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German Pages 278 Year 1993
Beihefte der Konjunkturpolitik Zeitschrift für angewandte Wirtschaftsforschung Begründet von Albert Wissler
Heft 40
Wirtschaftsreformen in Mittel- und Osteuropa
Duncker & Humblot · Berlin
Wirtschaftsreformen in Mittel- und Osteuropa
Beihefte der K o n j u n k t u r p o l i t i k Z e i t s c h r i f t für angewandte Wirtschaftsforschung Begründet von Albert Wissler
Heft 40
Wirtschaftsreformen in Mittel- und Osteuropa Tagungsband zur Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V. im M a i 1992 in Bonn
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Wirtschaftsreformen in Mittel- und Osteuropa : im Mai 1992 in Bonn. — Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Beihefte der Konjunkturpolitik ; H. 40) (Tagungsband zur Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V. ; 1992) ISBN 3-428-07540-4 NE: Forschungsinstitute; Konjunkturpolitik / Beihefte; Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute: Tagungsband zur Jahrestagung . . .
Schriftleiter: Herbert Wilkens
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0452-4780 ISBN 3-428-07540-4
Vorwort In diesem Beiheft wird über den wissenschaftlichen Teil der 55. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute berichtet, die am 14. und 15. Mai 1992 in Bonn stattfand und das Thema Wirtschaftsreformen
in Mittel- und Osteuropa
zum Gegenstand hatte. Für die wissenschaftliche Vorbereitung ist dem HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg, und dem ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München, zu danken. Referate hielten Hermann Clement (München), Doris Cornelsen (Berlin), Roland Dohm (Essen), Judit Habuda (München), Andrâs Inotai (Budapest), Rolf J. Langhammer (Kiel), Dieter Lösch (Hamburg), Alexander Penkin (Moskau), Petra Pissulla (Hamburg), Holger Schmieding (Kiel), Eirik Svindland (Berlin) und Dieter von Würzen (Bonn). Die Schriftleitung besorgte Herbert Wilkens (Berlin). Die 56. Mitgliederversammlung soll am 13. und 14. Mai 1993 in Bonn stattfinden und das Thema Probleme des Finanzausgleichs (unter Berücksichtigung des Wettbewerbs der Regionen in nationaler und internationaler Sicht) behandeln. München im August 1992 Karl-Heinrich Oppenländer Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Inhalt
I. Bilanz der Transformationsprozesse in Ungarn, Polen und der CSFR
9
Holger Schmieding Gradualismus oder Schocktherapie? Eine Zwischenbilanz der ostmitteleuropäischen Erfahrungen
11
Zusammenfassung der Diskussion
28
Doris Corne Isen Privatisierung in Ungarn, Polen und in der CSFR
33
Zusammenfassung der Diskussion
46
Roland Dohm und Ullrich Heilemann Zur allokativen Dimension: Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
51
Zusammenfassung der Diskussion
70
Andrâs Inotai Die außenwirtschaftliche Öffnung, Handelsliberalisierung und Währungskonvertibilität
73
Zusammenfassung der Diskussion
83
II. Stand der Reformen in Rumänien, Bulgarien und Albanien
91
Dieter Lösch Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses Albanien, Bulgarien und Rumänien Zusammenfassung der Diskussion
in 93 119
Inhalt
8
I I I . Stand der Reformen in den Republiken der GUS
123
Alexander Penkin Aktueller Stand und Perspektiven der ordnungspolitischen Entwicklung in den Republiken der GUS
125
Hermann Clement Zerfall und Neuaufbau der Arbeitsteilung zwischen den Republiken/ Staaten
133
Eirik Svindland Zur Währungspolitik i m Trasnsformationsprozeß der GUS-Staaten
151
Zusammenfassung der Diskussion. Referate Penkin, Clement und Svindland
178
IV. Die Konsequenzen der Reformen in Mittel- und Osteuropa für die internationalen Beziehungen
193
Judit Habuda Die Umorientierung der Außenhandelsströme der Transformationsländer Ostmitteleuropas
195
Petra Pissulla Das Verhältnis mittel- und osteuropäischer Länder zu den internationalen Finanzorganisationen
209
Rolf J. Langhammer Die Auswirkungen der EG-Handelspolitik gegenüber MittelOsteuropa
und
Zusammenfassung der Diskussion. Referate Habuda, Pissulla und Langhammer
225 250
Dieter von Würzen Deutsche Unterstützung für die GUS-Republiken
261
Zusammenfassung der Diskussion
268
Teilnehmerverzeichnis
275
I. Bilanz der Transformationsprozesse in Ungarn, Polen und der CSFR
Gradualismus oder Schocktherapie? Eine Zwischenbilanz der ostmitteleuropäischen Erfahrungen* Von Holger Schmieding, Kiel
1. Das Interregnum, die schreckliche Zeit Die Wirtschaftswissenschaft scheint vor einem Rätsel zu stehen. Die verfügbaren Zahlen deuten darauf hin, daß sich nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus im Herbst 1989 die Lage in allen mittelund osteuropäischen Staaten für große Teile der Bevölkerung deutlich verschlechtert statt verbessert hat, und dies offenbar weitgehend unabhängig von den Einzelheiten der jeweils gewählten Übergangsstrategie. Die marode Wirtschaftsordnung ist abgelöst worden, die Ausstattung mit Produktionsfaktoren ist nahezu unverändert — und doch funktioniert zumindest ein wichtiger Teil der Wirtschaft noch weit miserabler als zuvor. Ein kleines Gedankenexperiment mag helfen, der Lösung dieses Rätsels näher zu kommen. Man stelle sich die Probleme vor, vor denen die westdeutschen Firmen stünden, wenn sie eines schönen Tages entdecken müßten, daß ihr gesamtes Personal für den An- und Verkauf, für Werbung und Finanzierung, für Rechnungswesen und Rechtsfragen eine mehrjährige Reise zum Mars angetreten hätte — zusammen mit allen Rechtsanwälten, Richtern, Bankiers und Mitarbeitern der staatlichen Verwaltung. Zwar würden einige findige Lückenbüßer rasch reich; aber die Wirtschaftsleistung insgesamt ginge zurück. Die verläßliche Koordination einer ausgedehnten und vielfältigen Arbeitsteilung im Raum und in der Zeit wäre beeinträchtigt. Bei aller Ineffizienz, die Mises [1922] und Hayek [1935,1945] bereits vor langer Zeit offengelegt haben, war die klassische sozialistische Planwirtschaft doch ein Instrument zur Koordination einer komplexen Arbeitsteilung. Nach dem Übergang zur Marktwirtschaft fehlen die gewohnten Institutionen und verläßlichen Konventionen. Selbst in den Bereichen, in denen neue marktwirtschaftliche Institutionen per Gesetz rasch geschaffen werden können, entfalten diese nur begrenzte Wirkung. Schließlich sind * Diese Arbeit ist i m Rahmen eines Forschungsprojektes über den Transforma tionsprozeß in Ostmitteleuropa entstanden. Der Autor dankt der VolkswagenStiftung für die finanzielle Förderung des Vorhabens.
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Holger Schmieding
die Wirtschaftssubjekte nicht mit den marktwirtschaftlichen Koordinationsmechanismen vertraut. Naturgemäß können Einzelpersonen und kleine Gruppen den Wechsel ihrer gewohnten Umgebung besser verkraften und schneller bewältigen als große Organisationen mit einer komplexen Binnenstruktur, die ganz auf die Erfordernisse der alten Umgebung zugeschnitten war [vgl. Murreil 1990, S. 10]. Deshalb sind es gerade die mittleren und vor allem die größeren Betriebe, die von dem Wechsel zu völlig andersartigen Koordinationsmechanismen überfordert werden und desorientiert in eine tiefe Krise taumeln. Dies gilt nicht nur für Industrieunternehmen, sondern auch für manch hochspezialisierte Landwirtschaftsbetriebe, die Teil einer ausdifferenzierten Arbeitsteilung waren. Ein weiteres Problem kommt hinzu. In fast allen ehemals sozialistischen Staaten ist die Strategie des Übergangs vom Plan zum Markt mit einer schwerwiegenden Inkonsistenz behaftet. Entscheidungsbefugnis und Verantwortung für Staatsbetriebe sind voneinander getrennt. Mit dem unbeabsichtigten Kollaps oder der bewußten Abschaffung des Plansystems sind die Entscheidungsbefugnisse von den zentralen Instanzen des staatlichen Eigentümers an die einzelnen Betriebe übergegangen, also an Manager und Arbeitnehmer, deren Hauptinteresse nicht die Maximierung des Firmenwertes ist. Der pflegliche Umgang mit der Substanz und das aktive Bemühen um eine unverzügliche Anpassung an Marktverhältnisse lassen zu wünschen übrig. Zudem sind nicht nur die jetzigen Eigentumsrechte unbefriedigend definiert, auch die künftigen Eigentumsrechte sind unsicher. Im Kampf um die künftigen Eigentumsrechte legen Manager und Arbeitnehmer, örtliche und zentrale Behörden, oftmals ein Verhalten an den Tag, daß der Effizienz des Betriebes nicht förderlich ist. Auch dieses Problem trifft große Staatsbetriebe mehr als kleine Einheiten, die sich zudem leichter privatisieren lassen. Die Anreize zu Fehlverhalten werden noch durch die Möglichkeit verstärkt, daß Betriebe mit politischen Instanzen weiterhin über Sonderkonditionen verhandeln können. In nahezu allen ehemals kommunistischen Staaten (mit Ausnahme insbesondere der tschechischen Republik) ist das neue politische System ungefestigt; die Autorität der neuen Regierungen ist schwach. Die Regierungen sind somit noch mehr als in etablierten Marktwirtschaften der Versuchung ausgesetzt, den Subventionsforderungen einzelner Regionen, Branchen und Betriebe nachzugeben. Schon im Mittelalter galt ein Interregnum als „die kaiserlose, die schreckliche Zeit". Heute zeitigt das wirtschaftliche Interregnum in Mittel- und Osteuropa, die Zeit der herrenlosen und desorientierten Staatsbetriebe, schwerwiegende Folgen: — Während kleine Betriebe und vor allem neue Privatunternehmen blühen, hat sich die Ertragslage der staatlichen Großbetriebe typischerweise dramatisch verschlechtert.
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— Von den Produktionsfaktoren wird vor allem jener verschwendet, über den die Manager von spezialisierten — und neuerlich autonomen — Staatsinstituten zu befinden haben: Kapital. Es wird oft noch nach alter Manier passiv von den Staatsbanken an die staatlichen Produktionsbetriebe geleitet. — Verunsicherung und falsche Anreize schlagen sich besonders deutlich in der geringen Neigung nieder, Ressourcen langfristig zu binden, also in einem Kollaps der Investitionen. In ganz Osteuropa sind die Anlageinvestitionen nach 1989 um mehr als 30vH zurückgegangen, wenn auch mit deutlichen regionalen und sektoralen Variationen. — Statt sich anzupassen, reduzieren die Staatsbetriebe typischerweise ihren Output, halten sich mit zweifelhaften Bank- und Firmenkrediten über Wasser und erheben lautstarke Forderung nach wirksamem Schutz vor der Konkurrenz, sobald der Zugang zu Krediten ernsthaft eingeschränkt wird. Der Niedergang der Produktion geht offenbar weit über einen reinen Abbau der Aktivitäten mit negativer Wertschöpfung hinaus, also jener Tätigkeiten, die zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ohnehin eingestellt werden sollten. 1 — Solange die Staatseinnahmen noch weitgehend von den Staatsbetrieben stammen bzw. stammen sollen, wirft der Niedergang der Staatswirtschaft nahezu alle Budgetplanungen — und die entsprechenden Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds — über den Haufen; gleichzeitig tickt die zunehmende Verschuldung der Staatsbetriebe bei den Staatsbanken und untereinander als Zeitbombe auf der Ausgabenseite des Haushaltes. Die Verschwendung knappen Kapitals schmälert die Entfaltungsmöglichkeiten für neue und private Unternehmen; die inflationären Folgen der einzelwirtschaftlichen Mißstände im Staatssektor machen eine gesamtwirtschaftliche Restriktionspolitik erforderlich, unter der auch — manche Autoren sagen sogar besonders [siehe z.B. Walters 1991, Winiecki 1991b] — die neuen und privaten Unternehmen leiden, obwohl diese Unternehmen gerade nicht zur Malaise beigetragen haben. Diese Probleme lassen sich auf zwei Kurzformeln bringen: (i) Nach dem Ende des Sozialismus bricht der alte Staatssektor schneller zusammen, als der neue Privatsektor wachsen kann; (ii) der Niedergang der Staatswirtschaft vollzieht sich auf eine Art, die den Privatsektor in seiner Entfaltung behindert. Mit genau diesen Problemen haben auch Ungarn, Polen und die 1 Die Bedeutung der staatlichen Industrieproduktion mit negativer Wertschöpfung wird insbesondere von Lipton und Sachs [1990], Winiecki [1991a] und Rostowski [1992] betont; für eine Schätzung, wie groß der entsprechende Anteil an der gesamten Industrieproduktion der drei ostmitteleuropäischen Staaten in den späten achtziger Jahren tatsächlich war, siehe Hare und Hughes [1991].
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CSFR zu kämpfen. 1991 trugen zwei sowjetische Sonderfaktoren noch zusätzlich zur wirtschaftlichen Malaise Ostmitteleuropas bei: das Ende der impliziten Subventionen aus der Sowjetunion, die diese Länder bis dahin über den künstlich niedrigen Preis der sowjetischen Öllieferungen empfangen hatten, sowie der Einbruch ihrer Sowjetunion-Exporte, der wiederum durch die politischen und wirtschaftlichen Wirren in der Noch-Sowjetunion bedingt war.
2. Ein rationaler Gradualismus? Lassen sich die geschilderten Probleme durch eine geeignete Reihenfolge und ein entsprechendes Zeitprofil der Einzelschritte zur Marktwirtschaft vermeiden oder zumindest lindern? Die Alternative Gradualismus oder Schocktherepie stellt sich, theoretisch betrachtet, in zweierlei Hinsicht. (1) Soll der Wechsel auf allen Ebenen (Makro, Mikro, Außenwirtschaft, Institutionen, Privatisierung, Sozialsystem) gleichzeitig erfolgen? (2) Soll innerhalb jener Einzelbereiche, in denen ein rascher Übergang vom Plan zum Markt vorstellbar ist (Makro, Mikro, Außenwirtschaft) schlagartig oder stufenweise vorgegangen werden? Um einer Antwort näher zu kommen, werde ich zunächst von einer Vielzahl praktischer Problemen abstrahieren und — in guter wohlfahrtsökonomischer Manier — einen theoretischen Idealfall skizzieren. Die Frage, welche praktischen Schlußfolgerungen sich aus diesen Überlegungen ergeben, wird erst danach aufgegriffen. Anders als die reine Liberalisierung und anders als der Versuch der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung nehmen zumindest der Aufbau neuer Institutionen, das Einüben eines neuen Koordinationsmechanismus und die Privatisierung der mittleren und großen Staatsbetriebe mehrere Jahre in Anspruch. Eine rationale Transformationspolitik muß deshalb darauf abzielen, Inkonsistenzen entgegenzuwirken, die sich aus dem unterschiedlichen Zeitbedarf ergeben. Zu diesem Zweck würde ein wohlwollender und gut informierter Diktator wohl einen rationalen Gradualismus wählen, allerdings in einem ganz eng definierten Sinne, der sich nur auf die Hauptquelle der Misere bezieht. Damit das Problem der desorientierten und herrenlosen Staatsbetriebe gar nicht erst entstehen kann, würde der wohlwollende Diktator weiterhin in vollem Umfang die Eigentümerfunktion für die bestehenden und noch nicht privatisierten Staatsbetriebe wahrnehmen. Konkret heißt dies, daß er beim Übergang zur Marktwirtschaft das hergebrachte Plansystem nicht sofort ersatzlos abschaffen, sondern die Staatsbetriebe unter strikter staatlicher Kontrolle belassen würde, bis sie in einem vorab festgelegten Zeitraum von, sagen wir, fünf Jahren entweder privatisiert oder schrittweise stillgelegt worden sind. Dagegen würde er die private Wirtschaftstätigkeit sofort vollständig freigeben, einschließlich der grenzüber-
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schreitenden Aktivitäten. Jeder Staatsbetrieb, der privatisiert wird, entgeht der staatlichen Kontrolle und kann Preise, Mengen und Finanzverhalten selbst bestimmen. Selbstverständlich würde der wohlwollende Diktator unverzüglich den Aufbau marktwirtschaftlicher Institutionen einleiten und alle Hindernisse für die Gründung und Entfaltung von Privatunternehmen einschließlich der bereits privatisierten Unternehmen abschaffen. 2 Der skizzierte rationale Gradualismus ist nichts anderes als eine zeitweilige Dualisierung der Wirtschaft. Privatbetriebe können sich frei entfalten, die Staatswirtschaft wird weiterhin zentral gelenkt wie bisher, solange sie noch nicht durch eine rasche Privatisierung oder zeitlich gestaffelte Stillegung von Betrieben auf ein gesamtwirtschaftlich unbedeutendes Maß zurückgeführt worden ist. Die Preise und Löhne, die Input- und Outputmengen sowie das Finanzgebahren der Staatsbetriebe werden zwar an neue Verhältnisse angepaßt, auch mit Blick auf die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus; sie werden jedoch weiterhin durch zentrale Vorgaben und vertikale Verhandlungen zwischen Betrieben und übergeordneten Instanzen gesteuert. Allerdings beziehen sich die Planvorgaben nur auf Mindestmengen, die Jahr für Jahr herabgesetzt werden; jenseits dieser Mindestmengen können auch die Staatsbetriebe ihre Produkte frei verkaufen und ihre Inputs frei beziehen, und zwar zu freien Preisen. Die fortdauernde strikte Kontrolle der Staatswirtschaft mildert das Koordinationsproblem dieser Betriebe in der neuen Umgebung und wirkt den falschen Anreizen entgegen, wie sie sich sonst aus der Kluft zwischen Kompetenz und Verantwortung ergeben. Im Idealfall könnten damit der für den Übergang zur Marktwirtschaft typische Produktivitätseinbruch der Staatsbetriebe und die negativen Rückwirkungen auf die Privatbetriebe zu einem erheblichen Teil vermieden werden [vgl. auch Murrell 1990]. Allerdings lassen sich in einer solchen dualen Wirtschaft Friktionen nicht ausschließen, die sich aus dem zeitweiligen Nebeneinander zweier Koordinationsmechanismen und zweier Preissysteme ergeben. Und selbst unter idealen Umständen beinhaltet diese Strategie, die auch als planmäßiges Zurückschneiden der Staatswirtschaft auf Null bezeichnet werden kann, eine Gefahr, die auf Neu-Ökonomesisch als „regulatory capture" bezeichnet werden kann. Die zuständigen Behörden identifizieren sich zunehmend mit den ihnen noch unterstellten Betrieben; die Disziplin wird gelockert, die Zeitpläne zum Rückbau der Staatswirtschaft werden nicht eingehalten; die Sonderbehandlung der verbleibenden Staatsbetriebe degeneriert in eine
2 Dies schließt eine weitgehende Liberalisierung des Marktes für Liegenschaften und gewerblich nutzbare Räume ein; der Mangel an geeigneten Immobilien ist eines der wesentlichen Hindernisse für das rasche Wachstum der Privatwirtschaft in den ehemals kommunistischen Staaten.
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Industriepolitik. Um diese Gefahr im Griff behalten zu können muß eine Strategie des rationalen Gradualismus somit auf dem dauerhaften und übergeordneten politischen Willen beruhen, den Übergangsprozeß tatsächlich fortzusetzen. Ohne den genannten Diktator würde dieser rationale Gradualismus, der zudem eine kompetente Verwaltung voraussetzt, wohl kaum funktionieren können. Die Volksrepublik China ist unter der Knute von Deng Xiaoping einen Weg gegangen, der bei allen Zacken manche Ähnlichkeit mit dem skizzierten Idealpfad des rational gradualistischen Systemwechsels aufweist. Als unterentwickletes Land hat China es ohnehin leichter als die fehlentwickelten Länder Ostmitteleuropas. China hat frühzeitig die Privatwirtschaft aufblühen lassen und zudem rasch den Bereich de facto privatisiert, der dafür in diesem sozialistischen Entwicklungsland besonders geeignet war: die Landwirtschaft. Gleichzeitig blieb die Autonomie der Staatsbetriebe beschränkt. 3 Zugegeben, China hat mittlerweile ebenfalls schwere Probleme mit dem Fehlverhalten und den Subventionsforderungen seiner Staatsbetriebe; angesichts des vor allem in Südostchina bereits umfangreichen und weiterhin boomenden Privatsektors fallen diese Probleme jedoch weniger ins Gewicht als in Mittel- und Osteuropa. Auf die Frage, ob ein rationaler Gradualismus, so wie er oben idealtypisch skizziert wurde, für Ostmitteleuropa eine Option gewesen wäre oder sogar noch sein könnte, wird weiter unten eingegangen. Zunächst einmal folgen kurze Anmerkungen zur traditionellen Gradualismusdebatte und ein Blick auf die tatsächliche Entwicklung in den drei ostmitteleuropäischen Staaten, die i m ehemals kommunistischen Machtbereich eine Vorreiterrolle beim Übergang zur Marktwirtschaft einnehmen.
3. Zur geringen Relevanz der traditionellen Gradualismus-Debatte In der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion um Gradualismus oder Schocktherapie geht es kaum jemals um einen rationalen Gradualismus im obigen Sinne, also eine zeitweilige Dualisierung der Wirtschaft. Stattdessen wird zumeist erörtert, ob es sich empfiehlt, innerhalb der einzelnen Bereiche (Mikro, Makro, Außenwirtschaft) schrittweise vorzugehen. Diese Diskussion ist meines Erachtens nur von untergeordneter Bedeutung. Denn die Antwort hängt für einzelne Länder jeweils vor allem davon ab, wie groß der aktuelle Problemdruck ist und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ausfällt, letztlich das Ziel zu erreichen. Hat eine Regierung eine katastrophale Ausgangslage geerbt, sind drastische Schritte unerläßlich; befürchtet eine 3
Zur geänderten Rolle der Planung in China, siehe Naughton 1990.
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Regierung, bald von einer Regierung mit einem anderen Programm abgelöst zu werden, bietet es sich an, unverzüglich Fakten zu schaffen, die von den Nachfolgern nur schwer rückgängig gemacht werden können. Bei einer Hyperinflation, wie sie Polen Ende 1989 erlebte, verliert das Geld soweit seine Funktion als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel, daß die gesamtwirtschaftliche Arbeitsteilung schwer beeinträchtigt wird. Dies wird gerade durch die aktuellen Entwicklungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion belegt, in denen fortdauernd hohe Inflationsraten mit einem drastischen Rückgang der internen Arbeitsteilung und der Produktion einhergehen. Bei sehr hohen Inflationsraten ist der Nutzen einer raschen Stabilisierung, die Rückkehr zu einem echten Geld, größer als der Schaden, den ein schneller Schwenk zu einer harten Geldpolitik anrichten könnte. Einer graduellen Stabilisierungspolitik würde zudem die Glaubwürdigkeit fehlen, da Regierungen und Zentralbanken in der turbulenten Umbruchsphase in Ostmitteleuropa keine verläßlichen Garantien geben können, daß die schrittweise Stabilisierung in der Zukunft tatsächlich fortgesetzt werden würde. Mangels Glaubwürdigkeit würde ein schrittweises Vorgehen somit auf längere Zeit keine Erfolge erwarten lassen. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß der klassische Einwand gegen eine radikale Stabilisierung in Ostmitteleuropa kaum zutrifft. Wie sich vor allem in Polen und der CSFR gezeigt hat, waren die Reallöhne nach dem Systemwechsel zunächst auch nach unten sehr flexibel, so daß die harte Stabilisierungspolitik nicht über einen Lohn-Lag zu einem unerwünschten Reallohnanstieg geführt hat. 4
4. Polen, Ungarn und die CSFR im Vergleich In der Debatte um Gradualismus oder Schocktherapie beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft wird vielfach auf einen Unterschied zwischen Ungarn und Polen verwiesen. Diese Sichtweise ist meines Erachtens ein wenig schief. Denn in der entscheidenden Hinsicht, dem Wechsel der Koordinationsmechanismen einer komplexen Arbeitsteilung, weisen beide Länder durchaus Ähnlichkeiten auf. Anders als die Tschechoslowakei, die tatsächlich bis Ende 1989 als Paradebeispiel für eine sozialistische Planwirtschaft dienen konnte, hatte in Ungarn und Polen die klassische Planung bereits seit rund zwanzig bzw. rund zehn Jahren erheblich an Bedeutung verloren. In den achtziger Jahren waren die Staatsunternehmen (genauer: ihre Manager und Arbeitnehmer) in vielerlei Hinsicht recht autonom, zumindest auf dem Papier. In der Praxis wurde die Autonomie 4
Im Anschluß an die entscheidenden Schritte des Systemwechsels gingen die Reallöhne 1990 in Polen um 28,lvH und 1991 in der CSFR um 29,8vH zurück [Schmieding 1992].
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allerdings durch eine Vielzahl von Detailverhandlungen mit der Staatsverwaltung eingeschränkt, die sich oft um höhere Preise, maßgeschneiderte Subventionen und andere Sonderkonditionen drehten. Da auch die zentralen Vorgaben der klassischen sozialistischen Planwirtschaft in vielfältigen vertikalen Verhandlungen zwischen Betrieben und übergeordneten Instanzen festgelegt worden waren, wich die reformierte Wirtschaftsordnung in Polen und Ungarn trotz der formalen Dezentralisierung der Entscheidungsbefugnisse de facto nur in geringerem Umfang vom alten planwirtschaftlichen Modell ab, als es zunächst den Anschein gehabt haben mochte. Die polnischen und ungarischen Wirtschaftsreformer konnten in den achtziger Jahren durchaus einige Erfolge für sich verbuchen: Beide Länder richteten ihren Außenhandel stärker auf den Weltmarkt aus, die private Wirtschaft konnte sich ein wenig entfalten, wenn auch in Polen zunächst eher illegal als legal; die Menschen konnten einige marktwirtschaftliche Praktiken einüben. Darüber hinaus hat Ungarn die Preisstruktur an Weltmarktverhältnisse angenähert und in Teilbereichen wie im Geld- und Steuerwesen in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die institutionelle Infrastruktur einer Marktwirtschaft vorbereitet [vgl. Bauer 1992]. Allerdings schlugen sich die größere Autonomie der Staatsbetriebe — und die indirekte Steuerung über Subventionen und andere Sonderkonditionen — in einem Verlust an gesamtwirtschaftlicher Stabilität nieder. Die von Komai [1980] diagnostizierten „soft budget constraints" eines sozialistischen Betriebes und ihr makroökonomisches Gegenstück, der Geldüberhang, gelten fälschlicherweise oft als typische Kennzeichen von Planwirtschaften. Wie sich herausstellte, werden diese Probleme jedoch erst im dezentralisierten Sozialismus richtig virulent, also nachdem die strikte Zentralplanung bereits aufgeweicht wurde. Daß makroökonomische Probleme in Mittel- und Osteuropa vor allem ein Nebenprodukt der Agonie des Sozialismus waren, zeigte sich insbesondere in Polen. Hier kam es 1989 zu einem harten politischen Kampf; der rasche Verfall der alten Autoritäten, die — wirtschaftlich gesehen — zuletzt wenig mehr als die Notenpresse kontrollierten, führte direkt in die Hyperinflation; ebenso wie dies 1991 in der Noch-Sowjetunion der Fall war. Wichtige Preise, insbesondere für Nahrungsmittel, wurden in Polen 1989 noch von der kommunistischen Regierung freigegeben; angesichts des aufgestauten Inflationsdruckes und der wuchernden grauen Märkte verloren viele verbliebene Preiskontrollen bereits in der zweiten Hälfte 1989 ihre Wirkung, also vor der offiziellen Freigabe dieser Preise zum Jahresbeginn 1990. Das Balcerowicz-Programm gilt als Paradebeispiel für einen Systemwechsel durch Schocktherapie. 5 Genau genommen ist die Rückkehr zu geld- und 5 Für eine Bewertung des Balcerowicz-Programms siehe Rosati [1992] und Rostowski [1992].
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fiskalpolitischer Disziplin bei drastischem Subventionsabbau jedoch weniger als ein Element des Übergangs vom Plan zum Markt selbst zu werten, sondern eher als die reine Korrektur von gravierenden makroökonomischen Fehlentwicklungen, die während des Kampfes um den Systemwechsel aufgetreten waren. In Ungarn hat sich der politische Wechsel dagegen graduell vollzogen. Die regierenden Kommunisten hatten sich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bereits so gewandelt, daß es schwer fällt, einen einzigen klaren politischen — und wirtschaftlichen — Bruch zu erkennen. Anders als in Polen ging der Machtwechsel nur mit einer vergleichsweise geringen Beschleunigung der Inflationsrate (von 17vH 1989 auf 35vH 1991, bedingt auch durch den höheren Preis für sowjetisches Öl) und nicht mit einem völligen Verlust der makroökonomischen Kontrolle einher; anders als in Polen stand deshalb auch keine schockartige Stabilisierung auf der Agenda. 6 Allerdings waren die Subventionen in Ungarn so ausgeufert, daß ihr Abbau im Interesse der gesamtwirtschaftlichen Stabilität unumgänglich wurde — und viele Staatsunternehmen vor Probleme stellt, die den Problemen polnischer Unternehmen gleichkommen. Rechtfertigen läßt sich die Zuordnung Ungarn — Gradualismus, Polen — Schocktherapie beim Übergang zur Marktwirtschaft vor allem im Bereich der Außenwirtschaft. Mit dem BalcerowiczProgramm hat Polen tatsächlich schlagartig den Außenhandel weitgehend liberalisiert [Rosati 1992], während Ungarn an der Politik der kleinen Schritte festgehalten hat. Anders als der ungarische Forint wurde der Zloty auch für Privatpersonen konvertibel, nicht nur für die Leistungsbilanztransaktionen von Unternehmen. Da der Staat kaum kontrollieren kann, für welchen Zweck Privatpersonen die erworbenen Devisen einsetzen, hat Polen damit de facto auch die Kapitalausfuhr weitgehend liberalisiert. Das Urteil über die unterschiedlichen Außenwirtschaftsstrategien fällt unklar aus. Die Zahlen über den Westhandel beider Länder sehen recht günstig aus — ebenso wie für die CSFR. Ausgehend von einem — relativ zum eigenen Wirtschaftspotential — vergleichsweise geringen Niveau hat Polen nach 1989 seinen Anteil an den Gesamtimporten der OECD noch etwas schneller gesteigert als Ungarn und die CSFR (siehe Tabelle 1). Entgegen manchen Voraussagen haben Polen, Ungarn und die CSFR bisher nicht unter großen Leistungsbilanzproblemen zu leiden. Allerdings wird Polen den Zloty in Kürze möglicherweise real abwerten müssen, um zu verhindern, daß sein Defizit im Westhandel nicht das Maß übersteigt, daß mit einem privaten Nettokapitalzustrom finanziert werden kann. 7 6
Für einen Vergleich der makroökonomischen Entwicklung in Polen, Ungarn und der Tschechslowakei siehe auch Heinrich [1991]; die Entwicklung in der CSFR wird regelmäßig von Janacek et al. analysiert. 7 Laut PlanEcon [1992] ist der polnische Zloty derzeit real überbewertet. 2·
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Holger Schmieding
Tabelle 1 Anteil der ostmitteleuropäischen Staaten an den Gesamteinfuhren OECD-Europas (in Promille) 1989 4.17 2.77 2.89
1988 4.01 2.75 2.80
Polen CSFR Ungarn
1990 4.92 2.73 3.09
1991(a) 5.36 3.43 3.48
(a) Januar — September Quelle: OECD, Monthly Statistics of Foreign Trade, lfd. Jgg.
Den offiziellen Statistiken zu Folge, die die private Wirtschaftstätigkeit nur unvollständig abbilden, ist die Industrieproduktion sowohl in Ungarn als auch in Polen deutlich geschrumpft (siehe Tabelle 2). Der auffälligste Unterschied zwischen beiden Ländern liegt im Zeitprofil des Rückgangs. In Polen konzentriert sich der Einbruch auf 1990 und, in geringerem Maße, auf 1991. Ungarn mit seinem etwas gradualistischeren Ansatz durchlebt dagegen eine bereits länger andauernde Krise, die sich 1991 mit dem Niedergang des Sowjetunion-Handels deutlich zugespitzt hat. In welchem der beiden Länder der kumulierte Rückgang größer ist, hängt auch von der Wahl des Basisjahres ab. W i r d ein Jahr zwischen 1985 und 1989 als Basisjahr genommen, fällt der Vergleich für Ungarn etwas günstiger aus; wird stattdessen die Entwicklung ab 1983 betrachtet, ist Polen im Vorteil. Insgesamt sind die Unterschiede im Ausmaß des Produktionseinbruches zu gering, um auf dieser Basis den Schluß rechtfertigen zu können, eines der beiden Länder habe eine bessere Transformationsstrategie verfolgt. Tabelle 2 Index der Industrieproduktion in Ostmitteleuropa (in konstanten Preisen, 1985=100)
Polen CSFR Ungarn
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
91,0 92,9 95,8
96,1 96,6 98,9
100 100 100
104,4 103,2 102,1
107,9 105,8 106,0
113,7 108,0 106,6
113,0 108,9 104,9
86,7 105,5 94,8
74,5 83,1 76,7
Quelle: PlanEcon Report, lfd. Ausgaben.
In bezug auf den Reallohn und die Realeinkommen der Bevölkerung verzeichnet die Statistik für Polen eine deutlich größere Einbuße als für Ungarn (siehe Tabelle 3). Dabei ist jedoch zu bedenken, daß die ungarischen Realeinkommen noch in vergleichsweise hohem Maße durch öffentliche Transfers gestützt werden. Diese Praxis kann angesichts des wachsenden
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Gradualismus oder Schocktherapie?
ungarischen Budgetdefizits, daß 1991 — im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt — mit 4,5vH etwa deutsche Dimensionen erreichte, wohl nicht im bisherigen Umfang weitergeführt werden.
Tabelle 3 Realeinkommen pro Kopf in Polen und Ungarn (1985=100) 1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
Polen
92,7
94,3
100
101,7
102,5
116,0
124,5
86,3
Ungarn
97,0
98,1
100
102,6
103,6
102,6
105,2
103,5
1991 94,3
Quelle: W i e Tabelle 2. Angabe für Ungarn 1991 von PlanEcon geschätzt.
Ein wichtiger Indikator spricht für Ungarn: der Zustrom an neuem Auslandskapital, der 1991 in Ungarn 1,5 Mrd. U.S. Dollar erreichte, während nur 600 Mio. Dollar in die CSFR und weniger als 500 Mio. Dollar nach Polen flössen [PlanEcon 1992]. Diese vergleichsweise große Attraktivität Ungarns läßt sich jedoch kaum als Folge eines ungarischen Gradualismus interpretieren. Der Kapitalzufluß ist wohl mehr ein Ausdruck der größeren politischen Stabilität des Landes, der besseren institutionellen und sachlichen Infrastruktur und der offenbar vergleichsweise geringen Furcht vor einem vermeintlichen Ausverkauf an Ausländer. Dazu kommt, daß Ungarn in einem für ausländische Investoren zentralen Punkt sogar einen weit härteren Weg als Polen gewählt hat. Es hat nicht um einen Teilerlaß seiner Auslandsschulden ersucht, obwohl Ungarn sowohl pro Kopf der Bevölkerung als auch pro Einheit seines Bruttosozialprodukts eine höhere Schuldenlast zu tragen hat als Polen. Angesichts der aktuellen polnischen Krise, die sich Anfang Mai im zweiten Rücktritt eines Finanzministers in diesem Jahr geäußert hat, sind noch einige Sätze zur Entwicklung in Polen angebracht. Die polnischen Probleme haben wenig mit einer Wahl zwischen Gradualismus oder Schocktherapie zu tun. Stattdessen lassen sich folgende Fehler und Versäumnisse identifizieren (siehe auch Schmieding [1992]): (1) Wechselkurspolitik. Polen hatte den Zloty Anfang Januar 1990 stark abgewertet, sogar noch deutlich unter den Graumarktkurs vom Dezember 1989. Wie sich herausstellte, war der Zloty damit real unterbewertet; als Folge hat Polen über den nominal fixierten Wechselkurs, der eigentlich als Stabilitätsanker dienen sollte, zunächst Inflation importiert. Nachdem sich zur Jahresmitte 1990 eine Beruhigung des Preisauftriebs abgezeichnet hatte, sorgte im Spätsommer und Herbst 1990 eine populistische Aufweichung des makroökonomischen Kurses vor den Präsidentenwahlen für einen weiteren Inflationsschub. Bei fortdauernder Inflation
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und nominal fixierter Parität bildete sich im Spätherbst 1990 langsam eine Überbewertung des Zloty heraus, die erst im April 1991 durch eine verspätete Abwertung weitgehend korrigiert wurde. Der Übergang zu einer hinreichend flexiblen Wechselkurspolitik, wie sie bei hohen Inflationsraten unerläßlich ist, erfolgte erst im Herbst 1991. Der Schaden, den die Wechselkurspolitik angerichtet hat, geht über den Bereich der Außenwirtschaft hinaus. Denn wichtiger als das Zeitprofil ist die Glaubwürdigkeit einer wirtschaftspolitischen Strategie. Polens Wechselkurspolitik hat wohl zur besonderen polnischen Glaubwürdigkeitskrise beigetragen. (2) Die polnische Regierung hat erst zu spät ernsthafte Anstrengungen unternommen, die Erosion der traditionellen Steuerbasis, also der Zahlungen der Staatsunternehmen an den Staatshaushalt, durch Änderungen des Steuersystems aufzufangen. Die Folge sind außerordentliche Fiskalprobleme, die wesentlich zur politischen Instabilität des Landes beitragen. Wegen seiner Glaubwürdigkeitslücke hat Polen zudem einen geringeren Spielraum zur nichtinflationären Finanzierung eines Staatsdefizits als Ungarn und die CSFR. Das langsame Tempo, das Polen zunächst beim Umbau seines Steuersystems einlegte, war durchaus verständlich. Denn im Frühjahr 1990, also unmittelbar nach dem Balcerowicz-Programm, waren die Gewinne der Staatsunternehmen und somit ihre Abführungen an den Staatshaushalt erst einmal kräftig gestiegen. Nach der Preisfreigabe und im Zuge eines Abbaus von Lagerbeständen, die sie zu wesentlich geringeren Preisen angelegt hatten, konnten die Betriebe einen Sondergewinn verzeichnen. Wie sich herausstellte, war dies jedoch ein einmaliges Phänomen, dem eine nachhaltige Verschlechterung der Ertragslage und damit ein Rückgang der Zahlungen an den Staatshaushalt folgte. (3) Seit Mitte 1991 ist in Polen eine Tendenz zur Abkehr von der außerordentlich liberalen Außenwirtschaftspolitik des Jahres 1990 erkennbar. Die anfänglichen Liberalisierungserfolge wurden leider nicht durch entsprechend harte Standstill-Klauseln im Assoziationsabkommen mit der EG verankert. Deshalb verbleibt für die sich immer besser formierenden Interessengruppen in Polen ein großer Spielraum, von der Regierung erfolgreich Protektion und Subventionen einzufordern. Als eigentliches Beispiel eines schockartigen Übergangs vom Plan zum Markt ist — abgesehen von der ostdeutschen Sonderkatastrophe 8 — die Tschechoslowakei im Jahr 1991 zu nennen. Im Spätherbst 1989 hat das Bürgerforum eine sozialistische Planwirtschaft klassischen Zuschnitts in 8 Zu den wirtschaftspolitischen Fehlern, die i m ostdeutschen Fall gemacht wurden, siehe Schmieding [1991a].
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nahezu unbeschadetem Zustand übernommen. Geldüberhang, weiche Budgetrestriktionen und andere Merkmale einer sozialistischen Wirtschaft im Niedergang spielten nur eine vergleichsweise geringe Rolle. Anders als Polen, Ungarn und alle anderen Staaten des ehemals kommunistischen Machtbereichs wäre die CSFR deshalb — wirtschaftlich gesehen — ein geeigneter Kandidat für einen rationalen Gradualismus gewesen, wie er oben skizziert worden ist. 1990 hat die Tschechoslowakei tatsächlich ein Jahr lang nolens volens eine Richtung eingeschlagen, die einige Merkmale des rationalen Gradualismus aufweist. Während neue Privatunternehmen gegründet werden konnten und einige institutionelle Grundlagen für die Marktwirtschaft vorbereitet wurden, blieb die Staatswirtschaft de facto unter strikter Kontrolle. Obwohl die Planung bereits weitgehend gelockert war, verhielten sich Betriebe und Verwaltung weiter so, wie sie es zu Zeiten der verbindlichen Planung gewohnt waren. Nach einem nur geringfügigen Rückgang der Industrieproduktion um 3 , l v H in 1990 setzte der Einbruch der Staatswirtschaft mit dem schockartigen Übergang zu marktwirtschaftlichen Koordinationsmechanismen Anfang 1991 ein. Die Industrieproduktion ging 1991 nahezu ebenso stark zurück wie i m Vorjahr in Polen. Zwar hatte die CSFR — anders als Polen — nicht gleichzeitig eine Hyperinflation zu stoppen, dafür mußte die CSFR im Jahr des Systemwechsels auch noch den Einbruch des Sowjetunion-Handels verkraften. 9 Die tschechoslowakische Erfahrung scheint somit für einen rationalen Gradualismus und gegen die schließlich gewählte Schocktherapie zu sprechen. Diese wirtschaftliche Sichtweise greift allerdings zu kurz. Denn wie so oft, wenn die Fragen interessant werden, versagt die rein ökonomische Logik. Ob die CSFR wirklich ein Kandidat für einen rationalen Gradualismus im eingangs skizzierten Sinne gewesen wäre, ist letztlich nur politisch zu beantworten. W i e bereits erwähnt setzt der rationale Gradualismus die Fortdauer des alten Systems der Wirtschaftslenkung voraus, auch wenn es nur auf die jeweils noch verbliebene Staatswirtschaft angewandt wird, während die private Aktivität bereits völlig liberalisiert worden ist. Für ein Land, in dem es keinen fundamentalen politischen Bruch gegeben hat und in dem auch die alte Verwaltung störungsfrei und kompetent weiterarbeiten kann, ließe sich ein solch rationaler Gradualismus vorstellen, nicht jedoch für Ostmitteleuropa. Im real existierenden Sozialismus waren jedoch Wirtschaft und Politik in außerordentlich hohem Maße miteinander verquickt. Ebenso wie das politische System ist auch das alte Wirtschaftssystem samt dem dazu9 Zudem leidet die CSFR unter dem außerordentlich hohen Konzentrationsgrad in der Industrie.
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gehörigen Staatsapparat und seinem Personal diskreditiert. Die kommunistische Partei, deren Einfluß auf die Planung des Wirtschaftsgeschehens den der Staatsorgane überstieg, hat ihre Macht verloren. Nach der politischen Revolution steht eine ähnlich grundlegende Revolution der Wirtschaftsordnung auf der Agenda. Es ist kaum vorstellbar, daß demokratische Politiker wie Vaclav Havel und Vaclav Klaus wirklich für mehrere Jahre über die Fortdauer des alten Plansystems mit festen Preisen und zentraler Allokation der Ressourcen präsidieren könnten, auch wenn der Staatssektor, auf den es ausschließlich angewandt wird, dabei planmäßig gen Null reduziert werden soll. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß eine Minimierung kurzfristiger Outputverluste kein Selbstzweck sein kann; von größerer Bedeutung ist, daß der Übergang zur Marktwirtschaft insgesamt gelingt und nicht durch politisch bedingte Fehlentscheidungen ins Stocken gerät oder verzerrt wird. Die politischen Möglichkeiten, den einmal begonnenen Transforma tionsprozeß fortzusetzen, hängen nicht nur vom Ausmaß und Zeitprofil der Anpassungskrise ab, sondern auch vom Ansehen und der Legitimität der politischen Kräfte, die diesen Wechsel betreiben. Der große Wahlerfolg der radikalliberalen Partei unter Vaclav Klaus in Böhmen und Mähren Anfang Juni 1992 hat gezeigt, daß Wähler durchaus einen konsequenten Schnitt mit dem alten System honorieren können, auch wenn die Wirtschaftsleistung zunächst dramatisch zurückgeht. Es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, daß ein rationaler Gradualismus, also die teilweise Fortdauer des alten diskreditierten Systems mit diskreditiertem Personal, in der Tschechischen Republik ähnlich populär gewesen wäre. Auch aus diesem Grund scheidet ein rationaler Gradualismus selbst in der Tschechoslowakei aus, also dem einzigen mittel- und osteuropäischen Land, in dem er wirtschaftlich denkbar gewesen wäre.
5. Schlußfolgerungen Aus den angesprochenen Überlegungen lassen sich einige Schlußfolgerungen und weiterführende Gedanken gewinnen, die ich in sieben Punkten zusammenfassen möchte: (1) Die Fragen, die traditionell unter dem Titel Gradualismus oder Schocktherapie diskutiert werden, sind nur von untergeordneter Bedeutung. Ob eine makroökonomische Schocktherapie unerläßlich ist, hängt von der Ausgangslage ab. Da es eine Hyperinflation zu stoppen galt, hatte Polen kaum eine andere Wahl, als eine radikale Kehrtwende zu versuchen; Ungarn kann dagegen seine vergleichsweise geringen Inflationsraten schrittweise weiter reduzieren, ohne einen wie auch immer gearteten Schock einführen zu müssen.
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(2) Theoretisch läßt sich beim Übergang vom Plan zum Markt zwar ein rationaler Gradualismus im Sinne eines planmäßigen Zurückschneidens der Staatswirtschaft begründen. Diesem Konzept zufolge würde der Staat auch nach der Freigabe der privaten Wirtschaftsaktivität weiter in vollem Umfang und wie bisher seine Rolle als Eigentümer der Staatsbetriebe wahrnehmen, bis die Staatswirtschaft weitgehend privatisiert oder stillgelegt worden ist. Dieses Konzept scheitert im nachrevolutionären Ostmitteleuropa allerdings an übergeordneten politischen Gesichtspunkten. Für fast alle Staaten Mittel- und Osteuropas gab es diese Option nach dem politischen Wechsel von der Diktatur zur Demokratie ohnehin nicht mehr, da den zentralen Instanzen die Kontrolle über die Staatsbetriebe bereits entglitten ist. (3) Diese Schlußfolgerungen gelten auch für Rußland und andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion, in denen der Verfall der alten Autoritäten und Verwaltungen noch weiter fortgeschritten ist als in Ostmitteleuropa. (4) Als Ersatz für einen solchen rationalen Gradualismus sollte der Staat als Noch-Eigentümer den Staatssektor zumindest strikten Lohn- und Kreditkontrollen unterwerfen. Auch wenn dies den Niedergang der Staatsbetriebe nicht verhindern kann, läßt sich damit zumindest der Schaden begrenzen, den orientierungslose und fehlgesteuerte Staatsunternehmen anrichten. Die makroökonomische Stabilität der CSFR, in der die Preise seit Mitte 1991 langsamer steigen als in Ostdeutschland, ist auch auf die dreiseitigen Absprachen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Betrieben über eine zurückhaltende Lohnpolitik sowie auf die vergleichsweise rigiden Kontrollen des Kreditvolumens der Banken zurückzuführen. (5) Um von der Staatswirtschaft zu retten, was zu retten ist, sollte die Übergabe von Eigentumsrechten an Private so rasch wie möglich und auf allen denkbaren Wegen erfolgen. Dabei sollte auch soviel „spontane Privatisierung" zugelassen werden, wie politisch akzeptabel ist. In Ungarn mit seinem entspannteren innenpolitischen Klima ist dies offenbar leichter als in Polen und der CSFR. (6) Beim Aufbau der institutionellen Infrastruktur der Marktwirtschaft sollten jene Einrichtungen Priorität genießen, die für die Marktkoordination einer komplexen Arbeitsteilung und die rationale Zuteilung von Produktionsmitteln von besonderer Bedeutung sind. Dazu zählt vor allem das Bankwesen. Die rasche Neuordnung des Bankwesens ist am ehesten durch einen ungehinderten Marktzugang für ausländische Finanzdienstleister zu erreichen, so wie es ihn innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit dem Binnenmarkt 1992 geben soll [Schmieding 1991b]. (7) Wichtiger als das Zeitprofil des Übergangs zur Marktwirtschaft ist die Antwort auf die Frage, ob das Ziel freier Märkte dauerhaft erreicht wird.
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Holger Schmieding Deshalb b i e t e t es sich an, daß die ostmitteleuropäischen Staaten i h r e n k ü n f t i g e n H a n d l u n g s s p i e l r a u m freiwillig beschränken, u n d zwar d u r c h eine Selbstbindung ihrer Protektions- u n d S u b v e n t i o n s p o l i t i k i n geeign e t e n Verträgen m i t der EG oder anderen i n t e r n a t i o n a l e n Institutionen, die i m O s t e n hohes A n s e h e n genießen [Schmieding 1992]. D i e EGA s s o z i a t i o n s a b k o m m e n m i t Polen, Ungarn u n d der CSFR sind ein A n s a t z dazu, der allerdings m i t v i e l zu v i e l e n A u s n a h m e n u n d Sonderregelungen gespickt ist.
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Zusammenfassung der Diskussion Referat Schmieding
Bolz ist mit Schmiedings Ausführungen weitgehend einverstanden, er hat aber doch gewisse Schwierigkeiten mit dem Begriff „Schock". Man habe ja nicht in allen Bereichen, die umgestaltet werden müssen, wirklich die Wahlmöglichkeit, den Schock zu wählen oder schrittweise vorzugehen. Daß man bei der Privatisierung, Entstaatlichung, Demonopolisierung etc. gar nicht schockmäßig vorgehen könne, sei sicherlich allen klargeworden; dort gebe es nur den Weg, der viel Zeit braucht, eine Form von Gradualismus. Schmieding stimmt zu: es gebe einige Bereiche, die er genannt habe — Aufbau von Institutionen, Privatisierung, Einüben neuer Verhaltensweisen —, in denen man nicht schockartig vorgehen könne. In einigen Bereichen könne man theoretisch über Schock versus Gradualismus gut diskutieren, vor allem bei der Außenwirtschaft und der Makropolitik. Im Bereich der Makropolitik — dies habe er am Kontrast zwischen Polen und Ungarn darzulegen versucht — stelle sich die Situation wie folgt dar: Die eigentliche Frage sei diejenige nach der Ausgangslage; die Ausgangslage determiniere die Entscheidung. Polen habe kaum eine andere Wahl gehabt. Für Ungarn spiele bei einer Inflationsrate, die sich zwischen 1989 und 1991 im Bereich zwischen 17 und 35 % bewegte, die Wahl zwischen Gradualismus und Schocktherapie keine große Rolle. Mit der Schocktherapie hätte der Versuch gemacht werden können, die Inflationsrate innerhalb eines Jahres von 35 % auf 2 % zu senken. Den Versuch, der gemacht wurde, die Inflationsrate von 25 % auf 20 % zu senken, könne man als Weiterführung eines Gradualismus bezeichnen. Weißenburger kritisiert, Schmieding habe bei der Begrifflichkeit von Schocktherapie versus Gradualismus einen wesentlichen Punkt ausgeklammert, der in der Diskussion in den angesprochenen Ländern entscheidend sei: die Frage der Preisliberalisierung. Auf der einen Seite werde oft argumentiert, daß, solange die Monopole noch bestehen, eine Preisliberalisierung eher zurückhaltend beurteilt werden sollte, um das Entstehen von monopolistischen Preiserhöhungen zu verhindern. Auf der anderen Seite habe sich — ζ. B. auch im Falle der Sowjetunion — herausgestellt, daß der Versuch, die Preise künstlich zu fixieren, zur Bildung von Schwarzmärkten und ähnlichem führt.
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Schmieding erwidert, Preisliberalisierung gehöre sozusagen als Unterpunkt des Begriffes „mikro"-theoretisch zu den Bereichen, i m Hinblick auf die man über Schocktherapie versus Gradualismus diskutieren könne, weil eine gewisse Wahlmöglichkeit offen sei. Es bestehe allerdings eine sehr enge Verknüpfung mit der makroökonomischen Situation. Für Polen habe sich 1989 und für die GUS-Staaten 1991 allerdings kaum eine andere Wahl ergeben, weil die Preiskontrolle bereits ohnehin umgangen wurde. Im Falle der anderen Länder könne man darüber diskutieren, ob man langsam oder schnell vorgehen sollte. Schmieding hält die jeweilige Entscheidung für nicht sehr wichtig, wenn man in wesentlichen Bereichen schnell liberalisiert und einige andere weiterhin kontrolliert. Letztlich sei es kaum lohnend, Preise — auch bei Monopolen — weiterhin zu kontrollieren, weil der Außenwettbewerb wichtiger sei als die Preiskontrolle. Auch Flassbeck möchte den Begriff „rationaler Gradualismus" genauer geklärt wissen. Zum einen gebe es die normalen makroökonomischen Schocks, wie man sie im Westen in einer Marktwirtschaft auch habe. Wenn man eine Hyperinflation zu bekämpfen hätte, müßte man auch in einer Marktwirtschaft einen Schock erzeugen. Dann würden das Realeinkommen sinken und die Arbeitslosigkeit steigen. Dies sollte man aber deutlich von den übrigen Schocks trennen, die in diesem Prozeß womöglich aufträten, nämlich von den Schocks auf der mikroökonomischen Ebene. Wenn man von heute auf morgen eine Privatrechtsordnung einführte, also alle die institutionellen und legalen Voraussetzungen für eine Marktwirtschaft schüfe, dann sei das in gewisser Weise natürlich auch ein Schock, aber keiner, der unmittelbar und zwingend einen Anstieg der Arbeitslosigkeit oder einen Einbruch der Industrieproduktion nach sich zieht. Es sei ein Schock für jeden einzelnen hinsichtlich seines Verhaltens auf den Märkten. Der einzelne müsse sich umorientieren. Die Umorientierung werde langsam, gradualistisch vor sich gehen, obwohl die Einführung der Maßnahmen schockartig erfolgte. In diesem Zusammenhang nennt Flassbeck auch die offensichtlich sehr schwierige Frage der Privatisierung: Was tun mit den Unternehmen? Schmieding habe vorgeschlagen, die Staatsunternehmen unter staatlicher Kontrolle zu behalten. Selbstverständlich müsse man das. Auch diesbezüglich könne man nur einen gradualistischen Weg gehen. Das Beispiel Ostdeutschland zeige, daß man nicht eine ganze Wirtschaft über Nacht und auch nicht innerhalb von zwei Jahren privatisieren kann. Dieser Prozeß dauere selbst unter den in Ostdeutschland gegebenen sehr günstigen Bedingungen sehr lange. In den anderen Ländern werde es noch sehr viel länger dauern. Man müsse also zunächst schockartig vorgehen, die Unternehmen mit harten Budgetrestriktionen konfrontieren, sie aber weiter unter staatlicher Kontrolle halten. Man müsse also Konstruktionen wählen, wie i m
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Westen auch, etwa in der Weise, daß der Eigentümer — für einige Zeit noch der Staat — i m Aufsichtsrat sitzt und kontrolliert, wie die Manager, die er anstellt und die er möglicherweise auch austauscht, das Unternehmen führen. Das sei i m Grunde auch ein legaler, ein institutioneller Schock, der aber ganz gradualistische Ergebnisse haben werde. Die eigentlichen Schocks träten nur im makroökonomischen Bereich auf, zum einen, wenn durch die Wirtschaftspolitik solche Schocks herbeigeführt würden. Sie träten zum anderen im außenwirtschaftlichen Bereich auf, bei einer extremen Ab- oder Aufwertung. Wenn es gelänge, die makroökonomischen Schocks zu vermeiden, würde der Übergang in den meisten Ländern gradualistisch sein. Wenn es gelänge, eine halbwegs günstige außenwirtschaftliche Absicherung durchzuführen, und im Innern eine extrem restriktive Politik zu vermeiden, werde es zwar immer noch gewaltige Mikroschocks geben, aber diese würden makroökonomisch gar nicht so stark durchschlagen. Schmieding geht nochmals auf die Bereiche ein, in denen Schocks auftreten können. Er unterstreicht, daß der Wechsel der Koordinationsmechanismen für die Unternehmen ein Schock an sich sei, ein Schock, der vor allem Großunternehmen vor erhebliche Probbleme stelle, die sich letztlich ganz unabhängig von der Inflationsrate ergäben. Zum „rationalen Gradualismus" betont Schmieding, er habe ihn nur für einen einzigen Bereich genannt, nämlich für die fortdauernde Kontrolle der Staatsunternehmen. Er habe dabei nicht an die völlige Liberalisierung von Anfang an in dem Sinne gedacht, daß die Staatsunternehmen tun könnten, was sie wollen. Bis zu ihrer Privatisierung oder Stillegung sei ein hohes Maß an Einfluß des staatlichen Eigentümers auf seine Unternehmen erforderlich. Allerdings scheitere dieses Konzept daran, daß der Apparat, den man dafür brauchte, entweder nicht mehr vorhanden sei oder zu diskreditiert, um arbeitsfähig zu sein. Als Ergebnis solcher Überlegungen hält Schmieding fest, man komme nicht darum herum, im Sinne von Vorkehrungen gewisse Lohn- und Kreditkontrollen vorzunehmen, ansonsten aber doch mit dem Niedergang der Staatswirtschaft zu leben. Polkowski ergänzt, daß das Wirtschaftsrecht in Polen in den Grundzügen schockartig den rechtsstaatlichen und wirtschaftsliberalen Bedingungen in Westeuropa angepaßt worden sei. Die weitere Entwicklung des Wirtschaftssystems und der Transformation werde weitgehend nach dem Prinzip des „rationalen Gradualismus" verlaufen. Den Grund dafür sehe er in der unklaren politischen Lage in Polen. In Zukunft sei ein starkes Präsidentschaftssystem in Polen zu erwarten, das für einen rationalen Gradualismus spräche.
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Schmieding sieht das ebenso: eine verläßliche politische Kontinuität erleichtere es, eine fortdauernde Kontrolle über die Staatsbetriebe zu haben. In diesem Sinne könne eine stärkere Regierungsgewalt in Polen es schaffen, einen Teil der verlorengegangenen Kontrolle über die Staatsbetriebe zurückzuerlangen und insoweit möglicherweise wieder Eigentümerfunktionen hinsichtlich der Noch-Staatsbetriebe auszuüben. Schatz fragt, zu welchem Zweck eigentlich die Kontrolle über die staatlichen Betriebe ausgeübt werden sollte? Womöglich, um die Planwirtschaft — mit allen Ineffizienzen — aufrechtzuerhalten? Zweitens fragt Schatz, wenn schon Kontrolle erfolgen sollte, warum dann nicht auch Preiskontrolle? Schmieding habe ja offenbar auch für die Monopole die Preise freigeben wollen. Schmieding erwidert, es komme darauf an, was noch möglich ist. Im Idealfall könne man sich vorstellen, daß es in einem fortbestehenden politischen System — als Beispiel nennt er China — einen Dualismus zwischen einer aufblühenden Privatwirtschaft mit freien Preisen und einer weitergeführten Planwirtschaft ungefähr des alten Typs mit kontrollierten Preisen gäbe. Diese A r t der Kontrolle sei natürlich in Mittel- und Osteuropa nicht mehr möglich und politisch auch nicht wünschbar, so daß sich Wahlmöglichkeiten für diese Länder nur im Bereich der Unternehmenskontrolle ergäben — insbesondere durch strikte Lohn- und Kreditkontrollen sowie evtl. gewisse staatliche Hinweise auf das, was zu produzieren sein könnte.
Privatisierung in Ungarn, Polen und in der CSFR Von Doris Cornelsen, Berlin
Ungarn, Polen und die CSFR haben bei der Privatisierung der Staatsbetriebe verschiedene Wege beschritten. Auf der einen Seite Ungarn, sehr pragmatisch, dezentral, vieles wird den Betrieben selbst überlassen. Auf der anderen Seite die CSFR, mit einem breit gefächerten Ansatz, einschließlich der unentgeltlichen Übertragung, unter zentraler Regie (in beiden Republiken). Polen tendiert auch in diese Richtung, allerdings wird hier zunehmend auf Aktivitäten der Manager gesetzt. Die Unterschiede sind nicht ohne die historische Entwicklung zu verstehen. In Ungarn und Polen gab es schon in den /leiten der Planwirtschaft eine Reihe von Konzessionen an veränderte Bedingungen, eine größere Selbständigkeit der Betriebe und ihrer Manager. Hier sah sich die Wirtschaftsführung bereits Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre veranlaßt, private Aktivitäten zur Verbesserung der Lage zu dulden. In Polen entwickelten sich diese viele Jahre lang am Rande der Legalität; in Ungarn wurden sie offiziell gebilligt, insbesondere durch die Möglichkeit der genossenschaftlichen Nutzung von Einrichtungen der Großbetriebe. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Jahre 1987 und 1988 brachten dann in beiden Ländern bereits die Diskussion über die Privatisierung bestimmter Bereiche. Regeln für Joint Ventures wurden weiter entwickelt und den Betriebsleitungen größere Freiheiten zugestanden. Anders war die Lage in der CSFR, wo bis zum Schluß die staatliche Planung und Leitung unangetastet geblieben ist. Konsequenz war, daß insbesondere in Ungarn bestimmte Elemente der Marktwirtschaft allmählich Einzug hielten. Eigentum, Leistung, Gewinn, auch Ungleichheit der Verteilung waren keine Fremdwörter mehr. Ausbildung und Fähigkeit der Manager waren zum Teil beachtlich. Ein derartiger Lernprozeß hat auch in Polen, wenngleich in geringerem Umfang, stattgefunden. In beiden Ländern gab es schon eine gewisse Kapitalbildung im privaten Sektor. In der CSFR dagegen tat sich praktisch nichts. Die unterschiedliche Lösung der Privatisierung ist ein Ergebnis dieser Ausgangslagen. Im folgenden sollen die Konzepte der „großen Privatisierung" zusammenfassend beschrieben werden: Die Behandlung der ehemaligen Eigentümer 3 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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(Kompensation, Restitution), die Organisation (zentral oder dezentral), die Berücksichtigung der Bevölkerung und der Beschäftigten (über unentgeltliche Übertragung oder Vorzugsbedingungen), die Einbeziehung ausländischer Investoren, die speziellen Probleme (Eigentumsrechte, Umwandlung der Betriebe, Bestimmung des Wertes), die Methoden (Auktionen, öffentliche Ausschreibung, Verhandlungen mit einzelnen Interessenten, Verkauf einzelner Vermögenswerte). Die Konzepte werden verglichen mit den Zielen Geschwindigkeit, Erlöse, Kapital- und Technologietransfer, Wettbewerbsfähigkeit, politische und soziale Akzeptanz; Ziele, die nach aller Erfahrung erheblich miteinander konkurrieren. Abschließend sollen einige Konsequenzen aus dem bisherigen Ablauf gezogen werden.
Privatisierung Ungarn Die Besonderheiten in Ungarn sind: — Es gibt keine unentgeltliche Übertragung an die Bevölkerung, kein System von Vouchers oder Kupons; — es dominiert die dezentrale Methode, die Betriebe suchen ihre Partner selbst, Joint Ventures spielen eine große Rolle. Die klare Festlegung der Eigentumsrechte erwies sich in Ungarn — auch in Polen — als sehr diffizil. Im Zuge der Reformen des letzten Jahrzehnts war die Autonomie der Betriebe in erheblichem Umfang hergestellt worden, Unternehmensräte (in Polen Arbeiterräte) hatten große Mitspracherechte. Der erste Schritt der Privatisierung ist notwendigerweise die Umwandlung der Staatsbetriebe in Gesellschaftsformen, die in westlichen Ländern üblich sind und die Übertragung der Anteile und der Eigentumsrechte an diesen Kapitalgesellschaften auf eine einheitliche — staatliche — Institution. Dies ist in Ungarn wie in Polen langwierig, weil die Betriebe gegen die Einschränkung ihrer Rechte und die „Rückübertragung" des Eigentums auf staatliche Institutionen heftig opponierten. Von 1988 bis Anfang 1990 konnten sich die Staatsbetriebe in Ungarn ohne nennenswerte Kontrolle umwandeln und privatisieren („Spontane Privatisierung"). Einige Auswüchse führten im März 1990 zur Gründung der Staatlichen Vermögens-Agentur (SVA). Sie übernahm die Eigentumsrechte und überwachte die weitere Privatisierung. Außerdem sollte sie selbst eine zentralisierte Privatisierung einleiten und Betriebe ausländischen Investoren anbieten. Das erste Privatisierungsprogramm der SVA im September 1990 enthielt 20 sehr leistungsfähige Betriebe, das zweite Programm eine Reihe von Staatsholdings. Beide Aktionen brachten keinen großen Erfolg, ebenso wie die folgenden Programme der SVA (Landwirtschaft, Weinproduzenten, Bauwirtschaft, Betriebe mit Schwerpunkt im RGW-Handel).
Privatisierung in Ungarn, Polen und in der CSFR
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Ausländische Consulting-Firmen und Investment-Banken spielen bei der SVA-Privatisierung eine große Rolle. Die SVA engagiert sie als Agenten und bietet 3 bis 5 % der Erlöse für ihre Dienste. Sie bewerten das Vermögen, entwickeln eine Strategie und nutzen ihre internationalen Verbindungen bei der Suche nach ausländischen Investoren. Im Grundsatz dominiert aber die dezentrale Methode (die SVA hat lediglich etwa 150 Mitarbeiter). Zur Beschleunigung der Privatisierung im Jahr 1991 mußten einige W i derstände überwunden werden. Die Unabhängige Partei der Kleinbauern konnte ein Gesetz zur Reprivatisierung über Kompensations-Zertifikate durchsetzen. Die Zertifikate berechtigen zum Kauf von Staatseigentum. Eine Konzession an die Christlichen Demokraten war ein Gesetz über die faktische Restitution des Kircheneigentums. Der Plan, 10 % der Anteile an die Beschäftigten zu Vorzugsbedingungen zu verkaufen, war eine Konzession an das Ungarische Demokratische Forum. Die Gewerkschaften forderten neben der rechtlichen Absicherung der Beteiligung der Arbeitnehmer auch die Möglichkeit der völligen Übernahme von Betrieben durch die Beschäftigten. Das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer (ESOP) ist jüngst erlassen worden. Diese Zugeständnisse waren der Preis für eine erhöhte Akzeptanz der Privatisierung, allerdings ist nicht auszuschließen, da die z.T. damit verbundenen Hoffnungen auf eine bessere Vermögensverteilung enttäuscht werden. 1991 wurde ein neues Privatisierungsprogramm vorgelegt. Zunächst sollten darin auch die großen Betriebe zusammengestellt werden, die in Staatsbesitz oder in nationalem Eigentum bleiben sollen (wobei das letztere schwer zu kontrollieren ist). Beide Arten von Betrieben sollen von einer Staatsinstitution, unabhängig von der SVA, gemanagt werden. Eine Einigung über den Inhalt der Listen ist offenbar noch nicht erreicht. Zur schnelleren Privatisierung wurden die Investor-Initiative und die Selbstprivatisierung (mit Hilfe von Consultants) eingeführt. Die InvestorInitiative ist in erster Linie für Ausländer gedacht. Sie können ohne Zustimmung des betrieblichen Managements die Privatisierung in Gang bringen. Sie setzen die SVA von ihren Absichten in Kenntnis, die SVA überprüft die Lage mit den örtlichen Räten und dem Management, veranlaßt weitere Investoren zum Bieten. In wenigen Monaten gaben fast 250 Investoren ihre Kaufabsichten bei der SVA bekannt. Im Oktober 1991 begann die erste Runde der Selbstprivatisierung mit 404 Betrieben (Betriebe mit weniger als 300 Beschäftigten). Die Betriebsleiter konnten direkt mit potentiellen Käufern verhandeln, allerdings mußten sie eine der 84 anerkannten Consulting-Firmen hinzuziehen. Die Tätigkeit der Consultants wird von der SVA stichprobenartig überprüft. Bis Ende Februar 1992 sind 266 Betriebe verkauft und 39 in staatliche Gesellschaften mit beschränkter Haftung (als Vorstadium für den Verkauf) umgewandelt wor3·
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den. Der Beginn einer zweiten Runde der Selbstprivatisierung wurde für den 1. April 1992 festgesetzt (300 Betriebe mit bis zu 1 000 Beschäftigten). Im Januar 1992 wurden 100 bis 150 Betriebe, die in Staatsbesitz bleiben sollen, dem Institut für Staatseigentum unterstellt. Konkursverfahren wurden gegen 80 bis 120 Betriebe eingeleitet. Die Frage der Entschädigung der früheren Eigentümer entwickelte sich besser als vorhergesagt. Das Entschädigungsgesetz (über das nach dem 8. Juni 1949 enteignete Eigentum) war am 26. Juni 1991 verabschiedet worden. Ursprünglich wurde geschätzt, daß die Ansprüche einen Umfang von 100 Mrd. Forint erreichen würden. A m 25. November 1991 waren Ansprüche in Höhe von 6,27 Mrd. Forint angemeldet (die Anmeldefrist endete am 6. Dezember). Heute ist festzustellen, daß Ungarn eine große Anziehungskraft für ausländische Investoren entwickelt hat, sicherlich auch als Konsequenz der langjährigen Reformanstrengungen. Bis Ende März 1992 sind rund 12 000 Joint Ventures entstanden; 90 % davon in den beiden letzten Jahren. 1990 belief sich das dabei engagierte Auslandskapital auf 900 Mill. US-$. Die ausländischen Investitionen im Jahr 1991 werden auf mehr als 2 Mrd. US-$ geschätzt. Ein Nachteil ist der Mißerfolg der Privatisierungsprogramme für die großen Staatsbetriebe. Enttäuschend ist weiter, daß einheimische Investoren kaum an der Privatisierung teilgenommen haben. Wichtigster Grund dafür sind die nicht ausreichenden Kreditmöglichkeiten für einheimische Interessenten (geforderte Sicherheiten, hohe Zinsen). Vor dem Hintergrund der Privatisierungsziele ermöglicht die dezentrale Methode eine schnelle Privatisierung und — über Joint Ventures — den notwendigen Kapital- und Technologiezufluß sowie eine effiziente Leitung und Umstrukturierung der Betriebe. Ein fiskalischer Ertrag ist damit allerdings nicht zu erreichen. Er blieb in Ungarn wegen des begrenzten Erfolgs der SVA-Privatisierungsprogramme insgesamt nur mäßig. Schwierig ist die Beurteilung der politischen und sozialen Akzeptanz. Sie ist in diesem traditionell reformorientierten Land offenbar in hohem Maß vorhanden, die steigende Arbeitslosigkeit und die extrem zunehmende Ungleichheit in der Einkommensverteilung sind in ihren politischen und sozialen Konsequenzen aber schwer zu prognostizieren.
Privatisierung Polen Die Besonderheiten in Polen sind: — Hoher politischer Stellenwert der unentgeltlichen Übertragung (Vou-
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chers, über Investment-Fonds), allerdings noch nicht in Gang gekommen; — Privatisierung durch das Ministerium, über Auktionen, direkten Verkauf, Liquidation (anschließend Verkauf/Vermietung/Leasing des Vermögens); — schwierige Entscheidungsfindung durch große Mitspracherechte von Managern, Arbeiterräten, Gewerkschaftsvertretern; zähe Verhandlungen bei der Definition der Eigentumsrechte und der Umwandlung der Betriebe. Schon in den letzten Monaten der kommunistischen Regierung Rakowski gab es eine A r t spontane Privatisierung. Unternehmen hatten die Möglichkeit, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln und Anteile herauszugeben. Vielfach kam es zur Bildung privater Aktiengesellschaften, die den lukrativsten Teil der Staatsbetriebe übernahmen. Diese Tatsache hatte fatale Auswirkungen auf die allgemeine Akzeptanz der Privatisierung. Während der Regierung von Mazowiecki wurde im Juli 1990 das Gesetz über die Privatisierung der staatlichen Unternehmen erlassen; das Ministerium zur Transformation des Eigentums wurde im September 1990 gegründet. Für die Privatisierung ließ das Gesetz viele Wege zu. Z.B. Vorrechte der Beschäftigten für den Erwerb von Anteilen an ihren Betrieben, Verteilung von Anteilen an die Bevölkerung in Form von Vouchers und die Gründung von Investment-Fonds, Möglichkeit von Verkauf, Vermietung und Leasing des Vermögens liquidierter Staatsunternehmen, Privatisierung durch Verkauf/Auktionen. Diese letzte Methode war der Schwerpunkt in der Zeit der Regierung Mazowiecki. Ausgewählte Betriebe wurden öffentlich zum Kauf angeboten. Als schwierig hat sich die Bestimmung des Wertes herausgestellt, sie wurde von ausländischen Consultings vorgenommen. Im November 1990 waren 20 der 157 zur Privatisierung vorgesehenen Staatsbetriebe in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Im Januar 1991 waren 5 verkauft. Der Wert war zunächst auf 500 Mrd. Zloty geschätzt, dann mit 300 Mrd. Zloty festgelegt worden. Von dem Erlös (300 Mrd. Zloty) wurden 67 Mrd. Zloty durch die Kosten der Vorbereitung (Honorar für die Consultings!) verschlungen. Der nur begrenzte Erfolg dieses Vorgehens hat die Regierung Bielecki veranlaßt, auch die anderen im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Der zuständige Minister in dieser Regierung war Jan Lewandowski, der schon 1988 einen Privatisierungsplan auf der Basis von Vouchers entwickelt hatte. Die im Februar 1991 angekündigte Privatisierungsoffensive bestand aus mehreren Teilen. Das Programm zur Massenprivatisierung sah die Einbeziehung von 400 der größten Staatsbetriebe vor (mit 25 % der Industrieproduktion und 12 % der Industriebeschäftigten), sowie die Grün-
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dung von 5 bis 20 Investmentfonds in der Form von Kapitalgesellschaften zur treuhänderischen Verwaltung der Betriebe. Die Anteile an den Fonds sollen zunächst in Staatsbesitz sein und später unentgeltlich an die Bevölkerung verteilt werden. Die Fonds selbst sollen 60 % der Anteile der Betriebe halten, 10 % sollten an die Beschäftigten gehen, 30 % in Staatsbesitz bleiben. Die 60 % Fondsanteile sollen zu 33 % bei einem Fonds — als Hauptaktionär — konzentriert sein, zu 27 % gleichmäßig auf die anderen Fonds übertragen werden. Die Aufsichtsräte der Fonds sollten vom Präsidenten ernannt, das Management mit Hilfe von westlichen Experten eingesetzt werden. Der Plan der Massenprivatisierung wurde aus vielen Gründen vehement kritisiert und kam überhaupt nicht voran. Im übrigen hat die schwere Rezession in Polen einen großen Teil der 400 Betriebe an den Rand des Bankrotts gebracht und das Programm unterhöhlt. Zur Privatisierungsoffensive gehörte auch das Programm der sektoralen Privatisierung. Westliche Consulting-Firmen sollen die Chancen zur Sanierung und Privatisierung in den verschiedenen (34) Sektoren untersuchen, die Beteiligung von ausländischen Investoren überprüfen und die Anteile verkaufen. Als Resultat der Analysen wurden etwa 200 Betriebe zum Verkauf angeboten. Das Konzept der Restrukturierung wurde auch in dieser Zeit entwickelt. Nach dem Slogan „erst sanieren, dann privatisieren" wurden die Manager durch finanzielle Incentives motiviert, ihre Betriebe umzustrukturieren. In Fortsetzung der früheren Verfahren wurden 1991 6 Betriebe über öffentliche Ausschreibung privatisiert, 18 an ausgewählte Interessenten verkauft. Ein Erfolg ist die Privatisierung kleiner und mittlerer Betriebe durch Liquidation. Hier werden die Betriebe formal liquidiert, das Vermögen wird verkauft, vermietet oder auf der Basis von Leasing übertragen. Es geht dabei nicht nur um die Abwicklung bankrotter Betriebe (lt. Gesetz über die Staatsunternehmen von 1981), sondern auch um eine im Privatisierungsgesetz festgelegte Möglichkeit zur Privatisierung gesunder Unternehmen. Ein entsprechendes Programm wurde schon in den letzten Monaten der Regierung Mazowiecki ausgearbeitet. Nach Angaben des polnischen zentralen Planungsbüros sind inzwischen 80 % der Privatisierung auf diese Weise erfolgt (1991: 932 Staatsbetriebe). Allerdings entstehen auch hier viele Probleme. Festzustellen waren Unregelmäßigkeiten bei der Bewertung und beim Verkauf/Vermietung. Es überwiegt das Leasing, Verkäufe sind rar. Das Ganze ist eher unter Insider-Transaktionen zu verbuchen, aktiv beteiligt sind meist die Manager und Beschäftigten. Eine allgemeine Restitution ist von allen nachkommunistischen Regierungen abgelehnt worden, eine begrenzte Aktion wird aber nicht ausgeschlossen, wenn die Enteignung klar illegal gewesen ist. Gesetzliche Regelungen stehen noch aus.
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Die Regierung Olszewski, im A m t seit Dezember 1991, hatte kein Privatisierungsprogramm vorgelegt, jedoch geplant, das Verfahren übersichtlicher zu machen und die Koordinierung zu verbessern. Bisher sind viel zu viele Stellen auf allen Ebenen in die Beschlußfassung einbezogen. Entscheidungen stehen an zur Behandlung der ehemaligen Eigentümer, zur Klärung der Eigentumsrechte (insbesondere über die Rolle der Arbeiterräte und Gewerkschaften), zur Fortsetzung (oder Modifizierung) der Programme. Die neue Regierung Pawlak hat diese Aufgaben jetzt auf dem Tisch. Ein besonders kritischer Punkt ist der große Einfluß der Manager, Arbeiterräte und Gewerkschaften. Ihre gegenwärtigen Rechte in den Betrieben sind nach einer Privatisierung hinfällig, so daß sie dazu tendieren, den Prozeß zu verzögern. M i t dem breit angelegten Konzept wurde versucht, den verschiedenen Interessen entgegen zu kommen und eine allgemeine politische und soziale Akzeptanz zu sichern. Der für viele Entscheidungen notwendige Konsens zwischen den divergierenden Interessen macht den Ablauf jedoch ziemlich schwerfällig. Vor dem Hintergrund der Privatisierungsziele haben die einzelnen Varianten Vor- und Nachteile: — Die Massenprivatisierung bezieht die gesamte Bevölkerung in die Verteilung des Staatsvermögens ein und ist somit von der Akzeptanz her positiv. Allerdings erfordert sie langwierige Vorbereitungen; fraglich ist, ob die Betriebe unter der Regie der Investmentsfonds effizient geleitet und umstrukturiert werden. — Als langwierig haben sich die öffentliche Ausschreibung/Versteigerung sowie Verkäufe an einzelne Interessenten erwiesen. — Die Liquidation ist eine schnelle Lösung. In der Regel werden die Anlagen von Fachleuten übernommen, so daß eine Umstrukturierung wahrscheinlich ist. Fraglich ist die Akzeptanz dieser „Insider-Transaktionen". — Joint Ventures sind inzwischen rund 5 000 registriert. Die Höhe der Kapitalbeteiligungen belief sich bis Ende 1991 aber nur auf 700 Mill. US-$. Insgesamt ist die Privatisierung in Polen unter den Gesichtspunkten Geschwindigkeit, Kapital- und Technologietransfer, Wettbewerbsfähigkeit mit Fragezeichen zu versehen.
Privatisierung CSFR Die Besonderheiten in der CSFR sind: — Anders als in den beiden anderen Ländern wird hier ehemaliges Staats-
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eigentum in großem Umfang unentgeltlich an die Bevölkerung verteilt, die Methode der Kupon-Privatisierung ist ein spannendes Experiment; — das Privatisierungsprogramm umfaßt aber auch die Standardmethoden; die Abwicklung erfolgt zentral, von Privatisierungsministerien in beiden Teilrepubliken; die Konzepte der Betriebe werden berücksichtigt. Ende der fünfziger Jahre war die Privatwirtschaft praktisch vollständig abgeschafft. Erst im Zuge der Reformen 1987 wurde die private Erwerbstätigkeit zugelassen, die Verordnungen wurden jedoch sehr restriktiv gehandhabt. Die 1990 begonnene Privatisierung soll somit überall von Grund auf neue Bedingungen schaffen. Schon zu Beginn (Gesetz von 1990 und 1991) wurde die Behandlung der früheren Eigentümer festgelegt. Unterschieden werden drei „Enteignungswellen": 1945, 1948, die Jahre danach. Grundsatz ist, daß nur für die beiden letzten Wellen entschädigt wird. Die „kleine Restitution", für Enteignungen von Geschäftsbetrieben und Immobilien nach 1955, sieht im Prinzip Rückgabe vor. Die „große Restitution" bezieht sich auf die Verstaatlichungen nach dem 25. Februar 1948, dem Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei. Anspruchberechtigt sind natürliche Personen, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besitzen und ständigen Wohnsitz in der CSFR haben. Bei Immobilien gilt „Rückgabe vor Entschädigung", bei Produktionsunternehmen wird das Objekt in die große Privatisierung einbezogen und eine finanzielle Entschädigung angestrebt, z.T. durch Schuldverschreibungen. Das Bodengesetz anerkennt erstmals Entschädigungsansprüche für Enteignungen der ersten Welle, dies wurde heftig diskutiert. Ursprünglich rechnete die Regierung mit der Restitution von etwa 10 % des staatlichen Immobilienvermögens und Entschädigungszahlungen von 10 bis 15 Mrd. Kcs., doch in Anbetracht der erweiterten Entschädigungsansprüche ist diese Größenordnung überholt. In Deutschland ist die Naturalrestitution ein großes Hemmnis für die Privatisierung geworden; diese Erfahrungen hat man offenbar nicht ausgewertet. Die gesetzliche Grundlage für die große Privatisierung trat am 1. April 1991 in Kraft. Von den damals rund 5 500 Staatsbetrieben waren reichlich 4 000 zur Privatisierung vorgesehen, andere — Rohstoffgewinnung, Bereitstellung öffentlicher Güter — sollten in Staatshand bleiben. Angewendet werden sollten die üblichen Privatisierungsmethoden, wie öffentliche Ausschreibung/Versteigerung, direkter Verkauf. Dies ist angelaufen. Das größte Interesse hat allerdings der Plan gefunden, einen großen Teil der Staatsbetriebe unentgeltlich — mit Kupons — an die Bevölkerung zu verteilen. Jedes für die Privatisierung vorgesehene Unternehmen muß dem zuständigen Gründungs- und Aufsichtsministerium (in der Regel das Industrieministerium auf der Republikebene) ein Privatisierungsprojekt vorlegen. Da-
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neben ist jedermann zur Einreichung eines Alternatiworschlags berechtigt. Das Privatisierungsprojekt enthält die Bewertung des Betriebes, erläutert die Restitutionsansprüche und schlägt die konkrete Privatisierungsmethode vor (auch Kombinationen sind möglich). Es folgt die Kontrolle durch das jeweilige Privatisierungsministerium und durch den jeweiligen Fonds des Nationalvermögens. Direkte Verkäufe an vorher bestimmte Interessenten (d.h. ohne Wettbewerb) müssen von der Republikregierung extra genehmigt werden. Für die Kuponprivatisierung waren ursprünglich etwa 40 % der gesamten Masse vorgesehen, der Anteil dürfte jetzt etwas höher liegen. Die Kuponprivatisierung wird in zwei etwa gleich großen Wellen ablaufen. Die erste ist im Gange und soll Ende 1992 abgeschlossen sein; die zweite wird vorbereitet. Sie wird wahrscheinlich nicht vor dem Frühjahr 1993 starten, soll dann aber am Jahresende beendet sein. Jeder erwachsene Bürger (ab 18) kann Investment-Punkte erhalten, wovon 1 000 in jeder Welle verwendet werden können. Für die Punkte ist eine Gebühr von 1 000 Kcs zu zahlen (plus 35 Kcs für das Kupon-Heft), sie soll die Kosten des Verfahrens decken. Der Betrag entspricht etwa einem durchschnittlichen Wochenlohn. Das Vermögen, das damit von jedem Berechtigten erworben werden kann, wurde ursprünglich mit 50 000 bis 100 000 Kcs beziffert (Buchwert der Betriebe: 260 Mrd. Kcs, bei einer geschätzten Zahl von 3 Mill. Teilnehmern). Dennoch hielt die Mehrheit der Bevölkerung die Sache zunächst für unattraktiv. Befragungen zeigten den verbreiteten Argwohn, die besten Stücke würden am Kupon-Verfahren vorbei direkt an Ausländer verkauft. Bei diesen Vorurteilen erwartete man nur eine Beteiligung von 15 % bis 20 % der Bevölkerung. Allerdings hat sich das Interesse im Januar 1992 schlagartig erhöht, insbesondere durch eine aggressive Kampagne einiger Investmentfonds. Nach Abschluß des Verfahrens Ende Februar waren 8,5 Mill. Personen registriert (von etwa 11,5 Mill. Berechtigten). Die Investment-Punkte können direkt zum Erwerb von Beteiligungen an bestimmten Betrieben verwendet oder an Investmentfonds übertragen werden, die damit Anteile kaufen und verwalten, auch Kontrolle über das Management ausüben. Im Januar 1992 waren 296 Fonds in der tschechischen und etwa 170 Fonds in der slowakischen Republik genehmigt. Die Fonds sind nicht staatlich, sondern private Unternehmen. Etwa 5 Mill. Kuponhalter haben alle oder einen Teil ihrer Punkte einem Fonds anvertraut. Nach einer ersten Übersicht ist die Verteilung sehr ungleichmäßig. 10 Fonds erhielten die Punkte von mehr als 100 000 Berechtigten, 50 bis 60 Fonds die Punkte von 10 000 bis 100 000 Berechtigten, die restlichen knapp 400 Fonds die Punkte von weniger als 10 000 Berechtigten. A m 18. Mai 1992 wurde die erste Runde der ersten Privatisierungswelle eröffnet. Die individuellen Kuponhalter und die Fonds können anhand der
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Privatisierungslisten mit ihren Investitionspunkten für die Aktien eines Unternehmens bieten. Nach voraussichtlich neun Tagen werden die Bestellungen ausgewertet. Entspricht die Nachfrage dem Angebot oder ist sie niedriger, werden die Interessenten bedient, die restlichen Aktien werden in nächster Runde zum niedrigeren Kurs angeboten. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, wird die Runde annulliert, der Aktienkurs wird angehoben. Zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage sind in der ersten Privatisierungswelle fünf derartige Runden vorgesehen. Bei der Beurteilung schwanken die Beobachter zwischen Bewunderung für den kühnen Ansatz und Bedenken über das Ergebnis. Eine Übertragung von Eigentumsanteilen an die breite Bevölkerung bringt zunächst nicht die notwendige effiziente Kontrolle des Managements. Dies können aber die Investitionsfonds leisten, wenn sie nicht nur Aktien halten und handeln, sondern auch Einfluß auf das Management ausüben. Bis jetzt gibt es kein Gesetz für die Investmentfonds. Festgelegt ist, daß sich die Beteiligung der Fonds auf mindestens zehn Gesellschaften erstrecken muß, wovon keine mehr als 10 % an den Investitionspunkten des Fonds betragen darf. Obergrenze für die Beteiligung an einer Gesellschaft sind 20 % ihrer Anteile (bei mehreren Fonds des gleichen Unternehmens 40 %). Außerdem haben die Fonds bestimmte Publizitätspflichten. Die Fondslösung in der CSFR hat — anders als die in Polen — unter dem Gesichtspunkt der Geschwindigkeit eindeutige Vorteile. Die Akzeptanz ist — jedenfalls zur Zeit — ein positiver Faktor. Die Kehrseite der Medaille ist, daß die unentgeltliche Übertragung keinen Kapital- und Technologietransfer induziert. Restrukturierung und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sind abhängig von der Leistungsfähigkeit der Fonds, die nur schwer zu prognostizieren ist. Die Standardmethoden der Privatisierung sind auch hier langwierig. Die Zahl der Joint-Ventures wird z. Zt. auf mehr als 3 000 geschätzt, im eigentlichen Industriebereich sind es erst wenige. Für die Industrie in der tschechischen Republik werden knapp 100 Joint-Ventures mit einem Auslandskapital von 600 Mill. US-$ genannt.
Fazit Die „große Privatisierung", wie auch immer konzipiert, ist kein leichtes Unterfangen. Die besonderen Bedingungen der Planwirtschaft haben sehr zentralisierte, material- und energieintensive Großbetriebe hinterlassen, die nur unter den früher gegebenen Bedingungen lebensfähig waren. Ihre Größe, ihre meist ineffiziente Produktion und das veraltete Sortiment wie auch die häufig unmodernen Anlagen machen ihre Privatisierung außerordentlich schwierig. Erfolg oder Mißerfolg der verschiedenen Konzepte
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werden sich erst in einigen Jahren herausstellen. Aus dem Überblick lassen sich gleichwohl einige Schlußfolgerungen ziehen. Notwendig für die Umstrukturierung der Betriebe zu wettbewerbsfähigen Einheiten ist der Zufluß von Kapital, Technologie und Wissen. Das sind in den betrachteten Ländern, aber auch international, sehr knappe Faktoren. Privatisierungskonzepte sollten darauf ausgerichtet sein, diesen Zufluß zu erreichen. Das Ziel, Erlöse aus der Privatisierung zu ziehen, sollte dahinter zurücktreten. Zwar sind auch mit den Erlösen aus der Privatisierung Maßnahmen zur Restrukturierung zu finanzieren, staatliche Programme sind aber meist weniger effizient. Wahrscheinlicher ist darüber hinaus, daß die Erlöse irgendwo im Etat versickern. Kapital-, Technologie- und Wissenstransfer ist unter den gegebenen Bedingungen am ehesten von ausländischen Investoren zu erwarten. Eine stärkere Einbeziehung kollidiert z.B. in der CSFR und in Polen mit nationalen Vorbehalten. Aller Erfahrung nach dürften die Bedenken grundlos sein. Das ausländische Engagement ist schon durch die Knappheit an Kapital begrenzt. Beim Einsatz des Auslandskapitals sollten Beteiligungen im Vordergrund stehen, damit das zufließende Kapital dann tatsächlich für die Umstrukturierung zur Verfügung steht: Beteiligungen sind besser als Verkauf. Im wesentlichen werden sich die Reformländer jedoch auf die eigenen Möglichkeiten konzentrieren müssen. Das ist mißlich, weil im Inland Kapital, Technologie und Wissen besondere Engpaßfaktoren sind. In Betracht kommt hier die Einschaltung des Managements, über Management-BuyOut oder Management-Buy-In, sowie der in Polen beschrittene Weg der Liquidation. Auch hier gilt, daß ein Verkauf den möglichen Kapitaleinsatz in den Betrieben selbst verringert. Vermietung, Leasing oder Beteiligungen sind vorzuziehen. Anzumerken ist jedoch, daß die politische und soziale Akzeptanz dabei nicht gesichert ist, weil meist die alte Führungsmannschaft am Ruder bleibt. Politische und soziale Akzeptanz ist unter den Privatisierungszielen nicht gering zu schätzen. Die Bevölkerung ist von der Transformation schwer getroffen. Für geraume Zeit wird es in den Reformländern Arbeitslosigkeit in erheblichem Umfang geben; Privatisierung und Umstrukturierung ist aller Erfahrung nach mit Entlassungen verbunden. Schon jetzt zeichnen sich außerdem erhebliche Verschiebungen in der Verteilung von Einkommen und Vermögen ab. Die Beteiligung der Bevölkerung an der Privatisierung des noch vor kurzer Zeit als „Volkseigentum" deklarierten Vermögens ist mithin eine politisch und sozial notwendige Aktion. Ein sehr breit gestreuter Aktienbesitz bringt allerdings keine effiziente Kontrolle für das betriebliche Management. Die Einschaltung von Fonds auf privatrechtlicher Basis (CSFR) hat ihre Bewährungsprobe erst vor sich; die polnische Lösung
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erinnert sehr an frühere bürokratische Regelungen. Denkbar dagegen ist eine Kombination von Beteiligungen (ausländische Investoren oder inländisches Management) mit der unentgeltlichen Übertragung, wie es ähnlich von Sinn/Sinn (1992) für ein neues Konzept der Treuhandanstalt vorgeschlagen wird: Wenn eine Beteiligung eines privaten Investors vereinbart ist, könnte der verbleibende Anteil des Staats in Fonds fließen und später an die Bevölkerung verteilt werden. Leitung und Kontrolle der Betriebe wird dann nicht nur durch die Fonds, sondern auch durch die privaten Investoren gesichert. Eine Berücksichtigung der Beschäftigten hat dagegen gravierende Nachteile. Beschäftigte in nicht mehr wettbewerbsfähigen Betrieben wären dann doppelt geschädigt, weil sie nicht nur um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, sondern auch an wertlosen Betrieben beteiligt sind. Außerdem wären bestimmte Gruppen von Beschäftigten — z.B. in der öffentlichen Verwaltung — völlig ausgeschlossen. Insgesamt gibt es keinen „Königsweg" für die Privatisierung, sondern lediglich unterschiedliche Möglichkeiten mit jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen. Die Konzepte sollten alle Standardmethoden einbeziehen, aber das Schwergewicht auf die Kombination „Beteiligung kompetenter Investoren (Ausland oder Inland) mit unentgeltlicher Übertragung an die Bevölkerung" legen. Vermutlich wird auch dann eine schnelle Privatisierung vieler Staatsbetriebe nicht zu erreichen sein. Politisch und ökonomisch unmöglich ist es aber auch, diese abrupt stillzulegen. Schwer ist wiederaufzubauen, was einmal aufgegeben worden ist. Viele Betriebe werden also noch eine Weile in Staatsbesitz bleiben müssen, bis — unter veränderten Bedingungen — eine realistische Einschätzung ihrer Chancen möglich ist. Die veränderten Bedingungen sind Marktwirtschaft und Wettbewerb, unter denen sie sich bewähren müssen. Eine der wichtigsten Aufgaben für die Übergangszeit ist allerdings, daß für die Staatsbetriebe eine effiziente Organisation von Kontrolle und Management erreicht wird. Daneben werden die Eigentumsverhältnisse in diesen Ländern von der Expansion des privaten Bereichs verändert. Vom rechtlichen Rahmen her sind die Voraussetzungen dafür gegeben. W i e die Entwicklung zeigt, nehmen die privaten Aktivitäten, jedenfalls in den Bereichen Handel und Dienstleistungen, stetig zu. Für langfristige Investitionsentscheidungen im produzierenden Bereich ist das Umfeld aber noch wenig förderlich.
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Zusammenfassung der Diskussion Referat Cornelsen
Bolz verweist auf das russische Beispiel: Dort sei ein besonderes Staatskomitee für Antimonopolpolitik eingerichtet worden, das die Aufgabe habe, große staatliche Einheiten zunächst zu zerschlagen, bevor man an die Privatisierung herangeht. Er fragt, ob es derartige Ansätze auch in den drei Ländern gibt, über die hier berichtet wurde. Zweitens fragt Bolz, ob in Ungarn immer noch im Rahmen der Entstaatlichung und Privatisierung bestimmte Nebenziele verfolgt würden, ζ. B. eine Basis für die Sozialversicherung zu schaffen, Gemeinden zu begünstigen, Kirchen und Stiftungen zu begünstigen oder — dies stehe natürlich obenan — dem Staat auf diesem Wege zu weiteren Einnahmen zu verhelfen. Frau Cornelsen erläutert, in der Regel würden in diesen drei Ländern Entflechtung und Zerschlagung der Großbetriebe gleich beim ersten Schritt der Privatisierung vorgenommen, nämlich bei der Umwandlung in Kapitalgesellschaften. Systematisch bzw. gesetzlich geregelt sei dieses Verfahren wohl nicht. A m wenigsten ausgeprägt sei das Verfahren in der CSFR. Dort wurde die Umwandlung aber auch generell anders gehandhabt als in den beiden anderen genannten Ländern. In Ungarn sei Einnahmenerzielung durch Privatisierung bemerkenswerterweise wirklich ein Ziel. Dies müsse um so mehr verwundern, wenn man die im Prinzip doch dezentrale Lösung auf dem Wege über Joint-ventures bedenke, die ja keine Einnahmen bringe. Es werde darüber debattiert, ob die 40 Milliarden Forint tatsächlich einkommen würden, wie es sich die Vermögensagentur vorgestellt habe. Das Ziel, zusätzliche Einnahmen zu erlangen, spiele wohl auch bei den erwähnten anderen Eigentumsübertragungen eine Rolle, insbesondere bei der Übertragung des Kirchenvermögens. Es sei nicht ganz klar, inwieweit die Übertragung auf Gemeinden durchgeführt worden ist. Aus der Literatur sei aber bekannt, daß es ein zwar mühsamer, aber — auch aus Gründen der Arbeitsfähigkeit der Kommunen — notwendiger Schritt sei, den Gemeinden Eigentum zu übertragen, insbesondere Grundstücke und Gemeindebetriebe. Inotai ergänzt hierzu, die Gemeinden hätten die Privatisierung in der letzten Zeit eher gestoppt als gefördert, und zwar deshalb, weil sie für die Grundstücke und die Wohnungen, welche sie vor allem privatisieren könn-
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ten, einen höheren Preis zu erlangen versuchten. Aus diesem Grunde hätten sie die Verkäufe zurückgestellt. Das habe den gesamten Wohnungsmarkt zunehmend unflexibel gemacht, mit ungünstigen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Neuthinger weist darauf hin, die Voucher- bzw. Kuponmethode wäre vom Standpunkt der sozialen Akzeptanz her ideal. Im einzelnen könne das Verfahren aber den Charakter eines Lotteriespiels haben. Wenn jemand Beteiligungsrechte an Urquell bekommt, sei das für ihn auf die Dauer wahrscheinlich besser als wenn er Beteiligungsrechte an einem Unternehmen bekäme, das im Grunde gar keinen Wert repräsentiere. Frau Cornelsen macht darauf aufmerksam, daß man dem in Polen aus dem Wege gehe wolle. Die Fonds, die dort eingerichtet werden sollten, würden eine bestimmte Mischung des Vermögens aller dafür ausgesuchten Betriebe — eine Mischung quer durch die Industrie — in ihrem Portefeuille halten. Die Bevölkerung solle dann Anteile an solchen Fonds erhalten. Bei diesen Fonds sei also eine breite Streuung des Risikos zwischeh guten und schlechten Betrieben gewährleistet. Ähnliches sei sicher auch bei der Kuponmethode der CSFR möglich. Wenn der Interessent an Kupons selber in den Bietprozeß eintritt, müsse er sich natürlich überlegen, an welchen Betrieben er sich beteiligen will und wo er seine Stimme anmeldet. Urquell stehe nicht mehr zur Verfügung; dieser Betrieb sei anders privatisiert worden. Jeder Interessent könne auf der Basis der Listen, die vorliegen und die ihm Informationen über die Betriebe geben, seine Punkte an der von ihm gewünschten Stelle einsetzen. Eine gewisse Streuung werde auch durch die privaten Investmentfonds in das Verfahren eingebracht, denn diese verwendeten die Punkte, die sie von den Punktbesitzern bekommen haben, um ihrerseits für unterschiedliche Betriebe zu bieten. Bemerkenswerterweise sei allerdings das rechtliche Geflecht für diese Investmentfonds noch nicht endgültig geregelt. Es existierten nur einige vorläufige Regeln, ζ. B. dürften sie nicht mehr als einen bestimmten Prozentsatz und insgesamt nur eine bestimmte Anzahl Betriebe in ihren Portefeuilles haben. Man versuche also in der Tat, das Risiko durch die Einführung von solchen Fonds zu begrenzen. Vincentz bemerkt zu der Frage von „Lotteriespiel" und Kupons, die Methode beinhalte ein iteratives Element, das den Prozeß zwar verzögere, das aber deshalb eingebaut worden sei, um Informationen an die Bevölkerung während dieser Art von Versteigerung zu geben. Man habe sich in dieser Richtung also schon Gedanken gemacht. Glomb fragt, welche Vorschläge man den Regierungen der betreffenden Länder nun machen sollte, um die Hindernisse zu verringern, die dazu geführt hätten, daß der Prozeß der Eigentumsreform und Privatisierung nur
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so schleppend vorangehe. Auch beim Wirtschaftsgipfel in München sollte doch irgendeine konkrete Botschaft vermittelt werden. Gefragt seien natürlich nur realistische, wirklich durchführbare Rezepte. Bezüglich des Gradualismus gibt Glomb zu bedenken, im Bereich der institutionellen Reformen denke man inzwischen sozusagen sogar an einen „sehr graduellen Gradualismus", und zwar im Bereich der Prozeßpolitik und in gewisser Weise auch i m Bereich der Ordnungspolitik. Bei der Preisliberalisierung werde dagegen immer noch mehr oder weniger an die Schocktherapie gedacht. Das einzig Richtige könne eigentlich nur eine Pari-passuStrategie sein. Wenn sich aber herausstellte, daß im institutionellen Bereich ein schnelles Vorangehen de facto nicht zu erreichen sei, bedeute das doch wohl, daß man die Strategie im Makrobereich in gewisser Weise revidieren müßte. Vincentz bemerkt, Frau Cornelsen habe die Methode der Liquidierung der Firmen in Polen relativ positiv dargestellt. Er bezweifelt, ob diese Methode wirklich trägt, und meint, der ökonomische Hintergrund sei eigentlich, daß mit der Liquidierung eine elegante Form der Entschuldung gefunden worden sei, so daß in Zukunft kein Altschulden-Problem mehr bestehen werde. Die Frage sei, ob die andere Methode, mit den Altschulden fertig zu werden — sie seien sicherlich auch in diesen Ländern ein großes Hindernis für die Privatisierung —, wie sie in der Tschechoslowakei angewandt werde, nicht vorzuziehen wäre, nämlich von staatlicher Seite aus zu versuchen, eine Entschuldung über eine Konsolidierungsbank und ähnliche Mechanismen zu erreichen. Vincentz setzt bei der Bemerkung an, die CSFR habe sich klar für die Restitution eingesetzt. Die kleine Privatisierung in der CSFR habe dazu geführt, daß mindestens ein Drittel der Objekte nicht verkauft werden konnte, sondern quasi verpachtet wurde, wobei, wie man in Prag leicht feststellen könne, die Folgen dieselben seien wie in Ostdeutschland: Es werde nicht investiert, solange nicht klar ist, ob die Restitution stattfinden werde. Die Restitution führe immer fast sicher zu Investitionsverzögerungen. Schatz fragt Frau Cornelsen, ob sie aus ihrer ökonomischen Sicht eine Präferenz für irgendeine Methode der Privatisierung hat oder ob sie sagen würde, daß alle Methoden etwa gleichwertige Vor- und Nachteile haben. Die Vermögenseffekte seien ja nach der Methode unterschiedlich. Teilweise existierten Ineffizienzprobleme, etwa dann, wenn Vouchers an die Bevölkerung verteilt würden. Über 10 oder 15 Jahre gesehen, scheine es aber ziemlich unerheblich zu sein, auf welche Weise privatisiert werde. Die
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Vermögen wanderten sowieso zu den effizientesten Nutzern der Vermögen. Insofern sei eigentlich nur wichtig, daß man möglichst rasch privatisiert, auf welchem Wege auch immer. Thanner faßt seinen Eindruck von der Diskussion zusammen: Man komme offenbar auf dem eingeschlagenen Wege nicht zum Ziel, indem man positiv Methoden vorschlägt, wie zu privatisieren sei. Offenbar sei es notwendig, von der reinen Frage der Eigentumsrechte abzukommen, also von Fragestellungen wie der, wie man die Eigentumsrechte verteilt, ob gratis oder mit Gebühren, über den Wettbewerb oder auch nicht. Man müsse auch die komplementäre Seite endlich in den Griff bekommen, nämlich die Risiken. Es müsse also auch über die Risiken und die Chancen gesprochen werden, die sich durch die Übernahme der Eigentumsrechte ergeben. Es sei völlig klar, daß die restriktive Geldpolitik, die Beschneidung der Kreditlinien, die Demonopolisierung ganz erheblich die Anreize verminderten, Risiken aus der Privatisierung zu übernehmen und in die Restrukturierung zu investieren. Deswegen müsse man viel mehr über die Restrukturierung sprechen und auch darüber, wie die Risiken verteilt werden könnten — sie könnten in der Übergangzeit beispielsweise auf staatliche Institutionen übertragen werden —, über die Verlagerung auf Private, über neue Finanzierungsinstrumente und über Methoden, wie beispielsweise die Liquidation von Betrieben sofort mit der Neugründung von Betrieben verbunden werden könnte, etwa durch Nutzung der Anlagegegenstände durch andere Nutzer. Dies seien Vorschläge im Hinblick auf positive Maßnahmen, die auf Fortschritte bei der Privatisierung abzielten. Polkowski präzisiert, daß sich in Polen bei der Privatisierung ein recht differenziertes Bild biete. Zum einen habe die Bedeutung der privaten Wirtschaft in Polen in den letzten zwei Jahren erheblich zugenommen. Der private Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung sei bis zum Jahre 1991 — ganz besonders durch die Entwicklung der sogenannten kleinen Privatisierung — auf 40 % gestiegen. Das große Problem stelle sich, wie Frau Cornelsen zu Recht gesagt habe, auf der Seite der sogenannten großen Privatisierung. Die bisherige Hauptmethode der Privatisierung — Liquidation — habe in Polen dazu geführt, daß dem Staatshaushalt im Jahre 1991 statt 15 Milliarden Zloty nur 3 Milliarden Zloty zugeflossen seien. Das sei eine der Ursachen, warum die Probleme des polnischen Staatshaushalts in diesem Jahr so erheblich waren. Man müsse sich bei der Privatisierung also auch die Frage stellen: W i l l man mit der Privatisierung nur oder vor allem die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse erreichen, oder will man auch für den Staatshaushalt 4 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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Zusammenfassung der Diskussion
erhebliche Mittel erwirtschaften? Diese Ziele schlössen sich weitgehend gegenseitig aus, wie das polnische Beispiel gezeigt habe. Man dürfe nicht vergessen, daß sich die Privatisierung und vor allem die Liquidation der Betriebe in Polen auf der Grundlage von zwei Gesetzen vollziehe. Zum einen sei Art. 37 des Gesetzes über die Privatisierung zu nennen; zum anderen Art. 19 des Gesetzes über die Betriebe. Auf der Grundlage dieser Vorschrift sei die Mehrheit der Betriebe — über 500 privatisiert worden. Frau Cornelsen geht auf die Frage ein, welches Rezept sie anzubieten hätte: Sie tendiert dazu, nicht eingleisig in eine Richtung zu fahren, sondern ganz pragmatisch eine Mischung ins Auge zu fassen. Natürlich komme es dabei auch auf die nationalen Eigenheiten und die Struktur an. Das Modell der Joint-ventures lasse sich wahrscheinlich nur in Ungarn mit dem ungarischen Standing und mit den Erfahrungen und der Entwicklung dort umsetzen. Entscheidend sei es in der Übergangzeit, in der die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden — dies dauere alles länger, als man glaubt — eine effiziente Kontrolle für die Betriebe einzusetzen. Mit dem Wort „Kontrolle" meint sie allerdings keine Staatskontrolle nach altem Muster; man müsse in diesem Falle wirklich die Fähigkeiten sämtlicher Ökonomen und Betriebswirte einsetzen, um die großen Staatsholdings zu einer Restrukturierung führen zu können. Die Kontrolle sollte nicht von Vertretern irgendwelcher Ministerien ausgeübt werden, d. h. Bürokratie sollte so weit wie möglich vermieden werden. Wenn in den staatlichen Betrieben Manager auf Zeit säßen, die zu befürchten hätten, irgendwann werde ihr Betrieb privatisiert, dann fehlten sowohl die förderlichen Gesamtbedingungen als auch die Motivation. Da man mit diesen Betrieben noch eine Weile leben muß, sollte man nun auch die Aufmerksamkeit auf sie konzentrieren. Die Liquidation hält sie in der Tat für eine vernünftige Methode, sogar für eine der besten Methoden, obwohl durch das Insider-Problem möglicherweise eine Menge Sprengstoff entstehen könne. Für Großbetriebe scheine diese Methode allerdings nicht geeignet zu sein. Auf die Anmerkungen von Vincentz erwidert Frau Cornelsen, sie habe nicht gesagt, daß die Restitution in der CSFR gut gewesen sei. Sie habe lediglich gesagt, daß man in der CSFR sofort eine perfekte Regelung habe treffen wollen. Sie halte jede Art von Restitution für einen großen politischen Fehler.
Zur allokativen Dimension Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR 1 Von Roland Döhrn und Ullrich Heilemann 2 , Essen
Ungarn, Polen und die CSFR nehmen unter den Reformländern Osteuropas eine Vorreiterrolle ein: Hier wurde die Umstellung auf eine marktwirtschaftliche Ordnung am frühesten eingeleitet, tendenziell sind hier die politischen Verhältnisse wohl auch stabiler als in den anderen Reformländern. Insbesondere haben die drei Staaten durch ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft einen ersten Schritt hin zu einer Ankopplung an die Europäische Integration getan. Gleichwohl erweist sich der wirtschaftliche Umgestaltungsprozeß auch bei ihnen als unerwartet schwierig. Bisher haben die drei Länder auf ihrem „Weg zu einer freien Wirtschaft" 3 kaum die Stationen „Inflationsstop" und Einführung „marktbestimmter Preise" erreicht. Die mit dem „neuen" Preissystem und der Einbeziehung in die internationale Konkurrenzwirtschaft verbundenen erheblichen sektoralen und regionalen Probleme harren noch einer Lösung. Es gibt in den genannten Ländern zwar wenig Illusionen darüber, daß im Agrarsektor ein erheblicher Redimensionierungsbedarf besteht; auch besteht wohl Einigkeit dahingehend, daß die Schwerindustrie, die als Modell „sozialistischer" Industrialisierung forciert ausgebaut worden war, eine strukturelle Erblast darstellt 4 . Mit darüber hinausgehenden Anpassungserfordernissen hat man sich jedoch bisher kaum auseinandergesetzt. Im Westen dagegen 1
Vortrag im Rahmen der 55. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirt schaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V. am 14. Mai 1992 in Bonn. 2 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Hohenzollernstr. 1/3,4300 Essen 1. 3 Vgl. hierzu und zum folgenden J. Kornai, The Road to a Free Economy. New York 1991, sowie U. Heilemann, The Economics of German Unification. „Konjunkturpolitik", Berlin, Jg. 37 (1991), S. 104ff. 4 M. Szâbo, Probleme der Demokratisierung in Ungarn. „Aus Politik und Zeitgeschichte". Beilage zu „Das Parlament", Bonn, B6/92, S. 36 ff., hier S. 46, sowie H. Wienert, Die Stahlindustrie Osteuropas — Entwicklung, aktuelle Struktur, Probleme und Perspektiven. „RWI-Mitteilungen", Berlin, Jg. 40 (1989), S. 269ff.
4'
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Roland Döhrn und Ullrich Heilemann
ist eine Fixierung einerseits auf die finanziellen und finanzwirtschaftlichen Probleme der „liberalisierenden" Länder, andererseits auf den zu gestaltenden ordnungspolitischen Rahmen zu registrieren. Die zu erwartenden Wirtschaftsstrukturen in diesen Ländern finden auch hier nur wenig Beachtung 5 . Allenfalls wenn diese Länder — mit den wenigen Erzeugnissen, mit denen ihnen dies kurzfristig möglich erscheint (z.B. Stahl, Textilien, Agrarprodukte) — auf westlichen Märkte auftreten, werden mögliche sektorale Konsequenzen der Umgestaltung Osteuropas für Westeuropa bewußt. Dann indes reagieren die westlichen Länder mit erheblichen Vorbehalten, wie die langen Übergangsfristen bei der Herstellung des Freihandels mit solchen „sensiblen" Gütern im Assoziierungsabkommen Polens, Ungarns und der CSFR mit der EG belegen. Daß der in Osteuropa zu erwartende Strukturwandel bislang so geringe Beachtung fand, ist angesichts der Notwendigkeit, zunächst den erforderlichen ordnungspolitischen und institutionellen Rahmen zu schaffen, nicht weiter überraschend. Hinzu kommt, daß es geradezu ein Kennzeichen marktwirtschaftlicher Ordnungen ist, daß sich neue Wirtschaftsstrukturen in Wettbewerbsprozessen herausbilden, deren Ausgang im einzelnen offen ist. Insofern widerspräche es dem Ziel der wirtschaftlichen Reformen der liberalisierenden Länder, wollte man ihnen gewissermaßen „Blaupausen" für den Strukturwandel an die Hand geben. Mit Blick auf Kapitalbedarf, Infrastruktur, internationalen Handel usw. sind jedoch Überlegungen zur künftigen Wirtschaftsstruktur der Länder Osteuropas dringend erforderlich. In diesem Zusammenhang verdienen die plausiblen und „bewährten" Hypothesen, nach denen es typische und im Zeitverlauf stabile Beziehungen zwischen Einkommensniveau und Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft gibt, Beachtung. Im einzelnen ist dabei etwa an die Drei-SektorenHypothese von Clark, Fourastié u.a.6 oder an die Normalstrukturhypothese Chenerys 7 zu erinnern. Im folgenden sollen die mit der letztgenannten Hypothese beschriebenen Zusammenhänge dazu dienen, durch eine Übertragung der bei marktwirtschaftlich ausgerichteten Volkswirtschaften vorgefundenen Gesetzmäßigkeiten zumindest erste Anhaltspunkte über den 5
Eine der wenigen Ausnahmen ist die Arbeit von G. Hughes and P. Hare, Competitiveness and industrial restructuring in Czechoslovakia, Hungary and Poland. „European Economy", Special edition no. 2/1991, Brüssel 1991, S. 83ff. — Aus der Sicht der Reformländer befaßt sich mit der Thematik: A. Inotai, Die Lage und Entwicklung der Wirtschaftssektoren in den ostmitteleuropäischen Ländern. Unveröffentlichtes Manuskript. Budapest 1992. 6 Vgl. C. Clark, The Conditions of Economic Progress. 3rd ed., London 1957; J. Fourastié, Le grand espoir du XXe siècle. Paris 1949; A. Fisher, Production Primary, Secondary, and Tertiary. „Economic Record", Melbourne, vol. 15 (1939), S. 24 ff. 7 Vgl. H.B. Chenery, Patterns of Industrial Growth. „American Economic Review", Menasha, W I , vol. 50 (1960), S. 624 ff.
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
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anstehenden Strukturwandel in den drei ostmitteleuropäischen Ländern zu gewinnen. Die Normalstrukturhypothese spielte insbesondere in der entwicklungspolitischen Diskussion der sechziger Jahre eine gewichtige Rolle. Die bei ihrer Überprüfungen gefundenen Regelmäßigkeiten wurden vielfach zur Grundlage entwicklungspolitischer Empfehlungen und zur Entwicklung von Industrialisierungsstrategien herangezogen. Die aus ihr abgeleiteten Ergebnisse können allerdings unterschiedlich interpretiert werden 8 : Einerseits hat die Hypothese einen eher deskriptiven Charakter, andererseits kann sie durchaus auch normativ, also gewissermaßen als „Normstrukturhypothese", interpretiert werden. Im folgenden wird sie rein deskriptiv im Sinne einer Orientierungshilfe verwendet. Die Ausführungen sind wie folgt gegliedert: In Abschnitt 1 werden die theoretischen und methodischen Grundlagen der Analyse vorgestellt. Abschnitt 2 enthält eine Darstellung der Wirtschaftsstruktur der drei betrachteten Reformländer am Ende der planwirtschaftlichen Ära und stellt Szenarien des zu erwartenden Strukturwandels in diesen Ländern vor. Der dritte Abschnitt ist wirtschaftspolitischen Folgerungen vorbehalten.
1. Theoretische Grundlagen und ökonometrische Ergebnisse 1.1. Die Chenery-Hypothese
Die Normalstrukturhypothese Chenerys folgt in ihren Grundzügen der Überlegung, daß Strukturwandel von zwei Gruppen von Faktoren hervorgerufen wird 9 . Die erste Gruppe umfaßt die sog. Universalfaktoren, d.h. solche Bestimmungsgründe, die sich universell — etwa im Querschnittsvergleich verschiedener Länder — beobachten lassen 10 . Eine zweite Gruppe bilden die sog. Spezialfaktoren, also Besonderheiten der einzelnen Länder wie relative Preise, Wechselkurse oder auch kulturelle und rechtliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftens. Ziel der Untersuchungen der Normalstrukturhypothese ist es, die Bedeutung der Universalfaktoren zu quantifizieren. 8 Vgl. M. Steiner, Zur Aussagekraft von Normalstrukturmodellen. „Empirica", Wien, Jg. 8(1981), S. 111 ff. 9 Zum folgenden vgl. auch R. Döhrn and U. Heilemann, Sectoral Change in Eastern Europe — The Chenery Hypothesis Reconsidered. (RWI-Papiere, Nr. 25.) Essen 1991, S. 7ff. 10
Vgl. H.B. Chenery and L. Taylor, Development Patterns: Among Countries and Over Time. „Review of Economics and Statistics", Cambridge, M A , vol. 50 (1968), S. 391 ff.
54
Roland Döhrn und Ullrich Heilemann
Der dabei üblicherweise beschrittene Weg ist es, wie von Chenery vorgeschlagen wurde, sog. sektorale Wachstumsfunktionen zu schätzen. Man kann diese Funktionen als reduzierte Form eines vergleichsweise einfachen Modells interpretieren, in dem — bei elastischem Angebot — die inländische Produktion eines Sektors langfristig von inländischer Endnachfrage, Zwischennachfrage und Exporten abhängt. Dabei geht die Hypothese davon aus, daß die Inlandsnachfrage im wesentlichen von zwei Faktoren abhängt: dem Pro-Kopf-Einkommen als Variable für den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft und der Bevölkerungszahl als Ausdruck ihrer Möglichkeiten, Größendegressionen zu nutzen. Hinzu kommt die sektorspezifische Ausstattung mit natürlichen Ressourcen, eine Variable, die Chenery selbst nur qualitativ in die Analyse einbezog. Formal läßt sich dieser Ansatz wie folgt ausdrücken:
(1) mit:
Vij — Vij (Yj, N, R,) Vjj: Yj: Nji R^:
Wertschöpfung in Sektor i in Land j; Pro-Kopf-Einkommen in Land Bevölkerung in Land j; Ressourcen für Sektor i in Land /.
Bei der Spezifikation von (1) folgen wir der in der Literatur üblichen Vorgehensweise 11 : Die Variablen werden in Logarithmen ausgedrückt, anstelle der sektoralen Wertschöpfung wird der Anteil eines Sektors i am Bruttoinlandsprodukt betrachtet (Vj/Vj) ; für die Bestimmung des Einflusses des Bruttoinlandsprodukts wird ein Ansatz mit variabler Elastizität verwendet, das Pro-Kopf-Einkommen geht zu diesem Zweck logarithmisch und linear in die Schätzung ein 12 . Für die Ausstattung mit natürlichen Ressourcen wurden in früheren Arbeiten verschiedene Operationalisierungen verwendet 13 . Hier werden die Ressourcen des Sektors Landwirtschaft mit Hilfe der Pro-Kopf zur Verfügung stehenden Ackerfläche (AF), die Ressourcen des Sektors Bergbau durch die Förderung bergbaulicher Erzeugnisse pro Kopf (RB) in die Rechnung eingebracht 14 . Ferner wurde die Investitionsquo11 Vgl. dazu im einzelnen auch R. Döhrn and U. Heilemann, S. 7ff.; G. Fels, K.W. Schatz und F. Wolter, Der Zusammenhang zwischen Produktionsstruktur und Entwicklungsniveau. „Weltwirtschaftliches Archiv", Tübingen, Bd. 106 (1971), S. 240ff.; E. Görgens, Wandlungen der industriellen Produktionsstruktur im wirtschaftlichen Wandel. Bern und Stuttgart 1975, S. 248 ff. 12 In einem logarithmisch-linearen Ansatz der Form y = sich die Elastizität von y in bezug auf χ als + a 2 * x. 13
* log χ + a 2 * x ergibt
Görgens verwendet den Anteil der Exporte von Primärprodukten an den gesamten Exporten als Indikator für die Ressourcenausstattung; vgl. E. Görgens, S. 273ff. — Döhrn und Heilemann verwenden die Exporte von Primärprodukten pro Kopf; vgl. R. Döhrn and U. Heilemann, S. 10. 14 Die bergbauliche Förderung wurde durch die Fördermenge der bedeutendsten Rohstoffe (Erdöl, Erdgas, Stein- und Braunkohle, Eisenerz, Kupfer, Bauxit, Zinn
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
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te (IQ) als zusätzliche Variable getestet, um den Einfluß der Kapitalbildung auf die Wirtschaftsstruktur zu überprüfen. Damit hat der zu überprüfende Schätzansatz folgendes Aussehen: (2)
log M / V , ) —log a i 0 + an * log Y ] + a i 2 · Y ] + a i 3 ' log N, + α 1 4 · Α Ρ / + α ι 5 · Λ Β Ι + α Ι 6 · / Ο ι + ϋ 1| .
Die Parameter von (2) lassen sich sowohl auf der Grundlage von Zeitreihen- als auch von Querschnittsdaten schätzen. Eine häufig gebrauchte Technik ist es, die Schätzung mit Hilfe einer Kombination von Zeitreihenund Querschnittsdaten durchzuführen. Wie allerdings aus der Analyse von Panel-Daten bekannt ist, bringt eine solche „kombinierte" Schätzung eine Reihe von methodischen Problemen mit sich 15 . Aus der Panel-Forschung sind zwar Ansätze bekannt, ζ. B. Fehlerkomponenten-Modelle, mit deren Hilfe diese Probleme umgangen werden können; aufgrund der hier zu unterstellenden variablen Elastizitäten in bezug vor allem auf die Einkommen sind solche Ansätze indes nur mit relativ großem Aufwand zu schätzen 16 . Daher stützt sich die weitere Analyse auf Querschnittsdaten. Frühere Schätzungen der Autoren hatten ergeben, daß die Parameter von Regressionen für verschiedene Jahre zwar relativ stabil sind 17 , dennoch sind sie von den spezifischen Gegebenheiten der betreffenden Jahre beeinflußt. Dem langfristigen Charakter der Chenery- Hypothese wird man offenbar besser gerecht, wenn sich die Schätzungen auf die Durchschnitte der Beobachtungen im Untersuchungszeitraum stützen. Eine zentrale Frage ist die Auswahl der Referenzstrukturen. Da es sich bei den drei betrachteten ostmitteleuropäischen Ländern nach der WeltbankKlassifikation um Länder mit „mittlerem Einkommen der oberen Einkommenskategorie" handelt, wurden als Referenzgruppe solche Länder ausgewählt, die diesen Einkommensbereich abdecken bzw. darüber liegen. Insgesamt werden 31 Länder betrachtet (vgl. Tabelle 1). Dabei wurden hochindustrialisierte Klein- oder Stadtstaaten (Luxemburg, Singapur, Hongkong) aus der Analyse ausgeschlossen, ebenso fast ausschließlich vom Export von Rohstoffen abhängige Länder. Beobachtungszeitraum sind die Jahre 1978 bis 1988. Die Daten wurden UN- und Weltbank-Statistiken entnommen 18 . Die fünf betrachteten Sektound Zink), gewichtet mit den im Analysezeitraum beobachteten Durchschnittspreisen dargestellt. 15 Vgl. C. Hsiao, Analysis of panel data. Cambridge 1986, S. 5ff. OLS-Schätzungen ausgehend von kombinierten Daten weisen vor allem verzerrte — und zwar in der Regel zu geringe — Fehlerstreuungen auf. 16 Vgl. C. Hsiao, S. 15 Iff. 17 Vgl. R. Döhrn and U. Heilemann S. 14 und S. 23ff.
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Roland Döhrn und Ullrich Heilemann
Tabelle 1 Wirtschaftsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen und Bevölkerungszahlen ausgewählter Under Durchschnittswerte 1978 -1988 Anteile am Bruttoinlandsprodukt LandProduzieDienstWirtschaft rendes leistungen Gewerbe vH
Pro-Kopf· Einkommen1
Bevölkerung
S
Mill.
Asiatisch-pazifische Länder Indonesien Philippinen Thailand Malaysia Korea Taiwan Neuseeland Japan
24 24 20 21 14 7 9 3
38 35 33 36 41 47 31 41
35 32 36 40 33 46 49 49
370 647 775 1753 2287 3988 10183 17427
158,2 52,2 49,7 14,9 39,7 18,5 3,2 119,1
651 725 1109 1192 1774 2805 3165 4495 6893 12067
45,1 21,1 48,0 6,9 75,2 22,8 10,0 9,8 38,0 56,8
7309 11512 13283 13977 14194 14355 15057 15946 17003 17113 17129 17355 17539
3,5 56,5 9,9 14,4 24,7 7,6 54,7 4,9 4,1 234,5 61,4 8.3 5,1
Mittelmeerländer, Mexiko Ägypten Marokko Türkei Tunesien Mexiko Jugoslawien Portugal Griechenland Spanien Italien
19 17 19 14 9 12 9 15 6 5
30 33 30 30 33 43 39 26 41 36
46 43 44 44 50 40 50 47 46 52
Mittel- und Nordeuropa, Nordamerika Irland Vereinigtes Königr. Belgien Niederlande Kanada Österreich Frankreich Finnland Norwegen Vereinigte Staaten BR- Deutschland Schweden Dänemark
11 2 2 4 3 4 4 7 4 2 2 3 5
34 35 32 32 31 38 32 33 38 32 41 30 24
46 50 57 54 55 45 52 48 47 58 46 56 56
Eigene Berechnungen nach Angaben der Weltbank. - 4η Preisen und Wechselkursen von 1987.
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
57
ren sind: Landwirtschaft, Bergbau und Energie, Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Dienstleistungen. Eine wünschenswerte weitere Detaillierung des Dienstleistungssektors scheiterte an zu großen Unterschieden in der Sektorenabgrenzung bei den einzelnen Ländern.
1.2. Die Schätzergebnisse
Die Schätzungen zeigen insgesamt ein zufriedenstellendes Ergebnis (vgl. Tabelle 2). Die Anpassung der verwendeten Ansätze ist als gut zu bezeichnen. Die Parameter entsprechen den Erwartungen sowohl was Vorzeichen als auch Größenordnungen angeht. Sie sind — mit Ausnahme der Variablen „Ackerfläche pro Kopf" — mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 v H gegen Null abgesichert. Wie auch von der Drei-Sektoren-Hypothese unterstellt, zeigt sich beim Verarbeitenden Gewerbe eine zunächst steigende, dann fallende Elastizität im Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen; den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erreicht das Verarbeitende Gewerbe nach den hier geschätzten Parametern bei einem Pro-Kopf-Einkommen von etwa 7 100 $ (in Preisen und Wechselkursen von 1987) (vgl. Schaubild 1). Bei den anderen Sektoren führte die Berücksichtigung von variablen Elastizitäten nicht zu einer Verbesserung der Schätzungen. Demnach sinken die Anteile von Landwirtschaft und Bergbau bei steigendem Pro-Kopf-Einkommen c.p., die Anteile des Baugewerbes und des Dienstleistungssektors steigen. Die Einkommenselastizitäten entsprechen dabei insgesamt gesehen annähernd denen früherer Schätzungen auf der Stichprobenbasis 1978 bis 198619. Die Investitionsquote hat — angesichts der nachfrageseitigen Ausrichtung des Ansatzes nicht überraschend — einen signifikant positiven Einfluß lediglich auf den Bausektor, also jenen Bereich, der fast ausschließlich Investitionsgüter herstellt. Einen wesentlichen Einfluß auf die Wirtschaftsstruktur hat — nicht unerwartet — die Verfügbarkeit bergbaulicher Ressourcen. Dabei brachte die hier gewählte Spezifikation eine deutliche Verbesserung — insbesondere der Ergebnisse für den Bergbau und das Verarbeitende Gewerbe — gegenüber früheren Schätzungen 20 .
18 Vgl. World Bank (Ed.), World Tables 1991. Data on Diskette. Washington, D.C., 1991. — United Nations (Ed.), National Accounts Statistics: Main Aggregates and Detailed Tables, 1988. New York 1990. 19
Vgl. R. Döhrn and U. Heilemann, S. 14. In einer früheren Arbeit wurde die Ressourcenausstattung durch die Pro- KopfExporte von Primärerzeugnissen approximiert. Vgl. R. Döhrn and U. Heilemann, S. 14. 20
58
Roland Döhrn und Ullrich Heilemann Tabelle 2
Schätzungsergebnisse für die sektoralen Wachstunisfunktionen
Erklärende Variable
Absolutglied Pro-Kopf-Einkommen, log
Querschnitt über 31 Lander Durchschnittswerte 1978 bis 1988 Abhängige Variable1 VerarbeiLandwirttendes Bau schaft Energie Gewerbe Reaktionsparameter2 9,030 (11,4)
3,857 (8,5)
0,231 (0,3)
-0,125
-0,587
-0,289 (5,3)
0,377 (4.8)
0,0914 (3,8)
(11,0)
Pro-Kopf-Einkommen, *10~'
-0,0527 (3,6)
Bevölkerungszahl, log
-0,173 (3.1)
0,0891 (2.9)
Ackerfläche pro Kopf, log
0,064 (0,9)
-0,0521 (1,5)
Bergbaul. Ressourcen pro Kopf, log
(0,2)
-0,0469
(1.2)
0,00041a (5,9)
-0,0811 (3,9)
Investitionsquote, log
-0,0498 (3,2) 0,437 (3,1)
Priifmaße 0,825 F-Statistik
36
0,610
0,589
0,380
25
10
7
Eigene Berechnungen. Zu den Schätzansätzen vgl. Text. - ^garithmen der Anteile der Sektoren am Bruttoinlandsprodukt. - 2 In Klammern: t-Werte. - aLinear.
RÏÏÏ1
2. Der Anpassungsbedarf in Ungarn, Polen und der CSFR Im folgenden soll der Frage nach dem Anpassungsbedarf in den Wirtschaftsstrukturen der drei analysierten Länder nachgegangen werden. Dazu werden zunächst die gewachsenen Wirtschaftsstrukturen betrachtet und diese den hypothetischen, d.h. aus den vorgestellten Schätzergebnissen abgeleiteten Strukturen gegenübergestellt. Dieser Vergleich gibt einen ersten Anhaltspunkt über den Redimensionierungsbedarf in den einzelnen Sektoren. Diese Anpassungen werden aber nicht über Nacht stattfinden,
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
59
Schaubild 1
"Normalstruktur" in Abhängigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen Ergebnis einer Querschmttsanalyse über 31 Linder, 1978 bis 1988 Anteile in vH
Landwirtschaft
0
25
I I I I I I I I I I 4 000 10 000 16 000 22 000
Ban
25
0
Bergbau und Energie
0
I 4 000
I I I I I I I I 10 000 16 000 22 000
I I I I I I I I I I I 4 000 10 000 16 000 22 000 Dienstleistungen
0
I I I I I I I ! I 4 000 10000 16 000 22 000
Verarbeitendes Gewerbe
0
4 000
10 000
ι I I Γ 16 000 22 000
Pro-Kopf-Einkommen m US-Dollar 1 Eigene Berechnungen. -
1
Preise und Wechselkurse von 1987.
60
Roland Döhrn und Ullrich Heilemann
sondern sie werden sich über einen mehr oder weniger langen Zeitraum strecken. Sie werden in dieser Zeit darüber hinaus von Wandlungen der Wirtschaftsstrukturen überlagert, die sich im Zuge des Wachstumsprozesses (Pro-Kopf-Einkommen) jeder Volkswirtschaft einstellen, was bei der Beurteilung des zu erwartenden Strukturwandels ebenfalls ins Bild genommen werden muß. 2.1. Die Ausgangsstrukturen
Für die drei betrachteten Länder bedeutet die nun in Gang gekommene Umstellung des Lenkungssystems ihrer Volkswirtschaften bereits den vierten grundlegenden Wandel ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in den letzten 80 Jahren. Der erste Umbruch fand mit Ende des Ersten Weltkrieges statt, als die drei Staaten aus dem Erbe des zerfallenen Habsburg- Reiches und Teilen der sich im revolutionären Umbruch befindenden Sowjetunion gebildet wurden. Damals wurden diese Länder — wie auch heute — aus einer etablierten Form der Arbeitsteilung herausgelöst, wobei die Mitgift der Länder sehr unterschiedlich ausfiel 21 . Eine zweite Periode grundlegenden Wandels bildete der Zweite Weltkrieg mit seinen unterschiedlichen Folgen für die betrachteten Länder. Der dritte Umbruch fand dann schließlich gegen Ende der vierziger Jahre mit der Einführung planwirtschaftlicher Systeme sozialistischen Musters statt. Zu Beginn der neunziger Jahre offenbart sich nun das Erbe dieses Systems. Es besteht nicht nur in einem Einkommensrückstand und einer geringen internationalen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch in einer Wirtschaftsstruktur, die von Autarkiestreben, der „sozialistischen Arbeitsteilung" im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe und den Besonderheiten eines planwirtschaftlichen Systems geprägt ist. Es ist daher nur allzu verständlich, daß die Wirtschaftsstrukturen dieser Länder von denen vergleichbarer Marktwirtschaften erheblich abweichen. Betrachtet man das Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen 22 , so fällt die hohe Bedeutung des Agrarsektors und der Industrie sowie der — spiegelbildlich — 21
A u f einige Parallelitäten der Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Zusammenbruch des planwirtschaftlichen Systems weist Solimano hin. Vgl A. Solimano, On Economic Transformation in East-Central Europe. A Historical and International Perspective. (World Bank, PRE Working Papers WPS 677.) Washington, D.C., 1991. 22
Entsprechende Berechnungen wurden von den betreffenden Ländern im letzten Jahr vorgelegt. Diese Daten enthalten somit nicht mehr die früher entsprechende Vergleiche beeinträchtigenden konzeptionellen Unterschiede zwischen dem System of National Accounts (SNA) und dem in den Planwirtschaften angewendeten Material-Produkt-System (MPS).
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
61
geringe Anteil des Dienstleistungssektors auf (vgl. Tabelle 3). Selbst in Ungarn, wo der Reformprozeß — wenn auch zunächst nur graduell — früher begann und das System mehr Spielraum für eine freie wirtschaftliche Betätigung bot sowie insbesondere die Bedeutung des Dienstleistungssektors für die wirtschaftliche Entwicklung früher erkannt wurde 23 , liegt der Anteil der Landwirtschaft mit 14,4 v H und der des Verarbeitenden Gewerbes mit 23,5 v H des Bruttoinlandsprodukts im Vergleich mit marktwirtschaftlichen Ländern relativ hoch. In Polen und erst recht in der CSFR liegt der Anteil des Produzierenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt über 50 v H — Werte, die bei keinem der Länder in der Referenzgruppe beobachtet wurden. Tabelle 3
Sektorale Wirtschaftsstruktur in den ostmitteleuropäischen Ländern
Landwirtschaft
CSFR Polen Ungarn
6,3 13,1 14,4
CSFR Polen Ungarn
9 11 12
CSFR Polen Ungarn
6 8 8
in vH des Bruttoinlandsprodukts Produzierendes Gewerbe DienstVerarbeiBeigbau Sc insgesamt tendes Baugewerbe leistungen Energie Gewerbe 1988, tatsächliche Werte 36,2* 57,5 52,4 34,4* 38,4 32,7 8,0 6,9 23,5 1988, hypothetische Werte 4 44 30 20 6 41 30 5 19 6 29 6 3 20 43 1998, Projektion1 32 7 3 45 23 4 33 6 23 43 44 33 3 23 7
Eigene Berechnungen nach Angaben der Weltbank und der Vereinten Nationen. - 1Za den Annahmen siehe Text. - aEinschl. Importzölle, nicht abzugsfähige Umsatzsteuer und RWI statistische Differenzen.
2.2. Die Redimensionierung
In welchem Umfang sich diese Strukturen von denen marktwirtschaftlicher Länder unterscheiden wird deutlich, wenn man sie hypothetischen Strukturen gegenüberstellt, die sich nach Maßgabe der oben geschätzten Parameter der sektoralen Wachstumsfunktionen bestimmen lassen. Die 23
Vgl. A. Inotai, S. 3.
62
Roland Döhrn und Ullrich Heilemann
berechneten Anteile der einzelnen Sektoren am Bruttoinlandsprodukt hängen indes auch wesentlich von den Annahmen über die exogenen Variablen ab. Als unsicher erweist sich dabei insbesondere die Einschätzung des ProKopf-Einkommen. Hier wurden die Angaben des Weltentwicklungsberichts verwendet 24 . Für Polen wurde das Pro-Kopf-Einkommen mit 1 790 $, für Ungarn mit 2 590 $ und für die CSFR mit 3 450 $ angesetzt. Betrachtet man die aus diesen Vorgaben ermittelten hypothetischen Sektorenanteile, so fällt auf, daß der geschätzte Anteil der Landwirtschaft nicht weit von dem beobachteten Wert abweicht. Es liegt nahe, daß insbesondere Polen und Ungarn als traditionelle Agrarländer auch künftig einen großen landwirtschaftlichen Sektor aufweisen werden. Die Anpassungsprobleme sind hier weniger bei der Produktion als vielmehr bei der Produktivität und somit bei der Beschäftigung zu erwarten. Groß sind die Unterschiede erwartungsgemäß beim Produzierenden Gewerbe und beim Dienstleistungssektor. Innerhalb des Produzierenden Gewerbes fällt vor allem die hohe Bedeutung des Bergbaus auf. Offenbar wurden aufgrund der chronischen Knappheit von Rohstoffen wie auch von Devisen heimische Rohstoffvorräte intensiv genutzt. Polen, das über 1,7 v H der Weltvorräte an Steinkohle verfügt, hatte 1987 einen Anteil an der Weltförderung von 5.4 vH, noch extremer sind die Relationen in der CSFR (0,1 v H der Vorräte, 3.5 v H der Förderung). Das Problem des Mangels an Rohstoffen zeigt sich auch in der Zusammensetzung des Verarbeitenden Gewerbes, innerhalb dessen die Grundstoff- und Produktionsgüterindustrien mit einem Anteil von etwa 30 v H eine große Bedeutung haben (vgl. Tabelle 4).
2.3. Der künftige Strukturwandel
Die Berechnungen deuten auf einen erheblichen Anpassungsbedarf im produzierenden Sektor. Da jedoch alle drei betrachteten Länder noch „vor" dem Einkommensniveau liegen, bei dem der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes sein Maximum erreicht, wird nach einer Rückführung des Industrieanteils im Zuge der Anpassung an marktwirtschaftliche Bedingungen künftig wieder ein gewisser Bedeutungsgewinn des Verarbeitenden Gewerbes folgen. Die Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen in den drei betrachteten Ländern hängt dabei entscheidend von den Annahmen über die weitere Entwicklung der Pro-Kopf- Einkommen ab. 24
Vgl. World Bank (Ed.), World Development Report 1991. Washington, D.C., 1991. Zu den Problemen bei der Bestimmung eines zutreffenden Pro-Kopf- Einkommens für diese Länder vgl. auch R. Döhrn und A.-R. Milton, Zur künftigen Einbindung der osteuropäischen Reformländer in die Weltwirtschaft. „RWI-Mitteilungen", Jg. 43 (1992), S. 32f.
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
63
Tabelle 4 Bruttowertschöpfung in der Industrie der ostmitteleuropäischen L ä n d e r 1988 invH in Mrd. Landeswährung CSFR Polen Ungarn CSFR Polen Ungarn 1271 59,70 10,9 8,3 Bergbau 23,76 2 133 86,4 7,1
86,1 8,0
74,2 6,1
45,43 9,80 19,68 5,18 13*21 93,30
6,5 3,7 11,3 1,6 4,0 27,1
6,4 5,2 4,5 2,7 4,5 23,2
10,3 2,2 4,4
33,69 42,34 23,58 99,61
17,6 6,0 7S 313
123 7,0
1711 33,02 365 8,76 243 12,11 135 11,08 172 7,17 9,94 261 303 26,25 3190 108,33
8,3 23 2,4 13 1,8 2,9 1,4 20,6
54,55
10071 328,40 933 27,16
3 31
Verarbeitendes Gewerbe Nahrungs- und Genußmittel
351/2 353 371 372 381
Chemische Industrie Mineralölverarbeitung Eisen und Stahl NE-Metalle Metallwaren Grundstoffe und Produktionsgüter
18,69 10,55 32,37 4,55 11,50 77,66
746 611 521 314 522 2714
382 383 384
Maschinenbauerzeugnisse Elektrotechnische Erzeugnisse Fahrzeugbau Investitionsgüter
50,44 17,13 22,54 90,11
1442 818 974 3234
32 33 34 355/6 361/2 369
Textil, Bekleidung, Leder Holzwaren Papier und Papierwaren Kunststoff- and Gummiwaren Feinkeramik, Glas Nicht-Metallwaren Rest Verbrauchsgüter
23,88 7,15 6,90 3,77 5,02 8,29 4,05 59,06
4
Elektrizität, Gas
15,24
2-4
Industrie
Nach Angaben der Vereinten Nationen.
247,15 20,32
286,15
360
11702 442,65
83 27,6
U 3,0 21,1 7,6 9,6 5,3 223
14,6 3,1 2,1 U 13 2*2 2,6 273
23 1,6 2,2 5,9 243
5,3
3,1
12,3
100,0
100,0
100,0
73 2,0 2,7
RWI
A n g e s i c h t s der i n diesen L ä n d e r n n o c h w e i t h i n b e s t e h e n d e n Unsicherh e i t e n erscheint hierüber eine e m p i r i s c h fundierte Prognose n i c h t m ö g l i c h 2 5 . G r u n d l a g e der w e i t e r e n Berechnungen ist daher die A n n a h m e , daß es diesen L ä n d e r n gelingen w i r d , i h r P r o - K o p f - E i n k o m m e n i n z e h n J a h r e n z u v e r d o p p e l n u n d d a m i t e i n e n Teil ihres E i n k o m m e n s r ü c k s t a n d s gegenüber
25
Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen zu entsprechenden Versuchen z.B. von R.J. Barro and X. Sala-I-Martin, Convergence across States and Regions. „Brookings Papers on Economic Activity", Washington, D.C., vol. 1991, no. 1, S. 107ff., und U. Heilemann, The Economics of German Unification Reconsidered. „Intereconomics", Hamburg, vol. 26 (1991), S. 296f.
64
Roland D h
und Ullrich Heilemann
den westlichen Ländern aufzuholen 26 . Dies bedeutet, daß das durchschnittliche jährliche Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts etwa 7 v H beträgt 27 . Die Länder würden damit eine ähnliche Entwicklung erfahren wie die asiatischen Schwellenländer Korea, Singapur, Hongkong oder Taiwan, denen z.B. zwischen 1978 und etwa 1985 eine Verdoppelung der Pro-KopfEinkommen gelang. Ein solch hohes Wachstum setzt naturgemäß auch eine starke Investitionstätigkeit voraus, so daß in den Rechnungen eine im internationalen wie intertemporalen Vergleich außerordentlich hohe Investitionsquote von 35 v H unterstellt wird. Bezüglich der Bevölkerungsentwicklung wird von den Projektionen der Vereinten Nationen ausgegangen. Bei der Nutzung natürlicher Ressourcen wird unterstellt, daß aufgrund des künftig besseren Zugangs zu den Weltmärkten die in den Ländern vorhandenen Ressourcen weniger intensiv ausgebeutet werden. Auch unter solchen, gemessen an den bisherigen Erfahrungen optimistischen Annahmen 2 8 bezüglich Niveau und Struktur der künftigen Entwicklung fällt allerdings die zu erwartende „Reindustrialisierung" in den nächsten zehn Jahren gering aus: Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes wird nur um 3 bis 4 vH-Punkte gegenüber den oben ermittelten hypothetischen Werten zunehmen. Alles in allem dürfte Ungarn in zehn Jahren noch einen ähnlich hohen Industrieanteil aufweisen wie zum Ende der achtziger Jahre, während in den beiden anderen Ländern auch bei einer künftig günstigen Einkommensentwicklung eine erhebliche Rückführung des Industriesektors stattfinden wird. Die Bedeutung der Landwirtschaft wird weiter abnehmen, die des Dienstleistungssektors geringfügig steigen. Die Chenery-Hypothese liefert — wie sie hier verstanden wird — keine Blaupause für die strukturelle Entwicklung, sondern eher eine statistische Beschreibung eines empirisch abgeleiteten Durchschnitts- oder „Normal" zustandes, von dem es nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher ordnungspolitischer Wertvorstellungen und Entwicklungsstrategien, aber auch von Faktoren wie der Lagegunst nicht unerhebliche Abweichungen gibt 29 . Be26 Das Pro-Kopf-Einkommen Polens läge dann bei schätzungsweise 15 v H des Durchschnitts der OECD-Länder, gegenüber 9 v H in 1989. I m Fall Ungarns steigt das Pro-Kopf-Einkommen von 14 v H auf 21 v H , im Fall der CSFR von 18 v H auf 28 v H des OECD-Durchschnitts. 27
Vgl. dazu die „Konvergenzanalyse" für Europa bei R. Barro and X. Sala-IMartin, S. 141ff. Für die Unterschiede beim Pro-Kopf-Einkommen zwischen den reichsten und ärmsten europäischen Ländern errechnen die Autoren eine jährliche „Konvergenzrate" von 2 vH. Bezüglich einzelner Determinanten dieser „Konvergenzrate" vgl. O.J. Blanchard and L.F. Katz, Regional Evolutions. Paper presented at a conference at the Brookings Institution, Washington, D.C., March 20, 1992. 28 Vgl. dazu auch die Feststellung einer „Konvergenzrate" von jährlich 2 v H für die Differenz zwischen der Pro-Kopf- Einkommen. 29 Chenery und Taylor ermittelten beispielsweise unterschiedliche Normalstruktu-
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
65
trachtet man die hier als Referenzgruppe gewählten Länder, so fällt eine Besonderheit ins Auge: In den Entwicklungs- und Schwellenländer im asiatisch-pazifischen Raum liegt der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes über, in den Mittelmeerländern dagegen i.a. unter den „Normalwerten" (vgl. Schaubild 2). Es ist an dieser Stelle kaum möglich, den Ursachen dieses Unterschieds in allen Einzelheiten nachzugehen. Ein Umstand fällt i m Vergleich beider Regionen jedoch ins Auge: Hinsichtlich der Sachkapital-
Schaubild 2
Anteil des Verarbeitenden Gewerbes1 am Bruttoinlandsprodukt in den Mittelmeerländern und im asiatisch-pazifischen Raum Anteile in vH
5 000
10 000
15 000 20 000 25 000 Pro-Kopf-Einkommen in US-Dollar2
Regressionskurve3 · Mittelmeerländer • Asiatisch-pazifische Länder Eigene Berechnungen. - 'Standardisierte Anteile. - 2Preise und Wechselkurse von 1987. - 3Vgl. Tabelle 2.
ren für große und kleine Länder sowie für Länder mit industrie- oder rohstofforientierter Entwicklungsstrategie. Vgl. H.B. Chenery and L. Taylor, S. 395 ff.
5 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
Roland D h
66
und Ullrich Heilemann
bildung — sowohl gemessen an der Investitionsquote als auch an dem Zustrom von Direktinvestitionen — unterscheiden sich beide Ländergruppen kaum; große Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der Mobilität der Arbeitskräfte: Während in den meisten der betrachteten asiatischpazifischen Länder Arbeitskräftewanderungen keine große Rolle spielen, sind aus den Mittelmeerländern traditionell Arbeitskräfte abgewandert. In bezug auf die betrachteten Reformländer bedeutet dies, daß die künftige Wirtschaftsstruktur auch wesentlich davon beeinflußt sein wird, in welchem Verhältnis sie zum industriellen Kern in Westeuropa stehen. Bilden sie eine Peripherie, die auf Dauer Arbeitskräfte an das Zentrum abgibt, so wird dies die Entwicklung des produzierenden Bereiches behindern und die des Dienstleistungssektors fördern. Gelingt es den Reformländern hingegen, die Produktion zu den Arbeitskräften zu holen, so wird der Industriesektor künftig eine größere Bedeutung haben. Kaum geringer als zwischen den hier betrachteten Sektoren wird auch der Strukturwandel innerhalb dieser Bereiche ausfallen. Von besonderem Interesse dürften dabei wiederum die Verschiebungen innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes sein, da hier die vorgestellten Berechnungen für diesen Bereich insgesamt einen erheblichen Redimensionierungsbedarf anzeigten; daher ist zu fragen, wo es insbesondere zu solchen Anpassungen kommt. Betrachtetet man die Zusammensetzung des Verarbeitenden Gewerbes, so zeigen sich hier doch deutliche Unterschiede zwischen den betrachteten Ländern. In der CSFR dominiert die Schwerindustrie, wobei der Eisen- und Stahl-Sektor und der Maschinenbau eine herausragende Rolle einnehmen. In Polen und Ungarn dagegen haben — bei insgesamt ebenfalls bedeutsamer Schwerindustrie — Verbrauchsgüterindustrien eine größere Bedeutung, in Polen mit einem Schwerpunkt in der Textilindustrie (vgl. Tabelle 4). Einen Hinweis auf den anstehenden Strukturwandel gibt möglicherweise ein Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit einzelner Industrien in diesen Ländern. Entsprechende Berechnungen von Hughes und Hare weisen darauf hin, daß gegenwärtig wohl die Industrie in Polen generell als weniger wettbewerbsfähig gelten muß als in den beiden anderen Ländern und daß dort durch — gemessen an Weltmarktverhältnissen — zu niedrige Energiepreise die Wirtschaftsstruktur zugunsten von energieintensiven Produktionen verzerrt ist 30 . In Ungarn wird es insbesondere in dem ohne nennenswerte heimische Rohstoffbasis operierenden Metallurgie-Bereich zu erheblichen Anpassungen kommen, während in der CSFR die meisten Verbrauchsgütersektoren wohl nicht wettbewerbsfähig sind, während Investitionsgüterproduzenten hingegen relativ gute Chancen auf dem Weltmarkt eingeräumt werden. Im Hinblick darauf, daß auf absehbare Zeit die 30
Vgl. G. Hughes and P. Hare, S. 95f.
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
67
Landwirtschaft noch eine wesentliche Rolle für die Entwicklung dieser Länder spielen wird, weisen die Berechnungen von Hughes und Hare auf einen weiteren Problembereich hin: Die Nahrungsmittelindustrien gehören z.Z. in allen drei betrachteten Ländern zu den international am wenigsten wettbewerbsfähigen Sektoren 31 .
3. Wirtschaftspolitische Implikationen Die vorliegende Analyse verglich die Wirtschaftsstrukturen Polens, der CSFR und Ungarns mit denen westlicher Industrieländer, um daraus Hinweise auf künftige Strukturen in Osteuropa zu erhalten. Die dabei verwendete Chenery- Hypothese beschreibt insgesamt gesehen strukturelle Wandlungsprozesse nach wie vor recht gut, sie liefert aber keinesfalls einen „Master-Plan" für den Strukturwandel in den osteuropäischen Reformländern. So macht sie zwar deutlich, daß insbesondere Polen und die CSFR, weniger hingegen Ungarn einen überdimensionierten Industriesektor und einen zu kleinen Dienstleistungssektor haben, sie läßt aber durchaus Raum für unterschiedliche Entwicklungspfade. Wesentlich dürfte das Entwicklungsszenario auch von der westlichen Politik gegenüber diesen Ländern beeinflußt werden, d.h. in welchem Umfang Finanzhilfen geleistet werden, welche Direktinvestitionen dort getätigt werden und wie weit diesen Ländern Marktzugang auf den für sie wichtigen Märkten in Westeuropa gewährt wird. Eine große Rolle kommt dabei — neben den hier nicht weiter betrachteten Wechselkursen — der Entwicklung der Löhne in Osteuropa zu. Als periphere Region am Rand eines hochentwickelten und wesentlich durch hohe Einkommen gekennzeichneten Zentrums dürfte es dabei für die drei betrachteten Reformländer nicht einfach sein, ihre gegenwärtig noch niedrigen Löhne langfristig als Standortvorteil zu sichern. Angesichts der räumlichen Nähe zu den westeuropäischen Ländern und der traditionell ohnehin hohen Migrationsbereitschaft 32 in den osteuropäischen Ländern droht in diesem Fall eine Abwanderung von Arbeitskräften. Einerseits verfügt Westeuropa in dieser Hinsicht nur über eine beschränkte Absorptionskapazität und andererseits wird die wirtschaftliche Entwicklung dadurch vermutlich in Osteuropa zusätzlich behindert. Die Erfahrungen aus der deutschen Wiedervereinigung und der rasch einsetzenden Tendenz einer Angleichung der Löhne in Ostdeutschland an das westdeutsche Niveau dürften sich 31
Vgl. G. Hughes and P. Hare, S. 93. Vgl. dazu allgemein z.B. die Ausführungen zu den Migrationsdeterminanten bei O.J. Blanchard and L.F. Katz, S. 23f. 32
5·
68
Roland Döhrn und Ullrich Heilemann
daher hier — wenn auch in längeren Zeiträumen zu rechnen ist — wiederholen. W i l l man also eine „Peripherisierung" der drei ostmitteleuropäischen Länder — wie sie die Entwicklung dieser Länder bis zum zweiten Weltkrieg überwiegend kennzeichnete — vermeiden, so wird es darauf ankommen, hier rasch wettbewerbsfähige und attraktive Realeinkommen sichernde Wirtschaftsstrukturen zu etablieren. Dies wird allerdings nicht ohne Rückwirkungen auf die westlichen Länder bleiben. Generell wird der Außenhandel der drei betrachteten Länder erheblich zunehmen, im Bezug auf den Handel mit der EG ist eine Verfünffachung im Verlauf von zehn Jahren keineswegs eine unrealistische Annahme 3 3 . Zum Vergleich: 1991 betrug der Anteil dieser drei Länder an den gesamten Einfuhren der EG gut 1 vH, in zehn Jahren dürfte er dann — ein trendmäßiges Wachstum der gesamten Einfuhren der EG unterstellt — zwischen 3 und 4 v H liegen, wobei aber — mit Blick auf die Betroffenheit Westeuropas — berücksichtigt werden muß, daß der steigende Anteil Osteuropas zum Teil auf eine Umlenkung von Handelsströmen zurückzuführen ist und daß ihm auch erhöhte Ausfuhren gegenüberstehen. Gleichwohl: Die erforderliche Öffnung der Märkte für Waren aus den drei osteuropäischen Assoziierungsstaaten erfordert auch Anpassungen im Westen. Mit Blick auf die künftige Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen stellt sich die Frage, mit welchen Produkten die drei betrachteten Länder in den nächsten Jahren auf westlichen Märkten konkurrenzfähig sein werden. Auf Seiten der EG-Länder erwartet man besondere Anpassungsprobleme bei Agrargütern, Eisen- und Stahl, Steinkohle sowie bei Textilien und Bekleidung, wie aus den im Assoziierungsvertrag festgeschriebenen längeren Übergangsfristen abzulesen ist 34 . Soweit es Agrarerzeugnisse betrifft, bestätigen die vorliegenden Berechnungen solche Erwartungen. Die Landwirtschaft spielt auch künftig eine wesentliche Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung der drei betrachteten Länder. Einschränkend ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die Nahrungsmittelindustrie — wie erwähnt — derzeit noch wenig konkurrenzfähig ist, so daß zumindest kurzfristig die Verarbeitungstiefe der exportfähigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse relativ gering sein wird. Im Eisen- und Stahlbereich sieht das Assoziierungsabkommen der EG mit Polen, Ungarn und der CSFR eine verlängerte Übergangsfrist mit einem Zollabbau erst nach sechs Jahren ab Inkrafttreten des Vertrages vor 35 . Mit 33
Vgl. R. Döhrn und A.-R. Milton, S. 37ff. Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Die EuropaAbkommen der Europäischen Gemeinschaft mit Polen, Ungarn und der CSFR. (Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Nr.4 /1991.) Bonn 1992. 35 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), S. 7. 34
Sektorale Entwicklungsperspektiven für Ungarn, Polen und die CSFR
69
Blick auf die — offenbar durch das Planungssystem bedingten — Überkapazitäten ist auch hier ein gewisser Angebotsdruck wahrscheinlich, insbesondere dann, wenn die ehemaligen Schwerindustriekombinate im Staatsbesitz verbleiben und ihre Produktion unter Kosten absetzen könnten. Ein Blick auf den geringen technischen Standard der Stahlindustrie in den drei betrachteten Ländern und die im Stahlbereich bedeutsamen Transportkosten läßt jedoch insgesamt eher geringe Auswirkungen auf Westeuropa erwarten, was natürlich eine erhebliche Betroffenheit im Einzelfall nicht ausschließt 36 . Eine zwiespältige Beurteilung ist auch bei der Textil- und Bekleidungsindustrie der drei Reformländer angebracht: Sie hat vor allem für die polnische Wirtschaft eine große Bedeutung, aber gerade hier scheint sie nicht besonders wettbewerbsfähig zu sein37. Da die Textilindustrie in den ehemaligen RGW- Ländern gegenüber der Konkurrenz aus dem Fernen Osten abgeschirmt war, stehen auch hier noch erhebliche Anpassungen bevor 38 .
36
Vgl. dazu H. Wienert, S. 269ff. Vgl. G. Hughes and P. Hare, S. 97ff. 38 In bezug auf die ungarische Textilindustrie vgl. auch M . Losonc, G. Papanek and A. Török, Structural Adjustment, Changes of Export Markets, Support for Technical Development. (Ecomomic Trends and Research Summaries, no.4/1991.) Budapest 1991. 37
Zusammenfassung der Diskussion Referat Döhrn/Heilemann
Weißenburger lenkt die Aufmerksamkeit auf die in den erwähnten Ländern auf Grund des planwirtschaftlichen Systems außerordentlich verzerrten Preise. Es gebe zum Teil sehr hohe Subventionen, zum Teil überhöhte Preise. Bei verzerrten Preisen seien aber natürlich auch die Strukturkennziffern von eingeschränkter Aussagefähigkeit. Ein Ausweg biete sich allenfalls bei Umrechnung auf andere Preise, vielleicht auf Weltmarktpreise. Es sei ferner problematisch, sich zur Prognose des Strukturwandels ausschließlich auf Erfahrungswerte aus anderen Ländern zu stützen. Man müsse doch auch darauf schauen — darauf würde er das Schwergewicht legen —, wie der Zustand der Industrien in den betreffenden Ländern selbst ist. Es sei zu fragen, wie diese Strukturen entstanden sind. In allen planwirtschaftlichen Systemen sei eine Investitions- und Strukturpdlitik betrieben worden, die in verschiedener Hinsicht Besonderheiten aufweist: — einseitige Bevorzugung der Schwerindustrie, — völlige Vernachlässigung von Ersatzinvestitionen zugunsten von Erweiterungsinvestitionen mit der Folge, daß der Bestand außerordentlich veraltet ist. Allein deshalb seien in diesen Bereichen beim Übergang zur Marktwirtschaft Zusammenbrüche eine zwangsläufige Folge; die Industriebetriebe seien überaltert. Die ausschließliche Orientierung an Daten anderer Länder scheine unter diesen Umständen nicht angebracht, es komme auf die konkreten Bedingungen in den Ländern selbst an. Auch Kantzenbach meldet Zweifel an der Normalstruktur-Hypothese an, von der Döhrn ausgegangen war. Er fragt, ob von standortspezifischen Faktoren, die die internationale Arbeitsteilung beeinflussen können, völlig abstrahiert und unterstellt worden sei, daß es eine gleichmäßige strukturelle Entwicklung — je nach dem Entwicklungsstand — in allen Ländern gibt. Wenn das so wäre — und zwar nicht nur bezogen auf die Drei-SektorenHypothese, sondern auch auf die Industriestruktur, also die weiter untergliederten Sektoren —, so wäre diese Ausgangshypothese kaum realistisch.
Zusammenfassung der Diskussion
Svindland bezieht sich auf die moderne Wachstumstheorie und fragt nach den Determinanten für die zukünftige Struktur einer Wirtschaft, die Vergangenheit oder Erwartungen über zukünftige Entwicklungen. Zu den Erwartungen habe man in dem Referat gar nichts gehört. Anscheinend seien lediglich Strukturen aus der Vergangenheit, Durchschnittsstrukturen fortgeschrieben worden. Entscheidend wäre doch aber, jetzt zu untersuchen, welche Erwartungen hinsichtlich Produktivität, hinsichtlich Rentabilität verschiedener Formen von Produktion und hinsichtlich Investitionen, oder welche Bemühungen um die Erhaltung vorhandener Produktionsstrukturen die Entwicklung in diesen Ländern bestimmen. Döhrn antwortet, die Überlegungen der Autoren, die NormalstrukturHypothese zu wählen, seien gerade davon ausgegangen, daß man es in den erwähnten Ländern mit stark verzerrten Strukturen zu tun hat, daß also die Vergangenheitsentwicklung und auch die Determinanten, die zur Bildung der genannten Strukturen geführt haben, sehr wenig über die Zukunft aussagen. Sie seien bei der Suche nach Erklärungsansätzen somit auf die Normalstruktur-Hypothese gestoßen, die gerade zu Beginn der 60er Jahre in starkem Maße verwendet worden sei, um Aussagen im Hinblick auf Länder zu machen, über die man sehr wenig Informationen hatte. Es sei dies eine Zeit gewesen, in der die statistischen Berichtssysteme bei weitem noch nicht so ausgebildet waren wie heute. Man habe sich mit jenen recht groben Ansätzen zunächst einmal einen Überblick verschafft, in welcher Richtung Strukturwandel verläuft. Die Situation, in der sich die drei ostmitteleuropäischen Länder befinden, scheine für einen Vergleich auf dieser Ausgangsbasis geeignet zu sein. Es habe große Schwierigkeiten gemacht, die Ausgangsstrukturen überhaupt richtig zu evaluieren; man habe Preisverzerrungen zu registrieren. Dabei habe er sich auf die offiziellen Angaben der jeweiligen Länder bezogen, d. h. auch auf die von den Ländern selbst vorgelegten Bereinigungen. Er könne also im Einzelfall gar nicht sagen, wie dort die Preisverzerrungen berücksichtigt wurden. Die Ungarn hätten schon sehr detailliertes Material vorgelegt. Aus den anderen Ländern gebe es rudimentäre Ansätze, die Berechnung auf ein Konzept, das sich am Sozialprodukt orientiert, umzustellen. Die genannte Hypothese arbeite natürlich mit bestimmten Einflußfaktoren. Einer dieser Faktoren sei das Pro-Kopf-Einkommen. Im theoretischen Hintergrund werde davon ausgegangen, daß es in der wirtschaftlichen Entwicklung i m Prinzip Universalitäten gibt, angefangen vom Engeischen Gesetz bis hin zu anderen Zusammenhängen wie den economies of scale. Auch eine Bevölkerungsvariable sei enthalten. Als dritten großen Block von Faktoren nennt Döhrn die natürlichen Ressourcen; auch hierzu seien einige Ansätze getestet worden.
72
Zusammenfassung der Diskussion
Daß es auch Schwächen bei diesem Ansatz gibt, speziell was die Standortlage usw. angeht, sei im Referat indirekt aufgezeigt worden, indem vergleichend dargestellt worden sei, ob bestimmte Ländergruppen, die durch eine bestimmte geographische Lage ausgezeichnet sind, über oder unter jenen Durchschnitten liegen. Es sei klar, daß in dieser Hinsicht noch Forschungsund Untersuchungsbedarf besteht.
Die außenwirtschaftliche Öffnung, Handelsliberalisierung und Währungskonvertibilität Von Andrâs Inotai, Budapest
Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich für die Einladung herzlich bedanken. Ich bin wirklich sehr froh, daß ich hier sein und über einige außenhandelsund außenwirtschaftspolitische Schritte referieren kann. Man kann bei diesem Referat drei verschiedene Ansätze wählen. Erstens könnte man daran denken, mehr oder weniger eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Zweitens könnte man einen mehr theoretischen Ansatz wählen. Ich habe den dritten Ansatz gewählt: Ich möchte kurz darstellen, wie die Situation, was das von mir gewählte Thema betrifft, in Ungarn, Polen und der CSFR ist und welches die wichtigsten Problemfelder sind, auf denen wir in den kommenden Jahren und teilweise schon heute bestimmte Entscheidungen treffen müssen. Ich habe mein Referat in vier Abschnitte gegliedert. Ausführlicher möchte ich über die Außenhandelsliberalisierung sprechen, sodann über einige Fragen im Zusammenhang mit ausländischen Direktinvestitionen. Kürzere Bemerkungen werden über die Währungskonvertibilität gemacht. Schließlich möchte ich auf einige institutionelle Rahmenbedingungen der außenwirtschaftlichen Liberalisierung nur ansatzweise eingehen. Die Handelsliberalisierung folgt im allgemeinen theoretisch gut ausgearbeiteten Ansätzen. Ich meine hier die Abschaffung von Quoten und Lizenzen, die sogenannte Tarifizierung der Quoten. Auch die Zollunterschiede sollten möglichst verkleinert und soweit reduziert werden, daß ein einheitlicher Zoll zustandekommt. Die ostmitteleuropäischen Länder haben mit der Handelsliberalisierung einen doppelten Schutz aufgegeben. A u f der einen Seite wurde die Importgenehmigung abgeschafft. A u f der anderen Seite haben sie auch den RGW-Markt verloren, der einen relativ starken Schutz sowohl für die Importeure als auch für die Experteure gewährleistet hatte. Sie weisen aber gleichzeitig vier Eigenarten bei ihrer Handelsliberalisierung auf, die man in anderen Ländern nicht oder nur wenig findet. Erstens wurde die Handelsliberalisierung in Ungarn ohne reale Abwertung durchgeführt. Zweitens erfolgte die Liberalisierung des Handels einseitig. Sie geschah nicht
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Andràs Inotai
im multilateralen Rahmen. Vielmehr haben die eim:elnen Länder einseitig die Kontingente abgeschafft und die Importzölle reduziert. Drittens war der Übergang von Quoten zu Zöllen nicht von einer Zollerhöhung, sondern von einer Zollsenkung begleitet. Viertens war die Importliberalisierung zeitlich von dem Kollaps des RGW überlagert, was zusätzliche Probleme für alle Länder geschaffen hat. Welche Probleme stellen sich für die Handelsliberalisierung im Blick auf die Zukunft? Ich möchte hier kurz sieben Punkte nennen. Erstens: Es wurde befürchtet, daß die Handelsliberalisierung — insbesondere ohne Abwertung — den Außenhandelssaldo verschlechtert, weil die Importe zu stark zunehmen, während die Exporte nicht Schritt halten können. Letzteres ist 1990 und 1991 aber nicht der Fall gewesen. Alle Länder konnten ihre Exporte sehr stark ausweiten, wobei auch die Importe aus dem konvertierbaren Währungsbereich stark zugenommen haben. Es gibt eine Reihe von Gründen dafür: eine streiige monetäre Politik in allen Ländern, eine starke Abwertung in Polen und der Tschechoslowakei, ein stark negatives Wachstum in allen Ländern, einen mehr oder weniger verborgenen, aber weiterhin bestehenden Importschutz in verschiedenen Formen: Importabgaben, Zollzuschläge, Quoten für Konsumgüter z. B. in Ungarn, unterschiedliche Preise z. B. in der Tschechoslowakei, wo viele einheimische Preise weiterhin nicht Weltmarktpreise sind und deshalb einen bestimmten Schutz darstellen. Unterschiedlich war die Situation in den einzelnen Ländern auch, was den Zusammenhang zwischen Wechselkurspolitik auf der einen Seite und Exportwachstum auf der anderen Seite betrifft. Polen und die Tschechoslowakei haben stark abgewertet. Beide konnten ihre Exporte sehr stark steigern. Ungarn hat real nicht abgewertet, sondern aufgewertet, aber trotzdem konnten die Exporte gesteigert werden. Ein Teil des relativ höheren ungarischen Exportpreises wurde nicht durch die Abwertung kompensiert, sondern wurde durch andere Mittel — wahrscheinlich durch latente Reserven, die in der Wirtschaft noch vorhanden waren — kompensiert. Zweitens: In den drei Ländern wird manchmal darüber geklagt, daß die Handelsliberalisierung vor allem die Importe von Konsumgütern betroffen hat und daß die Länder, die auf Modernisierungsimporte angewiesen sind, vor allem Konsumgüter importiert haben. Das ist aber nur teilweise der Fall. Auch die Importe von Investitionsgütern sind stark angestiegen. Wenn man sich das negative Wachstum anschaut und die Daten analysiert, stellt man fest, daß die Investitionsgüterimporte überraschend stark angestiegen sind. Die Konsumgüterimporte sind selbstverständlich deshalb angestiegen, weil die früheren sogenannten einkaufstouristischen Ströme auf den Binnenmarkt verlagert worden sind. Alles, was früher nur im Ausland zu bekommen war, kann man jetzt auch zu Hause kaufen. Auch der hohe Zins, der nicht immer ein Realzins war, hat die Entscheidung in Richtung auf mehr
Handelsliberalisierung und Währungskonvertibilität
75
Konsum gedrängt, weil sich Investitionen bei den hohen Zinsen nicht lohnten. Weiterhin möchte ich erwähnen, daß auch ein bestimmter Demonstrationseffekt beobachtet werden konnte, insbesondere in Polen und in Ungarn. Nach den ersten Quartalsdaten sieht es im Jahre 1992 so aus, daß der Konsumgüterimportboom in Ungarn zurückzugehen scheint. Das Importvolumen ist um 400 Milliarden Dollar kleiner als im Vorjahr ausgefallen. Ein großer Teil dieses Rückgangs läßt sich auf den Rückgang im Bereich des Konsumgüterimports zurückführen. Die dritte und mittelfristig wahrscheinlich wichtigste Frage lautet: Ist der Exportboom in diesen Ländern aufrechtzuerhalten? Eine Umorientierung fand in allen Ländern statt. Darüber wird Frau Habuda morgen berichten. Ich möchte darauf nicht eingehen. Es wurde ein besserer Marktzugang für diese Länder gewährleistet, und auch die ausländischen Direktinvestitionen haben beträchtlich zugenommen. Es gibt aber trotzdem ein Bedenken, da ein bestimmter Teil des erheblichen Exportzuwachses nicht mit der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder zu erklären ist, sondern mit einer Heranziehung der Substanz der Unternehmen. Viele Unternehmen hatten nach dem Zusammenbruch des RGW keine andere Möglichkeit, als um jeden Preis irgendwohin zu exportieren. Dies können sie zwar für eine bestimmte Zeit tun, aber dieser Trend läßt sich auf lange Sicht nicht aufrechterhalten. Dies wirft drei Fragen auf. Erstens muß man in diesem Zusammenhang auf die Realaufwertung der Währungen zu sprechen kommen. Man befürchtet, daß die Realaufwertung die Exportmöglichkeiten beeinträchtigt, wobei die Importe weiterhin sehr stark steigen werden. Zweitens gibt es eine zunehmende Furcht vor potentieller Konkurrenz. Das wurde insbesondere bei den EG-Assoziierungsverträgen bemerkt. Viele Experten fragten sich trotz der Asymmetrie, die in dem Assoziierungsvertrag vorgegeben ist, ob, insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich, nicht bessere Marktzugangsbedingungen hätten ausgehandelt werden können. Man befürchtet deshalb, daß sich als Ergebnis des Assoziierungsabkommens der hohe landwirtschaftliche Überschuß in Ungarn und der etwas kleinere Überschuß in Polen abbauen ließe. Drittens stellt sich die Frage, was mit den Exporten und den Importen geschehen würde, wenn diese Länder früher oder später — ich würde sagen: wahrscheinlich früher als später — wieder auf einen wachstumsorientierten Kurs übergehen werden. Wie würde dies die Importe erhöhen und die für den Export heute verfügbare Warenmenge beeinflussen? Der vierte Punkt im Zusammenhang mit der Handelsliberalisierung ist der folgende: Insbesondere Polen und die Tschechoslowakei haben den Außenhandel sehr drastisch liberalisiert und haben äußerst niedrige Zölle eingeführt. Später mußten sie dann Schritte zur Korrektur unternehmen. In
76
A n d r s Inotai
der Tschechoslowakei lag das Durchschnittszollniveau bei 4,8 %, also niedriger als in der EG, in Polen lag es bei 8 %. Inzwischen wurde dieses Niveau in Polen auf 18% angehoben. Die Tschechoslowakei hat die Importe durch verschiedene Abgaben unter Kontrolle gehalten. Auf jeden Fall aber müssen diese Länder die GATT-Konformität beibehalten. Sie waren in bezug auf die EG-Verhandlungen teilweise schon internationalem Druck ausgesetzt, sowohl von Brüsseler Seite, um die Zölle anzuheben, als auch von Seiten der Nicht-EG-Mitglieder, vor allem der Vereinigten Staaten und von internationalen Organisationen, um das niedrige Zollniveau beizubehalten. Viertens: Eine wichtige Frage, auf die man heute noch keine Antwort geben kann, ist, wie die Zölle und die anderen nichttarifären Handelshemmnisse im Handel zwischen Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen gehandhabt werden sollen. Alle drei Länder sollten in ihrem intraregionalen Handel wenigstens die EG-Konformität beachten, also nicht zulassen, daß die Exporte in die EG bessere Zugangsbedingungen als die Exporte im intraregionalen Handel haben. Sonst könnte es nämlich zu einer noch größeren Handelsumlenkung kommen, als sie jetzt schon als Ergebnis des Zusammenbruchs des RGW zu verzeichnen ist. Fünftens werden alle Regierungen verstärkt mit der Frage konfrontiert, daß die Importliberalisierung gleichzeitig Gruppeninteressen verstärkt hat, die gegen eine weitere Liberalisierung, ja sogar für die Rücknahme eines Teils der Importliberalisierung sind. Ein Teil des Drucks mag vom Haushalt her kommen. Die stark defizitären Haushalte sind ein Problem. Das Defizit ist nicht durch die zu hohen Ausgaben, sondern durch die zu niedrigen Einnahmen verursacht worden. Man möchte also höhere Haushaltseinkommen erzielen, und höhere Zölle und andere Importabgaben könnten dabei eine bestimmte Rolle spielen. Viel wichtiger ist aber das Verhalten der Verlierer im Wettbewerb. Ich nenne hier erstens die einheimischen Produzenten und zweitens Teile des ausländischen Direktkapitals, die auf dem Markt iri diesen Ländern durch den Schutz des einheimischen Marktes teilweise klare Wettbewerbsvorteile vorfanden. Das merkt man in allen drei Ländern vor allem bei den Autoherstellern. Man merkt es aber auch bei den Elektronikherstellern in Ungarn. In der nächsten Zeit kann die Agrarlobby noch hinzukommen. Man muß hinzufügen, daß die potentiellen Verlierer oder die potentiellen Benachteiligungen in diesem internationalen Wettbewerb nicht über die möglichen Vorteile und Nutzen und über die möglichen Kosten des Assoziierungsabkommens mit der EG aufgeklärt worden sind. Wenn sich in einer relativ schwierigen wirtschaftlichen Situation in allen drei. Ländern zunächst die negativen und nicht die positiven Einflüsse der Handelsliberalisierung bemerkbar machen, kann es zu erheblichen Störungen und zu einem erheblichen Druck in Richtung auf mehr Importschutz kommen.
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Der sechste Bereich, in dem wirtschaftspolitische Schritte notwendig sind, ist der des sogenannten nichttarifären Schutzes. Dieser ist in Form von Normen, Vorschriften usw., die eingehalten werden sollten, überall in den Vordergrund getreten. Von Ungarn sind auch bereits Antidumpingverfahren bezüglich 15 verschiedener Stahlprodukte, die aus Rußland und aus der Tschechoslowakei stammen, eingeleitet worden. Es wird ein Schwellenpreis gefordert. Weiterhin wird verlangt, daß die Wettbewerbsbehörden transparenter arbeiten und sagen, was eigentlich unter dominanter Position eines Unternehmens — sei es ein nationales oder ein ausländisches Unternehmen — zu verstehen ist. Schließlich stellt sich siebentes noch die Frage nach Wachstum und Öffnung. Wenn Sie die ostmitteleuropäischen Länder mit den EFTA- und den EG-Ländern vergleichen, stellen Sie folgendes fest: Zumindest für Ungarn — weniger für die Tschechoslowakei, noch weniger für Polen — gilt, daß der Öffnungsgrad der Wirtschaft heute schon etwa so groß wie im Falle der außenhandelsintensiven westeuropäischen Länder ist. Demzufolge stellt der Öffnungsgrad nicht das eigentliche Problem dar. Der Außenhandel kann wahrscheinlich weniger durch eine weitere Öffnung vorangebracht werden. Der eigentliche Unterschied liegt in den Pro-Kopf-Exportwerten. Das Verhältnis zwischen Ungarn und den EFTA-Ländern, was diese Werte angeht, beläuft sich derzeit auf 1 :6. Die beste Chance besteht darin, einen zunehmend wachstumsorientierten Pfad einzuschlagen. Aus diesem Wachstum resultieren dann höhere Exportwerte und auch höhere ProKopf-Exportwerte. Im zweiten Abschnitt meines Referates möchte ich auf die Auslandsinvestitionen eingehen. Die Größenordnungen sind bekannt, ebenso die geographische Verteilung. Darauf möchte ich hier nicht eingehen. Eines hat sich jetzt schon abgezeichnet: Es geht nicht nur um einen Wettbewerb zwischen Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei hinsichtlich des Auslandskapitals. Alle drei Länder nehmen, was Auslandskapital angeht, an einem weltweiten Wettbewerb teil, wobei der europäische Kontinent wiederum eine besondere Rolle spielt. Die Vorteile der drei ostmitteleuropäischen Länder liegen einmal in den Arbeitskosten — vor allem bei den gebildeten Arbeitskräften — begründet. Ich möchte hier ganz kurz erwähnen, daß General Motors — dieses Unternehmen hat in Ungarn vor kurzem eine Motorenfabrik etabliert — vor einer Woche bekanntgegeben hat, daß die Arbeitskosten in Ungarn bei etwa 4 D M pro Stunde liegen, während sie in der Bundesrepublik bei einer vergleichbaren Firma bei 35 oder 40 D M betragen. Besonders überrascht habe, daß der ungarische Betrieb im Moment unter allen GeneralMotors-Werken in Europa die höchste Produktivität habe. Das ist etwas, was für die Zukunft sehr wichtig sein kann.
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Die ostmitteleuropäischen Länder haben ferner Vorteile auf Grund ihrer geographischen Lage. Die EG-Assoziierung eröffnet einen besseren Marktzugang. Nach meiner Meinung sind in den drei Ländern drei verschiedene Modelle der internationalen Kapitalbeteilungen entstanden. In Polen beschränkt sich das Auslandskapital vor allem auf kleine und mittlere Betriebe. Die Großbetriebe sind davon ausgenommen, teilweise wegen der Privatisierungsregeln in Polen. In der Tschechoslowakei konzentriert sich das Auslandskapital dagegen auf einige Großbetriebe. Die Kleinbetriebe fehlen in der tschechoslowakischen Wirtschaft ohnehin. In Ungarn findet man eine zunehmende Beteiligung des Auslandskapitals auf beiden Ebenen, zum einen auf der Ebene der Großbetriebe, nicht zuletzt wegen der raschen Privatisierung — im vorigen Jahr wurden 85 % des privatisierten Vermögens vom Auslandskapital aufgekauft —, zum anderen auch auf der Mikroebene, wo heute schon 10 000 Betriebe von Joint-ventures existieren. Die Frage ist, ob man in Ungarn dabei das Phänomen der footloose industries vermeiden kann, ob dabei ein subcontracting, ein Netz von Zulieferern zustande kommt, in dessen Rahmen ungarische Firmen und kleine und mittlere Jointventures eine organische Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit den Großbetrieben eingehen. Das wäre nicht nur unter dem Gesichtspunkt von Wachstumsüberlegungen wichtig. Das wäre auch wichtig, um das meiner Meinung nach sehr schwache, aber trotzdem gefährliche Argument des Ausverkaufs des nationalen Vermögens zu entkräften. Probleme gibt es bei den Direktinvestitionen in den folgenden Bereichen. Erstens gibt es in Polen immer noch Probleme hinsichtlich der Teilnahme an der sogenannten großen Privatisierung und bis vor kurzem auch hinsichtlich des Gewinntransfers. Ungarn und teilweise auch die Tschechoslowakei behandeln das Auslandskapital weit liberaler als Polen. Zweitens muß man entscheiden, ob die Auslandsinvestitionen die Privatisierung vorantreiben sollen oder nicht. In Polen ist der Anteil der Auslandsinvestitionen auf 10% beschränkt, während in Ungarn solche Beschränkungen nicht gegeben sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zu Ungarn und Deutschland sagen. Die großen britischen und amerikanischen Beratungs- oder Consulting-Firmen sitzen in Ungarn in den Privatisierungsagenturen. Es gibt bisher aber keine einzige deutsche Consulting-Firma dort. Ein weiteres wirtschaftspolitisches Dilemma ist, inwieweit der Bankensektor in den einzelnen Ländern für Auslandsinvestitionen geöffnet wird. Zur Zeit sind diesbezügliche Beschränkungen in allen drei Ländern vorhanden. Ich persönlich gehe aber davon aus, daß die Öffnung des Bankensystems für diese Länder mehr Vorteile als Gefahren mit sich brächte. In allen drei Ländern gibt es sogenannte strategische Sektoren, die nicht näher definiert sind. In Ungarn hat man vor einem Jahr eine entsprechende
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Liste aufgestellt. Nach einem halben Jahr hat man diese Liste geändert. Jetzt weiß man überhaupt nicht, welche Industrien und welche Bereiche — Infrastrukturbereiche oder Bereiche der öffentlichen Versorgung — als strategisch gelten. Die internationale Erfahrung bei der Bankenprivatisierung und auch bei der Infrastrukturprivatisierung und der Privatisierung öffentlicher Dienste zeigt, daß große staatliche Einnahmen durch die Privatisierung in eben diesen Sektoren zu erwarten sind. Entsprechendes läßt sich nicht hinsichtlich der stufenweisen Privatisierung von mehr oder weniger effizienten kleinen industriellen Betrieben sagen. Ein weiteres Problem sind die Monopolstellungen, die als Folge von Kettenaufkäufen insbesondere in Ungarn zum Vorschein kommen, wobei die alten Monopole durch neue Monopole ersetzt werden können. Hier wird die Wirtschaftspolitik in allen drei Ländern in den kommenden Jahren herausgefordert. Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß die Auslandsinvestitionen und der Kapitalzufluß sozusagen keine Einbahnstraße sind. Schon jetzt merkt man, daß die ostmitteleuropäischen Länder — wenn zunächst auch noch in sehr kleinem Umfang — Kapital exportieren. In Ungarn haben in den letzten zwei Jahren kleine und mittlere Betriebe, aber auch einige Außenhandelsunternehmen, Kapital in Höhe von etwa 50 Millionen D M exportiert, und zwar meist in die Nachbarländer. Im dritten Abschnitt meines Referates möchte ich kurz zur Währungskonvertibilität Stellung nehmen. Zwischen Deklarationen und Realitäten gibt es eine große Kluft. Zur Zeit hat nur Polen die Konvertibilität für Inländer eingeführt. Wichtiger für mich sind aber zwei Bedingungen auf dem Wege zur Konvertibilität: zum einen der freie Zugang für Importeure zu Auslandswährungen — dieser ist in allen drei Ländern gegeben — und zum anderen der ungehinderte Transfer des Gewinns von ausländischen Unternehmen. Letzterer ist im Moment 100 %ig nur in Ungarn gegeben. Aber auch in der Tschechoslowakei und in Polen hat sich die Haltung, was diesen Punkt angeht, in der letzten Zeit liberalisiert. Die Voraussetzungen für die Konvertibilität sind bekannt. Einige Voraussetzungen sind in den drei Ländern schon vorhanden, ζ. B. der realistische Wechselkurs. Interessant ist, daß der Schwarzmarkt überall verschwunden ist. Die Exporte laufen bei diesem Wechselkurs. Die Frage ist heute, ob der Wechselkurs mittelfristig mehr ein Instrument der Inflationsbekämpfung sein sollte oder mehr als Instrument der Exportförderung wirken sollte. In dieser Hinsicht gibt es im Moment noch keine wirtschaftspolitische Entscheidung. Die Inflationsraten müssen stark zurückgeschraubt werden. Dieser Prozeß ist teilweise im Gange, aber die Inflationsraten sind noch zu hoch, um die
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Andràs Inotai
Krone oder den Forint konvertierbar zu machen, zumal die letztgenannte Maßnahme mit einer zu starken Abwertung verbunden wäre. Es wäre eine gefährliche Maßnahme, eine starke Abwertung in dem Moment vorzunehmen, in dem die Inflationsrate zurückgeht. Drittens möchte ich eine Anmerkung zum positiven Realzins machen. Ich möchte diesbezüglich eine Relativierung vornehmen. Wenn nur ein Teil des Zinsgewinns in der nationalen Währung durch die Abwertung gegenüber Auslandswährungen verlorengeht und ein anderer Teil erhalten bleibt, kann auch ein relativ schwacher negativer Zins Zinsgewinne bedeuten. Das hat sich in Ungarn bewahrheitet, wo sehr viele ausländische Unternehmen auf dem Geldmarkt investiert haben, weil der Unterschied zwischen Dollaroder DM-Zins und ungarischen Zinsen so groß war, daß nur ein Teil dieses Zinsunterschiedes von der nominalen Abwertung der ungarischen Währung absorbiert wurde. Viertens möchte ich noch auf die Reserven eingehen. Hohe Reserven sind in allen drei Ländern notwendig. Alle drei Länder haben ihre Währungsreserven vor kurzem aufgestockt. Man muß sich aber zweierlei vor Augen halten. Erstens war die Aufstockung der Reserven notwendig, weil auch der RGW-Handel als konvertierbarer Handel in den Gesamthandel aufgenommen wurde. Die Vorräte für zwei oder drei Monate, die früher nur auf den konvertierbaren Handel bezogen waren, müssen jetzt auch den ehemaligen RGW-Handel mit abdecken. Das heißt, daß die Vorräte für zwei bis drei Monate höher als früher sein müssen. Zweitens hängt sehr viel davon ab, wie verschuldet die einzelnen Länder sind. Eine stärker verschuldete Wirtschaft braucht notwendigerweise höhere Reserven, bevor die Konvertibilität eingeführt oder deklariert werden kann. Probleme lassen sich in vier Bereichen absehen. Erstens ist hier der Bereich der Abwertungspolitik zu nennen. Ich möchte darauf nicht näher eingehen, die Situation wohl aber mit einem Begriff kennzeichnen und dabei auf die polnischen Erfahrungen zurückgreifen. Es besteht die Gefahr einer Lateinamerikanisierung. Wenn zu stark abgewertet wird, wird die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft nicht entsprechend erhöht, d. h. die Unternehmen rechnen immer mit einer weiteren Abwertung, ohne gleichzeitig eine entsprechende Modernisierung der Produktionsstruktur vorzunehmen. Hier haben die ex-sozialistischen Unternehmen sehr gute und grundlegende Erfahrungen mit den damaligen Planungsbehörden gemacht. Damals ging es um ein Feilschen um Planindikatoren. Wenn Abwertungen zu stark sind und wiederholt stattfinden, kann es zu einem Feilschen zwischen den Unternehmen und der Nationalbank kommen, wann und um wieviel Prozent abgewertet werden muß, um sich mit der unveränderten Produktionsstruktur wenigstens zeitweilig auf den Weltmärkten behaupten zu können.
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Die Aussichten für die Konvertibilität sind meiner Meinung nach folgendermaßen zu beurteilen: Ich würde einen stufenweisen Ansatz wählen, weil die Rücknahme der Konvertibilität weit größere Schäden verursacht — sie wirkt zudem vertrauensvernichtend —, als sie gegeben wären, wenn wir die Konvertibilität etwas zu spät deklarieren. Es ist sehr schwer, für die Konvertibilität einen präzisen Stufenplan vorzulegen. Letzten Endes hängt die Deklarierung der Konvertibilität von einer politischen Entscheidung ab. Das Wichtigste ist aber nicht die Deklarierung, sondern die Vorbereitung, die weitere Liberalisierung der Wirtschaft, und zwar nicht nur des Außenhandels, sondern auch des Kapitalverkehrs. Die drei ostmitteleuropäischen Länder sollten sich auf keinen Fall in einen Konvertibilitätswettbewerb in Osteuropa begeben. Das wäre fatal für diese Länder. Es ist kein Zufall, daß gerade die Länder, die am wenigsten von der Marktwirtschaft kennen, die am wenigsten auf die marktwirtschaftlichen Veränderungen und den ganzen Transformationsprozeß vorbereitet sind, die Konvertibilität gleich deklarieren wollen. Sie betrachten die Konvertibilität als ein Wundermittel. Für mich ist sie kein Wundermittel. Ganz im Gegenteil, kann die plötzliche Einführung der Konvertibilität mit vernichtenden Folgen verbunden sein. Im vierten und letzten Abschnitt möchte ich zwei Bemerkungen zu den institutionellen Rahmenbedingungen der Liberalisierung machen. Erstens: Die kleinen und mittleren Betriebe und die neuen Unternehmen haben sehr stark zur Exportorientierung in den drei Ländern beigetragen. Mir liegen Daten aus Ungarn vor. 1989 gab es in Ungarn etwa 300 Firmen, die mit Deutschland Direktexporte oder -importe getätigt haben. 1990 waren es 900 Unternehmen und 1991 etwa 2 500 Unternehmen. Mehr als 30 % des Exportzuwachses in konvertierbarer Währung im letzten Jahr entfällt auf die neuen kleinen und mittleren Unternehmen. Zweitens: Die EG-Abkommen und hoffentlich auch das EFTA-Abkommen, das mit der Tschechoslowakei am 1. Juli unterschrieben wird — mit Ungarn sind die Verhandlungen über die Landwirtschaft noch im Gange —, werden die außenwirtschaftlichen institutionellen Rahmenbedingungen verbessern. Hier ist westliche Verantwortung sehr gefragt. Die Aufrechterhaltung des ganzen Transformationsprozesses hängt in hohem Maße von den besseren Marktzugangsbedingungen ab. Zur Zeit sind die Gegebenheiten ja so, daß die Inlandsnachfrage aus bekannten Gründen stark zurückgegangen ist, weil ein Teil der geschrumpften Inlandsnachfrage an die Auslandskonkurrenz verloren ging. Gleichzeitig ist der RGW zusammengebrochen. Die neuen Unternehmen müssen also gleich auf den Auslandsmarkt gehen. Die Inhaber der neuen kleinen und mittleren Unternehmen kommen aus den flexibelsten, dynamischsten Teilen der Bevölkerung. Wenn sie 6 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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A n d r s Inotai
keinen Erfolg haben, wird das nicht nur für die wirtschaftliche Transformation, sondern auch für die politische Stabilität der ostmitteleuropäischen Länder fatale Folgen mit sich bringen.
Zusammenfassung der Diskussion Referat Inotai
Kantzenbach stellt fest, man habe in Deutschland erlebt, daß die ersten Schätzungen über die Erlöse aus der Privatisierung viel zu optimistisch waren. Ursprünglich habe man mit ein paar hundert Milliarden D M gerechnet, inzwischen werde geschätzt, daß ein Defizit von einigen Milliarden D M herauskommen werde. Die Nachfrage nach dem vorhandenen Sachkapital sei wesentlich geringer als ursprünglich angenommen. Frau Cornelsen habe ähnliches aus den osteuropäischen Ländern berichtet. Inotai habe nun ausgeführt, daß die Direktinvestitionen in den drei ostmitteleuropäischen Ländern von ihm relativ positiv beurteilt würden. Es stelle sich die Frage, ob die mangelnden Direktinvestitionen in der ehemaligen DDR und in den ostmitteleuropäischen Ländern auf eine Kreditrationierung im Sinne der Theorie von Sinn zurückzuführen seien. Kantzenbachs zweite Frage richtet sich auf die Schwierigkeiten aller Länder, für ihre Währung einen Gleichgewichtskurs zu finden; wiederholt seien Abwertungen erfolgt. Daraus ergebe sich die Frage nach den Möglichkeiten einer Freigabe der Wechselkurse und der Wahrscheinlichkeit, dann zu einem Gleichgewichtskurs finden zu können. Die Freigabe der Wechselkurse sei für diese Länder ja wiederholt vorgeschlagen worden. Svindland unterstützt das Plädoyer für eine stufenweise Einführung der Währungskonvertibilität mit dem Hinweis auf ein paar Probleme, die in dem Vortrag seines Erachtens zu kurz kamen. Ein Problem sei das Ausmaß der öffentlichen Defizite, die zum Teil über die Notenbank zu finanzieren wären. Er erinnert daran, daß die polnische Regierung den ursprünglich eingeschlagenen Kurs nicht mehr verfolge, daß sie mit dem IWF verhandelt habe und die Erlaubnis bekommen habe, jetzt größere Defizite zu machen als ursprünglich vorgesehen. Man wisse, daß Defizite Inflation bedeuten. Ein weiteres Problem sei die Solvenz der Banken. Eigentlich hätten die meisten Großbanken in Zentraleuropa längst ihr Grundkapital verloren. Man stehe vor neuen Bankreformen. Solange diese beiden Probleme nicht gelöst sind, könne man nicht davon ausgehen, daß die Geldnachfrage in diesen Ländern hinreichend stabil würde, um das Abenteuer einer vollen Konvertibilität einzugehen.
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Zusammenfassung der Diskussion
Herr nimmt ebenfalls zur Konvertibilität und zum Wechselkurs Stellung. Inotai habe zu Recht betont, daß der Wechselkurs nicht beliebig zur Wettbewerbsförderung einzusetzen ist. Vor allem das Problem der Inflation gefährde den Einsatz des Wechselkurses zur Wettbewerbsförderung. Dieses Argument möchte Herr noch verstärken: Der Wechselkurs sei nicht nur ein Preis, der für Gütermärkte relevant ist; er sei vor allem ein Vermögenspreis. Zwischen diesen beiden Komponenten — Wechselkurs als Vermögenspreis, der Erwartungen stabilisiert und der Vertrauen in eine Währung erzeugt, und Wechselkurs als Preis, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes erzeugt, bestehe ein sehr großer Konflikt. Deutlich sei dieser Konflikt z.B. in ganz Lateinamerika, aber ebenso auch in den mittel- und osteuropäischen Ländern. Zur Erzeugung von Kapitalimporten und zur Zurückdrängung von Parallelwährungssystemen, aber auch zur Förderung der Bereitschaft von Inländern, im Inland zu investieren, seien an sich eben ein stabiler Vermögenspreis und ein stabiler Wechselkurs notwendig, während das außenwirtschaftliche Gleichgewicht unter Umständen Abwertungen erforderte. Der Peripherisierungsdruck sei für die osteuropäischen Ländern sehr groß. Es könne — wie in Lateinamerika — passieren, daß diese Länder den erwähnten Konflikt nicht lösen könnten, daß sie zwar Vertrauen über den Wechselkurs stabilisieren wollten, dies aber nicht schafften und immer wieder abwerten müßten. Auf diese Weise würde die inländische Wachstumsdynamik immer wieder erstickt. Thanner erbittet genauere Informationen über die Ursachen und die Erklärungsfaktoren der Exporterfolge. Insbesondere sei zu fragen, welche Rolle die Auslandsinvestoren spielen. Zweitens stelle sich die Frage, welche Rolle die Banken spielen, die möglicherweise den Substanzverzehr der Exportbetriebe zu Konditionen finanzieren, die für diese Betriebe relativ ungünstig sind. Inotai habe davon gesprochen, daß in diesem Bereich vor allem mittlere und kleine Betriebe tätig seien; die Frage sei, woher diese Betriebe dann die Mittel beziehen. Man würde erwarten, daß es die größeren Betriebe sind, die aus der alten Zeit noch Beziehungen zu Banken haben. Vincentz erwidert auf Kantzenbachs Beitrag, das Prinzip der Bestimmung der Wechselkurse sei sicher nicht eine Art Gleichgewichtspreis. Für die Reformländer lasse sich das jedenfalls sagen. Es sei ja gerade die Frage, ob man den Importschutz im wesentlichen über die Wechselkurse erreichen kann. Inotai habe immer einen Unterschied zwischen Ungarn und Polen gemacht. Das einzige Land unter den drei genannten Ländern, in dem eine reale Abwertung erfolgt ist, sei die Tschechoslowakei. In Ungarn und Polen habe es sehr schnell eine reale Aufwertung gegeben, d.h. diese Länder hätten die Inflation nicht unter Kontrolle bekommen.
Zusammenfassung der Diskussion
Vincentz geht ferner auf das Problem der Liberalisierung des Bankensystems ein. Inotai habe gesagt, das Bankensystem solle für westliche Auslandskapitalien geöffnet werden. Das sei sicher richtig, insbesondere weil der Geld- und Kapitalmarkt in keinem der genannten Länder funktioniere und wesentliche Funktionen eines Geld- und Kapitalmarktes nicht erfüllt werden könnten. 95 % der Argumente, die für einen Schutz des Bankensystems sprechen, seien sicherlich falsch. Es gebe aber ein oder zwei zutreffende Argumente. Eines davon sei, daß die Banken nach verschiedenen Schätzungen zwischen 20 und 40 % uneinbringbarer Kredite hätten, daß sie also de facto überschuldet seien und daß bei freiem Wettbewerb die heimischen Banken mehr oder minder ausscheiden würden. Das Problem der Entschuldung müsse vorher irgendwie gelöst werden. Als zweiter Faktor spiele die Teilkonvertibilität der Währungen eine Rolle, also die Inländerkonvertibilität. Große Banken und Versicherungsgesellschaften könnten in Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei keine internationalen Portefeuilles halten. Aus diesem Grunde würden sie sich dort wohl nicht engagieren. Vincentz erbittet schließlich noch einen Kommentar zu den doch relativ verblüffenden Vorgängen in der Automobilindustrie und auch in manchen anderen Industrien. Die Länder hätten Direktinvestitionen angezogen, indem sie der Industrie den heimischen Markt sicherten, wobei dies in Ungarn geschehen sei, ohne daß man dort überhaupt eine eigene Automobilproduktion hatte. Es scheine in diesem Bereich sozusagen ein Zusammenspiel der östlichen und westlichen Partner gegeben zu haben. Olszynski ergänzt die Informationen von Inotai, weil sonst in einigen Bereichen, wie er meint, ein falscher Eindruck entstehen könnte: Erstens gebe es in Polen im Moment keine Beschränkungen bei der Beteiligung von Auslandsinvestoren an Großunternehmen. Zweitens sei die Klausel über einen Anteil von höchstens 10 % für Ausländer beim Erwerb im Rahmen der Privatisierung nicht mehr in Kraft. Drittens sei ein 100%iger Transfer von Gewinnen in Zloty schon seit Juli 1991 möglich. Inotai habe das Postulat einer Freihandelszone zwischen Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei erwähnt. Inzwischen sei dies bereits Faktum geworden. Der Vertrag über die Freihandelszone wurde unterschrieben; er solle am 1. Juni in Kraft treten. Die Grundsätze seien ähnlich wie die in den Assoziierungsabkommen mit der EG. Frau Pissulla geht auf die Absicht Ungarns ein, im Juni erstmals eine Interbanken-Währungsoption einzurichten. Rumänien habe das bereits getan und habe daraufhin mehr oder weniger zwangsläufig ein duales Wechselkurssystem bekommen. Es heiße, die ungarische Notenbank interveniere bereits, um das zu verhindern, sobald der Interbankenkurs um
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Zusammenfassung der Diskussion
± 0,25 % vom offiziellen Wechselkurs abweicht. Sie fragt, für wie realistisch Inotai diese Interventionsmöglichkeit für die ungarische Notenbank hält, angesichts ihrer geringen Devisenreserven. Sie hält das für eine sehr enge Marge für die Intervention der Notenbank, zumal wenn man die bei solchen Aktionen regelmäßig auftretende Abwertungstendenz berücksichtigte. Langhammer geht auf die handelspolitische Öffnung der drei Märkte ein: Man beobachte in der Phase von 1988 bis 1991 stark gestiegene EGAgrarexporte in die drei genannten Länder. Dies gelte vor allen Dingen für Polen, in geringerem Umfang für Ungarn. Er fragt, ob dies im wesentlichen darauf zurückzuführen sei, daß die Agrarmärkte liberalisiert wurden, der Zugang zu den Agrarmärkten der drei erwähnten Länder also erleichtert wurde, oder ob Grund zu der Annahme besteht, daß EG-Agrarexportsubventionen dafür verantwortlich sind, die dann den Anpassungsprozeß natürlich wesentlich verzerren würden. Inotai beantwortet die aufgeworfenen Fragen zusammenfassend, weist allerdings darauf hin, daß noch keine endgültigen und keine vollständigen Antworten gegeben werden könnten. Eine Freigabe der Wechselkurse wäre natürlich möglich. In Ungarn sei teilweise auch so verfahren worden. Die ungarische Währung sei an einen Währungskorb gebunden und floate entsprechend. Dieser Währungskorb sei vor einem halben Jahr verändert worden. Er bestehe seitdem zu 50 % aus ECU-Währungen und zu 50 % aus Dollar. Die Frage sei, ob dies eine gute Zusammensetzung ist oder nicht. 1991 habe es kaum eine Abwertung der ungarischen Währung gegeben. Die ungarische Währung konnte also ihre Position und ihren Wert beibehalten. Der Wechselkurs des Forint sei auf Grund der realwirtschaftlichen Entwicklung mehr oder weniger fest. Er sehe keine Notwendigkeit, den Forint abzuwerten. Es sei sicher richtig, daß zu hohe öffentliche Defizite immer wieder Inflationsgefahr heraufbeschwören, insbesondere in Ländern, in denen die Notenbank die öffentlichen Defizite durch die Notenpresse finanziert. Das sei lange Jahre auch in Ungarn der Fall gewesen. Im vorigen Jahr aber seien die öffentlichen Defizite vollständig von den Ersparnissen gedeckt gewesen. Man habe kein neues Geld herausgegeben. Es sei an und für sich auch überraschend, daß zu einer Zeit, in der das Wirtschaftswachstum stark zurückgeht und das Realeinkommen meistens stark sinkt, die Sparquote von 8 % auf ein historisches Hoch von 11 % im vorigen Jahr angestiegen ist. Auch in diesem Jahr rechne die Nationalbank weiterhin mit hohen Ersparnissen der Bevölkerung, so daß die öffentlichen Defizite größtenteils auch weiter aus den Ersparnissen finanziert werden könnten. Bei der Abwertung müsse man — insbesondere in Ungarn — auch in Betracht ziehen, daß die hohe Verschuldung des Landes die Haushaltsde-
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fizite durch die Abwertungseffekte sehr stark ansteigen lassen kann. Das könne zusätzliche Probleme bei der Defizitfinanzierung mit sich bringen. Zum Thema „stabile Wechselkurse und Export" merkt Inotai an, der allgemeine theoretische Ansatz sei, daß stabile Wechselkurse stabile Rahmenbedingungen für den Export bedeuteten. Auf der anderen Seite könne man auch so argumentieren: Wenn die stabilen Wechselkurse nach einer bestimmten Zeit nicht aufrechterhalten werden können und nach einer bestimmten Realaufwertung die Währung doch zu einer stärkeren Abwertung kommen muß, so kann nicht Vertrauen geschaffen, sondern i m Gegenteil Vertrauen vernichtet werden. Wenn es keinen Grund für eine Überbewertung der nationalen Währung gebe, sei ein Floaten besser als ein stabiler Wechselkurs. Ein Floating könne ebenso gute Wirkungen haben, auch was die Exporte angeht. Zur Erforschung der Faktoren des Exporterfolgs seien bisher keine Analysen vorgenommen worden. In die Untersuchungen wären wenigstens acht bis zehn Faktoren einzubeziehen. Inotai vermutet, daß der dramatische Zusammenbruch des RGW-Marktes in allen drei Ländern zu einem teilweise erbitterten Versuch geführt habe, von den alten Exporten so viel wie möglich beizubehalten, unabhängig von den Kosten. Das sei insbesondere in der Tschechoslowakei der Fall gewesen, wo die Umorientierung weit später einsetzte als in Polen oder in Ungarn. In den beiden letztgenannten Ländern habe sich eine bestimmte Umorientierung schon Mitte der 80er Jahre bemerkbar gemacht. Es sei richtig, daß nur die Tschechoslowakei real abgewertet hat. Für Polen und Ungarn gelte dies nicht. Polen habe zuvor allerdings real sehr stark abgewertet; das sei Anfang 1990 aber ein Overshooting gewesen. Gleich danach seien die ersten Importpreise in die Höhe gegangen, wobei die Monopolpositionen beibehalten worden seien. Deshalb seien die einheimischen Preise der Importpreiserhöhung gefolgt, ganz unabhängig davon, wie die Produktionskosten für die Unternehmen waren. Weiterhin seien die negativen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Overshooting von einem sehr raschen Anstieg des Nominaleinkommens begleitet gewesen, was in Ungarn und — teilweise — in der Tschechoslowakei nicht der Fall war. Die Lohndisziplin der Beschäftigten habe eindeutig dazu beigetragen, daß auch bei einer Realaufwertung in Ungarn die Exportfähigkeit des Landes nicht beeinträchtigt wurde. Zu dem umstrittenen Schutz des Bankensystems bemerkt Inotai, es wäre natürlich theoretisch besser, zunächst einmal die non-performing debts aus den Handelsbanken wegzuräumen und diese Handelsbanken erst dann an das Auslandskapital zu privatisieren. Es sei aber die Frage, wie man das tun könnte, insbesondere in einer Wirtschaft, die hohe öffentliche Defizite hat
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Zusammenfassung der Diskussion
und in der diese öffentlichen Defizite nicht weiter in die Höhe getrieben werden können. Er kann sich durchaus vorstellen, daß das Auslandskapital auch unter diesen Bedingungen — ζ. B. im Rahmen eines package — daran interessiert wäre, einige Banken mit dieser Hypothek zu übernehmen, wobei dann gemeinsame Anstrengungen gemacht werden könnten, um dieses Problem zu lösen. Inotai kennzeichnet dies als persönliche Bemerkung; im Moment würden die entsprechenden Diskussionen wirklich nur sozusagen in den Ministerialgängen geführt, nicht einmal in Forschungsinstituten oder in öffentlichen Medien. Zum Thema „Kraftfahrzeugindustrie und Schutz des inländischen Marktes" bemerkt Inotai, es bestehe die Gefahr, daß der Marktschutz, der der Kraftfahrzeugindustrie gegeben wird, ein Beispiel sein werde, dem auch andere Investoren in ihren Verhandlungen mit den entsprechenden ungarischen, polnischen und tschechoslowakischen Gremien und Institutionen folgen werden. Ungarn habe dieses Problem bisher folgendermaßen zu lösen versucht: Neben dem Schutz des einheimischen Marktes gebe es eine Globalquote, die eine Einfuhr von 160000 Wagen in diesem Jahr ermögliche, davon 50 % aus der EG. Ob auf einem kleinen Markt wie dem ungarischen, wo die Kaufkraft der Bevölkerung in der letzten Zeit zurückgegangen ist und kaufkräftige Leute sich zum Teil mit westlichen Wagen eingedeckt haben, weiterhin soviel Kraftfahrzeuge verkauft werden könnten oder nicht, sei eine andere Frage. Von Seiten der Kraftfahrzeughersteller werde dann natürlich weiterhin ein Druck auf die Regierung ausgeübt. Es könnte so argumentiert werden, man brauche keine Globalquote, sondern wolle den ganzen Markt haben, nicht aber einen Markt minus 160 000 Kraftfahrzeuge. Inotai bedankt sich bei seinem polnischen Kollegen für die Kommentare und Ergänzungen. Er fügt hinzu, der Freihandelsver trag trete jetzt in Kraft und sei für einen Zeitraum von zehn Jahren vorgesehen. Das heiße aber noch nicht, daß das Timing in dem polnisch-tschechoslowakisch-ungarischen Freihandelsvertrag mit dem Timing in der EG übereinstimmte. Das Timing müsste besser funktionieren als bisher. Abschließend bemerkt er zu der Frage nach den Interventionen auf dem Interbankenmarkt, die Lage in Rumänien und Ungarn sei ganz unterschiedlich zu bewerten. Die Doppelwährung, die in Rumänien entstanden ist, hänge weniger mit dem Interbankenmarkt als damit zusammen, daß die rumänische Währung bisher keinen Gleichgewichtskurs erreicht habe. Es müsse weiterhin abgewertet werden. Das spiegele sich auf dem Interbankenmarkt in Rumänien wider. In Ungarn müsse die Nationalbank natürlich auch intervenieren. Er sehe aber dafür im Moment wenig Grund. Die Nationalbank verfüge über mehr als 4 Milliarden Dollar Währungsreserven. Die Frage sei, wie man den Aufwertungsdruck der Nationalwährung irgend-
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wie mildern könnte. Man könne ζ. B. einen Teil der Währungsreserven für andere Bereiche verwenden, man brauche nicht an der hohen Reservebildung festzuhalten. Das stehe auch hinter der Maßnahme, daß die ungarischen Bürger für touristische Zwecke vom 1. Juni an wieder ungarische Forint zum offiziellen Wechselkurs bis zu einem Betrag von 500 Dollar tauschen können.
I I . Stand der Reformen in Rumänien, Bulgarien und Albanien
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses in Albanien, Bulgarien und Rumänien Von Dieter Lösch, Hamburg I. Ein Paradigma des Transformationsprozesses Aussagen über den Stand und die Perspektiven des Transformationsprozesses in den ehemaligen sozialistischen Ländern bedürfen einer Meßlatte, die eine Vorstellung vermittelt, wie weit man auf dem Weg zur Marktwirtschaft schon vorangekommen und welche Wegstrecke noch zu bewältigen ist. Benötigt wird mithin ein Paradigma für die Systemtransformation, eine Art Blaupause des Transformationsprozesses, die wenigstens in groben Zügen angibt, wie dieser Prozeß ablaufen sollte. Hinsichtlich der im Zuge des Transformationsprozesses notwendigen Umbaumaßnahmen und ihrer logischen zeitlichen Abfolge (Sequencing) herrscht m. E. ein weitgehender Konsens, während die Probleme des Zeitbedarfs einzelner Maßnahmen und des gesamten Prozesses (Timing) kontrovers diskutiert werden. Theoretische Überlegungen und bisherige Erfahrungen legen es nahe, den Transformationsprozeß in folgende drei Abschnitte zu gliedern: (I)
Schaffung der Rahmenbedingungen für die Funktionsfähigkeit marktwirtschaftlicher Alloka tionsprozesse ;
(II) Ingangsetzung dieser marktwirtschaftlichen Allokationsprozesse; (III) Sanierung der Volkswirtschaft. Für diese Dreiteilung spricht, daß die Ingangsetzung der Märkte durch die Liberalisierung der Preise den eigentlichen Scheidepunkt des Prozesses markiert. Davor gibt es noch keine Märkte und keine Knappheitspreise; da das alte System nicht mehr funktioniert und das neue noch nicht, ist dies eine Phase eines systemaren Interregnums, eine chaotische Phase. Erst nach der Liberalisierung existieren die Voraussetzungen für die Herausbildung von Knappheitspreisen, Wettbewerbsmärkten und eine verzerrungsfreie Allokation der Ressourcen; erst jetzt kann die Sanierung der Wirtschaft und ihre Eingliederung in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung beginnen. Die vorgenannten drei großen Transformationsabschnitte strukturieren den Transformationsprozeß in deutlicher Weise. In die Phase I gehören (1)
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Dieter Lösch
die Schaffung der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Grundlagen für die Marktwirtschaft sowie für die Privatisierung, (2) die Schaffung der für Marktwirtschaft i m Makrobereich notwendigen Institutionen (zweistufiges Bankensystem, sowie Wirtschafts-, Finanz- und Sozialverwaltung, Privatisierungsbehörde) und (3) der Beginn der Schaffung wettbewerblicher Strukturen im Mikrobereich (Zulassung und Förderung eines privaten Sektors, kleine Privatisierung). In die Phase II gehört neben der Preisliberalisierung die Liberalisierung der Außenwirtschaft und die Herstellung zumindest der sogenannten Inländerkonvertibilität, besser noch der sogenannten Leistungsbilanzkonvertibilität. In der Phase III muß die Prozeßpolitik (1) kurzfristig die Stabilisierung des Geldwertes und der Produktion anstreben. (2) Mittelfristig fällt der Ordnungspolitik die Aufgabe zu, wettbewerbliche Strukturen und/oder wettbewerbliches Verhalten der Betriebe bzw. Unternehmungen sicherzustellen; Instrumente dafür sind die sogenannte Kommerzialisierung und die große Privatisierung, ergänzt durch die Wettbewerbspolitik. (3) Schließlich ist in dieser Phase längerfristig die durch die Umstellung auf die Marktwirtschaft und die Eingliederung in die Weltwirtschaft erforderliche Niveau- und Strukturanpassung zu bewältigen. Vor dem Hintergrund dieses Paradigmas für die Systemtransformation läßt sich die Transformationspolitik der drei Länder, über die ich zu berichten habe, darstellen und dahingehend bewerten, wie weit in jedem Fall der Transformationsprozeß vorangekommen ist und welche Fehler gemacht worden sind.
II. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ausgangslage der drei Länder Die drei hier behandelten Länder weisen zwar hinsichtlich der Ausgangslage zu Beginn der Systemtransformation und hinsichtlich des Verlaufs des Demokratisierungs- und Transformationsprozesses eine Reihe von Ähnlichkeiten auf, über die man jedoch ihre Unterschiedlichkeit, z.B. hinsichtlich Bevölkerungszahl, Entwicklungsniveau, Verschuldung und RGW-Verflechtung ebensowenig übersehen darf, wie deutliche Unterschiede in der politischen Entwicklung und der Transformationspolitik (vgl. Übersichten 1-3). Ihre gemeinsame Behandlung in einem Referat erfolgt jedoch mehr aus Gründen der Zeitersparnis, als daß sie sich aufgrund der Gemeinsamkeiten aufdrängen würde, von denen die auffälligste wohl die ist, daß es in allen drei Ländern noch unter Herrschaft der Kommunisten zu ernsthaften Bestrebungen kam, die Systemtransformation einzuleiten.
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses
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Übersicht 1 Albanien
Bulgarien
Rumänien
Einwohner Erwerbstätige BIP BIP/Kopf
(1988, (1988, (1989, (1989,
Mio) Mio) Mrd. $) $)
3,168 1,368 1,8 587
8,986 4,102 15,5 1785
23,112 11,07 57,6 2488
Außenschuld Exporte
(1989, Mrd. $) (1989, Mrd. $)
0,108 0,448
10,220 2,431
0,529 6,262
Außenschuld Exporte
(1989, %)
24
414
8
RGW-Anteil am Außenhandel (1989, %)
41
80
45
Sektorale Anteile an der Nettoproduktion (1989, %) Landwirtschaft Industrie Bau Dienstleistungen
30 45 5 20
12,9 59,9 9,9 17,3
15,3 61,0 7,6 16,0
Quellen: Für Albanien: Dieter Lösch, Albanien, Hamburg, Verlag Weltarchiv, 1991 ; für Bulgarien und Rumänien: Klaus Bolz (Hrsg.): Die Wirtschaft der osteuropäischen Länder an der Wende zu den neunziger Jahren, Hamburg, Verlag Weltarchiv, 1990, S. 23 und S. 141; Urs Egger (u.a.): Osteuropa auf dem Weg zur Marktwirtschaft: Gedanken zur Unterstützung des Übergangs, in: Osteuropa-Wirtschaft, 37. Jg. (1982), H. 1, Tab. 2.
Albanien, Bulgarien und Rumänien sind Balkanländer, die bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ganz oder teilweise unter türkischem Einfluß waren. Noch nach dem zweiten Weltkrieg, als sie das kommunistische Wirtschaftssystem übernahmen, waren sie agrarisch geprägte Entwicklungsländer. In der Folgezeit wurde entsprechend dem stalinistischen Entwicklungsmodell ihre Industrialisierung (mit dem Schwergewicht bei der Schwerindustrie) vorangetrieben. Die Entwicklungsanstrengungen blieben aufgrund des stalinistischen Wirtschaftssystems und der stalinistischen Entwicklungsstrategie sowie der einseitigen außenwirtschaftlichen Ausrichtung bei relativ geringer außenwirtschaftlicher Verflechtung im Grunde weitgehend erfolglos. Die Infrastruktur und der Kapitalstock sind größtenteils physisch und moralisch obsolet. Die Produktionsstruktur dürfte in noch stärkerem Maße als dies in den übrigen ehemaligen osteuropäischen sozialistischen Ländern der Fall ist, fehlentwickelt sein, das heißt von der Produktionsstruktur abweichen, die sich herausgebildet hätte, wenn diese Länder nach 1945 in der Lage gewesen wären, ihre Entwicklungspolitik auf eine Integration in die
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Dieter Lösch Übersicht 2
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2)
3)
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7)
Produktion (Nettoproduktion) (Veränderungen in %) 1989 1990 1991 Bruttoinvestition (Veränd. in % geg. Vorj.) 1989 1990 1991 Industrieproduktion (Veränd. in % geg. Vorj.) 1989 1990 1991 Landwirtsch. Produktion (Veränd. in % geg. Vorj.) 1989 1990 1991 Preisniveau (Veränd. in % geg. Vorj.) 1989 1990 1991 Arbeitslose (in % der Erwerbslosen Jahresende) 1989 1990 1991 Budgetdefizit (in % des BIP) 1989 1990 1991 geplant 1992
Albanien
Bulgarien
Rumänien
11,7 -13,1 -12/—40
-0,4 -13,6 -27,8
-7,5 -10,5 -13
9,1 -14,2
-10,1 -12,0 -35
5,0 -7,2 -60
+10,7 -7,4 -50
>100
10,0 12,9
17,2 77
2,2 -14,1 -27,3
1,2
-8,6 -6,4
9,8 64,0 250/480
-1,6 -35,0 -30
-2,1 -19,8 -22
-5,0 -2,9
-1,2
1,1 40,5 160/257/323
1,6
10,2
3,9
9.2 3,7
1,5
4.3
2,0
Quellen: Die Angaben stammen aus den verschiedensten Quellen (Presseberichte, Länderanalysen, offiziellen Verlautbarungen, Aufsätzen usw.). Soweit sich zu erheblich abweichende Angaben fanden, sind sie alle (durch Schrägstriche getrennt) wiedergegeben.
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses
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Übersicht 3
Rum.
0
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x.
l V-
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1 -J --V—— J
1 • 1
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Alb.
1990
1992
1991
Entscheidung für d i e Marktwirtschaft
= s o v i e t - t y p e Economy/ Herrschaft der Nomenklatura = Ex-Kommunist.
Regierung
χ
I
= Preisfreigabe
= Koalitionsregierung
•
= Demokrat.
Regierung
W e l t w i r t s c h a f t auszurichten. D a m i t ist der Anpassungsbedarf dieser L ä n d e r i m Zuge des Übergangs z u einer offenen M a r k t w i r t s c h a f t außerordentlich groß. 1 Für alle drei Länder ist zu v e r m u t e n , daß i n d e n 80er Jahren k e i n e E n t w i c k l u n g m e h r stattfand, das heißt die P r o d u k t i o n z u m i n d e s t stagnierte u n d die I n v e s t i t i o n e n n i c h t ausreichten, Infrastruktur- u n d Produktionsapparat q u a n t i t a t i v u n d q u a l i t a t i v auf d e m früher m i t ausländischer H i l f e 2 1
In den 1991 vom H W W A und dem IfW für das B M W i angefertigten Länderstudien (Die Mittel- und Osteuropäischen Länder als Untemehmensstandort) finden sich grundsätzliche Überlegungen der Kieler Kollegen zum Strukturanpassungsbedarf Bulgariens und Rumäniens, wobei die dort vorgefundene Struktur an einem „Normalmuster" der Sektorstruktur (der der westlichen Länder) gemessen wird. Für Albanien liegen entsprechende Diagramme nicht vor. Nimmt man niedrigere ProKopf-Einkommen für Bulgarien und Rumänien an (was realistisch sein dürfte), dann wird die Abweichung von der Normalstruktur-Schätzfunktion für den Industriesektor nach oben — also die Überindustrialisierung — sehr deutlich, während die Landwirtschaft als verfrüht zu stark geschrumpft erscheint. 2 Das gilt besonders für Albanien, das mit Ausnahme der 80er Jahre seit dem Krieg stets Auslandshilfe erhielt (zunächst von Jugoslawien, dann von den RGW-
7 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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Dieter Lösch
erreichten Stand zu halten. In allen drei Ländern war die sich verschärfende systembedingte Wirtschaftskrise ein wesentlicher Auslösefaktor des politischen Umbruchs, der das Ende der kommunistischen Herrschaft einleitete. Andererseits verschärfte der Zerfall der alten politischen Ordnung die Wirtschaftskrise. In Albanien und Bulgarien führte jedoch die Abkehr vom kommunistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell nicht sofort zur Entscheidung für die Einführung der Marktwirtschaft. Zunächst waren noch Kräfte dominant, die nicht die Abschaffung, sondern eine Reform des „Sozialismus" anstrebten. Dadurch wurde die Entscheidung für die Marktwirtschaft und damit der Beginn einer auf ihre Einführung gerichteten Transformationspolitik verzögert, während die Wirtschaftskrise — trotz z. T. heftiger Reformaktivitäten — sich weiter verschärfte. In Rumänien wurden schon unmittelbar nach dem Sturz Ceaucescus prinzipiell die Weichen in Richtung Marktwirtschaft gestellt, wenn es auch anfangs noch starke Widerstände gab. Externe Faktoren, wie der Zusammenbruch des RGW und der Golfkrieg, verstärkten in allen drei Ländern den Niedergang. Auch bezüglich der politischen Entwicklung gibt es gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Albanien und Bulgarien und eine davon etwas unterschiedliche Entwicklung in Rumänien. In Bulgarien erfolgte etwas mehr als ein halbes Jahr nach dem Sturz Schiwkows die erste freie Wahl, bei der die (ehemaligen) Kommunisten die Mehrheit gewinnen konnten. In Albanien kam es, nach größeren Unruhen Mitte Dezember 1990, bereits im März 1991 zu Wahlen, bei denen gleichfalls die Kommunisten 3 Sieger blieben. Doch in beiden Ländern konnten sich die ex-kommunistischen Regierungen trotz ihrer (in Albanien soliden und in Bulgarien knappen) Mehrheit nicht halten; schon binnen weniger Monate kam es zu einer als „Regierung der nationalen Rettung" bezeichneten Koalition mit der demokratischen Opposition. In beiden Ländern ging während dieser Phase der Transformationsprozeß mehr schlecht als recht voran, bevor in erneuten Wahlen die Demokraten gewinnen konnten — in Albanien erst kürzlich durch einen Erdrutschsieg, in Bulgarien im Herbst 1991 dagegen nur sehr knapp. In Rumänien konnte sich in den ersten freien Wahlen i m Mai 1990 die von ehemaligen Kommunisten dominierte „Nationale Rettungsfront" unter Iliescu behaupten. Nach anfänglichen Unsicherheiten über den künftigen Kurs entschied man sich im August/September 1990 endgültig für die Marktwirtschaft und begann, diesen Entschluß umzusetzen. Im Herbst 1991 Staaten, dann — bis 1976/78 — von der VR China), welche es in keinem Fall zurückgezahlt hat. Vgl. hierzu: Roland Schönfeld: Außenwirtschaft albanischer Art, in: Südosteuropa Mitteilungen, 31. Jhrg. (1991), Nr. 4, S. 322-335. 3 Die kommunistische Partei reformierte sich erst nach den Wahlen!
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses
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wurde die Regierung umgebildet, wobei auch einige Mitglieder der Opposition Regierungsämter übernahmen. Im Sommer 1992 sollten Neuwahlen für das Parlament und das Präsidentenamt stattfinden, die inzwischen auf den Herbst verschoben wurden. Landeskenner vermuten, daß dann auch in Rumänien die Ex-Kommunisten die Mehrheit im Parlament verlieren werden, während Iliescu anscheinend gute Chancen hat, Präsident zu bleiben. Eine Abschätzung der politischen Stabilität und damit auch der Chancen, daß der Transformationsprozeß, der inzwischen in allen drei Ländern in Gang gekommen ist, durchgehalten werden kann, ist sehr schwierig. Albanien hat immerhin — gemessen an der geringen Zahl der Parteien im Parlament und den eindeutigen Mehrheitsverhältnissen — rascher und deutlicher eine politische Stabilisierung erfahren, als man angesichts seiner Geschichte und seiner desolaten wirtschaftlichen Lage erwarten durfte. Auch in Bulgarien scheinen die demokratischen Kräfte noch mehr an Boden zu gewinnen und die Bevölkerungsmehrheit nach wie vor den Weg in die Marktwirtschaft zu unterstützen. In Rumänien läßt sich an den Ergebnissen der Kommunalwahlen ablesen, daß auch dort der Einfluß der Ex-Kommunisten (Front zur Nationalen Rettung) schwindet. Anhaltende oder gar zunehmende Wirtschaftsprobleme können aber in allen drei Ländern den Demokratisierungsprozeß gefährden.
I I I . Der bisherige Verlauf der Systemtransformation 1. Die Perestrojka-Reformen
In fast allen ehemals sozialistischen Ländern ging der Entscheidung für die Einführung der Marktwirtschaft eine — meist kurze — Reformphase (Perestrojka-Phase) voraus, in der die Planwirtschaft des sowjetischen Typs durch „radikale" Reformen in ein neuartiges, zwischen westlicher Marktund sozialistischer Planwirtschaft anzusiedelndes Wirtschaftssystems umgestaltet werden sollte, das unter anderem als „regulierte", „geplante" oder „sozialistische" Marktwirtschaft bezeichnet wurde und das sich vom „Realsozialismus" sowjetischer Prägung ebenso abheben sollte wie vom westlichen „Kapitalismus". Die Perestrojka-Reformen unterscheiden sich primär von früheren Bestrebungen zur „Vervollkommnung des Wirtschaftsmechanismus", die es in fast allen sozialistischen Ländern seit den späten 50er Jahren und verstärkt in den 80er Jahren gegeben hat, nur durch ihre Intention, das alte System nicht nur zu verbessern sondern zu ersetzen. Die dazu eingeleiteten Reformmaßnahmen waren sehr ähnlich, so daß sich der Zeitpunkt des Übergangs von der Politik der „Liberalisierung" zur Politik der „radikalen Reform" nicht überall eindeutig bestimmen läßt. τ
100
Dieter Lösch
So kam es z.B. in Bulgarien 4 in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zu einer Reihe von Reformen, die man teils noch der Vervollkommnungspolitik zurechnen kann, hinter denen aber auch bereits weitergehende Reformbestrebungen gestanden haben mögen. In Albanien ty kam es zu Beginn des Jahres 1990 zu ersten Reformansätzen und schon etwa im Mai desselben Jahres zu Perestrojka-Reformen. In Rumänien 6 — das ebenso wie Albanien bis zuletzt den stalinistischen Zentralismus rigoros praktiziert und eher noch ausgebaut hatte — kam es schon unmittelbar nach dem Sturz Ceaucescus (Zehnpunkteprogramm) und dann wieder im Februar (Parteiprogramm) zu einem Bekenntnis der neuen Machthaber zur Marktwirtschaft. Endgültig fiel die Entscheidung für die Marktwirtschaft schon bald nach den ersten freien Wahlen im Mai 1990, spätestens mit der Vorlage des Regierungsprogramms im Parlament im August / September 1990, das ein zeitlich konkretisiertes Programm für die Transformation enthielt. Hier kann man also kaum von einer Perestrojka-Phase sprechen. In Bulgarien, wo die Perestrojka-Phase etwa 1987 einsetzte und i m Herbst 1990 mit der Entscheidung für die Marktwirtschaft endete, kam es während dieses Zeitabschnitts zu erheblichen Reformanstrengungen, die i m großen und ganzen dem Muster der „Perestrojka der Wirtschaft" Gorbatschows folgten. Schon 1987 wurde mit einer Reform des Bankensystems begonnen und wurden die Branchenministerien durch sogenannte Assoziationen ersetzt. Durch das Dekret Nr. 56 „Über die wirtschaftliche Tätigkeit" von Anfang 1989 wurden die staatlichen Betriebe, teils in Anlehung an das westliche Gesellschaftsrecht, mit größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit ausgestattet. Noch im gleichen Jahr wurde die Umwandlung der Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften sowie eine Teilprivatisierung des Staatssektors durch Verkauf von Aktien angekündigt. Gleichzeitig wurden die Restriktionen gegenüber dem privaten Sektor etwas gelockert, obgleich private Betriebe nach wie vor nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen und keinen Außenhandel betreiben durften. Die Rahmenbedingungen für (seit 1980 mögliche) Joint Ventures wurden verbessert und ausländische Direkt4 Zu der Entwicklung der bulgarischen Wirtschaftsordnung bis zum Frühjahr 1992 vgl. Ilse Grosser: Bulgarien, erscheint demnächst in der Reihe Ordnungspolitische Standortbedingungen für Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa, hrsg. von Klaus Bolz, Verlag Weltarchiv GmbH, Hamburg. 5
Die Entwicklung der albanischen Wirtschaftsordnung bis zum Sommer 1991 ist ausführlicher dargestellt in Dieter Lösch : Albanien, Ordnungspolitische Standortbedingungen für Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa, hrsg. von Klaus Bolz, Hamburg 1991. 6 Zur Entwicklung der rumänischen Wirtschaftsordnung bis zum Sommer 1991 vgl. Petra Pissulla: Rumänien, Ordnungspolitische Standortbedingungen für Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa, hrsg. von Klaus Bolz, Verlag Weltarchiv GmbH, Hamburg 1991.
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses
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Investitionen ohne bulgarischen Partner zugelassen. Außerdem wurde die Gründung von vier Sonderwirtschaftszonen ins Auge gefaßt. 7 Schon 1987/ 88 waren die Planvorgaben formell abgeschafft, jedoch weitgehend durch Staatsaufträge ersetzt worden. 1989 wurde verordnet, daß höchstens zwei Drittel der Produktionskapazität eines Betriebes mit Staatsaufträgen belegt werden dürfe, andererseits blieb es bei dem System der administrierten Input-Zuteilungen. Darüber hinaus gab es Ansätze zu einer Preisreform und Versuche, das Lohnsystem leistungsorientierter auszugestalten. Das staatliche Außenhandelsmonopol wurde 1989 aus dem Außenhandelsgesetz gestrichen, obgleich es in der Verfassung stehen blieb. Die Genehmigungspflicht für Außenwirtschaftsgeschäfte wurde durch eine Registrierungspflicht ersetzt, doch der Spielraum für bürokratische Eingriffe über Kontingente, Genehmigungen, Lizenzen, Exportabgaben usw. blieb erheblich. In Albanien entfaltete die Regierung, wie gesagt, i m Jahre 1990 erstmals reformerische Aktivitäten. Einige der Beschlüsse wurden sofort umgesetzt, größere Reformen sind zum 1.1.91 in Kraft getreten, wie z.B. das Gesetz über die Betriebe vom 8. Mai 1990. Durch dieses Gesetz sollte den Staatsbetrieben eine größere Selbständigkeit gewährt werden. Außerdem war durch dieses Gesetz, ergänzt durch andere Gesetze und Dekrete, die Einführung der sogenannten „wirtschaftlichen Rechnungsführung" beabsichtigt. Darüber hinaus gab es eine geringfügige Dezentralisierung der Kompetenzen für die Preisbildung, Veränderungen der Preisbildungsvorschriften und der Preisstruktur sowie eine organisatorische Veränderung i m Bankensektor. Wichtiger war das Dekret über die Zulassung von Joint Ventures. Schließlich faßte i m Juli 1990 der Ministerrat den Beschluß, private Wirtschaftstätigkeit im Bereich des Handwerks und des Einzelhandels in der Form von Familienbetrieben und als private Genossenschaften zuzulassen. Die Perestrojka-Phase war auch in Albanien und Bulgarien dadurch gekennzeichnet, daß den Reformen keine klare Zielkonzeption zugrunde lag. Die Reformen liefen auf eine zaghafte, kaum halbherzig zu nennende, rein formale Angleichung bestimmter Elemente im Mikro- (größere Selbständigkeit für die Betriebe) und Makrobereich (Bankensystem, Auflockerung der bürokratischen Strukturen, des Planungssystems und des Außenhandelsmonopols) der „sozialistischen" Wirtschaft an die Marktwirtschaft hinaus. Es besteht die begründete Vermutung, daß diese Reformen, entgegen der Absicht ihrer Initiatoren, nicht geeignet waren bzw. gewesen wären, die Dauerkrise der sozialistischen Wirtschaften zu stoppen oder auch nur zu mildern. Sie haben — durch die partielle Demontage des alten Systems,
7
Vgl. hierzu Klaus Bolz, Dieter Lösch, Petra Pissulla: Freihandels- und Sonderwirtschaftszonen in Osteuropa und in der VR China, Verlag Weltarchiv, Hamburg 1990, S. 23 ff.
102
Dieter Lösch
wodurch dysfunktionale, dualistische Systemstrukturen entstanden 8 — die Krise höchstwahrscheinlich erheblich verschärft. Letztlich beweisen läßt sich das wohl nicht, weil die Perestrojka-Phase (auch in der Sowjetunion) nicht lange genug dauerte und weil der Anteil der politischen Auflösungserscheinungen am wirtschaftlichen Verfall nicht isoliert werden kann. Die Perestrojka-Reformen sind mithin in bezug auf den Transformationsprozeß zumindest ambivalent. Sie stellten zwar i m institutionellen Bereich meist Schritte in die richtige Richtung dar, die man als erste Ansätze für spätere weitergehende marktwirtschaftliche Reformen betrachten kann. Andererseits aber begab man sich damit auch auf Umwege und verrannte sich in Sackgassen, so daß wertvolle Zeit für eine konzeptionell abgesicherte Umgestaltung verloren ging. Für die meisten Länder war wohl die Perestrojka-Phase eine — politisch bedingt — unvermeidliche Übergangszeit, die nur i m ungarischen Fall, in dem sie mit fast 25 Jahren extrem lange dauerte, dazu angetan war, die Transformation vorzubereiten. Man kann also nicht sagen, daß die Startbedingungen Bulgariens für die Transformation deutlich besser gewesen sind als die Albaniens, dessen Perestrojka-Reformen nicht so recht wirksam wurden oder die Rumäniens, das diese Phase übersprungen hat. 2. Die Ansätze zur Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Marktwirtschaft
Der erste Schritt zur Marktwirtschaft muß von der Gesetzgebung vollzogen werden. Diese muß die sogenannte „bürgerliche" Rechtsordnung (wieder) herstellen, die auf der Grundlage der prinzipiellen Vertragsfreiheit den Rahmen für die marktwirtschaftlichen Allokationsprozesse absteckt. Darüber hinaus bedarf die Marktwirtschaft positiver Reg elungen, im mikroökonomischen Bereich (z.B. für die Betriebsverfassung, die Unternehmensformen, Haftung usw.) und i m meso- sowie makroökonomischen Bereich (z.B. Regeln für den Arbeitsmarkt, den Schutz des Wettbewerbs, das Bankwesen; gesetzliche Grundlagen für Institutionen wie z.B. die Zentralbank und die Sozialversicherungsträger und für die Organisation der staatlichen Wirtschaftsverwaltung als Träger der Wirtschaftspolitik). Die Erfüllung dieser Aufgaben hängt in den ehemals sozialistischen Ländern wohl hauptsächlich ab von — der eigenen Rechtstradition, — den politischen Kräfteverhältnissen und — dem Rückgriff auf ausländische Hilfe durch Beratung. 8 Vgl. hierzu Dieter Lösch, Olaf Steffen: Hamburg 1991.
Das Wirtschaftssystem der Perestrojka,
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In Albanien ist unter kommunistischer Herrschaft das Justizministerium, die Rechtswissenschaft und das Jurastudium abgeschafft worden. Damit fehlt es dort nicht nur an der Kenntnis bürgerlichen Rechtsdenkens sondern an Rechtskenntnissen generell. Hinzu kam, daß die politischen Verhältnisse die Gesetzgebungsbemühungen teilweise blockierten und teilweise deformierten. Dies führte dazu, daß die Gesetze aus der Zeit der kommunistischen Regierung Nano (April/Mai 1991) von der späteren Koalitionsregierung (Juni bis Dezember 1991) nachgebessert bzw. völlig neu verabschiedet werden mußten. Die auf diese Weise entstandene und bis jetzt vorhandene Rechtsordnung beschränkt sich auf einige wenige teils grundlegende, teils eher Quisquilien betreffende Gesetze, Dekrete und Verordnungen, die nicht nur wegen ihrer durchgängig fehlerhaften englischen Übersetzung äußerst laienhaft anmuten. Diese Rechtsordnung besteht im wesentlichen aus einem Gesetz, das den Rahmen für die private Wirtschaftstätigkeit, das Privateigentum und die Privatisierung abgeben soll, einem Bodengesetz, einem A r t Rahmengesetz für den Arbeitsmarkt, Steuergesetzen und Außenhandelsverordnungen, die in aller Regel kaum mehr als 15 Artikel haben, von denen viele lediglich feststellen, daß näheres noch zu regeln sei. Es ist sehr zu hoffen, daß die neue Regierung sich vermehrt ausländischen Sachverstandes bedienen und sich stärker an der Rechtsordnung der europäischen Marktwirtschaften orientieren wird. Besonders vordringlich ist die Schaffung eines Zentralbankgesetzes, das — wie etwa 30 andere Wirtschaftsgesetze, für die die Regierung Entwürfe erarbeitete — vor den Neuwahlen nicht vom Parlament verabschiedet werden konnte. Bulgarien konnte dagegen an eine eigene, westlich geprägte Rechtstradition anknüpfen und hat anscheinend schon früh westlichen Sachverstand in Anspruch genommen. Auf diese Weise entstand ein Rechtsrahmen, der für die gegenwärtige Phase des Transformationsprozesses ausreichend sein dürfte. Die neue Verfassung schützt das Privateigentum und garantiert die freie wirtschaftliche Betätigung. Darüber hinaus gibt es Gesetze über die Rechnungslegung der Betriebe, den Schutz des Wettbwerbes, ausländische Investitionen und ein recht ausgefeiltes Recht der Unternehmensformen. Auch in Rumänien war der Fortschritt bei der Schaffung einer neuen, marktwirtschaftsgeeigneten Rechtsordnung durchaus eindrucksvoll. Bis zum Sommer 1991 waren bereits 90 Wirtschaftsgesetze 9 verabschiedet, die die Organisationsstruktur der Unternehmen auf eine neue rechtliche Grundlage stellen, die Privatisierung regeln, den Bankensektor umstrukturieren und die Außenwirtschaft weitgehend deregulieren. Insgesamt hat 9 Vgl. Petra Pissulla: Rumänien auf dem Weg in die Marktwirtschaft, in: Osteuropa, 41. Jhrg. (1991), H. 12, S. 1206.
104
Dieter Lösch
damit Rumänien diesen ersten Schritt zur Systemtransformation erfolgreich hinter sich gebracht, wenn auch die Anpassung der Realität an die neue Rechtsordnung zweifellos noch nicht gelungen ist.
3. Die Fortschritte beim Aufbau der Institutionen auf der Makroebene
In Bulgarien und Rumänien wurde nach Schaffung der rechtlichen Grundlagen für den Aufbau eines zweistufigen Bankensystems mit Hilfe des IWF und anderer ausländischer und internationaler Organisationen damit begonnen, die Zentralbank und die Geschäftsbanken arbeitsfähig zu machen. In Albanien ist bisher nicht einmal formell ein zweistufiges Bankensystem eingeführt. Bisher existieren lediglich die albanische Staatsbank sowie die aus dieser in der Perestrojka-Phase ausgegliederte albanische Staatsbank für Außenwirtschaftsbeziehungen, die Landwirtschaftsbank und Sparkassen, die aber bislang keine Bankgeschäfte betreiben. Rumänien verfügt seit der Verabschiedung des Nationalbankgesetzes und des Bankengesetzes Ende März 1991 über ein zweistufiges Bankensystem nach westlichem Muster. Unterhalb der Zentralbank, die unter der Aufsicht des Parlaments steht, gibt es allerdings bisher nur fünf in Geschäftsbanken transformierte ehemals staatliche Großbanken, die frühere Sparkasse, drei Privatbanken und einige gemischte rumänisch-westliche Banken. In Bulgarien begann man schon 1987 mit der Gründung von sieben Geschäftsbanken; 1989 wurden 59 Filialen der Nationalbank in selbständige Geschäftsbanken umgewandelt. Damit existieren inzwischen in Bulgarien mehr als 70 als Aktiengesellschaften organisierte Geschäftsbanken, darunter die erste Privatbank, eine amerikanische und eine amerikanisch-bulgarische Bank sowie die staatliche Sparkasse. Die ehemaligen NationalbankFilialen sind jedoch meist klein, auf eine bestimmte Region beschränkt und weder personell noch materiell ihren Aufgaben als Kreditinstitute gewachsen. Deshalb wird zur Zeit im Zuge einer umfassenden Reform des Bankensystems ihre partielle Fusion zu leistungsfähigen Instituten angestrebt. Die Zentralbanken in Bulgarien und Rumänien verfügen noch über wenige und nur grobe Instrumente der Geldpolitik, wie z.B. Kreditkontingente, Einlagenpolitik und Mindestreservenpolitik. Diskontgeschäfte und Offenmarktoperationen — die nach dem Zentralbankgesetz als geldpolitische Instrumente vorgesehen sind — können mangels entsprechender Papiere (Handelswechsel, Aktien, Obligationen) noch nicht vorgenommen werden. Für die Geldpolitik kommt erschwerend hinzu, daß die überwie-
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses
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gend noch staatlichen Geschäftsbanken nicht in der Lage sind, ihre Forderungen von den staatlichen Betrieben in vollem Umfang einzutreiben. In Rumänien wurde damit begonnen, die für die Durchführung der Privatisierung notwendigen Organisationen aufzubauen. In Albanien und Bulgarien wurden die Privatisierungsgesetze, in denen der Aufbau solcher Agenturen vorgesehen ist, erst vor kurzem verabschiedet, so daß dort von diesen Institutionen noch kaum größere Aktivitäten zu erwarten sind. In allen drei Ländern fehlt es noch an funktionsfähigen Institutionen für die Finanz- und Sozialverwaltung. Besonders die Erhebung von Steuern scheint in allen drei Ländern bisher noch kaum zu funktionieren. Die Transferzahlungen im Rahmen des Sozialsystems werden aus dem Staatshaushalt finanziert und laufen über die zentrale und örtliche Staatsverwaltung und die Betriebe. In Bulgarien und Rumänien gibt es bereits Arbeitsämter bei den örtlichen Verwaltungen, welche an registrierte Arbeitslose Unterstützungszahlungen vergeben und die Arbeitskräfte vermitteln.
4. Die Umgestaltung des Mikrobereichs: Neugründungen, Privatisierung, Kommerzialisierung, Möglichkeiten für Direktinvestitionen
Neugründungen In allen dreien der hier zur Debatte stehenden Länder entstanden unmittelbar nach ihrer Zulassung — in Bulgarien noch in der Perestrojka-Phase — private Kleinbetriebe, zunächst als Ein-Mann- oder Familienbetriebe im Bereich des Handwerks oder der Dienstleistungen. Dabei handelt es sich überwiegend um kleine Läden, Reparaturbetriebe, Wurstbratereien, Gaststätten usw. Nach der Aufhebung der ursprünglich noch verbliebenen Restriktionen für diesen Bereich zu Beginn des Transformationsprozesses kam es verstärkt zu Gewerbeanmeldungen, überwiegend im Dienstleistungssektor und im Handel.
Die Privatisierung
der Landwirtschaft
In Albanien setzte noch während der Zeit der kommunistischen Herrschaft und sogar bevor einschlägige Beschlüsse für die Privatisierung des landwirtschaftlichen Grund und Bodens kodifiziert waren eine Auflösung der kolchosartigen Genossenschaften ein. Die daraus entstandenen bzw. entstehenden landwirtschaftlichen Minibetriebe sind kaum größer als die
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privaten Hauswirtschaften in den früheren sozialistischen Ländern. Die Staatsgüter blieben bestehen. In Bulgarien ist durch das Gesetz vom Februar 1991 die Reprivatisierung von Land vorgesehen, mit Obergrenzen von 20 Hektar je Haushalt im Flachland und 30 Hektar im Berg- und Hügelland. Problematisch ist dabei, daß die ungeklärten Eigentumsverhältnisse für eine längere Übergangszeit die Entwicklung hemmen werden. Auch in Rumänien wurden die Produktionsgenossenschaften aufgelöst. Deren Nutzfläche wird (re)privatisiert, begrenzt auf höchstens 10 Hektar pro (früheren oder neuen) Eigentümer. Diese Aktion sollte schon 1991 beendet sein, zieht sich aber anscheinend immer noch hin. Die Staatsgüter bleiben erhalten und sollen später privatisiert werden.
Kleine Privatisierung Die sogenannte kleine Privatisierung, die Privatisierung kleinerer Staatsbetriebe, vorwiegend des Handels- und und Dienstleistungsbereichs, setzte in den drei Ländern ebenfalls schon früh spontan, d.h. schon vor einer gesetzlichen Regelung ein. Dabei handelte es sich offenbar vielfach um den Versuch ehemaliger Wirtschaftsfunktionäre, sich aus der Konkursmasse des Staatseigentums zu bedienen. In Bulgarien kam es deshalb zu einem Moratorium hinsichtlich der kleinen Privatisierung, das erst aufgehoben wurde, nachdem die Beteiligung leitender Staats- und Wirtschaftsfunktionäre an den durch Privatisierung von Staatsunternehmen neu entstehenden Privatunternehmen verboten worden war. Hauptsächliches Instrument der kleinen Privatisierung waren und sind Versteigerungen, an denen sich in Albanien ausländische physische und juristische Personen erst in der zweiten Runde beteiligen können, in Bulgarien und Rumänien schon in der ersten. Die kleine Privatisierung ist in allen drei Ländern — entgegen optimistischen Zielvorgaben — anscheinend erst zum kleineren Teil erfolgt.
Große Privatisierung Das zweifellos zeitaufwendigste Vorhaben bei der Herstellung einer wettbewerblichen Mikrostruktur in den ehemaligen Sozialistischen Ländern ist die Privatisierung der großen staatlichen Betriebe. Die drei Länder sind bei der Lösung dieses Problems noch nicht sehr weit vorangekommen. Alle drei Länder haben sich inzwischen für bestimmte Verfahrensweisen der Privatisierung entschieden und die rechtlichen Grundlagen für die Institutionen verabschiedet, die die Privatisierung administrativ bewältigen sollen, und sind dabei, diese Institutionen arbeitsfähig zu machen.
Aktueller Stand und Perspektiven des Transformationsprozesses
107
In Albanien ist eine Nationale Privatisierungs-Agentur (NPA) und eine Komission für die Vorbereitung der Privatisierung mit regionalen Unterkommissionen vorgesehen. Die NPA ist eine Behörde des Ministerrates mit Exekutivbefugnissen und mit Unterbehörden in den Distrikten. Sie soll die Privatisierung abwickeln, wobei sie sich von Fall zu Fall auf Empfehlung der Vorbereitungskommission der Methode des Einzelverkaufs, Auktion oder der Verteilung bzw. des Verkaufs von Beteiligungen auf Aktienbasis bedienen soll. Die wichtigste Aufgabe der Vorbereitungskommission ist die Bewertung der Betriebe, die sie zur Privatisierung bestimmt bzw. die dafür von sich aus optieren. In Bulgarien hat das Parlament erst kürzlich (Ende April) ein Privatisierungsgesetz verabschiedet. Es sieht gleichermaßen eine Privatisierungsagentur vor, die die Betriebe direkt, über Auktionen oder die Börse privatisieren soll, wobei 30 % der Erlöse einem Fond zugeführt werden sollen, der für soziale Zwecke, die Rückzahlung der Auslandsschulden, die Entwicklung der Landwirtschaft und die Befriedigung von Entschädigungsansprüchen vorgesehen ist. 20 % des Aktienkapitals der Unternehmen soll den Belegschaften zum halben Preis angeboten werden. In Rumänien wurde das Privatisierungsgesetz bereits i m Sommer 91 nach heftigen Diskussionen verabschiedet. Danach sollen 30 % des Kapitals der „volkseigenen" Betriebe kostenlos an die Bevölkerung verteilt werden, während der Rest verkauft werden soll. Es wurden 5 Fonds bzw. Holdings als Aktiengesellschaften gegründet, die die 30 % des zur Verteilung vorgesehenen Aktienkapitals erhalten und verteilen sollen. Die übrigen 70 % werden einem Fonds zugeführt, der die Anteile nach und nach verkaufen soll. Die große Privatisierung hat in allen drei Ländern so gut wie noch nicht begonnen. Man kann sich schwer vorstellen, daß sie in der vorgesehenen Weise in 5-10 Jahren erfolgreich abgeschlossen werden kann, weil es völlig offen ist, woher das Kapital für den Kauf der Betriebe kommen soll. Wie man auch immer die Betriebe bewerten wird, potentielle in- oder ausländische Käufer werden wohl nur in Ausnahmefällen Gebote machen, die den Vorstellungen der Bewertungskommissionen entsprechen werden. Aber man wird die Betriebe auch nicht ohne weiteres mehr oder weniger verschenken können, jedenfalls nicht ohne entsprechende Zusagen für Modernisierungsinvestitionen und den Erhalt von Arbeitsplätzen, wie sie die deutsche Treuhand fordert.
Kommerzialisierung Um so wichtiger wäre es, daß die „Kommerzialisierung" der i m Eigentum des Staates verbliebenen Betriebe gelingt. Darunter versteht man die Herstellung „harter Budgetrestriktionen" und „unternehmerischer" Verhal-
108
Dieter Lösch
tensweisen des Managements von Betrieben in Staatseigentum. Albanien z.B. versucht dies durch ein neues Gesetz über die Staatsunternehmen. Danach werden die Staatsbetriebe juristische Personen, geleitet von einem Direktor. Dieser wird — je nach Betriebsgröße — von einem fünf bis elfköpfigen Gremium bestimmt, das seinerseits von der Belegschaft direkt oder — in großen Betrieben indirekt — gewählt wird, der „Hauptversammlung". Diese wählt auch Aufsichtsorgane (governing council, control audit council), deren Aufgaben und Befugnisse im Gesetz nur unzureichend erläutet werden. Schließlich soll einmal jährlich eine ad hoc Überprüfung des Geschäftsgebahrens der Betriebe durch den Eigentümer Staat stattfinden. In Bulgarien war schon in der Perestrojka-Phase die Selbstverwaltung der Betriebe angestrebt worden, was in der Praxis bedeutete, daß — ähnlich wie in Albanien jetzt vorgesehen — der Einfluß des Staates bei der Bestellung des Managements der Betriebe zurückgedrängt wurde. Seit die Marktwirtschaft angestrebt wird, ist der Staat bemüht, sein Recht als Alleineigentümer im Rahmen des neuen Gesellschaftsrechts (Handelsgesetzes) auszuüben, mit dem Ziel, fähige und unbelastete Manager zu bestellen, die die Betriebe wie gewinnorientierte kapitalistische Unternehmungen leiten sollen. In Rumänien wurden die Industrieministerien und -zentralen aufgelöst und die Betriebe als GmbH's und AG's verselbständigt oder als Regiebetriebe fortgeführt. W i e diese Änderung der Rechtsform Verhaltensänderungen und damit harte Budgetrestriktionen bewirken soll,, ist nicht unmittelbar einleuchtend. Immerhin wurde damit eine Art Entflechtung erreicht.
Die Bedingungen für ausländische Investitionen In allen drei Ländern rechnet man sehr stark damit, daß sich ausländisches Kapital im Zuge der großen Privatisierung im Lande engagieren wird. In einem gewissen Widerspruch dazu steht, daß sie in speziellen Gesetzen über ausländische Direktinvestitionen und Beteiligungen diese einerseits diskriminieren, indem sie z.B. den Erwerb von Grund und Boden durch ausländische Unternehmen verbieten (zunächst alle drei, seit Februar in Bulgarien nicht mehr), andererseits Steuervergünstigungen vorsehen (Bulgarien und Rumänien). Im weltweiten Wettbewerb um Auslandskapital und dem mit der zunehmenden Öffnung einhergehenden Abbau von Vorurteilen gegenüber ausländischen Beteiligungen und Direktinvestitionen geht jedoch der Trend in Richtung einer Gleichbehandlung in- und ausländischer Investoren in Kombination mit besonderen Investitionsanreizen für letztere. Andererseits sind die Vorbehalte, ausländisches Kapital für die Privatisierung zu mobilisieren, noch überall stark spürbar.
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In Albanien gibt es noch kaum Joint Ventures und ausländische Direktinvestitionen (Größenordnung Ende 1991: vermutlich weniger als 20), in Bulgarien gab es Mitte 1991 etwa 720, die überwiegend noch nach dem alten Joint Venture Gesetz von 1980 errichtet worden sind, in Rumänien Ende 1991 etwa 1000, mit einer Investitionssumme von insgesamt 280 Mio. USDollar. Albanien hatte bis Ende 1991 noch keine bilateralen Investitionsschutzabkommen abgeschlossen und war noch keinem multilateralen Vertrag beigetreten, Bulgarien trat im Juli 1991 der Multilateral Investment Guarantee Agency bei, Rumänien Schloß einige bilaterale, sogenannte Investitionsförderverträge ab. In allen drei Ländern wird der Schutz ausländischer Investitionen durch nationales Recht garantiert; Enteignungen sollen nur im nationalen Interesse und auf gesetzlicher Grundlage sowie gegen Entschädigung möglich sein.
5. Schwierigkeiten bei der Ingangsetzung der Märkte
In allen drei Ländern kam es schon wenige Monate nach der Entscheidung für die Einführung der Marktwirtschaft zu Versuchen, die Marktallokation zumindest auf den Märkten für Güter und Dienste, aber auch auf den Finanzmärkten und dem Arbeitsmarkt in Gang zu bringen.
Gütermärkte In Albanien wurden zum 1. November 1991 die meisten staatlichen Preise freigegeben. Reglementiert blieben vor allem die Preise für Grundnahrungsmittel, was bei der albanischen Nachfragestruktur bedeutete, daß ca. 40 % der Konsumgüternachfrage sich auf ein preisgebundenes Angebot gerichtet hätte, wenn es in den staatlichen Läden überhaupt noch Waren gegeben hätte. Durch den weitgehenden Stillstand der Wirtschaft bei gleichzeitiger 80 %iger Lohnfortzahlung und einer zweistufigen Erhöhung der Löhne um insgesamt rd. 50 % gab es auf den Märkten für Güter und Dienste zwar Nachfrage, aber so gut wie kein Angebot. Einen Monat nach der Preisfreigabe zog die Demokratische Partei ihre sieben Minister aus der Regierung der Nationalen Einheit zurück und beendete so die Zusammenarbeit mit den ehemaligen Kommunisten mit dem Argument, daß diese die Reformen blockiert hätten und bestrebt seien, die Preisliberalisierung zu beenden. In Rumänien entschied man sich für eine mehrstufige Preisliberalisierung, die bis 1993 im großen und ganzen abgeschlossen sein soll. Bereits zum 1. November 1991 erfolgte die erste teilweise Preisfreigabe. Obwohl die daraufhin erfolgten Preissteigerungen stärker als erwartet ausfielen, ent-
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schloß sich die Regierung, die zweite Phase der Preisliberalisierung wie geplant am 1. April 1991 in Kraft zu setzen. Daraufhin stieg der Konsumentenpreisindex von 100 im Oktober 1990 auf 239,8.10 Dabei wurden auch die meisten Lebensmittelpreise freigegeben, jedoch unter Berücksichtigung der noch vorhandenen monopolistischen Produktionsstrukturen (definiert durch weniger als drei Anbieter eines Produkts) für eine Reihe von Waren Preisobergrenzen beibehalten. Die für Anfang 1992 vorgesehene dritte Stufe der Preisfreigabe wurde bisher mehrfach verschoben. In Bulgarien wurden schon Anfang Februar 1991, also nur rund 4 Monate nach dem eigentlichen Beginn der Systemtransformation, etwa 90 % der Preise freigegeben. Die Preise für 13 Grundnahrungsmittel und die Verkehrstarife (etwa 18 % des Einzelhandelsumsatzes) werden durch eine nationale Preiskommission kontrolliert. Diese soll dafür sorgen, daß die Hersteller maximal einen Gewinnaufschlag von 20 % kalkulieren. Die Preiskommission ist ebenfalls zuständig für 117 nationale und eine unbekannte Anzahl lokaler Monopolunternehmen. Weiterhin staatlich fixiert werden die Energiepreise. Die Preisfreigabe bewirkte sofort einen starken Anstieg des Preisniveaus, nämlich um 123 % in 2 Monaten. Aber im April lag die Inflationsrate nur noch bei 2,5 % und im Mai herrschte mit 0,8 % faktisch Preisniveaustabilität. Doch i m Juni kam es erneut zu inflatorischen Tendenzen. Diese Preisauftriebstendenzen beruhten nicht mehr auf einer Übernachfrage infolge eines Geldüberhangs, sondern resultierten aus einer Energiepreiserhöhung infolge der Wechselkursentwicklung und einem Preisschub i m Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor. Letzterer kam dadurch zustande, daß das staatliche Aufkaufmonopol für Getreide, das zuvor die Preise diktiert und dadurch gedrückt hatte, aufgegeben wurde, da die Produzenten zu den von diesem Monopol gebotenen Preisen ihr Angebot zurückhielten. A m ehesten läßt sich in Bulgarien das Entstehen funktionierender Güterund Dienstleistungsmärkte erkennen. Die Ursache hierfür scheint nicht zuletzt in der gleichzeitig mit der Preisreform erfolgten Herstellung der internen Konvertibilität und der gleichzeitigen weitgehenden Deregulierung des Außenhandels, vor allem der Importe, zu liegen. Durch die Freigabe des Wechselkurses kam es zu einer Abwertung des Lew auf das Niveau des Schwarzmarktkurses, was für kommerzielle Transaktionen eine Abwertung auf ein Viertel (also um 75 %) und damit vermutlich eine deutliche Unterbewertung des Lew bedeutete. Im zweiten Quartal erholte sich der Kurs rasch und hielt sich bei starken Schwankungen im Durchschnitt gesehen auf dem angestrebten Niveau von 15-18 Lewa für den USDollar. 10
Nach einer Meldung der Neuen Zürcher Zeitung vom 27.7.91.
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In Rumänien ist es nach Subventionskürzungen (für Energie und Nahrungsmittel) im Mai dieses Jahres und der noch ausstehenden dritten Stufe der Preisliberalisierung noch zu früh für Aussagen über ein Ende der Anpassungsinflation. Gegenwärtig schreibt das Land noch zweistellige monatliche Inflationsraten; der Preisanstieg i m Jahresdurchschnitt wird bei etwa 190 % prognostiziert. 11 Mit der Herstellung eines einheitlichen Wechselkurses i m November 91 und der Aufhebung der meisten quantitativen Importbeschränkungen sind die rumänischen Märkte nicht mehr so stark vom Importwettbewerb abgeschüttet, wie dies zuvor der Fall war. Das Handelsbilanzdefizit hat sich 1991 beschleunigt; damit gibt es wieder eine Westverschuldung Rumäniens, aber anscheinend trugen die Importe dazu bei, daß sich die Güterknappheit und damit die Inflation nicht noch verheerender entfalteten. Mit der Preisliberalisierung einher gingen in den drei Ländern Schritte zur Deregulierung der Außenwirtschaft. In Albanien dürfen Privatunternehmen im Rahmen der bestehenden Regulierungsvorschriften (Verbote, Lizenzen, Kontingente) direkt Außenhandel betreiben. Der Außenhandel der Staatsbetriebe läuft nach wie vor über Außenhandelsorganisationen, die z.T. sogar neu gegründet wurden, nämlich bei den Ministerien. In Bulgarien und Rumänien wurde der Außenhandel zwar grundsätzlich liberalisiert, aber er bleibt noch stark reguliert. Es gibt noch Ex- und Importverbote, -lizenzen, -kontingente etc., und die Zölle sind noch nicht auf GATT-Nomenklatur, -Struktur und -Höhe umgestellt. Bei stark geschrumpftem Außenhandelsvolumen ist die erfolgreiche regionale Umlenkung des Außenhandels bemerkenswert; die wichtigsten Handelspartner beider Länder sind nicht mehr frühere RGW-Staaten sondern die entwickelten westlichen Volkswirtschaften. 12
Finanzmärkte Albanien kann man in diesem Zusammenhang übergehen. Für Bulgarien und Rumänien gilt, daß Geld-, Kredit- und Devisenmärkte i m Entstehen begriffen sind. Bulgarien ist dabei anscheinend einen Schritt weiter. Der Interbanken-Geidmar/ci soll schon ganz gut funktionieren. In beiden Ländern beschränkt die restriktive Kreditpolitik das Kreditangebot. Auf der Nachfrageseite blieb bei hohen und steigenden Refinanzierungssätzen und 11
FAZ-Informationsdienste, Länderanalysen, Rumänien, Mai 1992, S. 11. Laut Rompres gingen 67 % der rumänischen Exporte in entwickelte Volkswirtschaften, 69 % der Importe kamen von dort. Im Handel mit den Entwicklungsländern waren dies 11 % respektive 20 %, mit den ehemaligen kommunistischen Staaten 22 % und 11 %, vgl. ebenda, S. 13. 12
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Zinsen die Kreditnachfrage hinter den Erwartungen zurück. Die Altschulden, die ungeklärten Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden und die geringen Fortschritte bei der Privatisierung erschweren offenbar, daß der rudimentäre Kreditmarkt seine Allokationsfunktion erfüllen kann. Besser sieht es auf dem Devisenmarkt aus, der in Bulgarien in Form eines Interbanken- Devisenmarktes vorhanden ist. Die Zentralbankinterventionen sind auf Dämpfung der Kursschwankungen ausgerichtet, während sich der Kurs nach Angebot und Nachfrage bildet. In Rumänien gibt es gleichfalls einen Interbanken-Devisenmarkt, der allerdings noch äußerst labil ist. 1 3 Während der Unruhen im Herbst 91 wurde die Kursbestimmung auf diesem Markt ausgesetzt. In beiden Ländern gibt es noch Restriktionen hinsichtlich des Devisenerwerbs durch Ausländer und inländische Privatpersonen.
Arbeitsmarkt Was die Arbeitsmärkte der drei Länder betrifft, fällt ins Auge, daß auf der Arbeitnehmerseite sehr rasch neue, unabhängige Gewerkschaften entstanden sind, die meist auch politische Forderungen stellen. Auf der Arbeitgeberseite steht diesen Gewerkschaften überwiegend noch der Staat gegenüber, während sich anscheinend private Arbeitgeberverbände bisher noch kaum gebildet haben, so daß im privaten Sektor die Löhne noch auf betrieblicher Ebene ausgehandelt werden. In Albanien wurde der Arbeitsmarkt liberalisiert — bis auf die Festsetzung eines Mindestlohnes durch die Regierung. Auch die Staatsbetriebe können die Höhe und Struktur der von ihnen gezahlten Löhne prinzipiell frei bestimmen und Arbeitnehmer einstellen und entlassen. Subventionierte Betriebe sollen allerdings die Löhne nur im Einvernehmen mit dem Finanzministerium erhöhen dürfen. Die Regierung soll künftig Obergrenzen für die durchschnittliche Lohnerhöhung festsetzen. Bei Überschreitung dieser Obergrenze sind Sanktionen in Form von Sondernsteuern in Höhe von bis zu 500 % der Überschreitungssumme vorgesehen. Bulgarien hat ein Recht auf Arbeit in die neue Verfassung hineingeschrieben. 120 Arbeitsämter und einige private Stellenvermittler sollen für Transparenz und Mobilität der Arbeitskräfte sorgen. Institutionelle Mobilitätshemmnisse, wie z.B. Zuzugsbeschränkungen, wurden aufgehoben. Die Löhne werden zwischen Staat und Gewerkschaften oder Betrieben und Gewerkschaften ausgehandelt. Es gibt dabei staatliche Mindestlohnvorschriften. Um das Nominallohnwachstum in Grenzen zu halten, werden Betriebe in 13
Vgl. ebenda.
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staatlichem Mehrheitseigentum einer steil progressiven Lohnsummensteuer unterzogen. Auch in Rumänien wurde inzwischen der Arbeitsmarkt weitgehend dereguliert. Die auf betrieblicher Ebene oder in Kollektiwerhandlungen ausgehandelten Löhne müssen sich jedoch zwischen einer Mindest- und Höchstgrenze bewegen, die vom Staat festgesetzt wird.
Bodenmarkt Die Märkte für landwirtschaftlichen Boden werden in allen drei Ländern noch beeinträchtigt von Verboten. So ist es nicht erlaubt, das (rück)übereignete Land zu verkaufen. Dadurch, wie die Verpflichtung das erhaltene Land zu bebauen, soll eine ausreichende landwirtschaftliche Produktion sichergestellt werden; die Regelungen erscheinen in dieser Hinsicht jedoch eher kontraproduktiv zu sein, weil die Mobilitätshemmnisse die optimale Bodenallokation — die ohnehin Zeit brauchen wird — blockieren. In allen drei Ländern ist der Bodenerwerb durch Ausländer noch grundsätzlich ausgeschlossen, auch für ausländische Direktinvestoren. In aller Regel werden ausländischen Investoren Grundstücke nur verpachtet. Nicht selten wirken willkürliche und relativ hohe Pachten abschreckend. So verzichtete z.B. Coca Cola aus diesem Grund auf eine Investition in Albanien. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Allokation der Ressourcen über Märkte in allen drei Ländern noch erhebliche Mängel aufweist. In Albanien fehlt es dazu nicht nur an den institutionellen Voraussetzungen, darüber hinaus ist die Wirtschaft in einer so tiefen Rezession und die Inflation derart rapide, daß von funktionierenden, Knappheitspreise reflektierenden Märkten nicht die Rede sein kann. In Bulgarien und Rumänien erfolgen die Austauschbeziehungen nun schon zum größten Teil über Märkte bei freier Preisbildung. Die relativen Preise auf den Gütermärkten dürften die relativen Knappheiten schon einigermaßen anzeigen (in Bulgarien besser als in Rumänien). Von den verbliebenen Preisbindungen und -kontrollen abgesehen gibt es aber noch erhebliche Verzerrungen durch mangelnden Wettbewerb und dadurch, daß die Stabilisierung des Geldwertes nicht gelungen ist. Die Lohnbildung ist noch stark politisch determiniert. Dadurch kommt eine stärkere Ausdifferenzierung der Löhne nur langsam voran. Objektive Mobilitätshindernisse, wie z.B. fehlender Wohnraum und subjektive Mobilitätshemmungen sind noch stark.
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Der Kapitalmarkt leidet sowohl an mangelndem Wettbewerb auf der Angebotsseite als auch daran, daß ein Großteil der Unternehmen Absatzschwierigkeiten hat oder überschuldet ist, so daß sie nicht an den Kapitalmarkt gehen können. Die Kapitalnachfrage ist daher nach wie vor administrativ dominiert. Der Kapitalmarktzins kann sich nicht nach Angebot und Nachfrage bilden, sondern ist determiniert durch die mehr oder weniger willkürlichen Refinanzierungssätze der Zentralbanken. Die Devisenmärkte funktionieren bei flexiblen Kursen schon recht gut. Die Wechselkurse dürften einigermaßen den Kaufkraftparitäten für handelbare Güter entsprechen, wenn man von noch bestehenden regulierungsbedingten Verzerrungen absieht, das heißt sie sind cum grano salis als Knappheitspreise zu betrachten. Problematisch allerdings sind ihre starken Schwankungen. A m schlechtesten funktionieren noch die Märkte für Immobilien. Für sie fehlt es an institutionellen Voraussetzungen (Katastern, Übertragungsregeln, eindeutigen Eigentumsverhältnissen, Hypothekenkreditmöglichkeiten) und im übrigen sind die Märkte — wie angedeutet — noch extrem reguliert.
6. Stabilisierungspolitik In Albanien erfolgte die Preisfreigabe zu einem Zeitpunkt, zu dem weder von der Seite der Geldpolitik noch von der Fiskalpolitik her ein Stabilisierungskurs möglich war. Für eine entsprechende Geldpolitik fehlte es an allen institutionellen Voraussetzungen, während das Budget vor allem aus politischen Gründen in der zweiten Hälfte 1991 und im ersten Quartal 1992 nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. In Bulgarien bestand das Ziel der Geldpolitik nach der Preisliberalisierung darin, den Geldüberhang zu beseitigen und danach durch begrenztes Geldmengenwachstum die Voraussetzungen für eine stabile Geldwertentwicklung zu schaffen. Zu diesem Zwecke setzte die bulgarische Nationalbank ihren Refinanzierungszinssatz, beginnend schon vor der Preisfreigabe von 4,5 % über 15 % auf 45 %, 52 % und 54 % herauf und legte relativ niedrige Kreditplafonds für die Banken fest. Der Kreditzins der Banken war meist ΙΟΙ 5 % höher. Nach der Preisfreigabe stieg der Einzelhandelspreisindex im Februar zwar um 100 %, doch in den folgenden Monaten ging die Inflationsrate auf rund 3-5 % zurück. Damit wurde im Laufe der zweiten Jahreshälfte 1991 ein positiver Realzinssatz erreicht. Flankiert wurde die Stabilitätspolitik von dem Bemühen, das Budget durch die Senkung der Ausgaben für Subventionen, Löhne, laufende und Instandhaltungsaufwendungen zu sanieren. Das Budgetdefizit, das 1990 9,2% des BIP betragen hatte, sollte 1991 auf 0,1 % zurückgeführt werden.
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Dieses Ziel wurde mit einem Budgetdefizit von rund 4 % des BIP allerdings weit verfehlt. Der Grund dafür lag in einem starken Rückgang der Staatseinnahmen infolge des starken Produktionsrückgangs und anfänglichen Schwierigkeiten bei der Steuererhebung. Das Budgetdefizit wurde zum größten Teil aus Bankkrediten finanziert. Die Kontrolle der Lohnkosten war sozusagen das dritte Bein der bulgarischen Stabilitätspolitik. Sie war zumindest in den ersten drei Quartalen erfolgreich, weil aber das Realeinkommen mit etwa 45 % stärker fiel als erwartet, kam es zum Jahresende hin zu Lohnerhöhungen, die zu einem Wiederanstieg der Reallöhne führten und damit von der Kostenseite her den Inflationsdruck verstärkten. Die Stabilisierung des Wechselkurses gelang nach anfänglichem Überschießen bis zu einem Kurs von 28,0 Lewa für einen Dollar, auf einer Höhe von 15-20 Lewa pro Dollar. Dieses Überschießen war durch Importverteuerung wohl mitursächlich für den starken Inflationsschub im Anschluß an die Preis- und Außenhandelsliberalisierung. Bei einem stark rückläufigen Außenhandel und gleichzeitiger erfolgreicher Umlenkung desselben von den ehemaligen RGW-Märkten auf die Europäische Gemeinschaft kam es zu einem leichten Handelsbilanzüberschuß. Rumänien vollzieht die Preisliberalisierung ganz bewußt schrittweise. Man begann mit dem ersten Liberalisierungsschritt sehr bald nach der Entscheidung für die Marktwirtschaft und noch vor Bulgarien. Auch in Rumänien wird die Geldwertstabilisierung mit Hilfe der Geldpolitik, einer Reduzierung des Budgetdefizits und einer auf Lohnkontrollen gerichteten Einkommenspolitik versucht. Insgesamt scheint diese Politik bisher nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein. Da ist einerseits die Abwertung des Lei, die über verteuerte Importe auf das Preisniveau drückt, zum anderen ist die Preis-Lohn-Spirale, trotz einer deutlichen Realeinkommenssenkung seit Reformbeginn, 14 auch weiterhin eine Inflationsquelle, weil steigende Löhne steigende Kosten bedingen. Die Reduzierung des Budgetdefizits wird 1992 nicht gelingen; vorgesehen ist (nach einem Defizit von 1,5 % in 1991) ein Defizit in Höhe von rund 2 % des BIP, doch wird es — zumal sich das Land im Wahljahr befindet — sicher deutlich höher ausfallen. Ob es angesichts dieser Inflationsquellen sinnvoll ist, daß die Zentralbank ihre Refinanzierungssätze Ende April von 27-35 % auf 50-80 % heraufgesetzt hat, sei dahingestellt.
14 Die Löhne stiegen bis Ende 1991 nur um 233,7 %, die Preise dagegen um 344,5 % (vgl. ebenda, S. 11). Diese Reallohnsenkung um knapp 33 % ist aber zweifellos höher als der Wohlfahrtsverlust der Lohnempfänger, da früher bei (relativ zu den Löhnen) niedrigeren Preisen weniger Güter tatsächlich im Angebot waren.
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IV. Versuch einer Bewertung der bisherigen Transformationspolitik in den drei Ländern 1. Erfolge und Defizite Die albanische Transformationspolitik war bis dato von den politischen Verhältnissen geprägt. Mit dem Eintritt der demokratischen Opposition in die Regierung und der Übernahme des Wirtschaftsressorts durch den Wirtschaftsprofessor Gramoz Paschko schienen die Befürworter der Schocktherapie sich durchgesetzt zu haben. Doch die totale politische und wirtschaftliche Zerrüttung des Landes, mangelndes Know-how und der hinhaltende Widerstand der noch an allen Schalthebeln der Macht und auf zwei Dritteln der Parlamentssitze sitzenden Kommunisten verhinderten eine zügige Transformationspolitik. Die Aufgaben der Phase I wurden nicht annähernd befriedigend erfüllt und entsprechend kam die beschränkte Preisfreigabe — die mehr eine politische Demonstration als eine wirtschaftspolitische Maßnahme war — verfrüht. Die neue, im März gewählte demokratische Regierung steht noch fast ganz am Anfang des Transformationsprozesses. W i e das Wahlergebnis vermuten läßt, hat die Akzeptanz des Übergangs zur Marktwirtschaft noch nicht gelitten. Aber nun muß gehandelt werden. Zunächst muß die staatliche Autorität restauriert und die unmittelbare Not durch Mobilisierung ausländischer Hilfe gelindert werden. Dann kann Albanien endlich den Transformationsprozeß zügig einleiten. Denn die Zeit zwischen März 91 und März 92 hat — trotz aller Bemühungen — für die Systemtransformation wenig gebracht. Bulgarien und Rumänien folgten im Prinzip dem eingangs geschilderten Transformationskonzept. Rumänien ging etwas mehr nach gradualistischem Muster (mehrstufige Preisfreigabe), keineswegs jedoch langsamer vor als Bulgarien. 15 In beiden Ländern kam es, vornehmlich politisch bedingt, zu Phasen, in denen der Transformationsimpetus erlahmte, bevor das Reformtempo wieder angezogen wurde. Der Prozeß vollzieht sich also durchaus mit wechselndem Tempo. Bezüglich der zeitlichen Abfolge der Maßnahmen läßt sich folgendes feststellen: In Bulgarien erfolgte die Preisliberalisierung wohl doch etwas verfrüht. Dies gilt vor allem wegen des fehlenden Privatisierungsgesetzes. Hätte es ein solches schon gegeben, wäre es möglich gewesen, gleich nach 15 Hier wird deutlich, daß das gradualistische und das sogenannte schocktherapeutische Transformationskonzept sich vor allem durch die A r t der Vorgehensweise unterscheiden, nicht unbedingt durch das Tempo, in dem der Prozeß durchgezogen wird. Zu der Debatte um Schocktherapie versus Gradualismus vgl. Dieter Lösch : Das „Timing" als zentrales Problem der Systemtransformation, HWWA-Report Nr. 99, HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung — Hamburg, 1992.
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der Liberalisierung mit der großen Privatisierung zu beginnen, und eventuell hätte man diese auch noch für die Stabilisierungsaufgabe und die Umstrukturierung einspannen können. Fehler und Versäumnisse der Ordnungspolitik waren darüber hinaus dafür verantwortlich, daß das Bankensystem noch nicht sehr funktionsfähig war, daß die Staatsbetriebe noch nicht ausreichend harten Budgetrestriktionen unterworfen waren, vor allem daß sie mit Altschulden belastet blieben und daß infolge von Steuerrechtsänderungen und Mängeln in der Finanzverwaltung die Staatseinnahmen zunächst nur sehr spärlich geflossen sind. Trotz allem kann man sagen, daß in Bulgarien und Rumänien die Marktwirtschaft bereits eingeführt ist, auch wenn die Märkte noch nicht längst alle befriedigend funktionieren und es noch einen enormen Deregulierungsbedarf gibt. In allen drei Ländern steht die Lösung der gewaltigen Aufgaben der Phase III noch aus. Die Stabilisierung des Geldwertes ist noch nicht gelungen und die Privatisierung steht noch aus. Und schließlich wird es im Zuge der Niveau- und Strukturanpassung noch in einem weitaus größeren Maße als bisher zu Entlassungen und Betriebsschließungen kommen müssen. Somit ist auch noch nicht abzusehen, wann die Wirtschaften dieser Länder ihre Talfahrt beendet und wieder positive Wachstumsraten zu verzeichnen haben werden. 2. Künftige Probleme Eine Umfrage in den ehemals sozialistischen Ländern hat ergeben, daß die Bevölkerung derjenigen Länder, die auf dem Transformationswege am weitesten vorangeschritten sind (Polen, Ungarn und CSFR), deutlich weniger euphorisch in bezug auf die Marktwirtschaft ist, als die der etwas verspäteteren Länder, von denen hier die Rede ist. Daraus kann man die Vermutung ableiten, daß die Zustimmung zur Transformation in diesen Ländern noch zurückgehen wird, zumal die unvermeidlichen sogenannten sozialen Kosten des Transformationsprozesses noch zunehmen werden und dessen erste Positivwirkungen für die Massen wohl nicht so sehr bald spürbar sein werden. Bis jetzt hat in allen drei Ländern die sozialistische soziale Absicherung durch den Staat noch einigermaßen funktioniert, das heißt der Staat hat die Massen davor bewahrt, daß sie von der ganzen Wucht des wirtschaftlichen Niedergangs betroffen wurden. Er hat sie, wenn auch nicht gänzlich und manchmal nur scheinbar, durch Transferzahlungen abgeschirmt. Hier liegt die größte Gefahr für den Transformationsprozeß: Die Gewöhnung der Bürger daran, durch Druck auf die Regierung diese zu Lohnerhöhungen oder anderen „sozialen" Maßnahmen veranlassen zu können, beschwört die Gefahr herauf, daß die Transformation in einen „politökonomischen" Teufelskreis von mangelnden Erfolgen bei der Inflationsbekämpfung,
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sinkenden Reallöhnen, Streiks und Demonstrationen, Lohnerhöhungen, vermehrten Subventionen, wieder expandierenden Budgetdefiziten und schließlich anhaltender oder gar verstärkter Inflation hineingeraten kann. Ein weiteres großes Risiko für den Transformationsprozeß ist seine absehbare, unvermeidlich längere Zeitdauer. Selbst wenn die Privatisierung schnell gelingen sollte, wird die Strukturanpassung nicht rasch zu bewältigen sein. Denn der Strukturanpassungsbedarf der betrachteten Länder ist sehr groß. Die Situation dieser Länder ist von der der ehemaligen DDR nicht allzu verschieden, das heißt auch dort gibt es eine Reihe von Betrieben, die so überdimensioniert, strukturell so gänzlich fehl am Platze oder so veraltet sind, daß sie trotz niedriger Löhne und trotz der Protektion durch die Währungsabwertung und Zölle, nicht wettbewerbsfähig werden können. Die bisherige Überindustrialisierung wird abgebaut werden müssen, und die wirtschaftliche Entwicklung muß weitgehend neu beginnen. Anders aber als in der DDR, muß die Kapitalbildung für Neuinvestitionen, die konkurrenzfähige industrielle Arbeitsplätze schaffen sollen, in den hier behandelten Ländern weitgehend im Inland erfolgen. Es erscheint gänzlich unwahrscheinlich, daß sie ein südeuropäisches Entwicklungsniveau noch in diesem Jahrhundert erreichen werden.
Zusammenfassung der Diskussion Referat Lösch
Langhammer stellt fest, bezüglich des Standes der Reformen sei ein entmutigendes Bild des formalen Sektors aufgezeigt worden, ein Bild, wie man es typischerweise von Entwicklungsländern kenne. Unter solchen Voraussetzungen seien die Anpassungsprozesse auf informellen Märkten interessant. Wichtig sei zu wissen, ob es in diesen Ländern informelle Kapitalmärkte und Währungssubstitution gibt, und ob bei hoher und volatiler Inflation in Realaktiva gespart wird. Ferner stelle sich die Frage der Perspektiven, insbesondere bei den Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft. Dieses Assoziierungsabkommen verlange Gegenleistungen, auch wenn es asymmetrisch sei. Unter diesen Bedingungen müsse über die Sinnhaftigkeit eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Gemeinschaft nachgedacht werden. Lösch erwidert, es handele sich um außerordentlich schwierige Fragen, weil der informelle Sektor sich eben dadurch kennzeichne, daß er informell und damit nicht sichtbar ist. Die Informationen aus diesen Ländern seien — wie gesagt — sehr schlecht, so daß man sich, wenn es um den angesprochenen Bereich geht, höchstens auf den Augenschein oder auf das Hörensagen beziehen könne. In Albanien beispielsweise sei so etwas wie ein informeller Markt nicht vorhanden, abgesehen von Wurstbratereien und vergleichbaren kleinen Einheiten, die überhaupt keine Rolle spielten. Im Hinblick auf die Frage einer Assoziation mit der EG weist Lösch auf die Wirtschaftsgeschichte der ost-mitteleuropäischen Länder hin: Es sei immer schon so gewesen — dies werde auch im Falle Albanien oft übersehen —, daß ohne ausländische Hilfe nur sehr wenig oder gar nichts gegangen wäre. Der Anpassungsbedarf sei gewaltig, weil die Wirtschaftsstrukturen in diesen Ländern — soweit überhaupt noch vorhanden — ökonomisch hinfällig seien. Jedenfalls gelte das für Albanien. Angesichts dieser Probleme könnten diese Länder ohne massive Entwicklungshilfe nicht auskommen. In besonderer Weise gelte das wiederum für Albanien — ein extrem armes Entwicklungsland. Das Pro-Kopf-Einkommen sei dort immer auf 800 USDollar geschätzt worden; inzwischen könne man wohl sagen: Wenn es 400
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US-Dollar waren, war es viel. Das Niveau entspreche damit nicht einmal dem in den meisten afrikanischen Ländern. Svindland bezieht sich auf Bulgarien und setzt den Akzent etwas anders. Auf der einen Seite empfiehlt er eine etwas positivere Betrachtungsweise. Hinsichtlich der Reformbemühungen macht er darauf aufmerksam, daß Bulgarien als erstes der ost-mitteleuropäischen Länder die EG-Bilanzierungsnormen akzeptiert hatte und diese Normen bereits im Winter 1990/ 1991 verbindlich eingeführt hat. In Ungarn sei das, soweit bekannt, bis heute noch nicht geschehen. Zweitens sei in Bulgarien ein Handelsgesetzbuch — dem deutschen Muster folgend — im Jahre 1990 relativ schnell eingeführt worden. Ausländischen Investoren seien nicht — wie in vielen anderen Ländern — besondere Privilegien eingeräumt worden, sondern auch ihnen gegenüber gelte das allgemein verbindliche Gesetz und sonst kein anderes. Als weiteres positives Element erwähnt Svindland, daß es keine Streiks in Verbindung mit den Reformen gab, sondern ein Agreement zwischen den Gewerkschaften und der Regierung. Dieses Agreement beinhalte, daß sich die Gewerkschaften, solange sich die Regierung auf dem Reformkurs befindet, trotz der immensen Schwierigkeiten zurückhalten und nicht zum Streik aufrufen. Allerdings habe man es nicht geschafft, die Frage der Auslandsschulden zu regeln. Die weitere Lösung der Probleme sei dadurch aufgehalten worden, ζ. B. sei kaum Auslandsgeld in das Land gekommen. Damit hänge es wohl zusammen, daß der Reformprozeß ins Stocken geriet. Schatz kommt noch einmal auf den informellen Sektor zurück. Lösch habe gesagt, daß das Pro-Kopf-Einkommen in Albanien stark gesunken sei; wenn man nur von dem Pro-Kopf-Einkommen in manchen Entwicklungsländern ausginge, müßten die Menschen in diesen Ländern längst verhungert sein. Meßbar seien aber nur Markttransaktionen. Vieles andere, was nicht erfaßt wird, werde eben nicht als Pro-Kopf-Einkommen verbucht. Man könne sich gut vorstellen, daß dies auch im Blick auf die anderen Länder gilt. Ein geeigneter Maßstab, den man einmal anlegen müßte, wären dann auch nicht Wechselkurse, sondern Kaufkraftparitäten. Schatz weist auf die Gefahr eines Irrtums bei der Bewertung des Kapitalstocks in den erwähnten Ländern — in Fabriken usw. — hin. Viele dächten, diese Anlagen seien nichts mehr wert. Man übertrage in dieser Hinsicht Vorstellungen, die sich auf Ostdeutschland beziehen, auf andere Länder. Bei dem Anstieg des Lohnniveaus in Ostdeutschland sei der Kapitalstock tatsächlich nichts mehr wert, weil die Löhne mit diesem Kapitalstock nicht erarbeitet werden könnten. Man könne sich aber durchaus vorstellen, daß in den anderen genannten Ländern die Löhne auf ein bestimmtes Niveau
Zusammenfassung der Diskussion
sinken und man dann auch mit einem nach unseren Maßstäben veralteten, heruntergewirtschafteten Kapitalstock noch Löhne erarbeiten und zahlen kann. Schatz sieht auch darin Chancen für diese Länder. Lösch meint, für Albanien gelte das garantiert nicht. Die Strukturen seien dort effektiv kaputt. In Elbasan finde man Trümmer, wo ein Stahlwerk sein sollte. In Tirana sei die Situation nicht besser, alles sei heruntergewirtschaftet. Was noch nicht kaputt war, verfalle zusehends. Das gelte ζ. B. für die paar hundert Kilometer Bahnnetz. Die paar Waggons, die man hatte, seien in der Anarchiephase, nach dem Sturz des alten Regimes, auch noch zu Brennholz verarbeitet worden. Hinzu komme, daß oft Produkte hergestellt worden seien, die im Lande selbst nicht zu verwenden und im Ausland nicht verkäuflich seien. Zum Pro-Kopf-Einkommen stellt Lösch klar, in der albanischen Pro-KopfEinkommensrechnung würden die Produkte der Subsistenzbauern, die für die Situation in der Landwirtschaft kennzeichnet seien, sehr wohl erfaßt. Er wollte nicht gesagt haben, daß das Pro-Kopf-Einkommen von 800 auf 400 Dollar gesunken sei; es sei einfach auf der Grundlage von ungeschönten Informationen noch einmal nachgerechnet worden — mit einem sehr viel niedrigeren Ergebnis. Vielleicht seien die Informationen, auf die man sich dabei stützte, allerdings immer noch geschönt. Zur Hodscha-Zeit habe man in Albanien nicht sehr viel auf informellen Märkten produzieren können. Damals sei nicht einmal die Haltung von privatem Vieh erlaubt gewesen. Frau Pissula weist darauf hin, daß sich die Frage nach dem informellen Sektor immer mehr erübrige. Die Freigabe der Wirtschaftstätigkeit lasse die alte Trennung zwischen kontrolliertem und Schwarzmarktbereich nicht mehr zu. Auch in Rumänien sei der rechtliche Rahmen rasch entwickelt worden; die Institutionen würden derzeit gebildet. Daß die Betriebe, insbesondere die sehr großen ehemaligen Staatsbetriebe, noch nicht darauf reagierten und die marktwirtschaftlichen Verhaltensweisen noch nicht übernommen hätten, sei eine andere Sache. Jedenfalls bestehe der informelle Sektor nicht mehr so wie zu planwirtschaftlichen Zeiten. Lösch stellt klar, daß er die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und Rumänien nicht etwa für genauso rudimentär erachtet wie in Albanien. Bulgarien habe mehr Hilfe in Anspruch genommen, und es seien auch entsprechende Fortschritte erzielt worden. In Rumänien seien schon Mitte 1991 rund 50 Wirtschaftsgesetze verabschiedet worden, was das auch immer heißen möge. Manches beschlossene Gesetz werde allerdings kurz nach Erlaß durch Dekret mehr oder weniger außer Kraft gesetzt. Dann folge ein anderes Dekret und wieder ein neues Gesetz. Es sei insofern ein ziemlicher Wirrwarr vorhanden. Vielfach werde das, was geschrieben steht
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und wovon man meint, es sei nun geltendes Recht, auch einfach in irgendeiner Weise umgangen. Das scheine ihm auch beim Zentralbankgesetz so zu sein. W o sollte sonst das Budgetdefizit herkommen, wenn das Zentralbankgesetz, das Bulgarien hat, strikt eingehalten würde? Thanner warnt vor einer vorschnellen Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungskraft einzelner Länder: Der Vortrag sei mit einem Vorurteil eingeleitet worden, nämlich, daß die Produktionsstrukturen in diesen Ländern wesentlich weiter von den Weltmarktbedürfnissen entfernt seien als beispielsweise diejenigen in Ungarn, der Tschechoslowakei und in Polen. Dies müßte man genau belegen oder aber eine solche pauschale Bewertung unterlassen. Thanner befürchtet, hier sei ein Urteil über Albanien auf andere Länder übertragen worden. Fachleute der OECD seien angesichts dessen, was in Bulgarien alles passiert und wie die Anpassung voranschreitet, völlig überrascht. Offensichtlich lasse sich auf Grund der Indikatoren kein Argument dafür finden, Bulgarien sozusagen hinter die anderen Länder zu stellen. Lösch meint, es spreche doch einiges dafür, daß die Relationen so sind wie er sie dargestellt habe. Im Falle Rumäniens spreche die spezielle Politik Ceausescus dafür, nach dessen Vorstellungen Rumänien eine Art Vormacht der Dritten Welt werden sollte. Danach sei die Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsstruktur ausgerichtet gewesen. In Bulgarien dürfte die starke Anbindung an das RGW-System vor allem an die Sowjetunion die großen Strukturverzerrungen bedingt haben. Es gebe also durchaus Belege oder Indizien, die in diesem Zusammenhang angeführt werden könnten.
I I I . Stand der Reformen in den Republiken der GUS
Aktueller Stand und Perspektiven der ordnungspolitischen Entwicklung in den Republiken der G U S Von Alexander Penkin, Moskau
Die gegenwärtigen Erregnisse und die absehbaren Zukunftsperspektiven liefern alle Gründe, das Jahr 1992 als das schwerste Jahr in der Geschichte der Republiken der ehemaligen SU nach dem Zweiten Weltkrieg zu bezeichnen: — Das BIP kann um 20 bis 40 % i m Vergleich zum Jahre 1991 fallen. Dabei geht man davon aus, daß die Investitionen in den Republiken mindestens um 40-45 % gesenkt werden; — Der zwischenrepublikanische Handel wird zum Jahresende durchschnittlich 10 % betragen (1991:20 %). Wirtschaftskonflikte und Handelskriege zwischen den Republiken werden nach allen Anzeichen auch in der zweiten Hälfte des Jahres fortgesetzt. Die Wiederherstellung des einheitlichen Wirtschaftsraums im Rahmen der ehemaligen SU oder sogar im Rahmen der GUS-Kern ist nicht zu erwarten; — Die Senkung des Lebensniveaus wird fortgesetzt. Dabei muß berücksichtigt werden, daß in den ersten drei Monaten 1992 das Realeinkommen der Bevölkerung durchschnittlich zwei bis drei Mal reduziert wurde; — Man erwartet, daß am Jahresende 10 bis 15% der ökonomisch aktiven Bevölkerung arbeitslos werden. Dabei dürfte die Arbeitslosenquote in den Großstädten und in den technisch hochentwickelten Militärbranchen besonders hoch werden; 1 — Selbst die Regierungsprognosen gehen davon aus, daß das Inflationstempo in Rußland (in der Republik, deren Inflationstempi in den letzten 6 Monaten für alle anderen GUS-Staaten bestimmend waren) in der zweiten Hälfte 1992 mindestens 50-70% sein wird. 2 Das scheint für die Mehrheit der Analytiker zu optimistisch. Unter den Bedingungen der Preisliberalisierung für Energieträger ist ein Anstieg um 500% zum Niveau der Preise i m A p r i l zu erwarten; 3 1 Siehe ζ. B.: Popow, W. W. u. a. Volkswirtschaft Russlands 1992. — PrognoseAnalyse der wirtschaftlichen Situation im Jahre 1991, — Moskau 1992, S. 3-5 (in russischer Sprache). 2 Rossijskaja gaseta vom 24. April 1992. 3 Ebenda.
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— Allein für die Außenschuldenbedienung brauchen die GUS-Republiken 10 bis 20 Mrd. US-Dollar als Wirtschaftshilfe und Kredite. 4 In den Augen der breiten Massen der Bevölkerung und mehrerer politischer Parteien werden diese Krisenerscheinungen mit der Radikalisierung der Reformprozesse in Richtung „Marktwirtschaft" verbunden. Besonders mit der Strategie, die ab Oktober 1991 von der Regierung Jelzin/Gaidar in Rußland verwirklicht wird. In einer solchen Situation sind weitgehende soziale und politische Konsequenzen unumgänglich, was letztendlich die Perspektiven der ordnungspolitischen Transformation in den GUS-Republiken bestimmen wird. Nach mehreren Anzeichen steht vor allem Rußland vor der Gefahr radikaler sozial-politischer Umwandlungen im Herbst 1992. Drei Schlüsselfragen stehen dabei im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussionen und der politischen Auseinandersetzungen: 1. Gibt es eine Alternative zur Schocktherapie beim Übergang zur Marktwirtschaft? 2. Ist die Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten mit dem einheitlichen Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsraum, der die weitere Desintegration auf 1/6 der Erde vorbeugen kann, lebensfähig? War die Unterzeichnung der GUS-Abkommen in Weißrußland 1991 ein Fehler oder sogar Verrat? 3. Können die demokratischen Errungenschaften der letzten sieben Jahre — die wichtigsten Ergebnisse des Perestrojka-Konzepts — bewahrt und weiterentwickelt werden? Im Zusammenhang damit, wie diese Fragen beantwortet werden, bildeten sich fast in jeder Republik drei Fronten. In den Massenmedien werden sie wie folgt definiert: 1. „konservative, ewig gestrige, Nomenklaturkräfte", die ihre Basis bei den Randschichten der Bevölkerung suchen; 2. „konstruktive Opposition", „populistische demokratische Bewegungen und Parteien", für die die gegenwärtige Dynamik der Reformen zu schnell ist und denen die sozial-demokratische Reformstrategie lieber wäre; 3. „demokratische" oder außerhalb Rußlands „national-demokratische zukunftsorientierte" Parteien und Initiativen, die sich auf die neu entstandenen Unternehmerschichten und hochqualifizierte Fachkräfte orientieren. W i e die Diskussionen während des VI. Kongresses der Volksdeputierten Rußlands (6.-17. April 1992) zeigten, sind die Kräfte der ersten und der dritten Koalition etwa gleich geworden, und die Fronten polarisierten sich 4
Popow W. W. u. a. Volkswirtschaft Russlands . . . S. 7.
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deutlich. So gehörten zur A n ti-Jelzin-Fraktion „Russische Einheit" 310 von 1049 Volksdeputierten (28,6 % der Stimmen). Diese Fraktion vereint solche Parteien wie „Kommunisten Rußlands", „Rußland", „Heimat", „Agrarunion". Der „Koalition für Reformunterstützung" gehören 300 der Volksdeputierten an (28,6 %); sie vereint solche Parteien wie: „Demokratisches Rußland", „Radikale Demokraten", „Freies Rußland", „Republikanische Partei Rußland/ Sozial-Demokratische Partei — Das Linke Zentrum". Die mittlere Front bildet die Koalition „Schöpferische Kräfte" mit 154 Deputierten (14,7 %). Zur Koalition gehören: „Industrieunion", „Änderung — Neue Politik", „Arbeiterunion Rußlands". 285 Volksdeputierte (27,7 %) gehören zu keiner dieser drei Koalitionen. 5 Es gibt mehrere Anzeichen, daß bei der nächsten Volksabstimmung (Wahl) die Positionen der Jelzin-Mannschaft noch schwächer sein werden. Welche Szenarien kann man sich nun bei dieser Konstellation der politischen Kräfte in den drei oben genannten Fragen vorstellen? Zu 2. : Wenn man den Transformationsprozeß in den Republiken nach den gefaßten Gesetzen und Beschlüssen vergleicht, dann erkennt man, daß alle Republiken mit einem bestimmten Abstand den gleichen Weg gehen. Das sagt aber wenig über das Wesen der konkreten Prozesse im sozial-demokratischen Leben. Tatsache ist, daß die Unterschiede zwischen den Republiken, trotz unterzeichneter Verträge über die gemeinsame Regelung dieser oder jener Bereiche, zunehmen. Verschiedene Steuerarten und und Steuersätze, Rentenverordnungen und Zölle (um nur einige zu nennen) wurden zu Faktoren der weiteren Desintegration der ehemaligen SU. Es gibt mehrere Gründe zu behaupten, daß dieser Prozeß (selbst wenn wir die geopolitischen Interessen anderer Staaten außer Acht lassen) langfristiger Natur ist und auch wesentliche wirtschaftliche Ursachen hat. Eine von ihnen ist der noch bei weitem nicht abgeschlossene Privatisierungsprozeß. Deswegen scheinen mir die Erfolgschancen jener politischen Kräfte, die für die Wiederherstellung des einheitlichen Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsraums auftreten, nicht so groß. Zu 1. : Die Schocktherapiekonzeption wird z. Z. am konsequentesten in Rußland verwirklicht. Bei der Wahl der Reformstrategie nach dem Putsch 1991 standen im Vordergrund die Ungeduld der Gesellschaft und das Bestreben der demokratischen Kräfte, möglichst schnell die entsprechende soziale Basis für die Unterstützung der an die Macht gekommenen Kräfte zu schaffen. Viel weniger wurde die negative Erfahrung der Vorgänger — Ryshkow- und Pawlow-Regierung, solche Besonderheiten der Volkswirt5
Internes Material des VI. Kongresses.
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schaft der ehemaligen SU wie der hohe Grad der Monopolisierung und die tiefe Verflechtung der Regionen, Unterentwicklung der Infrastruktur der Marktwirtschaft, sozial-psychologische Einstellung der Bevölkerung u. a. — berücksichtigt. Wegen der festen interrepublikanischen Verflechtung müssen die anderen Republiken einige Elemente dieser Konzeption übernehmen, öfter versuchen sie, sich vor den negativen in Rußland initiierten Prozessen abzugrenzen. Es ist deswegen klar, daß besonders in Rußland die Auseinandersetzung in der Frage, ob es eine Alternative zur Schocktherapie gibt, in der letzten Zeit außerordentlich scharf geworden ist. Diese Auseinandersetzung während des VI. Kongresses führte zu dem Ergebnis, die „Korrektur" des Regierungskurses sei unumgänglich. Geht es aber nur um Korrekturen oder haben wir es mit dem Anfang der Konzipierung eines alternativen Kurses zu tun? Mir scheint das zweite zuzutreffen. Um das zu beweisen, wollen wir die nächsten Konsequenzen der Fortsetzung des heutigen Kurses verfolgen. Man muß der Regierung zustimmen, wenn sie behauptet, daß der Zerfall des Wirtschaftsraums der SU, die Senkung der Produktion vor dem Januar 1992 begonnen haben. 1990 sank das BIP um 2% in der SU, um 1 % in Rußland; 1991 waren es schon -13 % und -11 %. Nach mehreren Berechnungen der Forschungsgruppen 6 hätte allein die Fortsetzung der langfristigen Tendenzen zur Senkung des BIP in Rußland 1992 um 11 % geführt. Infolge der Regierungsaktivitäten im finanzpolitischen Bereich dürfte aber diese Senkung 18-20% betragen. Die finanzpolitischen Faktoren spielen somit seit 1992 eine entscheidende Rolle in der Vertiefung der Krise. Konkret geht es um die sprunghafte Senkung der Endnachfrage wegen der 10-15fachen Steigerung der Preise im ersten Quartal 1992, um die 20fache Steigerung der Verschuldung der Betriebe, die Senkung der Investitionen der Betriebe um 44 %, die Schrumpfung der Produktion um 13 % (dabei sank die Produktion der Konsumgüter um 14 %, die Lebensmittelproduktion um 24-31 %, d. h. die Produktionssenkung verschlechterte weiter die Struktur der Wirtschaft). Im Kampf um die finanzielle Gesundung hat die Regierung mehrere soziale Programme gestrichen und Subventionen für die Entwicklung der Ausbildung und Wissenschaft sowie des Gesundheitswesens stark reduziert. Trotz dieser katastrophalen Ergebnisse in Produktion und Konsumtion wurde auch das wichtigste Ziel der Regierung nicht erreicht, einen defizitlosen Haushalt schon am Ende des ersten Quartals zu haben. Es wurde von der Regierung anerkannt, daß das Defizit am Ende des Quartals etwa 6 % zum BIP beträgt. Eine kritische Analyse der ersten Ergebnisse der Schocktherapie hat sowohl bei den Volksdeputierten als auch bei den Unternehmen und 6
Siehe ζ. B.: Delowoj mir vom 16. A p r i l 1992, S. 8.
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Forschem Zweifel an der prinzipiellen Möglichkeit der weiteren Fortsetzung des Regierungskurses erweckt. Um das von der Regierung gestellte Ziel zu erreichen, das Defizit des Haushaltes am Ende des Jahres auf 1 -2 % des BIP zu drücken, soll nach Modellrechnungen die weitere Senkung der Endnachfrage und absolute Verelendung der Bevölkerung, fünfmalige Steigerung der Preise für Energieträger, Verschärfung der Investitionskrise und Zerstörung des künftigen Wachstumspotentials und dabei eine durchschnittliche monatliche Steigerung der Preise in Höhe von 12 bis 17 % in Kauf genommen werden. Die letzte Tendenz — Unumgänglichkeit der weiteren Preissteigerungen — erklärt sich dadurch, daß zur wichtigsten Ursache der Preissteigerungen der letzten Zeit der Kostendruck wurde. Wenn die Regierung die „Korrekturen" der Volksdeputierten akzeptieren und verwirklichen wird, dann kann die Situation noch schlimmer werden, weil diese Korrekturen die wichtigen Instrumente der Finanzstabilisierung untergraben und nicht in die gesamte Strategie integriert sind. Die Gefahr der weiteren Stagflation und Deindustrialisierung einer schrumpfenden Wirtschaft hat die Bemühungen um die Konzipierung einer alternativen Strategie intensiver gemacht. A m 2. April 1992 (vier Tage vor dem Beginn des VI. Kongresses) hat der Vorsitzende des Obersten Sowjets R. I. Chasbulatow das Referat „Über die weitere Entwicklung der Wirtschaftsreform in Rußland. Diskussionspapier" unter den Mitgliedern des Russischen Parlaments verbreitet. In diesem Dokument wurde zum ersten Mal nach dem Beginn der Schocktherapie auf einem so hohen Niveau der Versuch unternommen, die Grundelemente einer neuen Krisenstrategie vorzulegen. Die wichtigsten Thesen dieses Dokuments: — Wesentliche Korrekturen in der Taktik und in den Methoden der Wirtschaftsreform sind zu verwirklichen, weil die einseitige Verfolgung der Strategie der finanziellen Stabilisierung zum Kollaps der Wirtschaft und zur weiteren internationalen Spezialisierung auf Rohstoff- und Energieträgerproduktion führt. — Die Reform muß einen komplexen Charakter haben; bei der Beibehaltung der Priorität des finanziellen Gleichgewichts sollte die Unterstützung der eigentlichen Produktion gesichert werden. — In der gegenwärtigen Etappe des Überganges zur Marktwirtschaft sollen wirksame Verwaltungsstrukturen wiederhergestellt werden. In kürzester Zeit sollen die Industrie-, Struktur- und Konversionspolitik sowie die Maßnahmen zur Unterstützung der Auslandsinvestitionen ausgearbeitet werden, und ohne Verzögerung soll man mit ihrer Verwirklichung beginnen. 9 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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— Börsen- und Vermittlergeschäfte haben das Übergewicht in der Entwicklung des Unternehmertums, im Mittelpunkt der Unterstützung der neuen Unternehmensstrukturen sollen die produzierenden Betriebe stehen. — Ein ausgewogenes System der sozialen Sicherung der Bevölkerung ist erforderlich; die Indexierung der Einkommen soll mindestens 0,8 in Relation zur Preissteigerung sein.7 Die Grundthesen dieses Dokuments wurden von der Mehrzahl der Volksdeputierten während des VI. Kongresses unterstützt. Es wäre aber zu früh, zu behaupten, daß in diesem Papier die Grundsätze der neuen Krisenstrategie dargelegt sind. Das steht noch bevor. In dieser Richtung arbeiten ζ. Z. aktiv Forschungsinstitute, Forschungsgruppen der Unternehmerverbände, der Höchste Wirtschaftsrat beim Präsidium des Obersten Sowjets, Wirtschaftsexperten der meisten Parteien usw. Immer lauter sind die Stimmen jener Politiker und Forscher, die den Ausweg aus der gegenwärtigen Situation in einer aktiven Strukturpolitik und in der Förderung des inneren Marktes sehen. Modellrechnungen zeigen, daß ein kurzfristiges außerordentliches Progamm der Produktionsstabilisierung noch möglich ist. Dabei soll der Rückgang des BIP etwa 5% im Vergleich zu 20 % bei der Verwirklichung der Regierungsstrategie sein. Die Preissteigerung wird aber 800 % bis zum Ende des Jahres betragen (50-70 % bei der Regierungsplanung, realistischer geschätzt: 500 %). Das Defizit des Haushaltes wird wesentlich höher ausfallen, als von der Regierung geplant — etwa 7,7% des BSP, aber die Subventionierung der Produktion der Energieträger, Unterstützung hochtechnologischer Branchen, Förderung des Baus usw. könnte mehreren sozialen Problemen vorbeugen. Angesichts der sich verstärkenden Opposition gegenüber der Regierung und der sie unterstützenden politischen Kräfte kann man folgende Szenarien der weiteren ordnungspolitischen Transformation in Rußland und vermittelt in anderen GUS-Republiken erwarten: a) Die Gaidar-Regierung wird flexibler handeln, als Prioritäten der makroökonomischen Stabilisierung werden alle Ziele des „magischen Vierecks" in Betracht gezogen, die Anwendung eines einzigen magischen Heilmittels wird beendet. Vor der Gefahr der schrumpfenden Volkswirtschaft, unter den Bedingungen der zunehmenden Kostendruckinflation, kann das unter anderem die Zulassung einer Hyperinflation und später die Durchführung einer Währungsreform bedeuten. Der andere Weg — 7
Vortrag des Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Russischen Föderation R. I. Chasbulatow auf der gemeinsamen Sitzung der Republikenkammer und der Nationalitätenkammer des Obersten Sowjets der Russischen Föderation am 2. April 1992 „Über die weitere Entwicklung der Wirtschaftsreform in Russland (Diskussionspapier). Moskau 1992 — S. 21-22. (in russischer Sprache).
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durch die weitere Kostensenkung aus der Sackgasse der Produktionssenkung und der steigenden Inflation zu entkommen — scheint heute unrealistisch, weil das Lebensniveau der breiten Massen der Bevölkerung den kritischen Punkt erreicht hat. Der erste Weg kann den sozial-politischen Spielraum der Regierung erweitern und die wichtigsten sozialen Errungenschaften in der Bewegung zur Marktwirtschaft erhalten. Besonders, wenn der Privatisierungsprozeß (einschließlich spontane Nomenklaturprivatisierung) beschleunigt wird. Die Zulassung der Hyperinflation und eine Währungsreform in Rußland werden zuerst große Schäden für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den GUS-Republiken bringen. Man kann erwarten, daß dadurch auch die ordnungspolitische Transformation zur Marktwirtschaft in diesen Republiken gebremst wird, weil die meisten von ihnen große Defizite im Handel mit Rußland haben werden. Die Notwendigkeit zum harten Sparen und zur Festigung des Außenhandelsmonopols wird die Elemente der Zentralverwaltung in diesen Republiken noch verstärken. b) Die „konstruktive Opposition" bestimmt den weiteren Reformkurs. Man kann erwarten, daß versucht wird, die Regulierbarkeit der Wirtschaft wiederherzustellen. Mehrere Bereiche werden administrativ von der Regierung geleitet. Das Modell der „dualen Wirtschaft à la China" wird die Strategie der „konstruktiven Opposition" bestimmen. Es gibt Anzeichen, daß dieses Vorgehen auch von den anderen GUS-Republiken begrüßt würde. Sozial-politisch hatte diese Regierung den größten Spielraum. c) Die wirtschaftliche und soziale Krise bricht im Herbst oder Ende des Jahres in sozialen Unruhen aus. Zentralverwaltungsmechanismen sind in der Situation der hohen Arbeitslosigkeit, Stillegung fast der Hälfte der Industriebetriebe und des Massenelends unumgänglich. Die ordnungspolitische Transformation kann auch zurückgeworfen werden, wenn radikale Kräfte an die Macht kommten. Alle drei Varianten scheinen für mich vom Standpunkt des heutigen Tages gleichwertig. Leider auch die dritte.
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Zerfall und Neuaufbau der Arbeitsteilung zwischen den Republiken/Staaten Von Hermann Clement, München I. Auflösung des bisherigen zentralistischen sowjetischen Wirtschaftraums und -systems 1. Charakteristika des sowjetsozialistischen Wirtschaftssystems der UdSSR
Im sowjetsozialistischen Wirtschaftssystem war die Arbeitsteilung zentral organisiert. Mit Ausnahme von Chruschtschow's Sownarchoz-Experiment geschah dies nach Branchen. Das Regionalprinzip war sekundär. Eigenständige wirtschaftspolitische Rechte der einzelnen Republiken gab es nicht. Echte föderale Strukturen existierten nur auf dem Papier. Alle wichtigen wirtschaftspolitischen Funktionen befanden sich in der Hand der Unionsorgane. Ein einheitliches Außenwirtschafts-, Steuer-, Geld-, Finanz-, Sozial-, Normen- und Transportsystem sicherte einen einheitlichen Wirtschaftsraum. Größter Eigentümer gewerblichen Eigentums war die Union, die über bis zu 70 % des industriellen Eigentums in den einzelnen Republiken verfügte. 1 Die zentrale Preis-, Einkommens-, Sozial- und InvestitionspoAnteil der unionsunterstellten Industrie 1989
Rußland Ukraine Weißrußland Armenien Kasachstan Aserbaidschan Litauen Lettland Turkmenistan Usbekistan Kirgistan Georgien Tadschikistan Estland Moldawien Quelle: Narchoz SSSR, 1989, S. 331.
Produktion
Beschäftigt in der Industrie
69,0 % 58,0 % 53,5 % 50,8 % 49,5 % 46,7 % 39,2 % 38,7 % 37,0 % 34,8 % 33,0 % 31,4% 28,9 % 28,5 % 28,4 %
70,7 % 63,1 % 53,7 % 54,3 % 50,7 % 50,6 % 41,7% 44,9 % 30,5 % 35,5 % 45,9 % 41,9 % 32,1 % 34,2 % 35,6 %
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litik, bei der nicht nur die Neu- sondern auch die Reinvestitionen umverteilt wurden, bewirkten einen gewaltigen regionalen Finanztransfer, dessen Organ der Haushalt der Union war. Die Unionsorgane organisierten die Arbeitsteilung zwischen den Betrieben mit Hilfe von Planvorgaben in Form von Kennziffern und einem zentralen Zuteilungssystem, dem GOSSNAB. Horizontale Beziehungen zwischen den Betrieben und arbeitsteilige Produktion anhand quasi-marktwirtschaftlicher Mechanismen hatten lediglich Ergänzungsfunktion.
2. Auflösungstendenzen innerhalb der Sowjetunion
In der zweiten Phase der Perestroika begann die Erosion dieses Systems. Größere betriebliche Freiheiten erlaubten, in Ansätzen die Arbeitsteilung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu organisieren. Mit der offensichtlichen Schwäche des Zentralstaates und dem Scheitern echter Reformalternativen erkämpften sich die Republiken zunehmend Souveränitätsrechte auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Treibende Kräfte waren dabei das ausgeprägte Souveränitätsstreben einiger Republiken und das zentrale Wirtschaftssystem, das jeder Republik das Gefühl vermittelte, von den anderen Republiken ausgebeutet zu werden. Die aufkommende Versorgungskrise verstärkt den Egoismus in den Republiken noch. Alle Republiken erlangten die Verfügungsgewalt über die Bodenschätze auf ihrem Territorium. Sie begannen, eine eigene Wirtschaftspolitik zu betreiben. Mit Beginn der Versorgungskrise erließen sie „Exportverbote" für Nahrungsmittel und Konsumgüter und beschränkten teilweise deren Verkauf auf die Bürger der eigenen Republiken bzw. Gebietskörperschaften. Der einheitliche Markt wurde dadurch gestört. Die Lieferbeziehungen zwischen den Republiken erfolgten nicht mehr reibungslos. Insbesondere die kleineren Republiken standen vor der Frage, wie unter diesen Bedingungen ihre Abhängigkeit von der russischen „Economique Dominante" erträglich gestaltet werden kann. Ein neues System der Koordination und des Interessenausgleichs war erforderlich. Die Union besaß die notwendige integrative Kraft nicht mehr, und dem alten Wirtschaftssystem wurde mißtraut. Die Interessenbalance konnte nicht mehr herbeigeführt und der Ressourcentransfer nicht länger garantiert werden. Klarheit mußte daher über die zukünftigen Eigentumsverhältnisse, die Reform- und Wirtschaftspolitik, das Währungs- und Finanzsystem, die Außenwirtschaft, das Transportwesen u.s.w. geschaffen werden, wenn die Wirtschaftsbeziehungen zwischen diesen Staaten in geordneten Bahnen neu gestaltet werden sollten. Der hohe Monopolisierungsgrad der bisherigen Sowjetwirtschaft und die regionale Spezialisierung hatten starke Ab-
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hängigkeiten geschaffen. Die Strukturen sind bekannt und werden daher hier nicht eigens dargestellt. Bei den notwendigen radikalen Veränderungen der relativen Preise und dem Ausfall des zentralen Umverteilungssystems zeichneten sich schwerwiegende Anpassungsprobleme ab. 2 Zumindest für die Übergangszeit bestand daher das Bestreben, den gemeinsamen Wirtschaftsraum und einen Teil der Transfers bei gleichzeitig möglichst hohem Grad wirtschaftspolitischer Souveränität der Republiken zu erhalten. Hieraus mußten Zielkonflikte entstehen. Ausdruck dieses Willens war der Vertrag über die Wirtschaftsgemeinschaft vom 18. Oktober 1991. Er zeigt aber auch deutlich, wie weit der Verfall des alten Systems bereits zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten war. 3 Gründungsmitglieder waren neben der Union Rußland, die zentralasiatischen Staaten, Weißrußland und Armenien, also Staaten, die auf die besondere Hilfe Rußlands oder der Union angewiesen sind. 4 Erst mit dem Beitritt der Ukraine und Moldawiens am 6. November hätte dieser Vertrag seine wirkliche Funktion, die zentrale Sowjetwirtschaft auf ein föderales System mit dominierendem marktwirtschaftlichem Koordinationsprinzip innerhalb der Union zu überführen, erreichen können. Das Fernbleiben Georgiens, Aserbaidschans und der drei baltischen Staaten spielte aufgrund deren geringen wirtschaftlichen Potentials und ihrer Randlage keine wesentliche Rolle.5 Erklärtes Ziel des auf Freiwilligkeit beruhenden Vertrages sollte die Erhaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Vertragsteilnehmern unter den Bedingungen der „radikalen wirtschaftlichen Umgestaltung" bei Bildung eines vereinigten Marktes und Durchführung einer koordinierten Wirtschaftspolitik sein. Entscheidend war, daß der Vertrag die bisherigen sowjetischen Realitäten negierte. Noch weitergehender als bei dem gescheiterten Unionsvertrag 2
Vielfach bestand in den kleineren Republiken, insbesondere im Baltikum, aber auch in der Ukraine die Vorstellung, die eigene Republik sei reich, würde nur von den anderen Republiken ausgebeutet. Eine Loslösung von der Union könne nur Vorteile bringen. Diese bereits aus dem RGW bekannte Argumentation ist inzwischen einer weit nüchterneren und ernüchternden Analyse gewichen. 3
Vgl. hierzu K. Bush, Overview of the Soviet Economy, unveröffentlichtes Manuskript. 4 Für die zentralasiatischen Staaten sind es die wirtschaftlichen Abhängigkeiten und die Hoffnung auf Transferleistungen, für Weißrußland die Folgekosten von Tschernobyl und für Armenien der Schutz bei seinen Auseinandersetzungen mit Aserbaidschan. 5
Ihnen war der Beitritt oder eine Assoziierung offengehalten. Vgl. Artikel 3 des Vertrags über die Wirtschaftsgemeinschaft, in: Außenhandel UdSSR, Heft 11-12, 1991, S. 4 (deutsch); Ekonomika i z i z n , Nr. 42, 1991 (russisch).
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wurden der Union die Machtbefugnisse beschnitten. Ihr wurden keine eigenständigen wirtschaftspolitischen Rechte, keine Haushalts- und Steuerrechte und keine eigenständigen Wirtschaftsorgane mehr zugestanden. Die zentrale Emissionsbank sollte einem Fed-System amerikanischen Musters weichen, und die zentrale Wirtschaftspolitik sollte einer „angenäherten" Wirtschaftsgesetzgebung der Teilnehmerstaaten und koordinierten Maßnahmen Platz machen. 6 Als Konzession an Weißrußland und Zentralasien sollte der interrepublikanische Finanzausgleich noch in beschränktem Umfang über Sonderfonds gewährleistet werden. In fast allen ordnungs- und prozeßpolitischen Bereichen waren Auseinandersetzungsregelungen enthalten. Dies legt den Verdacht nahe, daß bei einigen Vertragsteilnehmern dieser Vertrag nur als Vehikel zur völligen wirtschaftlichen Selbständigkeit betrachtet wurde. Das gesamte bisherige System wurde völlig auf den Kopf gestellt. Die originären Rechte lagen jetzt bei den Republiken. Die Union wurde zum Verwalter weniger Gemeinschaftsaufgaben degradiert. Die bisherigen Instrumente der Arbeitsteilung und deren organisatorische Träger waren mit dem Vertrag verlorengegangen. Den einheitlichen Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmarkt wollte man aber weitgehend erhalten. Der freie Warenfluß sollte angesichts der gegenseitigen Abhängigkeit gewährleistet, bereits eingeführte Beschränkungen wieder beseitigt werden. Grundsätzlich freie Preise, ein gemeinsamer, einheitlicher Außenzoll und die freie Mobilität von Arbeitskräften auf dem Territorium der Gemeinschaft sollten die Basis eines gemeinsamen Marktes bilden. 7 6
Artikel 5 des Vertrags zählt folgende Felder auf: Unternehmertum, Waren- und Dienstleistungsmarkt, Verkehrswesen, Energiewirtschaft, Information, Geld- und Bankensystem, Finanzen, Steuern und Preise, Geld- und Effektenmarkt, Arbeitsmarkt, Zoll- und Tarifordnung, Außenwirtschaftsbeziehungen und Währungspolitik, staatliche wissenschaftlich-technische, investitionsbezogene, ökologische, humanitäre und sonstige Programme (darunter für die Beseitigung der Folgen von Natur- und anderen Katastrophen), die von gemeinsamem Interesse für die Wirtschaftsgemeinschaft sind, — Standardisierung, Patentwesen, Meteorologie, Statistik und buchhalterische Erfassung. Vgl. Vertrag über die Wirtschaftsgemeinschaft, in: Außenhandel UdSSR Heft 11-12, 1991, S. 4; Ekonomika i zizn, Nr. 42, 1991. 7 Dafür wurde ein Diskriminierungsverbot, die Anerkennung der Zertifikate und — — — — — — — — — —
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Der Vertrag, der zunächst auf drei Jahre geschlossen werden sollte, konnte jedoch keinerlei Wirkung mehr entfalten. Seine Bedeutung besteht aber darin, und deshalb wurde er hier noch kurz angesprochen, daß er die bereits zu diesem Zeitpunkt — also nach Scheitern des Unionsvertrags, aber vor Auflösung der Sowjetunion — vorhandene wirtschaftspolitische Desintegration und den beginnenden Zerfall der Arbeitsteilung dokumentiert.
3. Die rechtliche Lage nach Gründung der GUS
Mit dem Abschluß der Verträge von Minsk 8 und der offiziellen Auflösung der Sowjetunion in Alma Ata am 21. Dezember 1991 war auch das Schicksal dieses Vertrages besiegelt, und die Desintegration erfuhr eine weitere Bestätigung. Die Vereinbarung über die GUS und das Protokoll enthalten nur noch wenige konkrete Abmachungen über die Wirtschaft. Verbindlich war lediglich der Abschluß eines Bankenabkommens vorgesehen, dessen Ziel primär die Beschränkung der Geldemission sein sollte. Gleichzeitig sollten Verfahrensregeln geschaffen werden, nach denen Wirtschaftsabkommen zwischen den Staaten geschlossen werden sollen. Lediglich zwei konkrete Elemente des bisherigen einheitlichen Marktes, die Verrechnung in Rubeln und der freie Warentransit wurden zunächst festgelegt. 9 Die Schwelle für die Einführung eigener Währungen wurde weiter gesenkt. 10 Budgetrechte erhielt die GUS nicht. Die ordnungs- und prozeßpolitischen Maßnahmen sollten lediglich koordiniert oder abgestimmt werden. Die Mitgliedstaaten wollten jedoch „gemeinsame Anstrengungen zur Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums unternehmen." 11
ein visafreier Verkehr, sowie die Vereinbarung von Sozialversicherungsabkommen in den Vertrag aufgenommen. 8 Vgl. Vereinbarung über die Schaffung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Minsk, 8.12.1991, und die Erklärung über die Koordinierung der Wirtschaftspolitik vom selben Tag, in: Izvestija vom 9.12.1991. 9
Faktisch bestehen jedoch noch viele einheitliche Regelungen. Sie könnten jedoch alle jetzt von den Republiken unterschiedlich gestaltet werden. 10 Es müssen dafür nur noch spezielle Abkommen geschlossen werden, um die Interessen der anderen Staaten zu schützen und eine geordnete Rückführung der Rubel an die Russische Nationalbank zu sichern. 11 Von der ehemals vorhandenen Budgetgewalt der Union blieb nur noch die Vorschrift, innerhalb von zehn Tagen den Umfang und das Verfahren zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben und die Beseitigung der Folgen von Tschernobyl festzulegen, was zumindest befriedigend nicht gelungen ist.
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In kürzester Zeit war damit das zentrale Koordinations- und Finanzsystem zerstört sowie das System regionaler Finanztransfers aufgelöst. Funktionsfähige Organe zur Formulierung und Durchsetzung einer einheitlichen Wirtschaftspolitik gab es nicht mehr. Das bisher zentralisierteste Wirtschaftssystem der Erde war seiner rechtlichen Basis beraubt und seiner Aktionsorgane entkleidet worden und zerfällt in eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsräume. Die Arbeitsteilung zwischen diesen Regionen wie auch zwischen deren Betrieben wurde in Frage gestellt. Gleichzeitig wurden die Eigentumsverhältnisse sowohl regional als auch vertikal entscheidend verändert. Die Situation in diesem Wirtschaftsraum hat sich damit sowohl unter dem Gesichtspunkt der Property-rights als auch der Transaktionskosten dramatisch verschlechtert. Effizienzverluste mußten die Folge sein.
II. Derzeitige ordnungs- und prozeßpolitische Entwicklung auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion Die Wirtschaft der Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist derzeit durch ein Konglomerat noch nicht aufgelöster alter und vielfach noch funktionierender Strukturen, ungeregelter neuer Beziehungen und Koordinationsmechanismen sowie neu geschaffener, vielfach noch nicht wirksamer Instrumente gekennzeichnet. Aufgrund der unzureichenden Datenlage und der unübersichtlichen Situation bei den konkreten Vorgängen läßt sich daher nur ein sehr skizzenhaftes Bild der Wirtschaftsbeziehungen und der Arbeitsteilung auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR und der sich abzeichnenden Entwicklung gewinnen. Wegen der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit will ich nur auf einige wichtige Aspekte eingehen.
1. Eigentums- und Verfügungsrechte
Gravierende Veränderungen vollziehen sich bei den Eigentums- und Verfügungsrechten. Sie werden auch zwischenstaatlich vollkommen neu geordnet und wirken massiv auf die Arbeitsteilung ein. Die einzelnen Republiken haben ihre Eigentumsansprüche bei allen Vermögenswerten durchgesetzt, ohne daß dabei immer Klarheit über den Umfang und die eindeutige Zuordnung der konkreten Verfügungsrechte geschaffen wurde. Die Aneignung erfolgt zumeist unter Anwendung eines rigiden Territorialprinzips. Weder erfolgte bisher eine Bewertung noch ist offensichtlich an
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einen i n t e r r e p u b l i k a n i s c h e n V e r m ö g e n s a u s g l e i c h für d u r c h 70 Jahre a d m i n i s t r a t i v e Preise u n d zentrale I n v e s t i t i o n s p o l i t i k geschaffene regionale V e r m ö g e n s d i s p r o p o r t i o n e n g e d a c h t . 1 2 Für die Z u k u n f t b i r g t dieses Verfahren n o c h v i e l Sprengstoff z w i s c h e n d e n R e p u b l i k e n i n sich. D i e ü b e r r e g i o n a l e n Transportsysteme w u r d e n ebenfalls n a c h d e m Territ o r i a l p r i n z i p aufgeteilt. 1 3 Dies g i l t für A e r o f l o t , die Eisenbahn u n d die Hochseeschiffahrt. Bei letzterer g i n g e n die B i n n e n l ä n d e r fast leer aus 1 4 , o b w o h l sie a n der F i n a n z i e r u n g b e t e i l i g t waren. Erneut e i n deutliches Zeichen, w e l c h e U n g e r e c h t i g k e i t e n b e i d i e s e m Prozeß e n t s t e h e n . 1 5 Offene K o n f l i k t e e n t s t a n d e n b e i m A u s l a n d s v e r m ö g e n der bisherigen UdSSR u n d b e i m i l i t ä r i s c h e n A n l a g e n u n d A u s r ü s t u n g e n . Bekannt ist der Streit u m die Botschaften u n d die Schwarzmeerflotte. W i e für die V e r m ö g e n w e r t e besteht a u c h für die V e r b i n d l i c h k e i t e n k e i n e Auseinandersetzungsregel. N i c h t geklärt ist z.B., w e r die A l t s c h u l d e n der Betriebe, die w i e i n a l l e n postsozialistischen Staaten h o c h u n d a u c h regional w i l l k ü r l i c h v e r t e i l t sind, ü b e r n e h m e n soll. A l l e i n w o ausländischer D r u c k v o r h a n d e n war, w i e b e i d e n A u s l a n d s schulden, w u r d e eine gemeinsame Regelung gefunden. H i e r b e i w u r d e a u c h 12
Um welche Vermögensmassen es dabei geht, zeigt allein das Beispiel Weißrußlands. 618 Industriebetriebe mit einem Kapitalstock vom 35 Mrd. Rbl (Febr. 1992), wurden mit dem Dekret vom 21. Februar in das Eigentum Weißrußlands überführt. 13
Vgl. FAZ vom 7.1.1992. So wurde Aeroflot zerschlagen. Der russische Teil wurde am 17.2.1992 in Airline Russia umbenannt. Vgl. RFE/RL Research Report, 28.2.1992, S. 46. Da zu Aeroflot auch die Flughäfen, die flugtechnischen Einrichtungen und das entsprechende Personal gehörten, gingen auch diese in das Eigentum der Republiken über. Die kleineren neuen Gesellschaften sind aber noch auf die Unterstützung der großen Schwester angewiesen, und die Flugsicherung muß koordiniert werden. Nicht geklärt scheint bisher auch die Verrechnung zwischen den Gesellschaften. Offensichtlich betreiben sie aber bereits eine eigenständige Tarifpolitik. Die Eisenbahn wurde am 20. Februar auf die Republiken aufgeteilt. Sie wird aber weiterhin eng zusammenarbeiten. Vgl. Izvestija vom 3.2.1992. Die Auseinandersetzung der Waggonparks erfolgt sukzessive. Es gibt auch hier Andeutungen, daß die einzelnen Republiken versuchen, sich möglichst hohe Anteile zu sichern, was die Transportbeziehungen derzeit negativ beeinflußt. Auch die Hochseeflotte und die Hafenkapazitäten wurden nur nach dem Sitz der Reederei oder dem Standort der Liege- und Umschlagplätze neu zugeordnet. 14 Vgl. N f A 29.11.1992. Die RSFSR sicherte sich 56 %, die Ukraine 26 %, Letttland 5,6%, Estland 3,2% , Litauen 1,9 %, Georgien 2,8 %, Aserbaidschan 3,1 %. Den Rest teilen sich die acht übrigen Republiken, obwohl z. B. Usbekistan zu einem der wichtigsten Investoren gezählt wird (vermutlich wegen der Devisenerträge aus dem Baumwoll verkauf). 15 Es soll versucht werden, eine über das international übliche Maß hinausgehende Zusammenarbeit wenigstens in der Übergangszeit bei diesen Transportsystemen aufrechtzuerhalten, da insbesondere die kleineren Staaten nicht in der Lage sind, die Systeme allein funktionsfähig zu halten.
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eines der wenigen gemeinsamen Gremien der GUS, der Interbankenrat, geschaffen. Er soll die Ansprüche Rußlands als alleinigem Rechtsnachfolger der UdSSR abwehren. Die Vorbehalte Usbekistans gegen die Stimmrechtsverteilung zeigen aber ζ. B., daß selbst hier großes Mißtrauen gegenüber einer Dominanz Rußlands herrscht. 16 Ganz offensichtlich kann die Vnesekonombank aber die Devisen weder bei den russischen Betrieben noch bei den nichtrussischen Nachfolgestaaten der GUS beitreiben. Es erfolgen daher weder vollständige Zinszahlungen17, noch ist in nächster Zeit an Tilgungen zu denken. Die Kapitalflucht wird auf 1 Mrd. Rubel pro Monat geschätzt. Dies führt zu zunehmenden Spannungen zwischen den Republiken. Es ist daher nicht sicher, daß der Westen gut beraten war, auf einer gesamtschuldnerischen Haftung zu bestehen. Mit der Abgabe der Eigentums- und Verfügungsrechte durch die Union und die Unionsbehörden, ohne daß bisher eine wirkliche sinnvolle Neuzuordnung der Kompetenzen erfolgte, hat sich die ordnungspolitische Situation also erheblich verschlechtert. Die einfachsten Verfügungsrechte sind vielfach noch nicht geklärt. Die für die bisherige Arbeitsteilung entscheidenden Elemente, die Organisation der Lieferbeziehungen für den größten Teil des Materialflusses über die Unionsministerien und GOSSNAB sind offiziell verschwunden. Von einer einheitlichen Leitungs- und Eigentumspolitik der Staaten der GUS kann also in Zukunft nicht mehr ausgegangen werden. Allein die unterschiedlichen Bodenrechte, die in den einzelnen Republiken geschaffen wurden, sind dafür bereits ein Indiz. Nur eine volle marktwirtschaftliche Organisation der zwischenbetrieblichen und interregionalen Arbeitsteilung kann aus diesem Dilemma herausführen.
16
Das Abkommen über die Ergänzung zum Vertrag über die Rechtsnachfolge in bezug auf die staatlichen Auslandsschulden und die Aktiva der Union der SSSR (vom 4. 12. 1991) regelt die Vertretung in dem zwischenstaatlichen Rat für die Kontrolle der Bedienung der Schulden (vom 13. 4. 1992). Kovorsitzende sind die Vertreter Rußlands und der Ukraine. Die anderen Mitglieder ernennen den dritten Ko Vorsitzenden auf Rotationsbasis. Vgl. ITAR TASS vom 14.3.1992. Mit dieser Regelung wurde offensichtlich ein russischer (!) Erlaß aufgehoben, der das Vermögen dieser Bank zwischen den GUS-Republiken aufteilen wollte. Bis zu einer endgültigen Regelung wurde sie jedoch in die russische Rechtsnachfolge übernommen und unter russisches Recht gestellt. Vgl. N f A vom 13.2.1992. 17 Nach Angaben von H. Schulmann, dem Direktor der IIF, hat die Vnesekonombank in den ersten beiden Monaten 1992 von 500 Mio. $ fälligen Zinszahlungen nur 100 Mio. $ geleistet. Gleichzeitig betrage die Kapitalflucht 1 Mrd. US $ pro Monat, Vgl. SZ vom 27.4.1992.
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2. Preispolitik
Die in dem Abkommen über die GUS geforderte abgestimmte Preispolitik wurde bisher nicht realisiert. Bereits zwei Wochen nach Unterzeichnung des Abkommens gab Rußland einen großen Teil der Einzelhandelspreise frei, ohne auf die Wünsche der anderen Staaten, die diese Maßnahme verschieben wollten, Rücksicht zu nehmen. Unterschiedliche Maßnahmen gegen zu schnelle Preisveränderungen haben so zu unterschiedlichen Preisstrukturen in den einzelnen Staaten geführt, die wiederum weitere Ausfuhrverbote in andere GUS-Staaten und Verkaufsverbote an gebietsfremde provozierten. Bis in die Gegenwart hat sich dies nicht geändert, denn auch die Freigabe der Gold- und Wodkapreise durch Rußland vor wenigen Tagen war offensichtlich nicht mit den anderen Staaten abgestimmt. 18 Solange der Übergang zu einer freien Marktpreisbildung auf allen Ebenen mit allen Konsequenzen nicht erfolgt, wird es daher laufend zu negativen Eingriffen in die Arbeitsteilung zwischen den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und den dort ansässigen Betrieben kommen.
3. Finanz- und Steuerpolitik
Verstärkt wird diese Tendenz durch die souverän betriebene Steuerpolitik der einzelnen Staaten. 19 Auf diesem Gebiet wird jedoch einer der weitestgehenden Versuche unternommen, harmonisiert vorzugehen und dem Abkommen über die GUS gerecht zu werden. A n der am 13. 3. 1992 in Moskau geschlossenen Vereinbarung „über abgestimmte Grundsätze der Steuerpolitik" haben sich allerdings nur acht der elf GUS-Staaten beteiligt. Es fehlen die Ukraine, Aserbaidschan und Turkmenistan. 20 Die wenig konkrete Abfassung des Abkommens, die Strukturunterschiede und die ungleiche Leistungsfähigkeit der Wirtschaften sowie die stark 18
Vgl. Financial Times vom 8.5.1992. Es ist nichts bekannt geworden, daß die Russische Regierung ihre neue Einkommenssteuergesetzgebung vom Dezember 1991 mit den anderen Republiken abgestimmt hätte. Vgl. NfA vom 4.2.1992. 19
20 Die Unterzeichnerstaaten wollen in Zukunft einige Steuern mit einheitlichen Grundsätzen hinsichtlich der Tarife und/oder Erhebungsgrundsätze gestalten. Dazu zählen die Gewinnsteuer der Betriebe, die Einkommensteuer natürlicher Personen, die Mehrwertsteuer und einige spezielle Verbrauchssteuern (Akzisen). Für die Mehrwertsteuer ist ein einheitlicher Satz geplant, während für die direkten Steuern noch nicht an Einheitstarife gedacht ist. Die speziellen Verbrauchssteuern sollen nach einheitlicher Warennomenklatur und Abgabesätzen erhoben werden. Vgl. NfA vom 16.4.1992.
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voneinander abweichenden Haushaltsanforderungen lassen jedoch eine Realisierung des Programms äußerst unwahrscheinlich erscheinen. Da die Staaten dazu neigen, vor allem indirekte Steuern zu erheben, werden sie, sofern diese Entwicklung nicht gestoppt wird, gezwungen sein, Steuergrenzen zu errichten. Der gemeinsame Gütermarkt würde dadurch wesentlich erschwert.
4. Geld- und Währungspolitik
Da formal derzeit noch der gesamte Rubelraum besteht, ist grundsätzlich ein einheitliches Medium für die zwischenbetriebliche und interregionale Arbeitsteilung vorhanden. Die Funktion der sowjetischen Nationalbank ist jedoch auf die Russische Nationalbank übergegangen. 21 Gemeinsame Geldpolitik wird bisher praktisch ausschließlich durch Kreditrestriktionen betrieben, da die vorgesehene Mindestreservenpolitik nicht funktioniert. Der Aufbau funktionsfähiger Kapitalmärkte ist noch nicht weitgehend genug vorangekommen. Die Kreditbeschränkungen werden aber durch die gegenseitige Kreditgewährung der Betriebe unterlaufen. W i e die Beschlüsse des Russischen Volkskongresses zeigen, können sich die Betriebe durchaus darauf verlassen, daß diese Kredite irgendwann in Bankkredite umgewandelt werden. Der Dissens zwischen den Republiken ist damit vorprogrammiert, solange eine einheitliche Währung besteht. ' Ausdruck der gemeinsamen Bemühungen um den Erhalt eines einheitlichen Rubelraumes sind der von allen Vertretern der Zentralbanken in Minsk Ende März gegründete Bankenkoordinationsrat, sowie die Protokolle zur Geldpolitik und über gemeinsame Methoden der Finanz- und Kreditpolitik. Allerdings konnte man sich nicht einmal darüber einigen, welchem Staat der Rubel als Währung zuzuordnen sei. Rußland sieht in ihm seine eigene Währung, während viele andere Staaten ihn als Währung der GUS betrachten. 22 Entsprechend ist das Verständnis für die Politik der Russischen Nationalbank und das Verhalten der einzelnen Staaten. Die anderen Staaten klagen weiter über eine ungenügende Zusammenarbeit mit der Russischen Nationalbank. Sie würde ihre Zahlen nicht offenlegen und die 21
Der Abrechnungsverkehr zwischen den Nationalbanken der einzelnen Nachfolgestaaten der Sowjetunion wurde durch Abkommen zwischen der Russischen Nationalbank und den anderen Zentralbanken geregelt, wobei Kreditlimits für die gegenseitigen Korrespondenzkonten vereinbart wurden. Die Russische Nationalbank versprach, eine Koordinierung der Geldpolitik innerhalb der Rubelzone herbeizuführen, wo insbesondere für die Refinanzierungssätze, die Kreditvergabe und einheitliche Reservefonds gelten soll. 22
Radio Rußland vom 1.4.1992 und Handelsblatt vom 18. 3.1992.
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Geldversorgung n i c h t sichern. 2 3 D e r Z u s a m m e n a r b e i t i n d e m n e u gegründet e n Bankenrat ist dies äußerst a b t r ä g l i c h . 2 4 M i t e i n e m U l t i m a t u m h a t Rußland auf der l e t z t e n Sitzung des Bankenrates i n Beschkek die anderen M i t g l i e d e r auf seine Stabilisierungspolitk eingeschworen. 2 5 Diese h a b e n sich offensichtlich n u r z ä h n e k n i r s c h e n d gebeugt, da sie v o n Lieferungen aus Rußland abhängig sind. Eine gewisse U n a b h ä n g i g k e i t v o n der Russischen Staatsbank u n d d e m Rubel w o l l e n einzelne Staaten daher d u r c h die E i n f ü h r u n g v o n K u p o n s erreichen. U. a. e x i s t i e r e n sie oder w e r d e n gerade eingeführt i n Litauen, W e i ß r u ß l a n d 2 6 , der Ukraine 2 7 , M o l d a w i e n 2 8 u n d Kasachstan. 2 9 A m w e i t g e h e n s t e n ist ihre F u n k t i o n i n der Ukraine. Seit d e m 1. A p r i l w i r d m i t i h n e n p r a k t i s c h der gesamte Bargeldumlauf abgewickelt. Pannen b e i der Einführung h a b e n allerdings d e n Ruf u n d d e n W e r t des K a r b o w a n e z erhebl i c h geschädigt. 3 0 23
Der Zentralbankpräsident Rußlands hat in Izvestija allein für das zweite Quartal 1992 ein Bargelddefizit von 66 Mrd. Rbl vorausgesagt. Obwohl i m Januar und Februar 26 Mrd. Rubel mehr gedruckt wurden als in den beiden Vormonaten, fehlt überall Bargeld. Bargeldloser Zahlungsverkehr und der Gebrauch von Schecks, die jetzt zugelassen wurden, entwickeln sich erst langsam. Zudem kam es zu Störungen in den gegenseitigen Finanzbeziehungen. In Estland sind von der Russischen Nationalbank sowohl Sparguthaben in Rubel als auch Devisengutahaben bei der Außenwirtschaftsbank eingefroren worden. Vgl. N f A vom 4.5.1992. 24 Die Klage führte der kirgisische Präsident. Kirgisien werde aber wegen der schlechten Erfahrungen der anderen Staaten zunächst keine eigene Währung einführen. Vgl. FAZ vom 4.5.1992. 25
Vgl. Financial Times vom 11.5.1992.
26
Die weißrussischen Mehrfach-Kupons haben eine Stückelung von 0,50, 1, 3, 5, 10, 25, 50 und 100 Rubel. W i e die ukrainischen Kupons haben die einzelnen Scheine die gleiche Größe und unterscheiden sich nur durch die Farbe. Sie besitzen Seriennummern und tragen vollen Banknotencharakter. Zunächst sollen sie nur für Defizitwaren eingesetzt werden, die in Weißrußland vielfach billiger sind als in den anderen Republiken. Später sollen sie als Parallelwährung fungieren. Der Kurs soll 1 Kupon für 10 Rubel sein. Alle nichtbaren Zahlungen erfolgen weiterhin in Rubel. Die Kupons können gleichzeitig sofort als eigene Währung dienen, falls in Rußland eine Währungsreform durchgeführt werden sollte. Einführungstermin voraussichtlich 1. Mai. Vgl. Nezavisimaja Gazeta, 14. A p r i l 1992. 27
Vgl. Moscow News, Business News, Jan. 1992, S. 5. Zu Ukraine siehe auch Ekonomiceskaja Gazeta, Nr. 2, 1991. 28 Vgl. TASS, 6.1.1991. 29 Vgl. NfA, vom 7. Jan. 1992. 30 Vgl. So war ζ. B. zunächst nicht einmal festgelegt, zu welchem Kurs er vom Bargeldkreislauf in den Rubel, der den Buchgeldkreislauf immer noch beherrscht, transferiert werden kann. Auch der festgelegte Wechselkurs war illusorisch. Die Ukrainische Nationalbank hat ihn am 28. Jan. mit 1 $ gleich 14 Coupons festgesetzt. RFE/RL Research Report, 7.2.1992, S. 45.
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Bei der Planung für die Einführung eines eigenen Rubels als Parallelwährung in Lettland 31 taucht zum ersten Mal das entscheidende Argument für die Ersatzwährungen offen auf, das auch bei den anderen Staaten unterschwellig vorhanden ist: man müsse bei einem währungspolitischen Alleingang Rußlands abgesichert sein. 32 Die Tendenz eigene Währungen einzuführen, nimmt zu. Konkrete Pläne bestehen in der Ukraine, Weißrußland, Moldawien, Armenien und Usbekistan sowie in den Baltischen Staaten. 33 Neuerdings hat auch Kasachstan dies angekündigt. Diese Entwicklung entbehrt auch nicht einer gewissen Logik, denn es ist Jawlinskij zuzustimmen, wenn er sagt: „Finanzielle Stabilität ist schon schwer zu erreichen mit einer Währung in einem Staat mit einer Regierung und einem Finanzkonzept". Nach wie vor hängen aber alle 15 ehemaligen Sowjetrepubliken mit unabgestimmten Konzepten am Rubel. 34 Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß sich Rußland mit dem gestellten Ultimatum dieser Last entledigen oder aber die volle Entscheidungsgewalt in währungs- und finanzpolitischen Fragen erhalten will. Eine abgestimmte Politik wird aufgrund der enormen Interessenunterschiede der einzelnen Staaten nicht mehr realisierbar sein. Hinzu kommt das extrem geringe Vertrauen gegenüber Rußland auch in Währungsfragen. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, daß keiner der zum Rubelraum zählenden Staaten sich nach der Aufnahme in die Weltbank und den IWF der Wahlgruppe Rußlands anschließen will. Die Baltischen Staaten haben sich bereits der skandinavischen Gruppe angeschlossen. Die Ukraine will sich Holland und Aserbaidschan Belgien anschließen. 35 31
Vgl. Financial Times vom 8.5.1992. M i t denjenigen Republiken, die eigene Währungen einführen, sollen Sondervereinbarungen über den Einzug der Rubel auf deren Territorium geschlossen werden. Vgl. Memorandum über die Wirtschaftspolitik der Russischen Föderation vom 4.3.1992. 32
33
Da die Gefahr besteht, daß bei Einführung eigener Währungen in diesen Staaten der Geldkreislauf zu Lasten Rußlands zu stark aufgebläht wird, haben Rußland und die Ukraine z.B. vereinbart, daß die Ukraine den anderen Mitgliedstaaten den Termin für die Einführung einer eigenen Währung bekanntgeben wird und die Rubel auf ihrem Gebiet dann einzieht und an die Russische Zentralbank abliefert. RFE/RL Research Report, 28.2.1992, S. 42. Auch die Wechselkurs- und internationale Schuldenpolitik wollen diese Staaten nicht mehr Rußland allein überlassen. Der fehlgeschlagene Versuch der Ukraine, mit den anderen Staaten die Außenwirtschaftsbank der Aufsicht und Jurisdiktion Rußlands Ende Februar zu entziehen, zeigt dies deutlich. Die meisten Staaten begannen mit dem Aufbau einer eigenen Außenwirtschaftsbank, und der Beitritt zum IMF bzw. zur Weltbank mit eigenen Quoten dürfte auf diesem Gebiet die Trennung endgültig vollzogen haben. 34 35
Vgl. Handelsblatt vom 27./28.3.1992. Vgl. FAZ vom 29.4.1992.
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Auch die internationale Geschäftswelt reagiert bereits darauf; von Intitutional Investors wird bereits eine eigene Ratingliste für die GUS-Staaten erstellt. 5. Einheitlicher Markt
In der letzten Phase der UdSSR wurde, wie gezeigt, der einheitliche Markt durch Lieferverbote und Verkaufsbeschränkungen zunehmend zerstört. Diese Störungen setzten sich auch 1992 fort. 36 Ein einheitlicher Markt existiert derzeit praktisch nicht. Zwischen einigen zentralasiatischen Staaten sollen nach vorliegenden Meldungen Grenzstationen aufgebaut worden sein. Ebenso ζ. B. zwischen der Ukraine und dem anderen GUS-Mitgliedstaat Moldawien sowie im Baltikum. Trotz der einheitlichen Währung wurde der Warenaustausch zwischen den GUS-Staaten auf bilaterale Handelsabkommen umgestellt, wobei der Kompensationshandel stark in den Vordergrund tritt. Im Mittelpunkt aller bisherigen Handelsverträge steht die Sicherung der Energieversorgung. 37 Die fortschreitende Bilateralisierung zeigt auch der Verrechnungsverkehr. Er wird im zweiseitigen Rubel-Clearing abgewickelt, wobei ein Kontenausgleich anzustreben ist. Jedes Land kann diesen selbständig herbeiführen. 38 Es gibt wohl kaum eine sicherere Methode, den Handel weiter einzuschränken. Die noch nicht vollzogene vollständige Preisfreigabe bei Rohstoffen und Energieträgern führte zur Einführung von Reexportverboten. Nur dadurch konnte die gegenseitige Belieferung mit diesen Gütern gesichert werden. 39 36 A m 13. Januar beschränkte die Russische Regierung die Lieferung 60 wichtiger Güter in die anderen Republiken, u. a. mit der Begründung, daß die Versorgung im Inland nicht befriedigt sei und daß die anderen GUS-Republiken ähnliche Beschränkungen erlassen hätten. TASS vom 10.01.1992. In Protokollen haben Rußland und Kasachstan diese Beschränkungen aber für Rohstoffe wieder gemildert, vgl. N f A vom 5.2.1992. 37 38
Vgl. RFE/RL Research Report, 20.3.1992, S. 42. Vgl. NfA vom 6.3.1992.
39
Die GUS-Staaten vereinbarten am 14.2.1992 in Minsk ein Reexportverbot für Waren im Jahr 1992, für die das Ursprungsland eine Exportquote festgelegt oder Lizenzpflicht eingeführt hat. Ein Reexport kann nur mit Zustimmung des Ursprungslandes erfolgen. Bei Zuwiderhandeln kann das Ursprungsland Restriktionen gegen das Empfängerland erlassen. Der Waren- sowie Zahlungs- und Verrechnungsverkehr erfolgt zwischen den Unternehmen auf der Grundlage freier Marktpreise. Bei wichtigen Waren, die im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommen geliefert werden, können Höchstpreise vereinbart werden. Preise für Güter, bei denen Anbieter auf dem Gebiet der GUS Monopolstellungen haben, werden im Rahmen einer gesonderten Vereinbarung geregelt. 10 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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Wichtigste Lieferanten von Energie sind Rußland, Turkmenistan und Aserbaidschan. Aserbaidschan und Turkmenistan fordern daher den Übergang zu Weltmarktpreisen innerhalb von zwei Jahren. Eine ähnliche Bestimmung haben Rußland und die Ukraine in ein gegenseitiges Wirtschaftsabkommen für 1992 aufgenommen. 40 Erst nach diesem Übergang könnten die Reexportverbote abgebaut werden, ohne daß es zu Konflikten kommt. Die Russische Regierung bringt zwar in ihrem wirtschaftspolitischen Memorandum den Willen zum Ausdruck, den gemeinsamen Wirtschaftsraum aufrechtzuerhalten. Die quantitativen Beschränkungen sollen aufgehoben 41 und der Preiszusammenhang sowie die Arbeitsteilung zwischen den Staaten der GUS möglichst nicht gestört werden. Offensichtlich ist dies aber an Bedingungen geknüpft. So erklärte ζ. B. der Vorsitzende des Russischen Zollkomitees, daß Rußland Zollstationen an seinen Grenzen zu anderen GUS-Staaten errichten werde, wenn die Reexportverbote für Rohstoffe nicht eingehalten würden. 42 Neben den Preisstrukturen sind auch die unausgewogenen Handelsströme für die auftretenden Probleme verantwortlich. Sie sind zum großen Teil Folge der alten zentralen Investitions- und Strukturpolitik, die auch die regionale Spezialisierung schuf. Fast alle Staaten haben gegenüber Rußland hohe Defizite. Mit dem Übergang zu Weltmarktpreisen würden sich diese Defizite noch wesentlich erhöhen. Aufgrund mangelnder Lieferwilligkeit oder -fähigkeit der Partner will Rußland daher seine Lieferungen drosseln und hat dies bereits in allen Handelsabkommen für 1992 vereinbart. Die Ausfuhren in die GUS, einschließlich Baltikum, sollen auf Weltmarktpreisen gerechnet gegenüber 1991 um 25 Mrd. $ gesenkt werden, die Einfuhren um 5 Mrd. $. Damit soll der Aktivsaldo von 24 Mrd. auf 5 Mrd. $ zurückgehen. 43 Die Drosselung der gegenseitigen Lieferungen wirkt sich vor dem Hintergrund der bisherigen Arbeitsteilung besonders negativ aus. Die Produktion in der bisherigen Sowjetunion war hochgradig monopolisiert. 44 Die Unterbrechung der Zulieferbeziehungen führt daher zu gravie40
Vgl. NfA vom 6.3.1992. Artikel 45 spricht aber davon, daß „Die quantitativen Lieferbeschränkungen in andere ehemalige Sowjetrepubliken ... auf die Waren reduziert (werden), deren Export auch im Handel zwischen der Russischen Föderation und Drittländern quantitativen Beschränkungen unterliegt." Dabei ist nicht feststellbar, ob sich dies auf die GUS-Staaten oder die Staaten bezieht, die sich nicht der GUS angeschlossen haben. 41
42 43
Vgl. NfA vom 19.2.1992. Vgl. N f A vom 19.2.1992.
44 Vgl. u.a. O. Ivanova, Die Konzentration in der sowjetischen Industrie, Berichte des BiOst. Nr. 23, 1991, sowie Promyslennost' SSSR, Stat. Sbomik, 1990, S. 56-58.
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renden Störungen in der Produktion. Naturgemäß sind davon die kleineren Staaten, die viel stärker auf diese Zulieferungen und den Absatz in den anderen GUS-Staaten angewiesen sind als etwa Rußland, am meisten betroffen. So beträgt der Anteil der Importe am Verbrauch in Armenien, Tadschikistan und Estland etwa 30 %, in Rußland aber nur 15 %. Der Exportanteil an der Produktion liegt in Weißrußland, Georgien, Aserbaidschan und Armenien über 25 %, in Rußland jedoch nur bei 10 %.45 Die bisherigen Vereinbarungen zur Aussetzung der Exportquoten und Lizenzen und zum freien Transport zwischen den GUS-Staaten haben daher kaum Ansätze für eine neuerliche Vertiefung der Arbeitsteilung gebracht. Die Zerstörung der Lieferbeziehungen hat enorme wirtschaftliche Konsequenzen. Eine Berechnung des Russischen Verbandes der Industriellen und Unternehmer kommt zu dem Ergebnis, daß 1991 60 % des industriellen Produktionsrückgangs in diesen Staaten auf den Zusammenbruch der Arbeitsteilung, insbesondere zwischen den Republiken, zurückzuführen seien. 46 Mit dem Abkommen über die Grundsätze der Zollpolitik vom 14.3.1992 soll dieser negative Prozeß umgekehrt werden. Diesem Abkommen gehören aber nicht einmal alle Staaten an. Die teilnehmenden Staaten gründen eine Zollunion als eigenständiges Völkerrechtssubjekt, mit einem gemeinsamen Zollterritorium und einem gemeinsamen Zolltarif. Ein gemeinsamer Zollrat wird eingerichtet. Angesichts der immer noch bestehenden engen Verflechtungen der monopolisierten Betriebe ist dies ein richtiger Weg, die wichtigsten Wirtschaftbeziehungen im GUS-Raum oder in Teilen davon aufrechtzuerhalten bzw. zu erneuern. Funktionieren wird diese Gemeinschaft aber nur, wenn die Preise freigegeben und damit keine administrativen Eingriffe größerer Art in die Handelsströme erforderlich sind, und wenn ein funktionierendes Verrechnungssystem entweder mit einem gemeinsamen Rubel oder eine funktionsfähige Zahlungsunion mit realistischen Wechselkursen geschaffen ist. Konvertible Währungen sind kurzfristig in den meisten dieser Staaten nicht zu erwarten. Nur in diesem Falle könnten die Kontingentierungs- und Handelsvertragssysteme aufgehoben werden und die Zollunion eine sinnvolle Funktion erfüllen. 6. Finanzausgleich
Da die mit der massiven Veränderung der relativen Preise erforderliche strukturelle Anpassung, die die einzelnen Staaten unterschiedlich trifft, 45 46
io·
Vgl. Narchoz 1990, Moskau 1991, S. 639. Vgl. Russisches Fernsehen vom 23.02.1992, 20.15.
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nicht gemeinsam finanziell abgesichert wird 47 , besteht die große Gefahr, daß es durch zu schnelle Anpassungsprozesse mit entsprechenden Produktionsausfällen in einigen Staaten angesichts der oben gezeigten Lieferstrukturen zu weiteren Einschränkungen der Arbeitsteilung mit kumulativen Effekten kommt. 7. Abgestimmte Wirtschaftspolitik
Daher wäre eine abgestimmte Wirtschaftspolitik von größter Bedeutung. Darauf konnten sich die Vertreter der GUS-Staaten aber auch auf ihrem Treffen im März nicht einigen, obwohl dieser Tagesordnungspunkt bereits seit dem Treffen i m Januar behandelt werden sollte. Siebzehn dafür vorgelegte Abkommen wurden nicht unterzeichnet. 48 Bisher wurden im Februar in Minsk nur allgemeine, weitgehend unverbindliche Regeln verabschiedet. 49 Alle durch den Russischen Volkskongress verabschiedeten wirtschaftspolitischen Maßnahmen erfolgten ζ. B. nicht unter dem Vorbehalt einer Abstimmung in der GUS. Es besteht daher nur geringe Hoffnung auf ein Zustandekommen einer gemeinsam abgestimmten Wirtschaftspolitik. Die wirtschaftlichen Bedingungen der einzelnen Staaten sind zu verschieden und erfordern daher unterschiedliche Maßnahmen. Ohne verbindliche Beschlüsse, die in einen Finanzausgleich eingebunden sein müßten, wird eine gemeinsame Wirtschaftspolitik nicht mehr erreichbar sein. Nur selten wird daher noch die Forderung laut, wirkliche Kontrollorgane für die Durchführung von Beschlüssen der GUS zu schaffen. 50 Bisher besitzen die wenigen Organe der GUS weniger Rechte als die des ehemaligen RGW. 51 Nach der Sitzung in Kiew erklärte daher Krawtschuk, daß zwar 17 Beschlüs47 Ein direkter Finanzausgleich existiert nicht mehr. Transferleistungen sind nicht mehr vorhanden. 48 Vgl. SZ vom 14./15.3.1992. 49 Darin verpflichteten sich die Staaten, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen „auf der Grundlage gegenseitigen Nutzens" zu gestalten, beim Handel zwischen den einzelen Unternehmen Marktpreise zugrundezulegen und ein Abkommen über die Verbindlichkeiten der früheren Staatsbank der Sowjetunion innerhalb von zwei Wochen auszuarbeiten. Vgl. FAZ vom 17.02.1992. 50
Vgl. Dies forderte ζ. B. der kirgisische Präsident. Vgl. Radio Rußland 29.3.1992,
17.00. 51 Der oberste Rat der Staatschefs der GUS, in dem jeder Mitgliedstaat eine Stimme hat und die Entscheidungen als Konsens zu treffen sind, muß nur zweimal im Jahr zusammentreten. Bei Entscheidungen können die Staaten auch ihre „Uninteressiertheit" bekunden. Der Rat der Regierungschefs soll mindestens einmal im Quartal zusammentreten. A u c h er kann keine verbindlichen Beschlüsse fassen. Ein einflußreiches ständiges Organ existiert nicht.
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se gefaßt worden seien, bisher aber noch keine Situation erreicht sei, die vom Rat gefaßten Beschlüsse auch in die Tat umzusetzen. 52
I I I . Was wird aus der Arbeitsteilung in der GUS? Trotz der Abkommen vom März und April, die partielle Ansätze für Integrationsmaßnahmen von einigen GUS-Staaten zeigen, geben derzeit wohl eher die desintegrativen Momente den Ton an. Gerade in letzter Zeit wird über die Nichteinhaltung der Zusagen in den Regierungsabkommen zur Sicherung der gegenseitigen Lieferungen Klage geführt. W o dies möglich ist, suchen sich die Betriebe lukrativere Absatzmöglichkeiten und akzeptieren keine Staatsaufträge, mit denen die Handelsprotokolle durchgesetzt werden müssen. 53 Rußland scheint auch immer weniger gewillt, die Führungsrolle in der GUS voll auszufüllen und die Kosten dafür zu tragen. Nach einiger Zeit der Irritation hat es akzeptiert, daß die anderen Staaten auf ihre Eigenstaatlichkeit pochen. Andererseits fehlt diesen aber zumeist die politische Kraft und die Fähigkeit, diese auf allen Gebieten durchzusetzen. Ein Fortbestehen des Rubelraums für die Republiken, die kein eigenes Geld einführen wollen, würde zwar bedeuten, daß diese auf ein bestehendes System aufbauen können und die Transaktionskosten bei der Arbeitsteilung niedrig halten. Es bedeutet aber auch, daß die Gefahr einer monetären Hegemonie Rußlands nicht gebannt ist, wodurch die wirtschaftliche und politische Souveränität dieser Republiken stark beeinflußt wird, worauf fast alle allergisch reagieren. IWF-Experten empfehlen zwar den meisten Republiken, noch einige Zeit auf eine eigene Währung zu verzichten. 54 „Eine eigene Währung würde die wirtschaftlichen Reformen nicht erleichtern. 55 " Dies kann bereits unter rein wirtschaftlichen Aspekten angezweifelt werden, da in den einzelnen Republiken offensichtlich die Verhältnisse so unterschiedlich sind, daß eine hochgradig abgestimmte Wirtschaftspolitik mit einheitlicher Währung ohne einen funktionierenden und umfangreichen Finanzausgleich wohl nicht möglich ist. Da dieser nicht mehr organisierbar ist, würden damit auch die 52
Vgl. UKRINFORM-TASS vom 21.3.92. Vgl. u.a. die Klagen der kasachischen Regierung, N f A vom 4. 5. 1992. 54 Auch IWF-Direktor Camdessus neigt, trotz anderer früherer Äußerungen, als er eine eigene Währung als Ausdruck eigener Souveränität betrachtete, nun der Ansicht seiner Experten zu. Der I W F werde aber die Entscheidung der Republiken akzeptieren. 53
55
Vgl. FAZ vom 21.4.1992.
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Reformen in einigen Staaten mit Sicherheit erschwert. Unter Einbeziehung politischer, soziologischer und psychologischer Gegebenheiten ist dies aber noch fraglicher. Immer mehr Stimmen sehen in der GUS daher nichts anderes als einen zivilisierten Weg des Verfalls der UdSSR.56 Die Staaten versuchen daher bereits, sich in ihrer Arbeitsteilung vom ehemaligen Sowjetmarkt zu lösen. A m deutlichsten wird dies bei der Energiepolitik, wo sie eine Diversifizierungsstrategie betreiben. Die westlichen Staaten der GUS orientieren sich zudem in einer oft illusionären Politik verstärkt nach Westen und suchen einen irgendwie gearteten Anschluß an die EG bzw. an die Reformstaaten Osteuropas. Auch in Zentralasien wächst das Mißtrauen gegen imperiale Tendenzen Rußlands, ob dies gerechtfertigt ist oder nicht. Ihre Probleme, wie der Absatz der Produkte aus ihren landwirtschaftlichen Monokulturen, die Belieferung mit russischem und ukrainischem Getreide oder die Sicherung anderer wichtiger Zulieferungen, wurden in der GUS trotz mehrmaligen Antrags noch nicht behandelt. Diese Staaten fühlen sich daher im Stich gelassen. Es ist somit nicht verwunderlich, daß sie ihre Kontakte nach Asien und in die islamische Welt ausbauen. Dabei wollen sie gemeinsam vorgehen. 57 Sie planen die Einrichtung eines zwischenstaatlichen Investitionsfonds und einer gemeinsamen Bank. 58 Ihr Glaube, daß die anderen GUS- Staaten ihnen bei den schwierigen Umstrukturierungsprozessen helfen werden, geht langsam verloren. Allein können sie die Kosten dieser strukturellen Änderung der Arbeitsteilung nicht tragen. Es ist somit nicht zu verkennen, daß sich die GUS-Staaten trotz einiger Ansätze für einen Neuaufbau der Arbeitsteilung offensichtlich auf den „Tag danach" vorbereiten. Die westliche Politik und Wirtschaft wäre gut beraten, nicht dieselben Fehler zu begehen wie in Jugoslawien. Wunschdenken ist ebenso gefährlich wie von der politischen und regionalen Realität abgehobener Rat.
56
Vgl. UKRINFORM-TASS vom 21.3.1992.
57
Eine entsprechende Vereinbarung wurde im A p r i l 1992 in Bischkek beschlos-
sen. 58
Vgl. SZ vom 24.4.1992.
Zur Währungspolitik im TransformationsprozeQ der GUS-Staaten Von Eirik Svindland, Berlin*
Inhalt I. II. III. IV. V. VI. VII.
Übersicht Handelspolitisches Scenario Probleme der Rubel-Union heute Modelle für die Festigung der Währungsunion Neue Währungen? Konvertibilität und Wechselkurs Ergebnis: Vorschlag eines GUS-Währungsbundes
I. Übersicht Dieser Text soll zur Beantwortung der Frage beitragen, was die GUSStaaten außenwirtschaftspolitisch tun können, um den Handel wiederzubeleben und so gemeinsam zur Lösung gemeinsamer Probleme beizutragen? Für die gesuchte Antwort gilt als wichtige Nebenbedingung, daß sie Probleme berücksichtigen muß, die sich in Verbindung mit Struktur- und Systemwandel in den einzelnen GUS-Staaten ergeben. Hier wird der währungspolitische Teil der Antwort entwickelt. Er fußt auf einer Analyse der Handelsbeziehungen, die im nächsten Abschnitt zusammenfassend wiedergegeben wird. Ein zentrales Ergebnis ist, daß die vereinbarte Zollunion wenig Aussicht auf Erfolg hat, und daß Zölle zwischen den GUS-Ländern vielmehr ein nützlicher Ersatz für die gegenwärtigen Exportbeschränkungen sein können. Auf dieser Grundlage sollte eine Lösung für die finanziellen Probleme der Handelsbeziehungen zwischen den GUS-Staaten gesucht werden. Insbesondere muß der Zahlungsverkehr wesentlich schneller werden und die beteiligten Regierungen müssen einen Weg zur Bildung eines flexiblen Netzes von Kreditbeziehungen öffnen. Für beide Problembereiche gilt, daß die Lösungsansätze sich i m Zusammenhang mit der Antwort auf die Frage * Redaktionsschluß: August 1992.
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ergeben, ob die GUS weiterhin auch eine Währungsunion sein wird (sein sollte). Diese Frage ist auch ohne Zollunion relevant, da Zollgrenzen zwischen Teilen eines Währungsgebietes zwar selten aber durchaus praktikabel sind — ebenso wie es möglich ist, Freihandel zwischen Währungsgebieten einzuführen, die durch flexible Wechselkurse getrennt sind. Eine problemorientierte Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der Währungsunion und eine Diskussion von Modellen für ihre Fortführung bilden deshalb die Themen der Abschnitte drei und vier. A m Ende folgt die Skizze eines Währungsbundes. Die Kooperation in diesem Bund würde auch für die anderen — ebenfalls notleidenden — ehemaligen RGW-Länder interessant und möglich sein.
II. Handelspolitisches Scenario Als die ehemaligen Republiken der UdSSR den GUS-Vertrag schlossen, befanden sie sich in dem sog. „Krieg der Gesetze", waren die Handelsbeziehungen der verschiedenen Regionen der UdSSR zu Tauschhandel degeneriert und wurde dieser Warenaustausch überall durch Exportbeschränkungen behindert. Das waren die Weichen für die zukünftige Handelspolitik. Im Vergleich dazu ist die Konstruktion der GUS in wirtschaftlicher Hinsicht zu anspruchsvoll. Der Vertrag verlangt von den Mitgliedern, daß sie wirtschafts- und ordnungspolitische Gemeinsamkeiten haben, die nicht mehr existieren und in der nächsten Zukunft umso weniger schnell wiederaufgebaut werden können, je länger die Teilnehmer die negativen Erfahrungen des gegenwärtigen Widerspruchs zwischen Anspruch und Alltag erleben. Dieser Widerspruch kommt in den Rahmenbedingungen für die Handelsverträge für das Jahr 1992 deutlich zum Ausdruck. Es wurden bilaterale Tauschhandelsverträge vereinbart, die mit der Maßgabe schrittweise erfüllt werden sollen, daß der bilaterale Wertausgleich nicht verletzt wird. Die Vertragspartner konsidierten außerdem, daß Kontrollprobleme existieren, die eine Ausführung der zugesagten Lieferungen verhindern könnten. Da ein solcher Fall nicht die Gewährung eines vorübergehenden Kredits sondern die Zurückhaltung von schon fälligen Zahlungen und eine Kürzung von weiteren Lieferungen zur Folge hat, haben diese Handelsverträge die unangenehme Eigenschaft, daß die Handelsströme kleiner werden können als vorgesehen. Es wird eine neue Ordnung der Handelsbeziehungen zwischen GUSLändern gebraucht, die den Handel nicht systematisch bremst, sondern eine Öffnung für unvorhergesehene Handelszunahmen vorsieht. Auf der Grundlage der besorgniserregenden Entwicklung von heute behaupte ich, daß die Änderung der Beziehungen nicht dem Wortlaut des GUS-Vertrages folgen muß, um nützlich und zukunftsweisend zu sein. Denn es gilt
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— nicht, daß die GUS-Staaten ihre Handels- und Wirtschaftspolitik eng, mehr als andere souveräne Nachbarstaaten, koordinieren müssen, um ihre Handelsbeziehungen und den Fortgang des wirtschaftlichen Transformationsprozesses zu sichern, — sondern, daß jedes Land Freiheiten braucht, um den eigenen Transformationsweg zu gehen, ohne katastrophale Störungen der Außenwirtschaftsbeziehungen hinnehmen zu müssen. Der Fall der baltischen Staaten muß hier ein warnendes Beispiel sein. Der Internationale Währungsfonds hat versucht, eine Entwicklung zu initiieren, die die Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes annähernd (wieder-)herstellt und die zugleich auf der Grundlage stattfindet, daß viele der gehandelten Güter administrativ festgesetzte Preise haben. Dafür wird ein umfassendes Paket von speziellen Abmachungen benötigt. Es werden so zu hohe Ansprüche an die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Regierungen von GUS-Staaten gestellt. Meines Erachtens können nur die Aufhebung von Preisbindungen und die Zulassung von „Weltmarktpreisen" eine fruchtbare Grundlage für die nach wie vor benötigten Handelsbeziehungen herstellen. Dafür müssen die betreffenden Staaten durchführbare Änderungen ihrer Wirtschaftspolitik einführen: Eine Änderung hilft, das Problem der Monopole zu eliminieren. Es handelt sich um den Übergang zu einer konsequent nationalen Wettbewerbspolitik, die vor allem mit dosierten Öffnungen für ausländische Konkurrenz und — im Prinzip — nur im Falle der nicht-handelbaren, lokalen Güter mit Preiskontrollen arbeitet. Eine zweite Änderung hilft das Problem der „weichen" Budgetrestriktionen für Unternehmen zu bekämpfen. Die Änderung besteht in der Einführung von staatlichen Subventionszahlungen an (relativ arme) Haushalte als Ersatz für die gegenwärtigen Zahlungen an Produzenten. Die dritte Änderung, die ich für unabdingbar halte, betrifft Produktionen, die einerseits — zunächst — aufrechterhalten werden sollen, andererseits so unproduktiv sind, daß sie zu Weltmarktpreisen nicht bestehen können. Für sie müssen Preise vorübergehend zugelassen werden, die über den entsprechenden Weltmarktpreisen liegen und deshalb mit nationalen Zöllen abgeschirmt werden. Es ist wichtig, zukünftige Hilfen für Haushalte und den Zollschutz für Produktionen nur als Korrekturen von relativ großen Problemen aufzufassen. Denn die repräsentativen Produktivitäts- und Qualitätsprobleme der Unternehmen müssen sich in einem entsprechend niedrigen Lebensstandard der Bevölkerung niederschlagen, und sie können über den Wechselkurs als Handelsbilanzproblem kompensiert werden, wenn das betreffende Land eine eigene Währung hat.
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Meine Vorstellung ist also, daß die GUS-Staaten ihre Inlandspreise von handelbaren Gütern so anpassen können, daß weder Regierungen noch Produzenten Märkte gegen ausländische Kunden abschirmen wollen, und die Regierungen die vorhandenen Exportbeschränkungen deshalb aufheben und eher durch Importhindernisse ersetzen — also, daß Verhältnisse eingeführt werden, wie wir sie aus der restlichen Welt kennen. Mit Ausgangspunkt in den so entstandenen Importzöllen kann jedes Land mit seinen Nachbarn — nach dem Muster der Verträge der EG mit den einzelnen EFTA-Ländern — Importerleichterungen produktweise aushandeln und dabei versuchen, alle Außenhandelsbeziehungen reziprok so weit zu liberalisieren, wie es sich im Inland durchsetzen läßt. So kann die Transformation des Wirtschaftssystems und die Entwicklung alter und neuer Handelsbeziehungen simultan und damit insgesamt schneller als in dem Falle stattfinden, daß die Transformation der einzelnen GUS-Staaten innerhalb der Schranken der vorgesehenen Zollunion stattfindet. 1 Es ist naheliegend, daß die GUS-Staaten, die gegeneinander Handelsschranken wie Zölle aufrechterhalten oder neu aufbauen, sich an den GATTRegeln orientieren. M i t der Zeit können die Branchenprobleme der GUSStaaten soweit gelöst oder angeglichen sein, daß die Bildung einer Zollunion mit dem Ziel des internen Freihandels wieder — für einige Nachbarn — aktuell wird. W i r sollen in diesem Zusammenhang nicht die lange Zeit vergessen, die die EG-Länder gebraucht haben, um ihre gegenseitigen Handelshemmnisse abzubauen, und wir sollen vor allem nicht vergessen, wie der Welthandel trotz der vielen Importhindernisse wachsen konnte. Ausschlaggebend ist, daß Exporte zustande kommen — wenn sie nicht administrativ verhindert werden — weil bestimmte Importgüter benötigt und zu dem angebotenen Preis für gut befunden werden. Die Regierung des Ausfuhrlandes braucht sich nicht um diesen Preis zu kümmern. Auch Monopolbetriebe — in der ehemaligen UdSSR —, die nach den Rahmenvereinbarungen für den Intra-GUS-Handel zu ausgehandelten Preisen liefern müssen, sollten keinen Anlaß für derartige Regierungsvereinbarungen geben. Allgemein gilt, daß jedes Land das Problem der bestehenden GUSMonopole für sich ebenso lösen kann, wie das Land wo der jeweilige Monopolist produziert — also hauptsächlich mittels der Öffnung für Konkurrenz aus Drittländern und eventuell mittels einer eigenen Preiskontrolle (Preiskontrollen gehören zu den souveränen Rechten eines jeden Staates).
1 Diese Vorstellung von einem schrittweisen Vorgehen findet man in PisanyFerry und Sapir, Trade and transition to the market: a survey of the key issues, Beitrag zur „Conference on interstate economic relations in the former Soviet area", 17-18. Januar 1992 in Brüssel.
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Und was gilt für die Regierung des importierenden Landes, wenn es sich um Lieferungen handelt, die erforderlich sind, weil Produktionen technisch aufeinander abgestimmt sind? Das ist bekanntlich in der GUS vielfach der Fall. In solchen Monopolen vermutet man die Gefahr der Ausbeutung durch den erforderlichen Lieferanten. Die gleiche A r t von Beziehungen bestehen jedoch auch in den westlichen Industrieländern zuhauf, ohne besondere Probleme zu verursachen. Der Grund liegt darin, daß der Lieferant von dieser Geschäftsbeziehung in der Regel ebenso abhängig ist und sich stets hüten muß, den Kunden zu verlieren. Die vorübergehende Abhängigkeit des Kunden muß sich darin äußern, daß er bereit ist, einen kostendeckenden Preis zu bezahlen. Handelt es sich um einen Preis, der wegen Produktivitätsproblemen über dem vergleichbaren Weltmarktpreis liegt, dann gilt zunächst dasselbe, und es ist dann für die beiden Länder handelspolitisch von Vorteil, daß keine Regierungsvereinbarung diese Lieferbeziehung zementiert. Der Vorteil liegt u. a. darin, daß die Regierungen sich dann auch über die Schließung von Produktionsstätten unterhalten müßten. Verhandlungen über ein solches ergänzendes Abkommen würden so viele Uneinigkeiten zutage fördern, daß sie ein weiteres Argument für den hier vorgeschlagenen Weg der eigenständigen Handelspolitik darstellen. Eigenständige Entwicklungen müssen ohnehin erwartet werden. Ansonsten hätte keine Pressemitteilung der „Group of 10" hervorgehoben — was auch die betroffenen Bürger erwarten — ,daß jedes Land selbst die Verantwortung für seine ökonomische Transformation trägt. 2 Camdessus stimmte in einer Rede zu und sagte außerdem: Die Republiken der ehemaligen UdSSR entdecken jetzt ihre Unterschiede. Um erfolgversprechend zu sein, müssen ihre Reformprogramme diesen Besonderheiten entsprechen und auf ihrer eigenen Wahl beruhen. 3 So gesehen, ist „Zollunion" eine Schimäre, weil die GUS-Regierungen keine Konvergenz sondern divergierende Entwicklungen betreiben. Die Einheitlichkeit der Entwicklung ist sogar innerhalb der Russischen Föderation stark gefährdet. Zur Entwicklung in seinem eigenen Land bemerkte Nasarbajew, der Präsident von Kasachstan, in einem Interview: „... so bin ich zum Schluß gekommen, daß kein einziges Modell vollkommen auf unseren Boden transplantiert werden kann. Es gibt nur gewisse Orientierungshilfen. Beispielsweise gefällt mir das südkoreanische Modell." 4
2 Pressemitteilung nach dem Treffen der Minister und Notenbankchefs der „Group of 10" am 29. A p r i l 1991 in Washington. Wiederabgedruckt im IMF-Survey vom 13. Mai 1991 veröffentlicht. 3 Michel Camdessus in einer Rede am 15. A p r i l 1992 an der Georgetown University. Der Wortlaut dieser Rede wurde i m IMF-Survey vom 27. A p r i l 1992. 4 Financial & Business News, Moskau, vom 27. März 1992, Seite 2.
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I I I . Probleme der Rubel-Union heute Als die UdSSR auseinanderfiel, wurde ihre Zentralbank zunächst in eine politisch kontrollierte Bundesbank umgewandelt. Anschließend wurden die Mitglieder dieser Bundesbank zu selbständigen nationalen Zentralbanken. Die russische Zentralbank behielt die Kontrolle über die Emission des Rubels, der nun als der Russische Rubel bezeichnet wird. Sie öffnete Konten der übrigen neuen Zentralbanken und bot an, sie mit Bargeld zu versorgen und die Zentrale für die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zwischen ihnen zu sein. Damit wurden fünf Probleme der Konstruktion und Funktionsweise der Rubel-Union konkret: — Erstes Problem: die Zuordnung des Bestandes an UdSSR-Bargeld, der außerhalb Rußlands im Umlauf ist. Da dieses Geld nach wie vor ein zugelassenes Zahlungsmittel ist, schätzte die russische Zentralbank die Bestände in den einzelnen Ländern — auf der Grundlage des bisherigen Zuteilungsschlüssels — und verbuchte diese Bestände als Verbindlichkeit des betreffenden Staates, um zu verhindern, daß dieses Geld im Falle eines Austritts aus der Zahlungsunion — wenn es ausgetauscht ist — für Einkäufe in Rußland verwendet wird. — Zweites Problem: die Versorgung mit neuem Bargeld. Die russische Zentralbank vertritt den Standpunkt, daß neues Bargeld nicht nach einem Schlüssel einfach auf die beteiligten Zentralbanken verteilt werden soll wie bisher, sondern daß die anderen Zentralbanken dieses Geld von ihr kaufen sollen. Dafür muß die betreffende Zentralbank entweder zuerst ein Guthaben aufbauen oder einen Kredit aushandeln. Wenn der Rubel in einem Land durch eine neue Währung ersetzt wird, dann findet eine Währungsreform statt — analog zur Währungsreform in Westdeutschland im Jahre 1948, sowie analog zum Ersatz der DDR-Mark durch D M ; Geldschulden und -Verbindlichkeiten werden in einem bestimmten Verhältnis umgestellt, und Bargeld wird — gegebenfalls zu einem anderen Wechselkurs — gegen neue Geldscheine ausgetauscht. Es ist überflüssig, die Verteilung des alten Rubelbargeldes im Voraus zu schätzen und daraus Forderungen abzuleiten, da Verträge zwischen Rußland und anderen Rubel-Ländern einen geordneten Austritt aus der Währungsunion vorsorglich regeln können. Ein solcher Vertrag kann vorsehen, daß abgegebenes Rubel-Geld an die russische Zentralbank weitergegeben werden soll. Solche einvernehmlichen Regelungen sind im GUS-Vertrag vorgesehen. Auf einer Tagung in Brüssel stimmten die Teilnehmer aus Rußland und der Ukraine zu, daß die Einführung einer neuen Währung in der skizzierten Weise erfolgen kann. Der vereinbarte Mustervertrag wurde in einer Pressemitteilung vom 17. Februar 1992 verbreitet. 5 Zur gleichen Zeit schlossen 5
Diese Pressemitteilung ist im IMF-Dokument SM/92/69 als Anhang wiederabgedruckt worden.
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jedoch die Regierungen Rußlands und der Ukraine ein Abkommen, das das Bargeld in der Ukraine zu ukrainischem Eigentum machte. Damit wurde die Einführung einer neuen Währung für die Ukraine — voraussichtlich — politisch erschwert, denn die Ukraine kann ihr Eigentum auch nach der Einführung der neuen Währung nutzen und für den Verzicht auf Güterkäufe etwas verlangen. Das ist vermutlich der Grund, weshalb die Zentralbanken der Rubel-Zone in ihrem Vertragsentwurf vorgesehen haben, daß neue Währungen als lokale Parallelwährungen eingeführt werden. Auf diese Weise kann ein wachsender Umlauf an wiederverwendbaren Kaufberechtigungsscheinen (Coupons) elegant als ein fließender Übergang zur eigenen nationalen Währung verstanden werden. So gesehen, kann man von einem der Beispiele dafür sprechen, wie die Praxis in der GUS nachträglich in Verträgen sanktioniert wird. Die Frage ist nur, ob auf diese Weise wirkliche Problemlösungen oder ungewollte Entwicklungen zustande kommen. Ich neige zu der zweiten Interpretation. Die wiederverwendbaren Coupons könnten das Instrument für den Einstieg in eine lokale Geldwertstabilisierung sein. Als Parallelwährungen werden sie dann ständig gegenüber dem Rubel aufgewertet. In der bisherigen Praxis ist es aber jedoch evident, daß sie zur Überwindung der Knappheit an Bargeld und damit zur Fortführung der Inflation dienen. Mit diesem Geld wird versucht, ein Verteilungsproblem zu umgehen. Die russische Zentralbank verstärkte dieses Problem als sie sich nicht mehr an die bisherige Praxis der Bargeldzuteilungen hielt. Es handelt sich um ein reales Problem, wo die gemeinschaftliche Lösung den beteiligten Regierungen große Schwierigkeiten macht. Der Kern des Problems liegt in einem Widerspruch zwischen den gegenwärtigen Handelsverträgen einerseits und der Forderung der russischen Zentralbank andererseits. Der Handel mit bilateralem Wertausgleich verhindert, daß nennenswerte Netto-Guthaben bei der russischen Zentralbank entstehen, die sich für den Kauf von Bargeld verwenden lassen. So lange dieses Wertausgleichsprinzip nicht offiziell abgeschafft ist, gibt es auch keine Grundlage für die Gewährung von Krediten. Hinzu kommt, daß Länder, die ein beachtliches Defizit im bisherigen Handel mit Rußland hatten — also Hilfe bekamen — vor zusätzliche Probleme gestellt werden, wenn sie kurzfristig sogar einen Überschuß erzielen und an Rußland abgeben sollen. Die betroffenen Zentralbanken und die russische Zentralbank konnten sich nicht grundsätzlich einigen. Bargeld wurde dennoch auf Kredit geliefert, aber viel weniger als die Empfänger auf der Grundlage des bisherigen Verteilungsschlüssels in den ersten Monaten dieses Jahres erwarteten. Mit Geld aus „dunklen Kanälen", wie Umgehungen der Exportkontrollen, mittels der wiederverwendbaren nationalen Coupons und mittels einer forcierten Einführung von Schecks und Kreditkarten haben die betroffenen Länder
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diese Zahlungsmittelknappheit aber dann so entschärft, daß sie die Rubelinflation bisher voll mitmachen konnten. Unter Druck vom Internationalen Währungsfonds haben die RubelZentralbanken einen Vertrag zur Regelung ihrer Beziehungen inzwischen entworfen. Er sieht vor, daß sie einen Koordinationsausschuß bilden und diesem Ausschuß das Recht übertragen, den Umfang und die Verteilung von neuen Geldemissionen zu bestimmen. Demnach würden alle Rubel-Zentralbanken an der Geldschöpfung beteiligt sein und für Bargeld nichts bezahlen müssen. Die Zustimmung der Regierungen fehlt jedoch noch, und es ist fraglich, ob sie überhaupt gegeben wird. Wenig spricht dafür, daß die Russen ihren Anspruch auf Dominanz aufgegeben haben. — Drittes Problem: die Versorgung mit Buchgeld (Krediten der Zentralbank). Die Bundesbank der UdSSR war eine instabile Konstruktion, weil alle Mitglieder Geld unkontrolliert schöpfen konnten und diese Möglichkeit unkoordiniert zu Gunsten der Kreditnehmer in der eigenen Republik nutzten. Die russische Zentralbank wollte die gesamte Geldschöpfung unter ihre Kontrolle bringen. Es ist die gesamte Geldschöpfung, die zur Bildung eines Koordinationsausschusses motiviert. Alle Rubel-Zentralbanken schöpfen nach wie vor Rubel-Buchgeld in der Form von Krediten an Banken und Gebietskörperschaften. In dieser Hinsicht hat sich wenig im Vergleich zum Krisen jähr 1991 geändert — auch nicht hinsichtlich des Vergleichs zum Beggar-My-Neighbour-Verhalten als Ursache der Inflation. Es liegt somit ein großer Bedarf an einer effektiven Koordinierung der Geld- und Kreditpolitik vor. Die Frage ist jedoch, ob und gegebenenfalls wie man diese kooperative Lösung zustande bringt. — Viertes Problem: die Konditionen der russischen Zentralbank. Für die anderen Zentralbanken der Rubelunion will sie weder gratis arbeiten noch Kredite kostenlos zur Verfügung stellen. Sie erwartet zumindest dieselbe Bezahlung, wie im Geschäft mit russischen Gebietskörperschaften. Es ist überhaupt nicht strittig, daß die russische Zentralbank eine Bezahlung für ihre Leistungen erhalten soll, und daß die anderen GUS-Staaten nicht günstigere Bedingungen als der russische Staat erhalten sollen. Umstritten ist vielmehr, in welchem Umfang und in welcher Qualität diese Leistungen erbracht und gekauft werden müssen. Dazu gehört zunächst die Frage nach der Art sowie Größe der „working balances", die die anderen Zentralbanken bei der russischen für die Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs halten müssen. Soll es sich um echte, variierende Guthaben handeln, oder werden auch Kreditlinien zur Verfügung gestellt? W i e groß sollen die eventuellen Kreditlinien sein? Was sollen Überziehungskredite kosten?
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Die russische Zentralbank hat gleich zugesagt, daß sie im Prinzip bereit ist, Kreditlinien zu gewähren. Darüber hinaus ist wenig Einigkeit erzielt worden. Für die einzelnen bilateral abgerechneten Handelsbeziehungen wurden Korrespondenzkonten dennoch eingerichtet und mit minimalen Kreditgewährungen benutzt. Der Mangel an ausreichenden, geregelten Kreditlinien bremst den Handel und trägt zur langsamen Abwicklung von Zahlungen bei. — Fünftes Problem: der Zahlungsverkehr. Um die übrigen Änderungen im Rubelgebiet durchzusetzen, schnitt die russische Zentralbank den direkten Zahlungsverkehr zwischen Banken in verschiedenen Rubel-Ländern ab. Banken, die früher Filialen einer UdSSR-Bank waren und einen Teil ihres Zahlungsverkehrs entsprechend intern (direkt oder über ihre Zentrale in Moskau) durchführen konnten, müssen nun die Dienste der Zentralbanken beanspruchen. Die UdSSR hatte ein ineffizientes Zahlungssystem. Nach ihrer Auflösung ist der Zahlungsverkehr zwischen ihren ehemaligen Republiken noch viel schlechter geworden, weil Notenbanken diese Vorgänge nun kontrollieren und damit zwangsläufig verzögern. Eine Zahlungsanweisung des Unternehmens A in der Ukraine an das Unternehmen Β in Kasachstan geht nun zunächst zum regionalen Clearingzenter der ukrainischen Zentralbank, wird von da nach Kiew geschickt, von Kiev nach Moskau — zur russischen Zentralbank —, von Moskau nach Alma Ata und zuletzt zur zuständigen Niederlassung der kasachischen Zentralbank ehe Β das Geld von seiner Bank bekommt. Wenn wir außerdem berücksichtigen, daß die Zahlungsanweisung den ganzen Weg mit der verrufenen Post befördert wird und auf allen Stationen von Arbeitnehmern mit einer ebenso verrufenen Arbeitsmoral bearbeitet wird, dann können wir die Misere erklären. Selbst für Zahlungen zwischen Rußland und einem anderen GUS-Land ist eine weitere Verzögerung um Monate eingetreten. Nicht die Technik des Zahlungsverkehrs, sondern das Prinzip seiner Organisation ist hier nlein Thema. Die Kanalisierung durch Zentralbanken manifestiert keine Währungsunion sondern Nicht-Konvertibilität, und der Umweg über Moskau stellt eine besonders umständliche Handhabung dieser Nicht-Konvertibilität der Währung dar. Es ist folglich auch wegen des Zahlungssystems nun wichtig, die Währungsbeziehungen der GUS-Staaten neu zu regeln — entweder als richtige Währungsunion, die zumindest nach innen Konvertibilität hat, oder als Währungsbund, der mit einer effizienten Organisation des Zahlungssystems und mit möglichst wenigen Konvertibilitätseinschränkungen zur Revitalisierung der Handelsbeziehungen beitragen kann.
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IV. Modelle für die Festigung der Währungsunion Nun stehen drei Modelle für die mögliche Fortführung der Rubel-Union zur Diskussion — das Modell „Currency-Boards", das Modell „Deutsche Bundesbank" und das Modell „Kooperation der GUS". Sie haben alle die Eigenschaft, daß man auf ihrer Grundalge die formulierte Zielsetzung einer Rubel-Union erfüllen kann. — Das Modell „ Currency Boards" beinhaltet, daß nur die russische Zentralbank die umfassenden Funktionen einer echten Zentralbank behält; wir denken hier insbesondere an die Geldschöpfung und an die Politik bei der Festsetzung von Konditionen für Kredite der Zentralbank. Die übrigen zehn GUS- Zentralbanken sind wie Satelliten und schränken sich auf die Rolle von „Currency Boards" ein. Das heißt, daß sie die Geschäfte der Banken im eigenen Land beaufsichtigen und eigenes Geld im Umlauf bringen können, wenn sie — im Prinzip mit einer 100 prozentigen Deckungsquote — über entsprechende Devisenreserven verfügen und versprechen, ausgegebenes Geld jederzeit gegen die Reservewährung einzulösen. Die Reservewährung wäre in diesem Falle der Rubel der russischen Zentralbank und der Wechselkurs wäre 1:1. Es wäre also unwesentlich, ob er oder ein lokaler Rubel als Zahlungsmittel und für die Spezifikation von Geldschulden verwendet wird — die Unterscheidung zwischen den beiden Rubelformen würde lediglich der nationalen Identifikation dienen. 6 Die Devisenreserve eines Currency Boards besteht gewöhnlich aus geldmarktfähigen, verbrieften Forderungen, wie Schatzwechsel, die Zinsen tragen. Eigenkapital und Erträge aus der Aufnahme eigener Verbindlichkeiten (Einlagen oder Schuldverschreibungen) verwendet er für diese Reserve. Um den Zugang von Deviseneinlagen zu sichern und um einen umfangreichen Nettoabgang zu verhindern, bietet er höhere Zinsen als man im Land der Reservewährung für vergleichbare Forderungen erhält. Somit gilt, daß das Zinsniveau im Currency-Board-Gebiet allgemein höher als im Land der Reservewährung liegt, und daß die lokale Geldemission mit einem Zinsverlust verbunden ist, der umso größer ist, je weniger Eigenkapital zu Verfügung steht. So funktionierte das System der Goldstandard-Währungen, als es — mit London als unumstrittenem Zentrum — stabil war, und so würde das diskutierte Rubel-System nach der Entwicklung der noch fehlenden organisierten Geld- und Kapitalmärkte funktionieren. Vorläufig steht nur die Ausstattung mit Eigenkapital-Reserven zur Diskussion. 6 Siehe James M. Boughton, The CFA Franc Zone: Currency and Monetary Standard, IMF Working Paper/91/133, zur Beschreibung und Beurteilung der sehr ähnlichen Funktionsweise der Währungsunion zwischen Frankreich und einigen ehemaligen Kolonien in Afrika.
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Gegenwärtig könnten die Satelliten in einem Currency-Board-System die erforderlichen russischen Rubel kaufen oder als Geschenke bzw. Kredite erhalten. Da Kredite zurückgezahlt werden sollen und somit letzlich in einen Rubelkauf resultieren, lasse ich diese Alternative außer Acht. Die Voraussetzung für den Kauf ist, daß verwendbare Forderungen aus einem Überschuß im Handels- und Leistungsverkehr vorliegen. In dieser Version entspricht das Modell der schon erwähnten Maximalforderung der russischen Zentralbank. Sie hat diesen Kauf ihrer Rubel nicht durchsetzen können und hat deshalb — wie berichtet — im Prinzip zugestimmt, daß neue Rubel nach Beschlüssen eines Koordinationsausschusses der Rubel-Zentralbanken zustande kommen und auf die Mitglieder verteilt werden sollen. Das wäre die Geschenk-Lösung für den Erwerb von Reserven. Was würden die GUS-Zentralbanken mit dieser Modellösung gewinnen? Das übliche Argument für die Empfehlung, daß ein bestimmtes Land keine gewöhnliche Zentralbank, sondern nur ein Currency-Board haben sollte, ist, — daß dieses Land eine intern fehlende monetäre Stabilität importiert und Nutznießer der „Credibility" der Reservewährung wird sowie — daß die Außenwirtschaftsbeziehungen erleichtert werden, da Konvertibilitätsrestriktionen vis-à-vis der Reservewährung nicht existieren. Dafür zahlt die lokale Regierung in der Form — eines Verzichts auf die Vorteile einer eigenen Geldpolitik (auch kein Zugang zur Zentralbankfinanzierung von Haushaltsdefiziten) sowie — eines Verzichts auf die Seigniorage aus eigener Geldschöpfung. 7 Im Falle der Rubel-Union würden die Teilnehmer aber keineswegs Stabilität und „Credibility" importieren. Sie würden sich vielmehr nach wie vor am instabilen, unsicheren Boot der Russen festbinden und es den Russen außerdem überlassen, das Schiff wieder flott zu machen.8 Sie verpflichten sich, bis dahin eine Inflationssteuer bezahlen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß GUS-Länder bereit sind, einerseits zur Finanzierung russischer Haushaltsdefizite beizutragen, und andererseits auf eine entsprechende Finanzierung eigener Haushaltsdefizite zu verzichten. Das ist das entscheidende Argument gegen dieses Modell einer Rubel- Union. 7
Siehe hierzu insbesondere Steve H. Hanke und Kurt Schuler, Currency Boards for Eastern Europe, Heritage Foundation Lecture, No. 355, The Heritage Foundation, Washington, 1991. 8 Hier stelle ich im übrigen, eine Analogie zur gängigen Argumentation mit der Geschichte von Odysseus als Gleichnis für die Rationalität/Vorteilhaftigkeit einer langfristig angelegten an Regeln gebundenen Wirtschaftspolitik fest. Dieàe Analogie ist deshalb interessant, weil sie die Grenzen der Standardargumentation aufzeigt. Es kommt eben auf das Schiff an, ob man alleine, schwimmend, oder an Bord, ohne momentanen Einfluß auf die Entwicklung, die größere Chance für einen glücklichen Ausgang der Geschichte hat.
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Wenn das Currency Board Modell für ein GUS-Land von so großem Interesse ist, daß es den politischen Preis zahlen will, dann wird gewiß nicht der Rubel als Reservewährung gewählt, und die Regierung ist dann auch bereit, die erforderliche außenwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit herzustellen und so zu sichern, daß ein Leistungsbilanzüberschuß für ein ausreichendes Wachstum an konvertiblen Währungsreserven sorgt. — Das Modell „Deutsche Bundesbank" kann als eine Weiterentwicklung des Currency- Board-Modells aufgefaßt werden. Nämlich in dem Sinne, daß auch die russische Zentralbank aus dem Bereich der Politik entfernt wird — das heißt: auch in Rußland würde für das Parlament bzw. die Regierung gelten, daß die eigene Zentralbank keine Weisungen annimmt. Die Zentralbanken der 11 GUS-Staaten würden die Hauptniederlassungen (Landeszentralbanken) sein. Ihre Präsidenten und das Direktorium der Bundesbankzentrale, die sie noch gründen müßten, würden den geplanten Koordinierungsausschuß als Zentralbankrat bilden. Dieser politisch unabhängige Zentralbankrat würde geld- und kreditpolitische Entscheidungen treffen und dafür gesetzlich fixierte Richtlinien haben, die den Bestimmungen des deutschen Bundesbankgesetzes ähneln. Es handelt sich dabei um die Versorgung der teilnehmenden Staaten mit ein und derselben Währung. Es wäre eine Währungsunion ohne Einschränkungen. Wir wissen, daß eine solche Organisation der Rubel-Union, wie vorgesehen funktionieren würde, wenn sie erst installiert ist, aber wir wissen aus der deutschen Praxis auch, daß erhebliche wirtschaftspolitische Zielkonflikte aufkommen. In Deutschland treten ernste Zielkonflikte unregelmäßig auf. In Rußland und anderen GUS-Staaten wäre dieser Konflikt auf absehbare Zeit permanent. Das erwarten auch die Regierungen und Parlamentarier, die diese Bundesbank gründen müßten. In jedem der beteiligten Staaten müßte die Unabhängigkeit der Bundesbank, ihre Organe, ihre Aufgaben etc. mit demselben Wortlaut gesetzlich geregelt werden. Auch wenn die politischen Entscheidungsträger im Prinzip bereit wären, der eigenen Zentralbank Autonomie zu gewähren, ist es doch höchst unwahrscheinlich, daß sie sich auf denselben Wortlaut einigen. Bisherige Bemühungen um Kooperation sprechen jedenfalls dagegen. Sie zeigen eine Tendenz zur Ausklammerung bzw. zur Wahl von unverbindlichen Formulierungen, wenn etwas strittig ist. Diese Strategie ist im Falle der Gründung einer Notenbank ausgeschlossen. Das hinreichende Argument, um das Bundesbank-Modell ad acta zu legen, ist aus meiner Sicht aber, daß das russische Parlament seine Zustimmung entweder verweigern oder bald widerrufen würde. In anderen GUSStaaten dürfte die Situation nicht viel anderes sein. Die Gründe sind,
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— daß die erforderlichen Kreditmärkte noch nicht existieren und es somit noch keine Alternative dazu gibt, daß die Zentralbank direkt oder indirekt für die Finanzierung öffentlicher Haushaltsdefizite sorgt, und — daß viele Abgeordnete sowie „Provinzfürsten" weltanschaulich dagegen sind, daß die „Politik" ihren Einfluß auf die Wirtschaft einschränkt. — daß die verantwortlichen Politiker sich vom Zentralbankgeschäft so lange nicht zurückziehen können, sondern prinzipielle Beschlüsse treffen und entsprechende Richtlinien für die Zentralbank formulieren müssen, wie die Währung eine eingeschränkte Konvertibilität hat. Das letzte Problem resultiert aus Anlässen für Konvertibilitätsbeschränkungen, die in jedem Falle außerhalb der Kontrolle einer autonomen Zentralbank liegen würden. Ich denke zum Beispiel an die Situation, daß man wegen der internen politischen Entwicklung mit einer starken Präferenz für Kapitalexporte und nicht mit kompensierenden Investitionen aus dem Ausland rechnen kann. Wir dürfen annehmen, daß dies die Situation aller GUS-Staaten ist, und daß es in einigen noch lange so bleibt. — Das Modell „Kooperation der GUS" unterscheidet sich vom Modell „Bundesbank" eben dadurch, daß eine aktive, wenn auch indirekte Beteiligung von zuständigen nationalen politischen Gremien (Regierung oder Parlament) zugelassen wird. Diese nationalen Gremien würden in dem Kooperationsausschuß vertreten sein, der die geld- und kreditpolitischen Entscheidungen für die Gemeinschaft trifft. In den einzelnen Mitgliedstaaten würde die Zentralbank zu den Beratern des zuständigen Gremiums zählen, und selbstverständlich ist es möglich, die Zentralbank in der Zusammensetzung der Delegation zum Kooperationsausschuß zu berücksichtigen. Diese und alle anderen Fragen, die für andere Mitglieder ohne Belang sind, würden in der alleinigen Zuständigkeit der jeweiligen Nation liegen. Es müßte allerdings in der Zuständigkeit des Kooperationsausschußes liegen, zu bestimmen, ob die Interessen der übrigen Mitglieder berührt sind, wenn ein Land eine Angelegenheit autonom regeln will. Damit fangen die Schwierigkeiten der Einführung dieses Modells an. Was gilt für Probleme, wie die Grundsätze für — Spezialisierungen im Kredit-Versicherungswesen — zum Beispiel: welche Geschäfte sollen für Sparkassen oder für Versicherungsgesellschaften zugelassen werden? — Verfahren der Zulassungen und Aufsicht von Kreditinstituten? — Kredite/Refinanzierungen — wird die Verteilung es Zentralbankgeldes von strukturpolitischen Erwägungen beeinflußt? Das bisherige Verhalten von zum Beispiel Rußland und der Ukraine deutet nicht gerade an, daß diese Länder bereit wären, sich in solchen Fragen dem Votum der anderen zu beugen. 1Γ
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Als die ehemaligen Republiken der UdSSR Ende 1991 versuchten, diese politisch bestimmte Kooperation zu institutionalisieren, scheiterte das Vorhaben, ein „Federal Reserve System" zu bilden, bereits an der Uneinigkeit über die Verteilung der Stimmrechte der neuen Staaten. Zu den weiteren anerkannten Gemeinschaftsproblemen, die ähnlich schwer zu lösen sind, gehören, wie die teilnehmenden Staaten — Verantwortungen und Verbindlichkeiten unter sich aufteilen, — ihren eigenen Zugang zu Auslandsschulden regulieren, — die Arbeit auf ihre Zentralbanken verteilen — zum Beispiel müßte jemand das Devisenmarktgeschäft übernehmen, — knappe Devisen für Zwecke verteilen, die den Konvertibilitätsrestriktionen unterliegen. — ihre Zentralbanken für weitere Kreditfinanzierungen von Staatsausgaben heranziehen wollen, — Seigniorage feststellen (berechnen) und unter sich aufteilen, — im Koordinationsausschuß zu einem Beschluß kommen — es ist die Frage nach der Geschäftsordnung, — und wie sie die oben genannten Verträge revidieren. Es ist also nicht hinreichend, wie Nuti und Pisani-Ferry vorschlagen, Einigkeit darüber zu erzielen, daß zusätzliches Bar- und Kreditgeld nach den Anteilen am gemeinsamen Volkseinkommen verteilt wird. 9 Ich rufe den bisherigen Mißerfolg bei der Verteilung der Verbindlichkeiten aus Auslandsschulden der UdSSR in Erinnerung und frage skeptisch dazu, wie die betreffenden Staaten dieses Problem im Paket mit weiteren Problemen, wie dem Zugang zu zusätzlichen Auslandsschulden, leichter als bisher lösen würden. Besonders konfliktträchtig würde die Einigung über die Rolle der Zentralbanken als Finanzier der öffentlichen Haushalte sein. Es ist nämlich nicht hinreichend, im Koordinationsausschuß Einigkeit über die Geschäftspolitik, Pflichten und Rechte der Zentralbanken zu erzielen, wenn der Staat sich indirekt bei den refinanzierten Banken bedienen kann. Meine Diskussion der Spielregeln als Anforderungen für die Teilnehmer begründet, warum wir unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht damit rechnen können, daß eine dauerhafte, stabile Lösung in der Form einer GUS-Währungsunion gefunden wird. Es ist — in meiner Darstellung — nicht ein Problem von Interessengegensätzen, die man mittels eines klugen, anreizkompatiblen Vertrages neutralisieren könnte, sondern ein Problem von gemeinsamen Interessen, wo die Grundlagen und Erwartungen nicht ausreichen, um diese Gemeinsamkeit auch in Taten umzusetzen — wie in 9
Mario Nuti und Jean Pisani-Ferry, Post-Soviet Issues: Stabilization, Trade and Money, Paper for the CEPR-Conference on The Economic Consequences of the East, Frankfurt/Main, 20-21. März, 1992.
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einem Oligopol, das weder die Preisführerschaft eines Mitgliedes akzeptiert noch ein Kartell bildet. V. Neue Währungen? Ich bin also sehr skeptisch bezüglich der Erfolgsaussichten, wenn man versucht, der gegenwärtigen „Währungsunion" der GUS-Staaten ein funktionsfähiges, organisatorisches Korsett zu geben, um damit ihre formale Auflösung zu verhindern. Ich drehe deshalb die Fragestellung jetzt um und frage: Was spricht dafür oder dagegen, daß Länder aus der Währungsunion mit Rußland austreten? Den anerkannten, theoretischen Zugang zu dieser Frage haben wir in der Theorie der optimalen Währungsgebiete. Die Frage nach der optimalen Größe eines Währungsgebietes kann aus rein geldtheoretischer Sicht beantwortet werden. Man orientiert sich dann allein an den wirtschaftlichen Funktionen des Geldes, wie zum Beispiel der Reduktion der Transaktionskosten. Das Ergebnis ist eindeutig: Eine Gebietsmaximierung ist optimal, denn die aggregierten Informations- und Transaktionskosten sind umso niedriger, je weniger Währungen im Gebrauch sind. Aus geldtheoretischer Sicht ist es also einfach, ein optimales Währungsgebiet zu charakterisieren. Wenn man aber berüchsichtigt, daß bestimmte Ziele wie Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung und Wachstum angestrebt werden, daß die Instrumente der Wirtschaftspolitik optimal genutzt werden und daß die Wirkungen der Instrumente regional verschieden sind, dann können diese regionalen Unterschiede hinsichtlich der optimalen Lösung des Politikproblems so groß sein, daß es lohnend sein kann, zwei Gebiete mit Hilfe eines variablen Wechselkurses voneinander zu trennen. Jedes der Gebiete bildet dann eine eigene wirtschafts- und währungspolitische Einheit. Die Theorie befaßte sich zunächst mit den Kriterien für solche Trennungen. Die „klassischen" Beiträge von Mundeil und McKinnon u. a. versuchten, die Eigenschaften des optimalen Gebietes zu identifizieren und verschlossen sich keineswegs vor der Frage, ob es ökonomisch optimal wäre, ein bestimmtes Währungsgebiet zu zerlegen? 10 Die verschiedenen Kriterien, wie die Mobilität von Arbeit und Kapital, die eingeführt wurden, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine vorhandene Währungsgemeinschaft ist für die beteiligten Regionen oder Staaten umso vorteilhafter 10 Robert A. Mundeil, A Theory of Optimum Currency Areas, American Economic Review, Vol. 51 (September 1961), Seite 657-65; Ronald I. McKinnon, Optimum Currency Areas, American Economic Review, Vol. 53 (September 1963), Seite 71725. Eine nach wie vor empfehlenswerte Übersicht zu dieser Theorie gibt Yoshihide Ishiyama, The Theory of Optimum Currency Areas, IMF-Staff Papers, X X I I (Juli 1975), Seite 344-383.
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— je einheitlicher die wirtschaftspolitischen Probleme der beteiligten Regionen/Staaten sind, — je höher die Währungsgemeinschaft als solche bewertet wird, und — je größer die Fähigkeit ist, im gesamten Währungsgebiet die Entwicklung in Verbindung mit externen Schocks zu kontrollieren/steuern. Demnach kann die ehemalige UdSSR kein optimales Währungsgebiet gewesen sein. Der Zerfall dokumentiert dies. Es wurden nicht nur neue Staaten gebildet, sondern de facto auch neue Währungsgebiete, obwohl die Währung nach wie vor als Rubel bezeichnet wird. Denn die neuen Schranken zwischen diesen Gebieten sind größer und auch effektiver, als wir normalerweise annehmen, wenn wir uns theoretisch mit der Aufteilung eines Gebietes beschäftigen. Die Frage ist deshalb jetzt, ob es empfehlenswert ist, der Zerlegung der UdSSR in währungspolitischer Hinsicht eine andere Form zu geben. Um diese Frage zu beantworten, muß ich das theoretische Referenzsystem an dieser Stelle modifizieren: Da die Theorie sich ursprünglich nur mit der Wahl zwischen flexiblen und fixierten Wechselkursen befaßte, geht sie in ihrer Originalversion implizit davon aus, daß Handel und Kapitalverkehr frei von Hindernissen wie Zöllen und Konvertibilitätsbeschränkungen sind. Hier bietet es sich an, die Grenzen eines Währungsgebietes auch als Grenzen für Einschränkungen des Freihandels aufzufassen. Die Abgrenzung eines Währungsgebietes kann also sowohl durch die Variabilität des Wechselkurses als auch durch I
administrative und fiskalische Behinderungen von Wirtschaftsbeziehungen erfolgen. Diese Uminterpretation ist hier notwendig, weil die Frage, ob die GUSStaaten ihre „Währungsunion" mit organisatorischen Mitteln ausbauen und festigen sollten, mit der Erwartung verknüpft ist, daß die beteiligten Länder dann wichtige Hindernisse für den gegenseitigen Handel abbauen würden. Die alternative, analoge Fragestellung ist, ob sie variable Wechselkurse einführen und die „Währungsunion" damit richtig auflösen sollten, um andere Handelshemnisse entfernen zu können. Es ist also nicht die Wahl zwischen einer Währungsunion (unveränderlicher Wechselkurs) und einem flexiblen Wechselkurs, die zur Diskussion steht, sondern die Wahl zwischen einer Währungsunion, variablem Wechselkurs (neuen Währungen) und anderen, jetzt praktizierten Formen der Gebietstrennung. Gemessen an den Handelseffekten wäre der Ausbau der Währungsunion die beste Lösung, weil sie den größten Abbau von Handelshindernissen, somit auch die stärkste Integration und die effizienteste Allokation der Ressourcen ermöglicht. W i r haben aber festgestellt, daß die drei naheliegenden Varianten dieser Lösung, sich so schwer durchführen lassen, daß sie gegenwärtig praktisch ausgeschlossen sind. Somit müssen wir uns mit der zweitbesten Lösung befassen. Das ist — hier — die Einführung von varia-
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bien Wechselkursen, die in den Handelsbeziehungen weniger Schaden anrichten, als die Handelsschranken, die heute gebraucht werden, um die finanziellen Beziehungen der Länder zu regeln. Es findet mit anderen Worten ein Vergleich falscher Alternativen statt, wenn behauptet wird, „die Einführung neuer Währungen zerstöre die wirtschaftlichen Beziehungen." 11 Eine weitere Modifikation des theoretischen Referenzsystems betrifft die implizite Annahme, daß Marktwirtschaften betrachtet werden. Davon kann man im Bereich der GUS wahrlich nicht ausgehen. Hier stellt kein bestimmtes Wirtschaftssystem, sondern ein beabsichtigter, eingeleiteter Transformationsprozeß den Rahmen der Analyse dar. Das impliziert, daß die statische Optimierung der traditionellen Theorie entfällt. Es ist also nicht in Hinblick auf die vorhandene Mobilität von Arbeit und Kapital, daß die Währungsordnung optimal sein soll, sondern in Hinblick auf die Dynamik der angestrebten Entwicklung und mit Rücksicht auf das Wirtschaftssystem der Zukunft. In dieser dynamischen Betrachtung gelten jedoch die oben erwähnten drei Entscheidungskriterien (die Einheitlichkeit der Probleme, die Bewertung der Gemeinschaft sowie die Fähigkeit zur Gemeinschaft) für die Antwort auf die Frage, ob die währungspolitische Kooperation in der GUS so weit gehen sollte, daß die GUS-Staaten ihre Transformation innerhalb einer Währungsunion durchführen sollten. Die Einheitlichkeit der Probleme liegt insofern vor, als die Ausgangslage in allen GUS-Staaten sehr unbefriedigend und von denselben schweren Umstellungsproblemen gekennzeichnet ist. Die Einheitlichkeit wird aber eingeschränkt, wenn die Lösungsansätze in die Problembetrachtung einbezogen werden. Die GUS-Staaten bilden zum Beispiel keine Gemeinschaft hinsichtlich der Einführung von Privateigentum sowie hinsichtlich der Methode und des Umfangs von zukünftigen staatlichen Einflußnahmen auf die Entwicklung — mehr als ein Entwicklungsmodell wird umgesetzt! Die Gemeinschaft wird anscheinend nicht hoch bewertet — jedenfalls nicht in der Bevölkerung. Diese erlebt den Transformationsprozeß zunächst als eine wirtschaftliche Implosion und muß die stark negative Änderung der Lebensbedingungen ertragen. Außerdem hört sie, daß die — jeweils — Anderen nur an sich selbst denken und mit ihrer Handlungsweise verursachen, daß weitere Probleme entstehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang wieder daran, daß die Gebietskörperschaften der ehemaligen UdSSR nicht die kooperative Strategie, sondern ein Beggar-My-Neighbour-Verhalten wählten, als sie versuchten, Probleme der UdSSR von der eigenen, lokalen Bevölkerung abzuwenden. Infolge der Probleme sind ethnische und religiöse Gegensätze inzwischen wieder entflammt.
11
So Iwan Schlägel in der FAZ am 30. Januar 1992, S. 12.
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Die Unfähigkeit zur Gemeinschaft ist vielleicht das wichtigste Problem, weil sie verhindert, daß Guter-Wille-Ansätze zu einer neuen und besseren Kooperation fruchten. Wirtschaftsreformen und drastische Stabilisierungsmaßnahmen eines Landes wirken wie externe Schocks auf die übrigen Mitglieder einer Währungsunion und lösen dort politische Aktionen aus, die wiederum nicht im Sinne des Verursachers sind. 12 Es findet also eine Diskussion zwischen den Regierungen über Reformschritte statt und es müßten Kompromisse gefunden werden, die beinhalten, daß einzelne Staaten bestimmte Sachen früher oder später als von ihnen gewünscht — oder überhaupt nicht — machen. „Gut, das ist die Implikation der Wirtschaftsunion, die mit der Währungsunion folgt" kann man dazu sagen. Ich sage, daß es eine suboptimale Lösung wäre, da struktur- und stabilitätspolitische Argumente auch dann gegen die Wirtschaftsunion (als Zollunion) sprechen, wenn die GUS-Staaten dasselbe Wirtschaftssystem anstreben würden und ihre Transformationspolitik synchronisieren könnten. Es ist ein Recht eines jeden Staates, selbst zu bestimmen, welchen „way of life" die Bürger haben (werden). W i r stellen dieses Recht auch nicht in Frage, wenn wir „Marktwirtschaften" wie Schweden, Griechenland, USA und Südkorea vergleichen. Wechselkurse bilden gute Puffer, wenn markante politische Unähnlichkeiten zu verschiedenen Reformen und Entwicklungen führen. Man kann auch auf folgender Weise argumentieren: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der optimalen Größe des Währungs-/Wirtschaftsgebietes und dem Wirtschaftssystem innerhalb dieses Gebietes. Die UdSSR ist weitgehend an Informationsproblemen gescheitert. Das klassische HayekArgument für das marktwirtschaftliche System (Informationsvermittlung durch Marktpreise anstatt Informationsprobleme der zentralen Wirtschaftsbehörde) wurde somit empirisch bestätigt. Das gibt Anlaß für die Vermutung, daß die optimale Gebietsgröße kleiner wird, wenn das Wirtschaftssystem von Marktwirtschaft zu zentraler Wirtschaftslenkung wechselt. Nun soll der Wechsel in umgekehrter Richtung erfolgen. Im Ausgangspunkt ist das Gebiet also größer als optimal für die zentrale Wirtschaftslenkung, die noch — am Anfang des Transformationsprozeßes — zu den Systemelementen zählt. Es ist somit auch größer als optimal für die Einleitung des Transformationsprozesses. Dies bedingt die Gefahr einer großen Ineffizienz in der Politik, die den Prozeß blockiert. In einem verkleinerten Gebiet, mit weniger Akteuren in der Politik, mit weniger Regionalproblemen und mit weniger Interessenvertretern können die Informationsprobleme der Unternehmen und der Wirtschaftspolitik kleiner, der demokratische Beschlußprozeß und auch Ausführung der getroffen Beschlüsse schneller sein. Das heißt, 12
Siehe hierzu auch Daniel Gros und Alfred Steinherr, From Centrally-planned to Market Economies: Issues for the Transition in Central Europe and the Soviet Union, CEPS Paper 51, Brüssel 1991.
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daß Umstellungen, die das Problem der öffentlichen Budgets und der Finanzierung von Unternehmen lösen, wie Rechtsänderungen etc. schneller erfolgen können. Damit komme ich zurück zur Feststellung von Asynchronitäten. Die einzelnen GUS-Staaten müssen, wenn sie erst die politische Unabhängigkeit gewählt haben, auch die Möglichkeit haben, ihre geld-, fiskal-, struktur- und transformationspolitischen Probleme selbst zu lösen. Dafür wird auch das Wechselkurs-Instrument, eine eigene Währung, gebraucht. Für den Riesen der GUS, für die Russische Föderation ist es analog dringend geboten, eine adäquate föderative Ordnung zu finden, so daß er die Lösung der vorhandenen und anstehenden Probleme übersteht. Diesen Abschnitt fasse ich mit der Aussage zusammen, daß wir als Volkswirte — nur in Einzelfällen gute Argumente gegen die Einführung von neuen Währungen in der GUS haben. Es ist jedoch auch richtig, was der Internationale Währungsfonds vertritt, nämlich, daß die Einführung einer eigenen Währung gut überlegt werden muß, daß sie als Element eines wirtschaftspolitischen Programms stattfinden müßte, daß die Währungsautonomie auch Kosten im Sinne von Problemen verursacht, die entschärft werden, wenn man sich den Zwängen eines der Modelle für eine RubelUnion unterwirft, und daß der Verbleib in einer Rubel-Union nicht passiv, sondern mit entsprechenden Aktivitäten zu bekräftigen ist. In dieser Entscheidung muß auch der folgende Aspekt eines Währungsgebietes Berücksichtigung finden.
V I . Konvertibilität und Wechselkurs Wenn die verantwortlichen politischen Entscheidungsträger in einer Marktwirtschaft erwarten, daß ein unerwünschter Abbau der Devisenreserve der inländischen Zentralbank droht, haben sie verschiedene Mittel, dies abzuwenden. Sie können — eine Wechselkursänderung herbeiführen, — Zölle und/oder Kontingente im Außenhandel ändern, oder — die Konvertibilitätsrestriktionen — also die rechtliche Öffnung für Devisenangebot- und Nachfrage verschieben. Da alle drei Arten von politisch gesetzten Daten im Verbund wirken, sollten sie auch im Verbund beschlossen werden. Dazu gibt es zwei Extremlösungen: Wenn keine Konvertibilität zugelassen wird, wenn also alle grenzüberschreitenden Ein- und Auszahlungen sowie Geldtransfers kontrolliert und zum Gegenstand von Genehmigungsverfahren gemacht werden, kann die amtliche Parität der Inlandswährung beliebig sein; es findet keine unerwünschte Änderung der offiziellen Devisenreserve statt. Dafür hat man sich
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andere gewaltige Probleme aufgeladen. Die wichtigsten dürften die Allokationsverluste sein — also Wohlstandsverluste, die auftreten, weil die zuständige Behörde zu wenig über die wirtschaftlichen Gegebenheiten weiß und entsprechend falsche Entscheidungen über die Verwendung von Devisen trifft. Wenn die Entscheidungsträger sich der anderen Extremlösung verschreiben und die Zentralbank sich deshalb vom Devisenmarkt fernhält — es also den anderen Akteuren (Exporteure, Importeure, Banken, Kreditnehmer, Kreditgeber etc.) überläßt, den Wechselkurs in freiem Handel zu bestimmen — ,dann stellen Konvertibilitätsrestriktionen ein systemfremdes, überflüssiges Element der Währungspolitik dar. Konvertibilitätsrestriktionen verkleinern allenfalls das Volumen der Transaktionen am Devisenmarkt, so daß noch mehr und ausgeprägtere Schwankungen des Wechselkurses das Ergebnis sind — spekulative Umverteilungen von Vermögen gehören zu diesem Wechselkurssystem. Das Problem des Systems haben wir nicht durch die Wechselkurstheorie, sondern durch Erfahrungen kennengelernt. Es ist, daß der Devisenhandel kurzfristig große Kursänderungen — und im Zeitverlauf — Schwankungen mit einer Bandbreite generiert, die selbst auf dem breitesten aller Devisenmärkte, auf dem Markt für US-Dollar, so groß ausfallen, daß die wichtigsten Notenbanken sich gezwungen sahen, zu den noch heute praktizierten informellen Kursabsprachen als Grundlage für eine zwar diskrete, aber aktive Devisenmarktpflege überzugehen. Die GUS-Staaten, die eine eigene Währung einführen würden, sind keine Marktwirtschaften, sondern Länder, die reichlich Erfahrungen mit den Nachteilen von Null-Konvertibilität und einer willkürlichen Währungsparität gesammelt haben. Jetzt wollen sie von dieser Extremlösung weg. Die andere Extremlösung (die volle Konvertibilität und ein flexibler Wechselkurs) empfiehlt sich ebenfalls nicht, da ihre Wirtschaft noch wenige Anzeichen für Stabilität zeigt und noch lange nicht die Ruhe — im Sinne gleichbleibender Rahmenbedingungen — bekommt, die die Wirtschaft braucht, um die benötigte Stabilität zu entwickeln. Ungelöste Probleme der öffentlichen Finanzen tragen außerdem zu einer internen monetären Instabilität bei. Wenn ein solches Land den Zugang zum Devisenmarkt für die eigenen Bürger ohne Einschränkungen öffnet (Inländerkonvertibilität), dann übertragen die Inländer die Instabilitäten auf den Devisenmarkt. Schlechte Nachrichten lösen große Kapitalexporte aus, und die Abwertung wird sehr groß sein, ehe kompensierende Kapitalimporte den Wechselkurs stabilisieren. Devisenmarktinterventionen der Zentralbank führen zum Verlust der Devisenreserve, und damit zur Wahl zwischen neuen Konvertibilitätsrestriktionen und der großen Abwertung, die realökonomisch überhaupt nicht erforderlich oder gerechtfertigt ist.
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Es besteht Konsens darüber, daß es verfrüht ist, die Konvertibilität für den Kapitalverkehr der Inländer einzuführen. 13 Das gilt für alle GUS-Staaten, die in der Rubel-Union bleiben oder eine eigene Währung einführen — und damit etwas anderes als eine Currency-Board-Lösung mit einer westlichen, harten Reservewährung wählen. Zollschranken können, wie ich vorhin dargelegt habe, vorübergehend helfen, einzelne Produktivitätsprobleme zu lösen, die in der Zeit mit NullKonvertibilität entstanden. Für die restlichen Bereiche der Binnenwirtschaft muß der Übergang zur Marktwirtschaft mit der Einführung von Weltmarktpreisen, einer Einbindung in den internationalen Wettbewerb (damit auch ein Abbau der vielen Monopolpositionen, die ebenfalls zu den Kennzeichen des bisherigen Wirtschaftssystems zählen) sowie mit geeigneten Entscheidungen über den Wechselkurs erfolgen. Die Konvertibilität für den Handels- und Leistungsverkehr kann man instrumentell einführen, um den Übergang zu Weltmarktpreisen und Wettbewerb zu beschleunigen. Ich würde umgekehrt vorgehen: die binnenwirtschaftlichen Voraussetzungen für Weltmarktpreise und Wettbewerb erfüllen und zügig in entsprechende außenwirtschaftliche Öffnungen (Abbau von administrativen Restriktionen) umsetzen. Das Ziel ist, die Konvertibilität graduell und störungsfrei einzuführen. Das hat fünf Gründe: 1 ) Man muß noch mit Störungen in Politik und Wirtschaft rechnen, die als Schocks auf die inländischen Exporte und damit auf den Devisenmarkt so wirken, daß die Notenbank ihre Devisenreserven verliert, wenn der Umfang der Importe außer Kontrolle ist. 2) Quantitative Importrestriktionen sind — funktional gesehen — spezielle Konvertibilitätsrestriktion, die „eingeführt" (zu Importquoten umgetauft) werden, wenn die allgemeine Konvertibilität für Handels und Leistungsimporte früher als die politische Entmachtung der jeweiligen inländischen Produzenten kommt. Es ist nicht besonders nützlich dem Internationalen Währungsfonds zuliebe, eine währungspolitische Restriktion durch Handelsrestriktionen zu ersetzen, die sieht leicht verfestigen, da die anschließenden Verhandlungen über GATT-Probleme bekanntlich sehr langwierig verlaufen. 3) Solange wichtige Preisbindungen existieren, werden die relativen Preise und Gewinne falsche Signale für den Import von Ausrüstungsgütern und Technologie geben. Anschließend geben diese Importe — als durchgeführte Investitionen und Grundlage für Arbeitsplätze und Gewinne — den Anlaß für einen politischen Widerstand gegen weitere Anpassungen an die Weltmärkte. Die Geschichte der Stahlproduktionen im Europa der 13
Vergi. IMF-Survey vom 2. Dezember 1991, S. 323.
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Nachkriegszeit, riesige Verschwendungen von Ressourcen und viel zu hohe Preise auf den Inlandsmärkten, ist ein illustratives Beispiel dazu, das die GUS-Staaten besser nicht wiederholen sollten. 4) Solange die großen Staatsunternehmen bei der Beschaffung von Krediten privilegiert sind, mit einer weichen Budgetrestriktion arbeiten und wissen, daß sie die Kredite voraussichtlich nicht zurückzahlen werden, hat ihre Nachfrage nach Importgütern keine vernünftigen Grenzen. Das zeigte sich in den drei letzten Jahren vor der Auflösung der UdSSR. Die Öffnung für volle Konvertibilität für Importe würde somit zu einer Verdrängung der Nachfrage der neuen, nicht-privilegierten Firmen führen. Das ist gerade in Hinblick auf den angestrebten Strukturwandel nicht erwünscht. 14 5) Solange der Kapitalverkehr der Deviseninländer durch einschneidende Restriktionen behindert wird, gibt es starke Anreize, diese Restriktionen mittels Falschdeklarationen von Ex-und Importen zu umgehen. Die eine Form von Kontrollen zieht also weitere Formen nach sich . Dieser Zwang zu Kontrollen ist ein starkes Argument gegen Einschränkungen der Konvertibilität und Preisbindungen. Ich ziehe es aber vor, das Argument umzudrehen: Zahlungsverkehrbeschränkungen zählen zu den erzwungen Folgen von Eingriffen in die Wirtschaft. Insbesondere wegen der Folgen für die Binnenwirtschaft müssen diese Eingriffe ein Ende finden. Folglich ist es angebracht, die Konvertibilität als Ergebnis dieser Maßnahmen einzuführen. Die festgestellten Nebenwirkungen einer vorzeitigen, instrumentellen Einführung von Konvertibilität werden außerdem so vermieden. Hinsichtlich der Entscheidungen über den Wechselkurs einer Währung haben wir in der Volkswirtschaftslehre eine — inzwischen — lange Liste von Entscheidungskriterien identifiziert, und es steht nicht mehr eine Wahl zwischen fixiertem und flexiblem Wechselkurs, sondern auch eine Reihe Zwischenlösungen zur Diskussion — auch in dieser Hinsicht liegt also ein Grund für eine Modifikation unserer Theorie optimaler Währungsgebiete vor. Zu den anerkannten Kriterien gehören: 15 Das Wechselkurssystem soll — helfen, die Konvertibilität einzuführen bzw. aufrechtzuhalten, — für die Binnenwirtschaft eine hinreichende Autonomie gewähren, 14 Dieses Argument habe ich von Michael P. Dooley and Peter Isard, Agencies That Support Market-oriented Transformations, IMF-Working Paper/91/113, übernommen. 15 Vergi. Lukas Menkhoff und Friedrich L. Sell, Treibende Kräfte und Synthesen in der Währungspolitik, Kredit und Kapital 23 (1990), Heft 4, S. 564-583, oder etwas umfassender Richard M aiston, Stabilization Policies in Open Economies, in Ronald Jones and Peter Kenen (Hrsg.), Handbook of International Economics, Bd. 2, Amsterdam, 1985.
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— dem Zustandekommen von Zahlungsbilanzgleichgewichten dienlich sein, und — nicht durch unnötige Wechselkursänderungen zur Verunsicherung der Akteure im In- und Ausland beitragen. Diese vier Kriterien sind wie die Quadratur des Kreises. Sie lassen sich nicht alle simultan voll erfüllen. Bei der Wahl der Zwischenlösung soll man auf die A r t und Breite der wirtschaftlichen Verbindungen zur Außenwelt achten. Wie werden Schocks vom Ausland auf die Binnenwirtschaft oder umgekehrt übertragen? Enge Verbindungen zwischen in- und ausländischen Geld-und Kapitalmärkten sprechen für eine Kursfixierung, da die Zentralbank Devisenströme mittels Zinsänderungen leicht beeinflußt. Ein hoher Anteil am Außenhandel gilt ebenfalls als Argument für Kursfixierung, da Abweichungen vom Zahlungsbilanzgleichgewicht sich umso leichter korrigieren lassen, je höher der Anteil an Außenwirtschaft ist. Inflationsautomatismen, wie die Indexierung von Löhnen, können eine schnellere Inflation der Binnnewirtschaft als der Umwelt bedingen. Das spricht für Wechselkursflexibilität. Hinsichtlich der GUS-Staaten wissen wir, daß die Inflation jetzt sehr schnell läuft, und daß die Arbeitgeber zum Nachgeben tendieren, wenn die Arbeitnehmer ihre Lohnkompensation fordern. W i r wissen ebenfalls, daß sie auf lange Zeit keine Geld- und Kapitalmärkte haben werden, die via Zinsen eng mit anderen Märkten zusammenhängen. Ihr Außenhandel mit Ländern außerhalb der GUS ist klein und auch innerhalb der GUS läßt er jetzt zu wünschen übrig. Das spricht alles für eine hohe Flexibilität derjenigen Wechselkurse — die sie im Verkehr miteinander und mit Drittländern einführen. Aber, muß es sich wegen der binnenwirtschaftliche Instabilitäten und wegen der Restriktionen im Außenwirtschaftsverkehr um politisch kontrollierte Kurse handeln — also um eine Kursfixierung, die so flexibel auf Datenänderungen reagiert, daß im Zeitverlauf eine gesteuerte Variabilität zustande kommt. Im Verkehr innerhalb GUS ist der Bedarf an Wechselkursänderungen ein anderer als im Verkehr mit Drittländern.Das gilt wegen der Intensität der Handelsbeziehungen und weil Konvertibilitätsbeschränkungen intra-GUS sich leichter und schneller aufheben lassen, da diese Staaten im Ausgangspunkt sehr ähnlich sind. Der auf ausländische Investoren gemünzte Bedarf an Glaubwürdigkeit durch Kursstabilität ist vor allem in der Relation zu voll konvertiblen Währungen, wie der DM, vonnöten. Diese Unterschiede sollten so weit wie möglich in der Organisation eines GUS-Währungsbundes Berücksichtigung finden.
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V I I . Ergebnis: Vorschlag eines GUS-Währungsbundes Meine Analyse der Handelsbeziehungen zwischen GUS-Staaten hatte das Ergebnis, daß das Vorhaben, eine Zollunion zu bilden, zu hohe Ansprüche an die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der beteiligten Länder stellt. Dasselbe Ergebnis habe ich hier hinsichtlich der Modelle einer Fortführung der Währungsunion entwikelt. Das gilt sowohl aus der Sicht der Frage, wie diese Weiterentwicklung zustande kommen kann, als auch als Ergebnis einer Diskussion der Vor- und Nachteile neuer Währungen. Demnach haben die beteiligten Staaten in dem GUS-Vertrag vielleicht Wunschvorstellungen walten lassen, als sie festhielten, daß sie eine gemeinsame Währung haben, ein einheitliches Wirtschafts- und Zollgebiet bilden und diese Gemeinschaft behalten werden. Der Fehler liegt in der Einschätzung der Ausgangslage. Als der Vertrag geschlossen wurde, waren bereits mit administrativen Mitteln so deutliche und vielfältige Grenzen zwischen ihnen gezogen, daß die Gemeinschaft in funktionaler Hinsicht weit eingeschränkter war als beispielsweise die Gemeinschaft von Österreich und der Schweiz. Die realistische und notwendige Aufgabe für die GUS ist, die Wirtschafts- und Währungsbeziehungen der Mitglieder so zu reorganisieren, daß sie wiederbelebt werden. Um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen GUS-Staaten zu beleben, ist es wichtig, — das Zahlungssystem auf der Grundlage bilateraler Korrespondenzkonten durch ein System zu ersetzen, das den einzelnen Ländern erlaubt, ein Devisenmanagement für den gesamten Auslandszahlungsverkehr zu betreiben, und — den Zahlungsverkehr wesentlich zu beschleunigen. Die Beschleunigung des Zahlungsverkehrs kann zum Teil mittels moderner Nachrichten- und Informationsverarbeitungstechnik erfolgen. Wichtig wird aber auch die Entwicklung direkter Beziehungen zwischen Banken in verschiedenen Ländern — also die Entstehung von Korrespondenznetzen — sein. Diese Entwicklung kann schon jetzt, auf der Grundlage einschneidender Konvertibilitätsbeschränkungen beginnen. Es ist eine Frage der Organisation der Zahlungsverkehrskontrollen. Die Abwicklung der Transaktionen muß dezentralisiert werden. Dafür müssen Banken pauschale Genehmigungen für Transaktionen erhalten, die auf der Liste der genehmigungspflichtigen stehen und innerhalb einer festgestzten Größenordnung liegen. Durch Erleichterungen der Konvertibilitätsbeschränkungen werden diese pauschalen Genehmigungen umfassender und großzügiger. Die Beschleunigung des Zahlungsverkehrs setzt auch Anforderungen an die Konstruktion des Währungssystems. Die Dezentralisierung muß leicht
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möglich sein. Eine weitere Vorgabe für das Währungssystem ist, daß der Markt für international genutzte, „harte" Währungen eine möglichst breite Basis haben sollte, um Stabilität zu gewinnen. Die Organisation dieses Marktes sollte außerdem zur „Credibility" der Währung beitragen — also möglichst verhindern, daß Anzeichen von politisch bedingter Instabilität eines GUS-Landes sich in Wechselkurschwankungen für alle GUS-Mitglieder umsetzen. Diese zwei Vorgaben für die Konstruktion eines GUSWährungssystems werden erfüllt, wenn das nachstehende Muster befolgt wird: Die russische Regierung bat dringend um eine umfangreiche Devisenhilfe zur Etablierung eines Währungsstabilisierungsfonds. 16 Diese Hilfe wurde auch zugesagt. Die Hilfe sollte aber nicht für einen Rubel-Stabilisierungsfonds, der unweigerlich zusammmenschmelzen wird, sondern als Grundkapital eines GUS-Währungsfonds gegeben werden. Mit diesem Startkapital kann eine Währung der GUS — meinetwegen eine GUSCU, analog zur ECU — eingeführt werden. Es wäre eine Währung, die nur im bargeldlosen Zahlungsverkehr gebraucht wird. Die nationalen Zentralbanken in der GUS würden ihre Währungsreserven in der Form von GUSCU halten — also sonstige Reserven beim Fonds gegen GUSCU tauschen — und auch GUSCU-Ziehungsquoten beim gemeinsamen Ziehungsfonds zur Verfügung haben. Da alle GUS-internen Devisenreserven in GUSCU gehalten werden, wäre sie die Transportwährung für Devisenmarkttransaktionen innerhalb GUS sowie im Verkehr mit Drittländern. So könnten die einzelnen Zentralbanken nach individuell bestimmten Grundsätzen bereit sein, GUSCU an Geschäftsbanken zu verkaufen bzw. von ihnen anzunehmen, um die Geschäftsbanken, wie beschrieben, an der Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu beteiligen. Der Stand der nationalen Liberalisierung des Zahlungsverkehrs bestimmt dann, welchen Zugang die Banken eines Landes zu diesem Devisenhandel haben würden. Deutsche Banken zum Beispiel würden GUSCU-Verträge für sich und ihre Kunden ohne Einschränkungen schließen können. Die Währungseinheit GUSCU kann entweder als eine Korbwährung, wie die ECU, oder mit einer Parität zum einem anderen Reservemedium — ECU, SZR, D M oder US-Dollar — definiert werden. Die Korbwährung würde gegenüber den genannten Reservemedien einen variablen Kurs haben, der dem gewogenen Durchschnitt der Kursstabilität der Korbwährungen entspricht — also: wenn der Rubel die einzige GUS-Währung wäre, dann wäre GUSCU eine andere Bezeichnung für Rubel, und GUSCU hätte die Instabilität des Rubel. Damit wäre nichts hinsichtlich der benötigten Credibility
16 Foreign assistance is urgently needed in preparing a fund to stabilize the rouble", Yegor Gaidar in Financial Times, Mittwoch den 22. Januar 1992.
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gewonnen. Die Lösung für einen Bund aus mehreren nationalen Währungen muß deshalb sein, daß die GUSCU eine fixierte Parität erhält. Da die GUSBank — im Namen ihrer Mitglieder — Ziehungsrechte beim internationalen Währungsfonds hätte und da die Geschäftsführung der GUS-Bank ohnehin enge Beziehungen zum Währungsfonds unterhalten sollte, bietet es sich an, eine GUSCU als eine SZR zu definieren. Die einzelnen GUS-Währungen würden auf dieser Grundlage veränderliche Paritäten zur GUSCU haben, wobei die verantwortliche nationale Instanz — gewöhnlich die Regierung, es könnte aber auch die Zentralbank sein — mehr oder weniger in Absprache mit Partnerländern bestimmt, wann die Parität geändert wird. In dieser Hinsicht würde GUS der EG ähneln. Der wesentliche Unterschied zum Abstimmungsprozeß in Westeuropa wäre, daß die GUS-Staaten noch lange einen großen Bedarf an Kursänderungen haben werden. Die Variabilität der Wechselkurse vis-à-vis der GUSCU ist wichtig. Für alle GUS Länder gilt zunächst, daß sie zwar schwere, aber dennoch unterschiedlich stark ausgeprägte Stabilitätsprobleme haben, und sie werden ihre Probleme weder auf identische Weise lösen, noch gleich schnell und konsequent. Wenn zwei Länder A und Β 1000 Prozent Inflationsrate in einem Jahr haben und ein drittes Land C „nur" 100 Prozent, dann werden zwar alle drei Länder kräftig gegenüber der GUSCU abwerten, aber im Falle von C würde es sich um eine 5,5 fache Aufwertung gegenüber den Währungen von A und Β handeln — wenn die Kursentwicklung nur dem Inflationsausgleich dient. 17 Diese Anpassung der (relativen) Kurse im GUS-Bereich ist die wesentliche Voraussetzung und Eigenschaft des vorgeschlagenen GUS-Währungsbundes, die bedingt, daß die beteiligten Länder eine gewisse geld- und währungspolitische Autonomie erhalten und nicht auf irgend eine Weise mit einer Garantie für den Zahlungsbilanzausgleich ausgestattet werden. Die Garantie würde dazu führen, daß notwendige binnenwirtschaftliche Anpassungen unterlassen und hinausgezögert werden. 18 Im Vergleich zu einem multilateralen Clearingsystem hätte der GUSWährungsfonds den Vorteil, daß er das Clearing und mehr leistet, ohne mehr Ressourcen in der Form von Devisenhilfen der G 7 und des internationalen Währungsfonds zu kosten als die Geldgeber jetzt bereit sind zu 17 Rechenbeispiel: Für die Währungen von Α, Β und C sei der Kurs am Anfang 100:1 für ein GUSCU. Anschließend würde C den Kurs 200:1 und die beiden anderen 1100 :1 haben. 18 In diesem Punkt stimme ich mit Rainer Schweickert, Peter Nunnenkamp und Ulrich Hiemenz, Stabilisierung durch feste Wechselkurse: Fehlschlag in Entwicklungsländern — Erfolgsrezept für Osteuropa?, Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 181, Institut für Weltwirtschaft Kiel, März 1992, überein.
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geben. 19 Der zusätzliche Nutzen hinsichtlich einer unkoordinierten (Freiheitsgrad!) Entwicklung von dezentralisierten, marktbestimmten Wirtschaftsbeziehungen, auch die Erleichterung der Beziehungen zu Drittländern (da eine stabile Währung zu Verfügung steht) ist mein Argument für diese Verwendung von knappen Geldern. Ansonsten würde auch ich mehr zu der Ansicht tendieren, daß die einzelnen GUS-Staaten Hilfen separat und nur für interne Zwecke, gegebenenfalls auch für besondere Anschaffungen, erhalten sollten. 20 Denn wenn das Problem nur wäre, den Übergang zu einem multilateralen GUS-internen Clearing zu finden, dann handelt es sich um ein einfaches Organisationsproblem, daß die betreffenden Staaten selbst — zum Beispiel auf Rubel-Basis — lösen können. Des weiteren gilt, daß das GUSCU-System so flexibel ist, daß andere Länder mit einem Fuße dabeisein können. Ich denke in dem Zusammenhang an die ehemaligen RGW-Partnerländer, die ebenfalls unter Devisenmangel und dem Zusammenbruch von Wirtschaftsbeziehungen leiden und sich deshalb jetzt bemühen, wieder einen Handel mit GUS-Staaten aufzubauen, der auf Clearing Basis abgewickelt wird. Eine GUSCU-Quote und Teilnahme am GUSCU-Clearing der Zentralbanken wäre eine effizientere Lösung. Auch für Deutschland würde es sich anbieten, eine GUSCU-Quote zu kaufen und am GUSCU-Zentralbankenclearing teilzunehmen, wenn es weiterhin gilt, daß der ostdeutsche Osthandel besonders gefördert werden soll.
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Eine einfache, klare Darstellung der Arbeitsweise eines reinen ClearingSystems gibt Rüdiger Dornbusch, A Payments Mechanism for the Soviet.Union and Eastern Europe, Mimeo, MIT, Cambridge Mass., November 1991. 20
Dariusz K. Rosati, Problems of Post-CMEA Trade and Payment, Paper for the CEPR-Conference on The Economic Consequences of the East, Frankfurt/Main, 2021. März, 1992, vertritt diese Ansicht.
12 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
Zusammenfassung der Diskussion Referate Penkin, Clement und Svindland
Weißenburger kritisiert, Penkin sei bei seiner Darstellung der aktuellen Wirtschaftslage und der Politik der Gaidar-Regierung überhaupt nicht auf die Ursachen dieser Krise eingegangen, die ja ganz wesentlich in der Wirtschaftspolitik von Ryschkow und Pawlow zu suchen seien, in den Inkonsistenzen und zum Teil auch im Voluntarismus dieser Politik. Unbefriedigend sei deshalb, daß er im Grunde als Alternativkonzept zu der Politik von Gaidar letztendlich genau diese Elemente der Politik von Ryschkow und Pawlow wiederbelebt habe. Weißenburger geht sodann auf die Ursachen für das gegenwärtige Desaster in Rußland bzw. in der letzten Phase der Sowjetunion ein: einerseits die inflationäre Geldschöpfung, andererseits die voluntaristische Preispolitik, zum Teil auch Subventionspolitik mit der Begründung, Sozialpolitik zu betreiben. Das Resultat sei ja bekannt: ein riesiger Geldüberhang, ein umfassender Schwarzmarkt und letztendlich die Zerstörung des Rubels als Zahlungsmittel. Das alles habe wesentlich zur Desintegration des Binnenmarktes geführt, und man habe weitgehend auf administrative Rezepte zurückgegriffen, sprich Staatsaufträge. Diese Politik sei nicht mehr haltbar gewesen. Der Geldüberhang — die Diskrepanz zwischen Gütermenge und Geldmenge —, auch der Produktionsverfall durch diese Politik hätten zu Maßnahmen gezwungen. Das müsse man fairerweise berücksichtigen, wenn man die Politik der GaidarRegierung — bei allen sicherlich auch darin enthaltenen Fehlern — beurteilt: die Ausgangsposition, die diese Regierung vorgefunden hat. Gerade die Preisfreigabe wäre sicherlich schon 1988 sinnvoller gewesen, im Zusammenhang mit dem Genossenschaftsgesetz und den Pachtgesetzen, wo man versucht habe, Wettbewerb zu schaffen. Dann wäre das Preisniveau im Genossenschaftssektor nicht so weit über das künstlich niedrig gehaltene des Staatssektors hinausgeschossen, und die Neideffekte wären ausgeblieben und somit auch die administrativen Maßnahmen gegen den genossenschaftlichen Sektor. Diese hätten ja im Grunde die Konzeption und den Zweck des Genossenschaftsgesetzes gerade wegen dieser inkonsistenten Politik unterminiert.
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Das alles dürfe man bei der Analyse der aktuellen Situation nicht einfach unterschlagen. Weißenburger hält deshalb zum Beispiel die Preisfreigabe für unvermeidlich. Sie hätte frühzeitig flankiert sein müssen mit der Schaffung von Wettbewerb. Auch i m Bereich der staatlichen Investitionspolitik, z.B. der staatlichen Infrastrukturinvestitionen, könne man Brüche und Schocks abmildern. Was jetzt aber als Alternativkonzept aufgetischt wurde, sei ja gerade die Neuauflage dieser Politik. Einerseits versuche man nach der Preisfreigabe wieder administrative Preiskontrollen einzuführen, auf der anderen Seite wolle man administrativ irgendwie den Produktionsverfall stoppen. Das könne nicht klappen, auch nicht mit Staatsaufträgen und ähnlichen Maßnahmen. Bei der Indexierung, die auch in der Form von Subventionen und Sozialprogrammen aufgetaucht sei, befürchtet Weißenburger, dies laufe alles wieder auf ein riesiges Inflationsprogramm hinaus, das letztlich den Übergang zur Marktwirtschaft unmöglich machte. Deshalb sei ein erheblicher Teil der Politik Gaidars notwendig, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Wirtschaft wieder steuerbar wird und die Reformprogramme in bezug auf Privatisierung durchführbar werden. Perikin erklärt, er sei völlig einverstanden: die Freigabe der Preise sei notwendig gewesen. Zum geschichtlichen Ablauf merkt er an: A m 28. Oktober 1991 habe Präsident Jelzin erklärt, die Preise würden freigegeben, und die tatsächliche Freigabe der Preise fand am 2. Januar 1992 statt. Was in diesen zwei Monaten passierte, habe man sich kaum vorstellen können. Die Preisliberalisierung bewirkte einen Inflationsschub; die Bevölkerung versuchte in diesen zwei Monaten alles zu kaufen, was zu kaufen war. Zum Beispiel sei in diesen zwei Monaten von jeder Familie in Rußland durchschnittlich für etwa sieben Monate Mehl auf Vorrat gekauft worden. „Wie sollte die Freigabe der Preise vorgenommen werden?" Dies sei die wichtigste Frage. Mit der Aussage, daß sie notwendig war, sei er einverstanden, aber es komme darauf an, wie diese Freigabe der Preise flankiert werden könnte, wie ein funktionsfähiger Wettbewerb etabliert werden könnte. In einer solchen Wirtschaft eine Wettbewerbssituation zu schaffen, sei innerhalb von zwei oder drei Monaten nicht möglich. Was die GaidarRegierung nicht erreichte, aber hätte machen sollen, sei, das System der finanzpolitischen Instrumente in dieser Zeit aufzubauen. Vom Oktober 1991 bis zum März 1992 hätten die Mindestreservesätze bei kommerziellen Banken 2 % betragen. Die Refinanzierungszinssätze betrugen 5 %, aber die kommerziellen Banken hätten die Kredite für 50 %, 60 % jährlich vergeben. Dabei hätten die kommerziellen Banken das Kreditvolumen in der Zeit der Preisliberalisierung sehr ausgeweitet, und das habe zu einer unerwarteten Steigerung der Preise in der Zeit nach der Freigabe geführt. 12*
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Mit Weißenburgers Argument, die Politik der Gaidar-Regierung sei notwendig gewesen, weil die Ursachen der Krise durch die Tätigkeit der Ryschkow- und der Pawlow-Regierung vorbereitet waren, ist Penkin auch einverstanden. Diese Ursachen seien langfristiger Natur, und die wichtigste Ursache sei eigentlich die veraltete Struktur der ehemaligen Sowjetunion. Und es habe keine Koordinationsmechanismen gegeben, die erlaubt hätten, diese Struktur zu modernisieren. Das sei eigentlich das Wichtigste. Penkin stellt nochmals klar, er sei einverstanden mit der Notwendigkeit der Schritte, die von der Gaidar-Regierung gemacht wurden, aber das sei spontan geschehen, unvorbereitet durchgeführt. Das wichtigste Problem sei nicht angegangen worden, nämlich das Strukturproblem. Hierzu nennt Penkin ein paar Zahlen: Wenn die Produktion 1992 — wie erwartet — etwa 20% zurückgehen werde, dann verlöre das Land den Investitionskomplex; die Investitionsgüterindustrie könne sich nicht mehr reproduzieren. Selbst bei -15% sei das zu erwarten. Man könne dann für etwa zwei bis drei Jahre die Produktion von Energieträgern und Rohstoffen in etwa stabil halten. Die verarbeitende Industrie, die eigentlich die Endnachfrage befriedigt, werden am schnellsten zerstört werden. Das könne doch nicht die Lösung der Probleme sein! Schon für Ende 1992 seien in der Konsumgüterindustrie bedenkliche Zustände zu erwarten. Zum Beispiel müßten dann in der Stadt Iwano, wo vor allem Textilien produziert werden, die Betriebe entweder kurzarbeiten, oder sie wären nicht mehr weiter funktionsfähig zu halten. Die Politik der Gaidar-Regierung habe also nicht die Frage beantwortet, wie die strategischen Probleme gelöst werden könnten. Hierzu werde jetzt in den verschiedenen Gremien von der Unternehmerseite geforscht. Eine der vorgeschlagenen Lösungen besage, es wäre falsch, die Liberalisierung und die finanzpolitische Stabilisierung gleichzeitig zu verfolgen. Das hätten die Unternehmer anerkannt. Man müsse sich jetzt also konzentrieren auf die weitere Liberalisierung, aber in Kauf nehmen, daß die finanzielle Stabilisierung nicht mehr kurzfristig zu erreichen ist. Svindland bezweifelt die Möglichkeit, schnell zu einem dualen System à la Schmieding zu gelangen. Die Öffnung für die private Wirtschaft habe in den UdSSR-Nachfolgestaaten zum Zusammenbruch des Rechtssystems mit Diebstahl, Veruntreuung und anderen Eigentumsdelikten im größten Umfang geführt. Im Westen habe das schon beinahe den Glauben zerstört, daß die UdSSR ein Polizeistaat sei. Wenn man unter diesen Umständen weiter einen Staatssektor beibehalten wollte, dann werde das lediglich dazu führen, daß der Staat und das Volk noch mehr bestohlen würden als in den vergangenen Jahren schon.
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Hiemenz mag sich dieser Sicht der Dinge nicht anschließen; das, was da stattfindet, würde er als Privatwirtschaft bezeichnen. Dazu fragt er Penkin, inwieweit bei den Horrorszenarien mit weiterem Produktionsabbau und Zerstörung der verarbeitenden Industrie auf der anderen Seite auch Privatisierungserfolge berücksichtigt worden seien. Die sehr ehrgeizige Durchführungsverordnung zum Privatisierungsgesetz sehe ja vor, daß 1992 bis zu 60 % der überhaupt zu privatisierenden Betriebe privatisiert werden sollen. Das sei sicherlich übertrieben, aber man könne sich doch vorstellen, daß schon bei einem bescheideneren Privatisierungserfolg der Produktionseinbruch in engeren Grenzen gehalten werden könnte, als in den Szenarien vorgestellt. Hiemenz empfindet ein tiefes Unwohlsein als Ökonom, wenn über die zentrifugalen Kräfte gesprochen wird. Es sei völlig unklar, was ökonomisch gesehen die Ursache ist. Man würde ja als Ökonomen annehmen, daß sich die Staaten einen Netto-Wohlfahrtsgewinn ausrechnen, wenn sie eben nicht mehr als GUS-Staaten oder als welcher Staatenverbund auch immer zusammenbleiben. Ein solches Motiv sei aber nicht überzeugend dargelegt worden. Richtig sei sicher die Analyse von Svindland, daß über die Inflationssteuer, die qua Rubel allen GUS-Staaten auferlegt wird, alle diese Staaten an dem Budgetdefizit Rußlands mitzahlen müssen und daß diese Staaten selber nur in geringem Maße die Inflationssteuer zur Finanzierung ihrer Defizite einsetzen können. Einen anderen Aspekt habe Clement erwähnt, nämlich die erheblichen Handelsdefizite gegenüber Rußland. Rußland sei also offensichtlich bereit, diese Staaten bis zu einem gewissen Grade zu finanzieren. Wenn sie sich jetzt aber verselbständigten und gar noch Handelsschranken untereinander errichteten, würden sie den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Es wäre interessant zu wissen, wie hoch der Netto-Ressourcentransfer zwischen den GUS-Staaten ist, ihm seien aber keine Zahlen darüber bekannt. Hiemenz stimmt weitgehend mit den von Svindland vorgetragenen Analysen überein. Problematisch findet er dagegen die Lösungsvorschläge. Sie liefen auf eine „Lateinamerikaniserung der GUS-Staaten" hinaus: die Errichtung von hohen Zollmauern für Industrien, von den Politiker meinten, daß sie erhalten bleiben sollten. Das habe man in Lateinamerika ja in extenso gehabt. Brasilien sei ein Beispiel, insbesondere die Elektro- und Elektronikindustrie mit totalem Importverbot etc. Und um das Maß voll zu machen, verordneten dann auch noch Politiker eine diskretionäre Wechselkurspolitik, crawling pegs, wo der Politiker heute weiß, was morgen die Inflationsrate sein wird, und entsprechend laufe der Karren in den Dreck: Fehl-Spezialisierung in der Wirtschaft und überbewertete Währung, weil die Politiker notorisch die Inflationsrate unterschätzten. Hiemenz befürwortet relativ flexible Wechselkurse — vielleicht eine Ausrichtung an einem Währungskorb.
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Herr geht auf die Schwierigkeiten ein, in den GUS-Staaten finanzielle Stabilität herzustellen. Die Folgen: Parallel-Währungen — auch eine Art von Kapitalflucht —, Tauschwirtschaft und die Tendenz zur Subsistenzwirtschaft. Letztlich werde die Investitionstätigkeit gelähmt und das bedeute, daß die Privatisierung sehr schwierig durchzuführen sei, daß der Staat quasi fiskalisch die Produktion weiterführen müsse, um den Zusammenbruch der Ökonomie zu verhindern. Im Grunde sei also die Erzeugung monetärer Stabilität eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation. Gleichzeitig sei es praktisch unmöglich oder jedenfalls sehr, sehr schwierig für diese Länder, monetäre Stabilität zu erzeugen. Hieraus folge ein sehr pessimistisches Szenario mit sehr starken Peripherisierungstendenzen für diese Länder. Bei dem Bemühen um monetäre Stabilität spiele das Budgetdefizit eine zentrale Rolle. Über Ausgabenkürzungen lasse sich das Problem nur zum Teil lösen; vielmehr komme es auf das Steuersystem an. Die Etablierung eines breit angelegten und nur wenig Privilegien schaffenden marktwirtschaftlichen Steuersystems müsse am Anfang stehen, weil dies die zentrale Voraussetzung für monetäre Stabilität sei. Polkowski bezieht sich auf die von Penkin genannten Zahlen, die auf einen ökonomischen Kollaps hindeuten, und die zum Schluß genannten Szenarien. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, welchen Wert die wirtschaftspolitischen Ziele für 1992 haben könnten, die imiMemorandum dem IWF serviert worden waren. Penkin stimmt dem zu; im übrigen gebe es im Memorandum drei verschiedene Angaben über das Defizit des Staatshaushalts. Was die Regierung behauptet und das, was sie erreicht, stehe immer mehr unter einem großen Fragezeichen. Langhammer geht auf Svindlands Referat ein und wundert sich, daß die realwirtschaftlichen Anpassungsprozesse der GUS-Staaten gegenüber dem Rest der Welt doch ziemlich unterbelichtet blieben. Ginge man davon aus, daß der Wechselkurs des Rubels gegenüber dem Dollar in den nächsten Jahren wahrscheinlich durch die Unwägbarkeiten von Rohstoffmärkten bestimmt werde und daß die Ressourcenausstattung der einzelnen GUSStaaten doch extrem heterogen sei, so bestehe selbst innerhalb Rußlands kein optimaler Währungsraum mehr. Die Region Tjumen müßte wohl gegenüber den europäischen Teilen Rußlands aufwerten, wenn man die internen Terms-of-trade-Verschiebungen innerhalb Rußlands berücksichtigte. Um so mehr Veränderungen müßten innerhalb der GUS auftreten. Die Folge sei ein klassisches Dutch-disease-Problem: Die ressourcenarmen GUS-Staaten würden durch einen Rubelkurs, der durch die russischen Ölimporte bestimmt wird, bestraft. Die Möglichkeit multipler Kurse
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werde vom IMF nicht so gern gesehen. Aber jedenfalls hätte man Beziehungen zwischen unabhängigen Staaten mit eigenen Wechselkurssystemen. Unter realwirtschaftlichen vereinigt mit monetären Aspekten spreche also gar nichts mehr für ein gemeinsames Vorgehen. Schmieding bringt einige Anmerkungen zum Referat von Penkin und dem Stichwort „duale Wirtschaft" vor. Im nachrevolutionären Osteuropa könne man sich eine gewisse Mindestkontrolle der Staatsbetriebe noch vorstellen, solange sie nicht privatisiert sind, vor allem Lohnkontrollen und ganz besonders Kreditkontrollen, auch für Kredite zwischen Firmen. Letzteres gebe es sehr wenig und es funktioniere überhaupt nicht. In der gegebenen Situation sei dies aber der wesentliche Punkt und ein wesentlicher Schritt zur makroökonomischen Stabilität. Zum Thema Zahlungsunion (Referat Svindland), merkt Schmieding an, die Absicht, die selbständigen Staaten, die früher Sowjetrepubliken waren, in ein derartiges Sonderarrangement zu pressen, müsse aus politischen Gründen sehr skeptisch gesehen werden. Diese Staaten verstünden sich als unabhängige Staaten und wollten sich auch in ihren Beziehungen untereinander gegenseitig genauso behandeln und behandelt werden wie in ihren Beziehungen zu Staaten, die ihre Unabhängigkeit schon eher erlangt haben. Aber auch ökonomisch sei die Logik für ein solches Arrangement nicht zu erkennen. Eine Konvertibilität nach ungarischem oder tschechischem Muster — es müsse nicht einmal das polnische Muster sein — reiche aus, um die meisten Probleme zu vermeiden. Svindland hält wenig von einem Arrangement mit Konvertibilität wie in Ungarn. Ungarn sei ökonomisch stabil und erfolgreich. Das werde auf kaum einen der GUS-Staaten in den nächsten Jahren zutreffen. Er sehe dort keine Grundlage für Konvertibilität auf lange Sicht, jedenfalls nicht als Regel für ein Arrangement zwischen allen Ländern. Bei einer Zahlungsunion müßten die beteiligten Staaten nicht notwendigerweise gute Freunde sein. Der sparsame Umgang mit den Währungsreserven sei sehr wichtig bei so devisenarmen Ländern, wie es die Mehrzahl der GUS-Staaten in den nächsten Jahren sein würden. Svindland stimmt den Ausführungen über das Steuersystem zu, in der Tat handele es sich um ein eminent wichtiges Element der Reformpoltik, ein vernünftiges Steuersystem zu initiieren. Aber Herr habe nichts über die praktischen Probleme gesagt. Man brauche schließlich auch eine wirksame Steuerbehörde! Im ersten Quartal 1992 habe das russische Finanzministerium aber praktisch nichts an Exportsteuern einnehmen können, die ja immerhin formal existierten, nicht einmal Steuereinnahmen auf Grund von Ölexporten. Man schaffe es nicht, das Geld einzutreiben.
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Zur monetären Stabilität merkt Svindland an, es wäre wunderbar, wenn man sie hätte. Aber in einer Situation, wo etwas ganz Neues geschaffen werde, und die Bürger nicht wüßten, was herauskommt — sie wissen nur, es wird etwas Neues sein —, gehe es vordringlich um die politische Stabilität, die den Bürgern den Eindruck gibt, daß zukünftig auch einmal eine monetäre Stabilität herrschen wird. Zu der Frage, ob Zollmauern nötig sind, erläutert Svindland, sie seien die einzige Lösung, die zur Zeit existiere, um das Problem der Subventionierung für nichtlohnende Produktionen auf die Bevölkerung insgesamt zu verteilen, ohne daß dieser Prozeß direkt über den Staatshaushalt läuft. Die Alternative wäre, die Subventionen über den Staatshaushalt auszuweisen, doch die politischen Prozesse liefen dem entgegen, nicht zuletzt auch die Empfehlungen des IMF. Auch Svindland befürwortet flexible Wechselkurse, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Ebenso seien gemanagte Kurse — ohne Ankündigungen, aber mit Marktinterventionen — grundsätzlich vorteilhaft. Aber diese A r t von Wechselkurspolitik setze voraus, daß man entweder große Devisenreserven (als Manövriermasse zur Kurspflege) hat, oder daß es Einschränkungen der Konvertibilität gibt, und Einschränkungen der Konvertibilität wären nun geradezu widersinnig in Verbindung mit einem flexiblen Wechselkurs. Schmieding ist optimistisch hinsichtlich der Aussichten, in den GUSStaaten Konvertibilität einzuführen. Polen habe sogar ein höheres Maß an Konvertibilität als Ungarn. Polen habe sehr viele Probleme, aber nicht mit seiner Konvertibilität. Bei weiterhin hinreichend flexibler Wechselkurspolitik wie in den letzten sechs Monaten werde dies in Polen sicherlich auch so bleiben können. Die Europäische Zahlungsunion habe dagegen nur deshalb funktioniert, weil in den 50er Jahren der potentielle Störenfried — Westdeutschland — wie kein anderer aus politischen Gründen bemüht gewesen sei, Konflikte zu entschärfen. Hätte Deutschland damals ökonomische Interessen vertreten, wäre die EZU nach relativ kurzer Zeit auseinandergefallen. Svindland hält dagegen, die EZU sei nicht auf Initiative ihrer späteren Mitglieder gebildet worden, sondern auf amerikanische Initiative hin. Die Amerikaner hätten angeordnet, daß das gemacht werden sollte. Schmieding stellt fest, um Reserven zu ökonomisieren, brauche man keine Zahlungsunion. Es sei vielmehr ein Argument für technische Hilfe beim Aufbau des Clearing-Systems im Bankwesen, aber nicht für ein Arrangement à la Keynes-Plan. Penkin unterstützt im Prinzip die Logik und die Argumentation von Svindland. Es gebe gut begründete Annahmen dafür, daß die Schaffung der
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erforderlichen Fonds und die Herstellung einer Verbindung zwischen den Republiken durch den harten Rubel jetzt in Angriff genommen würden. Nur in einem Punkt meldet er Widerspruch an: Es werde auch vorgeschlagen, daß die Währungsreserven für die Unterstützung des harten Rubels außerhalb der GUS-Staaten liegen sollten, weil kein entsprechendes Vertrauen in die Republiken gegeben sei. Eine andere prinzipielle Frage sei die nach der Größe des Privatisierungspotentials in der Volkswirtschaft Rußlands. Zur Zeit entfielen vom gesamten Warenumlauf auf die unabhängigen neuen kommerziellen Strukturen etwa 7 bis 8 %. Alles andere sei Waren- und Dienstleistungsumlauf zwischen den staatlichen Betrieben. Selbst wenn man die verpachteten Betriebe, die Leasing-Betriebe hinzuzählte, entfielen von der Gesamtbeschäftigungszahl in der Volkswirtschaft Rußlands auf diese neuen kommerziellen Strukturen nur zwischen 10 und 15 % der Beschäftigten. Angesichts dessen stelle sich die Frage: Wenn die Volkswirtschaft sich in einer so krisenhaften Situation befindet und es gibt eine reale Bedrohnung der Existenz für weite Schichten der Bevölkerung, was soll getan werden? Entweder könnten die in der Volkswirtschaft real existierenden Elemente zumindest besser organisiert werden. Oder sie könnten — wie sich dies in der Praxis zeige — weiter zerschlagen werden. Daher komme die Opposition zum Regierungskurs. Manche Hoffnung richte sich auch auf eine Beschleunigung der Privatisierungsprozesse in der verarbeitenden Industrie, um den Rückgang der Produktion zu verlangsamen. Das könnte sein, doch ergäben sich wiederum neue Fragen: Es werde jetzt die Umwandlung der staatlichen Betriebe in Aktiengesellschaften als diejenige Form betrachtet, die am schnellsten Privatisierungsprozesse erlaube. Wenn aber wirklich eine Umwandlung in Aktiengesellschaften erfolgte und wenn Dividenden ausgezahlt würden, dann würde das die Gewinne der Betriebe heute mindestens um ein Drittel reduzieren. Diese Dividenden würden von der Bevölkerung sicherlich nicht akkumuliert, gespart und investiert — unter den Bedingungen des aktuellen Elends. Deswegen werde vorgeschlagen, die Unternehmen möglichst schnell zu verschenken, um die Investitionskraft der existierenden Betriebe wenigstens auf dem bestehenden Niveau zu unterstützen. Clement unterstützt Herrs Argument, aus dem Defizit im Staatshaushalt, das für die Geldschöpfung verantwortlich ist, sei nur herauszukommen durch ein neues Steuersystem, ein Steuersystem, das von den Betrieben abgekoppelt wäre. Denn wenn das Steuersystem weiter von den Betrieben abhinge, wäre die Strukturanpassung nicht möglich, weil sonst der Circulus vitiosus nicht durchbrochen werden könne. Es müßte sich um ein Steuersystem handeln, das unabhängig ist. Dieses sei jedoch administrativ viel
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komplizierter zu bewerkstelligen, und dafür fehle jede Voraussetzung, zumindest in den Staaten der GUS. Clement meint, die aktuelle Situation ähnele der klassischen i m RGW: Jeder Staat fühle sich vom anderen ausgebeutet. Eine empirische Berechnung sei allerdings im Moment praktisch nicht machbar. Es bestehe die Angst, für die Subventionen verantwortlich gemacht zu werden. Viele glaubten, sich in dem jetzt kommenden Strukturanpassungsprozeß besser zu stehen. Es würden massive Strukturanpassungen notwendig, z.B. ein starker Abbau in der Schwerindustrie. Es sei die Situation zu bedenken, die sich ergeben würde, wenn kein Finanzausgleich mehr zwischen den Republiken erfolgte. Bisher sei der Ausgleich über den Unionshaushalt, und zwar über die Sozialsysteme indirekt gemacht worden. Wenn der Ausgleich nicht mehr existierte, so werde jeder versuchen, sich aus dem Zusammenhang zu lösen. A n kooperativen Regelungen beteiligten sich nur wenige Staaten, die zentralasiatischen, die massiv auf Transfers angewiesen seien und Weißrußland, das die Kosten von Tschernobyl nicht tragen könne. Die anderen Staaten machten manchmal zwangsweise mit, gäben aber jedem Protokoll ihre eigene Bemerkung bei, ζ. B. beim Banken-Abkommen: Mit diesem und jenem Punkt sind wir nicht einverstanden. Man erkenne oft gar nicht, was eigentlich das Abkommen ist. Es gebe immer nur die Koalition derer, die ganz genau wissen, daß sie sonst verlieren würden; alle anderen machten nicht mit. Watrin weist auf eine wesentliche Voraussetzung für die erforderlichen Investitionen hin — Privatisierung bedeute ja noch nicht, daß Investitionen kommen —, nämlich die Sicherheit der Eigentumsrechte. Er habe noch nirgendwo eine Diskussion dieser sehr wichtigen langfristigen Perspektive gefunden. Watrin warnt ferner, das Ausbleiben einer Währungsreform werde sich als ein sehr kostspieliger Verzicht herausstellen. In der deutschen Situation 1948 habe die Währungsreform die motivierende Wirkung gehabt, daß man an die Stabilität dieses Geldes glaubte, und das habe den deutschen Aufschwung beflügelt. Rußland sei den Weg der inflatorischen Anpassung gegangen, vielleicht i m Vertrauen auf makroökonomische Modelle, die eine Währungsreform nur als einen einmaligen Niveausprung ohne weitere Folge abbildeten. Es sieht hierin auch einen Fehler in der gängigen Theorie. Wenn die Inflation einmal in Gang sei, könne man sie nicht mehr beherrschen. Dann entstünden die Beschäftigungsprobleme und die Probleme bei der Produktion. Man müsse dann den harten Weg der Stabilisierungspolitik gehen, wenn man überhaupt erfolgreich sein wollte. Und selbst wenn die Stabilisierungspolitik dann erfolgreich sein sollte — was offenbar ja noch nicht der Fall sei —, bedeute das Ganze eine erhebliche Verzögerung des wirtschaftlichen Aufschwungs.
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Flassbeck greift dies auf: Das genau sei das aktuelle Dilemma. Herr habe eine ganz richtige Analyse geliefert, nur es fehle die Lösung. Penkin habe nach einer Alternative zur gegenwärtigen Politik gefragt. Einmal, eine radikale Geldpolitik zu betreiben und damit die Stabilisierung herbeizuführen, — zu einem hohen Preis, vielleicht zu einem so hohen Preis, daß der gesamte Reformprozeß in Frage gestellt wird, nämlich durch die hohe Arbeitslosigkeit und den Zusammenbruch des gesamten Systems. Das sei doch offensichtlich nicht die Lösung. Schmieding habe zu Recht auf einige Voraussetzungen zum Erfolg hingewiesen: lohnpolitische Absicherung, d. h. eine einkommenspolitische Flankierung des ganzen Prozesses. Es gehe nicht, die Preise freizugeben, gleichzeitig eine Indexierung festzusetzen und dann zu versuchen, mit Geldpolitik das System zu stabilisieren. Damit könne man vielleicht irgendwann die Preise stabilisieren, aber nur mit Gewalt und nur um den Preis, das gesamte Reformpaket in Frage zu stellen. Was man also brauche — und das sehe man in allen westlichen Ländern —, sei eine einkommenspolitische Flankierung — weg von der Indexierung. Penkin habe selbst gesagt, der Kostendruck sei im Moment die wichtigste Ursache der Inflation. Nun gut, auch in westlichen Ländern: wenn man versuche, eine Lohn-Preis-Spirale mit Geldpolitik zu bekämpfen, dann provoziere man Einbrüche, und zwar natürlich im Investitionsgütersektor. Deswegen müsse man von dieser Spirale herunter und dazu müsse man versuchen, alle Gruppen an einen Tisch zu bekommen und allen Seiten zu erklären, daß es nur mit einer einkommenspolitischen Zurückhaltung geht. Dann seien auch nicht mehr nur die alten Strukturen die Ursache der Probleme. Man müsse sich an die Strukturen, die man hat, anpassen, denn man könne nicht von heute auf morgen neue Strukturen schaffen. Und vor allem müsse man sich anpassen mit seinen Einkommensansprüchen. Wenn man das tue — das zeigten alle erfolgreichen Länder wie Deutschland in den 50er Jahren, Japan in den 60er Jahren oder Korea in den 70er Jahren —, könne man erfolgreich sein. Erfolg sei möglich auf den Außenmärkten, sofern man sich auch außenwirtschaftlich angepaßt hat in dem Sinne, daß man zu einem vernünftigen Wechselkurs verkauft; ebenso im Inneren, weil man nicht mehr eine so stringente Geldpolitik brauchte, die permanent auf hohe Zinsen setzt, um eine Inflationsbeschleunigung zu vermeiden. Dann komme ein Prozeß in Gang, bei dem man aufholt, bei dem Einkommen, Investitionen und Beschäftigung steigen können. Auch finanzpolitische Stabilisierung allein führe nicht zum Erfolg. Wenn man jetzt in Rußland nur radikal die Staatsausgaben herunterführe und sonst nichts täte, dann würde das einen ähnlichen Einbruch bewirken wie
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den mit der Geldpolitik. Wenn man eine restriktive Geldpolitik machte, müsse man in der Finanzpolitik stabilisieren und umgekehrt. Man müsse jedenfalls erkennen: Diese Länder könnten mehrere Schocks nicht ertragen. Sie vertrügen vielleicht den Schock der Umstellung auf die institutionellen Regelungen der Marktwirtschaft, der bedeute, daß sich jeder einzelne dramatisch anpassen muß. Aber wenn man darauf noch einen zusätzlichen makroökonmischen Schock setzte, wie ihn auch die Länder im Westen kaum aushalten könnten, dann würde das Ganze in Frage gestellt. Das gehe nur in dem einmaligen Sonderfall „Ostdeutschland". Schirmeister befürchtet ein Horrorszenario und wünscht, daß es widerlegt werden könnte: Der Währungsmechanismus in den GUS-Staaten könne sich dahin entwickeln, daß — ohne daß man es will — das europäische Währungssystem und der IWF die Verantwortung bekämen, das Währungssystem von außen zu ordnen, und daß davon letztlich das meiste beim EWS, wo man sowieso schon Sorgen genug habe, hängenbliebe. Leider sprächen dafür folgende Punkte: Punkt eins: Man erkenne weder in Rußland noch in den anderen GUSStaaten eine starke Währungsautorität, die vor allem zweierlei sichern könnte: gegen eine defizitäre Haushaltspolitik anzugehen und sicherzustellen, daß Devisenreserven in harter Währung wirklich in diesem System erwirtschaftet und auch gesammelt werden. Punkt zwei: Erfahrungen mit dem Transfer-Rubel widerlegten das von Svindland entwickelte Modell: Es würde zu einer Teilung in sogenannten harte und weiche Waren kommen, und die harten Waren würden auch im Inta-GUS-Handel nur gegen harte Währung gehandelt werden. Punkt drei: Es existierten schon jetzt wachsende schwarze Auslandskonten. Eine Reihe von Banken lebe nicht schlecht davon. Zum Beispiel wanderten im Zusammenhang mit Exporten aus der Petrochemie, die aus dem GUS-Gebiet kommen, Gelder auf solche Konten. Gegen die Kapitalflucht aus den GUS-Staaten gebe es wenig Mechanismen, die dafür sorgen würden, daß dieses Kapital wieder zurückfließt. Punkt vier: Man müsse wohl davon ausgehen, daß man nicht eine irgendwie geartete offizielle, harte Transaktions- und Reservewährung im Verhältnis zwischen den GUS-Staaten haben werde, sondern eine Reihe von parallel funktionierenden harten Währungen, die spontan diese Funktion zwischen den GUS-Staaten als Transaktions- und Reservemedium erfüllen. Einige Hartwährungsländer mit einem relativ kleineren Wirtschaftsraum würden plötzlich nolens-volens zu einem Reservewährungsland. Damit werde die Gefahr größer, daß die Bewegungen dieser Währungen von den Notenbanken schwerer zu kontrollieren wären. IWF und EWS könnten sich gezwungen sehen, von außen — weil sie als Autorität eine
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entsprechende Rolle spielen könnten — einen Hartwährungsmechanismus innerhalb der GUS-Staaten zu installieren. Sepp bedauert, daß einige Reformländer in der Diskussion vergessen wurden, nämlich die baltischen Staaten, die nicht zur GUS gehören, auch wenn sie in diesem Zusammenhang manchmal genannt würden. Er hofft, daß in der Zukunft auch für die baltischen Länder mehr Aufmerksamkeit gefunden werde. Immerhin habe das H W W A jetzt ein spezielles Programm für das Baltikum aufgelegt. Lösch befürchtet, im Zuge der Debatte um manche technisch-administrative Einzelheit könnte das polit-ökonomische Problem zu kurz gekommen sein, der Teufelkreis, daß Inflation Druck auf die Regierungen erzeugte, dem sie in der gegebenen Situation einfach nicht widerstehen könnten. Aus dieser „Argentine trap" sei dann kaum wieder herauszukommen. In kurzen Schlußworten gehen die Referenten auf offengebliebene Punkte ein: Penkin stellt fest, bezüglich der Einkommensflankierung würden endlich die ersten positiven Schritte in Rußland unternommen. Im Rahmen der dreiseitigen Kommission sei ein Abkommen zwischen der Arbeitgeberseite, dem Staat und der Arbeitnehmerseite unterzeichnet worden, wonach bezüglich der Einkommensansprüche eine Mäßigung vorgesehen sei. Offen sei jedoch, ob das realisiert werde oder nicht. Hier treffe die Regierung auch eine große Schuld. Die Regierung habe in der letzten Zeit versucht, die Forderungen der einzelnen Berufsgruppen separat zu befriedigen, und habe dabei die Grenze sehr hoch angesetzt, z.B. bei den Bergarbeitern. Die Wirtschaft sei also wieder zum Opfer der Politik geworden. Deshalb fordere man jetzt eine gemäßigte, eine systematisierte Sozialpolitik. Wenn das nicht gelänge, dann werde man mit Sicherheit eine Welle von Streiks erleben. Zum Teil werde jetzt schon gestreikt: Lehrer, Ärzte, Transportarbeiter usw. Zur Frage, ob es eigentlich eine Sicherheit der Eigentumsrechte gibt, bemerkt Penkin, er sehe dies auch als einen der wesentlichen Punkte. Leider gebe es das bis jetzt noch nicht, Ursache dafür sei der Separatismus innerhalb Rußlands. Hinsichtlich der Steuerpolitik, der Erstellung eines defizitlosen Budgets mit Hilfe des Steuersystems, stellt Penkin klar, auch dies könne ein Kunststück sein: Im ersten Quartal 1992 sollten die Haushaltseinnahmen etwa 460 Milliarden Rubel betragen. Tatsächlich seien es aber nur 240 Milliarden Rubel geworden. Entsprechend sei die Ausgabenseite reduziert worden. Das habe zu der Konsequenz geführt, daß das Gesundheitswesen zu etwa 30 % finanziert wurde, die Wissenschaft und der Technologiebereich zu 40 % usw. Das Problem sei auf das zweite Quartal verschoben worden, weil die
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Streiks von Lehrern, Ärzten usw. sowieso dazu zwängen, sich mit der Finanzierung des Gesundheitswesens, des Bildungswesens, der Wissenschaft usw. zu befassen. Über das zweite Quartal noch weiter hinaus sei nichts mehr zu verschieben. Aber rein rechnerisch, nach der Kassensituation, habe man einen relativ ausgeglichenen Haushalt gehabt — ein Kunststück. Diese Methoden, die Reformen fortzusetzen, seien natürlich von den Volksdeputierten und auch in der Öffentlichkeit sehr kritisiert worden. Das sei nicht die Lösung der Probleme. Clement stellt fest, es komme sehr wesentlich auch auf die Lösung technischer Probleme an, insbesondere bei der Steuer. Um einen Zusammenbruch zu verhindern, brauche man aus politischen Gründen das Geld. Im Moment brächen ja vor allem auch die Investitionen zusammen. Es sei also schon wichtig, wo die Steuer ansetzt, wie sie erhoben wird und daß das technisch auch funktioniert. Sicherlich sei die Kapitalflucht ein Grund dafür, warum keine Steuern eingehen. Das Wegbleiben der Einnahmen aus der Exportsteuer mache deutlich, wie wichtig es ist, daß die technische Seite des Steuersystems richtig angesetzt wird. Svindland lenkt die Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Transformation der Wirtschaft und dabei die Notwendigkeit, zunächst einmal die Aufgaben des Staates zu definieren und festzustellen, welche Formen von Ausgaben es zukünftig geben werde. Aber ehe man dort vorankomme, müsse man auch darauf sehen, das zu finanzieren, was aktuell an Transformation und ihrer Absicherung unternommen werden müsse. Er habe nicht an die Initiierung eines Transfer-Rubels gedacht, keineswegs! Aber im übrigen sei es kein Horrorszenario mehr, daß internationale Organisationen einen Einfluß auf die Lösung der Währungsprobleme im Bereich der GUS nähmen. Es sei vielmehr die Realität, schon seit die Gespräche zwischen den GUS-Staaten und den internationalen Organisationen anfingen. Es werde auf diesem Gebiet in der nächsten Zeit nichts geschehen, was nicht besprochen worden ist und Zustimmung bei den internationalen Organisationen gefunden hat: bei der EG, beim IWF. Etwas anderes sei es, ob diese Organisationen direkte konkrete Weisungen erteilen. So weit könne es im Umgang mit unabhängigen Staaten eigentlich nicht gehen. Im Zusammenhang mit dem Problem der Währungsreform sei die 80Prozent-Anpassungsklausel bei den Löhnen erwähnt worden. Wenn man das zu Ende dächte — eine Anpassung der Löhne um 80 % der jeweiligen Zunahme des Preisindexes —, dann führe das letztlich zu einem Stillstand, nämlich, wenn die Lohnerhöhung gar nichts mehr wert ist, also wenn das Geld überhaupt nichts mehr wert ist.
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Spätestens in dieser Situation stelle sich die Frage nach der Währungsreform. Kürzlich habe Rüdiger Dornbusch ein Papier über das optimale Timing von Währungsreformen geschrieben, mehr mit Rücksicht auf Probleme Südamerikas. Aber sein zentrales Thema sei gewesen, eine Währungsreform ohne anhaltende Erfolge mache eine zweite oder gar eine dritte immer weniger erfolgsversprechend. Es fehle dann die Glaubwürdigkeit, die zum Gelingen erforderlich wäre. Also sei das Problem einer Währungsreform doch in einem optimalen Timing zu sehen. Auf jeden Fall komme es darauf an, nicht tätig zu werden, bevor man größtmögliche Erfolgschancen hat. A m Ende des Liedes der laufenden Inflation etwa in Rußland stehe sicher die Notwendigkeit, eine Währungsreform zu machen. Aber vorläufig lägen die realökonomischen Voraussetzungen, soweit sie institutionell bestimmt werden, nicht vor, um dieses Spiel so zu gewinnen, daß anschließend ein stabiler Rubel erreicht wäre.
I V . Die Konsequenzen der Reformen in Mittel- und Osteuropa für die internationalen Beziehungen
13 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
Die Umorientierung der Außenhandelsströme der Transformationsländer Ostmitteleuropas Von Judit Habuda, München
Einführung Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kollegen und Freunde! Das Thema dieses Vortrags lautet „Die Umorientierung der Außenhandelsströme der Länder Ostmitteleuropas". Da diese Frage im engen Zusammenhang mit anderen Vorträgen dieser Tagung steht, werden bestimmte Aspekte und Dimensionen der Umorientierung, die zwar unmittelbar zu diesem Thema gehören, nur kurz angesprochen. Solche Themen sind die außenwirtschaftliche Öffnung, die Handelsliberalisierung und die Währungskurspolitik, worüber Prof. Inotai gestern ausführlich geredet hat. Ebenso untrennbar vom Thema dieses Vortrags ist die EG-Handelspolitik gegenüber Osteuropa. Darüber berichtet Herr Langhammer heute vormittag. Eine Anzahl interessanter Fragen bleibt für die Diskussion immer noch offen. Dieser Vortrag stellt folgende Fragen: — Hat eine Umlenkung der Außenhandelsströme stattgefunden? — Was sind die Ursachen für die spektakuläre Erhöhung der Exporte Ostmitteleuropas nach dem Westen? — Wie werden sich die Exporte nach dem Westen in Zukunft entwickeln? Um diese Fragen beantworten zu können, wird zunächst die Rolle des Außenhandels in der Reformentwicklung dargestellt. Im zweiten Abschnitt des Vortrags wird auf den Hintergrund der Relationswechsel eingegangen. Der dritte Teil behandelt die Rolle der Mikroebene in der Umorientierung. Im vierten Abschnitt werden die Außenhandels-Perspektiven der ostmitteleuropäischen Region beschrieben; der letzte Abschnitt wird die Umrisse einer zukünftigen Exportstruktur darlegen.
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1. Die Stellung des Außenhandels im Modernisierungsprozeß Das zentrale Planungssystem hatte sich in den früheren sozialistischen Ländern als vollkommen funktionsunfähig erwiesen. Zusammen mit den systemimmanenten Problemen führte die verzerrte internationale Arbeitsteilung zu der einseitigen Entwicklung und Spezialisierung dieser Länder und riß sie aus der Weltwirtschaft künstlich heraus. Die historisch periphere Stellung Osteuropas wurde in den letzten 40 Jahren konserviert, und die Kluft zwischen den westlichen und östlichen Teilen Europas wurde erheblich breiter. Die Wirtschaftslage in Polen, Ungarn und in der CSFR ist besorgniserregend; der Einbruch in der Produktion hält seit dem Reformstart an. Die Wirtschaftskrise vertiefte sich 1992 noch weiter. In den anderen Ländern Osteuropas waren die Ausgangspositionen für die Reform noch ungünstiger als in den drei Vorreiterländern; dementsprechend größer sind dort die wirtschaftlichen und sozialen Probleme und die Gefahr der politischen Instabilität. W i r d die marginale Stellung dieser Länder auf Dauer gefestigt? Der Aufholprozeß kann nur aufgrund eines Modernisierungsprozesses erfolgreich abgeschlossen werden. Um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, den Kapitalstock zu erneuern, die Infrastruktur und die Umweltschäden beseitigen zu können, benötigen diese Länder moderne, umweltfreundliche Technologien. Diese sind aus den Industrieländern zu importieren, darunter vor allem aus den natürlichen WirtschaftspartnerLändern für Osteuropa, aus Westeuropa. Exporterfolge dürften zur Stimulierung der Wirtschaft führen. Ein starkes Engagement des Auslands durch Investitionen ist ebenso erforderlich; ausländische Investitionen bringen Know-how und das notwendige Kapital mit, tragen zur Exporterhöhung bei. Die Modernisierung dieser Wirtschaften ist unvorstellbar ohne die Intensivierung der Handelsbeziehungen mit den OECD-(EG)-Ländern. Insofern ist jenes Konzept für die Wiederherstellung der früheren osteuropäischen Beziehungen, sei es die osteuropäische Zahlungsunion oder die ostmitteleuropäische Handelszone, kritisch zu überprüfen. Eine forcierte Zusammenarbeit könnte den notwendigen Modernisierungsprozeß verzögern. Alte Strukturen würden dadurch am Leben erhalten, und letztendlich würde die strukturelle und technologische Kluft ausgeweitet werden.
2. Der Relationswechsel im Außenhandel Wesentliche Änderungen in den relativen Anteilen der früheren RGWund der OECD- bzw. EG-Länder am Gesamtexport und -import der drei
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Länder sind aus den statistischen Daten erkennbar. Dieses Phänomen wird am Beispiel Ungarns dargestellt (Tabelle l) 1 . Im weiteren Sinne wurde dieses Phänomen als Reorientierung, Umorientierung oder Umlenkung der Außenhandelsbeziehungen bekannt. Unter Relationswechsel im engeren Sinne wird verstanden, daß die einzelnen Unternehmen fähig waren, ihre verlorenen osteuropäischen Märkte zu ersetzen und ihre Produkte auf den westeuropäischen Märkten zu verkaufen. Tabelle 1 Regionale Struktur des ungarischen Außenhandels ( % )
1980
1986
1989
1990
RGW b)
54,1
57,0
42,1
27,4
18,9
EG
19,7
17,4
24,9
36,2
46,7
6,9
7,8
10,6
12,2
14,8
19,2
17,8
22,3
24,2
19,6
1991 a)
Export
EFTA Sonstige Länder
Import RGW b)
49,2
51,6
39,6
27,1
21,2
EG
23,1
23,4
28,9
37,6
42,7
EFTA
12,2
10,2
13,8
15,4
18,8
15,4
14,8
17,7
19,9
17,3
Sonstige Länder
a) Vorläufige Daten. b) Ehemalige europäische RGW-Staaten einschl. Sowjetunion.
Quelle: OECD und Statisztikai Havi Kôzlemények 1992/1. Die Exporte in die EG erreichten 1991 einen Anteil von 40-50% am gesamten Export der drei Länder; die Reorientierung im weiteren Sinne macht Fortschritte. Diese aggregierten Daten bieten aber noch keine Information darüber an, ob Unternehmen ihre früher im Osten verkauften 1 A n dieser Stelle wird nicht auf die Schwierigkeiten statistischer Analysen eingegangen. Diese Angaben sind mit erheblichen statistischen Problemen behaftet.
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Produkte auf den westlichen Märkten absetzen konnten, d. h. ob die Umlenkung i m engeren Sinne gelungen ist (vgl. Rodrik 1992). In Ungarn und in Polen, in Ländern, in denen der Anteil der östlichen Märkte am stärksten zurückgegangen ist, hätte, so wird behauptet, nur eine geringe Umlenkung der Außenhandelsströme im engeren Sinne stattgefunden. Ein Grund dafür ist, daß ein hoher Anteil der Fertigwaren, der bisher nach dem Osten exportiert wurde, im Westen nicht vermarktbar war, zu welchen Preisen auch immer. Vergleicht man nämlich die einzelnen Warenstrukturen i m Ost- und Westhandel im Zeitablauf, dann zeigen diese Daten erhebliche Differenzen in der Warenstruktur zwischen den beiden Relationen. Rodrik (1992) geht davon aus, daß, wenn eine Umorientierung stattgefunden hätte, sie in einer bestimmten Konvergenz der Warenstruktur des Außenhandels nach Ost und West festgestellt werden müßte. Die Strukturdaten lassen aber auf keine Konvergenz schließen. Anhand eines Ähnlichkeitsindex zwischen den beiden Partnergruppen präzisierte er seine Behauptungen. Die Indexwerte, die er ausgerechnet hat, nähern sich nirgendwo den Werten an, die ein vollkommenes Reorientierungsszenario ausweist; in Wirklichkeit driften sie sogar auseinander. Auch eine Studie der EG- Kommission stellt die Frage, ob die osteuropäischen Firmen einen Teil ihrer Exporte von der früheren Sowjetunion auf die westeuropäischen Märkte umlenken konnten (Buigues-Ilzkovitz, 1991). Die Studie unterscheidet zwischen drei Kategorien von Produkten, die in die frühere Sowjetunion und auf die westlichen Märkte exportiert wurden. Zur ersten Gruppe gehören die Waren, die einen wesentlichen Anteil auf dem sowjetischen und einen nur geringen auf dem EG-Markt repräsentieren. Typische Beispiele sind z.B. die tschechoslowakischen Maschinen- und Lastwagenexporte, ungarische Bus- und pharmazeutische Exporte oder polnische Computer- und pharmazeutische Lieferungen in die Sowjetunion. Die Möglichkeit, daß diese Waren auch auf westlichen Märkten abgesetzt werden können, wird von den Autoren als gering bezeichnet. Eine zweite Gruppe stellen die Produkte dar, die einen wesentlichen Anteil der EG-Exporte und einen nur begrenzten Anteil der sowjetischen Exporte ausmachen. Ein typisches Beispiel sind Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte. Voraussetzung für eine Umlenkung ist hier der Abbau der Handelsbarrieren der EG. Eine dritte Produktgruppe umfaßt Waren, die sowohl auf dem EG- als auch auf dem sowjetischen Markt einen bedeutenden Anteil erreichten. Ungarische Textilien und Bekleidung gehören in diese Kategorie sowie polnische und tschechoslowakische Eisen- und Stahlröhren. Die Studie stellt die Frage, ob diese Produkte in zweierlei Qualität hergestellt werden. Wenn ja, dann sind diejenigen Waren, die spezifisch sowjetischen Ansprüchen angepaßt waren, im Westen unverkäuflich.
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Aus dieser Kategorisierung folgen letztendlich zwei Hindernisse der Vermarktung von Produkten auf den westlichen Märkten: die nicht ausreichende Qualität der Erzeugnisse und die Handelsbeschränkungen der westlichen Seite. In Wirklichkeit sind aber die Voraussetzungen für eine Umorientierung wesentlich komplizierter. Zu einem Erfolg oder Mißerfolg tragen die Handelsliberalisierung, die neuen privaten Unternehmen, die ausländischen Investitionen, die Wechselkurspolitik usw. bei. Wodurch wird ein Unternehmen für einen Marktwechsel motiviert? A n dieser Stelle muß noch erwähnt werden, daß eine Umorientierung sowohl absichtlich gefördert als auch spontan erfolgen kann. Ist die Exportexpansion nach dem Westen als Verdienst der Regierungen zu werten? Wollten sie sich aus politischen Gründen von der früheren UdSSR abseilen? Oder übte der Schock, daß durch den Zusammenbruch des COMECON ein Drittel bis zur Hälfte der früheren Exportmärkte auf einem Schlag verloren ging, diesen Zwang aus? 3. Die Rolle der Mikroebene im Marktwechsel In Ungarn gibt es eine spezifische Gruppe von Unternehmen, die sowohl nach dem Westen als auch nach dem Osten exportierte und gleichzeitig bedeutende Transaktionen auf dem Inlandsmarkt durchführte. Diese „DreiMärkte-Unternehmen" waren nur für die ungarische Industrie charakteristisch; in den anderen Ländern dominierten die Unternehmen, die ihre Verkäufe entweder im Westen oder im Osten realisierten. Das Institut für Industrie und Betriebswirtschaft, Budapest, führt seit 1986 Untersuchungen über die Exporttätigkeit dieser Firmen durch. 1989 wurde eine Studie über die Exportorientierung der ungarischen Unternehmen erstellt, die statistische Angaben der 100 größten „Dollarexporteure" der ungarischen Industrie berücksichtigte (Botos 1989). Diese 100 staatlichen (Groß)unternehmen erwirtschafteten 85 % der gesamten Exporteinnahmen in Devisen. 49 Firmen, d.h. die Hälfte dieser Firmen, waren auf drei Märkten tätig. Die Untersuchung ist zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, daß bei der Marktauswahl die Rentabilitätsaspekte nur einen marginalen Stellenwert hatten. Da die Rentabilität der Dollar-Exporte niedriger war als bei RubelExporten, war praktisch der Ost-Export der Kostenträger. Die Ereignisse im Jahre 1988 dienen als Beispiel für dieses Forschungsergebnis. Nachdem zentrale Maßnahmen für die Beschränkung der Rubel-Exporte eingeführt wurden, fiel die Produktion für den Dollar-Markt parallel mit dieser Einschränkung zurück. Nach der Untersuchung der Kosten und der Wirkung von exportfördernden Maßnahmen kam die Studie zu dem Ergebnis, daß von den drei Markt-Relationen (d. h. Inland, Rubel, Dollar) der Dollarexport am wenigsten lukrativ war. Daß die Firmen ihre Exporte nach dem Westen 1988/89 weiter steigerten, ist nur dadurch zu erklären, weil sie ihre Verhand-
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lungsposition gegenüber den Ministerien (bei der Allokation von Ressourcen) stärken wollten. Schon bei dieser Exportsteigerung spielten die dynamischen kleinen und mittelständischen Unternehmen eine große Rolle. Die Exportorientierung der gesamten verarbeitenden Industrie wurde 1988 als schwach bewertet. Ein bedeutender Anteil der Export-Einnahmen in Dollar wurde von Unternehmen erwirtschaftet, bei denen die Exporttätigkeit keine zentrale Stellung hatte. Der Anteil der Export-Einnahmen stieg bei zwei Dritteln der Dollarexporteure nicht einmal über 10 %. Bei den Rubelexporteuren spielte dagegen die Exporttätigkeit eine dominierende Rolle. Die 1991er Umfragen des Instituts dienten der Analyse der Anpassungsfähigkeit der ungarischen Industrie an die EG-Märkte (Török 1991). Als wichtigster Faktor der Anpassung wurde von den Unternehmen das Banken- und Kreditsystem genannt. Da aber die Bürokratie bei den Banken noch dominiert, die Transaktionen zu viel Zeit in Anspruch nehmen, die Kredite nicht ausreichen und die Zinsen zu hoch sind, wird die Rolle dieses Faktors negativ bewertet. Weitere Hindernisse einer erfolgreichen Adaption sind die hohen Steuern, die Schwierigkeiten in der Abwicklung der Geschäfte und die Zahlungsschwierigkeiten der Unternehmen. Die Rolle der Exportsubventionen wurde als viertwichtigste bewertet. Das Zollsystem stand auf dem fünften Platz in dieser Bewertung. Die Mehrheit der Unternehmen meinte, daß die Export-Förderung unzureichend sei. Interessant ist, daß unter »Förderung' nur an subventionsähnliche Maßnahmen gedacht wurde. Die Forint-Abwertung wurde nur marginal erwähnt, als kein richtiges Export-Stimulans. Diejenigen Exporteure, deren Import-Anteil hoch ist, machten die Abwertung für ihre Wettbewerbsfähigkeitsverluste verantwortlich. Nach dem Zusammenbruch des COMECON versuchten die Unternehmen, zu überleben. Womit ist die Exportsteigerung in den Westen zu erklären? Nach Auffassung von Inotai ( 1991 ) ergab sich dieser Export-Erfolg teilweise aus der guten westlichen Konjunktur und aus den Handelserleichterungen. Rodrik (1992) erklärt die Exporterhöhung mit dem Rückgang der Inlandsnachfrage und teilweise mit der Abwertung der einheimischen Währung. Es ist davon abzuraten, generelle Aussagen über die Umorientierung zu machen. Es gibt zwar eine statistische Evidenz dafür, daß ein Relationswechsel im Außenhandel Ostmitteleuropas, d. h. eine Umorientierung im weiteren Sinne, stattgefunden hat. Die Umlenkung der Außenhandelsströme erfolgte aber nach Ländern, Unternehmen, Produkten und im Laufe der Zeit unterschiedlich. Ungarn war, schon 1989, in der Umlenkung erfolgreich (Tab. 1), obwohl es in diesem Jahr noch keinen starken Rückgang in der Produktion gab. Eine reale Abwertung der heimischen Währung war in diesem Land (anders als in der CSFR) nur kurzfristig zu beobachten. Die
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tschechoslowakischen Unternehmen reagierten auf die Senkung der Produktion und auf die Abwertung nur langsam. Es ist zu fragen, ob diese Entwicklung auf die niedrigere Anpassungsfähigkeit oder mehr auf die günstigere Situation in der Staatskasse (Subventionierung) zurückgeführt werden kann. Sowohl die Handelserleichterungen als auch die Konjunktur auf dem Weltmarkt übten auf die einzelnen Produktgruppen und Unternehmen eine unterschiedliche Wirkung aus. Genaue Informationen über die Reorientierung können deshalb nur aus einer tiefergehenden Analyse der Warenstruktur des Exports auf Produktebene gewonnen werden. In der Analyse von Rodrik (1992) werden ζ. B. für Ungarn nur die Warengruppen Energie, Rohstoffe, Maschinenbau, industrielle Konsumgüter und Lebensmittel betrachtet und in den beiden Relationen verglichen. Wenn man aber den tatsächlichen Entwicklungen seine Modellrechnung gegenüberstellt, muß gesehen werden, daß bei bestimmten Produkten eine erfolgreiche Umlenkung stattgefunden hat. So erhöhte Ungarn 1990 das Volumen des Metallurgie-Exports um ein Drittel, und um 56% die NE-Metall-Exporte nach dem Westen gegenüber dem Vorjahr, allerdings auf der Grundlage sinkender — im Vergleich zum Vorjahr um 10-17% niedrigerer — Preise. Die Ausfuhr von Schuhen stieg um 63 %-, die Verkaufspreise waren wesentlich niedriger als im Vorjahr. Der Export von Bekleidung nach dem Westen erhöhte sich, während sich der Export nach dem Osten um 30 % verringerte. Die Exportergebnisse des ersten Halbjahres 1991 zeigten bedeutende Änderungen in der Warenstruktur: der Anteil der industriellen Fertigwaren am Gesamtexport sank von 50 % auf 30 %, und gleichzeitig verschwand der Unterschied im Anteil zwischen den westlichen und östlichen Relationen (Ungarisches 1990, 1991). Zur dynamischen Entwicklung des Exports lieferte der neue private Sektor einen wesentlichen Beitrag. Den höchsten Anteil am Export haben die Privatuntemehmen in Polen (ca. ein Fünftel aller Exporte wird von Privaten abgewickelt). Während der Privatsektor gute Ergebnisse aufweisen kann, hält der Produktionsrückgang in den großen Staatsunternehmen an. Bei den letzteren verringern sich die Investitionen weiter. Eines steht fest: die maroden staatlichen Unternehmen waren nicht in der Lage, ihre Anpassungsfähigkeit zu erhöhen; ihre Exportsteigerung wurde nur durch erhebliche Preisreduzierung möglich. Seit 1991 waren es vielmehr die neuen, kleinen Privatunternehmen, die bei geringer Inlandskonjunktur ihre Chancen auf den Auslandsmärkten suchten. Wie lange dieser Prozeß anhält, ist noch offen.
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4. Die Perspektiven des Außenhandels in Ostmitteleuropa Die Meinungen gehen auseinander darüber, welches Niveau der Außenhandel zwischen den früheren sozialistischen Staaten und der Europäischen Gemeinschaft erreichen kann. Hamilton und Winters (1990) prognostizieren eine wesentlich geringere Konzentration des Handels mit der EG als Collins und Rodrik (1991). In Wirklichkeit haben schon die Ergebnisse für 1991 im Falle Ungarns und Polens die damals als überschätzt betrachteten Werte überholt (Tabelle 2). Längerfristig hängt eine Steigerung des Außenhandelsumsatzes von der Erhöhung des Lebensstandards und von dem Niveau der Produktion ab. Collins und Rodrik (1991) setzen ein „full catch-up scenario" voraus, nach dem diese Länder nach einer erfolgreich abgeschlossenen Transformation das Einkommensniveau Westeuropas erreichen, allerdings nur längerfristig, in ca. 20 Jahren. Mittelfristig scheint ein anderes Szenario wahrscheinlicher, in dem ein bescheidenes Wachstum mit einer grundsätzlichen Liberalisierung des Außenhandels verbunden ist. Voraussetzung der weiteren Exporterfolge ist die Erhöhung des Exportpotentials. Dies hängt in erster Linie von der privatwirtschaftlichen Entwicklung ab. Die Frage ist, ob die Privatisierung beschleunigt werden kann, ob das Interesse ausländischer Investoren aufrechterhalten bleiben wird, ob die neu gegründeten privaten Firmen überleben und expandieren können. Eine weitere Frage ist, ob es noch zu einer Wiederbelebung des interöstlichen Handels kommen kann. Diese Idee wurde in bestimmten Kreisen populär; in Osteuropa wurde sie von denjenigen befürwortet, die nach dem Zusammenbruch des COMECON eine staatliche Intervention verlangten im Sinne derjenigen Großunternehmen, die ihre östlichen Märkte verloren haben. In Westeuropa gab es Stimmen, die eine massive Unterstützung Osteuropas von Anfang an ausschließen wollten, die gegenüber Hilfe einer „Selbsthilfe" den Vorzug gaben. Zur Lösung der Schwierigkeiten im InterCOMECON-Handel und zur Förderung dieses Handels wurde die Gründung einer EEPU (osteuropäische Zahlungsunion) vorgeschlagen. Nach zweijährigen Debatten scheint dieser Vorschlag endgültig von der Tagesordnung abgesetzt zu sein. Das sind die Schlußfolgerungen einer Tagung der Europäischen Bank für Wiederaufbau Ende März dieses Jahres (EBRD 1992). Rosati (1992) brachte fünf Argumente gegen die Einführung einer EEPU. Er ging davon aus, daß die damalige Situation in Westeuropa zur Zeit der Europäischen Zahlungsunion von der derzeitigen Lage in Osteuropa grundverschieden ist: 1. Sämtliche EPU-Mitglieder waren Marktwirtschaften mit langen Traditionen.
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Tabelle 2 Regionale S t r u k t u r des Außenhandels 1928, 1989 u n d Voraussage ( % )
Export
Import Land und Partner 1928
1989
Voraussage
1928
1989
Voraussage
EG
54,39
27,73
55,69
55,88
30,45
51,18
USA
13,95
1,78
5,43
0,84
2,73
Japan
0,00
1,41
3,99
0,29
0,97
1,59
13,46
6,00
16,60
14,13
9,31
Polen
2,94
Osteuropa 9,9 Sowjetunion
1,10
26,11
8,96
1,68
24,96
13,89
Andere
21,47
29,50
19,93
24,71
26,77
21,09
54,79 5,94 0,07 16,67
15,37 0,32 0,33 16,66
55,02 3,48 3,95 7,69
43,92 5,56 0,19 20,55
16,46 0,56 0,76 16,45
46,28 4,73 1,55 10,77
1,04 21,49
45,58 21,74
10,20 19,66
1,32 28,46
43,14 22,64
14,28 22,40
32,40 3,63 0,00 40,22
30,93 1,60 1.21 14,25
47,07 2,78 3,72 12,47
25,00 0,82 0,00 33,61
24,15 2,83 1,15 14,41
37,16 2,77 1,40 15,03
0,28 23,46
24.28 27,74
14.94 19,02
0,41 40,16
28,29 29,17
18,01 25,62
Tschecho•lovakel EG USA Japan Osteuropa Sowjetunion Andere
Ungarn EG USA Japan Osteuropa Sowjetunion Andere
Quelle: Collins-Rodrik (1991)
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2. Die zentrale Aufgabe der EPU war die Förderung des Handels innerhalb der Ländergruppe und die Vorbereitung für eine Konvertibilität, während in Osteuropa ein umfassender Strukturwandel angesagt ist. 3. Die EPU-Staaten wickelten den Großteil ihres Handels untereinander ab. 4. Westeuropa war eine homogene Gruppe von Volkswirtschaften, die sich in ihren Handels- und Zahlungsregimen, ihren marktwirtschaftlichen Institutionen und Eigentumsstrukturen sehr ähnlich waren. 5. Die EPU war ein Teil einer breiten Hilfsaktion für Westeuropa. Diese Argumentation schließt die Möglichkeit einer EEPU mit der Teilnahme der sowjetischen Nachfolgestaaten völlig aus. Es besteht in letzter Zeit auch ein weitgehender Konsens darüber, daß auch eine CEPU (mitteleuropäische Zahlungsunion) zwischen Ungarn, Polen und der CSFR nicht Zustandekommen wird. Csaba (1992) führt das Konvertibilitätsargument gegen eine solche Zahlungsunion an: Polen und die CSFR haben die (Teil-) Konvertibilität bereits deklariert, dadurch ist eine Zahlungsunion schon überholt. Sollte die Konvertibilität scheitern, wären die Bedingungen für eine Zahlungsunion auch nicht mehr erfüllt. Es wäre allerdings vernünftig, die auf ein historisch minimales Niveau sinkenden Handelsbeziehungen zwischen Polen, der CSFR und Ungarn zu verbessern (5 bzw. 6 % des gesamten ungarischen Außenhandels werden mit der CSFR und mit Polen getätigt). Einer Gesundung dieses Handels wird das vor kurzem unterzeichnete Freihandelsabkommen dienlich sein. Dieses Abkommen fordert das minimale Ziel, daß die Produkte der östlichen Nachbarn wenigstens nicht gegenüber westeuropäischen Waren beim Marktzugang benachteiligt werden. Ebenso wäre eine Harmonisierung der Handelspolitik in den drei Ländern unumgänglich, die im Rahmen der DreiLänder-Verhandlung auch diskutiert wird 2 . Als Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des inter-östlichen Handels kann folgendes gelten. Kurzfristig gesehen werden diese Beziehungen auf einem sehr niedrigen Niveau bleiben. Dieses historisch sehr niedrige Niveau wird sich mittelfristig leicht erhöhen: zum einen wegen der regionalen Nähe, zum anderen wegen der Erleichterungen im trilateralen Handel. Die weitaus größte Bedeutung liegt indessen im Westhandel. Die jüngsten Entwicklungen im Handel mit der EG zeigen, daß das Wachstum der Importe das Exportwachstum übersteigt. Die von Rodrik und Collins vor2 A n dieser Stelle sollte man einige Worte über die regionalen Entwicklungen sagen. Dank der politischen und wirtschaftlichen Öffnung entwickeln sich spontane regionale Beziehungen. Bedeutende Kapital- und Arbeitskraftströme bewegen sich in der Grenzregion Ost- und Westeuropas, man denke z. B. an Bayern und Böhmen oder an das Burgenland und West-Ungarn. Diese Beziehungen werden auch ohne zwischenstaatliche Abkommen weiter an Bedeutung gewinnen.
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ausgesagten Import-Anteile (vgl. Tabelle 2) scheinen realistisch zu sein. Die Exportanteile sind dagegen als etwas unterschätzt zu bewerten: Im Falle Polens und Ungarns ist mittelfristig mit einem EG-Export-Anteil von ca. 60 % zu rechnen. 5. Die Umrisse einer zukünftigen Exportstruktur Immer wieder werden Untersuchungen durchgeführt, die die komparativen Vorteile und die zukünftige Exportstruktur der Länder Osteuropas umfassen. Es gibt erhebliche Differenzen in den Forschungsergebnissen dieser Untersuchungen. Die Meinungen gehen in erster Linie darüber auseinander, ob die kleinen osteuropäischen Länder auf dem EG-Markt miteinander und mit den südlichen EG-Ländern konkurrieren müssen. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was für eine zukünftige Exportstruktur (Warenstruktur) sich in den Ländern Osteuropas herausbildet. Oder bleibt die derzeitige Export-Warenstruktur erhalten? Aufgrund von Berechnungen von 1989er Exportdaten kam das D I W (1990) zu der Feststellung, daß die Lieferstrukturen der kleinen Länder Osteuropas sich am meisten untereinander ähneln. Hare und Hughes (1991 und 1992) argumentieren dagegen, daß die ostmitteleuropäischen Länder, auch wenn sie expandieren, sich keine richtige Konkurrenz untereinander machen. Das liegt in erster Linie daran, daß die Korrelation zwischen den konkurrenzfähigen Produktgruppen beim Export sowohl der drei mitteleuropäischen als auch der fünf kleinen osteuropäischen Länder (d. h. Bulgarien und Rumänien zusätzlich) nur gering ist, weil sie komplementär sind. Das ist eigentlich eine logische Konsequenz des „sozialistischen ArbeitsteilungsPrinzips". Überraschend ist, daß einige Studien gute Chancen für eine technologieoder gar eine hochtechnologieintensive Entwicklung für Osteuropa sehen. „... it is hi-tech goods rather than labour intensive goods that represent Eastern Europe's area of comparative advantage" (CEPR 1990, S. 12). Diese Spezialisierung würde die Marktanteile südlicher EG-Länder nicht gefährden (Portes 1992, CEPR 1990). Diese Entwicklung ist nach Auffassung des ifo Instituts weniger wahrscheinlich. In Polen, der CSFR und Ungarn hat der politische Wandel die gesellschaftliche Bedeutung von Wissenschaft und Technologie drastisch vermindert. Es besteht sogar die akute Gefahr, daß von einem Extrem ins andere verfallen wird: Das vorher im Verhältnis zu den ökonomischen Ressourcen starke Gewicht der Forschung wird nun zugunsten anderer wirtschaftspolitischer Ziele reduziert. Die realen ökonomischen und fiskalischen Zwänge haben eine starke Verringerung der Forschungsausgaben zur Folge. Es ist zu befürchten, daß sich die gesamte Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur dieser Länder drastisch verrin-
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gert (Faust et al. 1991). Es ist allerdings zu hoffen, daß der Standortvorteil, der sich in den qualifizierten Arbeitskräften Osteuropas manifestiert, nicht verloren geht. Es ist damit zu rechnen, daß Osteuropa sich auf „relativ arbeitsintensive, vorwiegend humankapitalintensive Güter im mittleren Bereich spezialisieren wird" (Siebert 1991, S. 11). Inotai (1991) geht davon aus, daß die zukünftige Export-Struktur kaum in konkreten Produktgruppen definiert werden kann. „Sicher hat die Region komparative Vorteile in bestimmten Produktionsfaktoren (Naturschätze, Landwirtschaft, Arbeitskraft, Kultur). Man kann aber nicht voraussagen, wie und in welchen Produktionsbereichen sich diese Faktoren kombinieren werden. Im „Verdichtungsfeld" liegen die Landwirtschaft, zahlreiche Dienstleistungen und einige Industrietätigkeiten, die qualifizierte und flexible Leistung erfordern" (Inotai 1991, S. 44).
Die Länder Ostmitteleuropas befinden sich seit dem Reformstart in der Phase, in der die alten Strukturen abgebaut werden. Der Aufbau neuer Strukturen dauert wesentlich länger und braucht Unterstützung sowohl von innen als auch von außen. Die Regierungen schienen bisher nicht in der Lage zu sein, die strukturelle Anpassung ausreichend zu fördern, sie haben sie allerdings bisher auch nicht verhindert. Damit wird keineswegs an staatlichen Interventionismus gedacht. Die Wende kann nur durch die Stärkung der Mikroebene herbeigeführt werden: Privatisierung, Neugründung und weitere Förderung von (privaten) Unternehmen und ein starkes Engagement des Auslands. Literaturverzeichnis Aslund, A. (1990): Systemic Change in Eastern Europe and East-West Trade. In: EFTA Occasional Paper No. 31. Brabant , J. M. van (1989): Economic Integration in Eastern Europe — A Handbook. New York, Routledge. Botos, B. (1989): Exportorientàcio az iparban. M T A IVKl, Budapest. Buigues, P./Ilzkovitz, F. (1991): Economic Interpénétration between the EC and Eastern Countries, mimeo. CEPR, (1990): Monitoring European Integration, Centre for Economic Policy Research, Annual Report, The Impact of Eastern Europe, London. Collins, S. M ./Rodrik, D. (1991): Eastern Europe and the Soviet Union in the World Economy. In: Policy Analyses in International Economics, 32. Washington, Institute for International Economics. Csaba, L. (1992): How to Survive Trade Reorientation and Liberalisation? mimeo.
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Judit Habuda
Török, A'. (Ed., 1991): Market Orientation of Hungarian Enterprises — EC Integration. MTA IVKI, Budapest. Ungarisches Statistisches Amt: Ira'nytü a gazdasa'ghoz (Berichte des Ungarischen Statistischen Amtes), I-III. Quartal 1990, 1990, 1. Halbjahr 1991. Williamson, J. (1991): The Economic Opening of Eastern Europe. In: Policy Analysis in International Economics. World Bank (1991): Czechoslovakia. Transition to a Market Economy. A World Bank Country Study, Washington DC.
Das Verhältnis mittel- und osteuropäischer Länder zu den internationalen Finanzorganisationen Von Petra Pissulla, Hamburg
Die Beziehungen zwischen den internationalen Finanzorganisationen — insbesondere dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank — und den mittel- und osteuropäischen Ländern haben sich seit der Aufnahme Rumäniens in den IWF als erstem Land Osteuropas im Jahre 1972 bis heute geradezu dramatisch gewandelt. Damals — und vor allem in den 80er Jahren, als mit Ungarn (1982) und Polen (1986) zwei weitere Länder Mitglieder des Fonds und der Weltbank wurden — ging es darum, zum Teil hochverschuldete Zentralverwaltungswirtschaften in von westlichen Industrieländern dominierte Organisationen zu integrieren. Dabei stieß der Fonds insbesondere bei der Umsetzung einer seiner klassischen Aufgaben auf Schwierigkeiten, nämlich bei dem Versuch, die Zahlungsbilanzprobleme der betroffenen Länder unter Vermeidung unerwünschter Restriktionen im Außenhandel in den Griff zu bekommen. Der Versuch, systembedingte binnen- und außenwirtschaftliche Verzerrungen und Ungleichgewichte in diesen Ländern durch den Einsatz indirekter marktwirtschaftlicher Lenkungsparameter zu beseitigen, mußte scheitern. Dies zeigte insbesondere das Beispiel Rumäniens, aber auch das Beispiel Ungarns in der 1. Hälfte der 80er Jahre. Zwar erreichten beide Länder einen beeindruckenden Abbau ihrer Außenhandelsdefizite, jedoch war dies nicht dem Einsatz der indirekten Lenkungsparameter des Fonds zu verdanken — das heißt den Preis-, Zins- und Wechselkursanpassungen —, sondern allein oder zumindest zum größten Teil den direkten Importkontrollen beider Länder. Makroökonomische Verzerrungen — diese nicht zuletzt im Bereich der Preise und der Ressourcenallokation — blieben erhalten. Noch Ende der 80er Jahre scheiterten die makroökonomischen Stabilisierungsversuche des Fonds in Ungarn an dem Versagen fiskalpolitischer Instrumente in dem noch planwirtschaftlichen Umfeld und an dem Kontrollverlust über die Geldmenge. 1 Die damals immer noch vorhandenen Tabus einer Zentralverwaltungswirtschaft — insbesondere die festgeschriebenen 1
Vgl. I. Szalkai: Comments and Criticsm; Evaluation of the IMF Activity in Hungary, in: Acta Oeconomica, Vol. 43 (1- 2), 1991, S. 179. 14 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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regionalen Handelsvereinbarungen und die nach wie vor überwiegend administrativ festgelegten Preise, Wechselkurse, Löhne etc. — verhinderten, daß sich die aufgestauten Ungleichgewichte lösen konnten. Heute — nachdem 1990 auch die beiden letzten der fünf kleinen ehemaligen RGW- Länder Fondsmitglieder wurden — geht es nicht länger um eine außenwirtschaftliche Stabilisierung unter Beibehaltung planwirtschaftlicher Prinzipien, sondern um eine Stabilisierung bei gleichzeitiger kompletter Systemtransformation. Und die Hauptverantwortung für diese beispiellose Aufgabe haben die westlichen Industrieländer nicht zuletzt dem Internationalen Währungsfonds aufgebürdet, der die gemeinsam mit den betroffenen Ländern entwickelten Anpassungsprogramme überwachen soll. In diesem Verhalten allerdings hat sich seit den 80er Jahren praktisch nichts verändert: Denn Polen hatte nicht zuletzt deshalb 1981 einen Antrag auf Fondsmitgliedschaft gestellt, weil die westlichen Gläubiger nach Bekanntwerden der polnischen Zahlungsunfähigkeit weitere Kreditgewährungen und Umschuldungsverhandlungen von eben dieser Fondsmitgliedschaft abhängig machten oder zumindest abhängig machen wollten. Auch heute reagieren westliche Gläubiger wie ein Seismograph auf Zeichen der Erschütterung, sprich Verstimmung beim IWF. Nachdem der Fonds im Fall Polens im September 1991 die vorgesehenen Kredittranchen im Rahmen eines Dreijahres-Kreditprogramms ausgesetzt hatte, weil das polnische Budgetdefizit die vereinbarte Grenze überschritten hatte — weil also eines der vereinbarten Leistungskriterien des IWF nicht erfüllt worden war —, suspendierte der Pariser Club die Realisierung der zweiten Stufe des Umschuldungsabkommens. Die Pariser Club-Vereinbarungen waren direkt an das IWF-Programm gekoppelt. Gleichzeitig verschoben die westlichen Geschäftsbanken die Verhandlungen mit der polnischen Regierung über das weitere Schuldenmanagement. Von dem im April 1991 vereinbarten Kredit in Höhe von rund 1,2 Mrd. SZR konnte Polen bisher lediglich 76,5 Mio. SZR tatsächlich in Anspruch nehmen. Die Reaktion der westlichen Gläubiger zeigt also, daß nach wie vor die Kreditwürdigkeit der mittel- und osteuropäischen Länder vom Plazet des Währungsfonds zu deren Wirtschaftspolitik und Transformationsfortschritten abhängt. Auch seitens der EG-Kommission wurde kürzlich auf der Nato-Tagung in Brüssel klar gesagt, daß die EG kein eigenes Programm für Osteuropa entwickeln möchte, sondern es vorziehe, eine vom IWF entwickelte — wie es hieß — „Doktrin" für Osteuropa mitzutragen und zu unterstützen. Warum das so ist, wird klar, wenn man sich vor Augen hält, worin der eigentliche Sinn der IWFKonditionalität besteht: Sie soll die Voraussetzungen dafür schaffen, daß das Schuldnerland seine Schulden innerhalb der vereinbarten Fristen auch zurückzahlen kann! Ist diese Sicherheit nicht gegeben, darf der IWF grundsätzlich keine Mittel freigeben. 2 Nichterfüllte Leistungskriterien signalisie-
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ren also dem Fonds eine potentielle Gefährdung der Schuldentilgung. Die anschließende Aussetzung der weiteren Kreditgewährung durch den Fonds wiederum gibt diese Signale an die übrigen Kreditgeber weiter. Da die osteuropäischen Länder ihrerseits nicht nur die Fondskredite dringend benötigen, sondern auch auf dem Zufluß weiteren westlichen Kapitals angewiesen sind, brauchen sie die Zustimmung des Fonds zu ihrer Reformund Wirtschaftspolitik und sind — so die Hoffnung der westlichen Gläubiger — zu erhöhter Reformdisziplin bereit. Bedeutsam ist die IWF-Mitgliedschaft aber nicht nur wegen der finanziellen Unterstützung und der technischen Hilfe des Fonds, sondern auch, weil sie die Voraussetzung für die Mitgliedschaft bei der Weltbank ist. IWF und Weltbank ergänzen sich und stimmen ihre Programme aufeinander ab, wobei die Weltbank langfristige Finanzierungen — allerdings zu üblichen Kapitalmarktbedingungen — vergibt. Im Gegensatz zum Fonds finanziert sie konkrete Projekte. Mittel der Weltbank werden in Form von sog. Struktur- oder Sektoranpassungsdarlehen gewährt. Klassische Bereiche für die Weltbankfinanzierung auch in Osteuropa sind die Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur, die Landwirtschaft, der Umweltschutz, das Gesundheitswesen, die Förderung der Exportindustrie u.ä.
Umfang der Finanzierung Seit Anfang 1991 — dem Jahr des Beginns Fonds-finanzierter Anpassungsprogramme in allen fünf Ländern Mittel- und Osteuropas — hat der Fonds Osteuropa im Rahmen von Standby- und Extended-Arrangements Kredite in Höhe von insgesamt 3,8 Mrd. SZR, das heißt rund 5,3 Mrd. USDollar zugesagt. Darunter sind drei Standby- Vereinbarungen mit Bulgarien, der CSFR und Rumänien, die Laufzeiten von 12 bzw. 14 Monaten hatten, mittlerweile ausgelaufen; das Gesamtvolumen dieser drei Kredite betrug rund 1,3 Mrd. SZR (1,8 Mrd. US-Dollar). Ein Anschlußabkommen in Höhe von rd. 150 Mio. SZR für 1992/93 hat der IWF bislang nur für Bulgarien gebilligt. Lediglich Polen und Ungarn haben bisher Kreditvereinbarungen mit dreijähriger Laufzeit im Rahmen von Extended- Arrangements. Diese beiden Kredite im Gesamtvolumen von 2,34 Mrd. SZR (3,3 Mrd. $) laufen Anfang 1994 aus. Von diesen zugesagten Krediten an die fünf osteuropäischen Länder in Höhe von rd. 3,8 Mrd. SZR sind bis Ende Februar 1992 nur 1,6 Mrd. SZR tatsächlich in Anspruch genommen worden; bis heute dürften die tatsächlich gezogenen Mittel rund 1,8-1,9 Mrd. SZR erreicht haben, wenn davon 2
14·
Vgl. NZZ, Nr. 87 vom 14.4.1992.
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ausgegangen wird, daß Bulgarien, die CSFR und Rumänien die zugesagten Kredite mittlerweile voll in Anspruch genommen haben. Hinzu kommen Kredite aus der sogenannten CCF-Fazilität des Fonds, das heißt der Compensatory and Contingency Financing Facility — der Fazilität zur Kompensierung von Exporterlösausfällen und unerwarteten externen Störungen — in Höhe von 1,16 Mrd. SZR. Insgesamt wurden seit Anfang 1991 also Fondskredite in Höhe von rund 3 Mrd. SZR an die fünf Länder vergeben; dieser Betrag entspricht 114 % der addierten Quoten Osteuropas, der Finanzierungsspielraum des Fonds wurde also bisher nicht ausgeschöpft. Auch die Weltbank dürfte noch über erheblichen Finanzierungsspielraum für Osteuropa verfügen. Im Geschäftsjahr 1990/91 erhielten die fünf mittel- und osteuropäischen Länder Kreditzusagen der Weltbank in Höhe von 2,9 Mrd. $; davon wurden allerdings bis Juni 1991 nur rd. 800 Mio. $ tatsächlich ausgezahlt. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Kreditzusagen der Weltbank an Osteuropa um immerhin über 60 % erhöht. Auch dürfen die Kofinanzierungen der Weltbank nicht vergessen werden, durch die sich die reinen Weltbankmittel häufig beträchtlich erhöhen. So wurden z.B. im Falle Ungarns Weltbankkredite der Jahre 1983 — 88 in Höhe von insgesamt 1,5 Mrd. $ ergänzt durch weitere 1,5 Mrd. $ in Form von Kofinanzierungen der Geschäftsbanken. 3
Schätzung der bis 1994 denkbaren Kreditgewährung des Fonds an Osteuropa
Jedes Mitgliedsland kann im Rahmen von Standby- und ExtendedArrangements drei Jahre lang jährlich maximal 110 % seiner Quote ziehen und kann darüber hinaus im Rahmen der erwähnten CCF-Fazilität maximal 105 % seiner Quote in Anspruch nehmen. Als Summe ergibt sich daraus ein grundsätzlich mögliches Ziehungsvolumen innerhalb von drei Jahren in Höhe von 435 % der jeweiligen Quote. Für die fünf Länder Osteuropas mit einer addierten Quote von 2,634 Mrd. SZR würde sich daraus ein theoretisches Kreditvolumen von rd. 11,5 Mrd. SZR ergeben, pro Jahr also durchschnittlich rund 3,9 Mrd. SZR bzw. 5,4 Mrd. US- Dollar. Diese Summe würde in etwa jenem Betrag entsprechen, der vom IWF als jährlicher reiner Zahlungsbilanzbedarf Osteuropas geschätzt wird. 4 3 Vgl. A. Wass von Czege: Ungarn, in: K. Bolz (Hrsg.): Die wirtschaftliche Entwicklung in den sozialistischen Ländern Osteuropas zur Jahreswende 1988/89, Hamburg 1989, S. 317. 4 Vgl. de Groot, Exekutivdirektor Belgiens beim IWF, auf der Nato-Tagung in Brüssel, im A p r i l 1992.
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Unter Berücksichtigung der bereits gezogenen Kredittranchen und der bis 1993 bzw. 1994 bereits zugesagten Mittel könnte dieses Maximalkreditvolumen nur dann annähernd erreicht werden, wenn der Fonds seine Kreditlimits in den Anschlußkreditabkommen für Bulgarien, die CSFR und Rumänien und auch in den übrigen zur Verfügung stehenden Fazilitäten voll ausschöpfen würde. Dann könnten die Länder Osteuropas bis Mitte 1994 mit weiteren rund 6,2 Mrd. SZR des Fonds rechnen. Zusammen mit den bereits 1991/92 gezogenen Mitteln wären dann also bis 1994 Gesamtkredite in Höhe von 9,2 Mrd. SZR denkbar (vgl. Tabelle). Allerdings ist der Fonds bislang nur selten an seine erlaubten Finanzierungshöchstgrenzen gegangen. Es ist also eher mit geringeren Kreditvolumina zu rechnen.
Geschätzte mögliche Kreditaufnahme Osteuropas bis Mitte 1994 unter Berücksichtigung von bereits in Anspruch genommenen und zugesagten Krediten in Mio. SZR (Stand Februar 1992)a) Quote (Mio. SZR)
Bulgarien CSFR Ungarn Polen Rumänien Summe
Standby- + Extended Arr. bereits gezogen 1991/92
310,0 590,0 530,7 680,0 523,4
279,0 619,5 477,6 76,5 380,5
2.634,1
1.833,1
bis ca. Mitte 1994 vorgesehen bzw. höchstmöglich 492,0b) 1.189,8 636,4C) 1.147,5e) 1.151,5 4.607,2
CCFF bereits gezogen 1991/92
noch möglich
60,6 466,0 226,2 162,6 247,7
265,0 153,5 331,0 551,4 301,9
1.163,1
1.602,8
a
) Für Bulgarien, die CSFR und Rumänien, deren Standby-Abkommen im März bzw. im April 1992 ausgelaufen sind, wurde unterstellt, daß die vereinbarten Kredittranchen bis Ende April voll ausgezahlt worden sind. b ) davon für 1992/93 bereits vereinbart: 151 Mio. SZR. c ) Vereinbart bis Februar 94 (Ungarn) bzw. bis A p r i l 94 (Polen). Quelle: IMF: International Financial Statistics, Vol. XLV, No. 3, March 1992; eigene Schätzungen.
Auch wenn dies nicht übermäßig üppig klingt angesichts des Gesamtfinanzierungsbedarfs der ost- und mitteleuropäischen Länder, sollte man sich allerdings vor Augen führen, daß die bis Ende Februar 1992 effektiv an Osteuropa ausgezahlten Kredite des Fonds — einschließlich zweier noch nicht zurückgezahlter früherer Standby-Kredite an Ungarn und Polen — eine Höhe von 3,3 Mrd. SZR erreichten. Bei insgesamt 156 Fondsmitgliedern im April 1992 — darunter 134 Entwicklungsländer — haben also die fünf
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osteuropäischen Länder, deren gemeinsamer Quotenanteil an der Gesamtquote des Fonds weniger als 3 % beträgt, mehr als 12 % aller ausstehenden Fondskredite erhalten. Diese Relationen dürften hinreichend zeigen, daß der Fonds dem Systemumbau und der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung in diesen Ländern hohe Priorität zuweist. Ähnliches gilt für die Weltbank, deren Zusagen an Osteuropa allein im letzten Geschäftsjahr 18 % der weltweit erteilten Zusagen ausmachten, auch wenn der Anteil der ausstehenden Kredite an Osteuropa an den weltweit ausstehenden, d.h. noch zurückzuzahlenden Krediten der Weltbank Mitte 1991 keine 2 % betrug. 5 Vorhersagen über künftige Kreditgewährungen der Weltbank lassen sich kaum machen. Es dürfte lediglich feststehen, daß sich die Ausleihungen weiter erhöhen werden, zumal die Weltbank keine Finanzierungsengpässe hat. Ende des Geschäftsjahres 1991 betrug der nicht ausgeschöpfte Kreditvergabespielraum 61,7 Mrd. $.6 So wichtig die finanziellen Beziehungen zwischen Fonds, Weltbank und Osteuropa sind, so wichtig — wenn nicht sogar wichtiger — sind das mittlerweile gewonnene Transformations-Know-how und die angebotenen technischen Hilfen beider Organisationen für den Systemwandel und den Erfolg der Stabilisierungspolitik in Osteuropa.
Anpassungsprogramme des Fonds
(
Dabei stehen allerdings insbesondere die Anpassungsprogramme des Fonds keineswegs außerhalb jeder Kritik. Insbesondere in Polen wurden die IWF-Maßnahmen zum Teil heftig angegriffen, obwohl die Programme keineswegs — wie häufig geglaubt zu werden scheint — den betroffenen Ländern vom Fonds aufoktroyiert, sondern in Verhandlungen mit den jeweiligen Regierungen mehr oder weniger einvernehmlich festgelegt werden. Bevor aber die erwähnte Kritik an den Fondsprogrammen näher dargelegt wird, sollen die Grundrichtungen dieser Anpassungsprogramme erläutert werden. W i e sehen die Fondsprogramme aus, welche Erfahrungen hat man bisher gemacht? Bei allen bestehenden Unterschieden in den Ländern Osteuropas sind die allen gemeinsamen Probleme, die aus dem früheren planwirtschaftlichen System und dem jetzigen Systemwandel resultieren, keineswegs beseitigt. Insofern enthalten die Programme aller fünf Länder mehr oder weniger 5
Vgl. Weltbank Jahresbericht 1991, S. 202 ff. Kreditvergabespielraum = gezeichnetes Grundkapital + Reserven — vergebene Kredite; vgl. Weltbank Jahresbericht 1991, S. 75 und NZZ, Nr. 220 vom 24.9.1991. 6
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gleichgerichtete Maßnahmen; einerseits sollen sie die sich im Zuge des Anpassungsschocks zu verstärken drohenden außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte mindern und andererseits die kollabierenden Wirtschaften auf einen gleichgewichtigen Wachstumspfad führen. In allen Ländern Osteuropas wurden im Rahmen ihrer Zentralverwaltungswirtschaften Preise — darunter auch Zinssätze und Wechselkurse — administrativ festgelegt. Diese Preise, die mit marktbestimmten Gleichgewichtspreisen nichts zu tun hatten, waren letztlich für die enormen Verzerrungen, Ressourcenfehlallokationen und für Nachfrageüberhänge verantwortlich. Um diese Fehlentwicklungen zu beseitigen, setzte der Fonds auch in den Anpassungsprogrammen für Osteuropa seine klassischen Instrumente ein — klassisch deshalb, weil letztlich alle IWF-Programme in Fällen, in denen ein außenwirtschaftliches Ungleichgewicht verursacht wurde durch binnenwirtschaftliche Angebots/Nachfrageungleichgewichte, diese Instrumente enthalten. Alle Bereiche der Wirtschaft sollten möglichst gleichzeitigen und umfassenden Reformen unterzogen werden. Schockartig wurden in allen Ländern die Preise — bis auf wenige Ausnahmen — freigegeben oder deutlich angehoben, Zinssätze in Richtung auf einen positiven realen Zinssatz angepaßt, Wechselkurse massiv abgewertet und eine restriktive Einkommens-, Geld- und Fiskalpolitik mit strikten Limitierungen der staatlichen Budgetdefizite verordnet, um die zu erwartende Inflation unter Kontrolle zu bringen. Angesichts des Ausmaßes der Verzerrungen wurden neben den quantitativen Leistungskriterien auch Auflagen, die die Strukturpolitik der Länder betreffen, in die Anpassungsprogramme einbezogen. So wurde eine allgemeine Liberalisierung und Privatisierung der Wirtschaft eingeleitet und es wurde eine alle Bereiche umfassende Neuordnung bzw. Neuschaffung der institutionellen, rechtlichen und administrativen Voraussetzungen für eine funktionierende Marktwirtschaft in Angriff genommen. Diese Art der Auflagen hat letztlich das Ziel, die für eine Verbesserung der Ressourcenallokation notwendigen mikroökonomischen Anreizmechanismen zu entwickeln. Diese mittlerweile hinlänglich bekannten Reformprozesse sollen hier nicht noch einmal ausgebreitet werden; interessanter dürfte es sein, die Erfahrungen zu analysieren, die der Fonds und seine osteuropäischen Mitglieder mit den gemeinsam entwickelten Anpassungsprogrammen gemacht haben und welche Lehren — insbesondere hinsichtlich der Schrittfolgen der Reform — daraus gezogen werden können. Zunächst sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, daß kaum jemand vorhergesehen hat, wie zähflüssig die Reformen vorangehen, mit welchen hohen Kosten die Systemtransformation tatsächlich verbunden ist und in welche allgemeine, tiefe und langanhaltende Rezession die Länder
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stürzen würden. Eine erste „Lehre" könnte also heißen: Die Länder Osteuropas brauchen mittelfristige strukturverändernde Programme. Ein-JahresAbkommen, deren vor allem finanzpolitische Maßnahmen eher für Länder mit einer funktionierenden Marktwirtschaft taugen, bergen im Falle Osteuropas eine größere Gefahr des Scheiterns. 7 Insbesondere in Ungarn ist man dieser Auffassung. Dennoch haben zur Zeit lediglich zwei Länder 3-JahresAbkommen (Ungarn und Polen), von denen eines bekanntlich ausgesetzt wurde. Auch der IWF hat die Tiefe der Rezession nicht vorausgesehen. Im nachhinein finden sich viele Gründe für den wirtschaftlichen Absturz: rechtlich und institutionell zu schwache Kapitalmärkte, Immobilität auf dem Arbeitsmarkt, fehlender Wettbewerb aufgrund unzureichender Privatisierung und eine mehr oder weniger versagende Geld- und Kreditpolitik. Richard Portes kritisiert insbesondere die viel zu starke Konzentration auf die makroökonomische Stabilisierung. 8 Zwar war eine anfängliche, sozusagen „Grobstabilisierung" der Makroebene notwendig, jedoch hätte diese nicht in dem geschehenen Ausmaß in ein „macro fine-tuning" übergehen dürfen. Statt dessen hätte man sich viel stärker auf die Schaffung der für eine leistungsfähige Mikroebene nötigen institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen konzentrieren müssen. Tatsächlich liegt genau hier der Schwachpunkt der makroökonomischen Stabilisierungsprogramme, daß sie durch die versagende Mikroebene an ihre Grenzen stoßen. So bewirkten z.B. die für eine makroökonomische Stabilisierung notwendigen Preisfreigaben bei nach wie vor monopolistischer Anbieterstruktur und fehlendem Wettbewerb keine Angebotserhöhung, sondern vor allem drastische Preiserhöhungen. Insbesondere aber stößt die vom IWF verordnete Geld- und Fiskalpolitik rasch auf Grenzen; durch deren fast zwangsläufiges Versagen läuft insbesondere die Geldmenge aus dem Ruder und beschleunigt die Inflation. Dazu tragen nicht zuletzt ungeplante zwischenbetriebliche Kreditgewährungen bei — durch Nichtbezahlung der Rechnungen —, unfreiwillige Erhöhungen der Bankkredite an die Betriebe — durch Nichtbezahlung der Zinsen — und nicht zuletzt steigende Budgetdefizite des Staates durch ausbleibende Steuereinnahmen, durch unerwartet hohe Sozialleistungen und durch nicht programmgemäße Subventionszahlungen an die vor dem drohenden Kollaps stehenden ehemaligen Staatsbetriebe. Nicht nur Polen, dem der Fonds aufgrund zu hoher Budgetdefizite sogar das laufende Kreditabkommen stoppte, hat Probleme, die harten Budgetrestriktionen des Fonds einzuhalten. Rumänien wurde erst im Februar dieses Jahres vom IWF hart kritisiert, weil mehr oder weniger allen in Zahlungs7 8
Vgl. B. Csikos-Nagy, in: Acta Oeconomica, Vol. 42/1990. Vgl. IMF-Survey, Sept. 30, 1991, S. 278.
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Schwierigkeiten steckenden Staatsbetrieben — so undifferenziert wie offensichtlich in keinem anderen Land Osteuropas — mit Subventionen aus dem Staatsbudget nicht zum ersten Mal kräftig unter die Arme gegriffen wurde. Zunächst wurden die „neuen" Altschulden der Betriebe in Höhe von rd. 300 Mrd. Lei erlassen 9 — diese Summe entspricht immerhin fast 30 % der gesamten Bruttoindustrieproduktion des Jahres 1991 —; im Anschluß daran wurden zusätzlich „einige Hundert Milliarden Lei" von Regierung und Nationalbank als vermutlich verlorene Kredite an die Unternehmen verteilt, die Anfang des Jahres 1992 auf einem Berg unbezahlter Rechnungen in Höhe von insgesamt 1.800 Mrd. Lei saßen und aus Geldmangel nicht einmal mehr die Löhne auszahlen konnten. Auch in Ungarn zeigen die steigenden Budgetdefizite bei gleichzeitig deutlichen Reformerfolgen in der außenwirtschaftlichen Entwicklung, daß die Anpassungsrezession sehr viel stärker ausgefallen ist, als erwartet worden war. Während sich beispielsweise die Hartwährungsreserven Ungarns seit Ende 1990 mehr als vervierfachten (auf 4,5 Mrd. Dollar im März 1992), die Nettoverschuldung allein seit Ende 1991 um 2,5 Mrd. Dollar auf 13,4 Mrd. Dollar sank, und Ungarn als einziges Land Osteuropas 1991 mit einer positiven Leistungsbilanz aufwarten konnte, 1 0 erhöhte sich das Staatsdefizit von praktisch 0 % des Bruttoinlandsprodukts 1990 auf über 4 % in den ersten 9 Monaten 1991. Damit konnte die IWF-Vorgabe, die nur 3 % für das Gesamt jähr vorgesehen hatte, nicht eingehalten werden. Beim IWF wächst mittlerweile die Bereitschaft, diese höheren Defizite zu tolerieren und finanziell zu unterstützen. Dies zumindest dann, wenn sie kein Zeichen von Mißmanagement sind — insbesondere nicht das Ergebnis populistisch gefärbter und nach dem Gießkannenprinzip gewährter Subventionen an die Unternehmen —, sondern wenn sie aus den unumgänglichen Transformationsprozessen resultieren. Dies ist z.B. in Ungarn und in der CSFR der Fall, wo die insbesondere in der CSFR sehr restriktiven Budgetziele vor allem deshalb nicht realisiert werden konnten, weil einerseits aufgrund der Rezession die Steuereinnahmen stark zurückgingen und andererseits u.a. ebenfalls höhere Sozialausgaben als erwartet anfielen. Auch scheinen beide Länder trotz steigender Defizite als einzige Länder Osteuropas ihre Inflationsraten unter Kontrolle zu haben, die in Ungarn 1991 mit „nur" 35 % und in der Tschechoslowakei mit rd. 58 % vergleichsweise niedrig waren. Eher ein Zeichen von Mißmanagement dürften die steigenden Defizite im Falle Rumäniens und Polens sein, wo notleidende Unternehmen durch Subventionen oder praktisch verlorene Kredite am Leben erhalten werden. 9 10
Vgl. Neuer Weg, Nr. 373 vom 15.2.1992. Vgl. Neue Zürcher Zeitung, Nr. 74 vom 29./30.3.1992.
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Um weiteren Diskussionen über das leidige Budgetthema zu entgehen, hat Polen offensichtlich eine „Lösung" gefunden, wenn auch weder eine elegante, noch eine dauerhaft tragbare: statt aus dem Staatsbudget werden die Subventionen zur Zeit über die Geldpresse finanziert und am Budget vorbei in die Wirtschaft eingeschleust. 11 Damit sind Budgetrestriktionen naturgemäß nicht mehr viel wert.
Wechselkursregime und Konvertibilität Veränderungen der relativen Preise in Richtung auf ein Marktgleichgewicht sind — wie bereits erwähnt — für den Fonds die absolut notwendige Voraussetzung für eine langfristige makroökonomische Stabilisierung. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Wechselkursanpassung. Das Herausfinden des „richtigen" Wechselkurses ist dabei ohne Frage einer der Eckpfeiler für den außenwirtschaftlichen Erfolg der Reformen. Damit eng verbunden ist die Frage nach dem Wechselkursregime und die Frage: Konvertibilität ja oder nein — wenn ja, wann und in welchem Umfang. Die Konvertibilitätsfrage stellt dabei wohl eines der größten Probleme beim Systemumbau dar. A n ihr und an der Wechselkursfrage entzünden sich die heftigsten Diskussionen, weniger allerdings beim IWF, als in den Ländern Osteuropas. Als „richtiger" Wechselkurs wird vom Fonds jenes Austauschverhältnis betrachtet, das mit einer langfristig ausgeglichenen Zahlungsbilanz kompatibel ist. 1 2 Was das Wechselkursregime betrifft, so ist eine bislang ungeklärte Frage, ob ein fester Wechselkurs für die „Aufrechterhaltung finanzieller Disziplin förderlicher ist" oder ein flexibler Wechselkurs. 13 Nach einer Untersuchung des Fonds deuten die bisherigen Erfahrungen darauf hin, daß beide Regelungen mit dem Ziel der Preisstabilität vereinbar sein können. Der Fonds akzeptiert deshalb grundsätzlich die von seinen Mitgliedern jeweils bevorzugten Regelungen. Auch in den einzelnen Ländern Osteuropas wurde keine einheitliche Regelung gewählt. Während sich Polen, Ungarn und die CSFR entschlossen, ihre Währung fest an den Dollar oder einen Währungskorb zu binden, wählten Bulgarien und Rumänien ein System flexibler Kurse mit sog. managed floating. Die Zentralbank setzt dabei den Kurs fest und ändert ihn bei gegebenem Anlaß. Für einen nicht gebundenen, flexiblen Kurs sprach in beiden Ländern die begrenzte Verfügbarkeit von internationalen Zahlungsmitteln und vor al11 12 13
Vgl. NZZ, Nr. 66 vom 20.3.1992. Vgl. J. GREENE/P. ISARD, zitiert in: NZZ, Nr. 215 vom 18.9.1991. Vgl. Finanzierung und Entwicklung, September 1991, S. 19.
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lem die bestehenden Unsicherheiten über den „richtigen" Kurs. Es war angesichts des Ausmaßes der Verzerrungen in beiden Ländern unmöglich vorauszusagen, welcher Kurs auf Dauer aufrechtzuerhalten sein würde. 14 In Rumänien gibt es deshalb immer noch ein gespaltenes Wechselkurssystem; neben dem offiziellen Kurs, der bereits mehrfach kräftig abgewertet wurde, gibt es nach wie vor den auf freien Interbanken-Auktionen ermittelten Wechselkurs, der deutlich über dem offiziellen Wechselkurs liegt. Zwar räumt der IWF in seinem Jahresbericht Verständnis für die Notwendigkeit des dualen Wechselkurssystems in Rumänien ein, drängt aber auf rasche Vereinheitlichung des offiziellen Kurses und des unter wachsendem Abwertungsdruck stehenden Kurses am Interbanken-Markt, da man nachteilige Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Preise befürchtet. Dies vor allem deshalb, weil bei flexiblen Wechselkursen ohnehin die Gefahr besteht, daß — insbesondere bei laxer Finanzpolitik — die Preisstabilität zusätzlich in Gefahr gerät. Für den Einsatz flexibler Wechselkurse spricht, daß der Zahlungsbilanzausgleich erleichtert werden kann. Das Regime fester Wechselkurse kann hingegen den Vorteil haben, daß — wie in Polen — nach einer drastischen Abwertung eine Art „Stabilitätsanker" geworfen wird. Andererseits war aus der Sicht polnischer Ökonomen — u.a. Winiecki und Beksiak — die starre Festlegung des Zloty von Anfang 1990 bis einschließlich des 1. Quartals 1991 falsch. 15 Da allein i m 1. Halbjahr 1990 die Inflationsrate noch bei 300 % gelegen habe, hätte der zuvor drastisch abgewertete Zloty eine kräftige de facto-Aufwertung erfahren. Die polnischen Exporteure hätten die mühsam errungenen Positionen auf den Weltmärkten wieder verloren, während die vergleichsweise billigen Importgüter die verteuerten heimischen Produkte auf dem Binnenmarkt verdrängt hätten. Zwar gibt die Außenhandelsstatistik für das Jahr 1990 noch keine Bestätigung für diese Kritik, jedoch ließ sich ab dem 2. Quartal 1991 der feste Kurs tatsächlich nicht mehr halten. Außerdem wurde die einseitige Bindung des Zloty an den Dollar aufgegeben und statt dessen ein Währungskorb gewählt. Im Januar 1992 betrug die Abwertung gegenüber Anfang 1991 rd. 18 % mit entsprechender Wirkung auf die Inflationsrate, die mit rd. 70 % 1991 zwar erheblich niedriger war als 1990, aber immer noch deutlich über dem anvisierten Ziel lag. Ohne Frage ist die Festlegung des richtigen Wechselkurses vor allem dann besonders schwierig, wenn die Währungen nicht konvertibel sind. Langfristig ist die Konvertibilität zweifellos der kritische Punkt für das Funktionieren der neu zu schaffenden Marktwirtschaften in Osteuropa, die deshalb alle das Konvertibilitätsziel ganz oben auf ihrer Reformliste haben. 14 15
Vgl. ebenda, S. 20. Vgl. Handelsblatt, Nr. 212 vom 4.11.1991.
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W i r d sie aber zu früh eingeführt, so birgt sie vermutlich mehr Risiken als Nutzen. Es sei noch einmal betont, daß im Falle Osteuropas zunächst nur die sog. Leistungsbilanzkonvertibilität in der Diskussion ist, während die volle, d.h. auch die Kapitalbilanzkonvertibilität ohnehin noch in weiter Feme liegt. Der Fonds kommt in einer Untersuchung zur Frage der Konvertibilität zu dem Ergebnis, daß bei einer zu frühzeitigen Einführung vor allem mit zwei Risiken zu rechnen ist: eine schnelle Hinwendung zur freien Umtauschbarkeit führt mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, daß der Wechselkurs zunächst über den längerfristigen Gleichgewichtskurs hinaus abgewertet wird mit den entsprechenden Effekten auf die Importpreise — nicht zuletzt auch auf die Preise importierter Rohstoffe, industrieller Vorprodukte und Investitionsgüter. Soll zudem das Leistungsbilanzgleichgewicht bei voller Konvertibilität gehalten werden, muß entweder eine vergleichsweise hohe Kursinstabilität in Kauf genommen werden oder ist die Regierung gezwungen, ihre Wirtschaftspolitik stärker auf die außenwirtschaftliche als auf die binnenwirtschaftliche Stabilität — nicht zuletzt auch die Geldwertstabilität — auszurichten. 16 In jedem Fall müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, bevor die Länder Osteuropas daran denken sollten, zur vollen Konvertibilität überzugehen: 1. Ein Wechselkurs muß identifiziert worden sein, der zumindest vom längerfristigen Gleichgewichtskurs nicht zu weit entfernt ist; 2. muß eine angemessene internationale Währungsreserve gegeben sein; als angemessen werden Währungsreserven in Höhe von mindestens 3 Monatsimporten betrachtet; 3. muß eine — wie es in einem Papier des Fonds heißt — gesunde Wirtschaftspolitik betrieben werden und vorhandener Geldüberhang beseitigt sein; schließlich muß 4. gesichert sein, daß marktwirtschaftliche Mechanismen funktionieren, d.h. daß u.a. über die Preise ausreichende mikroökonomische Anreize vermittelt werden, die bei den Wirtschaftssubjekten auch entsprechende Aktivitäten auslösen. Nach diesem Forderungskatalog scheint in absehbarer Zeit vor allem die CSFR für die volle Konvertibilität in Frage zu kommen. Warum? In den Augen des IWF ist die CSFR das einzige Land Osteuropas, das tatsächlich in kürzester Zeit — in Form des oft zitierten Big Bang — ein konsequentes Reformprogramm und eine fast vollständige Liberalisie16
Vgl. I. GREENE/P. ISARD: Currency Convertibility and the Transformation of Centrally Planned Economies, Occasional IMF-Paper No. 81, Washington D.C., June 1991, S. 18.
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rung der Wirtschaft mit vergleichsweise großem Erfolg durchgesetzt hat. Allerdings sollte bei dieser Beurteilung nicht übersehen werden, daß die CSFR sich etwa 1 Jahr Zeit gelassen hat, um vor der schockartigen Liberalisierung der Wirtschaft den Aufbau des notwendigen institutionellen und rechtlichen Ordnungsrahmens voranzutreiben. Nachdem die Preise bereits in der 2. Jahreshälfte 1991 stabil geblieben waren, wird nun im laufenden Jahr eine einstellige Inflationsrate anvisiert; schon 1991 wurde eine tragfähige Zahlungsbilanzposition mit ausgeglichener Leistungsbilanz erreicht. Die Verschuldung der CSFR ist — abgesehen vom Sonderfall Rumänien — die niedrigste in Osteuropa. Dasselbe gilt für die Arbeitslosenquote. Vergleichsweise groß ist auch die Kursstabilität der tschechoslowakischen Währung. Während die Währungen Bulgariens, Polens und Rumäniens seit Reformbeginn rd. 9/10 ihres Wertes eingebüßt haben, verlor die Krone nur 46 % seit Mitte 1989. Nur Ungarn konnte mit einer nur 20 %igen Abwertung einen größeren Stabilitätserfolg erzielen. 17 Zwar konnte das Budgetdefizit der CSFR nicht wie geplant auf 1 % des BIP begrenzt werden, zeigt jedoch mit nur 2 % die konsequente Umsetzung der Stabilisierungspolitik. 18 Neben der CSFR könnte allenfalls noch Ungarn für eine raschere Einführung der Konvertibilität in Frage kommen. Im Unterschied zur CSFR hat Ungarn bereits eine lange Reformkarriere mit vielen Fort- und Rückschritten hinter sich und hat sich auch in der aktuellen Reformphase sehr viel stärker dem Gradualismus verschrieben. Zwar hat auch Ungarn — wie bereits erwähnt- eine vergleichsweise erfolgreiche Preisstabilisierung betrieben und 1991 als einziges Land Osteuropas einen Leistungsbilanzüberschuß erzielt. Allerdings hat Ungarn — anders als die CSFR — eine sehr hohe Westverschuldung (Ende 1991 fast 23 Mrd. Dollar brutto, langfristige und kurzfristige Verschuldung) mit einer Schuldendienstquote (Anteil von Tilgung und Zinsen am Export) von fast 50 % (CSFR rd. 10 %). Insofern scheinen die Aussichten für eine rasche Einführung der Konvertibilität nicht allzu rosig. Tatsächlich plant Ungarn erst für Ende 1993 die Einführung der sog. Inländerkonvertibilität, die in allen anderen Ländern Osteuropas bereits eingeführt wurde, in Rumänien mangels Devisen aber schon wieder eingeschränkt werden mußte. Die erwähnte hohe Kursstabilität des ungarischen Forint ist im übrigen auch auf die noch bestehenden Devisenverkehrsbeschränkungen zurückzuführen. A b Juni 1992 wird es in Ungarn erstmals einen Interbanken- Devisenmarkt geben. Um zu verhindern, daß wie in Rumänien ein duales Wechselkurssystem entstehen könnte, soll die Nationalbank in der ersten Zeit bereits dann intervenieren, wenn der Auktionskurs um mehr als + / - 0,25 % vom Durchschnittskurs der National 17
Vgl. VWD-Spezial, Nr. 75 vom 23.4.1992. Vgl. Czechoslovakia Provides Case Study for Economic Transformation, in: IMF-Survey, March 30, 1992, S. 109. 18
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bank abweicht. Später soll die Intervention erst bei einer Abweichung um mehr als + / - 2,25 % erfolgen. 19 Ungarn fürchtet die Erfahrungen, die u.a. Polen mit zu raschen und kräftigen Abwertungen des Zloty gemacht hat. Man glaubt, daß infolge der langjährigen Abgeschlossenheit der Wirtschaft die Aufrechterhaltung der Konvertibilität viel größere Abwertungen verlangt als für die Stabilisierung der Wirtschaft allein nötig wäre. Mit dieser Meinung steht Ungarn mittlerweile nicht mehr allein. Eine Weltbankstudie sieht die Gründe für die unerwartet tiefe Rezession in den Ländern Osteuropas auch in den drastischen Abwertungen. Teils wirkten diese direkt, teils über die abwertungsbedingt notwendige besonders restriktive Geld- und Einkommenspolitik. 20 Solange also die genannten Konvertibilitätsbedingungen in den einzelnen Ländern Osteuropas nicht realisiert sind, sollten auch in den Augen des Fonds zur Vermeidung übermäßiger Abwertungen Konvertibilitätsbestrebungen zunächst zurückgestellt werden. Damit soll zum Schluß die Frage gestellt werden: Welche „Lehren" zieht der IWF aus den bisherigen Gesamterfahrungen mit den Transformationsprozessen in Osteuropa und wie schätzt er die weitere Entwicklung ein? Angesichts der Probleme, die die Länder Osteuropas mit der Erfüllung der Fondsauflagen vor allem im Bereich der Geld- und Fiskalpolitik haben, spricht man in Osteuropa bereits von der Möglichkeit einer „Balkanisierung" des IWF. Könnten oder sollten künftig — insbesondere in der Handhabung der GUS- Republiken — „weiche Pläne" die harten Fondsauflagen zur wirtschaftlichen Stabilisierung der betroffenen Länder ersetzen? W o h l kaum. Aber mit Ausnahme der CSFR sieht der Fonds für alle anderen Länder die Notwendigkeit einer größeren zeitlichen Streckung und einer stärkeren Stufung des Gesamtreformprozesses. So sollte z.B. bei der Unternehmensreform zunächst für einen funktionierenden Wettbewerb unter den Betrieben gesorgt werden, bevor man die bisherigen Staatsbetriebe vollständig liberalisiert und sich selbst überläßt. Die oft zitierte Schocktherapie wird — so der belgische Exekutivdirektor de Groot auf der diesjährigen NATO-Tagung in Brüssel — mittlerweile weder als möglich noch als wünschenswert betrachtet, solange die rechtliche und institutionelle Basis nicht geschaffen und — zumindest im Ansatz — auch funktionsfähig ist. Da dieser institutionelle Umbau, die Entmonopolisierung und Privatisierung der Wirtschaft und nicht zuletzt das Erlernen marktwirtschaftlicher Verhaltensweisen sehr viel mehr Zeit benötigen als allgemein erwartet worden war, ist ein gewisser Gradualismus geradezu unvermeidbar. Ohne die sorgfältige zeitliche Abstimmung der einzelnen Reformschritte „degene19 20
Vgl. NfA, Nr. 74 vom 14.4.1992. Vgl. G. OBLATH, in: Geschäftspartner Ungarn, H. 3/1991, S. 2.
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riert jedes Schock-Konzept... zu einer Art »chaotischem' Gradualismus." 21 Tatsächlich haben insbesondere die Erfahrungen in Polen die Schocktherapie als Illusion entlarvt. Dabei allerdings wird angesichts der früheren entmutigenden Erfahrungen mit Piecemeal-Strategien von IWF-Vertretern betont: Notwendige Reformen sind so schnell wie möglich und so umfassend wie nötig durchzuführen. Gradualismus ist — wenn er denn unvermeidbar ist — auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Osteuropa steckt bereits mitten in den Transformationsprozessen und muß mit den gemachten Fehlern und die Bevölkerung mit den erfahrenen Schocks leben, zumindest aber dürften die GUS-Republiken als künftige Fondsmitglieder von diesen Erfahrungen profitieren. Im übrigen glaubt der Fonds — nachdem er allerdings bereits i m Vorjahr eine zu optimistische Prognose abgegeben hatte —, daß die Länder Osteuropas nun bald aus dem Gröbsten heraus sein könnten. Ist die Produktion Osteuropas 1991 noch um fast 17 % zurückgegangen, so wird für das laufende Jahr nur noch ein 1 %iger Rückgang prognostiziert und für das Jahr 1993 erstmals wieder ein Zuwachs in Höhe von 3,6 %. 22
21
R. Vehrkamp: Garuda auf dünnem Eis, in: Perspektiven, Zeitschrift für Wissenschaft, Kultur und Praxis der Universität Witten/Herdecke, Nr. 28 vom März 1992, S. 60. 22 Vgl. NZZ, Nr. 94 vom 24.4.1992.
Die Auswirkungen der EG-Handelspolitik gegenüber Mittel- und Osteuropa* Von Rolf J. Langhammer, Kiel
I. Einleitung: Die handelspolitische Graduierung Mittel- und Osteuropas Nach Beginn der wirtschaftlichen und politischen Öffnung Osteuropas im allgemeinen und dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens im besonderen ist die EG-Handelspolitik gegenüber dieser Region in hektische Bewegung geraten. Mit starkem außenpolitischen Anschub sind alle Staaten aus der Sackgasse langjähriger handelspolitischer Isolation im Eiltempo teilweise sogar an die Spitze der Präferenzpyramide der Drittländer gelangt, zumindest aber deutlich „befördert" worden. Wie in ihrer gesamten Handelspolitik ist die Gemeinschaft dabei auch gegenüber Osteuropa dem Prinzip der Selektivität treu geblieben. Galten vor 1988 im wesentlichen die gleichen Regeln (strikte Einfuhrkontingente) für die ehemals sozialistischen Länder, so bietet sich im Jahre 1992 ein verwirrendes Bild von „leads" und „lags". Zu unterscheiden ist dabei zwischen drei Ebenen: Erstens, einseitigen Zugeständnissen der Gemeinschaft (wie Zollpräferenzen und Abbau von mengenmäßigen Beschränkungen), die noch nicht in ein Kooperationsabkommen integriert sind, zweitens Handels- und Kooperationsabkommen, die ebenfalls einen nicht-reziproken Zoll- und Kontingentsabbau der Gemeinschaft enthalten, aber zusätzlich technische Hilfe anbieten, sowie auf einer dritten Ebene einem neuen Typ von Assoziierungsabkommen, die einen reziproken Abbau der Handelsbarrieren mit einem breiten Spektrum an Ressourcentransfer im finanziellen, technischen und institutionellen Bereich verbinden. 1 Auf jeder dieser drei Ebenen sind Einzelregelungen wie * Den Teilnehmern der Tagung, insbesondere Uta Möbius (Berlin), schulde ich Dank für hilfreiche Kommentare zum Manuskript. 1
Im Sonderfall Jugoslawien geht es um den Ersatz des 1980 geschlossenen Kooperationsabkommens durch gleichwertige Zollpräferenzen für die Nachfolgestaaten, d.h. zunächst die neuen Republiken Kroatien und Slowenien sowie die sogenannten jugoslawischen Republiken Bosnien-Herzegowina (inzwischen Republik) und Mazedonien [EG Amtsblatt, L 342/91, 12.12.1991]. Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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Liberalisierungsfahrpläne und -maßnahmen sowie der begünstigte Warenkorb für jedes mittel- und osteuropäische Land unterschiedlich. Es ist vorgesehen, daß die begünstigten Länder die beiden ersten Ebenen nach Maßgabe eigener Fortschritte im Transformationsprozeß durchwandern, so daß die dritte Ebene (wahrscheinlich auch die letzte vor der Mitgliedschaft) denjenigen Ländern vorbehalten bleibt, die nach Einschätzung der Gemeinschaft den Reformprozeß entweder besonders konsistent vorangetrieben haben oder zumindest eine abschätzbare Chance für künftigen Erfolg bieten. Auf der untersten Ebene standen zu Beginn des Jahres 1992 die drei baltischen Staaten und Albanien. Ihnen wurden im Februar 1992 Zollpräferenzen nach dem Muster des Systems der Allgemeinen Zollpräferenzen (APS) gewährt [EG Amtsblatt, L 31/1992, 7.2.1992]. Die mittlere Ebene ist Rumänien, Bulgarien und der GUS vorbehalten. Sie können sich auf die in den Jahren 1989 und 1990 mit ihnen beziehungsweise der ehemaligen UdSSR geschlossenen Handels- und Kooperationsabkommen stützen, die zwischenzeitlich für Bulgarien und Rumänien durch Zollpräferenzzugeständnisse und Textilquotenabbau verbessert wurden. Die GUS ist ein Fall „sui generis". Weder sie noch einzelne GUS-Staaten haben bis Mai 1992 Zollpräferenzen erhalten. Ihre wenigen Fertigwarenerzeugnisse (in erster Linie Kraftfahrzeuge), für die allein Zollpräferenzen theoretisch von Nutzen sein könnten, wurden daher bis zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Meistbegünstigungszoll belastet. Auf der dritten, durch die Assoziierungsabkommen besonders hervorgehobenen Ebene, befinden sich im Mai 1992 lediglich die CSFR, Polen und Ungarn [Kuschel, 1992]. Ohne einer empirischen Untersuchung vorzugreifen, genügt ein Blick in die Assoziierungsabkommen, um zum Ergebnis zu gelangen, daß die EG mit diesen Abkommen Osteuropa 2 handelspolitisch in eine Zweiklassengesellschaft gespalten hat: Nach allen Kriterien reichen die Zollpräferenzen und die nicht-reziproken Handels- und Kooperationsabkommen nicht entfernt an die Zugeständnisse heran, die die drei Staaten seit dem 1. März 1992 (nach Inkrafttreten der sogenannten Interim-Abkommen über die handelspolitischen Teile der im Dezember 1991 unterzeichneten Assoziierungsabkommen) nutzen können. Ob sie sie tatsächlich nutzen werden, hängt allerdings in erster Linie von der Lösung des Aufbringungsproblems ab, d.h. von der Überwindung der angebotsseitigen Hemmnisse. Erst wenn diese Hürde überwunden ist, stellt sich die Frage, ob die Lösung des Transferproblems durch Protektionismus unterbunden wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehen sich alle Staaten in Osteuropa erheblichen Strukturumbrüchen als Folge des Transformationsprozesses 2 Der Begriff „Osteuropa" deckt alle ehemaligen mittel- und osteuropäischen Mitglieder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe ab.
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ausgesetzt. Das Aufbringungsproblem ist weitgehend noch ungelöst. Gleichwohl deutet es sich bereits jetzt an, daß sich die künftigen Exportschwerpunkte Osteuropas überdurchschnittlich mit den Protektionsschwerpunkten der Gemeinschaft (Landwirtschaft, Kohle und Stahl, Textilien) überlappen werden [Möbius, 1991; Möbius / Schumacher, 1991]. Ähnlich wie bei den Staaten der Lomé-Konvention (AKP-Staaten) und im klaren Gegensatz zu den neuen Industriestaaten Ost- und Südostasiens kann also eine Abschätzung der potentiellen Wirkungen der EG-Handelspolitik nicht von der Voraussetzung ausgehen, daß die osteuropäischen Staaten bereits wettbewerbsfähig seien und die Exportexpansion in erster Linie auf nachfrageseitige Hemmnisse, d. h. Handelsbarrieren, stoße. Vielmehr kommt es darauf an, Plausibilitätsüberlegungen auf der Basis bereits bestehender Erfahrungen mit den Wirkungen der handelspolitischen Instrumente bei anderen Drittländern aufzustellen und diese um die Analyse der Importe der EG aus Osteuropa in einem extrem kurzen Beobachtungszeitraum (1988-1991) zu erweitern. Dabei sollen die Exporte der EG nach Osteuropa unberücksichtigt bleiben, da sie in erster Linie aus Kapitalgütern bestehen, nicht mit der heimischen Produktion in Osteuropa konkurrieren und mit einem Finanzierungsengpaß anstelle einer handelspolitischen Barriere konfrontiert sind. Im folgenden soll sich diese Analyse auf drei handelspolitische Instrumente konzentrieren: auf die Zollpräferenzen, die mengenmäßigen Beschränkungen im Textilhandel sowie diejenigen im Agrarbereich.
II. Zollpräferenzen und Ost-West-Exporte APS-Zollpräferenzen für gewerbliche Produkte genießen seit 1991 alle osteuropäischen Anbieter mit Ausnahme derjenigen aus der GUS. Rumänien war als einziges Land von Beginn an begünstigt, litt aber unter zahlreichen Ausnahmen, die erst 1991 aufgehoben wurden. Die APS-Präferenzen für die drei Assoziierungspartner wurden zwar in den Abkommen konsolidiert, d.h. vom Damoklesschwert der jährlichen Neugenehmigung befreit, jedoch ist auch in Einzelfällen zu beobachten, daß die Abkommensvereinbarungen zumindest für das erste Vertrags jähr (ab. 1.3.1992) schlechtere Bedingungen setzen als unter den vor dem 1.3.1992 geltenden APS-Bedingungen. So wurden teilweise — be- und verarbeitete Agrargüter aus dem APS-Warenkorb herausgenommen und in die Listen mit normalen Zollsenkungsstufen integriert. Dies hatte zur Folge, daß der Abkommenszoll bei diesen Produkten 1992 15·
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höher ist als der Präferenzzoll des Jahres 1991 [Kawecka-Wyrzykowska, 1992, Tabelle 5]. — Abschöpfungskontingente (verminderter Abschöpfungssatz für eine bestimmte Importmenge) im Abkommen für das Jahr 1992 niedriger vereinbart als unter dem APS 1991. Gleichzeitig aber wurde auch zusätzlichen Agrarerzeugnissen ein vor 1991 noch nicht gewährter APS-ähnlicher Status eingeräumt. KaweckaWyrzykowska [1992, Tabelle 4] weist anhand ausgewählter Agrar- und Industrieerzeugnisse Polens nach, daß es keinen systematischen Zusammenhang zwischen Präferenzgewährung und Exportanstieg gibt. Bei Produkten, die noch 1989 der Meistbegünstigung unterlagen, 1990 aber in das APS aufgenommen wurden, zeigen sich Exportanstiege wie -rückgänge. Erzeugnisse, die auch 1990 noch unter Meistbegünstigungsbedingungen exportiert wurden, wiesen teilweise höhere Exportwachstumsraten auf als APS-Waren. Läßt man die Angebotsbedingungen außer acht (eine wie erwähnt heroische Annahme), so hängen die Handelswirkungen der Präferenzen unter anderem ab von der Präferenzmarge (Differenz zwischen Meistbegünstigungszoll und APS-Zoll), von der Höhe des APS-Zollkontingents oder -plafonds, vom Anteil der tatsächlich präferenzierten Güter am Gesamthandel mit Präferenzprodukten sowie vom Anteil der Präferenzprodukte am Gesamthandel des Begünstigten. Wie wichtig beispielsweise der letztgenannte Faktor ist, zeigt sich am Beispiel Rumäniens. 1989 wurden wegen der Rohstofflastigkeit des rumänischen Exportangebots nur 54 v H der gesamten rumänischen Exporte in die EG in den APS-Warenkorb aufgenommen und nur 62 v H der in diesem Warenkorb vertretenen Güter erhielt tatsächlich eine Präferenzbehandlung. Dies bedeutet, daß nur für ein Drittel der rumänischen Exporte (und sogar nur 17 v H bei den Exporten in die Bundesrepublik) die Zölle erlassen (Industriegüter) beziehungsweise gesenkt wurden (Agrargüter). Bei einem Durchschnittszoll bei Präferenzerzeugnissen von etwa 7 v H und einer angenommenen Preiselastizität der Importnachfrage von 1,5 hätte dies einen handelsschaffenden Effekt zugunsten Rumäniens von maximal 3,3 v H der Gesamtexporte zur Folge gehabt. Die für 1991 vorliegenden Daten für den Präferenzhandel der Bundesrepublik zeigen ein unverändertes Bild. Wiederum kamen nur 22 v H der rumänischen Exporte in den Genuß von Präferenzen. Der gleiche Prozentsatz gilt für Bulgarien. Die Ergebnisse für Polen und Ungarn, die bereits 1990 Zollpräferenzen erhielten, sehen auf den ersten Blick positiver aus. 1991 erhielten 37 v H der polnischen Exporte in die Bundesrepublik — dem wichtigsten Einzelmarkt — sowie 44 v H der ungarischen Exporte eine Präferenzbehandlung. Bei der
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CSFR, die erst 1991 in den Genuß der Zollpräferenzen kam, lag dieser Prozentsatz bei 42 vH. Jedoch entfiel in den drei Ländern der weitaus überwiegende Teil der APS-Exporte auf Güter, die durch Zollkontingente beziehungsweise Zollplafonds überwacht und damit mengenmäßig beschränkt waren (89 v H bei Polen und 92 v H bei Ungarn und 96 v H bei der CSFR [BMWi, Einfuhren der Bundesrepublik Deutschland..., 1991]. Besonders die durch diskretionäre Entscheidungen gekennzeichnete PlafondÜberwachung kann zu Unsicherheit über die endgültigen Bedingungen des Marktzugangs und damit zur Exportzurückhaltung Anlaß geben, wenn die Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich von der Gewährung der Päferenzmarge abhängt. Die Überschreitung von APS-Kontingenten stellte für Ungarn und Polen in der Vergangenheit kein wesentliches Problem dar. 1991 entfielen nur 8,8 v H der präferenzempfangenden polnischen Exporte in die Bundesrepublik (und 3,2 v H bzw. 4,5 v H der ungarischen bzw. tschechoslowakischen Exporte) auf Kontingentwaren, die im Verlaufe des Jahres wieder mit dem MFN-Zoll belastet wurden. Inotai [1992, S. 28] erwähnt inoffizielle ungarische Schätzungen, nach denen die Einführung des APS die ungarischen Exporte um 120 Mill. US $ erhöht habe. Die entspräche einem Anstieg von 3,1 v H für das Jahr 1990. Schätzungen des Autors für die ungarischen APSExporte in die Bundesrepublik kommen zum gleichen Prozentsatz, wenn eine Preiselastizität der Importnachfrage von eins und ein durchschnittlicher Meistbegünstigungszoll (und damit auch die Päferenzmarge) von 7,3 v H auf das ungarische Exportangebot unterstellt wird. Sie stützen sich allerdings nur auf die Handelsschaffung und decken daher nur einen Teil der Handelswirkungen ab. Tovias und Laird [1991, S. 30-31] berücksichtigen in ihren Schätzungen auch die Handelsumlenkung, d.h. den Verlust, der Drittländern dadurch erwächst, daß ihre Päferenzmargen beim EG-Marktzugang gegenüber Ungarn schrumpfen. Da die beiden Autoren in ihrem Modell das Handelsregime der EG des Jahres 1983 zur Grundlage nehmen, d.h. Spanien und Portugal in den Handelsströmen als Nichtmitglieder betrachten, aber hinsichtlich der Zollbehandlung den Vollmitgliedern gleichstellen, kommen sie zum Ergebnis, daß von der Handelsumlenkung in erster Linie diese beiden Staaten betroffen wären. Die Wirkungen wären aber so gering, daß Befürchtungen der Mittelmeerländer, die Präferenzbehandlung Ungarns könnte ihnen Handelsverluste bescheren, weit übertrieben wären. Demnach dominiert in ihren Schätzungen die Handelsschaffung. Es muß daher auf den ersten Blick überraschen, daß ihre Schätzungen doppelt so hoch sind wie die des Autors oder die Inotais (nämlich 6vH). Abgesehen von Veränderungen in der Exportstruktur seit 1983 dürfte der wesentliche Grund für die Unterschiede darin liegen, daß Tovias und Laird den Gesamthandel im APS-Warenkorb mit dem präferenzempfangenen Handel gleichsetzen. Das führt regelmäßig zu Überschätzungen der Präferenzwirkungen, da ein erheblicher Teil des Handels mit APS-Waren aus verschiedenen Gründen keine Zollpräferenzen erhält. 3
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Eine abschließende Beurteilung der wahrscheinlichen Wirkungen von Zollpräferenzen für die baltischen Staaten Albanien und die GUS-Staaten kann sich also auf die sehr kurzen Erfahrungen von Ungarn und Polen mit dem APS sowie auf die langen Erfahrungen aller Entwicklungsländer seit 1971 stützen: Erstens, vornehmlich rohstoffexportierende und/oder agrargüterexportierende Länder werden entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt vom APS profitieren. Dies liegt daran, daß Rohstoffexporte zumeist keinen oder nur sehr niedrigen Zollschranken unterliegen und daß für Agrarprodukte der MFN-Zoll zumeist nicht vollständig ausgesetzt, sondern nur gesenkt wird. Damit bleibt die Zollpräferenzmarge zu gering, um nennenswerte Handelseffekte zu initiieren. So wurden die von Kawecka-Wyrzykowska [ 1992] ausgewählten Agrargüter zunächst mit einem durchschnittlichen Meistbegünstigungszoll von 13,7 v H und 1990 mit einem durchschnittlichen APS-Zoll von 8,2 v H belastet. Päferenzexporte von Produkten mit relativ hohen Päferenzmargen wie Frucht- und Fleischkonserven oder Säfte werden zudem mit Plafonds und Kontingenten eingeschränkt, da viele Begünstigte diese Güter anbieten und die Gemeinschaft bestimmte Entwicklungsländer „schützen" will. Je enger die mengenmäßigen Restriktionen sind, desto wahrscheinlicher ist es, daß die Importeure Einkommensgewinne erzielen (Mitnahmeeffekte), sie aber nicht an den Konsumenten weitergeben. Damit werden Handelswirkungen unterbunden. Zweitens können, wie das Beispiel Ungarn zeigt, industriegüterexportierende Länder grundsätzlich einen etwas größeren Nutzen aus dem APS ziehen, sofern sie sich nicht auf den Textil- und Bekleidungssektor spezialisiert haben, in dem die Kontingente und Plafonds besonders eng gezogen sind. 4 In diese Kategorie von Ländern sind Bulgarien und Rumänien sowie die baltischen Staaten jedoch noch nicht einzuordnen. Drittens, nicht-tarifäre Hemmnise wurden durch das APS nicht abgebaut. Dies gilt nicht nur für Kontingente, sondern auch für technische Barrieren, Standards und Normen.
3 Dafür zeichnen nicht nur mengenmäßige Beschränkungen im APS-Angebot wie Kontingente und Plafonds verantwortlich. Auch bei den sogenannten nicht-sensiblen Waren, die mit derartigen Obergrenzen nicht belastet werden, erhielten über 50 v H der gesamten APS-Exporte aller Begünstigten keine Päferenzbehandlung, weil diese entweder nicht beantragt wurde oder weil administrative Voraussetzungen wie Ursprungsregeln unerfüllt blieben [Kommission der EG, Mitteilung an den Rat, K O M (90) 329 endg.]. 4
Das Beispiel der CSFR, Polens und Ungarns zeigt für das Jahr 1991, daß 37 vH, 21 v H und 26 v H ihrer APS-Textilexporte zu den Gütern zählen, auf die im Jahresverlauf der Meistbegünstigungszoll wiedereingeführt wurde.
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Viertens, das APS wird weitgehend obsolet, wenn die EG weitere Assoziierungsabkommen schließt. Unabhängig davon wird auch eine erfolgreiche Uruguay-Runde zur Präferenzerosion beitragen. Diese Erosion wird allerdings durch den Handelsgewinn überkompensiert, den alle osteuropäischen Staaten durch den multilateralen Abbau von Handelshemmnissen realisieren können [siehe hierzu Tovias und Laird, 1991, S. 29-30].
I I I . Der Abbau mengenmäßiger Beschränkungen im Industriegüterbereich Es ist nicht überraschend, daß nicht-tarifäre Hemmnisse (NTHs) als die entscheidenden Barrieren im Ost-West-Export hervorgehoben werden. Möbius [1990, S.491] zeigt für das Jahr 1987, also „vor der Wende", daß etwa 19 v H aller Importe der EG aus Ungarn nicht-tarifären Hemmnissen unterworfen wurden. Die entsprechenden Daten für die anderen Staaten lauten: Bulgarien 13 vH, Polen 12 vH, CSFR und Rumänien 6 v H sowie UdSSR 1 vH. Auffällig sind die erheblichen Unterschiede zwischen den „Betroffenheitsanteilen" in den Importen einzelner EG-Mitglieder. Frankreich mit Spitzenwerten von 76 v H (gegenüber der UdSSR und 35-36 v H gegenüber Rumänien und Bulgarien) ragt als Folge seiner Beschränkungen bei Importen von Energieträgern aus der Reihe der EG-Mitglieder heraus. Ansonsten liegen die Anteile mit einer Ausnahme bei den einzelnen EG-Ländern unter 10 vH. Derartige Häufigkeitsverteilungen sind jedoch kein Ersatz für eine Wirkungsanalyse, da sie nichts über die Preis- und Mengeneffekte von NTHs aussagen. Auch sind sie nicht untereinander vergleichbar. Es ist daher sinnvoll, sich auf einen beispielhaften Typ von NTHs zu konzentrieren, nämlich mengenmäßige Beschränkungen, die die EG im Jahre 1983 für die innerhalb der EG nicht liberalisierten Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern erließ. Dabei handelte es sich also um Kontingente einzelner EG-Mitglieder gegenüber einzelnen Staatshandelsländern. Sie wurden im Zuge der Öffnung Osteuropas schrittweise verringert und müssen mit der Vollendung des Binnenmarktes vollends abgebaut werden. Eine Übersicht über Mengenkontingente im Jahre 1991 zeigt de jure noch erhebliche Unterschiede in der Behandlung der einzelnen Staaten. Gegenüber Einfuhren aus den drei späteren Assoziierungsländern wurden Kontingente (außerhalb der Textilindustrie) nur noch von den beiden noch in der Übergangsperiode zur Anpassung an den EG-Außentarif befindlichen EGMitglieder Spanien und Portugal aufrechterhalten [EG Amtsblatt, L 369/91, 31.12.1991 ]. Gegenüber Albanien, Rumänien, Bulgarien und der ehemaligen UdSSR dagegen hatten bis Jahresmitte 1991 noch fast alle EG-Mitglieder Kontingente bei den unterschiedlichsten Produkten, vorzugsweise Texti-
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lien, Schuhe, Düngemittel, keramische Erzeugnisse, Geschirr und Glaswaren aufrechterhalten. Zur Jahresmitte wurden jedoch die spezifischen mengenmäßigen Beschränkungen für die genannten Staaten (mit Ausnahme Albaniens) aufgehoben und die nichtspezifischen Beschränkungen von allen EG-Mitgliedern (mit Ausnahme Spaniens und Portugals) ausgesetzt. Damit war die Diskriminierung zwischen den drei Assoziierungspartnern und den anderen Staaten de facto weitgehend aufgehoben worden. Das Jahr 1992 sollte, sofern das Binnenmarktprogramm eingehalten wird, das endgültige Ende aller nationalen Quoten einläuten. Allerdings mahnen sowohl die Assoziierungsabkommen als auch die Maastricht-Ergebnisse zur Skepsis. Im Rahmen der Assoziierungsabkommen dürfen Portugal und Spanien noch bis Ende 1995 bei wenigen Produkten Quoten beibehalten. Der MaastrichtGipfel wiederum hat zu einer unerwarteten Renaissance der gesetzlichen Grundlage nationaler Quoten (Art. 115 EWG-Vertrag) dahingehend geführt, daß Mitgliedstaaten in „Dringlichkeitsfällen" von der Kommission die „Genehmigung" für Handelsrestriktionen erbitten und „selbst" über die „notwendigen Maßnahmen" entscheiden. Die Kommission muß in diesen Fällen „umgehend" über den Antrag des Mitglieds befinden. Daher wird befürchtet, daß die Kommission „Persilscheine" ausstellt [„Maastricht beschert dem Binnenmarkt neue Grenzen", Handelsblatt, 28.1.1992]. Bei den mengenmäßigen Beschränkungen im Industriegütersektor hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten der Interim-Abkommen am 1. März 1992 die Schere in der EG-Handelspolitik gegenüber den drei Assoziierungspartnern und den restlichen osteuropäischen Staaten wieder geöffnet. Die CSFR, Polen und Ungarn sind aus der Liste der alten „Staatshandelsländer" gestrichen worden, wodurch die für diese Länder geltenden Mengenkontingente endgültig entfallen. Statt dessen gibt es nur noch die in den Anhängen der Europa-Abkommen angeführten Zollkontingente oder Zollplafonds, in deren Rahmen bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren zollfrei oder zollermäßigt in die Gemeinschaft eingeführt werden können und die von Jahr zu Jahr erweitert werden [EG-Amtsblatt, Dokument L 56/92, vom 27.2.1992; siehe beispielhaft für die mengenmäßigen Beschränkungen gegenüber Polen: Langhammer, 1992, Tabelle 1]. Wegen der besonderen Stellung der Textilindustrie bei mengenmäßigen Beschränkungen im Industriegütersektor bietet es sich an, die Wirkungen der neuen Regelungen beispielhaft an diesem Sektor festzumachen. Bulgarien und Rumänien sowie die drei Assoziierungspartner sind 1992 in die gemeinsame Einfuhrregelung für Textilwaren aus Drittländern (nach Maßgabe der bilateralen Selbstbeschränkungsabkommen im Rahmen des Welttextilabkommens) aufgenommen worden [EG Amtsblatt, Dokumente L 45/92 vom 20.2.1992 und L 90/92 vom 4.4.1992]. Dies hat wiederum zu erheblichen Zugangsvorteilen der drei Assoziierungspartner seit dem
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l.März 1992 gegenüber den anderen Staaten geführt, obwohl auch die Kontingente für Textilimporte aus Bulgarien und Rumänien (im Rahmen des PHARE-Programms) für 1991 rückwirkend und für 1992 aufgestockt wurden [L 90/92 vom 4.4.1992]. Was die drei Assoziierungspartner anlangt, so wurden 1992 die Kontingente für die CSFR durchschnittlich (bezogen auf die Kategorien des Welttextilabkommens) um 120 v H gegenüber 1991 ausgeweitet, für Ungarn um 50 v H und für Polen um 62 vH. Was die Kontingentauslastung anlangt, so zeigen die Daten für das Jahr 1991 im Durchschnitt aller Kategorien des Welttextilabkommens (WTA) eine deutlich höhere Auslastung durch die CSFR als durch Polen und Ungarn, ganz zu schweigen von Rumänien und Bulgarien (Anhangtabelle A l ). Selbst in den besonders restriktiv behandelten Kategorien 1 -8 („hypersensitive" Produkte) blieben die Kontingente jedoch vielfach deutlich unausgelastet. „Überauslastungen" (Auslastungsgrade über lOOvH) sind das Ergebnis der bekannten Praxis unterschiedlicher Kontingentspolitik einzelner EG-Mitglieder. Während die Bundesrepublik als größter Einzelmarkt in den meisten Fällen erhebliche Überschreitungen ihrer nationalen Kontingente zuließ, erteilten andere Mitglieder, darunter vor allem Frankreich, keine Importgenehmigungen mehr nach Erreichen der Höchstmengen. Diese Unterschiede sollten nach Vollendung des Binnenmarktes eingeebnet werden, jedoch ist angesichts des Präzedenzfalles der Kraftfahrzeugimporte aus Japan nicht damit zu rechnen, daß sich die vergleichsweise liberale Praxis der Bundesrepublik auf EG-Ebene durchsetzt. Im Ergebnis erscheinen die Kontingente auch unter Berücksichtigung der seit dem März 1992 erfolgten Aufstockung als „open-ended", d. h. sie stellen noch keine Handelsbarrieren dar. Parallel zu den Gesamtquoten wurden in einigen Kategorien die Quoten für die Importe nach passiver Lohnveredelung (PV) aufgestockt, von Zöllen befreit sowie vor allem dem Handel und nicht nur der Industrie geöffnet. 5 Darüber hinaus ist die sogenannte Umsatzklausel aufgehoben worden, nach der früher lediglich bis zu 50 v H des Umsatzes zur PV zugelassen wurden. Passive Lohnveredelung ist einerseits eine typische Frühstufe intra-industrieller Verflechtung zwischen Anbietern aus Ländern mit sehr unterschiedlicher Ressourcenausstattung, andererseits ein politischer Kompromiß zwischen den gegenläufigen Interessen von Faktor- und Konsumentenprotektion in den Industrieländern. Sie bietet Optionen zur Verlagerung arbeitsintensiver Verarbeitungsstufen, wenn die
5 So dürfte es in Zukunft ausreichen, daß der Handel die Entwicklung von Modellen und Dessins in unternehmenseigenen Modeabteilungen nachweist, um als „Fachhersteller" zu gelten und damit zu textilen PV-Geschäften mit den drei Assoziierungspartnern zugelassen zu werden.
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Rahmenbedingungen für Lizenzproduktionen, joint ventures oder Direktinvestitionen mit Mehrheitsbeteiligung in potentiellen Kapitalempfängerländern noch nicht gegeben sind. Im konkreten Fall trägt passive Lohnveredelung mit dazu bei, osteuropäische Anbieter im Frühstadium des Transformationsprozesses mit EG-Unternehmen zu vernetzen und sie an die auf dem Weltmarkt üblichen Preis-, Qualitäts- und Terminstandards heranzuführen. Darüber hinaus sichert sie den osteuropäischen Produzenten Partner innerhalb der Gemeinschaft, die sich mit ihnen gegen handelspolitische Barrieren zur Wehr setzen. Zu solchen Partnern sind in erster Linie Unternehmen des Groß- und Einzelhandels zu zählen, da sie weniger als Unternehmen der Verarbeitenden Industrie der Forderung der Beschäftigten nach Aufrechterhaltung der Faktorprotektion ausgesetzt sind. Welch wichtige und zunehmende Rolle der PV-Handel in den EGImporten aus den Ländern Osteuropas in den Jahren 1988-1991 gespielt hat und wie die drei Assoziierungspartner bereits vor Inkrafttreten der Interimabkommen Quotenaufstockungen in Anteilsgewinne haben ummünzen können, zeigt Tabelle 1. In einigen Produktgruppen entfielen während des Beobachtungszeitraums mehr als 90 v H der EG-Bekleidungsimporte aus Ländern wie Polen und Ungarn auf PV-Importe. Insgesamt ist hervorzuheben, daß — 1991 zwischen 44 und 56 v H der gesamten EG-Drittländerimporte im Rahmen der PV bei Bekleidung und Schuhen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern stammten (Tabelle 1; zum Vergleich: 1988 schwankte dieser Anteil zwischen 27 und 39 vH) ; — die Länder auch bei den gesamten Bekleidungs- und Schuhimporten aus Drittländern einen, wenn auch erheblich geringeren, Anteilszuwachs erzielen konnten (1991: 8,0 v H bei Bekleidung und 8,9 v H bei Schuhen gegenüber jeweils 7,1 v H 1988); — die Länder noch nicht in die Domäne der ostasiatischen Länder bei der Lohnveredelung in der Unterhaltungselektronik eindringen konnten, geschweige denn bei den Gesamtimporten in dieser Branche; — bei den PV-Importen Rumänien und Bulgarien sichtbar Boden gegenüber Polen und Ungarn einbüßten; — sich zwischen den drei Assoziierungspartnern bis 1991 erste Spezialisierungsprofile dergestalt abzeichneten, daß sowohl, gemessen an den Gesamt- als auch den PV-Importen, Polen beziehungsweise Ungarn zu bevorzugten Standorten für die Bekleidungs- beziehungsweise Schuhproduktion heranwuchsen. Die CSFR konnte ein derartiges Profil noch nicht gewinnen. Sie blieb insgesamt hinter den beiden Staaten und sogar
Anteile
Bekleidung, andere
nachrichtlich:
Bekleidung aus Gewirken oder Gestricken
nachrichtlich:
62
61
î?^ Gruppe
19881991 1988 1991
Wachstumsraten derPV-Importe a)
Anteil an extraEG-PV-Importen
50,9 51,5 1991
EG-PV-Importen
1988 1990
1988 1991
Anteil an extra-
7,4 7,8 33,0
18881991
1988 1990 1991
Polen Ungarn fe
Wachstumsraten der PV-Importea)
CSFR
2,4 4,5
51,0
81,9 87,4 63,8
5,9
1,0
121,6
15,1 29,6 45,8
3,0
13,3 20,7
41.5
89,9 90,0 89,3
11,8
6
10,6 0,4
43,7 5,6 12,2 0,9 10,7 1,5 6,8
17,1
0 0
0
-
„
4,4 4,5
T
22,9
3,9
0
581,3
22,2
18,5
EG-Importe
61,2 3,1 16,8 69,5 18,1 18,8 65,8 74,5 69,8
1,8 4,6
61,2 67,7 89,9
19,7
16,5 15,4 0,5 20,4 5,5
extraUdSSR
53,4 7,4
men
15,5 0,9 6,9
33,2
18,6 18,0 25,5
Rumä-
92,9
65,4 66,3 73,2
Bulgarien
Anteil der Importe nach passiver Lohn Veredelung (PV) an den EG-Gesamtimporten von ausgewählten Produktgruppen aus zentral- und osteuropäischen Ländern, 1988-1991
Tabelle 1
Die Auswirkung der EG-Handelspolitik 235
85
64
19881991 1988 1991
Wachstumsraten der PV-Importea)
Anteil an extraEG-PV-Importen
6,1 5,4 22,8
1988 1991
Anteil an extraEG-PV-Importen
1988 1990 1991
19881991
10,6 1990 1991
Wachstumsraten der PV-Importea)
1988
0,6 1,9
0,4 1,0
96,4 3.3 3,4
48,4 0,3 0 0
0,6 0,2 4,5
0 0
44,7
1,7 2,9 4,1
7,3
0 0,1
113,7
0.1
26,1
8,4 60,5 0,3 3,2
12,6 0,2
57,4 2,7
64,3 8,5 39,7 1,3 59,0
21,5 0 30,8 0,1 9,7
26,0
18,2 1,5 0,6 17,7 1,1 1,3 26,8 0,7 1,9
3,9 9,4
50,5
86,2 3.4 33,3 78,7 28,5 77,0
110,5
2.4 4,0 10,4
1,4 6,2
84,5
15,8 22,9 26,5
Quelle : Eurostat, External Trade, Monthly, Combined Nomenclature, 2, 1992, CD-ROM.
a) Jährliche durchschnittliche Wachstumsraten.
nachrichtlich.
Radios, TV, andere Bild-u. Tonaufzeichnungsgeräte
nachrichtlich:
Schuhe
Fortsetzung
46,4
11,8
8,4
236 Rolf J. Langhammer
Die Auswirkung der EG-Handelspolitik
237
hinter Rumänien zurück, was Anteilsgewinne an den EG-Drittländerimporten von Bekleidung anlangt; — die ehemalige Sowjetunion keine Rolle als Produktionsstandort spielen konnte. Insgesamt deutet sich für den sehr kurzen Beobachtungszeitraum von drei Jahren eine Kongruenz zwischen der Lockerung handelspolitischer Restriktionen im Industriegüterbereich und der Exportentwicklung zumindest für die drei Assoziierungspartner an. Im Gegensatz zu vielen Entwicklungsländern konnten sie die handelspolitischen Optionen der Gemeinschaft nutzen. Allerdings geschah dies nicht im Gleichschritt. Polen und Ungarn erarbeiteten zumindest im arbeitsintensiven Segment der Industriegüter Vorsprünge gegenüber der CSFR. Für die CSFR allerdings könnten die bisherigen WTA-Kontingente zumindest bei einigen Produktkategorien (Kategorien 1 -8) eher eine einengende Wirkung gehabt haben als für die beiden anderen Staaten (Tabelle A l ) . Die mit den Interim-Abkommen verbundenen Kontingentaufstockungen werden Auskunft darüber geben, ob diese Kontingente die CSFR-Exporte tatsächlich behindert haben. Die drei anderen Staaten fielen entweder zurück (Rumänien gegenüber Polen und Ungarn) oder blieben unbedeutende Anbieter (Bulgarien und die ehemalige Sowjetunion). Der niedrige Auslastungsgräd bei den Textilquoten spricht bei den beiden erstgenannten Ländern deutlich für angebotsbedingte Engpässe.
IV. Wirkungen der E G-Handelspolitik im Agrarsektor Im Agrarsektor zeigt sich die Diskrepanz zwischen der Marktöffnung zugunsten der drei Assoziierungspartner und den restlichen Staaten besonders kraß. Während es Polen, Ungarn und der CSFR in den Verhandlungen immerhin gelang, der Gemeinschaft Kontingente mit reduzierten Abschöpfungssätzen beim harten Kern der Agrarprotektion, nämlich den Marktordnungsgütern, abzuringen, bleibt dieser Markt den anderen Staaten noch solange verschlossen, wie sie nicht als Assoziierungspartner anerkannt sind. Für alle osteuropäischen Staaten ist der Agrarsektor entweder ein bereits bestehender (Polen, Ungarn) oder potentiell wichtiger Exportsektor, beziehungsweise ist die Gemeinschaft der einzige bedeutende Exportmarkt. Der Ressourcenbedarf in diesem Sektor dürfte der aktuellen Ressourcenverfügbarkeit in Osteuropa besser entsprechen als im Verarbeitenden Sektor, weil die Abschreibungsraten für den Sachkapitalstock niedriger sind als i m Verarbeitenden Sektor und mehr ungelernte Arbeitskräfte absorbiert werden können. Daraus kann gefolgert werden, daß das Aufbringungsproblem wahrscheinlich schneller im Agrarsektor gelöst werden kann und die Ge-
238
Rolf J. Langhammer
meinschaft entsprechend rasch mit der Angebotskraft Osteuropas in diesem Sektor konfrontiert werden dürfte. Daß Agrargüter zu den Bereichen zählen, in denen die drei Staaten bereits vor Inkrafttreten der Interimabkommen Anteilszuwächse an den Drittländerimporten der Gemeinschaft für sich verbuchen konnten, zeigt Tabelle A2. Polen und Ungarn konnten 1991 Importanteile bis zu knapp 5 v H auf Teilmärkten der Gemeinschaft (Bundesrepublik, Italien) erzielen, nach lediglich 2-3 v H i m Jahre 1988. Bei einzelnen Marktordnungsgütern wie Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch, Eiern, Hopfen und Milchpulver reichen diese Anteile sogar bis über 80 v H hinaus, weil der EG-Markt für andere Drittländer hermetisch geschlossen blieb (Tabelle 2). Nimmt man die Kontingente mit ermäßigten Abschöpfungssätzen als Kriterium für den verbesserten Marktzugang und vergleicht sie mit den auf der Basis von Importdaten für drei Quartale geschätzten Importmengen im Jahre 1991, so zeigt sich, daß in einigen Fällen Polen und Ungarn, aber auch die CSFR (Butter, Malz, Hopfen) bereits 1991 mehr in die Gemeinschaft liefern konnten, als an Abschöpfungskontingenten für das erste Vertragsjahr vorgesehen war (Tabelle 2). Wäre demnach ein Teil der Importe auch ohne ermäßigte Abschöpfungen auf dem EG-Markt absetzbar gewesen, so spräche dies nicht für einen Handelseffekt als Folge der Einräumung von Kontingenten, eher schon für einen Einkommenstransfereffekt, sofern die nicht erhobenen Abschöpfungen den Exporteuren in Gestalt höherer Exportpreise zugute gekommen wären. In der Mehrzahl der in Tabelle 2 vorgestellten Produkte wären die Kontingente, gemessen am Importvolumen von 1991, allerdings noch unausgelastet geblieben, so daß in diesen Fällen ein echter Marktzugangsvorteil eingeräumt worden wäre. Dieser Vorteil würde bei den Produkten, in denen auch Drittländer wichtige Anbieter sind (dies ist nach Tabelle 2 die Mehrzahl) überwiegend handelsumlenkend wirken, d. h. nichtbegünstigte Drittländer würden Marktanteile an die Assoziierungspartner verlieren. Wie hoch diese Verluste sein könnten, hängt ab vom Ausmaß des Zugangsvorteils gegenüber Nichtbegünstigten, von den Substitutionselastizitäten zwischen dem Angebot aus nichtbegünstigten Drittländern und den Assoziierungsländern sowie vom Ergebnis der Uruguay-Runde. Mehr multilaterale Marktöffnung würde die Handelsumlenkungseffekte reduzieren. Über alle drei Bestimmungsfaktoren kann an dieser Stelle noch keine Aussage getroffen werden. Zwei Indikatoren sprechen indessen bereits jetzt für die Vermutung, daß handelsschaffende Effekte, d. h. die Verdrängung des heimischen Angebots durch Importe aus den Assoziierungspartnern als Folge der eingräumten Kontingente, gering bleiben. Zum einen sind sowohl die Kontingente als auch die tatsächlichen Importe gemessen am Volumen des intra-EG-Han-
Polen
Ungarn CSFR Polen Ungarn CSFR Polen Ungarn CSFR Polen Ungarn Bulg.
Rum.
0
UdSSR
nachrichtlich
Rindfleisch, frisch, gekühlt oder gefroren 3 000 4 000 5 000 70 22 17 1,0 0,4 0,4 0,1 0,1 0,1 0 0 0 Lebendschafe und-ziegen 1 000 6 600 10 050 2 215 274 0 28,7 55,7 0 10,3 19,9 4,0 0,7 0 Schaf-und Ziegenfleisch 1 000 - 1 150 77 104 0,4 0,6 0,5 0 0,7 0,6 0 0 Lebende Hausschweine 4 700 1 000 33 4 91,4 2,1 3,8 0,4 0 0 0 0 0 Fleisch v. Hausschweinen - 7 000 22 000 17 69 7,0 4,9 61,7 0,1 0,1 0,9 0 0,2 0 Hühner 2 100 2 500 17 000 48 1 57 6,1 0,2 58,5 0,2 0 2,3 0,2 0 0 Hühnerteile 3 200 3 500 11 350 54 11 109 3,9 0,8 27,9 0,8 0,2 5,7 0 0,1 Truthähne u. Teile davon 500 1 000 3 000 11 0 55 1,1 0,1 32,3 0 0 0,9 0 0 0
CSFR
AbschöpfungsImporte aus den drei Anteil der Länder an Importe aus den kontingent im ersten Ländern 1991 in vH EG-DrittländerLändern, gemessen an Vertragsjahr des AbschöpfungsImporten in 1991b) intra-EG-Handel 1991 (in t) kontingents für das (in vH) 1. Vertrags jähr
Marktzugangsbedingungen und Marktanteile der drei Assoziierungspartner bei ausgewählten Marktordnungsgüterna)
Tabelle 2
Die Auswirkung der EG-Handelspolitik 239
500
-
- 13
-
1,4
72,3
5,7
0 1,6
0,1
0
0,1
0
Quelle: Siehe Tabelle 1.
a) Bei den Produkten handelt es sich um solche, für die Abschöpfungssätze im Rahmen von jährlich aufgestockten Kontingenten in drei Stufen bis zu 60 vH gesenkt werden (Annex X b in den Abkommen).
-Schulter
Milchpulver 2 500 3 000 29 66 13,3 36,7 0 0,1 0,3 0 0 0 0 Butter 1 000 1 000 277 19 4,1 0,3 0,2 0,7 0 0 0 0 0 Käse 1 000 2 000 1 000 72 71 58 0,7 1,3 0,5 0,1 0,1 0 0,2 0,1 0 Hühnereier 5 350 1 100 1 050 73 3 85 18,0 0,2 4,2 0,8 0 0,2 0 0 0,9 Buchweizen - 3 200 56 0 9,7 1,8 0 26,2 4,8 0 0 0,4 Getrocknetes Eigelb Flüssiges Eigelb 320 33 27,0 7,1 48,1 0,5 0,1 0,9 0 0 0 Gefrorenes Eigelb Getrocknete Hühnereier 2 150 210 28 - 14 32,2 3,0 1,8 1,0 0,1 0,1 0,3 0 0,5 Weichweizen, Mengkorn - 1 7 000 2 0 0,3 0 0 0 0 0 0 Gerste für Malzzwecke 30 000 3 11,7 0,7 0,3 0 0 0 0 0 0 Weizenmehl 20 000 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Ungeröstetes Malz, nicht von Weizen 35 000 140 66,7 0,8 2,4 5,0 0,1 0,2 0 0 0 Hopfen 4 500 - 6 910 102 1 25,5 4,4 0,6 63,7 10,9 1,4 2,3 0,2 8,0 Schweineschinken,
Fortsetzung
240 Rolf J. Langhammer
Die Auswirkung der EG-Handelspolitik
241
dels in den relevanten Gütern (von wenigen relativ unbedeutenden Ausnahmen abgesehen) gering (Tabelle 2), und gleiches gilt, wenn man sie an der Gesamtproduktion in der Gemeinschaft mißt [Langhammer, 1992, S. 29]. Bei dem letztgenannten Indikator wird nur für Schaf-, Lamm- und Ziegenfleisch ein Anteilswert von 1 v H überschritten. Gegen die Vermutung nennenswerter Handelsschaffungseffekte kann auch ins Feld geführt werden, daß die Gemeinschaft über zwei zusätzliche Abwehrriegel gegen ein unerwünschtes Vordringen von Marktordnungsgütern aus den Assoziierungspartnern verfügt. Sie kann erstens verlangen, daß die Produkte die strengen umweit- und gesundheitsrechtlichen Normen der EG-Produktion erfüllen, und sie kann zweitens bei einigen Produkten Teile des Angebots mit Hilfe von Exportkrediten auf Drittmärkte lenken und diese auf die Kontingente anrechnen; eine zweifellos handelsverzerrende Maßnahme. Das Agrarpotential der neuen Bundesländer dürfte im übrigen eine weitere Bremse gegen weitergehendere Zugeständnisse an die Assoziierungsländer darstellen. Faßt man diese Überlegungen und ersten empirischen Ergebnisse zusammen, so kann man zumindest für die hier vorgestellten Marktordnungsgüter die These vertreten, daß die Handelswirkungen der Kontingente insgesamt gering sind. 6 Wahrscheinlich dürften Nichtmitglieder eher betroffen sein als die EGAnbieter; ein aus der Erfahrung mit vielen Präferenzabkommen der Gemeinschaft bekanntes Ergebnis.
V. Ausblick Die Wirkungen der EG-Handelspolitik gegenüber Osteuropa sind in erster Linie von der Lösung des Aufbringungsproblems abhängig. Folgt der Transformationsprozeß in den Ländern falschen Signalen, d.h. erhält die Produktion nicht-handelbarer Güter gegenüber handelbaren Gütern und die von Erzeugnissen für den heimischen Markt gegenüber Exportgütern 6
Dem Autor wurden wenige Tage vor Beginn der Tagung von Stefan Tangermann (Universität Göttingen) erste empirische Schätzungen zu den Päferenzvorteilen aller handelspolitischen Zugeständnisse der Gemeinschaft im Agrarhandel zugeleitet, die diese These stützen. So wurden für das Jahr 1992 (ab Inkrafttreten des Interimabkommens im März 1992) die Präferenzvorteile für Polen auf 38 Mio. ECU und für Ungarn auf 35 Mio. ECU geschätzt, d. h. etwa 3,9 v H beziehungsweise 4,4 v H der hochgerechneten EG-Agrarimporte aus den beiden Ländern im Jahre 1991. Diese Schätzungen unterstellen allerdings stets eine volle Ausschöpfung der Kontingente, so daß die tatsächlichen Vorteile als Folge der Unterauslastung (Tabelle 2) deutlich geringer sein dürften. Die Vorteile für Rumänien und Bulgarien sind deutlich niedriger (1 v H beziehungsweise 09 v H der EG-Importe aus den beiden Ländern).
16 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
242
Rolf J. Langhammer
wirtschaftspolitische Anreize, so wird die Öffnung des EG-Marktes wirkungslos bleiben. Die Erfahrungen mit den wirkungslosen AKP-Präferenzen zeigen sehr deutlich, daß erst die angebotsseitigen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor die Handelspolitik ihren Part spielen kann. Völlig getrennt sind Aufbringungs- und Transferseite jedoch nicht. Zumindest die Assoziierungsabkommen bieten Möglichkeiten für die Gemeinschaft, über verschiedene Einflußkanäle disziplinierend auf die heimische Wirtschaftspolitik zu wirken und zur Lösung des Aufbringungsproblems beizutragen. Zu diesen Kanälen gehören die Verpflichtung der Assoziierungspartner, ihrerseits (wenn auch zeitlich verzögert) den Markt zu öffnen, die technische, finanzielle und wirtschaftliche Zusammenarbeit, der politische Dialog sowie die teilweise Übernahme des EG-Regelwerks. Diese Mechanismen können einerseits die Kosten von wirtschaftspolitischem Fehl verhalten in den Ländern erhöhen (im Klartext: ohne konsistente Transformationsbemühungen kein verbesserter Marktzugang nach Ablauf der ersten Vertragsperiode und keine Vollmitgliedschaft). Zum anderen verpflichten sie aber auch die Gemeinschaft, erfolgversprechende Reformbemühungen dadurch zu prämiieren, daß das Exportangebot nicht mit Hilfe von Schutzklauseln vom EG-Markt ferngehalten wird. So besitzt die Gemeinschaft mit ihrer Handelspolitik einen indirekten Einfluß auf die Aufbringungsseite und wesentlichen Einfluß auf die Transferseite. W i e stark letzterer sein dürfte, signalisieren sogenannte Gravitätsmodelle, die die „normale" Regionalstruktur von Handelspartnern mit Hilfe von Parametern wie räumliche und kulturelle Nähe sowie Absorptionskraft (Binnenmarktgröße, Einkommensniveau) messen. Havrylyshyn und Pritchett [1991, zitiert in Pohl / Sorsa, 1992, S. 89-90] schätzen mit derartigen Modellen, daß 75 v H der gesamten zentral- und osteuropäischen Exporte „normalerweise" auf den westeuropäischen Markt gelangen würden und nur 15 v H in Osteuropa, einschließlich der früheren Sowjetunion, verblieben. Im Extremfall könnte das „Normalausmaß" der Exporte nach Westeuropa sogar 90 v H (im Falle der CSFR) betragen. Diese Modelle unterstellen weder eine Freihandelszone noch eine volle Mitgliedschaft und schätzen den zusätzlichen Effekt derartiger institutioneller Verklammerung gering ein. Das heißt, auch ohne Abkommen würde sich Osteuropa mit seinem Exportangebot gen Westeuropa wenden. Abkommenseffekte würden statt dessen in Gestalt einer steigenden Weltmarktorientierung der Produktion (Export/ BIP Anteile) sichtbar. Ungeachtet der berechtigten Kritik hinsichtlich eines „mechanistischen Ansatzes derartiger Modelle bleibt festzuhalten, daß nach Maßgabe der Lösung des Aufbringungsproblems die Handelspolitik der Gemeinschaft (und der restlichen EFTA-Mitglieder) nicht über die Richtung der zentralund osteuropäischen Exportströme entscheiden wird. Zum westeuropäi-
Die Auswirkung der EG-Handelspolitik
243
sehen M a r k t g i b t es für O s t e u r o p a so oder so k e i n e A l t e r n a t i v e . E n t s c h i e d e n w i r d über die F ä h i g k e i t der Länder, S c h u l d e n z u b e d i e n e n u n d z u tilgen, Sachkapital u n d „ k n o w h o w " z u i m p o r t i e r e n u n d d e n Reformprozeß d u r c h zustehen. Dies w i r d u m so leichter sein, je schneller sich die Gemeinschaft v o n ihrer t r a d i t i o n e l l e n H a l t u n g verabschiedet, zwischen einzelnen D r i t t l ä n d e r n feinziseliert z u d i s k r i m i n i e r e n . Leider s i n d A n s ä t z e d a z u bereits w i e d e r i n der H a n d e l s p o l i t i k gegenüber Osteuropa erkennbar.
Bibliographie Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, Rechtsvorschriften, verschiedene Ausgaben. Böhnlein, Barbara / Heitger, Bernhard: „Die neue Handelspolitik der EG gegenüber Osteuropa". Die Weltwirtschaft, 1991, H. 2, S. 130-145. Havrylyshyn, Oleh / Pritchett, Lant: European Trade Patterns After the Transition. PRE Working Paper, WPS 748, International Economics Department, The World Bank, Washington D.C., September 1991. inotai, Andräs: „Assoziierungsabkommen: Schritte zur Reintegration ostmitteleuropäischer Staaten". Integration, Vol. 15, Januar 1992, S. 25-35. Kawecka-Wyrzykowska, Elzbieta: Europe Agreement on Poland's Association with the European Community: Commercial Implications for Poland. Vortrag, gehalten anläßlich der Konferenz über „Reintegration of Poland into the West European Economy by External and Internal Liberalisation", organisiert von SDA Bocconi, Mailand in Warschau, 26.-27. März 1991, hektograph. Manuskript. Kommission der EG, Mitteilung der Kommission an den Rat, System Allgemeiner Zollpräferenzen: Orientierungen für die neunziger Jahre, K O M (90) 329 endg., Brüssel 1990. Kuschel, Hans-Dieter: „Die Europa-Abkommen der EG mit Polen, Ungarn und der CSFR". Wirtschaftsdienst, Vol. 72, 1992, Nr. 2, S. 93-100. Langhammer, Rolf J. : Die Assoziierungsabkommen mit der CSFR, Polen und Ungarn: Wegweisend oder Abweisend? Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 182, Institut für Weltwirtschaft, Kiel, März 1992. „Maastricht beschert dem Binnenmarkt neue Grenzen". Handelsblatt, 28. Januar 1992. Möbius, Uta: „Zu den Assoziierungsverträgen der EG mit Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei". D I W Wochenbericht, Vol. 58, 1991, 50/91, S. 701-704. — „Handelspolitik der EG i m Zuge der Öffnung nach Osten". D I W Wochenbericht, Vol. 57, 1990, 35/90, S. 489-493. Möbius, Uta, unter Mitarbeit von Schumacher, Dieter: Einfuhr von Industrieprodukten. Chancen der Entwicklungsländer und der osteuropäischen Länder auf dem Binnenmarkt 1992. Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrage der A M K Berlin — Ausstellungs-Messe-Kongreß GmbH anläßlich der Import-Messe Berlin 1991. Berlin 1991, mimeo. 1
244
Rolf J. Langhammer
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Statistische Materialien Bundesministerium für Wirtschaft: Einfuhren der Bundesrepublik Deutschland i m Rahmen des Systems der Allgemeinen Zollpräferenzen für Entwicklungsländer der Europäischen Gemeinschaften, 1989 und 1991, Bonn 1990 und 1992. Eurostat: Außenhandel, Allgemeines Präferenzsystem (APS), Einfuhren 1989, Band 1 und 2, Theme 6, Series C, CA-63-91-002-9Α-C, Luxembourg 1991. — Außenhandel, Analytische Tabellen, 1989, Importe, Länder/Waren, Theme 6, Series C, CA-48-90-013-3Α-C, Luxembourg 1990. — Monthly EEC External Trade (continued nomenclature) 92.02.21.2, 1992, Period 90-52 (CD-ROM).
Tabelle Al Auslastungsgrad von Mengenkontingenten nach WTA-Kategorien für Textilexporte aus Osteuropa in die EG für das Jahr 1991 in v H a ) Kategorie
CSFR
Polen
1 2 2a 3 3a 4 5 6 7 8 9 12 13 14 15 16 17
58,2 105,6 85,5 84,0 89,5 73,3 126,8 140,1 25,0 160,9 88,6 88,5 25,1 51,0 76,4 58,2 103,4
59,1 51,6 52,2 56,6 52,6 80,8 84,4 0 29,1 79,1 79,3 56,5 40,4 59,2 42,0 50,7
-
Ungarn 14,5 40,0 45,1 20,1
Rumänien
Bulgarien
0 22,8 14,4 9,7
0,8 87,9 45,8
47,5 54,6 73,7 56,4 94,3
88,8 131,9 46,0 7,4 64,1
-
-
46,8 60,5 63,0 45,8 25,6 16,7 59,3 -
38,7 20,7 37,5 41,1
46,9 21,5 58,5 60,0 33,9 56,0
_ -
14,7 10,9 -
245
Die Auswirkung der EG-Handelspolitik (Fortsetzung) Kategorie
CSFR
Polen
18 19 20 21 22 23 24 26 31 32 32a 33 36 37 39 41 61 66 67 67a 69 73 76 83 90 91 110 117 118 121
68,7 60,0 120,5 32,0
18,1 -
82,0
Ungarn
Rumänien
Bulgarien
6,1 27,3 66,4
-
120,5 91,6
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
98,4 52,2 42,3 60,2 55,8 81,3 46,6 53,4 92,0 88,7 27,3 34,5 76,0 47,2 43,5 55,7 89,8 20,0 100,4 65,3 34,5 37,8 79,9 -
39,3 21,1
37,1 -
22,1 23,2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
19,0 8,6 -
-
26,9
0 9,0 0,9 26,0
-
2,0 -
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
29,4 8,0 -
16,5 23,3 20,0 -
23,2 25,0 0
65,0 52,2 -
15,0 32,5 9,0 -
24,0 13,9 25,9 -
42,9 8,0 -
9,9 -
0,2 29,7 -
-
-
51,5 39,5 -
0 0 0
a) Importmengengenehmigungen in vH der Mengenkontingente. Quelle: Textile Surveillance Report, AUT 2, unveröffentlichte Daten, zur Verfügung gestellt vom Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn.
Vereinigtes Königreich
Italien
Frankreich
repU 1
®Sk
1990
UI1
EG
1,3
0,3 1,3 1,1
1,2 1,1 1,2 1,1 0,6 |
0,5 |
1,8 3,1 2,2 4,1 2,1
0,4 0,1
0,2
1,1 2,5 1,9
3,6 4,0 5,3
0,6 | 0,6 | 0,8 |
3,0 0,7 4,8 0,8 3,8 .
0,3 0,9 0,9
0,8 | 3,8 1,0 2,4 0,9 | 4,2 1,1 2,5 0,8 0,8 | 4,5 1,4
0,8 0,9 2,2
Aller Güter
(Fortsetzung)
1,1
1,3 1,4
0,4
0,4
0,1 0,5 1,2 0,3 | 0,5 0,8 3,2 0,6 | 0,3 0,5 0,9 0,2 0,1 0,5 1,9 0,3 | 0,9 0,7 3,3 0,6 | 0,3 0,4 0,9 0,2 0,1 0,6 1,0 0,3 | 0,7 0,6 2,7 0,5 | 0,3 0,5 0,6 0,2
1,5 1,4
0,6 j
2,5 1,9 2,0 | 2,5 j
0,7
1988 1990 1991
j
0,8
1,4 | 4,3 4,2
Eisen, Stahl 0,6
0,1 0,7
0,4
1,2 1,1 1,7 1,0 1,6
2,6 4,8 2,9 4,7 3,6
1,4 0,6 1,4
Ungarn Aller | AgrarTextilien, Güter | güter Bekleidung
0,9 | 1,4 1,3 1,6 1,4 1,7 1,3 | 1,9 1,5
Eisen, Stahl
0,6 0,8 0,7 0,8 0,5 1,2
4,4
0,4 | 0,4 j
3,2 2,0 1,1 | 1,7 |
1,8 1,1 | 2,9
Polen Textilien, Bekleidung
1988 1990 1991
4,3 5,1
1,1 | 5,1 6,5
0,6 | 1,6 1,4 2,6 1,9 2,8 0,8 | 2,4 2,3
Aller | AgrarGüter | güter
1991
0,1 0,7 0,1 0,6
4,6 1,3 1,3 1,6 2,0
1988 1990
1988 1,0 1,4 1990 1991
3,6 0,6 | 4,7
CSFR Textilien, Eisen, Bekleidung Stahl
1988 0,4 1,0 0,5 1,0 4,0 1991 0,5 1,4
Agrargüter
Anteil an Extra-EG Importen
Die Bedeutung der CSFRf Polens, Ungarns, Bulgariens, Rumäniens und der UdSSR für den Handel der Europäischen Gemeinschaft und ausgewählter Mitglieder 1988,1990 und 1991
Tabelle A2
1990
0,6 0,3 0,7 0,3 1,3 0,4
0,1 0,4 0,1 0,5 0,2 0,4
1988 1990 1991
1988 1990 1991
Italien
Vereinigtes Königreich
0,4
0,2 0,1 0,0
0,2 0,1 0,1
0,0 0,1 0,3
1,0
0,2 0,6 | 0,4
1,1 1,0 0,6 1,9 2,0
0,1 0,3 0,1 0,2 0,1 0,5
1991
1,5 0,9
1988 1990 1991
1990
1988
1988 0,5 0,5 0,4 0,5 0,3 1991 0,8 0,9
CSFR Textilien, Eisen, Bekleidung Stahl
Frankreich
repU 1
D
, Dundes-
EG
Agrargüter
|
0,3 | 0,3 j 0,3 |
j
0,5 | 0,5 j 0,6
Agrargüter
0,4 0,3 0,3 0,5 0,3 0,7
0,5 0,7 2,4 0,7 1,8 1,0
0,8 0,5 0,7 0,9 0,8 1,5
1,3
0,5 0,4 0,4
0,6 1,1 0,7
0,6 0,7 0,4
1,6 1,5
0,8 1,0 1,0
Polen Textilien, Bekleidung
6,5 4,5 8,2 6,4
3,7 2,6
1,1 1,2 2,1 2,9 3,2
| 1,6 |
0,4 | 0,3 j 0,6 |
1,1
1,0
0,6 | 1,8 0,9 |
Aller | Güter |
0,4 | 0,5 | 0,8 j
0,7 | 1,2 | 1,2
0,5 | 0,5 | 0,9 |
Agrargüter
I
0,1 0,5 0,2 0,5 0,2 0,7
j
0,8
0,3 0,2 0,2
0,9 1,0
0,6 0,6 0,6
0,3 0,4 0,4
1,2 1,4
1,1
Eisen, Stahl 0,6 0,7 0,8
Ungarn Textilien, Bekleidung
0,2 0,2 0,2
0,3 0,3 0,3
Aller Güter
(Fortsetzung)
0,4 0,6 1,1 0,6 0,6 0,8 1,0 0,7 0,5 1,1 0,8 0,9
0,1 1,0 0,1 1,1 0,2 1,2
0,9 3,1 1,0 3,5
1,0 2,9
0,3 1,4 0,3 1,5 0,4 1,8
Aller | Güter |
1,6 | 2,8 j
1,1
0,8 | 1,1 | 1,9 |
Eisen, Stahl
Anteil an Extra-EG Exporten
Die Bedeutung der CSFR, Polens, Ungarns, Bulgariens, Rumäniens und der UdSSR für den Handel der Europäischen Gemeinschaft und ausgewählter Mitglieder 1988, 1990 und 1991
(Fortsetzung Tabelle A2)
1990
Vereinigtes Königreich
Italien
Frankreich
repU 1
_ j 1988 Bundes-
EG
0,3 0,4 0,2 |
0,5
1,7 1,8 0,7 |
0,5
j 0,2 0,7
j
0,8 0,7 0,2 | 0,4 0,0 0,5 0,5 0,1 j 0,0 0,5 0,4 0,1 j
j
0,0 0,0 0,1 | 0,1 0,3 0,1 0,1 0,1 j 0,3 0,1 0,4 0,1 |
j
1988 0,3 1990 1991
1,4 1,4 0,3
0,8 1,1 0,1
0,3 0,4 0,2 | 0,6 2,7 2,5 1,4 | 0,4 0,7 0,3 1,3 0,2 | 0,2 1,7 1,3 0,6 j 0,5 1,5 0,2 0,2 1,4 0,9 0,4
0,2
1,8 1,9 0,7 | 0,4 0,1 1,4 2,0 0,4 j
1988 0,6 1990 1991 0,8
j
0,1 0,4 0,1 | 0,2 0,4 0,1 0,3 0,1 |
1991 0,3
1988 0,3 1990
3,3
4,3
0,1 1,2 1,3 0,3 0,0 1,0 0,3 0,1 0,7
0,2 4,7 5,4 0,4 0,4 4,9 0,5 0,3 5,9
0,2 0,6
0,1 0,6 0,5 0,1 1,7 0,4
3,3 3,5
1,7 1,7
5,4 5,9
3,4
4,9
Ungarn Aller | AgrarTextilien, Güter | güter Bekleidung
3,8
3,7
Eisen, Stahl
3,6 0,2 5,5
0,4 0,2 2,3 0,5 0,2 2,6 0,7 0,2 4,4
Polen Textilien, Bekleidung
1990 0,5 0,4 0,5 0,1 | 0,2 1,4 0,9 0,4 | 0,6 0,2 1,4 1991 0,6 0,4 0,3 0,2 j 0,4 1,2 0,9 0,4 | 0,8
0,4
j
j
Aller | AgrarGüter | güter
0,2 1,5 1,5 0,6 | 0,1 1,2 1,0 0,3 0,2 1,0 0,9 0,3
CSFR Textilien, Eisen, Bekleidung Stahl
1988 0,3 0,2 0,4 0,1 | 0,4 0,2 0,8 0,1 | 1991 0,4 0,3 0,7 0,2
Agrargüter
Anteil an Extra-EG Importen
Die Bedeutung der CSFR, Polens, Ungarns, Bulgariens, Rumäniens und der UdSSR für den Handel der Europäischen Gemeinschaft und ausgewählter Mitglieder 1988,1990 und 1991
Table A2 (Fortsetzung Tabelle A2)
Aller Güter
(Fortsetzung)
Eisen, Stahl
hVk
1990
06
°'
5
02
0,5
0,3
j
0,2 | 1 χ
1,5 1 6
0,4
5,6
1988 0,5 0,1 0,1 0,2 | 1990 0,2 0,1 0,0 0,1 | 1991 0,2 0,1 0,0 0,1 |
1,9
' 04
j
20,6 9,3
19,4
11,4 2,0
167
1,5
0,0 0,4 0,1 0,1 | 1,0 1,5 2,4 0,2 0,3 0,1 0,2 | 5,0 1,4 1,1 1,3 0,1 0,3 0,0 0,1 | 0,8 1,0 0,9 0,7
1,6 1,5 0,4 2,1 6,3 7,4 1,1 5,6
6,3 1,5 1,0 2,9 6,5 0,6 3,2
04
0,4
3,6
1,3
3,8 3,5
1,7
14,3 2,7 5,4
Aller | Güter |
3,8
3,0
24
8,0
3,4
2,8
Agrargüter
78
3,6
Ungarn Textilien, Bekleidung
60
Eisen, Stahl
Aller Güter
Quelle: EUROSTAT, EEC External Trade (Combined Nomenclature) 1988-1990, Supplement 2, 1991. EUROSTAT. Monthly EEC External Trade (Combined Nomenclature), 2, 1992 (CD-ROM).
Vereinigtes Königreich
Eisen, Stahl
3,2 1,5 4,8 1,5 5,7 6,3 1,4
0,0 1,3 0,3 0,2 | 0,7 1,5 0,1 0,3 | 3,9 0,9 1,5 0,2 0,3 |
03
I
2,5
1,6 0,2
0,2 | 0,3 | 0,3 |
Polen Textilien, Bekleidung
1988 0,2 0,2 0,5 0,4 | 0,1 0,3 0,2 0,1 | 1990 0,1 0,1 0,2 0,4 | 0,6 0,4 0,3 0,3 | 1991 0,8 0,2 0,1 0,3 | 1,3 0,5 0,3 0,4 |
06
0,4
0,1 0,8 0,2 0,8 0,8 0,2 0,7 0,9 0,3
Agrargüter
Italien
°'
5
1988 1,5 0,6 0,9 0,6 |
0,4 | 0,2 | 0,2 |
Aller | Güter |
Frankreich
1991
1990
1988 0,4 0,3 0,6 0,3 0,2 0,3 1991 0,5 0,3 0,1
CSFR Textilien, Eisen, Bekleidung Stahl
1988 0,2 0,2 0,4 0,2 | 1990 0,3 0,1 0,0 0,1 | 1991 0,8 0,1 0,0 0,3 |
republik
EG
Agrargüter
Anteil an Extra-EG Exporten
Die Bedeutung der CSFR, Polens, Ungarns, Bulgariens, Rumäniens und der UdSSR für den Handel der Europäischen Gemeinschaft und ausgewählter Mitglieder 1988, 1990 und 1991
Table A2 (Fortsetzung Tabelle A2)
Zusammenfassung der Diskussion Referate Habuda r Pissulla und Langhammer
Bolz bezweifelt die positive Einschätzung, die Langhammer zur Lohnveredlung im Hinblick auf eine kräftig verbesserte Lieferfähigkeit der osteuropäischen Länder vorgetragen hatte. Die Überlegungen leuchteten zwar grundsätzlich ein, die Erfahrungen seit Ende der 60er Jahre sprächen allerdings eine andere Sprache. Es seien kaum Lerneffekte zu verzeichnen gewesen. Impulse für eine längerfristige Besserstellung dieser Länder seien eigentlich auch heute noch nicht zu erkennen. Langhammer meint, erstens sprächen die Ergebnisse in Osteuropa gegen diese pessimistische These. Zweitens sei für die Einschätzung der zukünftigen Möglichkeiten wichtig, daß der Bereich, in dem in Westeuropa und speziell in der Bundesrepublik die Lohnveredlung genutzt werden kann, ausgeweitet worden sei. Jetzt könne nicht nur die Industrie, sondern auch der Handel dies nutzen. Der Handel habe ein besonderes Interesse — noch stärker als die Industrie —, die Chancen in diesen Ländern zu nutzen. Für einen solchen Pessimismus, bei dem immerhin auf die Zeit gegen Ende der 60er Jahre zurückgegriffen werde, bestehe heute kein Anlaß. Polkowski ergänzt das Referat von Frau Habuda: Der EG-An teil am polnischen Außenhandel habe bereits im Jahre 1991 55,7 % erreicht. Es sei zu erwarten, daß dieser Anteil in den nächsten Jahren noch sprunghaft wachsen werde. Die Werte in der Tabelle für die nächsten 20 Jahre seien sehr vorsichtige Schätzungen. Zweitens sei zu erwarten, daß sich bei wachsender Bedeutung des privaten Sektors in der Wirtschaft auch die Warenstruktur ändern werde. Die Angaben über den Außenhandel zwischen Polen und Deutschland in den letzten zwei Jahren bestätigten diese Entwicklung schon: Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes sei erheblich gestiegen, und das sei dem privaten Sektor zu verdanken. Es stelle sich die Frage, ob das auch global für die Warenströme aus den anderen ehemaligen RGW-Ländern nach Westeuropa gilt. Drittens sei mit der Umorientierung der Außenhandelsströme auch noch ein Bewertungsproblem verbunden, das die Außenhandelsbeziehungen zwischen Deutschland und den ehemaligen RGW-Ländern betreffe. M i t der
Zusammenfassung der Diskussion
Einführung der D-Mark in der ehemaligen DDR seien die ostdeutschen Exporte nach Polen, Ungarn und in die ehemaligen RGW-Länder stark gestiegen. Im Falle Polens habe das dazu geführt, daß der Außenhandelsüberschuß im Verhältnis zur ehemaligen DDR, der Anfang 1990 87 Millionen Transferrubel betrug, sich zum Jahresende auf 850 Millionen Transferrubel zuungunsten Polens verschob. Dasselbe gelte für Ungarn, für die CSFR und für die ehemalige Sowjetunion. Polen betrachte dies als Preis für die deutsche Wiedervereinigung und sei der Meinung, daß dieses Problem — wegen des Umrechnungskoeffizienten von 2,34 Transferrubel pro D M — dem negativen Saldo zugrunde liegt. Polkowski fragt nach den Standpunkt Ungarns in dieser Angelegenheit. Frau Habuda erwidert, sie habe in ihrem Vortrag die Frage gestellt, ob dieser hohe Anteil auf Dauer aufrechterhalten werden kann. Da dieser Prozeß bisher mehr von kleinen privaten Unternehmen unterstützt wurde, hat sie einige Zweifel daran, daß der von Polen schon 1990 erreichte hohe Anteil beizubehalten ist. Auf Dauer könnten die kleinen privaten Unternehmen die Großunternehmen nicht ersetzen. Bei Fragen zur Warenstruktur bewege man sich allerdings im spekulativen Bereich. Der Betrachtungszeitraum sei zu kurz, um mehr über die Struktur sagen zu können. Oppenländer ergänzt, vor allem die mittleren Unternehmen seien stark im Angebot humankapitalintensiver Produkte, das gelte aber kaum für das gesamte verarbeitende Gewerbe. Man könne sich aber vorstellen, daß innerhalb des verarbeitenden Gewerbes vor allen Dingen die arbeitsintensiven Produkte eine Chance im Export hätten. Schatz erläutert nochmals, am 1. Juli 1990 nach der Einführung der DMark in Ostdeutschland seien die Kosten natürlich in D-Mark angefallen, während bei Exportkontrakten weiterhin der Transferrubel galt. Die großzügigen Bestimmungen für ostdeutsche Firmen hätten dazu geführt, daß auf Teufel komm heraus noch Exportgeschäfte auf Transferrubelbasis getätigt wurden. Der garantierte Kurs für den Umtausch von Transferrubeln in DMark habe diese Geschäfte lohnend gemacht. Ob dadurch Nachteile für andere Länder entstanden sind, sei eine zweite Frage. Immerhin hätten diese Länder Güter erhalten. W i e die Probleme einmal gelöst würden, die aus dem resultierten, was sich i m Verlaufe des Jahres 1990 abspielte, wisse noch keiner so recht. Seit Anfang 1991 sei das Bild natürlich völlig anders: Die Exporte seien zusammengebrochen. Vincentz bestätigt, daß relativ geringe Effekte der Liberalisierung auf osteuropäischer Seite zu finden seien. Eine Ausnahme bilde der Agrarsektor; dort seien die Effekte etwas besser. Zum Referat von Langhammer bemerkt Vincentz, die statischen Effekte seien sicherlich vernachlässigbar. Wenn man aber eine dynamische Be-
252
Zusammenfassung der Diskussion
trachtungsweise wählte und an exportorientiertes Wachstum dächte, sähe die Sache wahrscheinlich ganz anders aus. Das sei ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit den EG-Assoziierungsabkommen. Die Assoziierungsabkommen enthielten nicht nur einen Handelsteil, sondern auch eine gewisse Art von Konditionalität, durch welche die in Gang befindlichen Prozesse beeinflußt werden sollten. So drängten die EG und auch die Bundesregierung i m Bereich des Bankwesens auf Gleichbehandlung von Inländern. Hierzu gebe es bereits Vereinbarungen, aber der Verhandlungsprozeß eröffne noch weitere Möglichkeiten. Auf diese Weise könne man von außen durchaus Druck auch auf den internen Transformationsprozeß ausüben. Vincentz warnt eindringlich vor dem Gradualismus, der durch die Vorstellung vom „optimal sequencing" gefördert werde. Offensichtlich laufe die Entwicklung jetzt aber auf immer mehr Gradualismus hinaus. Natürlich müßten die Maßnahmen auch auf der Mikroebene funktionieren. Er nennt Beispiele des von IWF und Weltbank geduldeten Sequencing: Der Geldkapitalmarkt werde später liberalisiert, der Arbeitsmarkt werde später liberalisiert, und die Privatisierung fange später an. Wenn man aber auch auf der Mikroebene Erfolg haben wolle, müsse man ihre Probleme am Anfang lösen: Privatisierung so schnell wie möglich und auch Liberalisierung des Geldmarktes so schnell wie möglich. Langhammer entgegnet, die Länder hätten in der Präambel des Vertrages den Wunsch zum Ausdruck gebracht, Vollmitglieder zu werden. Deshalb müßten sie die Phase der Assoziierung erfolgversprechend durchlaufen und eigene Leistungen erbringen. Sie müßten asymmetrisch ihren Markt öffnen. Sie übernähmen einen Teil des Ordnungsrechts der Gemeinschaft, etwa im Bereich der Wettbewerbsregeln, der Beihilferegelungen usw. Dadurch stünden sie in einem ständigen politischen Dialog. Langhammer sieht eine externe Disziplinierung durch das Assoziierungsabkommen als gegeben an, wobei nicht so sehr der handelspolitische Teil, wohl aber die anderen Teile des Abkommens sehr wichtig seien. Frau Pissulla stellt klar, sie habe ihre Aussagen nicht so verstanden wissen wollen wie von Vincentz dargestellt. Insbesondere habe sie nicht gemeint, daß die Liberalisierung der Kapitalmärkte und die Privatisierung nach hinten geschoben würden. Sie habe im Gegenteil eher — so sei es in der Tschechoslowakei gemacht worden — an eine bestmögliche Vorbereitung gedacht, der dann die Privatisierung bzw. die Liberalisierung und die Freigabe so schnell wie möglich und so umfassend wie möglich zu folgen hätten. A n eine Streckung sei nur insofern zu denken, als die totale Preisfreigabe nicht an den Anfang gestellt werden sollte und man es den Unternehmen am Anfang nicht ermöglichen sollte, alles zu tun, was sie wollten. Damit wären die Unternehmen völlig überfordert. Was sicherlich
Zusammenfassung der Diskussion
sofort passieren sollte, sei die völlige Freigabe der sogenannten kleinen Privatisierung. In diesem Bereich sollte jede Möglichkeit geboten werden und eine komplette Liberalisierung erfolgen. Das sehe der IWF sicherlich genauso. Bei den ehemaligen Staatsbetrieben und bei der Schaffung der Kapitalmärkte, der Arbeitsmärkte usw. brauche man aber eine längere Vorbereitungszeit. Opperdänder fragt, ob man dann — auf den Punkt gebracht — sagen könnte, was in der Tschechoslowakei gemacht wurde, sei vorbildlich. Frau Pissulla bestätigt das; für den Fonds sei die Tschechoslowakei ein Erfolgsbeispiel. Eine Lehre aus den Reformprozessen der Vergangenheit sei möglicherweise auch die, daß nicht ganz harte Schranken aufgebaut würden — etwa indem gesagt würde, in Ungarn dürfe das Budgetdefizit maximal 3 % des BSP betragen, in Polen dürfe es 5 % betragen usw. —, sondern größere Margen vorgesehen würden; also mehr Spielraum eröffnet werde. Vincentz zweifelt an, daß das Staatsdefizit tatsächlich der entscheidende Punkt ist. Dem widerspricht Frau Pissulla: Das Budgetdefizit sei sicherlich einer von mehreren wichtigen Punkten, und es müsse unter Kontrolle gehalten werden. „Weiche Pläne" seitens des IWF seien nicht zu erwarten. Schmieding beruft sich auf eines der Ergebnisse von Frau Habuda: Der jetzige Exportboom von Ost nach West werde zu einem erheblichen Teil von anderen Produkten getragen als von jenen, die früher gen Osten exportiert wurden. Daraus lasse sich doch die positive Schlußfolgerung ziehen, daß der Exportboom gen Westen weitergehen kann und nicht ein einmaliges Verlagerungsphänomen darstellt. Frau Habuda mag nur bei der ersten Hälfte von Schmiedings Aussage zustimmen, nämlich bezüglich der Produkte, die den Exportboom gen Westen ausmachten. Die zweite Hälfte seiner Aussage stimme nicht ganz. Die geringe Inlandskonjunktur habe, wie im Referat dargelegt, dazu beigetragen, daß die kleinen privaten Unternehmen ihre Chancen auf den Auslandsmärkten suchten. Sie hoffe, daß die Wirtschaftslage sich bald verbessern werde. Das aber sei ein ganz anderes Szenario. Zur Rolle des Internationalen Währungsfonds merkt Schmieding an, der IWF sei ja eine Organisation, die sich traditionell mit Zahlungsbilanzproblemen und damit zusammenhängenden Fragen beschäftige, also genau mit den Problemen, die zumindest die ost-mitteleuropäischen Staaten nicht hätten. Der Fonds habe hingegen hinsichtlich der Probleme, auf deren Lösung es ankomme — Privatisierung, Finanzdisziplin der Staatsunternehmen, Steuersystem etc. —, relativ wenig an Expertise anzubieten. In Rußland sei die Rolle des Fonds zur Zeit fast schon ein bißchen komisch: Zumindest erhebliche Teile der russischen Regierung sähen ein, daß bei ihrer makroökonomischen Lage nur ein relativ flexibler Wechselkurs mög-
254
Zusammenfassung der Diskussion
lieh ist. Dagegen versuche der Fonds Rußland jetzt zu einem möglichst festen Wechselkurs zu zwingen, weil das, was der Fonds anbieten könne — nämlich der Stabilisierungsfonds —, nur bei einem möglichst festen Wechselkurs funktioniere. Svindland widerspricht Schmieding in diesem Punkt: Die Aussage, daß der IWF versuche, Rußland zu einem fixierten Wechselkurs zu zwingen, sei schlicht falsch. Es entspreche vielmehr der Wahrheit, daß der Staff des IWF Mitinitiator des Plans sei, einen flexiblen Wechselkurs einzuführen und den Rubel ab 1. August voll konvertierbar zu machen. Dies habe auch Zustimmung im Board gefunden. Auch Frau Pissulla bekräftigt, daß der Fonds bei der Frage des Wechselkurses sehr flexibel sei. In der Regel akzeptiere er das vom Mitgliedsland gewählte Wechselkursregime. So sei es jedenfalls in der Vergangenheit gewesen. Sie gibt Schmieding zunächst recht in dem Punkt, daß der Fonds mit Transformationsprozessen im RGW wenig Erfahrungen hatte und daß dieser Bereich nicht zu seinen Aufgaben gehörte. Die eigentliche Aufgabe des Fonds sei in der Tat die Beseitigung von Zahlungsbilanzproblemen. Da diese Zahlungsbilanzprobleme aber vielfach durch makroökonomische Instabilitäten und Ungleichgewichte in diesen Ländern hervorgerufen würden, habe der Fonds natürlich sehr viel mit den Transformationsprozessen zu tun. Das bedeute eine geradezu dramatische Wandlung in seinem Aufgabenbereich. Mittlerweile habe der Fonds Erfahrungen in diesem Bereich. Der Fonds habe auch erkannt, welche Fehler passierten und auf welche Probleme er insbesondere mit seiner Geld- und Fiskalpolitik treffe. A n den Programmen für Rußland oder die GUS-Staaten sei eigentlich viel problematischer, daß der Fonds für den gemeinsamen Rubel plädiere. Man könne von keinem Land erwarten, daß es Budgetrestriktionen auf sich nimmt, wenn es keine eigene Geld- und Währungspolitik betreiben kann. Schmieding geht auf die Frage der EG-Assoziierungsabkommen ein: Die Liberalisierungsbestimmungen seien im Vergleich zu dem, was die EG sonst an Abkommen geschlossen hat, wirklich recht liberal, beinahe wie die Vereinbarungen zwischen der EG und den EFTA-Staaten 1972. Aber leider strotzten diese Abkommen vor Schutzklauseln. Sie eröffneten also viele Möglichkeiten für die EG, die Liberalisierung einseitig einzuschränken. Für das, was passieren könnte, gebe es zwei politische Interpretationen. Die positive Interpretation rechne damit, daß sich die EG in den Verhandlungen mit den ostmitteleuropäischen Staaten über eine künftige Mitgliedschaft gutwillig verhalten werde; weil sie die Verhandlungen nicht stören möchte, werde sie von den Schutzklauseln wenig Gebrauch machen. Die negative Interpretation nehme an, daß sich die EG mit den Schutzklauseln den Knüppel geschaffen habe, mit dem sie jederzeit drohen könnte, falls die
Zusammenfassung der Diskussion
osteuropäischen Staaten die Mitgliedschaft beispielsweise zu früh wollten oder andere Forderungen stellten, die für Brüssel unbequem seien. Langhammer erwidert, Ausnahmen habe es in der Handelspolitik der Gemeinschaft immer gegeben. Daß sie sich jetzt häuften, sei eine Folge des zunehmenden Heterogenitätsgrades innerhalb der Gemeinschaft. Ζ. B. nehme die Bundesrepublik die Interessen der neuen Bundesländer wahr, indem sie sich gegen die Aufstockung von Kartoffelkontingenten für Polen sträube. Spanien habe — genau wie die Bundesrepublik — Probleme mit der einheimischen Kohleindustrie. Die Beihilferegeln seien umstritten, deswegen gebe es Restriktionen mit Bezug auf den Kohlebereich. Portugal wehre sich gegen die Aufstockung von Textilkontingenten für Osteuropa. Daraus resultierten Probleme, die bei den Beitrittsverhandlungen eine große Rolle spielen würden. Schatz möchte den Begriff der Konvertibilität präziser geklärt wissen: Konvertibilität bei einem festen oder bei einem flexiblen Wechselkurs? Manchmal werde für den Fall einer Einführung der Konvertibilität angenommen, der Wechselkurs werde abgleiten. Als Voraussetzung für die Einführung der Konvertibilität werde aber unterstellt, daß man einen Wechselkurs hätte, der in etwa im Gleichgewicht sei. — Unter diesen Voraussetzungen sei jedoch der Bezug zu flexiblen Wechselkursen unverständlich. Man müsse doch davon ausgehen, daß die Wechselkurse in etwa in ein Gleichgewicht gebracht werden sollten. Daß der Wechselkurs manchen Leuten aus irgendwelchen Gründen nicht paßte — einige hielten ihn für zu hoch, andere für zu niedrig —, sei eine ganz andere Frage. Schatz bekräftigt auch, die Konvertibilität einer Währung sei die Voraussetzung dafür, daß manche Reformen greifen könnten. Er ist kein Anhänger der Meinung, daß die Konvertibilität sozusagen am Ende eines Königsweges stehen könnte. Wenn man Wirtschaften transformieren kann, ohne Konvertibilität zu haben, wieso braucht man dann überhaupt Konvertibilität? Diese Frage stelle sich, wenn man zunächst erfolgreich transformieren und die Konvertibilität erst danach einführen könnte. Nun stelle sich aber die Frage, warum denn, wenn man Konvertibilität bei einem flexiblen Wechselkurs haben kann, Währungsreserven für drei Monate für die Finanzierung von Importen nötig sein sollten und wozu ein Rubelstabilisierungsfonds gut wäre, wenn doch von Seiten des IWF daran gedacht sei, für den Rubel einen flexiblen Wechselkurs zu erreichen. Svindland erläutert, der flexible Wechselkurs für den Rubel solle ein veränderlicher Wechselkurs sein, der nur im Hintergrund von der Notenbank mit gesteuert würde. Es sollte in gleichem Maße Flexibilität gegeben sein, wie sie im Verhältnis zwischen den europäischen Währungen und dem US-Dollar gegeben ist.
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Frau Pissulla ergänzt, im Verhältnis zwischen den osteuropäischen Ländern gebe es sowohl feste Wechselkurse als auch flexible Wechselkurse mit sogenanntem managed Floating. Die Konvertibilität sei natürlich ein wichtiges Ziel aller Länder, weil Konvertibilität auch in den Augen des Fonds letztlich die Voraussetzung für das langfristige Funktionieren einer Marktwirtschaft sei. Die Marktwirtschaft sei in den hier angesprochenen Ländern aber noch nicht voll eingeführt. Solange noch nicht alle Mechanismen der Marktwirtschaft existierten, könne die Konvertibilität zunächst nur eine reine Leistungsbilanzkonvertibilität sein. Die Kapitalkonvertibilität könnten sich diese Länder noch gar nicht leisten. Die Schuldendienstquote bezogen auf die Exporte betrage schließlich 50 %. Herr bemerkt, es sei verwegen, zu unterstellen, daß die Flexibilisierung der Wechselkurse für ein Land irgendwelche Probleme lösen könnte. Die Erfahrungen nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods hätten das Gegenteil gezeigt. Zum Konvertibilitätsbegriff merkt Herr an, Konvertibilität werde gewöhnlich als Abwesenheit von Kapitalverkehrskontrollen bei völlig flexiblen Wechselkursen aufgefaßt. Dies sei aber eine Verflachung des Konvertibilitätsbegriffs. Es wäre unsinnig zu sagen, die Konvertibilität sei dahin, wenn der Preis von irgendeinem Vermögenswert auf Null sinkt. Man sollte beim Konvertibilitätsbegriff auf den klassischen Begriff — unter dem Goldstandard — zurückgreifen, d. h. von Stabilität des Preises und Möglichkeit des Umtauschs in andere Währungen ausgehen. Das wäre ein vernünftiger Konvertibilitätsbegriff, der den Wechselkurs als Vermögenspreis begreift. Herr geht auf den typischen Verlauf einer IWF-getragenen Stabilisierung ein. Die Prognosen des IWF seien meist sehr positiv. Danach komme es nach einer Stabilisierungskrise und einem oder zwei Jahre verlangsamten Wachstums gleich wieder zu einem Wachstumsboom. Dies könne wohl Zweckoptimismus sein, sei aber auch durch die theoretischen Grundlagen bedingt, die dem Modell zugrunde lägen. Die Grundlage sei die monetäre Zahlungsbilanztheorie, und das reale Wachstum werde in den Modellen meist exogen gesetzt, obwohl es doch sehr fundamental durch die Stabilitätsmaßnahmen beeinflußt werde. Dornbusch habe die 80er Jahre für Lateinamerika als ein verlorenes Jahrzehnt bezeichnet, wobei er sich vor allem auf die Realeinkommen beziehe. Ein wesentlicher Grund dafür sei die hohe Auslandsverschuldung. Unter diesen Bedingungen seien Abwertungen schwierig, und man sei permanent einer restriktiven Politik unterworfen, um überhaupt zahlungsfähig zu bleiben. Die 90er Jahre schienen nun einen Aufbau der Verschuldung auch in den osteuropäischen Ländern mit sich zu bringen. Herr fragt, ob man wohl das erste Jahrzehnt des nächsten Jahrtausends als ein für die osteuropäischen Länder verlorenes Jahrzehnt werde bezeichnen müssen, und ob
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beim Fonds Lernprozesse dazu im Gang seien, wie man mit der Verschuldungsproblematik umgehen sollte. Derzeit scheine die Entwicklung in ganz Osteuropa — je weiter nach Osten man komme, desto mehr gelte dies — vollständig in die Richtung der Probleme zu laufen, wie man sie aus der Dritten Welt — speziell aus Lateinamerika — kenne. Frau Pissulla stellt zunächst klar, daß nicht die 90er Jahre das Jahrzehnt seien, in dem die osteuropäischen Länder ihre Verschuldung aufbauten, sie hätten dies vielmehr bereits seit den 70er Jahren getan. In den 80er Jahren seien in vielen Fällen schon keine Tilgungen und nicht einmal mehr Zinsen gezahlt worden. Die Verschuldung werde sich aber sicherlich noch erhöhen. Die Fonds-Konditionalität ziele nun darauf ab, daß die Kredite in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden könnten. Neuthinger bemerkt, das Fazit aus den am Vortag gehaltenen Referaten und der Diskussion darüber sei doch wohl, daß letztlich alles funktionierte, wenn der Nukleus einer Marktwirtschaft, nämlich das Unternehmen, richtig funktionierte, d. h. dann, wenn eine echte Unternehmensreform zustande käme. Der Erfolg der Preisfreigabe, der Steuerreform und Weiteres seien letzten Endes davon abhängig. Er sei auch im Hinblick auf die Gradualisierungsthese darauf hingewiesen worden, daß man mehr Wettbewerb schaffen sollte, bevor man privatisiert. Zentraler Punkt sei doch wohl, daß Unternehmer — auch Manager in Verantwortung dem Eigentümer gegenüber — letzten Endes gezwungen sein müßten, hart zu kalkulieren und zu agieren. Wettbewerb im eigentlichen Sinne sei aber nur vorstellbar mit privaten Eigentumsverhältnissen. Es stelle sich die Frage, ob Möglichkeiten gegeben seien, in dem dargestellten Sinne zum Erfolg zu kommen. Frau Pissulla erwidert, grundsätzlich sei Wettbewerb auch bei Staatseigentum möglich, nämlich wenn die Unternehmen im Rahmen eines veränderten Systems zu einem marktwirtschaftlichen Verhalten gebracht würden. Wirklich wichtig seien harte Budgetresriktionen. Genau daran hapere es im Moment. Die Regierung subventioniere diese Unternehmen, weil sie aus sozialen Gründen nicht alles kollabieren lassen könne, was ohne Eingriffe kollabieren würde. Insofern sei es allerdings wichtig, auch von unten Konkurrenz aufzubauen, d.h. stärker auf die sogenannte kleine Privatisierung zu setzen und die Unternehmen gleichzeitig durch Schulung, durch Managementtraining usw. dahin zu bringen, daß sie sich marktwirtschaftlich verhalten. Dann könnten sie auch privatisiert werden. Dieser Weg sei ihrer Überzeugung nach der einfachere. Oppenländer spricht die Idee eines Marshallplans für die osteuropäischen Länder an. Man höre immer wieder, daß diese Länder den Transformationsprozeß letztlich nur mit massiver Hilfe von außen schaffen würden. Meistens werde dann gleich gesagt, dies sei ein Faß ohne Boden. Er fragt, ob 1 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
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Frau Pissulla in den IWF-Hilfen eine Art Ersatz-Marshallplan sieht und wie sie die Wirksamkeit massiver Hilfen von außen einschätzt. Frau Pissulla antwortet, konsequenterweise könne man wohl sagen, daß Finanzmittel aus dem Ausland nicht unbedingt die Voraussetzung für eine sich entwickelnde Wirtschaft sein müßten. Sonst hätten sich Enwicklungsländer oder auch Industrieländer niemals zu dem entwickeln können, was sie geworden sind. In diesen Fällen habe es sich um interne Kapitalbildung und wachsenden Wohlstand gehandelt. Durch die erwähnte Form von externer Hilfe werde lediglich versucht, einen Prozeß zu beschleunigen. Es sei nicht die Aufgabe des Fonds, einen Marshallplan in Gang zu setzen. Der Fonds sei keine Entwicklungshilfeorganisation und auch keine Organisation zur Projektfinanzierung. — Oppenländer: Über die Weltbank könnte solche Hilfe aber geleistet werden. — Frau Pissulla: Grundsätzlich ja, aber die Weltbank finanziere z.B. keine Unternehmen und könne keine Kredite an private Institutionen vergeben. Durch ihre Kredite wolle sie Strukturen verändern; die Hilfe beziehe sich folglich jeweils auf bestimmte Sektoren. — Oppenländer verweist auf die neue Osteuropa-Bank in London. — Frau Pissulla stellt fest, sie habe noch nicht viel gebracht, und es sei zweifelhaft, ob sie unbedingt notwendig ist. Es handele sich bei dieser Bank um eine sehr kostspielige Einrichtung und man müsse abwarten, was sie künftig erreicht. Bis jetzt sei es sehr wenig, was die Länder bekommen hätten und was sie wohl auch erwarteten. Man höre, es sei sehr schwierig, passende Projekte überhaupt zu identifizieren. Die Osteuropabank finanziere letztlich ja nach banküblichen Risikoerwägungen. Oppenländer gibt dies zu, verweist aber darauf, daß immer gesagt wird, Private könnten nur zur Investition angeregt werden, wenn die Infrastruktur mehr oder weniger funktioniert. Die Banken — die Weltbank wie die Bank in London — seien doch eigentlich dazu da, solche Infrastrukturangebote zu fördern. — Frau Pissulla: Das tun sie auch. — Oppenländer: In ausreichendem Maße? — Frau Pissulla: Nein, aber was sollte man auch unter „ausreichend" verstehen? Man müsse sich nur einmal ansehen, was in der ehemaligen DDR notwendig ist, um zu ahnen, was dann erst in Osteuropa hineingepumpt werden müßte! Das ausreichende Maß werde also sicherlich nie erreicht. Langhammer ist anderer Meinung. Man wisse aus Entwicklungsländern, daß es entscheidend auf Kapitalproduktivität ankommt. Wenn das Kapital produktiv eingesetzt wird, könne auch ein geringer Einsatz bereits positive Wirkungen zeitigen. Die Erfahrungen mit dem Entwicklungshilfeprogramm der OECD-Länder für die osteuropäischen Länder zeigten, daß die Mittel für die osteuropäischen Länder erheblich über das hinausgingen, was ζ. B. die Entwicklungsländer zur Zeit im Durchschnitt bekommen; es finde ein
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erheblicher Kapitaltransfer statt. Da die Wirkung von der Kapitalproduktivität abhänge, könne man keine Aussage darüber treffen, ob der Mittelumfang, rein quantitativ gesehen, zu groß oder zu klein sei. Entscheidend seien die Rahmenbedingungen.
Deutsche Unterstützung für die GUS-Republiken Von Dieter von Würzen, Bonn
Die Tagung hat sich seit gestern in zahlreichen Vorträgen und intensiven Diskussionen mit Fragen der „Wirtschaftsreformen in Mittel- und Osteuropa" beschäftigt. Wirtschaftsreform ist schon ein verkürzendes Wort. In diesen Staaten vollziehen sich im Gefolge von Glasnost und Perestroika tiefgreifende Veränderungen des gesamten wirtschaftlichen und politischen Lebens in Richtung Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit, verbunden mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. Wie aber ist der Übergang zu gestalten? Durch Gradualismus oder Schocktherapie — oder eine wie auch immer geartete Mischung? Es gibt wohl niemanden, der meint, es gäbe dafür allgemeingültige Rezepturen oder Lösungskonzepte. Chancen und Dauer für einen erfolgreichen Abschluß des Übergangs vom „Plan zum Markt" unterscheiden sich von Land zu Land nachdrücklich. Auch wir haben für das Problem, wie und auf welchen Feldern wir Hilfe leisten sollen und mit welchen Instanzen sie zu vereinbaren ist, keine fertige oder allgemeingültige Konzeption. Generell gültig sind allenfalls zwei einschränkende Aussagen: — Ohne Hilfe von außen wird es wohl nicht gehen. Dabei ist Hilfe mehr als nur finanzielle Unterstützung, obwohl es auch ohne sie nicht gehen wird. Finanzielle Hilfe meint dabei humanitäre Hilfe durch Lebensmittellieferung oder Arzneimittellieferung. Sie ist aber auch Hilfe zur Importfinanzierung für lebenswichtige Einfuhren, ζ. B. für Ersatzteile für Maschinen, ohne die die Industrie nicht arbeiten kann. Finanzhilfe meint ζ. B. auch Stabilisierungshilfe, Stabilisierungskredite etwa bei der Neuordnung des Währungssystems. — Aber Geld allein hilft natürlich nicht. Die Länder müssen die Rechtsordnung der Marktwirtschaft einführen. Sie müssen die Institutionen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialverwaltung aufbauen. Sie müssen umfassende wirtschaftspolitische Konzeptionen entwickeln und» was entscheidend ist, sie müssen sie politisch durchsetzen und vor Ort durchführen mit einer im Umbruch befindlichen Verwaltung. Hierbei kann man helfen. Es hat sich dafür der Ausdruck technische Hilfe oder, was etwas arroganter klingt, intellektuelle Hilfe eingebürgert. Eine solche Hilfe
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kann von außen kommen. Der Westen kann seinen Rat zur Verfügung stellen. Er kann Sachverständige entsenden. Er kann Unternehmer, Manager im Westen ausbilden oder Ausbildungsorgane im Osten selbst finanzieren und organisieren. Angesichts der Größe der Aufgabe ist das nur eine bescheidene Hilfe, aber sie ist Hilfe zur Selbsthilfe. Die Ausarbeitung der Programme unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, ihre praktische Durchsetzung kann nur von innen kommen. Diese Fakten muß man gegenüber ständiger ungeduldiger Kritik, wie der Westen täte zu wenig, die Hilfe wirke nicht schnell genug, Erfolge seien kaum zu sehen, immer wieder hervorheben. Diese Hilfe kann ein westliches Land allein nicht leisten. Dabei ist die Unterstützung und der Einsatz des marktwirtschaftlichen know-how des gesamten Westens erforderlich, auch besonders der internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF), die hier bereits Wertvolles leisten. Zur Unterstützung von makroökonomischen Stabilisierungs- und Reformprogrammen wendet ζ. B. der IWF beträchtliche Ressourcen auf zur technischen Beratung auf vielfältigen Gebieten, von Steuerreformen bis zum Aufbau eines Zentralbankwesens, von der Beratung bei Gesetzgebung bis zum Aufbau neuer Institutionen des Bankwesens. Die Länder, beispielsweise die Staaten der früheren Sowjetunion, benötigen dazu auch technische Unterstützung und Ausbildung. Um den Bedürfnissen der gesamten Region gerecht zu werden, bereitet der IWF ζ. Z. den Aufbau eines Schulungszentrums in Wien vor. Auch die EG und ihr Programm sind hier zu nennen. Das Thema Hilfe ist umfassend und facettenreich. Die Fülle von Aktivitäten und die Akteure sind kaum noch zu überblicken. Ich möchte mich deshalb heute morgen darauf konzentrieren, Ihnen in praktischen Beispielen darzustellen, was die Bundesregierung oder einzelne Länder bilateral planen oder schon ausgeführt haben. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR Ende letzten Jahres haben wir begonnen, ein Gesamtkonzept für die Länder Osteuropas und des GUSBereichs zu entwickeln. Es soll — wie der Titel sagt — ein Konzept für Hilfe beim Aufbau von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft sein. Auch wir haben früher mehr punktuell gehandelt. Das Konzept soll die einzelnen Maßnahmen bündeln. Das Kabinett hat das Konzept im März gebilligt. A m letzten Mittwoch hat der Nachtragshaushalt die finanziellen Konsequenzen gezogen. Das Konzept enthält drei Schwerpunkte: 1. Wirtschaft 2. Recht 3. Inneres und Kultur.
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Ich beschränke mich auf den Bereich Wirtschaft. Es geht dabei um folgende Themen: — Unterstützung beim Aufbau einer sozialen Marktwirtschaft (Beratung bei Gesetzgebung, beim Aufbau von Wirtschafts-, Verwaltungs- und Verbandsstrukturen, Aufbau eines Netzes einer sozialen Sicherung) einschließlich Krankenversicherungssystem. — Beratung bei der Privatisierung und Beteiligungsführung der staatlichen Unternehmen unter Einschluß der Erfahrungen der Treuhandanstalt. — Unterstützung beim Aufbau eines leistungsfähigen Gewerbe, Handwerk und Landwirtschaft.
Mittelstandes
in
— Unterstützung beim Aufbau eines funktionsfähigen Dienstleistungssektors, insbesondere Banken, Handel, Tourismus, Verkehr. — Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften. — Unterstützung beim Aufbau funktionsfähiger Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen. — Unterstützung beim Aufbau moderner marktwirtschaftlich orientierter Finanzverwaltungen (Steuer, Zoll, Haushaltswesen). Insgesamt werden für die Beratungs- und Ausbildungsmaßnahmen in den Bereichen Wirtschaft, Recht und Inneres/Kultur in diesem Jahre etwa 350 Mio. D M zur Verfügung stehen.
I. Die empirische Wirtschaftsforschung soll bei einem Teil der Beratungen eine wichtige Rolle spielen. W i r sind seit längerer Zeit der Auffassung, daß die Forschungsinstitute verstärkt in die Begleitung der Reformprozesse einbezogen werden sollten. Das kann zunächst im Rahmen „gewohnter Tätigkeiten" erfolgen, d. h. durch Beratung in der Form von Forschungsaufträgen. W i r werden deshalb i m Rahmen des BMWi-Beratungskonzepts Wirtschaftsforschungsinstitute verstärkt mit Analysen zur Ausgangssituation in bestimmten Republiken der GUS beauftragen. Damit sollen zentrale wirtschaftliche Probleme analysiert werden und wirtschaftspolitische Überlegungen zur Lösung aufgezeigt werden. Dahinter stehi nicht zuletzt das Problem, daß hinreichend verläßliche Zahlen über diese Länder kaum zur Verfügung stehen. Zusätzlich soll hierbei das Potential künftiger wirtschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Unternehmen dieser Länder aufgezeigt werden. Außerdem wollen wir das „Potential" der Wirtschaftsforschungsinstitute durch besondere Einzelfall-Instrumente nutzen:
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— Bei einem der größeren Wirtschaftsforschungsinstitute soll ein Kooperations- und Informationsbüro eingerichtet werden. Seine Aufgabe soll u. a. darin bestehen, die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten aus Osteuropa / GUS und interessierten anderen — auch staatlichen — Stellen zu organisieren. — W i r denken daran, den Sachverstand von Instituten bei der Durchführung spezifischer Trainee-Programme (z.B. für Mitarbeiter von Wirtschaftsministerien einzelner GUS-Staaten) zu nutzen. Die Wirtschaftsverwaltungsbehörden werden natürlich auch Träger solcher TraineeProgramme sein. Die Institute können ferner den Erfahrungsaustausch zwischen deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten und entsprechenden Einrichtungen von Staaten aus Reformländern organisieren. Als Beispiel dient uns dabei der Erfahrungsaustausch, der im Zuge der deutschen Einigung zwischen west- und ostdeutschen Instituten erfolgreich organisiert wurde. — Besonders wichtig ist die Beratung vor Ort auch durch Forschungsinstitute. Es reicht heutzutage nicht mehr aus, zu Hause in der Studierstube über Problemlösungen nachzudenken, diese schriftlich festzuhalten und an einen Auftraggeber weiterzugeben. Mehr und mehr sind ad hocLösungen notwendig, die in der Regel vor Ort und in unmittelbaren Kontakten mit den Betroffenen erarbeitet werden müssen. Das heißt, auch die Wirtschaftsforschungsinstitute müssen mit ihren Experten vermehrt bereit und in der Lage sein, zu reisen und unmittelbare Beratung vor Ort, ζ. B. in Moskau, Kiew oder an anderen Orten, zu leisten. Diese Aktivitäten beginnen sich zu entwickeln. Gerade heute befinden sich ihre Kollegen Professor Hoffmann und Professor Siebert in Moskau. Sie werden dort Kontakte zu Personen und Institutionen ausbauen, die für zukünftige Kooperationen wichtig sind. Diese in den Details noch keineswegs abschließend festliegenden — neuen — Maßnahmen wirtschaftswissenschaftlicher Forschung und wirtschaftswissenschaftlicher Beratung und Kooperation für MOE/GUS-Länder kosten — das ist klar — Geld. Die Bundesregierung hat hierfür im Nachtragshaushalt zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, und es ist davon auszugehen, daß dies auch in den nächsten Jahren in angemessenem Umfang der Fall sein wird. II. Die Unternehmen, die sich jetzt in den GUS-Republiken auf die neuen Wettbewerbsbedingungen einstellen müssen, stehen — und dies zeigte nicht zuletzt die Diskussion mit Unternehmern, die an der Münsteraner Konferenz von BM Möllemann teilgenommen haben — vor riesigen prakti-
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sehen Problemen. W i r haben seit einiger Zeit zur Erleichterung der konkreten betrieblichen Anpassung ein Programm zur Förderung von ConsultingLeistungen eingeführt. Seit 1990 hat das Bundeswirtschaftsministerium 60 Projekte bewilligt, wobei ein großer Teil der Mittel mit ca. 37 % der ehemaligen Sowjetunion zugute kam. Das Programm enthielt Projekte aus den Bereichen der Agrarerzeugung, der Agrarlogistik, Verarbeitungsindustrie, Umstellung der Rüstungsproduktion auf Herstellung von zivilen Gütern, Handel und Verteilung. Das Instrument hat sich als Hilfe bei der außerordentlich schwierigen Umstellung auf die ungewohnte Wettbewerbssituation in der Marktwirtschaft bereits bewährt. Die Beratungsergebnisse werden den Regierungen als Musterlösungen für andere Betriebe der gleichen Branche zur Verfügung gestellt. Die Unternehmer der Reformländer haben noch zu wenig Erfahrungen im Außenhandel. Aber nur über den Außenhandel sind die für den Aufbau der Wirtschaft erforderlichen Devisen zu erzielen. Deshalb brauchen die Unternehmen in den GUS-Staaten zunächst einmal unsere Hilfestellung bei der Herstellung von Kontakten mit deutschen Geschäftspartnern. Dies ist eine zentrale Voraussetzung zur Förderung der Exportkraft der GUS-Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt daher finanziell die Einrichtung von Delegiertenbüros der Wirtschaft. Dadurch wird ein zusätzlicher Service geschaffen. Die an den Botschaften etablierten Handelsförderungsstellen führen ihre Tätigkeit vorerst noch fort. Die Delegiertenbüros der Wirtschaft werden durch den DIHT errichtet. Sie bleiben die Vorstufe zu bilateralen Handelskammern mit den Aufgaben Anbahnung von Geschäftsverbindungen, Beratung über Vertriebswege und Absatzstrategien, Erstellung von Marktstudien, Unterstützung bei Firmengründung, Hilfe bei Zahlungsabwicklung, Kontaktvermittlung. Ihre Tätigkeit wirkt in beide Richtungen, d. h. ausländische Unternehmen profitieren ebenso wie deutsche. Bisher wurden Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft in Warschau, Budapest, Prag und St. Petersburg eröffnet. Noch in diesem Jahr sollen auch in Kiew und Moskau Büros eingerichtet werden. Darüber hinaus wurde die praktische Zusammenarbeit zwischen den Regierungen auf eine neue Basis gestellt. Auch dies dient im weiten Umfang der Beratung. Anstelle der früheren deutsch-sowjetischen Wirtschaftskommission werden mit den neuen GUS-Regierungen flexiblere und offenere Kooperationsräte geschaffen. Das gilt für Rußland, Ukraine, Kasachstan und Weißrußland. Sie dienen der Begleitung der wirtschaftlichen Reformprozesse und der Förderung der Wirtschaftsbeziehungen. W i r sehen in dieser A r t der Aufnahme regelmäßiger, institutionalisierter Regierungskontakte ein geeignetes Mittel, um
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— die entstehenden Geschäfts- und Kooperationsbeziehungen zwischen den Unternehmen zu flankieren und — dadurch zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und politischen Lage in den Reformländern beizutragen. Die von den Kooperationsräten zu behandelnden Sachthemen werden nach Bedarf festgelegt. Dies gilt auch für die Auswahl der Teilnehmer, die sich nach der jeweiligen Tagesordnung richtet. Neben Vertretern der Bundesregierung und der Wirtschaft gehören zum Teilnehmerkreis auch Repräsentanten der Wissenschaft, Forschungsinstitute und der alten und der neuen Bundesländer. Inzwischen haben die Kooperationsräte mit den vier GUS-Republiken erstmals getagt und ihre Arbeit aufgenommen. Ich habe am Anfang davon gesprochen, daß Geld alleine nicht hilft, aber daß man auch auf finanzielle Unterstützung nicht verzichten kann. Ich kann mich dabei kurz fassen. Das meiste ist bekannt. W i r haben trotz großer allgemein bekannter Risiken die Gewährung von Exportkrediten fortgesetzt. Sie stehen unter einschränkenden Bedingungen. Voraussetzung ist, daß sie der Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Nachfolgestaates der UdSSR, insbesondere der konkreten Verbesserung der Devisenlage dienen oder daß sie Lieferungen ostdeutscher Unternehmen zum Gegenstand haben, die eine ausreichende Perspektive für die Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit erkennen lassen. Das bedeutet, die Gewährung dieser Bürgschaften ist nicht allein Altruismus. Der schwierige Umstellungsprozeß in den neuen Bundesländern gebietet uns diese Politik auch im eigenen Interesse. Ein weiterer Ansatzpunkt der finanziellen Hilfe ist das Instrument der Kapitalanlagegarantien des Bundes. Bei Privatinvestitionen in den GUSStaaten, insbesondere bei Joint Ventures, gewährt der Bund eine Garantie für das eingesetzte Kapital. Über die dazu erforderlichen bilateralen Investitionsschutz- und -förderabkommen wird derzeit noch mit einzelnen Regierungen verhandelt. Im Falle Rußlands sind bereits Kapitalanlagegarantien übernommen worden, da insoweit der deutsch-sowjetische Investitionsschutzvertrag fortgilt. Ferner streben wir einen verstärkten Einsatz des Instruments ungebundener Finanzkredite für Rohstoffprojekte, insbesondere für die Erdöl-/Erdgasförderung, in den GUS-Staaten an. Hier sehen wir am ehesten die Möglichkeit, wirtschaftlich tragfähige Projekte schnell zu realisieren, die auch den GUS-Staaten die dringend benötigten Devisen verschaffen. Schon jetzt zeigt sich, daß wir mit Hilfe der verstärkten wirtschaftspolitischen Beratungsaktivitäten und durch den Einsatz der Instrumente der
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finanziellen Zusammenarbeit eine verbesserte und sich ausdehnende wirtschaftliche Zusammenarbeit der Unternehmen bewirken können. Von dieser Zusammenarbeit der Wirtschaft und von den Möglichkeiten zur Entfaltung privater Unternehmensinitiative wird es letztlich abhängen, ob die wirtschaftliche Stabilisierung der GUS-Republiken gelingt. Mittelund langfristig müssen diese Länder zu einer sich selbst tragenden Wirtschaftsentwicklung kommen. Das Engagement von Unternehmen aus traditionell marktwirtschaftlichen Ländern wird dazu entscheidend beitragen. Voraussetzung ist — und dies muß immer wieder betont werden —, daß die neuen Regierungen rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, die ein dauerhaftes Engagement ausländischer Firmen fördern. Darüber sollte ein permanenter partnerschaftlicher Dialog begonnen werden. Auch deshalb hatte Bundeswirtschaftsminister Möllemann einen Kreis von Wirtschafts- und Handelsministern sowie Unternehmern aus Ost und West am 8./9. Mai 1992 nach Münster eingeladen. Das Treffen in Münster diente dem Ziel, den internationalen Meinungsaustausch und der internationalen Abstimmung über die wesentlichen Fragen der unternehmerischen Zusammenarbeit einen neuen Anstoß zu geben. Diese Konferenz reiht sich ein in die internationalen Aktivitäten, die im Januar diesen Jahres mit der Konferenz zur Koordinierung der Soforthilfe zugunsten der GUS-Staaten in Washington begonnen haben. Die Washington-Konferenz wird Ende Mai in Lissabon und Ende des Jahres in Japan fortgesetzt werden. Zielsetzung sind konkrete, global abgestimmte Aktionspläne auf den Gebieten humanitäre Hilfe und technische Hilfe. Ferner laufen intensive Vorbereitungen für den Wirtschaftsgipfel in München. Das Thema Osteuropa und insbesondere die GUS-Staaten wird auch hier einen Schwerpunkt bilden. Die internationale Hilfskoordinierung kann und muß noch wesentlich verstärkt werden. Der Erfolg aller unserer Unterstützungsmaßnahmen hängt letztlich von dem Mut der GUS-Staaten ab, die Reformen konsequent weiterzuverfolgen. Ohne unsere Hilfe geht das nicht.
Zusammenfassung der Diskussion Referat von Würzen
Sepp fragt nach der Haltung des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber den baltischen Staaten, insbesondere, ob sie im Zusammenhang mit der GUS gesehen würden oder nicht. Welche Besonderheiten die deutsche Politik gegenüber diesen Ländern enthalte. Von Würzen erklärt, den baltischen Staaten würden die gleichen Instrumente zur Verfügung gestellt wie den Mitgliedern der GUS. Es würden mit ihnen auch Kooperationsräte gegründet. Das ganze Instrumentarium stehe zur Verfügung. Das Verständnis des BMWi gehe dahin, daß diese Staaten es nicht gerne haben, als GUS-Staaten bzw. im gleichen Rahmen genannt zu werden. Svindland geht darauf ein, daß bei der OECD eine Evidenz-Zentrale eingerichtet worden sei, um die internationalen Hilfeprojekte zu koordinieren. Er fragt, ob die begrüßenswerten umfangreichen Hilfen der Bundesregierung auch dahin rapportiert und dort bemerkt werden. Zweitens fragt er, ob die Wissenschaftler, die ja beratend aktiv sind und für die Bundesregierung Gutachten schreiben, einen Zugang zu dieser Evidenz-Zentrale finden könnten, um auf diesem Wege Kontakte zu Kollegen zu erhalten, die sich mit ähnlichen Projekten befassen. Von Würzen geht davon aus, es sollte ja wohl in vollem Umfang möglich sein, diesen Kontakt herzustellen; Deutschland sei ja ein Mitglied mit relativ großem Gewicht. Die Bundesregierung habe die OECD mit dazu angestoßen, eine solche Rolle zu übernehmen, und sie sei sehr froh, daß sie das jetzt auch in Gang gesetzt hat. Aber es gebe auch eine gewisse Konkurrenz; der eine machte schon dies oder jenes und hörte es nicht gern, wenn ein anderer ähnliche Projekte in Angriff nähme. Manche Länder meinten, die EG müsse das machen, nicht die OECD; die EG sei auch viel schlagkräftiger. Andere schreckten vor der EG zurück — oder hätten zumindest gewisse Hemmungen. Die finanziellen Ressourcen der OECD seien geringer als das, was die EG aufbringen könnte. Aber die Bundesregierung habe die OECD immer sehr nachdrücklich gebeten, gerade wegen des anderen Mitgliederkreises und der breiten Einbindung, daß sie hier eine aktive Rolle spielen sollte. Vor allen Dingen habe sie das Know-how nicht nur für Handelsfragen, sondern auch für Wirtschaftsanalysen und für Strukturfragen.
Zusammenfassung der Diskussion
Langhammer geht auf den Liberalisierungsschub ein, den von Würzen vorgeschlagen hatte. Nun liege dieser Liberalisierungsschub natürlich nicht im eigenen Ermessen und in der Verfügungsgewalt der Bundesregierung, sondern dazu bedürfe es auch der Zustimmung der EG-Partner. Er habe den Eindruck, daß hier noch einige bremsende Elemente vorhanden seien. Anders könne man es sich nicht erklären, daß die GUS handelspolitisch doch immer noch ziemlich im Abseits steht. Nicht einmal Zollpräferenzen hätten diese Staaten bisher bekommen. Von Würzen bringt zum Ausdruck, daß in der EG — und die EG habe ja die Kompetenz — in den letzten Jahren schon beträchtliche Liberalisierungsschritte gemacht worden seien. Das habe angefangen mit Ungarn als dem am weitesten fortgeschrittenen Land, es sei weitergegangen mit Polen, und jetzt sei auch eine Gruppe der GUS-Staaten begünstigt. Dies müsse verstärkt werden. Deutschland sei eigentlich immer der Rufer in der Wüste. Wenn die Rede darauf komme, die Bundesrepublik habe schon eine Menge an Geld erbracht, sagten die deutschen Vertreter immer: Geld allein tut es freilich nicht, man muß diesen Staaten erst einmal die Chance geben, Geschäfte zu machen. Die Möglichkeiten der Agrarexportsteigerungen von Ländern wie Polen und Ungarn lägen ja auf der Hand. Polen sei auch in der Lage, bei weitem mehr Textilien zu liefern, auch auf Märkten, die es jetzt schon beliefere. Das seien zwei sensible Bereiche, in denen andere Länder der EG zögerten. Und es existierten nun einmal unterschiedliche Neigungen zur handelspolitischen Liberalisierung im Rahmen der GATT-Runde, und es sei ja bekannt, wer dieses oder jenes nicht will. Die GATT-Runde sei ein Impuls, der in dieser Hinsicht mittelbar wirken könne. Man kenne auch die Grenzen der Möglichkeiten, aber von Würzen hält es für wichtig, immer wieder auf den Punkt hinzuweisen: die Partner müßten auch Geschäfte machen können. Neben dem Liberalisierungsschub gehöre dazu eine Fülle weiterer Maßnahmen. Deutschland habe eine relativ lange Tradition in der Organisation; ein Beispiel seien Exportseminare: Importeurvereinigungen und große Importeure fragten in diesen Ländern nicht bloß bestimmte Güter nach, sondern trügen direkt dazu bei, in den Partnerländern exportfähiges Angebot zu entwickeln. Im Nahen Osten — abhängig von Ölexporten —, ζ. B. mit dem Iran, seien ganz erstaunliche Erfolge über eine Laufzeit von zehn oder zwölf Jahren erzielt worden. Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die frei sind von der EG-Marktordnung, und bei Textilien sei eine Menge möglich gemacht worden. Es sei erstaunlich, was in diesen Ländern an zunächst einfachen industriellen Gütern hergestellt und verkauft werden könne, wenn man nur weiß, was der Markt hier braucht, und wenn man die Vertriebswege kennt. Es gehe nicht nur um Öl und Gas, es könnten Holz, Chemikalien oder Vorprodukte sein,
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die aus den einzelnen Ländern kommen. Die elementare Bedeutung der Handelspolitik und des Selber-Geschäftemachens, um Devisen zu gewinnen, werde daraus erkennbar. Bolz bezieht sich auf die Einschätzung, daß die Vielfalt der Hilfen bis zur Unübersichtlichkeit reiche. Er fragt nach dem Programm der G 7 für Rußland. Dabei gehe es um 18 Milliarden, unklar sei jedoch, ob dies wirklich netto zusätzliche Mittel von 18 Milliarden seien, oder ob hier bereits Hilfeprogramme, die vorher zugesagt worden sind, mit eingerechnet würden, ζ. B. die Hermes-Deckung, EG-Nahrungsmittelhilfe, USA-Nahrungsmittelhilfe oder anderes. Von Würzen erläutert, das Programm bestehe aus drei Elementen, einmal Zahlungsbilanzhilfen, bestehend aus 4,5 Milliarden von IWF, Weltbank und anderen Institutionen und aus 2 Milliarden Dollar zusätzlicher Schuldenentlastung. In den verbleibenden 11 Milliarden seien bilaterale Beiträge, vor allem Exportkredite enthalten. Neuthinger wünscht Auskunft über die Haltung der Bundesregierung bezüglich der Erweiterung oder Vertiefung der EG. Von Würzen bezieht sich auf die zahlreichen früheren Tendenzerklärungen der Bundesregierung. Man könne aber wohl sagen, eine Reihe von Ländern sei für die intensivierte Zusammenarbeit, die nach Vollendung des Binnenmarktes bzw. der Währungsunion angestrebt werden, schlechterdings noch nicht geeignet. Andere Kandidaten stünden direkt vor der Tür, ζ. B. die Skandinavier oder andere EFTA-Mitglieder. Es sei allenfalls realistisch, besondere Formen der Zusammenarbeit, beispielsweise der Handelserleichterungen oder der Präferenzgewährung zu wählen. Alles andere sei gegenwärtig Utopie und dem Sachverhalt nicht angemessen. Die Bundesregierung habe erkennen lassen, daß sie vorangehen wolle, und sie habe auch in der EG gedrängt, daß diese vielfältigen Formen — abgestuft in den Gruppen Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, wieder eine andere Gruppe die GUS-Staaten — vorangebracht werden, daß sie ausgeweitet werden, daß man neue Felder entwickelt. M u n d stellt fest, in dem Konzept, das von v. Würzen entwickelt wurde, komme das Bundesministerium für Wirtschaft und das Auswärtige A m t vor, dagegen fehle das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Von Würzen bittet um Nachsicht und erläutert, er habe vor allen Dingen die koordinierenden Ressorts genannt. Es seien in diesem Projekt praktisch alle Ressorts mit vertreten. Man habe jedoch das Gefühl, es müsse ein gewisses Maß an Koordinierung, an Transparenz geben, wie mit den einzelnen Titeln umgegangen werden soll, wo man die Schwerpunkte setzt. Das ist
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der Grund, drei Gruppen von Maßnahmen zu unterscheiden, für die drei federführende Ressorts die Koordinierung übernommen hätten. Die Entwicklungshilfe habe ein politisches Problem — sie verfüge zwar über sehr viele Instrumente, die sie in der Vergangenheit auch genutzt habe, auch in Ergänzung der Instrumente des BMWi, Rußland, Weißrußland, die Ukraine und auch die baltischen Staaten betrachteten sich aber nicht als Entwicklungsländer. Diese Länder würden zurückhaltend sein, Hilfen entgegenzunehmen, die unter Entwicklungshilfe firmierten. Auf der anderen Seite gebe es eine Fülle von GUS-Staaten — die ostasiatischen, die mittelasiatischen oder auch Albanien, die eindeutig die Kriterien der Entwicklungshilfe erfüllten. In diesen Ländern sei natürlich das Entwicklungshilferessort mit seinen Erfahrungen gefragt. Penkin erklärt, als normaler russischer Bürger in Moskau habe er sich vor etwa zwei Jahren die Frage gestellt, warum der stärkste Wirtschaftspartner Rußlands eigentlich so wenig Aktivitäten in den genannten Bereichen zeigte, nämlich Beratung, Unterstützung der neu entstehenden politischen Strukturen usw., auch Beratung im Wirtschaftsbereich. Mit großer Freude habe er jetzt die Information gehört, daß auch die Bundesrepublik einen Nachholbedarf beseitigen wolle. Penkin wünscht, im Rahmen dieser Konzeption sollten auch die neuen parlamentarischen Strukturen unterstützt werden. In einer solchen Situation, wie man sie heute erlebe, erscheine es falsch, diese Ziele zu vernachlässigen. Von Würzen stimmt voll zu, dieses Element stecke auch in dem Programm — deshalb heiße es ja auch nicht bloß „Wirtschaftsprogramm". Es werde ζ. B. praktische Beratung der Parlamente über den Inhalt der Maßnahmen angestrebt. Prof. Kartte habe eine entsprechende Funktion übernommen. Er habe bei seinem ersten Besuch nicht nur mit Verwaltungen geredet, sondern vor allen Dingen mit Abgeordneten. Von Würzen bezweifelt im übrigen, daß Deutschland zurückhaltender gewesen wäre als andere. Er habe eher das Gefühl, gegenüber anderen nationalen Hilfeleistungen oder -programmen sei Deutschland ein bißchen voraus. Es gebe natürlich auch psychologische Bremsen in dem sich entwickelnden Prozeß. Hilfe könne ja auch nicht aufgedrängt werden, und sie solle auch nicht einen bilateralen, nationalen Charakter haben. Deshalb seien am Anfang viel stärker die Erfahrungen des IWF und ähnlicher Institutionen genutzt worden. Herr berichtet, in den ost- und mitteleuropäischen Ländern sei ihm öfters die Frage gestellt worden, wo eigentlich die Deutschen bei der Beratungstätigkeit blieben. Vor allem Amerikaner und Briten versuchten doch sehr viel aggressiver, sich als Berater ins Gespräch zu bringen.
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Der IWF werde von vielen als amerikanisch dominiert angesehen. Daher bestehe ein relativ starkes Bedürfnis, gerade auch deutsche Beratungstätigkeit in Anspruch zu nehmen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Bundesrepublik als ökonomisch erfolgreiches Modell angesehen werde. Von Würzen berichtet, das B M W i habe der Sowjetunion — und den GUSStaaten auch — relativ früh genau dieses detailliert angeboten. Es sei richtig, daß insbesondere in Moskau der Eindruck besteht, es gäbe überwiegend Amerikaner und Briten, die hier in Betracht kämen. Der Eindruck müsse zurechtgerückt werden; denn das, was dort angeboten werde, seien überwiegend nicht Angebote der Regierung, sondern Angebote großer Consulting-Unternehmen oder auch Angebote der großen Banken, die dort Büros unterhalten. Es habe auch Angebote der Bundesländer gegeben, vor allem auch eine Beratungstätigkeit der Bundesbank. Weißenburger weist auf einen großen Beratungsbedarf auf der kommunalen Ebene hin. Bis jetzt hätten die Länder ja überhaupt keine kommunale Selbstverwaltung gehabt, sondern eigentlich ein Durchgreifen der Hierarchie von oben nach unten. Es gebe ζ. B. für die Kommunen überhaupt keinen Einfluß im Bebauungsbereich und auf ähnlichen Gebieten. In der russischen Provinz sei im Grunde das, was in Moskau beschlossen worden ist, überhaupt noch nicht implementiert worden. Er berichtet von Sagorsk — 60 km von Moskau entfernt — wo er intensive Kontakte mit der Kommunalverwaltung hatte. Es habe sich herausgestellt, daß die Reformgesetze, die 1991 verabschiedet worden waren, bisher auch nicht ansatzweise umgesetzt worden seien. Im Dezember 1991 sei man gerade dabei gewesen, vor Ort die Pachtgesetze von 1990 umzusetzen, aber auch das nur mit den ersten Ansätzen. Es fehlten hier im Grunde elementare Vorstellungen, was eigentlich kommunale Selbstverwaltung bedeuten kann. Weißenburger meint, man könne — vielleicht auch im Rückgriff auf die vielen bereits gut funktionierenden Städtepartnerschaften — den Reformprozeß sehr viel weiter bringen; Sagorsk habe ζ. B. eine Städtepartnerschaft mit Fulda. Hier müßte auch ein Schwerpunkt in der Beratungstätigkeit gesetzt werden. Von Würzen antwortet, diese Beschreibung zeige ja deutlich, weshalb einen manchmal eine gewisse Verzagtheit befällt angesichts dieses Problems. Es sei aus dieser Problemlage zu schließen, daß neben den staatlichen Instanzen auch möglichst viele private Initiativen von Verbänden nötig seien. Das entwickle sich auch bereits. Oppenländer weist auf die hohe Bedeutung der Infrastruktur hin. Kooperation mit den GUS-Staaten scheitere oft schon daran, daß die Telefonverbindungen, die Fax-Verbindungen nicht funktionierten. Er fragt, ob hier auch gezielt Projekte der Bundesregierung bestehen, die gerade diese Infrastrukturen verbessern könnten.
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Von Würzen erwidert, auch beim Post- und beim Verkehrsministerium gebe es solche Elemente von Beratung, Analyse usw. Die Bedeutung dessen sei ja durchaus erkannt; in den Hermes-Bürgschaften stecke eine Reihe von Telekommunikationsprojekten, und zwar genau diejenigen, die für den Aufbau nötig seien. Auch das sei — neben der Beratung in Finanzfragen und der Entwicklung von Exporteinnahmen — zu bedenken.
18 Konjunkturpolitik, Beiheft 40
Teilnehmerverzeichnis Karl-Heinrich Oppenländer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V.
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Doris Cornelsen, Hella Engerer, Heiner Flassbeck, Uta Möbius, Eirik Svindland, Harald Trabold-Nübler, Ulrich Weißenburger Osteuropa Institut an der Freien Universität Berlin Gert Leptin Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Hans-Jörg Herr Institut für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn Reinhard Grünewald Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes Arne Heise, Hartmut Küchle, Werner Meißner Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Alma Brüstle, Roland Döhrn, Paul Klemmer H W W A - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung Klaus Bolz, Hans-Hagen Härtel, Erhard Kantzenbach, Dietmar Keller, Dieter Lösch, Otto-Gustav Mayer, A n dreas Pelkowski, Petra Pissula, Hans-Eckart Scharrer Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung Harald Legier Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Ulrich Hiemenz, Rolf Langhammer, Hubertus MüllerGroeling, Klaus-Werner Schatz, Holger Schmieding Institut der deutschen Wirtschaft Jörg Beyfuß, Berthold Busch, Hans-Peter Klös Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln Berthold Busch, Andreas Freytag, A x e l Ramil, Philipp Tremblau, Jürgen Wieners, Christian Wartin, Hans W i l l gerodt
276 München:
Teilnehmerverzeichnis Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung Christine Ahrens, Judit Habuda, Volker Heydrich, Arthur Krumper, Karl Heinrich Oppenländer, Benedikt Thanner Osteuropa Institut Hermann Clement, Volkhart Vincentz
Nürnberg:
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Elmar Hönekopp
Ministerien:
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen Claudia Moser, Reinhard Vogt Bundesministerium der Finanzen Wolfgang Glomb, Gert Meißner, Alfred Meyer Bundesminister des Innern Susanne Hild, Reinhard Timmer Bundesminister für Post und Telekommunikation Heinz Berger Bundesministerium für Wirtschaft Michael Eis, Bernhard Heitzer, W i l l i Koll, Colette Laury, Karl Vahrenkamp, Dieter von Würzen
Deutscher Bundestag:
FDP-Fraktion: Klaus Bünger SPD-Fraktion: Volker Mund
Bundeskanzleramt :
Stefan Heimbach, Emil Stöcke
Botschaften:
Botschaft der Republik Polen, Büro des Handelsrates Josef Olszynski
Organisationen:
Brandenburgisches Wirtschaftsforschungsinstitut, Stahnsdorf Caspar Schirmeister Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Bonn Heinrich Bayer, Bernd Kubista Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Köln Alexander Barthel Capital Redaktion, Köln Rainer Hübner Deutsche Bank Research, Frankfurt Hans W. Müller Deutsche Bundesbank, Frankfurt Thomas Vogel
Teilnehmerverzeichnis Deutscher Industrie- und Handelstag, Bonn Bernd H.-J. Kitterer Forschungsinstitut der Internationalen Wissenschaftlichen Vereinigung Weltwirtschaft und Weltpolitik, Berlin Karl-Heinz Domdey, Wilfried Trillenberg Forschungsinstitut für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz Jörg Henzler, Hans Peter Seitel Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, Bonn Werner Steuer Gorbatschow-Stiftung, Moskau Alexander Penkin Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung Halle, Berlin Hans-Werner Graf Institut für Weltwirtschaft, Budapest Andras Inotai Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Berlin Rudolf Janke Süddeutsche Zeitung, München Franz Thoma Verband der Privaten Bausparkassen, Bonn Stefan Jokl Walter-Eucken-Institut, Freiburg Lüder Gerken Wirtschaftswoche, Bonn Konrad Handschuch Wirtschaftswoche, Düsseldorf Hans-Peter-Canibol Egon Neuthinger, Bonn