Zeitungslehre: Band 2 Redaktion, die Sparten Verlag und Vertrieb, Wirtschaft und Technik, Sicherung der öffentlichen Aufgabe [3., neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111380674, 9783111021997

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182 69 12MB

German Pages 158 [180] Year 1955

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Table of contents :
Inhalt des zweiten Bandes
Inhalt des ersten Bandes
IV. TEIL. Die Redaktion
V. TEIL. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb
VI. Die Sicherung der öffentlichen Aufgabe
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Technik
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Zeitungslehre: Band 2 Redaktion, die Sparten Verlag und Vertrieb, Wirtschaft und Technik, Sicherung der öffentlichen Aufgabe [3., neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111380674, 9783111021997

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SAMMLUNG

GÖSCHEN BAND

1040

ZEITUNGSLEHRE II. BAND REDAKTION — DIE SPARTEN VERLAG U N D V E R T R I E B WIRTSCHAFT U N D T E C H N I K S I C H E R U N G DER Ö F F E N T L I C H E N AUFGABE von

DR. P H I L . EMIL DOVIFAT o. Professor der Publizistik an der Freien Universität Berlin

3., neubearbeitete Auflage

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J. GöBchen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

B E R L I N 1955

Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten

Copyright 1955 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35, Genthiner Str. 13

Archiv-Nr. 11 10 40 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 D r u c k : Sala-Druck, Berlin N 65 P r i n t e d in Germany

Inhalt des zweiten Bandes Seite

IV. D i e R e d a k t i o n

5

1. I h r A u f b a u 2. Die redaktionelle Arbeit im einzelnen 3. Die Stoffbeschaffung a) Der eigenbeschaffte Stoff b) Der fremdbeschaffte Stoff 4. Die Stoffbearbeitung, die redaktionellen Sparten (Ressorts). . a) Die Politik b) Der „Handelsteil", der „volkswirtschaftliche Teil", die Sozialpolitik c) Der Orts- und Heimatteil d) Der kulturelle Teil u n d seine T;ubüz stische Wertung. Das Feuilleton — Der Feuilletonismus — Kritik — Unterhaltung — Bild e) Der Sportteil f) Die technische Redaktion g) Die Bildberichterstattung h) Umbruch und Aufmachung

V. D i e T e c h n i k betrieb

und

Wirtschaft

im

Zeitungs-

1. Das Hauptbuch des Verlages 2. Die Ausgaben a) Satz und Druck b) Papier c) Vertrieb d) Die Redaktion 3. Die Einnahmen . . . a) Verkauf b) Anzeigen 1. Die Anzeigenarten 2. Zeitungsanzeigen als Werbemittel 3. Auflage und Anzeige. Die werbe wirtschaftlichen Grundlagen 4. Textliche Fassung und graphische Form der Anzeige . . c) Einnahmen aus Nebenbetrieben. Zeitungsfremde Zuschüsse 4. Das Kostengesetz der Zeitung. Einnahmen und Ausgaben . . 5. Der Leser

VI. D i e S i c h e r u n g der ö f f e n t l i c h e n A u f g a b e . . . . Literatur Register

5 9 13 15 21 30 34 40 45 51 86 88 89 94

99 100 102 102 106 108 111 115 115 119 122 124 127 130 132 133 139

143 149 153

Inhalt des ersten Bandes Die Zeitung im ö f f e n t l i c h e n L e b e n I. Die E i n h e i t des Z e i t u n g s u n t e r n e h m e n s . . . .

Seite

5 6

1. Einheit der Kräfte a) Jüngstes Gegenwartsgeschehen b) Kürzeste regelmäßige Folge c) Breiteste Öffentlichkeit d) Die drei Hauptaufgaben und ihre Vereinigung 2. Die öffentliche Aufgabe — die publizistische Durchführung . . . 3. Die journalistische (redaktionelle) Arbeit . . 4. Die persönlichen Voraussetzungen der journalistischen Arbeit . 5. Die verlegerische Arbeit 6. Charakter- und Begabungsvoraussetzungen des Verlegerberufes. 7. Die Zusammenarbeit Verleger — Redakteur

II. Die N a c h r i c h t

Gl

1. Das Wesen der Nachricht a) Wert und Nutzen für den Empfänger b) Die Schnelligkeit der Übermittlung c) Subjektive Beeinflussung 2. Sammlung und Verbreitung der Nachrichten — Die Nachrichtenbüros a) Das deutsche Nachrichtenwesen 1. Die deutschen Presse-Agenturen 2. Andere deutsche Nachrichtenbüros b) Das ausländische Nachrichtenwesen 1. Reuters Ltd 2. Die nordamerikahischen Agenturen 3. Die französischen Nachrichtenagenturen 4. Die übrigen freien Agenturen 5. Das Nachrichtenbüro der UdSSR c) Zusammenfassung — Nachrichteninternationale d) Die wichtigsten Nachrichtenunternehmen der Welt e) Die „Ente" — Das „Dementi" f) Die Nachrichtenmittel 3. Die Nachrichtenpolitik a) Nachrichtenstellen, Pressestellen und-ämter b) Die Nachrichtenpolitik der Interessenten — „Public Relations"

III. Die MeinungsZeitung

und W i l l e n s b i l d u n g

51 52 55 57 62 €6 66 72 74 74 77 79 81 82 85 86 92 94 97 97

in der

1. Meinung, „öffentliche Meinung" und politische Willensbildung 2. Die Form der Meinungsführung a) Die Sprache in der Zeitung b) Die Formen des journalistischen Ausdrucks 1. Die Nachrichtenstilform 2. Die Meinungsstilform 3. Die Unterhaltungsstilform c) Die Lern- und Lehrbarkeit des Stils

Literatur Register

6 7 9 11 15 19 23 28 43 46 48

103

105

. 105 113 113 120 121 128 133 133

139 143

IV. TEIL Die Redaktion 1. Ihr Aufbau Verleger und Redakteur sind die tragenden Persönlichkeiten der Zeitung. Ihre Z u s a m m e n a r b e i t schafft die innere Einheit des Blattes: ihr Können, ihre Leistung und ihre Verantwortung haben das ganze Unternehmen zu erfassen und zu führen. Die charakterlichen und fachlichen Voraussetzungen ihrer Tätigkeit, ihre Rechte und Pflichten im öffentlichen Leben wurden daher an den Anfang dieser Arbeit gestellt (Bd. I, S. 22ff). Nun sind Aufbau und Arbeitsgang des Unternehmens zu schildern, das der publizistischen Aufgabe in der Tagesarbeit gerecht werden muß. Wie in allen Lebensbereichen, in denen für geistige und politische Aufgaben materielle und technische Voraussetzungen geschaffen werden müssen, gibt es auch hier starke innere Spannungen. Sie werden fruchtbar, wenn man sie meistert, sie sind lebensgefährlich, wenn man sie nicht bewältigt oder ihnen einseitig ausweicht. Wir beginnen mit der geistigen Seite, mit der R e d a k t i o n . So stark ihre Arbeit geistig-politisch und kulturell bestimmt ist, regen sich bereits auch hier mitformend die beiden anderen Kräfte des Zeitungsunternehmens: Technik und Wirtschaft. Die R e d a k t i o n b e s c h a f f t den geistigen Rohs t o f f . Sie g e s t a l t e t d a r a u s n a c h i h r e m p u b l i z i s t i s c h e n Ziel u n d der N a t u r i h r e s L e s e r k r e i s e s die Z e i t u n g als eine ö f f e n t l i c h e Aufgabe. Sie

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IV. Die Redaktion

t r ä g t d a f ü r im R a h m e n des m i t dem V e r l e g e r v e r e i n b a r t e n A u f t r a g e s die moralische, politische und rechtliche Verantwortung. Die B e s c h a f f u n g des Rohstoffes (Nachrichten, Berichte, Artikel, Bilder, Zeichnungen, belehrender und unterhaltender Stoff usw.) ist nicht nur eine geistige Sache. Er muß auch bezahlt werden. Bereits hier hält die Redaktion ständig Fühlung mit der w i r t s c h a f t l i c h e n F ü h r u n g im Verlag. Die Bearbeitung des Stoffes, ebenso wie seine Sammlung und Weitergabe an die Öffentlichkeit, verlangen schnellste, zuverlässige, klar geordnete und stegreifsichere Arbeit. Die Nachricht bestimmt das Tempo dieser Tätigkeit und fordert somit auch den Einsatz aller t e c h n i s c h e n Mittel. Der Aufbau der Redaktion ist bedingt durch die Aufgabe, einen g e i s t i g e n A r b e i t s v o r g a n g , den technische und wirtschaftliche Mittel mitbedingen und den öffentliche Verantwortungen verpflichten, zu ordnen und wirksam zu machen. Zunächst vollzieht sich der Arbeitsgang der Redaktion rein äußerlich, rein b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h gesehen, in drei Stufen, die im größten wie im kleinsten Blatt die gleichen sind. Der Rohstoff läuft ein und wird aufgenommen. Er wird im einzelnen verarbeitet. E r wird zum innerlich und äußerlich einheitlichen Bilde der Zeitung zusammengesetzt. Demnach gliedert sich der Arbeitsvorgang jeder Redaktion in drei Folgen: 1. die Aufnahme, 2. die Stoffbearbeitung, 3. die Stoffzusammenfassung und Aufmachung der Zeitung. Die A u f n a h m e u m f a ß t alle K r ä f t e u n d Einrichtungen, die den vielfältigen u n d großen Strom bestellten u n d unbestellten Stoffes annehmen, verzeichnen, zur Bearbeitung aufteilen und bereithalten. I n kleineren Verhältnissen wird hier bereits der Redakteur über den schriftlich, telegraphisch und fernmündlich eingelaufenen Stoff gebeugt, sichtend schnell zu seinem Arbeitsstoff kommen. I n mittleren u n d großen Verhältnissen untersteht die Aufnahme dem S e k r e t a r i a t . Dieses

1. Ihr Aufbau

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erledigt technisch alle büromäßigen Arbeiten der Redaktion, meist auch den Verrechnungsverkehr. I h m untersteht die ganze Annahme und Übertragung der durch moderne Fernmeldetechnik einlaufenden Nachrichten, Berichte usw., die durch die Post, das Telefon oder über umfangreiche Fernschreibapparaturen, Bildempfänger und Übersee-Empfangsgeräte zu ihm gelangen. Diese Aufnahme, in der die Pressestenographen ihres Amtes walten, das technische u n d journalistische Aufgaben vereinigt, m u ß ganz erfüllt sein von dem Willen, die Beschaffungs- und Einbringungsarbeiten unausgesetzt, pünktlich, zuverlässig, sachlich beteiligt u n d mit allen K r ä f t e n und im Zusammenwirken aller zur Höchstleistung zu steigern. „Ein guter Aufnahmedienst ist schon die halbe R e d a k t i o n ! " Das soll nicht heißen, daß die Aufnahme dem Redakteur die Arbeit abnehme, aber es soll d a r t u n , d a ß für die R u h e u n d Gründlichkeit der redaktionellen Arbeit viel Zeit gewonnen werden kann, wenn die Aufnahme ständig über alles einlaufende Material eine genaue Übersicht bereithält und seine Verteilung so vornimmt, daß Leerlauf in Nachfrage, Suchund Doppelarbeit vermieden wird. Die Arbeit des P r e s s e s t e n o g r a p h e n ist durch die Entwicklung der Fernschreibgeräte (vgl. Bd. I S. 97) nicht überflüssig geworden. Sie findet vielmehr in der verfeinerten Nachrichtenarbeit, sowie bei Großberichterstattung jeder Art ihre Bewährung. Der Pressestenograph hat volle technische und geistige Beherrschung der Kurzschrift mit guter politischer und allgemein fachlich-journalistischer Durchbildung zu verbinden. Er vermittelt die erste Fühlung mit dem Ereignis, über das berichtet wird, und ist verpflichtet, die Berichte aufzunehmen, Verstümmelungen, Entstellungen, Hörfehler zu vermeiden und das Ganze, auch in der Hitze des Gefechtes, schnell in sauberes Manuskript zu fassen.

Die B e a r b e i t u n g des Stoffes ist ausschließlich Aufgabe der Redaktion. Ihre Arbeitsgliederung kann nach verschiedenen Gesichtspunkten vorgenommen werden. I n Deutschland ist sie durch fachliche Einteilung des Stoffes bedingt; sie gliedert sich in Ressorts, in S p a r t e n

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IV. Die Redaktion

(Politik, Kulturpolitik, W i r t s c h a f t , Lokales, Sport usw.). D i e geistige L e i t u n g aller Teilgebiete u n d ihre Z u s a m m e n f a s s u n g i s t A u f g a b e d e s C h e f r e d a k t e u r s . D e n reibungslosen inneren Ablauf der redaktionellen Arbeit, den pünktlichen Abschluß, das genaue Ineinanderarbeit e n , d e n A n t r i e b z u l e t z t e r u n d h ö c h s t e r A k t u a l i t ä t leis t e t i n g r ö ß e r e n R e d a k t i o n e n d e r „ S t a b s c h e f " d e s Chefredakteurs, der ,,Chef v o m D i e n s t " . Über die innere Aufteilung der redaktionellen Arbeiten, die im „Schriftleitergesetz" während des Hitlerregimes bis ins einzelne festgelegt waren, damit der f ü r die Haltung des Blattes „Verantwortliche" immer gefaßt werden konnte, ist in der demokratischen Gesetzgebung keinerlei Bestimmung getroffen. I n den meisten Gesetzen ist nur Sorge getragen, daß die gesetzlichen Verantwortungen klar sind, wo mehrere verantwortliche Redakteure genannt werden (Reichspressegesetz § 7 (2), Hessisches Pressegesetz § 7 (1)). Eine genauere gesetzliche Regelung der inneren Arbeitsteilung und der rechtlichen Verantwortlichkeit gab das 1951 geplante „Bundespressegesetz", das als Referentenentwurf erschienen und lebhaft besprochen worden ist. Danach h ä t t e der Chefredakteur die „öffentliche Verantwortung" f ü r die Gesamthaltung des Textteiles nach den vom Verleger f ü r die Haltung und Zielsetzung der Zeitung festgesetzten Grundsätzen. Der Verleger sollte im Einvernehmen mit dem Chefredakteur „leitende Redakteure" f ü r besondere Teile der Zeitung ernennen, die dann f ü r alle von ihnen aufgenommenen Beiträge die „öffentliche, straf- und zivilrechtliche Verantwortung" tragen würden. Alle Artikel, f ü r die ein „Verantwortlicher" nicht bestimmt ist, gehen nach dem Referentenentwurf „zu Lasten des Chefredakteurs". — Klare Verantwortlichkeiten zu bestimmen ist in jedem Falle Voraussetzung einer sauberen Redaktionsführung. Sie müssen durch innerredaktionelle Abmachungen festgelegt sein. Das „ I m p r e s s u m " (Pflichteindruck), das in jeder Nummer den Verleger, Drucker und den oder die „Verantwortlichen" nennt, ist nur die äußerliche Klarstellung der inneren Ordnung. Bezüglich der Zahl der Verantwortlichen und der Gliederung der Gebiete gibt es keinerlei feststehende Regelungen. Es gibt große Blätter, die nur einen „Verantwortlichen", andere, die vier und mehr nennen. Das sogenannte „Strohmannsystem", die Einrichtung eines „Sitzredakteurs", gibt es heute nicht mehr. Nach den meisten gesetzlichen Bestimmungen können „immune" Per-

2. Die redaktionelle Arbeit im einzelnen

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sonen, also solche, die nicht jederzeit strafrechtlich herangezogen werden können (z. B. Parlamentarier), nicht verantwortliche Redakteure sein (Bayerisches Pressegesetz § 5, Hessisches Pressegesetz § 7, Referentenentwurf Bundespressegesetz § 20).

Der dritte Vorgang in der hier gegebenen, zunächst schematisierenden Gliederung, ist das Z u s a m m e n f a s sen des S t o f f e s u n d s e i n e g r a p h i s c h e A u f b e r e i t u n g z u r Z e i t u n g . Dabei ist formal der Stoffandrang aller Abteilungen so zu regeln, daß auf dem vorhandenen Raum alles Wesentliche unterzubringen ist. Inhaltlich muß jede Stellungnahme der Grundrichtung des Blattes entsprechen. Temperament und Sprache des graphischen Ausdrucks, die Heraushebung des Wichtigsten und die Form der gesamten Aufmachung müssen gefunden werden. Der U m b r u c h (s. S. 94), das äußere, graphische Gesicht der Zeitung, ist nach dem aktuellen Tagesgeschehen, der besonderen Aufgabe des Blattes und der Natur seiner Leser zu. gestalten. Die bindenden Entscheidungen treffen Chefredakteur und Chef vom Dienst; der U m b r u c h l e i t e r führt sie aus. In dieser redaktionellen Arbeit aus der Fülle des Stoffes und der Eigenart der Persönlichkeiten, Auffassungen und Temperamente dennoch die e i n h e i t l i c h e Z e i t u n g zu schaffen, ist die Aufgabe. Ihr Gelingen ist bestimmt durch die kollegiale Zusammenarbeit der Redakteure, getragen und entzündet durch die geistige Aufgabe der Zeitung. Auch hier gewährleistet also das Gesinnungselement den publizistischen Erfolg. 2. Die redaktionelle Arbeit im einzelnen In der Besprechung der P e r s ö n l i c h k e i t des R e d a k t e u r s (Bd. I, S. 25) sind wir von seinem C h a r a k t e r ausgegangen. Hingabe an die Sache, innere Berufung, Wille und Kraft zu öffentlichem Wirken waren die Elemente, die wir als Voraussetzung der journalistischen Leistung kennenlernten. Dazu trat die Begabung der Form,

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IV. Die Redaktion

I n einer mittleren oder großen Redaktion arbeiten oft viele Persönlichkeiten an e i n e m Werk. Auch wo die unerläßliche Einheit des publizistischen Wollens gegeben ist, bleibt die Mannigfaltigkeit der Temperamente, der Meinungen, des Geschmackes, bleiben die Verschiedenartigkeiten von Alter, Geschlecht, Herkommen, Vorbildung, Lebens- und Berufserfahrung. Diese Mannigfaltigkeit ist erforderlich. Sie bedingt das Leben der Zeitung. Eine Redaktion, die nur mit Berufstypen gleicher Art besetzt wäre, würde auf die Dauer nur Typen verwandter Art unter den Lesern genügen. Dadurch wäre keine Auflage zu erzielen, die das Blatt lebensfähig hielte. Unterschiede unter den Kollegen einer Redaktion sind also nötwendig. Allen zu eigen m u ß aber die gleiche publizistische und charakterliche Grundauffassung und die bedingungslose Hingabe an die Zeitung sein. U m diese unterschiedliche Belegschaft auf den einen einheitlichen und kürzesten Nenner, auf den Nenner Z e i t u n g zu bringen, bedarf es einer besonderen Leitung. Der C h e f r e d a k t e u r übt sie. Seine Aufgabe verbürgt dann Erfolg, wenn er zunächst seinen Beruf auch handwerklich vom Kleinsten her kennt. Wenn er nicht jedem jungen Berichterstatter, dem Mann vom Umbruch oder dem Leiter eines Ressorts seine Arbeitsaufgabe vorbildlich und überzeugend nahe bringen kann, ist schon ein Teil seines Ansehens, die Quelle des Vertrauens in seine "Leitung, fraglich geworden. Neben dem handwerklichen Können, das alle, die in ihm aufgehen, oft überschätzen, steht aber die g e i s t i g e F ü h r u n g . Wenn es dem Chefredakteur nicht gelingt, bis zum Lernenden hinunter alle seine Mitarbeiter f ü r das Ziel der Zeitung innerlich zu gewinnen, wenn das Ziel selbst und die K r a f t , die der Chefredakteur d a f ü r einsetzt, nicht schließlich doch und immer wieder alle persönlichen und sachlichen Gegensätze, die unter beweglichen, kampffrohen, willensstarken und eigen-geistigen Menschen gar nicht zu vermeiden sind, überwindet und bereinigt, dann ist der Chefredakteur seiner Aufgabe

2. Die redaktionelle Arbeit im einzelnen

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nicht gewachsen. Wie er sein Ziel im einzelnen erreicht, ist nicht festzulegen und ganz Sache seiner Persönlichkeit. I m allgemeinen wird nicht das Kommando bestimmen, was zu geschehen hat, sondern die innere Überzeugung des einzelnen und seine natürliche Einsicht. Ein ausgezeichnetes Mittel, dazu beizutragen, sind rechtgeleitete R e d a k t i o n s k o n f e r e n z e n , Besprechungen aller Redakteure, die zu zwei Gelegenheiten gehalten werden: zunächst t ä g l i c h . Diese dienen dann der Besprechung über die laufenden Angelegenheiten, der Arbeits- und Stoffaufteilung, der politischen Lage, wohl auch dem Rückblick auf Fehler und Vorzüge der letzten Nummer. Hierbei entlädt sich der in jeder guten Redaktion vorhandene „Ressortpartikularismus", d. h. der Wille jedes Redakteurs, für seine Aufgabe tunlichst die ganze Zeitung in Anspruch zu nehmen. Hier auszugleichen, für das Verständnis der einzelnen Abteilungen und ihrer Bedeutung untereinander zu wirken und schließlich durch Machtspruch zu klaren Verhältnissen zu kommen, ist Sache des Chefredakteurs. A l l g e m e i n e Besprechungen sollten außer den täglichen in bestimmten Zeitabschnitten stattfinden, d a die täglichen, meist streng an die Minute gebunden; sich immer nur in Eile vollziehen. Die allgemeinen Besprechungen aber behandeln Fragen, die ruhiger Klärung bedürfen, so z. B. die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts. Sie geben allen Abteilungen Gelegenheit, über einander ihre Meinung zu sagen, sie geben auch die Möglichkeit ausgiebiger Besprechung der Wettbewerbsverhältnisse mit anderen Blättern. Wo lebendige Arbeiter in der Redaktion wirken, schaffen solche Besprechungen immer eine Fülle neuer Ideen und Anregungen, die eine Zeitung vorwärtsbringen. Sie überwinden auch die natürliche Enge und Eigensucht der Ressorts. Sie geben die Möglichkeit, die Plätze zu wechseln, den Kulturpolitiker einmal zu wirtschaftlichen, den Wirtschaftler einmal zu kulturpolitischen Fragen Stellung nehmen zu lassen und so dem Leserkreis das öffentliche Leben immer von neuen

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IV. Die Redaktion

Blickpunkten zu zeigen. Das öffentliche Leben ist ja ein Ganzes. Zu allen seinen Vorgängen hat jeder, der ihm innerlich verpflichtet ist, etwas zu sagen. Die fast täglich beobachtete Tatsache, daß sich bei bestimmten wichtigen Ereignissen mehrere Sparten um die Bearbeitung streiten und die Redaktionskonferenz oder der Chef vom Dienst entscheidet, ist an sich ein sehr gesunder Vorgang. E r soll so gefördert werden, daß auch alltägliche Vorgänge in die verschiedenen Beurteilungswinkel sehr unterschiedener Persönlichkeiten gerückt werden. Auch die wirtschaftliche und technische Seite der Zeitung m u ß in diesen Redaktionskonferenzen immer wieder besprochen werden. Bei wichtigen Fragen wird auch der Verleger oder der Vertreter des Verlages entscheidend beteiligt sein, denn die innere Einheit des ganzen Zeitungswerkes ist schließlich auch das Ergebnis dieser Besprechungen. Sie sollen immer wieder in allen Mitarbeitern das geistige Gesamtziel festigen, das der Zeitung gesetzt ist und in ihnen jene Leistungsfreudigkeit, ja Begeisterung wachhalten, ohne die eine Zeitung auf die Dauer m a t t und schal wird und keine Wirkung mehr ausstrahlt. Des weiteren beschäftigen Pflege und Aufbau des M i t a r b e i t e r s t a b e s , wenn sie im einzelnen auch Ergebnis der Arbeit der Redakteure sind, die Redaktionskonferenzen. Schon um auch hier immer wieder anzuregen, vorwärts zu kommen und neu wachsen zu lassen, ist das nötig. Schließlich gehört in diese Redaktionskonferenzen auch der ständige E r f a h r u n g s a u s t a u s c h ü b e r d e n L e s e r k r e i s . Jeder Redakteur m u ß alle Äußerungen und Regungen des Leserkreises kennen und richtig in seiner eigenen Arbeit einschätzen. Alle Erfahrungen anderer Kollegen wird er dazu interessiert benutzen. So stellt sich die deutsche Redaktion dar als eine öffentlich verpflichtete, der Öffentlichkeit dienstbare publizistische Arbeitsgemeinschaft. J e nach Art und Zielgebung des • Blattes wird sie auch Kampfgemein-

3. Die Stoffbeschaffung

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schaft sein. Ihr dann anzugehören, wird in notwendigen publizistischen Kämpfen unter rechter Führung immer ein besonderes Erlebnis sein. In jedem Falle hat sie das Ziel, aus dem Leben des Tages und allen seinen Ereignissen ein klares Bild der Zeit und ihrer Entwicklung zu geben: zuverlässig, vollständig, wahrhaftig und gesinnungsbestimmt, aus eigener echter Überzeugung. Die stoffliche Gliederung der d e u t s c h e n Redaktionen kommt auch stark in ihrer räumlichen Anordnung zum Ausdruck. Jede größere deutsche Redaktion h a t ihren beinahe symbolischen langen K o r r i d o r , in den hinein meist ganz abgeteilte Zimmer der einzelnen Ressorts münden. Der Gegensatz dazu ist das a m e r i k a n i s c h e R e d a k t i o n s s y s t e m . Hier ist die Arbeit nicht fachlich nach Stoffgebieten getrennt, sondern es sind die „Meinungsarbeiter", die nur eine geringe Rolle spielen, von den „Nachrichtenarbeitern" gesondert. Diese wiederum finden und formen die Nachricht in einer nicht stofflich, sondern nach Herstellungsphasen gegliederten Arbeitsteilung. Der erste findet die Nachricht, der zweite schreibt sie, der dritte redigiert sie, der vierte findet die Überschrift, und der f ü n f t e bestimmt ihr typographisches Auftreten. — Wieder anders ist das f r a n z ö s i s c h e S y s t e m aufgebaut, das eine f ü r deutsche Verhältnisse kaum vorstellbare Beweglichkeit aller Mitarbeiter ermöglicht und die eigentliche redaktionell-technische Aufgabe in die Hände des „Redaktionssekretärs" legt.

3. Die StoffbeschafTung Woher nimmt die Tageszeitung ihren Stoff ? Die Beschaffung der N a c h r i c h t haben wir kennengelernt (Bd. J, S. 62). Aber daneben steht in aller Vielfältigkeit und Fülle meinungsführender, unterrichtender, belehrender, beratender, unterhaltender und nützlicher Stoff in der ganzen Buntheit unter dem ständigen Wechsel des öffentlichen Lebens, innerhalb dessen die Zeitung ihre Aufgabe erfüllt. Es kann daher der Versuch nur eines Blattes, diesen Stoff aus eigenem und nur für sich zu decken, nie zum Ziele führen. Immer werden e i g e n b e s c h a f f t e r , d. h. durch die Redaktion und ihre Mitarbeiter gewonnener, und f r e m d b e s c h a f f t e r , d . h .

14

IV. I)ie Redaktion

als Halb- oder Fertigfabrikat gekaufter Stoff, zu unterscheiden sein. Welche Beschaffungsart überwiegt, das ist für die Eigenart der Zeitung bestimmend, aber von ihrer Größe, Reichweite und Wirtschaftskraft abhängig. Die Frage: e i g e n b e s c h a f f t e r oder f r e m d b e s c h a f f t e r S t o f f ist die alte Streitfrage, inwieweit eigene Leistung u n d Ideenkraft oder Kleistertopf und Schere den Inhalt bestimmen. I n dieser kraß die Gegensätze herauskehrenden Form ist die Frage falsch gestellt. Worauf es ankommt, ist folgendes: Jedes Blatt hat nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn es einem bestimmten Leserkreis und meist auch einer bestimmten Stadt oder Landschaft in natürlicher Erfüllung der ebendort auftretenden publizistischen Aufgaben verpflichtet ist. Aus Weltstädten in Kleinstädte u n d Dorfgemeinden eingeführte Zeitungen werden dort niemals ohne weiteres den örtlichen Aufgaben dienen können. Ebensowenig kann das aber eine Kleinzeitung tun, die ihren Stoff (gematert oder in Korrespondenzen) ausschließlich aus Großstädten bezieht und keine Bindungen an das öffentliche Leben eines festen Verbreitungsgebietes und eine aufzuschließende und zu entwickelnde Leserschaft hat. Dieser Grundtatsache tragen die neueren Organisationsformen des Zeitungswesens bewußt Rechnung. Auch auflagestarke Blätter pflegen sich als Neben- und Bezirksausgaben in landschaftsgebundene Zeitungen aufzugliedern. Daneben behauptet sich die bodengebundene Heimatpresse (vgl. S. 28). Nicht auf die Größe des Unternehmens, auch nicht auf Benutzung von Kleistertopf u n d Schere kommt es also im einzelnen an. Maßgebend ist die Fähigkeit eines Blattes, seinen Inhalt so zu finden, zu fassen, zu formen und an die Öffentlichkeit, an eine Leserschaft zu bringen, daß damit ihr publizistischer Bedarf befriedigt ist. J e d e Z e i t u n g h a t i h r e n I n h a l t so z u g e s t a l t e n , d a ß sie in i h r e m V e r b r e i t u n g s g e b i e t e i n e Lesergemeinde gründen und behaupten kann. Diese Gemeinde muß aus wirklichem inneren

3. Die Stoffbeschaffung

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V e r t r a u e n sich zur Z e i t u n g f i n d e n und sich durch die tägliche Nachrichten - und Meinungsarbeit des B l a t t e s versorgt und geborgen fühlen. Nach dieser Aufgabe richtet sich das Maß von Eigenarbeit und Fremdarbeit. a) Der eigenbeschaffte Stoff Das führende Weltblatt ist im Zeitungswesen nicht die Regel. Seine Spalten mögen im wesentlichen aus der Arbeit der eigenen Redaktions- und Korrespondentenstäbe schöpfen. Der Mehrzahl aller Zeitungen aber ist die Aufgabe gestellt, einer durch den städtischen und ländlichen Verbreitungsbezirk und auch durch Landschaft und Heimat gebundenen Lesergemeinde verpflichtet zu sein. Das verlangt eine starke und persönliche Eigenarbeit auf vielen, aber nicht auf allen Gebieten. Daß die Zeitungsredaktion alles von der ersten bis zur letzten Zeile selbst schreibe, ist nicht gefordert. Im Gegenteil, beste Stoffe wird sie, soweit sie wirtschaftlich erschwinglich sind, halb und ganz bearbeitet von draußen heranziehen. Sie müssen dann aber samt und sonders in die eigene Natur und Aufgabe der Zeitung eingeordnet und für sie angepaßt und zurechtgearbeitet sein. Eigenarbeit ist aber, z. B. in der großen Politik, selbst in mittleren und kleineren Blättern, dann zu leisten, wenn es möglich ist, ihre Auswirkungen aus dem Alltagsleben des Leserkreises im Verbreitungsgebiet darzutun. In der allgemeinen Tagesarbeit freilich wird eben hier der Unterschied zwischen dem „großen" und „führenden" Blatt und der mittleren und kleinen Zeitung zu suchen sein. Sie wird ihren politischen Stoff ebenso wie den allgemeinen und kulturpolitischen Stoff zum Teil von draußen, d. h. von Korrespondenzunternehmen beziehen. Doch wird sie auch hier zu Eigenarbeit übergehen, wo es die Vorgänge im eigenen Verbreitungsgebiet verlangen, wo örtliche K r ä f t e das leisten und die Zeitung es zu bezahlen in der Lage ist. Zur eigenbe-

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IV. Die Redaktion

schafften Arbeit gehört auch all das, was die e i g e n e n M i t a r b e i t e r beisteuern. Es beweist die Fähigkeit des tüchtigen Redakteurs, Mitarbeiter heranzuziehen und richtig zu entwickeln. Ein Stab guter, ganz auf die Eigenart des Blattes gerichteter Mitarbeiter ist eines der Geheimnisse jedes Zeitungserfolges. Der Begriff „ M i t a r b e i t e r " ist weit gefaßt. Seine Gliederung nach redaktioneller Aufgabe und arbeitsrechtlicher Verpflichtung haben wir bereits aufgeführt (Bd. I S. 39). Zu nennen sind hier zunächst die h a u p t b e r u f l i c h tätigen Persönlichkeiten, die sich beruflich bewährt haben und in Honorar oder in pauschaler Bezahlung stehen. Ihnen fällt oft der Hauptteil der freien Mitarbeit zu. Aber auch sie, wie die oft sehr wertvollen und anregenden „gelegentlichen Mitarbeiter", müssen auf Grund der besonderen N a t u r der Zeitung in ständiger unterrichtender Fühlungnahme immer wieder auf den besonderen Bedarf der Zeitung hingewiesen werden. Es muß die ständige Sorge des Redakteurs und der redaktionellen Arbeit sein, aus der großen Zahl der verfügbaren Mitarbeiter d i e herauszuholen, denen das f ü r die Zeitung notwendige Können in der gerade f ü r sie gebotenen Eigenart gegeben ist. Keine Stunde ist vergeblich, die f ü r diese pädagogisch-redaktionelle Aufgabe aufgewandt wird. Auch neue Begabungen aufzuspüren, sie in ihrer Eigenart zu stärken und zur Entfaltung zu bringen, ist Sache des Redakteurs. Dazu braucht er Menschenkenntnis, Blick f ü r Talent, Fähigkeit und Eigenart und vor allem unermüdliche Geduld. Nicht nur das Gedeihen der Zeitung, auch die geistige Zukunft des eigenen Standes ist damit in großem Umfange in die H a n d des Redakteurs gelegt. Er ist so in gewissem Sinne Arbeitgeber einer wichtigen Gruppe journalistisch-schöpferischer Persönlichkeiten, deren Leistungsfähigkeit sehr davon abhängt, daß sie wirtschaftlich auskömmlich bezahlt werden. U m das durchzusetzen, haben sich die „ f r e i e n M i t a r b e i t e r " vielfach zu eigenen Gruppen in den journalistischen Berufsorganisationen zusammengeschlossen. Sie stehen in scharfer Gegnerschaft zu der Unterbietung und Schleuderkonkurrenz berufsfremder Kräfte, leiden allerdings selbst auch unter der sozialen Belastung durch ältere, in den Leistungen nachlassende Kräfte. Hier den fähigen K r ä f t e n in auskömmlicher Weise Arbeitsentwicklung zu bieten, ist die schwierige Aufgabe der Redaktionen. Von einer fähigen Mitarbeiterschaft ist die Leistung der Zeitung wesentlich mitbestimmt. Jede größere Redaktion

3. Die Stoffbeschaffung

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verfügt zudem über eine Reihe festverpflichteter fach- und sachkundiger Mitarbeiter, die nötigenfalls mit Auskünften oder schnell zu liefernden Artikeln zur Verfügung stehen (z. B . ärztliche, technische, meteorologische, juristische, theologische usw. Mitarbeiter). Eine „Mitarbeiterschaft" seltsamer, aber oft auch nützlicher Art sind die begeisterten oder nörgelnden, lobenden oder hämischen, oft auch namenlosen Leser, die sich in Zuschriften an die Redaktion wenden. Sie sind selten ganz wertlos (wenn man die Narren, die Eigenbrötler und Stänker ausschließt). Ein gewisser Gradmesser der Öffentlichkeit sind sie für die Zeitung. Dä, wo aus ehrlichem Wollen geschrieben wird, soll der Redakteur, wenn die Zeit es ihm irgend erlaubt und ihm das aussichtsreich erscheint, mit den Schreibern Fühlung aufnehmen oder nehmen lassen, damit sich diese Bereitschaft nicht durch Totschweigen in Verärgerung verwandelt. Man kann diese Leser nicht nur zu treuen Freunden machen, sondern auch zu guten gelegentlichen und schließlich ständigen Mitarbeitern erziehen. Hier endet die Frage der Mitarbeiterschaft in der Pflege, Unterrichtung, aber auch Beobachtung und Befragung der L e s e r s c h a f t . Sie ist auch eine besondere Aufgabe für den Verlag (s. Bd. I S. 47); der Redakteur aber hat sie Tag für Tag zu lösen. Besonders verantwortliche E i g e n a r b e i t h a t der oft als festangestellter Mitarbeiter tätige Vertreter der Zeitung an den politischen Hauptpunkten des L a n des (Bonner Vertreter, Berliner V e r t r e t e r ) oder der W e l t (Auslandskorrespondent) zu leisten. E r steht an einer sehr sichtbaren Stelle, ganz im R a m p e n l i c h t e der Öffentlichkeit und ist L o b und Tadel oft mehr ausgesetzt als der R e d a k t e u r daheim. E r muß also über die F ä h i g k e i t e n verfügen, sein B l a t t bei all den Gelegenheiten zu vertreten, die beruflich seine Anwesenheit erfordern. Dazu muß er die sichere, gesammelte, formgeschulte und findige B e g a b u n g des R e p o r t e r s verbinden m i t der F ä h i g keit, sich auch gesellschaftlich in den Kreisen zu halten, die über die politischen Vorgänge Bescheid wissen. E r soll weniger der gerissene Ausnutzer der „guten Verb i n d u n g e n " als vielmehr der durch sein K ö n n e n und seine Leistung im Dienste der Zeitung anerkannte und g e a c h t e t e Publizist sein. D a ß dazu auch die kameradD o v i f a t , Zeitungslehre I I

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schaftliche Anerkennung im Kreise der Berufsgenossen u n d die gesellschaftliche in d e r politischen W e l t gehört, ist selbstverständlich. U n b e d i n g t e Sauberkeit der Lebensführung, politische u n d persönliche Zuverlässigkeit sind die weiteren F o r d e r u n g e n , die a n den M a n n gestellt werden müssen, der das Ansehen einer Zeitung an den politischen H a u p t p u n k t e n des Landes u n d der Welt zu wahren hat. Die Tatsache, d a ß in der heutigen Lage des Zeitungswesens diese redaktionellen Vertreter n i c h t eine, sondern m e h r e r e Zeitungen vertreten, v e r s c h ä r f t erst recht diese Forderungen. I n g e s t e i g e r t e r F o r m g e l t e n sie f ü r d e n A u s l a n d s k o r r e spondenten. Die Aufgabe des A u s l a n d s k o r r e s p o n d e n t e n geht über das bloß Journalistische hinaus. E r ist nicht nur Vertreter seiner Zeitung. E r ist auch Vertreter seines Volkes. Einen „Halbbruder des Diplomaten" h a t man ihn genannt, salopp wohl auch einen „Diplomaten in Hemdsärmeln". Schon um am politischgesellschaftlichen Leben des Landes teilzunehmen, in dem er wirken soll, bedarf er einer größeren finanziellen Beweglichkeit; denn er muß sich ständig den Zutritt zu den Kreisen freihalten können, in denen er sich politisch unterrichten kann. E r muß dort eingeladen werden u n d auch selber einladen können. J e mehr er mit den Politikern des Landes, über das er zu berichten hat, gesellschaftlich gleichberechtigt verkehrt, um so stärker sind die Möglichkeiten, sich zu unterrichten. Daß er dabei klug genug sein muß, sich keine Bären aufbinden zu lassen, und wachsam genug, sich in nichts zu vergeben, ist selbstverständlich, aber vielleicht nicht unnötig, gesagt zu werden. Unerläßlich ist die genaueste Kenntnis von Land und Leuten, die völlige Beherrschung der fremden Sprache und die richtige Fähigkeit, alle Enge und Stickluft heimischen Krähwinkeltums abgeschüttelt u n d den großen und freien Zug weltpolitischer Ideen begriffen zu haben. Wer Land und Leute überhaupt zum ersten Male erlebt, mag als Reporter unbefangener und frischer schreiben. Als ständiger Vertreter aber h a t er wesentlich mehr zu leisten. H ier muß er ganz auf den Grund der Dinge sehen, und kennt er d a s Land aus der Zeit v o r seiner Pressetätigkeit, h a t er es von einer anderen Tätigkeit her genau kennengelernt, umgeht er die Gefahr, die jedem Pressevertreter droht, einseitig unterrichtet

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zu werden, nur das gezeigt zu erhalten, was gezeigt werden soll. Auch die genaue Kenntnis des Volkscharakters erschließt sich dem mehr, der in diesem Volke anonym gearbeitethat. Dann erst ist er in der Lage, sich selbst ein echtes Bild zu machen. Aus dem Grunde ist auch die Beherrschung der Sprache oberste und unbedingte Forderung. Mit dem Dolmetscher oder in ständiger Benutzung eines Wörterbuches kann nicht erreicht werden, was ein besonderes Ziel der Korrespondenzarbeit ist: das wirkliche und echte Leben des fremden Volkes zu erkennen und darzustellen, vor allem aber die Übertreibungen oder Untertreibungen der politischen Sprache zu verstehen. Der Korrespondent h a t nicht nur über das große politische Ereignis zu berichten, größer noch ist die Aufgabe, dessen Kommen zu spüren, es zeitig zu erkennen, es in einer lebendigen und gemeinverständlichen Berichterstattung vorzubereiten und d e u t l i c h z u m a c h e n . In vertraulichen, nicht zur Veröffentlichung bestimmten Informationen h a t er die Heimatredaktion immer unterrichtet zu halten. Leider genügt die gegenwärtige Besetzung der Auslandsposten unserer deutschen Presse zahlenmäßig und persönlich f ü r die hier gestellten Aufgaben ebensowenig wie der Raum, der im Blatt daheim der außenpolitischen Problematik zur Verfügung gestellt werden kann. Große Weltblätter unterhalten 40 und mehr Auslandskorrespondenten. Als vorbildlich gilt das System der Londoner „TIMES", das eigene Stäbe von Auslandskorrespondenten jeweils f ü r bestimmte Ländergruppen entwickelt (slawische Welt, romanische Welt usw.). Viele„TlMES'"-Korrespondenten bleiben ihr Leben lang im Ausland; freilich kehren sie im bestimmten R h y t h m u s zu mehrmonatlichem Aufenthalt in die Heimatredaktionen zurück. Indem eigene, die Presse besonders betreuende Beamtenposten bei den diplomatischen Vertretungen geschaffen sind, ist dem deutschen Korrespondenten, soweit das dienstlich möglich ist, die Arbeit erleichtert. Wenig wird amtliche Unterstützung ihm helfen können in seiner Pflicht, das fremde Volk aus seiner ganzen N a t u r und Geschichte zu begreifen und darzustellen, um so der Heimat die Grundlage einer auf gegenseitiger Anerkennung aufbauenden Verständigung mit den großen Staaten der Welt zu bieten. Die Bedürfnisse und Richtlinien der deutschen Politik bleiben dabei f ü r ihn entscheidend. Es bleibt die schwierigste Aufgabe j e d e s kundigen, erfahrenen Berichterstatters, der nach draußen entsandt ist,: u n t e r dem großen P r u n k m a n t e l der ä u ß e r e n A u f m a c h u n g 2*

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und nachrichtenpolitischen F ä r b u n g den wahren Gang der p o l i t i s c h e n T a t s a c h e n zu s e h e n , i h r W i r k e n u n d i h r e n E i n f l u ß auf das eigene L a n d zu e r m e s s e n u n d d a s v o n d r a u ß e n an die H e i m a t s c h r i f t l e i t u n g zu b e r i c h t e n . Was davon veröffentlicht werden oder von der allgemeinen politischen Führung des Blattes vertraulich nutzbar gemacht werden kann, das wird nach der jeweiligen politischen Lage und den Aufgaben zu entscheiden sein, die der Zeitung erwachsen. Sie und nicht die allgemein journalistischen oder gar nur sensationellen Interessen bestimmen die Arbeit des Auslandskorrespondenten. Die Erhebung des „Institutes f ü r Publizistik" an der Freien Universität Berlin ergab f ü r 1953 nach Angabe der deutschen Presse 156 deutsche Korrespondenten in Europa und Übersee, davon 27 in Paris, 4 in Amsterdam, 2 in Brüssel, 25 in London, 21 in Rom, 15 in Madrid, 10 in Stockholm, 6 in Zürich, jedoch nur 5 in Washington, 5 in New York, 1 in Buenos Aires, 1 in Tokio und keinen in Moskau. Bei außerordentlichen Ereignissen pflegen die Blätter S o n d e r b e r i c h t e r s t a t t e r zu entsenden. Diese journalistische Arbeit ist so bedeutsam geworden, daß ihre Träger von Starallüren oft nicht freigeblieben sind. Die Nachkriegszeit h a t vor allem dem „ K o n f e r e n z b e r i c h t e r s t a t t e r " besondere Aufgaben gestellt. Auch nach der nachrichten-technischen und organisatorischen Seits wurde die Konferenzberichterstattung ganz besonders entwickelt. Die Art, wie sie auch kollegial und im Zusammenwirken mit den großen Nachrichtenbörsen der Konferenzstädte betrieben wird, ist oft geschildert worden 1 ). Eine Spitzenleistung der Konferenzjournalistik brachte die — ergebnislose, aber mit vielen Erwartungen angelaufene — B e r l i n e r K o n f e r e n z vom Februar 1954. Die in eigenen Pressehäusern diesseits und jenseits des eisernen Vorhangs untergebrachten Pressevertreter und Sonderberichterstatter waren aus 33 Ländern gekommen. Gezählt wurden rund 1200 Presse-, Film-, Rundfunk- und Fernsehvertreter. (Bei der Konferenz auf den Bermudas waren es 700.) Der Betrieb wickelte sich in mehr als 30 Räumen (ausschließlich der technischen Telephon-, Sendeund Sprechräume) ab. I m einzelnen arbeiteten u. a. 458 Vertreter der Bundesrepublik, 200 Vertreter der USA, 110 englische und 80 französische Journalisten 2 ). 1 ) Vgl. die anschauliche Darstellung des Genfer Konferenzbetriebes bei Schmidt, Paul: „Statist auf diplomatischer Bühne", Bonn 1953. a ) Schulz-Werner, Joachim: Das Pressehaus der Viererkonferenz i n : Der Journalist, Jg. 4, 1954, H. 4, S. 15.

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Eine besondere, sehr reglementierte Entwicklung h a t in den letzten Kriegen die K r i e g s b e r i c h t e r s t a t t u n g durchgemacht. Die früheren Kriegsberichter, z. B. der deutschen Einigungskriege, waren militärische Laien und Neutrale. Sie bewegten sich zwischen den Fronten und auf beiden Seiten. Rüssel, der Berichterstatter der „ T I M E S " im Krimkrieg ( 1 8 5 3 - 5 6 ) , f u h r in einer zweispännigen Equipage buchstäblich als „Schlachtenbummler" zwischen den feindlichen Lagern hin und her. E r besuchte die Stäbe, kritisierte die Generäle und setzte u. a. in London die Abberufung eines unfähigen Militärs durch. Das ist heute unvorstellbar. Schon im ersten Weltkrieg waren die Kriegsberichter bei den hohen Stäben zusammengezogen. Sie besichtigten an ruhigen Tagen die Front und schrieben Berichte, die der Zensur unterlagen. I m zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland, den totalitären Grundsätzen folgend, die Kriegsberichterstattung propagandistischer Auftrag. Die Berichterstatter in Presse, Film und R u n d f u n k waren Soldaten und als solche in „Propagandakompanien" (P. K.) zusammengefaßt. Sie arbeiteten auf militärischen Befehl, gingen mit den kämpfenden Truppen vor und berichteten — der Zensur und Propagandastelle — aus unmittelbarer Beteiligung am Kampf. Die Zensur und Propagandastelle prüfte die Berichte und gab sie an geeignete Zeitungen weiter. Viele P.K.-Leute sind gefallen. In ihren Berichten sind neben hohler Kriegstrommelei manche — wenn auch zwischen den Zeilen — oppositionell gestalteten Beiträge, die vom Menschlichen her die Ereignisse des Krieges darzustellen suchten. Allerdings waren solche Berichte eine Seltenheit. Kein moderner Krieg wird den freien und unkontrollierten Kriegsbericht zulassen, aber die journalistische Aufgabe als soldatischen Befehl aufzunehmen und befehlsmäßig zu lösen, ist eine Forderung, die mit der Aufgabe des Kriegsberichters in einer freien Welt unvereinbar ist. Alle Korrespondenz ist heute ohne B i l d fast unmöglich. Jegliche Berichterstattung ist daher heute von den Rittern des Blitzlichtes beglaitet. Ihre Aufgabe wird später eingehender darzustellen sein (vgl. S. 89).

b) Der iremdbeschaffte Stoif — Die Korrespondenzen Für die Mehrzahl aller Tageszeitungen gibt es vielerlei Stoff, der von draußen bezogen werden kann. Er muß aber immer richtig geprüft und durch sachkundige Be-

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arbeitung dem bestimmten Charakter der Zeitung eingeordnet sein. Es wäre in der Tat nicht einzusehen, höchst seltsam und im übrigen gar nicht zu bezahlen, wenn z. B. ein Zeitungsroman immer nur für ein Blatt geschrieben würde und nicht in vielen deutschen Blättern erscheinen könnte, falls deren Leserkreise sich nicht schneiden. Es wäre auch unsinnig, wenn gewisse allgemeinbildende Beiträge, politische Artikel und dergl. immer nur für ein Blatt geschrieben würden, zumal da nur ganz wenige Blätter einen Vertrieb durch das ganze Land haben und die Leserkreise vieler unter den vielen in Deutschland erscheinenden Zeitungen sich gar nicht schneiden. Derartig einmalige Verwertung würde die geistigen Roh- und Halbstoffe der Zeitung so verteuern, daß die Massenverbreitung unmöglich wäre. Ähnliche Grundsätze, wie sie in der Beschaffung der Nachricht zur Gründung der Nachrichtenbüros führten, haben daher auch eine wirtschaftliche Vereinfachung und Vereinheitlichung im Bezug des Zeitungsstoffes zur Folge gehabt. Es kam zur Gründung der K o r r e s p o n d e n z e n . K o r r e s p o n d e n z e n s i n d U n t e r n e h m e n , die Zeit u n g e n und Z e i t s c h r i f t e n m i t B e i t r ä g e n i n W o r t , N a c h r i c h t oder B i l d f o r t l a u f e n d b e l i e f e r n und diese e n t w e d e r s e l b s t h e r s t e l l e n oder zum V e r trieb ankaufen. Nach Quelle und Richtung, Herkunft und Aufgabe sind die Korrespondenzen sehr verschieden .Wir unterscheiden: 1. S e l b s t ä n d i g e K o r r e s p o n d e n z e n 1 ) als unabhängige Stofflieferanten für den Bedarf der Zeitungen. Sie erfüllen ihre eigentlichen journalistischen Aufgaben ausschließlich im Dienst der Presse als „Presseredaktionelle Hilfsunternehmen". Viele Nachrichtenunternehmen geben Korrespondenzen dieser Art heraus, z. B. dpa (vgl. Bd. I, S. 71). Nach dem Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums vom J a h r e 1951 wurden diese Unternehmen wie Zeitungen dem Pressegesetz unterstellt. I m Hitlerregime unterstanden sie dem „Schriftleitergesetz". Ihre Redakteure gelten auch heute als Journalisten im Sinne der Berufsverbände.

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2. G e b u n d e n e G r u p p e n - ( I n t e r e s s e n t e n - ) Korres p o n d e n z e n . Hierher gehören z. B. alle von den Parteien, Verbänden, Religionsgemeinschaften, Kommunalverbänden, Presse- u n d AuSstellungsämtern herausgegebenen Korrespondenzen, anderen Abdruck dem Herausgeber im Sinne seiner Aufgaben gelegen ist, an denen aber auch die Presse ein begrenztes Interesse nimmt. 3. P r i v a t w i r t s c h a f t l i c h w e r b e n d e K o r r e s p o n d e n z e n (Reklame-Dienste), die im Interesse großer Firmen, Handels- und Verkehrsunternehmen, Theater- und Vergnügungsinstitute der Presse zur allgemeinen Information und der Bitte um N u t z u n g zugehen. Sie erscheinen ausschließlich oder doch f a s t ausschließlich im Interesse ihrer Verbreiter. 4. P r i v a t e I n f o r m a t i o n s d i e n s t e , Unternehmen, die teils zur Veröffentlichung, teils nicht zur Veröffentlichung und dann nur zur persönlichen Unterrichtung u. a. Tatsachen und Vorgänge, aber auch kombinatorische Betrachtungen, Vorschauen und subjektive Deutungen („background-Material") regelmäßig an feste Bezieher leiten. Die Angaben werden häufig ausdrücklich als „vertraulich" gekennzeichnet und nehmen äußerlich sogar persönliche Briefnatur an. Sie werden meist auch zahlungskräftigen Persönlichkeiten, Verbänden, Wirtschaftsunternehmen, oft gegen hohe Bezahlung, angeboten und nach ihrem Nutzungswert eingeschätzt, der oft kein publizistischer Wert ist, sondern rein kommerziell, steuerlich oder zoll- und währungstechnisch gewinnbringend sein kann. D i e - A r t der Materialbeschaffung ist sehr umstritten. Fragwürdige Methoden, die auch amtliche Stellen korrumpierten, waren schwer zu klären und wurden durch eine Amnestie bereinigt 1 ). Unternehmen dieser Art, die Informatio') Vgl.: Der Fall Platow: Das Parlament, 1953, Nr. 26. Badewitz, Hans Die „Platow-Amnestie", Z. V., Jg. 50, 1953, Nr. 12. S. 4, Günther, Karl A.F., Der Fall Platow und die deutsche Presse. Der Journalist, Jg. 3, 1953, H. 11., S, 380,

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nen, Stimmungs- und Meinungsurteile gegen hohe Bezahlung an Private vermitteln, können nicht als Presseunternehmen gewertet werden. Sie sollten somit weder die Bevorzugung in der Information noch die rechtliche Sonderstellung einer öffentlichen Aufgabe für sich in Anspruch nehmen, wie es die Presse tut (siehe Bd. I, 1. Teil, Kap. 2, S. 19). Der 1920 gegründete „Verein der Deutschen Korrespondenzverleger" ist noch nicht wieder errichtet, so daß eine ständische Klärung der hier bestehenden Undurchsichtigkeit bisher nicht eingeleitet werdenkonnte . Unübersehbar mannigfaltig ist der Stoff, den die Korrespondenzen — bezahlt oder unbezahlt, bestellt oder nicht bestellt, angeboten, aufgedrängt oder zur Verfügung gelassen — dem Redakteur auf den Tisch legen. In großer Mannigfaltigkeit liefern sie, vom sogenannten „Einmannbetrieb" bis zum Großunternehmen, Material aller Nutzungsgrade, vielfach unentbehrliche redaktionelle Roh-, Halbstoff- und Fertigwaren. Aufgabe der Korrespondenz ist das A n g e b o t eines m a n n i g f a l t i g e n , a b e r n i c h t u n ü b e r s e h b a r e n S t o f f e s , der r i c h t i g ausgew ä h l t , z u v e r l ä s s i g v o r b e r e i t e t und z e i t i g gel i e f e r t ist. Für die redaktionelle Bearbeitung muß er leicht durch örtliche Angaben zu ergänzen und dem jeweiligen Bedarf schnell anzupassen sein, um auch der durch die Korrespondenzen gelieferten Fremdarbeit den Charakter des eigenen Blattes aufzuprägen. Das Handbuch „Die Deutsche Presse 1954" 2 ) verzeichnet 504 Herausgeber von Nachrichtendiensten, Korrespondenzen und Informationsdiensten mit insgesamt 652 Einzeldiensten. Das Handbuch bringt nachstehende Gliederung: In Hamburg wurde am 15. Oktober 1954 der „Verband Deutscher Pressedienste" gegründet. ') a. a. O. S, 94 ff.

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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Nachrichtendienste 45 Politische Dienste 145 Reportagen, Tatsachenberichte 43 Wirtschaft und Finanzen, Handel, Industrie, Gewerbe 100 Sozialpolitik 26 Technik, Verkehr 13 Land- und Forstwirtschaft 30 Religion und Kirche 19 Recht, Gerichtsberichte 4 Medizin 3 Sport 5 Frau, Mode, Jugend 20 Kulturpolitik a) Wissenschaft, Pädagogik '. 15 b) Theater, Kunst. Film, F u n k und Fernsehen . . . 30 c) Literatur, Feuilleton, Kurzgeschichte 36 d) Roman 16 14. Gemischte Dienste, Redaktionshilfsmaterial, Raritäten, Kuriosa, Gedenktage, Horoskope, Rätsel, Materndienste 22 15. Bilderdienste 72 16. Dienste in der sowjetisch besetzten Zone 8 Die Aufstellung ist nicht vollständig. Eine vollständige Zählung ist erst möglich, wenn eine Berufsvertretung dieses publizistischen Zweiges sich entwickelt hat. Korrespondenzen sind älter als die Zeitungen. Sie sind eine ihrer Wurzeln. Ehe die gedruckte, regelmäßige Tageszeitung weiteren Kreisen der Öffentlichkeit als Mittel der Nachrichtenverbreitung diente, hatten findige Nachrichtenhändler im 16. J a h r h u n d e r t f ü r kleine, interessierte und zahlungsfähige Kreise geschriebene Korrespondenzen begründet. Sie gingen an Fürsten, Geistliche, Gelehrte und Kaufleute. Die Nachrichtenquellen mancher dieser Korrespondenten erstreckten sich über die ganze damals bekannte Welt, ihre Verbreitung erfaßte allerdings nur Persönlichkeiten von Stellung und Einfluß. Breiteste Öffentlichkeit im Sinne der Zeitung war ihnen nicht gegeben. Die Begründung der ersten, gedruckten periodischen Blätter im Anfange des 17. Jahrhunderts fußte aber dann insofern auf ihnen, als sie aus ihrem Inhalt die interessantesten, sensationellsten und wichtigsten Nachrichten hergeben mußten, die so durch die Zeitung „weitergeschrieben" und einem größeren Leserkreis zugänglich wurden. So waren diese Korrespondenzen damals schon eine Art Nachrichtenquelle f ü r die gedruckte Zeitung. In ihrer

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weiteren Entwicklung nahmen sie zwei Wege. Ein Teil begnügte sieh mit Entfaltung der Tagespresse, ihrem ehemaligen Bezieherkreis jetzt nur solche Mitteilungen zuzustellen, die für die Wiedergabe durch das öffentliche Nachrichtenmittel Zeitung nicht geeignet waren oder dort verboten worden wären. Weiter bildeten sich im 18. Jahrhundert jene als „Bulletins" bezeichneten Rundbriefe heraus, die nicht offen, sondern geschlossen versandt, ihren Vorzug und ihren Verdienst darein setzten, Dinge mitzuteilen und Zusammenhänge unterrichtend darzulegen, die für die Zeitung und ihre breite Öffentlichkeit ungeeignet waren oder den Verfassern, die daraus oft ein gutes Geschäft machten, ungeeignet schienen. Solche Korrespondenzen bestehen auch heute noch. Sie sind oben unter dem Begriff „Private Informationsdienste" näher gekennzeichnet.

Zum f r e m d b e s c h a f f t e n Stoff gehört auch die Lieferung von Text für Tageszeitungen durch die Mater. M a t e r n s i n d P a p p e p l a t t e n , in d i e Z e i t u n g s t e x t vom f e r t i g e n S a t z e i n g e p r ä g t ist. A u s g e g o s sen g e b e n sie, u n t e r E r s p a r u n g des S e t z e n s , Art i k e l , S p a r t e n , B i l d e r , S e i t e n u n d f e r t i g e Zeit u n g e n d r u c k f e r t i g her. Das Maternsystem ermöglicht die zentrale Herstellung klischierten redaktionellen Stoffes. Das System wird für Bilder, Diagramme usw., aber auch für Romane und Unterhaltungsmaterial in größerem Umfang genutzt, die Herstellung ganzer Zeitungen in Matern und Versendung von einer Zentrale an Blätter, die ausschließlich oder fast ausschließlich daraus redaktionell bestehen, ist weitgehend eingeschränkt worden. Jedoch erfolgt im Nebenausgaben-System die Herstellung von Ortsseiten hin zum Hauptblatt, oder umgekehrt, des Hauptblattes hin zur Zweigausgabe oft in Matern. Vor 1933 hat der zentrale Maternvertrieb starken politischen Einfluß auf zahlreiche deutsche Kleinzeitungen geübt. Schätzungsweise wurden 1932 bei damals 4700 Tageszeitungen etwa 40% der damaligen Zeitungen überwiegend aus Matern hergestellt. Dies Verfahren gibt es heute nicht mehr. Die Maternversendung ist weitgehend spezialisiert und dezentralisiert.

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Zum f r e m d b e s c h a f f t e n S t o f f gehören in bestimmten Fällen auch die B e i l a g e n , soweit sie als geschlossene Behandlung von redaktionellen Sondergebieten (Sport, Jugend, Buch, Film, Bild, Mode, Reise) nicht redaktionell hergestellt, sondern von draußen fertig geliefert sind. Wo die wirtschaftlichen Umstände einer publizistisch lebensberechtigten Zeitung die Herstellung eigener Beilagen nicht zulassen, kann die z. B. als Mater gelieferte Beilage, wenn sie journalistisch gut ist, den dargebotenen Stoff bereichern und damit dem Leser dienen. B i l d e r b e i l a g e n — in technischer Vollendung (Kupfertiefdruck usw.) — sind oft nur von größeren Betrieben in Eigenherstellung zu schaffen u n d werden von kleineren fertig bezogen. Die eingelegten Bilderbeilagen werden auch mit dem Titel des beziehenden Blattes geliefert, so daß mindestens nach außen eine Anpassung gegeben ist. Nicht zum Kapitel des fremdbeschafften Stoffes gehörig, aber irrtümlich oft mit ihm verwechselt, ist die N e b e n a u s g a b e . Sie ist eine Folge der wirtschaftlichen Vereinfachung des Zeitungswesens. Nebenausgaben (Bezirksausgaben) sind f ü r ein b e s t i m m t e s V e r t r i e b s g e b i e t h e r g e r i c h t e t e A u s g a b e n eines S t a m m b l a t t e s , das den allgem e i n e n Teil l i e f e r t , dem a b e r ein s e l b s t ä n d i g e r , lokaler u n d provinzieller Teil u n d vielfach a u c h ein ö r t l i c h e r A n z e i g e n t e i l b e i g e g e b e n w i r d , a l l e dem besonderen Vertriebsgebiet angepaßt. Auch der Z e i t u n g s t i t e l (Kopf) wird oft dem Vertriebsgebiet angepaßt oder stammt aus ihm. Dies insofern, als seit den J a h r e n nach dem ersten Weltkrieg Zeitungsgruppen sich zu Gemeinschaften zusammengeschlossen haben, die einem gemeinsam hergestellten Stammblatt ihre örtlich u n d landschaftlich bestimmten Teile beigeben oder für sich den allgemein politischen und unterhaltenden Teil von dem gemeinsam geschaffenen Stammblatt beziehen. Es bildeten sich also „Zentralunternehmen mit geschlossenen Einzelzeitungen oder

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Bezirksausgaben" 1 ) (z. B. der „Verband oberschwäbischer Zeitungsverleger G.m.b.H." „ V E R B O " s. unten). Das System der N e b e n a u s g a b e n , ob es nun in dieser Weise durch Zusammenschluß kleiner H e i m a t b l ä t t e r zu einem Zentralunternehmen erfolgte oder von einer G r o ß z e i t u n g durch Einrichtung redaktionell und anzeigenwerbend ausgestalteter örtlicher Bezirksausgaben (z.B. unter Übernahme lokaler Blätter) geschaffen worden ist, erzielt einen journalistisch nach den Ansprüchen eines größeren Blattes gestalteten allgemeinen Teil, nimmt aber gleichzeitig die örtlichen und heimatlichen Interessen in Pflege. E s vermag auch nach Auflagen gestaffelte Anzeigentarife herauszugeben und ermöglicht technisch und wirtschaftlich rationelle Leistungen. Der Begriff der „ K o p f z e i t u n g " ist kaum mehr anzuwenden, ebensowenig der Begriff der „ V o r d r u c k - Z e i t u n g " . Beides waren Verlagsprodukte, die entweder an der Neben- und Bezirksausgabe nur den Kopf änderten oder die fertigen Zeitungen als „Vordrucke" lieferten, denen an Ort und Stelle nur der Kopf beigedruckt wurde. Beide Formen sind heute nicht mehr lebensfähig und durch die Qualitätsentwicklung der Bezirksausgaben überholt. Im Nachfolgenden geben wir eine Übersicht über drei Zeitungsgruppen mit entwickelten Systemen von Nebenausgaben. Die stärkste ist die „Rheinische P o s t " mit 26, dann der „Münchener Merkur" mit 13 Nebenausgaben. An der kommunistischen „Neuen Volkszeitung" zeigt sich, wie das System der Nebenausgaben durch eine kommunistische Propagandazeitung verwandt wird. R h e i n i s c h e P o s t , Zeitung für christliche Kultur und Politik; Düsseldorf. Gesamtauflage mit 26 Nebenausgaben: 227 650; Richtung: Christlich-demokratisch. Nebenausgaben im einzelnen ohne Äuflageziffern: 1. Rheinische Post; Mettmann. 2. Rheinische Post; Hilden. 3. Rheinische Post; Haan. 4. Rheinische Post, Solinger Stadtpost; Solingen. *) Vgl. Walchner, Franz: Der Strukturwandel im deutschen Zeitungswesen in: Z. V., J g . 50, 1953, Nr. 1/2, S. 105.

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5. Rheinische Post, Remscheider Stadtanzeiger; Remscheid. 6. Rheinische Post, Rhein-Wupper-Zeitung; Opladen. 7. Rheinische Post; Mönchen-Gladbach. 8. Rheinische Post, Rheydter Stadtpost; Rheydt. 9. Rheinische Post, Dreistädtegebiet Viersen; Viersen. 10. Rheinische Post, Dreistädtegebiet DülkenSüchteln; Dülken. 11. Rheinische Post; Krefeld. 12. Rheinische Post, Kreis Kempen, (1. Ausgabe); Hüls, St. Tönis, Willich, Osterath, Lang; Kempen. 13. Rheinische Post, Kreis Kempen, 2. Ausgabe: Übriges Kreisgebiet; Kempen. 14. Rheinische Post, Ausgabe Kreis Geldern; Geldern. 15. Rheinische Post, Kreis Kleve; Kleve. 16. Rheinische Post; Rees. 17. Rheinische Post, Kreis Dinslaken; Dinslaken. 18. Rheinische Post, Der Grafschafter, Bote für Stadt und Land, Rheinhausener Zeitung (Kreis Moers); Moers. 19. Rheinische Post, Duisburger Stadtpost; Duisburg. 20. Bergische Morgenpost, Burscheider Stadtanzeiger; Burscheid. 21. Bergische Morgenpost, Wermelskirchener Anzeiger; Wermelskirchen. 22. Bergische Morgenpost, Radevormwalder Nachrichten; Radevormwald. 23. Bergische Morgenpost, Hückeswagener Zeitung; Hückeswagen. 24. Bergische Morgenpost, Lenneper Kreisblatt; Lennep. 25. Bergische Morgenpost, Lüttringhauser Tageblatt; Remscheid-Lüttringhausen. 26. Neuß-Grevenbroicher Zeitung; Neuß. Münchner Merkur, Münchner Zeitung für Politik, Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft, Sport und Alpines; München. Gesamtauflage mit 13 Nebenausgaben: 155000; Richtung: Unabhängig. Die Nebenausgaben im einzelnen: 1. Ebersberger Zeitung mit Grafinger Zeitung; Ebersberg; Aufl. 5580. 2. Erdinger Anzeiger; Erding/Obb.; Aufl. 6555. 3. Freisinger Zeitung; Freising; Aufl. 3857. 4. Dachauer Nachrichten; Dachau; Aufl. 5589. 5. Brucker Nachrichten; Fürstenfeldbruck; Aufl. 5659. 6. Münchner Merkur, Ausgabe Starnberg; Starnberg/See; Aufl. 7145. 7. Isar-LoisachBote; Wolfratshausen; Aufl. 3935. 8. Miesbacher Merkur; Miesbach; Aufl. 5832. 9. Holzkirchner Merkur; Holzkirchen; Aufl. 3418. 10. Tegemseer Zeitung; Tegernsee; Aufl. 4082. 11. Tölzer Kurier; Bad Tölz; Aufl. 5748. 12. Weilheimer Tagblatt mit Penzberger Anzeiger; Weilheim; Aufl. 10619. 13. Garmisch-Partenkirchner Tagblatt; Garmisch-Partenkirchen; Aufl. 9430. Sämtliche Blätter tragen den Untertitel „Heimatzeitung des Münchner Merkur".

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IV. Die Redaktion

N e u e V o l k s - Z e i t u n g , Für ein einheitliches, demokratisches und friedliebendes Deutschland; Essen. Gesamtauflage mit 8 Nebenausgaben: 61000; Richtung: KPD. Die Nebenausgaben im einzelnen: 1. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe A; Dortmund, Castrop-Rauxel, Lünen, Lüdinghausen; Aufl. 11000. 2. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe B; Bochum, Wattenscheid, Witten, Hattingen/Ruhr; Aufl. 6400. 3. Neue VolksZeitung, Ausgabe D; Duisburg, Hamborn, Moers; Aufl. —. 4. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe E; Essen, Bottrop, Gladbeck; Aufl. —. 5. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe G; Gelsenkirchen, Buer, Wanne-Eickel; Aufl. 7000. 6. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe H; Hamm, Unna, Ahlen; Aufl. 3500. 7. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe O; Oberhausen, Mülheim/Ruhr, Dinslaken, Bocholt/Westf., Wesel/Rhein; Aufl. 4500. 8. Neue Volks-Zeitung, Ausgabe R; Recklinghausen, Herne; Aufl. 6700.

4. Die Stoffbearbeitupg, die redaktionellen Sparten (Ressorts) Die zahlreichen Sparten der Redaktion sind Ausdruck der großen Mannigfaltigkeit des Zeitgeschehens, das sich in der Zeitung spiegelt, dort in Nachricht u n d Meinung bearbeitet wird. Unmittelbar aus dem pulsenden, öffentlichen Leben sind diese Sparten in die Zeitung gekommen. Also sollten u n d dürfen sie dort niemals erstarren. Sie müssen der vielfältige Ausdruck des einen und einheitlichen Lebens bleiben, mit dem sie geworden sind u n d sich wandeln. Als durch ganz Deutschland der Ruf zum Kampf gegen Napoleon (1813/14) ging, erhielten die deutschen Zeitungen, bis dahin „trockene Nachrichtenregister, öde Indizes des Zeitgeschehens" 1 ), Leben u n d Wollen einer politischen Führung, erhielten sie einen politischen Teil, die politische Sparte. Man forderte und verlangte das von ihnen in den Wochen der Entscheidung. Früher — schon im 18. J a h r h u n d e r t — h a t t e sich das „ N e u e s t e 1 ) Josef Görres im „Rheinischen Merkur", d'Ester u. a„ K ö l n 1928,

1. B d .

1814. Hrsg. Karl

4. Stoffbearbeitung, die redaktionellen Sparten

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aus dem Reiche des Witzes" 1 ), hatte sich das Wissen und die Gelehrsamkeit, hatten sich Anfänge eines unterhaltenden und schöngeistigen Teiles abgesondert. Ähnlich hat das 19. Jahrhundert eine ganze Reihe von Zeitungssparten, gleichsam von außen her, d. h. auf Wunsch und Forderung der Leserschaft, geschaffen. J e mehr die Zeitung verbreitet wird, um so mehr wird sie in der Öffentlichkeit zum Dienst für die Öffentlichkeit von der Öffentlichkeit gerufen. Sie umfaßt alle Gebiete des öffentlichen Lebens. An keinem kann sie vorübergehen. Mit der jüngsten, am allermeisten vordrängenden Fortbewegung des allgemeinen Lebens prellt sie vor. An sie ergeht geradezu ein Ruf der Öffentlichkeit, sich mit allem zu beschäftigen, was in ihr sichtbar wird. Das zeigt ihre Entwicklung im 19. Jahrhundert. Für die p o l i t i s c h e n Aufgaben ist dieser Ruf der Öffentlichkeit schon nachgewiesen. L o k a l e Nachrichten und Meinungen sind in den Anfängen selten, weil die mündliche Verbreitung sie in den damals noch kleineren Städten schneller und lebendiger rundtrug, als es die Zeitung, zumal in ihren damaligen starren Bindungen, vermocht hätte. Kaum aber wächst die Gemeinde, wird sie dem Einzelnen unübersichtlicher, dann ist auch die lokale Sparte da. So gewinnt sie 18i0 in H. v. Kleists „Berliner Abendblättern" in Form des Polizeiberichts für Berlin Bedeutung. Mit steigender Größe und Einführung der Selbstverwaltung in den Gemeindekörpern, mit der aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit an der Verwaltung wuchs sich der lokale Teil fast zu einer Zeitung in der Zeitung aus. Mit ganz eigenem Nachrichtendienst (Lokalreportage), politischer Führung (Kommunalpolitik), mit eigener Personal-, Wirtschafts- und Kulturpolitik (vgl. S. 45). Ähnlich ging es in den w i r t s c h a f t l i c h e n Dingen. Im Nachrichtendienst spielen sie schon im frühen Zeitungswesen und seinen Vorläufern eine Rolle. Meinungsl

) G. E. Lessing in der „Vossischen Zeitung" 1751.

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IV. Die Redaktion

mäßig wurde hier die Zeitung von der Öffentlichkeit in dem Augenblick zu Hilfe gerufen, als neue Kapitalnutzungsformen die breitere Öffentlichkeit in verlokkende Verdienst- u n d Gewinnmöglichkeiten zogen, die sehr bald u n d sehr dringend des öffentlichen Sprechers u n d Kritikers bedurften. Der Augenblick war da, als nach 1850 das Aktienwesen in großem Stil a u f k a m u n d das Publikum sich in kleingestückelten Anteilen an Finanzierungen beteiligte, bei denen es oft betrogen wurde. Die Aufsicht des Staates, der damals n u r sehr wenig in das Wirtschaftsleben eingriff, genügte nicht, den Einzelnen zu schützen. Da übernahm die Zeitung die öffentliche Überwachung durch Stellungnahme u n d Kritik. So wuchs u.a. die,,Frankfurter Zeitung" aus einer Art privatem Firmenbericht zweier Bankiers, die sich vereinigt hatten, um zunächst f ü r ihre K u n d s c h a f t Informationen über Aktiengründungen zu geben. Die Öffentlichkeit griff — in den Spekulationsjahren (1856) — diese Berichte so gierig auf, daß es sich bald lohnte, auch allgemeine aktienrechtliehe Vorschläge darin unterzubringen. Nachrichtendienst t r a t hinzu, zunächst für die Börse, d a n n für andere Wirtschaftsdinge, schließlich — im Zusammenhang mit der Wirtschaft — auch für die Politik. So erweiterte sich der Leserkreis und verlangte Befriedigung auch seines übrigen Lesebedürfnisses. Da weitete sich in ständigem Wachsen mit Wunsch, Neigung u n d Bedürfnis der Öffentlichkeit das Blatt vom privaten Geschäftsbericht zur großen politischen Zeitung. Eine Anzahl deutscher Zeitungen haben damals eine ähnliche Entwicklung genommen, z. B. die „Berliner Börsenblätter". Lehrreich ist, daß auf diesem wirtschaftlichen Gebiet auch der ö f f e n t l i c h e A u f t r a g der Zeitung gesetzlich zuerst anerkannt wurde. Das B ö r s e n g e s e t z von 1896 (§ 76) bestimmt, daß, „wer sich für Mitteilungen in der Presse, durch die auf den Börsenpreis eingewirkt werden soll, oder für die Unterlassung von solchen Mitteilungen Vorteile gewähren oder versprechen läßt, mit Gefängnis usw. . . . bestraft wird". In der Begründung des Ge-

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setzes heißt es ausdrücklich, daß die Presse zur Wahrung der Interessen des Publikums, d. h. der Öffentlichkeit zu wirken habe. Der Ruf der Öffentlichkeit an die Zeitung und ihre Pflicht, für sie zu wirken, haben hier also zum ersten Male auch in gesetzlichen Bestimmungen Niederschlag gefunden. H ä t t e man damals die Pflicht der Zeitung zur Wahrung der Interessen der g a n z e n Öffentlichkeit erkannt, mit politischer K r a f t durchgesetzt und behauptet — es wäre mancher gefährliche Irrweg vermieden worden.

Im Gebiet des K u l t u r p o l i t i s c h e n , des sogenannten Feuilletons, ist z. 13. um die Theaterkritik, die das Theatererlebnis der Öffentlichkeit kritisch begleitet, ein Kampf zwischen Behörden, Öffentlichkeit und Presse zu Anfang des vorigen J a h r h u n d e r t s ausgefochten worden, wobei die Öffentlichkeit die „Rezension" verlangte, die Behörde sie mißbilligte, die Presse sie gab und damit sich und den Willen der Öffentlichkeit durchsetzte. Auch in der bunten Mannigfaltigkeit aller übrigen Gebiete des öffentlichen Lebens folgte die Presse der Öffentlichkeit, sobald sie ihre Wünsche erkannte. Dies auch, wenn die Presse sich ursprünglich g e g e n solche Beteiligung ausgesprochen hatte. Das lehrt z. B. die Geschichte der S p o r t j o u r n a l i s t i k und der F i l m k r i t i k , von der die Presse anfangs ganz und gar nichts wissen wollte. Im lokalen Teil steckten verschämt, Ende der neunziger J a h r e des vorigen Jahrhunderts, die ersten Sportberichte, bis sie aus dem heftig ansteigenden Interesse der Öffentlichkeit zur eigenen Sparte sich heraufentwickelten. Selbst ihren U n t e r h a l t u n g s s t o f f legt die Öffentlichkeit ihrer Zeitung auf. So entschlossen sich die journalistisch höchst konservativen Londoner „TIMES", wie sie schreiben, anfangs gegen ihren St;l und ihre Absicht, aber erst auf dringenden Wunsch ihrer Leser, ein Kreuzworträtsel zu bringen. I n d e m die Z e i t u n g dem ganzen ö f f e n t l i c h e n L e b e n d i e n t , e r h ä l t sie n a t ü r l i c h e , n a c h d e n H a u p t g e b i e t e n des ö f f e n t l i c h e n L e b e n s sich w a n d e l n d e G l i e d e r u n g e n , die wir S p a r t e n (Ressorts) nennen. D o v i f a f c , Zeitungslehre I I

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IV. Die Redaktion

a) Die Politik Durch alle Wandlungen der Zeitungsgeschichte hindurch ist die politische Sparte in der deutschen Zeitung immer die führende geblieben. Die Zeitung war und ist bis heute die große Tribüne der allgemeinen Aussprache über das politische Leben. In manchen Typen der Zeitung (Parteizeitungen, Kampfblätter) geht diese Aufgabe allen anderen voran. In der jüngeren Entwicklung der deutschen Presse ist der ausgesprochene Kampfcharakter vor der Aufgabe der Unterrichtung und des Meinungsaustausches (siehe die Richtungsstatistik S. 38) zurückgetreten. Aber ihre politische Bedeutung bleibt bestehen. Das zeigt sich auch darin, daß in der Mehrzahl aller Fälle das politische Ressort den Chefredakteur stellt. Damit ist die Bedeutung des Politischen unterstrichen. Seine Führung bedingt politische Begabung, bedingt die Fähigkeit, politisch sicher zu fühlen, richtig zu denken und vor allem politisch zu h a n d e l n . Diese Gabe ist keineswegs Allerweltsgut, am wenigsten in Deutschland, wo die Zahl der „Unpolitischen" bisher besonders groß war, und es Menschen gab und gibt, die sich mit einem gewissen Stolz unpolitisch nennen. Sie waren immer und sind auch heute die größte Gefahr für die Demokratie, weil gerade sie nur allzuleicht den falschen Propheten aufsitzen. Das Politische ist Sache des Charakters, Sache einer Grundeinstellung zu den Menschen und Dingen. Es ist eine Haltung, eine untilgbare, aber im Entscheidenden auch unerlernbare Fähigkeit, ein Instinkt, eine Sicherheit des Urteils, ohne intellektuelles Geklügel oder gelehrtes Vergleichen zu wissen, wie im Bereiche der politischen Machtkämpfe die Dinge liegen und sie dann darzustellen und zu lenken. Das W e s e n d e r P o l i t i k bestimmt auch das politische Ressort. B i s m a r c k nennt, leicht resignierend, Politik „eine Wis-

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4. Stoffbearbeitung, Politik 1

sensohaft des Möglichen" ). Der Pressechef des Hitlerregimes greift das Wort auf: „Hier irrt Bismarck, Politik ist f ü r den Nationalsozialismus, die Kunst, das Unmögliche möglich zu machen' 2 )" Das Wort ist, allerdings im umgekehrten Sinne, furchtbar wahr geworden! Viel zitiert sind die rein von der Macht her gesehenen Deutungen der Politik. So F. K. v o n M o s e r (t 1798): „Politik ist die Wissenschaft, nicht betrogen und nicht überwältigt zu werden". Ähnlich die von C a r l S c h m i t t und anderen gegebene Definition „Politik heißt, Freund — Feind richtig unterscheiden und danach handeln" 3 ). M a x W e b e r formuliert: „Politik ist Streben nach Macht oder nach Beeinflussung der Machtverteilung" 4 ). Andere Autoren geben der Macht auch ethische und normative K r ä f t e bei. So E u g e n K o g o n : „Politik handelt auf bestimmte Ordnungsbilder hin beharrlich in eine gegebene Wirklichkeit." v. d. G a b l e n t z „Politik ist Kampf u m gerechte Ordnung" 5 ). Mit Politik bezeichnet man aber ebenso den gesamten Mechanismus des Geschehens im Kampfe um die Machtverhältnisse des öffentlichen Lebens. Da in den meisten politischen Entscheidungen wirkliche oder auch vorgespielte ideologische K r ä f t e eine Rolle spielen, viele Entscheidungen aber nicht nur durch Macht, sondern durch Vereinbarung zustande kommen — und darin gerade die Presse eine bedeutende Rolle spielt — sind diese Elemente im Begriff des Politischen nicht zu entbehren.

Politik gestaltet durch Macht und Vereinbarung aus realen und idealen K r ä f t e n das Leben d e s V o l k e s u n d d e r V ö l k e r . Welche Kräfte in der Gestaltung überwiegen, die realen oder die idealen, oder ob beide im rechten Verhältnis stehen, das ist Folge der jeweiligen politischen Grundauffassung. Der Begriff „Politik" wird auf vielerlei Wirkungsräume angewandt (Innere und Äußere Politik, Sozialpolitik, Kulturpolitik, Wirtschaftspolitik usw.). ') Vgl. Liman, P.: Fürst Bismarck nach seiner Entlassung, Berlin 1904. Bismarck hat sich darauf berufen, daß dieses Wort v o n seinem „intimsten Gegner", d e m Papste Pius IX., stamme. ') Völkischer Beobachter 21. 2. 1934. 3 ) Schmitt, Karl: Der Begriff des Politischen in Positionen und Begriffe, Hamburg 1938. 4 ) Weber, M.: Politik als Beruf, München 1921. 6 ) v. d. Gablentz, O. H . : Politische Parteien als Ausdruck gesellschafticher Kräfte, Berlin 1952. 3*

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Die Zeitung dient der Politik, indem sie zunächst n a c h r i c h t e n m ä ß i g die Tatsachen, Voraussetzungen, Motive und Zusammenhänge vorlegt und schon dadurch die Grundlagen für politische Entscheidungen des Staatsbürgers schafft. Indem sie ferner das politische Geschehen aus ihrer Überzeugung und aus Kenntnis seiner realen Ziele deutet, fördert oder ablehnt, ist sie auch unmittelbar ein gewichtiger Faktor der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung. Nach demokratisch-angelsächsischer Grundauffassung sollte die Presse Nachricht und Meinung streng voneinander getrennt halten (vgl. Bd. I, S. 62). „Comments are free, but facts are sacred." Daß aber schon in Auswahl und Anordnung, also durch Nachrichtenpolitik, vcn der bloßen Färbung bis zum bewußt angelegten Nachrichtenschock wirksamste Politik gemacht wird, ist bereits dargestellt (vgl. Bd. I, S. 59). Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, W a h r h a f t i g k e i t der Nachrichten sind in den verschiedenen Codices der journalistischen Ethik gefeierter Grundsatz 1 ). Die Praxis freilich beweist, daß die Begriffe „Zuverlässigkeit" und „Wahrhaftigkeit", sei es aus geschäftlichen, sei es aus politischen Gründen, oft subjektiv sehr dehnbar gefaßt werden. Die p o l i t i s c h e S t e l l u n g n a h m e ist jeweils durch die Grundrichtung und publizistische Aufgabe des Blattes bestimmt. Selten — heute noch viel weniger als früher—legen sich die Blätter auf ein fixiertes Programm, etwa das einer parlamentarischen Partei, fest. Auch den Parteien gegenüber behalten sich die meisten Zeitungen — soweit sie nicht ausdrücklich von einer Partei getragen werden — ihre Stellungnahme vor. Die Freiheit der Meinungsbildung und damit auch die F r e i h e i t d e r K r i t i k sind Grundlagen der Pressefreiheit überhaupt. Die Kritik freilich k a n n nach innerer Verantwortung r ) Vgl. Die Journalist's Creeds in den meisten amerikanischen Lehrbüchern der Journalistik. Die Presseabteilung der amerikanischen Militärregierung für Bayern veröffentlichte 1947 einen solchen Kodex für journalistische £tfcik. Abgedruckt bei Heinrichsbauer, J.: Die Presseselbstkontrolle, München 1954 (Vgl. auch Bd. I, S. 19.)

4. Stoffbearboitung. Politik

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u n d polemischem Temperament sehr verschieden sein. Man könnte sie überschlägig in drei Stufen gliedern. Auf der ersten wird scharf, aber sachlich kritisiert, aus der demokratischen Absicht, auf diese Weise dem Besseren ins Leben zu helfen und den Regierenden auf die Finger zu sehen. Diese Kritik ist geboten für jede demokratisch notwendige parlamentarische Opposition. In England ist sie am besten und vornehmsten ausgeprägt. Häufig aber, und in Deutschland seit 1915 gesteigert, besteht eine unbändige Neigung zur Kritik, bewirkt bei uns durch die Irreführungen der Öffentlichkeit unter dem Hitlerregime und die Reste der dadurch geweckten mißtrauischen Skepsis. Daher der Beifall, der der zweiten Form der Kritik, der scharf polemischen gilt, die agitatorisch zugespitzt heftig angreift, ohne sich viel um die Gründe u n d Absichten des Gegners zu kümmern. Diese Kritik wird dem Kritisierten schon weniger gerecht, verwischt den Sachverhalt, findet aber leicht ihre Leser, da sie Mißgunst und Übelwollen mobilisiert. Sie ist massenpsychologisch fast immer wirksam. Am gefährlichsten ist aber die d r i t t e F o r m : wir nennen sie die sensationellskandalisierende. Sie geht auf Diffamierung des Gegners aus, bricht in sein Privatleben ein und bringt den groß aufgemachten „Knüller''. Ihre Motive sind oft Gewinnsucht und Abonnentenfang, seltener ein Alarmschlagen ehrlicher, publizistischer Verantwortung. Immer ist sie unsachlich, oft politisch schädigend und meist menschlich niedrig. Man hat diesen Typ den „pamphletistischen" genannt, eine Bezeichnung, die in Frankreich der Überintellektuellen schlagenden Glossierung, z . B . m i n . h e m „Chroniqueur", gegeben wird. E r ist vor alui : in bestimmten Z e i t s c h r i f t e n vertreten, wo yr zur allgemeinen Gefährdung der Demokratie mehr "Iii 'iträgt als zu ihrer oppositionellen Förderung. In den Zeitungen ist er z. Zt. noch seltener, doch sind dahingehende Neigungen sichtbar. Im öffentlichen Leben ist die Presse die beratende, das P a r l a m e n t die beschließende Institution. Dazu bedarf es

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in der Presse der sachlichen Unterrichtung und ebenso der willensmäßigen Deutung. In welchem Ausmaß die deutsche Presse gerade die Information der bewußt politischen Führung vorzieht, zeigt ihre politische Richtungsstatistik. Nach der letzten Erhebung ist richtungsmäßig das Zeitungswesen 1953 in drei Grundformen aufzuteilen 1). Sie versuchen die Vielfalt bestimmter oder vager, klar bekennender oder vorsichtig ausweichender Richtungsangaben zusammenzufassen. Von 1403 Zeitungen geben 19531) 10% (141) mit 9% der Gesamtauflage das Programm einer der bestehenden parlamentarischen Parteien als Richtung an. Wir nennen sie „ f e s t r i c h t u n g s b e s t i m m t " . 10, 6%(149) mit 16% der Gesamtauflage sind in ihrer Richtungsbezeichnung nur „ g r u n d r i c h t u n g s b e s t i m m t " . Aber 64,1% (899) Blätter mit einem Anteil von 69,2% der Gesamtauflage geben keine feste Richtung an oder nennen unbestimmte Bezeichnungen, die werbend die größte Leserschaft zu fassen suchen. („Unabhängig", „neutral" usw.) 15,3% (214) der Blätter geben überhaupt keine, nicht einmal eine vage Richtungsbezeichnung an.

Die p o l i t i s c h e S t e l l u n g n a h m e all dieser Blätter erfolgt somit von Fall zu Fall. Sie können in gegebener Lage ausgesprochenen Kampfcharakter annehmen, oder sich auch, um der Sicherung des Absatzes und der Anzeigen willen, der stärksten Leserneigung, dem „Trend" des öffentlichen Lebens, jeweils anschließen, um im Geschäft zu bleiben. Aber mit einer gegen den Strom gerichteten politischen Arbeit trotz allem politisch und verlagsgeschäftlich oben zu liegen, ist immer ein publizistisches Kunststück, der Beweis hervorragender journalistischer Leistung und verlagstechnischer Organisation auch gegen die Grundneigungen der Zeit. Quer- oder entgegenliegende Meinungen klar, volkstümlich und überzeugend an den Leser zu bringen und in den Nachrichten auch Feinden der Politik ein Mindestmaß politischer Einsicht zu vermitteln, ist immer ein Zeugnis besten journalistischen Könnens. Die sachliche Information aber geht immer allem anderen voran. Sie ist die ') Vgl.: „Die Deutsche Presse 1954" S. 60ff.

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unerläßliche Voraussetzung der staatsbürgerlichen Pflichterfüllung und heute eine der vornehmsten Aufgaben der Presse, die sich ihr Gewissen und ihre Verantwortung erhalten hat. Sehr verschieden sind die Mittel der politischen Information unter dem Einfluß der sogenannten „ A u f l o c k e r u n g " geworden. Sie gehen nicht mehr allein über den Leitartikel, den die Gefahr der Lehrhaftigkeit schwer lesbar machte. Interview, Sach- und Serienbericht, Diagramm und Landkarte, Karikatur und Photo, Kurzartikel und Glosse wetteifern in dem Bemühen, ein nicht lehrhafter Lehrer zu sein. Sehr eingeengt — fast ein Zeichen sinkenden Ansehens des Parlaments — wurde die P a r l a m e n t b e r i c h t e r s t a t t u n g . Nur an außerordentlichen Tagen bringen die Blätter wörtliche Reden und selbst die nur gekürzt, an anderen Tagen begnügen sie sich, knappste Auszüge zu geben. Sie suchen zusammengefaßte Berichte und Stimmungsbilder lebendig zu halten oder nur kurz den Tatsacheneffekt eines Gesetzaktes festzustellen. Vor 1914 gaben die großen Zeitungen die Reichstagsverhandlungen oft auf 2—4 Seiten im Kleinstdruck wieder. Man hat das damals nicht nur verlangt, sondern es auch gelesen.

Heute ist die parlamentarische Berichterstattung •— auch die der Landtage u n d Gemeinden — schmal u n d dürftig. N u r bei entscheidenden politischen Ereignisneil blüht sie vorübergehend auf, ebenso aber auch bei Skandal- und Korruptionsfällen. E i n Teil der Boulevard- u n d Bildpresse legt keinerlei Wert auf sachliche Information. Sie sieht auch das Politische nur dann, wenn es ganz oder einzeln durch die magische Lupe der Sensation gesehen in eine meist lebensferne Außerordentlichkeit heraufmultipliziert werden kann. Demgegenüber auch im spröde Politischen das Packende und Wirksame überzeugend herauszuarbeiten u n d dem Staatsbürger seine Verantwortung einzuprägen, das ist eine dankenswerte, aber schwere Leistung des politischen Ressorts und seiner Mitarbeiter, der Beweis eines Könnens, das zur Zeit wenig entwickelt ist. „Politik ist Zucht, ist die hohe K u n s t , entschlossen u n d zäh, zugleich aber in E h r f u r c h t vor der fremden

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Überzeugung f ü r das Wohl aller zu arbeiten. Politik ist die K u n s t , alle lebendigen K r ä f t e zu sehen, die d a sind, u n d sie zu v e r b i n d e n . . . Der g r o ß e B a u der Staatsgemeinschaft k a n n n i c h t werden durch eine Meinung oder eine R i c h t u n g , sondern d u r c h Zusammenleben u n d gemeinsames Schaffen aller." ( R o m a n o Guardini.) b) Der „Handclstcil", der „volkswirtschaftliche Teil", die Sozialpolitik Die B e h a n d l u n g wirtschaftlicher F r a g e n (Volks- und W e l t w i r t s c h a f t ) in N a c h r i c h t u n d Meinung ist in den Tageszeitungen unterschiedlich. J e nach Leserkreis, Verbreitungsgebiet, politischer R i c h t u n g gibt es hier grundsätzlich, graphisch u n d redaktionell verschiedene Formen. Wirtschaftliche Nachrichten, weil sie u n m i t t e l b a r nützlich u n d d a m i t Nachrichten im ureigentlichen Sinne sind, finden sich schon in den allerersten Zeitungen. I h r e Z u s a m m e n f a s s u n g u n d m e i n u n g s m ä ß i g e Wert u n g k a m erst d a n n zustande, als die Öffentlichkeit N a c h r i c h t e n u n d W e r t u r t e i l e über die G e s t a l t u n g der W i r t s c h a f t , insbesondere b e s t i m m t e r , m i t entliehenen Mitteln aufgezogener kapitalistischer U n t e r n e h m e n forderte. Sie k a m m i t d e m H e r a n w a c h s e n der großen Aktienunternehmen. Die nach 1830 von Frankreich ausgehende Entwicklung des Aktienwesens (Crédits mobiliers) führte in vielen Fällen, da die kleingestückelte Aktie auch die Kleinsparer anzog, zu schwinde] hafter Ausnutzung der Spekulier- und Gewinnsucht dieser Kreise. Auch die Entwicklung des Eisenbahnbaus, zunächst auf privatwirtschaftlicher Ebene durch Aktiengesellschaften, führte zu Mißständen ähnlicher Art. Unter diesen Umständen rief die Öffentlichkeit die Presse um Schutz an und verlangte von ihr Prüfung der Unternehmen und kritische Wertung ihrer Gewinnaussichten und ihrer sogenannten „Bonität". Diesen Ruf zu erfüllen, entwickelte sich in Frankfurt der Börsenbericht des Bankhauses Rosental und Sonnemann zur „Frankfurter Zeitung", entstanden in Berlin die Börsenblätter und erhielten die großen Zeitungen umfangreiche „Handelsteile".

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In der Darbietung des Wirtschaftsstoffes haben die deutschen Tageszeitungen drei Formen entwickelt: 1. D e r s p e z i a l i s i e r t e W i r t s c h a f t s t e i l (Handelsteil). Graphisch deutlich vom übrigen Text unterschieden, oft mit eigenem Titel, gelegentlich auch einer eigenen Schriftart, wird eine umfangreiche wirtschaftliche Berichterstattung und kritisch-wirtschaftspublizistische Stellungnahme geboten, die oft mehrere Seiten einnimmt. Dieser Teil ist, wenn nicht überhaupt auf den eigens interessierten F a c h m a n n , so doch mindestens auf den volkswirtschaftlich Unterrichteten abgestellt. Ihnen dient schon allein die Aktualität täglich zu nutzender Wirtschaftsnachrichten (Börsen- u n d Marktnotierungen), die von den periodisch seltener erscheinenden Fachblättern, auch den sich Wirtschaft«journalistisch sehr ausbreitenden Wochenblättern („Deutsche Zeitung u n d Wirtschaftszeitung", „Rheinischer Merkur", „Die Zeit") nicht so schnell gebracht werden können. Den in der Geschichte des Journalismus bedeutendsten Handelsteil dieser Art brachte die alte „ F r a n k f u r t e r Z e i t u n g " . Sie erschien (vor 1914) viermal täglich mit insgesamt 10 bis 15 Seiten „Handelsblatt", und damit 40,8% des Textteils 1 ). Aber a u c h bei den großen Berliner Zeitungen machte der Handelsteil vor 1914 38,4% des Textteiles aus. Der o f t mehrseitige Börsenkurszettel war damals durchaus gebräuchlich. Die Umschaltung des öffentlichen Interesses auf allgemeine Wirtschaftsfragen, der Niedergang des Börsenhandels, das Vordringen gemeinwirtschaftlicher Unternehmung h a t auch den fachlichen Handelsteil umgestaltet, ihn vom „ H a n d e l " mehr auf die Volkswirtschaft ausgerichtet. Doch sind seine Fachgebiete bis heute noch im e i n z e l n e n gegliedert. a) W a r e n m ä r k t e (Getreide, Baumwolle, Kautschuk, K a f fee, Kakao, Metalle usw.); ') Groth, O t t o : Die Zeitung. M a n n h e i m 1928, B d . I, S. 968ff.

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IV. Die Redaktion b) G e l d - u n d K a p i t a l m ä r k t e , Ausweise der Zentralbanken, Devisenkurse (DM f ü r je 100 Einheiten der Landeswährung), Obligationen, öffentliche Anleihen, Aktien. Börsenkurszettel mit Angabe von Angebot 1 ) (Brief oder Papier, B oder P) und Nachfrage (Geld = G); 0) V e r k e h r s m ä r k t e (Schiffsraum, Wagenstellung, Transportgelegenheiten) ; d) S t e u e r w e s e n u n d W i r t s c h a f t d e r ö f f e n t l i c h e n K ö r p e r s c h a f t e n (Staat, Länder, Gemeinden, Anleihewesen) ; e) A u ß e n h a n d e l (Monats- und Vierteljahresbilanzen); f) B a u m a r k t ; g) L a n d w i r t s c h a f t u n d S i e d l u n g ; h) H a n d w e r k u n d K l e i n g e w e r b e ; 1) S t a t i s t i k (Indexziffern, Konkurse, Vergleichsverfahren, Wechselproteste usw.); j) S o z i a l e s L e b e n , A r b e i t s m a r k t , V e r s i c h e r u n g e n (Sozialversicherungen). (Heute meist unter „Sozialpolit i k " nachrichten- und meinungsmäßig behandelt.) Neben den umfangreichen Nachrichtendiensten steht die tägliche wirtschaftspolitische S p i t z e (Haupt- und Einleitungsartikel des Handelsteils) als publizistisches Schwergewicht, das durch andere, fachliche Urteile und kritische Glossen ergänzt werden kann. Von besonderer Bedeutung ist die Gesellschaftsberichterstattung, die in Bilanz, Prospekt und GeneralVersammlungsberichten die Lage der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Kapitalgesellschaften (Ende 1953: 2500 Aktiengesellschaften mit einem umgestellten Kapital von rd. 18,75 Milliarden DM und 211 Gesellschaften mit 1,78 Milliarden nicht umgestellten Kapitals) regelmäßig zu analysieren und kritisch zu werten hat. E i n „ H a n d e l s t e i l " solch f a c h l i c h e r D u r c h b i l d u n g ist n u r f ü r d e n sachlich interessierten Leser, also d e n K a u f m a n n , den Industriellen, den Gewerbetreibenden, geschaffen. Seit in den J a h r e n nach d e m ersten Weltkrieg die breiteste Öffentlichkeit auch an wirtschaftlichen Vorgängen Anteil n a h m , interessiert wurde an der Währungsentwicklung (Inflationsjahre), d e n Streik- u n d L o h n b e w e g u n g e n , der Ar-

') Knapp, 11.: Der 'Wirtschaftsteil der Zeitung. Anleitung f. d. Leser. Stuttgart ;953,

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beitslosigkeit, den Kleinhandelspreisen, dem Wohnungsproblem, kurz, allen Problemen der Verbraucher überhaupt, öffneten sich nicht nur die Spalten des allgemeinen Textteils in vermehrtem Umfange dem wirtschaftspolitischen Stoff, auch die „Handelsteile" n a h m e n volkstümliche Formen an. Sie sollten jedem Leser verständlich werden, eine Entwicklung, mit der die volkstümliche Massenpresse schon vorangegangen war. E s "entstand der volkstümliche Wirtschaftsteil. 2. Der a l l g e m e i n v e r s t ä n d l i c h e W i r t s c h a f t s t e i l schließt sich auch äußerlich weniger vom übrigen Textteil ab. E r bevorzugt die Behandlung allgemeiner, auch sozialpolitisch gebundener Wirtschaftsfragen (Lohnfragen, Auftragsbestände lokaler Industrien) und rückt Verbraucherprobleme stark nach vorn, ebenso auch alle Fragen der Sozialversicherung. Einige Blätter geben diesem Teil daher Sammeltitel, wie etwa „ W i r t s c h a f t u n d A r b e i t " oder „ W i r t s c h a f t u n d s o z i a l e s L e b e n " . Anschaulich wird hier mit Bildstatistiken gearbeitet, f ü r die sich wieder besondere Korrespondenzunternehmen herausbildeten. Selbst zum Mittel leicht karikierender Zeichnung wird gegriffen, bestimmte Wirtschaftsvorgänge einleuchtend plausibel zu machen. Die Redaktion solcher volkswirtschaftlichen Teile forderte nicht allein die fachkundige Feder, sie forderte den anschaulich und einprägsam Schreibenden und Zeichnenden, eine Persönlichkeit, die in dieser glücklichen Verbindung von sachlichem und journalistischem Können nicht allzu häufig ist. Ihre Arbeit wird sich auch im allgemein-redaktionellen Teil, im Politischen und im Lokalen bewähren. Auch den Leitartikel geben gut geleitete Zeitungen häufig an wirtschaftliche Themen ab. Also zeigt sich: 3. Die w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e D u r c h b i l d u n g d e s a l l g e m e i n e n T e i l s h a t i n d e n letzten J a h r e n Fortschritte gemacht. Sie bringt eine auch staatspolitisch

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wichtige und erfreuliche Entwicklung, denn das Verständnis wirtschaftlicher Vorgänge f ü h r t auch zu gerechterer und treffenderer Beurteilung der politischen Gegebenheiten. D a m i t stärkt sie — z. B. bei Wahlen — die Argumente sachlicher Politik. Besonders interessieren hier alle Steuerfragen, die Fragen der öffentlichen Finanzen, örtliche Wirtschafts- und Arbeitsmarktfragen, Auftragsbestände u n d allgemeine Entwicklung der heimatlichen Industrie. Die enge Verbindung zwischen der Wirtschaft und dem menschlich-sozialen Schicksal hat in manchen Blättern zu bevorzugter Behandlung gerade dieser Problematik, auch in eigenen beilageähnlichen Seiten, geführt („Mensch und W e r k " , „Aus dem Leben der A r b e i t " u. a. m.). Eine regional gebundene Zeitung in Süddeutschland, Aufl. 125000, Richtung: „unabhängig", mit einem Verbreitungsgebiet, das zu 70% an der exportintensiven Industrie und allgemein gewerblich interessiert ist, erhält in der täglichen Redaktionspost zu einem Drittel briefliche Anfragen, die die Wirtschaft angehen. In 250 Ausgaben brachte sie im allgemeinen Teil 308 Berichte. In der Themenaufteilung des Wirtschaftsstoffes ergab sich folgende Gliederung: Steuerfragen 25% (in den Artikeln 75%) Inländ. Wirtschaft 22% Gewerkschaften, Lohnfragen 16% Ausländ. Wirtschaft 10% Montanunion, Europ. Zusammenarbeit (OEEC) . . . . 6% Wohnungsbau 6% Landwirtschaft und Siedlung 6% Sonstiges 9%

Die früher oft umstrittene U n a b h ä n g i g k e i t des Wirtschaftsteils ist heute kein Sonderproblem mehr. Verpachtung von Wirtschaftsteilen an Industrie oder Bankgruppen, wie sie im Ausland vorgekommen ist, war im deutschen Zeitungswesen immer ausgeschlossen. Der Wirtschaftsteil der Zeitung ist in Deutschland von außerredaktionellen Einflüssen ebenso bedroht und

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ebenso frei wie alle übrigen Teile der Zeitung, je nachdem man ihre Unabhängigkeit verteidigt oder — z. B . gegenüber Anzeigenkunden — Einflüsse zuläßt. Dieses K a p i t e l ist weiter unten besonders behandelt (vgl. S. 137). D a ß auch der Wirtschaftsteil als Ganzes gesinnungsmäßig ausgerichtet ist, zum mindesten aus der politisch-wirtschaftlichen Grundauffassung des Blattes heraus, braucht nicht bekräftigt zu werden. W e n n auch Börsen- und Marktnotierungen und viele reine Fachangaben in ihrer Tatsachennatur objektiv sind: Auswahl und Deutung lassen die Grundrichtung deutlich hervortreten. c) Der Orts- und Heimatteil Der Orts- und Heimatteil (lokaler Teil) hält die engste Fühlung zum Leser. Dieser Teil hat die Aufgabe, das Zeitgeschehen, das der Leser selbst T a g um T a g aus nächster Nähe beobachten und erleben kann, in seiner Bedeutung für die Gemeinden (Stadt oder Land) und die Landschaft (Provinz) zu werten. Aber darüber hinaus wird er aus dem Leben der Gemeinde das Leben des ganzen Volkes verstehen lehren und es in dieses einordnen. Der Orts- und Heimatteil dient also dem Leser sehr unmittelbar, darf aber nie Kirchturmpolitik sein. E r führt vom engeren Leben zu den größeren Aufgaben. Darin liegt die Weite, die der rechte Redakteur geben kann. Weil aber der Orts- und Heimatteil seinen Stoffbereich aus Lebenskreisen nimmt, in denen jeder Leser verwurzelt, oft auch eigennützig und interessenmäßig gebunden ist, hat sein Leiter, ohne in passive Haltung und Ängstlichkeit zu verfallen, eine zwingende Sorgfaltspflicht. I n kaum einem Teil der Zeitung ist jedes W o r t so unmittelbar zu überprüfen, liegt die Möglichkeit so nahe, mit verfilztem Eigennutz zusammenzustoßen, wunde Stellen zu berühren und in Wespennester zu stechen, wie eben hier. I n keinem Teil kann darum schwieriger frische Luft und regsame Eigenarbeit erhalten werden, als in dem Orts- und Heimatteil. Ge-

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lingt es aber, so gelingt es zu doppelter Freude, und der „lokale Teil" kann eine sehr ernst zu nehmende publizistische Aufgabe erfüllen. Dies erfordert einen Leiter besonderer Begabung. Aus lebendiger Einfühlungsfähigkeit muß er die Lage und Aufgabe der Gemeinde in Kontakt mit den kommunalen Ämtern ebenso wie mit der breiten Öffentlichkeit richtig erfaßt haben. In zähem Fleiß muß er in alle Einzelheiten dieser Lage eindringen, muß die Machtverhältnisse abwägen, Interessengetriebe erkennen, um ehrliche, hingebende Arbeit und tüchtige Arbeiter ebenso wissen wie um faule Köpfe, versumpfte Charaktere und gefährliche Intriganten. Auf keinen Fall darf ihm aus Einerlei und Enge und wegen der ewigen Stürme im Wasserglas die sprachliche Frische und die persönliche Eindrucksfähigkeit geraubt werden. Aus Eigenem muß er verstehen, auch Altes in immer neue Lichtkreise zu rücken. Er darf nicht müde werden, Leben und Bewegung im Dasein der Gemeinde immer wieder zu entfachen und im Schwünge zu halten. Auch journalistisch steht er vor ganz besonderen Aufgaben. Der lokale Teil ist eine Zeitung im Kleinen. Stofflich sind alle Sparten in ihm vertreten. Er zeigt auch alle journalistischen Arbeitsformen und ist daher die beste Vorschule für den Journalisten. In den gemeindepolitischen Fragen hat er seinen politischen, in den örtlichen Schul-, Theater-, Kunst- und Städtebaufragen seinen kulturpolitischen Teil. Die Wirtschafts- und Finanzfragen der Stadt und alle gemeindlichen Fragen des sozialen Lebens sind hier zu bearbeiten, und die großen politischen Ereignisse, die sich auf die Gemeinde auswirken, hat er ebenso zu behandeln wie lokale Feste und Veranstaltungen. Auch über das Eigenleben wichtiger Einzelgruppen hat er, in rechter Einordnung in das Ganze, zu berichten. Oft sehr heikel ist die richtige Bearbeitung aller mit „Personalia" zusammenhängenden Fragen. Sie sollten gewiß nach dem Grundsatz entschieden werden, daß die

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Gemeinschaft allem Persönlichen vorgeht. Aber auch das Persönliche, z. B. in Namen- und Titelnennungen, Ehrungen, Geburts- und Jubiläumstagen, ist von allgemeinem Interesse und sollte unter rechten Maßstäben niemals außer acht bleiben. Das alles fordert ständige Fühlung mit allen leitenden Stellen in den Ämtern, den Verbänden, Parteien, dem Vereinsleben und der Gesellschaft. Es verlangt Fleiß, Takt und eine Fülle von Kulissenkenntnis. Ständige, nie abreißende Regsamkeit ist unerläßlich. Passives Herankommenlassen des üblichen Lokalstoffes, der bloße Abdruck der Polizeiberichte, der Vereins- und Unfallnachrichten und des sonstigen Kleinkrams ohne Eigenarbeit, Eigenergänzung und Führung lähmt das Interesse der Leserschaft. Ein lokaler Teil ist dann auf der Höhe, wenn niemand ihn ohne Schaden ungelesen lassen kann. J o u r n a l i s t i s c h ist der eigene Nachrichten- und möglichst auch ein Bilderdienst erforderlich. Bei geringer Redaktionsbesetzung ist das schwierig. Es erfordert größte Lokal- und Personalkenntnis, Findigkeit, Sachund Menschenkenntnis und organisatorisches Geschick. In der ortspolitischen Willensbildung hält das Blatt engste Fühlung mit den leitenden Stellen der Gemeindeämter. Es sorgt für eine sachliche, das Wesentlichste fassende Berichterstattung über die Arbeit des Gemeindeparlaments, das ja selbst eine Quelle sachlicher Unterrichtung oft in persönlich interessanten Formen ist. Die deutschen Gemeindeverwaltungen haben im allgemeinen die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse eingesehen. Die Presse muß hier dahin wirken, daß es nicht zu einer schematischen Informationsarbeit kommt, die im lokalen Teil am wenigsten zu brauchen ist. Der selbständigen Eigenarbeit muß der Weg offen gehalten werden. Die Presse- und Nachrichtenämter der Städte und Gemeinden waren mit zuerst entwickelt. Sie haben im Jahre 1952 allein 70000 Infor-

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mationen an die Presse gegeben 1 ). Doch ist es ihre Aufgabe, den Lokalreportern die individuelle Arbeit mit den Referenten zu ermöglichen. Eine Gemeindebehörde von wirklicher Großzügigkeit wird dabei auch sachliche Kritik und kundige Anregung begrüßen, zumal dann, wenn sie auf genauester Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und reifer Sachkunde beruhen. Freilich steht die Empfindlichkeit gegen Kritik oft im umgekehrten Verhältnis zur Größe der Gemeinden. Bei den engen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen, namentlich in kleineren Gemeinden, gehören zu einer Arbeit solcher Art starke Verantwortungsfreudigkeit, sicheres Urteil, genaue Kenntnis der sachlichen und persönlichen Zusammenhänge aller kommunalen Dinge. Das fordert oft mehr Ruhe, Geduld, Klugheit und Standfestigkeit, als manche andere Sparte sie verlangt. Viele außenpolitische Artikel, Reportagen und Kritiken sind wesentlich einfacher zu schreiben und ungefährlicher als noch so kurze Ausführungen in gemeindlichen Fragen, die oft jähe Gegenwirkungen zur Folge haben. Auch ein „Feuilleton" h a t der lokale Teil. Die „Spitze", der dem Nachrichtenteil voraufgeschickte kleine Artikel, dient der örtlichen Meinungsbildung und der stimmungsmäßigen, meist gern gelesenen Betrachtung. Er bringt die Pfingstfreude, den Weihnachtsglückwunsch und den Gruß an den Frühling, Aufgaben, die nicht mit den üblichen Gelegenheitsredensarten, sondern durch gute Federn auc^ eigenartig und neu f ü r eine starke Lesergemeinde gelöst werden können. Snobistisch auf sie zu verzichten. ist immer ein Fehler. Die Spitze sollte möglichst eine gute und wichtige und örtliche Angelegenheit behandeln und wo dazu der Stoff nicht reicht, sollte eine gute, lokal gebundene Plauderei . unterhaltender oder belehrender Art gegeben werden. Wichtig ist dabei immer die E i g e n a r b e i t . In ihrfindet die örtliche Bindung des Blattes, insbesondere die Heimatzeitung, ihr ganz besonderes Leben. Hier, aber auch in der übrigen Presse, hat der lokale Teil auch das Recht, den L e i t a r t i k e l a u f d e r e r s t e n S e i t e für sich in Anspruch zu nehmen. Er sollte davon oft Gebrauch machen. Es muß endlich mit dem dummen Vorurteil aufgeräumt 1 ) Zankl, II. L . : P r e s s e b ü r o k r a t i e u n d lebendige Öffentlichkeit. ( V o r t r a g beim 3. zeitungsfachlichen F o r t b i l d u n g s l e h r g a n g 1953).

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werden, als seien der lokale Teil und seine Leiter K r ä f t e minderen Rechtes in der Zeitung. I n der Mehrzahl der Fälle hängt das Gelingen des Blattes in weitem Maße von ihnen ab. Oft h a t auch der lokale Teil s e n s a t i o n e l l e Dinge zu berichten. Sensation liegt immer dann im öffentlichen Interesse und ist dann unerläßlich, wenn sie publizistisch, d. h. im ernsten Dienste f ü r die Öffentlichkeit — und nicht f ü r irgendwelche triebhafte Neugier und taktloses Eindringen in privates Leben — notwendig ist. Das Leben i s t belastet mit dunklen und oft tragischen Ereignissen, die bekannt werden und es werden müssen, in Abwehr ihrer Ursachen, im Schutz vor ihren Folgen und in der Pflicht zu allgemeiner Charakterisierung der Zeit. Durch schlechte „protokollarische" Wiedergabe unter Verzicht auf typographische Betonung ist das niemals zu erreichen. Wer das Gegenteil behauptet, kennt nicht die Lebensgesetze der Zeitung. Sie kann in einer erregten Zeit nicht olympische Ruhe atmen. Jede Sensation wird aber, das sei hier wiederholt, nur dann tragbar sein, wenn das öffentliche Interesse sie fordert. Die f a l s c h e Sensation beginnt dort, wo f ü r die sensationelle Darstellung und reißerische Aufmachung einer Nachricht ein öffentliches Interesse nicht mehr gegeben ist, wo ein aus öffentlicher Pflicht nicht gebotener Einbruch in die Sphäre des privaten Lebens erfolgt. Das gilt auch dann, wenn aus sensationellen Gründen rein persönliche Dinge, die den öffentlich interessierenden Fall nicht mehr angehen, künstlich lind gewollt in die öffentliche Behandlung hereingezogen werden (Angelegenheiten des Privatlebens, Familienangelegenheiten, Schicksale von Verwandten usw.). Sensationsfälle solcher Art, die seit 1945 wieder in manchen Blättern zu skrupellosem Leserfang ausgewalzt werden, haben in gefährlicher Weise zugenommen. Sie beschäftigen in ihren Folgen die Jugend- und Kriminalgerichte, die Ärzte, die Geistlichen, die Lehrer, die Erzieher. Diese übersteigerten Sensationen sind ein trauriges Zeichen rein auf Prof it-gerichteter Zeitungsarbeit. Viele Blätter meiden sie bewußt. Berufspolitische Maßnahmen der Journalistenverbände, vor allem aber die Leser, sollten sie ablehnen und so überwinden. Sie drücken — im Konkurrenzkampf der Blätter — gefährlich das geistige Niveau und die politische Leistungskraft der Zeitungen. Zum örtlichen und Heimatteil gehört auch die G e r i c h t s b e r i c h t e r s t a t t u n g . Aufgabe einer guten Gerichtsbericht erstattung ist es, neben der selbstverständlichen Berichtsarbeit über die „großen Fälle", das Rechtsverständnis der ÖffentlichD o v i f a t , Zeitungslehre IX

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keit an typischen Einzelfällen zu bilden und durch deren Beurteilung im Rahmen unserer Gesamtentwicklung das Rechtsleben in Fluß zu halten. Auch hier ist j o u r n a l i s t i s c h e Begabung Voraussetzung des Erfolges. Wer, ohne dem Ansehen der Rechtspflege zu schaden oder dem Spruch der Gerichte vorzugreifen, lebendig, anschaulich und packend auch kleinere Tragödien darstellt, wie sie sich Tag um Tag vor den Schranken der Gerichte abspielen, trägt mehr zur Rechtskenntnis und fürsorglichen Warnung in der Öffentlichkeit bei, als durch trockene Belehrung oder spröde Rechtsberatung geleistet werden kann. Die großen Gerichtsverfahren, bei denen das Tribunal zur Szene wird, verlangen gute Federn, anschauliche Darstellung und ein hohes Maß von Sachkunde im Rechtsverfahren. Sensationelle Ausbeute ist hier doppelt gefährlich. Sie schadet dem Ansehen der Zeitung — wenn auch leider nicht dem Abonnentengewinn — und schädigt Recht und Rechtsauffassung, erzielt also die umgekehrte Wirkung, die der gute Bericht bringt. Es ist im allgemeinen nicht üblich, bei kleineren Straffällen, vor allem bei Jugendlichen, Namen zu nennen. Auch in der Gerichtsbarkeit ist skrupellose Sensationsmache oft verhängnisvoll. — G e r i c h t s p r e s s e s t e l l e n dienen der Zusammenarbeit zwischen Rechtsprechung und Presse.

Unerschöpflich im Stoff und gleichsam ständiger Hintergrund des aktuellen Zeitgeschehens in der Gemeinde ist seine h e i m a t l i c h e B i n d u n g an Herkunft und Geschichte, an Art, Boden, Natur und Landschaft. Von der Vorgeschichte angefangen bis in unsere Zeit, von der geologischen Schichtung der Landschaft bis zu ihrer Tier- und Pflanzenwelt, aus allen diesen Stoffgebieten sollte Woche für Woche ein Heimatartikel das Blatt begleiten. Mitarbeiter, Fachkenner aus Beruf oder Neigung gibt es in jedem Leserkreis. Hier zeigt der Redakteur seine Begabung, Mitarbeiter zu gewinnen, heranzubilden und einzusetzen. Das ganze Stoffgebiet enthält die Kräfte fester, auch gemütsmäßig bestimmter Bindung des Lesers an das Blatt. Stärker als in den meisten Blättern sollte die K o m m u n a l p o l i t i k betrieben werden. Ihre Grundsätze sind keineswegs immer die der politischen Parteien. Ihre Zielrichtung und ihr Verfahren sind weitgehend sach-

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lieh bestimmt. Nirgends ist eine Aussprache darüber nützlicher und lehrreicher als eben hier, wo die Zahl der mittelbar Beteiligten, der urteilsfähigen Interessenten im allgemeinen fast mit der der Leserschaft übereinstimmt. Kommunalpolitik in diesem Stil gehört in jede lebendige Gemeinde. Sie ist eine Sinngebung des kommunalen Alltags und eine praktische Vorschule der großen Politik, die unser aller Schicksal ist. Das B i l d als Zeichnung und Photo, als Nachrichtenbild, Feuilletonbild und Bildfeuilleton ist für die Ausstattung des lokalen Teils heute unentbehrlich. d) Der kulturelle Teil und seine publizistische Wertung. Das Feuilleton — Der Feuilletonismus 1. K u l t u r u n d Z e i t u n g — D e r B e g r i f f „ F e u i l l e ton" Der kulturelle Teil der Zeitung, das Feuilleton, umfaßt in Nachricht und Meinung alle die Werte und Kräfte, die das kulturelle Leben in der Öffentlichkeit bestimmen und dort zur Geltung kommen. K u l t u r ist die innere E i n h e i t alles geistigs e e l i s c h e n B e s i t z e s u n d aller g e i s t i g - s e e l i s c h e n K r ä f t e . Sie ist „die Einheit des künstlerischen Stils in allen Lebensäußerungen eines Volkes" (Nietzsche). Kultur ist somit der geistige B e s i t z eines Volkes ebenso wie seine geistige S c h a f f e n s - u n d G e s t a l t u n g s k r a f t . Sie birgt ein statisches und ein dynamisches Element. In ihren Leistungen aber weist sie immer religiös, künstlerisch, wissenschaftlich über das nur Materielle hinaus, dessen rein zweckmäßige Bewältigung Sache der Zivilisation ist. Z i v i l i s a t i o n i s t t e c h n i s c h e S i c h e r u n g des natürlichen D a s e i n s durch g e s t e i g e r t e N ü t z l i c h k e i t , B e q u e m l i c h k e i t und Ordnung. Zivilisation ist geistig-materiell gesteuerte höhereZweck mäßigkeit. Zivilisation heißt, alle Sicherheiten und Annehmlichkeiten des Daseins entwickeln und sich darin wohlfühlen. 4*

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I n ihrer n a c h r i c h t e n m ä ß i g e n Zweckbestimmung gehört die Zeitung in den Bereich der Zivilisation. I n ihrer g e s i n n u n g s m ä ß i g e n Aufgabe entwickelt sie, zumal in der Wiedergabe künstlerischer Schöpfungen, die sie deutet und für die sie wirbt, k u l t u r e l l e W e r t e . Diese W e r t e hat die Zeitung, ihrer Natur entsprechend, dem Alltag zu vermitteln, dem sie T a g für T a g verpflichtet ist und in dessen Eintönigkeit und Sorge sie etwas vom ewigen Abglanz der echten W e r t e sorgfältig, wahrhaftig und vor allem v e r s t ä n d l i c h ' übermitteln soll. W e n n sie auch ihrem Wesen nach diese W e r t e als Kleingeld stückelt, verschlägt das nichts. Sie muß nur sorgen, daß die Währung echt ist. Dies führt zur Erkenntnis einer G r u n d r e g e l , der alles kulturelle Wirken der Publizistik, nicht nur das der Zeitung, unterliegt. Auf sie abgestimmt lautet diese Grundregel: Z e i t u n g e n k ö n n e n n u r s o l c h e K u l t u r w e r t e ü b e r m i t t e l n , die n a c h den G e s e t z e n der Z e i t u n g s a r b e i t d e r b r e i t e n L e s e r m a s s e zu ers c h l i e ß e n sind. E s wird hier die wichtige Leistung journalistischen Könnens sein, der breiten Öffentlichkeit auch die schwerer zugänglichen Kulturwerte zu vermitteln. Die Zeitung hat im letzten J a h r h u n d e r t z. B . der jungen K u n s t S c h r i t t um S c h r i t t B a h n gebrochen. Einzelne Zeitungen, die für Leute geschrieben sind, denen das Privileg der Bildung geschenkt ist, haben sogar gerade diese Aufgabe durchgesetzt und wetteifern darin mit der ernsten Zeitschrift. Die breiteste Öffentlichkeit aber ist anders anzusprechen. Die großen Massenzeitungen werden immer das schwierige Problem zu meistern haben, wie kulturelle Leistungen ihren Lesern eingehen und in welcher F o r m sie ihnen darzubieten sind. Das soll keine Unterordnung geistiger Hochwerte unter das Technische im Tages- und Massenerzeugnis der Zeitung sein. Die Zeitung trägt im allgemeinen keine Werte, die sich nur exklusiven Zirkeln auftun, wobei die Frage umstritten bleibe, inwieweit solche W e r t e überhaupt kulturell ge-

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nannt werden können. Für die Aufnahme von Kulturwerten in die Zeitung ist dem Redakteur die gleiche Aufgabe gestellt, die dem Herausgeber eines guten und volkstümlichen Buches oder den Leitern eines volkstümlichen Theaters aufgetragen ist. Sie haben das Recht, neben dem großen Weltanschauungsdrama auch einmal das Kassenstück zu spielen. Ohne sich etwas zu vergeben, gilt es für die verantwortungsbewußte Zeitung zunächst einmal, Aufmerksamkeit zu wecken, Interesse wachzurufen und dann den Wert zu bringen in der Form, in der er angenommen wird. Vom Standpunkt dogmatisch-ästhetisierender Literaturbetrachtung mag man das ablehnen, für jede wirksame Ansprache der Öffentlichkeit ist es unerläßlich. Empörte Urteile über das, was die Zeitung aus der kulturellen Welt abdruckt oder von den mißratenen Anverwandten der großen Literatur bringt (etwa den Z e i t u n g s r o m a n ) , erledigen sich damit insoweit, als solche Beispiele aus dem Wesen der Zeitung notwendig und unerläßlich dem Geschmack des Zeitungslesers nahegebracht werden müssen. Außerdem hat die breite, schwer arbeitende Masse der Leserschaft ein Recht, nicht nur an ihr zugänglichen kulturellen Werten teilzuhaben, sondern auch entspannt und unterhalten zu werden. All das ist bei der Auswahl des Stoffes zu berücksichtigen, der im kulturpolitischen Teil, der alten Feuilletonsparte, dargeboten wird. Diese Dinge lassen sich ebensowenig in der dünnen Luft snobistischer Kreise wie in den Grenzen einer abgekapselten wissenschaftlichen Vorstellungswelt entscheiden, sondern nur in der kräftigen Atmosphäre dessen, was volkstümlich, packend und lebensnah ist. Dies braucht nun keineswegs Unterhaltung gleich niederem „Amüsement", gleich lautem Jahrmarktslärm zu sein. E s gibt auch eine vom Aktuellen her seelisch bewegte und dann auch ins tiefere Sein wirkende Form des Ausdrucks und der Stoffwahl, die den rechten Übergang bietet aus der flüchtigen Bindung an den Tag zu bleibenden Werten. E s ist dieses Stoffgebiet und diese gei-

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stige Haltung, aus der zweierlei für das Zeitungswesen her aufgewachsen und zu besonderer Reife gekommen sind: D a s F e u i l l e t o n u n d d e r F e u i l l e t o n i s m u s . I m B e g r i f f „ F e u i l l e t o n " ist dreierlei zu unterscheiden: das Feuilleton als redaktionelle S p a r t e , das Feuilleton als sogenannte „ K l e i n e F o r m " , das Feuillet o n als j o u r n a l i s t i s c h e H a l t u n g subjektiv persönlicher Form in Darstellung und Sprache („Feuilletonismus"). Als S t o f f - und S p a r t e n b e g r i f f umfaßt des Feuilleton alle kulturpolitisch wichtigen N a c h r i c h t e n (Theater, Neuerscheinungen des Büchermarktes, Personalien, Kunst und Wissenschaft), einen M e i n u n g s t e i l (die ganze Kunst- und Theaterkritik) und einen U n t e r h a l t u n g s t e i l , der durch „Feuilletons", Romane, Novellen, Skizzen, Kurzgeschichten usw. der Sparte den Charakter gibt. Dieser ganze Stoff wurde — heute seltener, aber früher generell — „unter dem Strich" gebracht, im Gegensatz zur großen Politik, die „über dem Strich" abrollte. Die allgemeine Bedeutung des unterhaltenden und belehrenden Stoffes, des Feuilletonstoffes, hat heute in manrhen Blättern, so in den meisten Boulevardtypen, den schwarze i Strich überhaupt verschwinden lassen. Oft wird er nur sparsam angewandt, wo er früher — vom Handelsteil abgesehen — durch das ganze Blatt lief. Der Feuilletonstoff nimmt dafür ganze Seiten in Anspruch oder ist über das ganze Blatt in Blocks verteilt. Der schwarze Strich erklärt sich aus der Geschichte dieser Sparte, der im französischen Journalismus des beginnenden 19. Jahrhunderts ihr Name gegeben wurde. Feuilleton = Blättchen war ursprünglich der Intelligenzzettel des „Journal des Débats". Er war ein kleiner, der großen politischen Zeitung beigehefteter Zettel, der „Avertissements", kleine Anzeigen und dgl., brachte. Hier nahm der A b b é de G e o f f r o y , der „père du feuilleton", kurz vor 1800 Raum für Theaterkritiken, kleine Reisegeschichten und Plaudereien für sich in Anspruch. Das sonst ganz der großen Politik gewidmete Blatt sah ein wenig verachtend auf die Winkelliteratur, und der Abbé trieb diese Deklassierung bewußt. Gelegentlich einer Formatänderung des Hauptblattes verschwand das „Blättchen" als Beilage. Sein Inhalt aber tauchte — durch einen d i c k e n , s c h w a r z e n S t r i c h vom großen politischen Teil getrennt — im Hauptblatt wieder auf. Zufällig hat so die derart zusammengefaßte Stoffgruppe

4. Stoffbearbeitung, Feuilleton als Sparte

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einen französischen Namen erhalten. Ihren Inhalt gab es lange vorher schon in Deutschland. Bayrische Blätter haben ihn auch schon vor 1800 durch einen Strich markant getrennt. Aber durch das berühmte französische Blatt ist die Sache bekannt und benannt worden. Sie ist bei uns aus dem „Gelehrten Artikel" erwachsen, dessen Redakteur 1751 Lessing an der „Vossischen Zeitung" wurde. Die „ f e u i l l e t o n i s t i s c h e " H a l t u n g freilich ist älter als die Zeitung, ist so alt wie die publizistische Führung überhaupt. Sie findet sich in den Predigten des Mittelalters ebenso wie in den Reden des Altertums und ist überall da zu finden, wo der Mensch gewinnend und persönlich im Menschlichen angesprochen aus den Zufälligkeiten und Nebensächlichkeiten des Tages in das Große und Allgemeine emporgeführt wird. (Siehe unten S. 78.)

2. D a s F e u i l l e t o n a l s S p a r t e D a s F e u i l l e t o n i s t e i n e Z e i t u n g s s p a r t e , in d e r alle Gebiete des k u l t u r e l l e n L e b e n s , d a s Geistigk ü n s t l e r i s e h e u n d W i s s e n s c h a f t l i c h e in N a c h richt und Meinung sich mit dem der U n t e r h a l t u n g u n d B e l e h r u n g zu e i n e r E i n h e i t v e r b i n d e n . Die im Hitlerregime für das „Feuilleton" gewählte Bezeichnung „ d a s 3. p o l i t i s c h e R e s s o r t " ordnete im Sinne des totalitären Strebens auch die künstlerischen und unterhaltenden Inhalte des Feuilletons dem politischen Machtstreben unter. Große Teile des Feuilletons stehen aber diesem Streben gegenüber viel zu sehr abseits, als daß eine solche Bezeichnung berechtigt wäre. Doch ist nicht zu leugnen, daß auch das Feuilleton von der Grundgesinnung eines Zeitungsunternehmens durchaus geprägt wird. Gerade die kulturellen Werte tragen immer die Farbe der grundsätzlichen und weltanschaulichen Haltung eines Blattes. Hier ist sie sogar am ehesten erkennbar, wenn sich der politische Teil mancher Zeitungen windfahnengleich dreht. Drei Stoffgruppen umfaßt das Feuilleton als Sparte: Nachricht und Bericht, publizistische Wertung und Kritik, Unterhaltung und kulturelles Beispiel (Roman. Kurzgeschichte, „Kleine Form").

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a) N a c h r i c h t u n d B e r i c h t Das Feuilleton umfaßt zunächst in Nachricht und Bericht die ganze Fülle des kulturellen Geschehens. Von den einfachen Einzelmeldungen oder ihrer mosaikmäßigen Zusammenfassung im „Kleinen Feuilleton" angefangen bis zur umfassenden kulturellen Reportage, die ausführlich und lebendig bebildert ist, gehen die Formen der Darbietung, die immer eine besonders persönliche Note tragen muß. Beispiele für die gesamtgeistige Haltung sind dabei das äußere Gesicht, insbesondere auch Bildauswahl, Schriftwahl, Schmuck und schließlich von innen her der G e i s t , aus dem heraus Tag um Tag das kulturelle Geschehen dargestellt wird. Die Politik mag begeistern oder empören, die Wirtschaft mag die Leute zum Nachrechnen bringen, sie zukunftsfroh oder besorgt machen; was sich im Wirken kultureller Kräfte abspielt, rührt oft ans Innerste des Persönlichen. Im Bereich des Kulturellen darf daher weit weniger das spröde, nüchtern protokollierende, photographierende Referat, es muß der persönlich gesehene und erschaute E r l e b n i s b e r i c h t gegeben werden. Man kann in wenigen gegeneinandergestellten Verhältniszahlen einen handelspolitischen Vorgang, man kann in knappen, eindeutigen Gesetzen die staatliche Ordnung erfassen, kulturpolitische Vorgänge aber entziehen sich solch stofflicher Sichtbarkeit. Nirgends regen sich seelische Kräfte so wie hier, nirgends verlangen sie so persönliche Ansprache. Die Aufgaben des B e r i c h t e s im Kulturellen beginnen im Gebiet des O r g a n i s a t o r i s c h e n , das alle Zweige des geistigen Lebens tragen und unterbauen muß: das Schulwesen, soweit es nicht Gegenstand der politischen Auseinandersetzung, sondern der pädagogischen Aufgabe ist, die ganze Gliederung der gelehrten Arbeit in allen Formen, die Universitäten und Hochschulen, die Akademien, die Forschungsgesellschaften, das Theater, die Konzerte und die Konzertorganisatio-

4. Stoffbearbaitung, Kritik

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nen, die Hörer- und Besucherorganisationen, Film, R u n d f u n k und Fernsehen in Aufbau und Gliederung, die Museen, das Bauwesen (in künstlerisch-kultureller Bedeutung), Ordnung und Arbeitsweise kultureller Institutionen und Verbände, all das und vieles ähnl'che andere ist noch lange nicht Kulturinhalt, sondern erst Organisation. J e besser aber auch das re'n Organisatorische als Voraussetzung der kulturellen Le istung erlebt ist, umso mehr wird später d e Leistung den Leser gewinnen. Bevor noch der F.Im abrollt, interessiert seine Herstellung, ehe noch diese oder jene naturwissenschaftliche Entdeckung in ihrem Erfolg beschrieben und dargestellt ist, interessiert die Organisation des Instituts, in der sie gefunden, interessieren die Menschen — und zwar die ganzen Menschen, auch in ihrem persönlichen Sein — die sich für das endlich Errungene eingesetzt haben. Das Theater zieht besonders an, ehe sich noch zur Aufführung ein Vorhang hebt und e'ne kritische Wertung zu geben ist. So ist die K u l t u r o r g a n i s a t i o n ein wichtiges Feld für journalistische Arbeit, die dem K u l t u r i n h a l t dient, indem sie die ihm vorausgesetzten organisatorischen, wirtschaftlichen u n d technischen Einrichtungen zu Ansehen bringt oder zu kritischer Wertung anregt. Der sogenannte „rasende R e p o r t e r " ist, wenn überhaupt irgendwo, so für jede Form wirklich kulturellen Berichtes am wenigsten brauchbar. Jeder kulturelle Vorgang fordert auch in Sprache und Form eine ihm gemäße Darstellung. Diese Forderung verstärkt sich überall da. wo die Zeitung publizistisch, hier also k r i t i s c h zu den Vorgängen des kulturellen Lebens Stellung nimmt. b) P u b l i z i s t i s c h e W e r t u n g u n d K r i t i k Auch in Erfüllung ihres kritischen Werkes folgt die Zeitung dem Ruf der Öffentlichkeit. Seit die K u n s t den sakralen R a u m verlassen hat, seit sie in der Öffentlichkeit um die Mittel zum Leben und Schaffen werben m u ß und dazu ihre Leistungen gegen Bezahlung anbietet, hat

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a u c h d i e K r i t i k d e r Ö f f e n t l i c h k e i t b e g o n n e n . S i e f a n d in der Zeitung Ausdruck. K r i t i k — von griechisch „krinein", scheiden, unterscheiden — ist bewußt unterscheidende und wertende Beurteilung. Sie bedeutete in der Antike im Urteil von Amtswegen sprechender Richter („Kritai") fachliche Hilfe und ist nach festen Kunstregeln, aber nicht öffentlich, geübt worden. Sie h a t im Mittelalter in den Bruderschaften der Bauhütten und Malergilden eine belebende K r a f t als reine Werkkritik gehabt, aber weder in der Antike noch im Mittelalter war sie frei aus der Öffentlichkeit als deren Urteil gesprochen oder als persönliches Urteil Einzelner geübt. Auch f ü r die Leistungen des T h e a t e r s wäre das unvorstellbar gewesen, solange das Theater seinen sakralen Sinn behauptete. Erst als es vor den kirchlichen R a u m und in den Bereich der volkstümlichen Unterhaltung und dann des bürgerlichen, künstlerischen Interesses kam, erwachte die individuelle Kritik an der gegen Geld gebotenen Schaustellung. Ebenso geschah es im Bereich b i l d e n d e r K u n s t , als z.B. die Malerei nicht mehr von den religiösen Aufträgen der Kirchen und dann dem Mäzenatentum der Könige und Fürsten lebte, sondern f ü r den Zimmerschmuck des Bürgerhauses ihre Leistungen in „Ausstellungen" und ,,Salons" anbot und käuflich absetzte (Ende des 18. Jahrhunderts). Ähnlich stand es mit der Kritik an der M u s i k , die aus den Kirchen in die Fürstenhöfe kam („Kammer"Musik) und von dort durch die musikliebenden „Philharmonischen" Gesellschaften aufgenommen wurde, das „ K o n z e r t " gegen Eintritt f ü r die bürgerliche Welt schuf, und damit die öffentliche kritische Wertung hervorrief. A l s B e z e i c h n u n g f ü r d a s i n d i v i d u e l l e K u n s t - u n d Geschmacksurteil k o m m t der Begriff „ C r i t i q u e " zunächst in der gelehrten Welt zur W e r t u n g des Buches, d a n n zur B e u r t e i l u n g schöngeistiger L e i s t u n g e n in F r a n k r e i c h a u f . G. E . L e s s i n g g i b t d e r „ c r i t i c " — so s c h r i e b e r d a s W o r t — eine Höchstleistung reifen verantwortlichen Urteils aus künstlerischer Verpflichtung u n d umfassender Sachkunde. Mit i h m schon k o m m t die K r i t i k aus der Zeitschrift auch in die T a g e s z e i t u n g („Das Neueste a u s d e m R e i c h e d e s W i t z e s " , 1751, B e i l a g e z u r „ V o s s i schen Zeitung"). E s beginnt die Geschichte der Kritik, die jetzt ihr persönliches Urteil d e m Künstler u n d dem

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Kunstwerk in der breitesten Öffentlichkeit der Zeitung gegenüberstellt. Geurteilt wird zunächst nach Maßstäben „so unfehlbar wie die Elemente des Euklid", doch entscheidet der „Kunstrichter" nicht nach seinem Geschmack, sondern „hat seinen Geschmack nach der Regel gebildet, welche die Natur der Sache fordert". Lessing, der der Kritik diese Grundlage gab, dient beratend auch dem Künstler, „dem man nicht die Sorge überlassen kann, selbst für seinen Verlust und Gewinn zu arbeiten". Lessing verlangt vom Kritiker neben gründlicher Sachkunde und reicher Belesenheit auch die Einfühlung in den Künstler. Er wendet sich gegen den „finsteren", den „unberauschten Richter". Die Herzensbegeisterung des Kritikers wird später von dem größten der Musikkritiker, der selbst ein großer Künstler war, von Robert Schumann, übernommen, der die drei Grundtypen der Kritik schuf: Florestan, den Fahnenträger des Kommenden, Eusebius, den schöpferischen Deuter und Raro, den reifen, gütig ratenden und fördernden Meister, als dessen Nachfahr im Bereich der Theaterkritik bis heute T h e o d o r F o n t a n e unerreicht ist. Er ist Vorbild einer Generation von Kritikern, die selbst zurücktreten hinter dem Werk, das sie zu besprechen, und dem Künstler, den sie zu beraten haben; Kritiker, die nicht die Kritik zum Selbstzweck machen, sondern sie Vermittler sein lassen vom Kunstwerk zum Künstler, vom Künstler zum Publikum. Sie nehmen die Maßstäbe aus der Wahrheit des Lebens und dem Urteil des Herzens. So Fontane: „Was nicht in der Wahrheit steht, das stirbt". „Es ist immer das Menschliche, das uns rührt und fesselt". „Die Kritik soll ihre Gesetze am besten in das eigene Herz geschrieben haben". Eine zweite, in stärkster Weise subjektive Entwicklungslinie stellt ni-cht das Kunstwerk, sondern den K r i t i k e r in den Mittelpunkt. Sie beginnt mit J u l e s J a n i n (1804—1874), dem Pariser „König der Kritik", dem Vater der „Ich-Kritik", „Ich"-Kritik darum, weil sie im Grunde nur dem Kritiker dient. „Die

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junge K r i t i k . . . interessiert sich f ü r die neuen Werke, gewiß, aber sie interessiert sich besonders f ü r ihre eigenen Erfolge. Die K r i t i k von h e u t z u t a g e g e h t auf ihren persönlichen R u h m a u s " . Aus der egozentrischen Einstellung dieser K r i t i k e r erwächst im 19. J a h r h u n d e r t gegenüber der d a m a l s vielfach im gelehrten U r t e i l vertrocknenden K r i t i k eine zweite Linie. Sie zeigt eine Brillanz des Stiles u n d der F a r b e , der Bewegtheit u n d Treffsicherheit vollendeter F o r m , wie wir sie bei B ö r n e u n d H e i n e finden. Von ihnen f ü h r t die Linie der „ I c h - K r i t i k " über M a x i m i l i a n H a i d e n u n d S i e g f r i e d J a c o b s o h n ( „ E s gibt keine K r i t i k , es gibt n u r den K r i t i k e r " ) zu A l f r e d K e r r . Der K r i t i k e r ist „kein Gesetzgeber, sondern ein Gesetzfinder, ein Gegenschöpfer". „ E r k e n n e n d eine Schönheit schaffen, . . . u n d alles ist erledigt." „ F ü r den K r i t i k e r bleibt es (im letzten Grunde) beinahe W u r s t , ob er von einem r ü h m e n s w e r t e n oder einem schwachen D r a m a spricht, das R ü h m e n s werte wie das Schwache sind ein Vorwand . . ., u m zu sprechen; eine L u s t loszuwerden, eine Lust zu zeugen; F o r d e r u n g e n zu stellen, — an Ulk u n d Schmerz u n d Schönheit dieser E r d e m i t z u t u n . " Diese von K e r r m i t außerordentlicher Zielsicherheit u n d sprachlicher K r a f t , aber im e x t r e m egozentrischen Sinne verfochtene Richt u n g f a n d u n d f i n d e t mancherlei Nachfolge, eine meist weniger begabte. I h r sehr entschieden entgegen s t e h t die andere, der K u n s t , dem K ü n s t l e r u n d dem P u b l i k u m verpflicht e t e F o r m , die sich nicht n u r u m das Ich des Kritikers, sondern u m das W e r k des Künstlers, d r e h t . Getragen ist sie von H e r m a n n B a h r (1863—1934) in Wien u n d von J u l i u s B a b (geb. 1880, gestorben 1955 in USA) in Berlin. „ D e r K r i t i k e r m u ß der E n t s a g e n d e sein, der sich des Eigenen e n t ä u ß e r t , der zum Dienste an der Sache l e b t . " E r will Mittler werden zwischen K ü n s t l e r u n d K u n s t w e r k , u m „die zeitgenössische K u n s t u n t e r die L e u t e zu b r i n g e n " . Ähnlich J u l i u s B a b . „Seine K r i t i k e n entbehren jeder Wortspielerei, jedes Geplänkels m i t Ge-

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fühlen u n d jeder persönlichen Ü b e r h e b u n g . . . Die K r i tik war ihm B e r u f u n g , eine heilige Verpflichtung des Dienstes f ü r das K u n s t w e r k Theater" 1 ). I n E n g l a n d , wo die Linie J a n i n - K e r r d u r c h J a m e s A g a t e (1877 bis 1947) 2 ) eindrucksstark v e r t r e t e n war, wendet sich W. S o m e r s e t M a u g h a m , der K r i t i k e r u n d Schriftsteller, gegen K r i t i k e n , „die auf K o s t e n des Autors a m ü s a n t s i n d " . „ K r i t i k ist eine persönliche Angelegenheit, es ist nichts dagegen zu sagen, d a ß der K r i t i k e r eine große Persönlichkeit ist. Gefährlich ist nur, wenn er seine Tätigkeit als. schöpferisch ansieht. Sein Beruf i s t : zu f ü h r e n , abzuschätzen u n d der K u n s t neue Wege zu weisen, sieht er aber seine T ä t i g k e i t selber als schöpferisch an, wird er von dieser aufreibendsten aller menschlichen Tätigkeiten zu sehr beschäftigt sein . . . E r m u ß Geduld, E r n s t u n d Begeisterungsfähigkeit haben, so d a ß ein großer K r i t i k e r tatsächlich auch ein großer Mensch sein m u ß . E r m u ß schließlich Größe h a b e n , m i t gutgel a u n t e r Resignation zu erkennen, d a ß , obzwar ungemein wichtig, seine Arbeit doch n u r von vorübergehendem W e r t sein k a n n , d e n n seine B e s t i m m u n g ist, auf die N ö t e unserer Zeit u n d auf ihre Wege d a h i n zu reagieren. E i n e neue Generation wächst . . . heran, neue Wege breiten sich vor ihr aus, diese h a t er aufzuzeigen, u n d h a t er das getan, wird er m i t aller seiner Arbeit in den Mülleimer geworfen. Sein Leben s o einer B e s t i m m u n g zu widmen, h a t n u r d a n n einen W e r t , w;enn m a n im Auge behält, d a ß die L i t e r a t u r eine der wertvollsten menschlichen Bestrebungen ist" 3 ). Dieser sehr kurze Rückblick in die Geschichte l ä ß t die E n t s c h e i d u n g offen, welcher der beiden Linien der Kritiker m a n folgen soll. W i r glauben, d a ß dies jeweils eine höchst persönliche Sache ist, d a ß aber über allem Persönlichen die K u n s t steht. So formulieren wir: ') B a b , I l s e , Der Theaterkritiker Julius Bab. Berliner Diss. 1952. 2 ) Kritiker der Sunday Times, Theaterkritiker der B.B.C., Filmkritiker des Tatler. Schrieb 16 Bände Kritiken u. 13 Bände Belletristik. Alle Kritik ist bei ihm b e w u ß t e Selbstdarstellung. ') Maugham, W. Somerset, Rückblick auf mein Leben. Zürich 1948.

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K u n s t k r i t i k ist die s u b j e k t i v e , aber sachlich und künstlerisch verantwortliche Beurteilung d e s K u n s t w e r k es, d e m d e r K r i t i k e r v e r p f l i c h t e t ist. Er b e r ä t K ü n s t l e r , v e r m i t t e l t das K u n s t werk der Ö f f e n t l i c h k e i t , scheidet die W e r t e u n d U n w e r t e ü b e r z e u g e n d v o n e i n a n d e r u n d g i b t so zur H ö h e r e n t w i c k l u n g der K u n s t seinen Beitrag. Das Gebiet der kritischen Arbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten geweitet. Zur Musik- und Theaterkritik und zur Kritik der bildenden Künste ist die F i l m k r i t i k , die Kritik des R u n d f u n k s und F e r n s e h e n s getreten. Unter ihnen ist die Filmkritik durch Ansprüche und Einflüsse der Verleiher- und Theaterbesitzer auf dem Wege über das Inserat immer wieder bedroht und bedarf immer wieder scharfer — nicht überall geübter —• Abwehr durch die unabhängige Kritik. In Beilagen und „Filmseiten" kommt die Tageszeitung ohnehin dem Film weitgehend entgegen. Die B u c h k r i t i k in der Zeitung ist aus Gründen des Raummangels nur knapp und nicht immer so gepflegt, wie sie sein sollte. Sehr verbreitet ist der Vorabdruck von markanten Teilen einer Neuerscheinung in Artikelform, eine ausgezeichnete Starthilfe für das durch die Kleinbändchen wirtschaftlich, sowie durch Film und Rundfunk ohnedies bedrohte gute Buch. Wie bedeutsam die Buchkritik durch die Zeitung selbst ist und welch schwerer Auswahl sie dabei gegenübersteht, zeigt die Tatsache, daß 1953 lt. Mitteilung auf der Buchmesse 1954 12000 Neuerscheinungen zu verzeichnen waren und 3600 Neuauflagen. Allein das belletristische Buch nahm 18% der Produktion ein. Das nationalsozialistische Regime verbot durch Anordnung vom 28. 11. 1936 die Kunstkritik. Sie sollte durch die „Kunstbetrachtung" ersetzt werden. Diese Kunstbetrachtung sollte „weniger Wertung" als „Darstellung und Würdigung" sein. Sie sollte nicht „rieh-

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ten", denn „nur Partei und Staat sind in der Lage, aus der nationalsozialistischen Kunstauffassung heraus, Werte zu bestimmen" 1 ). Das war die vollendete Verstaatlichung des Kunst- und Kulturbegriffs. Es spricht für die Wendigkeit und das Geschick der Federn einiger nicht nationalsozialistischer Publizisten, daß sie im damaligen Deutschland auch unter der Überschrift „Kunstbetrachtung" Kunst- und Systemkritik tapfer — meist bis zum Verbot — auszuüben gewagt haben. Werner Bergengruen hat R u d o l f P e c h e i s tapfere „Zwischenzeilenarbeit" während des Hitlerregimes gewürdigt 2 ). Diese Würdigung hat Gemeingültigkeit für alle, die damals so diese Technik übten: „Das Korrektiv für die Unerträglichkeit der nationalsozialistischen Lebensüberwachung war die Dummheit und Unbildung der nationalsozialistischen Hoheitsträger. Kurz, man hatte in einer Sprache zu schreiben, die oberhalb des Verständnisses der Aufpasser lag. Vom Leser freilich mußte diese Sprache verstanden werden. Wir waren alle, gestehen wir es ruhig, ein wenig Monomanen. Nicht nur in der Lektüre, auch im Gespräch wurde die leiseste Andeutung verstanden" 3 ). Die Ereignisse jener Jahre veranlassen uns, an der F r e i h e i t d e r K r i t i k mit aller Kraft festzuhalten, sie aber auch so verantwortlich zu üben, daß nicht wieder ein Vorwand entsteht, der geistigen Freiheit Schaden zu tun, die ihr Lebenselement ist. c) U n t e r h a l t u n g u n d k u l t u r e l l e s B e i s p i e l aa) Der Zeitungsroman Die Auswahl des unterhaltenden Stoffes in der Tageszeitung ist bestimmt durch das Grundgesetz, von dem die Übertragung kultureller Werte in der publizistischen ') Hede des L e i t e r der Presseabteilung, vgl. „Deutsche Presse" 1636, Beilage zu Nr. 49. a ) Vgl.: Pechel, Budolf, „Zwischen den Zeilen". Der Kampf einer Zeitschrift für Freiheit und Recht 1932/42, Aufsätze. 1948. . 8) Nach diesem Prinzip sind auch die Ausführungen über „Kunstbetrachtung" zu werten, die in der letzten Auflage dieser Bände gegeben wurden.

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Arbeit abhängig ist. Es können nur solche Kulturwerte übertragen werden, die der breiten Lesermasse zu erschließen sind. Der mit innerer Verantwortung und ernster Gewissenhaftigkeit auswählende Redakteur, der nicht nur nach Auflagensteigerung schielt, wird, von mancherlei Spitzenwerten in der Auswahl abgesehen, bei der Auswahl des Unterhaltungsstoffes häufig auf einen gewissen M i t t e l w e r t kommen. Dieser Mittelwert ist nicht mehr niedrige Qualität (Kitsch oder Schund), aber auch noch nicht literarische Qualität! Das wird vor allem beim Z e i t u n g s r o m a n klar. Weil viel an ihm gesündigt wurde und immer noch sehr viel gesündigt wird, gibt es Kreise, die ihn mitleidig belächeln. Damit verkennen sie seine Bedeutung. Sie übersehen die starke Bildungsmöglichkeit, die hier liegt und von ernsten Redaktionen oft genutzt wird. Sie übersehen auch die Rolle des Romans, den Leser an das Blatt zu binden. D a ß viele Zeitungsromane weit unter dem geistigen Wert bleiben, den sie auch in der Zeitung haben k ö n n t e n , ist noch kein Beweis gegen den Zeitungsroman, nur ein Ansporn, ihn besser und zweckmäßiger auszuwählen. Der Zeitungsroman vereinigt zeitungsgem ä ß e Form mit z e i t n a h e m Inhalt. Er hat seine L e s e r a u c h g e s c h m a c k l i c h zu e r z i e h e n u n d b i n d e t sie u n t e r A u s n u t z u n g s e i n e r S p a n n u n g s werte an das B l a t t , dessen publizistische Wirk u n g er d a m i t s t e i g e r t . An sich ist der Roman ein zeitungsfremder Stoff. Seine epische Form widerspricht ihrem dramatischen Leben und vor allem der Aufteilung in einzelne Leseportionen. Nicht politische u n d erst recht nicht literarische, sondern wirtschaftliche Gründe brachten ihn in das Blatt. Man nutzte, zuerst in Frankreich, die Spannungskräfte gewisser Romane, um die Leser an das B l a t t zu fesseln. E m i l e d e G i r a r d i n steigerte um 1830 in Paris durch Aufnahme eines Romans in Fortsetzungen die Auflage seiner Zeitung „La Presse" um ein Mehr-

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faches. Es entwickelte sich in Frankreich eine „Fabrik a t i o n " typischer Zeitungsromane, an der sich mit großem geldlichen Gewinn die Gebrüder Dumas, insbesondere aber der damals auch in Deutschland weitverbreitete Eugen Sue beteiligten. Gelegentlich ist er heute noch in abgestandenen Bibliotheken zu finden. Eine Übersetzung seines Romans „Vom Ewigen J u d e n " erschien 1844 in der (Leipziger),, Allgemeinen Zeltung" und war der erste in Deutschland veröffentlichte Zeitungsroman. Den ersten Zeitungsroman eines d e u t s c h e n Verfassers brachte 1849 der „Kottbuser Anzeiger". E s war ein kurzer historischer Roman von Schubar mit dem Titel „Die Prophezeiungen". Sehr bald entwickelte sich dann eine üppige Romanschriftstellerei für die Zeit u n g auch in Deutschland, in der neben gängiger Unterhaltung, wie sie etwa Spielhagen bot, literarisch wertvolle Romane gedruckt wurden, so die deutschen und ausländischen Romane des Naturalismus, aber auch Theodor Fontane. Zugkräft'g war immer der Gesellschaftsroman (Fedor v. Zobeltitz, Rudolf Herzog, Walter Bloem). Nach dein ersten Weltkrieg brachten es Vicki Baum und Hans Fallada zu großen Erfolgen. Die Aufgabe, den Leser an das Blatt zu binden, wird nie außer acht gelassen. Romane laufen darum immer über den Term'n der Bezugserneuerung. Sie werden oft auch zur Bezieherwerbung großen Stils genutzt, plakatiert u n d kostenlos versandt („neu hinzutretende Abonnenten erhalten den Anfang nachgeliefert"). Viele behaupten, daß es einen eigentlichen Z e i t u n g s r o m a n nicht gäbe. Die Frage mag literarisch umstritten sein. Zeitungsfachlich ist sie es nicht. Wie alles, was sie an sich zieht, hat die Zeitung auch den Roman ergriffen und ganz mit ihrem Wesen durchdrungen. Zunächst p a ß t sie ihn ihrer Erscheinungsform an. Sie verlangt keine weitgesponnene Handlung, sondern eine, die sich in kurzen Wellen bewegt („kürzeste, regelmäßige Folge"). Sie verlangt weiter eine deutliche Aktualität, mindestens in der Anpassung an die Zeit und ihre AufD o v i f a t , Zeitungslehre I I

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gaben („jüngstes Zeitgeschehen") und schließlich auch in den m e i s t e n Fällen einen ganz a l l g e m e i n - i n t e r e s s i e r e n d e n S t o f f („breiteste Öffentlichkeit"), damit den Wünschen eines möglichst weiten Kreises Genüge geschieht. D i e B e w e g u n g d e r H a n d l u n g in k u r z e n W e l l e n bedingt einen Fortschritt in jeder Fortsetzung. Nirgends schwierige Problematik, nirgends lange Zwiegespräche oder breite Schilderung. Wenige, aber handelnde Personen. Der Leser muß das Gefühl haben: es geht vorwärts! Der Gang der Handlung ist gedächtnishaftend. Rückblättern ist unmöglich. Aus seiner Bindung an die Zeit greift der Zeitungsroman gern deren Fragen und Ereignisse auf. Man vergleiche die vielen Romane mit Flüchtlings- und Heimkehrermotiven in der Nachkriegszeit. Das ist natürlich und gehört in das Aktualitätsgefüge der Zeitung. Die Zeitungen haben, je nach der publizistischen Grundauffassung, aus der sie kommen, bei ihren Lesern ein „Herauflesen", eine langsame Qualitätsverbesserung der Romane erfolgreich durchgesetzt, oder haben hemmungslos, gleich schlechten Spielfilmen, den wechselnden Wunschbildern der Masse bis in alle Torheiten und Verirrungen nachgegeben. Der Versuch des Hitlerregimes, den p o l i t i s c h e n R o m a n zur politischen Ausrichtung auszunutzen, scheiterte sofort. Die Zahl der politischen Romane stieg zwar durch die zwangsvertriebenen NS-Blätter etwas an, gleichzeitig verdoppelte sich aber (s. unten) der Umsatz des sogenannten „Zeitungsromans", d. h. des Liebesromanes. E r stieg von 29,0% auf 49,0% (1940). Die Stoffgebiete der Romane sind oft erörtert worden. Der fade alte „ G e s e l l s c h a f t s - und L i e b e s r o m a n " ist heute nur dann noch absatzfähig, wenn er nicht nur zeitliches Kolorit, sondern auch Zeitereignisse in der Handlung verarbeitet. So ist der S c h i c k s a l s r o m a n aufgekommen, als ein Liebesroman unter allen Abenteuern unserer Zeiterschütterungen; „Liebe" ist dabei nicht als Erotik oder Sexualität zu verstehen, sondern meist im idealen Sinne. Heikle Situationen, krasse Ausschweifungen werden zwar für die Romar.e bestimmter Boulevardblätter gesucht, die übrige Tagesfresse neigt jedcch mehr und

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mehr zum Familienroman, d. h. einem Roman, der in der Familie gelesen werden kann. K r i m i n a l r o m a n e haben ihrer Spannung wegen nach 1948 den höchsten Prozentsatz der Interessenten erreicht, sind aber zur Zeit im Rückgänge. H u m o r i s t i s c h e R o m a n e bleiben selten. Man will einen ernsten Roman lesen. A b e n t e u e r - u n d p h a n t a s t i s c h e Romanstoffe sinken ab: man weiß durch R u n d f u n k und Film zu viel von fremden Ländern, als daß man noch geneigt wäre, groteske Vorstellungen gläubig hinzunehmen. Beliebt ist immer noch der U m w e l t ( M i l i e u ) - R o m a n , der eine bestimmte, soziale oder gesellschaftliche Umwelt zum Hintergrund seiner Handlung nimmt. Ein Vergleich der Romanstoffe von 1934 bis 1950 ergab, vorgenommen an 50 Tageszeitungen (für 1934—1940 aus dem ganzen damaligen Deutschland, f ü r 1950 aus dem Bundesgebiet und der SBZ), nachfolgende Übersicht:

Liebes-, Gesellsch.- u. Familienroman Kriminalroman Phantast. Roman Heimat- u. Bauernroman . . . Milieuroman . . Abenteurerroman Historischer Roman Humoristischer Roman . . . . Politischer Roman

1934 /o

1939 /o

1940 /o

1950 /o

29

45

49

28

14 16 12 10 7 5 3 4

15 7 9 4 5 4 2 9

15 4 3 8 4 5 2 10

34 1 3 12 6 2 3 1)

Zugenommen hat neuerdings unter den Typen des Familienromans auch der lebenszuversichtliche Zustandsroman, der, wenn er sentimental erzählt, z. B. von einem liebevoll gezeichneten Normalhaushalt, und gemütlich plaudert, sogar auf den Zeitungsrhythmus der kurzen Handlungswellen verzichten darf. I m übrigen bleiben — f ü r den Milieuroman — Film, Theater, Hotel und Krankenhaus die Standardkulisse. Grafenschlösser, Luxusvillen, Prinzessinnen, mit denen die Bücher der viel verlachten Frau Courths-Mahler es immerhin auf 22 Millionen Auflage brachte, sind kaum noch gefragt.

Die A u s w a h l d e s R o m a n s ist eine schwierige Sache. Sie darf niemals dem Zufall überlassen werden, sondern muß sachlich und zeitig geordnet erfolgen. Es muß in 5*

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dem R o m a n v e r b u n d e n sein eindeutiger u n d sauberer, künstlerischer u n d weltanschaulicher W e r t m i t rechtem Leseanreiz. E i n m a l k a n n der einen, das andere Mal der anderen F o r d e r u n g m e h r genügt sein, niemals aber einer allein! E s gibt Zeitungen, die ihre R o m a n e erst kleinen, e'gens dazu zusammengesetzten Lesergruppen vorlegen. Deren R a t ist wichtig, er sollte aber noch nicht entscheidend sein. I s t der Geschmack des Lesers getroffen, so h a t die R o m a n r e d a k t i o n den künstlerischen W e r t zu prüfen. I s t er v o r h a n d e n , k a n n der R o m a n in Satz gehen. E i n e gute R e d a k t i o n hört den Leser, u n t e r w i r f t sich aber seinem Willen nicht. S i e ist es, die f ü h r t , wenn auch in Anpassung u n d Verständnis f ü r die Leser, die gerade vom R o m a n her einer feinfühligen B e t r e u u n g b e d ü r f e n . Man k a n n u n d darf im allgemeinen a n n e h m e n , d a ß der Geschmack der Leser nicht so niedrig ist, wie m a n o f t glaubt. Der mutige E n t s c h l u ß , einmal Wertvolles anzubieten, erzielte oft guten Erfolg. „Lieschen Müller", d a s o f t zitierte Beispiel ungebildeten u n d naiv-seelenlosen K u l t u r k o n s u m s , ist vielleicht weniger zahlreich, als meist b e h a u p t e t wird. Die B e s c h a f f u n g des R o m a n m a n u s k r i p t s h a t bei der Fülle des Bedarfs besondere F o r m e n angenommen. Der Gesamtbedarf der deutschen Presse (Bundesrepublik u n d Westberlin) b e l ä u f t sich auf etwa 10000 Abdrucke im J a h r , die teils in Feuilletons (unter dem Strich), teils in Beilagen gegeben werden. E s gibt auch Blätter, die fortlaufend zwei R o m a n e bringen. U n t e r diesen U m s t ä n d e n ist die B e s c h a f f u n g d u r c h R o m a n v e r t r i e b e das übliche Verfahren. N u r ganz große Blätter, u n d selbst die nicht immer, k a u f e n u n m i t t e l b a r v o m Verfasser. Sie sollten es viel häufiger t u n u n d d a b e i d u r c h hohe Honorare den fähigen u n d berufenen Schreib e r n die Muße zu ruhiger, wirklich wertvoller Arbeit geben, was jüngst eine Reihe englischer Verlage vers u c h t h a t . I n letzter Zeit von großen B l ä t t e r n vera n s t a l t e t e Romanpreisausschreiben zeigen das Streben, zu wertvollen, vor allem zeitnahen Arbeiten zu k o m m e n .

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Für mittlere und kleinere Blätter erarbeitet der Romanvertrieb die Auswahl. Er kennt auf Grund ständiger Fühlung mit den Zeitungen deren Bedarf. Er hat die Möglichkeit, sein Angebot bis an die kleinste Zeitung zu bringen und so durch die Zahl der erfolgten Abdrucke das Ergebnis für den Verfasser auch wirtschaftlich ertragreicher zu machen, als ihm das im Eigenvertrieb möglich wäre. Sehr fördernd ist die Beratung der Verfasser durch die Romanvertriebe. Rein künstlerisch gesehen, mag das befremden, es liegt aber in den natürlichen Bedingungen des Zeitungsromans, daß er bestimmten zeitgebundenen Aufgaben genügen muß. Es ist somit zweckmäßig, daß sich der Verfasser schon bei der Schaffung des Romans von dem Romanvertrieb beraten läßt, welche Romanstoffe die Zeitungen zur Zeit besonders wünschen, also welche Themen gefragt sind. Einem großen Berliner Romanvertrieb wurden im J a h r 1953 rund 400 Romanmanuskripte angeboten. Davon konnten nur 35 als Erstdrucke verk a u f t werden. Dieser Romanvertrieb pflegt Beziehungen zu etwa 100 Stammautoren. Die verkauften Manuskripte dieser Stammautoren verhalten sich zu den unverlangt eingesandten Manuskripten wie 2 0 : 1. Vorherige Verständigung mit Romanagenturen ist also schon vor Abfassung von Zeitungsromanen anzuraten. Der durchschnittliche Umfang eines Zeitungsromans beträgt rund 300 Schreibmaschinenseiten zu 30 Zeilen. Die Weiterverbreitung des einmal „einschlagenden" Romans bis in die kleine und kleinste Presse vollzieht sich dann so, daß nach dem Erstdruck in einer Großzeitung eine größere Zahl mittlerer Blätter den Roman erwirbt, woraufhin er, wenn er wirklich zugkräftig ist, zum Abdruck in Kleinzeitungen nochmals in Maternform hinausgeht. Ein Roman erhält auf diese Weise Leseziffern, wie sie das Buch selten in solcher Höhe erreicht. Der P r e i s , den ein Zeitungsroman seinem Verfasser bringt, ist abhängig davon, wo und wie oft das Werk abgesetzt wird. Hohe Einzelhonorare f ü r Erstdrucke sind heute schon rar geworden. Sie erreichen, wenn auch selten, fünfstellige Ziffern (10000,— bis 1 5 0 0 0 , - DM) f ü r „erste Autoren". Die Nachdruckrachte werden dann mit etwa 1000,— bis 1500,— DM bezahlt, unter Reservatsrechten f ü r ganze Verbreitungsgebiete. Kleine Zeitungen können bereits gematerte Romane m j t allen Fortsetzungen f ü r 50,— bis 60,— DM beziehen. F ü r den Ver-

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fasser werden Honorare solcher Art überhaupt nur tragbar, wenn durch zahlreichen Abdruck Summen anwachsen, die die Arbeit einigermaßen lohnen. Sie verleiten sonst zu einer oberflächlichen Vielschreiberei.

Der beste Z e i t u n g s r o m a n sollte jährlich durch einen Preis anerkannt werden und besonders empfohlen in Buchform Verbreitung finden. So würden Vorbilder und Beispiele herausgestellt. E s muß immer wieder und immer häufiger gelingen, d e n Zeitungsroman zu schaffen, der künstlerischen Wert, klare geistige Haltung und zeitnahe Lesewerbung miteinander verbindet. Wenn er auch von der akademischen Literaturkritik nicht immer die Note I erhält: gelingt es ihm, durch saubere Mittel ein breites Publikum in echter Behandlung eines volksund zeitnahen Stoffes auf einen Nenner zu bringen und dabei Vertrauen und Anhänglichkeit für die Zeitung zu gewinnen, so darf er mit sich zufrieden sein. E r bringt neben einem publizistischen auch einen kulturellen Erfolg heim 1 ). Sind die Leser einer Zeitung durch dieRomanwahl einmal gewonnen, so wird die Zeitung dann auch anspruchsvollere Arbeiten wählen und mit Erfolg veröffentlichen können. Neben die Übermittlung des kulturellen Wertes tritt damit die kulturpolitische Geschmacksbildung. Nur so kann Schritt für Schritt ein durch Kitsch und Schund verdorbenes Leserpublikum zur Anerkennung wirklicher Leistungen bewogen werden. bb) Die Kurzgeschichte Die Kurzgeschichte ist eine lebendige, zu kurzer Spannung und eindrucksstarker Lösung treibende Erzählung. Sie ist unbedingt zeitgebunden, ein typisches Kind der Zeitung, eine kurze Augenblicksfreude des J ) Es sei hier daraufhingewiesen, daß der solide u. gesunde M i t t e l w e r t , der nicht letzte künstlerische Höhe ist, aber nicht mehr niedere Unterhaltung, besonders geeignet ist, kulturell 7.u Höherem zu führen. E r wird noch von den Massen aufgenommen. Dieser Mittelwert sollte auch im Rundfunk u. Film besonders erstrebt werden. E r ist ein Mittel, der gefährlichen Entwicklung entgegen zu arbeiten, die journalistisch anschaulich pointiert K a r l K o r n darstellt.

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Lesers, knapp abgewickelt, scharf pointiert, menschlich und erlebt. E d g a r A l l a n P o e hat die amerikanische „Short Story" geschaffen und hatte zunächst eine sehr oberflächliche Nachfolgerschaft. Thomas Wolfe in einigen Arbeiten („Vom Tod zum Morgen"), vor allem aber Faulkner, Hemingway und Steinbeck haben in amerikanischen Zeitschriften echte Kurzgeschichten gebracht, ihnen ist ein gut Teil der amerikanischen Produktion in mittlerem Werte nachgebildet 1 ). Die englischen Autoren f ü h r t W. Somerset Maugham 2 ), der in seinen Lebenserinnerungen geradezu die Kunst lehrt, Kurzgeschichten zu schreiben. Neben ihm steht der unbeständige, aber sehr geniale Graham Greene 3 ). Frankreichs Kurzgeschichten gehen auf Maupassant, Flaubert und Marcel Proust zurück. Stark ist auch der Einfluß der Russen 4 ). A n t o n T s c h e c h o w ist einer der meistgedruckten Kurzgeschichtenschreiber in der deutschen Presse; von den heutigen Russen ist es M i c h a i l S o s t s c h e n k o , dessen schmerzlich-überlegener Humor aus echt russischer resignierender Melancholie das sowjetische Dasein treffend charakterisiert. In Deutschland haben wir in H e i n r i c h v o n K l e i s t einen Klassiker der Kurzgeschichte. J . P. Hebel vertiefte sie in schöne Volksverbundenheit. Paul Ernst, Wilhelm Schäfer und Hans Frank haben sie weitergebildet. Die Kurzgeschichte fordert sichere Schilderung, klaren und gerafften Ausdruck, überzeugende Erlebniskraft, unmittelbaren Sinn f ü r Gegenwarts-, ja selbst f ü r Tagesfragen. Auch hier muß, wenn auch nicht in der Nachricht, so doch im zeitbedingten Hintergrund, das jüngste Geschehen unserer Tage die Folie der Handlung sein. Kurzgeschichten mit Vorliebe in unwahrscheinlich wohlhabenden Gesellschaftskreisen spielen zu lassen, fördert wie bei schlechten Filmen den gefährlichen Betrug, als seien solche Kreise selbstverständlich. Auch gewollte Pointen und gesuchte Witzlösungen lassen bei der realen Wirklichkeitsnähe der guten Kurzgeschichte den Leser unbefriedigt. Der Autor muß sie so gestalten, daß sie keine Konstruktion hat, sie jedenfalls nicht merken läßt. „Sie J u n g e s A m e r i k a , P r e i s g e k r ö n t e Stories aus USA, Berlin 1948; vgl. a u c h K i r c h n e r , E n g e l b . , S h o r t - S t o r y ' F r a n k f u r t e r H e f t e , J g . 5, 1950, H . 5. 2 ) M a u g h a m , W . S o m e r s e t : R ü c k b l i c k auf mein Leben. Z ü r i c h 1948. 3 ) Greene, G r a h a m : Spiel im D u n k e l n . Einsiedeln 1947. 4 ) Sostschenko, Michail: Schlaf schneller Genosse. Ü b e r t r . v. Grete V'illinsky. D a r m s t a d t 1954 ( B ü r g e r s T a s c h e n b ü c h e r ) ; vgl. a u c h Willinsky. Grete, Die K u r z g e s c h i c h t e i. Sowi. R . . W e l t u n d W o r t . O k t o b e r 1954, H. 10. ' ) K o r n , K a r l : Die K u l t u r f a b r i k . W i e s b a d e n 1953.

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ist ausschließlich auf das unmittelbare Begreifen angewiesen . . . f ü r Unmittelbarkeit könnten wir auch Menschlichkeit sagen. In einem bestimmten Sinne ist die short story die menschlichste Ausdrucksform, die die heutige Literatur kennt" 1 ). Erfolgreiche deutsche Autoren sind: Peter Bamm, J . Martin Bauer, Michael Becker, Friedel Eidens, H. Ludwig Geiger, Erich Kästner, G. H . Mostar, Eug. Skasa-Weiss, Georg Zivier u. a. m. Die deutsche Presse h a t z. Z. keinen Überfluß an g u t e n Kurzgeschichten. Jedenfalls sind die guten Mittelwerte, die in amerikanischen Zeitungen zahlreich zu finden sind, bei uns noch nicht erreicht 2 ).

cc) Die Serie und das Feature Die Serie, innerhalb der Tagespresse etwas aus dem Kurs gekommen, ist umso mehr in den „Illustrierten" als deutliche Zugkraft zur Zeit in Mode. Die Serie, eine Reihe von Berichten, die einander täglich oder in regelmäßigen Zeitabschnitten (jeweils Sonntags) folgen, steht zwischen Roman und Reportage (Erlebnisbericht). Ohne die beweiskräftige Nachrichtennatur der Reportage und ohne die dichterische Freiheit des Romans entnimmt sie dem aktuellen Leben oder doch bekannten und viel besprochenen Ereignissen ihren Stoff, der Romantechnik aber die freiere spannende Ausgestaltung. Die Serie ist eine Erfindung der Boulevardpresse, der Straßen verkaufszeitung. Sie steht an auffallender Stelle, meist einer Aufschlagseite im Inneren des Blattes und wird groß aufgemacht. Ursprünglich war es ihre Aufgabe, reißerisch zu wirken. Skandalprozesse, Verbrechertypen, wüste Abenteuer, Privat- und Liebesleben von Fürsten, Königen, Filmdiven und Boxern geben den Stoff ab, an dem sich die Serie entwickelt. Krasse Bilder be wegen Tag um Tag ihren Verlauf. Abbruch der genau abgewogenen Textrate in spannenden Augenblicken erhöhen die Leserspannung und sollen den Absatz steigern. Blätter von Qualität und geistiger Haltung haben ernste und stofflich wertvolle Inhalte zur Serienbearbeitung genommen. Historische und 1 ) Kirchner, a. a. 0 . ; vgl. auch das Kapitel: „Die Kurzgeschichte" in „Das Manuskript, Handbuch f. Autoren, Formen der Wortkunst, Werkzeug u. Handgriffe des Schriftstellers". Wilhelmshaven 1Ö54. a ) Eine Reihe v. Ztg. h a t , um gute Kurzgeschichten zu erhalten und anzuregen, Preisausschreiben veranstaltet, so „Die Zeit", September 1954. Ergebnisse vgl.: „Die Zeit" v. 13. 1. 1955.

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geographische Themen, Biographien, Lebensleistungen bedeu. tender oder doch interessanter Menschen, Entdeckungen, E r . findungen, Forschungen. Die gute Serie ist eines der Übergangs, elemente, die von der Zeitung zur Zeitschrift führen.

Ursprünglich aus der Presse stammend, dann vom Rundfunk übernommen und zur Presse zurückgekommen, ist das „ F e a t u r e " , ein amerikanischer Fachausdruck; als „Fitschör" ist das häßliche Wort aus dem Berufsjargon wohl nicht mehr herauszubringen. Zu deutsch heißt es: Zug, Gesichtszug, und damit konnte ja etwas journalistisch sehr Brauchbares bezeichnet sein. Nach den amerikanischen Auffassungen ist Feature „entertainment and amusement, or informing and instructing the reader, or giving valuable public Service". Dies ist also ein ganzes journalistisches Programm. Die Engländer 1 ) betonen die aktuelle Natur, sie verlangen, daß das Feature einen „topical peg", zu deutsch einen „Aufhänger", also einen aktuellen Ausgangspunkt, habe, im übrigen aber „subjects of interest not strictly in the day's news" behandle. Der Rundfunk kennt einen zweifachen Feature-Begriff. Das „künstlerische Feature", das ein aktuelles Ereignis klanglich aus dem Studio her in eigens hergerichteter Sendung behandelt. Er kennt ferner das „realistische Feature", das mit dem Mikrophon auf der Straße, im Theater, bei großen Ereignissen in der sozialen Reportagearbeit unterwegs zusammengeholt wird und aus den realistischen Aufnahmen durch verbindenden Text ein Ganzes gestaltet, das mit dem deutschen Begriff „Hörbild" besser bezeichnet wäre. Dies realistische Feature ist dem Feature in der Tageszeitung am meisten verwandt. Ein aktuelles Ereignis wird in lebendiger und anschaulicher Form allgemein unterrichtend und sachlich fundiert dargeboten. Briefe, Redestellen, Bilder, Akten und dergl. beleben und belegen die Wirkungskraft des „Feature", das so wie seine Schwester in Fortsetzungen, die Serie, zwischen Roman und Reportage sich entwickelt und einen wertl

) M a n s f i e l d , E . ; The complete Journalist, London 1948.

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vollen und interessanten Stoff lesewerbend den Lesern bietet. Auch das Feature ist heute als Halb- und Fertigfabrikat lieferbar. Einige Korrespondenzen haben sich darauf besonders eingestellt. Die A n e k d o t e gibt ein intuitives Begreifen zur Charakterisierung einer Person oder einer Sache und hat in den Feuilletons vieler Zeitungen wieder eine Stätte gefunden. Aus dem rein Menschlichen bringt die Anekdote eine erleuchtende Einsicht. Sie kommt aus dem Herzen, ist gemütvoll und haftet länger im Gedächtnis als der Blitz des Verstandes, der Witz. Schwer ist es, gute Anekdoten zu finden. Nur wenige vermögen, sie zu schreiben, und auch sie sind ungleich. Manches bringen die Leser bei. Man sollte sie dazu immer anregen. Die Anekdote ist lehrend und unterhaltend. Sie vermittelt gute Beispiele und moralische Urteile ohne Pharisäertum. Sie gehört in die Zeitung. Der E s s a y kommt im allgemeinen nicht in die Zeitung, wenngleich er „in Wissen und Bildung der Gegenwart dient", als Probe gegeben wird, „geistige Beziehungen rein ausspricht, kritisch deutet und auf nahes Leben zurückführt". E r ist ein „geschlossenes Stück künstlerisch subjektiv entwickelnder Prosa". Nur große, auf einen bestimmten Leserkreis ausgerichtete Blätter bringen ihn gelegentlich in ihren Beilagen und Sonntagsnummern 1 ). dd) Verse Lyrik ist in der Zeitung nur in den Teilen und auf den Seiten möglich, die literarisch gestimmt sind und auch in der Form des Umbruchs—möglichst ohne nebenanstehende Inserate — Besinnlichkeit zulassen. Neuerdings werden aus guten Lyrikbänden Proben gebracht, oft auch wird Lyrik an Erinnerungstagen für Dichter gebracht. Das Wort soll dann die biographische Notiz ersetzen und tut es oft besser als eine flüchtige Wertung. l

) K l i e . Barbara, Der deutsche Essay als Gattung. Berliner Diss. 1944.

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Das P a t h o s des leeren Festgedichtes ist im Hitlerregime so grausam m i ß b r a u c h t worden, d a ß m a n es in der Zeit u n g nicht mehr sehen möchte. Ohnedies las m a n es auch f r ü h e r nie, selbst d a n n nicht, wenn ihm die E h r e des Schmucksatzes widerfuhr. Beliebt ist n a c h wie vor der p l a u d e r n d e Sonntagsdichter, der in K n i t t e l v e r s e n über die Woche b e r i c h t e t (freilich n u r mehr in kleineren Blättern!). Der gereimte Aphorismus, die Glosse in Versfüßen k o m m t vor, bleibt aber selten. ee) Bild u n d Zeichnung I m Gebiet des Feuilletons h a b e n wir zwei Bildformen zu u n t e r s c h e i d e n : das Feuilletonbild u n d das Bildfeuilleton. Das F e u i l l e t o n b i l d ist die Illustrierung des K u n s t oder K u l t u r b e r i c h t e s . E s ist dem T e x t e beigegeben oder bedarf der Beschriftung. So gehört es zur N a c h r i c h t oder zur Reportage. Das gute P o r t r a i t k a n n so gepflegt werden, besser noch das charakteristische Augenblicksbild (siehe a u c h S. 89). Erzählende A u f n a h m e n aus dem Theater, die eine Rolle, einen K ü n s t l e r , eine Szenerie, ein K o s t ü m , eine T a n z g r u p p e t r e f f e n d festhalten, sind weniger häufig, als die wilde, in m a n c h e n B l ä t t e r n wahllose Fülle von Filmbildern, die als S t a n d p h o t o s von den Verleiherfirmen kostenlos geliefert werden. Seltener u n d doch voller S t i m m u n g s k r ä f t e ist das B i l d f e u i l l e t o n . Aus der F ä h i g k e i t des P h o t o g r a p h e n , das B i l d h a f t e einer Sache, einer Person, eines Ereignisses in vertiefender künstlerisch erlebter F o r m festzuhalten, erwächst dieser Bildtyp. E r wird überall gerne gesehen u n d von einer ansprechbaren Leserschaft a u f m e r k s a m u n d f r o h b e t r a c h t e t . Hierher gehören keineswegs die immer noch nicht ausgestorbenen sogenannten „Genrebildchen", sondern die im Typischen m i t rechter Bel e u c h t u n g heran- u n d herausgeholten Wirklichkeiten eines Dinges, eines Menschen, einer L a n d s c h a f t , die so packend e r k a n n t sind, d a ß sie symbolisch f ü r das Wesen des

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Dargestellten sind und Bleibendes anklingen lassen (vgl. Feuilletonismus S. 78). Die Z e i c h n u n g in der Zeitung kann sein 1. graphische Verdeutlichung eines spröden Stoffes (geographische, technische, statistische Angaben), 2. Illustration von Romanen und Kurzgeschichten, 3. Nachrichtenzeichnungen, 4. Karikaturen und Kampfbilder. Die V e r d e u t l i c h u n g spröder Stoffe durch lebendige statistische Diagramme in einprägsamen Symbolprägungen ist eine Aufgabe, die in Deutschland noch weit zurückgeblieben ist, wenngleich Maternunternehmen sich jede Mühe geben, solche Diagramme zu liefern. Sogenannte Suggestivkarten, obschon im Hitlerregime in ihrer politischen Eindringlichkeit auf einige Zeit unerträglich geworden, sind auch für friedliche Zwecke einprägsam und gut zu brauchen. I l l u s t r a t i o n e n von Romanen und Kurzgeschichten lohnen sich für die Zeitung nur wenig. Entweder kann ihnen nicht die nötige künstlerische Qualität gegeben werden, oder sie vermindern für viele Leser die Kraft und Schönheit der Bildvorstellung, die in der ebenen Phantasie entsteht. Zeichnungen von nachrichtenmäßig gebrachten Ereignissen kommen immer noch im S p o r t vor, sind aber hier wie auch sonst meist durch das Photo überholt. K a r i k a t u r e n u n d K a m p f b i l d e r sind nach der allgemeinen und dehnbaren Weite der Richtungsanlage unserer deutschen Blätter (vgl. S. 38) im scharf kritischen und kämpferischen Sinne seltener geworden. An die Stelle der satirisch kämpfenden Karikaturen treten die nicht mehr kämpferischen, sondern h u m o r v o l l schildernden Witzzeichnungen. Versöhnlich mildern sie die Gegensätze durch den Lachanreiz, den sie bieten, und ohne Verbitterung oder Ärger steigen sie in die höhere Ebene, in der sich die Gegensätze ausgleichen. K a r i k a t u r , von caricare = überbelasten, ist an sich die satirische Übersteigerung typischer Eigenarten von Personen

4. Stoffbearbeitung, Bild und Zeichnung

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oder Zuständen, die dadurch treffend und schlagend gekennzeichnet werden. Als scharfes Mittel des p o l i t i s c h e n Kampfes sucht die Karikatur, um allgemein faßlich zu sein und unmittelbar zu wirken, die bekämpfte politische Richtung oder Idee in einer P e r s ö n l i c h k e i t zu treffen, deren Verzerrung dann das Ganze trifft. Das kann mit verschiedenen Mitteln geschehen: sei es durch Schaffung eines persönlichen Typs symbolischer Art (der „Bourgeois", der „Kapitalist", auch in der verzerrenden Darstellung „der deutsche Michel", „Uncle Sam", „John Bull" und „Marianne", ebenso auch in der deutschfeindlichen Karikatur der „Boche" und der „Hunne"), oder durch karikaturistische Typenprägung der politischen Exponenten und Führer bekämpfter Richtungen, Parteien und Bewegungen. Diesen Politikern wird dann durch den Kampfzeichner alles aufgebrannt, was im Gegner überhaupt, insbesondere auch in seinem wirklichen oder vermeintlichen Ideengut, getroffen werden soll. An ihnen werden alle Eigenarten übersteigert, die symbolisch sein sollen für die in ihnen bekämpften Ideen. Karikaturen kehren in dieser Übersteigerung die Kampfparolen besonders anschaulich heraus, bringen sie auch der allerbreitesten Öffentlichkeit nahe und sind oft in tiefgreifender Art typenprägend, unverwischbar und äußerst gedächtnishaftend. Manche im Zeitalter der großen Glaubenskämpfe geprägten karikaturistischen Typen sind bis heute im Gebrauch. So sind sie Zeichen und Merkmal der geistigen Auseinandersetzung in allen Zeiten der Umwälzung und der Wende. In ruhigen Jahren klingt die Haß- und Kampffreude der Karikatur ab, aber ihre Werbeaufgabe bleibt. In dem, was sie satirisch trifft, und in dem, was sie — echtes künstlerisches Können vorausgesetzt — durch den Zeichenstift zum Ideal erhebt, wird sie auch in der Zeitung immer auftreten und wirken. Entsprechend der engen Fühlung der Zeitung mit der Leserschaft läßt das satirische Element zur Zeit nach. Die schicksalsschweren Auseinandersetzungen im Innern mindern sich, und die Formen des kalten Krieges sind nahezu abgenutzt. Die politischen Motive finden aber heute, von den Federn gut schreibender Journalisten angeregt, in der Karikatur den oben schon festgestellten, oft humorvollen, also letztlich versöhnenden Ausdruck. Der Zeichenstift nimmt sich mehr oder minder heikler Sorgen und Nöte, übler Gewohnheiten, gedankenloser Schwächen und modischer Extravaganzen mit Witz und heiterm Tadel an. Die Entwicklung solcher echt humoristischen Darstellung der Dinge, die vom Parteikampf wegführen, ist eine erfreuliche Erscheinung im jüngeren Journalismus. Sie sagt lachend und versöhnend die Wahrheit.

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3. D e r F e u i l l e t o n i s m u s — S t i l f o r m u n d j o u r n a listische Haltung Der Feuilletonismus h a t nicht R a n g und Ansehen einer literarischen Gattung. Er ist P u b l i z i s t i k und sollte nicht um Ehren ringen, die ihm nicht zustehen 1 ). Als eines der wirksamsten p u b l i z i s t i s c h e n M i t t e l ist der Feuilletonismus zu werten, und dieser W e r t ist im Gange der Geschichte des öffentlichen Lebens sehr beträchtlich. Der Feuilletonismus ist eine journalistische Haltung, aus der sich eine ganz bestimmte Form der Betrachtung der Dinge, der Ereignisse und der Menschen ergibt. Die Z e i t u n g , dem Tage, dem Alltag verpflichtet und gezwungen, aus ihm die Menschen anzusprechen und sie über ihn hinauszuheben, h a t diese feu'lletonistische Form vor allem anschaulich entwickelt. Doch ist diese Form, diese Haltung an sich viel älter. Sie wird seit J a h r e n in allen publizistischen Mitteln angewandt. Der Feuilletonismus ist immer ein sehr wirksamer Weg, die Menschen aus dem Menschlichen heraus anzusprechen, sie innerlicher zu gewinnen und zu überzeugen, als rhetorisches Pathos oder dialektischer Scharfsinn das vermögen. I n einem umfassenden Werk hat W i l m o n t H a a c k e (Handbuch des Feuilletons, 3 Bde., Emsdetten 1951 — 53) das Feuilleton sowohl als Sparte wie als journalistische Haltung eingehend, gründlich, in wissenschaftlicher Methodik und mit unermüdlicher Liebe dargestellt. Es ist ein für die Sache des Feuilletons sehr verdienstvolles Werk. Aus mehr als 3 Jahrhunderten literarischer und journalistischer Entwicklung arbeitete H. das feuilletonistische Element heraus, dessen literarische Bindungen und Grenzen er bis in die aktuelle Gegenwart untersuchte und darstellte. Das Ganze ist eine Geschichte und Systematik der wertvollen geistig-kulturellen Kräfte in der Presse überhaupt. Haacke sieht im Feuilleton eine „ g l e i c h z e i t i g l i t e r a r i s c h e u n d j o u r n a l i s t i s c h e G a t t u n g " . Er meint damit das Feuilleton als „Kleine F o r m " und die vielen ihr verwandten journalistisch-literarischen Leistungen, deren Wesensinbegriff aber doch das „Feuilletonistische" ist, das — nach unserer Meinung — zuerst vor allem publizistisch ist. Auch Haacke teilt unsere Meinung im Entscheidenden, indem er die F e u i l l e t o n k u n d e als ein Arbeitsgebiet in die Publizistik-Wissenschaft einordnet, so im 2. Band, S. 317 ff. Im nachfolgenden sind hier die Ergebnisse der Forschungen Haackes infolge der notwendig straffen Zusammenfassung kaum andeutungsweise wiedergegeben. I m übrigen stehen die Ergebnisse meiner früheren Arbeiten über das Feuilleton, die ich hier darbiete, der vertieften, schwer erarbeiteten Erkenntnis Haackes nicht entgegen, wie er selbst feststellt (vgl. Haacke, Bd. 2, S. 84ff.).

4. Stoffbearbeitung, Feuilletonismus

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Wären die Reden des D e m o s t h e n e s nicht in der Überlieferung und der Fixierung durch begeisterte Lehrer und Schüler der Rhetorik verblaßt und hätten so von der Atmosphäre des Gesprochenen viel verloren, sie würden noch stärkere, unmittelbare K r a f t ausstrahlen, soweit wir Beispiele und Bezüge verstehen, die damals aus dem Alltag heraus das Ganze bewegten und anschaulich machten. Man kannte in der griechischen Rhetorik schon die „Epideixis", d. h. die Umwelt, das rundherum Wahrzunehmende, das die Nebensächlichkeiten beschrieb und seine Argumentationen sprechen und zum Größeren hinwirken ließ. Man lese weiter die Darstellung, die C i c e r o vom Treiben Catilinas, A u g u s t i n u s vom Wesen der Gottlosen, B r u d e r B e r t h o l d , der franziskanische Bußprediger des hohen Mittelalters, gegen den Reiz der Sünde, L u t h e r gegen das P a p s t t u m , T h o m a s M ü n z e r gegen Luther vorgebracht. Man lese, was vorgebracht wurde von A b r a h a m a S a n t a C l a r a wider die Laster der Zeit, von G o e r r e s gegen Napoleon, von F r i e d r i c h L i s t f ü r die Eisenbahnen, von H. H e i n e zu den französischen und deutschen Zuständen, von B ö r n e über das Theater, von L a s s a l l e f ü r die Gräfin Hatzfeld, von O ' C o n n e l f ü r die bedrückten Iren, von B i s m a r c k gegen die Liberalen und zu Preußens Glorie! I n all d i e s e n R e d e n , P r e d i g t e n , g e s c h r i e b e n e n u n d gedruckten Kundgebungen publizistischen Wollens stehen p l ö t z l i c h Z e u g n i s s e , d i e H e r z u n d Seele ü b e r r a s c h e n d gewinnen. Sie sind g r e i f b a r gesehen, a n s c h a u l i c h vorgetragen, lebensnah u n d realistisch fixiert, meist v o m Kleinen h e r k o m m e n d unwiderlegbar im zwingend Menschlichen, im Feuilletonistischen1). Aus drei E l e m e n t e n erwächst diese feuilletonistische W i r k u n g . Ä u ß e r l i c h s i n d es 1. N e b e n s ä c h l i c h k e i t e n u n d Zufälligkeiten von Dingen u n d Menschen, die hera u s g e h o l t , 2. d i e a b e r k u r z u n d t r e f f e n d g e s e h e n w e r d e n u n d i m w e s e n t l i c h e n e r k a n n t , 3. s y m b o l i s c h e n , g l e i c h n i s h a f t e n C h a r a k t e r gewinnen, zum mindesten aber zu Höherem führen, Bleibendes, Allgemeines anklingen lassen. ') Auch von den gezeichneten Zeugnissen der Publizistik, den Karikaturen (siehe oben S. 76) gilt das gleiche: so wirkt Goya gegen die Aristokratie und die Inquisition, Hogarth gegen die Sittenlosigkeit seiner Zeit, Daumier gegen JjOuU Philipp und Napoleon III.,T. Th. Heine gegen die Wilhelminische Zeit usw.

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Am Beispiel des Feuilletonistischen in der Z e i t u n g lassen sich diese drei Grundelemente entwickeln. I n der Einleitung zu seinen Japanberichten erörtert einer der Meister der feuilletonistischen Form, F r i e d r i c h S i e b u r g 1 ) , ohne systematische sondern in erklärender Absicht das Geheimnis der feuilletonistischen Wirkung, ihren Ausgangspunkt: „Der Mensch, . . . der daheim im kleinen Gartenbezirk, sein Leben ganz erfühlt, wird nicht müde, noch aus dem Donner der Geschichte das einfache Lied seines eigenen Glückes heraushören zu wollen. . . " Das ist der e i n e Ausgangspunkt jeder feuilletonistischen Betrachtung und das ist die Ursache, warum sie verfängt! Nicht mit H a u p t - und Staatsaktionen setzt es an, nicht mit glühender Begeisterung, hallendem Pathos und infernalischer Leidenschaft, wie sonst so oft in der Publizistik, sondern daheim „im kleinen Gartenbezirk" will der Mensch aus dem Donner der Geschichte sein eigenes Glück hören. Dieser Ausgangspunkt spricht immer an, und darum ist er in der Publizistik so wichtig. Das Ansprechende m u ß hier immer das erste sein. Sieburg sagt es in schöner Form : ,, . . . nur darum erscheint in diesem Buche die winzige Spiegelung eines Regentropfens, der an einer Kamelienblüte hängt, oft bedeutsamer als J a p a n s gesamte Asienpolitik." Weil er vom einzelnen und besonderen ausgeht, hat m a n den Feuilletonisten auch den „Philosophen des Einzelfalles" und den Feuilletonismus die „Mikroskopie des Lebens" genannt. Die F r a n z o s e n , die in ihrer Liebe zur Form im 19. Jahrhundert den Feuilletonismus vorwärts führten — Heine und später Theodor Wolff haben das bei ihnen gelernt — fanden auch gute Deutungen 2 ). So der Begründer des modernen Pariser Feuilletons Etienne Jouy 3 ) „Je consacrais ma plume à peindre . . . cette foule de détails et d'accessoires de se compose le tableau mobile des meurs." Die Vergänglichkeit dieser Betrachtung er') S i e b u r g , Friedrich, Die stählerne Blume. Frankfurt 1939. a ) Vgl. Meding, Hildegard, ,,I)ie Entwicklung der .Chronique' und ihre bedeutenden Vertreter". Berlin, phil. Diss. 1940. ') L'Hermite de la Chaussée d'Antin. Paris 1811.

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klärte er, als man ihn aufforderte, sie in einem Buche zu sammeln: „Ces bluettes littéraires ne sont faites que pour amuser le lecteur . . . elles n'ont qu'un jour à vivre, et je ne vois pas la nécessité de les enterrer ensemble . . ." Ähnlich die Wiener: „Ein echter Feuilletonist stellt nur das Spiel der Dinge in ihren zartesten Nuancen dar. Er lebt im Kleinen. Seine Sphäre ist das Einzelne" 1 ). Peter Altenberg (1859-1919) fragt: „Sind diese kleinen Sachen Dichtungen? Keineswegs . . . !" 2 ). Oder Urbanus3), der den Feuillstonisten einen „Eckensteher des Alltages" nennt, kennzeichnet den eigentlichen Wert feuilletonistischer Darstellung: ,, . . . mit dreißig zwecklosen aber sinnvollen Zeilen ein kleines Fenster aufgestoßen haben, Licht eingelassen in den täglichen Tag, daß sie für Augenblicke uns den Himmel sehen ließen . . ." Damit ist Deutlicheres gesagt über das Wesen dss Feuilletonismus, als systematisch zu entwickeln ist. Die feuilletonistische Haltung also geht vom Ä u ß e r e n in das Innere, vom Einzelnen zum Allgemeinen, während die D i c h t u n g , meist den umgekehrten Weg nimmt. Der Feuilletonist hat die Gabe, die Dinge und die Zustände belebt zu sehen und sie mit wenigen Strichen festzuhalten. I n der s o geschauten Äußerlichkeit werden die tieferen Schichten erkennbar. Nicht nur der Feuilletonist, der in der Zeitung schreibt, auch der Feuilletonist der R e d e und des Bildes muß diese Freude haben an den Dingen, den stillen und besonderen Gefährten unseres Daseins, mit denen uns Beziehungen verknüpfen wie mit lebendigen Wesen. Sie zu s e h e n und sie d a r z u s t e l l e n , ist r e i s t e feuilletonistische Kunst. So Altenberg: „Auge, Rothschildbesitz des Menschen". Die wenigsten Menschen sehen überhaupt. So Max Liebermann: „Die meisten Menschen sehen gar nicht, die gucken bloß". In den journalistischen Arbeiten Dostojewskis (Graschdanin, Tagebuch eines Schriftstellers) heißt es: „. . . Ich habe nie die alte Regel vergessen, nicht der Gegenstand ist wichtig, sondern der Blick. Wenn man einen B l i c k hat, so wird man auch den Gegenstand 1 ) Küruberger, Ferdinand; Ges. Werke, Bd. I I , München-Leipzig 1911, „Literarische Herzenssachen". 2 ) Altenberg, Peter, „Wie ich es sehe". Berlin 1922. ! ) Urbanus (Friedrich Luft) „Tagesblätter". Berlin 1948.

D o v i f a t , Zeitungslehre I I

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finden." Die große Kunst ist dann, das G e s e h e n e festzuhalten und wiederzugeben und so die „Beziehungslinien" zum inneren Sinn der Dinge und Menschen zu finden. Hier das Verlangen Altenbergs: „Ich möchte einen Menschen in e i n e m Satze schildern, ein Erlebnis der Seele auf e i n e r Seite, eine Landschaft in e i n e m Wort. Lege an, ziele, triff ins Schwarze. B a s t a ! " Hermann Löns hat für die Leistung des Feuilletonisten fast Virtuosisches verlangt: „Wenn einer einen Korb mit Eiern, von denen eines genau dem anderen gleicht, p a c k e n d beschreiben kann, dann ist er ein guter Feuilletonist."

Wenn so das Alltägliche der Dinge, belebt und anschaulich gesehen, zu uns spricht und dann das Tiefere wach wird, das in ihnen ruht, so daß es typisch, beispielhaft und symbolisch wird, ersteht die überzeugende Wirkung des Feuilletonismus. Sie ist immer auch eine Gesinnungssache und also auch publizistisch wirksam. Der F e u i l l e t o n i s m u s ist eine j o u r n a l i s t i s c h e H a l t u n g , die E i n z e l h e i t e n und Z u f ä l l i g k e i t e n d e s T a g e s in m e n s c h l i c h p e r s ö n l i c h s t e r B e t r a c h t u n g so t r e f f e n d s i e h t u n d d a r s t e l l t , d a ß W e s e n t l i c h e s und A l l g e m e i n g ü l t i g e s a n k l i n g t und g e s i n n u n g s m ä ß i g w i r k s a m wird. Die Z e i t u n g hat diese feuilletonistische Haltung in der sogenannten „ K l e i n e n F o r m " zu letzter Blüte und Virtuosität entwickelt. Hier ist der Feuilletonismus Selbstzweck, feinster Ausdruck stilistischer Kunst, letzte sprachliche Vollendung. Von d r a u ß e n her sehend und betrachtend, dringt sie sachte in das Innere der Dinge und Menschen, der Ereignisse und Tatsachen, um sie zu durchröntgen. Dabei wird dann freilich weniger das Skelett, sondern vielmehr der Pulsschlag und die Seele des Durchleuchteten fühlbar. Die Meister dieses von der Zeitung und Zeitschrift herkommenden Feuilletonismus gehen in F r a n k r e i c h auf J e a n L o r e t zurück, der Ende des 17. Jahrhunderts seine „esquisses des mcers" vertraulich für den hohen Adel schrieb. E r ist neben dem Abbé de Geoffroy, dem Redakteur des „Journal des Débats", der Vorläufer der Pariser „ C h r o n i q u e u r s " . Das tägliche fran-

4. Stoffbearbeitung, Feuilletonismus

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zösische Kurzfeuilleton brilliert in Frankreich bis heute in fast allen Blättern und erscheint regelmäßig unter den gleichen f ü r das Feuilleton kennzeichnenden Titeln. I n E n g l a n d nimmt in den „ T I M E S " 1 ) der dritte Leitartikel die Stelle des Kurzfeuilletons, der „Kleinen F o r m " ein, während in der Massenpresse Englands und Amerikas die „Columnists" die feuilletonistischen Talente entwickeln, wenn sie ihr tägliches Feuerwerk abbrennen. In England geschieht dies im „By the W a y " — Feuilleton Beachcombers des „Daily Expreß" oder „Between the Headlines" im „News Chronicle", dem Blatte, dessen eine Wurzel, die,,Daily News von C h a r l e s D i c k e n s gelegt wurde. Er war der Schöpfer der in der Zeitungsgeschichte schönsten Lokalfeuilletons. In W i e n geht die Linie der Feuilletonisten unmittelbar auf Abraham a Santa Clara 2) zurück; sie erlebt im Rokoko (Josef Richter, J o hann P. Pezzl) eine Blüte, die im 19. J a h r h u n d e r t mit Adalbert Stifter (Wien und die Wiener 1844) nicht in seiner dichterischen, sondern seiner feuilletonistischen Leistung neu beginnt. Von Karl E d u a r d Bauernschmid (1801 — 1875) und Ferdinand Kürnberger (1823-1870), Daniel Spitzer (1835-1893) und Ludwig Speidel (1830—1906) wird sie mit Abstand fortgeführt. Die erste' Hälfte dieses Jahrhunderts erlebt dann mit Peter Altenberg (1860-1919), Karl Kraus (1874-1936), mit Th. Herzl, dem Vorkämpfer des Zionismus, und Alfred Polgar (1875 — 1955) eine neue Blüte. In Deutschland beginnt — sich alle 30—40 J a h r e wandelnd — das moderne Feuilleton mit Lichtenberg, Moeser3) und Matthias Claudius. Von Paris aus entwickeln f ü r die „Augsburger Allgemeine Zeitung" H. H e i n e und in Deutschland B ö r n e eine feuilletonistische Form. I m „Jungen Deutschland" aufgenommen, fand sie später in-Heinrich von Treitschke ihren Todfeind, der aber selbst ein wirkungsvoller Feuilletonist war. Das Berliner Lokalfeuilleton h a t in E r n s t K o s s a k (1814 — 1880) und A d o l f G l a s s b r e n n e r (1810 — 1876), Vorläufer eines Größeren, der sich besonders in Deutschland allgemeinen Ansehens erfreute, T h e o d o r F o n t a n e (1819 — 1898). Mit V i c t o r A u b u r t i n (1870 — 1928) erreicht das Berliner Feuilleton eine M Vgl. Döring, Heinz, Der 3. Leitartikel der Times. Berlin Diss. 1954. *) Vgl. Haacke, a. a. 0 . Bd. I, S. 271 ff, 3 ) dem Goethe in „Dichtung und Wahrheit" eine Kennzeichnung gibt, die den Feuilletonisten sicher charakterisierte: Er (Moeser) schreibe ,,. . . keineswegs lehrreich, sondern in den mannigfaltigsten Formen, die man poetisch nennen könnte . . . Immer weiß er uns eine heitere .Ansicht des Ernstesten zu geben, immer froh, mehr oder weniger ironisch . . . alles so abgemessen, daß man zugleich den Geist und den Verstand, die Leichtigkeit und die Gewandtheit dieses Schriftstellers bewundern muß". 6*

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klassische Höhe. Das feuilletonistische Element meisterte zum Zwecke des gehobenen Gerichtsberichtes P a u l S c h l e s i n g e r (Sling, s. S. 49). Unter den religiös bestimmten Feuilletonisten steht in Berlin Carl S o n n e n s c h e i n (f 1929) mit seinen „Notizen" an hervorragender Stelle. In M ü n c h e n haben die Kreise um „Jugend" und „Simplicissimus" einen kritischen Feuilletonstil entwickelt. L u d w i g T h o m a (1867 — 1921) ist in seinen Glossen und Feuilletons ihr bekanntester Vertreter. Von den führenden Feuilletonisten der Gegenwart seien nur wenige genannt: Peter Bamm, Walter Bauer, Walter Foitzik, Ernst Penzoldt, Sigismund von Radecki, Friedrich Sieburg und Erik Graf Wickenburg 1 ).

„Zeitungsleute, seid behutsam mit dem Feuilleton, denn es ist ein kostbares Werkzeug", mahnt Friedrich Sieburg. „Trotz allen Vielgeschwätzes . . . leben wir eigentlich in einer stummen Zeit. Der Mensch spricht nicht mehr zum Menschen, in einer Welt tierischen Gebrülls herrscht tödliches Schweigen von Herz zu Herz" 2 ). Wir glauben, daß die „Kleine Form", die von Herz zu Herz spricht, dieses Schweigen freundlich und harmonisch unterbricht. Leider sind es nur wenige, die sie meistern. Wären es mehr, die Zahl derer, die sie erwarteten, würde ansteigen und damit einem echten Kulturwert der Zeitung neue Auswirkung gegeben sein. Die Anwendung des Feuilletonistischen in der „Kleinen Form" ist streng publizistisch gesehen nicht einmal die wichtigste, so lesenswert' sie auch sein mag. Der F e u i l l e t o n i s m u s als p o l i t i s c h e s K a m p f - u n d W e r b e m i t t e l hat gleichfalls auf verschiedenen Seiten berechnete und planvolle Anwendung gefunden. So schon in der französischen Revolution durch den Grafen R i v a r o l , der am alten Regime hing und die neuen Minner verhöhnte. Ähnlich tat das H e r m a n n G o e d s c h e (Pseud.: Sir John Retcliffe) 1848 in der Redaktion der „Kreuz-Zeitung". Denn der echte Feuilletonismus H a a c k e , W i l m o n t , a. a. 0 . , Bd. 8. 87, wie im gesamten Werk, h a t die Feuilletonisten aller Landschaften vollständig und fa;.I ohne Lücken aufgezählt und die wichtigeren charakterisiert. ') S i e b u r g , F r i e d r i c h , Schwarzweiße Magie, ü b e r die Freiheit der Presse, Tübingen o. J.

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in seiner enthüllenden und scharfen Sicht auf die Dinge u n d Menschen war in polemischer Anwendung auf das Politische immer beliebt. Das hat in vielen seiner Feuilletons Heine gezeigt. M a x i m i l i a n H a r d e n , in seiner gedrechselten Sprache, war politischer Publizist, der durch seinen Feuilletonismus besonders interessierte Leser um sich sammelte. Er wurde der schärfste Kritiker der wilhelminischen Zeit. In entschiedener und kompromißloser Linksopposition standen später T u c h o l s k y und v o n O s s i e t z k y mit feuilletonistischen Mitteln zur Politik der Weimarer Zeit. Gegen die Demokratie wirkten krass Blätter der Rechten. Hier schrieb von Berlin aus A d o l f S t e i n (1871—1948) seine politischen Feuilletons unter dem Pseudonym „ R u m p e l s t i l z c h e n " mit heftigen Angriffen gegen die Republik. Im Hitlerregime n u t z t e Dr. Joseph Goebbels das feuilletonistische Mittel nicht nur in seinen Reden. Anfangs schrieb er feuilletonistisch im „Angriff", dann im „Reich". Mussolini verfaßte im „Popolo d ' I t a l i a " seine Kurzartikel, ihres kursiven Satzes wegen „Corsivi" genannt. Die politisch-publizistische N u t z u n g des Feuilletonismus k a n n von tiefer Wirkung sein, was gerade die mit maskierten Idealismen arbeitende Publizistik des Hitlerregimes gezeigt hat. Sie ist als Mittel so alt wie der geistige Kampf überhaupt. Niemand, der politische Methoden ernsthaft wertet, sollte diese Technik verkennen. In jüngster Zeit hat sie nach falsch imitierten amerikanischen Vorbildern eine Fortsetzung in Zeitschriften gefunden, die bewußt taktlos in jede Sphäre des Privaten eindringen und nicht vom Persönlich-Menschlichen, wie das echte Feuilleton, sondern vom PrivatIntimen und Persönlichsten ihren Ausgang nehmen. Solche Zeitschriften können nicht mehr als „feuilletonistisch" bezeichnet werden. Sie leben von breitgewalztem Klatsch, mit dessen oft unverbürgten, oft öffentlich schwer widerlegbaren Indiskretionen, sie zynisch an Neid, Mißgunst und Übelwollen appellieren u n d so ihre Leser in Spannung halten. Diesen „Gewächsen" ist

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schwer beizukommen. Sie gedeihen auf der Schattenseite der Pressefreiheit. N u r der b e k ä m p f t sie, der sie n i c h t mehr k a u f t . D u r c h a u s erfreulich aber ist die häufige N u t z u n g des feuilletonistischen Stilelementes in fast a l l e n Sparten der Tageszeitung. Die hochgestelzte F o r m des Leitartikels u n d seine rhetorische K ä l t e ist bei jüngeren Schreibern längst feuilletonistisch belebt. Selbst der Handelsteil h a t etwas d a v o n a b b e k o m m e n ! Der lokale Teil ist ebenso feuilletonistisch a u s g e s t a t t e t , u n d sogar im S p o r t geht die Sprache gelegentlich in das Beschauliche. Die Belebung spröder Stoffe u n d sachlicher Einseitigkeiten d u r c h diese feuilletonistische F o r m ist eine erfreuliche W e n d u n g zum Herzlichen u n d Menschlichen, die auch in der geschäftlichen W e r b u n g durch die Fortentwicklung der R e k l a m e zur „Public R e l a t i o n " zum Ausdruck k o m m t . Beides e n t s p r i c h t einer tiefen Sehnsucht unserer Zeit. e) Der Sportteil Die Leibesübungen, vor allem der Sport, sind seit mehr als 50 J a h r e n ein wichtiges, vom Leserkreis gefordertes Ressort jeder Zeitung. Aus dem W a c h s t u m u n d der Vielgliedrigkeit des Sports ist dieses Ressort breit e n t f a l t e t . N a c h großen Sportereignissen u n d immer an Montagen wird ihm viel R a u m zugewiesen. Besondere Zeitungstypen, wie die M o n t a g b l ä t t e r , sind zum überwiegenden Teil auf dem Interesse der sportinteressierten Leserschaft a u f g e b a u t . Ursprünglich war der lokale Teil Träger der Sportmitteilungen, die anfangs im wesentlichen aus Tips für die Wetten im Pferdesport bestanden. In Süddeutschland (München) waren alpine Nachrichten die ersten Sportmeldungen überhaupt. In Norddeutschland folgten Meldungen von Klub- und Vereinskämpfen zunächst aus dem als besonders vornehm geltenden Tennis, dann aus dem damals als roh verschrieenen Fußballspiel (um 1895). Aus solchen Anfängen entwickelte sich die gewaltige deutsche Sportberichterstattung, die heute in großen Blättern in selbständigen Beilagen gegeben wird und einen

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eigenen umfangreichen Nachrichten- und Korrespondenzdienst in Wort und Bild besitzt. Auch bestimmte Anzeigengruppen (Sportgeräte, Kleidung, Sportveranstaltungen, Kraftwagen, Boote usw.) haben sich dem Textteil zugesellt und seinen weiteren Ausbau ermöglicht.

Wegen der leidenschaftlichen Anteilnahme der Öffentlichkeit und der großen Allgemeinbedeutung des Sports legen heute schon kleinere Blätter Wert darauf, eigene Sportredakteure anzustellen, die neben journalistischer Fähigkeit genaue Fachkenntnisse der sehr mannigfaltigen Sportarten, ihrer Technik und Wettbewerbsformen besitzen und in der Lage sind, sich auch sportpolitisch, d. h. im Streit um die öffentliche Geltung und die Fortentwicklung des Sports, ein eigenes Urteil zu bilden. Dabei sind die öffentlichen und allgemeinen Aufgaben des Sports, seine Rolle in der Erziehung zu körperlicher Gesundheit, zu echtem Volkssport, Teamgeist und Fairness dem leeren Treiben verflachender Rekordsucht und der Rücksichtnahme auf Vereinscliquen und Sportlieblinge voranzustellen. Durch das Aufkommen des Totobetriebs werden Hunderttausende am Sport interessiert, die kaum an der Sportnatur der Spiele, geschweige denn an eigener sportlicher Arbeit Interesse nehmen. Sie sehen auch in den großen Wettkämpfen nur den Anreiz zum Spielgewinn. Nicht unwichtig ist die Behandlung dieser Entwicklung auch für den Sportredakteur, der hier eine Art Kulturpolitik des Sports mit sicherem Verständnis der seelischen und körperlichen Bedeutung des Sports führen muß. Der Spielleidenschaft der Massen dabei entgegenzutreten, wird journalistisch oft großes Geschick und eine nicht geringe Überzeugungskraft bei geringen Erfolgsaussichten verlangen. Besondere Pflege verlangen heute die ö r t l i c h e n S p o r t v e r a n s t a l t u n g e n . Sie haben für die Zeitung die Bedeutung und die Zugkraft örtlicher Ereignisse und deren Vorzüge und Nachteile. Sie sind in ihren Ergebnissen herüberzuführen in die Gesamtheit nationaler Sportleistung und wohl zu hüten vor den Einflüssen

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überspitzter, lokaler Sporteifersucht. Auch in dieser Berichterstattung ist dem B i l d ein besonderer Platz einzuräumen. Die allgemeine Sportberichterstattung ist heute nachrichtenmäßig stark durch die Nachrichtenbüros und die Sportkorrespondenzen bestimmt. Wohl zu beachten ist die S p r a c h e des Sportteils. Wenn sie kurz und knapp sein will, so entspricht das nur ihrer Aufgabe. Lange war sie durch Übernahme abgeschliffener, für den Laien unverständlicher Ausdrücke des Fachjargons verdorben und ist auch heute noch keineswegs von allen Fehlern der Berufssprache frei. Sie hat sich aber unter Einfluß fähiger Schreiber wesentlich gebessert. f) Die technische Redaktion Wenige Blätter können sich eine technische Redaktion erlauben. Die breite Mehrheit der Zeitungen gibt allgemein interessierenden technischen Stoff, insbesondere Erfindungen, Neuerungen usw., ohne dabei immer klar zu bleiben. Einige sammeln den Stoff in Beilagen, andere verteilen ihn über das ganze Blatt. In jedem Falle sind an die Bearbeitung technischer Fragen vier Forderungen zu richten. 1. Der Stoff muß allgemeinverständlich dargeboten werden. Das verlangt gutes Wissen und sicheren Ausdruck. 2. Der Stoff muß sachlich einwandfrei und fehlerlos dargestellt werden. Dumme und plumpe Fehler schaden der Sache und dem Blatt. Sie kommen in der technischen Berichterstattung häufig vor. 3. Vorsicht bei technischen Sensationen, Entdeckungen und Erfindungen, namentlich, wenn sie aus dem Ausland groß aufgemacht here'ntelegraphiert werden. Es verbirgt sich dahinter oft Alltägl ; ches, längst Entdecktes oder doch praktisch Wertloses. Übertrieben propagandistisches Feiern neuer Entdeckungen führt zu falschen Begriffen und übersteigerten Erwartungen und damit zu Mißstimmung. 4. Es muß in allen technischen Berichten auch die Frage M e n s c h — M a s c h i n e im Blickpunkt stehen.

4. Stoffbearbeitung, Bildberichterstattung

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Sehr beliebt, weil auch für den Anzeigenteil fruchtbar, sind die technisch-fachlichen Artikel, Bildseiten und Sonderbeilagen, die sich mit dem Kraftfahrwesen, den Typen der Wagen, den Rennerfolgen usw. beschäftigen. Die Gebiete der phantastischen Technik (Fliegende Untertassen, Weltraumschiffe) sind heute begehrt, aber in manchen Darstellungen technisch nicht mehr ernst zu nehmen. Sie gehören in den Unterhaltungsteil. Wo die Redaktion über Fachkräfte nicht verfügt, also in der Mehrheit der Fälle, wird sich leicht eine Persönlichkeit finden, die sie schnell, zuverlässig und in der Eile auch durch Fernsprecher berät (gelegentlicher Mitarbe ter). Solche Beziehungen zum Leserkreis können auf allen Gebieten fruchtbar werden. g) Das Lichtbild — Die Bildberichterstattung Die Zeit liegt noch nicht vier Jahrzehnte zurück, als man sich stritt, ob das Lichtbild in die Zeitung gehöre oder nicht. Heute ist es in seinem Charakter als N a c h r i c h t , als Mittel der p o l i t i s c h e n W i l l e n s b i l d u n g , der B e l e h r u n g und U n t e r h a l t u n g vollauf anerkannt und in guter Aufwärtsentwicklung. Der heutige Mensch, im Ansturm aller publizistischen Mittel starken Bildeinwirkungen (Film, Illustrierte, Fernsehen) ausgesetzt, geht vom rein begrifflichen Denken mehr und mehr auf das anschauliche Vorstellen in Bildern über. Jedenfalls trägt er ihrer viele hundert in seinen Bilderinnerungen bei s'ch. Die Zeitung — so gern sie es etwa bis zum 1. Weltkrieg noch wollte — kann daran nicht vorübergehen. Sie trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie dem Bilde einen voll gemessenen R a u m anweist. Die Boulevardpresse bevorzugt das Bild im ganzen graphischen Ausdruck der Zeitung. Seit 1952 besteht in Deutschland eine B i l d z e i t u n g , deren hohe, nicht standortgebundene Auflage die Zündkraft des Bildes — meist des sensationellen Bildes — eindrucksvoll beweist. I n der journalistischen Arbeit steht der Bildjournalist gleichberechtigt oder doch fast gleichberechtigt

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neben d e m schreibenden Journalisten. Der Bild Journalist i s t in e r s t e r L i n i e R e p o r t e r . Sein W e r k z e u g ist die K a m e r a , d i e er g e n a u k e n n e n u n d d e r e n L e i s t u n g s m ö g lichkeiten er fast menschlich erfühlen m u ß . D e n n die E r e i g n i s s e m u ß er auf i h r e r H ö h e , d i e D i n g e in i h r e m W e s e n u n d d i e P e r s ö n l i c h k e i t e n in d e m sie t r e f f e n d e n A u g e n b l i c k f e s t h a l t e n . E r m u ß m e h r g e b e n als d e r m i t t e l b a r d u r c h W o r t u n d S c h r i f t a r b e i t e n d e R e p o r t e r zu g e b e n in d e r L a g e ist. „ E i n B i l d soll t a u s e n d W o r t e s a g e n . " D a s ist d a s W e s e n d e s Bildes. E s e r z ä h l t s c h o n in s e i n e m G e s a m t e i n d r u c k s e h r v i e l u n d m u ß bei l ä n g e rem u n d gründlichem Anschauen immer mehr erzählen, o h n e d a r u m M ü h e zu m a c h e n . D a r u m ist d a s B i l d a u c h d a s seit j e h e r v o l k s t ü m l i c h s t e M i t t e l , zu b i l d e n , zu f ü h r e n u n d zu u n t e r r i c h t e n . „ W a s d i e G e l a h r t e n d u r c h d i e Schrift verstahn, lehrt das Gemälde den gemeinen M a n n " h e i ß t es s c h o n i m a u s g e h e n d e n M i t t e l a l t e r . D a s B i l d s p r i c h t u n m i t t e l b a r z u r b r e i t e s t e n Masse. Geschichtlich hatten frühe Vorläufer der Zeitung, so der E i n b l a t t d r u c k , der vielfach die sensationelle Beschreibung eines in grobem Holzschnitt geschilderten Ereignisses war, den Wert des Bildes längst erkannt. Die Erfindung der Photographie, die optisch-chemisch einen Vorgang „photographisch getreu" auf die Platte brachte, konnte in die Tageszeitung als Bild erst Eingang finden, als eine billige und schnelle Vervielfältigung möglich wurde. Das geschah durch die Erfindung der Autotypie, die dem Berliner Kupferstecher G e o r g M e i s e n b a c h 1881 gelang. Die Autotypie, heute als N e t z ä t z u n g bezeichnet, gibt im Gegensatz zur S t r i c h ä t z u n g , die nur Linien, Punkte und volle Flächen in deutlichem Schwarzweiß festhält (Federzeichnung), mannigfaltige, zwischen Schwarz und Weiß liegende Tonstufen. Technisch wird das dadurch erreicht, daß das Bild durch einen R a s t e r , d. h. durch Glasplatten hindurch photographiert wird, auf denen schraffurartig ein feines Netz rechtwinklig sich kreuzender Linien aufgetragen ist. Die Lichtstrahlen werden durch dieses Netz gebrochen und lösen die Ton werte des wiederzugebenden Bildes in viele kleine Punkte auf. Die helleren Teile treten dadurch hervor, daß diese Punkte weiter auseinanderstehen und also den hellen Papiergiund leuchten lassen, der an den dunkleren Stellen durch engeres Zusammenrücken der

4. Stoffbearbeitung, Bildberichterstattung

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Punkte ganz oder fast ganz gedeckt wird. Das derartig je nach der Feinheit der Rasterschraffur in gröbere oder feinere P u n k t e aufgelöste Tonbild wird auf eine lichtempfindliche Metallplatte übertragen. Diese Platte wird durch Ätzung so bearbeitet, daß das System der Punkte plastisch hervortritt und im Druck die Farbe annimmt. Auf diese Weise, je nachdem die P u n k t e sich zusammendrängen oder in weiterem Abstand voneinander stehen, werden die dunklen oder helleren Farbtöne gegeben. I m Gegensatz zu harter Schwarz-Weißwirkung der Strichätzung vermittelt die Autotypie Tonabstufungen, wie sie das Lichtbild bringt, freilich mit einer leicht ins Graue gehenden Tönung. Die Feinheit ist von der Feinheit des benutzten Rasters und des zu bedruckenden Papieres abhängig. Erst in den letzten vier Jahrzehnten ist es geglückt, technisch die Autotypie f ü r den Druck auf grobem Zeitungspapier erfolgreich zu entwickeln. Gleichzeitig wurde die Herstellung so beschleunigt, wie e3 f ü r die schnelle Berichterstattung der heutigen Zeitung gefordert werden muß. Neben dem Hochdruck- h a t das Tiefdruck verfahren (Kupfertiefdruck) zur Herstellung der besonderen Bilderbeilagen in der Zeitung Eingang gefunden.

So ist in der Tageszeitung das Bild eines der tragenden Mittel der publizistischen Arbeit geworden. H e u t e steigert es seine Ausdruckskraft von J a h r zu J a h r . Schon kann der Leser das Bild garnicht mehr missen. Im Leser schärft sich auch der Blick für Bild und Bildwirkung, f ü r die Eigenart oder Einzigartigkeit des A u f n a h m e a u g e n b l i c k e s (im Höhepunkt des Ereignisses), des A u f n a h m e a u s s c h n i t t e s (welcher Ausschnitt und woher wird er aufgenommen), der G r ö ß e der W i e d e r g a b e , der B i l d b e a r b e i t u n g und der E i n o r d n u n g des Bildes in den graphischen Aufbau der Zeitung. Die Wiedergabe eines Bildes, das durch das Abgebildete selbst Nachricht ist, verständlich selbst ohne Unterschrift, nennen wir B i l d n a c h r i c h t . Gibt aber das Bild Erläuterung zu einem ausführlich dargestellten E r e i g n i s , oder bedarf es der Deutung durch eine Unterschrift, so ist es ein N a c h r i c h t e n b i l d . Die mannigfaltigen Möglichkeiten der Bildbearbeitung beweisen die bis vor wenigen J a h r e n ernsthaft geleugnete s u b j e k t i v e

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N a t u r jeder Bildarbeit 1 ). Nichts ist falscher als der Glaube, das Zeitungsbild sei ein objektiver Tatsachenbeweis. Bilder werden z. B. in verlogenen Fälschungen oft zum Zwecke bewußter Entstellung mißbraucht. Die Fälschungsmöglichkeiten beginnen bei der plumpen Bildlüge, die durch Retusche oder Photomontage (geklebtes Bild, entsteht durch Zusammenkleben verschiedener Aufnahmen und Neuaufnahme des Bildes) betrieben wird. Sie enden bei tausend feinen und allerfeinsten Mitteln, die durch den Bildbericht eine bestimmte publizistische Wirkung erzielen, wobei vom Aufnahmeaugenblick und Aufnahmeausschnitt bis zur Retusche und der Unterschrift alles angewandt wird. Trotzdem vertieft sich aus Instinkt der Leser in das Bild, denn es ist der technisch fixierte Teil eines interessanten Vorganges, es bringt ihm mittelbar einen Augenblick des Erlebnisses, das er als Augenzeuge ganz ausgekostet hätte. Jedes gute Bild läßt nicht nur ahnen, was vor der „punktuellen Wiedergabe des Ereignisses" war, sondern auch, was kommen wird. Außerdem regt es aus der visuellen Wirkung andere Sinne an (Geruch, Geschmack, Klang). Die Unterschrift ist wichtig. Recht gewählt, trifft sie geschickt das Wesentliche, deutet den Bildeindruck, faßt, wo es sein muß, die Gedankenrichtung des Beschauers und zwingt sie in die gewollte Richtung. Es ist die K u n s t d e s B i l d b e r i c h t e s , d e n D i n g e n , P e r s ö n l i c h k e i t e n und Ereignissen die w e s e n t l i c h e Seite abzugewinnen. Die große journalistische Gabe, s e h e n zu können, muß dem Bildberichterstatter als bildhaftes Sehen besonders zu eigen sein. Er muß sie besitzen ebenso im Drängen aktuellsten Geschehens wie in der Aufnahme guter unterhaltender, belehrender Bilder. In Serien dargeboten geben sie heute, der Textserie parallel, einen vorzüglichen und gedächtnishaftenden Unterricht über allgemein-politische Dinge, über wirtschaftliche und soziale Zustände, über Natur und Heimat. Die B i l d s e r i e erschließt der Vgl. hierzu die fälschende Technik der Bildaufnahmen von Persönlichkeiten in Zwischenzeiten (Bd. I, S. 61).

4. Stoffbearbeitung, Bildberiehterstattung

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breitesten Öffentlichkeit alle Zweige und Berufsgruppen des arbeitenden Volkes. Dabei hat sich die Kamera iiuch hier den Menschen zur eigentlichen bildnerischen Aufgabe zu nehmen. Ihre Kunst erschließt oft wirksamer, als es der schreibende Journalist vermag, die Schau der Dinge und Ereignisse. Möchte sie immer auf ihrer würdige Objekte angewandt werden. Jeder gute Bildberichter hat, wie der befähigte Schreiber, seinen eigenen ausgeprägten B i l d s t i l . Daher sucht er meist auf bestimmten Einzelgebieten und nicht in der Vielfalt der Bildaufgaben zur Reife und Höchstleistung zu kommen. Diese selbständige Persönlichkeitsleistung des guten Bildberichters verlangt sicheren Urheberschutz und daraus folgend Schutz auch des wirtschaftlichen Ertrages. Eine geistig führende und verantwortungsvolle Aufgabe erwächst dem B i l d r e d a k t e u r . Er hat auf seinem Gebiet alle die Fähigkeiten einzusetzen, die den Redakteur zur Höchstleistung bringen. (Vgl. Bd. I, S. 28). Er hat die Bildberichter anzuregen, ihnen immer neue Aufgaben zu stellen, aber auch Sorge zu tragen, daß ihnen zu ruhiger, gesammelter Arbeit und vertieftem Schaffen die wirtschaftlichen Möglichkeiten gegeben, d. h. daß sie so gut bezahlt werden, wie es die Geldmittel der Redaktion nur irgend zulassen. In Fällen besonders markanter Ereignisse sollte das Bild das Wort schlagen! Der Bildredakteur hat in der Erziehung seiner Mitarbeiter ganz Ungewöhnliches zu leisten. Für seine Tätigkeit braucht er ein besonders geschultes, gutes Gedächtnis, nicht nur für Sachwissen, sondern vor allem für Personen, Tatsachen und Situationen. Er muß ein ganzes Bildarchiv im Kopfe haben, denn er hat Fälschungen, Irrtümer usw. in angebotenen Bildern sofort zu erkennen, aber aus der Vielzahl der ihm gegenwärtigen Bildstoffe auch schnell, glücklich und wirksam geeignete Verbindungen und Bildvereinigungen zu finden und vorzuschlagen. Auch im Zeitungsbild muß ebenso wie im Zeitungstext der gegenwärtige Tag dem Gestern und Vorgestern die Hand reichen und eine Kette herstellen, die lehrreich, anregend und werbend ist. Daß der Bildredakteur auch sprachlich über knappe, zusammenfassende und eindringliche Ausdrucksformen verfügen muß, verlangt seine Aufgabe, Bildunterschriften wirksam zu prägen oder sie doch auf ihre publizistische und sprachliche Natur genau zu prüfen oder neu zu formen. Über die a b s o l u t e S u b j e k t i v i t ä t des Bildberichtes — insbesondere durch Nutzung der Zwischenzeiten— ist in Bd. I S. 61 Näheres ausgeführt.

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IV. Die Redaktion

h) Umbruch und Aufmachung Der „Umbruch" ist eine Aufgabe der Redaktion, die stark journalistisch und nicht bloß graphisch bestimmt ist. Der Umbruch legt die Nachricht vor, er macht aber auch Politik, sehr entschieden sogar. Er ist ein Mittel der politischen Willensbildung ganz besonderer Art und eine Technik, dem Leser in der von der Redaktion (subjektiv) gesehenen Rangordnung die Nachrichten praktisch und anschaulich nahe zu bringen. Neben der Stoffauswahl entscheidet auch die Stoffaufmachung den Erfolg der Zeitung. T y p o g r a p h i s c h ist U m b r u c h das E i n o r d n e n des a b g e s e t z t e n T e x t e s in den S a t z s p i e g e l . J o u r n a l i s t i s c h ist U m b r u c h der g r a p h i s c h e Ausdruck der Zeitungsausgabe (Aufmachung). Der Umbruch löst nachrichtentechnische (Darbietung der Nachricht) wie publizistische (graphische Unterstreichung des politisch Wichtigen) und wirtschaftliche Aufgaben (Kaufanreiz durch Blickfänge). Er ist mit den drei Grundkräften der Zeitung engstens verbunden. Drei Aufgaben bestimmen das graphische Gesicht. Der Umbruch hat das W i c h t i g s t e packend herauszustellen . Er hat a l l e s andere ü b e r s i c h t l i c h nach seinem Werte anzuordnen; schließlich läßt er im G e s a m t a u s d r u c k aus überlegter und überlegener Grundhaltung Vielfältigkeit und Tempo des gesamten Geschehens lebendig und gesammelt der p u b l i z i s t i s c h e n A b sicht der Zeitung dienstbar werden. Jede Zeitung folgt dabei ihrem gleichbleibenden Stil, der sie von anderen Blättern unterscheidet. Sie hat gleichsam ihr graphisches Gesicht, dessen Züge immer bewegt, auch manchmal erregt sein können, stets aber die Züge des gleichen Gesichtes bleiben müssen. Alle graphischen Mittel dienen der b e h e r r s c h t e n und gez ü g e l t e n Darstellung des Zeitgeschehens zur höheren publizistischen Aufgabe. Es wird also jede Zeitung auch

4. Stoffbearbeitung, Umbruch und Aufmachung

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an „tollen Tagen" die Persönlichkeit bleiben, die sie sein soll. Sie wird nicht die Haltung verlieren, aber sie wird aus dieser Haltung heraus alle Mittel spielen lassen, der Zeit ihr Recht und ihren wahrhaftigen Ausdruck zu geben. Zu den festen unabänderlichen „Gesichtszügen" der Zeitung gehören Kopf, Format, Schrift, Spaltengliederung und der einheitliche graphische Stil in den Grundelementen der Aufmachung. Den K o p f lieben die Leser, sie sind an ihn gewöhnt. Häufige Änderungen verärgern. Wegnahme ganzer Teile des Kopfes zu krasser Nachrichtenaufmachung, „Manschetten" oder allein zur Reklame verblüfft, stumpft ab, verdirbt manchen guten Kopf und gibt dem Ganzen ein unsolides Außeres. Auch das „ F o r m a t " ist für das Blatt wesensbestimmend. Die Formate der Zeitung — früher durch Bogensteuer zu unhandlicher Größe getrieben — sind und bleiben mannigfaltig; allein in Deutschland gibt es etwa 20 verschiedene Formate 1 ). Sie nach Normen zu typisieren, ist bisher immer mißlungen. Eines der größten deutschen Formate hat die im sowjetisch besetzten Sektor Berlins erscheinende kommunistische Zeitung „Neues Deutschland" vom „Völkischen Beobachter" übernommen: 42,5x59,5 cm. Es folgt die sowjetamtliche „Tägliche Rundschau" mit 45 X54 cm. Das „Bild" trägt ein Hochformat von 4 0 x 5 7 cm. Dann folgen die westdeutschen Formate 38 x 53 cm und das am häufigsten gebrauchte Berliner Format: 31,5x47 cm. Kleinere Formate sind seltener geworden, können aber im Faltwerk aus Großformaten entwickelt werden. So das Format 2 7 x 3 8 cm („BZ am Mittag"). Entsprechend dem Format ist auch die S p a l t e n g l i e d e r u n g mannigfaltig (3 Spalten, 4 Spalten, 6 Spalten usw.). Die dreispaltige Aufmachung erinnert an das ruhige Bild der Buchseite. Noch 1939 hatten 66 v. H. aller Blätter, die meisten kleinen Zeitungen, dreispaltige Aufmachung. Heute ist ') E r h e b u n g der Fédération Internationale des Editeurs des J o u r n a u x , Bulletin d'Information, Juillet 1954.

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IV. Die Redaktion

die dreispaltige Gliederung fast verschwunden. Die auflagenstarken Blätter bevorzugen die vielspaltige, besonders die vier- und sechsspaltige Aufmachung. Sie ist wegen der Kürze der Zeilen müheloser lesbar und begünstigt den Bau zusammenfassender Kästen. Als S c h r i f t t y p e haben alle großen Blätter seit 1941 die Antiqua gewählt. Sie wollen damit auch über die deutschen Grenzen hinaus leichter verständlich sein. Die F r a k t u r ist als Zeitungstype ganz verschwunden. Die Zeitungsschrifttype (sogenannte „ B r o t s c h r i f t " , weil der tägliche allgemeine Text in ihr gesetzt wird), m u ß ein einheitliches, ruhiges, natürliches Schriftbild geben. Auf dem rauhen Zeitungspapier m u ß es im Druck klar bleiben. Die Type darf nicht verschmieren, m u ß also ohne enge Innenräume bleiben, in denen die Farbe sich festsetzt. Trotzdem h a t sie schmal zu laufen und R a u m zu sparen, durch große Mittellängen aber lesbar zu bleiben. Schließlich h a t sie sich präge- und druckfest zu halten. J e nach dem Dur'chschuß zwischen den Zeilen, dem Maß des Fettsatzes u n d der Sperrungen, der „ L u f t " zwischen Überschriftsbalken und Artikeln, der Schlankheit oder Fettigkeit der Überschriftstypen (Auszeichnungsschriften) erscheint die Zeitung „hell", „licht" oder „dunkel", „ f e t t " aufgemacht. Diesen Charakter m u ß die Zeitung dann auch behaupten. Der Geschmack des Lesers ist konservativ. J ä h e Abänderungen in diesen Gesichtszügen der Zeitung haben oft grobe Briefe, Abbestellungen u n d viel unausgesprochenen Arger zur Folge. Die Zeitung ist ein Alltagsbegleiter. Man liebt ihn gleichmäßig. Er soll nicht täglich durch immer neue Kleider Unruhe und Überraschung verbreiten. Daher m u ß die Zeitung auch graphisch aus immer derselben G r u n d h a l t u n g sprechen. Sie kann dabei auch allergrößtem Geschehen lebendig und voller Temperament Rechnung tragen, aber sie sollte sich nie selbst verlieren. Die Frage des G e s c h m a c k s und der k ü n s t l e r i s c h e n Gestaltung des Zeitungsbildes ist durch diese

4. Stoffbearbeitung, Umbruch und Aufmachung

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Forderungen keineswegs ausgeschaltet. Im Gegenteil. Indem die Zeitung ihr Bild nach ihrer inneren Aufgabe prägt, wirkt sie aus Zweckmäßigkeit auch künstlerisch schön. 'Wirkung und Übersicht der Seitenaufmachung sind immer dann gegeben, wenn drei Grundregeln beachtet werden : die künstlerische des g o l d e n e n S c h n i t t s , die kompositorische der G e w i c h t s v e r t e i l u n g und die psychologische des b l i c k h ä u f i g s t e n P u n k t e s . Das heißt: immer sind es Linien, seien es Überschriftbalken, seien es Textspalten, die sich auf der Zeitungsseite schneiden. Gelingt es, sie da, wo sie sich teilen, so zu gliedern, daß der kleinere Abschnitt sich zum größeren verhält, wie dieser zum Ganzen, so entsteht jenes natürliche Wohlgefallen, jene „rechte Proportion", die jeder gute Umbruchleiter unbewußt sucht und findet. Des weiteren müssen die Gewichtsverhältnisse der hellen und dunkeln Satzflächen und B.lder zueinander in ein Verhältnis gebracht werden. Es muß eine Art labilen Gle'chgewichtes entstehen. Dabei wird der obere Teil der Seite im Zusammenklang mit der Kopfleiste und den sie deutenden Unterzeilen schwerer belastet sein können, und im übrigen wird sich eine Verteilung nach den Diagonalen hin zu vollziehen haben. Dabei ist ein Ausgleich zu suchen, daß die Seite nicht bloß „kopfschwer", „rechtshängend" oder „l'nkslastend" wirkt. Schließlich wird auch die Neigung des Lesers, auf bestimmte Seitenteile zuerst zu schauen, psychologisch zu beachten sein. Es ist Tatsache, daß manche Stellen der Seite dem Leser mit dem, was sie zu sagen haben, ganz unmittelbar ins Auge leuchten, andere Stellen zurücktreten, ia fast im Schatten stehen. Genaue psychologische Proben haben ergeben, daß bei Aufteilung der Seite in vier Felder das Auge den Blick ins Feld rechts oben zuerst und am häufigsten hinlenkt (sogenannter „Optica! Point", der ,,blickhäufigste Punkt"). Eine Wertung ergibt nachfolgendes Schema: Dovifat, Zeitungslehre II

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IV. Die Redaktion 28

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Die so aufgebaute Einordnung der Stoffe bewährt sich immer, steht aber in gewissem Widerstreit zu dem von manchen, zumal von graphisch-konservativen Blättern bevorzugten Schema strenger Symmetrie, das z. B. Bilder in die Mitte stellt. Im übrigen lassen sich k e i n e ständig geltenden Wirkungsregeln festhalten. Jede Zeitung hat ihr Gesicht und zeigt es in wechselndem Mienenspiel. Bedenklich ist es, wenn die erste Seite, also die sogenannte „Schaufensterauslage", mehr anpreist, als im Laden zu kaufen ist. Jede reißerische, jede marktschreierische Aufmachung in Schlagzeilen, Kopfbalken und Überschriften, hinter denen nicht massiver und überraschend ergiebiger Stoff aufmarschiert, ist ein Schaden für die Zeitung und eine Schwächung ihrer publizistischen Leistung. Kein graphisches Mittel darf irreführen, es darf auch kein graphisches Mittel Spielerei seir. Immer muß es Ausdruck werden des Inhalts, den es ankündigt und des Ziels, dem die Zeitung als Ganzes dient. Die Zusammenfassung in K ä s t e n ist längst allgemein üblich, doch dürfen sie nicht zu Schachteln werden. In ihrer Stellung zueinander und zur Teilung der Spalten durch Schlagzeilen müssen „Treppen" und „hohe Kamine" vermieden werden. Immer ist es gut, durch Artikel von Seite zu Seite hinüberzuführen, was nach amerikanischem Vorbild auch in Deutschland heute schon durch „Seitenspringen" ersetzt ist 1 ). Ein Artikel beginnt auf S. 1 und wird abgebrochen, um im Innern des Blattes, wo die Fortsetzung oft erst unter Anzeigen zu suchen ist, weitergeführt zu werden. In den vielen Umbruchsystemen, die sich in jüngster Zeit zu regelund formlosen graphisch lärmenden, wenig systematiI n Deut cVand lel n t n lcani chs Vorlild an.

ich „B. Z . " und „BiY.-Zeitung" : n das ameri-

V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

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sehen „Circus-Aufmachungen" übersteigern, bedarf es gelegentlich schlicht gebauter Seiten, damit das Auge auch einmal ausruhen kann. Namentlich B e i l a g e n s e i t e n geben dazu gute Gelegenheit. In der Umbrucharbeit beweist der Redakteur seine Fähigkeit zu wirklicher Vorschau, d. h. der Umbruch soll nicht erst beim Metteur am Umbruchtisch entstehen. Im Kopf entsteht er von der ersten Nachrichtenbearbeitung an, und genaue Kenntnis aller technischen Mittel und Möglichkeiten helfen zur sicheren Endgestaltung. Der Umbruch beweist die enge Verbindung der g e i s t i g e n Arbeit und ihrer t e c h n i s c h e n V e r b r e i t u n g . Hier ist nun im Getriebe der Zeitung eine N a h t s t e l l e erreicht. Hier wird das Geistige in das Technische übersetzt. Als persönliche Vertreter beider Welten treffen sich Redakteur und M e t t e u r , meist grimmige Gegner, aber notwendig Gegner. Der eine beansprucht im Streben nach höchster Aktualität noch die allerletzte Minute für sich, der andere verlangt die gleiche Zeit, um der ruhigen und genauen Abwicklung des technischen Vorganges unbedingt sicher zu sein und die Zeitung pünktlich dem Vertrieb und dem Leser zuzuführen. Beide streiten also im Dienst der Zeitung, deren wirtschaftlich-technische Seite nunmehr zu besprechen ist. V. TEIL Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb Ideal gesehen dienen Technik und Wirtschaft ausschließlich der p u b l i z i s t i s c h e n A u f g a b e der Zeitung. Real gesehen ist diese Auffassung dem praktischen Leben gegenüber eine Überforderung. Vielen Zeitungen bleibt sie Grundgesetz, einigen auch nur Vorwand. In jedem Falle aber fordert die Zeitung eine wirtschaftlichkaufmännische und graphisch-technisch saubere, tüchtige und gekonnte Leistung. J e stärker und gesunder 7*

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

sich die w i r t s c h a f t l i c h e Grundlage der Z e i t u n g e n t f a l t e t , und j e p ü n k t l i c h e r und zuverlässiger die T e c h n i k eingesetzt ist, um so m e h r ist der g e i s t ; g e n A u f g a b e der Z e i t u n g gedient, um so weiter ist das F e l d ihres W i r k e n s a b g e s t e c k t . E i n e g u t e Z e ' t u r g k o m m t , wenn sie richtig geleitet ist, auch im W i r t s c h a f t l i c h e n und T e c h n i s c h e n zu H ö c h s t l e i s t u n g e n , doch sollten sie i m m e r der geistigpublizistischen A u f g a b e u n t e r g e o r d n e t b l e i b e n . D a r u m sollte a u c h b e i j e d e m n o c h so t e c h n i s c h e n oder a u c h n o c h so k a u f m ä n n i s c h e n V o r g a n g in der Z e i t u n g das publizistische Ziel des Ganzen überall in S i c h t b l e i b e n . D i e von allen führenden L e u t e n der Z e i t u n g und von der D e m o k r a t i e selbst e r h o b e n e F o r d e r u n g , d a ß die Zeit u n g ihrer öffentlichen A u f g a b e und V e r p f l i c h t u n g imm e r gewiß bleibe, g ' l t somit a u c h für die A r b e i t in der T e c h n i k und der W i r t s c h a f t des Z e i t u n g s b e t r i e b e s . N a c h dieser G r u n d a u f f a s s u n g werden n a c h f o l g e n d die w i r t s c h a f t l i c h e n u n d t e c h n i s c h e n Aufgaben der Z e i t u n g in ihren wesentlichen V o r g ä n g e n d a r g e s t e l l t . Sie sollen auch in Z a h l e n , Ziffern u n d E r t r a g s b e r e c h n u n g e n schließlich i m m e r in ihr publizistisches R e i c h zurückführen. 1. D a s H a u p t b u c h des V e r l a g e s E i n B l i c k in d a s H a u p t b u c h des Verlages lehrt, d a ß der Z e i t u n g s b e t r i e b , n a c h dem ersten Iiindruck zu urteilen, n u r m i t wenigen und m a r k a n t e n Posten zu r e c h n e n h a t . Sie sind n a c h f o l g e n d a u f g e z e i c h n e t : Einnahmen: 1. Aus Verkauf 2. Aus Anzeigen 3. Aus Nebenbetrieben a.) Gewinn aus Druckaufträgen b) Gewinn aus anderen Blättern des gleichen Verlages.

Ausgaben: 1. Für Satz und Druck 2. Für Papier und Farbe 3. Für Vertrieb, für Werbung, für Verlagsverwaltung 4. Für Redaktion.

1. Das Hauptbuch des Verlages

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Das Verhältnis der beiden ersten E i n n a h m e p o s t e n , nämlich der Verkaufseinnahmen zu den Anzeigeneinnahmen, wird wesentlich den T y p der Zeitung bestimmen. Von dem dritten Einnahmeposten, den Einnahmen aus Nebenbetrieben, könnte man mit Recht behaupten, daß er nicht wesentlich zur Zeitung gehört. Ist doch nicht einmal der eigene Druckereibetrieb eine Notwendigkeit. In der Praxis haben sich insbesondere noch 1945, als die Besatzungsmächte Verlagslizenzen nicht an bestehende alte Verlage, sondern an politische Gruppen und Persönlichkeiten vergaben, Zeitungen ohne eigene Druckereien entwickelt. Sie wurden in fremden oder beschlagnahmten Druckereien im Lohndruck hergestellt. Das wirtschaftlich wenig günstige Verfahren hat dazu geführt, daß viele dieser l31ätter eigene Druckereien aufbauten oder aufkauften. Denn die Verbilligung, die dadurch entsteht, daß die Zeitung im eigenen Druckbetrieb hergestellt wird, und daß sie diese kostspielige Anlage auch für andere Druckaufträge ausnutzen kann, ist wichtig für die Kostenberechnung der Zeitung geworden. Gelegentlich erscheinen auch m e h r e r e Zeitungen wieder im gleichen Verlag und können in ihren wirtschaftlichen Ergebnissen einander ausgleichen. Dieses Verfahren hat vor 1933 zu einer sehr wertfördernden Verbindung alter, angesehener Qualitätszeitungen mit volkstümlichen Massenblättern geführt, deren E r t r a g den höheren Aufwand oder den Fehlbetrag der Qualitätszeitungen decken konnte. Es können des weiteren auch Z u s c h ü s s e gegeben werden, die aus zeitungsfremden Wirtschaftsquellen stammen. Gewiß sind sie nicht selten. Es gibt in der Weltpresse Blätter, die ausschließlich von solchen Zuschüssen leben. Dann sind sie als reine „Interessentenblätter" gedungen, die Interessen ihrer Auftraggeber zu verfechten. Aber solche Zuschüsse kommen keineswegs immer von wirtschaftsstarken Seiten. Ebenso oft werden sie aus kleinen Beiträgen von denen aufgebracht, die in der Zeitung die Verfechterin ihrer Weltanschauung ins Leben gerufen

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungabetrieb

haben. Solche Beiträge spielen damit namentlich bei der Gründung der Zeitung eine treibende Rolle. Zum natürlichen Wirtschaftsorganismus der Zeitung gehören sie nicht, aber sie werden und wurden oft gegeben, um Abhängigkeiten herzustellen. Die jüngere deutsche Pressegesetzgebung hat daher, um die Klarheit und Wahrheit der Besitz Verhältnisse herzustellen, Bestimmungen eingeführt oder vorgeschlagen, nach denen Inhaber und Beteiligungsverhältnisse der Verlage (z. B. vierteljährlich) in genau festgelegten Formen bekanntzugeben sind1). Unter den A u s g a b e n werden sofort zwei Gruppen deutlich: Die festen und die beweglichen Ausgaben. Zu den festen Ausgaben sind Satz, Druck und die Kosten der Redaktion zu rechnen; sie bleiben zunächst die gleichen, selbst dann, wenn durch plötzliches Heraufschnellen der Auflage, die Kosten für Papier und für Vertrieb sehr wesentlich steigen. Auch hier werden die Verhältnisse der Ausgabesätze zueinander jeweils stark die Natur des Blattes beweisen. Ziel der z e i t u n g s f a c h l i c h e n B e t r a c h t u n g jedes der genannten Posten wird es sein, immer und überall seine Beziehungen zur führenden, also zur geistigen Seite der Zeitung zu finden. Das unterscheidet die zeitungsfachliche Untersuchung von der allgemeinwirtschaftlichen oder betriebstechnischen. 2. Die Ausgaben a) Satz und Druck Aus ihrer ureigensten Herkunft bringen Satz und Druck ein k a p i t a l i s t i s c h e s E l e m e n t in die Zeitung. Sie erfordern Sach- und Betriebskapital. Erst durch die ') Vgl. Bayern: Gesetz über die Presse vom 3. 10. 1949, §8, 3 nebst Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Presse vom 7. 2. 1950, Art. 2. Bremen: Gesetz zum Schutz der Freiheit der Presse vom 20. 12. 48, § 8, fordert ebenso wie das Hamburgische Gesetz Angabe aller über 1 0 % hinausgehenden Beteiligung. Ähnlich in Hessen: Gesetz über Freiheit und Recht der Presse vom 23. 6. 1949, § 5, in Nordrhein-Westfalen: Gesetz über die Berufsausübung von Verlegern, Verlagsleitern u. Redakteuren vom 17. 11 1949, § 2 und § 3 der Durchführungsverordnung zum Gesetz vom 5. 12. 1949.

2. Die Ausgaben — Satz und Druck

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Vervielfältigung mit Satz und Druck hat sich das kapitalistische Element mit dem geistigen Schaffen verbunden. Es hat ihm den Segen weitester Verbreitung und größter Öffentlichkeit, aber auch die Gefahr niedriger wirtschaftlicher Abhängigkeit gebracht, früher von den Gewalten politischer oder wirtschaftlicher Macht, heute von den Trieben und Neigungen der Masse, denen sich Verlage bewußt unterordnen, wenn sie sich ihrer öffentlichen Verpflichtung wenig und ihrem materiellen Gewinnstreben umsomehr bewußt sind. Bis zur Erfindung des Buchdrucks wurde im allgemeinen mit geistigen Dingen kein Handel getrieben. Auch der Begriff des „geistigen Eigentums" war ein gänzlich anderer. Er galt so lange, als der Autor das Manuskript festhielt. Ließ er es abschreiben oder rundlaufen, dann erloschen seine Rechte. Der Buchhandel als Handel mit geistigen Werten, war in seinen Anfängen ein verachtetes Gewerbe. Honorarzahlungen gab es nicht. Sie kamen erst auf, als die Vervielfältigung durch den Druck das Buch zur Marktware machte, die regelmäßig absetzbar wurde und an deren Gewinn schließlich auch der Verfasser beteiligt wurde. Diese Erkenntnis brauchte einige Zeit. I m Vordergrund standen zunächst die Kosten, die der D r u c k h a t t e entstehen lassen. Druck war aber nun eine Technik, die stattliche Kapitalsummen erforderte. Typenvorrat, Presse, Farbe, P a p i e r — d a s heischte ein Anlage- und Betriebskapital, das f ü r die damaligen Wirtschaftsverhältnisse sehr bedeutsam war. Doch ist auch schon im Keim der ganzen Erfindung ihre wirtschaftliche Ergiebigkeit erkannt worden. Die Anfänge der „schwarzen K u n s t " sind dunkel, aber selbst aus dem reichen Legendenwerk, das sie umrankt, ist in jeder Zeile zu lesen, daß der Streit schon in den allerersten Anfängen um die wirtschaftliche Nutzung ging. Kein moderner Patentkampf kann rücksichtsloser geführt werden. Von J o h a n n e s G e n s f l e i s c h (Gutenberg) wissen wir überh a u p t nur aus den Kämpfen, die er um die wirtschaftliche Ausbeute seiner Erfindung führen mußte, und die er verloren hat. E r erfand nicht den Druck, dessen Technik man beim Stoff- und Tafeldruck (xylographisches Verfahren) sowie bei der Kelter längst kannte und den Gutenberg nur vervollkommnete. Erfunden wurde der Satz mit beweglichen Buchstaben (Lettern) sowie die Typisierung (daher „Type", typographisches Verfahren) dieser Lettern und ihre Herstellung durch Guß aus einer mit Stahl-

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

stempeln geprägten Form. So entstanden ganze „Schriften" in allen Maßen sorgsam einander angepaßter Typen, die, in gleicher Höhe und Breite zusammengefügt und dann dem Druckverfahren unterworfen, das Wunder künstlicher Schrift, der „ars artificialiter scribendi", ermöglichten. Schon die ersten Pressen druckten 300 Bogen täglich, d. h. „an einem Tag soviel als sonst in einem J a h r " handgeschrieben hergestellt wurden. Das revolutionierte auch die Begriffe vom „jüngsten Gegenwartsgeschehen" und der „breitesten Öffentlichkeit". Das Gegenwartsgeschehen war um ein Vielfaches schneller zu ermitteln, und die Öffentlichkeit wurde ein Kreis, dessen Durchmesser mit wachsender Schnelligkeit der Vervielfältigung immer weiter ausgreifen konnte. D i e t e c h n i s c h e n V o r a u s s e t z u n g e n d e r m o d e r nen Tageszeitung wurden geschaffen.

Bis zum Beginn des Maschinenzeitalters modernisierte diese Presse sich nur wenig. Dann war es die Z e i t u n g , die ihre technische Entwicklung vorwärts trieb, um die Schnelligkeit des Druckes zu steigern und immer größere Verbreitung möglich zu machen. Zeitungen haben den Bau der ersten S c h n e l l p r e s s e n finanziert.

F r i e d r i c h W i l h e l m K ö n i g (1774-1833) aus Eisleben sah, wie der Webstuhl dem Weber mechanisch das Hin- und Herwerfen des Webergarnschiffchens abnahm. So suchte er die Grundbewegungen des Druckvorganges miteinander durch einen aus einer Kraftquelle gespeisten Mechanismus zu verbinden und fand den technischen Grundsatz der S c h n e l l p r e s s e . Es gelang ihm, nachdem er in Deutschland vergeblich versucht hatte, seine Erfindung anzubringen, die Londoner „ T I M E S " daf ü r zu interessieren. Das sensationelle Zeitgeschehen zwang die „ T I M E S " , ihre Nachrichtendienste zu beschleunigen. Das politische Interesse der Öffentlichkeit forderte schnellere und größere Verbreitung der Zeitung. Der Augenblick für die Einführung druckbeschleunigender Mittel war gekommen. Am 29. November 1814 erschien die „ T I M E S " zum ersten Male, wie sie in ihrem Leitartikel mitteilte, „vermittelst eines mechanischen Apparates" hergestellt. König hatte seine Schnellpresse in wenigen Jahren so vervollkommnet, daß sie sofort das Vierfache der bisherigen Presse leistete (Druckleistung der alten Presse 250 — 300 Bogen in der Stunde. Erste Schnellpresse 1100, zweite, verbesserte schon 2000 Bogen in der Stunde.) Die Schnelligkeit steigt dann rasch weiter. Eine weitere sehr erfolgreiche Fortentwicklung, wieder unter dem Drängen der Zeitung, wurde in den 60er J a h -

2. Die Ausgaben — Satz und Druck

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ren möglich. Man löste die Druckbewegungen in eine R o l l e n b e w e g u n g auf. Der Satz wurde durch Stereotypie auf Walzenform gebracht und zwischen Druckzylinder und Satzzylinder der Streifen sogenannten „unendlichen Papiers" durchgeleitet (Rotationspresse = R o l l e n d r u c k p r e s s e ) . Damit war einer neuen, alles überholenden Geschwindigkeit der Weg freigemacht. Sie leistet heute 700000 vier- bis achtseitige Zeitungen in der Stunde, entsprechend weniger bei größerem Umfang des Blattes. Doch ist die Maschine durch Verbindung vieler Werke heute so durchgebildet, daß sie in einer Rollen presse 96seitige Zeitungen herstellt, von denen sie 30000 in einer Stunde drucken kann. Auch die Rotationspresse und ihre Hilfsmittel sind besonders von den Zeitungsverlagen entwickelt worden.

So schafft sich die Zeitung selbst die technischen Voraussetzungen für die Massenauflage, bindet sich immer stärker an die Bedingungen des kapitalistischen Großbetriebes und bleibt im Hinblick auf ihre geistige Unabhäng'gkeit durch ihn bedroht. Neben dem Druck wird nun auch die Herstellung des Satzes mechanisiert. Fast bis ins ausgehende 19. Jahrhundert blieb die Satztechnik die gleiche wie zu Gutenbergs Zeiten. Im Winkelhaken wurde mit der Hand Buchstabe an Buchstabe gereiht und in Zeilengruppen schließlich zusammengebunden. Eine kunstvolle, mühsame, zeitraubende Angelegenheit. Für das Tempo der Zeitungsarbeit war dieses Verfahren viel zu schwerfällig. Man erfand die S e t z m a s c h i n e (Linotype, Typograph), die nicht Lettern zusammensetzte, sondern Gußformen zur Zeile schloß und durch einen mit der Setzmaschine verbundenen Gießapparat ganze Zeilen ausgoß. Die nicht Zeilen, sondern Einzeltypen ausgießende M o n o t y p e wird in Deutschland zum Zeitungssatz nicht verwandt. Die Erfindung der Setzmaschine in Form der Linotype ist O t t m a r M e r g e n t h a l e r (1854—1899) zu danken. Der Vorzug der Setzmaschine bestand nicht nur in der größeren Schnelligkeit, die den H a n d s a t z u m d a s D r e i - b i s V i e r f a c h e ü b e r t r a f , sondern auch in der in Zeilen festgegossenen, also in der Eile u n d Hast der Zeitungsarbeit stets leicht beweglichen Schrift, die zudem frisch gegossen n e u war und nicht abgenutzt und verquetscht in den Buchstaben. Das Setzverfahren hat in den letzten Jahren, was Schnelligkeit und Zuverlässigkeit anbelangt, einen großen Aufschwung

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

genommen. Eine Linotype Comet z. B. steigert die Schnelligkeit des Satzes von 6—7 Zeilen bei Normalmaschinen auf 12 Zeilen in der Minute. In USA ist ein System von F e r n s e t z a p p a r a t u ren entwickelt worden (Teletypesetter), das ähnlich den Fernschreibapparaturen in Lochstreifen fertigen Nachrichtensatz über Draht oder Funk an die Setzmaschinen sendet. Das hat bei den belieferten Maschinen allerdings sowohl im gelieferten redaktionellen Stoff als auch in den Schriften und Spaltenbreiten eine weitgehende Uniformierung zur Folge1). Die Umwandlung des flachen Satzes in die für die Rotation bestimmten Zylinderwalzen erheischte den Umguß der ebenen Satzform in die Rollenform. Dazu wurde der Satz in Pappmatern eingeprägt und diese in Zylinderform ausgegossen. Dieses S t e r e o t y p i e v e r f a h r e n wurde gleichfalls im Zeitungsbetrieb und für diesen Betrieb gefunden und brauchbar gemacht, steigerte aber auch dessen Kapitalbedarf. Immer größer wird so der Maschinenpark der Zeitung, immer größer der Kapitalbedarf, immer ansehnlicher der-Großbetrieb. Aber auch aus den Hilfs- und Rohstoffgewerben wachsen wirtschaftlich sehr machtvolle Kräfte und nehmen eine selbständige Stellung gegenüber der Zeitung ein. Die Technik des Rollendruckes verlangt die Zuführung von sogenanntem „ u n e n d l i c h e n P a p i e r " . E s ist für die Massenauflage bestimmt, fordert also auch die Massenherstellung des Papiers und vor allem seine Verbilligung. b) Papier Niemals hätten, wäre es bei der alten Papierherstellung aus Leinenlumpen geblieben, die Massenauflagen entstehen können, die eine breiteste Öffentlichkeit im modernen Sinne ausmachen. Zwar war die Technik zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegenüber der alten Perga-' ment- und Büttenarbeit sehr beschleunigt. Sie blieb aber — schon aus Rohstoffmangel — nach wie vor teuer und für Massenherstellung nicht geeignet. Da wurde die H e r stellung des P a p i e r s aus Holz entdeckt. ') Vgl. Bretag, W. „60 Jahre Setzmaschinentechnik", Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag. Sonderausg. zum 60 jährigen Bestehen des Vereins Deutscher Zeitungsverleger. 1954. S. 350.

2. Die Ausgaben — Papier

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Wie wenig die alte Papierfabrikation selbst in früheren Zeiten genügt hat, geht aus der Tatsache hervor, daß sie gelegentlich großer politischer Ereignisse den durch den Lesehunger steigenden Bedarf der Zeitungen gar nicht decken konnte. Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gingen Frauen und Mädchen von Haus zu Haus, um Lumpen als Rohmaterial für die Papierherstellung zu sammeln. Der sächsische Webermeister F r i e d r i c h G o t t l o b K e l l e r in Hainichen beobachtete, wie Wespen Kiefernholz zerreiben und den entstehenden Holzstoff, mit Speichel zu einer dünnen, aber biegungsfähigen Masse verarbeiteten, aus der sie ihr Nest bauen. Keller entwickelte nach dieser Beobachtung 1845 die Papierherstellung aus Holzschliff und verkaufte sein Verfahren an eine Bautzener Papierfabrik. Das Verfahren wurde in Amerika weiter entwickelt und dann in Deutschland wieder eingeführt und verbessert. Heute wird bei der Herstellung von Papier aus Holz eine Mischung von H o l z s t o f f (mechanisch zerschliffenes Holz, Holzschliff) und Z e l l u l o s e (chemisch unter Säureeinwirkung gekochtes und erschlossenes Holz), und zwar für Zeitungspapier etwa zu 80% Holzschliff verwendet. Deutschland verbraucht allein für die Herstellung von Zeitungspapier 1,3 — 1,5 Millionen Raummeter Holz jährlich. Die deutsche Forstwirtschaft kann diesen Bedarf auch nicht annähernd decken. Große Teile des Holzbedarfs für die Papierherstellung müssen daher eingeführt werden. In der Inflationszeit verbilligte man den Papierbezug durch Staatszuschüsse, die aus einer Ausfuhrsonderbesteuerung gewonnen wurden. Hier wurde also die G e s a m t h e i t b e s t e u e r t , um in den p o l i t i s c h err e g t e n Z e i t e n das Z e i t u n g s w e s e n zu s t ü t z e n . Nach 1945 war die Durchführung der Papierbelieferung der deutschen Presse zunächst nur mit Hilfe der Besatzungsmächte möglich. Der Zeitungsdruckpapierverbrauch der Bundesrepublik und West-Berlins mit 48,4 + 2,2 Millionen Einwohnern ergibt bei einer Inlandsproduktion von 220000 Tonnen und einer Einfuhr von 100000 Tonnen 1954 einen Pro-Kopf-Verbrauch von 6,3 kg gegenüber 4,1 kg im Jahre 1951. Der Preis pro Kilogramm ist infolge der Rohstoffeinfuhr, der Steigerung aller Kostensätze und des schwerwiegenden Verlustes der Produktionskapazität aus den Gebieten jenseits der OderNeiße-Grenze und z. Z. auch der sowjetisch besetzten Zone gegenüber dem Preis vor dem 2. Weltkrieg erheblich gestiegen. Er beträgt z. Z. 688,80 bis 700,00 DM für die Tonne gegen 300 M im Jahre 1930.

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

Die F r e i h e i t d e r P a p i e r p r o d u k t i o n und der P a p i e r z u t e i l u n g ist eine Voraussetzung der Pressefreiheit. In der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands erfolgt die Papierzuteilung unter starker Bevorzugung der SED-Presse nach politischen Gesichtspunkten. In der Sowjetunion ist die Papierzuteilung rein politisch bestimmt.

Die D r u c k f a r b e u n d ihre Herstellung ist im allgemeinen ohne E i n f l u ß auf die Gesamtherstellung der Zeit u n g gewesen. F r ü h e r war es Aufgabe des Druckers, seinen F a r b e n v o r r a t aus R u ß u n d Firnis vor dem S t a d t t o r selbst zu kochen, was immer Anlaß eines frohen Festes war. Die Feier des J o h a n n i s t a g e s als Fest der Buchdrucker ist bis h e u t e erhalten. Seit A n f a n g des 19. J a h r h u n d e r t s erfolgt die Herstellung der F a r b e f a b r i k m ä ß i g . c) Vertrieb I s t schon die Vervielfältigung der Zeitung an Schnelligkeit u n d Zahl immer gesteigert worden u n t e r dem Zwang schleunigster X a c h r i c h t e n ü b e n n i t t l u n g , so wird auch die Auslieferung des fertigen Blattes an den E m p fänger so schnell, so pünktlich u n d so sicher wie n u r möglich zu vollziehen sein. Wir kennen drei F o r m e n der V e r b r e i t u n g : 1. den Straßenverkauf durch angestellte oder selbständige Händler, 2. den Vertrieb an feste Bezieher (Abonnenten) durch e'gene oder f r e m d e Beförder u n g s u n t e r n e h m e n , 3. das Abholen der Zeitung durch den Leser beim Verlag. Diese letzte Form, heute nur in kleinsten Verhältnissen üblich und auch dort nur in geringem Umfang geübt, streitet sich mit dem Straßenverkauf um den Ruhm, erstes Vertriebsmittel der Zeitung überhaupt gewesen zu sein. Ohne Frage sind Vorläufer der Zeitung und ihres Vertriebs, die sogenannten „Einblattdrucke", auch „Neue Zeitungen" genannt, die einmaligen, noch nicht periodischen Nachrichtendrucke des 15. und 16. Jahrhunderts durch Ausrufen und Verkaufen auf Straßen, Messen und Märkten verbreitet worden, so wie die frühen periodischen Zeitungen wahrscheinlich durch Abholen beim Postmeister oder Drucker ihre Verbreitung fanden. Die größte Rolle im örtlichen Vertrieb des Blattes an f e s t e B e z i e h e r (sogenanntes Abonnement, in Deutschland bevor-

2. Die Ausgaben — Vertrieb

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zugte Form des Zeitungsbezuges s. S. 115) spielt der Vertrieb durch „Austragen", d. h. durch ein eigenes Botensystem. In großem Stil wird es erst seit dem Aufkommen der Massenpresse angewandt (etwa 1880). Gegenüber allen anderen mittelbaren Vertriebssystemen, z. B. durch eigene Zeitungsspeditionsfirmen (s. S. 110) und auch durch die Post (s. S. 111), hat dieses Verfahren den großen Vorzug, eine unmittelbare Fühlung zwischen Verlag und Leser herzustellen. Name und Stand der Leser können leicht festgestellt werden. Die Trägerin wirbt selber neue Leser, da sie entweder eine Vergütung für Neubezieher erhält oder durch ihren Stücklohn an der Steigerung der Bezieherziffer interessiert ist. Eine Botenfrau bedient, je nach der Abgrenzung des Austragebezirkes, bis zu 200 Dauerbezieher. Bei weitgestreckten Absatzgebieten erfolgt der Vertrieb durch Nebenstellen (Filialen), deren in den Großstädten die Zeitungsbetriebe bis zu 60 (Berlin vor 1933) unterhalten. Zu ihnen werden die Zeitungen durch Kraftwagen, Räder usw. gebracht, und diese Nebenstellen organisieren ihre eigenen Trägergruppen. Die Grenze der Leistungsfähigkeit einer Nebenstelle ist bei 20000 Dauerbeziehern erreicht. Der größte Berliner Verlag vor 1933 unterhielt 2000 Zeitungsträger. Westberlin unterhält heute insgesamt etwa 3100 Träger. Großberlin beschäftigte vor dem Kriege rund 8000 Träger. Den E i n z e l a b s a t z am Orte leisten neben Kiosken 1 ), Läden, Bahnhofsbuchhandlungen usw. die S t r a ß e n h ä n d l e r , die in größter Beweglichkeit und oft mit gewiegter Verkaufstechnik den interessierten Leser zu finden wissen. Sie können Z u s c h u ß h ä n d l e r sein, d. h. die Verpflichtung haben, nur Blätter eines Verlages nach dessen Anweisungen zu vertreiben. Sie erhalten dafür einen festen Gehaltssatz, eventuell auch eine Uniform, kaufen aber für einen Bedarf, den sie abschätzen, handeln also in der Hauptsache für eigene Rechnung. Der f r e i e H ä n d l e r hat im Gegensatz dazu diese Bindung an e i n e n Verlag nicht. E r kann also verschiedene Blätter vertreiben und vertreibt sie, wo er will, doch ist auch sein Vertriebsgebiet oft durch ein Gewohnheitsrecht der Händler untereinander begrenzt. Weniger in Deutschland als vielmehr im Ausland arbeitet der Straßenhändler mit lauten Rufen, indem er entweder den Text der Kopfzeile oder aber den Namen der Zeitung ausruft, was meist in einem bestimmten, immer wiederkehrenden Rhythmus und Tonfall erfolgt. Nichts zeigt die unerläßliche Leserwerbung der Zeitung bis in alle Straßenwinkel und in alle Bevölkerungsteile >) In We t - B rlin: ca. 1650 freie Kiofkhäncller (laut IWAG).

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

anschaulicher, als das Heer der Zeitungshändler in einer Weltstadt. Die Entwicklung des Straßen Verkaufs hat in den Ländern, wo diese Vertriebsform die vorherrschende ist (Frankreich, England, Vereinigte Staaten), Formen angenommen, die wir in Deutschland nicht kennen, wo der feste Bezug überwiegt (s. S. 111). Doch haben sich auch in Deutschland nach 1945 die Typen der Straßenverkaufspresse in zwar wenigen, aber auflagestarken Verlagen entwickelt. Jedes Blatt hat den Trieb, sich über das enge Verbreitungsgebiet des Erscheinungsortes auszudehnen, dem städtischen Absatz einen Provinzabsatz zuzugesellen und diesen direkt und pünktlich zu beliefern. Binnen der Zwei-Meilen-Zone ist das ohne weiteres möglich, darüber hinaus greift in Deutschland das Postregal hemmend ein. Es erlaubt eine Versendung von Zeitungen über die Zwei-Meilen-Zone nur dann, wenn die Beförderung v ö l l i g i n d e r e i g e n e n R e g i e d e s V e r l a g e s vor sich geht, sich also fremder Transportunternehmen nicht bedient (§ 2 der Postordnung). Diese Bestimmung h a t zur Einrichtung sogenannter „expresser Boten" geführt. Das sind Boten, die alle öffentlichen Verkehrsmittel, besonders auch die Eisenbahn, zur Zeitungsbeförderung benutzen. Sie stehen fest im Dienste des Verlages und dürfen gerade soviel Zeitungen befördern, wie sie tragen können. An dem außerhalb der Zwei-Meilen-Grenze gelegenen Empfangs- und Verbreitungsort sind dann häufig eigene Zweigstellen des Betriebes eingerichtet, die im Einzelverkauf oder durch die Träger die Zeitung weitervertreiben. Bei kapitalstärkeren Unternehmen treten an Stelle der expressen Boten andere verlagseigene Vertriebsmittel, insbesondere Kraftfahrzeuge, früher, z. B. im Bäderd:enst während der Ferienzeit, auch Flugzeuge. Auch in normalen Zeiten ist nicht jeder Verlag in der Lage, aus eigenen Mitteln einen umfangreichen Vertriebsapparat aufzubauen. Teilweise bieten ihm und seinen besonderen Verhältnissen auch f r e m d e V e r k e h r s m i t t e l zweckmäßige Vertriebsformen. I n großen Städten können z. B. f ü r den örtlichen Vertrieb selbständige Speditionsunternehmen (sogenannte Zeitungszentralen) die Zeitung verbreiten. Eine Einrichtung, von der die Blätter namentlich dann Gebrauch machen, wenn sie nicht stark genug sind, einen eigenen, das ganze Stadtgebiet deckenden Vertriebsapparat aufzubauen. In F r a n k r e i c h hatte bekanntlich die Messagerie Hachette den gesamten Zeitungshandel des Landes nahezu monopolisiert. Auch hier zeigte sich plötzlich wieder die Bindung zwischen technischer Organisation und geistiger Zielrichtung.

2. Die Ausgaben — Redaktion

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Für die Verbreitung außerhalb des Verbreitungsortes ist in Deutschland dann die P o s t das gegebene Verkehrsunternehmen. Am Orte selbst bestellte sie nur im kleinen Umfange. Entscheidend wichtig ist die unmittelbare Bestellung durch die P o s t z e i t u n g s ä m t e r nach außerhalb. Diese Verbreitung durch sogenannte P o s t e i n w e i s u n g macht die Post zur selbständigen Vermittlerin. Die Zeitung wird in geschlossenen Mengen beim Postzeitungsamt eingeliefert, dort durch ein besonderes Verfahren versandt und als offenes Einzelstück im Orte selbst oder auswärts durch regelmäßige Postbestellung auf die Postbezieher verteilt. Die Post erhält dafür eine durch Nummergewicht und Nummerzahl bestimmte G e b ü h r . Bei der ständigen Bewegung und Wandlung des Bezieherkreises bedarf es zu dieser Betriebsform einer sehr durchdachten und genau ineinandergreifenden Verteilungsarbeit, deren Leistungsfähigkeit aus folgenden Angaben erhellt: Neben der „Einweisung" ist es noch möglich, geschlossene Zeitungssendungen (bis zu 20 kg) als „ B a h n h o f s z e i t u n g e n " einzuliefern. Sie müssen dann von den Empfängern (Filialen, Botenfrauen, Händlern usw.) unmittelbar nach der Ankunft der Post am Bahnhof in Empfang genommen werden. Alle diese Leistungen der Post können in ihrer Bedeutung für den Vertrieb der Zeitung kaum hoch genug eingeschätzt werden. Der aus der Geschichte der Presse stammende Satz: „Die Post, die Mutter der Zeitung", bewährt sich also im Vertrieb der Zeitung ebenso, wie wir ihn in der Nachrichtenbeförderung bewährt fanden. Daß die deutsche Zeitung in der überwiegenden Mehrzahl „im Abonnement" f e s t b e z o g e n wird und der eigentliche Straßenverkauf nur einen Teil des Vertriebs ausmacht, zeigen nachfolgende Angaben: Die Ges a m t a u f l a g e der deutschen Zeitungen (s. auch S. 119) betrug im Jahre 1953 rund 16 Millionen. Von den gezählten 1403 Tageszeitungen werden nur 1,4% fast ganz im Straßen verkauf vertrieben. Auf diese geringe Zahl von „Boulevardblättern" fallen jedoch 2,4 Millionen, also 15% der deutschen Gesamtauflage (vgl. S. 127). d) Die Kosten der Redaktion Erfüllt die Zeitung ihren öffentlichen Auftrag, so wird sie die Ergebnisse ihrer wirtschaftlichen Arbeit in erster Linie der Entwicklung ihrer publizistischen

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V . Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

Pflichten zuführen. Jedenfalls muß sie der Redaktion aus dem wirtschaftlichen Ertrage der Zeitung nach Möglichkeit zuleiten, was die geistig-politische Zielgebung der Zeitung fordert. Die Ausgaben für diese geistigen Leistungen erscheinen im Aufwand für die Redaktion. Während die Ausgaben für Papier und Vertrieb beweglich mit der Auflage steigen und fallen, scheinen die Kosten für die Redaktion zunächst gleich zu bleiben. Es ist unmöglich, die Höhe der Redaktionskosten zur Höhe der Auflage in ein Verhältnis zu bringen, das auch nur mit der Gültigkeit einer Regel festgesetzt werden könnte. Es gibt und gab immer Zeitungen, die trotz üppigster, in Massenauflage und Anzeigenplantage blühender Wirtschaftslage der Redaktion nur dürftigste Nahrung zugestehen. Hier galt und gilt Karl Büchers grimmiges W r ort: „Eine Zeitung ist ein kapitalistisches Erwerbsunternehmen, das Anzeigenraum als Ware produziert, den es durch Beigabe eines redaktionellen Teiles absetzbar macht." Der redaktionelle Teil wird lästige Beigabe. Er muß so billig wie möglich geliefert werden. Neben diesen Zeitungen stehen aber auch politische Blätter, Blätter mit stark kulturellem Wollen, Blätter kämpfender Haltung, die ihren Redaktionen oft mehr zukommen lassen als kaufmännisch möglich erscheint. Ziel ist auch hier, durch Wertsteigerung die Auflageste'gerung herbeizuführen, die dann auch dem gesamten Unternehmen zugute kommt. Ziel der rechten Verlagsführung ist eine g e s u n d e , der Aufgabe der Zeitung dienstbare Wirtschaftsführung, wobei noch ein Drittes mitspricht: der L e s e r , das P u b l i k u m . Seinen Forderungen wird auch in der Ausstattung des redaktionellen Teils — zumal wenn mehrere Zeitungen in einem Wettbewerb stehen — die Zeitung entgegenkommen müssen, und so werden sich in Wechselwirkung zwischen dem Willen, dem Bildungsstand und der geistigen Grundrichtung des Leserkreises gewisse Typen der Zei-

2. Die Ausgaben — Redaktion

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tung entwickeln, deren Charakter auch an den Ausgaben für den redaktionellen Teil abzulesen sind. In grober Unterteilung unterscheiden wir die sachlichen und persönlichen Kosten der Redaktion. J e nach dem Wertstreben der Zeitung, ihrem Willen zur Eigenart sowie nach der Vielfältigkeit ihrer Aufgaben, werden diese persönlichen Ausgaben steigen oder fallen. So schwankt die Personalbesetzung einer deutschen Redaktion gegenwärtig zwischen 1 und 40 festangestellten Redakteuren, wozu die auswärtigen Vertretungen hinzukommen. Die Fälle bestehen besonders, in denen der Verleger selbst zugleich Redakteur ist und seine K r a f t also sowohl in den Verlags- wie in Redaktionsgeschäften einsetzt. Diese Fälle sind nach dem Kriege nicht nur bei sehr kleinen Blättern gegeben, sondern durch das System der Lizenzierungen häufiger geworden. Unter den sachlichen Unkosten sind die für sogenanntes „Redaktionsmaterial'' aufgewandten Summen zuerst zu nennen. ,Je nachdem eine Zeitung sich eigener, für sie allein geschriebener Artikel oder des Dienstes der Korrespondenzen bedient, wird sie ihre Redaktion teuer oder billig bestreiten können, und das Maß ihrer Aufwendungen wird durch das Maß des Ertrages bestimmt sein, den sie in ihrem publizistischen Felde erwirtschaftet. Alle Ausgabensummen bleiben hier beweglich. Äußerlich kann leider an der Redaktion am ehesten gespart werden. An ihr wird aber auch immer am ehesten f a l s c h gespart. Großzügige Ausstattung der Redaktion zum richtigen Ausbau ihrer Aufgabe ist auf die Dauer die beste Werbung für das Blatt. Geht wegen der Dürftigkeit des redaktionellen Teiles der Leser verloren, so versagt auch früher oder später das Anzeigengeschäft. In die gänzlich verschiedenartige Höhe der Kosten für die Redaktion ist nur dadurch eine Gliederung zu bringen, daß man unterscheidet zwischen Blättern mit überwiegend e i g e n e r Arbeit und Blättern mit überwiegend fremder oder typisierter Stoffbeschaffung. Die vor D o v i f a t , ZeitunRslelire I I

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

dem Kriege übliche klischierte Stofflieferung ganzer Zeitungen in Matern findet heute keinen Markt mehr. Jedoch haben sich in Gestalt von Z e i t u n g s r i n g e n mittlere und kleinere Zeitungen zusammengeschlossen, die neben der zusammengefaßten Anzeigenwerbung auch Redaktionsgemeinschaften unterhalten. Auch der gemeinsame Betrieb von Bonner Vertretungen oder Auslandsvertretungen f ü h r t zu einer Verbilligung, häufig auch zu einer Wertsteigerung des gemeinsam finanzierten Redaktionsmaterials. Trägt m a n noch Sorge, daß kein anderes Blatt innerhalb des eigenen Absatzkreises die gemeinsamen Dienste bezieht, so ist das Blatt in der Lage, trotz Senkung der redaktionellen Kosten, f ü r sein Gebiet einmalig zu sein. Im Nachrichtendienst ist der Bezug der g l e i c h e n Nachricht auch f ü r die im Wettbewerb stehenden Blätter notwendig. Es sind, wie oben (I, S. 63) gezeigt wurde, nur wenige Nachrichtenbüros in der Lage, einen allgemeinen großen Weltdienst zu unterhalten. Auf diese wenigen Büros bleiben zur Grundunterrichtung die meisten angewiesen, auch soweit sie durch eigenen Dienst sich selbständig ergänzen. Als Ergebnis ist festzustellen: Die K o s t e n der R e d a k t i o n sind n a c h Größe und T y p des B l a t t e s und nach den Möglichkeiten der Stoffbeschaffung sehr unterschied e n , sie sind a b e r die w i c h t i g s t e n A u s g a b e n , d e n n sie b e d i n g e n die p u b l i z i s t i s c h e W i r k u n g des Blattes, dessen w i r t s c h a f t l i c h e r Gewinn ihnen also b e v o r z u g t zur weiteren W e r t - und W i r k u n g s s t e i g e r u n g zufließen sollte. Das V e r h ä l t n i s d e r A u s g a b e n u n t e r e i n a n d e r bleibt beweglich je nach Typ, Verbreitung, Auflage und geistig-publizistischer Art der einzelnen Blätter. Aus dieser Tatsache folgert das K o s t e n g e s e t z der Zeitung, das nach Betrachtung der Einnahmen besonders darzustellen ist (s. S. 133).

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3. Die Einnahmen — Verkauf

3. Die Einnahmen a) Verkauf Die zeitungsgemäßen Einnahmen der Zeitung sind die Einnahmen aus Verkauf und aus Anzeigen. Der Verkauf erfolgt im f e s t e n B e z u g (Abonnement) oder im N u m m e r n a b s a t z (Straßenhandel). Der feste Bezug, das Abonnement, ist „ein Vertrags Verhältnis, bei dem eine Reihe von zeitlieh aufeinanderfolgenden Leistungen durch eine Bauschsumme vergütet wird, die niedriger ist, als der Gesamtbetrag der Einzelpreise f ü r diese Leistungen sein würde" (Bücher). Das Abonnement stellt also eine zeitliche Bindung dar, ein gewisses Vertrauensverhältnis auf Zeit, einen Vertrag zwischen dem Leser und der Zeitung. Die D a u e r dieses Vertrages h a t sich im Laufe der Geschichte der Tageszeitung ständig verkürzt. Wurde der Einblattdruck seiner N a t u r entsprechend im Einzelverkauf abgegeben, so war in dem Augenblick, wo die Periodizität, die Regelmäßigkeit des Erscheinens, die einzelnen Zeitungsnummern unter sich verband, auch die Bindung an den Leser notwendig gegeben, damit t er Drucker sicher rechnen konnte. Die erste feste Bezugszeit war ein J a h r . Er»t zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich derhalbjährliche, und später der \ierteljährliche Bezug durch. Mit Aufkommen der Generalanzeigerpresse wurde der Monatsbezug häufig, und Ende des Jahrhunderts — mit der Begründung der „Berliner Morgenpost" — kommt 1898 der W o c h e n b e z u g auf. Damit stand der feste Bezug hart vor der Auflösung in den N u m m e r n v e r k a u f . E r ist im allgemeinen ein Straßen verkauf oder Verkauf aus Läden unjl Kiosken. In den anglo-amerikanischen Ländern und in Frankreich ist diese Vertriebsform stets bevorzugt gewesen. I n D e u t s c h l a n d wurde sie Anfang dieses Jahrhunderts zum erstenmal f ü r die damalige „B.Z. am Mittag" in .Berlin durchgeführt (1908). Diese Verkaufsform setzte sich aber bei uns nicht allgemein durch, sondern wurde nur die Vertriebsform der Straßenverkaufspresse (Boulevardpresse) als eines besonderen Zeitungstyps. Seine Eigenart ist eine typographische Aufmachung lesewerbender Art durch plakatartigen Umbruch der ersten Seite und eine Ausrichtung des Inhaltes auf den Großstadtleser. Stofflich sucht das Straßenverkaufsblatt durch besonders packende, leichte und spannende Form den Leser auch da zu fassen, wo er im Lärm der Straße und der Verkehrsmittel tote Stunden auszufüllen bemüht ist. Die A u f l a g e der Boule8*

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V. Die Technik u n d W i r t s c h a f t im Zeitungsbetrieb

v a r d b l ä t t e r ist, n e b e n dem auf feste K u n d s c h a f t bauenden Absatz, von der Ausstattung der erstfen Seite, dem allgemeinen Augenblicksinteresse an sensationellen Dingen u n d dem W e t t e r abhängig. Wirtschaftlich ist sie daher schwerer zu berechnen u n d die Herausgabe von Boulevardblättern war im allgemeinen Groß Verlagen vorbehalten, die darin eine weitere Ausn u t z u n g der in ihren Maschinen angelegten Kapitalien sahen. Nach dem 2. Weltkrieg u n d in Ausnutzung der stark auf erregende Sensation, krasse Außerordentlichkeiten, Verbrechen, N a t u r u n d Lebenskatastrophen und E r o t i k in W o r t u n d Bild gerichteten Interessen breiter Massen t r a t in Deutschland erstmalig ohne S t a n d o r t b i n d u n g die eigene Bilderzeitung nach angelsächsischen Vorbildern auf. Sie erreicht z. Zt. mit 1,5 Mill. die höchste deutsche Zeitungsauflage überhaupt. 1954 k o m m t die Boulevardpresse mit 1,4% der Zeitungsverlage bereits auf 15%, also 2,4 Millionen der deutschen Gesamtauflage von 16 Millionen N u m m e r n (vgl. S. 130). Es ist also eine starke Auflagenkonzentration auf den Boulevardtyp im Gange.

Der P r e i s der Tageszeitung, d. h. zunächst des festen Bezugs, wurde, weil man mit dem „Zeitungsschreiber" ursprünglich einen Leistungsvertrag geschlossen hatte, lange Zeit hindurch n a c h h e r bezahlt, obgleich der Abonnementsvertrag längst ein Lieferungsvertrag geworden ist. Bis ins 19. J a h r h u n d e r t hinein sind die Blätter voller Klagen ob der unregelmäßigen Zahlung dieser Abonnementsbeträge. Zu Anfang des 19. J a h r h u n d e r t s gehen dann einige Blätter entschlossen zur Vorauszahlung über, die übrigen folgen bitld. Der Preis der Zeitung war im allgemeinen anfangs so hoch, daß sie ein Gegenstand des Massenverbrauchs zunächst nicht werden konnte. Auch der Bildungsstand der Masse machte das damals unmöglich. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, und in Deutschland bis in die 70er Jahre, war der regelmäßige Zeitungsbezug nur den begüterten Schichten vorbehalten. Daher waren auch die geistigen Anforderungen der Zeitung, seit sie als Mittel des Meinungskampfes eingesetzt wurde, zunächst nur den gebildeten Schichten angepaßt. Die Masse las Zeitungen nur selten. In erregten Zeiten wurden die Blätter öffentlich vorgelesen.

3. Die Einnahmen — Verkauf

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Weniger b e g ü t e r t e geistige Arbeiter (Lehrer, B e a m t e , S c h r i f t s t e l l e r , S t u d e n t e n ) e r l a u b t e n sich g l e i c h f a l l s k e i n e A b o n n e m e n t s , sondern lasen die Zeitungen in Cafehäus e r n u n d , , Z e i t u n g s ( l e s e ) h a l l e n " . Sie w u r d e n (in D e u t s c h l a n d u n d F r a n k r e i c h n a m e n t l i c h i m V o r m ä r z ) zu S a m m e l p u n k t e n politisch Interessierter (Cafehaus-Journalismus). N a c h d e m e r s t e n D r i t t e l d e s 19. J a h r h u n d e r t s s e t z t d a n n in a l l e n Z e i t u n g s l ä n d e r n , z u e r s t i n A m e r i k a , z u letzt in D e u t s c h l a n d , ein s t a r k e r u n d ständiger R ü c k g a n g d e r Zeitungspreise ein. D a m i t fällt a u c h die Aufhebung der Zeitungssondersteuer (Stempel!) u n d der A n z e i g e n m o n o p o l e (s. S. 120) z u s a m m e n . D i e Z e i t u n g wird volkstümlich. Zuerst gelang es in den V e r e i n i g t e n S t a a t e n mit Erfolg dem New Yorker Verleger J a m e s G o r d o n B e n n e t t , im J a h r e 1835 ein Blatt, den „New York Herald", zu gründen, dessen Preis er auf 1 Cent herabsetzte, während die übrige Presse noch 6 — 8 Cent forderte. Das Blatt ließ jeden politischen Kampf beiseite und sammelte durch Appell an das Menschliche und Alltägliche, an Humor, Witz und Sentimentalität sowie durch praktische Beratung und Unterrichtung des Lesers (Redaktionsgrundsätze der Massenpresse) bis dahin nie erreichte Lesermassen um sich 1 ). In F r a n k r e i c h verbilligte fast zur gleichen Zeit E m i l e de G i r a r d i n am 1. Juli 1836 den Preis seines Blattes „La Presse" von 80 auf 40 Franken. Er förderte diesen Massenabsatz, indem er besonders das Feuilleton pflegte und den Zeitungsroman einführte. Die Zahl der verbrauchten Zeitungsbogen stieg in Paris in 10 Jahren von 42 Millionen auf 80 Millionen Stück, die Zahl der festen Bezieher von 70 auf 200000. In E n g l a n d vollzog C o l o n e l S l e i g h t die gleiche Entwicklung, indem er nach dem Fall der Stempelsteuer mit dem Preis des ,,Daily Telegraph" auf 1 Pence (gegen 3 — 5 bei der übrigen Presse) herunterging. Der Grundsatz der Massenzeitung ist dann später in England durch Alfred Harmsworth (Lord Northcliffe) in der „Dailv Mail" zu außerordentlichen Erfolgen gesteigert worden (1896). 1

) D o v i f a t , E . : Der Amerikanische Journalismus. Stuttgart 1927.

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

In D e u t s c h l a n d ist A u g u s t S c h e r l der erste erfolgreiche Begründer der Massenzeitung großen Stils. Mit dem „ B e r l i n e r L o k a l a n z e i g e r " setzte er 1883 ein Blatt in die Welt, das eigentlich gar nichts kostete, da die monatlich bei völlig freier Zustellung gegen Quittung erhobene Summe von 10 Pfennigen mehr zur Kontrolle der Trägerinnen denn als Bezahlung galt. Scherl entwickelte auch den Inhalt seines Blattes durchaus im Massenstil. Er hielt es zunächst ganz unpolitisch und pflegte den lokalen Teil besonders. E r legte Sorgfalt auf volkstümliche Darstellung. E r brachte Bilder, Lebens- und Rechtsberatung und einen spannenden Roman. So gelang es ihm, den Lokalanzeiger schon nach wenigen Wochen auf die — notariell belegte — Auflagenhöhe von 152000 zu bringen, eine Ziffer, die damals noch von keiner Tageszeitung erreicht worden war. Ende des J a h r hunderts folgte im Generalanzeigerstil die „Berliner Morgenpost", die es in den Nachkriegsjahren auf eine Auflage von 700000 Stück brachte 1 ). Diese Massenblätter haben mit ihren kräftigen finanziellen Erträgen oft gediegenen Qualitätszeitungen zu einem wohlversorgten und publizistisch bedeutsamen Dasein verholfen. Diese im Interesse des Ansehens des deutschen Journalismus erfreuliche Symbiose, dieses zweckmäßige publizistische Zusammenwirken von zwei verschiedenen Zeitungstypen ist wegen des Kapitalmangels der deutschen Verlage nach dem 2. Weltkrieg noch nicht wieder zustande gekommen. Statt dessen haben sich volkstümliche Massenblätter mit deutlich gesinnungsmäßiger Grundrichtung neben Generalanzeigern alten Stils, also solche ohne festgelegte Richtung, entwickelt (vgl. S. 38).

Im allgemeinen Wettbewerb mit den seit 1880 in Deutschland aufkommenden volkstümlichen Massenblättern senken auch die alten politischen Blätter ihre Preise und entwickeln ihre Anzeigenteile. Die manchmal zu weitgehende Verbilligung im Wettbewerb zwang dazu, für die Gestehungskosten sich immer mehr auf die Anzeigenerträge zu stützen, was der Unabhängigkeit mancher Zeitungen oft zum Verhängnis wurde. Näheres darüber ist im Vergleich der Einnahmen und Ausgaben gesagt (vgl. S. 133). Die heutigen Preise der Tagespresse *) Vgl. D o v i f a t , E . : Die Anfänge der Generalanzeigerpresse und „Archiv f. Buchgewerbe u. Gebrauchsgraphik". 1928, Maiheft. D o v i f a t , E . : Die Zeitungen. Gotha 1925.

3. Die Einnahmen — Anzeigen

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in Deutschland liegen je nach Erscheinen und Umfang etwa zwischen 3,00 DM und 4,00 DM monatlich, die Straßenverkaufsblätter zwischen 10 und 20 Pfennigen. Die Bezugspreise der Zeitungen sind gemessen am Anwachsen ihrer Gestehungskosten geringer geblieben. Über A u f l a g e n h ö h e in ihren Grenzen nach oben und unten unterrichten nachfolgende Angaben aus dem J a h r e 1954. Höchste Druckauflagen in Deutschland: „Das Bild" 1,6 Millionen „Westdeutsche Allgemeine", Essen . 347000 „Hamburger Abendblatt" 333 000 Als ausländische Beispiele seien nachfolgende Spitzenauflagen g e n a n n t : Daily Mirror 4,7 Millionen Daily Express-London 4,1 Millionen Daily News New York 3,2 Millionen Asahi Shimbun Tokio 1,4 Millionen France-Soir Paris 1,2 Millionen Als kleinste Auflage in Deutschland wurde ein Blatt mit einer Auflage von 200 Stück ermittelt. Höher als die der Tageszeitung liegen die Auflagen der Zeitschriften. Eine deutsche Rundfunkillustrierte erreicht 2,3 Millionen. Höchste Zeitschriftenauflage der Welt erreicht R e a d e r s D i g e s t , das allerdings in vier Sprachen erscheint. und 15 Millionen druckt. Höchste Zeitschriftenauflage einsprachig: News of the World, London mit 9,5 Millionen. b) Anzeigen Gleich der Nachricht ist auch die A n z e i g e eine Mitteilung (Bd. I, S. 52), doch ist sie nicht immer eine Nachricht, denn nicht das Interesse des die Mitteilung Empfangenden ist hier immer das Wichtigste und erst recht nicht ihre allgemeine und öffentliche Bedeutung. Anzeigen sind Bekanntmachungen, bei denen meist das Interesse des Bekanntmachenden bestimmend ist. Zu

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e i n e m g u t e n T e i l s i n d sie i m p r i v a t e n I n t e r e s s e w e r b e n d e Bekanntmachungen. Wert und Berechtigung dieser W e r b u n g entscheiden ihre öffentliche B e d e u t u n g . Zunächst bleiben die Mitteilungen meist privater N a t u r , d i e i n d i e Z e i t u n g g e g e b e n u n d i h r in d e n m e i s t e n F ä l l e n b e z a h l t w e r d e n , weil sie d i e ö f f e n t l i c h e V e r b r e i t u n g d e r Z e i t u n g u n d das d a m i t v e r b u n d e n e öffentliche Vert r a u e n in o f t s e h r w i r k s a m e r , w i r t s c h a f t l i c h b e d e u t samer u n d auch rechtlich durchaus berechtigter Form, aber doch zu p r i v a t e n Zwecken nutzen. Anzeigen sind B e k a n n t m a c h u n g e n , die sichtbar dem I n t e r e s s e des B e k a n n t m a c h e n d e n dienen und daher meist bezahlt werden. Weil aber die Anzeige sichtbar dem Interesse dessen, d e r sie g e g e b e n h a t , d i e n t , i s t sie v o m r e d a k t i o n e l l e n Teil, der n u r öffentlichen Interessen zu dienen h a t , d e u t lich zu s c h e i d e n . Der Anzeigende nutzt also die Verbreitung, die Publizität (franz.: Publicite, engl.: Publicity) der Zeitung für seine privaten Zwecke. Zu seinem Nutzen macht er seine Mitteilung (engl.: „Advertisement", ältere deutsche Formen „Advertissement", „Notification"). Daß dabei diese privaten Zwecke gelegentlich von öffentlichem Interesse sein können (wie z. B.bei der amtlichen Anzeige), ändert nichts an der Tatsache, daß damit zunächst den Aufgaben der Ämter gedient ist, in deren Dienstbereich die Verwaltung dieser Interessen fällt. Die Anzeige ist so alt wie die Zeitung. Schon in Einblattdrucken fanden sich gelegentlich Anzeigen. Durch das sogenannte I n t e l l i g e n z w e s e n wurde im 17. und 18. Jahrhundert die Anzeige zum Gegenstand besonderer geschäftlicher Ausbeute und vielfach zum Staatsmonopol gemacht (so in Preußen bis 1850). Die Freigabe erfolgte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in einem Zeitabschnitt also, wo volkswirtschaftlich für ihre einzigartige Entwicklung alle Vorbedingungen gegeben waren. Es begann das eigentliche Industriezeitalter. Endgültig wurde mit der K u n d e n p r o d u k t i o n (Bestellung beim Handwerker) gebrochen. Man ging zur Produktion f ü r den M a r k t über, die planmäßige Anregung des Absatzes der auf den Markt gebrachten Ware verlangte. Reklame wurde notwendig. J e t z t erst beginnt die f ü r die Zeitung so wichtige, bisher nur in Anfängen

3. Die Einnahmen — Anzeigen

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sichtbare Entwicklung der G e s c h ä f t s a n z e i g e . Schon mit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts werden in den A n z e i g e n e x p e d i t i o n e n selbständige Hilfsgewerbe der Zeitungen groß, die den Geschäftsverkehr zwischen Zeitung und Anzeigenkunden vermitteln, beraten, anregen und vereinfachen (1855 Gründung der Anzeigenexpedition H a a s e n s t e i n u. V o g l e r in Hamburg). Heute sind sie zu „Anzeigenmittlern", zu „Werbeagenturen" entwickelt. Maßgebenden Einfluß gewinnt dann die Anzeige auf das Zeitungswesen des 19. Jahrhunderts in seiner Entwicklung zur Massenpresse (s. I, S. 42). Sie wird Ziel und Mittelpunkt eines neuen Zeitungstyps, der G e s c h ä f t s z e i t u n g , die den Bezugspreis verbilligt und aus einem durch Massenverbreitung wertvollen Anzeigenteil den Geschäftsgewinn zunächst als einziges Ziel der Zeitung sieht. Hier lagen die Ursachen plumper Sensationsmache zur Steigerung der Leserziffer und häufig auch interessenpolitischer Abhängigkeit von den Anzeigenkunden und den hinter ihnen stehenden mächtigeren Einflüssen. I m Dualismus der Zeitung Geist — Wirtschaft gewann die Wirtschaft einen oft überwiegenden Einfluß, und die Zeitung sammelte in der Öffentlichkeit ihre Leser um private Interessen, statt sie im öffentlichen Interesse zu führen. Die Grenzlinien zwischen öffentlichen und privaten Interessen sind in dem dualistischen Unternehmen Zeitung immer umstritten, doch müssen allgemeine Grundsätze beachtet werden. Sie sind festgelegt durch Vereinbarungen zwischen den im Zeitungswesen und in der Werbewirtschaft tätigen Berufsverbänden (Einzelheiten s. S. 129). E s ist falsch, die A n z e i g e a l s s o l c h e m i t den verh ä n g n i s v o l l e n W i r k u n g e n zu b e l a s t e n , d i e sie d u r c h f a l s c h e N u t z u n g v i e l f a c h h e r v o r g e b r a c h t h a t . Sie e r f ü l l t i h r e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e A u f g a b e (s. S. 124). I h r v e r d a n k t a u c h die Z e i t u n g ein g u t Teil w i r t s c h a f t l i c h e r M i t t e l , d i e sie b r a u c h t , u m i h r e n g e i s t i g e n A u f g a b e n ger e c h t z u w e r d e n . Sie e r m ö g l i c h t e d i e E r w e i t e r u n g d e s Textteiles, die Verbesserung der typographischen Auss t a t t u n g , einen großzügigen A u s b a u des Nachrichtendienstes, stärkere Personalbesetzung der Redaktion u n d die wachsende Schnelligkeit der Verbreitung. N u r aus der wirtschaftlichen S t ü t z e des Anzeigenteiles zog die Z e i t u n g d i e M i t t e l , d e m ö f f e n t l i c h e n L e b e n i n all s e i n e r Vielfältigkeit zu folgen. Die d a r a u s e n t s t e h e n d e n W e r t e

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

kommen dem Leser zugute, die daraus erwachsenden Kosten trägt zu einem guten Teil der Anzeigenkunde, der wiederum die öffentliche Verbreitung in seinem Interesse nutzt. Somit gilt zusammengefaßt: Die w i r t s c h a f t l i c h e A u s n u t z u n g der Anzeige e r m ö g l i c h t d e r Z e i t u n g d e n A u s b a u i h r e r geis t i g e n A u f g a b e , k a n n i h r a b e r e b e n so d i e G e f a h r einseitigen E r w e r b s s t r e b e n s und geistiger Abh ä n g i g k e i t bringen. Die A n z e i g e n e i n n a h m e n senken den Bezugspreis und ermöglichen damit erst den Massenabsatz. Erst nach diesem wirtschaftlichen Vorgang war es möglich, daß wirklich die breite Masse zum Zeitunglesen kam. 1. D i e A n z e i g e n a r t e n Nicht jede Anzeige dient der W e r b u n g . Sie ist zunächst nur eine bekanntgegebene Mitteilung, die oft rein amtlicher oder auch nur persönlicher Art sein kann. Andere gelten schon in der Ankündigung als „Bekanntmachungen". Sie können dann amtlich sein (Amtliche Anzeigen) oder persönlich (Familienanzeigen). Wo Anzeigen werbend sind, können sie e i n e n Umworbenen suchen und also einmalig sein („Kleine Anzeige") oder sich an v i e l e wenden und mit Wiederholung arbeiten (Geschäftsankündigungen, Reklamen). „ A m t l i c h e A n z e i g e n " sind in der Zeitung nicht nur als Einnahmen willkommen. Sie bringen ihr auch viele Leser. Eine Zeitung, die sich als „Amtliches Bekanntmachungsblatt" behördlicher oder politischer Stellen bezeichnen darf, tut das gern und mit Nutzen. In den Zeiten der Lebensmittelrationierung waren diese „Amtlichen Anzeigen" mit die am meisten gesuchten und gelesenen. Die F a m i l i e n a n z e i g e n verkünden Geburt, Verlobung, Hochzeit, Tod dem Kreise der Freunde und Bekannten. Wird ein Blatt für die Bekanntgabe der Familienanzeigen bestimmter Kreise und Gruppen bevorzugt, so erhält es dadurch eine gewisse Charakterisierung, die oft, wenn auch nicht immer, geschäftlich günstig ist.

3. Die Einnahmen — Anzeigen

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„ K l e i n e A n z e i g e n " sind alle Anzeigen, „bei denen es sich weder um Bekanntgabe von Tatsachen (Familien- und amtliche Inserate) noch um die Veröffentlichung von Vorgängen handelt, die sich aus dem geschäftlichen Charakter des Inserenten herleiten lassen" (Huck). Am deutlichsten sind sie wohl dadurch gekennzeichnet, daß sie es n i r g e n d s a u f M a s s e n w i r k u n g a b g e s e h e n h a b e n . Sie suchen im Gegensatz zur Geschäfts anzeige gleichsam nur e i n e n Partner zur Miete, zum Kauf, zum Verkauf, zur Ehe, zur Kindesannahme. Man sucht den Finder, den Verlierer, den Lehrer, den Schüler, den Darlehensgeber oder -nehmer, den Arbeitgeber oder -nehmer, den Wanderer, den Reisegenossen und den Skatbruder. Die Kleinen Anzeigen sind ein Markt, auf dem aber nicht geschäftlich eine Masse gleichwertiger Ware abgesetzt wird, sondern wo Tausende von Einzelangeboten einer einmaligen Nachfrage genügen. Dem trägt auch die typographische und geschäftliche Form der Kleinen Anzeige Rechnung. Sie ist möglichst billig (Bezahlung nach Worten), jedem zugänglich, in Gruppen zusammengestellt und erlaubt den anonymen Auftrag ( Z i f f e r n a n z e i g e ) . Das zeigt ihren einmaligen und persönlichen Charakter. Die Kleine Anzeige ist der Anzeigentyp, der dem privaten Anzeigenbedarf des Massenlesers entspricht. I n ihrer heutigen Form, als große Tausch- und Vermittlungsbörse gerade der Minderbemittelten, t a u c h t sie daher erst mit dem Emporkommen der modernen Massenpresse in diesem Umfange auf. Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist hoch einzuschätzen. Sie ist bar bezahlt und erfordert keine Werbungskosten. D a f ü r kann sie im Preise niedriger stehen als etwa Geschäftsanzeigen. I n den letzten Jahren werden die „Kleinen Anzeigen" auch zu Reklamemitteilungen von Geschäftsunternehmen genutzt, was ihrer ursprünglichen N a t u r entgegensteht, aber eine Fortentwicklung darstellt, die nicht zu vermeiden ist. G e s c h ä f t s a n z e i g e n sind die eigentlichen Werbeanzeigen. Die Bezeichnung bestimmter Anzeigen, die über oder neben dem Text in der Spaltenbreite des Textteiles stehen und meist hoch bezahlt sind, als sogenannte „Reklamen", ist eine irreführende Fachbezeichnung. J e d e Geschäftsanzeige dient mehr oder weniger deutlich der Reklame. Alle werden also von Geschäftsleuten aufgegeben, denen die Verbreitung der Zeitung Gelegenheit bietet, ihre Ware, ihr Hotel, ihre Veranstaltung, ihr Theater bekanntzugeben. Zeitungswirtschaftlich sind sie für das Blatt von großer Bedeutung, allgemein-volkswirtschaftlich haben sie als W erbemittel gleichfalls ihre besondere Aufgabe.

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V. Die Technik und Wirtschaft im Zeitungsbetrieb

2. Z e i t u n g s a n z e i g e n a l s W e r b e m i t t e l W e r b u n g , ganz allgemein, ist p l a n m ä ß i g e Beeinf l u s s u n g e i n e s a n d e r e n zu b e s t i m m t e n W i l l e n s ä u ß e r u n gen u n d Handlungen. Jeder menschliche Zweck kann I n h a l t einer W e r b u n g sein. I m öffentlichen L e b e n t r i t t sie u n s e n t g e g e n a l s P r o p a g a n d a , d a n n i s t sie p l a n m ä ß i g geordneter E i n s a t z persönlicher, geistiger u n d technischer Führungsmittel zur Eroberung der breites t e n Ö f f e n t l i c h k e i t f ü r e i n p u b l i z i s t i s c h e s Ziel. W e i t e r t r i t t d i e W e r b u n g auf a l s A g i t a t i o n , d a n n i s t sie e i n e rücksichtslos k ä m p f e n d e und überwältigende F o r m der P r o p a g a n d a , d i e e i n e n G e g n e r in s c h n e l l e r , m i t a l l e n Mitteln g e f ü h r t e n A k t i o n ü b e r w i n d e t , oder W e r b u n g ist „ W i r t s c h a f t s w e r b u n g " , ist R e k l a m e . Schon das Wort „Reklame" schreit (von lateinisch „reclamare" = immer wieder rufen). Man fühlt, daß Reklame eine Sache ist, die gar nicht öffentlich genug sein kann. „ R e k l a m e ist W e r b u n g f ü r P r i v a t i n t e r e s s e n , die mit dem Ans p r u c h ö f f e n t l i c h e r W e r t u n g a u f t r i t t . " „Ein behaupteter Wertanspruch mündet schließlich in eine private Aktion" (Schultze-Pfälzer). Daher das Widerspruchsvolle in der Reklame, dann z. B. wenn sie im Gewände der Nächstenliebe auft r i t t und doch nur ein Geschäft anstrebt, oder wenn sie suggestiv behauptet, die ganze Öffentlichkeit beglücken zu können und doch nur eine neue Ware an den Mann bringt. („Große Preisherabsetzung, unsere Ware: fast verschenkt"). Diese Zwiespältigkeit ihrer Natur f ü h r t dazu, daß sie sich oft selber nicht ganz ernst nimmt. Sie wird dann besonders wirksam (lustige Reklame, Humor in der Reklame). Man h a t versucht, den Sinn der Reklame aus der Unruhe unseres Zeitalters und der Zersplitterung seiner Wirtschaftsmittel zu verstehen. Hier liegen aber die Quellen der Reklame zweifellos nicht. Daß es in der Reklame, in der Wirtschaftswerbung Mißstände gegeben h a t und gibt, sollte nicht dazu führen, ihre v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e N o t w e n d i g k e i t zu verkennen. Reklame ist die notwendige F o l g e der modernen Marktproduktion und die Voraussetzung ihrer gesunden F o r t e n t w i c k l u n g , denn sie bringt Hersteller und Verbraucher miteinander in Verbindung, ermöglicht schnellen Massenabsatz und damit die B i l l i g k e i t der Erzeugnisse. Nur d i e Reklame ist volks-

3. Die Einnahmen — Anzeigen

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wirtschaftlich genommen wertvoll, die den Xurverdienerstandpunkt ausschaltet und einen gesunden Bedarf für gediegene Ware in solchem Umfange weckt, daß sie in massenmäßiger Herstellung verbilligt und doch qualitätsstark geliefert werden kann. Dies ist der volkswirtschaftlich nützliche Vorgang, den eine gute Werbung anregt. Außerdem hat sie sich reißerischer und unsolider Formen zu enthalten. Alle g u t e Reklame muß auch ein Stück echter Geschmackskultur sein. Große Markenartikelfirmen, führende Industrien und die Einzelhandelsunternehmen stehen in der Durchbildung geschmacksicherer Werbeformen in erfreulichem Wettbewerb. Die Werbung selber ist, schon durch ihr wirtschaftliches Gewicht, nicht mehr umstritten.

Das erhellen die nachfolgenden Angaben. Xach den jüngsten internationalen Berechnungen beträgt die Aufwendung für WirtschaftsWerbung in den der modernen Großwirtschaft aufgeschlossenen Ländern der Welt rund 2 % des jeweiligen Volkseinkommens 1 ). Nachprüfungen an den für 1935 in Deutschland berechenbaren Aufwendungen für Werbung ergaben die Richtigkeit dieser Quote. Danach würde sie für Deutschland bei einem Volkseinkommen von 98,4 Milliarden im J a h r e 1952 rund 2 Milliarden betragen. In dieser Summe wären also sämtliche Werbeaufwendungen e'nbegriffen: Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, Plakate, Schaufensterreklame und Dauerwerbung, Messen und Ausstellungen, Adreßbuchreklamen, Versandreklame und Prospekte, Werbung in Film und R u n d f u n k , dazu die Gehälter und Löhne in allen werbeschaffenden und -verwandten Berufen, insbesondere dem graphischen Gewerbe und der Papierindustrie. In USA betragen die Werbeaufwendungen 7,1 Milliarden Dollar = 30 Milliarden DM, in Großbritannien 200 Millionen P f u n d = 2,3 Milliarden DM. Dänemark gibt allerdings nur 1,4%, Italien sogar nur 0,3% seines Volkseinkommens für Werbung aus. l ) L ' i d c r f. h'.t in Dt u t > c h l a n d e r n e s y s t e m a t i s c h e u n d z u v e r ' ä s s i g c W c r b e s t a t i s ' i k . Vor 20 J a h n n i r l a u b r e d i e d a m a l s e i n g e f ü h r t e „ W< rb( a b g a b ; " a u f s t e u c r i i e h e m Wt g.': ein • B re; h n u n g d< s A u f w a n d t s t ü r W e r b u n g . S e h r v e r d i e n s t v o l l isl d a h r eine in d e r Zeil S c h r i f t ,, I) e r M a r k e n a r t i k e i " ( H e f t f>, 19.54) v e r ö f f i n ü i c h t e Z u s a m m e n s t e l l u n g : „ D i r W e r b r a u f w a n d d 1 und Feuerungen einschließlich Hilfseinrichtungen in Theorie, K o n s t r u k t i o n und Berechnung von W. Marcard f . 2. Auflage. N e u b e a r b e i t e t von K. Beck. I : Die theoretischen G r u n d l a g e n . W ä r m e , V e r b r e n n u n g , W ä r m e ü b e r t r a g u n g . 150 Seiten m i t 42 Abbildungen u n d 16 Tabellen. 1951 .Bd. 9 M: Dampfkessel. 147 Seiten mit 43 Abbildungen. 1952 . . Bd. 521 Dampfturbinen von C. Zietemann. 3., verbesserte Auflage. I : In V o r b e r e i t u n g Bd. 274 Technische Thermodynamik von W. Nusselt. 1: Grundlagen. 3., verbesserte Auflage. 144 Seiten mit 71 Abbildungen. 1950 Bd. 1084 I I : Theorie der W ä r m e k r a f t m a s c h i n e n . N e u d r u c k , 144 Seiten mit 87 Abbildungen und 32 Zahlenlafeln 1951. . Bü. 1151 Autogenes Schweißen und Schneiden von H. Niese. 5. Auflage. N e u b e a r b e i t e t von A. Küchler. 136 Seiten mit 71 Figuren. 1954 Bd. 493 Elehtrlsche Schweißverfahren von H. Niese. 2. Auflage. Neub e a r b e i t e t von H.Dienst. 136 Seiten m i t 58 Abbild u n g e n . 1955 ' . . . . B d . 1020 Hobezeuge von G. Tafel. 1: 2., verbesserte Auflage. 276 Seiten m i t 230 Figuren. 1954 Bd 414/4l4a

Wasserbau Wasserkraftanlagen von A. Ludin. I : P l a n u n g , G r u n a l a g e n und G r u n d z ü g e . 124 Seiten m i t 60 Abbildungen. 1955 I I : In Vorbereitung Vorkehrswasse au von H. Dehnert. I : E n t w u r f s g r u n d l a g e n , F l u ß r e g e l u n g e n . 103 Seiten m i t 52 T e x t a b b i l d u n g e n . 1950 I I : F l u ß k a n a l i s i e r u n g e n u n d S c h i f f a h r t s k a n ä l e . 94 Seiten m i t 60 T e x t a b b i l d u n g e n . 1950 I I I : Schleusen u n d H e b e w e r k e . 98 Seiten mit 70 T e x t a b bildungen. 1950 Talsperren von F. Tölke. 122 Seiten m i t 70 A b b i l d u n g e n . 1953 Wehr- und Stauanlagen von H. Dehnert. 134 Seiten m i t 90 Abbildungen. 1952 14

Bd. Bd.

665 666

Bd.

585

Bd.

597

B d . 1152 B d . 1044 Bd.

965

Hoch- und Tiefbau Die wichtigsten Baustoffe des Hoch- und Tiefbaus von O. Graf. 4., verbesserte Auflage. 131 Seiten mit 63 Abbildungen. 1953 Bd. 984 Baustoffverarbeitung und Baustellenprüfung des Betons von A. Kleinlogel. 2., n e u b e a r b e i t e t e und erweiterte Auflage. 126 Seiten mit 35 Abbildungen. 1951 Bd. 978 Festigkeitslehre won W. Gehlerf und IV. Herberg. I : Elastizität, Plastizität u n d Festigkeit der Baustoffe u n d Bauteile. Durchgesehener u n d erweiterter Neudruck. 159 Seiten mit 18 Bildern. 1952 Bd. 1144 II: F o r m ä n d e r u n g , P l a t t e n , Stabilität u n d B r u c h h y p o thesen. B e a r b . von W . H e r b e r g u n d N. D i m i t r o v . 187 Seiten m i t 94 Bildern. 1955 . . B d . 1145/1145a Grundlagen des Stahlbetonbaus von A. Troche. 2., neubearbeit e t e u n d erweiterte Auflage. 208 Seiten mit 75 Abbild u n g e n , 17 Bemessungstafeln u n d 20 Rechenbeispielen. 1953 Bd. 1078 Fenster, Türen, Tore aus'Holz und Metall. E i n e A n l e i t u n g zu ihrer guten G e s t a l t u n g , w i r t s c h a f t l i c h e n Bemessung u n d h a n d w e r k s g e r e c h t e n K o n s t r u k t i o n von W. Wickop. 4., ü b e r a r b e i t e t e Auflage. 155 Seiten mit 95 Abbildungen 1955 Bd. 1092 Heizung und Lüftung von J. Körtingf u n d W. Körting. &., neub e a r b e i t e t e Auflage. I : Das Wesen u n d die Berechnung der Heizungs- u n d Lüf- , tungsanlagen. 140 Seiten mit 29 Abbildungen und 18 Zahlentafeln. 1951 Bd. 342 II: Die A u s f ü h r u n g der Heizungs- u n d L ü f t u n g s a n l a g e n . 152 Seiten mit 165 Abbildungen und 7 Zahlentafeln. 1954 Bd. 343

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SAMMLUNG GÖSCHEN / BANDNUMMERNFOLGE 1 3 9 13 20

Langosch, Der Nibelunge N ô t vom Ende, Maschinenelemente Marcard-Beck, Dampfkessel I Lotze, Geologie Hofstaetter-Spree, D t . Sprachlehre 29 B r a u n s - C h u d o b a , Allg. Mineralogie 30 Eckert-Greifendorff-Kleffner, Kartenkunde 31 B r a u n s - C h u d o b a , Spez. Mineralogie 37 Klemm, Anorganische Chemie 38/38a Schlenk, Organ. Chemie 42 Behn, Vorgeschichte E u r o p a s 51 Bürklen-Ringleb, M a t h e m a t i sche F o r m e l s a m m l u n g 60 Biehle, S t i m m k u n d e 61 Biehle, Redetechnik 66 Berneker-Vasmer, Russische Grammatik 70 Nestle, Griech. Literaturgesch. I 71 Schulze, Allgem. und physikalische Chemie I 76 Döring, E i n f ü h r . i. d. theoret. Physik I 77 Döring, E i n f ü h r . i. d . t h e o r e t . P h y s i k II 79 Hempel, Gotisches E l e m e n t a r buch tiO Weigert. Stllkunde I 87 W i t t i n g , Differentialrechnung 88 W i t t i n g , I n t e g r a l r e c h n u n g 101 v. Wiese, Soziologie 111 H o f f t n a n n - D t b r u n n e r , Geschichte der griech. Sprache I 114 D e b r u n n e r , Geschichte der griech. Sprache II 117 B r a n d e n s t e i n , Griechische Sprachwissenschaft 125 Vossler, Italienische Literaturgeschichte 128 Lausberg, R o m a n . Sprachwiss. I 136 Mahler, Physikalische Formelsammlung 141 Geitler, Morphologie der Pflanzen 142 H a a c k , Darst. Geometrie I 143 H a a c k , Darst. Geometrie II 145 W e i m e r , Geschichte der P ä d a gogik 16

146 W i t t i n g , Repetitorium und A u f g a b e n s a m m l u n g zur Differentialrechnung 147 W i t t i n g , R e p e t i t o r i u m und A u f g a b e n s a m m l u n g zur Integralrechnung 156/156a L a n d m a n n , Philosoph. Anthropologie 170 O e h l m a n n , Musik des 19. J a h r hunderts 173 B r u h n s - R a m d o h r , Pétrographie 180 B ö h m , Versicherungsmathematik 1 184 Blümcke, Spinnerei u n d Zwirnerei 200/200a Gottschald, Dt. Rechtschreibungswörterbuch 210 B r u h n s - R a m d o h r , Kristallographie 220'220a Moser, Allgemeine Musiklehvti 221 j a n d e r - J a h r , Maßanalyse I 222 Hassak-Beutel, W a r e n k u n d e I 223 H a s s a k - B e u t e l , W a r e n k u n d e II 226 H o f m a n n , Geschichte der Mathematik I 228 Vogel, L a n d w . Tierzucht 230 Krieger, Bad. Geschichte 243 Mahler, Physika!. Aufgabensammlung 247 Hoppe, Analytische Chemie I 248 Hoppe, Analytische Chemie II 250 Lausberg, R o m a n . Sprachwiss. II 252 Dassler, Elektrochemie I 253 Dassler, Elektrochemie II 256 Haussner, A u f g a b e n s a m m l u n g zur analytischen Geometrie der E b e n e 257 . H u m b u r g , Die Gleichstrommaschine I 264 L o c k e m a n n , Geschichte der Chemie I 265/265a Lockemann, Geschichte d i r Chemie II 270 Kirn, E i n f ü h r u n g in die Geschichtswissenschaft 274 Z i e t e m a n n , D a m p f t u r b i n e n I 279 J a c o b , Quellenkunde der deutschen Geschichte I 280 J a c o b , Quellenkunde der deutschen Geschichte II

281 Leisegang, E i n f ü h r u n g in di Philosophie 284 J a c o b - W e d e n , Quellenk n d e der deutschen Geschichte I I I 319 Krug, Australien u n d Ozeanien 329 Scharrer, Agrikulturchemie I 335 B r a u n - K l u g , F e t t e u n d Öle 336 B r a u n - K l u g , Seifenfabrikation 342 Körting, Heizung u n d Lüftung I 343 Körting, Heizung u n d Lüft u n g 11 344 Moser, Musikästhetik 354 Valentiner, Vektoranaiysis 355 Neger-Münch, Nadelhölzer 356 L ü d e m a n n , Fische 375 Preller, Geschichte E n g l a n d s I 394/394a Schilling, Von der Renaissance bis K a n t 414/414a Tafel, Hebezeuge I 422 Gottschald, Dt. Personennamen 423 Adler, Fünfstell. L o g a r i t h m e n 432 Borchers, Metallkunde I 433 Borchers, Metallkunde 11 439 Jaeckel, W ü r m e r 440 Jaeckel, Weichtiere 441 Jaeckel, S t a c h e l h ä u t e r 445 Asmus, Physikal.-chemische Rechenaufgaben 452 Bahrdt-Scheer, Stöchiometrische A u f g a b e n s a m m l u n g 468 Werkmeister, Vermessungskunde I 469 Werkmeister, Vermessungsk u n d e 11 483 Henglein, Lötronrprobierkunde 492 Stolz-Debrunner, Geschichte der lateinischen Sprache. 499 Niese, Autogen. Schweißen 500 Simmel, H a u p t p r o b l e m e der Philosophie 521 Marcard-Beck, Dampfkessel und Feuerungen II 536 L e h m a n n , K a n t 538 R u m p f , Archäologie I 539 R u m p f , Archäologie II 557 Nestle, Griechische L i t e r a t u r geschichte II 561 Matthes, W e r k z e u g m a s c h i n e n ! 562 M a t t h e s , W e r k z e u g m a s c h . 11 564 Behn, Kultur der Urzeit I 565 Behn, K u l t u r d e r Urzeit II 566 Behn, Kultur der Orceit {11

571 L e h m a n n , Philosophie des 19. J a h r h u n d e r t s I 576/576 a Moser, Gesangskunst 579 Müller-Schulze, Techn. T a bellen 585 D e h n e r t , Verkehrswasserbau I 589 T o c h t e r m a n n , Maschinenzeichnen I 590 T o c h t e r m a n n , Maschinenzeichnen II 594 Lengerken, Insekten 597 D e h n e r t , Verkehrswassarbau 11 619 Buchwald, Kristalloptik 665 Ludin, W a s s e r k r a f t a n l a g e n I 666 Ludin, W a s s e r k r a f t a n l a g e n 11 668 K n o p p , F u n k t i o n e n t h e o r i e I 691 Fauser, K u l t u r t e c h n . Bodenverbesserungen I 692 Fauser, K u l t u r t e c h n . Bodenverbesserungen II 698 Schulze. Allgemeine und physikalische Chemie II 703 K n o p p , F u n k t i o n e n t h e o r i e II 709 L e h m a n n , Philosophie des 19. J a h r h u n d e r t s II 711 Kesselring, Berechnung der Schaltgeräte 718 Neger-Münch, Laubhölzer 763/763 a Beer-Meyer, Hebräische Grammatik I 764/764a Beer-Meyer, Hebräische G r a m m a t i k II 768 Bieberbach, E i n f ü h r u n g in die k o n f o r m e Abbildung 780 K r ä h e , Germ. Sprachwiss. II 781 Weigert, Stilkunde II 768 Schulze, Molekülbau 807 K r o p p , Erkenntnistheorie I 809 Moser, Harmonielehre I 826 Koch, Philosophie des Mittelalters 827 Schwaiger, Elektromotorische Antriebe 837 B a u m g a r t n e r , Q r u p p e n t h e o n e 845 L e h m a n n , P h i l o s o p h i e i m ersten Dritte! des 20. J a h r hunderts 847 H e r t e r , Lurche 857 Capelle, Griech. Philosophie 1 858 Capelle, Griech. Philosoph. II 859 C a p e l l e , G r i e c h . P h i l o s o p h . I I I 862 W e r k m e i s t e r , Vermessungsk u n d e III 9 6 3 Capelle, Griech. Philosoph. IV 877 K n o p p , A u f g a b e n s a m m l u n g zur F u n k t i o n e n t h e o r i e I 17

878 K n o p p , A u f g a b e n s a m m l u n g zur F u n k t i o n e n t h e o r i e II 881 H u m b u r g , Gleichstrommaschine II 902 Müller, D y n a m i k I 903 Müller, D y n a m i k II 910 Jaeger, Afrika I 911 Jaeger, Afrika II 917/917a Böhm, Versicherungsm a t h e m a t i k II 920 Hoheisel, Gewöhnliche Differentialgleichungen 929 Schirmer, Dt. W o r t k u n d e 930 Krull, E l e m e n t a r e u n d klassische Algebra I 931 Hasse, Höhere Algebra I 932 H a s s e , Höhere Algebra 11 953 Zipperer, T e c h n . Schwingungslehre I 961/961 a Zipperer, T e c h n . Schwingungslehre II 965 D e h n e r t , W e h r - u. S t a u a n lagen 970 Baldus-Löbell, Nichteuklid. Geometrie 972 H e r t e r , Tierphysiologie I 973 H e r t e r , Tierphysiologie II 978 Kleinlogel, B a u s t o f f v e r a r b e i tung und Baustellenprüfung des Betons 984 Graf, Die wichtigsten Baustoffe des Hoch- u n d Tiefbaus 999/999a K a m k e , Mengenlehre 1000 Jaspers, Geistige Situation 1002 J a n d e r - J a h r , Maßanalyse II 1003 Hoheisel, Partielle Differentialgleichungen 1008 Mellerowicz, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre I 1009 B e c h e r t - G e r t h s e n , A t o m p h y sik I 1014 Huttenlocher, Mineral- und Erzlagerstättenkunde I 1015/1015 a H u t t e n l o c h e r , Mineralu n d E r z l a g e r s t ä t t e n k u n d e II 1021 Niese-Dienst, Elektr. Schweißverfahren 1031 Apel, Philosophisches Wörterbuch 1033 Bechert-Gerthsen, A t o m p h y sik II 1034 K r a n e f e l d t , Therapeutische Psychologie 1039 D o v i f a t , Zeitungslehre I 1040 D o v i f a t . Zeitungslehre II 1044 Tölke, Talsperren 18

1045 Schubert, Technik des Klavierspiels 1051/1051a zu Stolberg-Wernigerode, Gesch. d. Verein. S t a a t e n v. A m e r i k a 1057 R o t h , T h e r m o c h e m i e 1059 Hoheisel, A u f g a b e n s a m m lung zu den gewöhnl. u n d partiellen Differentialgleichungen 1061 Grodzinski, Getriebelehre I 1065 Haller, Von den Karolingern zu den S t a u f e r n 1070 Sauter, Differentialgleichungen der Physik 1078 Troche, S t a h l b e t o n b a u 1082 Hasse-Klobe, Aufgabens a m m l u n g zur Höheren Algebra 1084 Nusselt, Technische T h e r m o dynamik I 1086 Müller, Dt. Dichten u. Denken 1088 Preller, Geschichte Englands II 1092 Wickop, Fenster, T ü r e n , T o r e , 1094 Hernried, S y s t e m . Modulation 1096 Viétor, Dt. Dichten u. Denken 1105 H ä r t u n g , Dt. Geschichte im Zeitalter der Reformation 1108 de Boor, M i t t e l h o c h d e u t sches E l e m e n t a r b u c h 1109 K n o p p , Elemente der Funktionentheorie 1111 N a u m a n n - B e t z , Althochdeutsches Elementarbucli 1113 Strubecker, Differentialgeometrie I 1114 Schubel, Englische Literaturgeschichte I 1115 Ranke, Altnord. Elementarbuch 1116 Meissner, Englische Literaturgeschichte II 1121 N a u m a n n , Dt. Dichten und Denken 1122 Feist, Sprechen und Sprachpflege 1123/1123a Bechert-Gerthsen, A t o m p h y s i k 111 1124 Meissner, Englische Literaturgeschichte II I 1125 Lehnert, Altengl. Elementar buch

1127 H a r t m a n n , Geschlecht und Geschlechtsbestimmung Im Tier- und Pflanzenreich 1128 Buchner, Symbiose der Tiere mit pflanzl. Mikroorganismen 1130 Dibelius, J e s u s 1131 Scholz-Schoeneberg E i n f ü h rung in die Zahlentheorie 1132 F r ü h a u f , U b e r s p a n n u n g e n und Uberspannungsschutz 1134 K u c k u c k , P f l a n z e n z ü c h t u n g I 1135 Lehnert, Beowulf 1136 Meissner,. Englische Literaturgeschichte IV 1137 Heil, Entwicklungsgeschichte des Tier- u n d Pflanzenreichs 1138 Hämmerling, F o r t p f l a n z u n g im Tier- u n d Pflanzenreich 1140 Unger, I n d u k t i o n s m a s c h i n e n 1141 Koller, H o r m o n e 1142 Meissner-Lehnert, Shakespeare 1144 Gehler, Festigkeitslehre I 1145/1145a Herberg, Festigkeitslehre II 1146 H u m b u r g , Synchrone Maschine 1147 v. W a l t e r s h a u s e n , K u n s t des Dirigierens

1148 Pepping, Der p o l y p h o n e S a t z I 1151 Nusselt, Technische T h e r m o d y n a m i k II 1152 D e h n e r t , Verkehrswasserbau I I I 1153 Mellerowicz, Allgem. Betriebswirtschaftslehre II 1154 Mellerowicz, Allgem. Betriebswirtschaftslehre I I I 1155 Schwartz, Mikrobiologie I 1156 Meinke, Kompl. Berechnung der Wechselstromschaltungen 1157 Schwartz, Mikrobiologie II 1158 Mayrhofer, Sanskrit-Oran»matik 1159 J u n g b l u t h , Gießereitechnik I 1160 Dibelius-Kümmel, Paulus 1161 Kaestner, Spinnentiere 1162 Seidel, Entwicklungsphysiologie der Tiere I 1163 Seidel, Entwicklungsphysioloeie der Tiere II 1165/1165a Bechert-Gerthsen, A t o m p h y s i k IV 1169 P a u l s e n , Allgem. Volkswirtschaftslehre I

IS

AUTORENREGISTER Adler 8 Apel 3 A s m u s 10 B a h r d t - S c h e e r 10 Baldus-Löbell 9 Baumgartner 8 Bechert-Gerthsen 10 Beer-Meyer 7 Behn 4 Berneker-Vasmer 7 Bieberbach 9 Biehle 5 B l ü m c k e 11 Böhm 9 de Boor 6 Borchers 13 Brandensteiii 6 B r a u n - K l u g 11 Brauns-Chudoba 12 B r u h n s - R a m d o h r 12 B u c h n e r 11 Buchwald 12 Bürklen-Ringleb 8 Capelle 3 Dassler 10 Debrunner 6 Dehnert 14, Dibelius 3 Dibelius-Kiimmel 3 Döring 10 Dovifat 7 Eckert-GreifendorffKleffner 7 vom E n d e 14 Fauser 12 Feist 5 Frühauf 13 Gehler-Herberg 15 Geitler 11 Gottschald 5 Graf 15 Grodzinski 14 Haack 9 Haller 4 H ä m m e r l i n g 11 H a r t m a n n 11 Härtung 4 Hassak-Beutel 11 Hasse 8 Hasse-Klobe 8 Haußner 9 Hell 11 Hempel 5 20

Henglein 12 Herberg 15 Hernried 4 H e r t e r 12 Hoffmann-Debrunner Hofinann 8 Hofstaetter-Spree 5 Hoheisel 9 H o p p e 10 H u m b u r g 13 Huttenlocher 12 Jacob 5 Jacob-Weden 5 Jaeckel 12 jaeger 7 J a n d e r - J a h r 10 Jaspers 3 J u n g b l u t h 14 Kaestner 12 Kamke 9 Kesselring 13 Kirn 4 Kleinlogel 15 Klemm lü Knopp 8 Koch 3 Körting 15 Koller 11 Krähe 6 Kranefeldt 3 Krieger 5 Kropp 3 Krug 7 Krull 8 Kuckuck 11 Landinann 3 Langosch 5 Lausberg 6 Lehmann 3 Lehnert 6 Leisegang 3 von Lengerken 12 Lockemann 10 Lotze 12 Ludin 14 L ü d e m a n n 12 Mahler 10 Marcard-Beck 14 Matthes 14 Mayrhofer 7 Meinke 13 Meissner 6 Mellerowicz 7

Moser, 4 G. Müller 5 W . Müller 13 Müller-Schulze 13 Naumann 5 Naumann-Betz 6 Neger-Münch 11 Nestle 6 Niese 14 Niese-Dienst 14 Nusselt 14 Oehlmann 4 Paulsen 7 Pepping 4 Preller 5 Ranke 6 Roth 10 Rumpf 4 S a u t e r 10 Scharrer 12 Schilling 3 Schirmer 5 Schlenk 10 Scholz-Schoeneberg 8 Schubel 6 Schubert 4 Schulze 10 Schwaiger 13 Schwartz 11 Seidel 12 Simmel 3 zu StolbergWernigerode 5 Stolz-Debrunner 6 Strubecker 9 Tafel 14 T o c h t e r m a n n 14 Tölke 14 Troche 15 Unger 13 Valentiner 9 Vietor 5 Vogel 12 Vossler 6 von W a l t e r s h a u s i n 4 Weigert 4 Weimer 3 Werkmeister 9 Wickop 15 von Wiese 3 W i t t i n g 8, 9 Z i e t e m a n n 14 Zipperer 13 80/55