Pledge gesehen werden, in welcher die ernsthafte Erwägung der Anwendung eines ICC-ADR-Verfahrens im Unterschied zur einfachen Corporate Pledge im Rahmen einer Verhandlung stattfindet.167 Diese Absichtserklärung geht hinsichtlich der Sendungswirkung weiter als die simple Möglichkeit, ein ICC-ADR-Verfahren vorschlagen zu können.
c. Wertung und Änderungen Der zweite Klauselvorschlag stellt damit insgesamt eine nicht nur bezüglich der rechtlichen Wirkung erweiterte Form der ersten Klausel dar. An der Zerklüftung der rechtlichen Regelungen zeigt sich jedoch bereits ein Problem von Verpflichtungen in der Art des zweiten Klauselvorschlags: ein Verstoß gegen sie ist nur schwer zu bestimmen. Die nationalen Ansätze divergieren dabei erheblich, wobei auch die vollkommene rechtliche Wirkungslosigkeit solcher Abreden zu finden ist. Vor diesem Hintergrund sollten die Parteien in Erwägung ziehen, den zweiten Klauselvorschlag mit der Standard-ICC-Schiedsklausel zu kombinieren, zumal ICC-Schiedsgerichte in der Vergangenheit die Wirkung von ADR-Abreden sehr konsistent behandelten und in ihren Entscheidungen dem Einzelfall besonders Rechnung tragen können. Die mit der Diversität staatlicher Rechtsprechung einhergehende Unsicherheit können die Parteien so umgehen. Anders als beim ersten Klauselvorschlag ist die Kombination mit einer Schiedsklausel hier als nicht unproblematisch zu sehen. Die fehlende objektive Begrenzung der im zweiten Klauselvorschlag enthaltenen Verpflichtung er-
166
Salacuse, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 226. dem Begriff der Corporate Pledge und zur Implementierung von Mediation in Unternehmen über die Corporate Pledge siehe: Klowait/Hill, in: SchiedsVZ 2/2007. S. 83 ff. 167 Zu
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
öffnet die Möglichkeit, diese zur Prozessverschleppung zu missbrauchen.168 Daher sollten die Parteien eine aufgrund objektiver Anknüpfungspunkte zu laufen beginnende169 Wirkungsfrist für die im zweiten Klauselvorschlag enthaltene Verhandlungspflicht einfügen.170 Als objektiver Anknüpfungspunkt für den Lauf der Frist könnte hier der Vorschlag der Durchführung eines ICCADR-Verfahrens durch eine Partei vereinbart werden. Die Länge der Frist muss von den jeweiligen Umständen abhängen, wobei eine kurze Frist die Prozessverschleppung effektiver verhindert und eine lange Frist die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Einigung auf die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens erhöht.
4. 3. Vorschlag: Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens mit zeitlicher Begrenzung Mit dem dritten Klauselvorschlag folgt dann eine Vereinbarung, mit der “… the parties agree to submit the matter to settlement proceedings under the ICC ADR”. Nach Ablauf des Zeitraums “… within 45 days following the filing of a Request for ADR …” bestehen nach dem dritten Klauselvorschlag dann jedoch keine “… further obligations under this paragraph”. In Zusammenhang mit den ICC-ADR-Regeln und vor allem deren Artikel 5 I ICC-ADR ergibt sich aus dem dritten Klauselvorschlag für die Parteien gemäß dem Wortlaut die Pflicht, zumindest an einem ersten obligatorischen Termin eines ADR-Verfahrens teilzunehmen.171 Da der erste obligatorische Termin zwischen den Parteien und dem neutralen Dritten stattfindet,172 setzt er auch die Auswahl eines neutralen Dritten voraus. Insofern ergibt sich für die Parteien aus dem Wortlaut des dritten Klauselvorschlags in Verbindung mit den ICC-ADR-Regeln die Pflicht, im Konfliktfall ein ICC-ADR-Verfahren zu organisieren und zu beginnen. Da diese Pflicht durch eine Partei mutwillig zur Prozessverschleppung ausgenutzt werden könnte,173 ist sie jedoch auf 45 Tage ab Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens begrenzt. Diese Frist betrifft dabei alleine die Teilnahmepflicht des dritten Klauselvorschlags. Auf den Lauf des ICC-ADR-Verfahrens selbst hat der Ablauf der Frist allerdings keine Auswirkung.
168 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 234. 169 Vgl. hierzu: Arntz, in: SchiedsVZ 2014, S. 237 ff. (241); Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (94). 170 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 116. 171 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 32. 172 Vgl. Art. 5 I ICC ADR Rules. 173 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 II 2 b.
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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a. Teilnahmeverpflichtung und Ausschluss paralleler Verfahren Der dritte Klauselvorschlag könnte damit nicht nur eine Pflicht zur Teilnahme an einem ICC-ADR-Verfahren enthalten, sondern überdies nationale Gerichtsverfahren innerhalb eines Zeitraumes von 45 Tagen nach Anrufung der Internationalen Handelskammer ausschließen. Fraglich ist damit, ob der dritte Klauselvorschlag eine solche Teilnahmepflicht begründet und ob diese innerhalb der vereinbarten 45-Tage-Frist dann auch indirekt prozessual durchsetzbar ist. Bezüglich der Wirkung vor Schiedsgerichten wird im Folgenden nur auf die sich für den dritten Klauselvorschlag im Vergleich zum vierten Klauselvorschlag ergebenden Besonderheiten kurz eingegangen, da die sonstigen Aspekte erst im Rahmen des vierten Klauselvorschlags näher erörtert werden.
aa. Schiedssprüche Auch wenn der dritte Klauselvorschlag in Verbindung mit der Standard ICCSchiedsklausel dem vierten Klauselvorschlag auf den ersten Blick inhaltlich ähnelt, so ergeben sich für dessen Behandlung durch ICC-Schiedsgerichte einige Unterschiede.174 Dem zweistufigen Ansatz175 von ICC-Schiedsgerichten folgend ergeben sich zwischen dem dritten und dem vierten Klauselvorschlag vor allem bezüglich der Feststellung eines Verstoßes gegen diesen Unterschiede. Die Frage, ob die Parteien durch die Klauseln gebunden werden, ist hingegen für beide Klauseln positiv zu beantworten.176 Die Unterschiede zwischen beiden Klauseln ergeben sich vielmehr aus der unterschiedlichen Wirkung der in beiden Klauseln enthaltenen 45-tägigen Frist. Im Falle des dritten Klauselvorschlags führt diese lediglich dazu, dass die Pflicht, im Konfliktfall ein ICC-ADR-Verfahren einzuleiten und an einem ersten obligatorischen Termin teilzunehmen, nach Ablauf von 45 Tagen ab Antrag177 auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens entfällt. Damit wird eine zweite, neben der Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 6 der ICC-ADR-Regeln bestehende Möglichkeit der Pflichtentbindung begründet. Folge dieses Regimes ist es, dass das Schiedsgericht grundsätzlich wohl dann nicht mehr von einem Verstoß gegen den dritten Klauselvorschlag ausgehen wird, wenn entweder die 45 Tage abgelaufen sind, oder aber wenn das Verfahren nach Artikel 6 der ICC-ADR-Regeln beendet wurde. 174 Anders scheint dies Jiménez-Figueres zu sehen, der den vierten Klauselvorschlag als einfache Kombination zwischen dem dritten Klauselvorschlag und der Standard-ICC- Schiedsklausel sieht. Vgl. Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (94). 175 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (71). 176 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (73); Wolrich, MultiTiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 4. 177 Der Zeitpunkt der tatsächliche Entstehung der Streitigkeit ist hingegen für den Lauf der 45 Tages-Frist unerheblich.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Dies gilt grundsätzlich allerdings nur dann, wenn die Parteien ihrer Pflicht vorher auch ordnungsgemäß nachgekommen sind. Zu unterscheiden ist dabei, ob ein gerügter Verstoß gegen die Pflichten zur Durchführung eines ICC-ADRVerfahrens vor oder nach Ablauf der 45 Tage stattfand. Aufgrund der entpflichtenden Wirkung der 45 Tages-Frist wird ein ICC-Schiedsgericht nur in ersterem Fall einen Verstoß feststellen können. Offen bleibt hier jedoch, wann von einem solchen Verstoß ausgegangen wird. In der Vergangenheit gründeten ICC-Schiedsgerichte ihre Entscheidung dabei auf “… the circumstances and chiefly the good faith of the parties”.178 Ihren guten Willen zeigen die Parteien dabei durch “… seizing every opportunity to try to settle their dispute in an amicable manner”.179
Insofern ist zu erwarten, dass ein ICC-Schiedsgericht immer dann zu dem Schluss kommt, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem dritten Klauselvorschlag vorliegt, wenn eine Partei nicht mit gutem Willen auf eine einvernehmliche Einigung hingearbeitet hat. Um festzustellen, wann dies der Fall ist, begutachteten ICC-Schiedsgerichte in der Vergangenheit vor allem durch die Parteien schriftlich eingereichte Lösungsvorschläge sowie das Partei-Vorgehen vor Behörden.180 So kann die Länge des Zeitraums zwischen Streitentstehung und Anrufung des Schiedsgerichts181 für das Schiedsgericht ein Indikator dafür sein, ob die Parteien tatsächlich an einer einvernehmlichen Streitbeilegung interessiert waren. Es bleibt jedoch zu beachten, dass ICC-Schiedsgerichte in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei sind und somit von dieser Linie abweichen können und zum Beispiel in Fällen, in denen eine einvernehmliche Einigung offensichtlich ausgeschlossen ist, auch trotz eines Verstoßes gegen den dritten Klauselvorschlag ihre Zuständigkeit annehmen können.182
bb. Rechtsvereinheitlichung Aufgrund der Bedeutung des jeweiligen nationalen Rechts für Verfahren im Bereich der alternativen Streitbeilegung gab es international bereits zahlreiche Versuche, nationale Vorschriften anzugleichen. So beschloss die UNCITRAL auf ihrer 35. Sitzung im Juni 2002 das UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation,183 welches im Januar 2003 durch die Vollversamm178
ICC Case No. 6276. ICC Case No. 6276. 180 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72). 181 ICC Case No. 6276. 182 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (72). Bzgl. der durch Schiedsgerichte verhängten Rechtsfolge bei einem Verstoßes gegen den dritten Klauselvorschlag vgl. weiter oben unter Kapitel V § 15 II 3 a. aa. (3). 183 Friedrich, in: SchiedsVZ 6/2004, S. 297 ff. (297); Sanders, in: BB 46/2002 IDR Beilage, S. 1. 179
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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lung per Resolution angenommen wurde und den Mitgliedstaaten zur Annahme empfohlen wurde.184 Auch der europäische Gesetzgeber blieb nicht untätig. So erließen auf Vorschlag der Kommission das Europäische Parlament und der Rat im Jahre 2008 die Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen.185 Das UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation regelt die Frage der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden im Rahmen der Einleitung eines ADR-Verfahrens nicht.186 Jedoch findet sich in Artikel 13 des Modellgesetzes187 eine Regelung, die den Ausschluss paralleler Schieds- und Gerichtsverfahren regelt. Insofern wird indirekt auch die Pflicht zur Durchführung eines ADR-Verfahrens geregelt. Dieser Ausschluss ist in Artikel 13 nicht als Regelfall für alle Mediationsverfahren vorgesehen, sondern kommt nur bei ausdrücklicher Vereinbarung eines dilatorischen Klageverzichts durch die Parteien zur Anwendung.188 Liegt eine solche ausdrückliche Vereinbarung vor, ist die vorzeitige Einleitung eines Schieds- oder Gerichtsverfahren grundsätzlich gemäß Artikel 13 unzulässig.189 Jedoch findet sich in Artikel 13 eine Ausnahmeregelung zu dieser generellen Unzulässigkeit. So liegt es im Ermessen einer Partei, direkt ein Schieds- oder Gerichtsverfahren einzuleiten, wenn sie dies zur Wahrung ihrer Rechte für notwendig erachtet und einen Rechtsverlust hierdurch vermeiden will.190 Mit dieser rein subjektiven Ausgestaltung liegt es jedoch faktisch allein in den Händen der Parteien, zu entscheiden, ob sie sich an die ADR-Abrede noch gebunden fühlen, zumal die genauen Umständen, unter denen die Ausnahme greift, nicht näher zu substantiieren sind.191 Folge hiervon ist damit die faktische Unwirksamkeit des Artikels 13, da durch die subjektive Ausnahme eine tatsächliche Bindungswirkung entfällt.192 Hiermit 184 Cimmio, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 14 f.; Sanders, in: BB-Beilage 7 zu Heft 7/2002, S. 1. 185 Im Folgenden Mediationsrichtlinie genannt. 186 Abascal, in: Berg (Hrsg.), New Horizons in International Commercial Arbitration and Beyond, S: 416. 187 Art. 13 : “Where the parties have agreed to conciliate and have expressly undertaken not to initiate during a specified period of time or until a specified event has occurred arbitral or judicial proceedings with respect to an existing or future dispute, such an undertaking shall be given effect by the arbitral tribunal or the court until the terms of the undertaking have been complied with, except to the extent necessary for a party, in its opinion, to preserve its rights. Initiation of such proceedings is not of itself to be regarded as a waiver of the agreement to conciliate or as a termination of the conciliation proceedings.” 188 In früheren Entwürfen des Modelgesetzes enthielt Art. 13 zusätzlich noch einen generellen Ausschluss paralleler Verfahren, der später jedoch von der Working Group verworfen wurde. Vgl. Ginkel, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 1 ff. (54) und A/CN.9/506, para. 125 f. 189 Perner/Völkl, in: ÖJZ 13/2003, S. 495 ff. (500). 190 Cimmio, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 274. 191 Friedrich, in: SchiedsVZ 6/2004, S. 297 ff. (303). 192 Eidenmüller, in: BB-Beilage 7 zu Heft 46/2002, S. 14 ff. (16); Perner/Völkl, in: ÖJZ
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
wurde der mit Artikel 13 durch die UNCITRAL-Kommission verfolgte Zweck des Verhinderns paralleler Entscheidungsverfahren193 und der Bindung der Parteien an ihre im Vorfeld eingegangene Verpflichtung, ein Mediationsverfahren durchzuführen,194 faktisch nicht erreicht. Hinzu kommt, dass das Modellgesetz eine international nur untergeordnete Bedeutung hat, zumal es bis jetzt lediglich von 15 Staaten umgesetzt wurde.195 Auch durch die Umsetzung der Mediationsrichtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates wird eine verpflichtende Wirkung von Mediationsabreden für den Bereich der Europäischen Gemeinschaft nicht begründet. Zwar enthält die Mediationsrichtlinie mit Artikel 6 eine Regelung, die die Durchsetzbarkeit einer in einem Mediationsverfahren getroffenen Einigung näher regelt, doch schien eine Regelung der verpflichtenden Wirkung antizipierter Mediationsvereinbarungen für die durch die Richtlinie verfolgten Ziele als nicht erheblich betrachtet zu werden und wurde nicht in die Richtlinie aufgenommen. Insgesamt haben damit weder das UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation noch die Mediationsrichtlinie 2008/52/EG eine Angleichung der nationalen Rechtslagen hin zur Durchsetzbarkeit von Mediationsabreden erreicht.
cc. England In England können heute verbindliche ADR-Abreden als grundsätzlich vor Gericht durchsetzbar gesehen werden.196 Dies war jedoch nicht immer so, wobei sich die Entwicklung hin zur prozessualen Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden in zwei Phasen unterteilen lässt: die Zeit vor der Woolf Reform197 und die Zeit danach.198
13/2003, S. 495 ff. (500). Diese Problematik erkannte man bei der Erstellung des jetzigen Art. 13 zwar, gewichtete die Gefahr der Nichtanwendung von ADR Verfahren wegen Rechtsverlustbedenken allerdings schwerer. Vgl. Cimmio, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 274 ff.; A/CN.9/WG.II/WP.115 para. 42; A/CN.9/506 para. 125; A/57/17 para. 115. 193 A/CN.9/514 para. 75; A/CN.9/485 para. 155. 194 A/57/17 para. 114. 195 Vgl. http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/2002Model_concili ation_status.html (Stand 10. März 2016). 196 Scherpe/Vollers, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 275, 197 Unter der Woolf Reform versteht man die auf den durch Lord Woolf erstellten Access to Justice Bericht beruhende Reformierung der englischen Civile Procedure Rules (CPR) aus dem Jahre 1999. Ziel der Reform war es, die Effizienz des englischen Gerichtswesens zu steigern. Vgl. näher hierzu: Malterer, Lord Woolf’s Access to Justice; Newmark, in: SchiedsVZ 2003, S. 23 ff. 198 Diese sieht auch so Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (434, 438).
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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(1) Rechtsprechung vor der Woolf Reform Wie bereits beim zweiten Klauselvorschlag dargestellt, erkennen englische Gerichte grundsätzlich die Durchsetzbarkeit von reinen Verhandlungsabreden nicht an. Zunächst wurde diese Sicht in der Entscheidung Paul Smith Ltd. v. H & S International Holding Inc.,199 welche die Durchsetzbarkeit einer Schlichtungsabrede, die auf die alten ICC Rules of Conciliation200 verwies, zum Gegenstand hatte, auch auf ADR-Abreden übertragen.201 Steyn J. befand hier, dass: “The plaintiffs rightly concede that the provisions that the parties shall strive to settle the matter amicably, and that a dispute shall, in the first place, be submitted for conciliation, do not create enforceable legal obligations.”202
Gründe für diese Ablehnung der Durchsetzbarkeit von Mediationsabreden durch englische Gerichte waren neben ihrer Gleichstellung mit Verhandlungsabreden das Problem der Feststellung eines Verstoßes gegen sie sowie das damalige Fehlen rechtlicher Rahmenbedingungen.203 Von dieser ablehnenden Linie entfernte sich die englische Rechtsprechung dann erstmals 1993 mit der Rechtssache Channel Tunnel Group Ltd. v. Balfour Beatty Construction Ltd.,204 in der über eine komplexe Streitbeilegungsklausel205 innerhalb eines Bauvertrages entschieden wurde, die als letzten Schritt ein Schiedsverfahren vorsah.206 Der Beklagte ersuchte das Gericht, das Verfahren nicht nur wegen der Verletzung der im Vertrag enthaltenen Schiedsklausel auszusetzen, sondern wegen der Verletzung der ADR-Abrede auch von dem ihm inhärenten Recht Gebrauch zu machen, aufgrund des Bruches einer Streitbeilegungsvereinbarung das Verfahren auszusetzen.207 Bezüglich letzeren Antrags befand Lord Mustill: “… it must surely be legitimate to use the same powers to enforce a dispute resolution agreement which is nearly an immediately effective agreement to arbitrate, albeit not quite. I would therefore hold that irrespectively of whether clause 67 falls within section 1 of the [Arbitration] Act of 1975, the court has jurisdiction to stay the present action.”208
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[1991] 2 Lloyd’s Rep. 127. In ihrer Version vom 1. Januar 1988. 201 Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (7 f.). 202 [1991] 2 Lloyd’s Rep. 127, 131. So auch zitiert von Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (688). 203 Lye, in: Sing. A. of L. J. 16/2004, S. 530 ff. (532). 204 [1993] AC 334. 205 Bezeichnet als Klausel 67. 206 Melnyk, in: Int. Arb. L. Rev. 4/2003, S. 113 ff. (114 f.). 207 Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (170). Vgl. näher hierzu Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (436). 208 [1993] AC 334, 352. 200
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Lord Mustill setzte damit die Streitbeilegungsklausel der Parteien indirekt durch, wobei er vor allem auf deren schiedsklauselähnlichen Charakter abstellte und die Definition der Schiedsvereinbarung auf sie ausweitete.209 In Cott U. K. Ltd. v. F E Barber Ltd.210 wurde durch den High Court dann unter Bezugnahme auf Channel Tunnel Group Ltd. v. Balfour Beatty Construction Ltd. die hier durch Lord Mustill festgesetzte Wirkung noch dahingehend ausgeweitet, dass: “… in the light of the observations of Lord Mustill in the Channel Tunnel Group case, and in the light of the changing attitudes of our legal system, the court plainly has a jurisdiction to stay under its inherent jurisdiction, where the parties have chosen some alternative means of dispute resolution.”211
Doch zeigte sich auch in der Rechtssache Halifax Financial Services Ltd. v. Intuitive Systems Ltd.,212 dass die Channel Tunnel Group Ltd. v. Balfour Beatty Construction Ltd.-Rechtsprechung nicht bedeutet, dass Streitbeilegungsabreden stets durch das Aussetzen des Gerichtsverfahrens indirekt durchgesetzt werden, sollte eine Partei gegen sie verstoßen haben. In Halifax Financial Services Ltd. v. Intuitive Systems Ltd. sah die Streitbeilegungsabrede vor, dass im Konfliktfall jede Partei vorschlagen könne, in strukturierte Verhandlungen einzutreten, die durch einen neutralen Dritten oder einem Mediator unterstützt werden sollten.213 In seinem Urteil begründete McKinnon J. die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung des Verfahrens wegen Verstoßes gegen diese Klausel damit, dass es sich bei dieser, anders als im Fall Channel Tunnel Group Ltd. v. Balfour Beatty Construction Ltd., nicht um eine Abrede handele, die ihrer Struktur nach einer Schiedsabrede ähnele.214 Klauseln, die nicht determinierende Verfahren wie die Verhandlungen oder Mediation vorsehen, seien nicht durchsetzbar.215 Durch diese später oft kritisierte Entscheidung216 wurde die Durchsetzbarkeit von reinen ADR-Abreden grundsätzlich zurückgeworfen.
(2) Rechtsprechung nach der Woolf Reform Zu einer tatsächlichen Wende in der englischen Rechtsprechung kam es schließlich in Folge der Reformierung der englischen Zivilprozessordnung durch 209
Carrel, in: J. Disp. Res. 2003, S. 547 ff. (550). [1997] 3 All E. R. 540. 211 [1997] 3 All E. R. 540. 548. 212 [1999] 1 All E. R. 303. 213 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (251). 214 Kayali, in: J. of Int. Arb. 6/2010, S. 551 ff. (564). 215 Cornes, in: Arbitration 1/2007, S. 12 ff. (18). 216 Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 184; Olatawura, in: Int. Arb. L. Rev. 2/2001, S. 70 ff. 210
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Einführung der Civil Procedure Rules (CPR), welcher der durch Lord Woolf verfasste Access to Justice-Bericht217 aus dem Jahr 1996218 zugrunde lag.219 Durch diese Reform wurden in die englische Zivilprozessordnung Regelungen aufgenommen, durch die die Gerichte dazu angehalten werden, die Parteien zur Verwendung von ADR-Verfahren zu ermuntern.220 Zudem wurde den Gerichten dahingehend Ermessen eingeräumt, vom Grundsatz der Kostentragung durch die unterlegene Partei abzuweichen und als Sanktion für die Nichtteilnahme an einem ADR-Verfahren einer Partei einen erhöhten Anteil an den Prozesskosten aufzuerlegen.221 Der Reform folgend ergingen eine Reihe von Urteilen, welche ADR im Allgemeinen und die Mediation im Besonderen förderten.222 In Bezug auf die Durchsetzbarkeit von Mediationsabreden setzte vor allem die Rechtssache Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd.223 einen entscheidenden Impuls224 für die Änderung der Rechtslage in England.225 In dieser Rechtssache ging es um die Frage der Durchsetzbarkeit einer mehrstufigen ADRAbrede,226 die als erste Streitbeilegungsstufe Verhandlungen vorsah. Zentral in dieser Streitigkeit war dabei, dass die Streitbeilegungsklausel der Parteien auf ein bestehendes Regelwerk für ADR-Verfahren verwies und damit klare Anhaltspunkte für den Umfang der Teilnahmeverpflichtung lieferte. Colman J. stellte diesbezüglich fest: “It is to be observed that the parties have not simply agreed to attempt in good faith to negotiate a settlement. In this case they have gone further than that by identifying a particular procedure, namely an ADR procedure as recommended to the parties by the Centre for Dispute Resolution. […] This provision [Artikel 14 CEDR Model Mediation
217
Zu finden unter: http://www.dca.gov.uk/civil/final/contents.htm (Stand 10. März 2016). 1995 veröffentlichte Lord Woolf bereits einen vorläufigen Bericht (Access to Justice: Interim Report). Vgl. näher Mistelis, in: Am. Rev. Int’l Arb. 12/2001, S. 167 ff. (178). 219 Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (8); Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (438). 220 Vgl. CPR 1.4 (2) (e): “…encouraging the parties to use an alternative dispute resolution procedure if the court considers that appropriate and facilitating the use of such procedure;”. 221 Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (438). 222 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (252). 223 [2002] EWHC 2059 (Comm). 224 Einige Autoren wie Bosnak oder aber Jackson sehen die Entscheidung Susan Dunnett v. Railtrack PLC ([2002] EWCA Civ 302) als Wendepunkt für verpflichtende Mediation an, in der es aber noch nicht um ADR-Abrede ging sondern vielmehr um durch Gericht angeordnete ADR-Verfahren. Vgl. Bosnak, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 625 ff. (641); Jackson, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2/2013, S. 33 ff. (36). 225 Andrews, in: Esplugues/Barona (Hrsg.), Global Perspectives on ADR, S. 103 ff. (105 f.); Mackie, in: Arb. Int. 3/2003, S. 345 ff. (350). 226 “If the matter is not resolved through negotiation, the Parties shall attempt in good faith to resolve the dispute or claim through an Alternative Dispute Resolution (ADR) procedure as recommended to the Parties by the Centre for Dispute Resolution”, vgl. [2002] EWHC 2059 (Comm). 218
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Procedure]227 clearly provides for the withdrawal after the mediator has been appointed and the mediation has commenced. It thus envisages a certain minimum participation in the procedure.”228
Durch diese Begrenzung der Verpflichtungswirkung der ADR-Abrede auf das tatsächliche Einleiten eines ADR-Verfahrens arbeitet Colman J. eine klar zu bestimmende Reichweite der ADR-Abrede heraus,229 die unabhängig von der antizipierten Regelungstiefe des ADR-Verfahrens klar zu bestimmen ist. Entscheidend war somit nicht, dass die Parteien auf ein bestehendes institutionelles ADR-Regelwerk verwiesen. Colman J. stellte in einem obiter dictum zur Rechtsache Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd. vielmehr klar: “I would wish to add that contractual references to ADR which did not include provisions for an identifiable procedure would not necessarily fail to be enforceable by reason of uncertainty. An important consideration would be whether the obligation to mediate was expressed in unqualified and mandatory terms.”230
Insgesamt sah Colman J. damit entgegen der bisherigen englischen Rechtsprechung die ADR-Abrede nicht als reine Verhandlungsabrede an und befand sie zudem grundsätzlich als bestimmt genug, um durchgesetzt zu werden.231 Ergebnis dieser Ansicht war, dass Colman J. feststellte: “There is now available a clearly recognized and well–developed process of dispute resolution involving sophisticated mediation techniques provided by trained mediators in accordance with procedure designed to achieve settlement by the means most suitable for the dispute in question. […]. For the courts now to decline to enforce contractual references to ADR on the grounds of intrinsic uncertainty would be to fly in the face of public policy as expressed in the CPR and as reflected in the judgment of the Court of Appeal in Dunnett v. Railtrack232 …”233 227 Art. 14 Termination Any of the Parties may withdraw from the Mediation at any time and shall immediately inform the Mediator and the other representatives in writing. The Mediation will terminate when: a Party withdraws from the Mediation; or a written settlement agreement is concluded; or the Mediator decides that continuing the Mediation is unlikely to result in a settlement; or the Mediator decides he should retire for any of the reasons in the Code of Conduct. 228 [2002] EWHC 2059 (Comm), 21 f. So auch zitiert von Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (441). 229 Vgl. Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (440 f.). 230 [2002] EWHC 2059 (Comm), 32. So auch zitiert von Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (441). 231 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (252); Kayali, in: J. of Int. Arb. 6/2010, S. 551 ff. (566). 232 In dem Fall Susan Dunnett v. Railtrack PLC missachtete Railtrack den Vorschlag des lower court, zunächst ein Mediationsverfahren durchzuführen. Aufgrund dieser Zuwidersetzung bekam Railtrack die Kosten des Verfahrens nicht erstattet, obwohl Railtrack in der Hauptsache obsiegte. Vgl. [2002] EWCA Civ 303 und Newmark, in: SchiedsVZ 1/2003, S. 23 ff. (25 f.). 233 [2002] EWHC 2059 (Comm), 28. So auch zitiert von TOCHTERMANN, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (441).
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Insofern sah Colman J. die Verweigerung der Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden als eine – vor allem vor dem Hintergrund der Woolf Reform – nicht mehr zeitgemäße Vorgehensweise englischer Gerichte.234 Darauf aufbauend kam er dann zu dem Ergebnis: “The reference to ADR is analogous to an agreement to arbitrate. As such, it represents a freestanding agreement ancillary to the main contract and capable of being enforced by a stay of the proceedings or by injunction absent any pending proceedings. This jurisdiction to stay […] is in origin an equitable remedy.”235
Somit folgte Colman J. in der Sache allerdings nicht dem Antrag, das Verfahren auszusetzen, sondern vertagte dieses so lange, bis die Parteien ihren Pflichten aus ihrer ADR-Klausel nachgekommen waren, da dies unter diesen Umständen die übliche Vorgehensweise des Commercial Courts darstelle.236 Die Rechtsprechung in der Sache Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd. aufgreifend wurde später in der Sache Holloway v. Chancery Mead Limited237 durch Richter Ramsey dann noch detailiertere Anforderungen an durchsetzbare ADRAbreden aufgestellt. So stellte Richter Ramsey folgende drei Anforderungen an durchsetzbare ADR-Abreden auf: “First, that the process must be sufficiently certain in that there should not be the need for an agreement at any stage before matters can proceed. Secondly, the administrative processes for selecting a party to resolve the dispute and to pay that person should also be defined. Thirdly, the process or at least a model of the process should be set out so that the detail of the process is sufficiently certain.”238
In der Sache Sulmérica CIA Nacional de Seguros SA .v. Enesa Engenharia SA239 wurde diese Sicht dann durch Richter Moore-Bick insoweit konsequent weiter fortgesetzt. So sah Richter Moore-Bick die in diesem Fall in Frage stehende ADR-Abrede als nicht bindend an, da diese nicht bestimmt genug war. Er stellt vielmehr fest: ”In the present case, unlike Cable & Wireless v IBM and Holloway v Chancery Mead, condition 11240 does not set out any defined mediation process, nor does it refer to the 234 Diese Entwicklung hin zu einer undifferenzierten Durchsetzungspraxis sieht kritisch: Carrel, in: J. Disp. Resol. 2003, S. 547 ff. (562 f.). 235 [2002] EWHC 2059 (Comm), 34. So auch zitiert von Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (252). 236 Lye, in: Sing. A. of L. J. 16/2004, S. 530 ff. (534). Vgl. hierzu näher: Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses, S. 152 ff. 237 [2007] EWHC 2495 (TCC). 238 [2007] EWHC 2495 (TCC), 81. 239 [2012] EWCA Civ 638. 240 11. Mediation If any dispute or difference of whatsoever nature arises out of or in connection with this Policy including any question regarding its existence, validity or termination, hereafter termed as Dispute, the parties undertake that, prior to a reference to arbitration, they will seek to have the Dispute resolved amicably by mediation.
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procedure of a specific mediation provider. The first paragraph contains merely an undertaking to seek to have the dispute resolved amicably by mediation. No provision is made for the process by which that is to be undertaken and none of the succeeding paragraphs touches on that question. I agree with the judge, therefore, that condition 11 is not apt to create an obligation to commence or participate in a mediation process.”241
Insgesamt wurde durch englische Gerichte damit die Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden klar festgestellt, vorausgesetzt, die jeweilige ADR-Klausel genügt den aufgestellten Mindestanforderungen an Klarheit und Bestimmtheit.242 Rechtsfolge eines Verstoßes gegen eine solch durchsetzbare Pflicht zur Durchführung eines ADR-Verfahrens kann dabei wie bereits erwähnt neben der Aussetzung eines zu früh eingeleiteten Gerichtsverfahrens auch die Auferlegung von Kostensanktionen sein. Gemäß CPR 44.3 liegt es im Ermessen des Gerichtes, vom Grundsatz der Kostentragung durch die unterlegene Partei abzuweichen und unter Berücksichtigung unter anderem der jeweiligen Bemühungen der Parteien, den Konflikt gütlich beizulegen,243 einer der Parteien einen erhöhten Anteil der Kosten aufzuerlegen.244 Gerade von diesem Recht wurde durch englische Gerichte in einer Vielzahl von Fällen Gebrauch gemacht.245 In Zusammenhang mit antizipierten ADR-Abreden ist hier vor allem die Rechtssache Leicester Circuits Ltd. v. Coates Brothers Plc.246 von Interesse. In All rights of the parties in respect of the Dispute are and shall remain fully reserved and the entire mediation including all documents produced or to which reference is made, discussion and oral presentation shall be strictly confidential to the parties and shall be conducted on the same basis as without prejudice negotiations, privileged, inadmissible, not subject to disclosure in any other proceedings whatsoever and shall not constitute any waiver of privilege whether between the parties or between either of them and a third party. The mediation may be terminated should any party so wish by written notice to the appoint ed mediator and to the other party to that effect. Notice to terminate may be served at any time after the first meeting or discussion has taken place in mediation. If the Dispute has not been resolved to the satisfaction of either party within 90 days of service of the notice initiating mediation, or if either party fails or refuses to participate in the mediation, of if either party serves written notice terminating the mediation under this clause, then either party may refer to the Dispute to arbitration. Unless the parties otherwise agree, the fees and expenses of the mediator and all other costs of the mediation shall be borne equally by the parties and each party shall bear their own respective costs incurred in the mediation regardless of the outcome of the mediation. 241 [2012] EWCA Civ 638, 36. 242 Kayali, in: J. of Int. Arb. 6/2010, S. 551 ff. (570). 243 Vgl. CPR 44.5 (3) (a). 244 Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (438 f.). 245 So zum Beispiel in dem Fall Rolf v. De Guerin, [2011] EWCA Civ 78. Jedoch wurde von einer Auferlegung von Kosten in der letzten Zeit auch abgesehen, da die Verweigerung eines ADR-Verfahrens durch englische Gerichte als angemessen erachtet wurde. Vgl. etwa ADS Aerospace Limited v. EMS Global Tracking Limited, [2012] EWHC 2904 (TCC) oder Swaine Mason & Others v. Mills & Reeve (a firm), [2012] EWCA Civ 498. Vgl. näher zu dieser Möglichkeit Cornes, in: Arbitration 1/2007, S. 12 ff. (14 ff.); Phillips, in: Arbitration 4/2008, S. 406 ff. (411 ff.). 246 [2003] EWCA Civ 290 Absatz 34.
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dieser legte der Court of Appeal der obsiegenden Partei einen Teil der Kosten auf, da diese sich auf Druck ihres Versicherers nach Ansicht des Gerichtes verfrüht einem Mediationsverfahren entzogen hatte.247 Besonders interessant an dieser Entscheidung ist, dass der Court of Appeal die Verpflichtungswirkung einer ADR-Abrede in Bezug auf sein Kostenermessen weiter sah, als Colman J. dies in der Rechtssache Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd.248 hinsichtlich der Aussetzung des Verfahrens getan hatte: auch wenn eine Partei ihre Pflicht aus der Mediationsabrede als solche erfüllt hat, kann die angeblich verfrühte Beendigung des Verfahrens damit negative Folgen für sie haben, auch wenn sie in einem späteren Gerichtsverfahren in der Sache obsiegt. Trotz eigentlich vertragsgemäßen Verhaltens kann einer Partei damit eine (finanzielle) Sanktionierung dieses Verhaltens drohen.249 Diese faktische Aushöhlung der vereinbarten Verpflichtungsintensität der Mediationsabrede durch Gerichte ist vor allem vor dem Hintergrund der Autonomie der Parteien und der freiwilligen Natur des Mediationsverfahrens problematisch. Nicht nur wegen dieser Inkonsistenz, sondern auch aufgrund der kontrovers diskutierten Problematik der Vereinbarkeit des gerichtlichen Drängens250 hin zu ADR-Verfahren mit Artikel 6 I EMRK bleibt abzuwarten, wie sich die englische Rechtsprechung in nächster Zeit diesbezüglich entwickeln wird.251 Insgesamt kann heute vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass Mediationsabreden durch englische Gerichte in der Regel durch ein Aussetzen des Verfahrens durchgesetzt werden.252 Auch wenn mit der Rechtssache Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd.253 die Anforderungen an die Bestimmtheit der ADR-Abrede gesunken sind, sollten die Parteien auf einen möglichst hohen Grad der Bestimmtheit des Verfahrens achten, da ansonsten die Wahrscheinlichkeit der indirekten Durchsetzung im Lichte früherer Rechtsprechung sinken könnte.254
(3) Anwendung auf Klauselvorschlag Gerade im Lichte der neueren Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd.-, Holloway v. Chancery Mead Limited- und Sulmérica CIA Nacional de Seguros SA .v. Ene247
Dundas, in: Arbitration 2/2004, S. 150 ff. (154). [2002] EWHC 2059 (Comm). 249 Vgl. näher hierzu ANDREWS, in: Esplugues/Barona (Hrsg.), Global Perspectives on ADR, S. 103 ff. (109 ff.). 250 Aus der Möglichkeit der Kostenauferlegung folgt schließlich ein gewisser Druck auf die Parteien, das ADR-Verfahren entgegen der eigenen Überzeugung dennoch durchzuführen. 251 Vgl. näher zu dieser Problematik: Marriott, in: Arbitration 4/2005, S. 307 ff. 252 Cornes, in: Arbitration 1/2007, S. 12 ff. (18); Marriott, in: Arbitration 4/2005, S. 307 ff. (312); Jones, in: Arbitration 2/2009, S. 188 ff. (197); Poole, in: S. L. T. 23/2008, S. 155 ff. (155 f.); Scherpe/Vollers, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 274 f. 253 [2002] EWHC 2059 (Comm). 254 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (252 f.). 248
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sa Engenharia SA-Rechtsprechung und der bestehenden Parallelen zwischen der in diesen Fällen einschlägigen Klausel und dem dritten Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer ergibt sich der Befund, dass ein Verstoß gegen den dritten Klauselvorschlag wohl zur Aussetzung eines verfrüht eingeleiteten Gerichtsverfahrens führt.255 So wird durch den dritten Klauselvorschlag insbesondere durch den Verweis auf die ICC-ADR-Regeln und den klar verpflichtende Wortlaut des Klauselvorschlag den in der Rechtssache Holloway v. Chancery Mead Limited aufgestellten Anforderungen256 entsprochen. Ein Verstoß liegt dabei dann vor, wenn die Parteien ihrer Einleitungspflicht nicht nachgekommen sind, also nicht aktiv an der ersten obligatorischen Sitzung teilgenommen haben. Jedoch steht diese Pflicht wiederum unter der 45-tägigen Befristung des dritten Klauselvorschlags, womit nach Ablauf dieser Zeit für die Parteien keinerlei Verpflichtungen mehr bestehen, die Einleitung des ICCADR-Verfahrens tatsächlich voran zu treiben. Gelingt es zum Beispiel nicht, innerhalb dieser Frist einen neutralen Dritten zu finden und den ersten obligatorischen Termin abzuhalten, so sind die Parteien auch nicht mehr verpflichtet, tatsächlich einen solchen ersten Termin abzuhalten. Interessant wird die 45-tägige Frist vor allem jedoch noch vor dem Hintergrund der möglichen späteren Auferlegung von Kosten durch ein englisches Gericht. Wenn eine Partei das ICC-ADR-Verfahren nach Ablauf des ersten obligatorischen Termins, aber in den Augen eines englischen Gerichts voreilig für gescheitert erklärt, so kann das Gericht gemäß Artikel 44.3 CPR dieser Partei zusätzliche Kosten auferlegen. Macht das Gericht von dieser Befugnis Gebrauch, so kommt es zu einer klaren Aushöhlung der in dem dritten Klauselvorschlag vereinbarten Entbindungsfrist. Hier bleibt abzuwarten, wie englische Gerichte sich bei Aufkommen einer solchen Fallgestaltung entscheiden werden. Nicht nur aufgrund der generellen Kritik an dieser Sanktionsmöglichkeit, sondern insbesondere vor dem Hintergrund der Autonomie der Parteien und der freiwilligen Natur des ICC-ADR-Verfahrens bleibt zu hoffen, dass englische Gerichte hier nicht überschießenden Gebrauch von ihrem Ermessen machen. Vertragsgemäßes Verhalten im ICC-ADR-Verfahren würde ansonsten im Nachhinein sanktioniert werden.
dd. Australien In Australien ist die Entscheidung Hooper Bailie Associated Ltd. v. Natcon Group PTY Ltd.257 aus dem Jahr 1992 als frühester Fall zu sehen, der die Frage der Durchsetzung einer Schlichtungsabrede betraf und größere Aufmerksamkeit 255
Kallipetis/Ruttle, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 224. Vgl. zu diesen: [2007] EWHC 2495 (TCC), 81. 257 (1992) 28 NSWLR 194. 256
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genoss.258 In diesem Urteil wurde dabei auf drei frühere, nicht veröffentlichte Entscheidungen Bezug genommen, Reed Constructions Pty Ltd v. Federal Airports Corporation,259 AWA Ltd v. Daniels260 und Allco Steel (Queensland) Pty Ltd v. Torres Strait Gold Pty Ltd,261 wobei in den beiden erstgenannten Entscheidungen davon ausgegangen wurde, dass eine rechtlich bindende Mediationsvereinbarung bestehen kann und die letztgenannte Entscheidung dies ablehnte.262 In seinem Urteil in Hooper Bailie Associated Ltd. v. Natcon Group PTY Ltd. unterschied Giles J. dabei – wie die englische Rechtsprechung auch – die ADR-Abrede von einfachen “agreements to agree” oder “agreements to negotiate”.263 Dabei stellte er fest: “Depending upon its express terms and any terms to be implied, it may require of the parties participation in the process by conduct of sufficient certainty for legal recognition of the agreement.”264
Damit machte Giles J. die Durchsetzbarkeit einer ADR-Abrede von deren ausreichender Bestimmtheit abhängig,265 um die sich aus der ADR-Abrede ergebenden Verpflichtungen auch tatsächlich erkennen und damit durchsetzen zu können. Oberflächlich betrachtet schien Giles J. überraschenderweise dann in der Entscheidung Elizabeth Bay Developments Pty Ltd v Boral Building Services Pty Ltd,266 die sich auf Hooper Bailie Associated Ltd. v Natcon Group PTY Ltd. bezog, die Durchsetzbarkeit der in Frage stehenden ADR-Abrede aufgrund der Unbestimmtheit der Klausel wieder abzulehnen.267 Betrachtet man allerdings den genauen Kontext des Urteils, wird klar, dass Giles J. in Elizabeth Bay Developments Pty Ltd v Boral Building Services Pty Ltd lediglich konsequent sein in Hooper Bailie Associated Ltd. v Natcon Group PTY Ltd. aufgestelltes Bestimmtheitserfordernis anwendet. Er lehnt die Durchsetzbarkeit der Klausel dabei ab, da er Widersprüche zwischen der durch die Parteien verwendeten Standard-Mediationsklausel des Australian Commercial Dispute Centers (ACDC) und dessen Leitlinien sah.268 Zudem stellt er, wenn er auch nicht ausdrücklich über diese Frage entscheidet, fest, dass bei fehlender expliziter Einbeziehung der Leitlinien in die Standard-ACDC-Mediationsklausel diese nicht bestimmt 258
Tochtermann, in: Unif. L. Rev. 3/2008, S. 685 ff. (707). Supreme Court of New South Wales, 23. Dezember 1988, nicht veröffentlicht. 260 Supreme Court of New South Wales, 24. Februar 1992, nicht veröffentlicht. 261 Supreme Court of Queensland, 12. März 1990, nicht veröffentlicht. 262 Vgl. Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (162). 263 Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (8). 264 (1992) 28 NSWLR 194, 209. 265 Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (164). 266 (1995) 36 NSWLR 709. 267 Tochtermann, in: Unif. L. Rev. 3/2008, S. 685 ff. (707). 268 Tochtermann, in: Unif. L. Rev. 3/2008, S. 685 ff. (707). 259
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genug für eine Durchsetzbarkeit ist.269 Insgesamt präzisierte Giles J. sein Bestimmtheitserfordernis aus Hooper Bailie Associated Ltd. v Natcon Group PTY Ltd. in Elizabeth Bay Developments Pty Ltd v Boral Building Services Pty Ltd lediglich und verwarf nicht generell die Durchsetzbarkeit von Mediationsabreden. So stellte er abschließend fest: “Mediation is a valuable means of resolution of disputes, and agreements to mediate should be recognized and given effect in appropriate cases. Even assuming the incorporation of ACDC’s guidelines, however, the contracts in this case do not in my opinion meet the requirements considered in Hooper Bailie Associated Ltd. v. Natcon Group PTY Ltd., and in this respect also it may be appropriate for ACDC to give further consideration to what appears to be its standard documentation.”270
Ähnlich zu bewerten ist die spätere Rechtsprechung in Aiton Australia Pty Ltd v Transfield Pty Ltd.271 Auch hier war der vorsitzende Richter, Einstein J., grundsätzlich gewillt, durch ein stay of proceedings (Aussetzen des Verfahrens) Mediationsabreden durchzusetzen, sah sich in dem zu entscheidenden Fall jedoch aufgrund der in der Abrede fehlenden Regelung betreffend die Wahl und Vergütung des neutralen Dritten nicht dazu in der Lage, das konkrete Verfahren auszusetzen.272 In seinem Urteil verwies Einstein J. zudem zustimmend auf einen Beitrag von L. Boulle und R. Angyal,273 in dem diese Mindestanforderungen an durchsetzbare Mediationsabreden aufgestellt und dabei Bezug auf die Rechtssache Scott v. Avery274 genommen hatten.275 Bei der Rechtssache Scott v. Avery handelt es sich um ein sehr frühes australisches Urteil aus dem Jahr 1856, in dem als Voraussetzung für die prozesshindernde Wirkung einer Schiedsklausel festgelegt wurde, dass der Ausschluss von Klagen vor staatlichen Gerichten ausdrücklich vereinbart werden müsse.276 Anders als die bisher erwähnten Gerichte in New South Wales zeigte der Supreme Court von Victoria in der Rechtssache Computershare Ltd. v. Perpetual Registrars Ltd (No2)277 eine höhere Flexibilität und setzte eine Mediationsklausel, welche die Einzelheiten des Mediationsverfahrens nicht regelte, mit der Begründung durch, dass
269
Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (165). (1995) 36 NSWLR 709 at 716–717 271 (1999) NSWSC 996. 272 Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (91); Tochtermann, in: Unif. L. Rev. 3/2008, S. 685 ff. (708). 273 Zu finden unter http://www.austlii.edu.au/cgi-bin/sinodisp/au/other/lawreform/ALR CIP/1998/25.html?stem=0&synonyms=0&query=Review%20of%20the%20adversarial%20 system%20of%20litigation:%20ADR%20-%20its%20role%20in%20federal%20dispute%20 resolution (Stand 10. März 2016). 274 (1856) 10 ER 1121. 275 Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (168). 276 Magnus, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 577. 277 [2000] VSC 233 [14]. 270
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gerade die Flexibilität des Mediationsverfahrens es den Parteien sehr schwer ermögliche, dessen Details im Vorhinein zu regeln.278 Insgesamt werden damit ADR-Abreden in Australien durch die Gerichte im Wege eines stay of proceedings (Aussetzung des Verfahrens) dann durchgesetzt,279 wenn sie hinreichend bestimmt und klar formuliert sind280 sowie die Durchführung des ADR-Verfahrens als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren ausdrücklich vorsehen.281 Fraglich bleibt jedoch, ob auch der dritte Klauselvorschlag diesen durch die australische Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entspricht. Insofern ist insbesondere von Interesse, ob zum einen, vor dem Hintergrund der Aiton Australia Pty Ltd v. Transfield Pty Ltd282Rechtsprechung, der dritte Klauselvorschlag bestimmt genug und ausdrücklich ist, und ob er zum anderen, mit Bezug zur Elizabeth Bay Developments Pty Ltd v. Boral Building Services Pty Ltd283-Rechtsprechung, auch mit den ICC-ADRRegeln konsistent ist. Da der Klauselvorschlag ausdrücklich die ICC-ADRRegeln als integrativen Teil aufnimmt, ist ersterer Rechtsprechung insoweit genüge getan, als dass die ICC-ADR-Regeln subsidiäre Regelungen für alle wesentlichen Verfahrenspunkte inklusive der Auswahl und Vergütung des neutralen Dritten aufweisen,284 also ein hinreichend bestimmtes ADR-Verfahren vorgesehen ist. Zudem ergeben sich zwischen den ICC-ADR-Regeln selber und dem dritten Klauselvorschlag keinerlei Regelungsdiskrepanzen. Bedenklich an der Formulierung des dritten Klauselvorschlags ist alleine, dass durch ihn die klagehindernde Wirkung nicht ausdrücklich vereinbart wird und er damit nicht entsprechend den Vorgaben der Scott v. Avery285 Rechtsprechung formuliert ist. Insofern ist es im Hinblick auf die Aiton Australia Pty Ltd v. Transfield Pty Ltd286-Rechtsprechung wahrscheinlich, dass der dritte Klauselvorschlag gerade nicht zu einem Aussetzen des Verfahrens führen könnte.
278
Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (457). Magnus, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 577. 280 Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (454); Traders Pty Ltd v. Proceris Pty Ltd [2005] NSWSC 306 at para 33 ff. 281 Jones, in: Arbitration 2/2009, S. 188 ff. (196 f.). 282 (1999) 153 FLR 236. 283 (1995) 36 NSWLR 709. 284 Auch wenn dies nicht der Fall wäre, so bleibt zu bedenken, dass in zahlreichen Ländern, wie z. B. aufgrund der Mediationsrichtlinie in Deutschland, inzwischen subsidiär zur Anwendung kommende Normen geschaffen wurden, die gerade die nach Meinung Einstein J. der Durchsetzung entgegenstehende Lücke füllen. Damit besteht in den Fällen, in denen die ADR Abrede nur sehr grob formuliert ist, der Einwand, die Abrede wäre zu Unbestimmt um durchgesetzt zu werden, nicht mehr, da die subsidiären Regelungen diese Unbestimmtheit verhindern. 285 (1856) 10 ER 1121. 286 (1999) 153 FLR 236. 279
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
ee. Deutschland Für den deutschen Rechtsraum hat sich eine sehr klare Wirkung von ADRAbreden entwickelt. Zwar ist in Deutschland strittig,287 als welche Vertragsart die ADR-Abreden zu qualifizieren sind.288 Dies ist vor allem für die Frage der AGB-rechtlichen Zulässigkeit von ADR-Abreden zentral, da von ihr für den materiell-rechtlichen Teil die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB abhängt.289 Jedoch ist für den Fall der internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten,290 die den Fokus dieser Arbeit bilden – ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB291 – in der Regel davon auszugehen, dass die Mediationsabrede weder an § 305c BGB292 noch an § 307 BGB293 scheitert.294 Trotz der strittigen Qualifizierung ist die Wirkung der ADR-Abrede an sich jedoch für den deutschen Rechtsraum weitestgehend klar bestimmt. So besteht in Deutschland Einigkeit darüber, dass die ADR-Abrede sowohl materiell-rechtliche als auch
287
Vgl. näher Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 29 ff. Hacke sieht in ihr einen „Vertrag ‚sui generis‘ mit Nähe zum Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB“. Vgl. Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 64. Hutner sieht in der Mediationsvereinbarung hingegen einen zusammengesetzten Vertrag mit materiellrechtlichen und prozessvertraglichen Elementen, durch den die Parteien sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließen. Vgl. Hutner, in: SchiedsVZ 5/2003, S. 226 ff. (232). Dem entgegen qualifiziert Eidenmüller die materiell-rechtlichen Elemente als ein Dauerschuldverhältnis mit atypischem Inhalt und lehnt die Qualifizierung als BGB-Gesellschaft ab. Vgl. Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 9. 289 So würde im Falle der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der ADR Abrede i. S. d. §§ 705 ff. BGB es gem. § 310 IV 1 BGB nicht zur Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB kommen. Vgl. Hutner, in: SchiedsVZ 5/2003, S. 226 ff. (227), der jedoch übersieht, dass der prozessrechtlich zu qualifizierende Teil der ADR-Abrede keinesfalls gesellschaftsrechtlicher Natur sein kann und insofern der dilatorische Klageverzicht immer der AGB-Kontrolle unterworfen ist. A. A. ist Stürmer, der sich für den Fall der ADR-Abreden für eine teleologische Reduzierung des § 310 IV 1 BGB ausspricht. Vgl. Stürmer, Die Vereinbarung von Verfahren privater Streitbeilegung, S. 157 ff. 290 Hier kommt es gem. § 310 I BGB aufgrund der Unternehmerstellung der Konfliktparteien zu einer Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB, wodurch für den Fall der ADR-Abreden hier allein § 307 BGB und § 305 c BGB relevant sind. 291 Vgl. näher zur Frage der Anwendbarkeit Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 333. 292 Vgl. Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 124; Hess, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 1064; Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 46 f. Anders kann dieser Befund allerdings gerade für rein nationale Streitigkeiten ausfallen. 293 Anders zu bewerten könnte dies sein, wenn durch die ADR-Abrede ein Verfahren vereinbart wird, das elementaren Fairnessanforderungen, wie z. B. der Neutralität des Dritten, nicht mehr genügt oder durch die Umstände der dilatorische Klageverzicht faktisch zu einem peremptorischen wird. Vgl. Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.), AGB-Recht Kommentar, Rn. S 57; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 16 f.; MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rn. 261; Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 407 f.; Volkmann, Mediation im Zivilprozess, S. 70. 294 Siehe näher zur hierzu: Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.), AGB-Recht Kommentar, Rn. S 56 f.; Wagner, Prozeßverträge, S. 130 ff. 288
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prozessrechtliche Elemente aufweist295 und die Pflicht, an einem ADR-Verfahren teilzunehmen, damit sowohl über materiell-rechtliche als auch prozessrechtliche Abreden vereinbart werden kann.296 Über die rein prozessrechtliche Komponente der ADR-Abrede kommt es zu einem tatsächlichen Ausschluss ordentlicher Gerichtsverfahren. Der Ausschluss muss dabei nicht ausdrücklich vereinbart werden.297 Vielmehr ist die Vereinbarung der Durchführung eines ADR-Verfahrens aufgrund der negativen Wirkung paralleler Entscheidungsverfahren gemäß §§ 133, 157 BGB in der Regel298 dahingehend zu interpretieren, dass mit ihr konkludent auch ein Ausschluss konkurrierender Gerichtsverfahren bis zum Scheitern des ADR-Verfahrens vereinbart wurde.299 Der direkte Ausschluss des ordentlichen Gerichtsweges für den Zeitraum der Mediation erfolgt dabei über einen sogenannten dilatorischen Klageverzicht,300 der als pactum de non petendo vereinbart wird.301 Dieser beschränkt sich in seiner Wirkung alleine auf das prozessuale Recht.302 Im Bereich des materiellen Rechts soll durch diesen Ausschluss ordentlicher Gerichtsverfahren hingegen gerade keine Rechtsfolge ausgelöst werden.303 Der dilatorische Klageverzicht durch Schlichtungsklauseln ist in Deutschland nach ständiger Rechtsprechung304 als Ausschluss der Klagbarkeit zu sehen, der bei einer Verletzung der Abrede dazu führt, dass eine ihr entgegen erhobene Klage als „zur Zeit unzulässig“ abgewiesen wird.305 Maßnahmen des 295 Vgl.
Hutner, in: SchiedsVZ 5/2003, S. 226 ff. (232). Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 21. 297 Hacke, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 115. 298 Jedoch ist auch eine gegenteilige Interpretation denkbar, wenn z. B. durch ein Regelwerk, auf welches bezuggenommen wird, die freiwillige Variante als Regelfall festgelegt wird. Vgl. Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 231. 299 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 231; Cimmio, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 277; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 12 f.; Hess, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.) Mediation, S. 1079; Hau, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.) AGB-Recht Kommentar, S 54 ff.; Hutner, Das internationale Privatund Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 23; Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 99; Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 50 300 Der im Gegensatz zum peremptorischen Klageverzicht nicht dauernd eine in der Regel konkrete prozessuale Einzelbefugnis ausschließt, sondern nur befristet wirkt. Vgl. Wagner, Prozeßverträge, S. 421, 424. 301 Böttcher/Laskawy, in: DB 23/2004, S. 1247 ff. (1249). 302 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 120. 303 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 120; Wagner, Prozeßverträge, S. 426. 304 OLG Celle, NJW 1971, S. 288 f.; BGH, NJW 1977, 2263 f.; BGH, NJW 1984, 669 f.; BayOblG, NJW-RR 1996, S. 910; OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, S. 778; OLG Brandenburg, AnwBl 5/1998, S. 281; BGH, NJW 1999, 647 f.; LG Münster, DStRE 2001, 614 ff. 305 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 12 f.; Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (253); Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (710); Voser/Wittmer, Enforcement of Multi-tiered Dispute Resolution Clauses by National 296
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
einstweiligen Rechtsschutzes bleiben jedoch weiterhin zulässig.306 Die Verletzung der Schlichtungsklausel ist dabei eine Einrede, die gemäß § 282 III ZPO spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung durch die Partei geltend zu machen ist.307 Eine analoge Anwendung des für Schiedsverfahren geltenden § 1032 I ZPO auf Schlichtungsklauseln wird durch die ständige Rechtsprechung allerdings ausgeschlossen.308 Die Rechtsfolge der Unzulässigkeit einer entgegen einer Schlichtungsklausel erhobenen Klage greift jedoch nicht ausnahmslos. So führt eine Verletzung der Schlichtungsabrede dann nicht zur Unzulässigkeit einer Klage, wenn der in ihr vereinbarte Klageverzicht durch eine Partei treuwidrig ausgenutzt309 wird oder diese ihre eigene Mitwirkungspflicht an dem Schlichtungsverfahren verletzt.310 Insgesamt kann für den deutschen Rechtsraum damit festgehalten werden, dass hier Schlichtungsabreden direkt durch die Gerichte durchgesetzt werden und ein Verstoß gegen sie zur zeitweisen Unzulässigkeit einer Klage führt. Obwohl sich die bisherige Rechtsprechung zumeist auf Schlichtungsklauseln bezog, ist davon auszugehen, dass sie auch für sonstige ADR-Abreden gilt.311 Gerade die Weite, mit der in der bisherigen Rechtsprechung auf die Wirkung der Schlichtungsklauseln eingegangen wurde, spricht dabei für die Ausweitung auch auf andere ADR-Abreden. So wurde durch den BGH, anders als zum Beispiel durch englische Gerichte, gerade nicht allein auf den Wortlaut der Schlichtungsvereinbarung abgestellt, sondern auch auf den Zweck der Vereinbarung, der es nach Ansicht des BGH gebietet, dass die Durchführung Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 8; Wagner, Prozeßverträge, S. 425; Wieczorek/Schütz/Assmann, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, II 2, Vor. § 253 Rdn. 151; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 253 Rdn. 19. A. a. ist Walter, in: ZZP 103/1990, S. 141 ff. (162 ff.), der ein Ruhen des Verfahrens als besser geeignet empfindet und Stein/Jonas/Roth, ZPO, Band 4 Vor. § 253 Rn. 128, der die Klage als „derzeit unbegründet“ sieht. 306 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 13; Hess, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.) Mediation, S. 1060. 307 OLG Oldenburg, MDR 1987, S. 414 ff.; OLG Köln, MDR 1990, 638; BGH, NJW 1999, S. 647 f.; Hess, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.) Mediation, S. 1080; Stein/Jonas/Roth, ZPO, Band 4 Vor. § 253 Rn. 128. A. a. Zöller/Greger, ZPO, Vor § 253 Rn. 19; Wagner, Prozeßverträge, S. 439, 502. 308 BGH, NJW 1977, S. 2263; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 11; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.) AGB-Recht Kommentar, Rn. S 54; Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 401. 309 Vgl. näher hierzu Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 128 f. 310 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (253); Hess, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Mediation, S. 1080; Stürmer, Die Vereinbarung von Verfahren privater Streitbeilegung, S. 115 f.; Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 128 f.; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 253 Rn. 19. Vgl. BGH, NJW 1999, S. 647, in dem ein Schlichtungsverfahren daran gescheitert war, dass die später beklagte Partei ihren Anteil des für die Einleitung des Schlichtungsverfahrens notwendigen Gebührenvorschusses nicht bezahlte. 311 Dies sieht so für die Anwendung auf Mediationsklauseln: Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 12; Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (253); Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 402; Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (458).
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eines Schlichtungsverfahrens unter Ausschluss paralleler Gerichtsverfahren eine Muss-Bestimmung darstellt.312 Die Vermeidung paralleler Verfahren ist allerdings nicht allein für Schlichtungsverfahren, sondern für alle ADR-Verfahren wesentlich.313 Ferner ist zu bedenken, dass der BGH in seinem Urteil die Qualifizierung der Schlichtungsklausel als bindend auch damit begründete, dass es nach seiner Ansicht gerade Zweck von durch Institutionen – hier der Landestierärztekammer – herausgegebenen Musterverträgen ist, nationale Gerichtsverfahren vor Abschluss eines Schlichtungsverfahrens auszuschließen.314 Dies muss auch für die Musterklauseln anderer Institutionen, wie zum Beispiel der Internationalen Handelskammer,315 unabhängig von der ADR-Verfahrensart, gelten, da die herausgebenden Institutionen stets dieses Interesse verfolgen, zumal die Beilegung von Streitigkeiten unter ihrer Ägide ihr Geschäftsprinzip darstellt. Insgesamt ist die Rechtsprechung daher auf alle ADR-Verfahren auszudehnen, und nicht allein auf Schlichtungsabreden zu begrenzen. Neben der direkten prozessualen Wirkung über den dilatorischen Klageverzicht enthält die ADR-Abrede ferner Regelungen, die sich im Bereich des materiellen Rechts auswirken. Zwar wirkt der reine Ausschluss der Klagbarkeit allein auf prozessrechtlicher Ebene,316 doch enthält die ADR-Abrede neben ihm regelmäßig eine materiell-rechtliche Verfahrensförderungspflicht der Parteien.317 Die Verfahrensförderungspflicht lässt sich positiv dahingehend definieren, dass sie die Parteien dazu verpflichtet, die effektive Durchführung des ADR-Verfahrens zu ermöglichen und dieses nach Kräften zu fördern.318 Negativ formuliert gebietet es die Verfahrensförderungspflicht den Parteien, alles zu unterlassen, was den Zweck des ADR-Verfahrens gefährden könnte, wie zum Beispiel Passivität während der Sitzung oder Polemik gegenüber dem Verhandlungspartner.319 Unklar bleibt jedoch, welche Folgen sich an einen Verstoß gegen diese Pflicht knüpfen, zumal sowohl die Gerichte als auch die Literatur den Fokus ihrer Beobachtungen vor allem auf die prozessuale Wirkung legen.320 Gerade der Blick in fremde Rechtsordnungen offenbart für den materiell-rechtlichen Bereich, dass hier nur unzureichende Mittel zur Durchsetzung der Verfahrensförderungspflicht bestehen. So krankt die klagweise Geltendma312 Vgl. BGH, NJW 1984, S. 669. Auch das LG Münster begründete die Qualifizierung solcher Klauseln als zwingend aufgrund deren Zwecks. Vgl. LG Münster, DStRE 2001, S. 614. 313 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 231. 314 BGH, NJW 1984, S. 669. 315 Vgl. Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 50. 316 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 120; Wagner, Prozeßverträge, S. 426. 317 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 48; Hutner, in: SchiedsVZ 5/2003, S. 226 ff. (228). 318 Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 138. 319 Stürmer, Die Vereinbarung von Verfahren privater Streitbeilegung, S. 146; Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 138. 320 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S. 250 ff. (253).
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chung der Verletzung einer ADR-Abrede im Rahmen einer Erfüllungsklage an dem mit ihr einhergehenden Kosten- und Zeitaufwand.321 Damit würden die Vorteile eines einvernehmlichen Verfahrens im Zuge einer Erfüllungsklage zumindest teilweise wieder zunichte gemacht. Doch auch die Geltendmachung von Schadensersatz322 gelingt nur selten, zumal der Nachweis eines tatsächlich entstandenen Schadens nur schwer möglich erscheint.323 Insgesamt entsteht durch die prozessuale Wirkung einer ADR-Abrede damit ein weitaus effektiverer Schutz als durch die rein schuldrechtliche Wirkung der ADR-Abrede.324 Der materiell-rechtlichen Dimension der ADR-Abrede kommt damit in der Praxis eine nur untergeordnete Rolle für den Fall zu, dass eine Partei am ADR-Verfahren nicht teilnimmt, weil sie von der anderen Partei verklagt werden will. Für die Wirkung des dritten Klauselvorschlags bedeutet dies damit insgesamt, dass zumindest die prozessuale Wirkung in Deutschland klar bestimmt werden kann. Aufgrund der Zweckidentität mit Schlichtungsklauseln und der Parallelität der Ausgabeumstände ist damit davon auszugehen, dass ADR-Abreden in Form des dritten Klauselvorschlags verfrüht erhobene Klagen dann zeitweilig unzulässig werden lassen, wenn sich die beklagte Partei in nicht treuwidriger Weise auf ihre Verletzung im Verfahren tatsächlich beruft.325 Aufgrund des Wortlautes des dritten Klauselvorschlags ist die Wirkung des dilatorischen Klageverzichts zudem zum einen sachlich bis zur Absolvierung des ersten obligatorischen Termins als auch zeitlich auf 45 Tage ab Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens begrenzt.326 Insbesondere durch die hierdurch erreichte Sicherung der dilatorischen Natur der Klagebeschränkung scheitert die Wirksamkeit des dritten Klauselvorschlags auch nicht an den §§ 305 ff. BGB, zumal durch die ICC-ADR-Regeln ein faires Verfahren etabliert wird und die Verwendung solcher Klauseln im internationalen Handelsverkehr, anders als im deutschen,327 nicht als überraschend gesehen werden kann.328 Neben diesem dilatorischen Klageverzicht enthält der dritte Klauselvorschlag zudem nach deutschem Recht auch eine materiell-rechtliche Pflicht zur Förderung des ICC-ADR-Verfahrens. Diese stellt sich allerdings aufgrund der 321
Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 100; Trams, Die Mediationsvereinbarung, S. 142. Vgl. näher hierzu Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 329 ff. 323 Berger, in: RIW 1/2000, S. 1 ff. (8); Blobel/Späth, in: ZEuP 2005, S. 784 ff. (801); Stürmer, Die Vereinbarung von Verfahren privater Streitbeilegung, S. 150. 324 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 332; Lüke, in: FS Kollhosser Bd. II, S. 401. 325 Dies sieht im Ergebnis auch so Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 50. 326 Vgl. näher zur zeitlichen Geltung eines pactum de non petendo Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 126 f. 327 Bülow, in: Walz (Hrsg.), Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, S. 67; Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 96. 328 Letzteres sieht auch so: Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 124. 322
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oben beschriebenen Probleme sowohl bei der direkten zwangsweisen Durchsetzung im Rahmen einer Erfüllungsklage als auch im Rahmen der indirekten Durchsetzung im Wege einer Schadensersatzklage als in der Praxis weitestgehend unbewehrt dar. Insgesamt begründet eine Vereinbarung in der Form des dritten Klauselvorschlags der ICC-ADR-Regeln im deutschen Rechtsraum damit die Möglichkeit, unter Berufung auf den in ihr enthaltenen dilatorischen Klageverzicht verfrüht erhobene Klagen zur Unzulässigkeit zu bringen und damit die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens indirekt durchzusetzen.
ff. Frankreich In Frankreich war die Rechtslage bezüglich der Durchsetzbarkeit von ADRAbreden lange Zeit unklar. Grundsätzlich ging der französische Kassationsgerichtshof zwar davon aus, dass ADR-Abreden rechtmäßig und wirksam sind und die ADR-Abrede Teil der vertraglichen Pflichten der Parteien ist und diese damit gem. Artikel 1134 Code Civile bindet.329 Die prozessuale Wirkung von ADR-Abreden war jedoch lange Zeit unklar. Gerade diese ist aber für die Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden zentral, zumal die klassischen zivilrechtlichen Sanktionen den Parteien ein nur wenig scharfes Schwert bieten.330 So wird es den Parteien nicht nur schwer möglich sein, einen tatsächlich durch die Verletzung einer ADR-Abrede entstandenen Schaden nachzuweisen,331 sondern auch eine Verurteilung zur Vertragserfüllung verspricht nur wenig Erfolg.332 Anfänglich schien der französische Kassationshof Schlichtungsabreden noch direkt über die Aussetzung des Verfahrens durchzusetzen. So bestätigte die zweite Zivilkammer des Kassationshofes in der Rechtsache Policlinique des Fleurs c/ Peyrin333 die Entscheidung einer unteren Instanz, welche die Aufnahme eines Verfahrens verweigerte, da die antragende Partei gegen eine Schlichtungsabrede verstieß.334 Von dieser Linie entfernte sich der französische Kassationshof 2001 allerdings wieder mit zwei Urteilen der ersten Zivilkammer,335 wodurch die Rechtslage wieder unklar wurde. Dabei entscheid die 1ére Chambre commerciale der Cour de cassation sowohl in der Rechtssache Clini329
Cour de Cassation, 28. November 1995, Rev. arb. 1996, S. 613 ff. (614). Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 197. 331 Mourre, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 63 ff. (67) 332 Dieser Meinung ist auch Jarrosson, der soweit geht, die fehlende Eignung mit der Redensart “you can ‘bring a horse to water, but you can not make it drink’” zu beschreiben. Vgl. Jarrosson, in: Arb. Int. 3/2003, S. 363 ff. (364). 333 Cour de cassation, 2. Juli 2000, Rev. arb. 4/2001, 749 ff. mit Kommentar von Jarrosson. 334 Voser/Wittmer, Enforcement of Multi-tiered Dispute Resolution Clauses by National Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 6. 335 Cour de cassation, 23. Januar und 6. März 2001, Rev. arb. 2001, S. 749 ff. mit Kommentar von Jarrosson. 330
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
que du Morvan c/ Vermuseau336 als auch in der Rechtssache SNEP et autres c/ SNAM et SPEDIDAM337 abweichend von der Rechtsprechung in Policlinique des Fleurs c/ Peyrin, dass eine Schlichtungsabrede gerade keine „fin de non recevoir338“ begründet.339 Die letztendliche Klärung der Behandlung von Verstößen gegen Schlichtungsabreden erfolgte schließlich im Jahr 2003 mit dem Urteil Poiré c/ Tripier340 der Chambre mixte der Cour de cassation. Diese urteilte, dass eine Klage bei Nichtbeachtung einer gültigen Schlichtungsklausel in einem Vertrag grundsätzlich unzulässig („non recevable“) ist und dass die Unzulässigkeit der Klage („fin de non-recevoir“) den Richter bindet, sobald sie durch den Beklagten vor diesem geltend gemacht wird.341 Mit der „fin de non-recevoir“ folgte die Chambre mixte der ursprünglichen Rechtsprechung der zweiten Zivilkammer des Kassationshofes in der Rechtssache Policlinique des Fleurs c/ Peyrin und stellte fest, dass ein solcher Ausschluss auch vertraglich vereinbart werden kann.342 Dem Urteil der Chambre mixte folgte schließlich die Chambre commerciale der Cour de cassation in einem späteren Urteil aus dem Jahr 2005, in dem sie das ursprüngliche Urteil dahingehend weiter konkretisierte, dass die Verteidigung der „fin de non-recevoir“ in jeder Stufe des Verfahrens erhoben werden kann.343 Auch wenn die erwähnte Rechtsprechung sich ausschließlich auf Schlichtungsabreden bezog, so kann sie auch auf andere ADR-Abreden ausgedehnt werden. So entschied die 1ére Chambre civile der Cour de cassation in der Rechtssache Sté MGC International c/ LCF Production,344 dass in der Sache einer Mediationsabrede die gleiche Wirkung wie einer Schlichtungsabrede zukommt.345 Streitig bleibt allerdings weiterhin, ob die Unzulässigkeit der Klage aufgrund des „fin de non-recevoir“ durch die Parteien geltend gemacht werden muss oder aber auch der Richter unaufgefordert die Unzulässigkeit feststellen kann.346 Fraglich ist, ob die durch französische Gerichte festgestellte Wirkung auch durch den dritten Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer aus336
Cour de cassation, 23. Januar 2001, Rev. arb. 2001, S. 751. Cour de cassation, 6. März 2001, Rev. arb. 2001, S. 751 f. 338 Die „fin de non-recevoir“ ist im französischen Recht eine von drei möglichen Wegen, sich innerhalb eines Zivilverfahrens zu verteidigen. Geregelt ist die „fin de non-recevoir“ in den Artikeln 122 und 124 des Nouveau Code de procédure civile (N. C. P. C.). 339 Rev. arb. 2001, S. 749 ff. (751 f.). 340 Cour de cassation, 14. Februar 2003, Rev. arb. 2003, S. 403 ff. mit Kommentar von Jarrosson. 341 Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 198. 342 Jarrosson, in: Arb. Int. 3/2003, S. 363 ff. (364 f.); Lagarde, in: RDC 2003, S. 189 ff. (194). 343 Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (709). 344 Cour de cassation, 8. April 2009, 345 Béguin, in: JCP G 47/2009, S. 462 f. (462). 346 Cadiet, in: RDC 2003, S. 182 ff. (188 f.); Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 198. 337
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gelöst wird. Durch ihre Aufnahme in ein Vertragswerk erfüllen die Parteien die Voraussetzung der schriftlichen Abfassung der ADR-Abrede.347 Zudem ist ein zur Unwirksamkeit der ADR-Abrede führender348 Verstoß des dritten Klauselvorschlags gegen gesetzliche Bestimmungen des französischen Privatrechts nicht ersichtlich. Insgesamt bedeutet dies für die Wirkung des dritten Klauselvorschlags der Internationalen Handelskammer, dass dieser durch französische Gerichte grundsätzlich im Wege des fin de non-recevoir zumindest dann durchgesetzt wird, wenn ein Verstoß im Verfahren durch eine Partei vorgebracht wird. Aus ADR-Abreden entsteht den Parteien dabei zum einen die Pflicht, bis zum Scheitern des ADR-Verfahrens kein Gerichtsverfahren einzuleiten und zum anderen die Pflicht, in gutem Glauben an dem ADR-Verfahren tatsächlich teilzunehmen und dieses zu organisieren.349 Unberührt bleibt allerdings das Recht der Parteien, nationale Gerichte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzurufen.350 Damit sind die Parteien nach französischem Recht dazu angehalten, im Falle der Einbeziehung des dritten Klauselvorschlags auch tatsächlich ein ICC-ADRVerfahren durchzuführen beziehungsweise zumindest an der gemäß Artikel 5 I der ICC-ADR-Regeln351 obligatorischen ersten Sitzung aktiv teilzunehmen. Die rein passive Teilnahme an dieser ersten Sitzung reicht hingegen nach französischem Recht nicht aus. Die Wirkung des dritten Klauselvorschlags sieht jedoch auch eine 45-tägige Frist vor, nach deren Ablauf aus der Klausel für die Parteien keinerlei Verpflichtungen mehr bestehen.352 Da die vertragliche Abrede Grundlage des fin de non-recevoir ist, bildet diese auch dessen Grenzen und definiert die Voraussetzungen für den fin de non-recevoir. Folglich besteht nach Ablauf der 45 Tage ab Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens nach französischem Recht für die Parteien für die Anrufung eines ordentlichen Gerichts keinerlei Hürde mehr.
gg. Schweiz In der Schweiz findet sich, im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Rechtsordnungen, eine in Teilen abweichende und zudem sehr unklare Rechtslage bezüglich der Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden. Dabei ist insbesondere noch unklar, in wie weit durch das In-Kraft-Treten der neuen Schweizerischen 347 Lagarde, in: RDC 2003, S. 189 ff. (192 f.); Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 198. An dem Schriftformerfordernis zweifelnd Cadiet, in: RDC 2003, S. 182 ff. (186). 348 Vgl. Cadiet, in: RDC 2003, S. 182 ff. (186); Lagarde, in: RDC 2003, S. 189 ff. (191 f.). 349 Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 197. 350 Cadiet, in: RDC 2003, S. 182 ff. (186); Jarrosson, in: Arb. Int. 2/2003, S. 403 ff. (416). 351 Erst nach dieser obligatorischen ersten Sitzung ist es den Parteien möglich, dass Verfahren gem. Art. 6 I der ICC-ADR-Regeln für beendet zu erklären. Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 20, 28. 352 Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 36.
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Zivilprozessordnung zum 1. Januar 2011 es zu Änderungen der zuvor bestehenden Rechtslage kam. Doch auch die zuvor bestehende Rechtslage war teilweise unklar. Der in der ADR-Abrede enthaltene pactum de non petendo war nach altem Recht wohl als rein materiell-rechtlich und nicht prozessrechtlich zu qualifizieren.353 Eine Blockierung der Klageerhebung war nach altem Recht nicht vorgesehen.354 So entschied das Züricher Kassationsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 1999, dass die Verletzung der ADR-Abrede nicht die Erhebung einer Klage behindert.355 Das Gericht qualifizierte die ADR-Abrede vielmehr als nach kantonalem Recht materiell-rechtlich, womit ihre Einhaltung keine Prozessvoraussetzung ist.356 Folge dieses Urteils war damit, ob des nur schweren Nachweises eines tatsächlich entstandenen materiellen Schadens, die effektive Sanktionslosigkeit der Verletzung von ADR-Abreden, womit diese zu einem reinen Lippenbekenntnis verkümmerten.357 Klagen in der Schweiz durften zum damaligen Zeitpunkt nicht mit dem Hinwies auf vertragswidriges Verhalten der die ADR-Abrede verletzenden Partei abgewiesen werden.358 Zudem ist nach Schweizer Recht auch die Auferlegung der Kosten als Sanktion gegen die Verletzung der ADR-Abrede abzulehnen,359 womit insgesamt in der Schweiz allein der materiell-rechtliche Weg der Durchsetzung von ADR-Abreden offen zu stehen schien. Gegen diese Lösung einer rein materiell-rechtlichen Wirkung von ADRAbreden sprachen sich in der Folge dann jedoch einige Autoren aus.360 Noch unklarer wurde die Rechtslage in der Schweiz dann durch einen späteren Beschluss des obersten Gerichtes des Kantons Zürich aus dem Jahr 2001.361 Dieses entschied in seinem Urteil zwar nicht über die Frage der Qualifizierung einer ADR-Abrede, lehnte in einem obiter dictum allerdings, anders als das Kassationsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 1999, die prozessrechtliche Qualifizierung von ADR-Abreden nicht ab, sondern überließ die Entscheidung einem 353 Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (7); Eiholzer, Streitbeilegungsabrede, S. 184 f.; Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (329 f.); Voser/Wittmer, Enforcement of Multi-tiered Dispute Resolution Clauses by national Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 4; Walther, in: AJP 7/2001, S. 755 ff. (762). 354 Kumpan/Bauer, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 865 f. 355 Veröffentlicht in ZR 99 (2000) Nr. 29 und in ASA Bulletin 2/2002, S. 373 ff. 356 ASA Bulletin 2/2002, S. 375. 357 Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (330); Voser, in: ASA Bulletin 2/2002, S. 376 ff. (377). 358 Eiholzer, Streitbeilegungsabrede, S. 185; der dabei explizit die zeitliche Vorläufigkeit seiner Aussage zum Ausdruck bringt. 359 Eiholzer, Streitbeilegungsabrede, S. 192. 360 Boog, in: ASA Bulletin 1/2008, S. 103 ff. (107 f.); Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 12; Voser, in: ASA Bulletin 2/2002, S. 376 ff. (377). 361 ZR 101 (2002), Nr. 21, S. 77–81.
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Schiedstribunal.362 Diese unsichere Rechtslage verstärkte ferner ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahr 2007,363 in dem das Gericht zwar wieder nicht direkt über die Folgen eines Verstoßes gegen eine ADR-Abrede entschied, aber zumindest auf die Umstrittenheit dieser Frage hinwies.364 Zudem enthielt auch dieses Urteil ein obiter dictum, in dem das Gericht der Ansicht zu folgen schien, die ADR-Abrede als prozessrechtlich zu qualifizieren und als Folge des Verstoßes das Verfahren zeitweise auszusetzen.365 Insgesamt bleiben die Folgen eines Verstoßes gegen ADR-Abreden für den Rechtsraum der Schweiz sowohl nach altem als auch nach neuem Recht damit weiter unklar. Es scheint sich mit der neueren Rechtsprechung unter dem alten recht allerdings ein Trend hin zur prozessrechtlichen Qualifizierung von ADRAbreden abzuzeichnen. Damit kann bezüglich der rechtlichen Wirkung des dritten Klauselvorschlags für die Schweiz mit Sicherheit lediglich festgestellt werden, dass es den Parteien theoretisch366 möglich ist, bei einem Verstoß entweder im Wege der Erfüllungsklage oder aber über die Geltendmachung von Schadensersatz367 die Einhaltung der ADR-Abrede zu gewährleisten.368 Eine indirekte Durchsetzung des dritten Klauselvorschlags durch Aussetzung des Verfahrens oder aber im Wege der zeitweiligen Unzulässigkeit eines Gerichtsverfahrens erfolgt nach schweizerischem Recht bis jetzt jedoch nicht. Faktisch entfaltet der dritte Klauselvorschlag bezüglich der Verpflichtung, ein ICCADR-Verfahren durchzuführen, im Schweizer Rechtsraum keinerlei bindende Wirkung.
hh. USA Wie bereits bei der näheren Betrachtung des zweiten Klauselvorschlags angesprochen, ist eine allgemeingültige Rechtsposition betreffend die Wirkung von ADR-Abreden für die Vereinigten Staaten von Amerika nur schwer möglich. Dennoch soll versucht werden, ein Abbild der Rechtslage zu schaffen. Die erste tiefgehende Analyse U. S.-amerikanischer Urteile zu Rechtsfragen der 362 Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (330); Voser/Wittmer, Enforcement of Multitiered Dispute Resolution Clauses by national Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 4. 363 4A_18/2007 vom 6. Juni 2007; Veröffentlicht in ASA Bulletin 1/2008, S. 87 ff. 364 Boog, in: ASA Bulletin 1/2008, S. 103 ff. (104 f.). 365 Boog, in: ASA Bulletin 1/2008, S. 103 ff. (110); Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (709 f.). 366 Theoretisch bleibt diese Möglichkeit vor allem aufgrund des nur schweren Nachweises eines Schadens und der begrenzten Wirkung einer auf Erfüllung gerichteten Klage, zumal diese rein zeitlich nicht unmittelbar dazu führt, dass die Parteien das vereinbarte Verfahren durchführen. 367 Siehe näher hierzu Eiholzer, Streitbeilegungsabrede, S. 148 ff. 368 Im Ergebnis anders könnte die Frage jedoch im Zusammenhang mit einer Schiedsabrede zu beurteilen sein.
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Mediation findet sich in einem Beitrag der Professoren James Coben und Peter Thompson,369 die für den Zeitraum zwischen 1999 und 2003 über 1200 Urteile zur Mediation auswerteten und dabei ein erstes kohärentes Bild der U. S.-amerikanischen Rechtsprechung zur Mediation erstellten.370 Bezüglich der Durchsetzbarkeit von durch die Parteien vereinbarten Mediationsabreden kamen die Autoren dabei zu dem Ergebnis, dass diese regelmäßig durch U. S.-Gerichte durchgesetzt werden.371 Dieses grundsätzliche Urteil wird durch zahlreiche weitere Autoren geteilt.372 Die Durchsetzung von ADR-Abreden wurde durch die U. S.-amerikanischen Gerichte dabei entweder über die Anwendung des Federal Arbitration Act (FAA) oder aber über vertragsrechtliche Grundsätze vorgenommen.373
(1) Anwendung des FAA auf Mediationsabreden Die Bundes- und Landesgerichte in den Vereinigten Staaten haben den Anwendungsbereich des FAA in einer Vielzahl von Fällen374 über die reine Anwendung auf Schiedsverfahren hinaus auch auf ADR-Abreden angewendet.375 Diese Ausweitung des Anwendungsbereichs beruht auf sowohl terminologischen als auch historischen Gründen sowie auf der Rechtsprechung des U. S. Supreme Court.376 Terminologisch ist dabei zu bedenken, dass nach amerikanischer Auffassung unter ADR-Verfahren alle Streitbeilegungsverfahren fallen, die alternativ zu staatlichen Gerichtsverfahren stehen.377 Damit sind nach U. S.-amerikanischer Auffassung sowohl das Entscheidungsverfahren der Schiedsgerichtsbarkeit als auch einvernehmliche Verfahren, wie zum Beispiel 369
Coben/Thompson, in: Harv. Neg. L. R. 11/2006, S. 43 ff. Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (710). 371 Coben/Thompson, in: Harv. Neg. L. R. 11/2006, S. 43 ff. (108). 372 Vgl. z. B.: Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 10 f.; Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 431; Stipanowich, in: Wis. L. Rev. 2001, S. 831 ff. (860 ff.). 373 Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 11. 374 Beispiele für Fälle vor Bundesgerichten sind: Fit Tech Inc. v. Bally Total Fitness Hold ing Corp., 374 F. 3d 1 (1st Cir. 2004); Wolsey Ltd. v. Foodmaker Inc., 133 F. 3d (9th Cir. 1998). Beispiele für Fälle vor Landesgerichten sind: AMF Inc. v. Brunswick Corp., 621 F. Supp. 456 (E. D. N. Y. 1985); Cecala v. Moore, 982 F. Supp. 609 (N. D. III. 1997); CB Richard Ellis Inc. v. American Environmental Waste Management, 1998 U. S. Dist LEXIS 200064 (E. D. N. Y. 4. Dezember, 1998); Mortimer v. First Mount Vernon Industrial Loan Ass., No. Civ. AMD 03–1051, 2003 WL 23305155 (D. Md. 19. Mai, 2003). 375 Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 430; Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (443). 376 Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (697 ff.). 377 Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (444). Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel II § 3 II. 370
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die Mediation, zu den ADR-Verfahren zu zählen.378 Diese terminologische Parallele könnte ein Grund für die Ausweitung des Anwendungsbereiches des FAA sein,379 fallen beide Arten der Streitbeilegung schließlich unter ein und dieselbe Oberkategorie. Diese terminologische Parallele beider Verfahren findet sich auch auf historischer Ebene. Vor Erlass des FAA, ehemals United States Arbitration Act (USAA),380 begegneten U. S.-amerikanische Gerichte, dem Beispiel englischer Gerichte folgend, Schiedsverfahren mit besonderer Feindseligkeit, woraus die Ablehnung der Durchsetzbarkeit von Schiedsvereinbarungen in der Anfangszeit resultierte.381 Mit dem Erlass des FAA verfolgte der U. S.-amerikanische Kongress das Ziel, sich von dieser Parallelität zur englischen Rechtsprechung zu trennen und letztendlich der ablehnenden Haltung U. S.-amerikanischer Gerichte gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit ein Ende zu bereiten, was in der Folge auch gelang.382 Insofern war die Ausgangslage der Schiedsabreden ähnlich wie die der ADR-Abreden, womit historisch eine klare Parallele diesbezüglich besteht. Schließlich folgte man ursprünglich auch dem englischen Vorbild, ADR-Abreden als nicht durchsetzbar zu qualifizieren. Zuletzt bildet die Rechtsprechung des U. S. Supreme Court einen Grund für die Ausweitung des Anwendungsbereiches des FAA. Dieser hat in der Vergangenheit den Parteien bei der Frage der Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten einen nahezu uneingeschränkten Spielraum eingeräumt.383 Diese liberale Einstellung verdeutlich vor allem die Rechtssache Moses H. Cone Memorial Hospital v. Mercury Construction Corp,384 in welcher der U. S. Supreme Court für § 2 FAA feststellte: “Section 2 is a congressional declaration of a liberal federal policy favouring arbitration agreements, notwithstanding any state substantive or procedural policies to the contrary. [….] any doubts concerning the scope of arbitral issues should be resolved in favor of arbitration, whether the problem at hand is the construction of the contract language itself or an allegation waiver, delay or a like defence to arbitrability”385
378 Garner, Black’s Law Dictionary, S. 119; Demeyere, in: Arb. Int. 3/2003, S. 313 ff. (322); Duve, BB Beilage 10/1998, S. 9 ff. (9); Plant, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 75 ff. (75); Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 7. 379 Dieser Meinung ist: Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (697). 380 1947 wurde der alte USAA durch den Kongress als FAA neu kodifiziert, Vgl. Jacob, in: J. Marshall L. Rev. 30/1997, S. 1099 ff. (1105). 381 Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (698). 382 Ralph, in: Harv. Neg. L. Rev. 10/2005, S. 383 ff. (388); Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (444 f.). 383 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S. 86. 384 460 U. S. 1, 102 S. Ct. 927 (1983). 385 460 U. S. 1 at 24–25, 102 S. Ct. 927(1983), 941 So auch zitiert durch Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (445).
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Auf der Ratio dieser Rechtsprechung beruhend kam es in Folge der zunehmenden Popularität einvernehmlicher Verfahren schließlich zu der Ausweitung des Anwendungsbereiches der Bestimmungen des FAA durch U. S.-amerikanische Gerichte.386 Die Ausweitung der Anwendbarkeit des FAA, und damit auch auf dessen § 3,387 begründeten die Gerichte mit der im FAA fehlenden Definition des Begriffes “Arbitration”,388 wodurch sich den Gerichten innerhalb des FAA der Freiraum eröffnete, auch die Verhandlung und Mediation unter diesen Begriff zu subsumieren.389 So entschied das Eastern District Gericht von New York in der Rechtssache AMF Inc. v. Brunswick Corporation,390 dass der Geltungsbereich des FAA sich auf alle Streitbeilegungsmechanismen erstreckt, in denen die Parteien “… have agreed to submit a dispute for a decision by a third party …”, selbst wenn die Entscheidung des Dritten nicht bindend sein sollte.391 Auf einvernehmliche Verfahren ohne Entscheidung des neutralen Dritten ausgeweitet wurde der Anwendungsbereich des FAA dann durch die Rechtsache CB Richard Ellis Inc. v. American Enviromental Waste Management,392 die sich auf AMF Inc. v. Brunswick Corporation berief und bindende Mediationsklauseln im Anwendungsbereich des FAA sah.393 In der Rechtssache Allied Sanitation Inc. v. Waste Management Holdings Inc.394 wurde diese Rechtsprechung noch dahingehend erweitert, dass reine Verhandlungsabreden 386
Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (699). 9 U. S. C. Section 3 eröffnet den Gerichten die Möglichkeit, das Verfahren bei Verstoß gegen eine “arbitration” Abrede auszusetzen: “If any suit or proceeding be brought in any of the courts of the United States upon any issue referable to arbitration under an agreement in writing for such arbitration, the court in which such such suit is pending, upon being satisfied that the issue involved in such suit or proceeding is referable to arbitration under such an agreement, shall on application of one of the parties stay the trial of the action until such arbitration has been had in accordance with the terms of the agreement, providing the applicant for the stay is not in default in proceeding with such arbitration”. 388 9 U. S. C. Section 2, der die Rechtswirksamkeit, Unwiderruflichkeit und Durchsetzung von Schiedsabreden betrifft, lautet: “A written provision in … a contract evedencing a transaction involving commerce to settle by arbitration a controversy thereafter arising out of such contract or transaction, or refusal to perform the whole or any part thereof, or an agreement in writing to submit to arbitration an existing controversy arising out of such contract, transaction, or refusal shall be valid, irrevocable, and enforceable, save upon such grounds as exist at law or in equity for the revocation of any contract:”. 389 Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 11; Stipanowich, in: Wis. L. Rev. 2001, S. 831 ff. (858); Tochtermann, in: ZZPInt 11/2006, S. 429 ff. (446 f.). 390 621 F. Supp. 456 (E. D. N. Y. 1985). 391 621 F. Supp. 456 (E. D. N. Y. 1985) 459 f. 392 1998 U. S. Dist. LEXIS 200064 (E. D. N. Y. 4. Dezember, 1998). 393 Dieser Entscheidung zeitlich vorausgehend urteilte das Bezirksgericht des Northern District of Illinois in der Rechtssache Cecala v. Moore (982 F. Supp. 609 (N. D. III. 1997)) bereits im Grundsatz entsprechend, wobei hier allerdings über den Anwendungsbereich einer dem § 3 FAA sehr ähnlichen Vorschrift des Illinois Uniform Arbitration Act ( 710 III. Comp. Stat. 5/2(d)) entschieden wurde. Vgl.: Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (700). 394 97 F. Supp. 2d 320 (E. D. N. Y 2000). 387
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auch unter den „Arbitration“-Begriff des FAA fallen.395 Das Gericht stellte ferner fest, dass das “… concept of arbitration plausibly embraces all contractual dispute resolution mechanisms, consistent with the Congress’s design to foster alternative means to resolving litigation.”.396 Eine weitere, mit den vorherigen Urteilen gleichlaufende Entscheidung ist Fisher v. GE Medical Systems,397 in der das Gericht erneut feststellte, dass § 3 FAA auf Mediationsabreden Anwendung findet.398 Neuere Rechtsentwicklungen und Urteile sehen hingegen andere ADRAbreden als Schiedsabreden nicht im Anwendungsbereich des FAA. So entschieden der United States Court of Appeal des Third Circuit in der Rechtssache Harrison v. Nissan Motor Corporation U. S. A.399 und der United States District Court des District of Kansas in der Rechtssache Lynn v. General Electric Company,400 dass Mediationsabreden nicht in den Anwendungsbereich des FAA fallen.401 Auch sehen einige Autoren in der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des FAA auf einvernehmliche Abreden einen Irrweg der Gerichte, der zu zahlreichen Problemen führt.402 Zudem spricht die neuere Entwicklungsgeschichte des Uniform Mediation Act (UMA) und des Revised Uniform Arbitration Act (RUAA)403 gegen einen breiten, auch ADR-Abreden umfassenden Anwendungsbereich des FAA.404 So wurde durch die Verfasser des UMA davon ausgegangen, dass Mediationsabreden nach Common Law-Vertragsrecht generell durchsetzbar sind und als Folge der ehemals sich mit der Durchsetzbarkeit solcher Abreden befassende § 5 i einer vorläufigen Fassung des UMA405 in der endgültigen Version des UMA weggelassen.406 Insgesamt lassen damit gerade die neueren Rechtsentwicklungen die weitere Anwendung des FAA auf ADR-Abreden durch U. S.-Gerichte fraglich erscheinen.
395 Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 12. 396 97 F. Supp. 2d 320 (E. D. N. Y 2000) 327. 397 276 F. Supp 2d 891 (M. D. Tenn 2003). 398 Vgl. Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (701). 399 111 F. 3d 343 (3rd Cir. 1996). 400 No. 03–2662-GTV-DJW, 2005 WL 701270 (D. Kan. 20. Januar 2005). 401 Ersteres Gericht begründete dies mit der fehlenden abschließenden Wirkung von Mediationsverfahren und letzteres Gericht mit der in seinen Augen bezüglich des Klagerechts der Parteien fehlenden Verlustwirkung von Mediationsabreden. Vgl. Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (702 f.). 402 So z. B. Schmitz, in: Harv. Neg. L. Rev. 9/2004, S. 1 ff; Stipanowich, in: Wis. L. Rev. 2001, S. 831 ff. (863). 403 Vgl. Stipanowich, in: Wis. L. Rev. 2001, S. 831 ff. (861 f.). 404 Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (703). 405 Annual Meeting Draft vom 23.–30. Juli 1999. 406 Schmitz, in: Harv. Neg. L. Rev. 9/2004, S. 1 ff. (3).
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(2) Die Anwendung von Vertragsrecht Neben der Durchsetzung von Mediationsabreden über den FAA gab es in den Vereinigten Staaten von Amerika jedoch auch zahlreiche Gerichtsentscheidungen, in denen über die Anwendung einfachen Vertragsrechts Mediationsabreden durchgesetzt wurden.407 Diese betrafen zum einen Fälle, in denen die einvernehmliche Phase einer mehrstufigen ADR-Abrede übersprungen und durch eine Partei direkt ein Schiedsverfahren eingeleitet wurde.408 So entsprach das U. S.Bezirksgericht des östlichen Bezirks von Louisiana in der Rechtssache Semco, LLC v. Ellicott Machine Corporation International409 dem Antrag des Klägers und erließ wegen Verstoßes gegen die ADR-Abrede eine Verfügung, die das verfrüht angestrengte Schiedsverfahren untersagte.410 Doch auch in Fällen, in denen die ADR-Abreden vorsahen, dass die Parteien vor Verfolgung jeglicher anderer Rechtsmittel ein einvernehmliches Verfahren durchzuführen hätten, wurde durch U. S.-Gerichte diese Verpflichtung durchgesetzt.411 Die Durchsetzung der Abreden auf Grundlage des allgemeinen Vertragsrechts ist dabei als von der Behandlung der Frage unter dem FAA getrennt zu betrachten.412 In der Rechtssache AMF Inc. v. Brunswick Corporation413 ging das Gericht von der Durchsetzbarkeit sowohl unter dem FAA als auch nach allgemeinen Vertragsrechtsprinzipien aus.414 In der Rechtssache Lynn v. General Electric Company415 sah das Gericht hingegen den Anwendungsbereich des FAA nicht eröffnet und setzte die Abrede allein unter Anwendung vertragsrechtlicher Prinzipien durch. 407 Lakeland Fire District v. East Area General Contractors, Inc., 16 A. D. 3d 417 (Supr. Ct. N. Y., Appell. Div 2005); Waterman v. Waterman, No. FA010726150, 2003 WL 1962782 (Conn. Super. 3. April 2003); Philadelphia Housing Authority v. Dore & Assocs. Contracting, Inc., 111 F. Supp.2d 633 (E. D. Penn. 2000); Annapolis Professional Firefighters Local 1926, IAFF, AFL-CIO, et al. v. City of Annapolis, 100 Md.App. 714 (1993); DeValk Lincoln Mercury, Inc. v. Ford Motor Company, 811 F. 2d 326 (7th Cir. 1987); Semco, LLC v. Ellicott Machine Corporation International, 1999 U. S. Dist. LEXIS 10710 (E. D. La. 9. Juli 1999); Haertl Wolff Parker, Inc. v. Howard S. Wright Constructioin Co., 1989 U. S. Dist. LEXIS 14756 (D. Or. 4. Dezember 1989). 408 HIM Portland, LLC v. Devito Builders, Inc., 317 F. 3d 41, 44 (1st Cir. 2003); Kemiron Atlantic, Inc. v. Aguakem International, Inc., 290 F. 3d 1287, 1291 (11th 2002); Semco, LLC v. Ellicott Machine Corporation International, 1999 U. S. Dist. LEXIS 10710 (E. D. La. 9. Juli 1999). 409 1999 U. S. Dist. LEXIS 10710 (E. D. La. 9. Juli 1999). 410 Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 12. 411 DeValk Lincoln Mercury, Inc. v. Ford Motor Company, 811 F. 2d 326 (7th Cir. 1987); AMF Inc. v. Brunswick Corporation, 621 F. Supp. 456 (E. D. N. Y. 1985). 412 Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (704). 413 621 F. Supp. 456 (E. D. N. Y. 1985). 414 Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 13. 415 No. 03–2662-GTV-DJW, 2005 WL 701270 (D. Kan. 20. Januar 2005).
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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Insgesamt sind ADR-Abreden in den Vereinigten Staaten demnach als nach vertragsrechtlichen Grundsätzen durchsetzbar zu sehen, egal ob die einvernehmlichen Verfahren eine Vorstufe zu Schiedsverfahren bilden oder alleine stehen.416 Dieser Weg überzeugt dabei vor allem vor dem Hintergrund der Kritik gegenüber der Anwendung des FAA417 sowie des Umstandes, dass der Weg über vertragsrechtliche Grundsätze flexibler erscheint. Anders als die Durchsetzung über den FAA ermöglicht die Durchsetzung von ADR-Abreden über Common Law-Vertragsrechtsgrundsätze den entscheidenden Gerichten, von den Anforderungen des Schiedsverfahrens divergierende und an einvernehmliche Verfahren angepasste flexible Lösungen zu finden,418 weshalb dieser Lösungsansatz zu bevorzugen ist.419
(3) Zusammenfassung und Anwendung auf den Klauselvorschlag Insgesamt kann damit, trotz der Bedenken gegen die Anwendung des FAA auf ADR-Abreden, von deren Durchsetzbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika ausgegangen werde, solange die Klausel nicht lediglich ein bloßes Wahlrecht zwischen Mediation und Schiedsverfahren begründet.420 Problematisch ist jedoch die Rechtsfolgenseite des Verstoßes gegen ADR-Abreden. So scheinen U. S.-amerikanische Gerichte aufgrund der rechtlich problematischen Anwendung des FAA unsicher zu sein, wie genau sie eine ADR-Abrede durchsetzen sollen.421 Neben dem Aussetzen des Verfahrens422 wurden durch U. S.Gerichte klageabweisende Sachurteile423 und klageabweisende Prozessurteile ohne Sachentscheidung424 erlassen.425 Andere Gerichte verurteilten die ver416 Bienvenu, The Enforcement of Multi-Tiered Dispute Resolution Clauses in Canada and the United States, S. 14. 417 Vgl. zu dieser Kritik: Schmitz, in: Harv. Neg. L. Rev. 9/2004, S. 1 ff; Stipanowich, in: Wis. L. Rev. 2001, S. 831 ff. (863). 418 Schmitz, in: Harv. Neg. L. Rev. 9/2004, S. 1 ff. (74). 419 Schmitz, in: Harv. Neg. L. Rev. 9/2004, S. 1 ff. (74). 420 Vgl. Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 430, der auf den Fall Advanced Bodycare Solutions LLC v. Thione International, Inc., 2007 WL 1246024 (S. D. Fla., 2007) verweist. 421 Tochtermann, in: Unif. L. Rev 2008, S. 685 ff. (706). 422 So z. B. in: Philadelphia Housing Authority v. Dore & Associates Contracting Inc., 111 F. Supp.2d 633, 636 et seq (E. D. Penn 2000); Lynn v. General Electric Company No. 03–2662-GTV-DJW, 2005 WL 701270 (D. Kan. 20. Januar 2005). 423 So z. B. in: Jones v. Trawick, No. 98–6352, 1999 WL 273969 (10th Cir. 5. Mai, 1999); Gray and Assocs., LLC v. Ernst & Young LLP, No. 24-C-02–002963, 2003 WL 23497702 (Md. Cir. Ct. 11. Juni 2003). 424 So z. B. in: Mortimer v. First Mount Vernon Indus. Loan Assoc., No. Civ. AMD 03– 1051, 2003 WL 23305155 (D. MD. 19. Mai 2003); Tunnell-Spangler & Assocs., Inc. v. Katz, No. 3030100380, 2003 WL 23168817 (Pa. Com. Pl. 31. Dezember 2003). 425 Coben/Thompson, in: Harv. Neg. L. R. 11/2006, S. 43 ff. (109).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
stoßende Partei zur Vertragserfüllung (specific performance).426 Somit ist die tatsächliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen eine verpflichtende ADR-Abrede in den Vereinigten Staaten nicht klar zu bestimmen. Angemerkt soll zudem werden, dass durch U. S.-Gerichte in letzter Zeit ADR-Abreden differenzierter betrachtet wurden und auch das Verhältnis der Parteien in die Entscheidung einbezogen wurde. So entscheid sich der Federal District Court von Ohio in der Rechtssache Garrett v. Hooters-Toledo427 gegen die Durchsetzbarkeit einer ADR-Abrede, wobei diese Entscheidung vor allem auf einem Machtungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der groben Benachteiligung der Klägerin beruhte.428 Zudem darf die ADR-Abrede keine Ansprüche begründen, die im Widerspruch mit geltendem Recht, wie zum Beispiel wettbewerbstheoretischen Grundentscheidungen des Kartellrechts,429 stehen.430 Auf den dritten Klauselvorschlag angewandt ergibt sich damit für die Vereinigten Staaten insgesamt das Ergebnis, dass dieser, da er nicht lediglich ein bloßes Wahlrecht enthält, grundsätzlich als nach amerikanischem Recht durchsetzbar zu sehen ist. Fraglich ist allerdings, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen den dritten Klauselvorschlag in den Vereinigten Staaten hat. Auch muss durch die Parteien beachtet werden, dass weder die Klausel in einem Umfeld vereinbart wird, in dem eine Partei ihre Machtstellung gegenüber der anderen Partei unbillig ausnutzt,431 noch die durch sie begründeten Handlungs- und Unterlassungsansprüche gegen geltendes Recht verstoßen.
ii. Zusammenfassung Insgesamt ergibt sich damit für die rechtliche Wirkung des dritten Klauselvorschlags eine sehr unbeständige Rechtslage, die von Rechtsordnung zu Rechtsordnung stark divergiert. Rechtsangleichende Bemühungen klammerten die Frage der verpflichtenden Wirkung von ADR-Abreden bis jetzt aus, hatten keinen Erfolg oder enthalten, wie das UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation, nur unzureichende Regelungen. Fraglich bleibt, ob die Pluralität der Anforderungen an durchsetzbare ADRAbreden und der Qualifizierungen und Arten der Durchsetzung solcher Abreden sich auch tatsächlich negativ auf die Wirkung des dritten Klauselvorschlags 426
So z. B. in: Fisher v. GE Medical Systems, 276 F. Supp.2d 891 (M. D. Tenn. 2003). 295 F. Supp. 2d 774 (N. D. Ohio 2003). 428 Vgl. Näher zu dieser Rechtssache Ralph, in: Harv. Neg. L. Rev. 10/2005, S. 383 ff. 429 So entschieden in Ford Motor Company v. The Motor Vehicle Review Board, 788 N. E. 2d 187, 192 f. (Ill. App. 1st Dist., 2003). 430 Vgl. Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 430, der unter anderem auf die Fälle The State ex rel. Hunter v. Patterson, 664 N. E. 2d 524, 525 (Ohio, 1996) und Laeyt v. Laeyt, 268 A. D. 2d 815, 816 verweist. 431 Wie dies in Garrett v. Hooters-Toledo, 295 F. Supp. 2d 774 (N. D. Ohio 2003) der Fall war. 427
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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auswirkt. Wie sich nicht nur bei der Betrachtung der Rechtslage in Deutschland, Frankreich und der Schweiz gezeigt hat, führt die direkte Durchsetzung der in dem dritten Klauselvorschlag enthaltenen Verpflichtung im Wege der Erfüllungsklage oder der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatz nicht zum erwünschten Erfolg.432 Insofern stellt sich die Beschränkung auf eine rein materielle Wirkung in der Schweiz als problematisch dar. Doch nicht nur für den Schweizer Rechtsraum, sondern auch für Fälle, in denen die indirekte Durchsetzung im Wege prozessrechtlicher Sanktionen nicht funktioniert,433 müssen die Parteien einen Weg finden, trotzdem auf materiell-rechtlicher Ebene die ADR-Vereinbarung durchzusetzen. Ein Weg für die Parteien wäre hier, zusätzlich als Sanktion für einen Verstoß gegen die ADR-Abrede eine Vertragsstrafenregelung in die Abrede aufzunehmen.434 Dabei gilt es jedoch wieder die Grenzen des jeweilig anwendbaren nationalen Rechts zu beachten.435 Weitere Möglichkeiten sind Verfallklauseln oder der pauschalierte Schadensersatz.436 Doch auch in Rechtsordnungen, in denen die indirekte Durchsetzung des dritten Klauselvorschlags im Wege der prozessualen Durchsetzung möglich ist, ergeben sich zahlreiche Probleme. Anforderungen an die Bestimmtheit der Verpflichtung bilden dabei grundsätzlich ein nur geringes Hindernis für die Wirksamkeit des dritten Klauselvorschlags, da dieser in Verbindung mit den ICC-ADR-Regeln ein sehr bestimmtes ADR-Verfahren mit objektiven Anhaltspunkten für das Scheitern des Verfahrens vorzeichnet und damit in der Regel den nationalen Anforderungen und etwaig bestehenden Schriftformerfordernissen entspricht. Alleine der in Australien bestehenden Anforderung der ausdrücklichen Vereinbarung des Ausschlusses förmlicher Gerichtsverfahren wird durch den dritten Klauselvorschlag nicht genüge getan. An dieses Erfordernis sollten die Parteien den dritten Klauselvorschlag gegebenenfalls anpassen. Problematisch ist zudem die Rechtsfolgenseite eines Verstoßes gegen den dritten Klauselvorschlag. Ob die Gerichte wie in Deutschland eine verfrüht erhobene Klage als derzeit unzulässig abweisen oder aber wie in England das Verfahren lediglich aussetzen, kann dabei Auswirkungen auf den Lauf von Fristen haben. Noch schwerer wirkt der Erlass eines klageabweisenden Sachurteiles, wie dies durch einige US-amerikanische Gerichte getan wurde. Gerade für den US-amerikanischen Raum ist dabei die Rechtsfolgenseite für die Parteien nicht
432
Vgl. zu dieser Problematik näher auch noch Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 327 ff. So zum Beispiel wenn der Anspruchsgegner an dem ADR-Verfahren nicht teilnehmen will, weil er durch die andere Partei verklagt werden will. Vgl. Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 99. 434 Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 100. 435 Vgl. näher zu den Grenzen des deutschen Rechts mit einem Formulierungsvorschlag Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 333 ff. 436 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 434 f. 433
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
vorhersehbar. Diese Erhöhung der potentiellen Risiken eines ICC-ADR-Verfahrens kann sich auf dessen Attraktivität negativ auswirken. Auch die Reichweite der Verpflichtungswirkung von ADR-Abreden im Sinne des dritten Klauselvorschlags bildet einen Unsicherheitsfaktor, zumal es hierdurch für die Parteien unmöglich werden kann, vorherzusagen, wann sie zulässigerweise ein ADR-Verfahren beenden und ein Entscheidungsverfahren einleiten können. Wichtig ist hier das Vorliegen einer objektiven Anknüpfung für das Scheitern des ADR-Verfahrens, da eine sachbezogene Regelung subjektiv wäre und damit die Gefahr von Konflikten bezüglich ihrer Bestimmung entstünde.437 Grundsätzlich ist die Teilnahmeverpflichtung des dritten Klauselvorschlags allerdings auf die Absolvierung des ersten obligatorischen Termins begrenzt. Damit könnte eine Partei durch Behinderungen bei der Auswahl des neutralen Dritten und bei der Organisation und Durchführung des ersten obligatorischen Termins diese Teilnahmeverpflichtung nutzen, um das ICC-ADRVerfahren zur Prozessverschleppung zu missbrauchen. Insofern war es wichtig, mit einer objektiven Tagesfrist diese Gefahr zu verringern. Der Grund für deren Beginn ab dem Tag der Einreichung des Antrags auf Durchführung eines Verfahrens nach den ICC-ADR-Regeln ist, dass es beim Abstellen auf den Beginn des Verfahrens selber für eine Partei weiterhin möglich wäre, den Fristbeginn durch Nichterscheinen bei dem ADR-Verfahren zu verhindern.438 Nach Ablauf der 45 Tage von der Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ADRVerfahrens werden die Parteien schließlich von jeglicher Verpflichtung aus der Klausel frei,439 womit sie auch nicht mehr gezwungen sind, an einem obligatorischen ersten Termin teilzunehmen. Das Verschleppungspotenzial, das sich aus dem dritten Klauselvorschlag ergibt, ist damit auf 45 Tage begrenzt. Diese Lösung überzeugt nicht nur aufgrund dieser Begrenzung, sondern vor allem, da sie die einvernehmliche Natur des ADR-Verfahrens, anders als eine Einigungspflicht, unberührt lässt.440 Diese durch die Internationale Handelskammer gefundene Lösung wird jedoch durch nationales Recht teilweise torpediert. So sehen englische Gerichte zwar die Verpflichtungswirkung einer ADR-Abrede auf prozessualer Ebene grundsätzlich entsprechend der durch die Internationale Handelskammer gefundenen Lösung.441 Anders sehen sie jedoch die Verpflichtungswirkung bei der Kostenfrage einer späteren Gerichtsverhandlung. Hier erlegten englische Gerichte teils auch einer im Prozess obsiegenden Partei einen Teil der Prozesskosten auf, da diese sich nach Meinung des Gerichts zu früh aus einem vor437
Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (160). Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (94). 439 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (93). 440 Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 11. 441 Vgl. Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd. [2002] EWHC 2059 (Comm). 438
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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herigen Mediationsverfahren gelöst hatte.442 Gerade in Bezug auf den dritten Klauselvorschlag ist diese Rechtsprechung kritisch zu sehen, zumal faktisch hierdurch die entpflichtende Wirkung der objektiven Anknüpfung ausgehebelt werden würde. Gerade solche Kostenregelungen sollten die Parteien daher bei der Verwendung des dritten Klauselvorschlags im Auge behalten. Problematisch am dritten Klauselvorschlag könnte zuletzt noch sein, dass von der Verpflichtung zur Durchführung eines Verfahrens nach den ICC-ADRRegeln für die Ersuchung ordentlicher Gerichte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes keine Ausnahme gemacht wird. Grundsätzlich sollte eine ADRVereinbarung eine solche Klausel enthalten, die es den Parteien ermöglicht, trotz ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens die ordentlichen Gerichte um einstweiligen Rechtsschutz zu ersuchen.443 Fraglich ist jedoch, ob es hier einer solchen expliziten Ausnahme bedarf. Dies ist nur dann der Fall, wenn durch eine Vereinbarung nach Art der dritten Klausel den Parteien während des Bestehens der Verfahrensverpflichtung der Weg zu den ordentlichen Gerichten zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes verwehrt bliebe. Dies ist unter deutschem Recht beispielsweise nicht der Fall. Dennoch sollten die Parteien wegen der Möglichkeit eines Ausschlusses in anderen Rechtsordnungen den dritten Klauselvorschlag um eine solche Ausnahme ergänzen. Insgesamt ergeben sich bei der rechtlichen Wirkung des dritten Klauselvorschlags zahlreiche Probleme, denen durch Änderungen am Wortlaut des Klauselvorschlags nicht immer vollends Rechnung getragen werden kann.
b. Umgehung von Einstiegshürden Bezüglich der Frage der Umgehung von Einstiegshürden erweitert der dritte Klauselvorschlag den bereits bei den ersten beiden Klauselvorschlägen vorhandenen Katalog um die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Stattfindens eines ICC-ADR-Verfahrens. Die Teilnahmeverpflichtung des dritten Klauselvorschlags zwingt eine Partei, sich auch dann auf ein ICC-ADRVerfahren einzulassen, wenn sie im Vorfeld des Verfahrens an dessen Erfolgschancen zweifelt. Fraglich ist, inwieweit eine solche Verpflichtung zur Durchführung eines einvernehmlichen Verfahrens überhaupt zweckdienlich ist.444 Hier könnte man argumentieren, dass ein freiwilliges Verfahren durch eine Durchführungsverpflichtung konterkariert wird, da diese dem freiwilligen Charakter des Verfahrens entgegen wirkt. Zu bedenken ist jedoch, dass die Entscheidung zur Durch442 Vgl.
Leicester Circuits Ltd. v. Coates Brothers Plc [2003] EWCA Civ 290, 34. Sick, in: BB Beilage Nr. 5 2003, S. 25 ff. (27). 444 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (12). 443
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
führung und die Durchführung an sich klar zu trennen sind. Die Entscheidung zur Durchführung ist nie vollkommen frei: alleine das Bestehen eines Konflikts zwingt die Parteien bereits, ein solches Verfahren zu wählen. Weitere zwingende Faktoren können zum Beispiel das Fehlen von Zeit für eine Gerichtsverhandlung oder aber die Geheimhaltung des Konflikts sein. Insofern stellt eine Verpflichtung nach Art des dritten Klauselvorschlags keineswegs einen Fremdkörper dar. Zudem muss bedacht werden, dass der Abschluss einer Klausel in der Form des dritten Klauselvorschlags letztendlich Konsequenz der Vertragsautonomie ist, und insofern der Abschluss an sich als freiwillig zu sehen ist.445 Damit beruht die Pflicht zur Durchführung auf einer freiwilligen Entscheidung. Auch wenn ADR-Verfahren methodisch auf Freiwilligkeit basieren, so ergibt eine solche Verpflichtung unter anderem vor dem Hintergrund Sinn, dass es hierdurch den Parteien erst möglich wird, dass tatsächliche Potential einer Einigung abzuschätzen und so dem Verfahren eine reale Chance zu geben.446 Bis zu einem gewissen Grad rührt in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten die fehlende Motivation einer Partei, an einem einvernehmlichen Verfahren teilzunehmen, häufig aus dem Umstand, dass diese die Vorteile eines solchen Verfahrens nicht kennt.447 Doch nicht nur die Parteien, sondern auch ihre Anwälte wissen oft nicht um die Vorteile eines einvernehmlichen Verfahrens, womit die Aufklärung der an einem Streit beteiligten Personen einen zentralen Erfolgsfaktor für ADR-Verfahren wie die Mediation bildet.448 Insofern ist die positive Wirkung einer ersten Sitzung nicht zu unterschätzen. Auch der Verdacht der Prozessverschleppung durch die antragende Partei kann mit einer solchen Pflicht aus dem Weg geräumt werden.449 Zuletzt bleibt auch zu bedenken, dass die meisten Parteien Klauseln vor allem dann befolgen, wenn sie diese für verbindlich halten und insofern verbindliche Klauseln zur freiwilligen Befolgung führen.450 Insgesamt stellt eine Pflicht, wie sie sich aus dem dritten Klauselvorschlag ergibt, damit keineswegs einen Fremdkörper im ADR-Verfahren dar, sondern hilft, bestehende Einstiegshürden für das ICC-ADR-Verfahren zu umgehen.
c. Wertung und Änderungen Insgesamt wird durch den dritten Klauselvorschlag bis zu einem gewissen Grad erreicht, dass parallele Gerichtsverfahren ausgeschlossen werden und die Parteien an einem ICC-ADR-Verfahren im Konfliktfall auch tatsächlich teilnehmen. 445
Klowait/Hill, in: SchiedsVZ 2/2007. S. 83 ff. (85). Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (19). 447 Salacuse, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 226. 448 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 83. 449 Salacuse, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 226. 450 Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 101. 446
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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Gänzlich sichergestellt wird dies jedoch aufgrund entgegenlaufender nationaler Lösungen nicht. Insofern sind die rechtlichen Aspekte der Verfahrensfestigkeit und Verbindlichkeit nur teilweise gewährleistet, wobei einem Sachverhalt mit Berührung insbesondere zum Schweizer Rechtsraum die Gefahr innewohnt, dass die mit dem dritten Klauselvorschlag durch die Parteien verfolgten Ziele der Verpflichtung zum ICC-ADR-Verfahren und des Ausschlusses paralleler Entscheidungsverfahren nicht erreicht werden. Die negative Wirkung, die sich insbesondere aus einer Teilnahmeverpflichtung ergeben kann, hält sich bei der durch den dritten Klauselvorschlag gefundenen Lösung hingegen in Grenzen. Die Gefahr der Prozessverschleppung ist auf einen relativ kurzen Zeitraum von 45 Tagen ab Einreichung des Verfahrens begrenzt, da hiernach die verpflichtende Wirkung entfällt. Zudem wird durch den dritten Klauselvorschlag keine Pflicht zur Einigung innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens begründet. Die bestehende Pflicht zur Einleitung und Organisation eines ICC-ADR-Verfahrens lässt die freiwillige Zustimmung zum Verfahren hingegen nicht entfallen. Auch der dritte Klauselvorschlag bietet sich damit insgesamt wieder für eine Kombination mit der Standard-ICC-Schiedsklausel an. Dabei entsteht ein im Vergleich zum vierten Klauselvorschlag weniger restriktives Verfahrensregime, in welchem die Parteien nach Absolvierung des ersten obligatorischen Termins und Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 6 I b der ICC-ADR-Regeln ein ICC-Schiedsverfahren einleiten können. Vorteil eines solchen Regimes wäre es, wie beim zweiten Klauselvorschlag auch, dass die Pluralität der zur Entscheidung befugten Foren begrenzt würde. Zudem würden durch die Aufnahme der Schiedsklausel die verfolgten Ziele der Entrechtlichung und des Ausschlusses paralleler Verfahren effektiv erreicht. Neben der Einfügung der Standard-ICC-Schiedsklausel könnten die Parteien Änderungen an der 45-Tages-Frist des dritten Klauselvorschlags vornehmen. Dabei kommen nicht nur ein Verlängerung oder Verkürzung dieser 45 Tage in Betracht, die Parteien könnten vielmehr auch eine Ausnahme von der Verpflichtungswirkung des dritten Klauselvorschlags einfügen. Eine solche Ausnahme könnte durch die Parteien für den Fall formuliert werden, dass eine Partei die Verfristung eines Anspruches befürchtet.451 Zudem sollte der dritte Klauselvorschlag durch die Parteien dahingehend ergänzt werden, dass durch die ADR-Verpflichtung das Ersuchen einstweiligen Rechtsschutzes vor nationalen Gerichten nicht ausgeschlossen werden soll.452 Ferner sollten die Parteien vor dem Hintergrund der Rechtslage in Australien erwägen, im Bedarfsfall den Ausschluss paralleler Entscheidungsverfahren klarer zu formulieren. 451
Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 75. Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 184; Sick, in: BB Beilage Nr. 5 2003, S. 25 ff. (27). 452
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Insgesamt bildet der dritte Klauselvorschlag damit einen ersten Ansatz für die Umsetzung der rechtlichen Aspekte der Verfahrensfestigkeit und Verbindlichkeit, wobei seine Funktionsfähigkeit stark von der anwendbaren Rechtsordnung abhängt. Vor diesem Hintergrund sollten die Parteien in Erwägung ziehen, den dritten Klauselvorschlag mit der Standard-ICC-Schiedsklausel zu kombinieren. Diese Kombination würde sich bezüglich der 45-Tage-Frist vom vierten Klauselvorschlag unterscheiden.
5. 4. Vorschlag: Verpflichtung zur Durchführung eines ADR-Verfahrens und, soweit erforderlich, eines anschließenden ICC-Schiedsgerichtsverfahrens Der vierte und letzte Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer fügt der Regelung des dritten Klauselvorschlags die Standard-Schiedsklausel der Internationalen Handelskammer bei. Hierdurch entsteht eine sogenannte Eskalationsklausel, auch Multi-Tiered beziehungsweise Multi-Step Dispute Resolution-Klausel genannt.453 Solche Klauseln regeln die Konfliktbeilegung entlang festgelegter Stufen, die den aus der Konfliktforschung bekannten Eskalationsstufen eines Streits folgen,454 und finden sich vor allem in komplexen Verträgen oft wieder.455 Typischerweise endet das durch die Klausel vorgesehene Eskalationsregime – wie im vierten Klauselvorschlag auch – mit einem Schiedsverfahren.456 Aus der Komplexität solcher Eskalationsklauseln entstehen jedoch auch Gefahren. So kann es gerade bei Multi-Tiered Dispute Resolution-Klauseln im tatsächlichen Konfliktfall schwierig sein festzustellen, auf welcher Stufe sich der Konflikt gerade befindet und welche einzelnen Verpflichtungen sich hieraus für die Parteien ergeben.457 Neben der Einfügung einer Schiedsklausel unterscheidet den vierten Klauselvorschlag vom dritten Klauselvorschlag noch die Wirkseite der auch hier enthaltenen 45-tägigen Stillhaltefrist. Vor dieser Frist ist es den Parteien zwar möglich, dass ICC-ADR-Verfahren nach Artikel 5 I der ADR-Regeln zu beenden, doch ist im Unterschied zum dritten Klauselvorschlag selbst dann erst nach Ablauf der Wartezeit von 45 Tagen die Einleitung eines Schieds- oder 453 Vgl. Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff.; Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff.; Jones, in: Arbitration 2/2009, S. 188 ff.; Melnyk, in: Int. Arb. L. Rev. 4/2003, S. 113 ff.; Moses, The Principles and Practice of International Commercial Arbitration, S. 46 f.; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 182 ff.; Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff.; Scanlon, in: ALI/ABA (Hrsg.), Mediation and other ADR, Dispute Resolution for the 21st Century, S. 1 ff. 454 Berger, in: FS Schlosser, S. 19. 455 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (93). 456 Born, International Arbitration and Forum Selection Agreements, S. 101 ff. 457 Diese Problematik veranschaulicht sehr schön Michael Pryles in einer Zusammenfassung eines Schiedsverfahrens, dem er vorsaß. Siehe: Pryles, in: J. of Int. Arb. 2/2001, S. 159 ff. (173).
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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Gerichtsverfahrens möglich.458 Wurde diese Frist durch die Parteien nicht schriftlich verlängert und ist sie abgelaufen, endet das noch offene ICC-ADRVerfahren gemäß Artikel 6 I e ICC-ADR automatisch und der Übergang in ein ICC-Schiedsverfahren wird möglich.
a. Teilnahmeverpflichtung und Ausschluss paralleler Verfahren Fraglich ist beim vierten Klauselvorschlag, inwieweit dieser durch die Stufung des Verfahrens und die Verbindung mit einer Schiedsklausel in Bezug auf die Teilnahmeverpflichtung der Parteien und den Ausschluss paralleler Verfahren weiter geht als der dritte Klauselvorschlag. Dabei interessiert insbesondere, ob durch den vierten Klauselvorschlag die Pluralität der einzelnen nationalen Regelungen durch die Schiedsklausel umgangen werden kann und damit in der Sache die beim dritten Klauselvorschlag entstandenen Probleme gemindert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass zum einen das Schiedsgericht alleine über die Wirkung des vierten Klauselvorschlags entscheiden kann und zum anderen die durch Schiedsgerichte ergangenen Entscheidungen eine klare und damit vorhersehbare Linie erkennen lassen.
aa. Zuständigkeit Damit ist zunächst zentral für eine Minderung der beim dritten Klauselvorschlag entstehenden Probleme, dass im Falle eines Konfliktes über einen Verstoß gegen die in dem vierten Klauselvorschlag enthaltene ADR-Pflicht das Schiedsgericht die alleinige Zuständigkeit besitzt. Voraussetzung hierfür ist, dass zum einen eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt und zum anderen das Gericht die Zuständigkeit besitzt, in der Sache zu entscheiden. Grundsätzlich gilt für Schiedsverfahren, dass gerade im internationalen Bereich durch den Erfolg des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche und des UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration eine hohe Uniformität der nationalen Prinzipien und Konzepte im Bereich des Schiedsrechts entstanden ist.459 Fraglich ist jedoch, ob Multi-Tiered Klauseln – wie der vierte Klauselvorschlag – in den Anwendungsbereich dieser einheitlichen nationalen Regelungen fallen und die in Frage stehenden Prinzipien international auch tatsächlich uniform geregelt werden.
458 459
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (13). Barceló, in: Vand. J. Transnat’l L. 36/2003, S. 1115 ff. (1116 f.).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
(1) Form der Abrede Um die Zuständigkeit eines ICC-Schiedsgerichts zu begründen, muss der vierte Klauselvorschlag den verschiedenen Formanforderungen der einzelnen nationalen Schiedsrechte entsprechen.460 Grundsätzlich kann dabei von der Wirksamkeit der Standard-Schiedsklausel der Internationalen Handelskammer ausgegangen werden. Fraglich ist jedoch, ob die Verbindung mit einer ADRAbrede zu einer Multi-Tiered Dispute Resolution-Klausel – wie dies durch den vierten Klauselvorschlag geschieht – noch als Schiedsklausel zu qualifizieren ist und in den Anwendungsbereich der zumeist vor allem durch das New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen461 geprägten nationalen Regelungen fällt. Gemäß Artikel II 1 des Übereinkommens ist unter einer Schiedsabrede ein “… agreement in writing under which the parties undertake to submit to arbitration …” zu verstehen. Mehrstufige Streitbeilegungsklauseln könnten aber gerade nicht als eine Abrede im Sinne von Artikel II 1 des New Yorker Übereinkommens gesehen werden, da im Konfliktfall primär ein einvernehmliches Verfahren und nicht das Schiedsverfahren zur Beilegung der Streitigkeit genutzt werden soll.462 Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass die Verbindung mit einvernehmlichen Vorstufen an der Frage des Willens, dass Verfahren zur letztendlichen Entscheidung einem Schiedsverfahren zu unterstellen, nichts ändert. Die einvernehmlichen Vorstufen garantieren schließlich nicht die letztendliche Beilegung der Streitigkeit. Die Vorstufen sind damit lediglich als Konkretisierungen der unter die Schiedsvereinbarung fallenden Streitigkeiten zu sehen. Damit ändert sich auch nichts an dem durch die Parteien zum Ausdruck gebrachten Willen, eine Streitigkeit durch Schiedsgerichte beizulegen. Der vierte Klauselvorschlag der ICC-ADRRegeln ist in Bezug auf die in ihm enthaltene Schiedsabrede insgesamt als formell dem Artikel II 1 des New Yorker Übereinkommens entsprechend wirksam zu sehen.
(2) Zuständigkeit, über Kompetenz zu entscheiden Weiter ist fraglich, ob das Schiedsgericht die alleinige Zuständigkeit hat, über die Einhaltung der ersten Konfliktbeilegungsstufe des vierten Klauselvorschlags zu entscheiden. Diesbezüglich ist zwischen der reinen Kompetenz, eine 460 Siehe näher zu den Anforderung z. B.: Kolkey/Chernick, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.) Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 14 ff.; Redfern/ Hunter/Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, S. 85 ff. 461 Diesem sind bis jetzt (Stand 10. März 2016) 156 Staaten beigetreten. Vgl. http://www. uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention_status.html (Stand 10. März 2016). 462 Pryles, in: J. of Arb. Int. 2/2001, S. 159 ff. (161).
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solche Entscheidung zu treffen (positive Kompetenz-Kompetenz),463 und der Kompetenz, abschließend und ausschließlich über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden (negative Kompetenz-Kompetenz),464 zu unterscheiden.465 In besonders schiedsfreundlichen Rechtsordnungen, wie zum Beispiel der Frankreichs,466 die die negative Kompetenz-Kompetenz gänzlich anerkennen, entscheiden allein die Schiedsgerichte bindend über ihre Zuständigkeit und damit dann auch über die Einhaltung der ADR-Abrede.467 Hier wäre damit die alleinige Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über die Einhaltung der ADR-Vorstufe des vierten Klauselvorschlags zu entscheiden, in jedem Fall gesichert. Diese Anerkennung des Grundsatzes der negativen Kompetenz-Kompetenz ist jedoch nicht der Regelfall. In den meisten Rechtsordnungen ist dieser Grundsatz vielmehr nicht anerkannt,468 womit es den nationalen Gerichten vorbehalten bleibt, über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts abschließend und bindend zu entscheiden. Nach chinesischem Recht liegt zum Beispiel die Prüfungskompetenz über die schiedsgerichtliche Zuständigkeit bei den nationalen Gerichten, deren Entscheidungen schiedsgerichtlichen Entscheidungen vorgehen.469 Im deutschen Schiedsrecht sieht § 1040 III 2 ZPO die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer schiedsrichterlichen Zuständigkeitsentscheidung vor. Auch hier können die Schiedsgerichte zwar nach dem allgemein anerkannten Grundsatz der positiven Kompetenz-Kompetenz weiterhin über ihre eigene Zuständigkeit entscheiden.470 Dieser Entscheidung des Schiedsgerichtes kommt jedoch, anders als zum Beispiel in Frankreich, keine abschließende und gerichtliche Entscheidungen ausschließende Wirkung zu, womit es im Vergleich zum dritten Klauselvorschlag auch zu keiner rechtlich homogeneren Wirkung kommen würde, zumal wieder divergierendes nationales Recht zu Anwendung käme.
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Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 387. bezeichnet diese als „bindende Kompetenz-Kompetenz“. Vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, S. 423. 465 Vgl. näher zu den Unterschieden Barceló, in: Vand. J. Transnat’l L. 36/2003, S. 1115 ff. (1124). 466 Vgl. Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 392 f. 467 Moses, International Commercial Arbitration, S. 88; Pinsolle, Muli-Tiered Dispute Resolution Clauses, S. 5. 468 Gessner, Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen in den USA und in Deutschland, S. 102. 469 Tao/Wunschheim, in: Arb. Int. 2/2007, S. 309 ff. (312 f.). 470 Baier, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, S. 1932; Barceló, in: Vand. J. Transnat’l L. 36/2003, S. 1115 ff. (1124); Lew/Mistelis/ Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 333; Redfern/Hunter/Blackaby/ Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, S. 346; Rubino-Sammariano, International Arbitration Law and Practice, S. 584; Zadkovich, in: V. of Int. Com. L. & Arb. 12/2008, S. 1 ff. (9). 464 Schlosser
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Fraglich bleibt, ob das ICC-Schiedsgericht in diesen Rechtsordnungen dennoch exklusiv über die Einhaltung des vierten Klauselvorschlags entscheidet. Zu bedenken ist dabei, dass die Frage der Kompetenz-Kompetenz vor allem für die Frage wesentlich ist, ob ein Schiedsgericht oder aber ein nationales Gericht in der Hauptsache zuständig ist.471 Im Falle von Multi-tiered-Klauseln, die eine wirksame Schiedsklausel enthalten, ist diese Frage jedoch nur dann unklar, wenn die in ihnen enthaltenen Vorstufen zum Schiedsverfahren als eine die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründende Vorbedingung formuliert sind. Solche Klauseln finden sich zumeist dort, wo Expert Determination-Verfahren mit Schiedsverfahren verbunden werden, um ein verfrühtes Eingreifen des Schiedsrichters zu verhindern.472 Hier ist die Beantwortung der Frage für die Entscheidung über das Bestehen einer wirksamen Schiedsabrede wesentlich, womit nationale Gerichte die letztendliche Entscheidungsbefugnis haben. In der Regel wird allerdings die erste einvernehmliche Konfliktbeilegungsstufe als aufschiebende prozessuale Bedingung für das Schiedsverfahren formuliert, da es regelmäßig nicht im Interesse der Parteien steht, dass ein Verstoß gegen die erste Streitbeilegungsstufe gleichzeitig die Schiedsverpflichtung entfallen ließe.473 Folge wäre ansonsten, dass die verpflichtende Wirkung der Schiedsklausel zur bloßen Makulatur verkäme. So ist auch die im vierten Klauselvorschlag enthaltene ICC-ADR-Vorstufe nicht als konstitutiv für die Schiedsklausel zu sehen. Die Frage der Zuständigkeitsentscheidung zwischen nationalem Gericht und ICC-Schiedsgericht ist damit zugunsten des Schiedsgerichtes geklärt.474 Die Frage der Einhaltung der einvernehmlichen Vorstufe betrifft somit lediglich die Zulässigkeit einer Schiedsklage und nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts.475 Über diese entscheidet das Schiedsgericht in einigen Bereichen, wie zum Beispiel über das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses, mit Letztentscheidungsbefugnis.476 Zu diesen Bereichen gehört auch die Einhaltung einvernehmlicher Vorstufen. Bedenkt man, dass es den Parteien weiterhin freisteht, eine Schiedseinrede vor Gericht zu erheben,477 so ist, die dilatorische Natur der Zulässigkeitshinderung vorausgesetzt, davon auszugehen, dass es allein den 471 Binder, International Commercial Arbitration in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, S. 109. 472 Pinsolle, Muli-Tiered Dispute Resolution Clauses, S. 6 ff. 473 Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (335); Voser/Wittmer, Enforcement of Multitiered Dispute Resolution Clauses by national Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 10. 474 Dies setzt natürlich die Wirksamkeit der Schiedsklausel voraus. 475 Viele Autoren sehen dies jedoch als Frage der Zuständigkeit. Vgl. Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (335); Voser/Wittmer, Enforcement of Multi-tiered Dispute Resolution Clauses by national Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 9. 476 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, S. 421. 477 Vgl. hierzu z. B. Section 9 (2) des englischen Arbitration Act 1996, der die Schiedseinrede auch für Eskalationsklauseln vorsieht.
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Schiedsgerichten obliegt, über die Zulässigkeit beim Vorliegen von Eskalationsklauseln zu entscheiden. Schließlich ändert die Entscheidung in der Sache nichts an der Gültigkeit der Schiedsabrede. Dieser Befund verstärkt sich bei der Betrachtung des vierten Klauselvorschlags, da bei diesem die Zulässigkeit lediglich für einen Zeitraum von 45 Tagen entfallen kann. Diesem Befund entsprechend entschied in der Schweiz die III. Zivilkammer des Obergerichts des Kanton Zürichs in einem Beschluss aus dem Jahr 2001, dass die Frage, ob eine Vorstufe des Schiedsverfahrens erfüllt wurde, durch das in Frage stehende Schiedsgericht zu entscheiden sei.478 Auch U. S.-amerikanische Gerichte scheinen dieser Ansicht zumeist zu folgen.479 Grundsätzlich ist hier nach dem Urteil des U. S. Supreme Court in der Rechtssache Howsam v. Dean Witter Reynolds, Inc.480 zwischen sogenannten “gateway procedural issues” und Fragen der Schiedsfähigkeit zu unterscheiden. Auch nach dem unter dem FAA entstandenen Recht, dem RUAA481 und durch die meisten U. S.-amerikanischen Bundesgerichte wird die Kompetenz, über die prozessuale Schiedsfähigkeit, wie zum Beispiel die Einhaltung von Fristen, zu entscheiden, bei den Schiedsgerichten gesehen.482 Dieser Meinungslage entsprechend wurde durch viele U. S.-amerikanische Gerichte die Frage der Einhaltung einvernehmlicher Vorstufen zu einem Schiedsverfahren zur Entscheidung an die Schiedsrichter weiterverwiesen.483 Jedoch entschieden einige U. S.-amerikanische Gerichte auch selbst über die Frage der Einhaltung einvernehmlicher Vorstufen zu Schiedsverfahren,484 wobei diese oft ohne nähere Betrachtung der prozessualen Probleme ihre Entscheidungskompetenz annahmen.485 In England wurde bis 478 Vgl.
ZR 101 (2002), Nr. 21, S. 77 ff. (78); Voser/Wittmer, Enforcement of Multi-tiered Dispute Resolution Clauses by national Courts and Arbitral Tribunals – the Civil Law Approach, S. 9. 479 O’Connor/Hayley, ICC International Commercial Dispute Resolution, S. 5. 480 537 U. S. 79, 123 S. Ct. 588 (2002). 481 Vgl Section 6 RUAA: “An Arbitrator shall decide whether a condition precedent to arbitrability has been fulfilled and whether a contract containing a valid agreement to arbitrate is enforceable”. 482 Scanlon, in: ALI/ABA (Hrsg.), Mediation and other ADR, Dispute Resolution for the 21st Century, S. 13. 483 Siehe z. B.: Stroh Container Co. v. Delphi Indus., Inc., 783 F. 2d 743, 748 (8th Cir.); U. S. Titan, Inc. v. Guangzhou Zhen Hua Shipping Co., 182 F. R. D. 97, 102 (S. D. N. Y. 1998); Neurosource Inc. v. Jefferson Univ. Physicians, 2001 U. S. Dist. LEXIS 1811 (E. D. Pa. Feb 14, 2001); Miller & Co. v. China Nat’l Minerals Import & Export Corp., 1991 U. S. Dist. LEXIS 11973 (N. D. Ill. Aug. 27, 1991). 484 Siehe z. B.: Kemiron Atlantic, Inc. v. Aguakem Int’l. 290 F. 3d 1287 (11th Cir. 2002); HIM Portland, LLC v. De Vito Buliders, Inc., 317 F. 3d 41 (1st Cir. 2003); Semco, LLC v. Ellicott Machine Corp. Int’l, 1999 U. S. Dist. LEXIS 10710 (E. D. La. 9. Juli 1999); Daye Nonferrous Metals Co. v. Trafigura Beheer B. V., 1997 U. S. Dist. LEXIS 9661 (S. D. N. Y. 2. Juli, 1997). 485 Scanlon, in: ALI/ABA (Hrsg.), Mediation and other ADR, Dispute Resolution for the 21st Century, S. 13.
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jetzt nicht entschieden, ob die Zuständigkeit bei den Schiedsgerichten liegt, wobei sich aus der Rechtssache Channel Tunnel Group Ltd. v. Balfour Beatty Construction Ltd.486 und Section 9 (2) des englischen Arbitration Act 1996 ein Trend hin zur Zuständigkeit des Schiedsgerichtes ergibt.487 Auch in Schweden sollen Schiedsgerichte dann über die Frage der Einhaltung verbindlicher Vorstufen entscheiden, wenn dies in der Schiedsabrede ausdrücklich und klar vereinbart wurde.488 In Bezug auf Artikel 67 der FIDIC General Conditions sahen auch ICC-Schiedsgerichte einen Verstoß als eine Frage der Zulässigkeit und nicht der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes an.489 Die von der Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes getrennt zu stellende Frage der Einhaltung einvernehmlicher Vorstufen zu Schiedsverfahren wird also nicht immer, aber in der Vielzahl der Fälle durch die Gerichte getrennt behandelt. Dies müssen die Verwender von Eskalationsklauseln stets bedenken. In der Regel ist die Frage der Einhaltung vereinbarter Vorstufen einer mehrstufigen Streitbeilegungsklausel jedoch zumindest dann durch das Schiedsgericht zu entscheiden, wenn die ADR-Abrede eine wirksame Schiedsabrede enthält.490 Für die Wirkung des vierten Klauselvorschlags bedeutet dies insgesamt, dass über dessen Einhaltung in der Regel durch das ICC-Schiedsgericht entschieden wird. Doch auch dort, wo staatliche Gerichte die Vorstufen als Frage der Zuständigkeit des Schiedsgericht qualifizieren und die Frage selbst entscheiden, hat das Schiedsgericht aufgrund des allgemein anerkannten Grundsatzes der positiven Kompetenz-Kompetenz weiterhin die Möglichkeit, neben dem staatlichen Gericht über die Einhaltung des vierten Klauselvorschlags zu entscheiden. Faktisch kommt einer positiven Entscheidung des Schiedsgerichtes eine abschließende Wirkung zu,491 da in der Regel nicht davon auszugehen ist, dass staatliche Gerichte eine Entscheidung erlassen, bevor das Schiedsverfahren beendet ist.492 Bei einer negativen Entscheidung verstärkt sich dieser faktische Befund, da hier das staatliche Gericht durch die zeitliche begrenzte Wirkung des vierten Klauselvorschlags maximal 45 Tage Zeit hat, eine von dem Schiedsurteil abweichende positive Entscheidung zu treffen. Der Weg zu 486 Hier wies Lord Mustill in dicta darauf hin, dass die Parteien auch unter dem damaligen Arbitration Act zu einer Aussetzung des Verfahrens berechtigt gewesen wären. [1993] 1 All E. R. 664, 670. 487 O’Connor/Hayley, ICC International Commercial Dispute Resolution, S. 7. 488 Heuman, Arbitration Law of Sweden, S. 72 f. 489 Dimolitsa, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2/1996, S. 14 ff. (22). 490 Dies sieht im Ergebnis auch so: Jolles, in: Arbitration 4/2006, S. 329 ff. (335); Jones, in: Arbitration 2/2009, S. 188 ff. (190). 491 Hier ist anzumerken, dass das Schiedsgericht in den meisten Rechtsordnungen trotz der Anrufung eines nationalen Gerichts das Schiedsverfahren weiterführen kann und es nicht zu einem Ruhen des Schiedsverfahrens kommt. Vgl. Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 400. 492 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, S. 423.
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einem staatlichen Gericht ist damit für die Parteien faktisch unpraktikabel. Insgesamt liegt damit die tatsächliche Entscheidungshoheit bei dem ICC-Schiedsgericht. Hieran ändert auch Artikel 6 II der ICC Rules of Arbitration nichts. Nach diesem ist es dem Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer möglich, solche Schiedsanträge abzulehnen, denen es offensichtlich an einer ihnen zugrunde liegenden Schiedsvereinbarung fehlt.493 An einem solchen Anschein wird es regelmäßig jedoch fehlen.494 Folgt man der oben vertretenen Ansicht, dass es sich bei der Frage der Einhaltung einvernehmlicher Vorstufen nicht um eine Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes, sondern vielmehr der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens handelt, so würde der Verstoß gegen die ICC-ADR-Vorstufe schließlich nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes berühren, womit die Schiedsvereinbarung auch nicht entfallen könnte. Der Schiedsgerichtshof müsste dann die Sache dem ICC-Schiedsgericht zur Entscheidung vorlegen. Dieser Meinungslage entsprechend hat der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer von Artikel 6 II ICC Schiedsordnung bei Fragen der Einhaltung von Eskalationsklauseln bis jetzt nicht Gebrauch gemacht und die Frage stets zur Beantwortung an das ICC-Schiedsgericht weitergeleitet.495 Dies scheint auch vor dem Hintergrund der Frage der Unabhängigkeit des Schiedsgerichtes die verträglichste Lösung der Zuständigkeitsfrage zu sein, auch wenn nach praktischen Gesichtspunkten die Abwicklung über Artikel 6 II ICC Schiedsordnung durchaus reizvoll erscheint.496 Tatsächlich bleibt es damit bei der Entscheidungshoheit der ICC-Schiedsgerichte.
bb. Wirkung in der Sache Neben der Zuständigkeit der ICC-Schiedsgerichte, über die Einhaltung des vierten Klauselvorschlags zu entscheiden, ist fraglich, wie ICC-Schiedsgerichte in der Sache entscheiden werden. Bezüglich der in den ICC-ADR-Regeln enthaltenen Klauselvorschläge gibt es bis jetzt noch keinerlei veröffentlichte Schiedssprüche eines ICC-Schiedsgerichtes. Jedoch gibt es eine Vielzahl von ICC-Schiedssprüchen, die im Zusammenhang mit Eskalationsklauseln stehende Fragen entscheiden. Wie bereits bei der Betrachtung des zweiten und dritten Klauselvorschlags dargestellt, besteht in dieser Schiedsrechtsprechung eine 493
Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 58. A. A. Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 5 ff. 495 Dies stellt bis zum Jahr 2002 Wolrich fest. Vgl. Wolrich, Multi-tiered Clauses: ICC Perspective in Light of the New ICC ADR Rules, S. 1. 496 Vgl. näher hierzu Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 5 ff., der die Zuständigkeit des Schiedsgerichtshofes über Art. 6 II der ICC Rules of Arbitration propagiert. 494
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gewisse Kongruenz.497 Dabei wählten die ICC-Schiedsgerichte immer einen zweistufigen Ansatz498: zuerst prüften sie, ob die Vereinbarung die Parteien zu einer einvernehmlichen Vorstufe verpflichtete, um dann in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Parteien diese Verpflichtung eingehalten hatten.499 Bezüglich des ersten Schrittes entschieden sie dabei, dass eine einvernehmliche Vorstufe des Schiedsverfahrens nur dann verbindlich ist, wenn die Parteien diese ausdrücklich als bindend formuliert hatten, wobei insbesondere die Verwendung des Wortes “shall” für und des Wortes “may” gegen eine solche Ausdrücklichkeit spricht.500 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist zu vermuten, dass insbesondere aufgrund des in dem vierten Klauselvorschlag klar formulierten 45-tägigen Ausschlusses von Schiedsverfahren und der Bezeichnung der Klausel als “Obligation to submit …” ICC Schiedsgerichte die ICC-ADR-Stufe des vierten Klauselvorschlags als bindend qualifizieren werden.501 Fraglich ist im zweiten Schritt, wann ICC Schiedsgerichte davon ausgehen werden, dass die Parteien ihrer aus dem vierten Klauselvorschlag entstehenden Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Der vierte Klauselvorschlag geht dabei gegenüber dem dritten Klauselvorschlag insoweit weiter, als dass die in ihm enthaltene 45-Tage-Frist nicht nur die Parteien nach ihrem Ablauf von ihrer Pflicht entbindet, sondern es darüber hinaus den Parteien untersagt, vor ihrem Ablauf ein ICC-Schiedsverfahren einzuleiten. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass ICC-Schiedsgerichte immer dann ein Verfahren als verfrüht betrachten werden, wenn dieses vor Ablauf der 45 Tage ab der Stellung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens eingeleitet wurde. Ansonsten bleibt es bei den schon im Zusammenhang mit dem dritten Klauselvorschlag angesprochenen Faktoren, die als eine Verletzung des dritten Klauselvorschlags zu sehen sind. Zuletzt bleibt fraglich, welche Rechtsfolge ICC-Schiedsgerichte an die Verletzung des vierten Klauselvorschlags knüpfen. In der Regel wurde bei einer solchen Verletzung der Antrag auf Durchführung eines Schiedsverfahrens als “premature” zurückgewiesen502 oder aufgrund fehlender Zuständigkeit503 abgelehnt.504 Wie bereits beim zweiten und dritten Klauselvorschlag angemerkt, bleibt es den Schiedsgerichten jedoch unbenommen, im Einzelfall von dieser Linie abzuweichen. 497
Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel V § 15 II 3. a. aa. Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (71). 499 Friedrich, in: SchiedsVZ 5/2005, S 250 ff. (254). 500 Vgl. weiter oben unter Kapitel V § 15 II 3. a. aa. und ICC Case No. 9977, 9984 und 10256. 501 Dies sieht auch so: Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (73); Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 4. 502 ICC Case No. 6276 und 6277. 503 ICC Case No. 6238 und 6535. 504 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 15 II 3. a. aa. (3). 498
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cc. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass durch die Einbeziehung des vierten Klauselvorschlags die Parteien aufgrund der Zuständigkeit des ICCSchiedsgerichtes nicht nur die Pluralität nationaler Gerichte umgehen, sondern dass sich auch mit der sehr einheitlichen Behandlung von Eskalationsklauseln durch ICC-Schiedsgerichte eine relativ klare tatsächliche Wirkung des vierten Klauselvorschlags ergibt. Somit können die Probleme, die sich bei der Betrachtung des dritten Klauselvorschlags abgezeichnet hatten, durch den vierten Klauselvorschlag zumeist effektiv umgangen werden. Insbesondere für die problematische Einordnung von ADR-Abreden durch Schweizer Gerichte als rein materiell-rechtlich bietet der vierte Klauselvorschlag einen sicheren Behelf, zumal Schweizer Gerichte die Entscheidungszuständigkeit in diesen Fällen bei den Schiedsgerichten sehen.505 Problematisch an der Wirkung des vierten Klauselvorschlags ist jedoch die Rechtsfolgenseite eines Verstoßes gegen diesen. Durchaus attraktiv scheint diesbezüglich nicht nur die Lösung, Verstöße gegen den vierten Klauselvorschlag durch den Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer aufgrund von Artikel 6 II der ICC Rules of Arbitration feststellen und ahnden zu lassen.506 Jedoch erscheint dies aufgrund der hier vertretenen Qualifizierung der einvernehmlichen Vorstufe als reine Frage der Zulässigkeit als ein nicht gangbarer Weg. Zudem könnte durch ein Aussetzen des Verfahrens diesem Problem Rechnung getragen werden. Insgesamt stellt sich der vierte Klauselvorschlag damit als eine besonders homogene und gelungene Regelung dar.
b. Umgehung von Einstiegshürden und methodische Vorteile Neben dieser sehr gelungenen rechtlichen Ausgestaltung des vierten Klauselvorschlags ergeben sich aus diesem noch gegenüber denen des dritten Klauselvorschlags zusätzliche methodische Vorteile. So wird der Nachteil eines ADRVerfahrens, kein bindendes Ergebnis zu gewähren und damit bis zu einem gewissen Maße unproduktiv507 sein zu können, durch die Verzahnung mit der
505
Vgl. ZR 101 (2002), Nr. 21, S. 77 ff. (78). Dies schlägt vor: Wolrich, Multi-Tiered Clauses: ICC Perspectives in Light of the New ICC ADR Rules, S. 5 ff. 507 Jedoch ist dies nicht zwingend, da, je nachdem wie weit das ADR-Verfahren gediehen war, zuweilen der dann vor ein Schiedsgericht oder nationales Gericht gehende Streit durch das ADR-Verfahren konkretisiert wurde oder die Parteibeziehung durch das Verfahren wieder gestärkt wurde. Siehe: Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 207, Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.) Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 408; Sturrock, in: Scots L. T. 10/2009, S. 49 ff. (52); Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 13. 506
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Schiedsklausel teilweise508 aufgewogen. Trotzdem bleiben die Vorteile einer einvernehmlichen Beilegung gewahrt. Zudem wird durch eine Klausel in der Form des vierten Klauselvorschlags ein in vielen Fällen aufgrund seiner negativen Eigenschaften weniger erstrebenswertes Gerichtsverfahren verhindert. In einer Studie zu community mediation hatte sich zudem gezeigt, dass Mediationsverfahren effektiver waren, wenn sich im Bedarfsfall an diese ein Schiedsverfahren anschloss.509 Insofern scheint die Aussicht auf ein Schiedsverfahren den Einigungswillen der Parteien positiv zu beeinflussen.
c. Wertung und Änderungen Vergleicht man dieses Gefüge aus rechtlicher Wirkung und zusätzlichen methodischen Vorteilen, so zeigt sich, dass mit dem vierten Klauselvorschlag parallele Entscheidungsverfahren weitestgehend ausgeschlossen werden können und zudem eine Pflicht zur Teilnahme am ICC-ADR-Verfahren effektiv begründet werden kann. Da diese Teilnahmepflicht lediglich das In-Gang-Setzen des ICCADR-Verfahren betrifft und faktisch nicht zu einer Einigungspflicht für die Parteien führt, ist auch die methodisch negative Wirkung des vierten Klauselvorschlags begrenzt. In seiner verpflichtenden Wirkung geht der vierte Klauselvorschlag jedoch weiter als eine Kombination des dritten Klauselvorschlags mit der StandardICC-Schiedsklausel, indem die Anrufung eines Schiedsgerichtes für den Zeitraum von 45 Tagen ab Stellung des Antrags gänzlich ausgeschlossen wird. Diese Zwangspause ist aber nicht immer ohne Bedenken zu sehen. In Fällen, in denen eine Partei unter größerem Zeitdruck steht, führt sie zu einem Ungleichgewicht zwischen den Parteien, wodurch das ICC-ADR-Verfahren sich für die Beilegung des Konflikts als ungeeignet herausstellen kann. Insofern müssen die Parteien im Vorhinein genau bedenken, ob eine solche Zwangspause im Konfliktfall für sie nicht nachteilhaft seien könnte. Zudem sollten die Parteien die Länge der Frist ihren Bedürfnissen anpassen und die 45 Tage des vierten Klauselvorschlags nicht unüberlegt übernehmen. Um sicherzugehen, dass die Frage der Einhaltung der ersten Stufe auch tatsächlich durch das ICC-Schiedsgericht entschieden wird, sollten die Parteien ferner dem vierten Klauselvorschlag beifügen, dass Fragen der Einhaltung der einvernehmlichen Vorstufe durch das Schiedsgericht entschieden werden sollen, um diese Frage explizit für solche Rechtsordnungen an das Schiedsgericht zu übertragen, in denen sie als eine Frage der Zuständigkeit gesehen
508 Noch geeigneter wäre hier ein sogenanntes Med-Arb-Verfahren. Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel V § 19 II. 509 Carnevale, in: Bercovitch (Hrsg.), Studies in International Mediation, S. 33.
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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wird.510 Zudem sollten die beim dritten Klauselvorschlag bereits angemerkten Änderungen auch bei Einbeziehung des vierten Klauselvorschlags in Erwägung gezogen werden.511
6. Zwischenergebnis Auch wenn die antizipierte Vereinbarung des ICC-ADR-Verfahrens keine Einleitungsvoraussetzung ist,512 so hat sich bereits oben513 und in der Praxis gezeigt, dass die Vorabregelung des zu beschreitenden Verfahrensweges für den Erfolg des einvernehmlichen Verfahrens durchaus sinnvoll ist.514 Diesem Bedürfnis wurde mit den vier Klauselvorschlägen der Internationalen Handelskammer grundsätzlich Rechnung getragen. Es hat sich in der obigen Betrachtung gezeigt, dass methodisch durch die Einbeziehung eines der Klauselvorschläge tatsächlich eine Reihe von Einstiegshürden umgangen werden können. Daneben hat sich allerdings auch gezeigt, dass die durch die vier Klauselvorschläge erstrebten Rechtsfolgen nicht in allen Rechtsordnungen tatsächlich in dem erstrebten Maße eintreten.
a. Lücken und Änderungen an den Klauselvorschlägen Zudem weisen die vier Klauselvorschläge Lücken auf, die Änderungen erforderlich machen. Diese Änderungen an den Klauselvorschlägen der ICC-ADRRegeln lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: solche, die grundsätzlich vorgenommen werden sollten, und solche, die in speziellen Konstellationen durch die Parteien durchgeführt werden sollten. Zu den grundsätzlich anzuratenden Änderungen gehört, dass die Parteien explizit den einstweiligen Rechtsschutzes von der Wirkung der Klauselvorschläge ausnehmen sollten.515 Auch wenn die Ausnahme des einstweiligen Rechtsschutzes durch die meisten Rechtsordnungen bereits vorgesehen ist, sollte zur Sicherung der eigenen Rechte und zur Klarstellung dieser Ausnahme eine solche Regelung in die ADR-Abrede mit aufgenommen werden. Beim dritten Klauselvorschlag sollten die Parteien zudem im Bedarfsfall den Gerichtsverfahren temporär ausschließenden Charakter des Klauselvorschlags entsprechend den 510 Dobbins, in: H. Bus. L. J. 1/2005, S. 161 ff. (173); Scanlon, in: ALI/ABA (Hrsg.), Mediation and other ADR, Dispute Resolution for the 21st Century, S. 15. 511 Vgl. weiter oben unter Kapitel V § 15 II 4 c. 512 Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel V § 16. 513 Vgl. Kapitel V § 15 I 1. 514 Gleiche Ansicht sind: Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 8; Kallipetis/Ruttle, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 237. Vgl näher hierzu oben unter Kapitel V § 15 II 4 a ii. 515 Sick, in: BB Beilage Nr. 5 2003, S. 25 ff. (26).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
im australischen Recht bestehenden Anforderungen ergänzen.516 Beim vierten Klauselvorschlag ist eine solche Änderung nicht notwendig, zumal hier primär das Schiedsgericht und nicht ein nationales Gericht entscheidet.517 Zuletzt sollten die Parteien die Klauselvorschläge noch um zusätzliche Sanktionsmaßnahmen wie Vertragsstrafen oder Schadenspauschalierungen ergänzen.518 Wie sich im Weiteren zeigen wird,519 ist dies nicht nur für die Durchsetzung der Teilnahmeverpflichtung wesentlich, sondern auch, um die effektive Wirksamkeit der ICC-ADR-Regeln zu gewährleisten. Neben diesen stets vorzunehmenden Änderungen besteht eine Reihe von möglichen Ergänzungen, die durch die Parteien in Erwägung gezogen werden sollten. So sollten die Parteien zum Beispiel die Verlängerung oder Verkürzung von in den Klauseln enthaltenen Fristen, die Festlegung eines Ortes, an dem die Streitbeilegung stattfinden soll, die ADR-Verfahrensart, Vereinbarungen betreffend die Berufung eines neutralen Dritten oder aber auch die Sprache, in der das Streitbeilegungsverfahren durchgeführt werden soll, erwägen.520 Die Parteien sind zudem in der Art der Änderungen nicht gebunden.521 Auch sollten die Parteien in Erwägung ziehen, die Fristenregelung des dritten Klauselvorschlags auf den vierten Klauselvorschlag zu übertragen, zumal die starrere Fristenregelung des vierten Klauselvorschlags zu einem Ungleichgewicht der Parteien führen kann. Auch die Ergänzung der ersten beiden Klauselvorschläge um die ICC-Schiedsklausel sollte in Erwägung gezogen werden. Die Parteien würden hierdurch eine homogenere rechtliche Wirkung der Klauselvorschläge erreichen, zumal die internationale Pluralität der zur Anwendung kommenden rechtlichen Ansichten umgangen würde.
b. Gesamtbewertung der Klauselvorschläge Insgesamt stellt die Internationale Handelskammer mit ihren Klauselvorschlägen den Parteien durchaus gute Alternativen bereit. Ihrer Zielsetzung, der größtmöglichen Parteikontrolle, entsprechend wird es dadurch den Parteien möglich, ohne größeren Aufwand eine grundsätzlich konsistente ADR-Abrede zu finden. Die Unterteilung der Klauselvorschläge in vier Bindungsintensitäten überzeugt 516
Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel V § 15 II 4 a dd und ii. Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. (18). 518 Dies empfiehlt auch: Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 332; Risse, in: Wirtschaftsmediation, S. 100. Vgl. näher zu Vertragsstrafe und pauschaliertem Schadensersatz: Berger, in: RIW 6/1999, S. 401 ff. 519 Vgl. etwa unten unter Kapitel V § 20 I 1 b. 520 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (13). 521 Es bleibt zudem anzumerken, dass für die Abänderung der Klauselvorschläge anders als für die ADR-Regeln selbst keine Zustimmung der Internationalen Handelskammer notwendig ist. 517
§ 15 Die antizipierte Vereinbarung eines späteren ICC-ADR-Verfahrens
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vor allem vor dem Hintergrund, dass hierdurch eine der Geschäftsbeziehung entsprechende Klausel gewählt werden kann. In ihrer Ausgestaltung entsprechen die vier Klauselvorschläge grundsätzlich dem regelmäßig notwendigen Ausgleich zwischen methodischen Vorteilen und rechtlicher Absicherung.522 Alleine die Fristenregelung des letzten Klauselvorschlags scheint in ihrer Bindungsintensität problematisch. Hier würde sich eine Verbindung des dritten Klauselvorschlags mit der ICC-Schiedsklausel anbieten. Im Ergebnis entstünde eine Klausel, die dem vierten Klauselvorschlag ähneln würde, aber im Gegensatz zu diesem die Frist des dritten Klauselvorschlags aufweisen würde. Die effektive Umsetzung der gewünschten Regelungsbereiche gelingt mit den Klauselvorschlägen allerdings nicht komplett. So bestehen gewisse Lücken in der Formulierung der vier Klauselvorschläge. Auch divergiert die Wirkung der Klauselvorschläge von Rechtsordnung zu Rechtsordnung zum Teil erheblich. Auf diesen Umstand weist auch der Leitfaden zu den ICC-ADR-Regeln explizit hin.523 Das jeweils anwendbare Recht hat dabei nicht nur bei der Frage der Durchsetzbarkeit einer Pflicht zur Durchführung eines ICC-ADRVerfahrens besondere Bedeutung. Wie die Betrachtung der Rechtslage in England gezeigt hat, können auch Kostenregelungen im Nachhinein die Wirkung einer Abrede in Form des dritten Klauselvorschlags erweitern.524 Insgesamt ist damit gerade die tatsächliche Wirkung der Klauselvorschläge als nicht optimal zu bezeichnen. Da diese aber als reine Vorschläge zu verstehen sind, steht es den Parteien frei, die für ihre Erfordernisse notwendigen Änderungen vorzunehmen. Anders als bei Änderungen an den ICC-ADR-Regeln selber bedarf es für Änderungen an den Klauselvorschlägen keiner Einwilligung der Internationalen Handelskammer.525 Vor dem Hintergrund gerade der mangelnden effektiven Etablierung eines einheitlichen Praxis-Standards bei den ersten drei Klauselvorschlägen erscheint der vierte Klauselvorschlag, der durch die Verzahnung der ADR-Abrede mit einer Schiedsabrede die entscheidungsbefugten Foren auf nur das Schiedsgericht konzentriert, als die gelungenste Variante; alleine die Fristenregelung überzeugt hier nicht.
522
Vgl näher hierzu oben unter Kapitel III § 9 III. ICC, Guide to ICC ADR, S. 18. 524 Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel V § 15 II 3 a cc (2). 525 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 15 II 6 a. 523
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
§ 16 Einleitung des Verfahrens Haben sich die Parteien oder nur eine Partei der Streitigkeit für den Versuch der Beilegung dieser Streitigkeit im Rahmen eines ICC-ADR-Verfahrens entschieden, stellt sich die Frage, was Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens ist und wie genau die Einleitung zu erfolgen hat. Für den Lauf oder die Aussetzung und Hemmung etwaiger Fristen ist zudem wesentlich, ab wann das ICC-ADR-Verfahren als eingeleitet gesehen werden kann.
I. Voraussetzung für die Einleitung Die Voraussetzungen für die Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens lassen sich in zwei Gruppen gliedern: Voraussetzungen, die sich aus den ICC-ADR-Regeln selbst ergeben, und Voraussetzungen, die sich aus den nationalen Rechtsordnungen ergeben. Eine im Vorfeld der Streitigkeit geschlossene Vereinbarung, Streitigkeiten im Zuge eines ICC-ADR-Verfahrens beizulegen, ist hingegen keine Voraussetzung für die Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens.
1. Voraussetzungen der ICC-ADR-Regeln Voraussetzung für die Einleitung eines ADR-Verfahrens nach den ICC-ADRRegeln ist zunächst das Vorliegen einer nationalen oder internationalen Wirtschaftsstreitigkeit.526 Was unter einer Wirtschaftsstreitigkeit zu verstehen ist, wird von den ICC-ADR-Regeln in ihrem Artikel 1 und auch in den weiteren Artikeln nicht näher umschrieben. Allein im Leitfaden findet sich ein exemplarischer Ausschluss von familienrechtlichen und arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.527 Auch wenn der Leitfaden zwischen den Parteien keine rechtliche Wirkung entfaltet,528 kommt ihm bei der Konkretisierung des Begriffes der Wirtschaftsstreitigkeiten eine gesteigerte Bedeutung zu. Schließlich ist es die Internationale Handelskammer, die entscheidet, ob eine Streitigkeit zum ADR-Verfahren angenommen wird oder nicht. Da der Leitfaden von der Internationalen Handelskammer herausgegeben wurde, ist die in ihm enthaltene Konkretisierung als Position der Internationalen Handelskammer zu verstehen, womit insgesamt die Konkretisierung im Leitfaden als Basis für die Einstufung als Wirtschaftsstreitigkeit gewertet werden kann. Ansonsten bleibt jedoch unbestimmt, was unter Wirtschaftsstreitigkeiten im Sinne der ICC-ADR-Regeln zu verstehen ist. Die Formulierung der englischen Originalfassung der ICC-ADRRegeln trägt dabei mit ihrem Begriff der “business disputes” genauso wenig 526
Vgl. Art. 1 der ICC-ADR-Regeln. Vgl. ICC, Guide to ICC ADR, S. 6. 528 Zur Wirkung des Leitfadens vgl. weiter oben unter Kapitel IV § 12 V. 527
§ 16 Einleitung des Verfahrens
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zur Eingrenzung bei529 wie die ebenfalls authentische französische Fassung mit ihrer Terminologie der „différend d’ordre commercial“. Bei der weiteren Eingrenzung des Begriffs gilt es zunächst festzuhalten, dass es die Funktion der Einleitungsvoraussetzung „Wirtschaftsstreitigkeit“ ist, solche Streitigkeiten auszufiltern, die der Zielsetzung der Internationalen Handelskammer nicht entsprechen. Diese besteht zusammengefasst darin, den internationalen Handel zu fördern und zu unterstützen sowie die Interessen international Handeltreibender zu vertreten.530 Diese Zielsetzung färbt auf die durch die Internationale Handelskammer bereitgestellten Regelwerke ab, da deren Erlass in Ausübung dieser Zielsetzung erfolgte. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich für ICC-Schiedsverfahren gemäß Artikel 1 I der ICCSchiedsgerichtsordnung auch auf “business disputes” beschränkt. Aus der gemeinsamen Zielsetzung ergibt sich, dass die genauere Bestimmung des Begriffes der “business disputes” über die Grenzen der einzelnen Regelwerke hinweg grundsätzlich gewisse Parallelen aufweist.531 Damit färbt das zu dem Begriff im Kontext der ICC-Schiedsordnung Gesagte auch auf die ICC-ADR-Regeln ab. Ziel beider Regelwerke ist es schließlich, international Handeltreibenden Wege der Streitbeilegung zur Verfügung zu stellen und nicht, eine generelle Alternative für nationale Gerichtsverfahren zu bieten. Diesem Befund entsprechend gilt sowohl für die ICC-Schiedsordnung wie auch für die ICC-ADR-Regeln, dass diese grundsätzlich nicht für familienrechtliche, arbeitsrechtliche und erbrechtliche Streitigkeiten gedacht sind.532 Jedoch gibt es von diesem grundsätzlichen Ausschluss auch Ausnahmen. Arbeitsrecht529 Allein in Stroud’s Judicial Dictionary erstrecken sich die möglichen Bedeutungen des Wortes “Business” über sechseinhalb Seiten. Vgl.: Stroud, Stroud’s Judicial Dictionary 1, S. 323–330. 530 Art. 1 II der Constitution of the International Chamber of Commerce spricht genauer davon, “ICC brings together the various economic sectors in market economy countries and acts to: a. represent trade, industry, finance, transport, insurance and, in general, all sectors of international business; b. ascertain the views of corporations, companies, organisations, firms and individuals involved in international trade and related business operations and voice them to the relevant intergovernmental institutions and, through its National Committees, Groups and Direct Members, to their governments and other bodies in their respective countries; c. assure effective and consistent action in the economic and legal fields in order to contribute to the harmonious growth and the freedom of international commerce; d. provide practical and expert services to the international business community; e. encourage effective rapprochement and cooperation among businessmen in different countries and among the organisations that bring them together.” 531 So ist die ICC-Schiedsgerichtsbarkeit, wie ICC-ADR-Verfahren auch, grundsätzlich nicht für familienrechtliche oder arbeitsrechtliche Streitigkeiten gedacht. Vgl. Craig/Park/ Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 140. 532 Vgl. Bühler/Webster, Handbook of ICC Arbitration, 1–21; Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 140; ICC, Guide to ICC ADR, S. 6; Perner/ Völkl, in: ÖJZ 13/2003, S. 495 ff. (500).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
liche Streitigkeiten zwischen Unternehmen und leitenden Angestellten waren zum Beispiel bereits des Öfteren Gegenstand eines ICC-Schiedsverfahrens.533 Doch auch rein erbrechtliche Streitigkeiten wurden schon zum Gegenstand eines ICC-Schiedsverfahren.534 Der Begriff des “business dispute” ist damit im Kontext der ICC-Schiedsordnung als sehr weit und flexibel zu sehen, was auch die Abkehr vom traditionell oft verwendeten Begriff der “commercial disputes” erklärt, der als enger zu betrachten ist.535 Diese bewusste Weite ist auch auf die Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln zu übertragen. Der Begriff der “business disputes” ist auch hier weiter als der der “commercial disputes” zu qualifizieren.536 Neben dem Ausschluss arbeitsrechtlicher und familienrechtlicher Streitigkeiten537 sind die ICC-ADR-Regeln auch nicht für die Beilegung von personal injury claims gedacht.538 Wie bei der ICC-Schiedsgerichtsordnung auch ist dieser Ausschluss bestimmter Streit arten jedoch genau so wenig wie die im Leitfaden enthaltenen Ausschlüsse als kategorisch zu verstehen. Der Begriff der “business disputes” ist vielmehr so aufzufassen, dass ein besonderer wirtschaftlicher Bezug ausreicht, um von einem “business dispute” im Sinne der ICC-ADR-Regeln ausgehen zu können. Nicht entscheidend ist bei den ICC-ADR-Regeln zudem, ob die Streitigkeit nationaler oder internationaler Natur ist.539 Zudem ist der Begriff der “disputes” weit zu verstehen. Der Leitfaden der ICC-ADR-Regeln weist darauf hin, dass der “dispute”-Begriff der ICC-ADR-Regeln auch reine “differences” umfasst.540 Dies ergibt sich auch aus der Präambel der ICC-ADR-Regeln, die davon spricht, dass “Amicable settlement […] a desirable solution for business dispute and difference” ist.541 Aufgrund der nur begrenzten Wirkung des Leitfadens und zugunsten der Klarheit der ICC-ADR-Regeln wäre es jedoch wünschenswert gewesen, wenn die Internationale Handelskammer auch in Artikel 1 ICC-ADR-Regeln den Begriff “differences” mitverwendet hätte.542 Schließlich ist die Verwendung von ADR-Verfahren im Vorfeld einer Streitigkeit ein zentraler Vorteil gegenüber Entscheidungsverfahren.543
533
Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 141. Vgl. ICC Case No. 8742/1996 veröffentlicht in JDI 126/1999, S. 1066 ff. 535 Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 141 f. 536 A. A. ist wohl Jiménez-Figueres, der eine Anwendbarkeit nur für “commercial disputes” sieht. Vgl. Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (91). 537 ICC, Guide to ICC ADR, S. 6; Perner/Völkl, in: ÖJZ 13/2003, S. 495 ff. (500). 538 Dieser Meinung: Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 76; Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (13). 539 ICC, Guide to ICC ADR, S. 6. 540 ICC, Guide to ICC ADR, S. 6. 541 ICC, ADR Rules, S. 6. 542 Dies sieht auch so: Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (124). 543 Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 I 1. 534
§ 16 Einleitung des Verfahrens
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2. Allgemeine Voraussetzungen Doch nicht nur die Konformität der Streitigkeit mit den in den ICC-ADR-Regeln aufgestellten Voraussetzungen muss vorliegen, sondern sie muss auch nach nationalen Bestimmungen im Wege eines einvernehmlichen Verfahrens wirksam beigelegt werden können. Die Beantwortung dieser Frage ähnelt dabei der Frage der objektiven Schiedsfähigkeit544 eines Streitgegenstandes.545 In den meisten Rechtsordnungen sind Streitigkeiten im Bereich des Strafrechts, bezüglich des Sorgerechts für ein Kind, familienrechtliche Streitigkeiten sowie Streitigkeiten aus dem Bereich des Insolvenzrechts nicht schiedsfähig.546 Als Grund für die fehlende Schiedsfähigkeit in diesen Bereichen wird oft die Bedeutung des Gemeinwohls angeführt.547 Diese Begründung greift jedoch zunehmend nicht mehr in allen Fällen, da auch durch Schiedsrichter in fair ausgestalteten Schiedsverfahren die Interessen Dritter der Intention des Staates entsprechend gewährleistet werden können.548 Diesem Befund entsprechend expandiert die Schiedsfähigkeit in ehemals allein staatlichen Gerichten vorbehaltene Bereiche.549 Bei ADR-Verfahren ist jedoch zu bedenken, dass diese im Unterschied zu Schiedsverfahren in ihrem Ausgang unter der vollen Kontrolle der Parteien stehen. Hier gibt es, anders als im Schiedsverfahren, eben gerade keinen entscheidungsbefugten Dritten, der Interessen des Gemeinwohls berücksichtigen und ein Urteil auf Basis zwingender Rechtsnormen fällen könnte. Die Beilegung der Streitigkeit und die hierfür gefundene Einigung liegen vielmehr allein in den Händen der Parteien. Diese werden regelmäßig allein ihre eigenen Interessen verfolgen. Zwingende Interessen des Gemeinwohls werden dabei oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auf der anderen Seite zeichnet es ADR-Verfahren gerade aus, dass an ihrem Ende, anders als bei einem Schiedsverfahren, kein direkt durchsetzbares Ergebnis steht. ADR-Verfahren konkurrieren damit nicht mit Entscheidungsverfahren; sie sind eher mit einfachen Verhandlungen der Parteien zu vergleichen als mit Schiedsverfahren, womit ihre Zulässigkeit der Reichweite der Vertragsautonomie folgt. In einzelnen Ländern wird jedoch sogar noch weiter gegangen. So bietet das niederländische Recht den Parteien für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit Artikel 7:902 BW den Freiraum, im 544 Vgl. zu dieser näher: Mistelis/Brekoulakis, Arbitrability; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 289 ff. 545 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 115. 546 Moses, The Principles and Practice of International Commercial Arbitration, S. 31. 547 Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Redfern and Huntern on International Arbitration, S. 124; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 188; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 292. 548 Brekoulakis, in: Mistelis/Brekoulakis (Hrsg.), Arbitrability, S. 21 ff. 549 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 46; Moses, The Principles and Practice of International Commercial Arbitration, S. 31; Youssef, in: Mistelis/Brekoulakis (Hrsg.), Arbitrability, S. 67.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Ergebnis zu einer Einigung zu gelangen, die gegen zwingendes Recht verstößt. Artikel 7:902 BW untersagt vielmehr lediglich solche Einigungen, die gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung verstoßen.550 Insofern ist hier die Möglichkeit zur gütlichen Einigung weiter gefasst als die der Vertragsautonomie.
II. Wege der Einleitung nach den ICC-ADR-Regeln Die ICC-ADR-Regeln teilen die Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens grob in zwei Gruppen ein: Die Einleitung bei Bestehen einer Vereinbarung über die Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln (Artikel 2 A ICC-ADR) und die Einleitung in Ermangelung einer solchen Vereinbarung (Artikel 2 B ICC-ADR). Haben sich die Parteien zwar über die Durchführung eines ADR-Verfahrens geeinigt, in ihrer Vereinbarung sich aber nicht spezifisch auf die Streitbeilegung unter den ICC-ADR-Regeln geeinigt, so ist die Einleitung nach der zweiten Gruppe einschlägig.551 Für die Einteilung in die erste Gruppe unerheblich ist hingegen, ob die Vereinbarung über die Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln durch die Parteien vor Entstehen der Streitigkeit getroffen wurde, oder sich die Parteien hierüber erst nach Entstehen der Streitigkeit geeinigt haben. Nicht zu einer Vereinbarung im Sinne des Artikel 2 A ICC-ADR zu zählen ist eine nichtbindende ADR-Abrede, wie zum Beispiel die ersten beiden Klauselvorschläge der ICC-ADR-Regeln, wobei sich die Parteien vor Einleitung und nach Entstehen der Streitigkeit nichtsdestoweniger auch über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens einigen können552 und somit wieder ein Fall der ersten Gruppe vorliegt.553 Liegt ein Antrag vor, welcher ein Verfahren nach den alten ICC Rules of Conciliation in ihrer Fassung vom 1. Januar 1988 beantragt, so wird die Internationale Handelskammer die Parteien dazu auffordern, ihren Antrag auf ein Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln umzustellen, auch wenn diesem Antrag ein Streit aus einem Altvertrag zugrunde liegt, der in einer Klausel auf die alten ICC Rules of Conciliation Bezug nimmt.554
550 Vgl.
Schmiedel, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 363. Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (95). 552 Haben die Parteien eine Abrede nach Muster des zweiten Klauselvorschlags geschlossen und sich nach Entstehen der Streitigkeit und vor Anrufung der ICC im Wege der gemäß der ADR-Abrede durchzuführenden Verhandlungen für die Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens gemeinsam entschieden, so liegt wieder ein Fall des Art. 2 A ICC-ADR vor. 553 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (14). 554 Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 17; Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (189). 551
§ 16 Einleitung des Verfahrens
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1. Einleitung des Verfahrens bei Bestehen einer Vereinbarung Im Falle des Bestehens einer Vereinbarung über die Anwendbarkeit der ICCADR-Regeln ist zu unterscheiden, ob die Parteien gemeinsam das Verfahren einleiten oder aber nur eine Streitpartei das ADR-Verfahren unilateral einleitet. In beiden Fällen ist ein Antrag auf Durchführung eines ADR-Verfahrens nach den ICC-ADR-Regeln notwendig. Dieser Antrag muss gemäß Artikel 2 A 1 der ICC-ADR-Regeln grundsätzlich neben Angaben über die Streitparteien555 noch eine Darstellung der Streitigkeit556 und deren Streitwert, Angaben für die Benennung eines neutralen Dritten und eine Kopie der ADR-Abrede enthalten. Darüber hinaus muss mit dem Antrag die Pauschalgebühr557 zur Einleitung des ADR-Verfahrens bei der ICC eingehen. Beantragt nur eine Partei das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln, so steht es der antragenden Partei gem. Artikel 2 A 2 ICC-ADR zudem frei, Angaben über die Kriterien, die der Neutrale erfüllen muss, zu machen, oder aber mögliche neutrale Dritte vorzuschlagen. Zu richten ist der Antrag gemäß Artikel 2 A 1 ICC-ADR an die Internationale Handelskammer, genauer gesagt an die ADR-Abteilung der ICC Dispute Resolution Services.558 Im Falle der einseitigen Einleitung des ADR-Verfahrens hat die einleitende Partei diesen Antrag überdies gem. Artikel 2 A 2 der ICC-ADRRegeln an alle übrigen Streitparteien zu übermitteln. Gerade weil der Antrag auch der anderen Partei zugesandt wird, sollte die antragende Partei auf eine das spätere ADR-Verfahren unterstützende Formulierung des Antrags achten.559 Ist der vollständige Antrag im Sinne des Artikel 2 A ICC-ADR bei der Internationalen Handelskammer eingegangen, so bestätigt diese gem. Artikel 2 A 3 ICC-ADR jeder Partei schriftlich und unverzüglich den Eingang des Antrags.
2. Einleitung des Verfahrens in Ermanglung einer Vereinbarung Sollten die Streitparteien keine Vereinbarung über die Anwendbarkeit der ICCADR-Regeln getroffen haben, so bestimmt sich die Einleitung eines solchen Verfahrens nach Artikel 2 B der ICC-ADR-Regeln. Der Antrag einer Partei muss hier gem. Artikel 2 B 1 ICC-ADR neben den Angaben zu den Streitparteien noch eine Darstellung der Streitigkeit, soweit möglich Angaben zum Streitwert und die nicht zurückerstattbare Pauschalgebühr zur Einleitung eines 555 Diese Angaben setzen sich zusammen aus Namen, Adressen, Telefon- und Faxnummern sowie E‑Mail-Adressen der Streitparteien sowie deren bevollmächtigten Vertreter. 556 Diese Darstellung sollte im Parteiinteresse kurz gehalten werden und als knappe Zusammenfassung der Streitigkeit gesehen werden. Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 78. 557 Diese beträgt laut Kostentabelle der ICC 1.500 US$. Vgl. ICC, ADR Rules, S. 14. 558 Vgl. ICC, Guide to ICC ADR, S. 7. Damit ist der Antrag an den Hauptsitz der Internationalen Handelskammer im Cours Albert 1er in Paris zu richten. 559 Siehe näher hierzu mit Formulierungsbeispiel Risse, Wirtschaftsmediation, S. 127 ff.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
ADR-Verfahrens in Höhe von 1.500 $ enthalten.560 Wie auch bei der einseitigen Einleitung bei Bestehen einer Vereinbarung steht es der einseitig antragenden Partei frei, Angaben betreffend die Wahl des neutralen Dritten zu machen. Anders als bei der einseitigen Einleitung bei Bestehen einer Vereinbarung muss die antragende Partei hingegen nur der Internationalen Handelskammer den Antrag zukommen lassen, den anderen Streitparteien hingegen nicht. Die Unterrichtung der anderen Partei übernimmt hier gemäß Artikel 2 B 2 ICC-ADR die Internationale Handelskammer. Dabei räumt sie den anderen Parteien eine Frist von 15 Tagen ab Erhalt des Antrags ein, um schriftlich mitzuteilen, ob sie zur Teilnahme an einem ICC-ADR-Verfahren bereit ist. Die Übermittlung des Antrages an die andere Partei durch die Internationale Handelskammer hat dabei den Vorteil, dass diese als neutrale Instanz die andere Partei glaubwürdig über das ADR-Verfahren näher informieren und damit die Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens erleichtern kann.561
3. Einleitung des Verfahrens bei Uneinigkeit über das Bestehen einer Vereinbarung Grundsätzlich wird für die Parteien bei der Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens klar sein, welchen der oben beschriebenen Wege sie zu wählen haben. Probleme ergeben sich jedoch dann, wenn nicht klar feststeht, ob eine wirksame ADR-Vereinbarung zwischen ihnen besteht. Vor allem die Frage, ob eine ADRAbrede bindend ist oder nicht, wird dabei Ursache für Uneinigkeiten sein. Die Frage, welche Einleitungsvariante hier zum Zuge kommt, ist dabei keine rein theoretische,562 zumal von ihrer Entscheidung abhängt, ob es zu einer ersten Besprechung i. S. v. Artikel 5 I der ICC-ADR-Regeln kommen muss oder nicht, bevor das ADR-Verfahren für gescheitert erklärt werden kann. Ferner richtet sich nach der Art der Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens auch der Zeitpunkt des Verfahrensbeginns. Damit strahlt die Frage der Einleitung des ICC-ADRVerfahrens bei Uneinigkeit der Parteien über das Bestehen einer Vereinbarung auch in sich anschließende Schieds- oder Gerichtsverfahren aus. Grundsätzlich sollten die Parteien im Zweifelsfall die Einleitung über Artikel 2 A der ICC-ADR-Regeln wählen, da dies ihrer Interessenlage, nämlich ein ICC-ADR-Verfahren tatsächlich durchzuführen, am ehesten entspricht. Durch 560
Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 179. Carroll/Mackie, International Mediation, S. 48; Risse, Wirtschaftsmediation, S. 119. A. A. ist Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (84 f.), der in der einseitigen Anrufung der ICC keine Aktion sieht, durch welche die Meinung der unwilligen Partei sich ändert. Lincolns Meinung nach sollte die willige Partei selbst versuchen die andere Partei umzustimmen. Vgl. näher zum richtigen Vorschlagen eines einvernehmlichen Verfahrens im Konfliktfall Carroll/Mackie, International Mediation, S. 48 f. 562 A. A. Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (191). 561
§ 16 Einleitung des Verfahrens
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die Einleitung über Artikel 2 A der ICC-ADR-Regeln kommt es schließlich, anders als bei einer Einleitung über Artikel 2 B ICC-ADR-Regeln, zu einem ersten obligatorischen Termin, welcher durch eine Partei genutzt werden kann, um die andere Partei trotz deren ablehnender Haltung dem ICC-ADR-Verfahren gegenüber von diesem zu überzeugen. Zudem fängt hier das ICC-ADR-Verfahren bereits mit der Einleitung über Artikel 2 A ICC-ADR-Regeln an. Damit tritt eine etwaige Verjährungshemmung früher ein. Behutsamer scheint allerdings der Weg über Artikel 2 B ICC-ADR-Regeln, da hier die andere Partei von der Internationalen Handelskammer aufgeklärt wird und sich unter Umständen weniger unter Druck gesetzt fühlt. Fraglich bleibt, wie die Internationale Handelskammer reagieren wird. Diese bekommt schließlich bei Einleitung des Verfahrens über Artikel 2 A ICC-ADRRegeln die Vereinbarung in Kopie mitübersandt und entscheidet, ob die Voraussetzungen zur Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens vorliegen. Dies ist nicht ganz unproblematisch. Zwar bleibt der antragenden Partei danach noch der Weg zur Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens über Artikel 2 B ICC-ADR. Die Folge hiervon ist allerdings, dass nicht nur die erste obligatorische Sitzung entfällt, sondern dass die antragende Partei auch die nicht rückerstattbare Einleitungsgebühr alleine aufbringen muss. Warum gerade das ADR-Sekretariat durch seine Entscheidung diese Folgen für die antragende Partei festlegen können soll, erscheint fraglich. Anders als bei Schiedsverfahren mit Artikel 6.2 der ICC-Schiedsordnung besteht bei ICC-ADR-Verfahren schließlich keinerlei vertragliche Grundlage für diese Entscheidungshoheit. Hinzu kommt, dass die Wirksamkeit der ADR-Abrede für das ADR-Sekretariat nur schwer zu beurteilen ist. Da diese vor allem vom anwendbaren Recht abhängig ist, müsste das ADR-Sekretariat nicht nur das im Einzelfall anwendbare Recht ermitteln, sondern vielmehr auch, ob nach diesem die ADR-Abrede wirksam ist. Nicht nur aufgrund der sehr begrenzten Informationslage in diesem frühen Stadium scheint dies durch das ADR-Sekretariat nicht zu bewältigen. Es bleibt hier abzuwarten, wie die Internationale Handelskammer bei Aufkommen dieser Problematik diese Konflikte umgehen wird.
III. Zeitpunkt des Verfahrensbeginns Doch nicht nur bezüglich der Art und Weise der Einleitung eines ICC-ADRVerfahrens wirkt sich die Frage aus, ob eine vorherige Vereinbarung über die Durchführung eines solchen Verfahrens bestand oder nicht. Auch bezüglich der Frage, ab wann das Verfahren tatsächlich beginnt, ist entscheidend, welcher Weg der Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens beschritten wurde. Der Beginn des Verfahrens ist wiederum für den Lauf etwaiger Fristen von zentraler Bedeutung.563 563
Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel V § 20 I 3.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Im Falle der Einleitung bei Bestehen einer Vereinbarung gemäß Artikel 2 A ICC-ADR beginnt das ICC-ADR-Verfahren bereits mit Einreichung der Anfrage bei der Internationalen Handelskammer.564 Im Unterschied hierzu beginnt das ICC-ADR-Verfahren bei der Einleitung in Ermangelung einer Vereinbarung nach Artikel 2 B ICC-ADR erst, wenn die andere Partei innerhalb der 15-Tage-Frist dem Verfahren zustimmt.565 Vor diesem Zeitpunkt läuft das ICC-ADR-Verfahren hingegen noch nicht.566 Diese Differenzierung des Verfahrensbeginns leuchtet vor allem vor dem Hintergrund ein, dass es ansonsten einer Partei möglich wäre, allein durch einseitige Einleitung eines ICC-ADRVerfahrens zu einer Hemmung von Ansprüchen zu gelangen. Dies kann aber so nicht gewollt sein, da ansonsten das ICC-ADR-Verfahren als Mittel der Anspruchshemmung missbraucht werden könnte. Auf der anderen Seite ergibt der Beginn des Verfahrens bereits ab Einreichung des Antrags im Falle einer bestehenden Vereinbarung vor dem Hintergrund Sinn, dass die andere Partei ihr Einverständnis bei Eingehung der Vereinbarung bereits erteilt hat.567 Ein Missbrauch droht hier demnach nicht.
IV. Zusammenfassung und Wertung Insgesamt erscheint das Einleitungsprozedere der ICC-ADR-Regeln damit grundsätzlich als gelungen. Gerade der Bedeutung des Beginns eines ADR-Verfahrens wird durch dieses differenzierte Vorgehen Rechnung getragen. Methodisch überzeugt zudem, dass bei einseitiger Einleitung die Internationale Handelskammer die andere Partei über das Begehren der antragenden Partei und das ICC-ADR-Verfahren näher informiert. Einher mit der im Sinne von Artikel 2 ICC-ADR erfolgreichen Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens geht zudem die Pflicht, zumindest an einer ersten obligatorischen Sitzung teilzunehmen, da erst nach dieser das Verfahren durch Parteierklärung gemäß Artikel 6 b ICCADR beendet werden kann. In der Zustimmung zu einem ICC-ADR-Verfahren liegt somit auch der Wille zur Teilnahmeverpflichtung. Nicht überzeugen mag hier jedoch, dass über diese verpflichtende Wirkung die Internationale Handelskammer entscheidet. Dabei ist nicht alleine deren Entscheiden an sich bedenk564
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (14). Art. 2 B 2 ICC ADR; Jiménez-Figueres spricht missverständlicher Weise davon, dass dies immer dann der Fall ist, wenn nur eine Partei das Verfahren einleitet. Vgl.: JiménezFigueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (95). Die Einleitung nach Art. 2 A ICC ADR kann jedoch auch unilateral erfolgen, wobei hier das Verfahren bereits mit Einreichung des Antrags bei der Internationalen Handelskammer beginnt. Vgl.: Art. 2 A 1 ICC ADR; Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (14). 566 Anders sehen dies Schäfer, Verbist und Imhoos, die den Beginn des ICC-ADR-Verfahrens immer in der Einreichung der Anfrage an die Internationale Handelskammer sehen. Vgl.: Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 179. 567 Dies sieht auch so: Risse, Wirtschaftsmediation, S. 126. 565 Vgl.
§ 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten
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lich, sondern vor allem der Mangel einer vertraglichen Vereinbarung über ihre Kompetenz.
§ 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten Die Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten ist ein zentraler Punkt des ICC-ADR-Verfahrens,568 der sich erheblich auf den Erfolg eines ADR-Verfahrens auswirkt.569 Das tatsächliche Vertrauen der Parteien in die Neutralität des Dritten ist für den Erfolg des ADR-Verfahrens wesentlich,570 da ohne dieses Vertrauen der für ADR-Verfahren notwendige freie Informationsaustausch nicht stattfinden könnte.571 Zudem hängt es erheblich von der sachlichen Kompetenz des Neutralen ab, inwieweit das einvernehmliche Verfahren tatsächlich erfolgreich verläuft.572 Daher muss für die Auswahl des neutralen Dritten ein objektives und von jeglichem Anschein573 der Bevorteilung einer Partei befreites Verfahren vorgesehen werden, an dessen Ende ein für die jeweilige Streitbeilegung kompetenter und neutraler Dritter benannt wird.
I. Auswahl nach den ICC-ADR-Regeln Die ICC-ADR-Regeln sehen zwei grundsätzliche Wege der Wahl und anschließenden Ernennung eines neutralen Dritten vor: die gemeinsame Nominierung durch die Streitparteien (Artikel 3 I S. 1 ICC-ADR) oder aber die Nominierung durch die Internationale Handelskammer (Artikel 3 I S. 2 ICC-ADR). Der gemeinsamen Nominierung des neutralen Dritten durch die Streitparteien wird dabei durch die Internationale Handelskammer der Vorzug gegeben.574 Die Bestimmung durch die Internationale Handelskammer ist insofern als Auffangkompetenz zu sehen.575 Grund hierfür ist, dass die Internationale Handels568
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (15). González de Cossío, in: Ars Juris, 30/2003, S. 39 ff. (63). 570 Berlin, Alternative Streitbelegung in Vebraucherkonflikten, S. 110 ff.; Flögel, Die Mediation im nationalen und internationalen Wirtschaftsverkehr, S. 46; Kracht, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.) Handbuch Mediation, S. 304 f.; Schlieffen/Ponschab/Rüssel/Harms, Mediation und Streitbeilegung, S. 24. 571 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 412. 572 Busch/Reinhold, in: EuCML 2015, S. 50 ff. (54); Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (122). 573 Jeder Anschein der mangelnden Neutralität kann schließlich zu Zweifeln der Parteien führen, die sich direkt negativ auf die Autorität des Neutralen auswirken können. Vgl.: Kracht, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 304 f. 574 Vgl. Art. 3 I S. 2 der ICC ADR Regeln: „Wenn sich die Parteien nicht auf einen Neutralen einigen können …… hat die ICC …. einen Neutralen zu bestellen …“. 575 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (192). 569
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
kammer die Wahl durch die Streitparteien aufgrund der konsensualen Natur des Verfahrens als die vorzugswürdige Variante sieht.576 Zudem wird hiermit durch die Internationale Handelskammer auch bei der Frage der Wahl des neutralen Dritten die verfolgte Zielsetzung der größtmöglichen Parteikontrolle577 konsequent eingehalten. Eine Beschränkung der Wahl auf bestimmte Personen, die bei der Internationalen Handelskammer als neutrale Dritte akkreditiert sind oder sich haben zertifizieren lassen, gibt es nicht.578 Zudem muss der neutrale Dritte nicht, wie in einigen Rechtsordnungen,579 eine spezielle Ausbildung absolviert haben oder spezielle Anforderungen erfüllen, um als solcher zu fungieren.580
1. Gemeinsame Nominierung Haben sich die Parteien schon im Vorfeld des ICC-ADR Verfahrens auf einen neutralen Dritten geeinigt, so teilen sie gemäß Artikel 3 I S. 1 ICC-ADR dessen Person zunächst der Internationalen Handelskammer mit. „Im Vorfeld“ bedeutet dabei nicht vor Entstehung der Streitigkeit. Die Parteien müssen sich daher nicht bereits in der ADR-Abrede auf den neutralen Dritten geeinigt haben. Vielmehr zeigt Artikel 2 B II ICC-ADR, das die Parteien auch bei Einleitung eines Verfahrens ohne zugrundeliegende ADR-Abrede gemeinsam einen neutralen Dritten benennen können. Insofern reicht es, wenn sich die Parteien vor dem Beginn des Verfahrens und nach Entstehen der Streitigkeit auf eine oder mehrere Personen geeinigt haben. Bei der Wahl des neutralen Dritten erstreckt sich die Parteikontrolle zudem nicht nur auf die Person, sondern auch auf die Anzahl der am Verfahren beteiligten neutralen Dritten. Den Parteien steht es damit frei, sich in Abwandlung des vorgesehenen Normalfalles nur eines neutralen Dritten gemäß Artikel 3 IV ICC-ADR darauf zu einigen, mehrere Neutrale für ein Verfahren zu benennen. Dies kann zum Beispiel dann angezeigt sein, wenn die Grundlage einer Streitigkeit besonders komplex ist und insofern die Anforderungen an einen neutralen Dritten schwer nur von einer einzelnen Person erfüllt werden können.581 Oft sind auch ADR-Verfahren besonders dann erfolgreich, wenn zwei neutrale 576 Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 23. Unter den alten ICC Rules of Optional Conciliation war dies noch anders. So wurde der neutrale Dritte hier gem. Art. 4 der alten Regeln vom Secretary General des internationalen Schiedsgerichtshofs bestimmt. Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel III § 8 III. 577 Näher zur Zielsetzung der ICC ADR Regeln vgl. weiter oben unter Kapitel IV § 11 II. 578 Vgl. näher zu den negativen Implikationen einer solchen Eingrenzung Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 149. 579 Ein Beispiel einer solchen Rechtsordnung wäre für den Fall der gerichtlichen Mediation Frankreich,. Vgl. Deckert, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 213 f. 580 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 125. 581 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (97).
§ 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten
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Dritte, einer mit einem rechtlichen Hintergrund und einer mit einem sonstigen, zumeist technischen Hintergrund, das Verfahren führen.582
2. Bestellung durch die Internationale Handelskammer Konnten die Parteien sich nicht auf einen neutralen Dritten einigen oder sollte dieser sein Einverständnis nicht erteilt haben, so wird der neutrale Dritte nach Artikel 3 I S. 2 der ICC ADR Regeln durch die Internationale Handelskammer bestellt. Der zentrale Unterschied gegenüber der Bestimmung über eine Parteiabrede ist dabei, dass der durch die Internationale Handelskammer gewählte neutrale Dritte von den Parteien absolut unabhängig sein muss.583 Absolute Unabhängigkeit von den Parteien bedeutet in diesem Kontext, dass der neutrale Dritte keinerlei Sonderbeziehung, gleich welcher Natur, zu einer der Parteien haben darf.584 Dies ergibt sich dabei aus dem Umstand, dass ausweislich des Leitfadens zu den ICC-ADR-Regeln im Falle bestehender Verbindungen zwischen einem Neutralen und einer Partei, beide Parteien nur gemeinsam diesen als Neutralen wählen können.585 Ist eine Person nicht unabhängig von einer Partei, so kann diese also nur im Wege der Einigung zwischen den Parteien in voller Kenntnis dieses Umstandes neutraler Dritter werden.586 Damit sind die beiden Varianten der Wahl eines neutralen Dritten nicht nur nach der wählenden Instanz, sondern auch nach dem wählbaren Personenkreis zu unterscheiden. Legen die Parteien Wert darauf, dass der neutrale Dritte eine Person ist, mit der sie bereits zusammengearbeitet haben, so bleibt ihnen nur der Weg der Einigung über die Wahl dieser Person.587 Die Wahl durch die Internationale Handelskammer bietet den Parteien hingegen die Möglichkeit, dass hierdurch ein Neutraler gefunden wird, welcher zu keiner Zeit mit einer der Parteien in Kontakt stand und damit als von vorneherein besonders unvoreingenommen erscheint. Dies bietet sich vor allem bei interpersonellen Konflikten an, in denen Beziehungen des Neutralen zu einer Partei Auslöser für eine Konsens-feindliche Atmosphäre werden können.588 Ein Verbinden beider Vorteile, indem die Parteien zum Beispiel eine Liste von nicht unabhängigen Dritten der Internationalen Handelskammer zwecks Auswahl der konkreten Person übermitteln, ist nach dem Wortlaut der ICC-ADR-Regeln genauso wenig möglich wie die umgekehrte Variante589 der Wahl einer Person von einer ICC-Liste durch die Parteien. 582
Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (85). Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (15). 584 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (192). 585 Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 26. 586 Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 26. 587 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (16). 588 Hager, Konflikt und Konsens, S. 80. 589 Näher zu den beiden Varianten später unter Kapitel V § 17 III. 583
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Ist es an der Internationalen Handelskammer, den neutralen Dritten zu bestellen, so ist ferner zu unterscheiden, ob die Parteien sich auf bestimmte Qualifikationen oder Eigenschaften des neutralen Dritten geeinigt haben oder aber der Internationalen Handelskammer für die Wahl keinerlei Vorgaben gemacht haben. Erstere Variante ist in der Praxis als die Regel anzusehen, da die Parteien regelmäßig Angaben zu grundlegenden Anforderungen an den neutralen Dritten abgeben werden, die zum Beispiel die von ihm geforderten Sprachkenntnisse betreffen.590 Liegt dieser Regelfall vor, so muss die Internationale Handelskammer gemäß Artikel 3 I S. 3 der ICC-ADR-Regeln alle angemessenen Anstrengungen unternehmen, um diese Kriterien zu erfüllen. Insofern kann die Internationale Handelskammer bei nur schwer oder überhaupt nicht erfüllbaren Vorgaben diese bei der Wahl des neutralen Dritten auch unerfüllt lassen. Hat nur eine Partei Angaben betreffend den neutralen Dritten gemacht, so kann diese die Internationale Handelskammer bei der Wahl in Betracht ziehen, ist hierzu allerdings nicht verpflichtet.591 Bedarf die Internationale Handelskammer bei ihrer Auswahl weiterer Informationen, so kontaktiert sie die Parteien oder deren Berater, um das Profil des Neutralen näher zu erörtern.592 In ihrem Vorgehen bei der Wahl des neutralen Dritten ist die Internationale Handelskammer ansonsten vollkommen frei und an keine feste Liste von Neutralen gebunden.593 Insbesondere bezüglich der beruflichen oder sonstigen Qualifikation enthalten die ICC-ADR-Regeln keinerlei Vorgaben.594 Zudem steht es ihr gemäß Artikel 3 I S. 2 der ICCADR-Regeln frei, den Neutralen über ein ICC-Nationalkomitee oder auf andere Weise zu bestellen, wobei sie sich mit den einzelnen Nationalkomitees auf ein Netzwerk beziehen kann, dass sich über mehr als achtzig Länder erstreckt.595 Auf dieses Netzwerk greift die Internationale Handelskammer bei der Wahl im Regelfall auch zurück und läd die Nationalkomitees dazu ein, ihr Vorschläge für Neutral zu unterbreiten, aus denen sie dann den Neutralen auswählt.596 Im Rahmen ihres Bestellungsverfahrens kann die Internationale Handelskammer den Parteien zudem vorschlagen, mehr als einen Neutralen für ihre Streitigkeit zu berufen.597 Die Entscheidung hierüber bleibt aber allein den Parteien vorbehalten und kann gem. Artikel 3 III ICC-ADR nicht von der Internationalen Handelskammer ohne deren Zustimmung durchgesetzt werden.598 590
Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (96). ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 19. 592 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (96). 593 Tümpel/Sudborough, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 255 ff. (266). 594 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (192). 595 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (97). 596 Tümpel/Sudborough, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 255 ff. (266). 597 Vgl. Art 3 IV 2 der ADR Regeln. 598 Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 79 f. 591
§ 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten
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Hat die Internationale Handelskammer einen Neutralen ausgewählt, so unterrichtet sie die Parteien hierüber, wobei sie die Parteien in der Regel bereits zu diesem Zeitpunkt auch über die Gebühren des neutralen Dritten informieren wird.599 Ab Erhalt dieser Mitteilungen steht es dann den Parteien gemäß Artikel 3 III ICC-ADR innerhalb einer Frist von 15 Tagen frei, gegen die Wahl der Internationalen Handelskammer eine Einwendung zu erheben. Die Einwendung einer Partei ist dabei sowohl der Internationalen Handelskammer als auch der anderen Partei schriftlich zuzustellen und mit einer Begründung zu versehen. Die Pflicht zur Begründung der Ablehnung des neutralen Dritten ist dabei nicht allein deklaratorischer Natur. Die Parteien eines ICC-ADR-Verfahrens haben vielmehr immer im Lichte der Kooperation und des guten Glaubens zu handeln.600 Vor diesem Hintergrund muss auch diese Begründung der Ablehnung gesehen werden, womit die einwendende Partei gehalten ist, nur dann die Wahl abzulehnen, wenn auch tatsächlich nachvollziehbare Gründe gegen diesen Neutralen sprechen. Die Internationale Handelskammer ist dann gezwungen, den Parteien einen neuen Neutralen vorzuschlagen, wobei die ICC-ADR-Regeln keine Grenze für die erneute Ablehnung durch die Parteien enthalten. Die Internationale Handelskammer kann jedoch gemäß Artikel 6 I g ICC-ADR das Verfahren dann für gescheitert erklären, wenn es ihr nach Aufwendung angemessener Bemühungen nicht gelingt, einen Neutralen zu ernennen.601 Dies wird bei mehrmaliger Ablehnung der Wahl der Internationalen Handelskammer nach Artikel 3 III ICC-ADR regelmäßig der Fall sein.
II. Einsetzung und Unabhängigkeitserklärung Auch wenn die Wahl des neutralen Dritten erstrangig nach Parteiwahl erfolgt, so bleibt es nach Artikel 3 II ICC-ADR Aufgabe der Internationalen Handelskammer, den ihr benannten Dritten dazu einzuladen, eine Unabhängigkeitserklärung abzugeben.602 Zudem muss der neutrale Dritte der Internationalen Handelskammer seinen Lebenslauf zukommen lassen, damit seine Nominierung oder Ernennung wirksam wird.603 Die durch den von den Parteien benannten Neutralen unterschriebene und datierte Unabhängigkeitserklärung muss „… alle Tatsachen und Umstände offenlegen, die geeignet sein können, bei den Parteien Zweifel an seiner Unabhängigkeit entstehen zu lassen“.604 Sowohl der Lebens599
Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (97). Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (16). Vgl. näher zu der Bedeutung dieser Pflicht und zu deren faktischen Wirkung weiter unten unter Kapitel V § 20 I 1 b. 601 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (16). 602 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (96). Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 25. 603 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 25. 604 Art. 3 II ICC ADR Regeln. 600
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
lauf als auch die Unabhängigkeitserklärung werden durch die Internationale Handelskammer an die Parteien weitergeleitet. Zweck dieses Vorgehens ist es, dass die Parteien möglichst genau die Person des neutralen Dritten und dessen Umstände kennenlernen, damit nicht erst beim späteren Bekanntwerden gewisser, den neutralen Dritten betreffender Umstände eine Partei den Glauben an die Neutralität des Dritten verliert. Lebenslauf und Unabhängigkeitserklärung bilden also eine Grundlage für das für ein ADR-Verfahren so wesentliche Vertrauen. Diese Voraussetzungen für die Ernennung eines neutralen Dritten führen jedoch noch nicht für sich dazu, dass dieser letztendlich durch die Internationale Handelskammer ernannt wird. Diese nimmt lediglich die Wahl der Parteien zur Kenntnis und erledigt die Prüfung der Einhaltung aller durch die ICC-ADRRegeln vorgegebenen Voraussetzungen.605 Die Einsetzung in seine Rolle als neutraler Dritter erfolgt dann erst, sobald er der Internationalen Handelskammer anzeigt, dass er einverstanden damit ist, als neutraler Dritter im fraglichen Verfahren zu fungieren.606 Verweigert der durch die Parteien gewählte Dritte hingegen sein Einverständnis, so folgt die weitere Bestimmung eines anderen Neutralen durch die Internationale Handelskammer.607
III. Die Gewährleistung der Wahl eines qualifizierten und neutralen Dritten Die Wahl des neutralen Dritten ist, wie bereits eingangs erwähnt, zentral für den Erfolg des ICC-ADR-Verfahrens.608 Entscheiden sich die Parteien dafür, selbst einen neutralen Dritten zu bestimmen oder der Internationalen Handelskammer Vorgaben für die Bestimmung zu geben, stellt sich die Frage, welche Eigenschaften609 des neutralen Dritten die Parteien berücksichtigen sollten. Von vorneherein ausgeschlossen von der Bestellung zum neutralen Dritten sind gemäß Artikel 7 III ICC-ADR alle Personen, die in einem früheren Verfahren in derselben Sache als Richter, Schiedsrichter, Sachverständiger oder Parteivertreter beteiligt waren.610 Grundlegend für den Erfolg des ICC-ADRVerfahrens ist es neben der absoluten Neutralität611 des Dritten612 auch, dass 605
ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 25. Vgl. Art 3 I der ICC-ADR-Regeln. 607 Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 79. 608 Jones, in: Berg (Hrsg.), New Horizons in International Commercial Arbitration and Beyond, S. 385; Kotzur, in: VuR 2015, S. 243 ff. (244); Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (12). 609 Sieh näher zu den einzelnen Eigenschaften Brown/Marriott, in: ADR Principles and Practice, S. 375 ff.; Doob, Intervention, S. 24 ff.; Tümpel/Sudborough, in: Ingen-Housz (Hrsg.), ADR in Business Vol II, S. 255 ff. (266 f.). 610 Perner/Völkl, in: ÖJZ 13/2003, S. 495 ff. (500). 611 Diese darf nicht mit der absoluten Unabhängigkeit verwechselt werden, zumal trotz bestehender Verbindungen zu einer Partei ein Dritter dennoch als Neutral gelten kann. 612 Vgl. näher zur Sicherstellung der Neutralität durch das Auswahlverfahren Kracht, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.) Handbuch Mediation, S. 307 f. 606
§ 17 Auswahl und Ernennung des neutralen Dritten
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die Parteien einen neutralen Dritten wählen, der fließend die Verfahrenssprache spricht und zumindest einige Erfahrungen mit den Kulturen der Parteien hat.613 Die Parteien sollten zudem darauf achten, dass der neutrale Dritte sowohl über Sach- als auch Verfahrensexpertise verfügt. Die Bedeutung einer besonderen Sach- oder Verfahrensexpertise ist dabei von dem Streitgegenstand und der gewählten Streitbeilegungsmethode abhängig.614 Grundsätzlich ist jedoch die Verfahrensexpertise des neutralen Dritten als wichtiger zu sehen.615 Sieht die Streitbeilegungsmethode Lösungsvorschläge durch den neutralen Dritten vor, oder weist der Streitgegenstand eine besonders hohe fachliche Komplexität auf, so kommt hingegen der Sachexpertise des neutralen Dritten eine gesteigerte Bedeutung zu.616 Wenn sich eine Streitigkeit zum Beispiel vor allem auf rechtliche Probleme konzentriert, so ist es wünschenswert, dass der neutrale Dritte Kenntnisse in dem jeweilig anwendbaren Recht aufweist.617 Bei der Bestimmung der Verfahrensexpertise sollten sich die Parteien dabei nicht alleine auf die Zertifizierung des neutralen Dritten durch eine Institution verlassen, da die Standards der Zertifizierung nicht einheitlich sind und oft wenig Aussagekraft über die Kompetenz des neutralen Dritten besitzen. Aufgrund der oft zahlreichen und hohen Anforderungen, die an die Person des neutralen Dritten gestellt werden, ist es häufig nicht möglich, eine Person zu finden, die allen diesen Anforderungen entspricht. Die hier bestehenden Lücken in der Expertise des schließlich gewählten neutralen Dritten können durch die Hinzuziehung von Experten, Co-Mediatoren oder Hilfsmediatoren geschlossen werden.618 Die Parteien sollten sich daher nicht zu sehr darauf konzentrie613 Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 412; Epstein, in: Tul. L. Rev. 75/2001, S. 913 ff. (921); Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 151; Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (85). 614 Berlin, Alternative Streitbelegung in Vebraucherkonflikten, S. 113 ff.; Mackie/Miles/ Marsh, in: The ADR Practice Guide, S. 292. 615 Carroll/Mackie, International Mediation, S. 51; Davidson, in: Rhoades/Kolkey/Chernick (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Arbitration and Mediation, S. 464. Die hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation des Neutralen derzeit insbesondere in Deutschland geführte Diskussion ist für die ICC-ADR-Regeln eher am Rande von Interesse. Grund hierfür ist, dass die Diskussion alternative Streitbeilegungsverfahren betrifft, bei denen den Parteien eine Lösung auferlegt wird. Dies ist bei einem Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln aber gerade nicht der Fall. Zusätzlich sind die ICC-ADR-Regeln nicht auf eine Entscheidung auf Basis rechtlicher Erwägungen ausgerichtet, sondern primär auf eine interessenbasierte Konfliktlösung. Vgl. näher zu dieser Diskussion Busch/Reinhold, in: EuCML 2015, S. 50 ff.; Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, in: ZEuP 2014, S. 8 ff. (36 f.); Rühl, in: ZRP 2014, S. 8 ff. (10); Wagner/Eidenmüller, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 21 ff. ; Wiemer, in: GewArch Beilage WiVerw 2014, S. 291 ff. (293 f.); Wolf, in: NJW 2015, 1656 ff. (1660). 616 Vgl. Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 150 f., der auch auf die Nachteile sachlicher Kompetenz des neutralen Dritten hinweist. 617 Comodeca, in: Disp. Res. J. 2001/2002, S. 32 ff. (37). 618 Mackie/Miles/Marsh, in: The ADR Practice Guide, S. 224; Mitchard, in: MartindaleHubbell 3/1998, S. 3 ff. (12).
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ren, den „perfekten“ neutralen Dritten zu finden, sondern auch solche Kombinationsmodelle in Erwägung ziehen. So könnten die Parteien zum Beispiel für die Beilegung einer Streitigkeit betreffend die Errichtung einer komplexen Anlage einen Ingenieur als Experten neben einem hauptberuflichen Mediator auswählen.
IV. Wertung und Änderungen an den Auswahlregelungen Insgesamt zeigt sich die Wahl des neutralen Dritten nach den ICC-ADR-Regeln als sehr flexibles Verfahren, das den Parteien viel Freiraum bei gleichzeitiger Unterstützung lässt. Zudem enthalten die ICC-ADR-Regeln bezüglich der Qualifikation des Neutralen grundsätzlich keinerlei Vorgaben.619 Wie bereits oben erwähnt verzichtet die Internationale Handelskammer auch darauf, ein offizielles Akkreditierungsverfahren bereitzustellen, um potentiellen Schlichtern die Möglichkeit zu geben, ihre Dienste als neutrale Dritte unter den ICC-ADRRegeln offiziell anzubieten. Ferner stellt die Internationale Handelskammer keine Liste von neutralen Dritten zur Verfügung, wie dies zum Beispiel die World Intellectual Property Organization mit ihren WIPO Domain Name Panelists tut.620 Die Auswahlpraxis der Internationalen Handelskammer beruht vielmehr vor allem auf ihrem weitreichenden Netzwerk nationaler Stellen, welches sich über den ganzen Globus erstreckt. Durch dieses ist es der Internationalen Handelskammer möglich, auf einen sehr breiten Erfahrungsschatz in verschiedensten Ländern zurückzugreifen und Kontakte in vielen Bereichen der Wirtschaft zu aktivieren. Vorteil dieses Modells ist es, dass Personen mit hoher Sachkompetenz je nach Einzelfallbedarf ausgewählt werden können. Insgesamt ist der Vorteil der Wahl eines Neutralen über die Internationale Handelskammer, dass hierdurch in der Regel ein für die Beilegung internationaler Streitigkeiten gut geeigneter Dritter gefunden wird.621 Aufgezwungen wird den Parteien diese Hilfe allerdings nicht.622 Die Anforderungen an die Dokumentation bilden zudem methodisch gesehen eine solide Basis für das Vertrauen in den Neutralen. Doch ist die Auswahlregelung der ICC-ADR-Regeln nicht immer ohne Nachteile. Die Zustimmung der Internationalen Handelskammer vorausgesetzt,623 können auch Änderungen an der Ernennungspraxis der ICC-ADR-Regeln für die Streitparteien angezeigt oder gewinnbringend erscheinen. Diese können in Form einer grundlegenden Änderung der Auswahlpraxis erfolgen, durch welche 619
Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (192). Zu finden unter http://www.wipo.int/amc/en/domains/panel/panelists.html#45 (Stand 10. März 2016). 621 Jones, in: Berg (Hrsg.), New Horizons in International Commercial Arbitration and Beyond, S. 385. 622 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (190). 623 Vgl. Art. 1 der ADR Regeln. 620
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versucht wird, die Vorteile der Erfahrung und des weitverzweigten Netzwerkes der Internationalen Handelskammer mit den Vorteilen der einvernehmlichen Benennung eines Neutralen zu verbinden. Eine solche Verbindung würde zum Beispiel in einem Auswahlverfahren erreicht, in welchem die Internationale Handelskammer den Parteien eine Liste mit geeigneten Spezialisten eines bestimmten Feldes vorschlägt und diese sich dann auf einen dieser Kandidaten einigen.624 Doch auch der umgekehrte Fall wäre denkbar, in welchem die Parteien eine Reihe von Kandidaten der Internationalen Handelskammer zur Entscheidung vorlegen würden.625 Ob ein solches Vorgehen auch durch die Internationale Handelskammer akzeptiert würde, ist allerdings zumindest fraglich. Doch nicht nur prinzipielle Modifizierungen am Auswahlverfahren nach den ICC-ADR-Regeln erscheinen möglich, sondern auch Änderungen an Detailfragen können zu einer Verbesserung des Verfahrens führen. So kann es bei Geschäftsbeziehungen, in denen es bei der Beilegung von Streitigkeiten vor allem um Zeit geht, sinnvoll sein, die Anzahl der Versuche der Internationalen Handelskammer, einen Neutralen zu bestellen, von Anfang an zu limitieren.626 Der hierdurch erzeugte Einigungsdruck kann zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen. Ein so beschleunigtes Verfahren könnte sich in Kombination mit einem sich anschließenden Fast-track-Schiedsverfahren gerade bei Streitigkeiten von geringerem Wert, die innerhalb eines komplexen Großprojektes entstehen, als interessant erweisen. Auch die Änderung der ICC-ADR-Regeln dahingehend, dass bei Ablehnung des Einverständnisses des Dritten sich die Parteien weiter über einen neuen Dritten einigen können, und nicht ab hier die Internationale Handelskammer die Wahl übernimmt, scheint möglich.627 Insgesamt ist bei Änderungen an den Regelungen betreffend die Auswahlpraxis jedoch stets darauf zu achten, keine zu starke Verpflichtung der Internationalen Handelskammer zu etablieren. So zeigt sich in den weichen Formulierungen der Regeln, wie zum Beispiel in Artikel 6 I g ICC-ADR „angemessene Bemühungen“ oder in Artikel 3 I ICC-ADR „angemessene Anstrengung“, dass die Internationale Handelskammer darauf bedacht ist, kein zu hohes Niveau an Selbstverpflichtung durch die ICC-ADR-Regeln zu begründen. Insofern ist es bei Änderungen, die diesem Bestreben zuwiderlaufen, unwahrscheinlich, dass die Internationale Handelskammer diese genehmigt.
624 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (97). Jiménez-Figueres weist in seinem Beitrag zudem darauf hin, dass eine solche Abänderung mit einem subsidiären Benennungsverfahren einhergehen sollte, welches im Falle der Nichteinigung der Parteien zum Zuge kommt. 625 In einem solchen Verfahren bedürfte es zumeist wohl auch einer Einigung darüber, dass der neutrale Dritte nicht unabhängig seien muss. 626 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (16). 627 Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 79.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
§ 18 Das frühe erste Gespräch Ist ein neutraler Dritter für die Beilegung der Streitigkeit gefunden und ist der gemäß Artikel 4 ICC-ADR durch die Parteien zu leistende Kostenvorschuss bei der Internationalen Handelskammer eingegangen, so folgt gemäß Artikel 5 I ICC-ADR unverzüglich ein erstes Gespräch zwischen den Parteien und dem neutralen Dritten. In diesem ersten Gespräch verhandeln die Parteien zusammen mit dem neutralen Dritten über die anwendbare Streitbeilegungsmethode628 und bestimmen zudem die genaue ADR-Prozedur. Unter ADR-Prozedur ist dabei der von der jeweiligen Streitbeilegungsmethode abhängige genaue Ablauf der Streitbeilegung zu verstehen.629 Die Internationale Handelskammer schlägt den Parteien in dem sich an die ICC-ADR-Regeln anschließenden Leitfaden Elemente630 vor, welche die vereinbarte ADR-Prozedur beispielweise enthalten könnte.631 Bei der näheren Ausgestaltung der ADR-Prozedur sollten die Parteien auf einige Eckpunkte achten, welche für den Erfolg des ICC-ADR-Verfahrens wesentlich sind. So sollten sie zum Beispiel sicherstellen, dass an dem Streitbeilegungsverfahren stets entscheidungsbefugte Vertreter der Parteien teilnehmen.632 Auch Fragen der Verfahrenssprache und des Ortes der Streitbeilegung werden im Rahmen des ersten frühen Termins, sollte dies noch nicht in der ADR-Abrede erfolgt sein, bestimmt, im Fall der Nichteinigung gemäß Artikel 5 IV ICC-ADR durch den neutralen Dritten festgelegt. Trotz der bereits erfolgten Vereinbarung der ICC-ADR-Regeln wird der neutrale Dritte zudem regelmäßig die Notwendigkeit der Vereinbarung einer weiteren Vereinbarung vorbringen, da es üblich ist, dass der neutrale Dritte eine eigene Vereinbarung aufsetzt, in der spezifische Fragen wie die Haftung des neutralen Dritten geregelt werden .633 Diese Vereinbarung ist dabei vergleichbar mit einem sogenannten Mediatorenvertrag.634 Sie enthält jedoch weniger Regelungselemente als ein typischer Mediatorenvertrag, da einige Punkte bereits in den ICC-ADR-Regeln selbst geregelt sind. 628
Vgl. näher zur Wahl der Streitbeilegungsmethode sogleich unter Kapitel V § 19. Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (19). 630 Verfahrenskalender; Dokumentenaustausch; Vorlage von Schriftsätzen; Bestimmung von Personen, die am Verfahren teilnehmen; Treffen zwischen den Parteien und dem neutralen Dritten; Andere Mittel, die den reibungslosen Ablauf der Prozedur sicherstellen. 631 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 30 f. 632 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (19). Vgl. näher zu der Frage, wer am Verfahren teilnehmen sollte, Carroll/Mackie, International Mediation, S. 63 ff.; Mackie/Miles/Marsh, in: The ADR Practice Guide, S. 231 ff., Madison, in: Disp. Res. J. 63/2008, S. 21 ff. 633 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (99); Mackie/Miles/Marsh/Allen, Commercial Dispute Resolution, S. 169 f. 634 Vgl. näher zum Mediatorenvertrag Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 12 f. 629
§ 19 Wahl der Streitbeilegungsmethode
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Die Funktion des frühen ersten Gesprächs erschöpft sich jedoch nicht alleine in dieser das genaue ADR-Prozedere konstituierenden Funktion. Liegt eine bindende Vereinbarung über die Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens zwischen den Parteien vor,635 so kann dieses gemäß Artikel 6 I b der ICC-ADRRegeln erst nach Absolvierung des frühen ersten Gesprächs durch Parteierklärung beendet werden. Damit ist das erste Gespräch die Grenze für die aus dem dritten und vierten Klauselvorschlag resultierende Teilnahmeverpflichtung.636 Die Funktion des ersten Gesprächs ist aufgrund seines Verhandlungscharakters damit vergleichbar mit dem durch eine sogenannte “convening clause” etablierten Regime.637 Unter einem “convening clause” versteht man eine Klausel, durch die vereinbart wird, dass die Parteien unter Zuhilfenahme eines Dritten im Falle einer Streitigkeit über das Vorgehen der Streitbeilegung verhandeln.638 Damit entsteht unter den letzten beiden Klauselvorschlägen in Verbindung mit den Artikeln 5 I und 6 I b ICC-ADR-Regeln faktisch eine Pflicht zur ADR-Verfahrensberatung. Kennzeichnend für diese Klausel ist es, dass den Parteien größtmögliche Flexibilität bleibt bei gleichzeitiger Nutzung der Vorteile einer im Vorhinein getroffenen Einigung.639 Durch sie wird es möglich, die Vorteile eines antizipierten und die Parteien verpflichtenden Vorgehens zu nutzen und gleichzeitig die Flexibilität des ADR-Verfahrens zu wahren. In der Regel ist es für die Parteien bereits nach kurzer Zeit in einer Sitzung mit dem Neutralen möglich, festzustellen, ob sich eine weitere Beilegung mit Hilfe eines einvernehmlichen Verfahrens lohnt, oder aber ein Entscheidungsverfahren für ihre Streitigkeit besser geeignet ist.640 Damit bildet der erste obligatorische Termin einen effektiven Punkt, an dem die Pflicht zur Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens festgemacht werden kann, ohne dabei dem ADR-Verfahren die Flexibilität zu nehmen oder aber übermäßige Risiken für eine Partei zu begründen. Das frühe erste Gespräch nimmt damit eine zentrale Position im ICC-ADR-Verfahren ein.
§ 19 Wahl der Streitbeilegungsmethode Wie bereits erwähnt, müssen die Parteien in dem frühen ersten Gespräch gemäß Artikel 5 I ICC-ADR-Regeln über die im Verfahren anwendbare Streitbeile635 Unerheblich ist dabei, ob die Vereinbarung vor oder nach der Konfliktentstehung geschlossen wurde. 636 Vgl. näher zur Teilnahmepflicht weiter oben unter Kapitel V § 15 II. 637 Wolski, in: B. L. Rev. 2/2001 Art. 2, S. 16. 638 Vgl. näher Wolski, in: B. L. Rev 1/1998, S. 7 ff. (22). 639 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 110. 640 Cooley/Lubet, Arbitration Advocacy, S. 25.
204
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
gungsmethode verhandeln, sollten sie nicht bereits im Vorfeld eine solche vereinbart haben.
I. Nach den ICC-ADR-Rules wählbare Streitbeilegungsmethoden Es stellt sich hier zunächst die Frage, welche Streitbeilegungsmethoden unter den ICC-ADR-Regeln durch die Parteien wählbar sind. Die ICC-ADR-Regeln selbst enthalten dabei weder eine Definition des Begriffs noch Anhaltspunkte für dessen Grenzen. Die Präambel formuliert vielmehr, dass die Parteien “… whatever settlement technique they believe to be appropriate …” wählen können. Zudem spricht die Präambel davon, dass der Leitfaden zu ICC-ADR “… provides an explanation […] of various settlement techniques which can be used pursuant to the Rules”. Vor dem Hintergrund dieser Formulierung könnte sich die Frage stellen, ob damit nur solche Verfahren durch die Parteien wählbar sind, die sich im Leitfaden finden.641 Da dieser aber dann explizit darauf verweist, dass die Parteien “… may agree upon any appropriate ADR settlement technique that would help them resolve their dispute amicably”,642 kommt der Beantwortung dieser Frage keine faktische Wirkung zu, da auch dann weiter alle ADR-Verfahrensarten wählbar sind, wenn die Präambel nur die im Leitfaden beschriebenen Verfahrensarten zulassen würde. In dem sich den ICC-ADR-Regeln anschließenden Leitfaden zu ICC-ADR finden sich, wie in der Präambel erwähnt, die Definitionen einiger Streitbeilegungsmethoden,643 namentlich der Mediation, der Neutral Evaluation und des Mini-trial. Gemeinsam ist den erwähnten Methoden, dass diese nicht mit einer vollstreckbaren Entscheidung durch den neutralen Dritten enden. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass die ICC-ADR-Regeln allein zur einvernehmlichen Streitbeilegung gedacht sind, steht es den Parteien somit offen, alle einvernehmlich endenden Streitbeilegungsmethoden zu wählen, wie bereits die Verwendung des Begriffs “amicably” es vorsieht.644 Dabei ist nicht entscheidend, ob die Parteien selber die Einigung gefunden haben. Das Verfahren kann vielmehr auch mit einer die Parteien schuldrechtlich bindenden Entscheidung des neutralen Dritten enden.645 Die Internationale Handelskammer gibt dabei allerdings zu bedenken, dass die ICC-ADR-Regeln sich in der Regel nicht für DRB- und DAB-Verfahren eignen.646 Ein Ausschluss solcher Verfahren wird
641
Diese Frage stellt auch Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (120). ICC, Guide to ICC ADR, S. 13. 643 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 29 f. 644 Hierauf weist überdies auch der Leitfaden explizit hin. Vgl. ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 28. 645 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (193). 646 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 28. 642
§ 19 Wahl der Streitbeilegungsmethode
205
allerdings nicht formuliert und auch DRB-Verfahren sind nach einigen Änderungen unter den ICC-ADR-Regeln möglich.647
II. ICC-ADR und hybride Verfahren Insgesamt sind die Parteien damit sehr frei in der Wahl der anzuwendenden Streitbeilegungsmethode. Sie können somit auch Kombinationen von verschiedenen ADR-Methoden wählen.648 Fraglich bleibt, ob sogenannte hybride Verfahren unter den ICC-ADR-Regeln durchgeführt werden können. Unter hybriden ADR-Verfahren versteht man Kombinationen von ADR- und Schiedsverfahren, die zu einem einzigen Verfahren, und nicht einem sequentiell Verfahren, verbunden werden.649 Dabei kann in ein Schiedsverfahren ein sogenanntes “Mediation Window” eingebaut werden oder aber dem Schiedsverfahren ein integriertes Mediationsverfahren folgen650 oder vorausgehen.651 Typische Beispiele für hybride ADR-Verfahren sind Med/Arb-Verfahren, Shadow Mediation oder MEDALOA.652 Der Vorteil hybrider ADR-Verfahren gegenüber sequentiellen Multi-tiered ADR-Verfahren liegt vor allem in deren Zeitersparnis und damit auch Kostenersparnis.653 Anders als in einem Multi-tiered-Verfahren muss nach Scheitern des ADR-Verfahrens nicht erst aufwendig ein Schiedsverfahren eingeleitet und vor allem ein neues Schiedstribunal bestellt werden. Das erfolglose ADR-Verfahren mündet vielmehr automatisch in ein Schiedsverfahren und der neutrale Dritte wechselt seine Rolle zum Schiedsrichter.654 Wird umgekehrt der Schiedsrichter zum Neutralen, so hat dies den Vorteil, dass er bereits über die Details der Streitigkeit informiert ist.655 Zudem kann durch Einfügen eines Mediationsverfahrens in ein Schiedsverfahren ersteres in den Verfahrensschutzraum des Schiedsverfahrens mit einbezogen werden.656 Durch hybride ADR-Verfahren wird es möglich, die fehlende Streitbeilegungsgarantie des einvernehmlichen Verfahrens aufzuwiegen und eine effiziente und schnelle Beilegung der Streitigkeit zu gewährleisten. 647
Siehe näher hierzu Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (124 f.). Vgl. ICC, Guide to ICC-ADR, S. 13. 649 Horvath, in: SchiedsVZ 6/2005, S. 292 ff. (298). 650 Ein typischer Anwendungsfall wäre etwa eine Streitigkeit über die Art und Weise der Durchsetzung eines Schiedsspruchs. 651 Dendorfer/Lack, in: SchiedsVZ 4/2007, S. 196 ff. (200 ff.). 652 Vgl. näher zu diesen Verfahrensarten weiter oben unter Kapitel II § 3 III 5. 653 Dendorfer/Lack, in: SchiedsVZ 4/2007, S. 196 ff. (200 f.). 654 Cooley/Lubet, Arbitration Advocacy, S. 3, 249; Hoellering, in: Nicklisch (Hrsg.) Der komplexe Langzeitvertrag, S. 540. 655 Sanders, in: Berger (Hrsg.), FS Sandrock, S. 828. 656 Vgl. Eidenmüller, in: RIW 1/2002, S. 1 ff., der im Ergebnis jedoch den Verfahrensschutzraum auch durch Mediationsvereinbarung und Mediatorenverträge als etablierbar sieht. 648
206
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Zu bedenken ist jedoch, dass hybride ADR-Verfahren nicht nur positiv zu sehen sind, sondern auch negative Aspekte aufweisen.657 Aus diesen negativen Aspekten könnten sich Kollisionen mit den ICC-ADR-Regeln ergeben. Gerade die doppelte Rolle des an dem Verfahren beteiligten Dritten führt dabei zu einigen Bedenken.658 So kann dies während der einvernehmlichen ADR-Phase dazu führen, dass die Parteien nicht bereit sind, auf die für den Erfolg des ADRVerfahrens wesentliche unbedingte Offenlegung von Informationen einzugehen. Schließlich ist es der neutrale Dritte, der später einen die Parteien bindenden Schiedsspruch erlässt. Die Parteien könnten fürchten, dass die von ihnen in der ADR-Phase freiwillig offengelegten Informationen im späteren Schiedsverfahren zu ihren Ungunsten berücksichtigt werden. Eine solche Berücksichtigung von in der ADR-Phase eingebrachten Informationen im Schiedsverfahren ist auch bezüglich der Durchsetzbarkeit eines späteren Schiedsspruchs problematisch.659 Darüber hinaus kann Folge der Doppelstellung des Dritten sein, dass Zweifel an seiner Neutralität entstehen. Es ist schließlich nicht zu erwarten, dass der neutrale Dritte erst nach Scheitern der einvernehmlichen Phase sich eine Meinung darüber bildet, welche der Parteien im Recht ist. Der Vorwurf, der neutrale Dritte tendiere schon während der ADR-Phase zu einer Seite und leite das ADR-Verfahren zugunsten dieser Seite, steht damit oft im Raum. Zuletzt ist zu bedenken, dass der Meinungsbildungsprozess des Schiedsrichters durch die Verschmelzung beider Verfahren undurchsichtiger wird. Durch das in ADR-Verfahren oft verwendete Mittel des Caucusing660 weiß die abwesende Partei nicht, welche Informationen die andere Partei dem noch neutralen Dritten und späteren Schiedsrichter während einer break-out session hat zukommen lassen und wie sie damit dessen Sichtweise beeinflusst hat. Damit kann sich die andere Partei nicht durch Gegendarstellungen wehren und eine eventuelle Fehlgewichtung von Tatsachen durch den Schiedsrichter korrigieren.661 Trotz dieser Gefahren hat sich jedoch gezeigt, dass gerade Med-Arb-Verfahren, in denen der neutrale Dritte zum Schiedsrichter wird, sehr effektiv sind.662 Fraglich bleibt, ob aus diesen negativen Aspekten hybrider Verfahren Kollisionen mit den ICC-ADR-Regeln entstehen können. Zum einen könnte hier problematisch sein, dass der neutrale Dritte in dem auf die ADR-Phase folgenden Schiedsverfahren zum Schiedsrichter wird. Gemäß Artikel 7 III ICCADR ist es dem neutralen Dritten allerdings nicht gestattet, in einem späteren 657 Vgl. näher zu den negativen Aspekte hybrider Verfahren Ross, in: Rovine (Hrsg.), Contemporary Issues in International Arbitration and Mediation, S. 352 ff. (357 f.). 658 Vgl. näher hierzu Dendorfer-Ditges, in: Klowait/Gläßler (Hrsg.) Mediationsgesetz, S. 626 ff.; Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S. 253 ff. 659 Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (18). 660 Hierunter versteht man ein Pendeln des Neutralen zwischen den Parteien, die mit diesem jeweils in Abwesenheit der anderen Partei über die Beilegung der Streitigkeit verhandeln. 661 Oghigian, in: J. of Int. Arb. 1/2003, S. 75 ff. (77). 662 Mcgillicuddy/Welton/Pruitt, in: J. of Pers. and S. Psych. 1/1987, S. 104 ff. (110).
§ 19 Wahl der Streitbeilegungsmethode
207
Schieds- oder Gerichtsverfahren als Richter zu fungieren. Zudem ist es den Parteien gemäß Artikel 7 II ICC-ADR unter anderem nicht erlaubt, im ADRVerfahren durch die andere Partei eingebrachte Schriftstücke oder Aussagen in einem späteren Schiedsverfahren als Beweis einzubringen. Insgesamt könnte die Durchführung eines hybriden Verfahrens damit bereits an Artikel 7 ICCADR scheitern. Jedoch gilt für beide Verbote die Ausnahme der Zustimmung beider Parteien. Damit können die Parteien durch vorherige Abrede Sorge dafür tragen, dass hybride Verfahren unter den ICC-ADR-Regeln grundsätzlich durchführbar sind.663 Doch hängt die Möglichkeit der Durchführung hybrider Verfahren nicht alleine von den allgemeinen Vorschriften der ICC-ADR-Regeln ab. Sie müssen vielmehr nach den ICC-ADR-Regeln auch als Verfahrensart zulässig sein. Hier ist zu bedenken, dass auch die Internationale Handelskammer die Probleme hybrider Verfahren erkannte. Vor dem Hintergrund der negativen Aspekte versuchte man, in den ICC-ADR-Regeln das ADR-Verfahren vollkommen vom Schiedsverfahren zu trennen, um den für das ADR-Verfahren wesentlichen freien Informationsfluss zu gewährleisten.664 Dementsprechend wird im Leitfaden zu den ICC-ADR-Regeln durch die Internationale Handelskammer festgestellt, dass nur solche Verfahren als ADR-Verfahren im Sinne der ICC-ADRRegeln zu verstehen sind, die nicht in ein durchsetzbares Urteil oder einem Schiedsspruch münden.665 Unter anderem vor diesem Hintergrund entschied sich die Internationale Handelskammer für die von der üblichen Terminologie abweichende Bezeichnung als “Amicable Dispute Resolution”-Regeln, um die Abgrenzung der Regeln von der Schiedsgerichtsbarkeit klar nach außen zu kommunizieren.666 Hybride Verfahren können jedoch anders als reine ADRVerfahren eben auch in einem Schiedsspruch enden. Insofern besteht in ihnen keine klare Trennung zwischen Schieds- und ADR-Verfahren. Damit sind sie nicht als ADR-Verfahren im Sinne der ICC-ADR-Regeln zu qualifizieren und damit insgesamt unter den ICC-ADR-Regeln durch die Parteien nicht wählbar. Bei der Ausarbeitung der ICC-ADR-Regeln war dies ein nicht unumstrittener Punkt.667
III. Ablauf der Wahl einer Streitbeilegungsmethode Die ICC-ADR-Regeln bieten keine detaillierten Vorgaben dafür, wie sich die Parteien im Rahmen des frühen ersten Termins auf eine Streitbeilegungsmetho663
Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (101). Derains/Schwarz, A Guide to the ICC Rules of Arbitration, S. 9. 665 ICC, Guide to ICC ADR, S. 3. 666 Vgl. hierzu und zu den weiteren Gründen für die ungewöhnliche Bezeichnung weiter oben unter Kapitel III § 8 IV. 667 Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel III § 8 IV. 664
208
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
de einigen sollen. Artikel 5 I, II ICC-ADR sieht lediglich vor, dass der neutrale Dritte hierbei anwesend ist (Abs. 1), und dass im Falle der Nichteinigung der Parteien Mediation zur Anwendung kommt (Abs. 2). Man entschied sich wohl vor allem für die Mediation als subsidiär zur Anwendung kommendes Verfahren, da diese besonders informell ist668 und dadurch ein sehr weites Anwendungsspektrum aufweist. Zudem ist die Mediation das am häufigsten verwendete Verfahren, was darauf hindeutet, dass sie insgesamt für die meisten Konflikte geeignet ist. Während der Wahl der Streitbeilegungsmethode innerhalb des ersten frühen Gesprächs ist der neutrale Dritte anwesend. Dies ist vor allem aufgrund dessen Wissens um die verschiedenen Streitbeilegungsmethoden wichtig, da der neutrale Dritte in der Regel aus seiner Erfahrung am besten einschätzen kann, welche Streitbeilegungsmethode im konkreten Fall geeignet ist. Die letztendliche Wahl der Streitbeilegungsmethode liegt jedoch bei den Parteien. Neben anderen Faktoren ist sie vor allem von der Art der Streitigkeit, der Parteibeziehung sowie der Unternehmenskultur der Parteien abhängig.669 Die Parteien sollten die Wahl zudem immer im Lichte der Expertise des neutralen Dritten treffen. Hier entsteht aus dem Verfahrensregime der ICC-ADRRegeln das Problem, dass die Parteien, bevor die letztendlich zur Anwendung kommende Streitbeilegungsmethode bestimmt ist, bereits den Neutralen wählen und damit eine Diskrepanz zwischen dessen Verfahrensexpertise und dem letztendlich zur Anwendung kommenden Verfahren bestehen kann.670 Hat der neutrale Dritte keinerlei Erfahrungen mit einer speziellen Verfahrensart, so ist es für die Parteien ratsam, gegebenenfalls einen anderen neutralen Dritten mit dieser Verfahrensexpertise zu wählen. Wie gestaltete sich diese Neuwahl des Neutralen aber nach den ICC-ADR-Regeln? Die Regeln selber sehen diesen Fall nicht vor. Allein wenn die Internationale Handelskammer den neutralen Dritten ernannt hat und dies weniger als 15 Tage zurückliegt, wäre es gemäß Artikel 3 III ICC-ADR noch möglich, nachträglich den gewählten Neutralen abzulehnen, womit die Internationale Handelskammer einen neuen Neutralen bestimmen würde. Ist diese 15-Tages-Frist überschritten, bleibt den Parteien alleine die Möglichkeit, das Verfahren für gescheitert zu erklären und ein neues Verfahren einzuleiten. Dieser Weg erscheint jedoch nicht nur wegen seiner Dauer ungeeignet, sondern auch aufgrund des Umstandes, dass die Parteien erneut die Einleitungsgebühr an die Internationale Handelskammer entrichten müssten. Die Parteien sollten insofern in Erwägung ziehen, sich bereits nach Entstehen der Streitigkeit und vor Ernennung des Neutralen über die konkret geeignete Streitbeilegungsmethode zu einigen. 668
Mitchard, in: Martindale-Hubbell 3/1998, S. 3 ff. (11). González de Cossío, in: Ars Juris, 30/2003, S. 39 ff. (63 f.); Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 81. 670 Ali/Baker, in: Disp. Res. J. 2/2002, S. 73 ff. (73). 669
§ 20 Durchführung des Verfahrens
209
IV. Wertung Die ICC-ADR-Regeln versuchen mit ihren Regelungen, die Parteien bei der Wahl der Streitbeilegungsmethode möglichst wenig einzuschränken. In weiten Teilen gelingt dies dem Regime auch. Gerade in Verbindung mit dem frühen ersten Gespräch schafft das Verfahrensregime der ICC-ADR-Regeln grundsätzlich ein sehr flexibles und dennoch effektives Wahlverfahren. Weniger geglückt ist allerdings der Ausschluss hybrider Verfahren, der trotz der ausdrücklichen Betonung der Bedeutung der Verfahrensoffenheit durch die ICC Working Group on Means of Alternative Dispute Resolution (ADR) erfolgte.671 Hier hätte die Internationale Handelskammer den Bedenken gegenüber einem solchen Ausschluss innerhalb der Arbeitskommission nachgeben sollen.672 Die Begrenzung in methodischer Hinsicht ist nicht Auftrag der Internationalen Handelskammer. Der Vorrang des Parteiwillens, der ansonsten innerhalb der ICC-ADR-Regeln zumeist gewährleistet ist, wurde hier beschnitten. Gründe für diese Bevormundung sind nicht ersichtlich. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Internationale Handelskammer bei einer zukünftigen Überarbeitung der Regeln dies ändern würde.673 Eigene wirtschaftliche Interessen sollten die Internationale Handelskammer hieran nicht hindern. Zudem sollte die Internationale Handelskammer bei einer späteren Überarbeitung in Erwägung ziehen, eine Regelung für den Fall der fehlenden Verfahrensexpertise eines neutralen Dritten zu finden.
§ 20 Durchführung des Verfahrens Das Verfahren der Streitbeilegung selber wird durch die ICC-ADR-Regeln nur rudimentär geregelt. Die Parteien und der Neutrale genießen vielmehr beträchtlichen Freiraum bei der Durchführung und Ausgestaltung des ADR-Verfahrens.674 Die ICC-ADR-Regeln klären vornehmlich die Einleitung und das Ende des ADR-Verfahrens.675 Ansonsten beschränken sich die Regeln darauf, durch einzelne Schutzvorschriften die Parteien vor aus dem ADR-Verfahren resultierenden Gefahren zu schützen und damit einen rechtlichen Verfahrensschutzraum zu bilden.676
671
Goldsmith, in: A. Rv. In. Arb. 4/1993, S. 413 ff. (470 f.). Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 8 IV. 673 Auch dieser Meinung ist: Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (101). 674 Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 180. 675 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (18). 676 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (101). 672
210
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
I. Verfahrensschutz innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens Der durch die ICC-ADR-Regeln gebildete rechtliche Verfahrensschutzraum erstreckt sich dabei auf den Zeitraum während und nach dem ICC-ADR-Verfahren. Im Folgenden wird zunächst auf den Teil des Verfahrensschutzraums eingegangen, der Aspekte betrifft die während des laufenden ADR-Verfahrens relevant werden; der Verfahrensschutzraum für die Zeit nach Durchführung des ICC-ADR-Verfahrens wird noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit behandelt.677 Diese Einteilung erfolgt nach der primären Zielrichtung der jeweiligen Regelungen. Nichtsdestoweniger wirken diese sich zeitlich auch über diese Grenzen hinweg aus. Der rechtliche Verfahrensschutzraum während des Laufes des ICC-ADRVerfahrens verfolgt vier Ziele: die Gewährleistung eines qualitativen Grundstandards des ICC-ADR-Verfahrens, die Verhinderung der Verfahrensverschleppung, die Verhinderung der Verjährung von Ansprüchen während des Verfahrens und die Sicherstellung der Vertraulichkeit innerhalb des ICC-ADRVerfahrens.
1. Mangelnde Verfahrensqualität Eine zentrale Gefahr für die Parteien eines ADR-Verfahrens besteht in einer mangelnden Qualität des Verfahrens. Gerade im Bereich internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten sind die in Streit stehenden Beträge und etwaige Schadenspotentiale oftmals besonders hoch. Ein schlecht geführtes ADR-Verfahren kann damit erhebliche Kosten für die Parteien verursachen. Damit gilt es sicherzustellen, dass das ICC-ADR-Verfahren einen gewissen Grundstandard aufweist. Wird dieser Grundstandard unterschritten, so muss eine Grundlage für einen Ausgleich des durch die Unterschreitung entstandenen Schadens gegeben sein. Der Weg über eine dezidierte und detaillierte Ausgestaltung des Verfahrensablaufs wurde durch die Internationale Handelskammer dabei vor dem Hintergrund der damit einhergehenden abnehmenden Flexibilität des Verfahrens nicht gewählt. Vielmehr wurde ein allgemeiner, an den Geboten der Fairness und Unparteilichkeit sowie dem Grundsatz der Parteikontrolle orientierter Ansatz gewählt.
a. Neutraler Eines der Hauptbedenken der Parteien ist die Qualität der Verfahrensführung durch den Neutralen.678 Diesem Bedenken können die Parteien primär durch 677 678
Vgl. hierzu weiter untern unter Kapitel V § 24. Eidenmüller, in: BB-Beilage 7 zu Heft 46/2002, S. 14 ff. (17).
§ 20 Durchführung des Verfahrens
211
eine sorgfältige Auswahl des Neutralen679 entgegentreten.680 Doch gilt es daneben auch einen Grundstandard für die Verfahrensführung zu setzen. Der Neutrale ist gemäß Artikel 5 III ICC-ADR grundsätzlich frei darin, die Streitbeilegung so durchzuführen, wie er dies für richtig hält. Dieser Freiheit ist in Artikel 5 III ICC-ADR jedoch gleichzeitig die Grenze gesetzt, dass der Neutrale sich stets vom Gebot der Fairness und Unparteilichkeit sowie den Wünschen der Parteien leiten zu lassen hat. Fairness und Unparteilichkeit681 sind dabei unerlässliche Grundvoraussetzungen für ein funktionierendes einvernehmliches Streitbeilegungsverfahren. Fraglich ist, ob die ICC-ADR-Regeln darüber hinaus nicht noch weitere prozessuale Vorgaben für den Neutralen enthalten sollten.682 Es gilt jedoch zu bedenken, dass es sich beim ICC-ADR-Verfahren um kein Entscheidungsverfahren handelt und dass die Parteien letztendlich frei in ihrer Entscheidung zur Beilegung der Streitigkeit sind. Damit scheinen weitere prozessuale Vorgaben als weniger bedeutend zu sein als in Entscheidungsverfahren. Zudem muss bedacht werden, dass solche Vorgaben den Neutralen in seiner Freiheit, das Verfahren zu führen, einschränken und damit darin behindern würden, die Parteien zu einer Einigung hinzubewegen, womit insgesamt von solchen Vorgaben grundsätzlich abzusehen ist.683 Durch die Beschränkung auf Fairness, Unparteilichkeit und die Wünsche der Parteien wurde damit insgesamt ein Minimum an Verfahrensqualität gesichert, wenn auch der Maßstab etwas ungenau gefasst ist und zuweilen problematisch sein könnte. So sind Fälle denkbar, in denen das Gebot der Unparteilichkeit und das der Fairness miteinander kollidieren, da der Neutrale zur Wahrung der Fairness Partei ergreifen muss. Ein Beispiel für eine solche Situation ist, dass der Neutrale Zweifel an den Absichten einer Partei hat – wenn er zum Beispiel um Informationen einer der Parteien weiß, durch die die Rechtsposition der anderen Partei als ungemein stärker zu bewerten oder etwaige Ansprüche ungemein höher zu beziffern wären – und sich aufgrund der Fairness gezwungen sieht, der anderen Partei hiervon zu berichten. Hier eröffnet Artikel 6 I d ICCADR dem Neutralen jedoch auch die Möglichkeit, dass ICC-ADR-Verfahren zu beenden und so einen Missbrauch des Verfahrens zu verhindern.684 679
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 17 II. Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 225. 681 Siehe näher zu den Implikationen und der Reichweite beider Begriffe: Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators. 682 Beispiel für eine solche Vorgabe wäre das französische „principe de la contradiction“, nach dem es jeder Partei möglich sein muss, zu den Äußerungen der anderen Partei Stellung zu nehmen. 683 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg,), ADR in Business, S. 125. A. a. Hacke, Der ADRVertrag, S. 235 ff., der zur Vereinbarung allgemeiner spezifischer Kommunikationsregeln rät. 684 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg,), ADR in Business, S. 126. Vgl. näher zu der Beendi680
212
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Neben der Begründung dieses Grundstandards wird durch die Bindung des Neutralen an die Wünsche der Parteien erreicht, dass diese einem schlecht geführten Verfahren direkt entgegenwirken können, ohne dabei das Verfahren selbst zu gefährden. Sie sind in der Folge nicht allein darauf beschränkt, im Nachhinein eine Kompensation für den ihnen entstandenen Schaden zu fordern, sondern können darüber hinaus bereits während des Verfahrens aktiv Fehlentwicklungen entgegenwirken. Sollte der Neutrale trotzdem nicht in der Lage sein, das ADR-Verfahren qualitativ befriedigend zu führen, bleibt den Parteien die Möglichkeit, das ICC-ADR-Verfahren zu beenden. Sollte der neutrale Dritte gegen die in Artikel 5 III ICC-ADR enthaltene Pflicht verstoßen, so stellt sich die Frage, welche Folge dieser Verstoß für den Neutralen mit sich bringt. Dabei darf nicht aus den Augen verloren werden, dass gerade im Bereich der Pflichtverletzung auch die Interessen des Neutralen berücksichtigt werden müssen. Oftmals ist der Neutrale aufgrund strategischer Überlegungen oder zur Verfolgung eigener Ziele das Ziel von Klagen der Parteien.685 Dies ist der Grund für die Aufnahme des Artikel 7 V ICC-ADR, der dem oftmals kritisierten Artikel 34 der ICC Schiedsordnung686 nachgebildet ist. Nach Artikel 7 V ICC-ADR kann der Neutrale von Dritten nicht „[…] für Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit dem [ICC-] ADR-Verfahren in Anspruch genommen werden“.687 Unter Dritten sind dabei auch die Parteien des ADR-Verfahrens selbst zu verstehen, zumal in der authentischen englischen Fassung der ICC-ADR-Regeln von “any person”688 die Rede ist. Diese Regelung stellt sich jedoch als problematisch dar. Besonders fraglich erscheint dabei der Umstand, dass der Neutrale auch für grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich verursachte Schäden nicht haften soll. Hier stellen sich in vielen Rechtsordnungen vor allem AGB-rechtliche Probleme.689 Insbesondere in civil law-Rechtsordnungen wird der Neutrale trotz des in Artikel 7 V ICC-ADR enthaltenen Haftungsausschlusses für einen Verstoß haften.690 Da oftmals aufgrund der Organisation des Verfahrens am Sitz der Internationalen Handelskammer in Paris französisches Recht zur Anwendung kommen wird und nach diesem ein solch pauschaler Ausschluss der Haftung nicht möglich ist, wird regelmäßig von der Unwirksamkeit der Regelung auszugehen sein.691 Dennoch sollten die Parteien die Wirksamkeit des Artikel 7 V ICC-ADR in gung des Verfahrens und dem Problem der all zu leichten „Flucht“ des Neutralen weiter unten unter Kapitel V § 21 I 1 c. 685 Tyrril, in: Au. Constr. L. Nwsltr. 6/1996, S. 31 ff. (35). 686 Vgl. näher zu Artikel 34 der ICC-Schiedsordnung und der gegen ihn erhobene Kritik: Derains/Schwarz, A Guide to the ICC Rules of Arbitration, S. 381 ff. 687 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden zu ICC ADR, S. 15. 688 ICC, ADR Rules, S. 13. 689 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 64. 690 Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (121). 691 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg,), ADR in Business, S. 128.
§ 20 Durchführung des Verfahrens
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ihrem konkreten Fall stets prüfen, um unangenehme Überraschungen im Nachhinein zu verhindern.
b. Parteien Ein funktionierendes ADR-Verfahren setzt zudem voraus, dass auch die Parteien nach bestem Gewissen und Glauben an diesem teilnehmen und mit dem Neutralen kooperieren.692 Eine solche Verpflichtung der Parteien sieht Artikel 5 V ICC-ADR vor, der die Parteien „[…] zur gewissenhaften und aufrichtigen Zusammenarbeit mit dem Neutralen verpflichtet“.693 In der authentischen englischen Fassung der ICC-ADR-Regeln ist von der Zusammenarbeit “[…] in good faith” die Rede.694 Fraglich ist, welche Folgen sich genau aus dieser Regelung für die Parteien ergeben. Schließlich ist die Verpflichtung zu einer solchen Zusammenarbeit eine auf den ersten Blick sehr unbestimmte Verpflichtung, an deren Einklagbarkeit zu zweifeln sein könnte und die damit als reiner Appell zu qualifizieren sein könnte.695 Dieser Meinung entspricht wohl auch die ältere englische Rechtsprechung, die genau aufgrund dieser Ungenauigkeit ADR-Abreden als nicht durchsetzbar ansah.696 Doch gerade die Entwicklung weg von dieser alten Rechtsprechung hin zur Durchsetzbarkeit von ADR-Abreden697 lieferte auch eine nähere Konkretisierung der Pflicht zum Teilnahme in good faith. Diese Rechtsentwicklung trägt auch der Bedeutung der good-faith-Teilnahme an einem ADR-Verfahren Rechnung. Eine gewisse Leitlinie für die nähere Konkretisierung der Teilnahmepflicht findet sich in der australischen Rechtssache Aiton Australia Pty Ltd v. Transfield Pty Ltd,698 in der Einstein J. nach Betrachtung verschiedenster internationaler Urteile und Literaturmeinungen eine Grunddefinition bildete699: “To my mind, but without being exhaustive, the essential core of an obligation to negotiate or mediate in good faith may be expressed in the following terms: 1. to undertake to subject oneself to the process of negotiation or mediation (which must be sufficiently precisely defined by the agreement to be certain and hence be enforceable) 2. to undertake in subjecting oneself to that process, to have an open mind in the sense of:
692
Kovach, in: S. Tex. L. Rev. S. 38/1997, S. 575 ff. (620). ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC-ADR, S. 13. 694 ICC, ADR-Rules, S. 11. 695 Dies sieht so Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (193). 696 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 15 II 4 a. cc. 697 Vgl. für diese Entwicklung im englischen Rechtsraum weiter oben unter Kapitel V § 15 II 4 a. cc. 698 (1999) NSWSC 996. 699 Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (87 f.). 693
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
a. a willingness to consider such options for the resolution of the dispute as may be propounded by the opposing party or by the mediator, as appropriate; and b. a willingness to give consideration to putting forward options for the resolution of the dispute Subject only to these undertakings, the obligations of a party who contracts to negotiate or mediate in good faith do not require the party: a. to act for or on behalf of or in the interest of the other party; and b. to act otherwise than by regard to self-interest”700
Auch durch Schiedsgerichte wird inzwischen regelmäßig eine gewisse aufrichtige und gewissenhafte Teilnahme der Parteien erwartet. So stellte ein ICCSchiedsgericht in einem veröffentlichten Schiedsspruch,701 der die Erfüllung einer ADR-Abrede durch eine Partei betraf, fest: “What matters is that they should have shown their good will by seizing every opportunity to try to settle their dispute in an amicable manner”.702
Damit sind die Parteien beispielsweise dazu angehalten, keine unrealistischen Einigungsvorschläge zu unterbreiten oder aber keine Zugeständnisse zu signalisieren, die sie von Anfang an nicht bereit sind, tatsächlich einzugehen.703 Sollte eine Partei gegen den good-faith-Grundsatz verstoßen, so ist in den meisten Rechtsordnungen zu erwarten, dass die andere Partei eine Schadensersatzklage erheben wird.704 Auch hier wird einerseits wieder das Problem des Nachweises eines tatsächlich entstandenen Schadens bestehen, welchem mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe Rechnung getragen werden kann. Der Nachweis der Pflichtverletzung selber, also der fehlenden aufrichtigen und gewissenhaften Teilnahme der anderen Partei, wird hingegen ungemein schwerer fallen.705 Hier könnte es sich empfehlen, frühzeitig diesem Umstand Rechnung zu tragen und eine ausführliche Dokumentation des ICC-ADR-Verfahrens zu führen.706 Diese Dokumentation ist allerdings nicht ganz unproblematisch.707
c. Internationale Handelskammer Wesentlichen Einfluss auf die ICC-ADR-Verfahrensqualität hat zuletzt noch die Internationale Handelskammer haben. Schließlich ist es die Internationale Handelskammer, die das ICC-ADR-Verfahren organisatorisch betreut und in Gang 700
(1999) NSWSC 996, 268. 6276, veröffentlicht in: Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (76 ff.). 702 Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (77). 703 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S: 123. 704 Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (121). 705 Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S: 123. 706 Berger, in: Arb. Int. 1/2006, S. 1 ff. (16). 707 Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel V § 24 III. 701 ICC-Case
§ 20 Durchführung des Verfahrens
215
setzt. Doch bleibt die Internationale Handelskammer während des eigentlichen Streitbeilegungsverfahrens relativ passiv und nimmt, anders als der Neutrale oder die Parteien, selber nicht an dem Verfahren teil. Sie sorgt vielmehr für die Abwicklung der während des ICC-ADR-Verfahrens zu leistenden Zahlungen. Dennoch bilden die verfahrensbegleitenden Maßnahmen der Internationalen Handelskammer einen zentralen Erfolgsfaktor für das ICC-ADR-Verfahren. So ist es in vielen Fällen die Internationale Handelskammer, die einen Neutralen im Auftrag der Parteien sucht. Auch die Übermittlung von Schriftstücken und das Informieren einer Partei über den Inhalt und Ablauf eines ICC-ADR-Verfahrens werden durch die Internationale Handelskammer besorgt. Alle diese Punkte können für den Erfolg oder Misserfolg des Verfahrens wesentlich sein. Ein Beispiel könnte etwa sein, dass die Internationale Handelskammer aufgrund interner Abstimmungsschwierigkeiten davon ausgeht, Gebühren wären durch eine Partei nicht gezahlt worden, und in der Folge das Verfahren gemäß Artikel 6 I f ICC-ADR beendet. Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, dass ein Fehlverhalten der Internationalen Handelskammer für den Misserfolg eines ICC-ADR-Verfahrens durchaus wesentlich sein kann. Die Haftung der Internationalen Handelskammer, ihrer Angestellten sowie der ICC-Nationalkomitees ist, wie auch die des Neutralen, gemäß Artikel 7 V ICC-ADR generell ausgeschlossen. Gegen diesen prinzipiellen Haftungsausschluss bestehen zwar zahlreiche Einwände708; dennoch wird bis zu einem gewissen Grad die Haftung der Internationalen Handelskammer tatsächlich ausgeschlossen sein. Dies entspricht zwar den Interessen der Internationalen Handelskammer, die selbstverständlich möglichst weitgehend ihre Risiken minimieren will. Den Interessen der Parteien wird durch dieses Vorgehen jedoch nicht gefolgt.
2. Verfahrensverschleppung Die Vermutung einer Partei, die andere würde das ADR-Verfahren zum Zweck der Prozessverschleppung missbrauchen, ist ein in ADR-Verfahren typischerweise auftretendes Problem. Die Gründe dafür, ein ADR-Verfahren zur Prozessverschleppung zu missbrauchen, sind mannigfaltig.709 Um die Gefahr der Prozessverschleppung zu minimieren, finden sich in den ICC-ADR-Regeln vor allem in den Bereichen feste Fristen, in denen es einer der Parteien alleine nicht möglich ist, das ICC-ADR-Verfahren zu beenden. Ein Beispiel wäre etwa die Frist des vierten Klauselvorschlags. Dabei sind diese Fristen ausweislich Artikel 6 lit. e ICC-ADR stets durch Parteivereinbarung verlängerbar. Durch dieses Vorgehen wird der Missbrauch des ICC-ADR-Verfahrens zur Verfahrensver708 709
Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel VI § 26 I. Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 II 2 b.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
schleppung zumindest zeitlich begrenzt. Eine nur zeitweilige Begrenzung bedeutet aber, dass eine vollständige Verhinderung des Verschleppungspotentials nicht erreicht wird. Insofern bedarf es einer Ergänzung des Befristungsregimes der ICC-ADR-Regeln, um einen effektiven Schutz der Parteien vor dem Missbrauch des ICC-ADR-Verfahrens zur Prozessverschleppung zu gewährleisten. Dabei muss es nicht nur Ziel dieser Ergänzung sein, den Missbrauch des ICCADR-Verfahren zur Prozessverschleppung zu verhindern, sondern daneben auch, eine Grundlage zu schaffen, auf Basis derer ein Schadensausgleich im Falle eines dennoch stattfindenden Missbrauchs gefordert werden kann. Hier greift unter anderem Artikel 5 V ICC-ADR, der die Parteien verpflichtet, mit dem Neutralen gewissenhaft und aufrichtig zusammenzuarbeiten. Wie bereits weiter oben festgestellt,710 statuiert er für die Parteien eine Förderungspflicht für das ICC-ADR-Verfahren. Gegen diese Förderungspflicht würde es verstoßen, würden die Parteien das Verfahren zur Prozessverschleppung missbrauchen. Schließlich würde damit nicht der Verfahrenszweck der Streitbeilegung verfolgt, sondern vielmehr eine weitere Eskalation der Streitigkeiten provoziert, zumal die Prozessverschleppung als ein feindseliges Verhalten zu sehen ist. Die Zusammenarbeit mit dem Neutralen wäre in einem solchen Fall nicht mehr als gewissenhaft und aufrichtig, sondern vielmehr als missbräuchlich zu sehen, womit ein Verstoß gegen Artikel 5 V ICC-ADR vorläge. Dieser in der Theorie sehr klaren Rechtslage folgt jedoch eine ungleich unsicherere tatsächliche Rechtslage. So wird ein Verstoß gegen Artikel 5 V ICCADR für die Parteien nur schwer nachzuweisen sein.711 Schließlich wird die angeblich verschleppende Partei immer vortragen, dass sie bis zum Ende des Verfahrens stets auf eine gütliche Beilegung hingearbeitet habe. Hinzu kommt der – wie an anderer Stelle auch712 – schwere Nachweis eines tatsächlich entstandenen Schadens. Letzteres Problem lässt sich vergleichsweise einfach durch die bereits dargelegten Gegenmaßnahmen wie etwa der Vereinbarung einer Vertragsstrafe umgehen. Die Nachweisproblematik zu vermeiden erscheint jedoch ungemein schwieriger. Alleine eine klare Dokumentation des Verfahrens vermag auch hier die Grundlage für einen späteren Nachweis zumindest ein wenig zu erleichtern. Ein neuralgischer Punkt wird hier jedoch immer bestehen bleiben.
3. Verfahrensbeginn und Verjährungsproblematik Um einen effektiven Schutz der in Streit stehenden Ansprüche zu gewährleisten, muss neben die oben beschriebene Kombination aus good-faith-Vorschrift 710
Vgl. oben unter Kapitel V § 20 I 1 b. Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 131. 712 Vgl. hierzu z. B. schon weiter oben unter Kapitel V § 15 II 4 a. 711
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und Fristenregelung noch der Schutz von in Streit stehenden Ansprüchen vor Verjährung für den Zeitraum des ICC-ADR-Verfahrens treten. Der Schutz vor Verjährung tritt dabei zum einen neben diese Kombination, da Ziel einer Prozessverschleppung oftmals auch die Erreichung einer Verjährung der in Streit stehenden Ansprüche sein wird. Zum anderen wird die Frage der Verjährung auch darüber hinaus relevant, da auch wenn eine Prozessverschleppung nicht gewollt ist, aufgrund der Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens die Verjährung von Ansprüchen drohen kann. Die Möglichkeit einer Verjährung von streitigen Ansprüchen während des ADR-Verfahrens kann zwar auch durch die Aufnahme einer Vereinbarung über feste Verfahrenszeiträume verringert werden,713 doch bleibt auch dann ein Zeitraum, in welchem es zu einer Verjährung von Ansprüchen kommen kann. Hinzu kommt, dass die nur scheinbare Einlassung auf ein ICC-ADR-Verfahren, die alleine das Ziel hat, zur Verjährung eines Anspruches zu gelangen, für die andere Partei zumeist nur schwer erkennbar ist. Daneben besteht die Gefahr der Verjährung auch für den Fall, dass die Parteien redlich sind.714 Eine drohende Verjährung von Ansprüchen kann die Parteien in einem ansonsten erfolgreich und vielversprechend verlaufenden ICCADR-Verfahren vor die Wahl stellen, dass Verfahren zu beenden und durch Einreichung einer Klage zur Hemmung der Verjährung zu gelangen, oder aber das Risiko der Verjährung hinzunehmen. Letztere Option ist den Parteien aufgrund des hierdurch erzeugten Einigungsdrucks nicht anzuraten, womit es wohl vor allem zu einem Scheitern des ICC-ADR-Verfahrens kommen wird. Vor diesem Hintergrund ist die Beantwortung der Frage zentral, inwieweit Ansprüche während des ICC-ADR-Verfahrens verjähren können. Die ICCADR-Regeln enthalten diesbezüglich keine Regelungen. So findet sich in ihnen zum Beispiel keine Regelung, durch die es zu einer Verjährungsverlängerung von streitigen Ansprüchen für den Zeitraum des ICC-ADR-Verfahrens kommt. Damit entscheidet sich diese Frage primär zunächst nach nationalem Recht.
a. Autonome Rechtslage Nationale Rechtsordnungen sehen in vielen Fällen die Hemmung der Anspruchsverjährung ab dem Eintritt in ein Mediationsverfahren vor.715 So findet sich zum Beispiel mit Artikel 35 des südkoreanischen Civil Conciliation Act eine Regelung, durch die der Antrag auf Durchführung einer Schlichtung den Ablauf von Verjährungsfristen unterbricht.716 Mit Artikel 25 I des Gesetzes zur För-
713
Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel V § 20 I 3 b. Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 30. 715 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 30. 716 Hwang S. c./Seng Onn/Chuan Tat, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 184. 714
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
derung des Einsatzes von außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren717 sieht das japanische Recht eine Regelung vor, durch die Verjährungsfristen für den Zeitraum eines Mediationsverfahrens vor einer zertifizierten Streitbeilegungsinstitution unterbrochen werden, sollten die Parteien sich in der Mediation nicht einigen und einen Monat nach Scheitern des Verfahrens Klage erheben.718 Auch in Österreich finden sich Regelungen, durch die das Verhältnis zwischen Mediation und Verjährung näher geregelt wird. Gemäß § 22 I Zivilmediationsgesetz719 wird die Hemmungswirkung durch den Verfahrensbeginn in Verbindung mit der gehörigen Fortsetzung der Mediation durch einen eingetragenen Mediator ausgelöst.720 Nach § 17 I 2, 3 des österreichischen Zivilmediationsgesetzes721 beginnt das Mediationsverfahren dabei mit der Übereinkunft der Parteien, eine Mediation durchzuführen. Für den europäischen Rechtsraum wurde die Frage der Verjährung mit Artikel 8 der Mediationsrichtlinie vorgegeben. Nach diesem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Durchführung einer Mediation nicht dazu führt, dass die Parteien im Anschluss daran gehindert sind, ein Gerichts- oder Schiedsverfahren durchzuführen.722 Dies umfasst auch die Sicherstellung der Nichtverjährung der Ansprüche. Nicht vorgegeben wird den Mitgliedstaaten durch Artikel 8 der Mediationsrichtlinie allerdings, woran sie die Unterbrechung oder Hemmung einer Verjährung festmachen und was die genaue Wirkung des Mediationsverfahrens auf die Verjährung ist. An diesen vier Beispielen wird sichtbar, dass, obwohl in den meisten Rechtsordnungen eine gewisse hemmende oder unterbrechende Wirkung von ADRVerfahren anerkannt wird, die Anforderungen und tatsächliche Wirkung dieser Verjährungshemmung jedoch weiterhin sehr verschieden geregelt bleiben. So 717
Saiban-gai funsô kaiketsu tetsuzuki no riyô no sokushin ni kansuru hôritsu; in englischer Übersetzung unter dem Titel “Act on Promotion of Use of Alternative Dispute Resolution” zu finden unter http://www.cas.go.jp/jp/seisaku/hourei/data/AOP.pdf (Stand 10. März 2016). 718 Baum/Schwittek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 516. 719 § 22. (1) Der Beginn und die gehörige Fortsetzung einer Mediation durch einen eingetragenen Mediator hemmen Anfang und Fortlauf der Verjährung sowie sonstiger Fristen zur Geltendmachung der von der Mediation betroffenen Rechte und Ansprüche. (2) Die Parteien können schriftlich vereinbaren, dass die Hemmung auch andere zwischen ihnen bestehende Ansprüche, die von der Mediation nicht betroffen sind, umfasst. Betrifft die Mediation Rechte und Ansprüche aus dem Familienrecht, so umfasst die Hemmung auch ohne schriftliche Vereinbarung sämtliche wechselseitigen oder von den Parteien gegeneinander wahrzunehmenden Rechte und Ansprüche familienrechtlicher Art, sofern die Parteien nichts anderes schriftlich vereinbaren. 720 Roth/Gherdane, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 126. 721 § 17. (1) Der Mediator hat den Beginn, die Umstände, aus denen sich ergibt, ob die Mediation gehörig fortgesetzt wurde, sowie das Ende der Mediation zu dokumentieren. Als Beginn der Mediation gilt der Zeitpunkt, zu dem die Parteien übereingekommen sind, den Konflikt durch Mediation zu lösen. […]. 722 Eidenmüller/Prause, in: NJW 38/2008, S. 2737 ff. (2740).
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stellt sich für japanisches Recht die Frage, inwieweit die Internationale Handelskammer eine in Japan zertifizierte Streitbeilegungsinstitution ist. Doch nicht nur wegen der Frage, ob es überhaupt zu einer Hemmung der Verjährung kommt, ist das anwendbare Recht wesentlich. Für den Fall eines gemäß Artikel 2 B ICC-ADR einseitig eingeleiteten ICC-ADR-Verfahrens kann es zum Beispiel bedeutend werden, ob südkoreanisches oder aber österreichisches Recht zur Anwendung kommt. Nach südkoreanischem Recht wäre der Lauf der Verjährung ab dem Tag unterbrochen, an dem die Partei ihren Antrag auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens einreicht. Nach österreichischem Recht würde hingegen erst mit der Zustimmung der anderen Partei im Sinne von Artikel 2 B II ICC-ADR die Hemmung der Verjährung einsetzen und auch nur dann, wenn das Verfahren durch einen eingetragenen Mediator „gehörig“ i. S. v. § 22 I des Zivilmediationsgesetzes fortgesetzt wird. Zwischen den beiden Anfangsterminen kann jedoch aufgrund des Artikels 2 B II ICC-ADR ein Unterschied von bis zu 15 Tagen bestehen. Weit wesentlicher als diese zeitliche Differenz erscheint jedoch, dass die südkoreanische Regelung den Parteien die Möglichkeit eröffnet, das ADR-Verfahren entgegen seines eigentlichen Zwecks zur Verjährungsverlängerung einseitig zu missbrauchen.723 Auch wenn grundsätzlich viele Rechtsordnungen eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung für den Zeitraum eines ADR-Verfahrens annehmen, so kann es dennoch teilweise erhebliche Unterschiede geben. Auch rechtsangleichende Bemühungen haben sich dieser Problematik, wie bereits oben für den Fall der Mediationsrichtlinie angesprochen, noch nicht tatsächlich angenommen. So enthält das UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation wohl auch aufgrund dieser zahlreichen nationalen Unterschiede in seinen Artikeln selber keine Regelung, welche die Verjährung von streitigen Ansprüchen regelt. Alleine in der Fußnote 3 zu Artikel 4 des Modellgesetzes findet sich ein Vorschlag für eine solche Regelung,724 wobei die Regelung lediglich als Vorschlag an die Staaten zu verstehen ist.725 Ferner gibt es auch Rechtsordnungen, in denen keine Verjährungshemmung für den Bereich der gerichtsexternen Mediation zu finden ist.726 Ein Beispiel hierfür ist die Rechtsordnung Kanadas, die eine Unterbrechung oder Hemmung von Verjährungsfristen für den Lauf eines ADR-Verfahrens nicht kennt.727 723
Vgl. zu diesem Problem bereits weiter oben unter Kapitel V § 16 III. Artikel […] Suspension on limitation period 1. When the conciliation proceedings commence, the running of the limitation period regarding the claim that is the subject matter of the conciliation is suspended 2. Where the conciliation proceedings have terminated without a settlement agreement, the limitation period resumes running from the time the conciliation ended without a settlement agreement. 725 Ginkel, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 1 ff. (27). 726 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 31. 727 Ellger, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 687. 724
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Anders als an anderen neuralgischen Punkten des ICC-ADR-Verfahrens728 können die Parteien hier nicht durch Vereinbarung einer Multi-tiered-Klausel das Problem umgehen. Zwar kommt es durch die Einleitung eines Schiedsverfahren in vielen Rechtsordnungen zu einer Unterbrechung der Verjährung,729 doch greift diese erst ab Einleitung des Schiedsverfahrens ein. Dieses ist im Falle der ADR-Vorstufe aber gerade noch nicht der Fall. Zudem ergeben sich auch für den Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit bei der Frage der Verjährungshemmung zahlreiche Probleme.730 Ein Mangel an ADR-spezifischen Regelungen im Bereich der Verjährung bedeutet jedoch nicht grundsätzlich, dass es für den Zeitraum des ADR-Verfahrens zu keiner Hemmung der Verjährung kommt. Vielmehr kann es aufgrund anderer, nicht ADR-spezifischer Regelungen trotzdem zu einer Hemmung der Verjährung kommen. Beispiel hierfür ist die alte Rechtslage in Deutschland: vor der Schuldrechtsreform kam es in analoger Anwendung des § 202 I BGB a. F. dennoch zu einer Hemmung von Verjährungsfristen für den Zeitraum des Verfahrenslaufs.731
b. Gegenmaßnahmen Insgesamt zeigt sich damit die Verjährung von Ansprüchen trotz zahlreicher nationaler Bemühungen insbesondere aufgrund der zum Teil erheblichen Regelungsdifferenzen als ein weiterer neuralgischer Punkt des ADR-Verfahrens. Hier gilt es für die Parteien, eine Lösung dieser Problematik zu finden, um dennoch sicherzustellen, dass es während des ICC-ADR-Verfahrens zu keinem Rechtsverlust kommen kann. Zum einen könnten die Parteien zusätzlich zu den ICC-ADR-Regeln eine Verjährungsverlängerung vereinbaren.732 Nach deutschem Recht wäre dies beispielsweise möglich.733 Für die Wirksamkeit der Vereinbarung ist es dabei unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Parteien die Vereinbarung zur Verjährungs728 So zum Beispiel bei der einheitlichen Durchsetzbarkeit der ADR-Abrede. Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 13 II 5. 729 Vgl näher Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 489 ff. 730 Siehe näher hierzu: Oppermann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit und Verjährung. 731 Siehe näher zur alten Rechtslage Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 30 f.; Wagner, in: NJW 3/2001, S. 182 ff.. Vgl. näher zur jetzt geltenden, einvernehmliche Verfahren spezifisch regelnden Rechtslage Eidenmüller, in: SchiedsVZ 4/2003, S. 163 ff. 732 Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 21 f. 733 Eidenmüller, in: SchiedsVZ 4/2003, S. 163 ff. (166). Dies war jedoch nicht immer so. Früher stand der inzwischen weggefallene § 225 BGB einer solchen einverständlichen Verlängerung der Verjährungsfrist entgegen. Vgl. Wagner, in: NJW 3/2001, S. 182 ff. (182).
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verlängerung schließen.734 Somit können die Parteien auch nach Entstehen der Streitigkeit und sogar noch während des ICC-ADR-Verfahrens die Verlängerung der Verjährung vereinbaren. Doch kann unter anderen Rechtsregimen eine Vereinbarung vor Anlaufen einer Verjährungsfrist auch ausgeschlossen sein, was zum Beispiel bei Anwendbarkeit des UN-Verjährungsübereinkommens der Fall wäre.735 Auch hier müssen die Parteien also wieder im Angesicht des anwendbaren Rechts eine geeignete Lösung finden; eine allgemeine Aussage oder Empfehlung kann nicht getroffen werden.
4. Vertraulichkeit Die Vertraulichkeit erstreckt sich innerhalb eines ADR-Verfahrens auf eine Vielzahl von Aspekten wie zum Beispiel den Umstand, dass ein ADR-Verfahren überhaupt stattfindet, oder aber die Tatsache, dass eine Partei der anderen die Durchführung eines ADR-Verfahrens angetragen hat.736 Die Sicherstellung der Vertraulichkeit ist dabei die Achillesferse des ADR-Verfahrens,737 zumal ohne ihre Gewährleistung der für ein ADR-Verfahren so wesentliche738 Informationsaustausch nicht stattfindet.739 Sie herzustellen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ADR-Verfahren,740 da sie für den Prozess der einvernehmlichen Streitbeilegung unverzichtbar ist.741 Hinzu kommt, dass es regelmäßig im Interesse international Handeltreibender ist, dass die Streitigkeit und ihre Details nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Dementsprechend ist es für ein funktionierendes ICC-ADR-Verfahren von zentraler Bedeutung, dass auch in diesem die Vertraulichkeit gewährleistet ist.742 Im Folgenden soll zunächst nur auf die Aspekte der Vertraulichkeit eingegangen werden, die unmittelbar während eines ICC-ADR-Verfahrens Bedeutung erlangen, also die Abschottung des ICC-ADR-Verfahrens vor Dritten (Artikel 734
Staudinger/Peters/Jacoby, 2009, § 202 Rn. 6. näher hierzu Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 299 f.; Magnus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 93 ff. (97 f.). 736 Reichert, in: Disp. Res. J. 2004/05, S. 60 ff. (62). 737 Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 254; Hartmann, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 611 ff. (1089). 738 Vgl. näher zur Bedeutung des freien Inforamtionsaustauschs zwischen den Parteien Weigel, in: NJOZ 2015, S. 41 ff. 739 Foster, in: J. Disp. Res. 2009, S. 163 ff. (164); Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 247. 740 Eidenmüller, Becker/Horn, in: SchiedsVZ 5/2006, S. 270 ff. (272); Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 39; Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 247. 741 Boyarin, in: Fam. C. Rev., 3/2012, S. 377 ff. (380); Reichert, in: Disp. Res. J. 2004/05, S. 60 ff. (62). 742 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 34. 735 Vgl.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
7 I ICC-ADR). Auf Fragen der Geheimhaltung im Zusammenhang mit sich an ein erfolgloses ICC-ADR-Verfahren anschließenden Entscheidungsverfahren – auch bekannt unter dem Begriff des mediation privilege – mit der Zielsetzung, die Inkompatibilität zu umgehen (Artikel 7 II – IV ICC-ADR), wird an späterer Stelle näher eingegangen.743 Auch die Frage des Missbrauchs des ICC-ADRVerfahrens zur Erlangung prozesswesentlicher Informationen wird daher später betrachtet.
a. Artikel 7 I ICC-ADR Bezüglich der Geheimhaltung unmittelbar innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens lassen sich damit nach dem oben Gesagten primär zwei Ziele definieren: das Verhindern, dass Dritte von der Streitigkeit an sich und von deren Details Kenntnis erlangen sowie die Geheimhaltung des durch ein ADR-Verfahren gefundenen Ergebnisses. Zur Umsetzung dieser Ziele dient in den ICC-ADR-Regeln alleine Artikel 7 I ICC-ADR. Die weiteren Absätze des Artikels 7 ICC-ADR betreffen hingegen alleine die Geheimhaltung in Bezug zu späteren Entscheidungsverfahren.744 Artikel 7 I S. 1 ICC-ADR regelt dabei, dass das ICC-ADR-Verfahren einschließlich seines Resultats vertraulich ist. Etwas anderes kann sich nach Artikel 7 I S. 1 ICC-ADR nur aus einer Parteivereinbarung oder aber aus zwingendem nationalen Recht ergeben.745 Mit „Resultat“ ist dabei in Artikel 7 I S. 1 ICC-ADR alleine die Frage des Erfolgs oder Misserfolgs des Verfahrens gemeint, zumal im folgenden zweiten Satz des Artikels 7 I ICC-ADR dann explizit746 auch die getroffenen Einigung mit einbezogen wird. Eine tatsächlich gefundene gütliche Einigung wird durch Artikel 7 I S. 2 ICC-ADR dann der Vertraulichkeit insoweit unterstellt, als für ihre Implementierung oder Durchsetzung eine Offenlegung nicht notwendig ist. Die Parteien müssen also grundsätzlich weder die Internationale Handelskammer noch den Neutralen über den Inhalt ihrer Einigung informieren.
b. Nationales Recht In Artikel 7 I ICC-ADR wird bereits explizit angesprochen, dass die in ihm enthaltene Verpflichtung zur Geheimhaltung nur soweit reicht, wie dies nach dem jeweilig anwendbaren nationalen Recht zulässig ist. Damit steht die Wirkung des Artikels 7 I ICC-ADR, wie zahlreiche andere Punkte des ICC-ADR-Verfahrens auch, unter dem Vorbehalt des jeweils anwendbaren nationalen Rechts. 743
Siehe hierzu weiter unten unter Kapitel V § 24. Siehe näher hierzu weiter unten unter Kapitel V § 24. 745 ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 34. 746 Art. 7 I S. 2 ICC-ADR spricht davon, dass gütliche Einigungen der Parteien „ebenfalls“ vertraulich behandelt werden müssen. 744
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Bezüglich der Vertraulichkeit während und im Anschluss an ein ICC-ADRVerfahren erscheint zum einen das Verhältnis von Artikel 7 I ICC-ADR zu Bestimmungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen problematisch.747 Doch auch andere Gründe öffentlicher Ordnung können der Vertraulichkeitsklausel entgegenstehen. So sehen einige Staaten der Vereinigten Staaten von Amerika zum Beispiel vor, dass vertragliche Verschwiegenheitspflichten dann unwirksam sind, wenn durch sie eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität eines Dritten entsteht.748 Das Deutsche Mediationsgesetz sieht in seinem § 4 Nr. 3 beispielsweise die Kindeswohlgefährdung als Grund für das Entfallen der Verschwiegenheitspflicht vor.749 Insgesamt zeigt sich hier jedoch, dass die Ausnahmen regelmäßig für solche Bereiche bestehen, die in der Regel bei einem durchschnittlichen international Handeltreibenden nicht vorkommen. Wesentlich werden die Einschränkungen durch nationales Recht erst, wenn es um die Frage der Geheimhaltung im Verhältnis zu einem sich dem ICC-ADR-Verfahren anschließenden Entscheidungsverfahren geht.750 Davon zu trennen ist allerdings die Problematik, dass nationale Gerichtsverfahren regelmäßig öffentlich sind. Dies auszuschließen liegt regelmäßig nicht in der Macht der Parteien, womit bei Scheitern des ICC-ADR-Verfahrens in einem anschließenden Entscheidungsverfahren die Streitigkeit doch an die Öffentlichkeit gelangen wird. Um dies zu umgehen, bietet sich die Verbindung des ADR-Verfahrens mit einem Schiedsverfahren an, da in letzterem regelmäßig die Vertraulichkeit gewährleistet ist und es dennoch zu einer abschließenden Entscheidung kommt.751
c. Strukturelle Lücken Doch nicht nur aus der Wirkung nationalen Rechts könnten sich Lücken in der Absicherung der Vertraulichkeit innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens ergeben. Die ICC-ADR-Regeln können in manchen Fallkonstellationen zudem selbst strukturelle Lücken aufweisen, die aus der Art und Weise ihrer Einbeziehung entstehen. 747 Vgl. hierzu bereits weiter oben unter Kapitel V § 15 II 4 a. ee. Im deutschen Rechtsraum ergeben sich hier für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten keinerlei Restriktionen. 748 Vgl. z. B. Tarasoff v. Regents of the University of California, 551 P. 2d 334 (Cal. 1976). 749 Weigel, in: NJOZ 2015, S. 41 ff. (42). 750 Vgl. näher hierzu und zur Rechtslage in Deutschland, Frankreich und Österreich Hauser, in: SchiedsVZ 2015, S. 89 ff.; Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 257 f. 751 Schiffer/Schubert, in: Schiffer (Hrsg.), Mandatspraxis Schiedsverfahren und Mediation, S. 306. Anzumerken bleibt, dass auch bei Schiedsverfahren im Abschluss das Bekanntwerden der Streitigkeit droht, nämlich dann wenn es um die Anfechtung des Schiedsspruches vor nationalen Gerichten geht.
224
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Grundsätzlich kommt es erst zu einer Bindung der Parteien, wenn diese die Anwendbarkeit der ICC-ADR-Regeln untereinander vereinbaren.752 Daher kann vor allem im Falle der einseitigen Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens in Bezug auf die Vertraulichkeit eine strukturelle Lücke entstehen. Lehnt eine Partei den einseitigen Vorschlag im Sinne von Artikel 2 B ICC-ADR der anderen Partei ab, so ist sie nicht an die ICC-ADR-Regeln gebunden und kann damit auch frei über den Antrag der anderen Partei und die Streitigkeit an sich Dritte informieren.753 Diesen Umstand sollten die Parteien im Auge behalten und vor diesem Hintergrund dem einseitigen Antrag auf Durchführung eines ICC-ADRVerfahrens keinerlei sensible Informationen beifügen.754 Doch auch bezüglich des Neutralen bestehen im Regime der ICC-ADR-Regeln Lücken. Wird dieser durch die Internationale Handelskammer vorgeschlagen und haben die Parteien gegen den Vorgeschlagenen Einwendungen, so wird dieser nicht Teil des ICC-ADR-Verfahrens und nicht durch die ICC-ADR-Regeln gebunden. Unklar bleibt, inwieweit in der Praxis diesem Umstand durch die Internationale Handelskammer durch zusätzliche Verschwiegenheitsvereinbarungen mit dem Neutralen Rechnung getragen wird. Die wohl bedeutendste strukturelle Lücke entsteht jedoch dadurch, dass die ICC-ADR-Regeln nur zwischen der Internationalen Handelskammer, den Parteien und dem Neutralen wirken. Außenstehende Dritte, wie zum Beispiel Zeugen oder Sachverständige des ICC-ADR-Verfahrens, werden hingegen nicht gebunden. Damit werden diese auch nicht durch die ICC-ADR-Regeln zur Vertraulichkeit verpflichtet und können grundsätzlich weiter frei die ihnen im Zusammenhang mit dem ICC-ADR-Verfahren bekannt gewordene Informationen Dritten mitteilen. Für den Fall der Mediation, die in der Regel nur unter Zuhilfenahme eines Neutralen stattfindet, wirkt sich dieser Mangel weniger gravierend aus. Die Bandbreite der möglichen ADR-Verfahren weist jedoch auch Methoden auf, in denen unter Zuhilfenahme weiterer Personen versucht wird, die Streitigkeit beizulegen. Überdies ist es auch nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen einer Mediation der Kreis der Beteiligten auf Dritte erweitert wird.755 Wenn man, wie die ICC-ADR-Regeln es anstreben, alle ADR-Arten unter einem Dach versammeln will, muss jedoch durch die ICC-ADR-Regeln eigentlich auch diesem Umstand Rechnung getragen werden, etwa durch Aufnahme einer gesonderten Vertraulichkeitspflicht für beteiligte Dritte.
II.
752 Vgl. 753
näher zur faktischen Wirkung der ICC-ADR-Regeln unten unter Kapitel VI § 26
Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 181. Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 85. 755 So wird die Aufnahme eine Vertraulichkeitsvereinbarung für Dritte bei Mediationsverfahrens durch Hartmann, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation 2. Auflage, S. 1087 ff. (1102) empfohlen. 754
§ 20 Durchführung des Verfahrens
225
Insgesamt erscheint die Absicherung der Vertraulichkeit des ICC-ADR-Verfahrens damit bereits in materiell-rechtlicher Hinsicht als nicht sehr weitgehend, da der Kreis der Verpflichteten nicht nur zu eng ist, sondern die Wirkung des Verfahrensschutzraums zu spät ansetzt.
5. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die ICC-ADR-Regeln sich einer Vielzahl der Gefahren, die aus dem ICC-ADR-Verfahren resultieren, annehmen und diese zu entschärfen versuchen. So wird mit Artikel 5 III, V ICC-ADR versucht, eine gewisse Grundqualität des ICC-ADR-Verfahren zu garantieren. In Bezug auf die Internationale Handelskammer und den Neutralen wird aufgrund der Haftungsbegrenzung des Artikels 7 V ICC-ADR jedoch der gesetzte Standard wieder verringert. Auch die wertungsbedürftige Formulierung der „gewissenhaften und aufrichtigen Zusammenarbeit“, die in einigen Rechtsordnungen insbesondere aufgrund ihrer Ausfüllung Probleme bereitet, birgt Unwägbarkeiten in ihrer Wirkung. Die Gefahr der Verfahrensverschleppung wird durch die ICC-ADR-Regeln durch eine Kombination aus mehreren Regelungen entschärft. Neben der zeitlichen Begrenzung einzelner Verfahrensabschnitte wird der Verfahrensverschleppung auch mit der Verpflichtung zur gewissenhaften und aufrichtigen Zusammenarbeit begegnet. Die Frage der Verjährung wird in den ICC-ADR-Regeln hingegen nicht behandelt. Hier bleibt es an den Parteien, dafür zu sorgen, dass es zu keiner Verjährung von Ansprüchen kommt. Ein möglicher, wenn auch mitunter komplizierter Weg, ist die vertragliche Vereinbarung einer Verjährungsverlängerung. Auch wenn die ICC-ADR-Regeln direkt keine Regelung betreffend die Verjährung von Ansprüchen enthalten, so wird durch die Bestimmung des Beginns des ICC-ADR-Verfahrens zumindest ein objektiv feststellbarer Zeitpunkt für die Wirkung einer vertraglich vereinbarten Verjährungsverlängerung bereitgestellt. Im Bereich der Vertraulichkeit zeigen sich erhebliche Lücken im ICC-ADRRegime. So setzt die Wirkung der in den ICC-ADR-Regeln enthaltenen Regelungen nicht nur zu spät ein, sondern auch der zur Vertraulichkeit verpflichtete Personenkreis ist zu eng gefasst. Die Parteien, der Neutrale und die Internationale Handelskammer sind gemäß Artikel 7 I ICC-ADR zur Verschwiegenheit verpflichtet; am Verfahren beteiligte Dritte wie zum Beispiel Gutachter werden jedoch durch die ICC-ADR-Regeln nicht erfasst. Daneben gefährdet die im Fall des Misserfolgs des ICC-ADR-Verfahrens in einem sich anschließenden nationalen Gerichtsverfahren bestehende Öffentlichkeit der Verhandlung die im ICC-ADR-Verfahren etablierte Vertraulichkeit. Gegen diese Gefahr kann jedoch die Vereinbarung eines Multi-Tiered Dispute Resolution-Verfahrens Abhilfe schaffen.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Zu diesen auf einzelne Punkte reduzierte Lücken des Regimes treten die den gesamten Bereich des Verfahrensschutzes innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens betreffenden Lücken des Regelwerkes hinzu. Eine besondere Gefahr birgt dabei Artikel 1 ICC-ADR. Nach diesem bedarf jede Änderung der ICC-ADR-Regeln der Zustimmung durch die Internationale Handelskammer. Wird dies vergessen, eröffnen sich der anderen Partei Tür und Tor für den Missbrauch des Verfahrens, da insoweit die Anwendbarkeit der Modifikationen in Frage steht und die andere Partei das ADR-Verfahren dann entgegen seines Zwecks der Streitbeilegung zur Verfolgung anderer Ziele zweckentfremden kann. Eine weitere alle Aspekte des Verfahrensschutzes innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens betreffende Lücke bildet Artikel 7 V ICC-ADR. Durch diesen wird eine Lockerung des durch die anderen Regelungen etablierten Schutzniveaus verursacht, die gerade in Bezug auf den Neutralen besonders schwer wiegt. Doch gilt es in Bezug auf Artikel 7 V ICC-ADR anzumerken, dass zumeist nationales Recht den pauschalen Haftungsausschluss in seiner Wirkung abmildert, wenn nicht sogar vollkommen unwirksam macht. Neben diesen beiden in den ICC-ADR-Regeln enthaltenen Lücken bestehen auch tatsächliche Probleme bei der Geltendmachung von Verstößen. Zur Lösung dieser Probleme können im Einzelfall die bereits genannten Mittel, wie zum Beispiel der Vertragsstrafe, ebenfalls herangezogen werden.
II. Wertung Institutionalisierte ADR-Regelwerken werden oft dafür kritisiert, dass sie dem ADR-Verfahren zu viel Struktur geben756 und daher dem Verfahren die Flexibilität nehmen. Die Internationale Handelskammer ging hier mit ihren Regelungen einen anderen Weg und entschloss sich für einige übersichtliche, sehr allgemein gefasste Bestimmungen, anstatt ein stark ausdifferenziertes Regelwerk mit zahlreichen Pflichten und Rechten zu entwerfen. Wie sich oben gezeigt hat, entstehen aus diesem Ansatz zahlreiche Lücken, für die jedoch auch Gegenmaßnahmen der Parteien getroffen werden können. Insgesamt stellt sich die Frage, wie das unter den ICC-ADR-Regeln etablierbare Niveau an Verfahrensschutz in diesem Bereich zu werten ist. Im Bereich der Verfahrensqualität wurde durch die Internationale Handelskammer ein minimal regulativer Ansatz gewählt, der sich auf allgemeine Standards beschränkt und damit in methodischer Hinsicht wenig Einschränkungen mit sich bringt. In rechtlicher Hinsicht geht diese Stärkung der Verfahrensflexibilität allerdings mit einem Minus an Verfahrenssicherheit einher. Zwar scheint das durch die allgemeinen Pflicht etablierte Schutzniveau rechtlich gerade dann ausreichend, wenn die Regelungen der ICC-ADR-Regeln um eine Vertrags756 Jones, in: Berg (Hrsg.), New Horizons in International Commercial Arbitration and Beyond, S. 384.
§ 20 Durchführung des Verfahrens
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strafenvereinbarung ergänzt werden und zudem eine ausreichende Prozessdokumentation757 stattfindet, doch wird dieses Schutzniveau andererseits durch die Haftungsbeschränkung des Artikel 7 V ICC-ADR wieder unterminiert. In Bezug auf den Neutralen mag hier eine zusätzliche Haftungsabrede Abhilfe bieten. Der Gefahr der Verfahrensverschleppung wird durch die Kombination von flexiblen Fristen mit der Pflicht zur aufrichtigen und gewissenhaften Zusammenarbeit grundsätzlich ausreichend begegnet. Dabei wird insbesondere durch die Möglichkeit der Fristverlängerung durch Parteiabrede die methodisch negative Wirkseite solcher Fristenregelungen begrenzt. Wie bei der Verfahrensqualität auch sollten die Parteien allerdings das Regime um eine Vertragsstrafenvereinbarung ergänzen und daneben auf eine ausreichende Prozessdokumentation achten. Für die Bereiche der Vertraulichkeit und der Verjährung gelingt die Absicherung nicht in Gänze. Wie bereits oben festgestellt,758 sind gerade diese Bereich für den Schutz der Parteien allerdings besonders wesentlich. Der Bedarf einer Verhinderung der Verjährung während des ICC-ADR-Verfahrens wird durch die ICC-ADR-Regeln vollkommen ignoriert. Alleine die in Hinsicht auf den Lauf von Fristen gelungene Festlegung des Verfahrensbeginns eröffnet den Parteien die Möglichkeit, an diese anschließende weitere Abreden einzugehen, um die Verjährung streitiger Ansprüche zu verhindern. Geschieht dies nicht, so besteht weiterhin die Gefahr der Verjährung, auch wenn es in zahlreichen Rechtsordnungen von Gesetzes wegen bereits zu einer wie auch immer gearteten Unterbrechung der Verjährung kommt. Die Absicherung der Vertraulichkeit krankt an vier Probleme: dem zu eng gefassten Personenkreis der bestehenden Regelungen, der zeitlich begrenzten Wirkung der ICC-ADR-Regeln, der Haftungsbegrenzung des Artikels 7 V ICC-ADR sowie dem Problem der Schadenssubstantiierung. Letzteres Problem lässt sich durch eine Vertragsstrafenvereinbarung umgehen. Dem Problem des begrenzten Personenkreises kann man durch eine Änderung der Regeln durch Parteivereinbarung oder aber durch parallele zusätzliche Vereinbarungen begegnen. Gleiches gilt für die nachteilige Wirkung des Artikel 7 V ICC-ADR. Alleine das Problem der zeitlich begrenzten Wirkung der ICC-ADR-Regeln bleibt damit bestehen. Daher sollten die Parteien bei Beginn von Vorgesprächen zunächst allseitige Vertraulichkeitsabreden abschließen, um den Zeitraum bis zur Wirkung der Vertraulichkeitsklauseln der ICC-ADR-Regeln zu überbrücken.
757 Vgl. näher zu den Gefahren der Prozessdokumentation weiter unten unter Kapitel V § 24 III. 758 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 II 2.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Insgesamt erscheint das durch die ICC-ADR-Regeln etablierte Regime damit insbesondere nach Ergänzung mit den vorgeschlagenen Zusätzen als ein durchaus praktikables Regime. So wird ein gesunder Ausgleich zwischen Absicherung und Belassen methodischer Flexibilitätsvorteile erreicht, der in rechtlicher Hinsicht zu einem durchaus angemessenen Schutzniveau führt. Bei den vorzunehmenden Änderungen müssen die Parteien allerdings auch Artikel 1 ICC-ADR berücksichtigen und damit das Einverständnis der Internationalen Handelskammer einholen.
§ 21 Ende des ICC-ADR-Verfahrens Artikel 6 ICC-ADR-Regeln regelt die Beendigung eines nach Artikel 2 ICCADR erfolgreich eingeleiteten ICC-ADR-Verfahrens.759 Wird das Verfahren nicht auf Veranlassung der Internationalen Handelskammer beendet, so hat der Neutrale gemäß Artikel 6 II ICC-ADR diese von der Beendigung in Kenntnis zu setzen. Erfordert die Beendigung des Verfahrens eine schriftliche Mitteilung, so ist diese durch den Neutralen in Kopie auch an die Internationale Handelskammer weiterzuleiten. Nach Unterrichtung durch den Neutralen bestätigt die Internationale Handelskammer gemäß Artikel 6 II ICC-ADR allen bereits benannten oder bestellten Parteien schriftlich die Beendigung des Verfahrens.
I. Mögliche Abschlussvarianten des ICC-ADR-Verfahrens Die Abschlussvarianten des Artikel 6 I der ICC-ADR-Regeln können in zwei Gruppen unterteilt werden: die Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens durch erfolgreiche Beilegung der Streitigkeit und die Beendigung ohne die Beilegung der Streitigkeit.
1. Erfolgreiche Beilegung der Streitigkeit/Meinungsverschiedenheit Artikel 6 I a ICC-ADR regelt die Beendigung des Verfahrens im Falle der tatsächlichen gütlichen Einigung. Das ICC-ADR-Verfahren endet gemäß Artikel 6 I a ICC-ADR dabei erst dann, wenn die Parteien die gefundene gütliche Einigung unterzeichnet haben. Die Festlegung auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung der schriftlichen Einigung ergibt vor allem vor dem Hintergrund Sinn, dass hiermit ein klar zu bestimmender Zeitpunkt festgelegt wird, der für weitere Interpretationen, anders als die rein mündliche Einigung, nur wenig Raum lässt.
759
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (20).
§ 21 Ende des ICC-ADR-Verfahrens
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Insofern und ob des klaren Wortlauts des Artikel 6 I a ICC-ADR ist allein die Unterzeichnung der Einigung für das Verfahrensende konstitutiv.760 Bei der Einigung sind die Parteien immer an den Rahmen gebunden, den die zwingenden Normen des jeweils anwendbaren Rechts ihnen stecken.761 Ob die Parteien den Neutralen an der Ausarbeitung der Einigung beteiligen und ob sie ihn über den Inhalt der Einigung informieren, ist dabei ihnen überlassen.762 Es reicht vielmehr die Nachricht an den Neutralen, dass eine Einigung unterzeichnet wurde. Sollten sich die Parteien allerdings entscheiden, dem Neutralen ihre Einigung vorzulegen, so ergibt sich aus den Artikeln 6 II und 7 I ICCADR, dass der Neutrale aufgrund der im Verfahren geltenden Geheimhaltung die Einigung nicht an die Internationale Handelskammer weiterleitet.763 Diese wird durch den Neutralen lediglich über die erfolgreiche Beilegung informiert. Sollten die Parteien sich dafür entscheiden, den Neutralen an der Ausarbeitung der Einigung zu beteiligen, so muss durch die Parteien auch hierfür das jeweils anwendbare Recht beachtet werden. So kann sich in einigen Rechtsordnungen die Frage stellen, ob der Neutrale an der Abfassung der Einigung überhaupt mitwirken darf, sollte er kein Anwalt sein.764
2. Scheitern des ICC-ADR-Verfahrens Die Gruppe der Beendigung ohne erfolgreiche Beilegung der Streitigkeit lässt sich wiederum in vier Unterfälle untergliedern: Automatischer Abbruch, Abbruch durch Parteierklärung, Abbruch durch den Neutralen sowie Abbruch durch die Internationale Handelskammer.
a. Automatischer Abbruch Der automatische Abbruch des ICC-ADR-Verfahrens kann dabei wieder aus mehreren Gründen erfolgen. So endet das ICC-ADR-Verfahren gemäß Artikel 6 I e ICC-ADR immer dann, wenn eine für das ADR-Verfahren gesetzte Frist nicht verlängert wurde und abgelaufen ist. Solche Befristungen sind häufig in Verbindung mit verpflichtenden ADR-Abreden zu finden, um hiermit die Miss760 A. A. Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (193), der auch die reine Mitteilung der Einigung an den Neutralen ausreichen lässt. 761 Hutner, in: Das Internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 4. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bietet das niederländische Recht, dass für vermögensrechtliche Streitigkeiten in Art. 7: 902 BW vorsieht, dass die zwischen den Parteien getroffenen Feststellung auch dann wirksam ist, wenn sie gegen zwingendes Recht verstößt. Die Grenze bilden hier jedoch die Guten Sitten und die öffentliche Ordnung. Vgl. Schmiedel, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 363. 762 Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 180 f. 763 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (100). 764 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (193).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
brauchsgefahr765 im Verfahren zeitlich zu begrenzen. Ein Beispiel für einen solchen Ablaufmechanismus ist der vierte Klauselvorschlag der Internationalen Handelskammer: hier endet das ICC-ADR-Verfahren automatisch nach Ablauf von 45 Tagen ab Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADRVerfahrens, sollten die Parteien die Frist nicht verlängert haben. Artikel 6 I e ICC-ADR fordert nicht die schriftliche Verlängerung der Frist durch die Parteien. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund sinnvoll, dass die Parteien wegen des sehr frühen Beginns der Frist oft vergessen könnten, diese zu verlängern. Das Betreiben des ICC-ADR-Verfahrens und die fehlende Einleitung eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens können hier als stillschweigende Verlängerung der Frist gesehen werden.766 Das Ablaufen der im dritten Klauselvorschlag enthaltenen Frist führt hingegen nicht zu einer Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens. Anders als beim vierten Klauselvorschlag wird beim dritten Klauselvorschlag schließlich nicht eine Frist für das ADR-Verfahren, sondern vielmehr für die Verpflichtungswirkung des dritten Klauselvorschlags gesetzt.767 Der Ablauf der Frist führt beim dritten Klauselvorschlag insofern alleine dazu, dass jede Partei nunmehr auch Entscheidungsverfahren einleiten können. Auf den Lauf des ADR-Verfahrens selbst hat dies jedoch keinen Einfluss. Ein weiterer Grund für einen automatischen Abbruch des ICC-ADR-Verfahrens liegt gemäß Artikel 6 I c ICC-ADR vor, wenn die nach Artikel 5 ICCADR gewählte Prozedur endet. Ein Beispiel wäre hier die Neutral Evaluation. Hat der Neutrale in dieser ADR-Verfahrensart seine die Parteien nicht bindende Entscheidung gefällt, so endet das Verfahren gemäß Artikel 6 I c ICC-ADR automatisch.768 Es folgt also durch Artikel 6 I c ICC-ADR das rechtliche Verfahrensende der ICC-ADR-Regeln dem methodischen Verfahrensende der jeweilig gewählten Streitbeilegungsart. Fraglich erscheint, warum der Neutrale in diesen Fällen die Parteien schriftlich über das Ende des Verfahrens benachrichtigen muss, zumal diese Benachrichtigung ebenso gemäß Artikel 6 II ICCADR durch die Internationale Handelskammer erfolgt.
b. Abbruch durch Parteierklärung Neben der Beendigung durch automatischen Abbruch besteht für die Parteien auch die Möglichkeit, das ICC-ADR-Verfahren durch eine Erklärung zu beenden. Gemäß Artikel 6 I b ICC-ADR kann jede Partei jederzeit nach Absolvierung des gemäß Artikel 5 I ICC-ADR obligatorischen ersten Termins das 765
Vgl. Näher hierzu oben unter Kapitel III § 9 II. 2. b. Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (100). 767 Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel V § 15 II Nr. 4. 768 ICC, Guide to ICC ADR, S. 15; Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (21). 766
§ 21 Ende des ICC-ADR-Verfahrens
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ICC-ADR-Verfahren durch schriftliche Benachrichtigung an den Neutralen beenden. Durch Artikel 6 I b ICC-ADR wird damit die Freiwilligkeit im ICCADR-Verfahren gewährleistet, da sich jede Partei dem Verfahren jederzeit entziehen kann und damit ein Einigungszwang für die Parteien zumindest aus den ICC-ADR-Regeln nicht entsteht.
c. Abbruch durch den Neutralen Neben den Parteien kann gemäß Artikel 6 I d ICC-ADR auch der Neutrale durch schriftliche Benachrichtigung an die Parteien das ICC-ADR-Verfahren für gescheitert erklären. Voraussetzung für diese Erklärung ist, dass der Neutrale der Ansicht ist, dass das ICC-ADR-Verfahren keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Anders als die Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens durch Parteierklärung kann der Neutrale das ICC-ADR-Verfahren auch vor Absolvierung des ersten obligatorischen Termins beenden.769 Insofern kann der Neutrale aufgrund des Artikel 6 I d ICC-ADR dem Missbrauch des ICC-ADR-Verfahrens zu einem Zeitpunkt entgegenwirken, in dem die Parteien sich selber dem Verfahren noch nicht entziehen können. Hier kommt es im Zusammenhang mit Artikel 5 III ICC-ADR sogar zu einer Verdichtung dieses Rechts hin zu einer Pflicht, das ICC-ADR-Verfahren zu beenden, sollte der Neutrale erkennen, dass eine Partei das ICC-ADR-Verfahren benutzt, um die andere Partei zu schädigen.770 Es kommt in der Folge zu einer zusätzlichen Absicherung des ICC-ADR-Verfahrens vor Missbrauchsgefahren wie zum Beispiel der Prozessverschleppung. Vereinzelt wird in der Literatur gegen diese Regelung vorgebracht, dass sie unmotivierten Neutralen die Möglichkeit eröffnet, sich schwierigen Verhandlungen vorzeitig zu entziehen und die eigene Verpflichtung zu beenden.771 Diese Gefahr ist jedoch nur marginal. Ein solches Verhalten des Neutralen kann bereits durch die Auswahl eines qualifizierten und professionell agierenden Neutralen fast vollständig verhindert werden. Dennoch bietet gerade im Bereich der Kollision des Gebots der Fairness mit dem Gebot der Unparteilichkeit Artikel 6 I d ICC-ADR für den Neutralen ein zu leichten Ausweg aus sich eventuell für ihn stellenden Problemen.
d. Abbruch durch die Internationale Handelskammer Zuletzt besteht auch für die Internationale Handelskammer die Möglichkeit, dass ICC-ADR-Verfahren zu beenden. Dabei sehen die ICC-ADR-Regeln zwei Gründe vor, aufgrund derer die Internationale Handelskammer das Verfahren 769
Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 84. sieht im Ergebnis auch so: Jarrosson, in: Goldsmith (Hrsg,), ADR in Business,
770 Dies
S. 126. 771 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (193).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
beenden kann. Zum einen kann sie ein Verfahren gemäß Artikel 6 I f ICC-ADR dann für gescheitert erklären, wenn eine oder beide Parteien 15 Tage nach Fälligkeit von Verfahrenskosten diese noch nicht bezahlt haben. Zum anderen steht es der Internationalen Handelskammer gemäß Artikel 6 I g ICC-ADR frei, dass Verfahren dann für beendet zu erklären, wenn die Parteien keinen Neutralen benennen konnten oder wenn es der Internationalen Handelskammer nach angemessenen Bemühungen nicht möglich war, einen Neutralen zu ernennen. Gerade die letzte Regelung wirkt damit solchen Prozessverschleppungsversuchen entgegen, die durch Artikel 6 I d ICC-ADR nicht abgedeckt sind. Problematisch am Artikel 6 I g ICC-ADR erscheint jedoch, dass mit dem Wort “reasonably” ein sehr weiter und wertungsbedürftiger Begriff verwendet wurde. Diese Weite der Begrifflichkeit eröffnet der Internationalen Handelskammer eine sehr weite Tür, sich ihrer sich aus den ICC-ADR-Regeln ergebenden Verpflichtung, einen Neutralen zu finden, zu entziehen. Insofern wurde mit der Formulierung des Artikels 6 I g ICC-ADR die verpflichtende Wirkung der ICC-ADR-Regeln im Verhältnis zur Internationalen Handelskammer weiter abgemildert. Auf der anderen Seite ist mit Artikel 6 I f ICC-ADR die Durchsetzbarkeit fremder und gegenüber der Internationalen Handelskammer bestehender Pflichten verstärkt worden, zumal der Internationalen Handelskammer bei Zahlungsverzögerung von nur 15 Tagen die rigorose Option der Leistungsverweigerung offen steht. Damit besteht eine gewisse Unausgewogenheit innerhalb des Regelwerkes, durch die der Anschein vermittelt wird, die Internationale Handelskammer würde sich einerseits an das ICC-ADR-Verfahren selbst nicht genug binden und auf der anderen Seite sich eine besonders privilegierte rechtliche Stellung einräumen.
3. Zusammenfassung Insgesamt können sowohl die Internationale Handelskammer als auch der Neutrale und die Streitparteien das ICC-ADR-Verfahren von sich aus beenden. Daneben bestehen automatische Beendigungstatbestände für das ICC-ADRVerfahren. Zeitlich können die Parteien erst nach Absolvierung des ersten obligatorischen Termins das ICC-ADR-Verfahren beenden.772 Für den Neutralen und die Internationale Handelskammer besteht hingegen von Anfang an die Möglichkeit der Verfahrensbeendigung. Hierdurch wird insgesamt ein Regime geschaffen, in dem zu jeder Zeit dem Missbrauch des ICC-ADR-Verfahrens zur Prozessverschleppung durch Beendigung des Verfahrens begegnet werden kann. Lücken ergeben sich hier nicht. Jedoch sind die Beendigungstatbestände der ICC-ADR-Regeln nicht ohne Probleme. Sowohl der Internationalen Handelskammer als auch dem Neutralen wird durch die Formulierung 772
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (20).
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der Beendigungstatbestände vielmehr eine sehr offene Tür zur „Flucht“ aus dem ICC-ADR-Verfahren geboten. Besonders in Bezug auf die Internationale Handelskammer erscheint dies unausgewogen, da dieser durch das Regime der ICC-ADR-Regeln viel Freiraum dahingehend eingeräumt wird, das ICC-ADRVerfahren aus eigenen Interessen mit Wirkung auch gegen die anderen Parteien zu beenden. Ansonsten wird durch Artikel 6 der ICC-ADR-Regeln jedoch ein Verfahrensende geschaffen, durch das das ICC-ADR-Verfahren vor Missbrauch geschützt, die Teilnahmeverpflichtung auf die reine Einleitung des Verfahrens beschränkt und gleichzeitig die Freiwilligkeit im ADR-Verfahren gewährleistet wird.
II. Folgen der Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens Wurde das ICC-ADR-Verfahren beendet, so setzt die Internationale Handelskammer die Verwaltungsgebühren und Honorarkosten des Neutralen fest.773 Zudem werden alle Beteiligten des ICC-ADR-Verfahrens durch die Internationale Handelskammer gemäß Artikel 6 II ICC-ADR über das Ende des Verfahrens informiert. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund wesentlich, dass durch das Ende des Verfahrens die Hemmung etwaiger Verjährungsfristen endet. Vor allem wegen der Bedeutung des Verfahrensendes für den erneuten Lauf von Fristen ist die genaue Bestimmbarkeit des Endes des ICC-ADR-Verfahrens von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass die genaue Bestimmung des Zeitpunkts, an dem ein ICC-ADR-Verfahren beendet ist, auch für die Durchsetzbarkeit verpflichtender ADR-Abreden von besonderer Bedeutung ist. So sieht zum Beispiel die australische Rechtsprechung vor, dass eine verpflichtende ADR-Abrede erst dann durchsetzbar ist, wenn das Ende der verpflichtenden Wirkung klar bestimmt ist,774 womit auch das Ende des ADR-Verfahrens von Anfang an klar bestimmt sein muss. Diese Anforderung wird durch Artikel 6 ICC-ADR erfüllt. Insbesondere mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung einer gütlichen Einigung und nicht abstrakt auf eine faktische Einigung der Parteien, wird ein in ADR-Verfahren ansonsten oft neuralgischer Punkt umgangen. So ist nur schwer zu ermitteln, wann eine faktische Einigung zeitlich stattgefunden hat. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung einer gütlichen Einigung lässt sich hingegen stets sehr einfach feststellen. Zudem wird durch das Beendigungsregime der ICC-ADR-Regeln verhindert, dass die dilatorische Natur einer Teilnahmepflicht bestehen bleibt und nicht durch blockierendes Verhalten einer Partei faktisch zu einer peremptorischen Pflicht werden kann. Folge einer solchen peremptorischen Pflicht wäre schließlich, dass faktisch eine Einigungs773 774
Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (194). Lincoln, in: V. of Int. Com. L. & Arb. Heft 1/2002, S. 83 ff. (91).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
pflicht entstehen würde. Wurde durch die Parteien eine Vereinbarung in Form des vierten Klauselvorschlags geschlossen, so kommt es in der Folge der Beendigung des ICC-ADR-Verfahrens zum Übergang in die Schiedsphase des Streitbeilegungsverfahrens, sollten die Parteien sich nicht geeinigt haben.
§ 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung Haben die Parteien die Streitigkeit oder Meinungsverschiedenheit innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens erfolgreich beigelegt, so stellt sich die Frage, welche Wirkung dieser gütlichen Einigung zukommt und welche Folgen die Nichtbeachtung der geschlossenen gütlichen Einigung für die Parteien hat. Zentral ist hierbei die Frage, inwieweit eine im Rahmen eines ADR-Verfahrens geschlossen gütliche Einigung international durchgesetzt und vollstreckt werden kann.
I. Notwendigkeit der Durchsetzbarkeit von gütlichen Einigungen Zunächst gilt es festzustellen, ob es überhaupt wünschenswert ist, dass eine im ADR-Verfahren getroffene gütliche Einigung auch tatsächlich durchsetzbar und unmittelbar vollstreckbar ist. Schließlich zeichnet sich das ADR-Verfahren gerade durch seinen freiwilligen Charakter aus. Zudem haben Studien gezeigt, dass in ADR-Verfahren geschlossene gütliche Einigungen durch die Parteien in der Regel eher befolgt werden, als Schiedssprüche oder Gerichtsentscheidungen.775 Die Bedeutung der Durchsetzbarkeit einer gütlichen Einigung scheint vor diesem Hintergrund von untergeordneter Bedeutung zu sein. Doch darf die Frage der Durchsetzbarkeit nicht allein an der Befolgungsrate der geschlossenen gütlichen Einigungen gemessen werden. Entscheidend ist vielmehr, aus welchem Grund eine gütliche Einigung durchsetzbar sein sollte. Bei der Beantwortung dieser Frage darf dabei nicht der Fehler begangen werden, die Durchsetzbarkeit und damit die Verbindlichkeit der gefundenen gütlichen Einigung als reines Verfahrensende mit den methodischen Nachteilen zu vergleichen. Es muss vielmehr die Rolle der Verbindlichkeit im Gesamtsystem eines internationalen ADR-Verfahrens gesehen werden. Die gesicherte Durchsetzbarkeit und damit Verbindlichkeit ist Grundlage für andere rechtliche Aspekte des ADR-Verfahrens. So strahlt sie in ihrer Wirkung erheblich in die Inkompatibilität aus.776 Zudem ist gerade in internationalen Wirtschaftsstreitig775 Epstein, in: Tul. L. Rev., 75/2001, S. 913 ff. (926 f.); Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 84 f. 776 Ist die Verbindlichkeit gesichert, so kann die Inkompatibilität nur noch im Falle des Scheiterns des ICC-ADR-Verfahrens relevant werden.
§ 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung 235
keiten die gesicherte Entrechtlichung der Streitigkeit das, was es den Parteien ermöglicht, ihren Konflikt schnell und lösungsorientiert beizulegen. Die Verbindlichkeit sichert damit den für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten zentralen methodischen Vorteil der Entrechtlichung ab. Auf der anderen Seite ergeben sich aus der Verbindlichkeit keine wesentlichen negative Auswirkungen auf methodische Aspekte des ICC-ADR-Verfahrens, womit die Durchsetzbarkeit von gütlichen Einigungen grundsätzlich methodisch sinnvoll erscheint. Dieser Befund kann dabei als eine, wenn auch in Vergessenheit geratene, bewährte Regelung gesehen werden. So war es beispielsweise bereits im antiken Griechenland möglich, in ADR-Verfahren getroffene gütliche Einigungen zum Zweck der einfacheren Durchsetzung in Schiedssprüche umzuwandeln.777 Insgesamt ist die Durchsetzbarkeit damit für die Integrität des Verfahrensschutzraums des ADR-Verfahrens wesentlich und stellt damit einen zentralen Erfolgsfaktor für das ICC-ADR-Verfahren dar.778
II. Grundsätzliche Durchsetzbarkeit Wesen der ICC-ADR-Regeln ist es, dass unter ihrer Ägide zu keiner vollstreckbaren Entscheidung wie zum Beispiel in einem Schiedsverfahren kommt.779 Das ICC-ADR-Verfahren endet vielmehr in der Regel mit einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag.780 Die Frage der Vollstreckbarkeit und Rechtsnatur einer in einem ICC-ADR-Verfahren geschlossenen Vereinbarung bestimmt sich jedoch alleine nach der jeweils geltenden Rechtsordnung, die für diese Vereinbarung maßgeblich ist.781 Insofern kann sich für einzelne Rechtsordnungen eine von dieser Feststellung der ICC-ADR-Regeln abweichende Rechtslage ergeben.
1. Autonome Rechtslage Die einzelnen nationalen Regelungsansätze divergieren bei der Durchsetzbarkeit von gütlichen Einigungen dabei zum Teil erheblich.782 Grundsätzlich ist jedoch in den meisten Rechtsordnungen die innerhalb eines ADR-Verfahrens
777
Roebuck, in: Arb. 73/2007, S. 105 ff. (106). sieht für die Mediation im Allgemeinen auch so: Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 83. 779 ICC, Guide to ICC ADR, S. 4. 780 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 235. 781 Vom ADR-Vergleich kann somit nicht in jeder Rechtsordnung gesprochen werden. 782 United Nations, UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation with Guide to Enactment and Use 2002, S. 55. 778 Dies
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
geschlossenen gütliche Einigung als Vergleich zu qualifizieren783 und als solcher auf die Durchsetzung über Vertragsrecht beschränkt.784 Will eine Partei das Ergebnis des ADR-Verfahrens vollstrecken, muss sie also zunächst wieder ein Gerichtsverfahren anstrengen.785 Von diesem Grundsatz finden sich vereinzelt Abweichungen. So findet sich für arbeitsrechtliche Streitigkeiten in Portugal die Regelung, dass ein im arbeitsrechtlichen Mediationsverfahren zwischen den Parteien geschlossener Vergleich ohne weiteres sofort vollstreckbar ist.786 Nach Hongkonger Recht hat bei Multi-Tiered Dispute Resolution-Verfahren ein im Vorfeld eines Schiedsverfahrens geschlossener ADR-Vergleich die gleiche bindende Wirkung wie ein späterer Schiedsspruch.787 In Ungarn ist ein in einem Mediationsverfahren geschlossener Vergleich zwar nicht direkt vollstreckbar, doch besteht hier ein anderer rechtlicher Mechanismus, durch den der Einhaltung eines Mediationsvergleichs Nachdruck verliehen wird. So findet sich in Ungarn als Folge für das Einleiten eines Gerichtsverfahrens trotz Bestehens eines ADR-Vergleichs die Ermächtigung des Gerichts, ungeachtet des Ausgangs des Prozess die Prozesskosten allein der gegen den ADR-Vergleich verstoßenden Partei aufzuerlegen.788 In Ecuador wiederum kommt dem Mediationsergebnis dieselbe rechtliche Wirkung wie einem rechtskräftigen Urteil zu, womit der Mediationsvergleich wie ein Urteil vollstreckt werden kann.789 Der Mehrheit der Rechtsordnungen sieht jedoch weitere Verfahrensschritte für die Vollstreckbarkeit gütlicher Einigungen vor.790 In Deutschland bietet sich den Parteien dabei ein ganzes Füllhorn an Varianten an.791 So besteht für sie zum Beispiel die Möglichkeit des Abschlusses eines Prozessvergleichs gemäß § 794 I Nr. 1 ZPO, eines Anwaltsvergleichs im Sinne von §§ 796 a, 796 c ZPO sowie einer notariellen Urkunde im Sinne von § 794 I Nr. 5 ZPO.792 In Bulgarien besteht für die Parteien die Möglichkeit, die erzielte Vereinbarung als gerichtlichen beziehungsweise schiedsgerichtlichen Vergleich abzufassen, der als solcher direkt vollstreckbar ist.793 Gemeinhin erreichen diese Regelungen 783 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 36. Eine Ausnahme hiervon bildet z. B. die Niederlande, die gemäß Art. 7: 900 ff. BW extra für die Beilegung vermögensrechtlicher Streitigkeiten den sogenannten Feststellungsvertrag vorsieht. 784 Steele, in: UCLA L. Rev. 54/2007, S. 1385 ff. (1388). 785 Diese Rechtslage findet sich z. B. in China wieder. Siehe: Hwang S. c./Seng Onn/ Chuan Tat, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 159. 786 Schmidt, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 829. 787 Hwang S. c./Seng Onn/Chuan Tat, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 162. 788 Jessel-Holst, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 908. 789 Bowen, in: Disp. Res. J. Mai/Juli 2005, S. 58 ff. (61 f.). 790 Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 38. 791 Vgl. näher zu den einzelnen Möglichkeiten Hacke, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 238 ff. 792 Eidenmüller/Prause, in: NJW 38/2008, S. 2737 ff. (2743); Kraft, In VersR 22/2000, S. 935 ff. (939). 793 Jessel-Holst, in: Hopt/Steffek (Hrsg.) Mediation, S. 591.
§ 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung 237
allerdings nicht die Anerkennung und Vollstreckbarkeit auch in anderen Rechtsordnungen und beschränken sich in ihrem Anwendungsbereich in der Regel auf nationale Vergleiche.794 Internationale Wirtschaftsstreitigkeiten zeichnen sich aber gerade durch ihre Berührungen zu zahlreichen Rechtsordnungen aus. Damit ist in ihrem Fall nur wenig mit der Durchsetzbarkeit in nur einer Rechtsordnung gewonnen.
2. Internationale Vereinheitlichung der Vollstreckungspraxis Aufgrund dieser sehr heterogenen Regelungsansätze795 in den einzelnen Rechtsordnungen gab es einige Rechtsangleichungsbemühungen, um die Frage der Vollstreckbarkeit von innerhalb eines ADR-Verfahrens geschlossener gütlichen Einigungen zu vereinheitlichen. Andere Rechtsangleichungsbemühungen, wie zum Beispiel der Uniform Mediation Act, klammerten diese Fragestellung hingegen vollkommen aus.796
a. Europäische Mediationsrichtlinie Die Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen enthält Regelungen, die die Vollstreckbarkeit von in Mediationsverfahren geschlossenen Vergleichen betreffen. So findet sich in ihr der mit dem Titel „Vollstreckbarkeit einer im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung“ überschriebene Artikel 6. Durch ihn werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass ein innerhalb eines Mediationsverfahrens geschlossener schriftlicher Vergleich auf Antrag der Parteien vollstreckbar gemacht werden kann.797 Dabei wird die Vereinbarung durch ein Urteil, eine Entscheidung oder aber eine öffentliche Urkunde durch ein Gericht vollstreckbar gemacht.798 Insofern scheint der europäische Gesetzgeber der Notwendigkeit nach Vereinheitlichung nachgekommen zu sein. Durch das Antragserfordernis beider Parteien behält es allerdings auch jede Partei in der Hand, die Vollstreckung aus der gütlichen Einigung zu vereiteln.799 Überdies regelt Artikel 6 der Mediationsrichtlinie nur Mediationsverfahren, die eine grenzüberschreitende Streitigkeit betreffen.800 Die Vorschriften über die 794 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, in: Arbitration and Mediation in International Business, S. 235. 795 Vgl. näher zu verschiedensten weiteren nationalen Herangehensweisen Deason, in: Ntr. D. L. Rev. 2005, S. 553 ff. (576 ff.). 796 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, in: Arbitration and Mediation in International Business, S. 236. 797 Sujecki, in: EuZW 2010, S. 7 ff. (9). 798 Wozniewski, in: NZG 2008, S. 410 ff. (412). 799 Wagner/Thole, in: Baetge/Hein/Hinden (Hrsg.), FS Kropholler, S. 926. 800 Wagner/Thole, in: Baetge/Hein/Hinden (Hrsg.), FS Kropholler, S. 926.
238
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Anerkennung und Vollstreckung einer nach der Mediationsrichtlinie für vollstreckbar erklärten gütlichen Einigung bleiben hingegen unberührt.801 Damit bleibt es bei der Pluralität der Vollstreckungsvoraussetzungen der einzelnen Rechtsordnungen. Jeder Mitgliedsstaat ist frei darin, ein eigenes formelles Vorgehen für die Vollstreckbarmachung zu schaffen. Insofern wurde zwar die Vollstreckbarkeit eines in einem einvernehmlichen Verfahren erzielten Vergleichs an sich vorangetrieben, doch wurden die Voraussetzungen hierfür durch Artikel 6 der Mediationsrichtlinie nicht harmonisiert.802 Auch die nach der Mediationsrichtlinie erlassene ADR-Richtlinie und die ODR-Verordnung803 haben hier zu keiner Harmonisierung geführt.804 In Verbindung mit anderem europäischen Recht könnte dieses Ergebnis allerdings zu revidieren sein.805
b. UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation Neben der Europäischen Mediationsrichtlinie enthält mit seinem Artikel 14 auch das UNCITRAL Model Law on International Conciliation eine Regelung, welche die Vollstreckbarkeit einer in einem ADR-Verfahren geschlossenen gütlichen Einigung betrifft.806 Artikel 14 war bei der Ausarbeitung eine der am stärksten diskutierten Regelungen des Modellgesetzes. Als Folge bildet der Wortlaut des Artikels 14 des Modellgesetzes den kleinsten gemeinsamen Nenner der verschiedenen Rechtssysteme.807 Nach ihm muss die den Streit beendende Vereinbarung rechtsverbindlich und durchsetzbar sein, wobei den Mitgliedstaaten überlassen ist, wie sie die Vollstreckung sicherstellen.808 Zwar enthält diese Formulierung keine direkte Beschreibung der Rechtsnatur der im ADR-Verfahren getroffenen Einigung, doch ist das Erfordernis der rechtsver-
801
Sujecki, in: EuZW 2010, S. 7 ff. (10). Insofern wurde die Hoffnung Eidenmüllers durch den europäischen Gesetzgeber nicht erfüllt. Eidenmüller hatte gehofft, dass die Europäische Kommission den Mut besitzt, die Voraussetzungen der Vollstreckung zu vereinheitlichen. Eidenmüller, in: BB-Beilage 7 zu Heft 46/2002, S. 14 ff. (18). 803 Vgl. näher zu der Richtlinie und der Verordnung: Eidenmüller/Engel, in: ZIP 2013, S. 1704 ff.; Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, in: ZEuP 2014, S. 8 ff.; Ross, in: D. Digi. e Gov. El. 2014, S. 206 ff.; Rühl, in: FS Coester Waltjen, S. 697 ff. (708 ff.). 804 Rühl, in: ZRP 2014, S. 8 ff. (11). 805 Vgl. hierzu weiter unten unter Kapitel V § 21 III 3 b. 806 Article 14. Enforceability of settlement agreement If the parties conclude an agreement settling a dispute, that settlement agreement is binding and enforceable . . . [the enacting State may insert a description of the method of enforcing settlement agreements or refer to provisions governing such enforcement]. 807 United Nations, UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation with Guide to Enactment and Use 2002, S. 55. 808 Friedrich, in: SchiedsVZ 6/2004, S. 297 ff. (304). 802
§ 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung 239
bindlichen Wirkung als Ausdruck der international einheitlichen Auffassung zu sehen, dass die Abschlusseinigung als Vertrag zu qualifizieren ist.809 In einer Fußnote zu Artikel 14 findet sich noch die Anregung, dass die Staaten bei der Umsetzung eines Vollstreckungsregimes in Erwägung ziehen könnten, diese Verfahren verpflichtend auszugestalten.810 Damit kommt es insgesamt nicht zu einer Vereinheitlichung der geltenden Vollstreckungsregelungen. Den zeichnenden Ländern bleibt es vielmehr ausdrücklich überlassen, wie sie diese Vollstreckbarkeit der Einigung ausgestalten und ob sie das Verfahren obligatorisch ausgestalten.811 Insofern kapitulierten im Endeffekt die Verfasser des Modellgesetzes vor der Pluralität und delegierten die Entwicklung eines Vollstreckungsverfahrens an die zeichnenden Staaten.812 Folge ist, dass gerade dem international Handeltreibenden für mehrere Rechtsordnungen berührende Streitigkeiten kein attraktives Streitbeilegungsende in Aussicht gestellt wird. Auch wenn die Vollstreckbarkeit grundsätzlich gewährleistet ist, bleibt für ihn weiter unklar, welche Schritte hierfür notwendig sind und welche Bedingungen für die Vollstreckbarmachung in den einzelnen Rechtsordnungen bestehen.
III. Wege zur Bildung eines durchsetzbaren Ergebnisses Die bisherigen Rechtsangleichungsversuche haben damit nicht zu einer Vereinheitlichung der bestehenden vielgestaltigen Regelungsansätze geführt. Diese ist gerade für die weltweite Akzeptanz der einvernehmlichen Streitbeilegung schädlich.813 Aufgrund der Pluralität und besonders aufgrund der verschiedensten Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit ist es für die Parteien einer internationalen Streitigkeit unvorhersehbar, welche Schritte unternommen werden müssen, um eine gütliche Einigung tatsächlich Vollstreckbar zu machen. Gerade dort, wo in ADR-Verfahren getroffene gütliche Einigungen in mehreren Rechtsordnungen vollstreckbar sein müssen, ist dies ein zentraler Nachteil des einvernehmlichen Verfahrens. Die bestehende Ungewissheit trägt insgesamt daher zur mangelnden Nutzung der einvernehmlichen Streitbeilegung in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten bei.814 Somit gilt es für die Parteien dennoch einen Weg zu finden, die am Ende eines ICC-ADR-Verfahrens geschlossene gütliche Einigung international vollstreckbar zu machen. Hierzu bieten sich mehrere Möglichkeiten an. 809 Cimmino, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 281. 810 Jones, in: Berg (Hrsg.), New Horizons in International Commercial Arbitration and Beyond, S. 420. 811 A/CN.9/514 Fn. 5; A/CN.9/WG.II/WP.116 Nr. 67; Cimmino, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, S. 281. 812 Steele, in: UCLA L. Rev. 54/2007, S. 1385 ff. (1390). 813 Eidenmüller, in: BB-Beilage 7 zu Heft 46/2002, S. 14 ff. (18). 814 Steele, in: UCLA L. Rev. 54/2007, S. 1385 ff. (1391).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
1. Umwandlung in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut Ein kontrovers diskutierter Weg,815 um eine innerhalb eines ADR-Verfahrens geschlossene gütliche Einigung internationale Vollstreckbarkeit zu verleihen, ist die Umwandlung des ADR-Ergebnisses in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut. So bietet beispielsweise das Mediation Institute der Stockholm Chamber of Commerce mit Artikel 12816 seines Mediationsregelwerkes817 den Parteien die Möglichkeit, die getroffene gütliche Einigung direkt in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut umzuwandeln. Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ist grundsätzlich nach überwiegender Meinung und Gerichtspraxis als unter dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche durchsetzbarer Schiedsspruch anerkannt,818 der aufgrund des Erfolgs des New Yorker Übereinkommens fast weltweit aufgrund international einheitlicher Normen vollstreckbar ist.819 Doch ist die Umwandlung einer gütlichen Einigung in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut dennoch nicht ohne Probleme. Zum einen wird gegen eine solche reine Umwandlung vorgetragen, dass die gütliche Einigung nicht während des eigentlichen Schiedsverfahrens getroffen wurde. Artikel 30 I des UNCITRAL Model Law on International Arbitration sieht allerdings vor, dass für den Erlass eines Schiedsspruches mit vereinbartem Wortlaut die Einigung “during arbitral proceedings” erzielt worden sein muss. Dieses Erfordernis findet sich auch in zahlreichen anderen Schiedsordnungen,820 wie zum Beispiel der ICC-Schiedsordnung.821 Dies wäre im Regelfall gerade bei einer einfachen Umwandlung einer gütlichen Einigung in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nicht der Fall.822 Schließlich ist 815 Vgl. näher hierzu Dendorfer-Ditges, in: Klowait/Gläßler (Hrsg.) Mediationsgesetz, S. 629 ff.; Höttler, Das fingierte Schiedsverfahren, S. 22 ff. 816 Article 12 Confirmation of a Settlement Agreement Upon reaching a settlement agreement the parties may, subject to the approval of the Mediator, agree to appoint the Mediator as an Arbitrator and request him to confirm the settlement agreement in an arbitral award. 817 Zu finden unter: http://www.sccinstitute.com/filearchive/1/12753/web_A4_Medling_ eng.pdf (Stand 30. Oktober 2014). 818 Vgl. näher Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 636; Lörcher, in: Arb. Int. 2001, S. 275 ff.; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, S. 648. 819 Großerichter, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 460; Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 290; Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 275; Lörcher/Lörcher, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 657. 820 Vgl. Newmark/Hill, in: Arb. Int., 1/2000, S. 81 ff. (81 f.). 821 Articel 26 Award by Consent If the parties reach a settlement after the file has been transmitted to the Arbitral Tribunal in accordance with Article 13, the settlement shall be recorded in the form of an Award made by consent of the parties if so requested by the parties and if the Arbitral Tribunal agrees to do so. 822 Schmidt, in: SchiedsVZ 2013, S. 32 ff. (34). A. A. Höttler, Das fingierte Schiedsverfahrens, S. 55.
§ 22 Vollstreckbarkeit einer im ADR-Verfahren getroffenen gütlichen Einigung 241
die Einigung in dem vorgelagerten ADR-Verfahren und nicht dem Schiedsverfahren geschlossen worden. Hinzu kommt das Problem, dass bei Einleitung des Schiedsverfahrens die Streitigkeit bereits beigelegt wurde und insofern das Schiedsgericht nicht zur Beilegung einer Streitigkeit angerufen wird.823 Artikel II des New Yorker Übereinkommens besagt aber, dass die zeichnenden Staaten nur dann eine Schiedsvereinbarung anerkennen müssen, wenn die Parteien in dieser vereinbaren, “[…] all or any differences which have arisen or wich may arise […]” durch ein Schiedsverfahren beizulegen. Insofern ist von zentraler Bedeutung, wie Weit der Begriff der “differences” in den einzelnen umsetzenden Staaten ausgelegt wird. Haben die Parteien einen Ansatz gewählt, in dem erst nach Beilegung des Streitigkeit der Neutrale zum Schiedsrichter wird und den ADR-Vergleich umwandelt, so besteht nach Artikel II des New Yorker Übereinkommens keine bindende Schiedsvereinbarung, womit auch die bindende Wirkung des Schiedsspruches vor dem Hintergrund des Artikel V des New Yorker Übereinkommens in einigen Rechtsordnungen wegfallen könnte.824 Um dennoch einen international durchsetzbaren Schiedsspruch zu erreichen, muss demnach das Schiedsverfahren vor Beilegung der Streitigkeit eingeleitet werden.825 Ein Weg wäre hier, in ein Schiedsverfahren ein “Mediation Window” einzubauen826 oder aber bei Anzeichen einer Einigung das Schiedsverfahren durch die Parteien bereits einzuleiten. Gegen die Umwandlung einer gütlichen Einigung in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut werden außerdem noch weitere Einwände, wie zum Beispiel die Verletzung des due process-Grundsatzes, vorgebracht.827 Diesen kann zwar durch ein entsprechendes Verfahrensdesign entgegengewirkt werden.828 Insgesamt scheint die Umwandlung der gütlichen Einigung in einen Schiedsspruch dennoch zumindest problematisch zu sein. Es bleibt in diesem Bereich abzuwarten, wie sich insbesondere die Diskussion zu hybriden ADRVerfahren entwickelt. Insgesamt stellt die Umwandlung des ADR-Vergleichs in einen Schiedsspruch damit zumindest für die Zukunft einen durchaus gangbaren Weg 823 Vgl. näher Dendorfer-Ditges, in: Klowait/Gläßler (Hrsg.) Mediationsgesetz, S. 630; Schmidt, in: SchiedsVZ 2013, S. 32 ff. (33 f.). 824 Schmidt, SchiedsVZ 2013, S. 32 ff. (34); Newmark/Hill, in: Arb. Int., 1/2000, S. 81 ff. (82 f.). A. A. Höttler, Das fingierte Schiedsverfahren, S. 23 ff., der darauf verweist, dass auch unstreitig Ansprüche zum Gegenstand einer Schiedsvereinbarung i. S. v. Art. II Abs. 1 UNÜ gemacht werden können, womit dies auch für gütliche Einigungen möglich sei. 825 Dies schlägt auch vor Großerichter, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 460. 826 Dendorfer-Ditges, in: Klowait/Gläßler (Hrsg.) Mediationsgesetz, S. 631. 827 Vgl. näher hierzu Steele, in: UCLA L. Rev. 54/2007, S. 1385 ff. (1398 ff.). 828 Vgl. näher hierzu Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 289 ff.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
dar,829 wenn er auch derzeit noch mit einiger Unsicherheit beladen ist. Ein Gesetzgeber, der hier jedoch schon einige Schritte voraus gegangen ist, ist der kroatische Gesetzgeber. Nach Artikel 16 Abs. 2 des kroatischen Mediationsgesetzes830 können die Parteien eines Mediationsverfahrens den Mediator dazu ermächtigen, einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut als Einzelschiedsrichter zu erlassen.831
2. Umwandlung in notarielle Urkunde nach Artikel 57 EuGVVO Für den europäischen Raum ergibt sich auf Basis des Artikels 57 EuGVVO für die Parteien zudem die Möglichkeit, eine in eine öffentliche Urkunde umgewandelte gütliche Einigung in anderen Mitgliedsstaaten direkt über die Artikel 34 ff. EuGVVO für vollstreckbar erklären zu lassen. Voraussetzung für diese Umwandlung ist, dass eine öffentliche Urkunde im Sinne von Artikel 57 II EuGVVO vorliegt. Die Urkunde muss hierfür in einem Mitgliedsstaat ausgestellt worden sein und nach dessen Recht vollstreckbar sein.832 Haben die Parteien also zum Beispiel ihre gütliche Einigung in Deutschland in eine notarielle Urkunde im Sinne von § 794 I Nr. 5 ZPO umgewandelt, so ist diese über Artikel 57 EuGVVO dann nach den Artikeln 38 ff. EuGVVO auch in anderen Mitgliedstaaten für vollstreckbar zu erklären, wobei den Parteien hiergegen nur ein eingeschränkter Umfang an Einwendungen zur Verfügung steht, wie zum Beispiel der Verstoß gegen den ordre public oder aber formelle Mängel.833 In Verbindung mit Artikel 6 der europäischen Mediationsrichtlinie 2008/52/ EG ergibt sich damit für den europäischen Raum insgesamt eine sehr weitgehende Vollstreckbarkeit, sollten die Parteien ihren ADR-Vergleich in einem Mitgliedstaat in eine öffentliche Urkunde umgewandelt haben. Das weiter oben beschriebene Problem,834 dass trotz der Mediationsrichtlinie, der ADRRichtlinie und der ODR-Verordnung weiter für die Parteien unsicher ist, wie sie ihren ADR-Vergleich für den gesamten Raum der Mitgliedsstaaten direkt 829 Auch
dieser Meinung sind: Lörcher/Lörcher, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 663. 830 Article 16 (1) Unless otherwise agreed by the parties, a mediator may not act as a judge or an arbitrator in a dispute that was, or is the subject of mediation proceedings, or in any other dispute arising from the same legal relationship or a relationship related to it. (2) As an exception to paragraph 1 of this Article, the parties may authorise the mediator to render an award based on the settlement in the capacity of an arbitrator. 831 Babic, SchiedsVZ 4/2013, S. 214 ff. (219). 832 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, Artikel 57 EuGVVO Rn. 1; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Artikel 57 EuGVVO Rn. 21, 25; MünchKommZPO/Gottwald, Artikel 57 EuGVO Rn. 3, 8; Musielak/Lackmann, ZPO, Artikel 57 EuGVVO Rn. 1. 833 Vgl. MünchKommZPO/Gottwald, Artikel 57 EuGVO Rn. 10 ff. 834 Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel V § 21 III 2 b aa.
§ 23 Kosten des ICC-ADR-Verfahrens
243
vollstreckbar machen können, erübrigt sich vor dem Hintergrund des Artikel 57 EuGVVO damit. Die Parteien können hierdurch vielmehr die Verbindlichkeit des ICC-ADR-Verfahrens zumindest für den europäischen Raum sichern.
IV. Bewertung Insgesamt zeigt sich somit, dass es, wenn auch über Umwege, den Parteien möglich ist, bis zu einem gewissen Grad ein international vollstreckbares Ergebnis an das Ende eines ICC-ADR-Verfahrens zu setzen und damit die Verbindlichkeit des ICC-ADR-Verfahrens zu gewährleisten. Daneben enthalten die einzelnen Rechtsordnungen eine Vielzahl von Verfahren bereit, durch die auf nationaler Basis die Vollstreckbarkeit der gütlichen Einigung gewährleistet werden kann. Aufgrund der hohen Bedeutung der gesicherten Verbindlichkeit des ICC-ADR-Verfahrens erscheint es ratsam, für den europäischen Bereich nicht den noch teilweise umstrittenen Weg über den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zu gehen, sondern die gütliche Einigung in einem Mitgliedstaat in eine öffentliche Urkunde umwandeln zu lassen. Schließlich sieht sich die Umwandlung in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nicht nur einigen Bedenken ausgesetzt, sondern ist auch unter Umständen, etwa bei Einfügung eines “Mediation Window” in ein Schiedsverfahren, ungemein komplizierter und teurer. Wünschenswert wäre es hier, dass die Internationale Handelskammer den Bedürfnissen der Parteien entsprechend den ICC-ADR-Regeln beziehungsweise der ICC-Schiedsordnung ein optionales Umwandlungsverfahren beifügt, um eine Verfahrenslösung „aus einem Guss“ zu erreichen. So wäre ein gangbarer Weg, die ICC-Schiedsordnung um eine Regelung mit einem „ICC-ADR-Window“ zu ergänzen, wobei die Durchführung des ICC-ADR-Verfahrens in dieser Regelung automatisch nach Einleitung des Schiedsverfahrens stattfindet. Eine weitere Möglichkeit wäre, eine speziell für die Umwandlung von in einem ICC-ADR-Verfahren geschlossenen gütlichen Einigungen geschaffene Schiedsordnung bereit zu stellen.835
§ 23 Kosten des ICC-ADR-Verfahrens Die Kosten des ICC-ADR-Verfahrens ergeben sich aus Artikel 4 der ICCADR-Regeln in Verbindung mit der im Anhang befindlichen Kostenübersicht. Sie setzen sich aus der Pauschalgebühr,836 Verwaltungsgebühren, dem Honorar 835 Vgl. näher zu den Anforderungen an ein solches Regelwerk Höttler, Das fingierte Schiedsverfahren, S. 19 ff. 836 Zwar handelt es sich bei der bei Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens zu entrichtende Pauschalgebühr streng genommen zwar auch um eine Verwaltungsgebühr, doch unterscheidet sie sich vor allem durch ihre pauschale Festsetzung von den übrigen Verwaltungsgebühren.
244
Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
des Neutralen sowie den notwendigen Auslagen des Neutralen zusammen.837 Diese einzelnen Kostenposten sind innerhalb verschiedener Phasen des ICCADR-Verfahrens zu entrichten und für den Verfahrensfortgang regelmäßig konstitutiv. Im Gegensatz zu den alten ICC-Rules of Optional Conciliation und der ICC-Schiedsordnung sind – mit Ausnahme der bei Einleitung eines ICC-ADRVerfahrens zu entrichtenden Pauschalgebühr (Artikel 4 I ICC-ADR) – weder die Kosten für den Neutralen noch die Verwaltungskosten tabellarisch festgesetzt.838 Sämtliche Kosten und Vorschüsse sind gemäß Artikel 4 V ICC-ADR durch die Parteien je zur Hälfte zu tragen. Ausgenommen von dieser Regel sind die eigenen, mit dem Verfahren verbundenen Kosten der Parteien, die gemäß Artikel 4 VI ICC-ADR von diesen selbst zu tragen sind, es sei denn, vor Verfahrensbeginn oder in der gütlichen Einigung haben die Parteien etwa anderes geregelt.839 Auch von der hälftigen Kostentragungsregel können die Parteien durch schriftliche Vereinbarung abweichen.
I. Die Pauschalgebühr nach Artikel 4 I ICC-ADR Mit dem Antrag auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens ist durch die antragenden Parteien gemäß Artikel 4 I ICC-ADR eine Pauschalgebühr in Höhe von 1.500 US-$ zu entrichten. Sinn und Zweck der Einleitungsgebühr ist die Deckung der durch die Einleitung des ICC-ADR-Verfahrens anfallenden Verwaltungskosten. Da diese Kosten auch anfallen, wenn die Einleitung des ICCADR-Verfahrens misslingt, ist die Pauschalgebühr gemäß Absatz A der Kostenübersicht nicht rückerstattbar. Bezüglich der Kostentragung ergibt sich damit für die Pauschalgebühr eine Sonderstellung: sollte das Verfahren gemäß Artikel 2 B ICC-ADR einseitig eingeleitet worden sein und die Einleitung scheitern, bedeutet dies, dass die 1.500 US-$ alleine von der einleitenden Partei zu tragen sind. Artikel 4 V ICC-ADR gilt hier zwischen den Parteien nicht, da es an der Zustimmung der anderen Partei fehlt und insofern die Anwendbarkeit der ICCADR-Regeln zwischen den Parteien nicht vereinbart wurde.840
II. Verwaltungskosten Unmittelbar nach Erhalt des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens wird durch die Internationale Handelskammer gemäß Artikel 4 II ICCADR ein Vorschuss für die voraussichtlichen Verwaltungskosten sowie Aus837 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, in: Arbitration and Mediation in International Business, S. 226. 838 Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 180 f. (182). 839 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (192). 840 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (17).
§ 23 Kosten des ICC-ADR-Verfahrens
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lagen und Kosten des Neutralen festgesetzt und von den Parteien erhoben.841 Bei der unmittelbaren Festsetzung des Vorschusses bezüglich der Verwaltungsgebühren bestehen für die Internationale Handelskammer keinerlei Probleme. Die unverzügliche Festsetzung der zu erwartenden Kosten, die sich durch den Neutralen ergeben, kann jedoch Schwierigkeiten aufwerfen, da hierfür eine Rücksprache mit dem eventuell noch nicht näher bestimmten Neutralen notwendig sein kann.842 Jedoch ist anzunehmen, dass die Internationale Handelskammer für die Festsetzung des Vorschusses für die durch den Neutralen verursachten Kosten genau wie für die Festsetzung betreffend die Verwaltungsgebühren auch auf eigene Erfahrungswerte zurückgreifen wird. Sollte diese erste Einschätzung sich im Nachhinein als falsch erweisen, weil zum Beispiel der Stundensatz des Neutralen sich als tatsächlich höher herausstellt, so bleibt der Internationalen Handelskammer schließlich immer noch die Möglichkeit, gemäß Artikel 4 III ICC-ADR eine Erhöhung des Vorschusses zu verlangen. Diese Möglichkeit der Vorschusserhöhung bietet sich der Internationalen Handelskammer gemäß Artikel 4 III ICC-ADR immer dann, wenn sie den bereits festgesetzten Vorschuss als nicht kostendeckend erachtet. Bis zum Eingang des erhöhten Kostenvorschusses kann das ICC-ADR-Verfahren gemäß Artikel 4 III ICC-ADR ausgesetzt werden. Nach der Verfahrensbeendigung setzt die Internationale Handelskammer gemäß Artikel 4 IV ICC-ADR abschließend die Verfahrenskosten fest und erstattet den Parteien etwaige Überschüsse beziehungsweise fordert von diesen, sollte der Vorschuss zur Deckung der Kosten nicht genügen, noch ausstehende Beträge. Hierbei ist zu erwarten, dass die Internationale Handelskammer insbesondere das Zahlungsverhältnis bei den Vorschüssen und auch übereinstimmende Rückzahlungsanweisungen der Parteien berücksichtigt.843 Bei der Feststellung der Kosten ist die Internationale Handelskammer, wie bereits erwähnt, nicht an festgesetzte Beträge gebunden. Bei der Festsetzung der Verwaltungskosten orientiert sich die Internationale Handelskammer gemäß Abschnitt B der Kostenübersicht an den von ihr ausgeübten Tätigkeiten. Solche Tätigkeiten umfassen unter anderem die Bestellung des Neutralen, Korrespondenz mit den Parteien und dem Neutralen sowie andere administrative Tätigkeiten.844 Damit die Verwaltungskosten für die Parteien berechenbar sind, gilt für die Festsetzung der Verwaltungskosten für die Internationale Handelskammer gemäß Abschnitt B der Kostenübersicht eine Höchstgrenze von 10.000 US-$.
841
Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, S. 180 f. (182). Dies sieht so: Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (97). 843 Schäfer, in: ZKM 5/2002, S. 188 ff. (194). 844 Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (17). 842
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
III. Die Kosten des Neutralen Die Kosten des Neutralen sind hingegen nicht der Höhe nach begrenzt. Sie besteht aus zwei Komponenten: dem stundenbasierten Honorar und den Auslagen des Neutralen. Gemäß Abschnitt C der Kostenübersicht berechnet sich das Honorar des Neutralen nach einem angemessenen Zeitaufwand und einem unter Berücksichtigung der Schwierigkeit angemessenen und anhand anderer Kriterien festgesetzten Stundensatz. Der Stundensatz wird durch die Internationale Handelskammer nach Rücksprache mit dem Neutralen und den Parteien festgesetzt. Die Internationale Handelskammer agiert damit als Verhandlungsmittler zwischen dem neutralen Dritten und den Parteien. Vorteil dieser Regelung ist, dass sich die Parteien zum einen um die nähere Aushandlung des Stundenlohns nicht selbständig kümmern müssen und zum anderen die Beziehung zwischen den Parteien und dem Neutralen nicht leidet.845 Zudem ist es der Internationalen Handelskammer aufgrund ihrer Erfahrungswerte besser als den Parteien möglich, einen für den jeweiligen Fall marktüblichen Stundensatz des Neutralen abzuschätzen und marktübliche Auslagen vorauszusehen. Zuletzt gilt es anzumerken, dass alle an den Neutralen gezahlten Beträge gemäß Ziffer D der Kostenübersicht so zu verstehen sind, dass in ihnen etwaige Steuern oder Abgaben nicht enthalten sind.
IV. Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung Aus dem Umstand, dass die zu entrichtenden Gebühren und Vorschüsse regelmäßig für den Verfahrensfortgang konstitutiv sind, ergibt sich die Frage, was die Folge der nicht rechtzeitigen Zahlung solcher Gebühren durch eine Partei ist. Grundsätzlich besteht für die Internationale Handelskammer die Möglichkeit, das ICC-ADR-Verfahren gemäß Artikel 6 I f ICC-ADR dann zu beenden, wenn eine Partei den von ihr zu entrichtenden Betrag nicht innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf einer gesetzten Zahlungsfrist bezahlt hat. Durch diese Regelung wird vermieden, dass durch Aussetzung von Zahlungen eine Partei das ICCADR-Verfahren zur Prozessverschleppung missbraucht. Dieser Mechanismus kann aber auch den Interessen der Parteien wiedersprechen. So ist denkbar, dass in einer Mehrparteienstreitigkeit nur eine der Parteien ihren Betrag nicht leistet. Es stellt sich in einer solchen Konstellation die Frage, welche Alternativen sich hier den anderen Parteien eröffnen, um das Ende des ICC-ADR-Verfahren zu verhindern. Schließlich kann es in deren Interesse sein, dass Verfahren dennoch weiterzuführen. Gemäß Artikel 4 V ICC-ADR bleibt es jeder Partei unbenommen, die ausstehenden Beträge einer säumigen Partei an deren Stelle zu bezahlen. Insofern kann jede Partei der Beendigung des Verfahrens nach Artikel 6 I f 845
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (17).
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 247
ICC-ADR durch die Internationale Handelskammer entgegenwirken. Fraglich bleibt hier, was die Folge einer solchen Übernahme ist, wobei die Antwort sich immer aus dem jeweilig anwendbaren Vertragsrecht ergeben wird.
V. Bewertung Insgesamt zeigen sich die Kostenregelungen der ICC-ADR-Regeln damit als dem ICC-ADR-Verfahren entsprechende flexible Gesamtlösung. So wird der Gefahr des vorzeitigen Scheiterns des ICC-ADR-Verfahrens aufgrund eines Zahlungsverzugs einer Partei durch die Möglichkeit der freiwilligen Übernahme der Zahlung durch eine andere Partei Rechnung getragen. Die Deckelung der Verwaltungskosten auf maximal 10.000 US-$. verhindert überdies eine unerwartete Kostenexplosion des ICC-ADR-Verfahrens. Unschädlich scheint dabei in der Praxis der Umstand zu sein, dass eine solche Deckelung in Bezug auf den Neutralen nicht erfolgte. Die im Jahr 2008 eingeleiteten ICC-ADRVerfahren haben etwa durchschnittlich nur etwas mehr als 12.500 US Dollar gekosten, wobei diese Summe alle Kosten und Honorare des jeweiligen Neutralen sowie sämtliche Verwaltungskosten der Internationalen Handelskammer einschließlich der Pauschalgebühr enthält.846
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit sich an das ICC-ADR-Verfahren anschließenden Entscheidungsverfahren Wie bereits oben erwähnt847 entstehen aus dem ICC-ADR-Verfahren nicht nur während, sondern auch nach Durchführung des ICC-ADR-Verfahrens für die Parteien zahlreiche Gefahren. Diese weiteren Gefahren beruhen vor allem auf der zwischen ADR- und Entscheidungsverfahren bestehenden Inkompatibilität.848 Fraglich erscheint insoweit, ob diesen Gefahren durch die ICC-ADRRegeln Rechnung getragen wurde und insoweit der rechtliche Verfahrensschutzraum des ICC-ADR-Verfahrens auch die sich nach Durchführung des ICC-ADR-Verfahrens ergebende Gefahren abdeckt. Im Folgenden werden dabei zunächst die Regelungen der ICC-ADR-Regeln hierzu, namentlich die Absätze II bis IV des Artikels 7 ICC-ADR, dargestellt um dann die Wirkung solcher Vereinbarungen in einzelnen Rechtsordnungen zu betrachten. Darauf folgend werden die organisatorischen Schutzmaßnahmen der ICC-ADR-Regeln betrachtet um dann auf die sich in multi-tiered Verfahren ergebende Wirkung des Artikels 7 II bis IV ICC-ADR einzugehen. 846
ICC, 2008 Statistical Report S. 15. Vgl. oben unter Kapitel V § 20 I. 848 Vgl. näher zur Inkompatibilität weiter oben unter Kapitel III § 9 II 2. 847
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
I. Sich nach dem ICC-ADR-Verfahren ergebende Gefahren Grund für das Bestehen einer Inkompatibilität zwischen beiden ADR- und Entscheidungsverfahren ist dabei der für den Erfolg eines ADR-Verfahrens notwendige849 freie Informationsaustausch. Informationen, die frei im einvernehmlichen Verfahren offengelegt wurden, können zum Nachteil einer Partei in einem sich anschließenden Entscheidungsverfahren werden.850 Vor diesem Hintergrund muss sichergestellt werden, dass die im ICC-ADR-Verfahren offengelegten Informationen nicht gegen den Willen der anderen Partei Eingang in ein sich anschließendes Entscheidungsverfahren finden. Dieser Aspekt wird zumeist unter den Begriff des Mediation Privileg gefasst.851 Neben den Kostenvorteilen ist die Vertraulichkeit eine der wichtigsten Eigenschaften, die den Erfolg von ADR-Verfahren begründet haben.852 Die Einbringung von im ICC-ADR-Verfahren offengelegten Informationen kann dabei zum einen durch eine Partei erfolgen, die das ICC-ADR-Verfahren zur Erlangung prozesswesentlicher Informationen zweckentfremdet und damit missbraucht hat. Daneben kann eine Offenlegung jedoch auch auf Initiative des Richters oder Schiedsrichters erfolgen, obwohl die Parteien eine Offenlegung an sich nicht wünschen.853 Es gilt daher nicht nur, die Parteien zur Verschwiegenheit zu verpflichten,854 sondern auch dafür zu sorgen, dass Informationen nicht gegen den Willen der Parteien Eingang in ein Entscheidungsverfahren finden. Daher muss zunächst die Beteiligung von am ICC-ADR-Verfahren Beteiligten als spätere Zeugen eines Entscheidungsverfahrens und zudem das Einbringen von Schriftstücken aus dem ICC-ADR-Verfahren in ein späteres Entscheidungsverfahren verhindert werden. Nicht erreicht werden soll allerdings, dass es per se zu keiner Einbringung von Informationen, die im ICCADR-Verfahren vorgebracht wurden, kommen darf. Folge eines solchen generellen Verbots könnte sein, dass eine Partei das Verbot zur „Desinfizierung“ der Streitigkeit missbraucht, sprich, um unerwünschte Informationen von der Verwendung im Entscheidungsverfahren auszuschließen.855 Zuletzt gilt es noch sicherzustellen, dass es entgegen dem Willen der Parteien nicht zu einer Beteiligung des Neutralen in einem späteren Entscheidungsverfahren kommen kann. 849 Burr, in: Disp. Res. J. 2002, S. 64 ff. (67 f., 70); Reichert, in: Disp. Res. J. 2004/05, S. 60 ff. (62). 850 Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 247. 851 Vgl. näher: Burr, in: Disp. Res. J. 2002, S. 64 ff.; Foster, in: J. Disp. Res. 2009, S. 163 ff. (164). 852 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 24; Foster, in: J. Disp. Res. 2009, 163 ff. (164); Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 254. Vgl. hierzu auch weiter oben unter Kapitel II § 4 II. 853 So etwa nach deutschem Recht im Wege der Beweiserhebung von Amts. Ein Beispiel wäre hier die Anordnung der Urkundsvorlegung nach § 142 ZPO. 854 Vgl. hierzu bereits weiter oben unter Kapitel V § 20 I 4. 855 Tyrril, in: Au. Constr. L. Nwsltr. 6/1996, S. 31 ff. (35).
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 249
1. Artikel 7 II bis IV ICC-ADR Artikel 7 ICC-ADR unterscheidet dabei drei Gruppen von relevanten Schutzthemen: dem Einbringen von Schriftstücke und bestimmten Umstände, der Beteiligung des Neutralen in einem späteren Entscheidungsverfahren und die Rolle des Neutralen als Zeugen.
a. Einbringen von Schriftstücken und anderen Umständen Artikel 7 II ICC-ADR betrifft dabei eine ganze Reihe von relevanten Beweismitteln. So findet sich in ihm die Auflistung einer Reihe von Informationsquellen, die nicht in einem späteren Entscheidungsverfahren verwendet werden dürfen. Gemäß Artikel 7 II a ICC-ADR können solche Dokumente, Stellungnahmen oder Mitteilungen nicht in einem sich an das ICC-ADR-Verfahren anschließenden Entscheidungsverfahren eingebracht werden, die im Zusammenhang mit dem ICC-ADR-Verfahren durch die andere Partei oder den Neutralen eingebracht wurden. Neben den typischen Ausnahmen von dieser Wirkung (entgegenstehendes nationales Recht oder vorheriger schriftlicher Verzicht durch die Parteien) enthält Artikel 7 II a ICC-ADR eine weitere Ausnahme. Ausgenommen vom Einführungsverbot des Artikel 7 II a ICC-ADR sind solche Dokumente, Stellungnahmen oder Mitteilungen, die durch eine Partei unabhängig vom ADR-Verfahren hätten in ein Entscheidungsverfahren eingebracht werden können. Mit dieser Ausnahme wird verhindert, dass Artikel 7 II a ICC-ADR, und damit das ganze ICC-ADR-Verfahren, dafür missbraucht wird, wesentliche Schriftstücke von der Verwendung in einem Entscheidungsverfahren auszuschließen. Artikel 7 II a ICC-ADR erfasst damit nur solche Dokumente, die der anderen Partei erstmals mit dem ICC-ADR-Verfahren bekannt wurden. Unabhängig von einer vorherigen Kenntnis kann auch aufgrund des jeweils anwendbaren nationalen Rechts die Wirkung des Artikel 7 II a ICC-ADR entfallen. Zu bedenken ist überdies, dass wenn ein nationales Recht eine weitgehende Offenlegung aller Informationen im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens vorsieht, wie dies zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall ist, die andere Partei in der Regel auch ohne ICC-ADR-Verfahren in der Lage ist, bereits vorgebrachte Dokumente im späteren Gerichtsverfahren zu verwenden. Artikel 7 II b ICC-ADR schließt die Verwendung von durch Parteien des ICC-ADR-Verfahrens geäußerten Ansichten und Vorschlägen aus, sollten diese durch die Parteien im Hinblick auf eine gütliche Einigung vorgebracht worden sein. Neben diesen Informationen sind gemäß Artikel 7 II c ICC-ADR auch Zugeständnisse und gemäß Artikel 7 II e ICC-ADR die Vergleichsbereitschaft einer Partei Informationen, die, sollten sie im Zusammenhang mit dem ICCADR-Verfahren der anderen Partei bekanntgeworden sein, nicht in einem spä-
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
teren Entscheidungsverfahren eingebracht werden können. Zuletzt sind von der Verwendung in einem späteren Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 7 II d ICC-ADR noch Ansichten und Vorschläge des Neutralen ausgeschlossen. Gemein ist den Regelungen der Artikel 7 II a–e ICC-ADR, das von ihnen durch einfache Parteivereinbarung abgewichen werden kann und die Regelungen nur insoweit wirken, als das jeweils anwendbare nationale Recht nichts anderes vorschreibt. Hinzu kommt, dass auch im Regime des Artikel 7 II ICCADR wieder am ICC-ADR-Verfahren beteiligte Dritte ausgelassen werden.
b. Beteiligung des Neutralen in einem Entscheidungsverfahren Die Rolle des Neutralen in einem späteren Entscheidungsverfahrens wird nicht nur in Bezug auf seine Stellung als Zeuge geregelt. Gemäß Artikel 7 III ICCADR ist es dem Neutralen zudem untersagt, in einem späteren Entscheidungsverfahren die Rolle eines Richters, Schiedsrichters, Parteivertreters, Parteiberaters oder Experten einzunehmen. Zwar ist es in vielen Geschäftskulturen üblich, den Neutralen auch als Schiedsrichter zu benennen856 und dies kann, wie für die hybriden Verfahren weiter oben bereits festgestellt, in gewissen Fällen sogar besonders effektiv sein,857 doch birgt die Doppelstellung oftmals gerade in Bezug auf die Vertraulichkeit des ICC-ADR-Verfahrens auch Gefahren. Schließlich ist nicht zu erwarten, dass der Neutrale die im ICC-ADR-Verfahren erlangten Informationen für das anschließende Entscheidungsverfahren vollkommen außer Acht lassen wird.858 Zudem kann sich aus der Art und Weise der Informationsaufnahme des Neutralen bei diesem eine einseitige nur durch eine Partei geprägte Sichtweise manifestieren, die durch die andere Partei nur schwer zu ändern ist.859 Wird zum Beispiel verstärkt eine Partei durch den Neutralen im ADR-Verfahren gehört, da diese besonders den Dialog mit dem Neutralen sucht, so kann es hierdurch zu einer sehr einseitigen Darstellung der Sachlage kommen. Der Ausschluss der Beteiligung als Parteivertreter, Parteiberater und Experte soll vor allem verhindern, dass vertrauliche Informationen, die innerhalb des ICC-ADR-Verfahrens dem Neutralen einseitig und unter Ausschluss der anderen Seite mitgeteilt wurden, der anderen Seite im späteren Verfahren bekannt werden. Schließlich gilt für ein ADR-Verfahren als privates Einigungsverfahren nicht der gleiche prozessuale Standard wie für ein Entscheidungsverfahren. Damit erscheint es regelmäßig angezeigt, dass der Neutrale nicht als Schiedsrichter oder Richter in einem dem ICC-ADR-Verfahren folgenden klassischen Entscheidungsverfahren tätig wird. Bedenkt man aber, dass dem Neutralen 856
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (21 f.). Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 19 II. 858 Sander, in: Levin/Wheeler (Hrsg.), The Pound Conference, S. 75. 859 Vgl. näher hierzu Oghigian, in: J. of. Int. Arb. 1/2003, S. 75 ff. (76 f.). 857
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 251
nicht zwingend vertrauliche Informationen mitgeteilt werden und überdies auch die Vorteile, die hybride Verfahren mit sich bringen, so muss auch gewährleistet sein, dass von dieser grundsätzlichen Regelung in Sonderfällen abgewichen werden kann. Grundsätzlich kann von dem Verbot des Artikel 7 III ICC-ADR durch schriftliche Parteivereinbarung abgewichen werden. Dabei müssen alle beteiligten Parteien des ICC-ADR-Verfahrens ihr schriftliches Einverständnis zum Verzicht auf Artikel 7 III ICC-ADR erklärt haben.860 Ein Zustimmungserfordernis seitens der Internationalen Handelskammer ist, anders als in Artikel 1 Satz 2 ICC-ADR, nicht vorgesehen. Problematisch an Artikel 7 III ICC-ADR ist die Rechtsfolgenseite eines Verstoßes. Dabei ergeben sich auch hier wieder aus dem nur schwer möglichen Schadensnachweis und der Haftungsbegrenzung des Artikels 7 V ICC-ADR Probleme für die Parteien, sollte der Neutral entgegen seiner Verpflichtung aus Artikel 7 III ICC-ADR als Schiedsrichter oder Richter tätig werden. Bei Artikel 7 III ICC-ADR sollte zudem noch der personelle Wirkungskreis auf andere Beteiligte des ICC-ADR-Verfahrens, wie zum Beispiel Sachverständige, erweitert werden. Auch diese erlangen Zugang zu Informationen, die in dieser Weise nicht immer auch in einem Entscheidungsverfahren offengelegt werden würden.
c. Die Beteiligten als Zeugen Inwieweit die Beteiligten eines ICC-ADR-Verfahrens in einem sich anschließenden Entscheidungsverfahren als Zeugen auftreten können, wird in Artikel 7 IV der ICC-ADR-Regeln geregelt. Gemäß Artikel 7 IV ICC-ADR darf der Neutrale in einem sich an das ICC-ADR-Verfahren anschließenden gerichtlichen, schiedsgerichtlichen oder ähnlichen Verfahren nicht als Zeuge aussagen. Dieses Verbot gilt allerdings gemäß Artikel 7 IV ICC-ADR nur, solange die Partei nicht schriftlich etwas anderes vereinbaren oder aber nach dem anwendbaren Recht eine Pflicht zur Aussage vorgesehen ist. Insoweit richtet sich die Wirksamkeit des Artikel 7 IV ICC-ADR wieder nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht. Andere Personen als der Neutrale werden durch Artikel 7 IV ICC-ADR nicht erfasst. Insofern stellt sich in Bezug auf andere am Verfahren Beteiligte hier, wie auch schon im Rahmen der Vertraulichkeit während des ICC-ADR-Verfahrens,861 das Bedürfnis, durch Ergänzung der Regeln einen Ausgleich für diesen Mangel zu finden. Denkbar wäre hier etwa, den persönlichen Anwendungsbereich des Artikel 7 IV ICC-ADR im Rahmen einer die ICC-ADR-Regeln
860 861
ICC, ADR-Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 35. Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 20 I 4.
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
modifizierenden oder ergänzenden Vereinbarung um „sonstige Beteiligte“ zu ergänzen.
d. Nationales Recht Die einzelnen Regelungen des Artikel 7 ICC-ADR, mit Ausnahme des Artikel 7 III ICC-ADR, gelten ausweislich ihres Wortlauts stets vorbehaltlich entgegenstehenden nationalen Rechts. Diese Aussage des Artikels 7 II, IV ICC-ADR ist dabei als reine Feststellung der geltenden Rechtslage zu verstehen. Schließlich entscheidet sich die Frage, ob in einem späteren Gerichtsverfahren eine Pflicht zur Aussage besteht, trotz Bestehen einer Parteivereinbarung hierüber regelmäßig weiter nach dem jeweils anwendbaren nationalen Prozessrecht.862 Vor diesem Hintergrund und für den Bereich, in dem Lücken im Regime der ICCADR-Regeln entstehen, stellt sich die Frage, wich hoch der Schutz aufgrund nationaler Regelungen ist. Im Folgenden wird dabei zunächst die Rechtslage im Falle eines Fehlens einer Abrede wie die des Artikels 7 II, III und IV ICC-ADR dargestellt. Hierauf folgend wird die Möglichkeit der Modifizierung durch private Abreden näher beleuchtet, um später die faktische Wirkung des Artikel 7 II, III und IV ICC-ADR darzustellen.
aa. Standard nationalen Rechts Im Bereich der Sicherung der Vertraulichkeit im ADR-Verfahren zeigt sich international ein heterogenes Regelungsbild, hinter dem sich nur schwer ein Muster erkennen lässt.863 Für den europäischen Rechtsraum kommt es aufgrund des Artikels 7 der Mediationsrichtlinie864 zu einer rudimentären Absicherung der Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens. Dabei verfolgt Artikel 7 der Mediationsrichtlinie einen rein personenbezogenen Ansatz.865 So ist nach Artikel 7 I Mediationsrichtlinie vorgesehen, dass ohne vorherige Vereinbarung der Parteien der Mediator und die bei der Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen (Hilfspersonen) nicht gezwungen werden können, in einem Gerichts- oder Schiedsverfahren in Zivil- und Handelssachen Aussagen zu Informationen zu machen, die sie aufgrund eines Mediationsverfahrens erhalten haben. Ausgenommen hiervon sind nach Artikel 7 I a und b Mediationsrichtlinie nur Fälle, in denen eine Aussage aus vorrangigen Gründen der öffentlichen Ordnung notwendig ist oder die Offenlegung von Informationen für die Umsetzung oder Vollstreckung einer gütlichen Einigung notwendig ist. 862
Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 12. Hopt/Steffek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 41. 864 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. 865 Eidenmüller/Prause, in: NJW 38/2008, S. 2737 ff. (2740). 863
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 253
Die Mediationsrichtlinie nennt dabei Beispiele, in denen Gründe der öffentlichen Ordnung vorgehen. So kann der Mediator immer dann zu einer Aussage gezwungen werden, wenn dies zum Schutz des Kindeswohls oder zur Abwendung von Beeinträchtigungen der physischen oder psychischen Integrität einer Person erforderlich ist. Gemäß Artikel 7 I Mediationsrichtlinie ist es den Mitgliedsstaaten überdies erlaubt, schärfere Maßnahmen zur Sicherung der Vertraulichkeit zu erlassen. Mit Artikel 7 I Mediationsrichtlinie wurde durch den europäischen Gesetzgeber in Bezug auf Aussageverweigerungsrechte die Bedeutung der Vertraulichkeit innerhalb grenzüberschreitender ADR-Verfahren in Zivil- und Handelssachen anerkannt. Der personelle Anwendungsbereich des Artikels 7 Mediationsrichtlinie wurde dabei begrüßenswerter weise weiter gefasst als durch die ICC-ADR-Regeln, zumal auch Hilfspersonen des ADR-Verfahrens erfasst sind. Auf der anderen Seite wurde Artikel 7 Mediationsrichtlinie jedoch sehr weich gefasst. So begründet die Mediationsrichtlinie lediglich ein Recht zur Aussageverweigerung, beschränkt das Aussagerecht des geregelten Personenkreises hingegen nicht.866 Auch die Frage, inwieweit die Parteien im ADR-Verfahren erhaltene Informationen in das Gerichtsverfahren einbringen dürfen, wird durch die Mediationsrichtlinie nicht geregelt, womit in der Folge ein nur sehr begrenzter Vertraulichkeitsstandard durch die Mediationsrichtlinie etabliert wird.867 Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika ist auf den ersten Blick ähnlich zu bewerten. Grundsätzlich wird nicht nur in den Staaten des Mittleren Westens die Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens gewährleistet,868 sondern auch in anderen Staaten der Vereinigten Staaten findet sich grundsätzlich ein Schutz der Vertraulichkeit von ADR-Verfahren.869 Wesentlich ist dabei vor allem der Uniform Mediation Act (UMA), durch dessen §§ 4, 7 und 8 ein sehr weitgehender und ausgeglichener Schutz der im ADR-Verfahren geltenden Vertraulichkeit etabliert wird, wobei durch den UMA Teilbereiche der Vertraulichkeit, wie zum Beispiel zwischen den Parteien und der Öffentlichkeit, in die Verantwortung der Parteien gegeben werden.870 Doch ist dieser Befund mit Vorsicht zu bewerten. So ergibt sich aus der theoretischen Rechtslage und der tatsächlichen Rechtsprechung ein abweichendes Bild. Eine tiefgehende Ana866 Hartmann, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 615; Sujecki, in: EuZW 2010, S. 7 ff. (10); Wagner/Thole, in: Baetge/Hein/Hinden (Hrsg.), FS Kropholler, S. 936. 867 Wagner/Thole, in: Baetge/Hein/Hinden (Hrsg.), FS Kropholler, S. 937 sieht die Regelung sogar das eigentliche Problem verfehlen. Vgl. näher zur Vertraulichkeit der Mediation in Deutschland Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 247 ff.; Weigel, in: NJOZ 2015, S. 41 ff. 868 Vgl. hierzu Rute, in: J. of the K. B. Ass. 2010, S. 24 ff. (29 ff.). 869 Kulms, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 445. 870 Vgl. näher hierzu Deason, in: Ntr. D. L. Rev. 2005, S. 553 ff. (562 ff.).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
lyse U. S.-amerikanischer Rechtsprechung aus dem Zeitraum zwischen 1999 und 2003 ergab, dass entgegen der nach den oben genannten Regelungen vermeintlich klaren Rechtlage es in einer Vielzahl von Fällen zu einer Verwertung von im ADR-Verfahren offengelegten Informationen kam, weswegen die Autoren der Studie zu dem Urteil kamen, dass “[…] the walls of the mediation room are remarkably transparent”.871 Doch nicht allein durch vom buchstäblichen Sinngehalt der Vorschriften abweichende Rechtsprechung kommt es zum Entfallen der Vertraulichkeit eines ADR-Verfahrens. So finden sich auch Rechtsordnungen, wie zum Beispiel die Japans, in denen regelmäßig Informationen aus dem ADR-Verfahren durch die Parteien in einem sich anschließenden Gerichtsverfahren verwendet werden. Zwar sieht das japanische Recht vor, dass gerichtsferne Mediationsverfahren gegenüber Dritten vertraulich auszugestalten sind, doch findet sich kein Hindernis für die Einführung von im ICC-ADR-Verfahren erlangten Informationen in einem späteren Gerichtsverfahren.872 Es ist vielmehr die Regel, dass Informationen aus dem ADR-Verfahren im Gerichtsverfahren vorgebracht werden. Insgesamt ist der durch nationales Recht etablierte Standard als regelmäßig schwach anzusehen.
bb. Wirkung von prozessualen Vertraulichkeitsvereinbarungen Aufgrund der oft nur geringen Schutzintensität nationaler Regelungen betreffend die Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens in Bezug auf künftige Gerichtsverfahren, werden prozessuale Vertraulichkeitsabreden oft als Ergänzung vorgeschlagen.873 Verträge, in denen die Parteien die Rolle von am ADR-Verfahren Beteiligten in einem späteren Gerichtsverfahren und das Einbringen von Schriftstücken regeln, sind inzwischen gerade vor dem Hintergrund unzulänglicher Regelungen in vielen nationalen Rechtsordnungen oft anzutreffen.874 Dennoch kommt es durch sie zu keiner vollkommenen Absicherung der Vertraulichkeit. Vielmehr stehen sie stets unter dem Wirkvorbehalt entgegenstehenden Rechts, wie nicht nur die ICC-ADR-Regeln stets ausdrücklich feststellen, sondern sich bereits oben gezeigt hat.875 Grundsätzlich erscheint es nach deutschem Recht möglich, im Rahmen von prozessualen Abreden die Vertraulichkeit in Bezug auf künftige Gerichtsverfahren zu wahren.876 Grundsätzlich gliedert sich nach deutschem Recht eine 871
Coben/Thompson, in: Harv. Neg. L. R. 11/2006, S. 43 ff. (57 ff.). Baum/Schwittek, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 523. 873 So etwa durch McIlwrath/Savage, International Arbitration and Mediation, S. 206. 874 Bargen, Gerichtsinterne Mediation, S. 359; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht in der Wirtschaftsmediation, S. 27; Wagner, in: NJW 19/2001, S. 1398 ff. (1399). 875 Vgl. hierzu beispielsweise weiter oben unter Kapitel V § 15 II. 876 Bargen, Gerichtsinterne Mediation, S. 359; Eckardt/Dendorfer, in: MDR 14/2001, 872
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 255
solche prozessuale Vereinbarung in einen Geständnis- und einen Beweismittelvertrag.877 Für diese ergeben sich nach deutschem Recht jedoch auch Grenzen. So besteht in Bezug auf Urkunden und die Parteivernehmung die Gefahr, dass durch das Gericht diese von Amts wegen in einen etwaigen späteren Prozess eingeführt werden. Ein Prozessvertrag kann dies nach deutschem Recht nicht immer ausschließen.878 In common law Rechtsordnungen, wie der Neuseelands und Englands, werden Vertraulichkeitsabreden grundsätzlich anerkannt, wobei die Abreden zumeist Modifikationen oder Wiederholungen des sogenannten without predjudice879 Grundsatzes sind.880 So wurde durch den High Court Aukland in der Sache Page v. Accident Compensation881 am 2. Dezember 2005 die Verbindlichkeit aufgrund einer sogenannten “without predjudice”-Vertraulichkeits klausel882 anerkannt.883 Als Ausnahme von dieser grundsätzlichen Anerkennung der Vertraulichkeit wurde von dem entscheiden Richter Cooper J. jedoch mit Verweis auf kanadische Rechtsprechung zugelassen, solche Beweismittel aus dem ADR-Verfahren einzuführen, die für das Bestehen und die Auslegung einer im ADR-Verfahren geschlossenen Vereinbarung relevant sind.884 Auch nach niederländischem Recht steht es den Parteien grundsätzlich frei, im Zuge einer Vereinbarung bestimmte, in einem ADR-Verfahren gewonnene Beweismittel von einem späteren Entscheidungsverfahren auszunehmen. Als Grenze dieses Grundsatzes wird durch niederländische Gerichte allerdings der Grundsatz der Redlichkeit und Billigkeit nach Artikel 6: 248 des Burgerlijk Wetboek (BW) gesehen.885 Überdies sind auch solche Beweismittel von diesem
S. 786 ff. (792); Greger/Unberath, MediationsG, S. 187; Hartmann, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 625 f.; Oldenbruch, Die Vertraulichkeit im Mediationsverfahren, S. 138 f.; Wagner, in: NJW 19/2001, S. 1398 ff. (1400), Wagner, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, S. 269 ff. 877 Oldenbruch, Die Vertraulichkeit im Mediationsverfahren, S. 120 ff. 878 Vgl. näher hierzu Oldenbruch, Die Vertraulichkeit im Mediationsverfahren, S. 132 ff.. A. A. Hartmann, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 623 f. 879 Vgl. näher zum without predjudice Grundsatz Zuckermann, in: Int’l J. Evidence & Proof 3/2011, S. 232 ff. 880 Sherpe/Vollers, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 259 ff. (276). 881 CIV 2004–404–003356. 882 Die streitige Klausel des Vertrags lautete: “All communications made or discussions which take place and information supplied to the mediator shall be made or supplied on a without prejudice basis to resolve the dispute. This means that information provided in the course of the mediation will not be used in any subsequent legal or review proceedings between the parties”. 883 Berg, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 727 ff. (740). 884 Berg, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 727 ff. (740). Vgl. näher hierzu die Randnummern 35–39 des Urteils in der Sache Page v. Accident Compensation. 885 Schmiedel, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 329 ff. (348).
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Grundsatz ausgenommen, die Tatsachen betreffen die für die Parteien nicht disponibel sind.886 Für die Rechtsordnungen Japans und der Vereinigten Staaten von Amerika ergeben sich vor dem oben Gesagten jedoch Bedenken. Insbesondere vor dem Hintergrunde der oben zitierten Studie zur amerikanischen Rechtslage887 erscheint es fraglich, ob U. S. amerikanische Gerichte gewillt sind, die Vertraulichkeit im ADR-Verfahren zu schützen und damit dahingehende Prozessabreden der Parteien anzuerkennen, zumal durch amerikanische Gerichte bereits zwingende Gesetzesvorschriften ignoriert werden. Zuletzt muss noch bedacht werden, dass Prozessverträge immer nur zwischen den abschließenden Parteien wirken. Am ICC-ADR-Verfahren nicht beteiligte Dritte werden von der Wirkung des jeweiligen Prozessvertrages allerdings nicht erfasst, sodass die personelle Schutzwirkung nur begrenzt ist.888 Insofern ergibt sich ein Gesamtbild, nach dem nationale Gerichte grundsätzlich zwar die Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens achten und schützen, doch dementgegen auch zuweilen Wege finden, den Schutz der Vertraulichkeit zu umgehen.
2. Organisatorische Schutzmaßnahmen Neben die Regelungen des Artikels 7 ICC-ADR treten noch organisatorische Schutzmaßnahmen, durch die ein Informationsfluss zwischen ICC-ADR-Verfahren und anschließendem ICC-Schiedsverfahren verhindert werden soll. Zum einen erfolgt dies über eine klare Trennung von ICC-ADR-Verfahren und ICCSchiedsverfahren innerhalb der Internationalen Handelskammer. So wurde für ICC-ADR-Verfahren ein eigenes, vom Sekretariat des International Court of Arbitration getrenntes ICC-ADR-Sekretariat geschaffen, um den (auch zufälligen) Austausch von Informationen innerhalb der Internationalen Handelskammer zu verhindern889 und diesbezügliche Vermutungen der Parteien zu vermeiden. Neben diese klare Trennung beider Verfahren tritt eine Begrenzung der Informationsaufnahme durch die Internationale Handelskammer. So sehen die ICC-ADR-Regeln anders als die ICC-Schiedsordnung vor, dass die Internationale Handelskammer von dem Inhalt der durch die Parteien im ICC-ADR886
Schmiedel, in: Hopt/Steffek (Hrsg.), Mediation, S. 329 ff. (348). Coben/Thompson, in: Harv. Neg. L. R. 11/2006, S. 43 ff. 888 Bargen, Gerichtsinterne Mediation, S. 359. Bargen führt dabei als Beispielskonstellation ein Mediationsverfahren zwischen einem Produzenten und einem Verbraucher an. Würden sich beide Parteien in dieser Konstellation einigen, so wäre es für andere Verbraucher weiter möglich den in dieser Konstellation tätigen Mediator als Zeugen zu benennen. Hieran würde auch ein zwischen den Parteien geschlossener Prozessvertrag nichts ändern, da dieser nicht mit dem dritten Verbraucher geschlossen wurde. 889 Wolrich, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 86. 887
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 257
Verfahren geschlossenen Einigung keinerlei Kenntnis erhält.890 Zudem führen die Parteien das Streitbeilegungsverfahren im Kern alleine mit dem Neutralen durch. Die Internationale Handelskammer wird regelmäßig von dem Inhalt der Verhandlungen damit nur wenig erfahren, da ihre Beteiligung alleine organisatorische Fragen betrifft.
3. Änderungen Anders als bei der Frage der Verjährung besteht im Bereich der Vertraulichkeit für die Parteien nur geringer Änderungsbedarf an den in den ICC-ADR-Regeln enthaltenen Regelungen. Allein der Wirkungskreis sollte durch die Parteien erweitert und auf andere Beteiligte ausgeweitet werden.891 Pate könnte hier der Wortlaut der europäischen Mediationsrichtlinie stehen, dessen Artikel 7 I „[…] in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundene Personen […]“ erfasst. Beachten müssen die Parteien hierbei, dass gemäß Artikel 1 ICC-ADR die Internationale Handelskammer ihre Zustimmung zu jeglichen Änderungen an den ICC-ADR-Regeln geben muss. Da der in Artikel 7 I der Mediationsrichtlinie verwendete Wortlaut auch die Internationale Handelskammer einschließt, ist fraglich, ob diese eine solche Selbstverpflichtung annehmen würde. Da die ICC-ADR-Regeln selbstverpflichtende Teile oft vermissen lassen, bestehen diesbezüglich Zweifel. Zudem sollten die Parteien erwägen, auch bei den Artikeln 7 I und II ICCADR das Schriftformerfordernis einzuführen. Anders als zum Beispiel Artikel 7 III ICC-ADR sprechen die Artikel 7 I und II ICC-ADR lediglich von “[…] any agreement of the parties […]”. Problematisch an dieser Formulierung ist, dass sie jegliche Vereinbarung zulässt. So kann es leicht passieren, dass eine Partei auf den Schutz der Artikel 7 I, II ICC-ADR ungewollt verzichtet, da sie sich nicht über die Tragweite ihrer Zustimmung im Klaren ist. Insofern sollte nicht nur aufgrund der hohen Bedeutung der Vertraulichkeit, sondern auch zum Schutz der Parteien den Artikeln 7 I und II ICC-ADR ein Schriftformerfordernis beigefügt werden.
4. Zusammenfassung Zusammengefasst wird durch die ICC-ADR-Regeln, zumindest in Bezug auf die Parteien und den Neutralen, eine grundlegende Absicherung der Vertraulichkeit des ICC-ADR-Verfahrens erreicht. Dabei findet sich in den ICC-ADR-Regeln eine aus personenbezogenem und informationsbezogenem Ansatz gemischte 890
Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (100). Dies empfiehlt für Mediationsverfahren im Allgemeine auch Hartmann, in: Haft/ Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, S. 621. 891
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Kapitel V: Das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln
Form der Absicherung. Dem Problem der informellen „Desinfektion“ späterer Verfahren wird in Artikel 7 II a ICC-ADR entgegengewirkt. Sollten die Parteien den Personenkreis des Artikels 7 ICC-ADR erweitern und zudem in Artikel 7 I, II ICC-ADR noch ein Schriftformerfordernis einfügen, so würde insgesamt ein ausgewogenes und in sich beständiges Sicherungssystem etabliert werden. Ob dieses System in sich anschließenden Gerichtsverfahren auch anerkannt wird, bleibt allerdings fraglich. Besonders der Blick in die Vereinigten Staaten von Amerika zeigt, dass Gerichte regelmäßig Vertraulichkeitsabreden und Beweismittelverzichte der Parteien ignorieren oder für unwirksam erachten. Der durch die ICC-ADR-Regeln gefundene Weg steht damit im Schatten der mangelhaften Durchsetzung dieses Standards durch nationale Gerichte. Überdies bleibt zu bedenken, dass Artikel 7 ICC-ADR nur zwischen den am ICC-ADRVerfahren beteiligten Parteien selbst greift. Nicht am ICC-ADR-Verfahren beteiligte Dritte könnten vor diesem Hintergrund dennoch Beweismittel aus dem ICC-ADR-Verfahren in ein eigenes Entscheidungsverfahren einbringen.
II. Multi-tiered Verfahren Dem wirksamen Schutz vor aus der Inkompatibilität entstehenden Gefahren steht damit das Problem entgegen, dass es keinen international vereinheitlichten Standard hierfür gibt und der Weg der Parteiabrede einen nur begrenzten Schutz bietet.892 Auch wenn die Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens in vielen Rechtsordnungen anerkannt wird, zeigt sich vor allem beim Blick in die Vereinigten Staaten von Amerika, dass die nationalen Gerichte diese Anerkennung oft missachten und in der Folge oftmals im Vertrauen auf die Vertraulichkeit des ADR-Verfahrens abgegebene Informationen Eingang in sich anschließende Gerichtsverfahren finden. Für den Bereich der Verschwiegenheit könnte mit der Vereinbarung einer Multi-tiered-Klausel diese Gefahr umgangen werden. Grundsätzlich besteht im Schiedsverfahren für die Parteien eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, womit die Parteien Beweismittelvereinbarungen frei nach ihren Bedürfnissen gestalten können.893 Das Problem der lex fori besteht hier nicht.894 In der Folge haben die in den ICC-ADR-Regeln enthaltenen Beweismittelverzichte im Schiedsverfahren mehr Gewicht als in einem nationalen Gerichtsverfahren.895 Da am Ende des Schiedsverfahren auch eine international weitestgehend durchsetzbare Entscheidung steht, wird durch die Verbindung von Schiedsverfahren mit ICC-ADR-Verfahren eine sehr weitgehende Ab892 893
Wallgren, in: Goldsmith (Hrsg.), ADR in Business, S. 12. Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation,
S. 308. 894 Vgl. hierzu sogleich unten unter Kapitel VII § 283 I. 895 Gleicher Meinung: Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 58.
§ 24 Verfahrensschutz in Verbindung mit anschließenden Entscheidungsverfahren 259
sicherung der Vertraulichkeit erreicht, womit der zwischen ADR- und Entscheidungsverfahren bestehenden Inkompatibilität effektiv entgegengewirkt wird.
III. Bewertung Insgesamt wird durch die ICC-ADR-Regeln in Verbindung mit nationalem Recht ein nur sehr begrenzter Schutz der Vertraulichkeit in Bezug auf spätere Gerichtsverfahren erreicht. Könnte diesem Mangel nicht Abhilfe geschaffen werden, hätte dies weitreichende Folgen. Zum einen wäre es aufgrund dieser unsicheren Rechtslage für die Parteien ratsam, auf die schriftliche Dokumentation des ADR-Verfahrens zu verzichten.896 Dies würde in Missbrauchsfällen dazu führen, dass der Missbrauch des ICC-ADR-Verfahren beispielsweise zur Prozessverschleppung nur schwer nachzuweisen wäre und damit die gerichtliche Geltendmachung von Verstößen oftmals leerlaufen würde. Schwerwiegender erscheint allerdings, dass in einer solchen unsicheren Lage die Parteien die Offenlegung von Informationen nur sehr restriktiv betreiben werden. In der Praxis scheinen Verhandlungen jedoch oft gerade daran zu scheitern, dass entscheidungsrelevante Informationen nicht ausgetauscht werden.897 Ausnahme mögen hier jedoch die USA mit der ohnehin vorzunehmenden Discovery sein.898 Jedoch ist gerade die Flucht vor der Discovery ein Umstand, der die Parteien oft zur Durchführung eines ADR-Verfahren bewegt. Damit bleibt das durch Artikel 7 II–IV ICC-ADR etablierte Schutzniveau stark vom jeweilig anwendbaren Recht abhängig. Abhilfe schafft hier alleine ein multi-tiered Verfahren, wie es etwa durch Verwendung des vierten Klauselvorschlags entstehen würde. Abschließend ist insofern in Bezug auf die Inkompatibilität zwischen ICC-ADR-Verfahren und Entscheidungsverfahren alleine ein multi-tiered Verfahren weitestgehend abgesichert.
896 Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 235. Der Verzicht hat allerdings auch negative Implikationen. 897 Risse, Wirtschaftsmediation, S. 75 f. 898 Jiménez-Figueres, in: J. of Int. Arb. 1/2004, S. 91 ff. (100).
Kapitel VI
Wertung Auch wenn sich das ICC-ADR-Verfahren in vielen Bereichen als ein grundsätzlich flexibles und an die Wünsche der Parteien adaptierbares Regelwerk darstellt, ergab die vorliegende Untersuchung auch einige Punkte, die unter gewissen Umständen problematisch erscheinen können. Damit stellt sich abschließend die Frage, wie hoch das durch die ICC-ADR-Regeln insgesamt etablierte Schutzniveau ist und welche Unzulänglichkeiten und Lücken verbleiben.
§ 25 Grundsätzliche Eignung Die ICC-ADR-Regeln entsprechen ihrem Wortlaut nach in weiten Teilen den im Rahmen der in § 9 dieser Arbeit festgestellten Aspekte. Alleine die Frage der Verbindlichkeit sowie der Verjährung von Ansprüchen werden durch die ICCADR-Regeln nicht vollumfänglich befriedigend geregelt.1 Durch die ICC-ADR-Regeln wird grundsätzlich ein sehr flexibles und dennoch sicherndes Regime etabliert. Kennzeichnend für viele Teile der ICC-ADRRegeln ist dabei, dass die bestehenden Regelungen einzelner Teilbereiche zur Disposition der Parteien stehen. Sollten starre Regelungen, wie zum Beispiel das Verbot der Beteiligung des Neutralen an einem späteren Entscheidungsverfahren, im Einzelfall die Beilegung einer Streitigkeit behindern oder nicht den Wünschen der Parteien entsprechen, so bleibt es den Parteien möglich, von diesen Schutzmechanismen Abstand zu nehmen.2 Ein ähnlicher Ansatz wird bei den in den ICC-ADR-Regeln enthaltenen Fristen verwendet. So können die Parteien durch übereinstimmende Parteiabrede diese verlängern.3 Hinzu kommen Regelungsbereiche wie zum Beispiel die Wahl des Neutralen, in denen die Hilfe – und damit einhergehend die potentielle Bevormundung – durch die Internationale Handelskammer nur subsidiär zur Anwendung kommt.4 Insgesamt belassen die ICC-ADR-Regeln damit die Kontrolle über das ICC-ADR-Ver-
1
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 20 I. Nr. 3 und § 22. Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 24 I. Nr. 1 b. 3 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 20 I. Nr. 2. 4 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 17 I. Nr. 2. 2
§ 25 Grundsätzliche Eignung
261
fahren weitgehend bei den Parteien, während diese gleichzeitig auf die Hilfe der Internationalen Handelskammer zurückgreifen können. Hinzu kommt, dass durch die ICC-ADR-Regeln nur Einleitung und Ende des ADR-Verfahrens detailliert geregelt sind.5 Das ADR-Verfahren an sich wird nur über sehr allgemein gefasste Verpflichtungen wie zum Beispiel der zur gewissenhaften und aufrichtigen Zusammenarbeit in Verbindung mit anderen flexiblen Sicherungsmaßnahmen wie zum Beispiel Beendigungsfristen abgesichert. Damit entsteht ein insgesamt sehr flexibles Regime, das insoweit den weiter oben in dieser Arbeit geforderten6 Ausgleich zwischen Sicherungsinteressen und methodischen Vorteilen entspricht. Doch finden sich in den ICC-ADR-Regeln auch Regelungen, die zu weitgehend in die Herrschaft der Parteien über das ICC-ADR-Verfahren eingreifen. So erscheint es unter den ICC-ADR-Regeln grundsätzlich nicht möglich, hybride ADR-Verfahrensarten zu wählen.7 Die Palette der ADR-Verfahrensarten ist damit für die Parteien durch die ICC-ADR-Regeln eingeschränkt. Dieser Ausschluss überzeugt nicht. Zudem besteht in den ICC-ADR-Regeln eine klare Disbalance zwischen den Pflichten der Parteien und den Pflichten der Internationalen Handelskammer. So erscheint der Pflichtenkatalog der Internationalen Handelskammer im Vergleich zu dem der Parteien nicht nur in seiner Weite, sondern auch in seiner Durchsetzung ungemein schwächer auszufallen. Neben diesen grundsätzlichen Problemen, die Ausfluss gezielter konzeptioneller Erwägungen bei der Erstellung der ICC-ADR-Regeln sind, finden sich auch Schwierigkeiten bei der effektiven Geltung der geregelten Punkte. Die ICC-ADR-Regeln wirken alleine aus ihrer vertraglichen Natur heraus. Weder die Internationale Handelskammer noch eine andere private dritte Partei wird durch die ICC-ADR-Regeln dazu befugt, Verstöße gegen die ICC-ADR-Regeln zu sanktionieren. In der Folge bedürfen die ICC-ADR-Regeln zu ihrer Durchsetzung der Hilfe nationaler Gerichte oder Schiedsgerichte. Diese sehen aber, wie die Betrachtung der einzelnen Rechtsordnungen weiter oben gezeigt hat,8 die Voraussetzungen und Wirkungen einzelner Regelungsbereiche durchaus differenziert. Somit hängt die Wirkung der ICC-ADR-Regeln entscheidend von dem auf sie anwendbaren nationalen Recht ab. Eine Rechtswahl ist eine eher ungeeignete Methode, dieses Problem zu umgehen, da dabei meist eher Erwägungen in Bezug auf die Sache als in Bezug auf die Mediationsfreundlichkeit einer Rechtsordnung im Vordergrund stehen.9 5
Wolrich, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. Spec. Suppl. 7, 2001, S. 7 ff. (18). Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel III § 9 III. Nr. 2. 7 Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 19 II. 8 Vgl. etwa die gespaltenen Auffassungen zur Wirkung von ADR-Abreden unter Kapitel V § 15 II. 9 Eidenmüller, in: BB-Beilage 7 zu Heft 46/2002, S. 14 ff. (18). 6
262
Kapitel VI: Wertung
Hinzu kommt, dass einzelne Punkte der ICC-ADR-Regeln, wie zum Beispiel der Beweismittelverzicht, in ihrer Wirkung auch spätere Entscheidungsverfahren betreffen und zumeist als prozessvertraglich zu qualifizieren sind. Damit hängt die Wirkung dieser Teile der ICC-ADR-Regeln entscheidend von ihrer Anerkennung durch das jeweilig zuständige Entscheidungsforum ab. Da dieses wiederum nach dem allgemein anerkannten lex fori-Grundsatz sein eigenes Prozessrecht anwendet,10 erscheint fraglich, ob es die Prozessvereinbarung oder eine auf sie gerichtete Rechtswahl anerkennt.11 Dies hat insbesondere erhebliche Auswirkungen auf Fragen der Inkompatibilität zwischen einvernehmlichen Verfahren und Entscheidungsverfahren, zumal hier den bestehenden Gefahren durch Beweismittelverzichte entgegengewirkt wird. Auch wenn durch rechtsangleichende Bemühungen, wie zum Beispiel die europäische Mediationsrichtlinie,12 dieses Problem teilweise behoben wurde, hat sich in der obigen Betrachtung gezeigt, dass im Ergebnis die derzeitige Rechtslage nicht befriedigend und besonders im Bereich der Prozessabreden heterogen ist. Die Befürchtung, dass sich ein ADR-Verfahren negativ auf ein Gerichtsverfahren auswirken kann, ist demnach alles andere als unbegründet, ist doch gerade die Absicherung mit Hilfe von Prozessabreden nicht immer ein sicherer Weg. Hinzu tritt das Grundproblem des Schadensnachweises. Auch wenn die ICC-ADR-Regeln ihrer Regelungsintention entsprechend Anwendung finden, so scheitert die gerichtliche Geltendmachung eines Verstoßes gegen die ICCADR-Regeln oftmals an dem durch die klagende Partei zu führenden Nachweis eines Schadens. Dies ist auch den Parteien bewusst, womit der verpflichtende Charakter der ICC-ADR-Regeln insgesamt leidet. Vor dem Hintergrund dieser breiten Gemengelage verschiedenster Unsicherheiten erscheint die effektive Geltung der ICC-ADR-Regeln teilweise nicht gesichert. Auch wenn dem Wortlaut nach durch die ICC-ADR-Regeln ein in weiten Teilen sehr effektives und gleichzeitig flexibles Regime geschaffen wurde, ergeben sich damit in der Praxis einige Aspekte, bei denen die Parteien abwägen und Vorsicht walten lassen müssen.
§ 26 Verbleibende Lücken/Unzulänglichkeiten Neben diesem grundsätzlichen Mangel effektiver Geltung finden sich auch im Detail des Regelungsregimes der ICC-ADR-Regeln einige Lücken und Unzulänglichkeiten. 10
Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, S. 7; Wagner, Prozeßverträge, S. 353 ff. Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 55; Hutner, Das International Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 294. 12 Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. 11
§ 26 Verbleibende Lücken/Unzulänglichkeiten
263
I. Artikel 7 V ICC-ADR Eine dieser Unzulänglichkeiten, die die effektive Geltung der ICC-ADR-Regeln weiter unterminiert, findet sich in Artikel 7 V ICC-ADR: nicht nur durch im Einzelfall anwendbares nationales Recht kann es zu einer Abnahme der Wirkintensität der ICC-ADR-Regeln kommen. Vielmehr ergibt sich auch aus den ICC-ADR-Regeln selbst teils eine Begrenzung der Wirkung der einzelnen Regelungen. So sieht Artikel 7 V ICC-ADR vor, dass weder der Neutrale noch die Internationale Handelskammer, ihre Bediensteten und die einzelnen nationalen Komitees eingeschlossen, für jegliches mit dem ICC-ADR-Verfahren in Verbindung stehende Tun oder Unterlassen durch Dritte in Anspruch genommen werden können. Dem Artikel 7 V ICC-ADR entsprechende Regelungen finden sich mit Artikel 33 ICC Dispute Board Rules, Artikel 34 ICC Schiedsordnung, Artikel 16 ICC Rules for Expertise allerdings auch in den anderen Regelwerken der Internationalen Handelskammer. Alleine Artikel 11.3 der ICC DOCDEX Rules weicht ab und enthält keine solche Haftungsbegrenzung. Es fragt sich hier jedoch, welches Ziel mit dieser Regelung verfolgt werden sollte. Im Falle des Artikels 34 der ICC Schiedsordnung mag vor dem Hintergrund der wohl zunehmenden Zahl von Klagen gegen sowohl den Schiedsrichter als auch die Schiedsinstitutionen13 eine solche Haftungsausschlussregelung sinnvoll erscheinen. Im Gegensatz zu Schiedsverfahren steht in ADR-Verfahren jedoch die Verantwortung zur Beilegung der Streitigkeit stärker in der Sphäre der Parteien. Es ist hier eben gerade nicht der Neutrale, der eine bindende Entscheidung trifft und bei fehlender Qualität dieser Entscheidung einen Schaden bei den Parteien verursacht. Eine Entwertung der durch die ICC-ADR-Regeln etablierten Pflichten des Neutralen, wie zum Beispiel zur neutralen Verfahrensführung, bis hin zu deren absoluten Abschaffung erscheint vor dem Hintergrund dieses Unterschieds als etwas zu weitgehend. Dass die weite Formulierung des Artikels 7 V ICC-ADR zudem auch auf etwaige individuell zwischen den Parteien und dem Neutralen geschlossene Abreden ausstrahlt, verstärkt diese Zweifel noch. Dass bei der Formulierung des Artikel 7 V ICC-ADR soweit gegangen wurde, auch grob fahrlässige und sogar vorsätzliche Pflichtverletzungen auszuschließen, ist dabei nur auf den ersten Blick überraschend. Im Falle des Artikel 34 ICC Schiedsordnung, der wohl Pate für den Artikel 7 V ICC-ADR stand, wurde diese Weite bewusst gewählt, um in den einzelnen Rechtsordnungen immer das mögliche Maximum an Haftungsbefreiung zu erreichen.14 Damit erklärt sich diese in vielen Rechtsordnungen als solche unwirksame Weite der Haftungsbegrenzung. Ungeklärt bleibt jedoch, warum man in Kauf nahm, dass in anderen Rechtsordnungen, in denen es zu keiner geltungserhaltenden Reduktion kommt, der Artikel 7 V ICC-ADR vollkommen unwirksam ist. 13 14
Vgl. näher hierzu Derains/Schwarz, A Guide to the ICC Rules of Arbitration, S. 381 ff. Derains/Schwarz, A Guide to the ICC Rules of Arbitration, S. 582.
264
Kapitel VI: Wertung
Aufgrund des Artikel 7 V ICC-ADR sollten die Parteien daher darauf achten, den Neutralen zumindest im ersten obligatorischen Termin über die in den Regeln zwischen diesem und den Parteien getroffene Vereinbarung hinaus stärker zu binden. Fraglich bleibt, welche Folgen einer Kollision solcher Individualabreden mit dem Artikel 7 V ICC-ADR in den einzelnen Rechtsordnungen beigemessen werden. Insgesamt wäre ein Verzicht auf Artikel 7 V ICC-ADR jedoch das begrüßenswerteste Vorgehen der Internationalen Handelskammer.
II. Einschränkungen des Anwendungsbereichs Eine weitere Unterminierung der effektiven Geltung der ICC-ADR-Regeln ergibt sich aus deren begrenztem zeitlichen wie persönlichen Anwendungsbereich. In zeitlicher Hinsicht ist die Wirkung der ICC-ADR-Regeln dabei aus ihrer vertraglichen Natur heraus begrenzt. So finden sie erst ab dem Zeitpunkt Anwendung, in dem die Parteien übereinkommen, ein ICC-ADR-Verfahren durchzuführen. Die Sondierungsphase im Vorfeld eines möglichen ICC-ADRVerfahrens ist damit nicht abgedeckt. Dieser zeitlichen Begrenzung folgt eine Begrenzung in persönlicher Hinsicht. So klammern die ICC-ADR-Regeln am ICC-ADR-Verfahren beteiligte Dritte, wie zum Beispiel Zeugen oder Sachverständige, vollkommen aus. Dieser Lückenhaftigkeit müssen sich die Parteien bewusst sein und ihr gegebenenfalls durch zusätzliche Vereinbarungen begegnen. Ansonsten ist die Absicherung des ICC-ADR-Verfahrens doch in einigen Punkten nicht gewährleistet. So könnte beispielsweise ein an dem ICC-ADR-Verfahren beteiligter Sachverständiger zu dem Inhalt seiner Befragung, seines Auftrags oder aber über das, was er innerhalb des Verfahrens mitbekommen hat, in einem sich anschließenden Entscheidungsverfahren als Zeuge benannt werden.
III. Artikel 1 ICC-ADR Wie bereits an mehreren Stellen dieser Arbeit festgestellt wurde,15 sind für ADR-Verfahren ihre Flexibilität und die in ihnen herrschende volle Parteikontrolle von zentraler Bedeutung. Vor diesem Hintergrund erscheint der in Artikel 1 ICC-ADR enthaltene pauschale Zustimmungsvorbehalt der Internationalen Handelskammer kontraproduktiv.16 Hierdurch kommt es nicht nur zu einer Bevormundung der Parteien, sondern durch Artikel 1 ICC-ADR wird auch ein weiteres Tor zum Missbrauch des ICC-ADR-Verfahrens geöffnet. So könnte eine Partei eines ICC-ADR-Verfahrens zum Schein und zur Prozessverschleppung zunächst einer Einigung zustimmen, um dann von der Einhaltung der 15
Vgl. etwa Kapitel II § 7 oder aber Kapitel III § 9 III. dieser Meinung: Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (121).
16 Auch
§ 26 Verbleibende Lücken/Unzulänglichkeiten
265
getroffenen Vereinbarung wieder Abstand nehmen und in einem sich eventuell anschließenden Entscheidungsverfahren gerade die fehlende Zustimmung zu einer Änderung erfolgreich vorbringen.17 Schließlich liegt bei Fehlen der Zustimmung nach Artikel 1 ICC-ADR in dem abweichenden Ablauf des ICCADR-Verfahrens ein Verstoß gegen die ICC-ADR-Regeln vor. Gerade dort, wo durch die Parteien vereinbarte Veränderungen an den ICCADR-Regeln die Pflichtenstellung der Internationalen Handelskammer nicht berühren, ist nicht ersichtlich, warum diese den Änderungen soll zustimmen müssen. Alleine der Schutz der Parteien vor übereilten Abänderungen und die Vermeidung von Regelungsdiskrepanzen die sich aufgrund der Änderung ergeben könnten mögen hier als sachliche Rechtfertigung dienen. Letztendlich sollte es die alleinige Sache der Parteien bleiben, ob sie Änderungen an den Regeln vornehmen. Eine Begrenzung des Artikels 1 ICC-ADR auf solche Änderungen, die die Pflichtenstellung der Internationalen Handelskammer betreffen, wären insofern wünschenswert.
IV. Verfahrenseinleitung Doch nicht nur bei Artikel 1 ICC-ADR erscheint die Entscheidungshoheit der Internationalen Handelskammer fraglich. Auch im Rahmen der Einleitung eines ICC-ADR-Verfahrens ist es problematisch, dass die Internationale Handelskammer zunächst darüber entscheidet, ob eine wirksame ADR-Abrede zwischen den Parteien vorliegt oder aber nicht.18 Schließlich ist es das ADR-Sekretariat der Internationalen Handelskammer, das darüber entscheidet, ob das ICC-ADR-Verfahren nach Artikel 2 A ICC-ADR oder 2 B ICC-ADR eingeleitet werden muss. Damit entscheidet die Internationale Handelskammer auch darüber, ob die andere Partei zunächst an der ersten Sitzung teilnehmen muss. Hinzu treten die weitreichenden Kostenfolgen dieser Entscheidung. Geht die Internationale Handelskammer davon aus, dass keine wirksame ADR-Vereinbarung vorliegt, muss die antragende Partei schließlich beispielsweise die Einleitungsgebühr in vollem Umfang alleine tragen. Hier sollte eine dritte Einleitungsform für streitige Fälle geschaffen werden, in denen einem Ausgleich der Interessen bis zu dem Zeitpunkt Rechnung getragen wird, in dem die Frage durch entscheidungsbefugte Foren geklärt wird.
V. Neutraler und ADR-Verfahrensart Zuletzt ergibt sich aus dem ICC-ADR-Regime aus der Wechselwirkung zwischen Neutralem und gewählter ADR-Verfahrensart eine Abstimmungsproble17 18
Knutson, in: Int. B. Lawyer, 3/2002, S. 119 ff. (121). Vgl. näher hierzu bereits oben unter Kapitel V § 16 II. Nr. 3 und IV.
266
Kapitel VI: Wertung
matik. Von der ADR-Verfahrensart hängt ab, welche Anforderungen hinsichtlich der Verfahrensexpertise an den Neutralen zu stellen sind. Nach dem Verfahrensregime der ICC-ADR-Regeln wird allerdings zunächst der Neutrale bestimmt und erst dann, sollten die Parteien diese nicht vorab bereits festgelegt haben, die anzuwendende ADR-Verfahrensart. Bei der Wahl einer geeigneten ADR-Verfahrensart ist dabei die Beratung durch den Neutralen aufgrund dessen Erfahrung besonders wertvoll. Jedoch kann sich auch aus der gewählten Verfahrensart ergeben, dass dem Neutralen die entsprechende Expertise für die Durchführung eines solchen Verfahrens fehlt. Problematisch ist dabei nicht, dass zuerst der Neutrale und dann die ADR-Methode gewählt wird. Problematisch ist vielmehr das Manko einer Regelung, die zur Entpflichtung des bisherigen und zur Wahl eines neuen, zur gewählten ADR-Methode passenden Neutralen19 führt. Eine solche Regelung sollte ergänzend in die ICC-ADR-Regeln aufgenommen oder aber durch eine Parteivereinbarung hinzugefügt werden.
§ 27 Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum ICC-ADR-Regime Vor dem Hintergrund der in einigen Bereichen verbleibenden Lücken und Unzulänglichkeiten gilt es für die Parteien, die ICC-ADR-Regeln nach ihren individuellen Bedürfnissen in einzelnen Bereichen zu ändern oder zu ergänzen. Bei Änderungen müssen die Parteien dabei stets Artikel 1 ICC-ADR im Auge behalten. Gerade die Anforderung der Zustimmung der Internationalen Handelskammer kann bei Änderungen zu späteren bösen Überraschungen führen, sollte sie durch die Parteien nicht beachtet werden.20
I. Änderungen Wie sich in der obigen Betrachtung des ICC-ADR-Verfahrens gezeigt hat, empfiehlt sich den Parteien eine Reihe von Änderungen an den ICC-ADRRegeln. Dabei sollten diese grundsätzlich vor dem Hintergrund der jeweiligen individuellen Umstände erfolgen und stets gemäß Artikel 1 ICC-ADR durch die Internationalen Handelskammer genehmigt worden sein. Diese Voraussetzung engt natürlich den Raum für Veränderung insofern ein, als dass solche Änderungen, die nicht den Vorstellungen der Internationalen Handelskammer entsprechen oder mit den durch diese verfolgten Zielen nicht kongruent laufen, durch die Internationale Handelskammer zumeist nicht genehmigt werden. 19 20
Vgl. näher hierzu bereits oben unter Kapitel V § 19 III. Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel VI § 26 III.
§ 27 Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum ICC-ADR-Regime
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Neben spezifisch einzelfallbezogen Änderungen an den ICC-ADR-Regeln, wie zum Beispiel einer Anpassung der Auswahlpraxis des Neutralen, empfehlen sich den Parteien einige grundsätzliche Anpassungen. So sollten die Parteien die Klauselvorschläge dahingehend ergänzen, die Wirkung des sehr allgemeinen Leitfadens dahingehend zu konkretisieren, dass dessen Inhalt Teil der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Abrede wird und damit zwischen den Parteien auch Wirkung entfaltet. Hierdurch würden die Parteien Unklarheiten der ICC-ADR-Regeln ausräumen und damit bestehende Fehlerpotentiale von vornherein beheben. Grundsätzlich und nicht nur aufgrund des Artikels 1 ICC-ADR, liegt es allerdings an der Internationalen Handelskammer selbst, die festgestellten Mankos ihrer ICC-ADR-Regeln im Hinblick auf spätere Überarbeitungen zu beheben.
II. Ergänzungen Neben Abänderungen einzelner Bestimmungen der ICC-ADR-Regeln kommen auch Ergänzungen des Regimes in Betracht. Auch hierzu müssen die Parteien allerdings wieder die Genehmigung der Internationalen Handelskammer einholen, es sei denn, sie schaffen zusätzliche, neben den ICC-ADR-Regeln bestehende und diese als solche nicht berührende Vereinbarungen, die alleine zwischen ihnen gelten.
1. Vertragsstrafe und pauschalierter Schadensersatz Aufgrund des nur schwer zu führenden Schadensnachweises nach Pflichtverletzungen im ICC-ADR-Verfahren sollten die Parteien erwägen, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren oder aber eine Vereinbarung über einen pauschalierten Schadensersatz aufzunehmen. Ein Formulierungsvorschlag für eine solche Vertragsstrafenabrede könnte lauten: “If one of the parties to the ICC-ADR-proceeding is not complying with the provisions of the ICC-ADR-Rules, this party shall be obliged to pay to the other party a fine amounting to […] U. S. Dollar.”
Mit einer solchen Vertragsstrafenabrede würde der Verfahrensschutzraum der ICC-ADR-Regeln gestärkt, ohne dabei negativ auf die Freiwilligkeit im ICCADR-Verfahren Einfluss zu nehmen. Der Druck, der durch diese Regelung entstünde, beträfe allein die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und nicht die in ihm herrschende Freiwilligkeit. Insofern würde also auch kein Einigungsdruck entstehen. Die Parteien sollten jedoch beachten, dass verschiedene Rechtsordnung zur Vertragsstrafe durchaus divergierend Stellungen einnehmen.21 Insofern 21 Vgl. näher zur Lage in europäischen Rechtsordnungen: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 521 ff.
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Kapitel VI: Wertung
können, ähnlich wie bei den vier Klauselvorschlägen auch, je nach dem jeweilig anwendbaren Recht Änderungen an diesem Vorschlag einer Vertragsstrafenabrede angezeigt seien.
2. Vertraulichkeitsvereinbarung Zudem sollten die Parteien im Falle der Beteiligung weiterer Dritter, die durch die ICC-ADR-Regeln erfasst werden, mit diesen zusätzliche Vertraulichkeitsabreden abschließen. Der Wortlaut kann sich dabei an den Formulierungen der ICC-ADR-Regeln orientieren.22 Dabei sollte den Vertraulichkeitsvereinbarungen zu ihrer praktischen Durchsetzbarkeit ebenfalls eine Vertragsstrafenregelung zur Seite gestellt werden.
3. Zusätzliche Haftungsabreden Neben die zusätzlichen Vertraulichkeitsvereinbarungen sollten zusätzliche Haftungsabreden treten. Auch wenn Artikel 7 V ICC-ADR, der die Haftung des Neutralen gerade ausschließt, die Wirkung solcher zusätzlicher Haftungsabreden in bestimmten Fällen fraglich erscheinen lassen könnte, sollten die Parteien diese dennoch vereinbaren. Gerade in Bezug auf den Neutralen ist es wichtig, sicherzustellen, dass im Falle einer Schlechtleistung des Neutralen in einem hierauf bezogenen Gerichtsverfahren dem Einwand des Artikels 7 V ICC-ADR durch die Parteien etwas entgegen gehalten werden kann. Die Haftungsabrede kann dabei so ausgestaltet werden, dass es lediglich zu einer näheren Konkretisierung des Artikel 7 V ICC-ADR kommt. Da dieser sehr global gehalten ist wäre denkbar, diesen dahingehend zu konkretisieren, dass die Parteien den Neutralen allein für solches Verhalten von der Haftung befreien wollen, dass den Regelungen des ICC-ADR-Verfahrens entspricht. Für sonstiges, den ICC-ADR-Regeln klar zuwiderlaufendes Verhalten kann wiederum eine andere Haftungsregelung vereinbart werden. Von der Vereinbarung weiterer haftungsbegründender Pflichten sollten die Parteien allerdings absehen, da hier die Gefahr besteht, dem Neutralen in der Verfahrensführung die Flexibilität zu nehmen.
§ 28 Multi-tiered Dispute Resolution und hybride ADR-Verfahren Am Anfang dieser Arbeit wurde festgestellt, dass zwischen ADR-Verfahren und Schiedsverfahren weniger ein alternatives als vielmehr ein komplementäres 22
Vgl. näher hierzu weiter oben unter Kapitel V § 24 I. 3.
§ 28 Multi-tiered Dispute Resolution und hybride ADR-Verfahren
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Verhältnis besteht.23 Dieser Aussage widersprechend werden ADR-Verfahren zuweilen jedoch auch als Alternative zu Schiedsverfahren beschrieben, da sich sowohl Schiedsverfahren als auch ADR-Verfahren im Bereich der internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten als Alternative zu Gerichtsverfahren anbieten und insofern eine Konkurrenz zwischen beiden Streitbeilegungsarten gesehen wird. Zusätzlich genährt wird diese Auffassung dadurch, dass Schiedsverfahren gegenüber ADR-Verfahren gewisse Vor- und Nachteile aufweisen.24 Anstatt als Reaktion hierauf zu entscheiden, welche Verfahrensart zur Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten besser geeignet ist, gilt es vielmehr, die Vorteile beider Verfahrensarten zu kombinieren. Schließlich hat sich im Rahmen dieser Arbeit bereits an mehreren Stellen gezeigt,25 dass durch die Verbindung beider Verfahrensarten zentralen Gefahren des ADR-Verfahrens begegnet werden kann. Durch eine Kombination beider Verfahrensarten kann somit „das Beste aus beiden Welten“ durch die Parteien kombiniert werden. Doch gehen mit einer Kombination beider Verfahrensarten, wie sie bei Vereinbarung des vierten Klauselvorschlags der ICC-ADR-Regeln erfolgen würde, auch Nachteile einher.
I. Vorteile Durch Multi-Tiered Dispute Resolution-Verfahren kann dem Manko der fehlenden internationalen Vereinheitlichung bezüglich ADR-Verfahren dadurch begegnet werden, dass durch sie ADR-Verfahren an der internationalen Vereinheitlichung der Regelungen zu Schiedsverfahren teilhaben. Vor allem dem Erfolg des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen26 sowie des UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration27 ist es zu verdanken, dass international die Autonomie eines Schiedsverfahrens und der Bestand sowie die Durchsetzbarkeit des Schiedsspruches weitestgehend gesichert sind.28 Damit besteht für die Parteien auf internationaler Ebene ein Ankerpunkt, an welchem die interna23
Vgl. Kapitel II § 4 IV. Der wohl offensichtlichste Vorteil ist dabei, dass Schiedsverfahren anders als ADR-Verfahren regelmäßig die Streitigkeit entscheiden. 25 Vgl. z. B. Kapitel V § 15 II 5 a cc; Kapitel V § 24 II. 26 Diesem sind bis jetzt (Stand 10. März 2016) 156 Staaten beigetreten. Vgl. http://www. uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention_status.html (Stand 10. März 2016). 27 Vgl. näher zu der Bedeutung des UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration für Schiedsverfahren Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, S. 519 ff. Zum Status der tatsächlichen Übernahme des Modelgesetztes durch einzelne Staaten vgl.: http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/1985Model_ arbitration_status.html (Stand 10. März 2016). 28 Lew, in: Mistelis/Lew (Hrsg.), Pervasive Problems in International Arbitration, S. 3 ff. 24
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Kapitel VI: Wertung
tional wirksame Sicherung grundlegender Regelungsbereiche weitestgehend möglich wird, zumal von einem Schiedsgericht eher als von einem staatlichen Gericht erwartet werden kann, dass es Vortrags- und Beweismittelbeschränkungen honoriert.29 Durch die Verzahnung der ADR-Abrede mit der Schiedsabrede kann somit generell sichergestellt werden, dass subsidiär ein faires und neutrales Verfahren nach klar definierten Regeln zur Anwendung kommt und auch unwillige Parteien an dem Verfahren teilnehmen müssen und einen anderen Streitbeilegungsweg zunächst nicht einschlagen können.30 Zudem sichert die Verzahnung die Vertraulichkeit des Verfahrens und sorgt für den Fall des Scheiterns des einvernehmlichen Verfahrens dafür, dass mit dem dann folgenden Schiedsverfahren auch ein international durchsetzbares Ergebnis am Ende der Streitbeilegung steht.31 Es kommt also zu einer Kombination der Vorteile beider Verfahren, von der vor allem das einvernehmliche Verfahren als primär stattfindendes Verfahren profitiert, da dessen Verfahrensschutzraum abgesichert wird. Dabei wird durch die Schiedsabrede vor allem erreicht, dass die Vielzahl der potentiell entscheidenden Foren auf ein Forum begrenzt wird und in der Folge die Konsistenz der Rechts- und Verfahrenslage erhöht wird. Neben diesen rechtlichen Aspekten bieten Eskalationsklauseln in methodischer Hinsicht bei Wirtschaftsstreitigkeiten den Vorteil, dass vor dem Beschreiten eines Entscheidungsverfahrens in der Form des Schiedsverfahrens solche Streitigkeiten „ausgesiebt“ werden, bei denen tatsächlich noch ein Einigungspotential besteht.32 Damit und vor dem Hintergrund der zunehmenden Kosten und Komplexität von Schiedsverfahren erscheinen gestufte Streitbeilegungsklauseln als interessante Alternative, bei der viel gewonnen, aber nur wenig verloren werden kann.33
II. Nachteile Die Verbindung von Schiedsabrede mit ADR-Abrede hat jedoch auch negative Implikationen. So müssen sich die Parteien darüber im Klaren sein, dass mit der Vereinbarung einer ADR-Abrede in Form des vierten Klauselvorschlags auch tatsächlich ein ICC-Schiedsverfahren stattfinden kann. Wegen der Kosten und der Komplexität gerade eines ICC-Schiedsverfahren mag nicht jede Streitigkeit hierfür geeignet sein. Zudem bergen auch staatliche Gerichtsverfahren gegen29
Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 58. Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 241 f. 31 Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 308 f. 32 Arntz, in: SchiedsVZ 2014, S. 237 ff. (237 f.); Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, S. 251; Tateishi, in: A. Disp. R. 1/2000, S. 24 ff. (25). 33 Wagoner, in: Arb. J. Juni 1993, S. 77 ff. (81). 30
§ 28 Multi-tiered Dispute Resolution und hybride ADR-Verfahren
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über privaten Streitbeilegungsmethoden wie den ADR- und Schiedsverfahren gewisse Vorteile, wie zum Beispiel die Möglichkeit der Schaffung von Präjudizien, auf die mit einer Schiedsabrede verzichtet wird. Insofern kann die unbedachte Wahl eines Multi-Tiered Dispute Resolution-Verfahrens später durchaus negative Implikationen mit sich bringen.
III. Einfluss der Internationalen Handelskammer in Multi-tiered Dispute Resolution Verfahren Neben diesen allgemeinen Vor- und Nachteilen der Verfahrenskombination wird speziell durch die Kombination von ICC-ADR- und ICC-Schiedsklausel34 der tatsächliche Einfluss der Internationalen Handelskammer auf die Einhaltung der ICC-ADR-Regeln verstärkt. Diese Sicherheit des Schiedsverfahrens wäre vor allem dann für ein Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln von Bedeutung und würde die Einflussmöglichkeiten der Internationalen Handelskammer erweitern, wenn das vereinbarte Schiedsverfahren unter der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer stattfindet. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass ein Schiedsgericht unter den ICC Rules of Arbitration mehr als andere Schiedsgerichte geneigt sein wird, anderen Regelwerken der internationalen Handelskammer, und damit auch den ADR-Regeln, Wirkung zu verleihen. Doch auch die Internationale Handelskammer hat durch ihren Schiedsgerichtshof die Möglichkeit, auf den Schiedsspruch direkt Einfluss zu nehmen und damit die Einhaltung der ADR-Regeln durchzusetzen. Diese Einflussnahme wird ihr durch ihr Prüfungsrecht des Schiedsspruches nach Artikel 27 der Schiedsgerichtsordnung ermöglicht. Zwar kann die Internationale Handelskammer nur bei formellen Fehlern35 ihre Genehmigung des Schiedsspruches tatsächlich verweigern, doch eröffnet Artikel 27 der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer zudem das Recht, im Laufe des Genehmigungsprozesses des ersten Schiedsentwurfs des jeweiligen Schiedsgerichtes dieses auf Punkte hinzuweisen, die den sachlichen Inhalt des Schiedsspruches betreffen.36 Es ist jedoch anzumerken, dass der Schieds34 Also wenn die Parteien eine Abrede entsprechend dem vierten Klauselvorschlag der ICC-ADR-Regeln vereinbaren. 35 Zu diesen sind lediglich die die äußere Form betreffenden Anforderungen des am Ort des schiedsgerichtlichen Verfahrens geltenden Rechts, das Vorliegen der Begründung, die rechnerische Überprüfung des Rechenwerks, die Frage, ob das Zugesprochene das Beantragte übersteigt sowie die Frage, ob alle Ansprüche durch das Schiedsgericht überprüft und beschieden wurden, zu zählen. Vgl.: Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, S. 744. Anders sieht dies Habscheid, der vor allem an Art. 27 der Schiedsgerichtsordnung kritisiert, dass der in ihr enthaltene Begriff der Form nicht näher definiert wird, und damit das Prüfungsrecht des Schiedsgerichtshofes überdehnt würde. Vgl.: Habscheid, in: RIW 1998, S. 421 ff. (424). 36 Vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, S. 744 f.
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Kapitel VI: Wertung
gerichtshof dem Schiedsgericht lediglich Hinweise bezüglich der Begründung einer Entscheidung geben wird, aufgrund der Entscheidungsfreiheit jedoch nicht den Inhalt der schiedsrichterlichen Entscheidung an sich kommentieren wird.37 Ob dies in der Praxis durch die Internationale Handelskammer tatsächlich eingehalten wird, bleibt dahingestellt, doch ist dies für die vorliegende Frage auch weniger von Belang. Schließlich werden Verstöße gegen die ICCADR-Regeln in der Regel lediglich bei der Begründung eines letztendlichen Schiedsspruches eine Rolle spielen. Insofern kann die Internationale Handelskammer diesbezüglich auch Hinweise an das Schiedsgericht richten. Sie kann also die Durchsetzung der ICC-ADR-Regeln anregen. Zudem eröffnet diese Regelung der Internationalen Handelskammer die Möglichkeit, durch sachliche Argumente und Hinweise auf vorhergegangene Schiedssprüche dem entscheidenden Schiedsgericht darzulegen, welche Linie in der Schiedsrechtsprechung zu den ICC-ADR-Regeln bisher verfolgt wurde und damit eine gewisse Konstanz in der Wirkung der ADR-Regeln zu erreichen. Die Tragweite des Nachdrucks, den ein solcher in der Theorie nicht bindender Hinweis ausübt, ist dabei insbesondere aufgrund der finanziellen Interessen aller Beteiligten eines Schiedsverfahrens nicht zu unterschätzen38 und wird von den Schiedsgerichten in der Regel beachtet werden.39 Alleine die Aussicht der Prüfung des Schiedsspruches durch den Schiedsgerichtshof führt dabei im Vorfeld dazu, dass die Schiedsrichter sich dazu angehalten sehen, bei der Prüfung und Erstellung des Schiedsspruches im Sinne der Vorgaben der Internationalen Handelskammer gute Arbeit zu leisten,40 womit eine kongruente Beachtung der ICC-ADR-Regeln durch die Schiedsgerichte wahrscheinlicher wird. Insgesamt wird dieser Bereich der Einflussnahme durch die Internationale Handelskammer von vielen Autoren besonders kritisch gesehen.41 Nichtsdestoweniger erweist sich dieses Prüfungsrecht bezüglich der Wirksamkeit der ICC-ADR-Regeln als besonders nützlich. Zu einer weiteren Einflussnahme durch die Internationale Handelskammer kommt es zudem im Vorfeld des Prüfungsverfahrens nach Artikel 27 der Schiedsgerichtsordnung. Der Entwurf des Schiedsgerichts wird durch dieses zunächst dem für den Fall verantwortlichen Counsel42 der Internationalen Handelskammer zugestellt, welcher im Rahmen einer informellen Diskussion im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens etwaige Probleme des Entwurfs mit 37
Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 169 f. Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 375. 39 Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 170. 40 Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 171. 41 So z. B.: Habscheid, in: RIW 1998, S. 421 ff. (424 f.). 42 Bei dem Counsel oder auch Conseiller handelt es sich um den mit einem spezifischen Fall beauftragten Referenten im Sekretariat des Schiedsgerichtshofs, welcher durch ein Team aus Juristen und anderer Belegschaft unterstützt wird. Vgl.: ICC, ICC Guide to ICC Arbitra tion, S. 31; Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 23 f. 38
§ 28 Multi-tiered Dispute Resolution und hybride ADR-Verfahren
273
dem Vorsitzenden oder dem Einzelrichter besprechen kann.43 Damit ist es der Internationalen Handelskammer bereits im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens möglich, über den Counsel direkt vor Erstellung des Schiedsspruches sachliche Hinweise zu machen, und damit auch eine der Wirksamkeit der ADRRegeln entsprechende Rechtsprechung zumindest wahrscheinlicher zu machen. Dieser Befund der höheren Wahrscheinlichkeit konstanter und den ICC-ADRRegeln entsprechender Schiedsrechtsprechung wird durch die bisherige Praxis gestützt. So zeigte sich in der ICC-Schiedsrechtsprechung aus der Zeit vor der Einführung der ICC-ADR-Regeln bereits für den Bereich der Eskalationsklauseln eine bemerkenswerte Konsistenz in der Handhabung.44 Es scheint damit wahrscheinlich, dass sich diese Konsistenz auch für den Bereich der ICC-ADRRegeln fortsetzen wird. Da sich Schiedsrechtsprechung wiederum aufgrund der international weitgehenden Vereinheitlichung betreffend die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen gegenüber nationalen Wertungen teilweise durchsetzen kann und die Entscheidungshoheit zunächst aufgrund der Schiedsklausel beim Schiedsgericht verbleibt, entsteht bis zu einem gewissen Grad im Falle der Multi-Tiered Dispute Resolution-Verfahren nach Modell des vierten Klauselvorschlags der ICC-ADR-Regeln ein Verfahrensrahmen, der international weitestgehend von Bestand ist und damit besondere Sicherheit in das Verfahren nach den ICC-ADR-Regeln bringt. Die Einflussnahme durch die Internationale Handelskammer auf die konstante Wirkung und Durchsetzbarkeit der ADR-Regeln in dieser internationalen Dimension ist dabei einzigartig. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Prüfungsrecht in der Form des Artikel 27 der Schiedsgerichtsordnung in dieser Form einmalig in der Welt der Schiedsgerichtsbarkeit ist45 und als prägende Besonderheit des ICC-Schiedsverfahrens gesehen werden kann.46
IV. Zusammenfassung Je nachdem, wie hoch das Sicherungsbedürfnis der Parteien ist, stellt sich die Kombination beider Verfahren damit insgesamt durchaus als eine Möglichkeit dar, erheblich mehr Sicherheit in das ICC-ADR-Verfahren zu bringen. Erst diese Verzahnung ermöglicht es, ein in seiner internationalen Wirkung weitestmöglich festes Verfahren zu gewährleisten. Hierdurch wird jedoch auch ersichtlich, dass bei Vereinbarungen nach den ersten drei Klauselvorschlägen der Internationalen Handelskammer die Wirkung der Abrede und der ADR-Regeln 43
Koch, in: RIW 1999, S. 105 ff. (108). Jiménez-Figueres, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 1/2003, S. 71 ff. (71). 45 Moses, The Principles and Practice of International Commercial Arbitration, S. 10; Schäfer, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, S. 168. 46 Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 370. 44
274
Kapitel VI: Wertung
international weniger stark gesichert ist. Eine tatsächliche Entrechtlichung ist insofern nur dann möglich, wenn sich die Parteien auf ein Multi-Tiered Dispute Resolution-Verfahren einlassen. Doch auch die Frage der Inkompatibilität ist letztendlich nur durch eine Abrede entsprechend dem vierten Klauselvorschlag international tatsächlich absicherbar. Sollten die anwendbaren Rechtsordnungen und zuständigen Gerichte klar bestimmbar sein und adäquate nationale Regelungen zur Flankierung der ICC-ADR-Regeln enthalten, so können die Parteien ohne Verlust an Verfahrensfestigkeit auch auf die anderen drei Klauselvorschläge zurückgreifen. Die Wirksamkeit der ICC-ADR-Regeln lässt sich dann jedoch nur im Lichte des jeweilig anwendbaren Rechts bestimmen. Besonders der Umstand, dass die entscheidungsbefugten Foren hierdurch auf ein Forum begrenzt werden, ergibt somit bei Multi-Tiered Dispute ResolutionVerfahren ein mehr an Klarheit für die Parteien.
Kapitel VII
Fazit Die ICC-ADR-Regeln sind insgesamt ein in weiten Teilen gelungenes Regelwerk, das im Vergleich zu seinen Vorgängern nicht nur eine Weiterentwicklung darstellt, sondern vielmehr das ADR-Verfahren in zentralen Punkten weiterentwickelt hat. Den Worten Youngs “The opportunities for Conciliation are inherent in the Organization itself, and no special code of procedure is necessary, or even desirable, to bring these forces into play”1 folgend wurde mit den ICC-ADR-Regeln grundsätzlich ein Regelwerk geschaffen, das in den ADRStreitbeilegungsprozess an sich weitestgehend nicht eingreift und sich auf einen organisatorischen Rahmen und die Etablierung eines Verfahrensschutzraums beschränkt. So wählte die Internationale Handelskammer im Bereich der Verfahrensqualität einen minimal regulativen Ansatz, der sich auf allgemeine Standards beschränkt und damit in methodischer Hinsicht wenig Einschränkungen mit sich bringt. Besonders überzeugend ist an den ICC-ADR-Regeln zudem, dass eine sehr differenzierte Herangehensweise in ihnen zu finden ist. So wird grundsätzlich die Verantwortung für das ADR-Verfahren bei den Parteien belassen und gleichzeitig ein Weg in das und aus dem ADR-Verfahren vorgezeichnet. Erreicht wird dies in einigen Bereichen dadurch, dass die ICC-ADR-Regeln nur subsidiär im Falle des Fehlens einer anderweitigen Parteiabrede zur Anwendung kommen. In anderen Bereichen bleibt es für die Parteien möglich, die durch die ICC-ADR-Regeln getroffene Festlegung explizit auszuschließen. Grundsätzlich entsteht dadurch ein sehr ausgewogenes System, in dem fast vollständige Parteikontrolle bei gleichzeitiger Absicherung besteht. Im Laufe dieser Arbeit zeigte sich jedoch auch, dass in Teilen die Internationale Handelskammer nicht weit genug ging. Die Bevormundung der Parteien bezüglich hybrider ADR-Verfahrensarten und die generelle Zustimmungshoheit der Internationalen Handelskammer zu Änderungen an den ICC-ADR-Regeln sind Beispiele für diese Bereiche. Hier wurde dem Rat Youngs nicht genug gefolgt. Die Entscheidung darüber, ob eine Partei ein hybrides ADR-Verfahren durchführen will, sollte stets alleine im Ermessen der Parteien liegen. Sollten sich hybride ADR-Verfahren zunehmender Beliebtheit erfreuen, würde die Internationale Handelskammer mit ihren ICC-ADR-Re1
Young, in: ICC Digest No. 3, S. 3.
276
Kapitel VII: Fazit
geln diese Weiterentwicklung verschlafen und sich die ICC-ADR-Regeln schnell als veraltet darstellen. Auch die Zustimmungshoheit bei Änderungen durch die Parteien sollte nicht in dem jetzigen Umfang bei der Internationalen Handelskammer verbleiben. Sinnvoll wäre ein solcher Vorbehalt nur für Änderungen, durch die sich Pflichten auch für die Internationale Handelskammer ergeben würden. In der jetzt bestehenden, jegliche Änderung umfassenden Weite wurde der Internationalen Handelskammer zu viel Einfluss auf das ADR-Verfahren eingeräumt. Neben diesen grundsätzlichen Schwachstellen der ICC-ADR-Regeln, die sich bereits im IV Kapitel dieser Arbeit herauskristallisierten, zeigten sich im Rahmen des V Kapitels zahlreiche kleiner Lücken. Einerseits ergeben sich diese aus den ICC-ADR-Regeln selbst. So ist beispielsweise der durch Artikel 7 ICC-ADR gezogen Kreis derer Unterlagen und Zeugen, die in einem späteren Entscheidungsverfahren nicht mit einbezogen werden können, zu eng gefasst. Diese kleineren Lücken lassen sich jedoch, die Zustimmung der Internationalen Handelskammer vorausgesetzt, durch Änderungen am Regelwerk über Parteiabreden ändern. Schwerer als diese kleinen Lücken in den ICC-ADR-Regeln selber wiegen jedoch die bestehenden Probleme bei der effektiven Wirkung der einzelnen Regelungen. Der Blick in ausgewählte Rechtsordnungen hat dabei gezeigt, dass den ICC-ADR-Regeln von Forum zu Forum eine sehr stark divergierende Wirkung zukommt. Gravierendstes Beispiel ist hier die häufige Missachtung der sich aus den ICC-ADR-Regeln ergebenden Beweisbeschränkungen durch nationale Gerichte. Doch auch die unterschiedliche Wirkung der vier Klauselvorschläge stellt die Parteien eines ICC-ADR-Verfahren vor große Unwägbarkeiten. Alleine bei einer Verzahnung mit einem Schiedsverfahren scheint diesen Problemen grundsätzlich begegnet werden zu können. Dem Rat Winston Churchills “speak softly but carry a big stick, you will go far”2 folgend sollten sich die Parteien daher für den großen Stock Multi-tiered Dispute Resolution-Verfahren entscheiden. Durch die Verzahnung wird dem Manko der fehlenden internationalen Vereinheitlichung bezüglich ADR-Verfahren dadurch begegnet, dass das ADR-Verfahren an der internationalen Vereinheitlichung der Regelungen zu Schiedsverfahren teilhat. Dabei kommt nicht allein der vierte Klauselvorschlag der ICC-ADR-Regeln in Betracht, sondern auch eine Kombination der ersten drei Klauselvorschläge mit der Standard-Schiedsabrede der Internationalen Handelskammer. Setzt man voraus, dass die Parteien die oben3 vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen vornehmen und zudem sich für die Verzahnung des ICCADR-Verfahrens mit einem ICC-Schiedsverfahren entscheiden, so kommt man
2 3
Miller, Theodore Roosevelt, S. 337. Kapitel VI § 27.
Kapitel VII: Fazit
277
insgesamt zu einem Regime, dass grundsätzlich einen ausgewogenen Ausgleich zwischen funktionalen und rechtlichen Aspekten bildet. Gegen diese Gesamtlösung sollten sich die Parteien nur entscheiden, wenn dies nach Abwägung mit Gründe wie zum Beispiel der Beschleunigung oder der Verbilligung des ADRVerfahrens opportun erscheint.
Kapitel VIII
Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer Mit Wirkung zum 1. Januar 2014 wurden die ICC-ADR-Regeln durch ein neues Regelwerk der International Handelskammer für einvernehmliche Streitbeilegung ersetzt – die ICC-Mediations-Regeln1 („Mediations-Regeln“). Diese Ablösung kam dabei keinesfalls überraschend, zumal die Internationale Handelskammer regelmäßig alle 10 bis 15 Jahre ihre Regelwerke überarbeitet. Durch die Abkehr vom Begriff der „ADR-Regeln“ stellt sich jedoch die Frage, ob nicht nur eine „routinemäßige“ Überarbeitung der ICC-ADR-Regeln stattgefunden hat, sondern vielmehr eine völlige Neuausrichtung der Regeln vorgenommen wurde.
§ 29 Die Entwicklung und Einführung der neuen Mediations-Regeln Dem Inkrafttreten der Mediations-Regeln zum 1. Januar 2014 ging ein Überarbeitungsprozess der ICC-ADR-Regeln voraus, der durch eine Task Force2 der ICC Commission on Arbitration and ADR3 durchgeführt wurde.4 Dabei wurden durch die Internationale Handelskammer drei Hauptziele mit der Überarbeitung verfolgt: 1 Die neuen ICC Mediations-Regeln (im Englischen “Mediation Rules” genannt) wurden ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 11 ff. veröffentlicht und sind online abrufbar unter http:// www.iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Mediation/Rules/ICC-Mediati on-Rules-and-Guidance-Notes-in-several-languages/ (Stand 10. März 2016). 2 Diese Task Force bestand aus rund 90 ADR-Spezialisten aus 29 Ländern, die entweder Mediationsnutzer, Mediatoren, Berater oder Streitbeilegungsspezialisten waren. 3 Die ICC Commission on Arbitration and ADR kann als “Think Tank” der Internationalen Handelskammer gesehen werden, der unter anderem die wesentlichen fachlichen Entwicklungen der Internationalen Handelskammer vorbereitet und die Streitbeilegungsregelwerken der Internationalen Handelskammer überarbeitet. Vgl. näher zu den Aufgabe ICC, Mediation Guidance Notes, S. 19. 4 So erklärt durch Hannah Tümpel, seinerzeit Leiterin des Internationalen ADR-Zentrums der ICC, in einem Interview über die neuen ICC Mediations-Regeln. Das ganze Interview ist abrufbar unter http://www.youtube.com/watch?v=QtrpNayxVbo#t=519 (Stand 10. März 2016).
§ 29 Die Entwicklung und Einführung der neuen Mediations-Regeln
279
1. Anpassung der Regeln an die bestehenden Erfahrung des Internationalen ADR-Zentrums der ICC („ADR-Zentrum“) bei gleichzeitiger Beibehaltung der Flexibilität; 2. Anpassung der Regeln an die neueren Entwicklungen im Bereich der ADRund Mediationsverfahren und 3. Anpassung an die ICC Schiedsordnung aus dem Jahr 2009.5 Nachdem die durch die Task Force erarbeiteten neuen Mediations-Regeln durch die ICC Commission on Arbitration and ADR am 23. Mai 2013 und kurz drauf von dem ICC Executive Board bestätigt wurden,6 wurden sie am 4. Dezember 2013 offiziell in Paris im Rahmen einer “launch conference” sowohl Vertretern von anwendenden Unternehmen als auch Mediations- und Streitbeilegungsspezialisten vorgestellt.7 Die Kernaussage der Reden auf dieser offiziellen “launch conference” war dabei, dass mit der Ablösung der alten ICC-ADR-Regeln keine Revolution verbunden sei, sondern die neuen Mediations-Regeln vielmehr eine behutsam Weiterentwicklung und Anpassung der alten ICC-ADR-Regeln an die Bedürfnisse der Benutzer seien.8 Die Leiterin des ADR-Zentrums, Frau Hannah Tümpel, faste dabei diese Kernaussage mit den Worten zusammen: “There’s no earth-shaking new change to the rules. The old ADR rules worked but we wanted to ensure that we take into consideration our lessons learned, having administered international commercial mediation cases since 2001”.9
Obwohl die Überarbeitung nach eigener Aussage der Internationalen Handelskammer also keine „Revolution“ darstellte, entschied sie sich dennoch dafür, die offizielle Einführung nicht nur auf die launch conference in Paris zu beschränken, sondern breit aufgestellte eine ganze Reihe von regionalen Einführungsveranstaltungen zu organisieren. So fanden etwa am 3. März 2014 in London, am 17. März 2014 in Kuala Lumpur und am 25. März in Hong Kong Einführungsveranstaltungen statt.10
5
Vgl. ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (6). ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (6). 7 Vgl. http://www.iccwbo.org/News/Articles/2013/New-ICC-Mediation-Rules-unveiledat-global-launch-event/ (Stand 10. März 2016). 8 Auch dieser Meinung ist Klowait, in: Disp. Res. 1/2013, S. 10 ff. 9 Vgl. http://www.iccwbo.org/News/Articles/2013/New-ICC-Mediation-Rules-unveiledat-global-launch-event/ (Stand 10. März 2016). 10 http://www.iccwbo.org/News/Articles/2014/ICC%E2 %80 %99s-new-MediationRules-to-star-in-2014-world-tour/ (Stand 30. Oktober 2014). 6
280 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer
§ 30 Änderungen Trotz der nach dem Verständnis der Internationalen Handelskammer nicht als grundlegende Abkehr geplanten Überarbeitung finden sich in den neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer dennoch zahlreiche Abweichungen von den abgelösten ICC-ADR-Regeln, die die Frage aufkommen lassen, ob durch die Überarbeitung nicht doch wesentliche Punkte neu geregelt wurden und sich daher das Verfahren unter den neuen Mediations-Regeln durchaus signifikant von dem unter den ICC-ADR-Regeln unterscheidet.
I. Die Bezeichnung Die augenscheinlichsten Änderung durch die Mediations-Regeln ist die Abkehr von der ursprünglichen Begrifflichkeit der “Amicable Dispute Resolution” hin zur Mediation. Grund für diese Abkehr war nach Aussage der Internationalen Handelskammer, dass man im Rahmen der Evaluation der unter den ICC-ADRRegeln durchgeführten Verfahren festgestellt hatte, dass es sich bei der Mehrzahl der Verfahren um Mediationsverfahren gehandelt hatte.11 Ausweislich der durch die Internationale Handelskammer veröffentlichten jährlichen Statistiken, waren etwa im Jahr 2009 rund 90 Prozent12 und im Jahr 2011 rund 55 Prozent13 der unter den ICC-ADR-Regeln durchgeführten Verfahren tatsächlich Mediationsverfahren. Insofern erscheint die Umbenennung auf den ersten Blick durchaus konsequent. Da überdies unter den Mediations-Regeln trotz der Abwendung vom Begriff der ADR-Regeln weiter auch andere ADR-Verfahrensarten als nur Mediationsverfahren durchgeführt werden können,14 erscheint die Umbenennung jedoch eher eine reine Marketingmaßnahme zu sein.
II. Publikationsform Neben dem neuen Namen wurde auch die Art und Weise der Publikation der Regeln vollkommen überarbeitet. Zum einen wurde die ehemalige Einteilung der unterschiedlichen Verfahrensordnungen in grüne und rote Verfahren15 aufgegeben. So sind die Titelseiten 11 Die ICC spricht hier von 90 Prozent der Verfahren ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull, Vol. 24 Nr. 2 2013, S. 5 ff. (6). Vgl. hierzu auch die Aussage von der Leiterin des ADR-Zentrums, Frau Hannah Tümpel, in einem mit ihr geführtem Interview, abrufbar unter http://www. youtube.com/watch?v=QtrpNayxVbo#t=519 (Stand 10. März 2016). 12 ICC, 2009 Statistical Report, S. 15. 13 ICC, 2011 Statistical Report, S. 16. 14 Siehe eingehender hierzu sogleich unter Kapitel VII § 31 III 3. 15 Vgl. näher hierzu Kapitel III § 8 V.
§ 30 Änderungen
281
aller Streitbeilegungsverfahrensordnungen der Internationale Handelskammer nunmehr in grüner Farbe gehalten. Zum anderen werden die Mediations-Regeln wieder als Teil der Schiedsordnung publiziert, beginnend mit der Seite 73.16 Die alten ICC-ADR-Regeln wurden hingegen zunächst separat veröffentlicht, wobei die letzte auf der Internetseite der Internationalen Handelskammer abrufbare Version der ICC-ADR-Regeln auch mit der Seite 67 begann. Weiter fällt auf, dass die Kosten des Verfahrens zwar immer noch in einem Anhang zu den eigentlichen Mediations-Regeln veröffentlicht werden, dieser Anhang aber um einiges umfangreicher ist als der alte Kostenanhang.17 Noch weiter ging die Internationale Handelskammer bei ihre Überarbeitung bei den Klauselvorschlägen; diesen wurde nun ein eigener Teil mit Titelblatt gewidmet. In diesem Teil werden die einzelnen Klauseln auch näher beschrieben und erläutert. Ähnlich weitgehend wurde der Leitfaden überarbeitet; dieser wurde ausgegliedert und als eigene Publikation mit dem Titel “Mediation Guidance Notes” veröffentlicht.
III. Präambel/Einführende Bestimmungen Die neuen Mediations-Regeln verzichten im Unterscheid zu den alten ICCADR-Regeln nunmehr vollkommen auf eine Präambel. Die Funktion einführender Wort hat bei den Mediations-Regeln vielmehr der Artikel 1 übernommen, der nicht mehr mit „Anwendungsbereich der ICC-ADR-Regeln“ überschrieben ist, sondern mit „Einführende Bestimmungen“. Diese Änderung ist grundsätzlich zu begrüßen, zumal bei der alten Präambel der ICC-ADR-Regeln die Frage inwieweit ihr Inhalt die Parteien tatsächlich bindet nicht gesichert war.18 Da der Inhalt nun aber in einem Artikel der Mediations-Regeln enthalten ist, erfolgt mit der Vereinbarung einer der Klauselvorschläge auch eine direkte Einbeziehung des Inhalts der einführenden Bestimmungen, da in den Klauselvorschlägen die Beantragung eines Verfahrens nach den ICC-Mediations-Regeln vereinbart wird. Insofern ist für die Parteien der Mediationsvereinbarung eine gewisser Zuwachs an Rechtssicherheit bezüglich dieses Punkts zu verzeichnen. Nicht nur bezüglich der Überschrift, sondern auch vom Inhalt her entwickelt sich Artikel 1 der Mediations-Regeln von der bloßen Festlegung des Anwendungsbereichs der Regeln auf internationale und nationale Wirtschaftsstreitigkeiten hin zu einer generellen Anwendbarkeit bei Streitigkeiten. Diese Änderung ist zunächst zu begrüßen, da insoweit die mitunter schwierige Abgrenzung19 16
ICC, Mediations-Regeln, S. 73. alte Kostenanhang machte lediglich eine Seite aus (Vgl. ICC, ICC-ADR-Regeln, S. 16), wohingegen der neue Kostenanhang 4 Seiten umfasst und in Artikel gegliedert ist (Vgl. ICC, Mediations-Regeln, S. 84–87). 18 Vgl. hierzu oben unter Kapitel IV § 12 I. 19 Vgl. hierzu oben unter Kapitel V § 16 I 1. 17 Der
282 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer des sachlichen Anwendungsbereichs nunmehr entfällt. Auf der anderen Seite entsteht das Problem, dass die Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer nunmehr auch für die Beilegung von solchen Streitigkeiten verwendet werden können, die an sich eines auf sie angepassten Verfahrens bedürfen und zudem nicht im eigentlichen Aufgabenfeld der Internationalen Handelskammer liegen (z. B. Familien- oder Erbrechtsstreitigkeiten).20
1. Verwaltungshoheit In Absatz 5 des Artikels 1 wurde durch die Internationale Handelskammer explizit aufgenommen, dass das ADR-Zentrum die einzige Institution ist, die zur Verwaltung von Verfahren gemäß den Mediations-Regeln befugt ist. Hier stellt sich die Frage, welche Wirkung sich aus dieser Regelung ergibt und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen Absatz 5 hat.21 Dem Wortlaut nach entschied sich die Internationale Handelskammer für eine sehr rigide gefasste Regelung. So wurde nicht etwa eine Formulierung gewählt, der etwa beispielsweise einer Gerichtsstandsklausel ähnelt und insofern auf eine Prorogation seitens der Parteien hindeuten würde.22 Es wurde vielmehr der Wortlaut eines impliziten Verbots gewählt, der nahelegt, dass die primäre Zielrichtung von Absatz 5 die Begründung von Rechten bzw. der Schutz von Interessen der Internationalen Handelskammer ist. Fraglich bleibt, welche materiell-rechtliche Wirkung dieses implizite Verbot in den einzelnen Rechtsordnungen entfaltet. Nach deutschem Recht wäre bereits die personelle Reichweite der Verpflichtungswirkung der Klausel zunächst auf das Verhältnis der Parteien untereinander begrenzt, zumal eine weitergehende Regelung wohl als Vertrag zu Lasten Dritter nach deutschem Recht für den Dritten – z. B. einer dritten Institution – keine Pflichten begründen könnte.23 Sekundäre Rechtsbehelfe können damit bei einem Verstoß gegen das implizite Verbot des Absatzes 5 auch nur gegen die jeweiligen Parteien der Mediationsabrede entstehen. Würde etwa eine Partei einseitig ein Verfahren nach den Mediations-Regeln vor einer anderen Institution als dem ADR-Zentrum einleiten, würde insofern ein Schadensersatzanspruch der anderen Partei gegen die einleitende Partei entstehen. Bedenkt man, dass hierdurch die erfolgreiche Durchführung eines Mediations20
Vgl. hierzu oben unter Kapitel V § 16 I 1. Die Probleme die sich in Verbindung mit dem Absatz 4 ergeben werden sogleich unter Kapitel VII § 31 III 2 näher betrachtet. 22 Z. B.: „Die Parteien vereinbaren bezüglich der Organisation und/oder Verwaltung des Verfahrens nach den ICC-Mediations-Regeln die ausschließliche Zuständigkeit des Internationalen ADR-Zentrums der ICC“. 23 BGH, NJW 1981, S. 275 ff.; BVerfG, NJW 1987, S. 827 ff. (828); MünchKommBGB/ Gottwald, § 328 Rn. 250 ff.; Palandt/Grüneberg, Einf. v. § 328, Rn. 10. 21
§ 30 Änderungen
283
verfahrens erheblich verzögert werden könnte und dass hierdurch ein in Einzelfällen erheblicher Verzugsschaden eintreten könnte, so ist ein solcher Anspruch auch nicht als „zahnlos“ zu sehen. Die personelle Reichweite in Bezug auf die begünstigende Wirkung des Absatzes 5 ist nach deutschem Recht allerdings weiter zu sehen als nur die Parteien der Mediations-Abrede umfassend. So dürfte Artikel 5 Absatz 1 der Mediations-Regeln dahingehend auszulegen sein, dass in ihm ein Vertrag zu Gunsten Dritter – hier dem ADR-Zentrum bzw. der Internationalen Handelskammer – i. S. v. § 328 BGB zu sehen ist. Der insoweit notwendige eigenständige Leistungsanspruch24 der Internationalen Handelskammer ist der in Artikel 1 Absatz 5 implizit enthaltene Unterlassungsanspruch. Fraglich bleit natürlich, was Rechtsfolge der Durchführung eines Verfahrens nach den Mediations-Regeln vor einer dritten Institution in Bezug auf diesen Unterlassungsanspruch wäre. Ein Schadensersatzanspruch wäre etwa alleine auf einen entgangenen Gewinn des ADR-Zentrum bzw. der Internationale Handelskammer begrenzt, zumal andere Schadenspositionen nur schwer denkbar sind. Zuletzt entfaltet Absatz 5 allerdings in Verbindung mit den Klauselvorschlägen C und D25 auch noch eine prozessrechtliche Wirkung. So wird durch die in den Klauseln enthaltene Verpflichtung gleichzeitig auch die Durchführungspflicht der beiden Klauselvorschläge C und D näher dahingehend konkretisiert, das zwingend ein Verfahren beim ADR-Zentrum einzuleiten ist. Damit kommt Absatz 5 auch eine prozessrechtliche Wirkung zu, zumal die prozesshindernde Wirkung der Klauselvorschläge C und D durch Artikel 1 Absatz 5 näher dahingehend konkretisiert wird, dass zuerst ein Verfahren nach den Mediations-Regeln unter Organisationshoheit des ADR-Zentrums durchzuführen ist.26 Abschließend stellt sich die Frage, warum die Regelung des Artikels 1 Absatz 5 der Mediations-Regeln in dieser Form aufgenommen werden musste. Die in ihm enthaltene Schutzwirkung zu Gunsten der Parteien beschränkt sich darauf, dass eine Partei ihre Durchführungsverpflichtung nach dem Klauselvorschlag C oder D nicht dadurch erfüllen kann, dass sie bei einem beliebigen Dritten ein Verfahren nach den Mediations-Regeln einleitet. Dies hätte die Internationale Handelskammer aber auch mit einer einfachen, einer Gerichtsstandsklausel ähnelnden Regelung erreichen können. Die jetzige Regelung wirft hingegen einige zusätzliche Fragen auf, zumal ihre Wirkung wieder jeweils nach dem anwendbaren Recht zu bestimmen ist und der jetzige Wortlaut nicht ganz klar zum Ausdruck bringt, was genau geregelt werden soll. 24 MünchKommBGB/Gottwald,
§ 328 Rn. 21; Palandt/Grüneberg, § 328, Rn. 3. Vgl. näher zu den Klauselvorschläge Kapitel VIII § 30 XII. 26 Dies gilt natürlich auch in Bezug auf andere Rechtsordnungen, in denen den Klauselvorschlägen C und D eine solche prozessrechtliche Wirkung zukommt, wie etwa in Deutschland. Vgl. hierzu Kapitel V § 15 II 4 a ee. 25
284 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer 2. Änderungen der Regeln durch die Parteien Das Zustimmungserfordernis der Internationalen Handelskammer zu Änderungen der Regeln wurde hingegen vermeintlich entschärft. Die neuen Regeln sehen in Artikel 1 Absatz 4 nunmehr vor, dass die Regeln durch die Parteien grundsätzlich abgeändert werden dürfen.27 Gleichzeitig behält sich die Internationale Handelskammer allerdings vor, ein Verfahren unter abgeänderten Regeln nicht zu verwalten. Einerseits erscheint diese Regelung durchaus als angebracht, zumal die Internationale Handelskammer die Möglichkeit haben sollte, sich einer für sie nachteiligen abgeänderten Verfahrensordnung zu entziehen. Auf der anderen Seite erscheint die jetzige Lösung jedoch als unbefriedigend, zumal bei einer Vereinbarung über die Anwendung abgeänderter Mediations-Regeln stets die Gefahr besteht, dass im Streitfall die Internationale Handelskammer die Durchführung des Verfahrens verweigert. Dieses Problem verschärft sich noch dadurch, dass die Internationale Handelskammer unter Artikel 1 Absatz 5 der Mediations-Regeln ja das Zentrum als einzige Institution festlegt, welche zur Verwaltung von Verfahren gemäß den Mediations-Regeln befugt ist. Hier stellt sich die Frage, was passieren soll, wenn die Internationale Handelskammer einmal die Durchführung eines Verfahrens verweigert. Um einen vollkommenen Stillstand der Streitbeilegung und einen etwaigen Rechtsverlust der Parteien zu verhindern, sollte hier davon auszugehen sein, dass mit der Absage der Internationalen Handelskammer auch die Bindungswirkung der vereinbarten ADR-Abrede entfällt und die Parteien insoweit frei darin sind, ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Unbefriedigend dabei ist wiederrum, dass es vor diesem Hintergrund in den Händen der Internationalen Handelskammer liegt, ob einer Klausel faktisch eine Bindungswirkung zukommt oder nicht.
3. Verfahrensart Bezüglich der unter den Mediations-Regeln zur Anwendung kommenden Verfahrensart bleibt es gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Mediations-Regeln bei dem bereits unter Artikel 5 Absatz 2 der ICC-ADR-Regeln begründeten Grundsatz, dass im Zweifel eine Mediation unter den Mediations-Regeln zur Anwendung kommt. Sollten die Parteien allerdings gemeinsam vor Ernennung des Mediators zusammen eine andere Streitbelegungsmethode oder Kombination von Streitbeilegungsmethoden gewählt haben, so kommt gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Mediations-Regeln diese und nicht die Mediation zur Anwendung. Nach Ernennung des Mediators ist die Wahl einer anderen Streitbeilegungsmethode 27 „Die Regeln können durch Vereinbarung aller Parteien abgeändert werden“. ICC, Mediations-Regeln, S. 74.
§ 30 Änderungen
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hingegen gemäß Artikel 1 Absatz 3 nur noch mit Einverständnis des Mediators möglich. Insgesamt bleiben die Mediations-Regeln trotz ihrer Namensänderung damit weiter sehr methodenoffen, wobei nunmehr explizit auch Kombinationen von Streitbeilegungsmethoden unter den Mediations-Regeln anerkannt werden. Das Erfordernis des Einverständnisses des Mediators nach dessen Ernennung ist notwendig, da der Mediator nicht gezwungen sein sollte, Verfahren durchzuführen, die er entweder nicht für passend erachtet oder für deren Durchführung ihm das Verfahrenswissen fehlt.
4. Restliche Absätze Die restlichen Absätze bzw. Teile des neuen Artikels 1 sind erklärender Natur und umschreiben die Rolle des ADR-Zentrums innerhalb des Verfahrens nach den Mediations-Regeln, den Zweck der Mediations-Regeln sowie die grobe Einleitung des Verfahrens. Insofern wird durch Artikel 1 auch ein grober Einblick darüber gegeben, wie das Verfahren grundsätzlich abläuft.
IV. Einleitung des Verfahrens Im Bereich der Einleitung des einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens ist die auffälligste Neuerung an den Mediations-Regeln, dass nunmehr zwei Artikel (Artikel 2 und 3) die Einleitung des Verfahrens regeln, wobei Artikel 2 die Einleitung des Verfahrens bei Bestehen einer Mediationsabrede regelt und Artikel 3 die Einleitung in Abwesenheit einer Mediationsabrede behandelt. Unter den alten ICC-ADR-Regeln wurde die Einleitung noch allein in dem in die Teile A und B untergliederten Artikel 2 geregelt.
1. Einleitung bei Bestehen einer Mediationsabrede, Artikel 2 Im Rahmen der Einleitung des Verfahrens bei Bestehen einer Mediationsabrede kam es durch die neuen Mediations-Regeln im Vergleich zu den alten ICC-ADR-Regeln zu einigen Veränderungen. Zum einen muss der schriftliche Antrag auf Durchführung eines Verfahrens nach den Mediations-Regeln nunmehr noch mehr Informationen als unter den ICC-ADR-Regeln enthalten. So müssen die Parteien etwa bereits Angabe zur Streitbeilegungsmethode, dem Ort der Streitbeilegung, Fristen für das Verfahren und die Sprache des Verfahrens machen. In jedem Einzelfall soll die Partei dabei entweder eine bestehenden Vereinbarung über den jeweiligen Punkt mitteilen oder aber in deren Abwesenheit einen entsprechenden Vorschlag machen. Grundsätzlicher Vorteil dieser Neuerung ist es, dass bereits bei Einleitung des Verfahrens wesentliche Punkte
286 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer der Verfahrensgestaltung aufgeworfen werden und so eine beschleunigte Aufnahme der eigentlichen Streitbeilegung erwartet werden kann. Eine weitere Neuerung ist, dass das Internationale ADR-Zentrum der ICC nunmehr nach Absatz 4 des Artikels 2 der antragstellenden Partei den Eingang sowohl des Antrags auf Durchführung des Verfahrens nach den MediationsRegeln als auch der Registrierungsgebühr28 schriftlich bestätigt. Dabei verfolgt diese Neuerung nicht nur den Zweck, die antragstellende Partei zu informieren. Vielmehr kommt dieser schriftlichen Bestätigung nunmehr eine zentrale Bedeutung in Bezug auf den Zeitpunkt des Verfahrensbeginns zu. Gemäß Absatz 5 des Artikels 2 gilt bei Bestehen einer Vereinbarung über die Anwendbarkeit der Mediations-Regeln zwar weiter der Eingang des Antrags beim ADR-Zentrum als Zeitpunkt des Verfahrensbeginns. In Absatz 6 des Artikels 2 findet sich nunmehr jedoch eine Ausnahme von dieser Grundregel. Diese Ausnahme greift immer dann, wenn die Parteien eine ADR-Klausel vereinbart haben, in der eine Lauffrist des Verfahrens nach den Mediations-Regeln enthalten ist, die mit Antragseinbringung beginnt. Beispiel einer solchen Klausel wäre etwa der neue Klauselvorschlag D der Internationalen Handelskammer, der eine Frist von 45 Tagen ab Einbringung eines Antrags vorsieht. In Abweichung zur Grundregel des Absatzes 5 gilt hier der Tag der Bestätigung nach Absatz 4 als Zeitpunkt des Verfahrensbeginns.29 Fallen dabei die Bestätigung des Eingangs des Antrags und des Eingangs der Registrierungsgebühr auseinander, so gilt die spätere Bestätigung als maßgeblich. Grund für diese Änderung war dabei die Verhinderung der Umgehung von tatsächlichen Gesprächen in Rahmen von Multi-tiered Dispute Resolution Abreden.30 Hier war es einer Partei möglich, zunächst das Verfahren per Antrag einzuleiten und dann Gespräche zu verhindern, indem sie die Zahlung der Registrierungsgebühr hinauszögerte. Da die Bindungsfrist der ADR-Abrede mit Einreichung des Antrags zu laufen begann und Gespräche mit dem Neutralen erst stattfanden, wenn auch die Gebühr entrichtet wurde, konnten Gespräche so umgangen werden. Dies ist nunmehr nicht mehr möglich, was las positive Neuerung zu bewerten ist.
2. Einleitung ohne Mediationsabrede, Artikel 3 Auch die Regelungen bezüglich der Einleitung eines Verfahrens in Ermangelung einer vorherigen ADR- bzw. Mediationsabrede nach den MediationsRegeln der Internationalen Handelskammer haben sich im Rahmen der Überarbeitung geändert. 28 Diese beträgt gem. Artikel 1 des Anhangs-Honorare und Kosten 2.000,00 US$. Vgl. näher hierzu weiter unten unter Kapitel VII § 31 IX 1. 29 ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (7). 30 ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (7).
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In Absatz 1 des Artikels 3 ist nunmehr die Rolle des ADR-Zentrums bei der Einleitung explizit geregelt worden.31 So findet sich hier die Regelung, dass das Internationale ADR-Zentrum der ICC im Rahmen der Einleitung unterstützend tätig werden kann, indem es die nicht einleitenden Parteien bei der Abwägung des Vorschlags auf Durchführung eines Verfahrens nach den Mediations-Regeln unterstützt. Der Wortlaut wurde dabei extra weit gefasst, um möglichst alle Maßnahmen einzuschließen, welche das ADR-Zentrum als sinnvoll erachtet (z. B. Telefongespräche mit nur einer Partei oder aber Telefonkonferenzen mit allen Parteien).32 Zudem ist in Artikel 3 auch der Zeitpunkt des Verfahrensbeginns im Vergleich zu den ICC-ADR-Regeln differenzierter und klarer geregelt. Gemäß Absatz 3 des Artikels 3 ist – wie bereits bei Artikel 2 – nunmehr die schriftliche Bestätigung des ADR-Zentrums für den Beginn maßgeblich. Im Unterschied zu Artikel 2 ist es allerdings nicht die schriftliche Bestätigung des Eingangs des Antrags bzw. der Registrierungsgebühr, sondern vielmehr die Bestätigung, dass sich die Parteien auf die Durchführung des Verfahrens geeinigt haben. Besonders interessant ist hieran, dass dem ADR-Zentrum hiermit eine gewisse Entscheidungshoheit übertragen wird und insofern im Rahmen der Überarbeitung die Rolle des ADR-Zentrums innerhalb des Verfahrens erheblich gestärkt wurde. Diese Tendenz setzt sich bei der Frage der Annahmefrist der Aufforderung zur Durchführung eines Verfahrens nach den Mediations-Regeln fort. Wie auch bereits unter den alten ICC-ADR-Regeln können sich die Parteien innerhalb eines fixen Zeitraums von 15 Tagen nach Empfang des Antrags durch das ADR-Zentrum über die Durchführung des Verfahrens einigen. Erfolgt in diesem Zeitraum keine Einigung, so wird gemäß Absatz 4 des Artikels 3 kein Verfahren eingeleitet, womit verspätete Einigungen grundsätzlich nicht zur Einleitung eines Verfahrens führen. Diese Regelung wurde im Rahmen der Überarbeitung beibehalten. Daneben findet sich nunmehr in Absatz 4 des Artikels 3 jedoch ein wesentlicher Zusatz. Hier wird dem ADR-Zentrum die Möglichkeit eingeräumt, die 15-tägige Einleitungsfrist „[…] in angemessener Weise“ zu verlängern. Insofern übernimmt das ADR-Zentrum nunmehr über die neu festgesetzte beratende Rolle hinaus auch noch eine verfahrensgestaltende Rolle. Damit ist das ADR-Zentrum bereits im Rahmen der Einleitung ein zentrales „Organ“ des Verfahrens, womit die unter den alten ICC-ADR-Regeln noch bestehende passive Rolle im Rahmen der Einleitung aufgegeben wurde.
31 32
Klowait, in: Disp. Res. 1/2013, S. 10 ff. (10). ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (7).
288 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer V. Ort und Sprache der Mediation Neu ist zudem Artikel 4 der Mediations-Regeln. In ihm wird nunmehr explizit geregelt, dass, sollten sich die Parteien nicht über den Ort oder die Sprache des Verfahrens einigen können, es primär dem ADR-Zentrum obliegt, Ort und Sprache der Mediation festzulegen. Nur wenn der Mediator (vormals unter den ICC-ADR-Regeln Neutraler genannt33) durch das ADR-Zentrum hierzu eingeladen wird, obliegt es dem Mediator die Sprache und den Ort des Verfahrens zu bestimmen. Grund für diese Änderung war, dass der Mediator durch eine Entscheidung über den Verfahrensort bzw. die Verfahrenssprache grundsätzlich Gefahr läuft, von den Parteien nicht mehr als Neutral wahrgenommen zu werden.34 Genau dies versucht die Internationale Handelskammer durch die Änderung zu umgehen. Durch die Änderung wird die Stellung und Bedeutung des ADR-Zentrums im Verfahren nach den Mediations-Regeln allerdings erheblich neu definiert. Im Rahmen der Einleitung des Verfahrens nach den neuen Mediations-Regeln wurde dem ADR-Zentrum nur eine eigene Entscheidungsbefugnis eingeräumt. Durch die Stufenregelung des Artikels 4 wird das ADR-Zentrum nach den neuen Bestimmungen auch noch in seiner Entscheidungsbefugnis über den Mediator gestellt. Insofern ist es – zumindest teilweise – neuerdings das ADR-Zentrum, das die primäre Kontrolle über den Verfahrensgang nach den Mediations-Regeln innehat. Der neutrale Dritte wird durch die Revision der Regeln damit zumindest teilweise seiner Entscheidungshoheit beraubt. Der Schutz der durch die Parteien wahrgenommenen Neutralität des Mediators geht insofern stark zu Lasten der durch die Parteien wahrgenommenen Autorität des Mediators.
VI. Auswahl des Mediators Das Grundverfahren der Auswahl eines Mediators hat sich durch die Einführung der Mediations-Regeln im Vergleich zu den alten ICC-ADR-Regeln nicht geändert. Weiter verbleibt die Auswahlentscheidung primär bei den Parteien. Das ADR-Zentrum wählt nur dann einen Mediator aus, wenn es hiermit von den Parteien beauftragt wird. Den Parteien steht es dann wiederum innerhalb eines Zeitraums von 15 Tagen frei, sich gegen die Auswahl des ADR-Zentrums auszusprechen. Dieses Grundverfahren wurde jedoch im Rahmen der Revision der Regeln differenzierter ausgestaltet. Dies zeigt sich bereits am Umfang der neuen Regelung. So setzt sich Artikel 5 nunmehr aus 6 Absätzen anstatt – wie unter den alten ICC-ADR-Regeln – nur aus 4 Absätzen zusammen. Dabei wurde 33 Vgl. die Präambel der ICC-ADR-Regeln, ICC, ADR Regeln und Leitfaden für ICC ADR, S. 7. 34 ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (8).
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insbesondere das Auswahlverfahren durch das ADR-Zentrum detaillierter gestaltet. Können sich die Parteien nunmehr nicht auf einen Mediator einigen, so schlägt das ADR-Zentrum den Parteien entweder eine Liste von Mediatoren vor oder ernennt direkt einen einzelnen Mediator. Der Vorschlag des ADR-Zentrums beruht dabei gemäß Artikel 5 Absatz 5 der Mediations-Regeln auf einem Vorschlag eines ICC-Nationalkomitees, einer ICC-Gruppe oder aber aufgrund eines sonstigen Vorgehens. Sollte das ADR-Zentrum eine Liste von Mediatoren den Parteien vorschlagen, so wird der neutrale Dritte grundsätzlich durch die Parteien gemeinsam aus der Liste ausgewählt. Sollten sich die Parteien auch hier nicht einigen, so übernimmt das ADR-Zentrum die Auswahl. Die Auswahl durch das ADR-Zentrum ist durch die Überarbeitung der Regeln transparenter geworden. In Absatz 4 des Artikels 5 der Mediations-Regeln finden sich nunmehr verschiedene Faktoren wie etwa Staatsangehörigkeit, Sprachkenntnisse oder Erfahrungen, welche das ADR-Zentrum bei der Auswahl eines Mediators zu berücksichtigen hat. Unter den alten ICC-ADR-Regeln war die Grundlage für die Auswahlentscheidung des ADR-Zentrums noch offen gelassen worden, wenn die Parteien der Internationalen Handelskammer keine Vorgaben gemacht hatten.35 Neu eingeführt wurde mit den Mediations-Regeln darüber hinaus, dass der Mediator im Rahmen der von ihm abzugebenden Unabhängigkeitserklärung auch eine schriftliche Erklärung über seine zeitliche Verfügbarkeit abgeben muss. Hierdurch trifft den Mediator eine weitgehende Verpflichtung, zügig mit den Parteien eine Beilegung der Streitigkeiten zu erreichen, zumal von Anfang an klar offengelegt wird, in welchem zeitlichen Umfang die Parteien auf die Dienste des Mediators zurückgreifen können. Wie auch unter den ICC-ADRRegeln leitet das ADR-Zentrum diese Informationen dann auch an die Parteien weiter. Neu ist allerdings, dass das ADR-Zentrum mit der Mitteilung den Parteien auch noch eine Frist zur Stellungnahme setzt. Insofern sind die Parteien gehalten, ihre Bedenken zügig zu äußern und nicht zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren plötzlich Punkte aufzuwerfen, die am Anfang des Verfahrens zu diskutieren gewesen wären.
VII. Durchführung und Beendigung des Verfahrens Die wesentlichste Änderung bezüglich der tatsächlichen Durchführung des Verfahrens findet sich in der Abkehr von einer durch Konsens aller Parteien des Verfahrens getragenen Entscheidung darüber, wie das Verfahren genau durchgeführt wird. Unter den alten ICC-ADR-Regeln war in Artikel 5 Absatz 1 noch vorgesehen, dass sich die Parteien zusammen mit dem Neutralen auf eine be35
Vgl. Kapitel V § 17 I 2.
290 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer stimmte ADR-Prozedur einigen. Unter Artikel 7 Absatz 1 der Mediations-Regeln erörtert der Mediator mit den Parteien hingegen nur noch die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens. Wie das Verfahren tatsächliche durchgeführt werden wird, entscheidet der Mediator jedoch allein, wobei er sich gemäß Artikel 7 Absatz 3 von den Wünschen der Parteien lediglich leiten lässt. Seine Entscheidung teilt er den Parteien gemäß Artikel 7 Absatz 2 schriftlich mit. Durch diese Änderung kommt es bezüglich der Durchführung des Verfahrens konsequenterweise zu einer Stärkung der Rolle des Mediators einerseits, der auf der anderen Seite aber eine Schwächung der Parteien folgt. In Bezug auf die Beendigung des ADR-Verfahrens findet sich in den neuen Mediations-Regeln nur eine kleine Änderung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beendigung des ADR-verfahrens ist nach dem neuen Regelwerk die Bestätigung durch das ADR-Zentrum, dass einer der Beendigungstatbestände des Artikels 8 Absatz 1 lit. a – g der Mediationsregeln eingetreten ist. Auf der einen Seite wird das ADR-Zentrum hiermit zur „Herrin“ über den Lauf des Verfahrens, auf der anderen Seite wird hierdurch erreicht, dass der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung leichter bestimmt werden kann, da es nunmehr nur noch auf eine einzelne klar zeitlich zu bestimmende Handlung ankommt.
VIII. Vertraulichkeit Im Gegensatz zum alten ICC-ADR-Verfahren ist der Umstand der Durchführung eines Verfahrens nach den Mediations-Regeln an sich gemäß Artikel 9 der Mediations-Regeln nicht mehr vertraulich. Grund für diese Änderung ist, dass die Internationale Handelskammer eine solch weitgehende Geheimhaltung nicht mehr als zeitgemäß erachtete, da die Durchführung eines Mediationsverfahrens nicht mehr als Zeichen fehlenden Glaubens an die eigene Rechtsposition, sondern vielmehr als „Akt der Vernunft“, um unnötige Kosten zu verhindern, betrachtet werde.36 Diese Position verwundert ein wenig, zumal es zahlreiche Gründe geben kann, warum eine Partei das Bekanntwerden des Stattfindens eines Mediationsverfahrens verhindern will. So ist beispielsweise denkbar, dass einer Partei daran gelegen ist, dass nicht bekannt wird, dass sie mit der anderen Streitpartei in geschäftlichem Kontakt steht. Ferner kann einer Partei daran gelegen sein, dass die Beziehung der Parteien durch Dritte als vollkommen streitfrei wahrgenommen wird.
36
ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (9).
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IX. Honorare und Kosten Der Umfang der Regelungen zu Honoraren und Kosten hat sich mit der Einführung der Mediations-Regeln im Vergleich zu den ICC-ADR-Regeln erheblich vergrößert. Die Bestimmung innerhalb der Regeln selbst – jetzt Artikel 6 der Mediations-Regeln früher Artikel 4 der ICC-ADR-Regeln – ist dabei allerdings nur um einen Absatz länger geworden. Anders als unter den alten ICC-ADRRegeln, die lediglich einen kurzen einseitigen Anhang zu Kosten hatten, findet sich jetzt jedoch im Anschluss an die Mediationsregeln ein sich über vier Seiten erstreckender Anhang – Honorare und Kosten („Kostenanhang“), der in 6 Artikel untergliedert ist.
1. Registrierungsgebühr Im Rahmen dieser Erweiterung der Kostenregelungen wurde zum einen die Höhe der Registrierungsgebühr (ehemals unter den ICC-ADR-Regeln noch Pauschalgebühr genannt) von ehemals US$ 1.500,00 auf US$ 2.000,00 erhöht. Insofern hat eine moderate Anpassung des immerhin über 14 Jahre gleich gebliebenen Betrags stattgefunden.
2. Der Verwaltungskostenvorschuss Zum anderen wurden die Regelungen zum Verwaltungskostenvorschuss geändert. Dieser ist gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Mediations-Regeln nun nicht mehr zwingend neben der Registrierungsgebühr zu entrichtenden, sondern kann fakultativ durch das ADR-Zentrum festgesetzt werden. Diese Änderung ergibt vor allem vor dem Hintergrund Sinn, dass zumeist die Entrichtung eines Verwaltungskostenvorschusses aufgrund der zu entrichtenden Registrierungsgebühr nicht mehr notwendig sein wird. Ausweislich der neuen Regelung in Artikel 1 des Kostenanhangs wird die Registrierungsgebühr nämlich nunmehr auf den von der antragstellenden Partei zu entrichtenden Vorschuss angerechnet. Insofern erscheint die Forderung eines Verwaltungskostenvorschusses nur dann angezeigt, wenn die Verwaltungskosten auch tatsächlich einen Betrag von US$ 2.000,00 übersteigen werden.
3. Höhe der Verwaltungskosten Auch die Höhe der maximalen Veraltungskosten wurde mit den Mediations-Regeln umfangreich reformiert. Nach den neuen Regeln findet sich eine abgestufte Regelung, die entsprechend des Streitwerts die maximalen Verwaltungskosten festsetzt. Bei einem Streitwert bis einschließlich US$ 2000.000,00 betragen die Verwaltungskosten maximal US$ 5.000,00. Dies steigert sich in 5 Schritten von
292 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer je US$ 5.000,00 auf maximal US$ 30.000,00 bei einem letztendlichen Streitwert von über US$ 100.000.000,00. Wurde kein Streitwert angegeben, setzt das ADR-Zentrum die Verwaltungskosten nach seinem Ermessen fest, wobei die Verwaltungskosten einen Betrag in Höhe von US$ 20.000,00 „im Regelfall“ nicht übersteigen. Diese offene Formulierung bedeutet allerdings auch, dass eine Begrenzung der Verwaltungskosten nicht mehr besteht. Dies gilt jedoch nicht nur für den Fall, dass die Parteien einen Streitwert nicht angegeben haben. Vielmehr findet sich in Artikel 2 Absatz 3 des Kostenanhangs nunmehr auch die explizite Regelung, dass bei „besonderen Umständen das Zentrum die Verwaltungskosten höher festsetzen“ kann. Dabei muss das ADR-Zentrum vorab allerdings die Parteien über die Überschreitung informieren. Nichtsdestoweniger wurde dem ADR-Zentrum auch hier wieder ein sehr weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt, der die Stellung des ADR-Zentrums im Verfahren weiter erheblich stärkt. Neben den Verwaltungskosten für laufende Verfahren nach den MediationsRegeln findet sich in Artikel 2 Absatz 4 des Kostenanhangs noch eine Regelung für den Fall, dass das Verfahren nach den Mediations-Regeln ruhen sollte. Dabei kann das ADR-Zentrum für jede Partei und jedes Jahr des Ruhens die Zahlung eines Betrags verlangen, der „im Regelfall“ US$ 1.000,00 nicht überschreitet. Insofern wurde auch hier eine flexible Formulierung gewählt, die dem ADR-Zentrum einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt. Zuletzt findet sich in Artikel 4 des Kostenanhangs eine Sonderregelung für Fälle, in denen dem Verfahren nach den Mediations-Regeln ein ICC-Schiedsverfahren vorausging, welches den gleichen Streitgegenstand und die gleichen Streitparteien betrifft. Sollten in einem solchen Fall die Verwaltungskosten des Schiedsverfahren einen Betrag von US$ 7.500,00 übersteigen, wird die entrichtete Registrierungsgebühr des Schiedsverfahrens den Verwaltungskosten des Verfahrens nach den Mediations-Regeln gutgeschrieben.
4. Honorare und Auslagen des Mediators Die Honorare und Auslagen des Mediators werden gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Kostenanhangs neuerdings ausschließlich durch das ADR-Zentrum festgesetzt. Gesonderte Honorarvereinbarungen zwischen dem Mediator und den Parteien sind nach Artikel 3 Absatz 4 des Kostenanhangs ausdrücklich unzulässig. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Parteien durch diese Vereinbarung überhaupt gebunden werden. Da die Mediations-Regeln allein auf vertraglicher Eben zwischen der Internationalen Handelskammer und den Parteien wirken, kann diese Regelung – zumindest nach deutschem Recht – auch nicht zur Unwirksamkeit einer dennoch zwischen den Parteien und dem Mediator geschlossenen Honorarvereinbarung führen. Insofern käme wohl als einzig wirklich relevante Folge ein Schadensersatzanspruch der Internationalen Handelskammer gegen
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die Parteien in Frage. Diesbezüglich wird es aber regelmäßig an einem durch einen Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 4 des Kostenanhangs bedingten Schaden der Internationalen Handelskammer fehlen. Die Festsetzung der Honorare des Mediator durch das ADR-Zentrum findet nach den Mediations-Regeln – anders als noch nach den ICC-ADR-Regeln – nicht mehr nur auf Grundlage eines zu Anfang des Verfahrens festgelegten Stundensatzes statt, sondern das ADR-Zentrum kann vielmehr auch eine pauschale Gesamtvergütung festsetzen, sollten die Parteien und der neutrale Dritte dies vereinbart haben. Gegen die pauschal festgesetzte Vergütung haben die Parteien und der neutrale Dritte die Möglichkeit einen Antrag auf Erhöhung oder Minderung zu stellen. Sollte dieser begründet sein, so erhöht oder mindert das ADR-Zentrum die pauschale Vergütung nachdem es alle Parteien und den Mediator angehört bzw. zur Stellungnahme gebeten hat.
5. Ernennungsgebühr Alle Anträge auf Ernennung eines Mediators, die an die International Handelskammer gerichtet sind, unterliegen gemäß Artikel 6 des Kostenanhangs den ICC-Regeln für die Ernennung von Sachverständigen und Mediatoren. Mit dem Antrag auf Ernennung muss nunmehr auch hier eine Registrierungsgebühr in Höhe von US$ 2.000,00 gezahlt werden. Ausweislich des Artikels 6 des Kostenanhangs bleibt es der Internationalen Handelskammer zusätzlich ausdrücklich vorbehalten, angemessene Verwaltungskosten für zusätzliche Dienstleistung zu berechnen, wobei diese wiederum im Regelfall einen Maximalbetrag von US$ 10.000,00 nicht übersteigen sollen.
X. Parallele Entscheidungsverfahren Ein sehr tiefgreifende Änderungen, die im Zuge der Revision der alten ICCADR-Regeln stattgefunden hat, findet sich „versteckt“ bei den Allgemeinen Bestimmungen der Mediations-Regeln unter Artikel 10 Absatz 2. Hier ist nunmehr explizit geregelt, dass parallel neben dem Verfahren nach den Mediations-Regeln auch gerichtliche, schiedsgerichtliche oder ähnliche Verfahren eingeleitet oder fortgeführt werden können.37 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Parteien nichts Anderweitiges vereinbart haben oder dies durch anwendbares Recht untersagt ist. Tiefgreifend ist diese kleine und versteckte Änderung vor allem deswegen, weil somit endlich „die Tür für die Durchführung hybrider Verfahren unter den Mediations-Regeln“ geöffnet wurde.38 War es unter den alten ICC-ADR-Regeln noch nicht ganz klar geregelt 37 38
ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (9). Dies sieht auch so Klowait, in: Disp. Res. 1/2013, S. 10 ff. (12).
294 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer und unsicher, ob hybride Verfahren unter den alten Regeln erlaubt waren,39 ist nunmehr mit Artikel 10 Absatz 2 eine klar positive Aussage in den Regeln enthalten.
XI. Übergangsregelung In Artikel 10 Absatz 1 der Mediations-Regeln findet sich eine Übergangsregel, die grundsätzlich die Anwendbarkeit der Mediations-Regeln auch für solche Fälle vorsieht, in denen die Parteien vor In-Kraft-Treten der Mediations-Regeln am 1. Januar 2014 die Anwendbarkeit der alten ICC-ADR-Regeln vereinbart hatten. Nur wenn eine der Parteien Widerspruch gegen die Anwendung der Mediations-Regeln erhebt, kommen die alten ICC-ADR-Regeln zur Anwendung. In seiner jetzigen Form führt Artikel 10 Absatz 1 der Mediations-Regeln insofern dazu, dass die ICC-ADR-Regeln parallel neben den neuen MediationsRegeln noch solange weiter gelten und Verfahren nach Ihnen auch weiter durchgeführt werden können, wie ICC-ADR-Abreden im Umlauf sind, die vor dem 1. Januar 2014 abgeschlossen wurden.
XII. Klauselvorschläge Auch die Klauselvorschläge wurden mit den neuen Regeln erheblich reformiert. Sie finden sich nicht mehr als Vorschläge am Anfang des Regelwerks zwischen Einleitung und den Regeln selbst, sondern folgen als eigenständige sechsseitige Publikation (mit eigenem Titelblatt) den Regeln beziehungsweise dem Kostenanhang. Inhaltlich enthält dieser Anhang dabei nicht nur die Klauselvorschläge, sondern überdies Anmerkungen, die ausweislich der Einleitung zum Klauselteil die Parteien darin unterstützen sollen, die richtige Klausel für ihren spezifischen Fall auszuwählen.
1. Änderungen einzelner Formulierungen Auch an den Klauselvorschlägen selbst gab es kleinere Änderungen. Die meisten dieser Änderungen sind dabei jedoch klarstellender Natur und betreffen lediglich die Art und Weise der Formulierung. So wurde beispielsweise der Wortlaut des zweiten Klauselvorschlags dahingehend geändert, dass die Parteien nicht mehr Verhandlungen über die Durchführung eines Streitbelegungsverfahrens führen sondern, „…erörtern und […] prüfen, ob die Streitigkeit den ICC-Mediations-Regeln unterworfen werden soll“. Damit wurde klargestellt, dass durch die Parteien nicht nur alleine verhandelt werden soll, sondern dass 39
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 19 II.
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die Parteien zusammen aktiv erörtern sollen, ob sich ein Verfahrens nach den Mediations-Regeln in ihrem Fall anbietet. Einheitlich umformuliert wurde beim dritten und vierten Klauselvorschlag (jetzt Klauselvorschlag C und D), dass ein Verfahren nach den Regeln nicht mehr „durchgeführt“ werden soll, sondern das ein Verfahren „beantragt“ werden muss. Insofern wurde vom Wortlaut noch klarer herausgestellt, dass die Stellung des Antrags der zentrale Anknüpfungspunkt für die Pflichten des dritten und vierten Klauselvorschlags ist.
2. Änderung des dritten Klauselvorschlags Erheblich reformiert wurde der Wortlaut des dritten Klauselvorschlags (nunmehr Klausel C genannt), wobei die ursprüngliche Systematik durch eine Neue ersetzt wurde. Unter den ICC-ADR-Regeln enthielt der dritte Klauselvorschlag noch eine reine verpflichtende ADR-Abrede, die mit Ablauf einer 45-tägigen Frist ab Einreichung des Antrags auf Durchführung eines ICC-ADR-Verfahrens entfiel. Eine Schiedsabrede enthielt der dritte Klauselvorschlag nicht. Durch die Kombination mit der Standard ICC-Schiedsklausel konnte durch die Parteien allerdings ein Multi-tiered Dispute Resolution Regime geschaffen werden, bei dem, im Unterscheid zum vierten Klauselvorschlag, bei Scheitern des ICCADR-Verfahrens direkt ein Schiedsverfahren eingeleitet werden konnte, ohne die Frist von 45 Tagen abwarten zu müssen.40 Diese Möglichkeit hat die Internationale Handelskammer bei der Reformierung der Regeln scheinbar auch erkannt und nun als dritte Klausel C eine solch kombinierte Klausel eingeführt. Unter dieser neuen Klausel C finden sich zwei Absätze: x und y. Unter Absatz x verpflichten sich die Parteien dabei, im Falle von Streitigkeiten zunächst ein Verfahren nach den ICC-Mediations-Regeln zu beantragen. Durch die Einleitung des Verfahrens nach den Mediations-Regeln sind die Parteien nach Absatz x daran gehindert, ein Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer einzuleiten. Die entsprechende Schiedsklausel findet sich darauf folgend in Absatz y. Zu begrüßen an dieser Reformierung ist, dass die Parteien nunmehr auf eine klar formulierte Grundlage zurückgreifen können und nicht mehr gehalten sind, verschiedene Klauseln miteinander zu verbinden. Auf der anderen Seite wurde den Parteien die Möglichkeit genommen, das einvernehmliche Verfahren mit einem staatlichen Gerichtsverfahren zu verbinden, zumal nunmehr der dritte Klauselvorschlag fest mit der Schiedsabrede kombiniert wurde. Insofern lässt sich den vorgenommen Änderungen abermals eine die Internationale Handelskammer „begünstigende“ Tendenz attestieren. 40
Vgl. hierzu weiter oben unter Kapitel V § 15 4 c.
296 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer 3. Klauselzusätze bezüglich Eilschiedsrichterverfahren Eine weitere Neuerung besteht zudem darin, dass sich zusätzlich zu den einzelnen Klauselvorschlägen auch für die Klauseln C und D spezifische Ergänzungen für Eilschiedsrichterverfahren finden. Zum einen findet sich für beide Klauseln ein Zusatz der feststellt, dass die Bestimmungen zum Eilschiedsrichterverfahren gerade nicht zur Anwendung kommen sollen. Zum anderen finden sich für die Klausel D zwei weitere Zusatzvorschläge, die eine Anwendbarkeit des Eilschiedsrichterverfahrens näher regeln. Der erste Vorschlag sieht dabei vor, dass ein Eilschiedsrichterverfahren durch eine Partei bereits dann beantragt werden kann, wenn die in Klausel D enthaltenen 4541-tägige Frist noch nicht abgelaufen ist. Der zweite Zusatzvorschlag sieht vor, dass ein Antrag erst nach Ablauf der 45-tägigen Frist zulässig ist. Mit diesen Zusätzen ist es den Parteien nunmehr möglich, vorab genauer festzulegen, unter welchen Voraussetzungen schiedsgerichtliche Eilmaßnahmen bereits im Rahmen der einvernehmliche Streitbeilegungsphase zulässig sind. Insofern ist dieser Zusatz zu begrüßen, ermöglicht er den Parteien doch Klarheit auch in Bezug auf Eilmaßnahmen zu schaffen.
XIII. Mediation Guidance Notes Zuletzt wurde durch die Internationale Handelskammer auch das Konzept des Leitfadens im Rahmen der Revision zugunsten einer extra Publikation aufgegeben, die nunmehr allein unter dem Titel “Mediation Guidance Notes” (“Notes”) durch die Internationale Handelskammer veröffentlicht wird. Die Notes sind als eine Art Handbuch für Verfahren nach den Mediations-Regeln zu verstehen, die den Parteien gewisse Leitlinien aufzeigen und damit die Parteien animieren sollen, im Geiste der Mediation diejenige Lösung zu erarbeiten, die in ihren Augen am besten für ihren Fall geeignet scheint.42 Anders als der Leitfaden ist insofern jetzt klarer geregelt, dass die Notes gerade kein Teil der Mediations-Regeln und damit auch nicht maßgeblich für die Auslegung der einzelnen Klauseln der Mediations-Regeln sind. Diesem Verständnis entsprechend hat sich auch der Inhalt im Vergleich zum Leitfaden geändert. Die neuen Notes legen ihren Fokus vor allem auf das Erklären des Ablaufs des Mediationsverfahrens an sich als allein auf die Bedeutung der einzelnen Artikel der Mediations-Regeln. Insoweit sind die Notes anders als der alte Leitfaden auch nicht mehr primär entsprechend den Mediations-Regeln gegliedert. Stattdessen wurden sie nach eher verfahrenstechnischen Themen 41 Gleiches gilt natürlich auch für eine hiervon abweichende von den Parteien vorab vereinbarte Frist. 42 ICC, in: ICC Int. C. of Arb. Bull. 2013/2, S. 5 ff. (10).
§ 31 Zusammenfassung
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gegliedert, wie etwa “What is Mediation” und “Preparation for Mediation Sessions”. Damit wird dem praktischen Anwender tatsächlich ein Handbuch zur Verfügung gestellt, dass diesen über die Grundlagen eines erfolgreichen Mediationsverfahrens aufklärt, wodurch ein Wechsel weg von einem „Kommentar“ zu den Regeln hin zu einem Verfahrenshandbuch statt fand.
§ 31 Zusammenfassung Insgesamt hat die Internationale Handelskammer im Rahmen der Überarbeitung der ICC-ADR-Regeln zahlreiche kleinere und größere Änderungen vorgenommen. Auch wenn die Internationale Handelskammer von keiner „Revolution“ spricht, sondern die Mediations-Regeln als behutsame Aktualisierung der ICC-ADR-Regeln verstanden wissen will,43 so unterscheidet sich das Verfahren unter den Mediations-Regeln aufgrund dieser zahlreichen Änderungen doch erheblich von dem Verfahren unter den alten ICC-ADR-Regeln. Die zentralste und gleichzeitig problematischste Änderung an den Regeln selbst ist dabei die Stärkung der Rolle des ADR-Zentrums einerseits und die hiermit einhergehende Schwächung der Stellung des Mediators innerhalb des Mediations-Verfahrens andererseits. Die Rolle des ADR-Zentrums wurde dabei so erheblich gestärkt, dass an manchen Stellen, wie etwa in Bezug auf die Bestätigung nach Artikels 3 Absatz 3 der Mediations-Regeln,44 der Internationalen Handelskammer faktisch die Stellung eines Entscheidungsorgans innerhalb des einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahrens zukommt. Auf der anderen Seite wurde der eigentlich den streitbeilegende Mediator in seiner Autorität geschwächt. Diese Schwächung ergibt sich daraus, dass er nicht mehr die zentrale neutrale Dritte Person ist, die die Parteien bei der Beilegung der Streitigkeit alleine unterstützt. Die Autorität wird nunmehr vielmehr auf mehrere Dritte (d. h. das ADR-Zentrum und den Mediator) aufgeteilt und droht damit zu zerfasern. Hinzu kommt die streitbare neue Organisationshoheit des ADR-Zentrums unter Artikel 1 Absatz 5 der Mediations-Regeln. Gerade diese Regelung wirft bezüglich ihrer Wirkintention und tatsächlichen Wirkung mehr Fragen auf, als sie Probleme löst und greift zudem tief in die Organisationsautonomie der Parteien ein. Insgesamt sollte die Rolle der Internationalen Handelskammer wieder darauf beschränkt werden, alleine im Hintergrund als Verwaltungsorgan tätig zu werden. Der mit der Überarbeitung der Regeln erfolgte Rollentausch sollte insofern bei der nächsten Überarbeitungsrunde der Mediations-Regeln durch die Internationale Handelskammer kritisch geprüft und überdacht werden. 43 44
Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel VII § 30. Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel VII § 31 IV 2.
298 Kapitel VIII: Die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer Mit den neuen Mediations-Regeln wurden allerdings auch notwendige und begrüßenswerte Änderungen an den alten ICC-ADR-Regeln vorgenommen. Insbesondere die nunmehr klare Öffnung für hybride Verfahren45 sowie die klarere Gestaltung der Kostenregelung46 ist zu begrüßen. Zusätzlich informieren die neuen Notes nunmehr den ADR-Interessenten bzw. den ADR-Anwender darüber, was genau ein Verfahren nach den Mediations-Regeln ist und wie man sich ungefähr den Inhalt und Ablauf eines solchen Verfahrens vorzustellen hat. Insofern wurden mit den neuen Mediations-Regeln auch wichtige Schritte hin zu einem flexibleren und transparenteren Streitbeilegungsverfahren gemacht, die im Ergebnis die Attraktivität einer Beilegung von internationalen Handelsstreitigkeiten unter den Mediations-Regeln erhöhen.
45 46
Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel VII § 31 II. 3 und X. Vgl. näher hierzu oben unter Kapitel VII § 31 IX.
Entscheidungsverzeichnis ICC Schiedssprüche Case No. 10256: ICC International Court of Arbitration Bulletin, Volume 11, Number 1, Seiten 74 ff., S. 87 f. Case No. 9984: ICC International Court of Arbitration Bulletin, Volume 11, Number 1, Seiten 74 ff., S. 85 f. Case No. 9977: ICC International Court of Arbitration Bulletin, Volume 11, Number 1, Seiten 74 ff., S. 84 f. Case No. 8742: veröffentlicht in Journal du droit international, Nr. 126, 1999, S. 1066 ff. Case No. 6535: abrufbar unter: http://www.iccdrl.com/CODE/Home.asp?Locator=0& contentxml=arbLandingPageHome.xml&contentxsl=SectionCover.xsl&AUTH= &Language= Case No. 6277: abrufbar unter: http://www.iccdrl.com/CODE/Home.asp?Locator=0& contentxml=arbLandingPageHome.xml&contentxsl=SectionCover.xsl&AUTH= &Language= Case No. 6276: ICC International Court of Arbitration Bulletin, Volume 11, Number 1, Seiten 74 ff., S. 76 f. Case No. 6238: abrufbar unter: http://www.iccdrl.com/CODE/Home.asp?Locator=0& contentxml=arbLandingPageHome.xml&contentxsl=SectionCover.xsl&AUTH= &Language= Case No. 4229: ICC International Court of Arbitration Bulletin, Volume 11, Number 1, Seiten 74 ff., S. 74 f.
Rechtsprechung Australien Allco Steel (Queensland) Pty Ltd v. Torres Strait Gold Pty Ltd: Supreme Court of Queensland, 12. März 1990, nicht veröffentlicht. Aiton Australia Pty Ltd v. Transfield Pty Ltd: Supreme Court of New South Wales, 1. Oktober 1999, Nr. 55020 aus 1999. AWA Ltd v. Daniels: Supreme Court of New South Wales, 24. Februar 1992, nicht veröffentlicht. Computershare Ltd. v. Perpetual Registrars Ltd (No2): Supreme Court of Victoria, 6. Juni 2000, Nr. 5111 aus 2000. Elizabeth Bay Developments Pty Ltd v. Boral Building Services Pty Ltd: Supreme Court of New South Wales, 28. März 1995, New South Wales Law Report, Volume 36, 1995, S. 709 ff. Hooper Bailie Associated Ltd. v. Natcon Group PTY Ltd.: Supreme Court of New South Wales, New South Wales Law Report, Volume 28, 1992, S. 194 ff.
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Reed Constructions Pty Ltd v. Federal Airports Corporation: Supreme Court of New South Wales, 23. Dezember 1988, nicht veröffentlicht.
Rechtsprechung Deutschland BGH: Urteil vom 04. 07. 1977 – II ZR 55/76 (KG), Neue Juristische Woche, 1977, 2263 f. BGH: Urteil vom 23. 11. 1983 – VIII ZR 197/82 (Oldenburg), Neue Juristische Woche, 1984, 669 f. BGH: Urteil vom 18. 11. 1998 – VIII ZR 344–97 (Frankfurt a. M.), Neue Juristische Woche 1999, 647 f. BayOblG: Beschluss vom 16. 11. 1995–2Z BR 69/95 Neue Juristische Woche –Rechtsprechungs-Report, 1996, S. 910 OLG Brandenburg: Urteil vom 18. 09. 1996–7 U 8/96, Anwaltsblatt, 1998, S. 281 OLG Celle: Urteil vom 31. 07. 1970–2 U 30/70, Neue Juristische Woche 1971, S. 288 f. OLG Frankfurt: Urteil vom 24. 09. 1985–5 U 167/84, Neue Juristische Woche 1986, S. 2202 ff. OLG Frankfurt: Urteil vom 07. 11. 1997–24 U 248/95, Neue Juristische Woche –Rechtsprechungs-Report, 1998, S. 778 OLG Köln: Urteil vom 12. 03. 1990–2 W 30/90, Monatsschrift für Deutsches Recht, 1990, 638 LG Münster: Urteil vom 21. 12. 2000–12 O 439/00, Deutsches Steuerrecht, 2001, 614 ff. OLG Oldenburg: Urteil vom 05. 11. 1986–3 U 133/86, Monatsschrift für Deutsches Recht, 1987, S. 414 ff.
Rechtsprechung England ADS Aerospace Limited v. EMS Global Tracking Limited: [2012] EWHC 2904 (TCC) Cable & Wireless plc. v. IBM Ltd.: [2002] EWHC 2059 (Comm) Channel Tunnel Group Ltd. v. Balfour Beatty Construction Ltd.: [1993] AC 334; [1993] 1 All E. R. 664 Cott U. K. Ltd. v. F E Barber Ltd.: [1997] 3 All E. R. 540 Courtney & Fairbairn Ltd. v. Tolaini Brothers (Hotels) Ltd.: [1975] 1 W. L. R. 297 Ethiopian Oilseeds & Pulses Export Corp. v. Rio del Mar Foods Inc.: [1990] 1 Lloyd’s Rep. 86. Halifax Financial Services Ltd. v. Intuitive Systems Ltd.: [1999] 1 All ER 303 Hillas & Co. Ltd. v. Arcos Ltd.: (1932) 147 L. T. 503, 515 Holloway v. Chancery Mead Limited: [2007] EWHC 2495 (TCC) Leicester Circuits Ltd. v. Coates Brothers Plc.: [2003] EWCA Civ 290 Paul Smith Ltd. v. H & s International Holding Inc.: [1991] 2 Lloyd’s Rep. 127 Rof v. De Guerin: [2011] EWCA Civ 78 Scott v. Avery: (1856) 10 ER 1121 Sulmérica CIA Nacional de Seguros SA .v. Enesa Engenharia SA: [2012] EWCA Civ 638 Susan Dunnett v. Railtrack PLC: [2002] EWCA Civ 303 Swaine Mason & Others v. Mills & Reeve (a firm): [2012] EWCA Civ 498 Traders Pty Ltd v. Proceris Pty Ltd: [2005] NSWSC 306 Walford v. Miles: [1992] 2 A. C. 128
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Rechtsprechung Frankreich Peyrin et autres c/ société Policlinique des Fleurs: Cour de Cassation (Chambre commercial), 28. November 1995, Revue de l’arbitrage 1996, S. 613 ff. mit Kommentar von Jarrosson. Policlinique des Fleurs c/ Peyrin: Cour de Cassation, 2. Juli 2000, Revue de l’arbitrage 4/2001, 749 ff. mit Kommentar von Jarrosson. Clinique du Morvan c/ Vermuseau: Cour de Cassation, 23. Januar 2001, Revue de l’arbitrage 2001, S. 751. SNEP et autres c/ SNAM et SPEDIDAM: Cour de Cassation, 6. März 2001, Revue de l’arbitrage 2001, S. 751 f. Poiré c/ Tripier: Cour de Cassation, 14. Februar 2003, Revue de l’arbitrage 2003, S. 403 ff. mit Kommentar von Jarrosson. Sté MGC International c/ LCF Production: Cour de Cassation, 8. April 2009, pourvoi n° 08–10.866.
Rechtsprechung USA Advanced Bodycare Solutions LLC v. Thione International, Inc.: 2007 WL 1246024 (S. D. Fla., 2007) Alyeska Pipeline Services Co. V. Wilderness Society: 421 U. S. 240, 247, (1975) Allied Sanitation Inc. v. Waste Management Holdings Inc.: 97 F. Supp. 2d 320 (E. D. N. Y 2000) AMF Inc. v. Brunswick Corporation: 621 F. Supp. 456 (E. D. N. Y. 1985) Annapolis Professional Firefighters Local 1926, IAFF, AFL-CIO, et al. v. City of Annapolis: 100 Md.App. 714 (1993) Arnold Palmer Golf Co. v. Fuqua Indus. Inc.: 541 F. 2d 584 (6th Cir. 1976) Capital Records, Inc. v. Thomas-Rasset: 692 F. 3d 899 C. A. 8 (Minn.) 2012 Channel Home Centers v. Crossman: 795 F. 2d 291 (3d Cir. 1986) CB Richard Ellis Inc. v. American Enviromental Waste Management: 1998 U. S. Dist. LEXIS 200064 (E. D. N. Y. 4. Dezember, 1998) Cecala v. Moore: 982 F. Supp. 609 (N. D. III. 1997) Copeland v. Baskin Robbins U. S. A.: 96 Cal. App. 4th 1251 (2002) Daye Nonferrous Metals Co. v. Trafigura Beheer B. V.: 1997 U. S. Dist. LEXIS 9661 (S. D. N. Y. 2. Juli, 1997) DeValk Lincoln Mercury, Inc. v. Ford Motor Company: 811 F. 2d 326 (7th Cir. 1987) Fisher v. GE Medical Systems: 276 F. Supp.2d 891 (M. D. Tenn. 2003) Fit Tech Inc. v. Bally Total Fitness Holding Corp.: 374 F. 3d 1 (1st Cir. 2004) Ford Motor Company v. The Motor Vehicle Review Board: 788 N. E. 2d 187, 192 f. (Ill. App. 1st Dist., 2003) Garrett v. Hooters-Toledo: 295 F. Supp. 2d 774 (N. D. Ohio 2003) Gray and Assocs., LLC v. Ernst & Young LLP: No. 24-C-02–002963, 2003 WL 23497702 (Md. Cir. Ct. 11. Juni 2003) Haertl Wolff Parker, Inc. v. Howard S. Wright Constructioin Co.: 1989 U. S. Dist. LEXIS 14756 (D. Or. 4. Dezember 1989). Harrison v. Nissan Motor Corporation U. S. A.: 111 F. 3d 343 (3rd Cir. 1996) HIM Portland, LLC v. Devito Builders, Inc.: 317 F. 3d 41, 44 (1st Cir. 2003) Howsam v. Dean Witter Reynolds, Inc.: 537 U. S. 79, 123 S. Ct. 588 (2002)
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Howtek Inc. v. Relisys: 958 F. Supp. 46 (D. N. H. 1996) Itek Corp. v. Chicago Aerial Industries: 248 A. 2d 625 (Del. 1968) J. J. Ryan & Son Inc. v. Rhone Poulenc Textile S. A. 863 F. 2d 315 (4th Cir. 1988) Jones v. Trawick, No. 98–6352: 1999 WL 273969 (10th Cir. 5. Mai, 1999) Kemiron Atlantic, Inc. v. Aguakem International, Inc.: 290 F. 3d 1287, 1291 (11th 2002). Lakeland Fire District v. East Area General Contractors, Inc.: 16 A. D. 3d 417 (Supr. Ct. N. Y., Appell. Div 2005) Laeyt v. Laeyt: 268 A. D. 2d 815, 816 Lynn v. General Electric Company: No. 03–2662-GTV-DJW, 2005 WL 701270 (D. Kan. 20. Januar 2005). Miller & Co. v. China Nat’l Minerals Import & Export Corp.: 1991 U. S. Dist. LEXIS 11973 (N. D. Ill. Aug. 27, 1991) Mortimer v. First Mount Vernon Industrial Loan Ass.: No. Civ. AMD 03–1051, 2003 WL 23305155 (D. Md. 19. Mai, 2003) Moses H. Cone Memorial Hospital v. Mercury Construction Corp: 460 U. S. 1, 102 S. Ct. 927 (1983) Neurosource Inc. v. Jefferson Univ. Physicians: 2001 U. S. Dist. LEXIS 1811 (E. D. Pa. Feb 14, 2001) Opdyke Inv. Co. v. Norris Grain Co.: 413 Mich. 354, 320 N. W. 2d 836 (1982) Pennzoil Exploration and Production Co. v. Ramco Energy Ltd.: 139 F. 3d 1061 (5th Cir. 1998) Philadelphia Housing Authority v. Dore & Assocs. Contracting, Inc.: 111 F. Supp.2d 633 (E. D. Penn. 2000) Semco, LLC v. Ellicott Machine Corporation International: 1999 U. S. Dist. LEXIS 10710 (E. D. La. 9. Juli 1999) Stroh Container Co. v. Delphi Indus., Inc.: 783 F. 2d 743, 748 (8th Cir.) Tarasoff v. Regents of the University of California: 551 P. 2d 334 (Cal. 1976) The State ex rel. Hunter v. Patterson: 664 N. E. 2d 524, 525 (Ohio, 1996) Tunnell-Spangler & Assocs., Inc. v. Katz: No. 3030100380, 2003 WL 23168817 (Pa. Com. Pl. 31. Dezember 2003) S. Titan, Inc. v. Guangzhou Zhen Hua Shipping Co.: 182 F. R. D. 97, 102 U. (S. D. N. Y. 1998) Waterman v. Waterman: No. FA010726150, 2003 WL 1962782 (Conn. Super. 3. April 2003) Wolsey Ltd. v. Foodmaker Inc.: 133 F. 3d (9th Cir. 1998)
Rechtsprechung Schweiz Kassationsgericht Zürich, Entscheid vom 15. 03. 1999, Blätter für Zürcherische Rechtsprechung, Band 99, 2000, Nr. 29 und Association Suisse de l’Arbitrage Bulletin, Heft 2, 2002, S. 373 ff. III. Zivilkammer Obergericht Kanton Zürich, Beschluss vom 11. 09. 2001, Blätter für Zürcherische Rechtsprechung, Band 101, 2002, Nr. 21, S. 77–81. Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 06. 06. 2007, Association Suisse de l’Arbitrage Bulletin, Heft 1, 2008, S. 87 ff.
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Status: UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation: http://www. uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/2002Model_conciliation_status. html Texte: International Commercial Arbitration & Conciliation: http://www.uncitral.org/ uncitral/en/uncitral_texts/arbitration.html Status: Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards: http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention_status. html Liste Neutraler: WIPO Domain Name Panelists: http://www.wipo.int/amc/en/domains/ panel/panelists.html#45 Video eines Interviews mit Hannah Tümpel: New ICC Mediation Rules explained: http:// www.youtube.com/watch?v=QtrpNayxVbo#t=519
UNCITRAL-Dokumente Report of the Working Group II (Arbitration) on the work of its thirty-fifth session: A/ CN.9/506 Settlement of commercial disputes – Model legislative provisions on international commercial conciliation: A/CN.9/WG.II/WP.115 Report of the United Nations Commission on International Trade Law on its thirty-fifth session: A/57/17 Draft Guide to Enactment and Use of the UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation: A/CN.9/514 Report of the Working Group on Arbitration on the Work of the Thirty-third session: A/ CN.9/485
Zeitungsartikel Rechtsabteilungen drücken Kosten. Von: AMA: F. A. Z. vom 15. Juni 2009, S. 15. Der Fall will verkauft sein – “Litigation PR” bietet Juristen mit Medienerfahrung eine Alternative zur Aktenwühlerei. Von: Hendrik Wieduwilt: F. A. Z. vom 16./17. Mai 2009, C2 1,92 Millionen Dollar Schadensersatz für 24 MP3-Lieder. Von: Marco Dettweiler: F. A. Z. vom 20. Juni 2009, S. 14 Vier steht für Tod, Acht für Reichtum – Viele westliche Unternehmen scheitern in China. Der Grund liegt oft weniger in ihren Produkten als im Unverständnis der chinesischen Kultur. Von: Karl Waldkirch: F. A. Z. vom 5. Oktober 2009, S. 14
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Sachregister Ablauffristen 76 f. Abrede –– Form 172 –– Haftung 227, 268 –– Individual 264 –– Materiell-rechtliche 83 –– Prozessvertragliche 83 –– Prozess 256, 262 –– Partei 195, 227, 258, 260, 275 f. –– Streitbeilegung 138 –– Schlichtung 138, 145, 150 f., 153 f., –– Vertragsstrafen 267 f. –– Vertraulichkeit 227, 258, 268 Adhäsionsvertrag 96, 98 ADR –– Abreden 94 –– Begriff 7–8 –– Sekretariat 191 –– Verfahrensarten 10–14 –– Zentrum 279 ADR-Verfahren –– Abbruch durch Parteierklärung 192, 203, 230 –– Abbruch durch Neutralen 211, 231 –– Abbruch durch ICC 231 f. –– Anwendungsfälle 20–23 –– Automatischer Abbruch 229 f. –– Begriff 7–8 –– Dauer 16 –– Einleitung 184–193, 265 –– Einseitige Einleitung 190 –– Flexibilität 74 f., 87 f., 110, 120 –– Förderung der Verbreitung 91 –– Funktionale Aspekte 52–62, 74 –– Kosten 18, 56 –– Negative Eigenschaften 18–20 –– Positive Eigenschaften 16–18 –– Rechtliche Aspekte 62–73, 74 –– Scheitern 229–232 American Rule 26, 60 Amicable Dispute Resolution (siehe ADRVerfahren)
Antizipieren 104–114 –– Flexibilität 110 –– Freiwillige Zustimmung 108 –– Negative Wirkung 109 f. –– Positive Wirkung 104 –– Zweck 104–112 Best Alternative to a Negotiated Settlement 107 Bindung –– Intensität 113, 183 –– Wirkung 122, 128, 135, 284 Business dispute 115, 184–186 Business liability claims 57 Caucusing 206 Center for Public Resources 27 Civil Procedure Rules 139 Community Mediation 181 Convening Clause 203 Corporate Pledge 131 Discovery 26 f., 60, 259 Dispute Adjudication Boards 14 Dispute Review Board 14 Dispute Boards 81 Due Process Grundsatz 241 Durchführungsverpflichtung 167, 283 Durchsetzbarkeit –– Gütliche Einigung 40, 222, 228, 234–243 –– Notwendigkeit 234 f. Early Neutral Evaluation 12 Einigung –– Folgen 233 –– Rate 112 –– Verbindlichkeit 66, 234 –– Vollstreckbarkeit 66, 234–243 –– Zeitpunkt 233 –– Zwang 231 Einstiegshürden 105–107, 118–121, 130 f., 167 f., 179, 181
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Sachregister
Einstweiliger Rechtsschutz 150, 155, 167, 169, 181 Entbindungsfrist 144 Entrechtlichung 3, 63–66, 169, 234, 274 Entscheidungsmacht 15, 17, 95 Entscheidungsbefugnis 109, 174, 287 f. Entscheidungshoheit 177 f., 265, 273, 294 Entscheidungsverfahren 84, 96, 108, 120 Ernennungsgebühr 293 Erster obligatorischer Termin 191 Eskalationsklauseln 170, 175–177 , 270, 273 Expert Determination 174 Federal Arbitration Act 128, 158 f. FIDIC 124 f., 176 Fin de non-recevoir 154 f. Freiwilligkeit 3, 33, 104 107, 111, 108, 168 Fristenregelung 183, 216, 227 Frühes erstes Gespräch 202–203 Geheimhaltung 70–75, 112, 167, 221–223, 229, 289 Gemeinwohlinteresse 187 Geschäftsbeziehung –– Änderung 110 –– Internationale 58 f. –– Schonung 58 f. –– Stärkung 119 Good Faith 123, 126–130, 134, 140 –– Grundsatz 213 f. Gutgläubigkeit 72 Gutglaubensverpflichtung 72 Haftungsausschluss 212, 215, 226, 263 Honorar 69, 97–100, 233, 243, 246 f., 291–293 Hybride Verfahren 13, 205–207, 241, 251, 261, 298 –– Ablehnung 89 f. –– Begriff 205 –– ICC-Mediations-Regeln 293 f. ICC-ADR-Regeln –– Abänderbarkeit 88 f. –– Anfragen 47 f. –– Erstellung 44 f. –– Grundstruktur 92 –– Inkrafttreten 45 f. –– Klauselvorschläge 93–96, 114 ff. –– Leitfaden 98 f. –– Natur und Wirkweise 83 f. –– Präambel 96 f.
–– Regeln und Kostenübersicht 97 f. –– Vorwort 92 f. –– Zielsetzung 85 f. ICC –– ADR-Sekretariat 47, 91, 191, 256, 265 –– Commission on Arbitration and ADR 278 f. –– Dispute Board Rules 81 f. –– Gründung 36 f. –– Hearing Center 98 –– International Commercial Mediation Competition 91 –– Mediations-Regeln 278–298 –– Mediation Week 91 –– Nationalkomitee 196, 215, 289 –– Rules of Expertise 81 f. –– Rules of Optional Conciliation 42– 47 49, 78, 93, 244, –– Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration 38–41 –– Schiedsklausel 131 –– Working Group on Means of Alternative Dispute Resolution 44, 209 Informiertheit 67 Interessenskonflikt 71 Internationale Handelskammer (siehe ICC) Internationale Wirtschaftsstreitigkeiten –– Kulturelle Missverständnisse 57 f. –– Schwachstellen 54–62 –– Sprachprobleme 55 Inkompatibilität 18 f., 32–35, 63, 67–70, 222, 234, 247 f., 259, 262, 274 Klageverzicht 150 –– Dilatorisch 135, 149 f., 151–153 Kompetenz-Kompetenz –– Negativ 173 –– Positiv 173, 176 Konfliktvermeidung 53–55, 66, 86 Kosten –– ICC-ADR-Verfahren 243–247 –– Neutraler 251 –– Pauschal 244 –– Prozess 26 f. –– Übersicht 97 f. –– Tragung 139, 144, 166, 244 –– Verwaltung 244 f., 291 –– Vorschuss 244 f., 291 Leitfaden 98 f. –– Wirkung 98 f., 116 –– Zustandekommen 45, 51 Leistungsklage 108 f.
Sachregister Lobbyismus 99 Lücken –– ICC-ADR-Regeln 263–266 –– Expertise 199 –– Klauselvorschläge 181, 183 –– Strukturelle 223 f. MEDALOA 13 f., 205 Med-Arb-Verfahren 13, 45, 205 f. Mediation 10–12, –– Abrede 129, 137, 139, 143, 146, 148, 154, 162, 285 f. –– Guidance Notes 281, 296 f. –– Klausel 145 f. –– Ort und Sprache 288 –– Privilege 222, 248 –– Richtlinie 136, 237 –– Verfahren 289 Meinungsverschiedenheiten 23, 38, 47, 51, 85 f., 96 Methodenoffenheit 89–91, 96 Mini-Trial 12, 204 Mischverfahren 82 Multi-tiered Dispute Resolution 82, 102, 172, 236, 268–274, 276, 295 –– Abreden 286 –– Begriff 20, 170 –– Einfluss ICC 271–273 –– Inkompatibilität 258 –– Nachteile 170, 205, 270 f. –– Vertraulichkeit 225 –– Vorteile 269 f. Musterklausel 94, 151 National Mediation Helpline 99 Nebenabrede 83, 93 Neutraler Dritter –– Akkreditierung 194 –– Auswahl 193–200 –– Begriff 15–16 –– Entscheidungsverfahren 250 f. –– Gemeinsame Nominierung 194 f. –– Qualifikation 198–200 –– Kosten 246 –– Liste 289 –– Neutralität 193, 198 –– Stundensatz 246 –– Verfahrensexpertise 199 Neutral Evaluation 204 –– Begriff 12 –– Bindungswirkung 10 –– Verfahrensende 230
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ODR-Verordnung 28, 35 –– Harmonisierung 238 –– Mediation 11 –– Vollstreckbarkeit 242 Öffentlichkeitsgrundsatz 18, 223 Online Dispute Resolution 56 f. Organisatorischer Rahmen 41, 73, 77 f. Pactum de non petendo 149, 156 Partei –– Autonomie 144, 297 –– Bedürfnisse 17, 85–89, 103, 180, 243, 258, 267 –– Beziehung 105 –– Interesse 125 –– Kontrolle 86–88, 209 –– Wünsche 211 f. Pauschalgebühr 189 f., 244, 247, 291, Pound Conference 25, 27 Präambel 96–99 , 186, 204, 281 Proposed Plan for Conciliation and Arbitration between Traders of Different Countries 37 Prozess –– Kosten 26 f., 139, 166, 236 –– Vergleich 236 –– Verschleppung 19, 66, 68 f., 75–77, 132, 166, 168 f., 215–217, 231 f., 246, 259, 264 –– Wesentliche Informationen 67 f. Registrierungsgebühr 286 f., 291–293 Revised Uniform Mediation Act 161 Rules of Procedure for Conciliation and Arbitration 38–41 Sanktionen 83, 156, 165 Sendungswirkung 107, 119 f., 131 Schadensersatz 152 f., 157, 165, 214, 282 f., 292 –– Pauschalierter 165, 267 Shadow Mediation 205 Schiedsverfahrens –– Abrede 95, 109, 121, 159, 161, 172, 174, 176, 183, 270 f., 276, 295 –– Klausel 95,123 –– Spruch mit vereinbartem Wortlaut 240– 242 Schlichtung 10–12, 42 f. –– Verfahren 38, 41, 150 f. –– Vereinbarung 150 Schriftformerfordernis 165, 257 f. Standardklausel 43 f., 47, 51, 113
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Sachregister
Stillhaltefrist 170 Streitbeilegungsmethode –– Zulässigkeit 204 f. –– Wahl 207 f. Streitigkeit –– Begriff 114 f. –– Beilegung 200, 228 f. –– Interkulturell 21 Teilnahmeverpflichtung 107 f., 114, 139, 169, 182, 192, 203, 232 –– Ausschlusswirkung 108 –– Durchsetzbarkeit 108 –– Reichweite 166 f. Übergangsregelung 294 Unabhängigkeitserklärung 197 f., 289 UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation 134–135, 164, 238 f. Uniform Mediation Act 161, 237, 253 Unparteilichkeit 71 f., 97, 210 f., 231 Verbreitung –– ADR-Abreden 104 –– ADR-Verfahren 30, 46 –– Förderung von ADR-Verfahren 91 f., 99 Verfahren –– Aussetzung 138, 142–144, 147, 153, 157 –– Festigkeit 64–66 , 75, 169 f., 227, 273 –– Förderungspflicht 151 –– Qualität 210 f., 214, 226 f. –– Schutzraum 92, 109, 205, 209 f., 225, 235, 270, 275 –– Sprache 182, 199, 202, 288 –– Verschleppung 69, 166, 210, 215 f., 225, 227
Verfallklausel 165 Vergleich 101 –– Umwandlung 240–242 Verhandlung –– Abreden 128 f., 137, 140, 161 f. –– Pflicht 116, 124 f., 127, 130, 132 Verjährung 69 –– Beginn 216–220 –– Hemmung 191, 218 –– Verlängerung 217, 220 Verschwiegenheitsvereinbarung 224, 254, 268 Vertrag –– Autonomie 168, 187 f. –– Erfüllung 153,164, –– Strafe 83, 165, 182, 267, 214, 216, 226, 227, 228, 267, 268 Vertraulichkeit 221–225, 290 Verzahnung 116 Verzögerungsgefahr 87 Verzögerungstaktik 106, 119 Verwaltungshoheit 282–283 Verwaltungskosten 97, 244 f., 247, 291–293 –– Vorschuss 291 Verwertbarkeit 249 f. Vorschusserhöhung 245 Woolf Reform 127, 139 Working Group on ADR 44 Wirkungsfrist 132, 182 Wirtschaftsstreitigkeit 184–186 Zahlungsverzug 246 f. Zustimmungsvorbehalt 89 , 94, 226, 251, 265