Was sind Ereignisse?: Eine Studie zur analytischen Ontologie 9783110875362, 3110129094, 9783110129090


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German Pages 266 [268] Year 1992

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Table of contents :
Einleitung
1. Was sind Ereignisse? – Existenz und Individuation
2. Die kausale Ereignis-Individuation
3. Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis
4. Ereignisse als Sachverhalte
5. Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen
6. Kausale Anhängsel
7. Supervenienz
8. Superveniente Kausalität und Typen-Identität
9. Ereignisse und Ereignissätze
10. Die logische Form der Ereignissätze
11. Wahrheit als Methode
12. Kausalerklärungen
13. Abkehr von den Eigenschafts-Exemplifikationen
14. Die raumzeitliche Ereignis-Individuation
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Was sind Ereignisse?: Eine Studie zur analytischen Ontologie
 9783110875362, 3110129094, 9783110129090

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Ralf Stoecker Was sind Ereignisse?

w DE

G

Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß, Günther Patzig, Wolfgang Wieland

Band 29

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992

Was sind Ereignisse? Eine Studie zur analytischen Ontologie von

Ralf Stoecker

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Stoecker, Ralf: Was sind Ereignisse? : Eine Studie zur analytischen Ontologie / von Ralf Stoecker. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 (Quellen und Studien zur Philosophie Bd. 29) Zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-11-012909-4 NE: G T

© Copyright 1992 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, D-1000 Berlin 65 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, D-1000 Berlin 61

Meinen Eltern Annemarie Stoecker und Robert G. Stoecker

Vorwort

Das vorliegende Buch ist Geschichtswissenschaft und gegangen. Eine Reihe von beigetragen, daß es entstehen

aus meiner Dissertation an der Fakultät für Philosophie der Universität Bielefeld hervorFreunden und Kollegen haben maßgeblich dazu konnte.

Toni Koch, Wolfgang Künne, Jens Kulenkampff, Peter Lanz, Lorenz LorenzMeyer, Uta Müller-Koch und Charlie Prankel waren in verschiedenen Phasen der Arbeit kritische Kommentatoren und aufmunternde Ratgeber. Ihnen allen danke ich herzlich. Mein Dank gehört ferner Rosemarie Rheinwald, deren gutachterlichem Scharfblick vom fehlenden Komma bis zur basalen Inkonsistenz fast nichts entgangen ist. Und schließlich möchte ich mich bei Peter Bieri bedanken, der die Arbeit seit Jahren und durch alle Entwürfe hindurch begleitet hat. Ohne seinen verläßlichen Rat und seine freundschaftliche Betreuung wäre diese Abhandlung nicht entstanden. Das Buch ist meinen Eltern gewidmet als Dank für ihr Vertrauen und ihre liebevolle Unterstützung. Daniel habe ich es zu verdanken, daß das Schreiben wie auch das Leben drumherum so ereignisreich gewesen ist. Und Steffi danke ich einfach für alles !!

Bielefeld, im Herbst 1991

Ralf Stoecker

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

XI

1.

Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

1

2.

Die kausale Ereignis-Individuation

9

3.

Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

27

4.

Ereignisse als Sachverhalte

38

5.

Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

46

6.

Kausale Anhängsel

63

7.

Supervenienz

79

8.

Superveniente Kausalität und Typen-Identität

100

9.

Ereignisse und Ereignissätze

118

10. Die logische Form der Ereignissätze

131

11. Wahrheit als Methode

158

12. Kausalerklärungen

178

13. Abkehr von den Eigenschafts-Exemplifikationen

199

14. Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

224

Literaturverzeichnis

240

Personenregister

247

Sachregister

249

Einleitung

Die folgende Untersuchung handelt von Ereignissen. Was ist so interessant an Ereignissen? - Ich bin ursprünglich aus einem handlungstheoretischen Interesse auf die Ereignisse gestoßen. Handlungen, darin sind sich die meisten Autoren einig, sind Ereignisse. Aber nicht alle Ereignisse sind Handlungen. Es muß etwas den Handlungen Spezifisches geben, das sie von anderen Ereignissen unterscheidet, und dieses Spezifische, auch darüber herrscht weitgehend Einigkeit, liegt im Verhältnis der Handlungen zu den Gründen, aus denen sie geschehen. Hier nun beginnen die Probleme. Was sind Gründe? Sind Gründe Ursachen? Wie unterscheiden sich Handlungen von bloßen Körperbewegungen? Wie unterscheiden sie sich von ihren intendierten Folgen? Am Anfang meines Interesses an den Ereignissen stand die Feststellung, daß sich diese Fragen nur beantworten lassen, wenn man ihre metaphysischen Grundlagen offengelegt hat, d.h. wenn klar ist, was Ereignisse sind, in welchen Beziehungen sie zueinander stehen können und welches Verhältnis zwischen Ereignissen und Ereignissätzen besteht. Das ist der Gegenstand des vorliegenden Textes.

Mit der Frage, was Ereignisse sind, beginnt auch das erste Kapitel. In ihm wird erläutert, weshalb man diese Frage sinnvollerweise dadurch beantworten sollte, daß man eine Individuationsbedingung für Ereignisse nennt. Eine Individuationsbedingung muß zwei Kriterien erfüllen, sie muß eine Identitäts-Bedingung für die betreffenden Entitäten liefern, und sie muß darüber hinaus diesen Entitäten wesentlich sein. Was letzteres heißt, wird allgemein im ersten Kapitel beschrieben, es wird aber vor allem im zweiten Kapitel anhand eines ersten Vorschlags für eine solche Bedingung illustriert, der kausalen Ereignis-Individuation Donald Davidsons. Davidsons Vorschlag erweist sich, gerade weil er diese zweite Bedingung nicht erfüllt, als inakzeptabel. Bevor weitere Vorschläge diskutiert werden, wird im dritten Kapitel eine wichtige Unterscheidung in die Untersuchung eingeführt. Alvin Goldman nennt das Beispiel von John, der am Telephon Hallo sagt - und zwar, weil er gereizter

XII

Hinleitung

Stimmung ist, laut Hallo sagt. Je nachdem, ob man Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen für ein und dasselbe oder zwei verschiedene Ereignisse hält, hat man entweder ein grobkörniges oder feinkörniges Ereignisverständnis. Und da Goldman ein sehr einleuchtendes Argument für die feinkörnige Sichtweise gibt, wird in den folgenden Kapiteln diese Perspektive erst einmal vorausgesetzt. Das schließt bestimmte Individuationsbedingungen für Ereignisse aus, paßt aber gut zu der im vierten Kapitel diskutierten Auffassung Roderick Chisholms, daß Ereignisse Sachverhalte sind. Doch Chisholms Konzeption ist aus anderen Gründen wenig attraktiv. Ebenfalls mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis verträglich ist die im fünften Kapitel vorgestellte Ansicht Jaegwon Kims, daß Ereignisse EigenschaftsExemplifikationen sind. Zwar ergeben sich auch für Kims Behauptung Probleme, die zum einen mit der Inkorporation bestimmter komplexer Ereignisse zusammenhängen und zum anderen mit der impliziten Voraussetzung, daß es Eigenschaften gibt, doch andererseits scheint Kims Vorschlag ausgesprochen gut zur kausalen Rolle der Ereignisse zu passen. Das sechste Kapitel offenbart diesen vermeintlichen Vorteil als zumindest zweischneidig, denn er handelt der Ereignis-Diskussion zwei neue Probleme ein: das Problem der kausalen Anhängsel und das Materialismus-Problem. Kims Lösungsvorschläge für beide Probleme basieren auf den Begriffen der Supervenienz und supervenienten Kausalität. Diese werden im siebten und achten Kapitel diskutiert - am Ende mit einem zumindest skeptisch stimmenden Ergebnis. Das feinkörnige Ereignisverständnis läßt allem Anschein nach eine befriedigende Lösung der beiden Probleme nicht zu. Deshalb wird im neunten Kapitel Goldmans Argument für das feinkörnige Verständnis erneut aufgenommen. Die Nichtschlüssigkeit eines parallelen Arguments weckt Zweifel an der Schlüssigkeit des Goldman-Arguments, vor allem lenkt es aber die Aufmerksamkeit auf die bis dahin vernachlässigte Unterscheidung zwischen ereigniskonstitutiven Eigenschaften und Eigenschaften von Ereignissen und auf das Verhältnis zwischen Ereignissen und Ereignissätzen. Dieses Verhältnis ist Gegenstand des zehnten Kapitels über die Semantik Davidsons, in dem auch weitere sprachphilosophische Grundlagen für die Argumentation der folgenden Kapitel gelegt werden. Davidson selbst betont immer wieder die metaphysischen Konsequenzen seiner Semantik; im elften Kapitel wird diese Method of Truth in Metaphysics in erster Linie dazu verwendet, die Plausibilität des Goldman-Arguments auf eine Verwechslung von Kausalaussagen mit Kausalerklärungen zurückzuführen. Das zwölfte Kapitel stützt

Einleitung

XIII

diese Diagnose durch die Skizze einer generellen Analyse von Kausalerklärungen und vollendet damit die endgültige Abkehr vom feinkörnigen Ereignisverständnis. Daraus folgt nicht notwendigerweise ein Scheitern des Kim-Vorschlags, Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen anzusehen. Doch die Schwierigkeit, ereigniskonstitutive Eigenschaften zu bestimmen, die Fruchtlosigkeit des Vorschlags zur Lösung des Problems der kausalen Anhängsel und des Materialismus-Problems sowie die bereits im fünften Kapitel genannten Einwände führen am Ende des dreizehnten Kapitels zu dem Entschluß, den Vorschlag Kims ganz aufzugeben. Damit ist die Frage nach der Individuationsbedingung für Ereignisse wieder offen. Im vierzehnten Kapitel wird aus den Vorschlägen Quines und anderer Autoren die in meinen Augen richtige Antwort entwickelt: Ereignisse sind vierdimensionale, raum-zeitlich individuierte Entitäten.

Was sind Ereignisse? - Die Individuationsbedingung allein gibt darauf nur eine knappe Antwort. Aber ich bin zuversichtlich, daß sie zusammen mit der Diskussion der Alternativ-Vorschläge, der kausalen Rolle der Ereignisse und der Semantik der Ereignissätze eine stabile Basis für die Rückkehr zu den handlungstheoretischen Problemen bietet, aus denen die Untersuchung hervorgegangen ist.

Kapitel 1 Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

So einfach die Titelfrage dieses Kapitels klingt, so unklar ist beim näheren Hinsehen, welche Antwort man darauf geben könnte. Was sind Ereignisse? - Die Zerstörung Pompejis, der deutsche Sieg über die ungarische Fußballnationalmannschaft 1954 in Bern, die Geburt unseres Sohnes Daniel, das sind Ereignisse. Eine Aufzählung exemplarischer Ereignisse ist sicher zu wenig als Antwort auf die Ausgangsfrage, jeder Mensch kann auf der Stelle beliebig viele Ereignisse nennen. Ereignisse sind vertraute Bestandteile des Inventars der Welt. Die philosophische Frage, was Ereignisse sind, soll dieses Vertraute nicht noch vertrauter machen; ihr geht es um das, was dieser Vielzahl und Vielfalt von Ereignissen gemeinsam ist. Was zeichnet alle Ereignisse aus und unterscheidet sie z.B. von materiellen Gegenständen, Zahlen, Personen etc.? Dieses Erkenntnisinteresse könnte anachronistisch und naiv anmuten, als Riickfall hinter die Philosophiekritik Ludwig Wittgensteins. Wittgenstein zitiert in den Philosophischen Untersuchungen Augustine Frage, was Zeit sei, und dessen anschließenden Seufzer, wenn niemand ihn frage, was Zeit ist, wisse er es, frage ihn jemand, wisse er es nicht mehr (§ 89). Für Wittgenstein ist dieses paradoxe Gefühl Augustins das Symptom einer "Verwirrung", also etwas, das es zu kurieren gilt, nicht zu beantworten. Und das gleiche gilt, so Wittgenstein, für viele andere philosophische Was-Fragen: Was ist ein Satz? Was sind Schmerzen? Was ist Wissen? - und es liegt nahe zu ergänzen: Was sind Ereignisse? Anstatt sich vergeblich den Kopf darüber zu zerbrechen, was Zeit ist, was ein Satz ist, was Schmerzen, Wissen oder eben auch Ereignisse sind, sollte man sich die vielfältige Verwendung der magischen Wörter "Zeit", "Satz", "Schmerzen", "Wissen", "Ereignis" vor Augen führen, dann werde man von selbst aufhören, nach dem Einen zu suchen, das allen Anwendungen gemein ist. Ich werde keinen Versuch unternehmen, direkt gegen Wittgenstein zu argumentieren. Mein Ziel ist es auszuloten, wie weit man als Philosoph allen Warnungen zum Trotz kommen kann bei der Frage, was Ereignisse sind.

2

Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

(Insofern setze ich mich auch ohne Gegenwehr dem Spott aus, den in der Fallirne Wittgensteins Peter Hacker für die Ereignis-Diskussion übrig hat. 1 ) In einer anderen Hinsicht ist das Unterfangen jedenfalls nicht anachronistisch. Die Debatte, deren Argumente und Positionen ich diskutiere, wird heute geführt. Es gibt eine ganze Reihe von Theoretikern, die auch nach Wittgenstein den Optimismus teilen, daß Philosophen etwas darüber sagen können, was Ereignisse sind. Gemeinsam ist ihnen aber nicht nur dieser Optimismus, es verbindet sie auch eine Vorstellung davon, wie die philosophische Antwort in etwa auszusehen habe: Man weiß zumindest sehr viel besser, was Ereignisse sind, wenn man die Individuationsbedingungen für Ereignisse kennt. Die beiden Fragen, was Individuationsbedingungen sind und warum sie weiterhelfen, wenn man wissen will, was Ereignisse sind, werden das Thema dieses ersten Kapitels sein. Leider gibt es in der Literatur gerade zu der zweiten Frage nur wenige Überlegungen, die meisten Autoren setzen den Zusammenhang einfach voraus. Ich werde versuchen, diese Voraussetzung durch zwei in meinen Augen sehr viel stärkere Prämissen zu rechtfertigen - Quines No entity without identity und Leibniz' Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren. Meine Argumentation ist in vielerlei Hinsicht spekulativ; sollte sie sich letztlich als unhaltbar erweisen, dann hat das für den weiteren Text so lange keine Auswirkungen, wie man trotzdem akzeptiert, daß der Königsweg zur Beantwortung der Ausgangsfrage die Suche nach Individuationsbedingungen für Ereignisse ist.

*

Eine Frage, die für Wittgenstein vermutlich ebenso behandlungsbedürftig wäre wie die Titelfrage, lautet: Gibt es überhaupt Ereignisse? - Gewöhnlich sagt man von materiellen Gegenständen oder Personen, daß es sie gibt, nicht aber von Ereignissen. Den Vesuv gibt es, sein Ausbruch dagegen, der Pompeji in Schutt und Asche gelegt hat, fand statt, passierte, ereignete sich eben. 2 Die alltägliche Verwendung der Wörter "geben" und "existieren" paßt nicht recht zu Ereignissen, es scheint keinen Sinn zu machen, von Ereignissen zu sagen, es gäbe sie. Aber wenn die Frage, ob es Ereignisse gibt, sinnlos ist, wie kann man dann fragen, was Ereignisse sind? Setzt die Frage, was etwas ist, nicht voraus, daß es dieses Etwas gibt? Man wird keine Antwort auf die Frage erwarten, was ErdVgl. Hacker, Events, Ontology, and Grammar. Vgl. zu diesem Argument Hacker, Events and Objects in Space and Time, S. 3.

Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

3

strahlen sind, wenn man nicht glaubt, daß es Erdstrahlen gibt. Und dasselbe gilt auch für Ereignisse. Das Problem besteht also darin, der Behauptung, es gebe Ereignisse, trotz aller sprachlichen Skrupel einen Sinn zu verleihen, der dazu paßt, daß man von dem und nur von dem, was es gibt, fragen kann, was es denn ist. Weiter unten im zehnten Kapitel über Davidsons Semantik wird dieses Problem aufgegriffen und eine Lösung angeboten. Hier genügt es, eine auch für sich gesehen äußerst einleuchtende Konsequenz dieser Lösung zu nennen: Bei allem, was es gibt - was existiert, was eine Entität ist -, hat es einen Sinn zu fragen, ob es mit etwas ebenfalls Existierendem identisch ist. Entitäten müssen Gegenstand von Identitätsurteilen sein können. Bestreitet man, daß sich Identitätsurteile über eine bestimmte Sorte von Entitäten fällen lassen, so bestreitet man, daß es solche Entitäten gibt. Willard V.O. Quines berühmtes Diktum hierzu lautet: No entity without identity? In diesem Sinn kann man fragen, ob es Ereignisse gibt, unabhängig von der ungewohnten sprachlichen Form dieser Frage. Und es ist offenkundig, daß die Antwort positiv ausfällt. Es gibt eine ganze Reihe alltäglicher Identitätsbehauptungen über Ereignisse: Das Gewitter war das Ende des Picknicks, Hitlers Selbstmord die Ursache zahlreicher Untersuchungen etc. Auch wenn Ereignisse nicht so häufig Gegenstand von Identitätsbehauptungen sind wie die materiellen Gegenstände, zeichnet die prinzipielle Möglichkeit und das gelegentliche Vorkommen solcher Urteile die Ereignisse vor manchem anderen aus, bei dem es einem viel leichter von der Zunge geht zu sagen, es existiere, z.B. meinem Vaterglück, dem Tasten-Anschlag Alfred Brendels oder der Höhe des Kölner Doms. In diesem Sinne also gibt es zweifellos Ereignisse. *

Bislang ist noch wenig gewonnen für die Frage, was Ereignisse sind. Interessanter wird es, wenn man nun weiter fragt, wann zwei Ereignisse identisch sind. 4 Darauf gibt es eine sehr allgemeine Antwort, die von Leibniz stammt und die u.a.

On the Individuation of Attributes, S. 102. Vgl. auch seine Verwendung dieses Kriteriums in On What There Is, S. 4. Die Frage lädt möglicherweise zu Mißveretändnissen ein. Es ist damit selbstverständlich nicht gemeint: "Wann sind zwei verschiedene Ereignisse identisch?" - die Antwort wäre trivialerweise, nie. Es ist auch nicht gemeint: "Wann gleichen sich zwei verschiedene Ereignisse?", wenn das mit der Verschiedenheit der Ereignisse vereinbar ist.

4

Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

auch von Quine übernommen worden ist 5 : Eine Entität ist dann mit einer anderen identisch, wenn jede Eigenschaft, die der einen zukommt, auch der anderen zukommt und vice versa. Dies ist die These der Identität des Ununterscheidbaren. Ich habe oben bereits erwähnt, daß ich diese These für plausibel halte. Ich werde ihre Wahrheit nicht in Frage stellen, sondern sie als Prämisse verwenden, um die Wahrheit der mir am stärksten einleuchtenden Rechtfertigung zu belegen. Der Ausgangspunkt meiner Überlegung ist also die Frage, weshalb ununterscheidbare Entitäten identisch sind. Es gibt darauf zwei mögliche Antworten, eine, die den Grund in der Identitätsbeziehung, und eine, die ihn in den Eigenschaften sucht. Am deutlichsten zeigt sich der Unterschied zwischen diesen beiden Antworten in unterschiedlichen Reaktionen auf einen hypothetischen Opponenten, der behauptet, zwei verschiedene Entitäten, z.B. zwei materielle Gegenstände, könnten sehr wohl in allen Eigenschaften übereinstimmen, ohne identisch zu sein. Wer der Auffassung ist, Identität heiße nichts anderes, sei nichts anderes als UnUnterscheidbarkeit, wird bestreiten, daß die Annahme zweier ununterscheidbarer materieller Gegenstände sinnvoll ist. Er wird den Opponenten vermutlich auffordern zu erläutern, was er damit meine, daß es sich um zwei verschiedene Gegenstände handle, wo sie doch ganz und gar ununterscheidbar seien. Dies ist die in meinen Augen schwächere Rechtfertigung der These, zumindest hängt ihre Stärke davon ab, inwieweit sich der Opponent auf eine solche Erläuterung eines nicht technischen Ausdrucks wie "Identität" oder "Verschiedenheit" überhaupt einlassen muß. Die andere Argumentation zur Verteidigung der Identität des Ununterscheidbaren umgeht diese dialektischen Probleme. Ihr zufolge ist die Annahme, zwei nicht-identische materielle Gegenstände teilten alle Eigenschaften, zwar nicht sinnlos, aber notwendigerweise falsch. Es gibt eine bestimmte Eigenschaft, die sie nicht teilen können, ohne identisch zu sein: ihre Position in Raum und Zeit. Materielle Gegenstände können in allem möglichen übereinstimmen - sie können dieselbe Farbe, dasselbe Alter und denselben Besitzer haben -, das spielt für ihre Verschiedenheit keine Rolle; nur in einer Eigenschaft können verschiedene materielle Gegenstände nicht übereinstimmen, dem raumzeitlichen Ort. Die

Identity, Ostension, and Hypostasis, S. 71, und Word and Object, S. 230.

Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

5

Identität des Ununterscheidbaren folgt für materielle Gegenstände aus der Identität des in seinem Ort Ununterscheidbaren.6 Nicht nur materielle Gegenstände besitzen eine solche Eigenschaft, auch alle anderen Entitäten haben ihre spezifischen Eigenschaften, in denen sie nicht ununterscheidbar sein können, ohne identisch zu sein. Ein Beispiel sind die Mengen. Wenn es Mengen gibt, dann sind sie genau dann identisch, wenn sie in allen Elementen übereinstimmen - ganz unabhängig von ihren sonstigen Eigenschaften. In bezug auf Mengen gilt also die Identität des Ununterscheidbaren, weil die Identität des in seinen Elementen Ununterscheidbaren gilt.7 Die Beispiele der materiellen Gegenstände und Mengen zeigen nicht nur, daß zumindest für weite Teile dessen, was es gibt, die Identität des Ununterscheidbaren daraus folgt, daß eine bestimmte Eigenschaft die Identität gewährleistet, sie zeigen auch, daß diese bestimmte Eigenschaft jeweils für eine Sorte von Entitäten gleich ist. Alle Mengen sind identisch, wenn sie in den Elementen übereinstimmen, alle materiellen Gegenstände, wenn sie sich zur selben Zeit an demselben Ort befinden - es ist diesen Entitäten wesentlich, daß die speziellen Formen der Ununterscheidbarkeit hinreichend für die Identität sind. Das ist das Bild, das sich ergibt, wenn man diese Strategie zur Rechtfertigung der These von der Identität des Ununterscheidbaren verfolgt: Die Entitäten zerfallen in verschiedene Sorten oder Kategorien, die jeweils eine ihnen spezifische, wesentliche Eigenschaft teilen, in der zwei voneinander verschiedene Entitäten dieser Kategorie nicht übereinstimmen können. Diese kategoriespezifischen Eigenschaften garantieren die Identität des Ununterscheidbaren. Das Übereinstimmen in diesen, einer Kategorie wesentlichen Eigenschaften, ist die Individuationsbedingung für die unter die Kategorie fallenden Entitäten. Die betreffenden Eigenschaften individuieren diese Entitäten. Akzeptiert man dieses Bild, dann liegt es nahe, nach der Individuationsbedingung zu suchen, wenn man wissen will, was Entitäten einer bestimmten Kategorie sind. Kennt man die Individuationsbedingung, dann kennt man Leibniz selbst wäre nicht bereit gewesen, diese Verteidigung des Prinzips der Identität des Ununterscheidbaren gelten zu lassen. Er Schloß raumzeitliche Eigenschaften ausdrücklich als denkbare Unterscheidungsmerkmale aus. Doch mit dieser Einschränkung verliert das Prinzip viel von seiner Plausibilität. (Vgl. David Wiggins, Sameness and Substance, S. 56.) In der Mengenlehre wird gelegentlich zwischen Mengen und Klassen unterschieden. Mengen sind dann diejenigen Klassen, die ihrerseits Elemente anderer Klassen sein können. Das unterscheidet sie von den sogenannten 'echten' oder 'eigentlichen' Klassen, die keine Elemente anderer Klassen sein können. Mein Gebrauch von "Menge" entspricht dem der "Klassen" in dieser Terminologie.

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Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

wesentliche Eigenschaften dieser Entitäten. Das illustrieren die beiden schon genannten Beispiele für Individuationsbedingungen, die der materiellen Gegenstände durch ihren raumzeitlichen Ort und der Mengen durch ihre Elemente.8 Diese Beispiele zeigen zum einen, inwiefern eine philosophische Auskunft darüber, was so vertraute Entitäten wie materielle Gegenstände und Mengen sind, möglich ist. Zum anderen demonstriert das Mengen-Beispiel, daß diese Antwort auch die Beziehung zwischen den betreffenden Entitäten und anderen Entitäten offenbaren kann. Denn streng genommen bietet die Individuationsbedingung für Mengen keine den Mengen wesentlichen Eigenschaften, sondern ihnen wesentliche Bedehungen, und zwar Beziehungen zu Entitäten anderer Kategorien (z.B. materieller Gegenstände). Der Unterschied zwischen Entitäten, denen eine Eigenschaft, und solchen, denen eine Beziehung zu anderen Entitäten wesentlich ist, erlaubt es, erstere als unabhängige, letztere als abhängige Entitäten zu bezeichnen.9 Doch auch für abhängige Entitäten gilt, daß die Individuationsbedingungen eine Antwort auf die Frage bieten, was diese Entitäten sind. Man weiß, was Mengen sind, wenn man weiß, daß sie durch ihre Elemente individuiert werden, weil die Element-Beziehung sie in den Rahmen der anderen Entitäten einbindet, ihnen sozusagen einen Platz im Inventar der Welt zuweist. Wenn man also die Individuationsbedingungen für Ereignisse kennt, kennt man wesentliche Eigenschaften der Ereignisse und weiß damit, was Ereignisse sind. Das erklärt, weshalb alle in den folgenden Kapiteln betrachteten Autoren in der Suche nach Individuationsbedingungen für Ereignisse übereinstimmen. Um dieses Erkenntnisinteresse wirklich befriedigen zu können, müssen Individuationsbedingungen allerdings mehr leisten, als hinreichende Bedingungen für die Identität von Ereignissen anzugeben. Individuationsbedingungen sind Weníí/aísbedingungen für eine Sorte von Entitäten, aber nicht alle Identitätsbedingungen bieten Individuationsbedingungen, denn nicht alle nennen wesentliche Eigenschaften dieser Entitäten.10 Unmittelbar deutlich ist das, wenn Identitätsbedingungen für Entitäten mehrerer verschiedener Kategorien gelten. Das beste Beispiel dafür ist die These der Identität des Ununterscheidbaren selbst. Obwohl für alle Entitäten gilt, daß 8

9

Gerade bei Mengen ist es wichtig, dies als Antwort auf die Frage, was Mengen sind, zu akzeptieren. Nur so vermeidet man das Dilemma, entweder unter Mengen so etwas wie Haufen oder Aggregate von Dingen zu verstehen, oder gar keine Antwort zu erhalten. (Vgl. den ersten Absatz der Einleitung von Quines Mengenlehre und ihre Logik) Die Unterscheidung abhängiger von unabhängigen Entitäten findet sich bei Peter Strawson, Individuals, S. 168 ff. Im weiteren Verlauf dieses Buches wird unter "Identitätsbedingung" stets eine hinreichende Bedingung der Identität verstanden.

Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

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sie identisch sind, wenn sie in allen Eigenschaften übereinstimmen, ist dieses Übereinstimmen in allen Eigenschaften keine Individuationsbedingung, die Gesamtheit der Eigenschaften individuiert keine Entität. (Ein anderes Beispiel kommt im nächsten Kapitel zur Sprache.) Die Forderung, daß Individuationsbedingungen Identitätsbedingungen nur für eine bestimmte Kategorie von Entitäten bieten, ist die Spezifitätsforderung für Individuationsbedingungen. Die Spezifitätsforderung ist notwendig aber nicht hinreichend; nicht alle kategoriespezifischen Identitätsbedingungen bieten Individuationsbedingungen. Individuationsbedingungen sollen eine informative Antwort auf die Frage erlauben, was Entitäten einer bestimmten Kategorie sind. Dieses Interesse an einer Antwort auf die Frage, was Ereignisse sind, ist letztlich der einzige Prüfstein für die Individuation von Ereignissen - zumindest der einzige, den ich zu bieten habe. Identitätsbedingungen für Ereignisse gibt es viele. Einige scheiden als Individuationsbedingungen aus, weil sie auch Bedingungen für die Identität anderer Entitäten nennen, aber es bleiben immer noch eine ganze Reihe von Alternativen. Welche dieser Alternativen Individuationsbedingungen für Ereignisse liefern, hängt dann letztlich davon ab, wieviel sie darüber besagen, was Ereignisse sind. Die Diskussion des ersten Vorschlags für die Ereignis-Individuation im nächsten Kapitel illustriert die Anwendung und die Grenzen dieses Kriteriums. Doch von diesem Vorschlag abgesehen, ist es nicht so sehr die Frage, ob die vorgeschlagenen Identitätsbedingungen informativ genug sind, die in der weiteren Debatte den Ausschlag gibt, sondern die Frage, ob es sich überhaupt um zutreffende Identitätsbedingungen handelt. *

Thema dieses ersten Kapitels war die Frage, inwiefern man als Philosoph etwas darüber sagen kann, was Ereignisse sind. Die Antwort beruhte zum einen auf der Feststellung, daß man nur dann etwas darüber sagen kann, was Ereignisse sind, wenn es in irgendeinem Sinn Ereignisse gibt, und daß eine notwendige Bedingung dafür, daß es Ereignisse in diesem Sinn gibt - daß sie Entitäten sind -, die Möglichkeit von Identitätsurteilen über Ereignisse ist. Zum anderen beruhte die Antwort auf der Behauptung, daß es für jede Kategorie von Entitäten Individuationsbedingungen gibt, die wesentliche Eigenschaften der betreffenden Entitäten nennen und so gewährleisten, daß für den Bereich dieser Kategorie die These der

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Was sind Ereignisse? - Existenz und Individuation

Identität des Ununterscheidbaren gültig ist. Beide Voraussetzungen legen es zumindest nahe, der Frage, was Ereignisse sind, dadurch nachzugehen, daß man die Individuationsbedingungen für Ereignisse sucht, und dies ist in erster Linie eine philosophische Aufgabe. Es heißt zum einen, daß man wahre Identitätsbedingungen suchen muß. Dieser Suche ist der bei weitem größte Teil der Ereignis-Diskussion sowohl in der Literatur als auch in diesem Buch gewidmet. Aber auch wenn man wahre Identitätsbedingungen gefunden hat, fragt es sich, ob sie tauglich sind, d.h. ob es sich um Individuationsbedingungen handelt. Im vorhergegangenen Abschnitt sind notwendige Bedingungen dafür genannt worden, daß Identitätsbedingungen Individuationsbedingungen sind. Letztlich hinreichend ist aber nur die Bedingung, daß man wirklich etwas darüber erfährt, was Ereignisse sind. Dies ist das zentrale Thema des zweiten Kapitels mit dem ersten Vorschlag für die Individuation von Ereignissen.

Kapitel 2 Die kausale Ereignis-Individuation

Der erste Vorschlag für die Individuation von Ereignissen stammt von Donald Davidson. In seinem Aufsatz The Individuation of Events diskutiert Davidson eine Reihe alternativer Vorschläge und kommt dann letztlich zu folgendem Ergebnis: Zwei Ereignisse sind identisch, wenn sie dieselbe kausale Rolle einnehmen, d.h. in allen Ursachen und Wirkungen übereinstimmen. Diese Identitätsbtämgung, so Davidson, ist die gesuchte Individuationsbedingung für Ereignisse - Ereignisse werden durch ihre kausale Rolle individuiert. 1 Wie sich im ersten Kapitel gezeigt hat, gibt es zwei Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man einen Vorschlag für die Ereignis-Individuation bewerten will. Zum einen muß der Vorschlag eine wahre Identitätsbedingung nennen, zum anderen muß diese Identitätsbedingung eine Individuationsbedingung sein, d.h. sie muß eine Antwort auf die Frage geben, was Ereignisse sind. Für Davidsons Vorschlag heißt das: Es muß stimmen, daß Ereignisse identisch sind, wenn sie in allen Ursachen und Wirkungen übereinstimmen, und diese Identitätsbedingung muß Aufschluß darüber geben, was Ereignisse sind. Davidsons Vorschlag ist in beiderlei Hinsicht auf Widerspruch gestoßen, doch das Gros der Kritiker wandte sich nicht gegen die Wahrheit der Identitätsbedingung, sondern gegen ihre Tauglichkeit als Individuationsbedingung. Dies ist das Thema der ersten beiden Abschnitte.

*

The Individuation of Events, S. 179. Davidson formuliert seinen Vorschlag als Äquivalenz-Beziehung: Ereignisse seien dann und nur dami identisch, wenn sie in der kausalen Rolle übereinstimmen. Doch daß die Ereignis-Identität ein Übereinstimmen in der kausalen Rolle impliziert, ist für die Frage der Individuation uninteressant, es ist nicht mehr als eine Konsequenz des Prinzips der Ununteischeidbarkeit des Identischen. Unter Identitätsbedingungen werden, wie im eisten Kapitel gesagt, in dieser Untersuchung stets hinreichende Bedingungen der Identität verstanden.

10

Die kausale Ereignis-Individuation

Individuationsbedingungen für Ereignisse sollen Aufschluß darüber geben, was Ereignisse sind. Was erfährt man über Ereignisse, wenn man hört, daß sie durch ihre kausale Rolle individuiert werden? Man bekommt keine explizite Antwort der Form "Ereignisse sind dieses oder jenes", aber eine solche Antwort bekommt man auch nicht für Mengen, und trotzdem weiß man etwas darüber, was Mengen sind, wenn man weiß, daß sie durch ihre Elemente individuiert werden. Dasselbe gilt für die materiellen Gegenstände: sie sind durch ihren Ort in Raum und Zeit individuiert - und das ist die Antwort auf die Frage, was materielle Gegenstände sind. Wenn Davidsons Vorschlag also ähnlich aufschlußreich für die Ereignisse ist wie die genannten Individuationsbedingungen für Mengen bzw. materielle Gegenstände, dann ist an seiner prinzipiellen Tauglichkeit als Individuationsbedingung nichts auszusetzen, und es stellt sich nur noch die Frage, ob die ihm zugrunde liegende Identitätsbedingung wahr ist, d.h. ob wirklich alle in der kausalen Rolle übereinstimmenden Ereignisse identisch sind. Aber es gibt einige Unterschiede zwischen Davidsons Vorschlag und den Individuationsbedingungen für Mengen und materielle Gegenstände, die Zweifel an seiner Tauglichkeit wecken. Auf einen solchen Unterschied hat Davidson selbst hingewiesen. Im unmittelbaren Anschluß an seinen Vorschlag schreibt er: This criterion may seem to have an air of circularity about it, but if there is circularity it certainly is not formal.2 Der von Davidson verspürte Hauch von Zirkularität hat eine ganze Reihe von Kritikern veranlaßt, Davidsons Vorschlag abzulehnen. Um ihrer Kritik gerecht zu werden, gilt es, zwei Fragen zu unterscheiden: Erstens die Frage, ob und in welchem Sinn Davidsons Vorschlag zirkulär ist; und zweitens die Frage, inwiefern aus der Zirkularität des Vorschlags seine Untauglichkeit folgen würde. Im Zusammenhang mit dieser zweiten Frage spielen dann auch die Individuationsbedingungen für Mengen und materielle Gegenstände eine Rolle. Eine Form der Zirkularität, die einen Vorschlag für die Ereignis-Individuation offenkundig inadäquat macht, spricht Davidson selbst an, die formale Zirkularität. Unter "formaler Zirkularität" versteht er, daß in den Identitätsbedingungen explizit von der Ereignis-Identität die Rede ist. Solche Identitätsbedingungen liefern sicher keinen Beitrag zum Verständnis der Ereignisse, sie sind keine Individuationsbedingungen. Aber Davidson hat recht, daß sein Vorschlag in diesem formalen Sinn nicht zirkulär ist. Es fragt sich nur, ob sein Vorschlag

The Individuation of Events, S. 179.

Die kausale Ereignis-Individuation

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gleichwohl nicht-formal zirkulär ist, und inwiefern das schon ausreicht, ihn zu diskreditieren. Diese Auffassung haben Mitte der siebziger Jahre George Sher, J.E. Tyles, N.L. Wilson und einige Jahre später Quine vertreten. Sie alle halten den von Davidson ausgeräumten Vorwurf formaler Zirkularität nicht für den interessanten Zirkularitätseinwand. Bösartig sei ein Zirkel anderer Art. In der von Davidson vorgeschlagenen Identitätsbedingung werde über Ereignisse quantifiziert, und das sei für die Individuationsbedingung der Ereignisse nicht akzeptabel. Ereignisse sind Davidsons Vorschlag zufolge identisch, wenn sie in allen Ursachen und Wirkungen übereinstimmen. In einem der formalen Logik angenäherten Vokabular kann man diese Bedingung so reformulieren: Ereignisse sind identisch, wenn für jede Entität gilt, daß sie entweder eine Ursache beider Ereignisse oder eine Wirkung beider Ereignisse oder weder eine Ursache noch eine Wirkung beider Ereignisse ist. Diese Formulierung macht deutlicher als die ursprüngliche, daß sich in der von Davidson vorgeschlagenen Identitätsbedingung ein Quantor (genauer: ein AJlquantor) befindet, der sich auf alle Entitäten überhaupt und damit eben auch auf alle Ereignisse bezieht. In diesem Sinn ist Davidsons Vorschlag also zirkulär; die nächste Frage ist nun, welche Konsequenzen das für die Bewertung des Vorschlags hat, d.h. ob eine in diesem Sinn zirkuläre Identitätsbedingung gleichwohl eine Individuationsbedingung sein kann. Die Vertreter des Zirkularitäts-Einwands haben eine Reihe von Gründen genannt oder zumindest angedeutet, die dagegen sprechen sollen. So halten Tiles und Quine die Zirkularität des Vorschlags deshalb für fatal, weil die Quantifikation über Ereignisse bereits voraussetze, daß es Ereignisse gibt, und damit auch, daß es Individuationsbedingungen für Ereignisse gibt.3 Doch diese Kritik trifft Davidson nicht. Es stimmt zwar, daß Davidsons Vorschlag voraussetzt, daß es Individuationsbedingungen für Ereignisse gibt, aber das setzt Davidson ohnehin voraus, wenn er sogar beansprucht, die Individuationsbedingungen zu nennen. Der Einwand wäre berechtigt, wenn Davidson seinen Vorschlag für die Ereignis-Individuation als Argument für die Existenz von Ereignissen einsetzen würde. Doch das tut er nicht, seine Gründe für die Existenz von Ereignissen sind unabhängig von der kausalen Ereignisindividuation; in The Individuation of Events gelangt Davidson zuerst zu der Überzeu-

Tiles, Davidson's Criterion of Event Identity, S. 186; Quine, Events and Reification, S. 166-67 (vgl. zu einer parallelen Argumentation Quines auch On the Individuation of Attributes, S. 101-102).

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gung, daß es Ereignisse gibt, bevor er sich unter dieser Prämisse aufmacht, nach Individuationsbedingungen zu suchen. 4 Bei Quine findet sich ein Zusatzargument, das seine Kritik stützen soll. Er illustriert die Kritik mit einem anderen Vorschlag für die Ereignis-Individuation, von dem er meint, daß er wie Davidsons Vorschlag eine wahre Identitätsbedingung nenne, gleichwohl aber offenkundig untauglich sei. Wenn sich die Untauglichkeit dieses PseudoVorschlags auf seine Zirkularität zurückführen läßt, dann kann auch Davidsons Vorschlag keine Individuationsbedingungen bieten. Quines Pseudo-Vorschlag lautet: Ereignisse X und Y sind identisch, wenn jede Menge, zu deren Elementen X gehört, auch Y als Element hat, und vice versa - d.h. wenn es keine Menge gibt, zu der nur eines der beiden Ereignisse gehört. Diese Behauptung ist sicher wahr, und ebenso sicher bietet sie keine Individuationsbedingung für Ereignisse. Warum aber bietet der Vorschlag keine Individuationsbedingung? Quine führt dies, wie gesagt, auf seine Zirkularität zurück: In der Identitätsbedingung wird über Mengen quantifiert, d.h. es wird vorausgesetzt, daß es Mengen gibt, und damit, daß es Individuationsbedingungen für Mengen gibt. Mengen aber werden über die Gleichheit ihrer Elemente individuiert, zu diesen Elementen zählen auch die Ereignisse, also setzt man voraus, daß es Ereignisse gibt und daß diese Ereignisse Individuationsbedingungen haben. Die Individuation der Ereignisse auf dem Weg über die Mengen, deren Elemente sie sind, setzt demnach bereits voraus, daß Ereignisse individuiert sind, und das macht seinen Pseudo-Vorschlag in Quines Augen zirkulär und mithin untauglich. Wie läßt sich aber diese Untauglichkeit erklären, wenn sich, wie gegen Tiles und Quine behauptet, aus der Zirkularität eines Vorschlags noch keine Rückschlüsse auf seine Tauglichkeit ziehen lassen? Es muß dann einen anderen Grund dafür geben, daß Quines Pseudo-Vorschlag keine Individuationsbedingung für Ereignisse bietet. Dieser Grund findet sich im Geltungsbereich der Identitätsbedingung: Für alle Entitäten gilt, daß sie identisch sind, wenn sie in allen Element-Beziehungen übereinstimmen; das heißt, die im ersten Kapitel genannte Spezifitätsforderung an Individuationsbedingungen wird verletzt. Quines Pseudo-Vorschlag nennt keine auf Ereignisse beschränkte Identitätsbedingung, folglich nennt er keine den Ereignissen wesentliche Eigenschaft und also keine Individuationsbedingung. Diese Erklärung der offenkundigen Untauglichkeit von Quines Pseudo-Vorschlag darf sich nicht auf Davidsons Vorschlag übertragen lassen, sonst ist dieser gleichfalls untauglich, und zwar ganz unabhängig vom Zirkularitätsvorwurf. Ob sie sich übertragen läßt, hängt letztlich davon ab, was man unter Ereignissen versteht. Davidson selbst glaubt, daß Ereignisse die einzigen Relata der Kausalitätsbeziehung sind, d.h. daß nur Ereignisse Ursachen oder Wirkungen haben können. Bei diesem Ereignis-Verständnis erfüllt sein Vorschlag die Spezifitätsforderung: Alle Nicht-Ereignisse haben dann dieselben Ursachen und Wirkungen (nämlich gar keine), unabhängig davon, ob sie identisch sind oder nicht, die Identitätsbedingung ist für alle Nicht-Ereignisse trivialerweise falsch. Für jemanden dagegen, der (wie z.B. Tiles in dem oben erwähnten Aufsatz) dieses Ereignis- bzw. Kausalitäts-Verständnis nicht teilt, sondern glaubt, daß auch andere Entitäten, z.B. Personen, Ursachen oder Wirkungen sein können, ist es zumindest fraglich, ob Davidsons Vorschlag die Spezifitätsforderung erfüllt.'

Die Gründe werden unten im zehnten Kapitel über die Semantik der Ereignis-Sätze diskutiert. Es hängt dann davon ab, inwieweit das Übereinstimmen in Ursache und Wirkung auch für die Nicht-Ereignisse eine hinreichende Identitätsbedingung wäre, ob man also auch aus der kausalen Rolle z.B. von Personen auf deren Identität schließen darf.

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Die Überlegungen zu Quines Illustration seines Zirkularitäts-Einwands haben nicht nur gezeigt, daß auch Quines Pseudo-Vorschlag diesen Einwand nicht zu rehabilitieren vermag, sie haben zudem deutlich gemacht, inwiefern Davidsons Vorschlag tatsächlich etwas darüber sagt, was Ereignisse sind: Ereignisse sind Kausalrelata, und zwar die einzigen Kausalrelata. Diese Beschränkung der Kausalbeziehung auf Ereignisse spielt bei der nächsten Begründung des Zirkularitätseinwands eine wichtige Rolle, einer Begründung, die sich zumindest in Andeutungen bei Wilson findet.*· Der entscheidende Unterschied zwischen Individuations- und bloßen Identitätsbedingungen für Ereignisse besteht, wie gesagt, darin, daß Individuationsbedingungen eine informative Antwort auf die Frage erlauben, was Ereignisse sind; und sie erlauben diese Antwort, weil die Eigenschaft, die die Ereignisse individuiert, eine wesentliche Eigenschaft der Ereignisse ist. Welches aber ist Davidsons Vorschlag zufolge die wesentliche Eigenschaft, die die Ereignisse individuiert? Die einzig mögliche Antwort lautet: die kausale Rolle - was so viel heißt wie: die Gesamtheit aller Ursache- und Wirkungsbeziehungen eines Ereignisses. Aber das ist streng genommen keine Antwort, es sei denn, man möchte die Gesamtheit aller Kausalbeziehungen wirklich als "Eigenschaft" bezeichnen. Viel näher liegt es zuzugestehen, daß die von Davidson vorgeschlagene Identitätsbedingung keine Eigenschaft nennt, die die Identität garantiert, sondern nur Bedehungen zu anderen Enti täten. Das allein disqualifiziert den Vorschlag noch nicht. Auch Mengen werden, wie im ersten Kapitel erwähnt, nicht durch eine Eigenschaft individuiert, diese oder jene Elemente zu haben, sondern durch ihre Beziehungen zu diesen Elementen. Weil Mengen durch ihre Beziehung zu anderen Entitäten individuiert werden, sind sie abhängige Entitäten, im Unterschied zu den durch (echte) Eigenschaften individuierten unabhängigen Entitäten, z.B. den materiellen Gegenständen. Die Individuationsbedingungen für Mengen bieten damit zwar keine den Mengen wesentliche Eigenschaft, aber sie bieten eine wesentliche Beziehung zu Entitäten mit einer wesentlichen Eigenschaft. Man erfährt, was Mengen sind, weil man erfahrt, wie sie mit den Entitäten zusammenhängen, von denen man weiß oder wissen kann, welche wesentlichen Eigenschaften sie haben.

Wilson, Facts, Events and Their identity Conditions, S. 303-304. Auch einige Bemerkungen Quines deuten in Richtung dieser Überlegung.

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Die kausale Ereignis-Individuation D i e s aber unterscheidet

die kausal

individuierten

Ereignisse von

den

Mengen. Ereignisse werden Davidson zufolge zwar ebenfalls durch ihre Beziehung zu anderen Entitäten individuiert, aber nicht zu Entitäten anderer Kategorien. Die die Identität der Ereignisse gewährleistende Kausalbeziehung ist eine Beziehung ausschließlich zwischen Ereignissen, und bietet damit weder eine wesentliche Eigenschaft (denn sie ist eine Beziehung, keine Eigenschaft), noch eine Anbindung der Ereignisse an Entitäten anderer Kategorien. Ereignisse sind der kausalen Individuation zufolge keine unabhängigen und auch keine von anderen Entitäten abhängigen, sondern sozusagen von sich selbst abhängige Entitäten. U n d das heißt nichts anderes als: Davidsons Vorschlag schweigt sich darüber aus, ob Ereignisse abhängige oder unabhängige Entitäten sind. Damit aber sagt er in einer ganz entscheidenden Hinsicht weniger darüber, was Ereignisse sind, als die Mengen-Individuation über Mengen und die Individuation materieller Gegenstände über materielle Gegenstände. 7 Wilson stützt seinen Zirkularitäts-Vorwurf wie Quine mit einem Pseudo-Vorschlag, allerdings nicht für die Ereignis-Individuation, sondern für die Individuation von Mengen. Wilson schlägt vor, Mengen nicht über die Identität ihrer Elemente zu individuieren, sondern über die Identität ihrer Teilmengen: Zwei Mengen sind identisch, wenn sie in allen Teilmengen übereinstimmen. Wie Quines Pseudo-Vorschlag ist Wilsons zwar wahr, aber als Vorschlag für Individuationsbedingungen nicht akzeptabel. Und wie Quine behauptet Wilson, daß sein Pseudo-Vorschlag aus denselben Gründen untauglich ist wie Davidsons. Doch in bezug auf diesen Pseudo-Vorschlag ist die Behauptung wesentlich plausibler als bei Quine. Die Untauglichkeit von Wilsons Vorschlag jäßt sich nicht wie die des Quine-Vorschlags durch die fohlende Spezifität erklären; das Übereinstimmen in den Teilmengen gewährleistet wirklich nur die Identität von Mengen, für andere Entitäten wäre der Vorschlag falsch. Dagegen kann man die Untauglichkeit sehr gut so erklären, wie Wilson die vermeintliche Untauglichkeit des Davidson-Vorschlags erklärt: Die Identitätsbedingung des Pseudo-Vorschlags nennt keine die Mengen individuierende Eigenschaft und auch keine sie mit Entitäten anderer Kategorien verbindende Beziehung, sondern eine Bezie-

Brian McLaughlin nennt eine mögliche Replik auf diesen Einwand: Er bezweifelt, daß die Forderung, daß Individuationsbedingungen wesentliche Eigenschaften nennen, überhaupt erfüllbar ist, so daß es letztlich nur zum einen Individuationsbedingungen gibt, die Beziehungen zu Entitäten anderer Kategorien nennen, und zum anderen Individuationsbedingungen, die Beziehungen zu Entitäten der eigenen Kategorie nennen. Das gilt, so McLaughlin, vor allem auch für die dieser Behauptung scheinbar widersprechende Individuation materieller Gegenstände; auch die Eigenschaft, einen bestimmten Ort in Raum und Zeit einzunehmen, hält McLaughlin für versteckt relational. Die Zirkularität der kausalen Ereignis-Individuation offenbart also nur, daß Ereignisse ebenso wie die materiellen Gegenstände unabhängige Entitäten sind. (The Semantics of Action, Event, and Singular Causal Sentences, S. 160-61.) Diese Verteidigung der kausalen Individuation wäre Davidson vermutlich sympatisch. Und auf jeden Fall wäre sie geeignet, ihn gegen die Kritik Wilsons in Schutz zu nehmen. Dem steht entgegen, daß es zumindest intuitiv unplausibel ist anzunehmen, daß es keine den Entitäten wesentlichen Eigenschaften, sondern nur ihnen wesentliche Beziehungen gibt.

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hung zu anderen Mengen, den Teilmengen; deshalb erfahrt man so wenig darüber, was Mengen sind, und deshalb ist der Pseudo-Vorschlag untauglich. Wilsons Zirkularitäts-Vorwurf gegen Davidsons Vorschlag wiegt wesentlich schwerer als der von Tiles und Quine. Er liefert zwar keinen Beweis, wohl aber einen wichtigen Beleg für die Untauglichkeit des Vorschlags. Das gilt auch, wenngleich indirekt, für die dritte und letzte Begründung des Zirkularitätsvorwurfs. Ereignisse sind Davidsons Vorschlag zufolge identisch, wenn sie dieselben Ursachen und Wirkungen haben. Das läßt sich auch so ausdrücken: Sie sind identisch, wenn jede Ursache des einen mit einer Ursache des anderen und jede Wirkung des einen mit einer Wirkung des anderen identisch ist. Und da die Ursachen und Wirkungen wiederum Ereignisse sind, sind sie identisch, wenn wiederum ihre Ursachen und Wirkungen identisch sind, ad infinitum. Diese Überlegung hat George Sher dazu bewogen, Davidsons Vorschlag für zirkulär und damit untauglich zu halten. 8 An der Richtigkeit der Überlegung selbst gibt es im Rahmen von Davidsons Vorschlag keinen Zweifel. Die entscheidende Frage ist, ähnlich wie bei der Kritik von Tiles und Quine, inwiefern diese richtige Überlegung einen Einwand gegen Davidson darstellt. Zumindest auf den ersten Blick scheint die Möglichkeit, bis in alle Unendlichkeit auf das Übereinstimmen von Ereignissen in allen Ursachen und Wirkungen schließen zu dürfen, ganz harmlos zu sein. Generell erweisen sich solche ins Unendliche fortsetzbaren Reihen erst dann als bösartig, wenn man sich aus irgendwelchen Gründen gezwungen sieht, sie auch wirklich bis an das Ende fortzusetzen - und damit natürlich scheitert. Trotzdem hat Shers Einwand einen zutreffenden Kern: Davidsons Vorschlag bietet kein Identifikations-Kriterium für Ereignisse. 9 Eine Entität mit einer anderen zu identifizieren heißt, ihre Identität festzustellen. Die Kriterien auf denen diese Identifikation beruht, können mehr oder minder zuverlässig sein, am sichersten ist natürlich ein Schluß aus universell gültigen Identitätsbedingungen. Insofern sind Identitätsbedingungen, und damit auch Individuationsbedingungen, potentiell ideale Identifikations-Kriterien. Ob es ein Kriterium aber tatsächlich erlaubt, eine Identität festzustellen, hängt neben der Zuverlässigkeit des Kriteriums von der epistemischen Situation der Urteilenden ab: Er oder sie muß wissen, daß die Entitäten das Kriterium erfüllen. So ist z.B. nach der Individua-

Sher, On Event-Identity, S. 41-42. Zur Unterscheidung zwischen Individuation und Identifikation vgl. Myles Brand, Intending and Acting, S. 59-60.

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tionsbedingung für materielle Gegenstände ein Auto A mit einem Auto Β genau dann identisch, wenn beide zur selben Zeit den gleichen Raum einnehmen, doch diese Identitätsbedingung ist nutzlos, wenn man wissen will, ob der heute in Paris gefundene Ferrari mit dem gestern in Frankfurt gestohlenen identisch ist. Man weiß eben nicht, wo sich der gestern gestohlene Ferrari heute befindet, bzw. wo sich der heute gefundene gestern befand, und wird deshalb gezwungen sein, auf weniger verläßliche Kriterien zurückzugreifen, deren Erfülltsein sich dafür unmittelbar nachprüfen läßt. Identitätsbedingungen sind also nicht in jedem Fall als IdentifikationsKriterien geeignet, und es ist leicht einzusehen, daß es für alle Identitätsfragen gültige Identifikations-Kriterien auch gar nicht geben könnte. 10 Andererseits gibt es Identitätsbedingungen, die nie als Identifikations-Kriterium dienen können, weil man nur dann wissen kann, daß sie erfüllt sind, wenn man bereits weiß, daß die betreffenden Entitäten identisch sind, und kraft der UnUnterscheidbarkeit des Identischen (dem unproblematischen Gegenstück zum Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren) auf das Erfülltsein der Bedingung schließen kann. Das beste Beispiel für eine solche Identitätsbedingung ist das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren selbst. Wenn man wissen möchte, ob Entitäten X und Y identisch sind, dann ist es in keinem Fall hilfreich zu wissen, daß sie identisch sind, wenn sie alle Eigenschaften teilen. Denn der einzige Weg herauszufinden, daß sie alle Eigenschaften teilen, besteht darin, zuvor herauszufinden, daß sie identisch sind. Der Grund dafür liegt in der endlosen Vielfalt von Eigenschaften, die jede Entität hat. Das verhindert, daß man von X und Y einzeln und unabhängig voneinander herausfinden kann, welche Eigenschaften sie haben, um diese Eigenschaften anschließend zu vergleichen. Wenn man überhaupt erfahrt, daß sie alle Eigenschaften teilen, dann ohne zu wissen, um welche Eigenschaften es sich dabei handelt. Man kann es nur mit Hilfe des Prinzips der Ununterscheidbarkeit des Identischen erschließen, und das heißt unter der Voraussetzung, daß man weiß, daß X und Y identisch sind. Dies führt zurück zur kausalen Ereignis-Individuation und zu Shers Kritik. Ist die von Davidson vorgeschlagene Identitätsbedingung für Ereignisse ein Identifikations-Kriterium? Sher bezweifelt dies. Wenn man in einem konkreten Fall entscheiden müsse, so Sher, ob zwei Ereignisse identisch seien oder nicht, dann

Ein universell gültiges Identifikations-Kriterium für alle Identitäts-Urteile würde es zugleich erlauben, die Wahrheit bzw. Falschheit jeder Aussage zu ermitteln; und die Suche nach einem Kriterium, das dies leistet, ist sicher vergebens. (Vgl. dazu Davidson, The Individuation of Events, S. 172.)

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müsse man Davidson zufolge die Identität ihrer Ursachen und Wirkungen prüfen, und um diese zu prüfen, müsse man wiederum die Identität von deren Ursachen und Wirkungen prüfen usw. - das aber sei eine unerfüllbare Forderung. In bezug auf die Unerfüllbarkeit der Forderung hat Sher sicher recht, doch vor allem ist es eine Forderung, die jemand, der die kausale Individuation für ein im Prinzip brauchbares Identifikations-Kriterium hält, gar nicht erheben muß. Wenn man sich der Identität zweier Ereignisse vergewissern will, indem man sich der Identität ihrer Ursachen und Wirkungen vergewissert, dann ist man noch lange nicht genötigt, sich als Kriterium für deren Identifikation abermals der von Davidson vorgeschlagenen Individuationsbedingung zu bedienen. Shers Einwand wäre nur dann berechtigt, wenn Davidson behaupten würde, sein Vorschlag böte das einzige Identifikations-Kriterium für Ereignisse überhaupt, doch das behauptet Davidson natürlich nicht. 11 Trotzdem hat Sher meines Erachtens recht, daß Davidsons Vorschlag kein Identifikations-Kriterium für Ereignisse bietet, er hat nur unrecht, wenn er die nicht-formale Zirkularität, d.h. die Quantifikation über Ereignisse in der Identitätsbedingung, dafür verantwortlich macht. Daß einem die Gleichheit der kausalen Rolle in keiner konkreten Identitäts-Frage weiterhilft, liegt nicht daran, daß man in einen endlosen Regress von immer neuen Identitäts-Fragen gerät, sondern daran, daß man von vornherein endlos viele Ursachen und Wirkungen überprüfen muß. Ohne bereits zu wissen, daß zwei Ereignisse identisch sind, kann man zwar viele Ursachen und Wirkungen dieser Ereignisse bestimmen, aber nicht alle, unendlich vielen. Man kann also zu der Feststellung, die beiden Ereignisse teilten wirklich alle Ursachen und Wirkungen, nicht durch den Vergleich ihrer Ursachen und Wirkungen kommen, sondern nur durch den Schluß aus ihrer Identität. Und das macht das Übereinstimmen in der kausalen Rolle als Identifikations-Kriterium untauglich. Die kausale Ereignis-Individuation bietet aus denselben Gründen kein Identifikations-Kriterium wie das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren. Die Diskussion der Tauglichkeit von Davidsons Vorschlag für die EreignisIndividuation ging von der Frage aus, ob die von Davidson genannte Identitätsbedingung genauso viel darüber sagt, was Ereignisse sind, wie die Individuationsbedingungen für Mengen über Mengen und die für materielle Gegenstände über materielle Gegenstände. Eine Differenz ergab sich aus Wilsons Kritik: Man erfährt nicht, ob Ereignisse abhängige oder unabhängige Entitäten sind. Eine

The Individuation of Events, S. 179.

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weitere Differenz findet sich nun im Verhältnis zwischen Individuation und Identifikation: Man kann von zwei materiellen Gegenständen wissen, an welchem raumzeitlichen Ort sich jeder von ihnen befindet, und insofern wissen, daß sie sich an demselben Ort befinden, ohne dies aus ihrer Identität zu schließen. Und man kann von zwei Mengen wissen, welche Elemente jede von ihnen hat, und also wissen, daß sie dieselben Elemente haben, ebenfalls ohne es aus ihrer Identität zu erschließen. Sowohl die Individuationsbedingungen für materielle Gegenstände als auch für Mengen können also im Unterschied zur kausalen Individuation Identifikations-Kriterien sein. Das wirft die Frage auf, ob man aus dieser Differenz den Schluß ziehen sollte, daß nur manche Individuationsbedingungen auch als Identifikations-Kriterien in Frage kommen, oder den Schluß, daß Davidsons Vorschlag für eine Individuationsbedingung untauglich ist. Müssen Individuationsbedingungen potentielle Identifikations-Kriterien sein? Ich kenne kein wirklich schlagendes Argument dafür, daß sie es müssen, es schiene mir allerdings seltsam, wenn man ausgerechnet diejenigen Identitätsbedingungen, die Auskunft darüber geben, was Ereignisse sind, in gar keinem Fall dafür heranziehen können sollte, eine konkrete Identitäts-Frage zu beantworten. Neben dieser Intuition gibt es eine Überlegung, die zeigt, wie wichtig es gerade im Rahmen von Davidsons Theorie wäre, wenn die kausale EreignisIndividuation ein Identifikations-Kriterium wäre, und folglich, wie eingeschränkt gerade in Davidsons Augen die Antwort sein muß, die sein Vorschlag auf die Frage gibt, was Ereignisse sind. Diese Überlegung findet sich wegen ihrer über Davidsons Vorschlag hinausreichenden Bedeutung für die Ereignis-Diskussion am Anfang des folgenden Kapitels.

Die Diskussion des Davidson-Vorschlags widmete sich bislang der Frage, ob eine kausale Ereignis-Individuation wirklich eine Antwort auf die Frage gibt, was Ereignisse sind. Als Maß für die Diskussion galt dabei der Vergleich mit zwei paradigmatisch tauglichen Individuationsbedingungen, der Mengen-Individuation und der Individuation materieller Gegenstände. Dahinter stand der Gedanke, daß man zum einen von einem brauchbaren Vorschlag für die Ereignis-Individuation nicht mehr erwarten dürfe als von diesen beiden Vorbildern, daß es zum anderen aber auf jeden Fall ein Indiz gegen die Tauglichkeit eines Vorschlags sei, wenn er weniger über die Ereignisse sagt als die Mengen-Individuation über Mengen bzw. die Individuation der materiellen Gegenstände über materielle Gegenstände. In zweierlei Hinsicht erweist sich

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Davidsons Vorschlag bei diesem Vergleich tatsächlich als weniger ergiebig. Weder läßt er erkennen, ob Ereignisse abhängige oder unabhängige Entitäten sind, noch bietet er ein potentielles Identifikations-Kriterium für Ereignisse. Beide Unterschiede sprechen gegen Davidsons Vorschlag. Diese Überlegungen zur prinzipiellen Tauglichkeit des Davidson-Vorschlags machen verständlich, weshalb viele Autoren ihm eher skeptisch gegenüberstehen. Keines der genannten Argumente ist schlagend, in dem Sinn, daß es ausschließt, daß Ereignisse kausal zu individuieren sind. Aber insgesamt wecken sie so viele Zweifel an der Tauglichkeit dieses Vorschlags, daß es sehr verwunderlich wäre, wenn sich kein besserer finden ließe. Im verbleibenden Teil dieses Kapitels wird es nicht mehr so sehr um die Frage gehen, ob der Vorschlag tauglich oder untauglich ist, sondern darum, ob die vorgeschlagene Identitätsbedingung überhaupt wahr ist. Während die wenigsten Kritiker bereit sind, Davidson in dem Anspruch zu folgen, daß das Übereinstimmen in der kausalen Rolle eine Individuationsbedingung für Ereignisse ist, so sind sie doch fast alle davon überzeugt, daß es zumindest eine Identitätsbedingung ist. Doch auch das erweist sich letztlich als ein problematisches Zugeständnis.

*

Es gibt zwei Einwände gegen die Wahrheit der Behauptung Davidsons, Ereignisse, die in allen Ursachen und Wirkungen übereinstimmen, seien identisch. Das erste Argument beschreitet eine Art Mittelweg zwischen Zweifeln an der Tauglichkeit und Zweifeln an der Wahrheit von Davidsons Vorschlag. Es stammt von Myles Brand 1 2 und lautet: Wenn die Behauptung richtig wäre, dann gäbe es maximal ein kausal ineffidentes Ereignis, d.h. maximal ein Ereignis, das weder Ursachen noch Wirkungen hat. Brands Beobachtung ist nicht zu bestreiten. Die Annahme, es gäbe zwei verschiedene kausal ineffiziente Ereignisse widerspricht der kausalen Individuation, denn beide Ereignisse hätten dieselben Ursachen und Wirkungen (nämlich gar keine). 13 Einen Mittelweg beschreitet Brands Einwand, weil Brand nicht behaupten möchte, daß es tatsächlich mehrere kausal ineffiziente Ereignisse gibt. Particulars, Events, and Actions, S. 137, Intending and Acting, S. 69. Es würde Davidsons Vorschlag gegen diese Kritik immunisieren, wenn man ihn auf kausal effiziente Ereignisse einschränkte, aber damit würde er jeden Anspruch aufgeben, Individuationsbedingungen für alle Ereignisse und somit überhaupt Individuationsbedingungen zu nennen.

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Was er bezweifelt, ist zum einen, daß es Aufgabe der Individuationsbedingung ist, die Frage zu beantworten, ob es solche Ereignisse gibt. Insofern richten sich seine Bedenken wie die Einwände im letzten Abschnitt gegen die Tauglichkeit von Davidsons Vorschlag - allerdings nicht, weil der Vorschlag zu wenig, sondern weil er seiner Meinung nach zu viel über Ereignisse sagt. Zum anderen bezweifelt Brand, daß es unmöglich sei, daß es mehrere kausal ineffiziente Ereignisse gibt. Wenn aber die von Davidson vorgeschlagene Individuationsbedingung die Frage beantwortet, was Ereignisse sind, d.h. wenn den Ereignissen ihre kausale Rolle wesentlich ist, dann gibt es nicht nur keine verschiedenen kausal ineffizienten Ereignisse, dann kann es keine geben. Beide Teile der Kritik Brands laufen letztlich darauf hinaus, daß seiner Ansicht nach die kausale Rolle von Ereignissen als eine wesentliche Eigenschaft (oder Beziehung) der Ereignisse nicht in Frage kommt - d.h. Brand weist nur auf Konsequenzen des Vorschlags hin und zeigt sich skeptisch, ob diese Konsequenzen plausibel sind, ohne aber ein Argument dagegen ins Feld zu führen. Nur so ist verständlich, weshalb er bestreitet, daß Individuationsbedingungen etwas über die Existenz kausal ineffizienter Ereignisse sagen sollten - denn, wenn die kausale Ereignis-Individuation korrekt ist, dann muß es selbstverständlich ausgeschlossen sein, daß es verschiedene Ereignisse ohne Ursachen und Wirkungen gibt. Zu sagen, daß dies nicht Thema der Ereignis-Individuation ist, heißt nicht mehr, als zu sagen, daß die kausale Rolle keine brauchbare Individuationsbedingung abgibt. Ähnlich ist seine Ansicht, daß es kausal ineffiziente Ereignisse - ob es sie nun gibt oder nicht - geben könnte, kein Argument gegen Davidsons Vorschlag, sondern einfach dessen Negation.

Anders wäre es, wenn Brand die Ansicht vertreten hätte, es gäbe tatsächlich mehr als ein Ereignis, das weder eine Ursache, noch eine Wirkung hat. Dies wäre eine direkte Widerlegung der von Davidson vertretenen Identitäts- und damit auch Individuationsbedingung. Doch weder Brand, noch meines Wissens irgend ein anderer Autor hat auf diese Weise gegen Davidson argumentiert, was vielleicht ein Indiz dafür ist, daß Davidson recht damit hat, daß es keine kausal ineffizienten Ereignisse gibt. 14

In seinem Buch Intending and Acting berichtet Brand, daß Davidson im persönlichen Gespräch bestätigt habe, daß es seines Erachtens keine kausal ineffizienten Ereignisse gibt (dort S. 69). Die Position, daß es genau ein kausal ineffizientes Ereignis gibt, vertritt Judith Jarvis Thomson. Dieses von ihr so genannte "Super-Ereignis" ist ein komplexes Ereignis, bestehend aus allen Ereignissen überhaupt. Wenn es ein solches Ereignis gibt, dann hat Thomson sicher recht, daß es kausal ineffizient ist, und es ist zudem verständlich, weshalb es nur ein solches Ereignis gibt (vgl. Thomson, Acts and Other Events, S. 84 ff).

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Aber auch wenn es mehr als ein kausal ineffizientes Ereignis geben sollte, so würde dieser Widerlegung der kausalen Individuation etwas Künstliches, Sophistisches anhaften. Die eigentliche Herausforderung des Davidson-Vorschlags liegt in der Frage, ob es stimmt, daß gewöhnliche, kausal verknüpfte Ereignisse identisch sind, wenn sie in ihrer kausalen Rolle übereinstimmen. Und dem würden, wie gesagt, die meisten Kritiker zustimmen.15 Das einzige mir bekannte wirklich ausgeführte Gegenbeispiel stammt von Judith Jarvis Thomson. 16 Thomson betrachtet zwei komplexe Ereignisse, also Ereignisse, die sich aus einer Reihe von Teilereignissen zusammensetzen. Das eine dieser komplexen Ereignisse heißt A, das andere Alpha. A besteht unter anderem aus den Teilereignissen a 1 ... a n , die alle aufeinander folgende Glieder einer Kausalkette sind. Thomsons Illustration für ein solches A ist das Ereignis, daß sie Staub saugt; das erste Ereignis ist das Drücken des Startknopfes des Staubsaugers, die nächsten Ereignisse sind das sich Schließen des Stromkreises, das Starten des Motors, das Entstehen eines Luftstroms etc. Die genannten Ereignisse bilden eine Kausalkette, jedes ist die Wirkung des vorherigen und die Ursache des folgenden, und alle zusammen sind Teile des Staubsaugens. Das andere Ereignis, Alpha, unterscheidet sich von A nur darin, daß irgendein Zwischenglied a k der Kausalkette zwar zu A, nicht aber zu Alpha gehört. Ein Ereignis, das sich vom Staubsaugen nur darin unterscheidet, daß das sich Schließen des Stromkreises nicht zu dem Ereignis gehört, wäre etwa ein solches Alpha. Die Frage ist nun, in welchem Verhältnis die beiden Ereignisse A und Alpha stehen. (Vgl. dazu auch Graphik 1.) Eine Antwort ist unproblematisch: Alpha ist ein Teil von A, denn Alpha ist so charakterisiert, daß A alle Teile von Alpha umfaßt. Ebenso klar ist, daß A und Alpha nicht identisch sind (Alpha also ein echtes Teilereignis von A ist), denn zu A gehört a k , zu Alpha nicht. (Zum Staubsaugen gehört das sich Schließen des Stromkreises, zum Alpha des Saugens nicht.) Das Verblüffende an diesen beiden Ereignissen aber ist, so Thomson, daß sie gleichwohl in allen Ursachen und Wirkungen übereinstimmen. Wenn das stimmt, wenn A und Alpha trotz ihrer Verschiedenheit dieselbe kausale Rolle einnehmen, dann ist Davidsons Vorschlag für die Ereignis-Individuation widerlegt. Und die folgenden Überlegungen zeigen tatsächlich, daß sich die auf den ersten Blick alles andere als einAusnahmen sind Alvin Goldman, The Individuation of Action, S. 765, Ted Honderich, Causes and If ρ, even if x, still q, S. 291, und auch Brand, Particulars, Events, and Actions, S. 137-38. Acts and Other Events, S. 69 ff.

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Graphik 1

Ereignis Alpha Graphische Darstellung der Ereignisse A und Alpha. Das Ereignis A umfaßt die ganze dargestellte Fläche (grau und schraffiert) mit allen kausal verbundenen Ereignissen αγ Alpha hingegen ist die graue Fläche ohne den schraffierten Teil, die Kausalkette ohne ak. Daß in der Graphik nur die Elemente der Kausalkette genannt sind, soll nicht ausschließen, daß zu A (und damit auch Alpha) noch weitere Ereignisse gehören.

leuchtende Behauptung Thomsons letztlich als richtig erweist: A und Alpha teilen alle Ursachen und Wirkungen. Daß sie die meisten Ursachen teilen, ist offenkundig. Der einzige Kandidat für einen Unterschied in den Ursachen ist a k . Das Ereignis a k ist sicher keine Ursache von A, denn es ist ein Teil von A, und Teile verursachen niemals das Ganze, zu dem sie gehören.1' Verursacht a k Alpha? Dagegen spricht die Transitivität der Kausalität. Nach der Voraussetzung verursacht aj a k . Würde a k darüber hinaus Alpha verursachen, dann würde a 1 kraft der Transitivität ebenfalls eine Ursache für Alpha sein. Ereignis a i ist aber ein Teil von Alpha - folglich wäre ein Teil von Alpha eine Ursache Alphas, und das ist, wie eben gesagt, nicht möglich. Also ist a k keine Ursache von Alpha. In bezug auf ihre Ursachen stimmen A und Alpha demnach überein, wie steht es mit den Wirkungen? Daß die beiden Ereignisse die meisten Wirkungen teilen, ist ebenfalls unmittelbar klar. Das Staubsaugen und das Alpha des Saugens verursachen beide das Glänzen des Teppichs, die Komplimente der Gäste, die Schmerzen im Kreuz usw - in diesen Wirkungen stimmen die beiden Ereignisse überein. Ein naheliegender Kandidat für eine unterschiedliche Wirkung ist dagegen (wiederum) a k . Verursacht A a k ? Nein, denn a k ist ein Teil von A und so, wie ein Teil nicht das Ganze verursachen kann, dessen Teil es Acts and Other Events, S. 63.

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ist, so kann auch das Ganze keines seiner Teile verursachen.1® Verursacht Alpha ak? Dafür spricht, daß a k von ai verursacht wird und a 1 ein Teil von Alpha ist, denn in den allermeisten Fällen gilt, daß ein Ereignis dasjenige verursacht, was eines seiner Teile verursacht. Doch das gilt eben nur in den meisten Fällen, es gilt dann nicht, wenn diese Wirkung selbst eines der Teile des umfassenderen Ereignisses ist. Wenn Alpha a^ verursachte, dann würde es auch verursachen, was a k verursacht (kraft der Transitivität der Kausalität), und folglich würde es z.B. a n verursachen und mithin einen Teil seiner selbst. Die Annahme, daß ein Ganzes keines seiner Teile verursache, widerspricht deshalb der Vermutung, a k sei eine Wirkung von Alpha. Weder A noch Alpha verursachen ek. Wenn A und Alpha in bezug auf a k keine unterschiedliche kausale Rolle spielen, so folgt daraus noch nicht unmittelbar, daß sie sich generell darin nicht unterscheiden. Interessant sind vor allem die Ereignisse, die durch a k verursacht werden. Einige dieser Ereignisse sind Teile von A, werden von A also ebensowenig verursacht wie a k selbst. Und wenn sie Teile von A und von a k verschieden sind, dann sind sie auch Teile von Alpha, werden also auch von Alpha nicht verursacht - A und Alpha stimmen in Bezug auf diese Ereignisse in der kausalen Rolle überein. Nicht so unmittelbar einsichtig ist dies bei den Ereignissen, die durch a k verursacht werden, die aber kein Teil von A bzw. Alpha sind. Wenn a k ein Ereignis b verursacht und b vollkommen von A verschieden ist, dann ist auch A eine Ursache von b, denn a k ist ein Teil von A, und A verursacht alles, was seine Teile verursachen, solange es sich bei den Wirkungen nicht abermals um Teile von A handelt. (Wenn das sich Schließen des Stromkreises ein kurzes Knacken im Radio erzeugt, dann ist das Staubsaugen eine Ursache dieses Knackens.) Ist auch Alpha eine Ursache von b? Es ist nicht auf den ersten Blick zu sehen, weshalb. Das Ereignis a k , das b verursacht, ist selbst keine Wirkung von Alpha (und Alpha damit kraft Transitivität eine Ursache von b). Und a k ist, anders als bei A, auch kein Teil von Alpha (und Alpha deshalb eine Ursache von b). Trotzdem hat Thomson recht: Alpha ist eine Ursache von b. Denn Alpha selbst ist zwar keine Ursache von a k , aber zu Alpha gehört eine Ursache von a k , nämlich aj. Und a¡ ist kraft der Transitivität der Kausalität auch eine Ursache von b. Weil a j aber eine Ursache von b ist und a 1 ein Teil von Alpha und b kein Teil von Alpha, ist Alpha auch eine Ursache von b. Die beiden zweifellos verschiedenen Ereignisse A und Alpha haben also die gleichen Ursachen und Wirkungen. Damit, so Thomson, ist die kausale EreignisIndividuation widerlegt. Die Argumentation Thomsons fußt auf mehreren Voraussetzungen, die aber meines Erachtens keinen Angriffspunkt für eine Verteidigung der kausalen Individuation bieten. Erstens beruft sich Thomson auf die Transitivität der Kausalität. Daß Kausalbeziehungen transitiv sind, hält sie für beim näheren Hin-

Diese Behauptung ist nicht ganz so einleuchtend wie ihr Pendant. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich zu sagen, der Zweite Weltkrieg habe den Tod eines Soldaten verursacht, auch wenn dessen Tod Teil des Ereignisses war. Auf der anderen Seite klingt es viel befremdlicher, z.B. den Überfall Hitlere auf Frankreich als Wirkung des Zweiten Weltkriegs zu bezeichnen. Vermutlich läßt sich für alle Beispiele, in denen ein Ereignis vermeintlich einen Teil seiner selbst verursacht, zeigen, daß das betreffenden Ereignis so umfangreich und die Wirkung vergleichsweise so klein ist, daß es einem leicht fällt, sie aus dem Verbund des großen Ereignisses zu nehmen und ihm entgegenzustellen. Aber das sind nur Spekulationen - Thomson hält die Behauptung für selbstverständlich (op.cit. S. 63).

24

Die kausale Ereignis-Individuation

sehen so plausibel, daß es keiner Begründung bedürfe. 19 Für ebenso evident hält sie die zweite Voraussetzung, daß weder ein Teil eines Ereignisses dieses ganze Ereignis, noch das ganze Ereignis eines seiner Teile verursacht.20 Die dritte Voraussetzung betrifft das Verhältnis zwischen den Kausalbeziehungen dieses Ganzen und den Kausalbeziehungen seiner Teile: Ein Ereignis X verursacht alles, was seine Teile verursachen - mit Ausnahme anderer Teile von X und mit Ausnahme solcher Ereignisse, die ihrerseits andere Teile von X verursachen.21 Diese dritte Voraussetzung ist das Gegenstück zur schlichteren Feststellung Thomsons (die in dem Argument gegen Davidson allerdings keine Rolle spielt), daß ein Ereignis von allem verursacht wird, was Ursache eines seiner Teile ist. Die für das Argument wichtige Einschränkung in der dritten Voraussetzung, daß Teile und Ursachen der Teile keine Wirkung des Gesamtereignisses sind, macht die dritte Voraussetzung konsistent mit den ersten beiden, und mit dieser Modifikation, so Thomson, sei auch diese Voraussetzung unmittelbar einleuchtend. Die vierte Voraussetzung Thomsons betrifft das Ereignis, in dem sich A und Alpha unterscheiden (also a^). Thomson muß nicht nur voraussetzen, daß a k als Ganzes einen Teil von Alpha verursacht (z.B. a k+1 ), sondern auch, daß zudem jedes Teilereignis von a k eine Wirkung in Alpha hat. 22 Ohne diese Prämisse ist das Argument nicht schlüssig, denn ein solches Teilereignis von a k wäre möglicherweise eine Wirkung von Alpha, auf keinen Fall aber eine Wirkung von A; Alpha und A würden sich in ihrer kausalen Rolle unterscheiden und ihre NichtIdentität spräche nicht länger gegen Davidsons Vorschlag für die Ereignisindividuation.23 - Diese Prämisse schränkt den Kreis der Beispiele für die Illustration des Thomson-Einwands stark ein, aber ich glaube nicht, daß es sich zeigen läßt, daß sie prinzipiell unerfüllbar ist, oder auch nur, daß Thomsons Staubsaugerbeispiel sie nicht erfüllt. Die fünfte und vielleicht problematischste Voraussetzung Thomsons ist die Behauptung, A und Alpha seien beides Ereignisse. Das Staubsauger-Beispiel macht skeptisch: Fraglos ist es ein Ereignis, wenn jemand Staub saugt; und auch das Drücken des Startknopfes, das sich Schließen des Stromkreises, das 19 20 21

22 23

Acts and Other Events, S. 61-62. Acts and Other Events, S. 63; vgl. auch oben die Fußnote zu dem Thema. Acts and Other Events, S. 63-66. Thomson erwähnt diese Prämisse explizit auf S. 70 von Acts and Other Events. Ein Teilereignis a ^ von a k würde genau dann zu unterschiedlichen kausalen Rollen von A und Alpha führen, wenn es eine Wirkung eines Teilereignisses von Alpha wäre, ohne seinerseits einen Teil von Alpha zu verursachen. Denn dann wäre auch Alpha eine Ursache von a^, aber weil a ^ ein Teil von a k und folglich auch ein Teil von A ist, wäre es keine Wirkung von A.

Die kausale Ereignis-Individuation

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Anspringen des Motors etc. sind Ereignisse; aber gibt es wirklich ein Ereignis, das aus all diesen Ereignissen besteht, mit Ausnahme des sich Schließens des Stromkreises? Es sieht so aus, als ließe sich an dieser relativ schwachen Prämisse Thomsons Argument gegen Davidson aushebeln. Doch für zumindest einen Teil dieser Schwäche ist die Illustration verantwortlich, nicht das Argument. Die folgende Überlegung versucht deshalb, das schiefe Bild, das das Staubsaugerbeispiel von Alpha zeichnet, gerade zu rücken. Thomson selbst trägt maßgeblich zu der Skepsis gegenüber ihrer fünften Voraussetzung bei, wenn sie Ereignisse wie Alpha "incomplete events" nennt und Alpha so einführt, daß es sich von A im Fehlen eines Bestandteils unterscheidet. Doch der Anschein, es gehe um die Unvollständigkeit von Ereignissen, verschwindet, wenn man das Verhältnis von A und Alpha neutral so beschreibt, daß A ein Ereignis mehr umfaßt als Alpha, und zwar ein Ereignis, das sowohl eine Ursache als auch eine Wirkung in Teilen von Alpha (und damit Teilen von A) hat. Ob Alpha ein Ereignis zu wenig hat oder A eines zu viel, bleibt offen. Das illustriert das folgende Beispiel, in dem das Alpha ein ganz gewöhnliches Ereignis ist, und man allenfalls dem A diesen ontologischen Status absprechen könnte. In einem wichtigen Fußballspiel verschießt der Mittelstürmer einen Elfmeter, dies veranlaßt den Trainer, ihm ein paar unfreundliche Worte zuzurufen, was wiederum den Stürmer so anstachelt, daß er ein Tor schießt. Das Fußballspiel ist ein Ereignis, auch das Schimpfen des Trainers ist ein Ereignis, und zwar ein Ereignis, das sowohl von einem Teil des Spiels verursacht wurde - dem Elfmeter -, als auch selbst einen Teil des Spiel verursacht - den Torschuß -, ohne aber selbst zum Fußballspiel zu gehören. Damit entspricht das Verhältnis zwischen Schimpfen und Fußballspiel dem zwischen a k und Alpha, und das Fußballspiel plus das Schimpfen des Trainers ist das A. 24 Das Fußballspiel und das Fußballspiel einschließlich Trainerschimpfen haben also Thomson zufolge dieselben Ursachen und Wirkungen, sind aus der Sicht der kausalen Individuation ein und dasselbe Ereignis.

Dagegen ließe sich einwenden, daß vermutlich die vierte Prämisse nicht erfüllt ist, daß das Schimpfen also auch solche Ereignisse umfaßt, die zwar durch den verschossenen Strafstoß verursacht wurden, aber dann keinen weiteren Einfluß auf das Spielgeschehen hatten. Das zeigt einmal mehr, wie exotisch Thomsons Gegenbeispiele sein müssen und wie wenig sie an der generellen Richtigkeit der von Davidson vorgeschlagenen Identitätsbedingung ändern.

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Die kausale Ereignis-Individuation

Diese Illustration macht deutlich, daß die Zweifel daran, ob es sich tatsächlich sowohl bei A als auch bei Alpha um Ereignisse handelt, nicht auf Zweifel an Alpha reduzierbar bzw. auf seine "Unvollständigkeit" zurückzuführen sind wenn etwas in dem Fußball-Beispiel möglicherweise kein Ereignis ist, dann nicht das Spiel, sondern das Spiel plus Trainerzuruf. Es ist damit noch nicht gezeigt, daß nicht stets höchstens eines der beiden, entweder A oder Alpha, ein Ereignis ist, und ich kenne auch kein Beispiel, in dem beide zweifelsfrei Ereignisse sind. Auf der anderen Seite kenne ich keinen Grund, der gegen die Existenz eines solchen Beispiels spricht, oder der es ausschließen würde, in einem Fußballspiel einschließlich spielentscheidendem Zuruf ein Ereignis zu sehen. *

Der erste Vorschlag für die Ereignis-Individuation, die kausale Individuation, hat sich im Verlauf der Diskussion in diesem Kapitel als wenig erfolgversprechend herausgestellt, denn es gibt sowohl berechtigte Zweifel daran, daß das Übereinstimmen in der kausalen Rolle Ereignisse überhaupt individuieren könnte, als auch ein Argument, das zeigen soll, daß Ereignisse sehr wohl in allen Ursachen und Wirkungen übereinstimmen können, ohne identisch zu sein. Daß dieser Vorschlag als Lösung des Problems der Ereignis-Individuation nicht haltbar ist, macht ihn aber für die weiteren Überlegungen, was Ereignisse sind, noch lange nicht irrelevant. Wenn es überhaupt Ereignisse gibt, die verschieden sind, obwohl sie in ihrer kausalen Rolle übereinstimmen, dann solche sonderbaren Paare wie Thomsons A's und Alphas. Der Tatsache, daß die von Davidson genannte Identitätsbedingung mindestens so gut wie korrekt ist, muß auch jede andere Ereignis-Konzeption Rechnung tragen. Das macht es wenig verwunderlich, daß auch im nächsten Kapitel wieder von der kausalen Rolle von Ereignissen die Rede ist.

Kapitel 3 Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

Die Diskussion des zweiten Kapitels hat gezeigt, daß es eine Reihe von Gründen gibt, sich Davidsons Vorschlag für die Ereignis-Individuation nicht anzuschließen. Einer dieser Gründe ist die Untauglichkeit der kausalen Individuation als Identifikations-Kriterium. Das ist, wie oben schon gesagt, kein besonders starker Einwand gegen einen Vorschlag für Individuationsbedingungen; es ist nicht klar, ob Individuationsbedingungen wirklich Identifikations-Kriterien bieten müssen, auch wenn das Beispiel der Individuationsbedingungen für Mengen und materielle Gegenstände dafür spricht. Wie angekündigt gibt es aber darüber hinaus eine Überlegung, die nahelegt, daß gerade Davidson darauf bestehen sollte, daß Individuationsbedingungen zur Identifikation von Ereignissen herangezogen werden können. Diese Überlegung beschränkt sich nicht auf Davidsons Vorschlag, sie hat erheblich weiter reichende Auswirkungen für alle möglichen Individuationsbedingungen.

Viele Identitäts-Fragen lassen sich beantworten, wenn man besser über die Umstände der zur Debatte stehenden Ereignisse Bescheid weiß. Ob z.B. der Verkehrsunfall, dem ich mit knapper Not entkommen bin, mit dem Unfall identisch ist, den ein Bekannter im Fernsehen gesehen hat, läßt sich nur dann entscheiden, wenn man Details der beiden Ereignisse kennt, die man vergleichen kann. Es gibt aber auch Identitäts-Fragen, deren relevante Umstände bekannt sind und über deren Antwort trotzdem Uneinigkeit besteht. Alvin Goldman erzählt z.B. die folgende Geschichte, an deren Ende eine solche Frage steht: John und seine Frau streiten sich, John ist äußerst gereizt; da klingelt das Telephon, und John meldet sich mit einem lauten "Hallo!". Es fragt sich nun, so Goldman, ob Johns Hallo-Sagen und sein lautes Hallo-Sagen ein und dasselbe oder zwei verschiedene Ereignisse sind. 1

A Theory of Human Action, S. 3.

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Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisveretändnis

Dies ist keine empirische Frage in dem Sinn, daß man versuchen wird, weitere Details über das Telephongespräch in Erfahrung zu bringen, um sie zu beantworten. Ob Goldmans Frage zu bejahen oder zu verneinen ist, hängt nicht davon ab, was mit John passiert ist, sondern nur davon, was Ereignisse sind. Man kann den Unterschied so charakterisieren: Wer glaubt, daß das Ereignis, daß John Hallo sagt, mit dem Ereignis, daß John laut Hallo sagt, identisch ist, der vertritt ein eher grobkörniges Ereignisverständnis, wer die Ereignisse für verschieden hält, ein feinkörniges. Wenn die Entscheidung zwischen grobkörnigem und feinkörnigem Verständnis davon abhängt, was Ereignisse sind, dann liegt es nahe, auf deren Individuationsbedingungen zurückzugreifen - denn zum einen sollen diese ja etwas darüber sagen, was Ereignisse sind, und zum anderen betrifft die grobkörnigfeinkörnig-Dichotomie die Ereignis-Identität, und Individuationsbedingungen sind Identitätsbedingungen. Das hat eine Reihe von Autoren veranlaßt, nicht nur vage zwischen grobkörnigem und feinkörnigem Ereignisverständnis, sondern zwischen grobkörnigen und feinkörnigen Individuationsbedingungen für Ereignisse zu unterscheiden - u.a. auch Goldman selbst, auf den die Bezeichnung "fine-grained1' zurückgeht.2 Doch das Verhältnis zwischen Goldmans Frage und der Ereignis-Individuation (und damit letztlich auch die Antwort auf die ursprüngliche Frage, was Ereignisse sind) ist komplizierter als es diese Gleichsetzung suggeriert, denn nicht jeder Vorschlag für Individuationsbedingungen trifft eine Entscheidung zwischen grobkörnigem und feinkörnigem EreignisVerständnis. Der erste Teil dieses Kapitels soll deshalb der Beziehung zwischen dieser Unterscheidung auf der einen und Vorschlägen für Individuationsbedingungen auf der anderen Seite gelten.

*

Inwiefern könnte die Individuationsbedingung für Ereignisse eine Antwort auf die Frage geben, ob das Ereignis, daß John Hallo sagt, und das Ereignis, daß er laut Hallo sagt, identisch sind? Eine Individuationsbedingung ist eine hinreichende Bedingung der Ereignis-Identität; wenn sie für zwei Ereignisse erfüllt ist, kann man auf deren Identität schließen. Weiß man also, daß Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen die ereignisindividuierende Eigenschaft teilen, dann darf man aus der Individuationsbedingung den Schluß ziehen, daß sie identisch sind, und A Theory of Human Action, S. 14.

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Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

somit, daß das grobkörnige Ereignisverständnis korrekt ist. A u f die Korrektheit des feinkörnigen Verständnisses dagegen, d.h. auf die Verschiedenheit der beiden Ereignisse, läßt sich aus einer hinreichenden Identitätsbedingung niemals schließen, unabhängig von weiteren Prämissen. Diese Asymmetrie des Verhältnisses zwischen Vorschlägen für Individuationsbedingungen und Goldmans Frage ist der Grund dafür, daß man nicht von "grobkörnigen und feinkörnigen Individuationsbedingungen" sprechen sollte; wenn überhaupt, kann es nur grobkörnige

Individuationsbedingungen

geben.

Aber

das

Verhältnis

zwischen

Goldmans Frage und Vorschlägen für Individuationsbedingungen ist vielfältiger als es diese formallogische Überlegung nahelegt. Das betrifft sowohl den Zusammenhang mit der grobkörnigen als auch den mit der feinkörnigen Antwort. Wenn

Vorschläge

für

Individuationsbedingungen

eine

Antwort

auf

Goldmans Frage geben sollen, dann müssen sie dazu beitragen, entweder die Identität oder die Verschiedenheit des Hallo-Sagens und lauten Hallo-Sagens zu demonstrieren. Die Identität ließe sich, wie gesagt, unmittelbar aus der vorgeschlagenen Individuationsbedingung erschließen. Die Individuationsbedingung diente dann als Identifikations-Kriterium

für die Antwort auf Goldmans Frage.

Allerdings hängt die Plausibilität dieser Rechtfertigung der Identitäts-Behauptung, d.h. die Tauglichkeit der Individuationsbedingung als Identifikations-Kriterium, davon ab, wie plausibel es ist, daß die beiden Ereignisse die individuierende Eigenschaft tatsächlich teilen. Und dies wiederum hängt davon ab, um welche Eigenschaft es sich handelt. Man kann die möglichen Vorschläge für die Ereignis-Individuation in verschiedene Gruppen einteilen in Abhängigkeit davon, wie fraglich es ist, daß das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen die individuierende Eigenschaft teilen. Es gibt dann drei Gruppen: Erstens Vorschläge, denen zufolge Ereignisse durch eine Eigenschaft individuiert werden,

die Hallo-Sagen

und lautes

Hallo-Sagen

zweifellos teilen; zweitens Vorschläge, bei denen es fraglich ist, ob Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen die individuierende Eigenschaft teilen; und drittens Vorschläge, bei denen sie die individuierende Eigenschaft unbestreitbar

nicht

teilen. Über die Vorschläge der ersten Gruppe kann man sagen, daß sie tatsächlich eine Antwort auf Goldmans Frage geben, denn die für die grobkörnige Konklusion nötige Zusatzprämisse, daß die beiden Ereignisse die individuierende Eigenschaft teilen, ist bei ihnen offenkundig wahr, und also kein Thema bei der Rechtfertigung der Konklusion. Die Vorschläge der zweiten Gruppe ließen zwar ebenfalls auf die grobkörnige Antwort schließen, aber die Zusatzprämisse ist bei ihnen ein nicht zu vernachlässigender Teil der Argumentation; wer ausgehend

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Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

von einem dieser Vorschläge für die Identität von Hallo-Sagen und lautem HalloSagen argumentieren möchte, muß nicht nur den Vorschlag begründen, sondern auch die Behauptung, die beiden Ereignisse teilten die individuierende Eigenschaft. Bei der dritten Gruppe ist auf den ersten Blick vor allem erstaunlich, daß es sie überhaupt geben soll; wenn es Eigenschaften gibt, in bezug auf die das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen zweifellos verschieden sind, dann scheint die ganze Diskussion der Goldman-Frage müßig. Rein statistisch gesehen, ist die erste Gruppe bei weitem die größte, denn ohne Zweifel stimmen Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen in den allermeisten Eigenschaften überein: sie finden zur selben Zeit statt, in Kommunikation mit dem Anrufenden, in Gegenwart von Johns Frau, usw. Individuiert eine dieser Eigenschaften die Ereignisse, dann erlaubt die Individuationsbedingung unmittelbar den Schluß auf die Identität von Hallo-Sagen und lautem HalloSagen - eine solche Individuationsbedingung wäre also in der von Goldman geschilderten Situation ein perfektes Identifikations-Kriterium. Das prominenteste Beispiel für einen Vorschlag, der in diese Gruppe gehört, ist die unten im vierzehnten Kapitel vorgestellte raumzeitliche Ereignis-Individuation. Doch nicht alle Vorschläge für die Ereignis-Individuation gehören in die erste Gruppe, denn nicht in allen Eigenschaften stimmen Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen zweifellos überein, sonst wäre Goldmans Frage nicht so interessant - seine feinkörnige Antwort stände dann im direkten Widerspruch zur Identität des Ununterscheidbaren. Die zweite Gruppe umfaßt die Vorschläge, bei denen es fraglich ist, ob die beiden Ereignisse die individuierende Eigenschaft teilen, Verfechter grobkörniger und feinkörniger Ansichten also sowohl darüber uneins seien können, ob der betreffende Vorschlag stimmt, als auch darüber, ob HalloSagen und lautes Hallo-Sagen in der vorgeschlagenen Eigenschaft übereinstimmen. Diese Gruppe zerfällt ihrerseits wieder in zwei sich signifikant unterscheidende Teilgruppen: Es kann entweder deshalb fraglich sein, daß die Ereignisse die Eigenschaft teilen, weil es sowohl Intuitionen oder Argumente für die eine als auch für die andere Sicht gibt, oder deshalb, weil es prinzipiell unmöglich ist, das Übereinstimmen in der individuierenden Eigenschaft festzustellen, ohne es aus der Identität zu erschließen. Dieser zweite Fall hat im vorigen Kapitel schon eine wichtige Rolle gespielt: es handelt sich um diejenigen Individuationsbedingungen, die keine Identifikations-Kriterien bieten. Wenn es eine Individuationsbedingung unter keinen Umständen erlaubt, die Ereignis-Identität festzustellen, dann auch nicht in Goldmans Beispiel, die Individuationsbedin-

Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

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gung bietet keine Hilfe für die Entscheidung zwischen grobkörnigem und feinkörnigem Ereignisverständnis. Ein Beispiel dafür ist Davidsons kausale Ereignis-Individuation. Weil sich das Übereinstimmen in allen Ursachen und Wirkungen nur aus der EreignisIdentität erschließen läßt, kann dieses Übereinstimmen selbst keine Basis für ein Identitäts-Urteil bieten, also auch nicht für die Identität von Johns Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen. Insofern gehört der Vorschlag zur Gruppe der Individuationsbedingungen, die der Goldman-Frage gegenüber deshalb indifferent sind, weil sie in keinem Fall ein Identifikations-Kriterium bieten. Gerade für Davidson aber ist diese Indifferenz unbefriedigend, denn Davidson selbst ist einer der exponiertesten Verfechter eines grobkörnigen Ereignisverständnisses.3 Es gibt damit eine Identitäts-Frage, in der Davidson emphatisch für die Identität eintritt, deren Antwort darüber hinaus nur davon abhängt, was man unter einem Ereignis versteht, und der gegenüber die von ihm vorgeschlagene Individuationsbedingung gleichwohl indifferent bleibt. Das ist kein Inkonsistenz-Vorwurf, aber es mutet doch befremdlich an, Ereignisse grobkörnig aufzufassen, ohne daß sich dieser wichtige Bestandteil des Ereignisverständnisses in irgendeiner Weise in der Individuationsbedingung niederschlägt. Dieses Befremden spricht dafür, von einem Vertreter der grobkörnigen Sicht der Ereignisse zu verlangen, daß er sie aus seinem Vorschlag für die Ereignis-Individuation herleiten kann. Und deshalb darf die von ihm vorgeschlagene Individuationsbedingung als Identifikations-Kriterium nicht völlig unbrauchbar sein. Das ist die angekündigte ergänzende Überlegung zu der Frage, ob Individuationsbedingungen Identifikations-Kriterien bieten sollten: Zumindest für die von Goldman beschriebene Situation und wenn die grobkörnige Position korrekt ist, sollten sie auf die Identität von Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen schließen lassen. Zur zweiten Gruppe von Vorschlägen für die Ereignis-Individuation gehören aber nicht nur solche, für die Individuation ausnahmslos untauglichen Bedingungen, es zählen dazu auch Vorschläge, bei denen es durchaus möglich ist festzustellen, daß zwei Ereignisse in der individuierenden Eigenschaft übereinstimmen, ohne daß man bereits weiß, daß sie identisch sind. Dies teilen sie mit den Vorschlägen der ersten Gruppe (z.B. der raumzeitlichen Individuation). Doch anders als jene bieten sie alleine noch keine Rechtfertigung der grobkörnigen Position - und sind folglich nicht unbedingt unverträglich mit der feinkörnigen 3

Goldmans Diskussion seines Beispiels richtet sich ausdrücklich gegen Davidson (und gegen G.E.M. Anscombe).

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Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

Alternative. Denn inwieweit sich aus diesen Vorschlägen die Identität von HalloSagen und lautem Hallo-Sagen begründen läßt, hängt auch davon ab, wie gut die Argumente dafür sind, daß die beiden Ereignisse in der individuierenden Eigenschaft übereinstimmen. Bei den Vorschlägen der ersten Gruppe konnte es hierüber keinen Dissens geben - niemand bezweifelt, daß Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen am selben Ort in Raum und Zeit stattfinden. Wie aber kann es überhaupt zu einem solchen Dissens kommen? Daß dies eine berechtigte Frage ist, liegt an dem artifiziellen Gegenstand der Debatte: Goldmans Frage bezieht sich auf eine ausgedachte Situation, alle näheren Umstände werden genannt oder lassen sich beliebig hinzudenken, darin also kann es keine Meinungsverschiedenheit zwischen Verfechtern grobkörniger und feinkörniger Antworten geben. Wenn sie gleichwohl uneins darüber sind, ob das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen eine bestimmte Eigenschaft teilen, dann deshalb, weil sie unterschiedliche Auffassungen davon haben, was es generell heißt, diese Eigenschaft zu haben. Auch das läßt sich gut am Beispiel der Kausalrelation illustrieren. Angenommen, die oben angesprochenen Probleme für eine kausale Ereignisindividuation ließen sich umgehen und Ereignisse wären tatsächlich über ihre Kausalbeziehung individuiert, dann fragt es sich, inwieweit diese Individuationsbedingung geeignet wäre, das grobkörnige Ereignisverständnis zu rechtfertigen. (Liegt es wirklich nur an der Schwierigkeit mit den endlos vielen Kausalrelata, daß sich Davidsons grobkörnige Position nicht auf seinen Vorschlag für die Ereignis-Individuation stützen kann?) Am Ende dieses Kapitels wird es sich zeigen, daß es bei einigen Kausalbeziehungen alles andere als selbstverständlich ist, daß Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen sie teilen, ohne daß dies daran läge, daß Goldmans Geschichte zu knapp ist; die Uneinigkeit hat nichts mit mangelnder Information über Johns Verhalten zu tun, sondern damit, welches Kausalitätsverständnis man hat. Das also ist das Besondere an Vorschlägen für die Ereignis-Individuation, bei denen es strittig ist, ob das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen in der individuierenden Eigenschaft übereinstimmen: Sie führen den Dissens im Ereignisverständnis auf einen Unterschied im Verständnis bestimmter Eigenschaften zurück und öffnen damit der grobkörnig-feinkörnig-Debatte einen weiteren Argumentationshorizont als den der unmittelbaren Betrachtung der beiden Beispiel-Ereignisse. (So wird sich im weiteren Verlauf dieser Untersuchung zeigen, daß letztlich das eine Kausalitätsverständnis attraktiver ist als das andere

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und also einen guten Grund abgibt, eine der beiden Antworten auf Goldmans Frage vorzuziehen.) Bis zu diesem Punkt ging es in der Betrachtung der argumentativen Rolle von Vorschlägen für die Ereignis-Individuation in erster Linie um die Möglichkeiten der Rechtfertigung der grobkörnigen Position. Das hängt mit der formalen Überlegung zusammen, daß Individuationsbedingungen nur auf die Identität, nicht jedoch auf die sVerschiedenheit von Ereignissen schließen lassen können, und die Rolle als Prämisse in einem Schluß auf die zu rechtfertigende Konklusion sicher das Paradigma einer Rechtfertigung ist. Die bislang genannten möglichen Argumente für die feinkörnige Auffassung beschränken sich dagegen auf die Kritik an bestimmten Rechtfertigungen für die grobkörnige Position. Und das ist nicht der einzige oder auch nur nächstliegende Weg, für das feinkörnige Verständnis einzutreten. Dem feinkörnigen Ereignisverständnis zufolge sind Johns Hallo-Sagen und sein lautes Hallo-Sagen zwei verschiedene Ereignisse. Wenn man diese Ansicht durch einen logischen Schluß rechtfertigen möchte, dann sind Individuationsbedingungen als hinreichende Identitätsbedingungen keine brauchbaren Prämissen. Man braucht eine notwendige Bedingung der Ereignis-Identität, um aus ihrem Nicht-Erfülltsein auf die Verschiedenheit der beiden Ereignisse schließen zu können. Diese notwendige Bedingung bietet das Prinúp der Ununterscheidbarkeit des Identischen, d.h. das Prinzip, daß man aus der Identität von Enti täten auf das Übereinstimmen in allen Eigenschaften und mithin aus dem sich Unterscheiden in einer Eigenschaft auf die Nicht-Identität schließen darf. Dieses Prinzip legt es dem Verfechter der feinkörnigen Ansicht nahe, nach einer Eigenschaft zu suchen, die Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen nicht teilen, um daraus seine Position herzuleiten. Wenn man voraussetzt, daß die beiden Ereignisse nicht identisch sind, dann wird es vermutlich verschiedene sie unterscheidende Eigenschaften geben und also auch verschiedene Belege für die Gültigkeit der feinkörnigen Antwort. Aber es werden sicher nicht sehr viele verschiedene Eigenschaften sein, denn sonst wäre die grobkörnige Gegenmeinung, der zufolge die Ereignisse identisch sind und mithin alle Eigenschaften teilen, absurd, und das ist sie nicht. Deshalb haben Vorschläge für Individuationsbedingungen für die feinkörnige Argumentation eine wichtige heuristische Funktion: Sie helfen bei der Suche nach den die beiden Ereignisse unterscheidenden Eigenschaften. Denn wenn das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen verschiedene Ereignisse sind, dann zeigt sich das auf jeden Fall in einem Unterschied in der individuierenden Eigenschaft. Das ist die

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Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

Rolle der Individuationsbedingung in der Argumentation für die feinkörnige Position: Sie bildet zwar keine Prämisse für den Schluß auf diese Position, bietet aber einen sicheren Kandidaten für eine Eigenschaft, in der sich Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen unterscheiden; und dieser Unterschied in der individuierenden Eigenschaft ist dann die Prämisse, die zusammen mit dem Prinzip der UnUnterscheidbarkeit des Identischen auf die feinkörnige Antwort schließen läßt. Diese Funktion für die feinkörnige Argumentation können Vorschläge der ersten Gruppe nicht haben, denn diese Gruppe ist gerade so charakterisiert, daß die beiden Ereignisse in den vorgeschlagenen Eigenschaften zweifellos übereinstimmen. In Bezug auf diese Vorschläge kann die feinkörnige Argumentation deshalb nur kritisch sein, also nur in Frage stellen, daß es sich tatsächlich um Individuationsbedingungen handelt. Einen Vorschlag der zweiten Gruppe kann dagegen sowohl ein Verfechter der grobkörnigen, wie auch der feinkörnigen Ansicht für richtig halten. Und wenn darin Übereinstimmung herrscht, dann folgt daraus, ob Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen die individuierende Eigenschaft teilen oder nicht, die Antwort auf die Goldman-Frage: teilen sie sie, dann sind sie kraft der Individuationsbedingung identisch, teilen sie sie nicht, kraft des Prinzips der Ununterscheidbarkeit des Identischen verschieden. Interessanterweise verlieren solche Vorschläge der zweiten Gruppe ihre heuristische Funktion für die feinkörnige Argumentation nicht, wenn sie sich aus irgendeinem Grund als für Individuationsbedingungen untauglich erweisen - ja nicht einmal unbedingt dann, wenn sich herausstellt, daß sie genau genommen gar keine Identitätsbedingung bieten, d.h. wenn es verschiedene Ereignisse geben kann, die in der vorgeschlagenen Eigenschaft übereinstimmen. So lange sich nur die allermeisten Ereignisse in der betreffenden Eigenschaft unterscheiden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß sich auch das HalloSagen und laute Hallo-Sagen darin unterscheiden, und ausschließlich darauf kommt es dem Verfechter der feinkörnigen Position an. Dies illustriert die am Ende dieses Kapitels zu diskutierende Argumentation Goldmans für seine feinkörnige Antwort, bei der er sich auf die kausale Rolle der beiden Beispiel-Ereignisse bezieht, obwohl er Davidsons kausale Ereignis-Individuation für falsch hält. Bislang ausgespart ist die dritte Gruppe möglicher Vorschläge für die Ereignis-Individuation. Kann es auch Vorschläge geben, denen zufolge Ereignisse durch eine Eigenschaft individuiert werden, die das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen offenkundig nicht teilen? Dagegen sprechen die Konsequenzen, die solche Vorschläge für die grobkörnig-feinkörnig-Debatte hätten: Wenn es unbezweifelbar ist, daß Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen die vorgeschlagene Eigenschaft nicht teilen, dann ist es unbezwei feibar, daß es sich um verschiedene Ereignisse handelt; es ist aber (wie die Verfechter der grobkörnigen Position zeigen) nicht unbezweifelbar, folglich kann es keine Vorschläge der dritten Gruppe geben. Was es allerdings geben kann, sind Vorschläge, die dem

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sehr nahe kommen und die deshalb ebenfalls zu der dritten Gruppe zählen sollen: Bei manchen Eigenschaften ist es unbezweifelbar, daß Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen sich in ihnen unterscheiden, wenn sie sie überhaupt haben können, d.h. Eigenschaften, bei denen es unsicher ist, ob Ereignisse solche Eigenschaften haben können, aber sicher, daß sich dann die beiden Ereignisse darin unterscheiden müßten. Ein Beispiel für einen solchen Vorschlag bietet die im nächsten Kapitel vorgestellte Ansicht Chisholms, Ereignisse seien Sachverhalte. Chisholm glaubt, daß Ereignisse durch die Eigenschaft individuiert werden, "kognitiv gleichwertig" zu sein. Diese Eigenschaft wird im nächsten Kapitel erläutert, und es wird dann deutlich, daß jedenfalls niemand behaupten würde, Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen erfüllten die vorgeschlagene Individuationsbedingung und seien kognitiv gleichwertig. Ein Vertreter der grobkörnigen Auffassung wird deshalb bestreiten müssen, daß es überhaupt sinnvoll ist, von Ereignisse zu sagen, daß sie kognitiv gleichwertig oder verschieden sind, d.h. er wird bestreiten müssen, daß Ereignisse diese Eigenschaft auch nur haben können. In diesem Sinn sind die Vorschläge der dritten Gruppe feinkörnig; nur ein Verfechter dieser Position kann sie vertreten, denn nur er kann behaupten, daß Ereignisse die vorgeschlagene Eigenschaft haben, und damit kann auch nur er der Meinung sein, die Ereignisse seien sogar durch diese Eigenschaft individuiert. Das ändert nichts daran, daß auch diese eindeutig parteiischen Vorschläge keine Prämissen, sondern nur heuristischer Unterbau der feinkörnigen Argumentation sind.

Das erste Kapitel kam zu dem Ergebnis, daß man etwas darüber erfährt, was Ereignisse sind, wenn man ihre Individuationsbedingung kennt. In diesem Kapitel hat sich nun gezeigt, daß dieses Wissen unter Umständen nicht ausreicht. 4 Wenn man wissen möchte, ob Ereignisse grobkörnig oder feinkörnig zu verstehen sind, dann läßt zumindest ein Teil der denkbaren Individuationsbedingungen diese Frage offen. Nur wenn es sich herausstellen sollte, daß einer der Vorschläge für Individuationsbedingungen richtig ist, die zu der ersten oder dritten Gruppe gehören, wäre es möglich, aus der Individuationsbedingung unmittelbar Rückschlüsse auf die Identität bzw. Nicht-Identität von Johns HalloSagen mit seinem lauten Hallo-Sagen ziehen. Ist dagegen einer der Vorschläge

Natürlich wäre es absurd anzunehmen, man würde alles darüber erfahren, was bestimmte Entitäten sind, wenn man ihre Individuationsbedingungen kennenlemt. Mengenlehre wäre dann ein Kinderspiel.

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Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

der zweiten Gruppe korrekt, sind beide Optionen vertretbar; man braucht dann weitere, über die Diskussion der Individuationsbedingung hinausgehende Argumente für oder gegen die Identität der beiden Ereignisse. In der weiteren Diskussion dieses Buches wird dieser Zusammenhang eine wichtige argumentative Rolle spielen. Am Ende dieses Kapitels steht ein Argument, das zeigen soll, daß Goldmans Frage feinkörnig zu beantworten ist. Daraus folgt, daß die Individuationsbedingung für Ereignisse entweder zur zweiten oder dritten Gruppe gehört. Das trifft auf die in den folgenden Kapiteln vorgestellten Vorschläge Chisholms und Kims zu, es stellt sich aber am Ende heraus, daß keiner dieser beiden Vorschläge befriedigend ist und daß dies zumindest bei Kims Vorschlag mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis zusammenhängen könnte. Deshalb wird anschließend erneut die Frage gestellt und nunmehr negativ beantwortet werden, ob dieses Verständnis wirklich akzeptabel ist. Und dann fragt es sich immer noch, welche Individuationsbedingung Ereignisse haben. *

Das Argument für die Verschiedenheit von Johns Hallo-Sagen und lautem HalloSagen stammt von Goldman selbst, und es bezieht sich, wie schon angekündigt, auf die kausale Rolle dieser Ereignisse. Goldman teilt Davidsons kausale Ereignis-Individuation nicht. Er ist nicht einmal der Auffassung, daß es sich dabei um eine Identitätsbedingung handelt (auch wenn er dafür keine Begründung gibt). 5 Gleichwohl unterscheiden sich zweifellos die allermeisten Ereignisse in ihren Ursachen oder Wirkungen, und deshalb liegt für einen Vertreter des feinkörnigen Ereignisverständnisses die Vermutung nahe, auch das HalloSagen und sein lautes Pendant müßten unterschiedliche Kausalbeziehungen haben. Goldman zufolge unterscheiden sie sich zumindest in einer Ursache: John sagt am Telephon laut Hallo, weil er gereizt ist, aber er sagt nicht Hallo, weil er gereizt ist - Johns Gereiztheit ist also eine Ursache seines lauten Hallo-Sagens, nicht aber seines Hallo-Sagens; die beiden Ereignisse stimmen nicht in ihren Kausalbeziehungen überein und sind folglich verschieden! 6

Vgl. The Individuation of Action, S. 765. A Theory of Human Action, S. 3; vgl. auch The Individuation of Actions, S. 766-67.

Goldmans Plädoyer für ein feinkörniges Ereignisverständnis

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Dieses Argument ist so einfach wie bestechend. Es gibt keinen ebenso einfachen und geraden Weg, es zu widerlegen; seine Schwäche liegt eher darin, daß das feinkörnige Ereignisverständnis, auf das es schließen läßt, letztlich nicht haltbar ist. Das ist das Thema der folgenden Kapitel.

Kapitel 4 Ereignisse als Sachverhalte

Wenn man wissen möchte, was Ereignisse sind, dann tut man gut daran, die Individuationsbedingung für Ereignisse zu suchen, doch das muß nicht heißen: die Individuationsbedingung speáell für Ereignisse. Es gibt eßbare materielle Gegenstände, es gibt Mengen mit vier Elementen; aber man fühlt sich nicht versucht, nach Bedingungen zu suchen, unter denen eßbare materielle Gegenstände oder Mengen mit vier Elementen identisch sind - wenn man die Individuationsbedingungen generell für materielle Gegenstände, generell für Mengen kennt, dann weiß man auch, wie die eßbaren Gegenstände, die vierelementigen Mengen individuiert werden. Entsprechend könnte es sein, daß man auch keine separate Individuationsbedingung für Ereignisse suchen sollte, weil Ereignisse in Wirklichkeit zu den Entitäten einer anderen, einer umfassenderen Kategorie gehören, für die es eine Individuationsbedingung gibt. Der folgende Vorschlag für die Individuation von Ereignissen, der Vorschlag Roderick Chisholms, ist ein in diesem Sinn reduktionistischer Vorschlag. *

*

Sowohl Chisholms Ansichten als auch die in diesem Kapitel genannten Einwände gegen sie finden sich in einer außergewöhnlich langen Kette von aufeinander bezogenen Kommentaren und Erwiderungen Chisholms und Davidsons. Sie beginnt in The Logical Form of Action Sentences mit Davidsons kurzer Kritik an Chisholms Aufsatz The Descriptive Element in the Concept of Action (der in einer modifizierten Variante Freedom in Action heißt). Chisholm erwiderte darauf in seinem Comment on Davidson's "The Logical Form of Action Sentences", auf den Davidson in Reply to Chisholm on Making Happen antwortete. Darauf folgte in Nôus Chisholms Events and Propositions und im selben Band Davidsons Events as Particulars. Im nächsten Band von Nôus erwiderte Chisholm mit States of Affairs Again und darauf erneut Davidson mit Eternal vs. Ephemeral Events. Viele Jahre später nimmt Chisholm diese Diskussion mit The Structure of States of Affairs explizit wieder auf, worauf Davidson erneut erwidert. Das ist meines Wissens der heutige Stand des Disputs.

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Ausgangspunkt für Chisholms Vorschlag ist ein Phänomen, das seiner Auffassung nach von jeder adäquaten Theorie der Ereignisse berücksichtigt werden muß: das mehrfachen Vorkommen, die Wiederkehr eines Ereignisses (irecurrence). Es ereignete sich z.B. 1961 in Bonn etwas, was sich bereits 1949, 1953 und 1957 ereignet hatte: Konrad Adenauer wurde zum Bundeskanzler gewählt. Das Ereignis, daß Adenauer zum Kanzler gewählt wurde, kehrte mehrmals wieder. Diesem mehrfachen sich Ereignen eines Ereignisses wird man Chisholm zufolge nur gerecht, wenn man seine Ansicht teilt, daß Ereignisse Sachverhalte (states of affairs) sind. 2 Es stellt sich also die Frage, erstens was Sachverhalte sind, zweitens was diese Ereigniskonzeption über die Individuation der Ereignisse zu sagen hat, und drittens inwiefern das Phänomen der Wiederkehr wirklich zu dieser Ansicht nötigt. Man kann nur verstehen, was Sachverhalte und damit Ereignisse Chisholm zufolge sind, wenn man ein paar weitere Grundbegriffe seiner Theorie klärt. Sachverhalte sind für Chisholm Propositionen (propositions) 'im weiten Sinn des Wortes'. 3 Eine Proposition im weiten Sinn des Wortes ist etwas, was Gegenstand einer propositionalen Einstellung sein kann. Eine propositionale Einstellung ist z.B. eine Meinung, ein Wunsch, eine Befürchtung etc., d.h. (grob gesprochen) ein mentaler Zustand, zu dessen Zuschreibung man einen Ausdruck verwendet, in dem ein den Typ der Einstellung spezifizierender psychologischer Begriff durch einen "daß"-Satz modifiziert wird: die Meinung, daß Erbsen grün sind; die Erinnerung, daß Adenauer zum Kanzler gewählt wurde, usw. Der Gegenstand (object) einer Proposition ist das, worauf sich der Satz nach dem "daß" bezieht, also nicht die Erbsen, sondern das Grünsein der Erbsen, nicht Adenauer, sondern seine Wahl zum Bundeskanzler. Adenauers Wahl zum Bundeskanzler und das Grünsein der Erbsen sind folglich Sachverhalte. Wenn man behauptet, daß es Sachverhalte gibt, setzt man voraus, daß sich eine Individuationsbedingung für Sachverhalte finden läßt. Chisholm nennt folgende Bedingung: Zwei Sachverhalte sind identisch, wenn sie notwendigerweise entweder beide oder keiner von beiden der Gegenstand propositionaler Einstellungen eines bestimmten Typs bei einer bestimmten Person sind. 4 Der Sachverhalt des Grünseins der Erbsen z.B. wäre dann mit dem Sachverhalt des Gesundseins der Erbsen identisch, wenn alle Personen, die den einen Sachverhalt für wahr halten, bezweifeln, befürchten, etc., dies notwendigerweise auch mit * 3 4

Vgl. hieizu die ersten Seiten von Events and Propositions. Events and Propositions, S. 19. Events and Propositions, S. 19, und The Structure of States of Affairs, S. 110-11

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dem anderen Sachverhalt tun (was für das Grünsein und Gesundsein der Erbsen sicher nicht stimmt). Ich werde für diese Individuationsbedingung für Sachverhalte den Ausdruck "kognitive Gleichwertigkeit" von Wolfgang Künne entlehnen.5 Man kann noch mehr über Sachverhalte sagen als nur, daß sie bei kognitiver Gleichwertigkeit identisch sind. Sachverhalte, wie auch Eigenschaften, sind für Chisholm ewige Dinge (eternal objects), es macht deshalb keinen Sinn, ihnen einen zeitlichen Ort zuzuschreiben.6 Eine zeitliche Bestimmung kommt erst dadurch ins Spiel, daß Sachverhalte vorkommen können. Ein Sachverhalt kann niemals oder einmal oder mehrmals vorkommen - und diese Vorkommnisse sind im Unterschied zu den Sachverhalten selbst zeitlich lokalisierbar. Außerdem gilt: Zu jedem Sachverhalt gibt es ein ausgezeichnetes Pendant, die Negation dieses Sachverhaltes. Die Negation eines Sachverhaltes ist ein Sachverhalt, der notwendigerweise dann und nur dann vorkommt, wenn der betreffende Sachverhalt nicht vorkommt, und der sich zugleich in seinem 'gedanklichen Inhalt' nicht von diesem unterscheidet. (Dies ist mein Versuch, das Wichtigste an einem sehr viel technischeren Terminus bei Chisholm einzufangen. Man könnte es auch so formulieren: Ein Sachverhalt hat nur dann denselben gedanklichen Inhalt wie ein anderer, wenn man nicht an etwas Neues denken muß, wenn man in Gedanken von ersterem zu letzterem übergeht.) Dieses Vokabular ist notwendig, um nun, nachdem etwas darüber gesagt ist, was Sachverhalte sind, als nächstes zu fragen, in welchem Verhältnis die Ereignisse zu den Sachverhalten stehen. Nicht jeder Sachverhalt ist ein Ereignis. Es gibt neben den 'Propositionen im weiteren Sinn', die Chisholm "Sachverhalte" getauft hat, 'Propositionen im engeren Sinn'.7 Propositionen im engeren Sinn (die dann den Namen "Proposition" behalten) sind auch Propositionen im weiteren Sinn, sprich Sachverhalte, aber sie sind zugleich Gegenstand aussagenlogischer Schlußregeln. Und insbesondere gilt, daß sie (notwendigerweise) entweder immer vorkommen oder nie. Eine solche Proposition ist z.B. das Grünsein von Erbsen. Es ist sinnlos, das Vorkommen des Grünseins von Erbsen zeitlich fixieren zu wollen - Erbsen sind immer grün, selbst wenn eines Tages alle Erbsen längst vom Erdboden verschwunden sein sollten.

Abstrakte Gegenstände, S. 256. Die genaue Definition eines "eternal object" (und viele weitere hier informell wiedergegebene terminologische Erläuterungen) findet sich in The Structure of States of Affairs, S. 109 ff. Events and Propositions, S. 19.

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Ereignisse sind dann für Chisholm Sachverhalte, die keine Propositionen sind. Nun wird klar, wie Chisholm das Phänomen der Wiederkehr erklären kann: Ein Ereignis kehrt wieder, wenn es bereits einmal vorgekommen ist, dann die Negation des Ereignisses vorgekommen ist und nun erneut das Ereignis selbst vorkommt. 1957 kam das Ereignis vor, daß Adenauer zum Kanzler gewählt wurde, in den drei folgenden Jahren 1958, '59 und '60 kam das Ereignis vor, daß Adenauer nicht zum Kanzler gewählt wurde, also die Negation dieses Ereignisses, und 1961 kam erneut die Wahl Adenauers vor (und von 1962 bis heute und in alle Ewigkeit kommt wiederum die Negation dieses Ereignisses vor). Bei den verschiedenen Wahlen Adenauers zum Bundeskanzler handelt es sich um verschiedene Vorkommnisse8 ein und desselben Ereignisses, eines Ereignisses, das zwischen seinen Vorkommen nicht aufgehört hat zu existieren, sondern nur um das Bildliche am 'Vorkommen' auszubeuten - wieder untergetaucht ist. Ich glaube, dieses Bild eines hin und wieder (oder nur einmal oder nie) auftauchenden Etwas vermittelt ein gutes Verständnis dessen, was Chisholm unter einem Ereignis oder allgemein einem Sachverhalt versteht. Manche Sachverhalte sind immer aufgetaucht oder sie sind nie aufgetaucht, jedenfalls aber nicht in der Lage, auf- und wieder unterzutauchen. Das sind die Propositionen. Die anderen, die zum Auf- und Untertauchen in der Lage sind (auch wenn sie es möglicherweise nie tun), sind die Ereignisse.9

Chisholms Vorschlag für die Ereignis-Individuation muß sich wie Davidsons daran messen lassen, ob die genannte Identitätsbedingung wahr und ob sie darüber hinaus als Individuationsbedingung tauglich ist. Und wie sich im nächsten Abschnitt zeigen wird, ist schon die Wahrheit der Identitätsbedingung so zweifelhaft, daß sich die Frage der Tauglichkeit gar nicht erst stellt. *

Häufig ist "Vorkommnis" die deutsche Übersetzung des englischen Worts "token"; das ist hier nicht gemeint. Chisholm gebraucht "occurence". Ich vernachlässige, daß er später auch andere Ausdrücke als "occur" verwendet, z.B. "obtain". Schon Wittgenstein hat in der Philosophischen Grammatik vor der Suggestivität des Bildes vom Eintreten von Ereignissen gewarnt: Es ist schwer, von dem Vergleich loszukommen: Der Mensch tritt ein - das Ereignis tritt ein. Als wäre das Ereignis schon vorgebildet vor der Tür der Wirklichkeit und wurde nun in diese (wie in ein Zimmer) eintreten. (§90) (Ich verdanke diesen Hinweis dem Vorwort zu Rudolf Hallers Buch Urteile und Ereignisse.)

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Akzeptiert man das zumindest auf den ersten Blick überzeugende Argument Goldmans, daß seine Beispiele, Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen, verschiedene Ereignisse sind, dann können nur diejenigen Eigenschaften Ereignisse individuieren, bei denen es nicht unbestreitbar ist, daß die beiden Ereignisse sie teilen; Vorschläge für die Ereignis-Individuation müssen mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis kompatibel sein, d.h. zu der zweiten oder dritten der im vorigen Kapitel genannten Gruppen gehören. Wie dort schon angedeutet, erfüllt Chisholms Vorschlag diese Bedingung - er gehört zur dritten Gruppe, denn wenn man zugesteht, daß Ereignisse Sachverhalte sind, und trotzdem behaupten will, daß Johns Hallo-Sagen und sein lautes Hallo-Sagen identisch sind, dann muß man behaupten, daß Johns Hallo-Sagen und sein lautes HalloSagen kognitiv gleichwertig sind, und das ist sicher falsch. Wer als Anrufer z.B. hofft, daß John Hallo sagt, muß nicht hoffen, daß John laut Hallo sagt. Ein Vertreter der grobkörnigen Position kommt demnach nicht darum herum, generell zu bestreiten, daß Ereignisse Gegenstand propositionaler Einstellungen sein können, und damit Chisholms Vorschlag abzulehnen. Aber auch aus der Sicht eines feinkörnigen Ereignisverständnisses hat Chisholms Behauptung, Ereignisse seien Sachverhalte, befremdliche Konsequenzen. Zum einen sind Chisholms Ereignisse sehr feinkörnig aufgefächerte Entitäten. Als mögliche Gegenstände propositionaler Einstellungen unterscheiden sich nicht nur das Ereignis, daß Adenauer zum Bundeskanzler gewählt wurde, und das Ereignis, daß er mit knapper Mehrheit zum Bundeskanzler gewählt wurde - das wäre ein Beispiel analog dem Beispiel Goldmans -, es unterscheiden sich auch das Ereignis, daß Adenauer zum Kanzler gewählt wurde, und das Ereignis, daß der erste CDU-Vorsitzende zum Kanzler gewählt wurde; denn wer hoffte, daß Adenauer gewählt wird, mußte nicht unbedingt hoffen, daß der erste CDU-Vorsitzende gewählt wird (vielleicht hielt er Kurt Schumacher für den ersten CDU-Vorsitzenden). Das illustriert, wie fein Chisholm Ereignisse unterscheidet, und es fragt sich, ob sich eine solche Unterscheidung rechtfertigen läßt. 10 Ich sehe zumindest kein Argument, das parallel zu Goldmans Argument für die Verschiedenheit von Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen zeigt, daß Adenauers Wahl zum Kanzler und die Wahl des ersten CDU-Vorsitzenden zum Kanzler verschiedene Ursachen oder Wirkungen hatten, oder sich in anderen Eigenschaften unterscheiden (mit Ausnahme der fehlenden kognitiven Gleichwertigkeit). 10

Chisholm bestätigt, daß er ein derart feinkörniges Ereignisverständnis hat (Events and Propositions, S. 21).

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Während aus Chisholms Sicht auf der einen Seite stets sehr viele ähnliche Ereignisse nebeneinander vorkommen, z.B. wenn ein Kanzler gewählt wird, Chisholms Ereignisse also in diesem Sinn sehr dünn sind, sind sie auf der anderen Seite erstaunlich lang, nämlich ewig. Wenn es überhaupt eine Übereinstimmung zwischen allen anderen Ereigniskonzeptionen gibt, dann ist es die, daß Ereignisse datierbar sind und zwar in dem Sinn, daß es sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gab und ab einem weiteren Zeitpunkt nicht mehr geben wird. Chisholm trägt der vermeintlichen Datierbarkeit der Ereignisse mit der Datierbarkeit der Vorkommnisse zwar Rechnung, bestreitet aber, daß das Vorkommen bzw. Nichtvorkommen eines Ereignisses Konsequenzen für dessen Existenz hat. Ob diese Antwort Chisholms zufriedenstellend ist, hängt letztlich von der Frage ab, was es heißen soll, daß ein Ereignis vorkommt. 11 Aber unabhängig davon fragt es sich, ob man diese theoretischen Finessen überhaupt braucht. Chisholms Hauptargument für seine Ereigniskonzeption ist, daß man seines Erachtens sonst nicht mit dem Phänomen der Wiederkehr fertig wird. Oben ist beschrieben, wie Chisholm dieses Phänomen in seiner Theorie erläutert, aber zum einen ist noch nichts über die Plausibilität dieser Erläuterung gesagt, zum anderen gibt es, entgegen Chisholms Behauptung, eine viel näher liegende Erklärung der Wiederkehr. Gegen die Plausibilität von Chisholms Erläuterung des Phänomens der Wiederkehr spricht, daß sie in Kombination mit dem Prinzip der Ununterscheidbarkeit des Identischen zu merkwürdigen Schlüssen über die kausale Rolle von Ereignissen führt; Ereignisse müssen für Chisholm Ursachen und Wirkungen haben, die man ihnen gewöhnlich nicht zurechnen würde. Adenauers Wahl zum Bundeskanzler kam insgesamt viermal vor, und Chisholm zufolge war es stets ein und dasselbe Ereignis, das vorkam. Nun war eine der Ursachen dafür, daß Adenauer 1957 zum Kanzler gewählt wurde, seine erfolgreiche Verhandlung um die Freilassung der deutschen Kriegsgefangenen 1955 in Moskau. Also folgt aus der Identität der Kanzlerwahl 1957 mit der Kanzlerwahl 1949, daß die erfolgreiche Verhandlung 1955 auch die Wahl Adenauers zum Kanzler im Jahr 1949 verursacht hat. Und das ist eine zumindest befremdliche Konsequenz. Man kann versuchen, diese Konsequenz zu umgehen, indem man nicht die Ereignisse als Kausalrelata ansieht, sondern ihre Vorkommnisse. Aber das würde entweder bedeuten, daß Ursachen und Wirkungen keine Ereignisse sind, sondern irgendwelche anderen Entitäten, die zeitlich begrenzte Teile der ewigen Ereignisse sind, oder es würde bedeuten, daß doch nicht alle Ereignisse Sachverhalte sind. Die erste Alternative ist wenig attraktiv; was sollten Ursachen und Wirkungen (als Teile von Ereignissen) sein, Irving Thalberg z.B. hält Chisholms Verwendung dieses Ausdrucks schon für einen stichhaltigen Grund, die ganze Theorie abzuweisen, Richard Feldman und Edward Wierenga dagegen scheint der Begriff ein "resonably clear primitive predicate". (Thalberg, The Irreducibility of Events, S. 4, Feldman/Wierenga, Thalberg on the Irreducibility of Events, S. 12).

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wenn keine Ereignisse?! Also muß man die zweite Alternative wählen; wenn aber nicht alle Ereignisse Sachverhalte sind, dann sind vermutlich überhaupt keine Ereignisse Sachverhalte, und Chisholms Ereigniskonzeption ist nicht richtig. Chisholms Erläuterung des Phänomens der Ereignis-Wiederkehr führt demnach in einen Konflikt mit dem Prinzip der UnUnterscheidbarkeit des Identischen und ist aus diesem Grund wenig akzeptabel. Es fragt sich deshalb, ob Chisholm recht hat, daß sich dieses Phänomen nur im Rahmen seines Ereignisverständnisses erklären läßt. Dem steht die folgende viel einfachere Erklärung entgegen. Chisholm weist an einer Stelle selbst darauf hin, daß in der Umgangssprache "gleich", "dasselbe" und ähnliche Ausdrücke nicht immer für die strikte Identität verwendet werden. 12 Und um einen solchen nicht strikten Gebrauch handelt es sich, könnte man alternativ zu Chisholm sagen, auch im Fall der Wiederkehr. Man meint nicht 'wirklich', daß es sich um ein und dasselbe Ereignis handelt, das zweimal vorkommt, wenn man sagt, Adenauer sei 1949 und dann wieder 1953 zum Kanzler gewählt worden, man meint vielmehr, daß es sich um zwei Ereignisse handelt, die einander in einer wichtigen Hinsicht gleichen, nämlich beides Wahlen Adenauers zum Kanzler sind. Eine Wahl Adenauers zum Kanzler zu sein, ist aber eine Eigenschaft, die im Prinzip beliebig viele Ereignisse haben können, ohne daß dies an ihrer Verschiedenheit etwas änderte. Damit ist eine vollkommen zufriedenstellende Erläuterung der (vermeintlichen) Wiederkehr von Ereignissen gegeben, die ohne die These der Identität der betroffenen Ereignisse auskommt. 13 *

Aus den Überlegungen der letzten Seiten haben sich zwei Gründe ergeben, skeptisch gegenüber Chisholms These zu sein, Ereignisse seien Sachverhalte. Zum einen folgt aus der Individuation der Sachverhalte durch die kognitive Gleichwertigkeit, daß man sich Ereignisse sehr dünn zu denken habe, dünner als es Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis erforderlich macht. Zum anderen sind Sachverhalte und damit Ereignisse ewig, ihr vermeintlich zeitlicher Charakter muß unter Zuhilfenahme der Unterscheidung zwischen Existenz und Vorkommen erklärt werden; und das ist eine in manchen Augen obskure Unterscheidung. Diesen kontraintuitiven Konsequenzen steht die Events and Propositions, S. 21. Diesen Vorschlag zum Thema Wiederkehr diskutiert Davidson ausführlich in Eternal vs. Ephemeral Events, S. 192.

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Behauptung Chisholms entgegen, nur im Rahmen seines Ereignisverständnisses lasse sich das Phänomen der Wiederkehr von Ereignissen erklären. Doch es zeigt sich, daß auf der einen Seite Chisholms Erläuterungen der Wiederkehr befremdliche Konsequenzen für die Kausalbeziehungen der mehrmals vorkommenden Ereignisse haben - also unbefriedigend sind -, und daß es auf der anderen Seite eine viel natürlichere Erklärung der Wiederkehr gibt, die das mehrfache Vorkommen eines Ereignisses als das Stattfinden mehrerer verschiedener, sich aber in einer Hinsicht gleichender Ereignisse erklärt. Die Diskussion des Vorschlags Chisholms hat genug Anhaltspunkte ergeben, ihn zu verwerfen und erneut auf die Suche nach der Individuationsbedingung für Ereignisse zu gehen.

Kapitel 5 Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

Einer der Einwände gegen Chisholms Vorschlag für die Ereignis-Individuation besagt, daß Chisholm Ereignisse zu fein auffächert. Der Vorschlag für die Ereignis-Individuation, um den es in diesem Kapitel gehen wird, setzt nun genau an dem Unterschied zwischen der unplausibel hohen Feinkörnigkeit bei Chisholm und der durch Goldmans Argumentation gestützten moderateren Feinkörnigkeit an. Das läßt sich gut an den beiden Adenauer-Beispielen demonstrieren: Sowohl für Chisholm als auch für Goldman ist das Ereignis, daß Adenauer 1961 zum Bundeskanzler gewählt wurde, verschieden von dem Ereignis, daß Adenauer 1961 mit knapper Mehrheit zum Bundeskanzler gewählt wurde. Aber Chisholm muß darüber hinaus behaupten, es sei auch verschieden von dem Ereignis, daß der erste CDU-Vorsitzende 1961 zum Kanzler gewählt wurde, und für diese Verschiedenheit läßt sich nicht so argumentieren, wie Goldman für sein feinkörniges Verständnis argumentiert hat. Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Beispielen? Wenn man fragt, ob Adenauers Wahl zum Kanzler und die Wahl des ersten CDU-Vorsitzenden zum Kanzler dasselbe Ereignis sind, dann verwendet man zwei Ereignisbeschreibungen, die sich in der Beschreibung dessen unterscheiden, mit dem etwas geschieht. Fragt man dagegen, ob Adenauers Wahl zum Kanzler und seine Kanzler-Wahl mit knapper Mehrheit dasselbe Ereignis sind, dann unterscheiden sich die verwendeten Ereignisbeschreibungen in der Beschreibung dessen, HOS mit ihm geschieht. Der erste Schritt in Richtung des neuen Vorschlags für die Ereignis-Individuation ist die Annahme, daß sich diese beiden Merkmale an jedem Ereignis finden lassen: bei jedem Ereignis gibt es jemanden (oder etwas) mit dem etwas passiert, und es gibt etwas, was mit ihm passiert. Das erklärt, weshalb es so unplausibel ist, daß die Kanzler-Wahl Adenauers und die Kanzler-Wahl des ersten CDU-Vorsitzenden verschiedene Ereignisse sind. Derjenige, mit dem in den beiden vermeintlich verschiedenen Ereignissen etwas geschieht, ist Konrad Adenauer, unabhängig davon, ob man ihn mit seinem

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Namen oder mit der Beschreibung als erstem CDU-Vorsitzenden bezeichnet. Es passiert also dasselbe mit derselben Person - warum sollen es dann zwei verschiedene Ereignisse sein?! Um dieselbe Person, mit der etwas geschieht, handelt es sich auch, wenn man fragt, ob Adenauers Wahl und seine Wahl mit knapper Mehrheit identisch sind; aber es ist nicht dasselbe, was mit ihr geschieht. Diese Überlegung stützt den folgenden Vorschlag für die Ereignis-Individuation. Der Vorschlag stammt von Jaegwon Kim. Er lautet: Zwei Ereignisse sind identisch, wenn sie im Ereignis-Träger, der ereigniskonstituierenden Eigenschaft und dem Zeitraum, in dem der Träger die Eigenschaft hat, übereinstimmen.1 Jedes Ereignis hat also für Kim einen Träger, im Beispiel ist der Träger Konrad Adenauer und damit eine Person, der Träger ist aber auch häufig ein materieller Gegenstand. Dieser Träger hat in einem Zeitraum oder zu einem Zeitpunkt, kurz an einem Datum, eine bestimmte Eigenschaft - Adenauer hat die Eigenschaft, zum Kanzler gewählt zu werden -, und diese Eigenschaft konstituiert das Ereignis. Stimmen Träger, konstitutive Eigenschaft und Datum überein, dann handelt es sich um identische Ereignisse. Ereignisse sind, wie Kim es selbst nennt, Eigenschafts-Exemplifikationen (property exemplifications).2

In dieser Form ist Kims Vorschlag allerdings offenkundig unzureichend. Das demonstriert ein Gegenbeispiel Davidsons: Mary kann um Mitternacht zwei Verehrer küssen und hat zu diesem Zeitpunkt trotzdem die eine Eigenschaft, irgendeinen Verehrer zu küssen - es finden also zwei Ereignisse statt, aber es gibt nur eine Trägerin (Mary), eine Eigenschaft (die Eigenschaft, irgendeinen Verehrer zu küssen) und ein Datum (Mitternacht).3 Mit dem Beispiel möchte Davidson zeigen, daß es eher zufällig ist, daß Kims vermeintliche Identitätsbedingung im großen und ganzen hinreichend ist, daß sie aber auf keinen Fall generell gilt. Meistens küßt man zu einem Zeitpunkt nur einen Verehrer, deshalb sind Ereignisse, die in der Eigenschaft, irgendeinen Verehrer zu küssen, dem Datum und der küssenden Person übereinstimmen in der Regel identisch. Sollte man aber, wie Mary, das Glück haben, Schlag Mitternacht zwei Verehrer zu

Vgl. z.B. Events as Property Exemplifications, S. 161. Events as Property Exemplifications, S. 160. Es ist wichtig, nicht aus den Augen zu verlieren, daß die ereigniskonstitutive Eigenschaft, deren Exemplifikation das Ereignis ist, keine Eigenschaft des Ereignisses, sondern eine Eigenschaft des Ereignis-Trägers ist. The Individuation of Events, S. 167-68. Die etwas sonderbare Formulierung, Mary küsse irgendeinen Verehrer, ist nötig, um die im Deutschen mögliche Verwechslung des Akkusativs des unbestimmten Artikels "ein" mit dem des Zahladjektivs "ein" auszuschließen.

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küssen, dann handelt es sich um zwei Ereignisse, und damit ist Kims Individuationsbedingung als nicht hinreichend entlarvt. Kim erweitert deshalb seinen oben genannten Vorschlag: Nicht jedes Ereignis hat einen Träger und eine konstitutive Eigenschaft, viele Ereignisse haben mehrere Träger und eine das Ereignis konstituierende Beziehung: dyadische Ereignisse haben zwei Träger und eine konstitutive zweistellige Beziehung, triadische drei Träger und eine konstitutive dreistellige Beziehung etc. 4 Dieser Ausweitung entsprechend lautet Kims Vorschlag für eine Individuationsbedingung für Ereignisse: Ereignisse sind identisch, wenn sie in den Trägern (in geordneter Folge5), der konstitutiven Eigenschaft oder Beziehung und dem Datum übereinstimmen. Nach dieser Erweiterung der Ereignis-Konzeption Kims läßt sich Davidsons Einwand leicht ausräumen. Die beiden verschiedenen Ereignisse, die um Mitternacht stattfinden, sind dyadisch, und sie unterscheiden sich jeweils in einem der Träger, dem geküßten Verehrer, deshalb ist ihre Verschiedenheit mit Kims Identitätsbedingung verträglich. Man könnte sich darüber hinaus überlegen, ob neben diesen beiden dyadischen Ereignissen auch noch ein monadisches Ereignis stattfindet, dessen Trägerin Mary ist und dessen konstitutive Eigenschaft es ist, irgendeinen Verehrer zu küssen, oder ob man besser sagen sollte, daß die Behauptung, Mary habe irgendeinen Verehrer geküßt, so zu verstehen sei, daß mindestens ein dyadisches Ereignis stattgefunden habe, dessen eine Trägerin Mary und dessen anderer Träger ein Verehrer gewesen sei. Kim zieht die erste Alternative vor, 6 mir scheint die zweite näherliegend, doch wesentlich ist, daß beide mit Kims Vorschlag vereinbar sind.

Ein anderer Einwand gegen Kim hilft ebenfalls, dessen Ereignis-Verständnis zu klären. Lawrence B. Lombard weist darauf hin, daß es manchmal zur selben Zeit mehrere Erdbeben gibt, z.B. am 4.10.1984 mittags in den USA und Japan. Dann ist es ein Ereignis, daß in den USA die Erde bebt, und es ist ein davon verschiedenes Ereignis, daß in Japan die Erde bebt. Beide Ereignisse stimmen aber im Träger (der Erde), der Eigenschaft (dem Beben) und dem Datum (4.10.1984, 12.00 Uhr) überein. Nach Kim müßten sie deshalb identisch sein, sind es aber offenkundig nicht; also ist Kims Identitätsbedingung nicht hinreichend.7

Vgl. Causation, Nomic Subsumption, and the Concept of Event, S. 223. Dieser Zusatz verhindert, daß das Ereignis, daß Hans um Mitternacht Gretel bestiehlt, mit dem Ereignis identifiziert wird, daß um Mitternacht Gretel Hans bestiehlt. Events as Property Exemplifications, S. 166. Events: A Metaphysical Study, S. 57-58.

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Das Beispiel ähnelt in vielem Davidsons Mary-Beispiel. Auch in Lombards Beispiel sollte man von der Existenz zweier dyadischer Ereignisse ausgehen: die Erde und die USA sind die Träger des einen Ereignisses, die Erde und Japan sind die Träger des anderen Ereignisses und die konstitutive Beziehung ist bei beiden Ereignissen, daß der eine Träger am Ort des anderen bebt. 8 Anders aber als in Davidsons Beispiel liegt es hier durchaus nahe zuzugestehen, daß es außer diesen beiden dyadischen Ereignissen ein monadisches Ereignis gegeben hat: einfach das Ereignis, daß die Erde bebt. Der ursprüngliche Einwand, es hätten simultan zwei solcher Ereignisse, daß die Erde bebt, stattgefunden, ist durch die Existenz der beiden dyadischen Ereignisse entkräftet. Aber daß ein solches Ereignis stattgefunden hat, ist plausibel. Die interessante Frage ist dann, in welcher Beziehung das monadische Erdbeben und die beiden dyadischen Erdbeben in den USA und Japan zueinander stehen, denn man wird nur schlecht behaupten können, daß damit am 4.10.84 drei verschiedene Ereignisse stattgefunden haben, aber andererseits haben, Kim zufolge, drei nicht identische Ereignisse stattgefunden. Die Antwort muß lauten: die beiden dyadischen Ereignisse sind Teile des monadischen Ereignisses, das Beben der Erde am 4.10.84 umfaßt sowohl das Beben in den USA als auch das Beben in Japan. Teil-Ganzes-Beziehungen bieten einen wichtigen Ausweg, wenn man auf der einen Seite zwei Ereignisse nicht identifizieren möchte, auf der anderen Seite aber auch nicht behaupten möchte, es seien verschiedene Ereignisse. Wenn das Beben der Erde die beiden regionalen Beben umfaßt, dann ist es genauso harmlos zu sagen, es hätten drei nicht identische Ereignisse stattgefunden, wie es harmlos ist zu behaupten, daß sich drei Gegenstände in einem Zimmer befinden: ein Tisch, eine Tischplatte und ein Tischuntergestell, ohne daß dies drei verschiedene Gegenstände sind (weshalb wir gewöhnlich sagen würden, daß sich im Zimmer der Tisch befindet und sonst nichts). Das Beispiel Lombards zeigt darüber hinaus, daß das Ganze und seine Teile von beliebiger Polyadizität sein können; dyadische Ereignisse können Teile monadischer Ereignisse sein, monadische, wie das Einstürzen eines Neubaus, können aber auch Teile eines dyadischen Ereignisses sein, z.B. des Erdbebens in den USA, und so weiter.

Das ist nicht die einzige Möglichkeit, das Beispiel in Kims Ereignis-Konzeption zu integrieren, man kann auch behaupten, daß die beiden Ereignisse monadisch seien, daß aber nicht die ganze Erde ihr Träger sei, sondern nur das jeweils beteiligte Stück Erdkruste, im einen Fall das der USA, im anderen das Japans.

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Nachdem die Einwände Davidsons und Lombards nur zur Illustration weiterer Teile dieser Konzeption dienten, geht es nun um die letztlich entscheidenden beiden Fragen, erstens ob die von Kim vorgeschlagene Identitätsbedingung als Individuationsbedingung tauglich ist, und zweitens, ob sie überhaupt wahr ist. *

Die Frage der Tauglichkeit als Individuationsbedingung hat vor allem bei der Diskussion des Vorschlags Davidsons im zweiten Kapitel eine wichtige Rolle gespielt. Einer der Einwände gegen die Tauglichkeit von Davidsons Vorschlag betraf die Frage, ob Ereignisse abhängige Entitäten sind wie die Mengen oder unabhängige wie die materiellen Gegenstände. (Unabhängig sind Entitäten, denen eine Eigenschaft wesentlich ist, abhängig sind Entitäten, denen keine Eigenschaft, sondern eine Beziehung zu Entitäten anderer Kategorien wesentlich ist.) Die von Davidson vorgeschlagene Identitätsbedingung hat den Nachteil, daß ihr zufolge die Ereignisse weder abhängig noch unabhängig sind. Gegen Kim dagegen läßt sich dieser Vorwurf nicht erheben. Es ist den Ereignissen wesentlich, einen Träger zu haben, der zu einer bestimmten Zeit eine das Ereignis konstituierende Eigenschaft hat; diese Beziehung zu Trägern, also Personen oder materiellen Gegenständen, und Eigenschaften macht die Ereignisse zu abhängigen Entitäten. Insofern erfährt man von Kim deutlich mehr über Ereignisse als von Davidson.9 Ein weiteres Kriterium für Individuationsbedingungen ist die Spezifitätsforderung: Die Eigenschaft oder Beziehung, die Entitäten einer Kategorie individuiert, muß diesen Entitäten spezifisch sein - Entitäten anderer Kategorien dürfen diese Eigenschaft nicht haben können, bzw. die Beziehung nicht eingehen können. Das bedeutet für Kims Vorschlag, daß es keine Nicht-Ereignisse geben darf, die ebenfalls einen Träger haben, eine konstitutive Eigenschaft und ein konstitutives Datum. Das nötigt Kim zu einem für sein Ereignis-Verständnis wichtigen Schritt: Kim zählt auch die Zustände zu den Ereignissen. Wenn Ereignisse einen Träger und eine konstitutive Eigenschaft haben, dann auch die

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Wenn man hinzufügt, daß Ereignisse auch von Daten abhängen, dann müssen auch materielle Gegenstände abhängige Entitäten sein; ich weiß zu dem Thema der Existenz von Zeitpunkten oder -räumen nichts zu sagen. Auch Kim sagt darüber nichts.

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Zustände. Deshalb läßt sich die Spezi fi tätsforderung nur erfüllen, wenn man die Zustände für eine Spezies der Ereignisse erklärt. 10 Es bleibt das dritte oben im Rahmen der Diskussion von Davidsons Vorschlag genannte Kriterium für die Tauglichkeit einer Identitätsbedingung als Individuationsbedingung, die Frage, ob die Identitätsbedingung ein Identifikations-Kriterium bietet. Und auch in dieser Hinsicht ist an Kims Vorschlag zumindest vorderhand - nichts auszusetzen. Man kann feststellen, ob es sich bei den Trägern zweier Ereignisse um denselben Gegenstand oder dieselbe Person handelt, ohne bereits zu wissen, daß die Ereignisse identisch sind; dasselbe gilt für die konstitutive Eigenschaft und das Datum. Diese Überlegungen zeigen, daß es keinen Grund gibt, daran zu zweifeln, daß die von Kim vorgeschlagene Identitätsbedingung als Individuationsbedingung tauglich ist. Die entscheidende Frage für die Beurteilung des KimVorschlags ist deshalb, ob die Identitätsbedingung korrekt ist, d.h. ob es stimmt, daß Ereignisse identisch sind, wenn sie im Träger, der konstitutiven Eigenschaft und im Datum übereinstimmen. *

Die Wahrheit des Kim-Vorschlags kann auf zweierlei Weise in Zweifel gezogen werden. Entweder man behauptet, daß es Ereignisse gibt, die im Träger, der konstitutiven Eigenschaft und dem Datum übereinstimmen, ohne identisch zu sein; oder man bestreitet, daß alle Ereignisse Träger, konstitutive Eigenschaften und Daten haben. Die Kritik, die in den verbleibenden beiden Abschnitten dieses Kapitels diskutiert wird, gehört zum zweiten Typ. Es gibt einige offensichtliche Beispiele für Ereignisse, die zumindest auf den ersten Blick keinen Träger haben: Regnen, Knallen etc. 11 Wenn es heute nachmittag regnet, dann ist das zweifellos ein Ereignis, gleichwohl ist es nicht ersichtlich, wer oder was der Träger dieses Ereignisses ist. Das gleiche gilt, wenn zwei Güterwagons aneinanderstoßen und es knallt; Sektkorken und Luftballons können knallen und sind dann die Träger dieser Ereignisse, aber die Wagons auf dem Bahnhof knallen nicht, hier knallt "es". Diese Fälle erlauben sicher einen 10

11

Kim selbst rechtfertigt diesen Schritt unabhängig von der Spezifitätsfoiderung durch die breite Grauzone nicht klar zuordenbarer Phänomene und durch den etablierten philosophischen Sprachgebrauch, den Ausdruck "Ereignis" auch für Zustände zu verwenden. (Vgl. Events as Property Exemplifications, S. 159-60.) Vgl. Peter Strawson, Individuals, S. 46, und Wolfgang Kiinne, P.F.Strawson: Deskriptive Metaphysik, S. 184.

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berechtigten Einwand gegen Kims Ereignisverständnis, und ich kenne keine Textstelle, in der er sich diesem Einwand stellt - doch andererseits gibt es auch nicht allzu viele Beispiele dieser Art. 12 Man würde sie deshalb wohl kaum zu Anlaß nehmen, ein ansonsten plausibles Ereignisverständnis aufzugeben. Es gibt aber noch eine zweite Gruppe von Gegenbeispielen. Die Ereignisse dieser Gruppe haben zwar auf den ersten Blick einen Träger - im Ereignissatz steht an der Subjektstelle mehr als bloß das Wörtchen "es" - aber beim näheren Hinsehen wird es doch sehr zweifelhaft, ob es sich dabei tatsächlich um einen Träger handelt. Von Lombard stammt das Beispiel einer Schneeschmelze.13 Wenn man zugesteht, daß die Schneeschmelze dieses Frühjahr in den Alpen ein Ereignis war, dann steht man im Rahmen von Kims Konzeption vor dem Problem, den Schnee in den Alpen als Ereignisträger und damit als einen materiellen Gegenstand ansehen zu müssen, und das ist wenig plausibel. Die einzelnen Schneekristalle sind Gegenstände, und auch ein Schneemann oder eine Wächte sind Gegenstände, aber nicht der Schneemann und die Wächte zusammen; nicht jede Kollektion von Gegenständen bildet wiederum einen Gegenstand. Andere Gegenbeispiele, die in dieselbe Gruppe gehören, sind der Anstieg der Luftfeuchtigkeit heute abend oder die Reflexion von Schallwellen durch eine Mauer weder die Luftfeuchtigkeit noch Schallwellen scheinen als Ereignisträger geeignet zu sein, wenn man darunter einen materiellen Gegenstand (oder eine Person) versteht. Auch für diese Gruppe von Beispielen gibt es meines Wissens keine Erläuterung Kims, doch da es sich ebenfalls um relativ exotische Ereignisse handelt, darf man auch sie als Belege für die Falschheit der Kim-Konzeption nicht überbewerten. Die dritte Gruppe von Ereignissen, die sich der Interpretation als Eigenschafts-Exemplifikationen sperren, ist in zweierlei Hinsicht die wichtigste, zum einen lassen sich diese Ereignisse ganz bestimmt nicht als Exoten abqualifizieren, zum anderen ergibt sich aus der Betrachtung dieser Beispiele auch eine mögliche Erklärung für Kims Probleme mit den Ereignissen der ersten beiden Gruppen. Die Ereignisse der dritten Gruppe sind Ereignisse im emphatischen Sinne: wirkliche, große Ereignisse - und zwar so große Ereignisse, daß sie einen Namen bekommen haben, z.B. der Erste Weltkrieg oder die Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien. Das Verblüffende und für Kims Vorschlag letztlich MißIiche ist, daß es gerade bei diesen Ereignissen schwer fallt zu sagen, wer oder was ihre Träger und konstitutiven Eigenschaften sind. 12 13

Auf die Seltenheit solcher Beispiele hat mich im Gespräch Peter Bieri hingewiesen. Events: A Metaphysical Study, S. 123.

Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

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Das ist nicht so deutlich wie bei den beiden anderen Gruppen. Gerade wenn man sich durch die Beispiele der zweiten Gruppe ohnehin genötigt sieht, den Begriff eines Ereignisträgers sehr liberal auszulegen, dann scheint es offenkundig zu sein, daß im Fall des Weltkriegs die beteiligten Staaten und im Fall der Fußballweltmeisterschaft die Mannschaften die Träger sind; und die (mehrstelligen) konstitutiven Eigenschaften sind dann: gegeneinander Krieg führen resp. um die Meisterschaft kämpfen. Doch wenn die Mannschaften die Träger einer Fußballweltmeisterschaft sind, wo bleiben dann die Schiedsrichter, Funktionäre, Reporter und nicht zuletzt die Zuschauer? Sind sie nicht ebenfalls Träger der Weltmeisterschaft? Oder, könnte man auch fragen, kann man nicht auch in ihnen die Träger der Meisterschaft sehen? Wenn bei zwei Fußballweltmeisterschaften der Zeitpunkt und die Zuschauer übereinstimmen, dann handelt es sich um ein und dieselbe Meisterschaft - dasselbe gilt für ein Übereinstimmen in den Trainern plus Datum, Reportern plus Datum (und auch Bällen plus Datum, Stadien plus Datum) etc. Aber Ereignisse, deren Träger die Zuschauer sind, sind für Kim verschieden von Ereignissen, deren Träger die Spieler oder Ereignissen, deren Träger die Trainer sind; welches dieser Ereignisse ist also die Fußballweltmeisterschaft? Im Unterschied zu den Beispielen der ersten beiden Gruppen herrscht bei Ereignissen wie Weltmeisterschaften kein Mangel, sondern eher ein Überfluß an potentiellen Ereignisträgern. Doch die Schwierigkeit, sich zwischen diesen zu entscheiden, läßt vermuten, daß auch hier die Frage nach den Trägern des Ereignisses falsch gestellt ist. Eine Weltmeisterschaft ist nicht entweder ein Ereignis, dessen Träger die Spieler sind, oder eines, dessen Träger die Zuschauer sind, es ist sowohl das eine als auch das andere. Das bedeutet nicht, daß es Ereignisse mit verschiedenen Trägern und konstitutiven Eigenschaften gibt, es bedeutet, daß das, was die Mannschaften tun, was die Zuschauer und was die Schiedsrichter tun, zur Fußballweltmeisterschaft gehört. Jedes dieser Ereignisse ist ein Teil des Gesamtereignisses Weltmeisterschaft, aber keines der Teile erschöpft diese Meisterschaft. Die Teile spielen eine so große Rolle für die Meisterschaft, daß sie ausreichen, die Identität des komplexen Gesamtereignisses zu gewährleisten, aber gerade weil es mehrere gleichermaßen geeignete Teile mit verschiedenen Trägern gibt, folgt daraus nichts über die Träger des Gesamtereignisses. Kims Ereigniskonzeption läßt es zu, in Ereignissen Teile anderer Ereignisse zu sehen, das hat sich oben an Lombards Erdbeben-Beispiel gezeigt. Aber auch die komplexen Ereignisse müssen für Kim ihrerseits wieder Träger und konstitutive Eigenschaften haben, und die Gegenbeispiele der dritten Gruppe, wie z.B.

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Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

die Fußballweltmeisterschaft, deuten darauf hin, daß diese Bedingung gerade für besonders prominente Ereignisse möglicherweise nicht immer erfüllt ist - und wenn das stimmt, dann wäre das fatal für Kims Ereignisverständnis. Diese Diagnose der Schwierigkeiten, Weltmeisterschaften Träger zuzuordnen, wird noch dadurch gestützt, daß sie sich auch auf die Beispiele der ersten beiden Gruppen übertragen läßt. Weshalb findet sich kein Träger für das Ereignis, daß es regnet, und zumindest kein ordentlicher Träger dafür, daß die Luftfeuchtigkeit steigt? - Antwort: Weil sich auch diese Ereignisse aus einer Vielzahl von Teilereignissen zusammensetzen, die zwar selbst eventuell Träger haben (der Regentropfen ist der Träger des Ereignisses, daß er vom Himmel fällt), deren Komplex aber ebensowenig einen Träger hat wie die Fußballweltmeisterschaft. Diese Diagnose wird sich am Ende bestätigen; es ist letztlich das zentrale Problem für Kims Ereigniskonzeption, daß sie dem Teil-Ganzes-Verhältnis von Ereignissen nicht gerecht wird. Aber weil die Beispiele der ersten beiden Gruppen, wie gesagt, einen eher exotischen Charakter haben und es für die der dritten Gruppe zumindest Kandidaten für Ereignisträger gibt (wenn auch viel zu viele), ist die Widerlegung durch die Beispiele der drei Gruppen nicht so schlagend, daß sich eine weitere Beschäftigung mit Kims Konzeption erübrigte. Die Beispiele sollen deshalb bis zum Ende des dreizehnten Kapitels zurückgestellt werden, wo sie gut zu den anderen Schwierigkeiten für Kims Ereignisverständnis passen. Die Überlegungen dieses Abschnitts richteten sich gegen Kims These, alle Ereignisse hätten Träger. Man kann aber auch bezweifeln, daß alle Ereignisse eine konstitutive Eigenschaft haben. Das ist das Thema des nächsten Abschnitts. *

Kim zufolge sind Ereignisse abhängige Entitäten. Diese Ansicht ist nur dann akzeptabel, wenn es die Entitäten, von denen sie abhängig sein sollen, auch gibt; eine Beziehung zu Entitäten einer anderen Kategorie kann den Ereignissen nur dann wesentlich sein, wenn solche Entitäten überhaupt existieren. Das bedeutet, daß die von Kim vorgeschlagene Identitätsbedingung nur dann wahr ist, wenn es die Ereignisträger und konstitutiven Eigenschaften gibt. Ereignis-Träger sind materielle Gegenstände oder Personen, beides Kategorien von Entitäten, deren

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Existenz außer Frage steht. 14 Ob es dagegen in diesem Sinn auch Eigenschaften und Beziehungen gibt, ist nicht so selbstverständlich.15 Zweifel daran ergeben sich zum einen aus semantischen Überlegungen, die erst weiter unten zur Sprache kommen werden, zum anderen aus dem Problem, eine Individuationsbedingung pir Eigenschaften zu finden. Im verbleibenden Teil dieses Kapitels werden drei Vorschläge für eine solche Bedingung kurz vorgestellt. Keiner dieser Vorschläge ist ganz problemlos, aber der dritte ist deutlich der attraktivste, und da Kim voraussetzen muß, daß es Eigenschaften gibt, bleibt ihm letztlich wenig anderes übrig, als einem Eigenschaftsverständnis beizupflichten, das diesem dritten Vorschlag entspricht.

Es gibt auch bei den Eigenschaften einen Dissens, wie feinkörnig Eigenschaften aufzufassen sind. Die beiden Pole werden durch zwei Vorschläge für Identitätsbedingungen markiert, deren prominente Vertreter Rudolf Carnap für ein feinkörniges und Quine für ein grobkörniges Eigenschaftsverständnis sind. Carnap vertritt die Ansicht, daß Eigenschaften identisch sind, wenn die Ausdrücke, mit denen man sich auf sie bezieht, 'L-äquivalent' sind, und das heißt in etwa, wenn sie synonym sind. 16 Carnap beabsichtigt nicht, damit eine Individuationsbedingung im hier geforderten Sinn zu geben, aber sein Vorschlag ist z.B. von Goldman als Individuationsbedingung übernommen worden 17 , und deshalb fragt es sich, ob es tatsächlich eine Individuationsbedingung ist. Ein unmittelbares Problem für Carnaps Vorschlag bilden Eigenschaften, für die es keinen sprachlichen Ausdruck gibt. Aber sieht man von diesen ab und setzt man voraus, daß es überhaupt Eigenschaften gibt, dann ist es sicher wahr, daß sich synonyme Ausdrücke für Eigenschaften auf dieselbe Eigenschaft beziehen. Gleichwohl ist das keine taugliche Individuationsbedingung, denn die Spezifitätsbedingung wird eklatant verletzt: Für alle Entitäten gilt, daß sich aus der Synonymie der sie bezeichnenden Ausdrücke auf die Identität der Entitäten schließen läßt.

14 15 16 17

Damit meine ich nicht, daß es außer Frage steht, daß es sich um zwei verschiedene Kategorien handelt. Ich beschränke mich in der weiteren Diskussion in diesem Kapitel auf die Eigenschaften und gehe davon aus, daß sich das Gesagte mutatis mutandis auf die Beziehungen übertragen läßt. Meaning and Necessity, §§2-4, insbesondere Konvention 2-1 und Satz 4-11. Vgl. auch Wolfgang Kiinne, Abstrakte Gegenstände, S. 245 ff. A Theory of Human Action, S. 12-14.

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Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

Das wird besonders offenkundig, wenn man daran denkt, daß die ursprüngliche Unterscheidung zwischen der Referenz und dem Sinn eines Ausdrucks bei Gottlob Frege aus der Frage entstand, wie man erklären könnte, daß manche Identitäts-Urteile, im Gegensatz zu anderen, evident wahr sind. Freges Antwort lautete: Evident wahr sind diejenigen Identitäts-Urteile, bei denen die Ausdrücke auf beiden Seiten des IdentitätsZeichens den gleichen Sinn haben, sprich: synonym sind.l® Man erfährt aus Carnaps Identitätsbedingung also nicht, was Eigenschaften sind, sondern bestenfalls, was es heißt, daß bestimmte Ausdrücke synonym sind. Ebenso problematisch wie der zu weite Geltungsbereich der SynonymieBedingung Carnaps ist ein anderes Charakteristikum dieses Vorschlags. Individuationsbedingungen sollen einer Kategorie wesentliche Eigenschaften nennen, im Fall der Eigenschaften also wesentliche Eigenschaften der Eigenschaften. Die folgende Reformulierung zeigt nun, weshalb Carnaps Identitätsbedingung diese Forderung nicht erfüllt. Carnap behauptet: Die Eigenschaft F und die Eigenschaft G sind identisch, wenn "F" und "G" synonym sind. In dieser Identitätsbedingung aber ist von Eigenschaften der Eigenschaften keine Rede, nur von einer Eigenschaft der in der Identitäts-Behauptung verwendeten sprachlichen Ausdrücke (ihrer Synonymie). Carnaps Identitätsbedingung kann keine Individuationsbedingung für Eigenschaften sein. Daß Carnap, wie oben angekündigt, eine Extremposition in der Frage einnimmt, ob Eigenschaften grob- oder feinkörnig aufzufassen sind, liegt aber nicht an seiner Identitätsbedingung. Gerade die generelle Gültigkeit der Behauptung, daß synonyme Ausdrücke für identische Entitäten stehen, die sie als Individuationsbedingung untauglich macht, ist auch für ihre Neutralität in der Frage der Korngröße verantwortlich - unabhängig davon wie grob- oder feinkörnig man Eigenschaften unterscheidet, wenn sie sich durch Synonyma ausdrücken lassen, sind sie auf jeden Fall identisch. Zu einem Vertreter eines feinkörnigen Eigenschaftsverständnisses wird Carnap erst dadurch, daß er darüber hinaus behauptet, eine Implikationsbeziehung zwischen Synonymie und Eigenschafts-Identität bestehe auch in die andere Richtung: Urteile über die Identität von Eigenschaften seien nur dann wahr, wenn die verwendeten Ausdrücke synonym sind. (Auch diese Ansicht teilt Goldman.) Ohne ergänzenden Kommentar wäre die Behauptung Carnaps offenkundig falsch. Es gibt viele nicht-synonyme Weisen, sich auf ein und dieselbe Eigenschaft zu beziehen (immer vorausgesetzt, daß es überhaupt Eigenschaften gibt) "Die Farbe der Wand da drüben ist mit der Farbe unseres Sofas identisch" kann Vgl. Freges Aufsatz Über Sinn und Bedeutung. (Bekanntermaßen verwendet Frege nicht den Terminus "Referenz", sondern den zu Mißverständnissen einladenden Terminus "Bedeutung".)

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wahr sein, ohne daß "die Farbe der Wand da drüben" und "die Farbe unseres Sofas" synonym sind. Doch dieser Einwand trifft Carnap nicht, weil er die Ausdrücke, von denen in seiner Identitätsbedingung die Rede ist, auf Prädikate beschränkt (auch darin schließt sich Goldman ihm an). Der viel schwerer wiegende Einwand gegen das feinkörnige Eigenschaftsverständnis Carnaps und Goldmans besagt, daß diesem Verständnis zufolge Urteile über die Identität von Eigenschaften niemals erkenntniserweiternd wären. Es gibt in diesem Eigenschaftsverständnis nur die Alternative: Entweder man weiß, ob ein Identitäts-Urteil über Eigenschaften wahr ist, oder man versteht die darin verwendeten Ausdrücke nicht. 19 Insbesondere wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, ob zwei Eigenschaften identisch oder verschieden sind, wären ausgeschlossen. Damit aber ständen die Eigenschaften einzig da unter den Entitäten. Die Untauglichkeit der Synonymie-Bedingung als Individuationsbedingung für Eigenschaften und die Unplausibilität der Wissenschaftsimmunität des diesen Vorschlag begleitenden feinkörnigen Eigenschaftsverständnisses motiviert dazu, sich dem anderen Pol der Debatte zuzuwenden, dem Vorschlag Quines.

Die einzig sinnvolle Individuationsbedingung für Eigenschaften lautet Quine zufolge: Zwei Eigenschaften sind identisch, wenn alle Entitäten, die die eine Eigenschaft haben, auch die andere haben, und vice versa, d.h. wenn die beiden Eigenschaften um fangsgleich, wenn sie koextensiv sind. 20 Im Gegensatz zu Carnaps Identitätsbedingung ist der Vorschlag Quines ganz sicher als Individuationsbedingung tauglich: Den Eigenschaften ist es wesentlich, daß sie auf bestimmte Entitäten zutreffen, auf andere nicht; und das ist eine Antwort auf die Frage, was Eigenschaften sind. Das Problem für Quines Vorschlag ist nicht die Tauglichkeit der vorgeschlagenen Identitätsbedingung, sondern ihre Wahrheit. Das daraus resultierende Eigenschaftsverständnis ist zu grobkörnig. Quine selbst nennt ein Beispiel, das dies demonstriert: Alle Lebewesen mit einem Herz haben auch eine Niere und umgekehrt, gleichwohl möchte man nicht sagen, bei der Eigenschaft, ein Für dieses Argument sei vorausgesetzt, daß es sich um Identitäts-Urteile handelt, in denen es, wie bei Carnap, um die Identität der durch zwei Prädikate ausgedrückten Eigenschaften geht, nicht also etwa um das Übereinstimmen von Sofa-Faibe und WandFarbe. Quine diskutiert die Individuation von Eigenschaften in Quiddities, S. 22-23, in Word

and Object, S. 209-11, in Speaking of Objects, S. 29 ff., und besonders ausführlich in On the Individuation of Attributes.

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Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

Lebewesen mit einem Herz zu sein, und der Eigenschaft, ein Lebewesen mit einer Niere zu sein, handele sich um ein und dieselbe Eigenschaft - also gibt es koextensive und gleichwohl verschiedene Eigenschaften. Quine akzeptiert diese Kritik bereitwillig. Und weil er, wie gesagt überzeugt ist, daß es keinen besseren Alternatiworschlag für eine Individuationsbedingung gibt, zieht er daraus den Schluß, daß es Eigenschaften in dem gebräuchlichen Sinn (in dem man auch koextensive Eigenschaften häufig unterscheiden möchte) nicht gibt; was es seiner Meinung nach gibt, sind koextensiv individuierte Eigenschaften, doch das sind keine Eigenschaften im gebräuchlichen Sinn (sondern eigentlich nichts anderes als Mengen). 21 Im Rahmen der Diskussion der Ereignis-Konzeption Kims ist das aber kein gangbarer Weg; wenn Eigenschaften so grobkörnig unterschiedene Entitäten wären, wären Ereignisse offenkundig keine Eigenschafts-Exemplifikationen. Kims Ereignis-Konzeption basiert auf der Existenz von Eigenschaften im gewöhnlichen Sinn, er ist also darauf angewiesen, Individuationsbedingungen für diese Eigenschaften zu finden.

Carnaps Eigenschaftskonzeption hat sich als zu feinkörnig, Quines als zu grobkörnig herausgestellt. Der dritte Vorschlag sucht die Mitte zwischen diesen beiden Positionen, indem er die Lehren aus den kritischen Einwänden gegen Carnaps feinkörniges Eigenschafts-Verständnis und Quines grobkörnige Individuationsbedingung kombiniert. Der Haupteinwand gegen Carnap betrifft die Wissenschaftsimmunität der Eigenschaften, der Haupteinwand gegen Quine die fehlende Unterscheidung z.B. zwischen der Eigenschaft, ein Lebewesen mit Herz, und der Eigenschaft, ein Lebewesen mit Niere zu sein. Weshalb ist es so unplausibel, diese beiden Eigenschaften für ein und dieselbe Eigenschaft zu halten? Es liegt daran, daß es zwar tatsächlich so ist, daß alle Lebewesen mit Herz auch eine Niere haben und alle mit Niere ein Herz, doch daß es auch anders hätte sein können. Es reicht nicht aus, daß zwei Eigenschaften auf genau dieselben Entitäten zutreffen, damit sie identisch sind, sie müssen dies notwendigerweise tun - sie müssen notwendigerweise koextensiv sein, d.h. das Urteil, daß sie koextensiv sind, muß notwendigerweise wahr sein. Daß aus der Identität die notwendige Wahrheit des Koextensivitäts-Urteils folgt, widerspricht Quines grobkörnigem Eigenschaftsverständnis, aber es bietet (weil es sich um eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für die EigenschaftsDas wird besonders deutlich in der Textstelle der Quiddities und in Word and Object §55.

Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

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Identität handelt) noch keine Individuationsbedingung und es steht nicht im Widerspruch zu dem sehr feinkörnigen Eigenschafts-Verständnis Carnaps. Die Feinkörnigkeit des Eigenschaftsverständnisses Carnaps ergibt sich aus seiner Behauptung, über die Identität von Eigenschaften ließe sich nur unter Verwendung synonymer Prädikate urteilen. Solche Identitäts-Urteile sind, als analytische Urteile, notwendigerweise wahr, die Eigenschaften sind notwendigerweise identisch und folglich notwendigerweise koextensiv. Aus Carnaps Behauptung folgt also, daß identische Eigenschaften notwendigerweise koextensiv sind. Aber nicht alle notwendig wahren Urteile sind analytisch, zumindest dann nicht, wenn man den Notwendigkeitsbegriff so weit auffaßt, daß auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse Notwendigkeitscharakter haben können. In diesem Sinn von Notwendigkeit ist ein Urteil, zwei Eigenschaften seien notwendig koextensiv, auch dann wahr, wenn die Koextensivität der Eigenschaften aus einem Naturgesetz folgt. Gegen Carnap kann man, wie gesagt, einwenden, er schließe mit seinem feinkörnigen Eigenschaftsverständnis aus, daß es naturwissenschaftliche Erkenntnisse über die Eigenschafts-Identität geben könne - diesem Einwand trägt man Rechnung, wenn man auch notwendig koextensive Eigenschaften als identisch ansieht. Bringt man diese Überlegung zum Eigenschaftsverständnis Carnaps mit der zur Konzeption Quines zusammen, dann gelangt man zu folgender Behauptung: Eigenschaften sind dann und nur dann identisch, wenn sie notwendigerweise koextensiv sind. Dies ist die Eigenschafts-Konzeption Hilary Putnams. 22 Wie oben schon vorweggenommen, ist Putnams Vorschlag für jemanden, der wie Kim die Existenz der Eigenschaften voraussetzt, der attraktivste Vorschlag. Kim sagt wenig zum Thema Eigenschafts-Individuation, aber es finden sich in seinen Veröffentlichungen Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, daß er zumindest einen ähnlichen Standpunkt vertritt wie Putnam. 23 Für die weitere Diskussion der Ereignis-Konzeption Kims ist an Putnams Vorschlag vor allem die Implikation in die eine Richtung interessant, der zufolge die notwendige Koextensivität 22

23

Putnam, Ort Properties, und auch Reason, Truth and History, S. 208. Quine vermutet in den Quiddities, daß die Bedingung notwendiger Koextensivität die einzige Möglichkeit für die Individuation feinkörniger Eigenschaften wäre - doch er verwirft sie, weil er den Begriff der Notwendigkeit nicht für philosophisch befriedigend hält (S. 22). In dem gemeinsam mit Richard Brandt verfaßten Aufsatz The Logic of the Identity Theory bestreitet Kim, daß die Synonymie von Prädikaten eine notwendige Bedingung der Eigenschafts-Identität ist, widerspricht also Carnap (S. 526). Und in On The PsychoPhysical Identity Theory beschreibt er das Problem der Eigenschafts-Individuation als das Problem, eine Bedingung zu finden, die schwächer sei als die Synonymie-Bedingung und stärker als die Bedingung der Koextensivität, also stärker als Quines Vorschlag (S. 232-33). Diesen Mittelweg aber bietet Putnams Vorschlag.

60

Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

hinreichend für die Eigenschafts-Identität ist; die andere Behauptung, sie sei (anders als Quine meint) auch eine notwendige Bedingung wird im folgenden keine Rolle mehr spielen. Es fragt sich nun zum einen, ob es stimmt, daß notwendig koextensive Eigenschaften identisch sind, und zum anderen, ob diese Identitätsbedingung auch eine Individuationsbedingung ist und damit Kims Voraussetzung rechtfertigt, daß Eigenschaften existieren. Es gibt zwei Einwände gegen die

Wahrheit

der Identitätsbedingung: Zum einen folgt aus ihr, daß es weder zwei verschiedenen Eigenschaften gibt, die notwendigerweise auf gar keine Entität zutreffen, noch daß es zwei verschiedenen Eigenschaften gibt, die notwendigerweise auf alle Entitäten zutreffen. Zum anderen gibt es Beispiele für Eigenschaften, die zwar die Bedingung erfüllen, daß es ein Naturgesetz gibt, aus dem sich herleiten läßt, daß sie koextensiv sind, bei denen es aber nicht so scheint, als wären sie tatsächlich identisch. Wolfgang Künne nennt zwei Beispiele, die den ersten Einwand untermauern sollen. 2 4 Die Eigenschaft, vollständig rot und vollständig grün zu sein, und die Eigenschaft, größer als alle anderen Primzahlen zu sein, sind Künnes Beispiele für zwei verschiedene Eigenschaften, die notwendigerweise keiner Entität zukommen. Und wenn man Künne zugibt, daß es sich tatsächlich um Eigenschaften handelt, dann sind dies vermutlich verschiedene Eigenschaften - aber ein Verfechter des Vorschlags Putnams kann durchaus behaupten, daß es keine Eigenschaft gibt, vollständig grün und vollständig rot zu sein, und ebenso wenig eine Eigenschaft, größer als alle anderen Primzahlen zu sein. Damit wäre dieses Gegenbeispiel ausgeräumt. Ähnlich kann man Putnams Vorschlag auch gegen Künnes zweites Gegenbeispiel verteidigen: Die Eigenschaft, mit sich selbst identisch zu sein, und die Eigenschaft, weiblich zu sein, falls man eine Löwin ist, illustrieren für Künne, daß es mehrere verschiedene Eigenschaften gibt, die jede Entität hat. Aber es ist nicht wirklich einleuchtend, daß die Zahl 12 oder der Andromedanebel eine Eigenschaft haben, weiblich zu sein, falls sie Löwinnen sind. Zumindest ist das eine Replik, die Putnam auch gegen dieses Beispiel in Schutz nimmt. 2 5 Der zweite Einwand findet sich bei Peter Achinstein. Achinstein nennt (neben einer Reihe anderer) das folgende Beispiel, um zu zeigen, daß es verschiedene notwendig koextensive Eigenschaften gibt: 2 ^ Die Eigenschaft, ein Pendel mit einer Länge L zu sein, und die Eigenschaft, ein Pendel mit der Schwingungsdauer Τ zu sein (T = 27r(L/g) 1 ' 2 ), sind nach den Gesetzen der Physik koextensiv - jede Entität, die ein Pendel der Länge L ist, ist ein Pendel mit der Schwingungsdauer Τ und vice versa. Trotzdem, so Achinstein, würde man intuitiv die Eigenschaften auch in Kenntnis des physikalischen Zusammenhangs für verschieden halten. Achinsteins Beispiel fordert eine Entscheidung; wenn man die Eigenschaften als unbestreitbar verschieden ansieht, Abstrakte Gegenstände, S. 247-48. Künnes Beispiele gewinnen allerdings an Brisanz, wenn man annimmt, daß die Klasse der Eigenschaften unter solchen quasi-logischen Opperationen wie der Disjunktions-, Konjunktions- und Negationsbildung geschlossen ist. Dann muß es die von Künne genannten Eigenschaften geben. Und wie sich im siebten Kapitel zeigen wird, ist Kim in der Tat auf diese Annahme festgelegt, er muß also die Identitätsurteile akzeptieren, die Künne für kontraintuitiv hält. The Identity of Properties, S. 266

Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

61

dann muß man Putnams Identitätsbedingung zurückweisen, wenn man Putnams Identitätsbedingung für die bestmögliche hält, muß man die Eigenschaften trotz der gegenläufigen Intuition identifizieren. Keiner der beiden genannten Einwände zeigt aber zwangsläufig, daß Putnams Identitätsbedingung falsch ist. Deshalb ist es nach wie vor eine interessante Frage, ob diese Identitätsbedingung, wenn sie sich den Einwänden zum Trotz als richtig herausstellen sollte, als Individuationsbedingung für Eigenschaften tauglich ist. Es gibt einen gewichtigen Grund, diese Frage zu verneinen: Wie Carnaps Synonymie-Bedingung nennt auch Putnams Identitätsbedingung keine wesentliche Eigenschaft oder Beziehung der Eigenschaften und erfüllt somit eine Grundforderung an Individuationsbedingungen nicht. Es ist leicht, dies zu übersehen, weil, wie oben im Zusammenhang mit dem Quine-Vorschlag gesagt,

die Beziehung

einer Eigenschaft

zu ihrer Extension

eine

sehr

einleuchtende Kandidatin für eine wesentliche Beziehung wäre. Aber Quines Vorschlag ist zu schwach, allein die Extension individuiert Eigenschaften nicht. Und Putnams Vorschlag bietet keine bessere Alternative, ob zwei Eigenschaften notwendigerweise oder nur kontingenterweise koextensiv sind, drückt sich nicht in einem Unterschied der Eigenschaften aus, die diese Eigenschaften haben (sondern in der Frage, ob sie notwendigerweise dieselben Eigenschaften haben). Man kann diesen Untauglichkeits-Einwand anschaulich auch so formulieren: Wenn die von Putnam genannte Identitätsbedingung eine Individuationsbedingung für Eigenschaften wäre, dann gäbe es Entitäten, die in allen ihren Eigenschaften und Beziehungen ununterscheidbar und gleichwohl nicht identisch sind, nämlich die kontingenterweise koextensiven Eigenschaften. Und das stände im direkten Widerspruch zur These der Identität des Ununterscheidbaren. (An ihre Stelle könnte dann eine These von der Identität des notwendigerweise Ununterscheidbaren treten.) Diese dramatische Konsequenz des Putnam-Vorschlags spricht deutlich dagegen, ihn zu übernehmen.

Die kursorische Diskussion der drei Vorschläge für die Eigenschafts-Individuation und der mit ihnen einhergehenden Eigenschafts-Konzeptionen hat ein für Kims

Ereignis-Theorie

eher

unbefriedigendes

Ergebnis

gebracht.

Zwei

Vorschläge sind für ihn inakzeptabel, der dritte bietet zwar möglicherweise eine korrekte Identitätsbedingung für Eigenschaften, ist aber als ein Vorschlag für Individuationsbedingungen untauglich. Und das übernächste Kapitel wird zeigen, daß dieser dritte Vorschlag für Kim noch wesentlich problematischer ist, als es bislang den Anschein hat.

62

Das

Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen

Thema

dieses

Kapitels

war

Kims

Behauptung,

Ereignisse

seien

Eigenschafts-Exemplifikationen, seien also identisch, wenn sie im Träger, der konstitutiven Eigenschaft und dem Datum übereinstimmen. Nach der Ausweitung auf polyadische Ereignisse und mit der Erläuterung von Teil-Ganzes-Beziehungen

hat sich

diese Konzeption

zuerst

als

ganz

attraktiv

erwiesen.

Insbesondere spricht nichts dagegen, daß die von Kim vorgeschlagene Identitätsbedingung als Individuationsbedingung tauglich ist. Die letzten beiden Abschnitte des Kapitels mit der Erörterung von Gegenbeispielen und der knappen Diskussion des Themas Eigenschafts-Individuation brachten den Einstieg in die Frage der Wahrheit der Identitätsbedingung. Kims Konzeption kann nur korrekt sein, wenn alle Ereignisse Träger haben, doch ein ganze Reihe von Ereignissen haben entweder keinen ersichtlichen

oder

zumindest keinen ontologisch respektablen oder schließlich verdächtig viele gleich gut geeignete Kandidaten für Ereignis-Träger. Darüber hinaus steht Kims Konzeption vor dem Problem, daß sie voraussetzt, daß es Eigenschaften gibt, daß es also auch eine Individuationsbedingung für Eigenschaften gibt. Keiner der drei oben diskutierten Vorschläge ist für Kim annehmbar, so daß die Frage nach der Eigenschafts-Individuation offen bleibt. Der dritte Vorschlag ist aber zumindest eine akzeptable Identitätsbedingung und damit ein gangbarer Mittelweg zwischen dem zu feinkörnigen Eigenschaftsverständnis Carnaps und dem zu grobkörnigen Quines. Und um daran festhalten zu können, daß Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, muß Kim dieses Eigenschaftsverständnis vermutlich teilen.

Kapitel 6 Kausale Anhängsel

Ob Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, hängt nicht nur davon ab, ob es überhaupt Eigenschaften gibt. Es hängt vor allem auch davon ab, ob dieses Ereignisverständnis der kausalen Rolle der Ereignisse gerecht wird. Denn auch die meisten Kritiker Davidsons teilen dessen Überzeugung, daß Kausalbeziehungen von großer Bedeutung für die Frage sind, was Ereignisses sind. Und gerade Kims Vorschlag scheint der kausalen Rolle der Ereignisse ausgesprochen gut gerecht zu werden. Das gilt insbesondere dann, wenn man mit Goldman der Auffassung ist, daß die kausalen Beziehungen der Ereignisse das feinkörnige Ereignisverständnis als richtig erweisen. Es liegt sehr nahe, Kims Vorschlag für die Ereignisindividuation mit einer feinkörnigen Position zu verbinden. Wenn Ereignisse wie das, daß John Hallo sagt, und das, daß er laut Hallo sagt, nicht identisch sind, dann müssen sie sich in der ereignisindividuierenden Eigenschaft unterscheiden. Kim zufolge müssen sie sich also entweder im Träger, im Datum oder in der ereigniskonstitutiven Eigenschaft des Trägers unterscheiden. Im Träger und Datum stimmen sie offenkundig überein, die Identität oder Verschiedenheit der Ereignisse hängt deshalb davon ab, welche ereigniskonstitutiven Eigenschaften Johns Hallo-Sagen und sein lautes Hallo-Sagen haben. Und am nächsten liegt die Annahme, daß Johns Hallo-Sagen die konstitutive Eigenschaft hat, Hallo zu sagen, sein lautes Hallo-Sagen dagegen die konstitutive Eigenschaft, laut Hallo zu sagen. Da die Eigenschaften, Hallo zu sagen, und, laut Hallo zu sagen, nicht einmal koextensiv sind, sind sie auch nicht identisch, folglich sind die beiden Ereignisse verschieden, und damit wäre das feinkörnige Ereignisverständnis korrekt.

64

Kausale Anhängsel

Diese natürliche Verbindung der Ansicht, Ereignisse seien EigenschaftsExemplifikationen, mit dem feinkörnigem Ereignisverständnis vertritt Kim selbst und vertritt auch Goldman. 1 Im weiteren Verlauf dieses und der folgenden Kapitel sollen die Vor- und Nachteile dieser suggestiven Ereigniskonzeption diskutiert werden. Die Frage, ob man Ereignisse auch als Ereignis-Exemplifikationen verstehen kann, ohne die Konzeption als ganze zu vertreten, wird erst im dreizehnten Kapitel aufgenommen werden, wenn sich diese Konzeption als unhaltbar erwiesen hat.

*

Wenn Ereignisse als feinkörnig unterschiedene Eigenschafts-Exemplifikationen angesehen werden sollen, dann darf dies nicht nur den Unterschied zwischen zutreffenden und nicht zutreffenden Kausalurteilen erklären wie in Goldmans Argument, es muß vor allen Dingen auch mit der Art und Weise vereinbar sein, wie man Kausalurteile kritisiert und rechtfertigt. Auf den ersten Blick spricht diese Forderung für Kims Konzeption, denn sie scheint gerade diesem Aspekt der Ereignisse in hohem Maße Rechnung zu tragen, doch dieser Eindruck wird sich letztlich als trügerisch herausstellen. Wie kann man das Urteil, ein Ereignis habe ein anderes verursacht, rechtfertigen? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welche Bedingungen zwei Ereignisse erfüllen müssen, die in einer Kausalbeziehung stehen. Ganz generell läßt sich sagen: Ein Ereignis ist nur dann die Ursache eines anderen Ereignisses, wenn es in irgendeiner Weise dafür verantwortlich ist, daß das Ereignis eintritt. Und diese Verantwortung läßt sich (zumindest teilweise) dadurch ausdrücken, daß man etwas darüber sagt, was gewesen wäre, wenn die Ursache nicht eingetreten wäre: Wäre die Ursache nicht eingetreten, dann wäre auch die Wirkung nicht eingetreten. Eine solche Äußerung ist ein kontrafaktisches Konditional, d.h. ein Konditional-Satz im Konjunktiv, dessen Vordersatz zwar nicht den Tatsachen entspricht, der als ganzer Satz aber trotzdem, anders als gewöhnliche (materiale) Konditionale mit falschen Antezedentien, inkorrekt sein kann. Weil der Ausbruch des Vesuvs den Untergang Pompejis verursacht hat, muß gelten: Hätte der Ausbruch des Vesuvs nicht stattgefunden, hätte auch der Untergang Pompejis nicht stattgefunden. Wäre die Welt so beschaffen gewesen, daß das 1

Vgl. zum Verhältnis der Ereignis-Individuation Kims und Goldmans: Goldman, The Individuation of Action, S. 771, Anm.l2; Kim, Events as Property Exemplifications, S. 176, Anm.2.

Kausale Anhängsel

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eine Ereignis nicht stattgefunden hätte, dann wäre sie auch so beschaffen gewesen, daß das andere Ereignis nicht eingetreten wäre. Weil die Kausalbeziehung zwischen zwei Ereignissen auf die Korrektheit eines kontrafaktischen Konditionals schließen läßt, lassen sich Kausalurteile durch den Hinweis auf das Bestehen eines kontrafaktischen Konditionals stützen und vor allem auch durch den Hinweis auf dessen Nichtbestehen kritisieren. Aber häufig sehen die dafür verwendeten kontrafaktischen Konditionale anders aus als das eben geschilderte, und es ist ein wesentlicher Vorzug der Ereigniskonzeption Kims, hier einen Zusammenhang herzustellen. Goldman z.B. rechtfertigt seine Behauptungen, daß Johns Gereiztheit keine Ursache seines HalloSagens sei, so: But John's act of saying "hello" (simpliciter) is not at all an effect of his emotional state, since John would have said "hello" whether or not he had been angry or tense.2 Das heißt: Auch wenn John nicht die Eigenschaft gehabt hätte, gereizt zu sein, hätte er trotzdem Hallo gesagt. Goldman zieht also einen möglichen Weltverlauf in Betracht, der sich vom tatsächlichen in bestimmten Eigenschaften unterscheidet - von Ereignissen ist erst einmal noch gar nicht die Rede, und damit fragt es sich, was Goldmans kontrafaktisches Konditional mit seiner Kausalbehauptung zu tun hat. Man kann diese Frage so beantworten: Es stimmt, daß es in dem kontrafaktischen Konditional um Eigenschaften geht, aber nicht um Eigenschaften Johns, sondern um Eigenschaften der betreffenden Ereignisse selbst. Wenn Johns Gereiztheit eine Ursache seine Hallo-Sagens ist, dann muß folgendes kontrafaktische Konditional gelten: Wäre kein Ereignis eingetreten, das die Eigenschaft hat, ein Gereiztsein zu sein, dann hätte auch kein Ereignis eintreten dürfen, das die Eigenschaft hat, ein Hallo-Sagen zu sein. Goldman bestreitet demzufolge die Kausalbeziehung zwischen den beiden Ereignissen, weil er bestreitet, daß kein Ereignis mit der Eigenschaft des zweiten Ereignisses eingetreten wäre, wenn kein Ereignis mit der Eigenschaft des ersten eingetreten wäre. Doch diese Lesart des Goldman-Arguments ist unbefriedigend. Wenn man den Zusammenhang zwischen kausal relevanten Eigenschaften und Ereignissen so herstellt, daß es sich um Eigenschaften der kausal verknüpften Ereignisse handelt, hat man zwar erklärt, wie im Prinzip die Eigenschaften, die Goldman erwähnt, mit Ereignissen zusammenhängen könnten, aber man hat noch nicht erklärt, weshalb Goldmans Verweis auf das Fehlen eines kontrafaktischen Zusammenhangs ein so starkes Argument gegen die Kausalbeziehung zwischen

A Theory of Human Action, S. 3.

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Gereiztsein und Hallo-Sagen ist, wie es dies offensichtlich ist. Weshalb spricht es dagegen, daß Johns Gereiztheit sein Hallo-Sagen verursacht, wenn man hört, daß ein Ereignis mit der Eigenschaft, ein Hallo-Sagen zu sein, auch hätte eintreten können, wenn keines mit der Eigenschaft, ein Gereiztsein zu sein, eingetreten wäre? Das Problem liegt in der Verbindung von kontrafaktischen Aussagen über Ereignis-Eigenschaften mit kontrafaktischen Aussagen über einzelne Ereignisse und folglich mit Kausalaussagen. Eine Kausalbeziehung zwischen zwei Ereignissen kann nicht voraussetzen, daß nicht ein Ereignis hätte eintreten können, das irgendeine Eigenschaft des zweiten Ereignisses teilt, ohne daß irgendeines eingetreten wäre, das jede Eigenschaft des ersten teilt. Diese Voraussetzung erfüllt kein Ereignispaar - schon deshalb, weil alle Ereignisse irgendeine Eigenschaft miteinander teilen. Aber eine Kausalbeziehung muß mehr voraussetzen, als daß nicht ein Ereignis hätte eintreten können, das jede Eigenschaft des zweiten Ereignisses teilt, ohne daß irgendeines eingetreten wäre, das jede Eigenschaft des ersten teilt. Diese Voraussetzung würde jedes beliebige Ereignispaar erfüllen - schon deshalb, weil viele Eigenschaften eines Ereignisses relational in Bezug auf andere Ereignisse, z.B. das erste Ereignis, sind. Das Problem besteht darin, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Alternativen zu finden. Nur wenn man den findet, läßt sich erklären, inwiefern kontrafaktische Aussagen über Ereignis-Eigenschaften Kausal aussagen stützen. Kims Ereigniskonzeption bietet einen eleganten Ausweg aus diesen Schwierigkeiten: Goldmans kontrafaktisches Konditional betrifft nicht Eigenschaften von Ereignissen, sondern Eigenschaften Johns. Aber kontrafaktische Zusammenhänge von Eigenschaften Johns lassen auf kontrafaktische Zusammenhänge von Ereignissen schließen, die durch die Eigenschaften konstituiert werden, bzw. konstituiert würden. Daraus, daß John die Eigenschaft hätte haben können, Hallo zu sagen, auch ohne die Eigenschaft zu haben, gereizt zu sein, folgt für Kim und Goldman, daß das Ereignis, daß er Hallo sagt hätte eintreten können, ohne daß zuvor das Ereignis, daß er gereizt ist, eingetreten wäre. Und damit ist gezeigt, daß Johns Gereiztheit keine Ursache seines Hallo-Sagens ist.3

Zu den Vorzügen von Kims Ereignisindividuation für ein Kausalitätsverständnis, das sich auf kontrafaktische Konditionale beruft, vgl. Kims Aufsatz Causes and Events: Mackie on Causation.

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Man kann Kausalaussagen also dadurch rechtfertigen, daß man auf kontrafaktische Konditionale verweist. Doch woher weiß man, was geschehen wäre, wenn das erste Ereignis nicht eingetreten wäre, d.h. woher weiß man, daß das betreffende kontrafaktische Konditional korrekt ist? Wenn man bereits weiß, daß das erste das zweite Ereignis verursacht hat, dann weiß man, daß auch das zweite nicht eingetreten wäre, wäre das erste nicht eingetreten - doch dann setzt das kontrafaktische Konditional die Wahrheit des Kausalurteils voraus und rechtfertigt es nicht. Eine andere Möglichkeit, das kontrafaktische Konditional zu rechtfertigen, besteht darin, es aus einem Gesetz herzuleiten. Wenn es ein Gesetz ist, daß einem Ereignis des Typs der Wirkung stets eines vom Typ der Ursache vorangeht, dann hätte die Wirkung nicht eintreten können, ohne daß die Ursache eingetreten wäre. Diese Möglichkeit setzt allerdings voraus, daß man von dem Typ eines Ereignisses sprechen kann, so daß hier abermals der bereits genannte Vorteil der Konzeption Kims zum Tragen kommt, daß die kausal relevanten Eigenschaften die ereigniskonstitutiven Eigenschaften sind. Diese Eigenschaften sind es, die die für die Gesetze benötigte Typen-Einteilung liefern. Doch diesem Vorteil steht die Feststellung gegenüber, daß die allerwenigsten konstitutiven Eigenschaften von Ursache-Wirkungs-Paaren tatsächlich ein Gesetz exemplifizieren. Wenn Johns Gereiztheit eine Ursache seines lauten Hallo-Sagens ist, dann sicherlich, ohne daß es ein Gesetz gibt, dem zufolge einem lauten Hallo-Sagen eine Gereiztheit voranzugehen habe. Die Gewißheit, daß John nicht laut Hallo gesagt hätte, wäre er nicht gereizt gewesen, kann also nicht aus einem solchen Gesetz resultieren. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn man unter "Gesetz" ein striktes Gesetz versteht, d.h. ein Gesetz, das nicht probabilistisch ist und ohne eine Formulierung auskommt, die es auf normale Fälle o.a. einschränkt. In diesem Sinn aber sind nur die allerwenigsten Gesetze strikt, und vor allem sind nicht sie allein geeignet, kontrafaktische Konditionale zu stützen. Auch nicht-strikte Gesetze oder "Generalisierungeri", wie sie im weiteren, Davidson folgend4, genannt werden sollen, können dafür sprechen, daß die Wirkung nicht eingetreten wäre, hätte sich die Ursache nicht ereignet. (Als Oberbegriff für Gesetze und Generalisierungen wird im weiteren der Ausruck "Gesetzmäßigkeiten" verwendet werden.) Kommt es z.B. auf der Autobahn zu einer Massenkarambolage, nachdem sich plötzlich Nebel gebildet hat, dann läßt sich das Kausalurteil, die 4

Die hier getroffene Unterscheidung zwischen strikten Gesetzen und nicht strikten Generalisierungen geht insgesamt auf Davidson zurück (Vgl. Mental Events S. 216 ff. und S. 224).

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Nebelbildung habe den Unfall verursacht, dadurch rechtfertigen, daß man behauptet: Wäre nicht plötzlich Nebel aufgekommen, wäre die Massenkarambolage nicht passiert. Und obwohl es sicher kein striktes Gesetz über den Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Aufkommen von Nebel und Massenkarambolagen gibt, so gibt es doch eine notorische Gesetzmäßigkeit, eine Generalisierung, der zufolge es nach plötzlichem Nebel auf den Autobahnen regelmäßig zu Massenunfällen kommt. Diese Generalisierung rechtfertigt dann das kontrafaktische Konditional. Solche Rechtfertigungen von Kausalaussagen durch

Gesetzmäßigkeiten

sollen

im

weiteren

als

"nomologische

Recht-

fertigungen" bezeichnet werden. Doch mit dem Hinweis darauf, daß nomologische Rechtfertigungen auch auf Generalisierungen zurückgreifen können, ist das Problem noch nicht gelöst, weshalb Johns lautes Hallo-Sagen nicht eingetreten wäre, wäre seine Gereiztheit nicht gewesen. Denn zwischen lautem Hallo-Sagen und Gereiztsein gibt es im Unterschied zu Nebel und Massenkarambolagen nicht einmal einen lockeren generellen Zusammenhang; daran kann es also nicht liegen, daß das kontrafaktische Konditional korrekt ist. Es muß eine andere Möglichkeit geben, es zu rechtfertigen. Darüber hinaus ist jede Rechtfertigung durch eine Generalisierung in einer wichtigen Hinsicht schwächer als eine Rechtfertigung durch ein Gesetz. Aus dem Gesetz folgt, daß das eine Ereignis nicht eingetreten wäre, wäre das andere nicht eingetreten. Wer den Hinweis auf ein Gesetz akzeptiert, hat deshalb kein Recht, weitere Rechtfertigungen für das kontrafaktische Konditional zu fordern. Die Stützungsbeziehung zwischen kontrafaktischen Konditionalen und Generalisierungen dagegen ist nur so stark wie die Plausibilität der Annahme, daß es sich bei dem betrachteten Fall nicht um eine der Ausnahmen von der Regel handelt. Und damit kann der Verweis auf eine Generalisierung zu schwach sein, um ein bestimmtes Erkenntnisinteresse zu befriedigen. Der Hinweis auf den generellen Zusammenhang zwischen Nebel und Massenkarambolagen muß einem nicht unbedingt reichen, wenn man genau wissen möchte, ob der Nebeleinbruch den Unfall verursacht hat. Es fragt sich deshalb zum einen, auf welche Weise man Kausalurteile rechtfertigen kann, die einer nomologischen Rechtfertigung nicht zugänglich sind (wie im John-Beispiel). Und zum anderen fragt es sich, wie man Kausalurteile über eine bestimmte nomologische Rechtfertigung hinaus rechtfertigen kann (wie im Nebel-Beispiel).

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Daß man Kausalurteile auch dann rechtfertigen kann, wenn es keinen generellen Zusammenhang zwischen den konstitutiven Eigenschaften der beiden Ereignisse gibt, illustriert das folgende Beispiel: Angenommen meine englische Freundin Mary schickt mir einen elektronischen Brief, in dem sie mir mitteilt, daß sie Zahnschmerzen hat; dies führt dazu, daß auf dem Bildschirm meines Computers der Satz erscheint: "I have a tooth ache". Mitteilung,

sie

habe

Zahnschmerzen,

die

Offenbar hat Marys

Bildschirmanzeige

verursacht.

Akzeptiert man dies, dann gilt das kontrafaktische Konditional, daß sich die Wirkung, nämlich die Bildschirmanzeige, nicht ereignet hätte, hätte sich nicht auch die Ursache, Marys Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, ereignet; aber es gibt sicherlich keine Generalisierung (geschweige denn ein Gesetz) über den Zusammenhang zwischen Mitteilungen, daß man Zahnschmerzen hat, und Bildschirmanzeigen. 5 Die Rechtfertigung, die man tatsächlich geben würde, beruft sich folglich auch nicht auf eine derartige Gesetzmäßigkeit. Sie würde statt dessen etwa in dem Hinweis bestehen, daß Mary den Satz "I have a tooth ache" in das e-mailNetz getippt und abgeschickt hat, und daß es diese Tastatureingabe wiederum bewirkt hat, daß der Satz auf meinem Bildschirm auftaucht - d.h. man rechtfertigt das eine Kausalurteil dadurch, daß man weitere Kausalurteile anführt. Es ist klar, daß dies eine Rechtfertigung dafür sein kann, daß Marys Mitteilung, sie habe Zahnschmerzen, die Bildschirmanzeige verursacht hat, aber es ist nicht unmittelbar klar, weshalb es eine Rechtfertigung sein kann. Weshalb sollte die Tatsache, daß das eine Ereignis - Marys Tippen des Satzes "I have a tooth ache" - die Bildschirmanzeige verursacht hat, rechtfertigen, daß ein anderes Ereignis - Marys Mitteilung - ebenfalls die Bildschirmanzeige verursacht hat? Rechtfertigungen von Kausalurteilen durch andere Kausalurteile werden im weiteren

(im

"substitutioneile

Unterschied Rechtfertigungen"

zur

nomologischen

Rechtfertigung)

als

bezeichnet werden. Die Frage ist nun also,

weshalb substitutioneile Rechtfertigungen überhaupt ein Kausalurteil

recht-

fertigen. Welches Verhältnis kann zwischen einer Kausalaussage und der sie rechtfertigenden anderen

Kausalaussage

bestehen?

Im Mary-Beispiel

wird

die

ursprüngliche Kausalaussage ersetzt durch die Aussage, daß Marys Tippen des Satzes "I have a tooth ache" in das e-mail-Netz die Bildschirmanzeige verur5

Der Ausdruck "Mitteilung" lädt zu einem Mißveretändnis ein. Man kann darunter den Akt des Mitteilens oder das Produkt dieses Aktes verstehen. Ich verwende den Ausdruck im folgenden stets in ersterem Sinn.

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sacht. Im Unterschied zu der ersten Kausalaussage ist dieses Kausalurteil nomologisch zu rechtfertigen, denn es gibt einen generellen Zusammenhang zwischen dem Tippen eines Satzes in das e-mail-Netz und der Anzeige des Satzes auf dem Bildschirm des Empfangers. Die substitutionelle Rechtfertigung kann also darauf basieren, daß man eine Kausalaussage, die nicht nomologisch zu rechtfertigen ist, durch eine ersetzt, die nomologisch gerechtfertigt werden kann. Aber man muß das Urteil, Marys Tippen des Satzes in das e-mail-Netz habe die Bildschirmanzeige verursacht, nicht nomologisch rechtfertigen, auch dieses Urteil kann man dadurch stützen, daß man auf andere Kausalbeziehungen hinweist. Zum Beispiel kann man erläutern, daß das Tippen erst der Taste "I", dann der Leertaste etc. dazu geführt hat, daß Marys Tastatur bestimmte DatenBits an ihren Computer gesandt hat, daß der letzte Teil dieses Datenstroms den Computer veranlaßt hat, seinerseits eine Datenfolge an den Großrechner zu schicken, an den er angeschlossen ist, daß dieser daraufhin Daten an andere Rechner geschickt hat, bis schließlich von meinem PC Daten zu meinem Bildschirm geschickt wurden, was die Anzeige von "I have a tooth ache" verursacht hat. Diese substitutioneile Rechtfertigung der Annahme, daß das Tippen die Bildschirmanzeige verursacht hat, macht zwei häufig eng verzahnte Beziehungen zwischen der zu rechtfertigenden Kausalaussage und den sie substituierenden Aussagen deutlich. Zum einen kann man, wie schon oben in der Diskussion des Thomson-Einwands gegen Davidson festgestellt, die kausale Rolle eines Ereignisses aus der kausalen Rolle seiner Teile herleiten. Ein Ereignis verursacht alles, was seine Teile verursachen - mit Ausnahme anderer Teile und Ursachen anderer Teile -, und es wird von allem verursacht, was eines seiner Teile verursacht. Wenn man also feststellt, daß zwischen Teilen von Marys Tippen (z.B. ihrem Tippen des Buchstabens "I") und Teilen der Bildschirmanzeige (z.B. der Anzeige von "I") eine Kausalbeziehung besteht, dann rechtfertigt dies die Annahme, daß das Tippen die Bildschirmanzeige verursacht hat. Im Prinzip läßt sich der Zusammenhang zwischen dem Tippen des Buchstabens "I" und seiner Anzeige auf meinem Bildschirm vermutlich ebenso nomologisch rechtfertigen wie der zwischen dem Tippen insgesamt und der ganzen Bildschirmanzeige; aber die oben skizzierte Rechtfertigung ist nicht nomologisch, sie stützt sich statt dessen neben der Teil-Ganzes-Beziehung auch noch auf eine andere im Rahmen des Thomson-Einwands angesprochene Eigenschaft der Kausalität, ihre Transitivität. Wenn das Tippen des Buchstabens "I" dazu führt, daß der Computer die Bitfolge "Ι0Ι00Ι" zum Großrechner schickt,

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dann ist das Tippen insgesamt eine Ursache des Sendens dieser Bitfolge und auch eine Ursache des Sendens der Bitfolge als Ganzer. Und wenn dieses wiederum die Bildschirmanzeige verursacht, dann erlaubt die Transitivität der Kausalität den Schluß auf die Kausalbeziehung zwischen Tippen und Anzeige. Es gibt also zumindest zwei Arten substitutioneller Rechtfertigung. Man kann die Annahme der Kausalbeziehung dadurch stützen, daß man auf Kausalbeziehungen zwischen Teilen der Kausalrelata hinweist, und dadurch, daß man die Kausalbeziehung als Kausalkette darstellt. Das Ziel der beiden Strategien, oder wie in dem Beispiel einer Kombination beider Strategien, ist es, zu Kausalaussagen zu gelangen, die besser nomologisch zu rechtfertigen sind als die ursprüngliche Aussage. Und je nachdem, wie genau man wissen möchte, ob ein bestimmtes Ereignis tatsächlich ein anderes verursacht hat, kann man sich entweder mit den genannten Zusammenhängen zwischen dem Tippen einzelner Tasten, der Datenübermittlung und der Bildschirmanzeige zufriedengeben, oder man kann versuchen, die einzelnen Glieder dieser Kausalkette abermals substitutionell zu rechtfertigen, indem man sie abermals in Kausalketten zwischen Teilen der Ursachen und Wirkungen zerlegt. Es ist offenkundig, wie wichtig es häufig für die Rechtfertigung und Kritik von Kausalaussagen ist, daß man sie substitutioneil rechtfertigen kann. Aber in Rahmen von Kims Ereigniskonzeption ist es ein Problem, substitutionelle Rechtfertigungen zuzulassen. Das liegt daran, daß es Kim schwer fällt, den ersten und bislang unkommentierten Übergang von der kausalen Rolle der Mitteilung Marys zu ihrem Tippen zu erläutern. Weshalb rechtfertigt die Annahme, daß das Tippen des Satzes "I have a tooth ache" die Bildschirmanzeige verursacht hat (die sich dann ihrerseits durch Rückgriff auf die kausale Rolle ihrer Teile rechtfertigen läßt), die Behauptung, Marys Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, habe die Anzeige verursacht? Bislang sind zwei Sorten der substitutioneilen Rechtfertigung erwähnt worden, der Übergang zu Kausalaussagen über Teile der Ursache und Wirkung und der Übergang zu kausalen Zwischengliedern. Man könnte also versuchen, den Schritt von der Mitteilung zum Tippen einem dieser Typen zuzuordnen. Ist die Kausalbeziehung zwischen Marys Tippen und der Bildschinnanzeige ein Glied der Kausalkette von der Mitteilung zur Anzeige? - Das würde voraussetzen, daß die Mitteilung eine Ursache von Marys Tippen ist, doch das ist keine attraktive Annahme. Dagegen spricht erstens, daß es dann Kausalbeziehungen ohne zeitliches Nacheinander von Ursache und Wirkung geben müßte, und zweitens, daß man auf zahlreiche symmetrische Kausalbeziehungen stoßen

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würde, und das wäre ein untragbarer Widerspruch zum asymmetrischen Charakter der Kausalität. Die symmetrischen Kausalbeziehungen kämen zustande, weil man nicht nur solche Kausalaussagen substitutionell durch den Übergang zum Tippen rechtfertigen kann, denen zufolge Marys Mitteilung etwas verursacht, sondern auch solche, bei denen die Mitteilung die Wirkung ist. Und wenn im ersteren Fall das Verhältnis zwischen Tippen und Mitteilung kausal wäre, dann müßte es dies auch im zweiten Fall sein - mit der Konsequenz, daß dann das Tippen die Mitteilung verursachte. Die Tatsache, daß sich offenkundig beide kausalen Rollen der Mitteilung durch den Übergang zum Tippen rechtfertigen lassen, schließt aus, daß es sich dabei um ein kausales Zwischenglied handelt. Ist das Tippen also ein Teil der Mitteilung Marys und rechtfertigt insofern der Übergang zur kausalen Rolle des Tippens die Annahme, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht hat? - Diese Vermutung leuchtet eher ein als die einer kausalen Verknüfung, sie wird dem offenkundig sehr engen Verhältnis zwischen den beiden Ereignissen weit besser gerecht. Aber auch für sie ergibt sich ein Problem: Wenn etwas ein Teil von etwas anderem ist, dann gibt es stets etwas, das zum Ganzen aber nicht zu dem Teil gehört - kurz: es gibt einen Restfi Das gilt nicht nur für materielle Gegenstände sondern auch für Ereignisse: Ben Johnsons Sprint war ein Teil des olympischen Hundertmeter-Endlaufs 1988, weil es auch andere Teile gab, z.B. den Sprint von Carl Lewis. Doch unter der Annahme, daß Mary nichts weiter über ihre Zahnschmerzen geschrieben hat als "I have a tooth ache", ist nicht zu erkennen, worin der verbleibende Rest bestehen könnte, der zu ihrer Mitteilung gehört, nicht aber zum Tippen. 7 Im übernächsten Kapitel wird ein Vorschlag für einen solchen Rest diskutiert werden, aber er wird sich als unhaltbar erweisen, das Tippen des Satzes "I have a tooth ache" ist deshalb kein Teil der Mitteilung Marys, sie habe Zahnschmerzen. Es muß also noch einen dritten Weg geben, Kausalaussagen substitutionell zu rechtfertigen, einen Weg, der beim Übergang von der Mitteilung zum Tippen beschritten wird. Worin könnte der bestehen? - Die naheliegende Antwort lautet: Marys Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, ist das Ereignis, daß sie in ihren Computer "I have a tooth ache" tippt. Wenn das stimmt, dann ist es offenkundig, weshalb der Hinweis auf die zweite die erste Kausalaussage stützt. Akzeptiert man, daß Marys Tippen die Bildschirmanzeige verursacht hat, und ist Marys

Wenn man unter einem "Teil" etwas versteht, das auch mit dem Ganzen identisch sein kann, sollte man im Text für "Teil" stets "echter Teil" lesen. Dieser verbleibende Rest muß vielleicht nicht unbedingt ein Ereignis sein, möglicherweise sind nicht alle Teile von Ereignissen selbst wieder Ereignisse, so wie manche Teile eines Textes Texte sind, andere dagegen Wörter, Buchstaben, Striche usw. Aber irgendetwas muß der Rest sein, das ist hier das Problem.

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Tippen dasselbe Ereignis wie ihre Mitteilung, dann folgt daraus, daß die Mitteilung die Anzeige verursacht hat. Zudem wird verständlich, weshalb sich das Verhältnis zwischen dem Tippen und der Mitteilung weder als Kausal- noch als Teil-Ganzes-Verhältnis auffassen ließ; die Kausalbeziehung ist irreflexiv, und einen Rest sucht man bei der Identität natürlich auch vergebens. Es spricht also einiges dafür, das Tippen und die Mitteilung Marys für identisch zu halten, doch es spricht auch etwas dagegen: Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis. Wenn Goldmans Argumentation für die Verschiedenheit von Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen richtig ist, dann ist auch das Ereignis, daß Mary mitteilt, sie habe Zahnschmerzen, nicht dasselbe Ereignis wie ihr Tippen von "J have a tooth ache". Denn dasselbe Argumentationsmuster, auf das sich Goldman stützt, läßt sich auf das Mary-Beispiel übertragen: Daß Mary sich vorgenommen hat, nie wieder die deutsche Sprache zu verwenden, ist eine Ursache dafür, daß sie "/ have a tooth ache" tippt, aber keine Ursache dafür, daß sie mir mitteilt, daß sie Zahnschmerzen hat. Also hat ihr Tippen eine Ursache, die ihre Mitteilung nicht hat - folglich sind sie verschieden. Diese Parallelität der Beispiele erlaubt nur zwei Schlüsse: Entweder Goldmans Argument ist nicht so stark wie es erscheint, oder die Mitteilung und das Tippen des Satzes "I have a tooth ache" sind nicht identisch. Das ist die Kehrseite des Goldman-Arguments. Mit einem feinkörnigen Ereignisverständnis kann man zwar erklären, weshalb man sagen möchte, Johns Gereiztheit sei die Ursache dafür, daß er laut Hallo sagt, nicht aber die Ursache dafür, daß er Hallo sagt; aber man verliert zugleich den vertraut erscheinenden Rechtfertigungs-Zusammenhang zwischen der Behauptung, auf dem Bildschirm erscheine der Satz "I have a tooth ache", weil Mary mir etwas mitgeteilt hat, und der Behauptung, der Satz erscheine auf dem Bildschirm, weil sie ihn zuvor in ihren Computer getippt hat. Wenn Goldman trotzdem recht hat, dann muß es eine weitere Sorte von substitutionellen Rechtfertigungen geben, neben dem Hinweis auf Kausalketten, auf die kausale Rolle der Teile und auch auf dieselbe Kausalbeziehung unter einer anderen Beschreibung. Und die Frage ist, welche? Kim sieht, daß er als Befürworter des feinkörnigen Ereignisverständnisses etwas über das Verhältnis zwischen solchen Kausalbeziehungen sagen muß. Weil es sich um Kausalbeziehungen zwischen Ereignissen handelt, die ihre Kausalbeziehungen anderen Ereignissen verdanken, von denen sie somit in ihrer kausalen Rolle abhängen, bezeichnet Kim das Problem des Verhältnisses dieser Ereignisse zueinander als das Problem der kausalen Anhängsel (problem of

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causal danglers).8 Die Lösung, die er vorschlägt, lautet, angewandt auf das Mary-Beispiel: das kausale Anhängsel, die Mitteilung, ist zwar nicht mit ihrem 'Aufhänger', dem Tippen, identisch, aber sie ist in einem bestimmten Sinne dependent vom Tippen, und diese Dependenz erklärt, weshalb der Übergang von der Mitteilung zum Tippen die Annahme rechtfertigt, daß die Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht hat. Damit ist erst einmal noch nicht sehr viel mehr gesagt, als daß das kausale Anhängsel und sein Aufhänger zwar nicht identisch, aber auch nicht unabhängig voneinander sind, und das gilt auch für die anderen genannten Ereignisbeziehungen, die kausale und die mereologische. Kim aber hat eine spezielle Dependenz im Sinn, die auch eine Rolle bei einem Problem spielt, das dem Problem der kausalen Anhängsel eng verwandt ist, dem Materialismus-Problem. *

Kim und Goldman berichten, daß ihnen häufig vorgeworfen werde, daß das feinkörnige Ereignisverständnis zu einer unnötigen Vervielfältigung der Ereignisse führe. 9 Das ist für sich gesehen noch kein schwerwiegender Vorwurf. Warum soll es nicht eine bunte Fülle feinkörnig unterschiedener Ereignisse geben? Problematisch wird diese Vorstellung erst dadurch, daß sie in Konflikt mit einer zentralen Überzeugung vieler heutiger Philosophen gerät, der Idee, daß die Welt letztlich eine physikalische Welt ist - zumindest in dem Sinn, daß die Physik die basale Wissenschaft ist und daß die anderen Wissenschaften hierarchisch auf ihr aufbauen. Man kann dies die "materialistische Grundüberzeugung" nennen und fragen, was daraus wird, wenn man Ereignisse feinkörnig versteht. Eine mögliche Erklärung der basalen Rolle der Physik gibt der EreignisPhysikalismus (im folgenden kurz: Physikalismus), d.h. die These, daß alle Ereignisse physikalische Ereignisse sind. Das setzt zuerst einmal voraus, daß es überhaupt Sinn macht, ein Ereignis als 'physikalisch' zu bezeichnen. Was kann das heißen? - Wenn Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, dann muß es jedenfalls auch heißen, daß die ereigniskonstitutiven Eigenschaften dieser Ereignisse physikalische Eigenschaften sind (was immer es noch heißen mag). Alle ereigniskonstitutiven Eigenschaften wären dann aus der Sicht des Physikalismus physikalische Eigenschaften - jedes Ereignis wäre durch eine physikali8 9

Causality, Identity, and Supervenience in the Mind-Body Problem, vor allem S. 36. Kim, Events as Property Exemplifications, S. 167, und Goldman, The Individuation of Action, S. 772.

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sehe Eigenschaft konstituiert. Und da sich die Ereignisse kraft ihrer konstitutiven Eigenschaften zu Typen ordnen lassen, folgt daraus, daß alle Ereignis-Typen durch physikalische Eigenschaften gekennzeichnet sind, daß sie mit physikalischen Ereignis-Typen identisch sind. Deshalb kann man für diese Position eine Bezeichnung übernehmen, die sich in der speziellen Frage nach dem Verhältnis psychischer zu physikalischen Ereignissen eingebürgert hat: Typen-IdentitätsThese. Aus der Ansicht Kims, daß Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, und dem Physikalismus folgt also die generelle, nicht auf das Leib-SeeleProblem beschränkte Typen-Identitäts-These. Doch zumindest in Kombination mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis Kims ist das eine starke Konsequenz. Man muß sich nur vor Augen führen, welche Eigenschaften Kim zufolge ereigniskonstitutiv sein können: Mary zu küssen, laut Hallo zu sagen oder mitzuteilen, man habe Zahnschmerzen, sind keine Eigenschaften, die man in irgendeiner physikalischen Theorie wiederfinden wird. Es fragt sich deshalb, ob sich nicht im Rahmen dieses Ereignisverständnisses eine Erläuterung des basalen Status der Physik und der Hierarchie der Einzelwissenschaften gewinnen ließe, ohne daß man auf die Typen-Identitäts-These angewiesen wäre. Dies ist das "Materialismus-Problem" jedes feinkörnigen Ereignisverständnisses, weil es das Problem ist, trotz der angenommenen Ereignisvielfalt der materialistischen Grundüberzeugung gerecht zu werden. Kims Antwort auf das Materialismus-Problem lautet: Es sind zwar nicht alle Ereignisse physikalische Ereignisse, aber alle Ereignisse sind dependent von physikalischen Ereignissen oder anders ausgedrückt: die physikalischen Ereignisse determinieren alle anderen Ereignisse. (Die Ausdrücke "Dependenz" und "Determination" werden hier und im weiteren so verwendet, daß etwas genau dann von etwas anderem dependent ist, wenn dieses andere es determiniert.)10 Entsprechend ist eine wissenschaftliche Disziplin einer zweiten gegenüber basal, wenn alle Ereignisse des Gegenstandsbereichs der zweiten Wissenschaft durch die Ereignisse des Gegenstandsbereichs der ersten determiniert werden. Aber auch Ereignisse, die nicht zum Gegenstandsbereich einer Wissenschaft gehören, können in diesem Sinne

Kim hat die Frage nach dem Wert des Physikalismus als Ausformulierung der materialistischen Grundüberzeugung in einigen Aufsätzen bereits gegen Ende der sechziger Jahre diskutiert, in denen er dem Physikalismus die seines Erachtens schwächere aber hinreichende Dependenz-Alternative entgegenstellt (Psychophysical Laws and Theories of Mind·, Reduction, Correspondence and Identity·, On the Psycho-Physical Identity Theory und (zusammen mit Richard Brand) The Logic of the Identity Theory).

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dependent von Ereignissen aus einzelnen Wissenschaften sein. (Und sie sind stets dependent von physikalischen Ereignissen.)

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, daß das Materialismus-Problem mit dem Problem der kausalen Anhängsel zusammenhängt. Kims Lösungsvorschlag für letzteres Problem besagte: In dem Mary-Beispiel ist die rechtfertigende Funktion der kausalen Rolle des Tippens gegenüber der der Mitteilung darauf zurückzuführen, daß die Mitteilung dependent vom Tippen ist. Und nun lautet seine Antwort auf des Materialismus-Problem: Alle Ereignisse sind dependent von den physikalischen Ereignissen und bilden auch untereinander eine Dependenz-Hierarchie. Es ist wenig verwunderlich, daß sich diese beiden Dependenzen bei Kim als ein und dieselbe Dependenzbeziehung herausstellen. Allerdings haben nicht nur die Lösungen, sondern bereits die Probleme eine Menge miteinander zu tun. Wie oben schon gesagt, lassen sich auch solche Kausalaussagen substitutionell rechtfertigen, die man nomologisch rechtfertigen kann, und zwar mit dem Zweck, zu einer stärkeren Rechtfertigung zu gelangen, als sie die betreffende Gesetzmäßigkeit bietet. Die Polizei wird sich z.B. nicht auf den generellen Zusammenhang zwischen plötzlicher Nebelbildung und Massenkarambolagen verlassen, wenn sie einen bestimmten Auffahrunfall untersucht, sie wird die Annahme, daß das plötzliche Auftreten des Nebels eine Ursache des Unfalls war, dadurch untermauern, daß sie den Unfall in seine Bestandteile zerlegt (den ersten Zusammenstoß, den darauf folgenden etc.) und deren kausale Genese möglichst exakt ausdifferenziert. Es hängt vom Zweck der Rechtfertigung ab, ob man sich mit einer nomologischen Rechtfertigung zufrieden gibt, oder eine substitutionelle anstrebt. Und es ist eine Frage der epistemischen Möglichkeiten, ob man tatsächlich eine substitutioneile Rechtfertigung findet - aber es ist ein epistemisches Problem, und das stellt die Verbindung zum Materialismus her: Man kann jede Kausalaussage dadurch rechtfertigen, daß man zu Aussagen über die kausalen Beziehungen zwischen den Teilen übergeht, und diese nomologisch rechtfertigt. Diese Möglichkeit hat man zumindest bis zu dem Punkt, an dem die nomologische Rechtfertigung nicht mehr auf bloßen Generalisierungen beruht, sondern auf Gesetzen, und wenn es diesen Punkt überhaupt gibt, dann erreicht man ihn frühestens auf der Ebene mikrophysikalischer Kausalbeziehungen. Aber auch wenn man nie zu durch Gesetze gedeckten Kausalaussagen gelangt, auf die Ebene physikalischer Gesetzmäßigkeiten gelangt man immer. Und das ist zumindest eine Antwort auf die Frage, worin die

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Sonderrolle der Physik besteht, sie bietet die letzte nomologische Rechtfertigung für alle Kausalurteile. Bevor sie die Ebene der Physik erreicht hat, hat die substitutioneile Rechtfertigung aber schon längst den Bereich des Allgemeinwissens verlassen, sowohl was die Frage angeht, welche Teile Ursachen und Wirkungen, als auch, welche Zwischenglieder die Kausalketten haben, und schließlich auch, welche Generalisierungen für die nomologische Rechtfertigung geeignet wären. Um von der Kausalbeziehung zwischen dem Tippen und der Bildschirmanzeige zu atomaren physikalischen Ereignissen zu gelangen, bedarf es zahlreicher Zwischenschritte durch die Gegenstandsbereiche der Ingenieurwissenschaft, der Informatik, der Elektronik, Chemie, Biologie etc. Der Rechtfertigungsbaum für einzelne Kausalaussagen gibt der materialistischen Idee der Wissenschafts-Hierarchie mit der Physik an der Basis eine mögliche Interpretation. Die Frage für Kim ist es nun, ob es ihm gelingt, eine Dependenz-Beziehung auszuzeichnen, die sowohl das Problem der kausalen Anhängsel als auch das Materialismus-Problem löst. Kim macht dazu folgenden Vorschlag: Wenn Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, dann können sie auch deshalb durch andere Ereignisse determiniert werden, weil ihre konstitutiven Elemente durch deren konstitutive Elemente determiniert werden. Daß ein Ereignis eintritt, determiniert, daß ein anderes Ereignis eintritt, weil die Tatsache, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt der Träger des ersten Ereignisses die konstitutive Eigenschaft des ersten Ereignisses hat, dazu führt, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt der Träger des zweiten Ereignisses die konstitutive Eigenschaft des zweiten Ereignisses hat. Nun geht es bei den beiden zu lösenden Problemen um das Verhältnis zwischen synchronen Ereignissen, man kann also voraussetzen, daß sich das dependente und determinierende Ereignis im Zeitpunkt nicht unterscheiden; zudem unterscheiden sich zumindest in den bislang genannten Beispielen auch die Ereignis-Träger nicht. Die Frage ist deshalb, ob es gelingt, eine Dependenzbeziehung zwischen konstitutiven Eigenschaften zu charakterisieren, aus der sich eine Dependenz der durch diese Eigenschaften konstituierten Ereignisse ergibt (gesetzt den Fall, Träger und Zeitpunkt stimmen überein), und ferner, ob diese Dependenz das Materialismus-Problem und das Problem der kausalen Anhängsel löst. In den frühen Aufsätzen Kims finden sich (unter leicht variierenden Bezeichnungen) verschiedene Vorschläge für solche Dependenz-

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Beziehungen. 1978 übernimmt Kim dann einen Ausdruck, den Davidson 1970 in die Leib-Seele-Debatte eingeführt hat: Supervenienz.11 In den folgenden beiden Kapiteln soll gefragt werden, erstens, was es heißt, daß eine Eigenschaft bzw. ein Ereignis supervenient auf eine andere Eigenschaft, ein anderes Ereignis ist, zweitens, ob diese Beziehung wirklich eine DependenzBeziehung ist, drittens, ob es die Dependenz-Beziehung zwischen z.B. biologischen und chemischen oder chemischen und physikalischen Ereignissen ist - d.h. ob sich mit Hilfe der Supervenienz die Hierarchie der Wissenschaften erläutern und damit das Materialismus-Problem lösen läßt -, und viertens, inwiefern die Supervenienz beim Problem der kausalen Anhängsel weiterhilft. Zumindest in Bezug auf die letzte Frage wird die Antwort pessimistisch ausfallen.

Kim verwendet den Ausdruck meines Wissens das erste Mal in Supervenience and Nomobgical Incommensurables.

Kapitel 7 Supervenienz

Kims Antwort auf das Problem der kausalen Anhängsel und seine Erklärung für die basale Rolle physikalischer Ereignisse stützen sich auf den Begriff der Supervenienz. In diesem Kapitel wird dieser Begriff, im nächsten der darauf aufbauende der supervenienten Kausalität erläutert. Der Ausdruck "Supervenienz" und das Adjektiv "supervenient" sind Eindeutschungen der englischen Wörter "supervenience" und "supervenient". Diese verdanken ihre philosophisch-technische Verwendung vermutlich zu einem Teil der 1925 erschienenen Aristoteles-Übersetzung von Ross: "Pleasure completes the activity [...] as an end which supervenes as the bloom of youth does on those in the flower of their age. "'• Doch "supervene" scheint zu diesem Zeitpunkt bereits als Verb zum Substantiv "emergence" bzw. Adjektiv "emergent" bekannt zu sein.2 Der häufig als erster Vertreter einer Supervenienz-These genannte G.E. Moore dagegen verwendet den Ausdruck nicht. Zumeist wird die erste terminologische Verwendung des Ausdrucks Richard Hare zugeschrieben. Nach dessen eigenem Bekunden hat er das Wort "supervenience" in seiner heutigen technischen Verwendung das erste Mal 1950 in einem nicht veröffentlichten Vortrag verwendet, allerdings sei dieser terminologische Gebrauch zu dem Zeitpunkt in Oxford durchaus verbreitet gewesen.^

*

Supervenienz ist primär eine Beziehung zwischen zwei

Eigenschaftsfamilien.

Eine Eigenschaftsfamilie ist eine Menge von Eigenschaften, für die folgende Bedingungen erfüllt sind: Erstens, wenn die Eigenschaften F und G zu der Familie gehören, dann gehört auch eine Eigenschaft (F und G) zu der Familie und eine Eigenschaft (F oder G), wobei ein Gegenstand genau dann die Eigenschaft (F und G) hat, wenn er F hat und G hat, und genau dann die Eigenschaft (F oder G), wenn er F hat oder G hat - die Familie ist abgeschlossen unter der konjunktion

und Eigenschaftsdisjunktion.

Eigenschafts-

Zweitens, wenn F zu der Familie

gehört, dann gibt es eine Eigenschaft kF in der Familie, so daß (F und kF) eine * 2 3

Nichomachische Ethik 1174b. Die Information stammt von Harry Lewis, Is the Mental Supervenient on the Physical?, S. 159 Anm.4. Lewis benift sich hierfür auf Peter Geach. Stephen Pepper verwendet es so in dem 1926 erschienenen Aufsatz Emergence, S. 241. Supervenience, S. 1.

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Supervenienz

Eigenschaft ist, die kein Gegenstand haben kann, und (F oder kF) eine Eigenschaft, die jeder Gegenstand haben muß - es gibt zu jedem Element ein komplementäres Element. Gehören z.B. die Eigenschaften, blau zu sein, und, rot zu sein, zu einer Eigenschaftsfamilie, dann auch die Eigenschaften, blau und rot zu sein, blau oder rot zu sein, nicht rot zu sein, nicht blau zu sein, etc. Außerdem ist die Supervenienz eine Beziehung relativ zu einem Gegenstandsbereich. Kims Basis-Definition der Supervenienz lautet: Eine Eigenschaftsfamilie A ist genau dann auf eine Eigenschaftsfamilie Β supervenient, wenn das folgende notwendigerweise wahr ist: Teilen zwei Elemente χ und y des Gegenstandsbereichs alle Eigenschaften in B, dann teilen sie auch alle Eigenschaften in A. 4 (A ist die Supervenienz-Familie, Β die Supervenienz-Basis-Familie.) Anders ausgedrückt: Eine Eigenschaftsfamilie A ist genau dann auf eine Eigenschaftsfamilie Β supervenient, wenn gilt: Sind χ und y in bezug auf Β ununterscheidbar, müssen sie es notwendigerweise auch in bezug auf A sein. Die Definition erlaubt unmittelbar einen ersten Export des SupervenienzBegriffs auf eine angrenzende Beziehung: Man kann auch sagen, daß eine Eigenschaft F (und nicht Eigenschaftsfamilie) auf eine Eigenschaftsfamilie Β supervenient ist, wenn es unmöglich ist, daß zwei Gegenstände des Gegenstandsbereichs in bezug auf Β ununterscheidbar sind, aber sich in bezug auf F unterscheiden. #

Wie im letzten Kapitel angekündigt, stützt sich Kim auf den SupervenienzBegriff, um eine Dependenz- bzw. Determinations-Beziehungen zu erläutern, die das Verhältnis zwischen physikalischen und nicht-physikalischen Ereignissen und allgemein zwischen kausalen Anhängseln und ihren Aufhängern beschreibt: Ereignisse sind dependent von anderen Ereignissen, wenn ihre konstitutiven Eigenschaften dependent von deren konstitutiven Eigenschaften sind. Der soeben charakterisierte Supervenienz-Begriff kann dafür allerdings erst ein Vorläufer sein, denn diese Supervenienz verbindet Eigenschaftsfamilien bzw. Eigenschaften mit Eigenschaftsfamilien und keine Eigenschaften untereinander. Man kann ihn aber bereits dazu verwenden, um das hierarchische Verhältnis zwischen den verschiedenen Einzelwissenschaften sowie den fundamentalen Status der 4

Daß zwei Gegenstände alle Eigenschaften einer Eigenschaftsfamilie teilen, soll heißen, daß für jede Eigenschaft gilt: entweder haben beide Gegenstände sie oder beide haben sie nicht.

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Physik zu beschreiben: Eine Wissenschaft ist einer anderen gegenüber genau dann basal, wenn die Familie der Eigenschaften, mit denen sie sich beschäftigt, die Supervenienz-Basis der Familie der Eigenschaften ist, mit denen sich die andere Disziplin beschäftigt. Und die Physik ist die fundamentale Wissenschaft, weil alle Eigenschaften überhaupt und folglich auch alle Eigenschaftsfamilien der anderen Disziplinen auf die Familie der physikalischen Eigenschaften supervenient sind - und zwar für den Geltungsbereich aller Gegenstände.5 Dies ist allerdings nur dann eine befriedigende Beschreibung des Verhältnisses der verschiedenen Einzelwissenschaften zueinander und des Sonderstatus der Physik, wenn die bislang charakterisierte Supervenienz tatsächlich eine Dependenz-Beziehung ist, und zwar eine Dependenz-Beziehung, die der materialistischen Grundüberzeugung gerecht wird. Dafür spricht, daß es zumindest einen engen Zusammenhang zwischen Supervenienz und Dependenz gibt. Wenn es sich z.B. als unmöglich herausstellen sollte, zwei Speisen genau gleich zuzubereiten, die trotzdem unterschiedlich schmecken, dann spricht das dafür, daß der Geschmack der Speisen von ihrer Zubereitung determiniert wird. Ist es hingegen möglich, daß die beiden Speisen trotz der gleichen Zubereitung unterschiedlich schmecken, dann ist der Geschmack in einem wichtigen Sinn eine eigenständige, durch die Zubereitung nicht determinierte Eigenschaft. Das Beispiel zeigt, daß man sowohl geneigt ist, vom Bestehen einer SupervenienzBeziehung auf eine Dependenz zu schließen, als auch vom Nichtbestehen der Supervenienz-Beziehung auf die Nicht-Dependenz, die Unabhängigkeit, einer Eigenschaft von einer Familie von Eigenschaften. Beide Schlüsse bedürfen allerdings eines Kommentars. Der zweite Schluß ist berechtigt, solange man unter "Dependenz" alleinige Dependenz, bzw. unter "Determination" vollständige Determination versteht. In einem schwächeren Sinne hängt der Geschmack einer Speise auch dann von der Zubereitung ab, wenn es weitere determinierende Faktoren gibt (z.B. die Qualität der Zutaten), d.h. auch dann, wenn der Geschmack nicht supervenient auf die Zubereitung ist.6 Vermutlich ist dies sogar die übliche Verwendungsweise der Ausdrücke "Dependenz", "Abhängigkeit", "Determination", aber es ist nicht die Verwendung, auf die sich Kim bei der Lösung des Materialismusproblems stützen kann. Es reicht nicht festzustellen, daß der Bereich physikalischer EreigDiese Behauptung gilt auch für die physikalischen Eigenschaften selbst, denn wie sich unmittelbar aus der Definition ergibt, ist jedes Element einer Eigenschaftsfamilie auf die Familie selbst supervenient. Darauf hat mich Rosemarie Rheinwald hingewiesen.

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nisse irgendeinen Einfluß auf das nicht-physikalische Geschehen hat, um dem Materialismus Rechnung zu tragen. Deshalb ist Supervenienz im oben definierten Sinn sicher eine notwendige Bedingung für die Determinations- bzw. Dependenz-Beziehung zwischen Eigenschaften. Fraglich ist dagegen die Berechtigung des ersten Schlusses oben, d.h. die Annahme die Supervenienz sei hinreichend für eine Dependenz-Beziehung im hier angestrebten Sinne. Denn es kann durchaus sein, daß Eigenschaften supervenient auf Eigenschaftsfamilien sind, von denen sie nicht vollständig determiniert werden, ja sogar ganz und gar unabhängig sind. Ein untechnisches Beispiel zeigt das: Maria, Hans und Otto losen, wer diese Woche den Abwasch machen muß. Hans verliert und muß abwaschen. Die Eigenschaft, abwaschen zu müssen, ist supervenient auf jede Eigenschaftsfamilie, zu der die Eigenschaften gehören, Maria zu heißen, Hans zu heißen, und, Otto zu heißen (bezogen auf den Gegenstandsbereich der drei Beispiel-Personen). Denn wenn bei diesen Personen der Name übereinstimmt, dann gilt auch notwendigerweise, daß sie in bezug darauf ununterscheidbar sind, ob sie abwaschen müssen.7 Gleichwohl gibt es keine Determinations- oder Dependenz-Beziehung zwischen dem Namen und der Eigenschaft, abwaschen bzw. nicht abwaschen zu müssen. Das Bestehen einer Supervenienz-Beziehung läßt demnach noch nicht auf das Bestehen einer Dependenz schließen. Ein zweite Beispiel, das zu demselben Schluß führt, ist philosophisch viel interessanter als das erste. Mit bestimmten periphären Einschränkungen ist der Wahrheitswert einer Aussage supervenient auf die Familie der syntaktischen Eigenschaften einer Sprache, denn zwei Aussagen mit der gleichen syntaktischen Struktur können sich nicht im Wahrheitswert unterscheiden.8 Dennoch ist der Wahrheitswert einer Aussage nicht dependent von ihrer Syntax, die Syntax dessen, was man aussagt, ist das Produkt der Sprachgeschichte und ist in diesem Sinne zufällig oder willkürlich.9

Zur Illustration: Die Eigenschaft, abwaschen zu müssen, ist z.B. nicht auf die Eigenschaftsfamilie supervenient, zu der nur die Eigenschaft gehört, männlich zu sein, und die Eigenschaft, weiblich zu sein (sowie die Eigenschaften, das eine und das andere, und die Eigenschaft, das einen oder das andere zu sein). Dieses Beispiel findet sich neben einer Reihe weiterer Beispiele für die Supervenienz ohne Dependenz bei Kim, Concepts of Supervenience, S. 161-62. Die Einschränkung betrifft Sätze mit Indikatoren, deren Wahrheitswert nicht auf die Syntax supervenient ist. Man könnte allerdings das Verhältnis zwischen Syntax und Wahrheitswert als Dependenz in dem schwächeren, gebräuchlicheren Sinn bezeichnen (als 'partielle Dependenz'). Das unterscheidet dieses Beispiel vom Abwasch-Beispiel.

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Die beiden Beispiele sollten illustrieren, daß nicht jede Supervenienz-Beziehung auf eine Dependenz-Beziehung schließen läßt. Sie geben aber zugleich auch einen Anhaltspunkt dafür, weshalb dies so ist. Woran liegt es, daß man im Abwaschbeispiel nicht bereit ist, von einer Dependenz des Abwaschen-Müssens vom Namen zu reden? Es liegt daran, daß es zwar nicht möglich ist, daß bei Namensgleichheit eine Differenz in der Spülpflicht besteht, daß es aber sehr wohl möglich gewesen wäre, daß jemand mit einem bestimmten Namen, der nicht abwaschen muß, hätte abwaschen müssen, ohne daß er einen anderen Namen gehabt hätte. Es hätte auch sein können, daß jemand hätte abwaschen müssen, der den Namen Otto hat, oder jemand, die den Namen Maria hat. Wenn tatsächlich niemand namens Otto abwaschen muß, es aber möglich gewesen wäre, daß jemand namens Otto hätte abwaschen müssen, dann fragt es sich, weshalb es unmöglich ist, daß sowohl jemand namens Otto abwaschen muß als auch jemand namens Otto nicht abwaschen muß - d.h. weshalb die Abwaschpflicht auf den Eigennamen supervenient ist. Der Grund dafür, daß sich in dem Beispiel keine zwei Personen in ihrer Abwaschverpflichtung unterscheiden können, ohne sich notwendigerweise in ihrem Namen zu unterscheiden, liegt in der (stillschweigenden) Voraussetzung, daß zwei verschiedene Personen des Gegenstandsbereichs überhaupt nicht in ihrem Namen übereinstimmen können, also auch dann nicht, wenn die eine abwaschen muß, die andere nicht. Ohne diese Voraussetzung wäre die Abwaschverpflichtung nicht supervenient auf die Namen - mit ihr ist es nicht nur die Abwaschverpflichtung, sondern jede Eigenschaft überhaupt. In keinem Fall aber läßt die Supervenienz auf eine spezielle Beziehung zwischen der Pflicht, abwaschen zu müssen, und dem Namen der betreffenden Person schließen. Das Verhältnis zwischen dem Wahrheitswert und der Syntax von Sätzen zeigt allerdings, daß sich diese Diagnose nicht verallgemeinern läßt; nicht in allen Fällen nichtdependenter Supervenienz treffen die supervenienten Eigenschaften auf nur einen Gegenstand des Gegenstandsbereichs zu. Faßt man Sätze als geschriebene, gesprochene oder anders geäußerte Sätze auf, dann teilen viele verschiedene Sätze dieselbe Syntax, ohne daß es (mit der genannten Ausnahme) möglich wäre, daß zwei Sätze dieselbe Syntax aber unterschiedliche Wahrheitswerte haben - und dies, obwohl der Wahrheitswert nicht durch die Syntax determiniert wird. Bei echten Determinations-Beziehungen hängt es also von der Eigenschaft aus der determinierenden Familie ab, welche Eigenschaft aus der dependenten Familie jedes Element des Gegenstandsbereichs hat. Ist man etwa in dem oben genannten Beispiel der Ansicht, daß der Geschmack eines Gerichts tatsächlich vollständig von seiner Zubereitung abhängt, dann meint man nicht bloß, daß zwei auf dieselbe Weise zubereitete Gerichte den gleichen Geschmack haben müssen, man meint darüber hinaus, daß sich aus der Zubereitung notwendigerweise ergibt, welchen Geschmack sie haben. Zwei gleich bereitete Suppen haben nicht nur den gleichen Geschmack, sie hätten bei dieser Zubereitung auch keinen anderen Geschmack haben können. Diese Dependenz-Beziehung gilt es auszudrücken - und dazu erweist sich die Supervenienz (bislang) als zu schwach.

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Kim nennt ein philosophischeres Beispiel für eine echte Dependenz-Beziehung, die Beziehung zwischen dem Handeln einer Person und ihrer Eigenschaft, mutig zu sein. Wenn die Abhängigkeit dieser Eigenschaft von den Handlungen einer Person, auf nicht mehr hinausliefe als auf eine Supervenienz-Beziehung im definierten Sinn, dann hätte eine Person, die tatsächlich mutig ist, feige sein können, ohne sich in irgendeiner Hinsicht anders zu verhalten. Und jeder, der eine Dependenz des Muts vom Handeln vertritt, würde diese Möglichkeit energisch bestreiten.1" *

Kim bezeichnet die bislang diskutierte Supervenienz als "schwache Supervenient und hält sie aus dem genannten Grund für zu schwach als Beitrag zur Lösung der im letzten Kapitel genannten Probleme. Das Präfix "schwach" deutet aber auch schon an, worin Kims Ausweg aus der Schwäche der schwachen Supervenienz liegt: Es gilt, die Supervenienz-Bedingung so zu verstärken, daß nur noch die wirklich dependenten Paare von Eigenschaftsfamilien darunter fallen. Um zu demonstrieren, daß es sich tatsächlich um eine Verstärkung der schwachen Supervenienz handelt, formuliert Kim eine der ersten Definitionen schwacher Supervenienz logisch äquivalente zweite Definition, auf der dann die Definition starker Supervenienz aufbaut. Die zweite Supervenienz-Definition lautet: Eine Eigenschaftsfamilie A ist genau dann auf eine Eigenschaftsfamilie Β supervenient, wenn notwendigerweise für jede Eigenschaft F aus A gilt: Hat ein Gegenstand χ des Gegenstandsbereichs die Eigenschaft F, dann gibt es eine Eigenschaft G aus B, so daß χ die Eigenschaft G hat und ferner jedes y, das G hat, auch F hat. Diese zweite Supervenienz-Definition dient nicht nur dem Übergang von der schwachen zur starken Supervenienz, sie macht auch einige Charakteristika der schwachen Supervenienz deutlicher als deren ursprüngliche Definition. Das wird offenbar, wenn man sich fragt, weshalb die beiden Definitionen äquivalent sind. 11 In eine Richtung ist die Implikation offensichtlich: Die erste Definition folgt aus der zweiten, denn wenn notwendigerweise jeder Gegenstand x, der eine superveniente Eigenschaft F hat, eine Eigenschaft G der Basis-Familie hat, die ausschließlich solche Gegenstände haben, die zugleich Eigenschaft F haben, dann gibt es keine in bezug auf Β (und damit G) von χ ununterscheidbaren Gegenstände, von denen der eine F hat, der andere nicht. Vgl. Concepts of Supervenience, S. 159-61, Psychophysical Supervenience as a MindBody Theory, S. 132-33. Vgl. hierzu Kim, Concepts of Supervenience, S. 163-64.

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Die andere Implikation - daß die zweite Definition aus der ersten folgt - ist nicht so offensichtlich, dafür aber aufschlußreicher. Der ersten SupervenienzDefinition zufolge dürfen sich zwei Gegenstände, die in allen Eigenschaften aus Β übereinstimmen, nicht in bezug auf A unterscheiden. Geht man davon aus (was die ganze Diskussion dieser Kapitel voraussetzt), daß Β eine endliche Menge von Eigenschaften umfaßt, dann gibt es für jeden Gegenstand χ des Gegenstandsbereichs eine endliche Teilmenge von B, zu der genau diejenigen Eigenschaften gehören, die χ hat. Und weil Β eine Eigenschaftsfamilie ist, existiert damit für jeden Gegenstand χ eine Eigenschaft G x in B, die die Konjunktion all dieser Eigenschaften ist. Dieses G x ist eine maximal starke Eigenschaft in B, in dem Sinn, daß die Konjunktion von G x mit einer weiteren Eigenschaft aus Β entweder wieder G x ist oder die unerfüllbare Eigenschaft. Anders ausgedrückt: Mehr kann man in Β nicht über einen Gegenstand sagen, ohne sich zu widersprechen, als daß er die Eigenschaft G x hat. Die Behauptung, daß G x eine in diesem Sinn maximale Eigenschaft ist, läßt sich unter der Voraussetzung, daß es sich bei Gx um die Konjunktion aller Eigenschaften handelt, die χ aus Β hat, leicht einsehen. Sie läßt sichx aber auch formalx herleiten: Angenommen für irgendeine Eigenschaft G gilt, daß (G & G) nicht mit G identisch ist. Daraus folgtx dann, daß χ die Eigenschaft G nicht hat, denn sonst wäre G ein Konjunkt von G , und (Gx & G) eben doch identisch mit G. Wenn aber χ G nicht hat, dann hat χ die zu G komplementäre Eigenschaft AG. Und damit ist AG ein Konjunkt von Gx, die komplexe Eigenschaft (Gx & G) ist also u.a. eine Konjunktion aus G und kG und folglich ist sie unerfüllbar. Auch andere Gegenstände als χ können die Eigenschaft G x haben. Aber alle Gegenstände des Gegenstandsbereichs, die diese Eigenschaft haben, müssen in bezug auf Β ununterscheidbar sein. Denn wäre es möglich, daß sich zwei Gegenstände, die beide G x haben, in irgendeiner anderen Eigenschaft G' aus Β unterscheiden - d.h. der eine Gegenstand hat G', der andere die komplementäre Eigenschaft kG' -, dann wären sowohl (G x & G') als auch (G x & kG') erfüllbar, aber zumindest eine dieser beiden Eigenschaften wäre von G x verschieden - und wie sich oben gezeigt hat, widerspricht dies der Annahme, G x sei die Konjunktion aller Eigenschaften von x. Wenn aber alle Gegenstände, die G x haben, in bezug auf Β ununterscheidbar sind, dann müssen sie der ersten Supervenienz-Definition zufolge auch in bezug auf A ununterscheidbar sein. Aus der ersten Supervenienz-Definition folgt demnach, daß jeder Gegenstand χ des Gegenstandsbereichs eine Eigenschaft G x hat, nämlich die Konjunktion aller seiner Eigenschaften in B, die er notwendigerweise nur mit solchen Gegenständen teilt, die auch dieselben Eigenschaften in A haben wie x. Kurz: G x

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erfüllt die Existenzbedingung der zweiten Supervenienz-Definition (G x ist das "G" der zweiten Definition), aus der ersten Definition folgt die zweite.

Dieser Zusammenhang zwischen der ersten und der zweiten Definition ist in zweierlei Hinsicht aufschlußreich. Zum einen läßt er einen gerade für Kim sehr wichtigen weiteren Export des Supervenienz-Begriffs zu, zum anderen offenbart die zweite Definition eine Konsequenz der Supervenienz-Beziehung, die sich aus der ersten Definition nicht direkt ablesen läßt. Ursprünglich war die Supervenienz oben als Beziehung zwischen Eigenschaftsfamilien eingeführt worden, dann aber unmittelbar auf die Beziehung zwischen Eigenschaften und Eigenschaftsfamilien ausgedehnt worden. Doch der für Kims Ereigniskonzeption letztlich interessanteste Supervenienz-Begriff bezieht sich auf das Verhältnis zwischen einzelnen Eigenschaften. Die anderen Supervenienz-Definitionen legen die folgende Definition der EigenschaftsSupervenienz nahe: Eine Eigenschaft F ist auf eine andere Eigenschaft G genau dann supervenient, wenn gilt, daß zwei Gegenstände des Gegenstandsbereichs, die G haben, auch F haben. (G ist die Basis-Eigenschaft der SupervenienzBeziehung.) Diese wichtige Ausweitung des Supervenienz-Begriffs erfolgt erst an dieser Stelle, weil die Erörterung des Verhältnisses zwischen den beiden SupervenienzDefinitionen es erleichtert, etwas über den Zusammenhang zwischen Eigenschafts- und Eigenschaftsfamilien-Supervenienz zu sagen: Eine Eigenschaft F, die supervenient auf eine Basis-Familie Β ist, ist keineswegs auf jede Eigenschaft der Basis-Familie supervenient. Das illustriert ein einfaches Beispiel: Die Eigenschaft einer Speise, wohlschmeckend zu sein, ist supervenient auf jede Eigenschaftsfamilie, zu der alle Eigenschaften gehören, die die Zusammensetzung und Zubereitung von Gerichten betreffen - z.B. die Eigenschaft, Schokolade zu enthalten, und die Eigenschaft, nicht gekocht worden zu sein, etc. Aber die Eigenschaft, wohlschmeckend zu sein, ist auf die allermeisten dieser Eigenschaften nicht supervenient, denn zwei Speisen können beide Schokolade enthalten, oder beide nicht gekocht worden sein, und ganz unterschiedlich gut schmecken. Das Beispiel legt die Frage nahe, ob es möglich wäre, daß eine Eigenschaft auf eine Eigenschaftsfamilie supervenient ist, ohne daß sich für die Eigenschaft in dieser Familie eine Basis-Eigenschaft findet. Diese Frage klärt die zweite Supervenienz-Definition: Sie fordert, daß jeder Gegenstand, der F hat, eine

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Eigenschaft in der Basis-Familie hat, die nur Gegenstände teilen, die zugleich F haben. Und eben dies macht diese Eigenschaft zu einer Basis-Eigenschaft für F die zweite Supervenienz-Definition macht das Bestehen von EigenschaftsSupervenienzen zur notwendigen Bedingung jeder Familien-Supervenienz.1^ Aus der Argumentation dafür, daß die erste Supervenienz-Definition die zweite impliziert, ergibt sich auch ein Anhaltspunkt, wo sich auf jeden Fall eine Basis-Eigenschaft für F findet: in der Konjunktion jeweils aller Eigenschaften aus der Basis-Familie, die irgendeiner der Gegenstände aus der Extension von F hat (dem G x ). Für jeden Gegenstand (des Gegenstandsbereichs), der F hat, gibt es in der Basis-Familie Β eine Konjunktion all der Eigenschaften, die er in Β hat; und auf diese maximal starken Eigenschaften (Kim nennt sie die "B-maximalen Eigenschaften"13) ist F supervenient. Es ist für das Weitere wichtig, daß aus der Supervenienz einer Eigenschaft auf eine Eigenschaftsfamilie folgt, daß die Eigenschaft auch auf mindestens ein Element der Eigenschaftsfamilie supervenient ist, doch das kulinarische Beispiel zeigt, wie fem einem häufig die B-maximalen Eigenschaften gewöhnlicher Basis-Eigenschaftsfamilien sind. Ein bestimmter wohlschmeckender Schokoladenpudding hat z.B. die Eigenschaft, Schokolade zu enthalten, und die Eigenschaft, gekocht zu sein - aber auch die Eigenschaften, keine Gurken und Anchovis zu enthalten, nicht fritiert zu sein, etc. Die Konjunktion all dieser praktisch endlos vielen Eigenschaften ist eine Basis-Eigenschaft der Eigenschaft, gut zu schmecken. Aber es ist zumindest nicht unmittelbar klar, weshalb eine Beziehung zu einer so aberwitzigen Eigenschaft interessant sein könnte.

Neben der Ausweitung des Supervenienz-Begriffs auf die Beziehung zwischen Eigenschaften, hat die Diskussion der zweiten Supervenienz-Definition noch eine weitere wichtige Konsequenz. Weil jeder Gegenstand des Gegenstandsbereichs, der eine superveniente Eigenschaft F hat, eine B-maximale Eigenschaft hat, und weil diese B-maximalen Eigenschaften Basis-Eigenschaften für F sind, ist die Disjunktion dieser B-maximalen Eigenschaften im Gegenstandsbereich mit der Eigenschaft F koextensiv. Diese Konsequenz ist deshalb so wichtig, weil die Überlegungen oben zu dem Ergebnis geführt haben, daß die mit der ersten Vgl. hierzu Kim, Epiphenomenal and Supervenient Causation, S. 262, und Psychophysical Superveniece as a Mind-Body Theory, S. 134. Kim schenkt dem Übergang von der Familien-Supervenienz zur Eigenschafts-Supervenienz allerdings nur wenig Aufmerksamkeit. Concepts ofSupervenience, S. 158.

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Definition charakterisierte schwache Supervenienz zwar keine hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer Dependenz-Beziehung ist, aber wenn man unter "Dependenz" vollständige Dependenz versteht, zumindest eine notwendige. Die erste Definition hat sich nun als äquivalent mit der zweiten erwiesen, und aus der zweiten folgt, daß es für jede Eigenschaft der supervenienten Familie in der Basis-Familie eine koextensive Eigenschaft geben muß. Kurz: Wenn eine Eigenschaftsfamilie vollständig dependent von einer anderen ist, dann gibt es zu jedem ihrer Elemente in der anderen Familie ein koextensives Pendant. Dieser Zusammenhang zwischen dem Umfang der dependenten und der sie determinierenden Eigenschaftsfamilien ist für den Bereich der schwachen Supervenienz noch unproblematisch. (Gerade das Pudding-Beispiel illustriert, wie wenig vertraut bereits die einzelnen Disjunkte dieser koextensiven Eigenschaft sein können.) Schwierigkeiten ergeben sich erst nach dem Wechsel von der schwachen zur starken Supervenienz. *

Am Ende des vorletzten Abschnitts stand das Ergebnis, daß die schwache Supervenienz zu schwach ist, als daß sie die für die Explikation der materialistischen Grundüberzeugung gesuchte Dependenz-Beziehung sein könnte. Das liegt an der mit einer vollständigen (aber auch partiellen) Dependenz unvereinbaren modalen Liberalität der schwachen Supervenienz: Eine echte Dependenz-Beziehung läßt nicht zu, daß ein Gegenstand bei gleichen Basis-Eigenschaften, eine beliebige andere Eigenschaft in der dependenten Eigenschaftsfamilie hätte haben können, als er sie tatsächlich hat, die schwache Supervenienz dagegen schweigt sich über diesen kontrafaktischen Fall aus. Wie bereits angekündigt, erlaubt die zweite Supervenienz-Definition eine Modifikation, die dieses Problem ausräumt, die Verstärkung der schwachen zur starken Supervenienz. Die Definition der starken Supervenienz lautet: Eine Eigenschaftsfamilie A ist genau dann stark supervenient auf eine Eigenschaftsfamilie B, wenn notwendigerweise für jede Eigenschaft F aus A gilt: Wenn ein Gegenstand χ die Eigenschaft F hat, dann gibt es eine Eigenschaft G aus B, so daß χ G hat und ferner jedes y, das G hat, notwendigerweise auch F hat. Eine Eigenschaft F ist auf eine andere Eigenschaft G stark supervenient, wenn jeder Gegenstand, der G hat, notwendigerweise auch F hat.

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Zweierlei spricht unmittelbar dafür, daß die starke Supervenienz geeignet ist, die gesuchte Abhängigkeits-Beziehung zu charakterisieren. Zum einen stimmt sie mit der Dependenz darin überein, daß sie die schwache Supervenienz impliziert (was notwendigerweise der Fall ist, ist auch tatsächlich der Fall). Zum anderen lassen sich die genannten Beispiele für Supervenienz-Beziehungen, die keine vollständigen Dependenz-Beziehungen sind - das Abwasch-Beispiel und das Verhältnis zwischen Wahrheitswert und Syntax -, nicht auf die starke Supervenienz übertragen. Die Eigenschaft, nicht abwaschen zu müssen, z.B. ist auf die Eigenschaftsfamilie der Namen nicht stark supervenient: Hans hätte auch mehr Glück beim Losen haben können, dann hätte er zwar immer noch den Namen Hans gehabt, aber nicht abwaschen müssen. Es gibt allerdings auch zwei Gründe die dagegen sprechen, daß jede starke Supervenienz zwischen Eigenschaftsfamilien oder zwischen Eigenschaften eine Dependenz-Beziehung ist. Zum einen kann sowohl die starke Supervenienz zwischen Eigenschaftsfamilien als auch die zwischen Eigenschaften symmetrisch sein, während eine Dependenz vermutlich stets asymmetrisch ist. Zum anderen ist es möglich, daß zwei Eigenschaftsfamilien stark supervenient auf eine dritte Eigenschaftsfamilie sind und deshalb die eine von ihnen auch stark supervenient auf die andere ist, ohne daß sich behaupten ließe, sie sei von jener dependent. 14 Es ist nicht klar, ob sich diese Mängel beheben ließen - etwa dadurch, daß man die Bedingung für das Vorliegen einer starken Supervenienz ergänzt -, aber für den weiteren Verlauf der Diskussion sollen die Zweifel daran, ob die starke Supervenienz eine Dependenz-Beziehung ist, ausgeklammert werden. 15 Die aus der Sicht der Ereignis-Diskussion interessanteren Probleme ergeben sich, wenn man voraussetzt, daß die starke Supervenienz eine Dependenz ist. Denn dann fragt es sich immer noch, ob sie wirklich das leistet, was Kim von ihr fordert, nämlich eine zutreffende Charakterisierung der Gegenstandsbereiche der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu geben, die sich generell auf das Verhältnis zwischen einzelnen Ereignissen und ihren kausalen Anhängseln übertragen läßt und dafür verantwortlich ist, daß sich die Annahme kausaler Bezie-

Diese Einwände dagegen, daß jede starke Supervenienz-Beziehung eine DependenzBeziehung ist, finden sich zusammengefaßt in Thomas Grimes' The Myth of Supervenience und in Kims Supervenience as a Philosophical Concept, vor allem in Abschnitt IV. Ein weiteres, von diesen beiden Einwänden unabhängiges Beispiel für eine starke Supervenienz ohne Dependenz wird im nächsten Kapitel zur Sprache kommen. Grimes führt in dem eben genannten Artikel Gründe dafür an, weshalb es generell unmöglich sei, die starke Supervenienz zu einer Dependenz zu verstärken.

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hungen zwischen den Anhängseln mit Rekurs auf die kausalen Beziehungen der Aufhänger rechtfertigen läßt. Und in dieser Hinsicht gibt es Grund zur Skepsis.

Stimmt es, daß alle Eigenschaften stark supervenient auf die Familie der physikalischen Eigenschaften sind und daß alle Eigenschaften einer Einzelwissenschaft stark supervenient auf die Familie der Eigenschaften sind, mit denen sich jene Disziplin beschäftigt, die dieser Einzelwissenschaft gegenüber basal ist also daß z.B. alle biologischen Eigenschaften stark supervenient auf die Familie der chemischen Eigenschaften sind? Dies ist zumindest eine sehr starke These, denn daraus, daß eine Eigenschaft stark supervenient auf eine Eigenschaftsfamilie ist, folgt, daß es eine zu ihr notwendigerweise /coextensive Eigenschaft in dieser Familie gibt. (Und daraus, daß eine Eigenschaftsfamilie stark auf eine andere supervenient ist, folgt, daß es zu jedem Element der supervenienten ein solches notwendigerweise koextensives Element in der Basis-Familie gibt.) Diese Feststellung läßt sich weitgehend aus der oben angestellten Überlegung herleiten, daß es in der Supervenienz-Basis einer schwach supervenienten Eigenschaft eine faktisch koextensive Eigenschaft gibt. Auch in der starken Supervenienz-Beziehung erfüllt die B-maximale Eigenschaft eines Gegenstandes die in der Definition aufgestellte Bedingung für ein "G" - ein Gegenstand mit dieser B-maximalen Eigenschaft hätte gar keine andere Eigenschaft aus A haben können. Und die Disjunktion aller B-maximalen Eigenschaften von Gegenständen, die eine stark auf Β superveniente Eigenschaft F haben, ist nun nicht nur in der tatsächlichen, sondern auch in jeder möglichen Welt mit F koextensiv, d.h. sie ist notwendigerweise koextensiv. Ein Problem ergibt sich aus der Bereichsrelativität der Supervenienz-Beziehung. Die für die Dependenz aller Eigenschaften auf die physikalischen interessante Supervenienz bezieht sich auf den Bereich aller Gegenstände überhaupt. Und die behauptete notwendige Koextensivität von F mit der Disjunktion aller B-maximalen Eigenschaften der Gegenstände, die in der wirklichen Welt F haben, bezieht sich auch auf den Bereich aller Gegenstände - doch nur der Gegenstände der wirklichen Welt. Wenn es in einer möglichen Welt Gegenstände gibt, die es in der tatsächlichen nicht gibt, und wenn diese Gegenstände die Eigenschaft F haben, dann ist die genannte Disjunktion in dieser möglichen Welt nicht unbedingt mit F koextensiv. Es könnte sein, daß dieser in der tatsächlichen Welt nicht existierende Gegenstand eine B-maximale Eigenschaft hat, die kein Teil der in der tatsächlichen Welt mit F koextensiven Disjunktion B-maximaler Eigenschaften ist. Aber diese Feststellung gefährdet nicht die These, daß aus der starken Supervenienz die Existenz einer notwendig koextensiven Eigenschaft folgt. Denn die nur in einer anderen möglichen Welt existierenden Gegenstände können zwar B-maximale Eigenschaften haben, die kein Teil des in der tatsächlichen Welt koextensiven Disjunkts sind, aber diese B-maximale Eigenschaft darf dann wiederum kein Gegenstand in der tatsächlichen Welt mit ihnen teilen (denn sonst wäre die komplementäre Eigenschaft

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von F nicht stark supervenient auf Β). Und damit ist die Disjunktion dieser B-maximalen Eigenschaften mit der mit F in der tatsächlichen Welt koextensiven Eigenschaft wiederum in der tatsächlichen Welt mit F koextensiv - und darüber hinaus in der betrachteten möglichen Welt. Dies zeigt, daß man den Kreis der möglichen Welten auch beliebig auf Welten ausdehnen kann, in denen solche Gegenstände die Eigenschaft F haben, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, ohne daß der Kreis irgendwann so umfassend würde, daß sich in Β keine zu F koextensive Eigenschaft mehr fände. Wenn nun die starke Supervenienz eine angemessene Erläuterung der Eigenschafts-Dependenz geben soll, dann muß jede vollständig dependente Eigenschaft eine notwendigerweise koextensive Eigenschaft in ihrer BasisFamilie haben. Und das ist, wie gesagt, eine sehr starke Forderung. Für das Verhältnis zwischen dem Geschmack einer Speise und ihrer Zubereitung heißt das: Wenn der Geschmack von der Zubereitung dependent ist, dann gibt es eine Zubereitung, die notwendigerweise alle wohlschmeckenden und nur die wohlschmeckenden Speisen teilen. Und wenn die Eigenschaft, feige zu sein, von den Handlungen einer Person abhängt, dann gibt es eine Handlungsweise, die notwendigerweise genau allen feigen Personen gemeinsam ist. Es klingt aber zumindest längst nicht so einleuchtend, daß es eine solche Handlungsweise oder eine solche Zubereitung gibt, wie es einleuchtet, daß der Geschmack von der Zubereitung oder die Feigheit vom Handeln abhängt. Die Existenz der notwendigerweise koextensiven Eigenschaft in der Basis-Familie spricht also dagegen, daß jeder vollständigen Dependenz-Beziehung zwischen Eigenschaften eine starke Supervenienz einhergeht. Allerdings sind die Beispiele irreführend. Daß es so wenig plausibel ist anzunehmen, daß es eine allen wohlschmeckenden Speisen eigene Zubereitung gibt, hängt hauptsächlich damit zusammen, daß das, was man als die die Zubereitung einer Speise betreffenden Eigenschaften anzusehen gewohnt ist, beileibe keine Familie im für die starke Supervenienz vorausgesetzten Sinn darstellt. Oben war schon einmal davon die Rede, wie unvertraut bereits die B-maximale Eigenschaft eines einzigen wohlschmeckenden Gerichts, des Schokoladenpuddings, aussieht: Es ist die Eigenschaft, Schokolade zu enthalten, nicht gekocht zu sein, weder Gurken noch Anchovis zu enthalten, nicht fritiert zu sein, usw. usw. Und die einzige sicher mit dem Wohlschmeckendsein notwendigerweise koextensive Eigenschaft, die Disjunktion aller möglichen B-maximalen Eigenschaften wohlschmeckender Gerichte, potenziert diese Eigenschafts-Ungetüme noch. Es ist also leicht nachzuvol 1 ziehen, wenn man, anstatt an diese Eigenschaft zu denken, bestreitet, daß allen wohlschmeckenden Speisen eine Zubereitung notwendigerweise gemeinsam ist.

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Man kann diese Überlegung als Bestätigung dafür ansehen, daß die starke Supervenienz dem Anschein zum Trotz doch eine brauchbare Erläuterung der Eigenschafts-Dependenz bietet. Man kann in ihr aber auch eine Reductio ad absurdum der Grundvoraussetzung sehen, daß Eigenschafts-Dependenzen als Verhältnis zwischen Eigenschaften und Eigenschaftsfamilien verstanden werden sollten. Für die zweite Reaktion spricht das Befremden, das Eigenschaften wie die, Schokolade, aber keine Anchovis und Gurken zu enthalten, auslösen. Für die erste spricht, daß man trotz der Verschachtelung zahlreicher EigenschaftsDisjunktionen, -Konjunktionen etc. die Elemente der Eigenschaftsfamilie deutlich von anderen Eigenschaften abgrenzen kann. (Die Eigenschaft, aus Schokolade zu bestehen und bekömmlich zu sein, gehört z.B. nicht dazu.) Und das macht es zu einer interessanten Frage, ob der Geschmack eines Gerichts von einer bestimmten Eigenschaftsfamilie dependent ist, oder nicht (z.B. einer Familie, zu der die Bekömmlichkeit nicht gehört). Dieses Argument für die Existenz von Eigenschaftsfamilien ist sicher nicht schlagend, aber es reicht als Motivation aus, der Frage weiter nachzugehen, ob die starke Supervenienz eine Erläuterung der Eigenschafts-Dependenz liefert, und dabei vorauszusetzen, daß die interessanten Dependenz-Beziehungen Eigenschaftsfamilien betreffen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, wenn man sich als nächstes fragt, ob die starke Supervenienz - im Gegensatz zur schwachen - der Dependez zwischen den Eigenschaften aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und insbesondere der Dependenz aller Eigenschaften von den physikalischen gerecht wird. Auf den ersten Blick zumindest ist es eine alles andere als einleuchtende Annahme, daß es zu jeder beliebigen Eigenschaft eine notwendigerweise koextensive physikalische Basis-Eigenschaft gibt. Eine solche beliebige Eigenschaft ist z.B. die Eigenschaft, ein Geldstück zu sein. 16 Welche physikalische Eigenschaft trifft notwendigerweise auf Geldstücke und nur auf Geldstücke zu? Es ist offenkundig, daß es keine Eigenschaft sein kann, die sich auf das Material beschränkt, aus dem ein Geldstück besteht, denn zum einen kann (oder zumindest könnte) ein Geldstück aus allem möglichen Material bestehen, zum anderen gibt es Gegenstände aus demselben Material wie Geldstücke, die keine Geldstücke sind. Auch die Prägung, die Farbe, das Gewicht sind unzulänglich, um mit Notwendigkeit zwischen Geldstücken und Nicht-Geldstücken unterscheiden zu können. Ob eine Münze ein Geldstück ist, hängt eben auch davon ab, ob sie in einer staatlichen Anstalt oder einer Fälscherwerkstatt entstanden ist, Das Beispiel stammt aus einem Kommentar von Paul Teller zu Kims Aufsatz Supervenience and Supervenient Causation (Comments on Kim's Paper, S. 58-59).

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ob die Regierung, die sie geprägt hat, im Amt oder gestürzt ist, und vielem mehr. Jede physikalische Eigenschaft, die notwendigerweise genau auf Geldstücke zutrifft, muß gegenüber solchen Unterschieden sowohl in der Vergangenheit als auch der weiteren Umgebung der Münze sensibel sein - sie muß letztlich eine physikalische Beschreibung der ganzen ökonomischen Umgebung der Münze geben. Nur wenn dies immer noch eine physikalische Eigenschaft ist, bilden die physikalischen Eigenschaften eine starke Supervenienz-Basis für die Eigenschaft, ein Geldstück zu sein. Andere Beispiele für Eigenschaften, die außerordentlich verschachtelte physikalische Basis-Eigenschaften erforderlich machen, finden sich im Bereich psychischer Eigenschaften - also in einem Bereich, in dem die Supervenienz-Diskussion eine besonders große Rolle spielt, und über den Kim eine ganze Reihe von Aufsätzen veröffentlicht hat. Wenn sich Mary daran erinnert, in Paris gewesen zu sein, wenn sie den Montmartre mag oder sich schämt, ihren damaligen Freund nicht wiederzuerkennen, dann hat sie Eigenschaften, deren physikalische Basis-Eigenschaften sich nicht darauf beschränken dürfen, in welchem physikalischen Zustand sich Mary in diesem Augenblick befindet, sondern sich auf ihre Vergangenheit und weitere Umgebung beziehen müssen. Ein frisch aus der Retorte geschlüpfter, ihr Molekül für Molekül gleichender Klon, hätte diese Eigenschaften nicht. Der Klon könnte sich nicht an einen Paris-Besuch erinnern, denn er war nie in Paris; er hat auch nie den Montmartre gesehen oder von ihm gehört, kann ihn also weder mögen, noch nicht mögen; und einen Freund hatte der Klon auch noch nicht, den nicht wiederzuerkennen er sich schämen könnte. Es ist offensichtlich, daß die physikalischen Basis-Eigenschaften der psychischen Eigenschaften ähnlich ausladend und verschachtelt sein müssen wie die der Eigenschaft, ein Geldstück zu sein. Schon die vergleichsweise enge Beziehung zwischen Geschmack und Zubereitung einer Speise zwingt im Rahmen der Supervenienz-Konzeption dazu, die Existenz äußerst verschachtelter Eigenschaften anzunehmen. Die Eigenschaften, deren Existenz sich aus der starken Supervenienz aller Eigenschaften auf die physikalischen Eigenschaften ergibt, sind noch erheblich komplexer und entsprechend weniger zugänglich. Viele dieser physikalischen Basis-Eigenschaften kennt kein Mensch (ob Physiker oder nicht) und wird sie auch niemals kennenlernen. Nimmt man dies zum Anlaß, nur diejenigen Eigenschaften als physikalisch anzusehen, von denen tatsächlich in der physikalischen Theorie die Rede ist, dann bilden die physikalischen Eigenschaften keine Familie und es ist trivialerweise falsch, daß alle Eigenschaften und alle Eigenschaftsfamilien stark supervenient auf die Familie der physikalischen Eigenschaften sind. Und es ist, wie das Münzen-Beispiel zeigt, sicherlich ebenso falsch, daß alle Eigenschaften stark supervenient auf einzelne physikalische Eigenschaften sind. Darüber hinaus bilden bei diesem engen Verständnis dessen, was es heißt, daß eine Eigenschaft Vgl. zu der Frage der Supervenienz psychischer Eigenschaften auf augenblickliche, nicht relationale physikalische Eigenschaften insbesondere Kims Psychophysical Super-

venience, S. 57-58.

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Gegenstand einer wissenschaftlichen Disziplin ist, auch die Eigenschaften anderer Wissenschaften keine Familien und es ist auch dort kaum wahrscheinlich, daß Eigenschaften der einen stark supervenient auf Eigenschaften einer anderen Disziplin sein werden - der Begriff der Supervenienz ist dann hoffnungslos untauglich für die Beschreibung der Eigenschafts-Dependenz. Aber es gibt, wie oben im Beispiel der Zubereitung einer Speise, durchaus Gründe für die Annahme, daß die Eigenschaften der einzelnen Wissenschaften Familien bilden: Wenn sich jene exotischen Basis-Eigenschaften als disjunktive und konjunktive Komplexe normaler physikalischer Eigenschaften verstehen lassen, dann sind sie in einem für das Verständnis der Sonderrolle der Physik interessanten Sinn physikalisch, in dem so triviale Alltagseigenschaften wie die, ein Geldstück zu sein, oder, sich an Paris zu erinnern, vermutlich nicht physikalisch sind. Daß die Supervenienz-Konzeption einen Begriff physikalischer Eigenschaften voraussetzt, dem zufolge es physikalische Eigenschaften geben kann, von denen Physiker weder etwas wissen noch wissen wollen, erlaubt es Kim, neben der WissenschaftsHierarchie einen anderen Aspekt der Beziehung zwischen wissenschaftlichen Disziplinen zu erläutern, die Autonomie der einzelnen Wissenschaften: Trotz der Dependenz aller Disziplinen von der Physik gibt es verschiedene Disziplinen, und niemand erwartet, daß sich eines Tages alle Disziplinen auf eine universelle Physik reduzieren lassen werden. Die Spannung zwischen Dependenz und Irreduzibilität läßt sich lösen, wenn man berücksichtigt, daß die Eigenschaften, mit denen sich die Forscher einer Disziplin tatsächlich beschäftigen und über die sie Urteile fallen, nicht unter der Disjunktion, Konjunktion und Komplementarität geschlossen sind, also keine Familien bilden, und daß deshalb keinesfalls alle notwendigerweise koextensiven Basis-Eigenschaften aller Eigenschaften zu den in diesem engeren Sinn physikalischen Eigenschaften zählen müssen.

Bislang ist die Frage, ob die starke Supervenienz eine notwendige Bedingung der Eigenschafts-Dependenz, insbesondere der Dependenz aller Eigenschaften auf die physikalischen ist, noch offen. Daß aus der starken Supervenienz folgt, daß es in der Basis-Familie zumeist ungeheurer verschachtelte Basis-Eigenschaften gibt, ist zwar nicht unmittelbar einleuchtend, aber man kann es plausibler machen. Doch die Existenz notwendigerweise koextensiver Basis-Eigenschaften in jeder Basis-Familie spricht auch ganz unabhängig von ihrer Komplexität gegen Kims Supervenienz-Konzeption. Das liegt daran, daß, wie sich am Ende des fünften Kapitels gezeigt hat, die notwendige Koextensivität zwar keine Individuationsbedingung, doch vermutlich eine Identitätsbedingung für Eigenschaften ist. Und wenn das stimmt, dann folgt aus der starken Supervenienz einer Eigenschaft auf eine Eigenschaftsfamilie, daß die Eigenschaft selbst ein

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Element dieser Basis-Familie ist, d.h. daß Eigenschaften nur auf Familien stark supervenient sein können, zu denen sie gehören. 18 Das hat für die Erläuterung der Eigenschafts-Dependenz gravierende Folgen: Entweder man hält die starke Supervenienz gleichwohl für eine notwendige Bedingung der EigenschaftsDependenz, dann bestreitet man alle bislang genannten Beispiele für DependenzBeziehungen (denn gut zu schmecken ist keine Zubereitung, feige zu sein keine Handlungsweise), oder man hält daran fest, daß Eigenschaften von Familien dependent sein können, zu denen sie nicht gehören, dann sind dies DependenzBeziehungen ohne starke Supervenienz. Kim möchte beides, die starke Supervenienz als notwendige Bedingung der Dependenz und die Möglichkeit, daß superveniente Eigenschaften kein Teil ihrer Supervenienz-Basis sind. Aber dann muß er bestreiten, daß die notwendige Koextensivität eine Identitätsbedingung für Eigenschaften ist, und das macht die Frage der Eigenschafts-Identität und Individuation für ihn zu einem noch vertrackteren Problem als es sich im fünften Kapitel ohnehin schon dargestellt hat - und meines Wissens gibt es weder bei Kim noch einem anderen Autoren eine Lösung für dieses Problem. Die Schwierigkeit, dieses Problem zu lösen, zeigt, wie nahe Kims Konzeption gerade in der Frage des Verhältnisses nicht-physikalischer zu physikalischen Eigenschaften einer anderen Position ist: der generellen Typen-Identitäts-These. Wenn notwendigerweise koextensive Eigenschaften identisch und alle Eigenschaften stark supervenient auf die Familie der physikalischen Eigenschaften sind, dann ist jede Eigenschaft auch ein Element der physikalischen Familie, sprich: alle Eigenschaften sind physikalische Eigenschaften. Und das ist die generelle Typen-Identitäts-These. Diese Nähe zwischen starker Supervenienz und Typen-Identität aber weckt einen neuen, weiteren Zweifel daran, ob tatsächlich die psychologischen Eigenschaften stark supervenient auf die biologischen, die biologischen auf die chemischen und nicht zuletzt alle Eigenschaften überhaupt stark supervenient auf die physikalischen Eigenschaften sind. Denn die Typen-Identitäts-These gilt heute in der philosophischen Literatur zumeist als überholt, und die Argumente, die dieses Urteil stützen, richten sich häufig nur gegen deren Konsequenz, daß es für Oben ist kurz erwähnt worden, daß der Supervenienz-Definition zufolge eine Eigenschaft stets auf alle Familien supervenient ist, zu denen sie gehört; doch wenn notwendigerweise koextensive Eigenschaften identisch sind, dann ist dieser vermeintliche Sonderfall die ausnahmslose Regel: Eigenschaften sind nur auf die Familien stark supervenient, zu denen sie gehören. (Allerdings folgt daraus noch nicht, daß sie nur auf sich selbst stark supervenient sind, es ist wahrscheinlich, daß es andere nicht mit ihnen notwendigerweise koextensive Basis-Eigenschaften in der Basis-Familie gibt.)

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alle Eigenschaften notwendigerweise koextensive physikalische Eigenschaften gibt, und damit gegen eine Konsequenz, die der Typen-Identität und starken Supervenienz auf jeden Fall gemeinsam ist - unabhängig davon, ob sie zusammenfallen oder nicht. 19 Das gilt insbesondere für das vielleicht einflußreichste Argument gegen die Typen-Identitäts-These, Putnams "multiple-realisation-argument".20 Putnam weist am Beispiel des Schmerzes darauf hin, daß Lebewesen mit ganz unterschiedlicher Physiologie ein und dieselbe psychische Eigenschaft haben können. Diese Tatsache und die darüber hinausgehende Feststellung, daß es stets möglich ist, daß sich bislang unbekannte Wesen (oder gar Artefakte) finden, die trotz einer abermals völlig anderen physiologischen Grundlage ebenfalls Schmerzen haben, veranlassen ihn zu dem Schluß, daß es für viele psychische Eigenschaften mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine notwendigerweise koextensiven physiologischen und also auch physikalischen Korrelate gibt. Seine Plausibilität gewinnt Putnams Argument allerdings aus seinem Begriff physikalischer Eigenschaften, der in zweierlei Hinsicht von dem von Kim vorausgesetzten abweicht: Zum einen beschränkt sich Putnam auf physiologische Eigenschaften, d.h. er bezieht weder räumlich noch zeitlich relationale Eigenschaften in die Überlegung ein, und dann gibt es in der Tat für einen Großteil aller Eigenschaften kein notwendigerweise koextensives physikalisches Pendant (z.B. für die Eigenschaft, ein Geldstück zu sein). Zum anderen hält Putnam die Ansicht, jede Disjunktion physikalischer Eigenschaften sei erneut eine physikalische Eigenschaft, explizit für indiskutabel21 - auch das aber ist, wie gezeigt, eine unabdingbare Voraussetzung für die Supervenienz-These. Die Triftigkeit der Kritik Putnams sowohl an der Typen-Identitäts-These (gegen die sie gemünzt war), wie auch an der Supervenienz-Konzeption Kims hängt von dem zugrunde gelegten Begriff physikalischer Eigenschaften ab. Teilt man hier die Voraussetzungen Kims, dann findet sich bei Putnam kein Einwand. Es gibt weitere Argumente gegen die Typen-Identitäts-These, aber es waren wohl vor allem Zweifel analog denen Putnams, die dafür verantwortlich waren, daß diese These aus der Diskussion des Leib-Seele-Problems verschwunden ist. Und es waren entsprechende Zweifel, die hinter der Behauptung im vorigen 19

20 21

Vgl. auch für das folgende Kims The Myth of Nonreductive Materialism, vor allem die Abschnitte II und III. Eine übersichtliche Darstellung der Argumente gegen die psychophysische Typen-Identitätstheorie gibt Bieri in der Einleitung zum ersten Abschnitt von Analytische Philosophie des Geistes, S. 36-43. Vgl. vor allem Putnams The Nature of Mental States, S. 436-37. The Nature of Mental States, S. 437.

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Kapitel standen, die Typen-Identitäts-These sei unhaltbar, weil sie zu einer offenkundig inakzeptablen Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Physik führe. Die Überlegungen in diesem Abschnitt haben gezeigt, daß Kims Supervenienz-Konzeption von dieser Intuition sehr viel stärker mitbetroffen ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das könnte bedeuten, daß die Typen-Identität zu unrecht ins philosophische Abseits geraten ist, doch das hängt davon ab, als wie stark sich die Supervenienz letztlich herausstellt. Und das wiederum hängt vor allem von der Verwendung des Supervenienz-Begriffs für die Ereignis-Dependenz und das Problem der kausalen Anhängsel ab. Ein weiteres Argument, das sich ebenfalls gegen die Konsequenz der TypenIdentitäts-These wendet, daß alle nicht-physikalischen Eigenschaften notwendigerweise koextensive physikalische Eigenschaften haben, ist Davidsons These von der Unmöglichkeit psychophysischer Gesetze,22 Wenn Davidson recht hat, daß es keine psychophysischen Gesetze, d.h. strikt gesetzmäßige Korrelationen zwischen bestimmten psychischen und nicht-psychischen Phänomenen, geben könne, ist Kims Behauptung, alle psychischen Eigenschaften seien stark supervenient auf physikalische Eigenschaften, falsch. Da Davidsons These heftig umstritten und für die Ereignisdiskussion die Kritik im nächsten Kapitel aufschlußreicher ist, gehe ich auf dieses Argument nicht weiter ein.23

*

Das Problem, eine befriedigende Erklärung des Verhältnisses der kausalen Anhängsel und der fundamentalen Rolle der Physik in der Hierarchie der Wissenschaften zu geben, war im letzten Kapitel als Problem für das feinkörnige Ereignisverständnis eingeführt worden. Kim führt diese Probleme auf die hierarchische Struktur der Ereignisse selbst zurück, d.h. auf die vertikalen DependenzBeziehungen zwischen den kausalen Anhängseln und ihren Aufhängern und die Dependenz aller Ereignisse von den physikalischen Ereignissen. Diese EreignisDependenz wiederum erläutert er als Supervenienz, und zur Erläuterung dieser Ereignis-Supervenienz bezieht sich Kim auf die Eigenschafts-Supervenienz. Es gilt also nun, zum eigentlichen Thema zurückzukehren und mit Hilfe der Eigenschafts-Supervenienz zu sagen, was es heißen soll, daß Ereignisse supervenient auf andere Ereignisse sind. 24 ?? 23

24

Vgl. vor allem Davidsons Mental Events, Abschnitt II. Kim sagt ausdrücklich, daß seine Supervenienz-Konzeption die Existenz psychophysischer Gesetze voraussetzt (Vgl. Concepts of Supervenience, S. 171). Es ist allerdings erstaunlich, daß es von Kim auch eine sehr empathische Darstellung von Davidsons Argument gibt, derzufolge es durchaus stichhaltig ist (Psychophysical Laws). Bei Kim findet sich diese Erläuterung vor allem in Epiphenomenal and Supervenient Causation, S. 262.

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Supervenienz

Der Schritt von der Eigenschafts- zur Ereignis-Supervenienz ist klein. Wenn ein (nichtpolyadisches) Ereignis stattfindet, dann heißt das Kim zufolge, daß ein Ereignisträger zum Datum dieses Stattfindens eine das Ereignis konstituierende Eigenschaft hat. Ist nun diese Eigenschaft (stark) supervenient auf eine Eigenschaftsfamilie, dann gibt es nach der Supervenienz-Definition in dieser Eigenschaftsfamilie eine Eigenschaft, die der Ereignisträger ebenfalls hat, und die notwendigerweise nur solche Gegenstände (bzw. Personen) haben, die auch die superveniente Eigenschaft haben. Daß der Ereignisträger eine solche BasisEigenschaft hat, konstituiert aber erneut ein Ereignis - und zwar ein Ereignis, auf das das erste Ereignis supervenient ist. Das ist die Definition der starken Ereignis-Supervenienz: Ein Ereignis X ist genau dann auf ein Ereignis Y stark supervenient, wenn bei beiden Ereignissen Träger und Datum übereinstimmen und die konstitutive Eigenschaft von X stark supervenient auf die konstitutive Eigenschaft von Y ist. 25 Die Ereignis-Supervenienz bringt nicht viel Neues gegenüber der Eigenschafts-Supervenienz. Allerdings darf man nicht übersehen, daß sie auf der Supervenienz zwischen einzelnen Eigenschaften basiert, nicht der zwischen Eigenschaften und Eigenschaftsfamilien. Das hat zur Folge, daß ein Ereignis nur auf solche Ereignisse supervenient ist, deren konstitutive Eigenschaften Supervenienz-Basis-Eigenschaften für seine konstitutive Eigenschaft sind; und diese Basis-Eigenschaften sind, wie schon öfter erwähnt, gerade bei der starken Supervenienz wenig vertraute Entitäten. Im nächsten Kapitel wird sich zeigen, welche Probleme diese Feststellung Kim bereitet.

*

Ziel dieses Kapitels sollte es sein, den für Kims Ereignis-Konzeption extrem wichtigen Begriff der Supervenienz einzuführen und zu demonstrieren, inwieweit er geeignet ist, eine Frage zu beantworten, die sich dem feinkörnigen Ereignisverständnis stellt: Wieso spielt die Physik in einer Welt zahlloser ganz verschiedener Ereignisse die Sonderrolle, die ihr der Materialismus zuweist, und in welchem Sinn sind einzelne wissenschaftliche Disziplinen anderen gegenüber basal? Ob Kim das Problem wirklich gelöst hat, ist offen geblieben. Die für die Supervenienz unverzichtbare Annahme, daß die einer Wissenschaft spezifischen Eigenschaften, z.B. die physikalischen, eine Familie bilden, und vor allem die Die Definition schwacher Ereignis-Supervenienz ist analog.

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Konsequenz, daß die Supervenienz-Basis für jede supervenienten Eigenschaft stets ein notwendigerweise koextensives Pendant umfaßt, wecken Zweifel daran. Aber die entscheidende Frage ist letztlich, ob die vertikale Ereignis-Dependenz dazu beiträgt, das Problem der kausalen Anhängsel zu lösen. Das ist das Thema des nächsten Kapitels.

Kapitel 8 Superveniente Kausalität und Typen-Identität

Kausalaussagen lassen sich, wie im sechsten Kapitel erläutert, durch andere Kausal aussagen (substitutionell) rechtfertigen. Diese anderen Kausalaussagen können entweder besagen, daß Teile der Ursache und Wirkung in Kausalbeziehung stehen, oder sie können kausale Zwischenschritte beschreiben. Es gibt aber auch einen dritten Typ des Übergangs von der ursprünglichen zu einer sie rechtfertigenden Kausalaussage. In dem Beispiel war dies der Übergang von der Behauptung, daß Marys Mitteilung, sie habe Zahnschmerzen, die Anzeige auf meinem Bildschirm verursacht hat, zu der Behauptung, daß es das Tippen von "I have a tooth ache" war, das die Anzeige verursacht hat. Gewöhnlich würde man sagen, daß es sich bei diesem dritten Typ der substitutioneilen Rechtfertigung in beiden Kausalaussagen um ein und dieselbe Kausalbeziehung handelt und daß deshalb das zweite das erste Kausalurteil rechtfertigt. Doch wenn man Ereignisse so fein unterscheidet, wie Goldman und Kim dies vorschlagen, dann können die in dem Mary-Beispiel genannten Ursachen nicht identisch sein. Also muß man eine alternative Erläuterung der Rechtfertigungs-Beziehung zwischen den beiden Kausalaussagen geben, das ist das Problem der kausalen Anhängsel. Kim schlägt wie gesagt vor, die Lösung dieses Problems in einer Dependenz zwischen Marys Mitteilung und ihrem Tippen zu suchen, die sich auf die Dependenz der konstitutiven Eigenschaften stützt, und er erläutert diese Dependenz als Supervenienz. Auch dann, so Kim, wenn die Mitteilung supervenient auf das Tippen ist, ist die Annahme, daß die Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht, durch die Kausalbeziehung zwischen Tippen und Anzeige gerechtfertigt; denn dann folgt aus der Kausalbeziehung zwischen Tippen und Anzeige, daß zwischen Mitteilung und Anzeige eine superveniente Kausalbeúehung besteht.1 Mit der Frage, was superveniente Kausalbeziehungen sind, beschäftigt sich der erste Abschnitt dieses Kapitels.

Von nun an soll mit "Supervenienz" stets starke Supervenienz gemeint sein.

101

Superveniente Kausalität und Typen-Identität

Graphik 2 X [a^i.Ti]

Y » »

verursacht supervenient

» »

[b,F 2 ,T 2 ]

1 ist supervenient auf 1 [Μ^Τι]

i ist supervenient auf i verursacht

X*

>

[b,G 2 ,T 2 ] Y*

Definition supervenienter Kausalität ß Das Ereignis X, dessen Träger a ist, dessen konstitutive Eigenschaft F1 ist und das zum Zeitpunkt Tx stattfindet (in Kims Notation: [a,FltTx]) ist genau dann die superveniente Ursache eines zweiten Ereignisses Y (mit [byF^T^j wenn es ein Ereignis X* gibt, auf das X supervenient ist, und das ein anderes Ereignis Y verursacht, auf das Y supervenient ist.

*

Was heißt es, daß ein Ereignis ein anderes supervenient verursacht? Ein Ereignis X verursacht ein anderes Ereignis Y genau dann supervenient, wenn es zwei Ereignisse X* und Y* gibt, so daß erstens X* die Ursache von Y* ist, zweitens X auf X

und drittens Y auf Y* supervenient ist. (Weil jedes Ereignis auf sich

selbst supervenient ist, können X und X* bzw. Y und Y* identisch sein.) Graphik 2 macht dieses Verhältnis anschaulich. Die entscheidende Frage lautet nun: Weshalb rechtfertigt das Bestehen einer supervenienten Kausalbeziehung zwischen zwei Ereignissen die Annahme, daß das eine Ereignis die Ursache des anderen ist? Die naheliegende Antwort lautet: Weil superveniente Kausalbeziehungen echte Kausalbeziehungen sind.

In der Graphik wird eine Notation Kims verwendet, die garantiert, daß man sich mit einem Ausdruck auf genau ein Ereignis bezieht, indem sie die konstitutiven Merkmale des Ereignisses explizit macht: Der Ausdruck "[a,F,T]" bezieht sich auf das Ereignis mit dem Träger a, der konstitutiven Eigenschaft F und dem Datum T.

102

Superveniente Kausalität und Typen-Identität

Kim selbst drückt sich in dieser Frage nicht ganz klar aus. In Epiphenomenal and Supervenient Causation unterscheidet er zweierlei Sinn, in dem eine Kausalbeziehung "real" sein könne, und das legt es zumindest nahe, ihn so zu verstehen, daß zwar die meisten alltäglichen Kausalaussagen, die man für wahr hält, auch wahr sind - also z.B. die Aussage, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht -, daß sie aber nicht wahr sind, weil ihnen eine "echte" Kausalbeziehung zugrunde liegt, sondern wegen ihrer supervenienten Kausalbeziehung.3 Der Eindruck, daß für Kim superveniente Kausalbeziehungen nicht eigentlich Kausalbeziehungen sind, wird noch durch seine Bezeichnung der supervenienten als epiphänomenale Kausalität gestützt.'* Doch Kim begründet diese Unterscheidung zwischen realer und epiphänomenaler Kausalität dadurch, daß man letztere durch den Hinweis auf andere, tiefer liegende Kausalbeziehungen rechtfertigen könne - alle kausalen Anhängsel sind demnach epiphänomenale Ursachen und Wirkungen, echte Ursachen und Wirkungen können nur solche Ereignisse sein, die selbst keine kausalen Anhängsel mehr sind, also irgendwelche mikrophysikalischen Ereignisse. Die für die Einschätzung der Ereigniskonzeption Kims interessante Frage ist aber, inwiefern er der kausalen Rolle der feinkörnig unterschiedenen Ereignisse gerecht werden kann, gegeben, man versteht hier unter "Kausalität" das, was man gewöhnlich, in alltäglichen Kausalaussagen, darunter versteht. Deshalb betrifft die Unterscheidung Kims zwischen realen und epiphänomenalen Kausalbeziehungen nicht die Frage, ob superveniente Kausalität Kausalität ist, denn gemeint ist: ob es Kausalität im vertrauten Sinn ist.

Es gibt eine Überlegung, die dagegen zu sprechen scheint, daß superveniente Kausalbeziehungen Kausalbeziehungen sind: Wenn X und Y, die beiden kausalen Anhängsel in der Skizze oben, in einer Kausalbeziehung stehen, dann - so die Annahme des sechsten Kapitels - muß es einen kontrafaktischen Zusammenhang zwischen ihnen geben: Y wäre nicht eingetreten, wäre nicht auch X eingetreten. Es hat nun den Anschein, daß dem gegenüber eine superveniente Kausalbeziehung keinen kontrafaktischen Zusammenhang ihrer Relata voraussetzt. Das läßt sich gut anhand der Graphik demonstrieren. Ein kontrafaktischer Zusammenhang besteht zwischen X* und Y*: Weil X* die Ursache von Y* ist, wäre Y* nicht eingetreten, wäre nicht auch X* eingetreten. Ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen X* und X, sowie zwischen Y* und Y: Weil X* dadurch konstituiert wird, daß sein Ereignisträger a (zum Zeitpunkt T j ) die Eigenschaft G j hat und diese Eigenschaft eine Supervenienz-Basis für die Eigenschaft F j bildet, muß a zu diesem Zeitpunkt auch F j haben. Wäre a also nicht F 1 gewesen, wäre a auch nicht G j gewesen und X* hätte nicht stattgefunden. Nun sind a, F j und T j die konstitutiven Elemente von X, also kann man annehmen, daß X* nicht stattgefunden hätte, wäre X nicht eingetreten. Entsprechend läßt sich zeigen, daß auch Y* nicht eingetreten wäre, wäre Y nicht gewesen. Folglich (mit dem Vorbehalt

der

nicht

ausnahmslos

gültigen

Transitivität

kontrafaktischer

Epiphenomenal and Supervenient Causation, S. 265. Vgl. auch hierzu Epiphenomenal and Supervenient Causation, S. 265, und zudem Supervenience and Supervenient Causation, S. 51.

Superveniente Kausalität und Typen-Identität

103

Konditionale) gibt es einen Zusammenhang zwischen X und Y*: Wäre X nicht eingetreten, wäre X* und damit auch Y* nicht eingetreten. Aber das für die Frage der Kausalbeziehung zwischen X und Y interessante Konditional lautet: Wäre X nicht eingetreten, dann wäre Y (und nicht: wäre Y*) nicht eingetreten. Und das ließe sich nur erschließen, wenn nicht nur Y* nicht eingetreten wäre, wäre Y nicht eingetreten, sondern wenn auch Y nicht eingetreten wäre, wäre Y* nicht eingetreten - der kontrafaktische Zusammenhang zwischen Y* und Y müßte reziprok sein. Dem aber scheint die Tatsache zu widersprechen, daß Eigenschaften mehrere Supervenienz-Basen haben können; F 2 könnte z.B. außer auf G 2 auch auf die Eigenschaft G 2 2 supervenient sein; hätte b nun G 2 2 gehabt anstatt von G 2 , dann hätte b nach wie vor F 2 . Und dann, so sieht es aus, hätte Y sich auch ereignen können, ohne daß sich Y* ereignet hätte. Daß etwas mit dieser Überlegung nicht stimmt, wird deutlich, wenn man sie auf mereologische Kausalbeziehungen überträgt. Analog der supervenienten Kausalbeziehung kann man davon reden, daß ein Ereignis ein anderes mereologisch verursacht, wenn eines seiner Teile ein Teil des anderen Ereignisses verursacht. Wie schon mehrfach erwähnt, sind mereologische Kausalbeziehungen häufig echte Kausalbeziehungen. Das Ganze erhält seine kausale Rolle durch die Kausalbeziehungen seiner Teile. Doch auch die mereologische Kausalität scheint keine kontrafaktischen Zusammenhängen zwischen ihren Relata vorauszusetzen. Ein Auto explodiert, dabei fliegt ein brennender Reifen in die Luft, setzt ein Dach in Brand und das ganze Haus brennt ab. Das Ereignis, daß der brennende Reifen in die Luft fliegt, ist ein Teil der Explosion, das Ereignis, daß das Dach brennt, ein Teil des Brennens des gesamten Hauses. Die Explosion verursacht das Brennen des Hauses, weil der brennende Reifen das Dach entzündet hat. Aber zweifellos hätte das Haus zum selben Zeitpunkt auch brennen können, ohne daß das Auto explodiert wäre, z.B. wenn der Besitzer es selbst angezündet hätte; und damit scheint wie im Fall der supervenienten Kausalität das Dilemma unausweichlich, entweder zu bestreiten, daß das Bestehen eines kontrafaktischen Zusammenhangs eine notwendige Bedingung für eine Kausalbeziehung ist, oder, daß mereologische Kausalität "echte" Kausalität ist. Doch letzteres hieße, der Explosion abzusprechen, daß sie den Häuserbrand verursacht hat, und das klingt absurd. Damit scheint klar zu sein, daß - entgegen der Annahme im sechsten Kapitel - die Verantwortung einer Ursache für ihre Wirkung nicht darin besteht, daß sie kontrafaktisch verknüpft sind.

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Superveniente Kausalität und Typen-Identität

Diese Position vertritt einer der prominentesten Fürsprecher eines Kausalitätsverständnisses mit Hilfe kontrafaktischer Konditionale, David Lewis. Es reicht für eine Kausalbeziehung, so Lewis, daß es eine Kausalkette zwischen Ursache und Wirkung gibt, deren Kettenglieder kontrafaktisch verknüpft sind.5 Es würde für den Argumentationsgang dieser Untersuchung, so viel ich sehe, keinen Unterschied machen, wenn man die Position von Lewis einnimmt, aber ich möchte gleichwohl für eine Alternative plädieren: Auch wenn es offensichtlich ist, daß das Haus zum selben Zeitpunkt hätte brennen können, ohne daß das Auto explodiert wäre, so wäre es doch nicht dasselbe Ereignis, derselbe Brand gewesen; dieser Brand hätte nicht stattgefunden, wäre die Autoexplosion nicht gewesen. Dies ist eine spekulative Behauptung darüber, inwieweit ein Ereignis dasselbe Ereignis gewesen wäre, auch wenn die Welt anders ausgesehen hätte (also über die Bedingungen der sogenannten transworld identity von Ereignissen). Sie zeigt, daß Kims Vorschlag für die Ereignis-Individuation nicht zwangsläufig auch für das Verhältnis zwischen verschiedenen möglichen Welten gilt. Daraus, daß Ereignisse genau dann identisch sind, wenn sie im Träger, der konstitutiven Eigenschaft und dem Zeitpunkt übereinstimmen, folgt nur, daß kein anderes Ereignis diese drei konstitutiven Elemente hat, es folgt nicht, daß kein anderes Ereignis sie hätte haben können. Und ein guter Grund für die Annahme, daß ein anderes Ereignis diese konstitutiven Elemente hätte haben können, findet sich in den mereologischen Überlegungen: Hätte ein Ereignis dieselben konstitutiven Eigenschaften gehabt, aber andere Teile, dann wäre es trotz des Übereinstimmens in den konstitutiven Elementen ein anderes Ereignis gewesen. Hätte Reinhold Messner 1989/90 die Antarktis durchquert, aber teilweise mit einer Schneeraupe, dann wäre dies ein anderes Ereignis gewesen als seine tatsächliche Tour auf Skiern. Ähnlich könnte man auch für den kontrafaktischen Zusammenhang zwischen supervenienten Ereignissen und ihren Basis-Ereignissen argumentieren. Wenn das Ereignis, daß Mary krank geworden ist, supervenient auf das Ereignis ist, daß sie eine Zahnwurzelentzündung bekommen hat, dann wäre sie zwar zum selben Zeitpunkt auch krank geworden, hätte sie statt dessen Masern bekommen, und dieses Ereignis wäre dann supervenient auf das Bekommen der Masern gewesen, aber es wäre nicht dasselbe Ereignis gewesen. Kurz: Die Supervenienz läßt zu, daß ein Ereignis mit denselben konstitutiven Elementen eine andere Vgl. seinen Aufsatz Causation, vor allem S.167.

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Supervenienz-Basis hätte haben können, als es sie in Wirklichkeit hat, aber es wäre dann nicht dasselbe Ereignis gewesen. Und deshalb hätte der Ereignisträger b (in Graphik 2) zwar auch zum Zeitpunkt T 2 die konstitutive Eigenschaft F 2 haben können, ohne daß b G 2 gehabt hätte (z.B. wenn es statt dessen G22 gehabt hätte), doch das wäre dann nicht Y gewesen. Wie gesagt, diese Überlegungen sind spekulativ. Aber sie zeigen zumindest, daß die superveniente Kausalität in Hinblick auf die kontrafaktische Beziehung zwischen Ursache und Wirkung nicht schlechter dasteht als die mereologische Kausalität. Es gibt jedoch einen anderen, ernsteren Einwand gegen die Behauptung, daß superveniente Kausalbeziehungen Kausalbeziehungen sind: Zumindest einige sind es offenkundig nicht.

Dies läßt sich sogar an den beiden Kausalaussagen demonstrieren, die Goldman zur Argumentation für das feinkörnige Ereignisverständnis dienen. Die Aussage, Johns lautes Hallo-Sagen sei die Wirkung seiner Gereiztheit, ist Goldman zufolge wahr, die Aussage, sein Hallo-Sagen sei die Wirkung seiner Gereiztheit, dagegen nicht. Zugleich ist aber Johns Hallo-Sagen supervenient auf sein lautes Hallo-Sagen (denn wenn jemand laut Hallo sagt, sagt er notwendigerweise Hallo). Wenn Johns Gereiztheit also sein lautes Hallo-Sagen verursacht, dann verursacht sie sein Hallo-Sagen supervenient - und wenn jede superveniente eine echte Kausalbeziehung ist, dann ist Johns Gereiztheit, Goldman zum Trotz, eine echte Ursache dafür, daß er Hallo sagt. Das zeigt, daß man zumindest nicht sowohl Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis verfechten kann als auch die These, alle supervenienten seien echte Kausalbeziehungen. Aber das Problem ist nicht auf dieses Ereignisverständnis beschränkt. Es gibt andere Beispiele für Ereignisse, die ebenfalls in einer supervenienten Kausalbeziehung stehen, bei denen aber niemand auf die Idee käme, sie für Ursache und Wirkung zu halten, z.B. das folgende von Brian McLaughlin: Ronald Reagan hatte vor der Präsidentschaftswahl im Jahre 1983 Jimmy Carters Strategieplan für den Wahlkampf gelesen; das war eine der Ursachen dafür, daß Reagan 1983 zum US-Präsidenten gewählt wurde. 6 Wenn aber Reagans Präsidentschaft eine Wirkung seiner Lektüre war und wenn jede superveniente Kausalbeziehunge eine echte Kausalbeziehung ist, dann ist auch jedes andere Ereignis, das supervenient auf Reagans PräsidentMcLaughlin, Event Supervenience and Supervenient Causation, S. 83/84. Der ganze Abschnitt IV von McLaughlins Aufsatz ist dem hier diskutierten Problem gewidmet.

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schaft ist, eine Wirkung seiner Lektüre des Strategieplans - z.B. das Ereignis, daß Reagan amerikanischer Staatsbürger war (denn nur ein Bürger der USA kann US-Präsident sein). Aber sicher war Reagans Lesen der Carter-Strategie keine Ursache dafür, daß er amerikanischer Staatsbürger war. Nicht alle supervenienten Ursachen und Wirkungen sind folglich echte Ursachen und Wirkungen. Dieses Beispiel zeigt noch deutlicher als das Goldman-Beispiel, daß das Vorliegen einer supervenienten Kausalbeziehung keine hinreichende Bedingung für die Wahrheit einer Kausalaussage ist. Dies teilt die superveniente Kausalität allerdings ebenfalls mit der mereologischen, denn auch dort ist ja das Ganze nicht in jedem Fall die Ursache dessen, was seine Teile verursachen. Es muß, wie schon erwähnt, hinzukommen, daß die Wirkung der Teile nicht wiederum selbst andere Teile des Ganzen verursacht. Entsprechend könnte man versuchen, näher zu spezifizieren, wann eine superveniente eine echte Kausalbeziehung ist. Das McLaughlin-Beispiel zeigt, daß dies vermutlich mit dem im siebten Kapitel angesprochenen Problem einhergehen müßte, die starke Supervenienz zu einer wirklichen Dependenz-Beziehung zu verstärken. Auch wenn Reagans amerikanische Staatsbürgerschaft supervenient auf seine Präsidentschaft war, so war sie doch sicher nicht dependent von der Präsidentschaft. Deshalb ist es wenig verwunderlich, daß eine Ursache seiner Präsidentschaft noch keine Ursache seiner Staatsbürgerschaft ist. Wenn es gelänge, die Bedingungen für die starke Supervenienz so zu ergänzen, daß nur noch dependente Ereignispaare unter sie fallen, dann wäre die Beziehung zwischen Reagans Lektüre und seiner Staatsbürgerschaft kein Beispiel einer supervenienten Kausalbeziehung mehr. Aber es ist nicht sicher, ob die Suche nach zusätzlichen Bedingungen, die dependente von nicht dependenten supervenienten Kausalbeziehungen unterscheiden, erfolgversprechend ist. Mit dem ersten Gegenbeispiel, Johns HalloSagen und lautem Hallo-Sagen, würde man zumindest nicht so fertig werden wie mit dem Reagan-Beispiel. Zum einen liegt es sehr viel näher zu behaupten, daß das Ereignis, daß John Hallo sagt, nicht nur supervenient, sondern auch dependent von dem Ereignis ist, daß er laut Hallo sagt. Zum anderen kommen ganz analoge Übergänge von einer Ursache oder Wirkung zu ihrer Supervenienz-Basis häufig in substitutionellen Rechtfertigungen von Kausalaussagen vor. Johns kleine Tochter z.B. ist aufgewacht, weil er Hallo gesagt hat. Diese Kausalbehauptung kann man dadurch stützen, daß man darauf hinweist, daß er laut Hallo gesagt und sie so geweckt hat. Der Wechsel von der Kausalbeziehung zwischen Johns Hallo-Sagen und dem Aufwachen seiner Tochter zu der zwischen seinem lauten Hallo-Sagen und ihrem Aufwachen ist ein ganz

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gewöhnlicher Übergang vom kausalen Anhängsel zum Aufhänger. Deshalb kann man nicht einfach wie im Reagan-Beispiel die Tatsache, daß zwischen Johns Gereiztheit und seinem Hallo-Sagen eine superveniente aber keine echte Kausalbeziehung besteht, auf eine fehlende Dependenz zwischen dem Hallo-Sagen und lauten Hallo-Sagen zurückführen. Man würde sich damit zugleich der Rechtfertigung der supervenienten und eben auch echten Kausalbeziehung zwischen Johns Hallo-Sagen und dem Aufwachen seiner Tochter berauben. Es bleibt deshalb ein Problem, daß einige superveniente Kausalbeziehungen nicht auf echte Kausalbeziehungen schließen lassen. Inwiefern diese Schwierigkeit akzeptabel ist, hängt vor allem davon ab, ob es wirklich gelingt, mit Hilfe der supervenienten Kausalität das Problem der kausalen Anhängsel zu lösen. Wenn die superveniente Kausalität das Verhältnis zwischen den kausalen Rollen der vielen feinkörnig unterschiedenen Ereignisse in der Regel befriedigend erläutert, dann lohnt es sich sicher, einen Weg zu suchen, der die genannten Gegenbeispiele ausräumt. Doch der nächste Abschnitt wird zeigen, daß die superveniente Kausalität auch dies letztlich nicht leistet. *

Akzeptiert man, daß sich die Konzeption supervenienter Kausalität so verfeinern ließe, daß alle supervenienten auch echte Kausalrelata sind, dann rechtfertigt der Hinweis auf die Kausalbeziehung subvenienter Ereignisse die Annahme einer Kausalbeziehung der supervenienten Ereignisse. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, daß es neben den drei genannten Formen der substitutionellen Rechtfertigung einer Kausalaussage - der Rechtfertigung durch Kausalaussagen über Teile von Ursache und Wirkung, über kausale Zwischenschritte und über dieselben Kausalrelata - einen vierten Weg gibt, den Übergang von der Ursache und Wirkung zu ihren Supervenienz-Basen. Und dieser vierte Weg rechtfertigt die Annahme einer Kausalbeziehung, weil er darauf schließen läßt, daß die Ursache und Wirkung in einer supervenienten Kausalbeziehung stehen, und das heißt (gegeben die noch zu findenden Zusatzbedingungen sind erfüllt) auch in einer echten Kausalbeziehung. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob es dieser vierte Weg erlaubt, das Problem der kausalen Anhängsel zu lösen.

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Die einfachste Lösung würde lauten: Daß Marys Tippen des Satzes "I have a tooth ache" die Bildschirmanzeige verursacht, rechtfertigt die Annahme, daß ihre Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, die Anzeige verursacht, weil die Mitteilung supervenient auf das Tippen und deshalb eine superveniente Ursache der Anzeige sei. Doch diese Lösung wäre falsch, denn das Tippen ist keine Supervenienz-Basis der Mitteilung. Man übersieht leicht, daß zwischen den beiden Ereignissen keine Supervenienz-Beziehung existiert, weil man, wenn man tippt "I have a tooth ache", sehr häufig mitteilt, daß man Zahnschmerzen hat. Aber eine solche mehr oder minder gute Korrelation ist für eine SupervenienzBeziehung, vor allem eine starke Supervenienz, viel zu schwach, und stärker ist der Zusammenhang zwischen dem Tippen und der Mitteilung nicht. An dieser Stelle wirkt sich aus, was im letzten Kapitel etwa anhand des Pudding-Beispiels demonstriert wurde: Supervenienz-Beziehungen zwischen einzelnen Eigenschaften und damit zwischen Ereignissen sind, anders als die Supervenienz zwischen Eigenschafts-Familien, in der Regel ziemlich exotische Beziehungen. Es gibt Ausnahmen wie Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen, aber in den meisten Fällen, in denen zwei Ereignisse ein Problem kausaler Anhängsel erzeugen, gibt es zwischen ihnen keine Supervenienz-Beziehung. Das allein spricht nur dagegen, daß die einfache Lösung des Problems der kausalen Anhängsel unbefriedigend ist, es könnte immer noch sein, daß der Schritt von der Mitteilung zum Tippen eine Kombination der Supervenienz mit einem anderen Rechtfertigungs-Typ ist, so wie sich oben die Rechtfertigung der kausalen Rolle des Tippens durch die Kausalkette vom Tippen einzelner Buchstaben über den Datenversand zum Aufleuchten der Bildschirmzeichen als Kombination der ersten beiden Typen substitutioneller Rechtfertigung erwiesen hat. Und es ist leicht einzusehen, daß für eine solche Kombinations-Lösung nur der erste Typ in Frage kommt, die Rechtfertigung durch den Hinweis auf die kausale Rolle der Teile von Ursache und Wirkung. Diese kompliziertere Lösung des Problems der kausalen Anhängsel, die Kims Lösung entspricht, läßt sich am besten veranschaulichen, wenn man ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Zusammenhänge eine Supervenienz-Beziehung postuliert: Angenommen die Eigenschaft, mitzuteilen, man habe Zahnschmerzen, sei stark supervenient auf die Eigenschaft, sowohl den Satz "I have a tooth ache" zu tippen, als auch überzeugt zu sein, man habe Zahnschmerzen (was offenkundig eine grobe Vereinfachung ist), Marys Mitteilung wäre dann supervenient darauf, daß sie den Satz "I have a tooth ache" tippt und überzeugt ist, daß sie

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Zahnschmerzen hat - also auf ein Ereignis mit der komplexen konstitutiven Eigenschaft, den Satz zu tippen und diese Überzeugung zu haben. Alles, was durch diese Supervenienz-Basis der Mitteilung verursacht wird, wird durch die Mitteilung supervenient verursacht, deshalb ließe sich das Kausalurteil, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht hat, substitutioneil dadurch rechtfertigen, daß das Ereignis, daß sie "I have a tooth ache" tippt und überzeugt ist, Zahnschmerzen zu haben, die Anzeige verursacht habe. Ließe sich nun auch noch zeigen, daß sich die Annahme dieser Kausalbeziehung wiederum rechtfertigen ließe, indem man auf die Kausalbeziehung zwischen Marys Tippen von "I have a tooth ache" und der Bildschirmanzeige hinweist, dann wäre gezeigt, daß der Übergang von der Mitteilung zum Tippen Marys eine Rechtfertigung für die Annahme ist, daß Marys Mitteilung die Anzeige verursacht hat. Das Problem liegt im Verhältnis zwischen dem Tippen des Satzes auf der einen und dem Satztippen und Überzeugtsein auf der anderen Seite - wie läßt sich von der kausalen Rolle des ersten auf die des zweiten Ereignisses schließen? Hier nun kommt der erste Typ substitutioneller Rechtfertigung ins Spiel. Denn die einzige mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis verträgliche Antwort lautet: Das Tippen des Satzes ist ein Teil des Satztippens und Überzeugtseins. Wenn das stimmt, dann stützt die Annahme, daß das Tippen die Bildschirmanzeige verursacht, das Urteil, daß auch das Tippen und Überzeugtsein sie verursacht, und weil dies eine Supervenienz-Basis der Mitteilung ist, folgt daraus wiederum, daß die Mitteilung die Anzeige verursacht - das Problem der kausalen Anhängsel ist gelöst. Die unverzichtbare Prämisse dieser Lösung ist allerdings, daß das Tippen ein Teil des Tippens und Überzeugtseins ist. Und diese Annahme ist nur dann haltbar, wenn sie den schon im sechsten Kapitel erwähnten Test besteht, die Frage nach dem verbleibenden Rest. Offenkundig gibt es hier auf diese Frage nur eine mögliche Antwort: Wenn das Tippen des Satzes "I have a tooth ache" ein Teil des Tippens und Überzeugtseins ist, dann ist der andere, restliche Teil das Überzeugtsein, daß man Zahnschmerzen hat. Die generelle Idee hinter dieser Antwort besteht also darin, eine Isomorphic zwischen der konjunktiven Struktur der konstitutiven Eigenschaften von Ereignissen und der Mereologie der Ereignisse selbst anzunehmen: Ist die konstitutive Eigenschaft eines Ereignisses eine Konjunktion aus zwei Eigenschaften, dann hat das betreffende Ereignis zwei Teilereignisse, deren konstitutive Eigenschaften die einzelnen Konjunkte sind (mit demselben Träger und Datum).

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Ich glaube, daß dies die einzige Möglichkeit ist, im Rahmen des feinkörnigen Ereignisverständnisses Kims, mit dem Problem der kausalen Anhängsel umzugehen.7 Aber trotzdem ist diese Lösung letztlich unhaltbar, denn die Voraussetzung, daß Marys Tippen des Satzes "I have a tooth ache" ein echter Teil des komplexen Ereignisses ist, daß sie den Satz tippt und überzeugt ist, Zahnschmerzen zu haben, ist falsch. Den Beweis dafür liefert das atypische kausale Verhalten des angeblichen Rests. Wenn das Ereignis, daß Mary tippt "I have a tooth ache" und überzeugt ist, Zahnschmerzen zu haben, tatsächlich zwei Teilereignisse hätte, das Tippen und die Uberzeugung, dann müßten sich die kausalen Rollen beider Teile gleichermaßen auf die kausale Rolle des Ganzen auswirken. Und aus dieser kausalen Rolle des Ganzen wiederum folgte die kausale Rolle der Mitteilung. Aber das ist nicht der Fall; das eine der vermeintlichen Teilereignisse, die Überzeugung, Zahnschmerzen zu haben, hat keine Auswirkungen auf die kausalen Folgen der Mitteilung: Wenn z.B. die Überzeugung, Zahnschmerzen zu haben, die Ursache dafür ist, daß Mary nach der Packung mit den Schmerztabletten greift, während sie mir schreibt, dann heißt das nicht, daß ihre Mitteilung, sie habe Zahnschmerzen, den Griff zu den Tabletten verursacht - die Mitteilung hat mit den Tabletten gar nichts zu tun. Ist aber die Überzeugung kein Teil des Ereignisses, daß Mary den Satz "I have a tooth ache" tippt und überzeugt ist, Zahnschmerzen zu haben, dann ist es auch das Tippen nicht, und damit ist auch diese Antwort auf das Problem der kausalen Anhängsel falsch - die superveniente Kausalität liefert auch in Kombination mit mereologischen Überlegungen keine Erklärung dafür, weshalb man sich zur Rechtfertigung des Kausalurteils, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht hat, auf die kausale Rolle ihres Tippens berufen kann. 7

Kim spricht gelegentlich davon, daß die konstitutiven Eigenschaften aller Ereignisse "mereologisch supervenient" auf Eigenschaften von Teilen ihrer Träger sein müßten. Was er damit meint, ist aber kein Kandidat für eine alternative Lösung des Problems der kausalen Anhängsel, denn Marys Mitteilung und ihr Tippen des Satzes haben beide dieselbe Trägerin Mary. Generell muß man zudem sagen, daß sich bei Kim keine Charakterisierung mereologischer Supervenienz findet, die deutlich macht, wie sie sich als Beziehung zwischen Ereignissen verstehen ließe. In seiner einzigen ausführlichen Diskussion (in Supervenience for Multiple Domains) beschränkt Kim die mereologische Supervenienz auf Eigenschafts-Familien, und so wie er dort die mereologische Supervenienz von Eigenschafts-Familien charakterisiert, lassen sich keine Rückschlüsse auf eine Eigenschafts- oder Ereignis-Beziehung ziehen, geschweige denn auf eine Ausdehnung des Begriffe auf superveniente Kausalität. (Erwähnt wird die mereologische Supervenienz außerdem noch in Supervenience and. Supervenient Causation, S. 51, und in Epiphenomenal and Supervenient Causation, Abschnitt 3.)

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An dieser Stelle könnte man versucht sein, die Gleichsetzung zwischen Dependenz und vollständiger Dependenz aus dem siebten Kapitel zurückzunehmen. Denn zweifellos ist die Eigenschaft mitzuteilen, daß man Zahnschmerzen hat, in einem weiteren Sinne abhängig von der Eigenschaft, "I have a tooth ache" zu tippen. Warum sollte man nicht annehmen, daß diese Dependenz zur Rechtfertigung des Kausalurteils ausreicht? Man würde dann Kims superveniente Kausalität durch eine Konzeption dependenter Kausalität ersetzen. Das Problem der kausalen Anhängsel wäre damit gelöst, wenn es sich zeigen ließe, daß aus der dependenten Kausalität das Bestehen einer echten Kausalbeziehung folgt - und das heißt zumindest, wenn alle Fälle dependenter Kausalität Fälle echter Kausalität wären. Doch das sind sie sicher nicht. Die Nachrichtenmeldung über einen Dammbruch in Rumänien ist partiell dependent von dem Dammbruch, doch daraus folgt nicht, daß sie alles verursacht, was dieser verursacht (z.B. den Tod vieler Menschen).

Dieses Ergebnis hat nicht nur Auswirkungen auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ereignissen wie Marys Mitteilung und ihrem Tippen, sie läßt sich auch auf das Verhältnis aller Ereignisse zu den basalen physikalischen Ereignissen übertragen. Das Problem der kausalen Anhängsel entsteht aus der Art und Weise, wie Kausalurteile gerechtfertigt werden können. Eine Kausalbeziehung setzt voraus, daß die Wirkung nicht eingetreten wäre, wäre die Ursache nicht eingetreten, aber zum einen ist die Annahme, daß diese Bedingung für ein bestimmtes Ursache-Wirkungs-Paar erfüllt ist, nicht immer durch eine Generalisierung gedeckt, unter die das Paar fällt, zum anderen bilden diese Generalisierungen immer nur mehr oder minder zuverlässige Indizien für das Bestehen eines kontrafaktischen Zusammenhangs. Man kann die Annahme eines kontrafaktischen Zusammenhangs aber dadurch weiter rechtfertigen, daß man von der Ursache und/oder der Wirkung zu anderen Ereignissen übergeht, den kausalen Aufhängern, deren kontrafaktische Beziehungen die Annahme der kontrafaktischen Beziehung zwischen den Anhängseln stützen. Und dies kann man immer weiter fortsetzen, bis man auf der Ebene elementarer physikalischer Ereignisse angelangt ist, wo sich entweder strikte Gesetze finden oder zumindest die bestmöglichen Generalisierungen. Das Problem besteht nun darin, eine Antwort auf die Frage zu finden, worin generell das Verhältnis zwischen den kausalen Anhängseln und ihren Aufhängern besteht, das diese Rechtfertigungsbeziehung ermöglicht - und speziell, worin das Verhältnis aller Ereignisse zu den physikalischen Aufhängern besteht. Die Supervenienz-Beziehung hat sich, entgegen den Erwartungen, die Kim in sie setzt, als unzureichend erwiesen, die Frage zu beantworten, welche Rechtfertigungsbeziehung zwischen Marys Tippen und ihrer Mitteilung besteht, also den problematischen Teil der generellen Frage unbeantwortet gelassen. Aber

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weil man, wie sich im siebten Kapitel gezeigt hat, vertreten kann, daß alle Ereignisse supervenient auf die physikalischen Ereignisse sind, verspricht die Erweiterung der Typen substitutioneller Rechtfertigungen um den vierten Typ supervenienter Kausalität Aufschluß zu geben über das Verhältnis zwischen den Kausalbeziehungen beliebiger Ereignisse und denen ihrer physikalischen Aufhänger. Es ist ein weiteres, letztes Indiz für die Untauglichkeit der supervenienten Kausalität zur Lösung des Problems der kausalen Anhängsel, daß sich auch dieses Versprechen als unhaltbar herausstellt. Das Problem besteht darin, daß man zwar behaupten kann, daß jede Ursache und jede Wirkung supervenient auf ein physikalisches Ereignis ist, daß dies aber in aller Regel nicht das physikalische Ereignis ist, zu dem man gelangt, wenn man die Kette der kausalen Anhängsel entlangsteigt, und daß es auch keine Rechtfertigung für die Annahme der kausalen Rolle des physikalischen Basis-Ereignisses durch die des physikalischen Aufhängers gibt. Der Übergang von einem Ereignis zu einem kausalen Aufhänger soll die Annahme rechtfertigen, daß dieses Ereignis in einer bestimmten Kausalbeziehung steht. Dies setzt voraus, daß es bessere Gründe dafür gibt, an die kausale Rolle des Aufhängers zu glauben als an die des Anhängsels. Diese können entweder darin liegen, daß die Aufhänger im Unterschied zu ihren Anhängseln überhaupt eine Generalisierung instanziieren, oder darin daß die sie verbindende Generalisierung stärker ist als die zwischen den Anhängseln, oder schließlich darin, daß sich die kausale Rolle der Aufhänger durch weitere substitutionelle Rechtfertigungen auf Kausalbeziehungen zwischen Instanzen stärkerer Generalisierungen stützen läßt. Das gilt nun auch für die Beziehung einer Kausalaussage zu Aussagen der untersten Rechtfertigungsebene, der Ebene der basalen physikalischen Aufhänger. Dort muß es ein striktes Gesetz oder zumindest eine sehr starke Generalisierung geben, derzufolge einem Ereignis mit der konstitutiven Eigenschaft des zweiten Ereignisses ein Ereignis mit der konstitutiven Eigenschaft des ersten Ereignisses vorangeht. Betrachtet man aber nun die Kandidaten für physikalische SupervenienzBasen gewöhnlicher Ereignisse, dann erfüllen solche Ereignisse diese Bedingung sicher nicht. Das liegt an der mehrfach betonten bizarren Unvertrautheit der physikalischen Basis-Ereignisse. Ein Ereignis ist nur dann eine SupervenienzBasis eines anderen Ereignisses, wenn seine konstitutive Eigenschaft notwendigerweise auf das Vorliegen der konstitutiven Eigenschaft des supervenienten Ereignisses schließen läßt. Beispiele konstitutiver Eigenschaften sind z.B. die, gut zu schmecken, ein Geldstück zu sein, oder, eine Mitteilung zu machen, daß

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man Zahnschmerzen hat. Ereignisse, die durch diese Eigenschaften konstituiert werden, sind z.B. das Wohlschmecken des Puddings gestern abend, oder daß die Münze in meiner Hand ein Geldstück ist, oder Marys e-mail-Mitteilung. Wenn es physikalische Ereignisse gibt, auf die diese Ereignisse supervenient sind, dann müssen deren konstitutive Eigenschaften darauf schließen lassen, daß der Pudding schmeckt, daß die Münze ein Geldstück ist oder daß Mary mir mitteilt, daß sie Zahnschmerzen hat. Diejenigen Eigenschaften, von denen man erwarten kann, daß sie durch physikalische Gesetze oder Generalisierungen verbunden sind und die man deshalb als die "elementaren physikalischen Eigenschaften" bezeichnen kann, lassen solche Schlüsse aber sicher nicht zu. Wenn überhaupt, dann sind es äußerst komplexe Konjunktionen solcher elementaren Eigenschaften, die die Supervenienz-Basen der alltäglichen Eigenschaften bilden. Und nur die durch diese komplexen Eigenschafts-Konjunktionen konstituierten Ereignisse sind Supervenienz-Basis-Ereignisse für Marys Mitteilung, das Wohlschmecken des Puddings etc. Die physikalischen Ereignisse dagegen, auf die man sich berufen könnte, um die Annahme von Kausalbeziehungen zwischen alltäglichen Ereignissen zu rechtfertigen, müssen durch die einfachen physikalischen Eigenschaften konstituiert sein. Die kausalen Aufhänger sind also keine Supervenienz-Basen und die Supervenienz-Basen keine kausalen Aufhänger. Wenn trotzdem die superveniente Kausalität eine Erklärung dafür bieten soll, weshalb der Übergang zu den physikalischen Aufhängern geeignet ist, die Annahme von Kausalbeziehungen zu rechtfertigen, dann muß man etwas darüber sagen, in welchem Verhältnis die Supervenienz-Basen zu den Aufhängern stehen. Das heißt, man braucht eine Erklärung für das Verhältnis der kausalen Rolle des Ereignisses, dem eine Konjunktion von Eigenschaften konstitutiv ist, und der kausalen Rolle von Ereignissen, denen die einzelnen Konjunkte konstitutiv sind. Damit aber steht man vor demselben Problem wie oben bei der Frage, wie die kausalen Rollen des Tippens und des Tippens und Überzeugtseins zusammenhängen. Wenn man nicht weiß, wie sich die kausale Rolle von Ereignissen mit einer komplexen konstitutiven Eigenschaft aus der von Ereignissen mit einfachen konstitutiven Eigenschaften ergibt, dann kann man die kausale Rolle der physikalischen Supervenienz-Basen gewöhnlicher Ereignisse auch nicht auf die nomologisch verknüpfter Ereignisse zurückführen.

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In den letzten beiden Abschnitten fanden sich zwei Argumente gegen die Brauchbarkeit von Kims Konzeption supervenienter Kausalität. Zum einen gibt es Beispiele für Ereignisse, die zwar supervenient, aber nicht wirklich kausal verknüpft sind - Reagans Präsidentschaft war eine Folge seiner Kenntnis der Carter-Strategie, seine amerikanische Staatsbürgerschaft nicht. Und zum anderen bleibt im Rahmen der Konzeption supervenienter Kausalität sowohl der offenkundig bestehende Rechtfertigungs-Zusammenhang zwischen den kausalen Rollen zahlreicher Ereignisse schleierhaft, als auch ganz generell die Tatsache, daß sich die kausale Rolle aller Ereignisse aus der der basalen physikalischen Ereignisse zurückführen läßt. Diese Anhaltspunkte zusammen genommen machen in meinen Augen die Konzeption supervenienter Kausalität unhaltbar. Und dieses Scheitern der supervenienten Kausalität hat Konsequenzen für die Supervenienz generell. Die im siebten Kapitel diskutierten Einwände gegen die Tauglichkeit der Supervenienz-Beziehung zur Charakterisierung der EreignisHierarchie waren so schwerwiegend, daß es nun, nachdem die Supervenienz keine Lösung des Problems der kausalen Anhängsel erbracht hat, keinen Grund gibt, daran festzuhalten, daß die Annahme, alle Ereignisse seien supervenient auf physikalische Ereignisse, zur Erläuterung der materialistischen Grundidee beiträgt. Wenn sich aber Ereignis-Supervenienz und superveniente Kausalität als zu diesem Zwecke untauglich erwiesen haben, dann fragt es sich, ob Kim auf andere Weise dem Materialismus und dem Phänomen kausaler Anhängsel gerecht werden kann. Eine mögliche Alternative ist das Thema des nächsten Abschnitts. *

Das Materialismus-Problem für ein feinkörniges Ereignisverständnis bestand darin, dem hierarchischen Charakter der Einzelwissenschaften und der basalen Stellung der Physik Rechnung zu tragen, ohne die generelle Typen-IdentitätsThese vertreten zu müssen. Mit dem Scheitern des Vorschlags Kims, das Problem durch die Supervenienz-Konzeption zu lösen, droht nun erneut die Typen-Identitäts-These. Und in diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Die erste lautet: Ist das wirklich eine Drohung? - Die im sechsten Kapitel erwähnte Unplausibilität dieser These beruht in erster Linie darauf, daß man wenig geneigt ist, Eigenschaften wie die, jemanden zu küssen, oder, laut Hallo zu sagen, als physikalische Eigenschaften anzusehen. Aber Kims Alternative

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wirft, wie sich im siebten Kapitel gezeigt hat, genau dasselbe Problem auf. Zum einen ist es ohnehin nicht klar, ob man die mit der starken Supervenienz-These einhergehende Annahme, daß zu jeder Eigenschaft eine notwendigerweise koextensive physikalische Basis-Eigenschaft existiert, von der Typen-Identität abgrenzen kann. Zum anderen ist die Annahme der Existenz einer physikalischen Eigenschaft, die jemand notwendigerweise dann und nur dann hat, wenn er oder sie jemand anderes küßt, mindestens ebenso wenig einleuchtend wie die Annahme, das Küssen sei diese Eigenschaft. Diese beiden Überlegungen im siebten Kapitel haben gezeigt, daß der Unterschied zwischen Typen-Identität und starker Supervenienz sehr viel geringer ist, als es zuerst den Anschein hat. Sie haben aber auch gezeigt, daß sich die Unplausibilität der Typen-Identität im wesentlichen darauf zurückführen läßt, daß man es nicht gewohnt ist, die physikalischen Eigenschaften als Familie zu betrachten, d.h. daß man normalerweise nicht jedes Komplement, jede Konjunktion und Disjunktion einer physikalischen Eigenschaft wieder für eine physikalische Eigenschaft halten würde. Akzeptiert man dies hingegen, dann verliert die Vorstellung, es gebe zu jeder Eigenschaft ein notwendigerweise koextensives Pendant, viel von ihrer Absurdität; denn es ist offenkundig, daß es sich bei den Gegenstücken der meisten vertrauten Eigenschaften um ellenlange Disjunktionen riesiger Konjunktionen elementarer physikalischer Eigenschaften handeln muß, also solcher physikalischen Eigenschaften, von denen in der Physik tatsächlich die Rede ist oder sein wird. Und es gibt dann vor allem auch keinen Grund darauf zu bestehen, daß die vertrauten Eigenschaften nur dependent von diesen hochkomplexen physikalischen Eigenschaften sind - anstatt zu sagen, sie seien diese Eigenschaften. Wenn also nichts dafür spricht, die Supervenienz der Typen-Identität vorzuziehen, und wenn das Scheitern der Supervenienz bei der Lösung des Materialismus-Problems die Typen-Identitäts-These für Kim unausweichlich zu machen droht, dann fragt es sich - und das ist die zweite der oben angekündigten Fragen -, weshalb er sich nicht darauf einlassen und die Typen-Identität als zu seinem Ereignisverständnis passende Materialismus-Explikation

akzeptieren

sollte. 8 Und tatsächlich deutet vieles von dem, was Kim in neueren Aufsätzen 8

Es sei allerdings betont, daß die Typen-Identitäts-These nur in bezug auf das Materialismus-Problem eine Alternative zur supervenienten Kausalität darstellt. Marys Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, und ihre Äußerung des Satzes "I have a tooth ache" können aus der Perspektive des feinkörnigen Ereignisverständnisses nicht identisch sein, deshalb bleibt die Frage nach deren Verhältnis und damit das generelle Problem der kausalen Anhängsel von der Typen-Identitäts-Theorie unberührt.

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schreibt, darauf hin, daß er durchaus dazu bereit ist.9 Deshalb soll in diesem Abschnitt gezeigt werden, daß auch die Typen-Identitäts-These keine Erklärung für zumindest den einen Aspekt des Materialismus hat, dem zufolge sich alle Kausalaussagen im Prinzip durch den Rückgriff auf basale physikalische Kausalaussagen rechtfertigen lassen. Die Typen-Identität ist also in derselben Hinsicht und, wie sich zeigen wird, aus denselben Gründen inakzeptabel wie Kims superveniente Kausalität.

Wenn die Typen-Identitäts-These eine Lösung des Materialismus-Problems wäre, dann müßte sie erläutern, weshalb man davon ausgehen kann, daß sich die Annahme einer Kausalbeziehung zwischen Marys Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, und der Bildschirmanzeige letztlich durch den Hinweis auf Kausalbeziehungen zwischen elementaren physikalischen Ereignissen rechtfertigen ließe. Weil der Typen-Identitäts-These zufolge die konstitutive Eigenschaft, etwas mitzuteilen, selbst eine physikalische Eigenschaft ist, stellt sich nicht die Frage, ob man die kausale Rolle der Mitteilung aus der Kausalbeziehung irgendwelcher physikalischer Ereignisse herleiten kann, aber es stellt sich die Frage, wie sich die kausale Rolle des durch die komplexe physikalische Eigenschaft, etwas mitzuteilen, konstituierten Ereignisses aus der der durch einfache physikalische Eigenschaften konstituierten Ereignisse ergibt. Etwas mitzuteilen ist sicher eine dieser endlosen Disjunktionen von Konjunktionen jener elementaren physikalischen Eigenschaften, für die sich Gesetzmäßigkeiten in der Physik finden ließen, d.h. man steht vor der Frage nach dem Zusammenhang zwischen den Kausalbeziehungen von Ereignissen mit komplexen konstitutiven Eigenschaften und denen der Ereignisse, die durch die einfachen Eigenschaften konstituiert werden - also vor eben der Frage, an der im letzten Abschnitt die Materialismus-Erläuterung durch die superveniente Kausalität gescheitert ist. Solange man nicht weiß, weshalb die Tatsache, daß ein Tippen etwas verursacht hat, die Annahme rechtfertigt, daß das Tippen plus Überzeugung es verursacht hat, so lange gibt die Typen-Identitäts-These auch keine Erklärung für die Rechtfertigung von Kausalaussagen durch die elementaren Kausalbeziehungen der Physik. Erschwerend kommt hinzu, daß die komplexe physikalische Eigenschaft, mitzuteilen, daß man Zahnschmerzen hat, eine Disjunktion sein muß. Und damit ist es nicht einmal oberflächlich betrachtet einleuchtend - wie bei Ereignissen mit konjunktiven konstitutiven Eigenschaften (etwa Marys Tippen und Überzeugtsein) -, ein durch diese Das gilt vor allem für The Myth of Nonreductive Materialism.

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Eigenschaft konstituiertes Ereignis als aus den Ereignissen zusammengesetzt aufzufassen, die durch die Disjunkte konstituiert werden. Diese Ereignisse muß es im Unterschied zu den durch die Konjunkte konstituierten nicht einmal alle geben. Wenn Mary schreibt oder erzählt, daß sie Zahnschmerzen hat, dann ist das sicher kein Ereignis, das aus den beiden Teilen besteht, daß Mary es schreibt und daß sie es erzählt. Aus der TeilGanzes-Beziehung ließe sich die kausale Rolle dieses Ereignisses also selbst dann nicht herleiten, wenn es bei Ereignissen wie dem Tippen und Überzeugtsein gelänge. Insofern ist die Typen-Identitäts-These eher noch weniger geeignet, das Materialismus-Problem zu lösen als die Konzeption supervenienter Kausalität.

Letztlich ändert also der Übergang von der Supervenienz zur Typen-Identität nichts am Fortbestehen des Materialismus-Problems. Es ist nicht nur so, daß Kim Gefahr läuft, die Typen-Identitäts-These vertreten zu müssen; sie würde ihm gar nichts nützen, denn auch sie kann (im Rahmen der Ereignis-Theorie Kims) nicht erklären, was die alltäglich vertrauten Kausalbeziehungen mit den elementaren Ereignissen zu tun haben, mit denen sich die Physiker beschäftigen. Was aber bleibt von Kims Ereignis-Theorie, wenn sie auf Supervenienz und Typen-Identität verzichten muß? Welche Konsequenzen hat das für die Individuationsbedingung und welche für das feinkörnige Ereignisverständnis? Eine befriedigende Antwort auf diese Fragen bedarf eines Umwegs, der im nächsten Kapitel mit der Beschreibung einer weiteren Schwierigkeit für Kims Theorie beginnt und der erst im zwölften und dreizehnten Kapitel enden wird.

Kapitel 9 Ereignisse und Ereignissätze

Wie sich in den letzten Kapiteln gezeigt hat, wirft die Ereignisvielfalt, von der Kim und Goldman ausgehen, eine Reihe von Problemen auf, die sich auch mit Hilfe der Supervenienz-Konzeption und der Typen-Identitäts-These nicht lösen lassen. Das Verhältnis zwischen der kausalen Rolle von Marys Mitteilung und der ihres Tippens bleibt so lange ungeklärt, wie man nicht behaupten darf, die Mitteilung sei das Tippen - doch eben diese Behauptung ist mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis unvereinbar. Diese Schwierigkeiten sind Anlaß genug, sich abermals mit der vermeintlichen Verschiedenheit von Johns Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen auseinanderzusetzen. Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis ist, wie gesagt, einfach und bestechend: John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist, aber er sagt nicht Hallo, weil er gereizt ist, - Johns Gereiztheit ist also eine Ursache seines lauten Hallo-Sagens, nicht aber seines Hallo-Sagens; die beiden Ereignisse stimmen nicht in ihren Kausalbeziehungen überein und sind folglich verschieden. Diese Überlegung verliert allerdings viel von ihrer unmittelbaren Plausibilität, wenn man feststellt, daß sich parallele Beispiele finden lassen, bei denen sich die Kausalaussagen nicht in einem zusätzlichen Adverb, wie "laut", unterscheiden, sondern nur in unterschiedlichen Betonungen: John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist, aber er sagt nicht laut Hallo, weil er gereizt ist. Von Peter Achinstein stammt ein anderes Beispiel, das zeigt, wie unterschiedliche Betonungen zumindest scheinbar den Wahrheitswert von Kausalaussagen beeinflussen können: Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank, aber er starb nicht, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank.1

Achinstein, Causation, Transparancy, and Emphasis, S. 3. (Ich habe das Beispiel, um Mißverstandnisse zu vermeiden, leicht abgeändert.) Achinstein diskutiert das Beispiel erneut in The Causal Relation. Ein paralleles Beispiel findet sich bei Fred Dretske, Referring to Events.

Ereignisse und Ereignissatze

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Diese Beispiele lassen verschiedene Reaktionsmöglichkeiten offen. Man kann sie, erstens, als Beleg dafür nehmen, daß in Wirklichkeit auch die von Goldman genannten Kausalaussagen denselben Wahrheitswert haben. Unbestreitbar klingt die Behauptung, John habe Hallo gesagt, weil er gereizt war, viel merkwürdiger als ihr Pendant, er habe laut Hallo gesagt, weil er gereizt war, aber eine Behauptung muß nicht falsch sein, um merkwürdig zu klingen - sie kann auch mißverständlich, witzlos oder irreführend sein. Und eben dies, könnte man annehmen, unterscheide die beiden Goldman-Sätze, nicht ihr Wahrheitswert. Dann sprechen die Beispiele der unterschiedlich betonten Kausalaussagen gegen Goldmans Argument und insofern gegen das feinkörnige Ereignisverständnis. Man kann auch, zweitens, zwar zugestehen, daß die nur in der Emphase verschiedenen Sätze dem ersten Anschein zum Trotz denselben Wahrheitswert haben, aber den Rückschluß auf die Ungültigkeit des Goldman-Arguments ablehnen. Man muß sich dann auf den Standpunkt stellen, daß es einen Unterschied im Anschein der Falschheit gibt zwischen den Goldman- und den Emphase-Sätzen. Und drittens kann man die Beispiele akzeptieren als Beleg dafür, daß sich auch solche Kausalaussagen im Wahrheitswert unterscheiden können, die nur verschieden betont sind. Diesen dritten Weg haben Achinstein selbst, Dretske und Kim eingeschlagen. Es ist für die Bewertung des eigentlichen GoldmanArguments interessant, wie diese drei Autoren versucht haben, den Wahrheitswertunterschied bei den unterschiedlich betonten Sätzen zu erklären. Deshalb beginne ich die Diskussion des Goldman-Arguments mit der Diskussion der verschiedenen Erklärungen für den vermeintlichen Wahrheitswertunterschied der Sätze "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank" und "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank". Das Problem, eine solche Erklärung zu finden, bezeichne ich im folgenden wegen der widerborstigen Besonderheit des Beispiels als das "Emphaseproblem".

*

Würde man die zur Lösung des Emphaseproblems erforderliche Erklärung strikt parallel zu Goldmans Erklärung des Unterschieds der beiden John-Sätze geben, dann wäre der Satz "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank" wahr, weil eine Ursache von Sokrates' Tod die konstitutive Eigenschaft hat, in Athen den Schierlingsbecher zu trinken, und "Sokrates starb, weil er in

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Ereignisse und Ereignissätze

Athen den Schierlingsbecher trank" falsch, weil kein Ereignis mit der konstitutiven Eigenschaft, in Athen den Schierlingsbecher zu trinken, Sokrates' Tod verursacht hat. Eine Voraussetzung dieser Erklärung wäre es demnach, daß die Eigenschaft, in Athen den Schierlingsbecher zu trinken, verschieden wäre von der Eigenschaft, in Athen den Schierlingsbecher zu trinken. Sie würde also zu einem extrem feinkörnigen Eigenschafts- und Ereignisverständnis und damit zu einer atemberaubenden Multiplikation der feinkörnigen Ereignisvielfalt führen. Es ist leicht zu erkennen, daß es ein solches Bild der Welt, abgesehen von seiner prinzipiellen Unplausibilität, unmöglich machen würde, Antworten auf die in den letzten Kapiteln diskutierten Fragen zu finden. (Es würde sich keine Individuationsbedingung für Eigenschaften finden lassen, das MaterialismusProblem und das Problem der kausalen Anhängsel blieben unweigerlich rätselhaft.) Zudem widerspräche dieses extrem feinkörnige Eigenschaftsverständnis allen Vorstellungen davon, wie Betonungen in Sätzen gewöhnlich eingesetzt werden. (So verändert man z.B. nicht die Eigenschafts-Zuschreibung, wenn man auf eine ungläubige Nachfrage denselben Satz, aber mit ausgeprägter Betonung wiederholt.) 2 Wenn sich aber Goldmans Erklärung des Unterschieds zwischen seinen beiden Beispielsätzen nicht auf die Sätze mit unterschiedlichen Betonungen übertragen läßt, dann öffnet eine andere Erklärung des vermeintlichen Wahrheitswertunterschieds dieser Sätze möglicherweise auch eine alternative Perspektive auf Goldmans Argument. Wie sich zeigen wird, trifft dies auf den dritten Lösungsvorschlag zu, den Vorschlag Kims; die beiden anderen werde ich nur kurz erwähnen. Achinstein selbst hält den Unterschied im Wahrheitswert für einen Beleg dafür, daß die Sätze semantisch undurchsichtig sind, d.h. daß man nicht nach dem Augenschein urteilen sollte, daß tatsächlich in den beiden jeweils ersten Satzhälften von einem Ereignis die Rede ist. 3 Letztlich ist dies die Erklärung, die mir am attraktivsten erscheint. Allerdings ist die semantische Undurchsichtigkeit wie jede Undurchsichtigkeit ein epistemisches Problem (man vermag die Semantik nicht zu durchschauen), der Hinweis auf die Undurchsichtigkeit ist also selbst noch keine Erklärung, sondern nur ein erster Schritt hin zu einer Erklärung. Darauf werde ich unten ausführlich zurückkommen. Eine andere Erklärung bietet Dretske. Im Unterschied zu Achinstein ist er der Ansicht, daß sich in dem Beispiel die Vordersätze tatsächlich auf vermeintliche Ursachen von Sokrates' Tod beziehen, doch diese Ursachen sind für Dretske keine Ereignisse, sondern Entitäten, die er als 'Facetten' (facets), 'Züge' (features) oder 'Kristallisationsformen von Ereignissen' (allomorphic events) bezeichnet.^ Mit der Dieses Argument wird bei Achinstein ausgeführt, der darüber hinaus ein derart feinkörniges Eigenschaftsverständnis schlicht dubios findet (Causation, Transparency, and Emphasis, Abschnitt III und S. 12). Ein weiteres Argument findet sich bei Bennett, Events and Their Names, S. 32 ff. Causation, Transparency, and Emphasis, Abschnitt VII. Referring to Events, S. 371 ff. und Explaining Behavior, Abschnitt 1.5.

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Behauptung, Ursachen und Wirkungen seien keine Ereignisse, widerspricht Dretske einer Voraussetzung, die sich durch diese ganze Untersuchung zieht, und auf der u.a. auch Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis beruht. Aus diesem Grund, und vor allem, weil ich nicht verstehe, um was für Entitäten es sich bei den Ereignis-Facetten handelt (z.B. wie sie zu individuieren sind, ob für sie das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren gilt, etc.), werde ich den Dretske-Vorschlag nicht weiter verfolgen. Kim hält weder Achinsteins noch Dretskes Lösungsvorschlag für korrekt. Er schlägt eine andere Erklärung für den Unterschied im Wahrheitswert der beiden Beispielsätze vor. Weshalb ist der erste Satz wahr? Weil das Trinken des Schierlingsbechers Sokrates' Tod verursacht hat. Und weshalb ist der zweite falsch? Weil es nicht das Trinken in Athen war, das den Tod verursacht hat. Also basiert die Wahrheit des ersten Satzes auf der Kausalbeziehung zwischen dem Tod und einem Ereignis, dessen konstitutive Eigenschaft das Trinken des Schierlingsbechers ist, und die Falschheit des zweiten Satzes auf dem Fehlen einer Kausalbeziehung zwischen dem Tod und einem Ereignis, dessen konstitutive Eigenschaft das Trinken in Athen ist. Die Emphase weist darauf hin, welche konstitutive Eigenschaft das Ereignis hat, dem eine kausale Rolle zugeschrieben wird. 5 Mit dieser Lösung gelingt es Kim, das Beispiel mit seiner Ereigniskonzeption zu versöhnen, ohne Eigenschaften unplausibel feinkörnig auffassen zu müssen. Aber dafür muß er einen Zusammenhang aufgeben, der in der Diskussion dieser Konzeption in den letzten Kapiteln nicht in Frage gestellt war, den Zusammenhang zwischen den in Ereignissätzen verwendeten Prädikaten und den konstitutiven Eigenschaften der Ereignisse, auf die sich die Sätze beziehen. Nicht alle Eigenschaften, von denen in Ereignissätzen die Rede ist, konstituieren die betreffenden Ereignisse. Wenn in dem Satz "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank" von dem Ereignis die Rede ist, daß Sokrates den Schierlingsbecher trank, dann wird mit der anderen Eigenschaftsspezifikation, mit "in Athen", nichts über die konstitutive Eigenschaft des Ereignisses ausgesagt, sondern etwas über das Ereignis selbst. Und wenn in dem zweiten Satz, "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank", von dem Ereignis die Rede ist, daß Sokrates in Athen trank, dann wird mit dem Ausdruck "den Schierlingsbecher" abermals nichts über die konstitutive Eigenschaft, sondern wiederum etwas über das Ereignis selbst gesagt. Damit wird eine Unterscheidung aufgenommen, auf die bereits warnend hingewiesen wurde, die Unterscheidung zwischen ereigniskonstitutiven Eigenschaften und Eigenschaften von Ereignissen. Ereigniskonstitutive Eigenschaften Causation, Emphasis, and Events.

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sind Eigenschaften des Ereignisträgers und damit gerade keine Eigenschaften des Ereignisses.6 In der Diskussion des Kim-Vorschlags war bislang von Eigenschaften der Ereignisse nicht die Rede, es sah vielmehr so aus, als gäbe es nur Eigenschaften der Ereignisträger. Nun löst Kim das Emphaseproblem dadurch, daß er von den nichtbetonten Prädikaten in den Ereignissätzen annimmt, daß sie sich auf Eigenschaften der Ereignisse beziehen. So ist es dann möglich, daß sich zwei Sätze nur in der Emphase unterscheiden und sich gleichwohl auf verschiedene Ereignisse beziehen. Einleuchtend an Kims Vorschlag ist, daß er den unterschiedlichen Wahrheitswert der beiden Beispielsätze darauf zurückführt, daß Sokrates gestorben ist, weil er das Gift trank, und nicht, weil er es in Athen tat. Aber der Vorschlag hat auch eine weniger einleuchtende Seite. Ereignissätze ohne explizite Emphase haben ihm zufolge keinen eindeutigen Ereignisbezug. So bezieht sich der Satz "Sokrates trank in Athen den Schierlingsbecher" entweder auf ein Ereignis, dessen konstitutive Eigenschaft es ist, daß Sokrates den Schierlingsbecher trank, und sagt von dem Ereignis, daß es in Athen stattfand. Oder er bezieht sich auf ein Ereignis mit der konstitutiven Eigenschaft, in Athen zu trinken, und sagt von ihm, es sei ein Trinken des Schierlingsbechers gewesen. (Oder er bezieht sich auf ein Ereignis, dessen konstitutive Eigenschaft das Trinken des Schierlingsbechers in Athen ist, und nennt überhaupt keine Eigenschaft dieses Ereignisses.) Eine solche Unterbestimmtheit des Weltbezugs eines Satzes ist aber nur dann denkbar, wenn der Satz entweder indexikalisch oder mehrdeutig ist. Indexikalisch ist der Sokrates-Satz sicher nicht, deshalb kommt Kim in seiner Diskussion des Emphaseproblems zu dem Schluß, daß Achinsteins Beispielsatz mehrdeutig ist.7 Und weil man für jeden etwas komplexeren Ereignissatz ein Beispiel analog dem Achinsteins finden kann, in dem unterschiedliche Betonungen auf unterschiedliche kausale Rollen hindeuten, folgt aus Kims Lösung die Ambiguität all dieser Ereignissätze. Die Annahme einer so weit verbreiteten Ambiguität in der Sprache aber ist generell nicht sehr einleuchtend. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man die angebliche Ambiguität der Ereignissätze mit vertrauten Ambiguitäten vergleicht. Gewöhnlich läßt sich die Ambiguität eines Satzes auf die Mehrdeutigkeit seines Aufbaus aus den einzelnen Satzbestandteilen zurückführen, sei es daß der Aufbau verschieden 6

7

Vgl. zu dieser Unterscheidung auch Kim, Events as Property-Exemplifications; S. 168-69, und Causation, Nomic Subsumption, and the Concept of Event, S. 226. Goldman legt ebenfalls Wert auf diese Unterscheidung (The Individuation of Action, S. 772). Causation, Emphasis, and Events, S. 382.

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verstanden werden kann (wie bei "Hans mag Otto"), sei es daß die Satzbestandteile selbst mehrdeutig sind (wie bei "Otto besitzt eine Bank"). Wenn Ereignissätze mehrdeutig sind, dann muß sich auch diese Mehrdeutigkeit aus ihrem Aufbau erklären lassen. Für den Beispielsatz "Sokrates trank in Athen den Schierlingsbecher" heißt das, daß sich seine Ambiguität aus der Ambiguität der adverbialen Bestimmungen "den Schierlingsbecher" bzw. "in Athen" ergeben müßte, die sich demnach entweder auf Eigenschaften von Sokrates oder Eigenschaften seines Trinkens beziehen könnten. Aber wenn die adverbiale Bestimmung "den Schierlingsbecher" im Sokrates-Satz mehrdeutig ist, dann ist es auch der einfachere Satz "Sokrates trank den Schierlingsbecher"; die These Kims, daß die Ereignissätze, die das Emphaseproblem hervorrufen, ohne explizite Emphase nicht eindeutig seien, hat demnach auch für andere Ereignissätze die Konsequenz, mehrdeutig zu sein. Kim kann seine Lösung nur aufrecht erhalten, wenn er von einer auch unter einfachen Ereignissätzen sehr weit verbreiteten Ambiguität ausgeht. Das aber schwächt die Plausibilität seiner Behauptung. Es gibt zudem einen gravierenden Unterschied zwischen gewöhnlichen mehrdeutigen Sätzen, wie "Otto besitzt eine Bank", und den Ereignissätzen. Bei ersteren hängt es häufig vom jeweils gemeinten Sinn ab, ob der Satz wahr oder falsch ist, bei letzteren nur ganz selten. Wenn man wissen möchte, ob Otto eine Bank besitzt, dann muß man zuerst klären, was man hier unter "eine Bank" versteht. Will man dagegen wissen, ob Sokrates in Athen den Schierlingsbecher getrunken hat, dann spielt es für den Wahrheitswert dieses Satzes keine Rolle, ob sich "in Athen" und "den Schierlingsbecher" auf konstitutive Eigenschaften beziehen oder Eigenschaften des Ereignisses. Nicht zuletzt die Tatsache, daß Kim mit seiner Lösung des Emphaseproblems keine Trivialität ausspricht, zeigt, daß es in der alltäglichen Verwendung von Ereignissätzen kein Bewußtsein einer Mehrdeutigkeit gibt. Es gibt eine mögliche Reaktion auf diesen Einwand, die sich auf den engen Zusammenhang zwischen Eigenschaften von Ereignissen und ereigniskonstitutiven Eigenschaften beruft. Kims Lösung des Emphaseproblems stützt sich auf eine Doppelwelt von Eigenschaften: In Athen stattzufinden, ist eine Eigenschaft eines Ereignisses, in Athen zu trinken, eine Eigenschaft eines Menschen, ein Trinken des Schierlingsbechers zu sein, eine Eigenschaft des Ereignisses, den Schierlingsbecher zu trinken eine des Menschen. Es liegt nahe, zwischen diesen Eigenschaftspaaren eine Verbindung anzunehmen: Ein Ereignis, daß jemand trinkt, hat genau dann die Eigenschaft, in Athen stattzufinden, wenn zum selben Datum und mit demselben Träger ein anderes Ereignis stattfindet, das die Eigen-

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schaft hat, ein Trinken in Athen zu sein. Die Spezifikation "in Athen" in der konstitutiven Eigenschaft des zweiten Ereignisses erklärt die (nicht-konstitutive) Eigenschaft des ersten.8 Setzt man diesen Zusammenhang voraus, dann ist es wenig verwunderlich, daß es in der alltäglichen Sprachpraxis kaum einen Unterschied macht, ob man sagt, ein Ereignis mit der konstitutiven Eigenschaft zu trinken, habe in Athen stattgefunden, oder es habe ein Ereignis stattgefunden mit der konstitutiven Eigenschaft, in Athen zu trinken. Diese Auffassung der Beziehung zwischen Eigenschaften von Ereignissen und ereigniskonstitutiven Eigenschaften hat nicht nur den Vorteil zu erklären, weshalb es normalerweise keine Rolle spielt, in welchem der beiden Sinne man eine adverbiale Bestimmung auffaßt, sie erläutert zugleich, warum die Garantie der Wahrheitswertübereinstimmung sich nicht auf Kausalaussagen eistreckt. Es gibt keine Eigenschaft des Ereignisträgers, auf die sich die Eigenschaft eines Ereignisses, ein anderes zu verursachen, zurückführen ließe. Hätte das Trinken des Schierlingsbechers in Athen die Eigenschaft, Sokrates' Tod herbeizuführen, weil ein Ereignis stattfand mit der konstitutiven Eigenschaft, durch das Trinken des Schierlingsbechers in Athen Sokrates Tod zu verursachen, dann hätte auch das Ereignis, in Athen zu trinken, die Eigenschaft, eine Ursache von Sokrates1 Tod zu sein, und Kims Lösung des Emphaseproblems fiele in sich zusammen. Trotz dieser Erläuterung des Zusammenhangs zwischen ereigniskonstitutiven Eigenschaften und Eigenschaften von Ereignissen bleibt die AmbiguitätsBehauptung Kims wenig einleuchtend. Das liegt, abgesehen von der generellen Unplausibilität der Annahme einer so weit verbreiteten Ambiguität, vor allem an den Konsequenzen für den Wahrheitswert der Ereignissätze. Wenn Kim recht hat, daß, erstens, der Satz "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank" mehrdeutig ist und, zweitens, der Satz in einem Sinn dasselbe sagt wie: "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank", dann hat er in diesem Sinn auch denselben Wahrheitswert wie jener Satz - sprich: er ist falsch. Die Unbestimmtheit des Weltbezugs mehrdeutiger Sätze, die es Kim erlaubt, das Emphaseproblem zu lösen, zieht eine mögliche Unbestimmtheit ihres Wahrheitswerts nach sich. Wenn Otto zwar ein Sitzmöbel aber kein Geldinstitut besitzt, ist der Satz "Otto besitzt eine Bank" in einem Sinn wahr, in einem anderen falsch, es macht also außerhalb eines bestimmten Kontexts keinen Sinn von dem Wahrheitswert dieses Satzes zu sprechen. Aber die Kausalaussage "Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank" hat einen Wahrheitswert, der Satz ist wahr (sensationelle Entdeckungen in der AntikeForschung ausgenommen), und niemand, der ihn für falsch hält kann sich auf die Falschheit des betonten Pendants berufen. Wenn man nicht willens ist, die

Dieser Vorschlag findet sich bei David Lewis, Events, S. 257.

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Wahrheitswerte zahlreicher gewöhnlicher, unbetonter Kausal aussagen in Zweifel zu ziehen, dann ist die Ambiguitäts-These Kims nicht haltbar.

Dieses Scheitern von Kims Vorschlag legt die einfachere Lösung des Emphaseproblems nahe, beide Beispielsätze als wahr, den zweiten aber als sehr irreführend anzusehen. Ich glaube nicht, daß sich zeigen läßt, daß diese einfache Lösung nicht stimmt. Die Intuition, daß das zweite Kausalurteil, Sokrates sei gestorben, weil er in Athen den Schierlingsbecher getrunken hat, wirklich falsch und nicht bloß irreführend ist, scheint mir dafür zu unsicher zu sein. Aber das eigentlich Interessante an dem Emphaseproblem ist nicht das Problem selbst, dazu ist es zu spitzfindig und weit hergeholt. Der Grund dafür, dieses Problem an dieser Stelle zu diskutieren, ist die Frage, ob seine Lösung etwas über Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis und Kims Ansicht, Ereignisse seien Eigenschafts-Exemplifikationen, aussagt. Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt, gibt es zwei Möglichkeiten, die einfache Lösung des Emphaseproblems auf das Goldman-Argument zu übertragen: Entweder man zieht dieselbe Konsequenz auch für Goldmans zweiten Beispielsatz, dann sind sowohl Johns Hallo-Sagen als auch sein lautes Hallo-Sagen Wirkungen seiner Gereiztheit und es bleibt offen, ob sie identisch sind oder nicht, oder man bestreitet in diesem Punkt die Parallele zwischen dem GoldmanArgument und dem Emphaseproblem, geht also davon aus, daß Sokrates starb, weil er in Athen den Schierlingsbecher trank, ohne daraus den Schluß zu ziehen, John habe Hallo gesagt, weil er gereizt war, dann sagt das Sokrates-Beispiel nichts über das John-Beispiel aus. Die erste Option entzieht dem feinkörnigen Ereignisverständnis seine argumentative Grundlage, doch da ein Vertreter dieses Verständnisses nicht genötigt ist, sie zu wählen, sondern auf die zweite Option ausweichen kann, hat die einfache Lösung des Emphaseproblems keine zwingenden Konsequenzen für Goldmans Argument. Sie legt es zwar nahe, die Behauptung zu überdenken, daß der zweite Goldman-Satz wahr sei, aber sie nennt keinen wirklich stichhaltigen Einwand. Und ich bin skeptisch, ob sich mehr zeigen läßt. Als Argument gegen Goldman spielt die einfache Lösung des Emphaseproblems damit, auch wenn sie wahr sein sollte, keine große Rolle. Die in meinen Augen interessanteste Konsequenz der Diskussion des Emphaseproblems ist allerdings nicht seine Lösung, sondern der bereits vorgestellte Lösungsversuch Kims - und das, obwohl ich ihn für falsch halte. Falsch ist er, weil die Ambiguitäts-These, auf der er beruht, unhaltbar ist; aber seine

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Bedeutung liegt darin, daß er auf zwei bislang in meiner Diskussion des KimVorschlags ausgesparte Beziehungen aufmerksam macht, die es erlauben werden, eine Diagnose und Lösung der in den letzten Kapiteln angesprochenen, aber nicht befriedigend gelösten Probleme zu nennen: Auf der einen Seite ist dies die Unterscheidung zwischen ereigniskonstitutiven Eigenschaften und Eigenschaften von Ereignissen, auf der anderen Seite das Verhältnis zwischen Ereignissen und den sich auf Ereignisse beziehenden Sätzen. Das Problem der kausalen Anhängsel und das Materialismus-Problem lassen sich letztlich lösen, wenn man erkennt, daß sie ein sehr suggestives, aber falsches Bild vom Verhältnis zwischen Sätzen und Ereignissen und zwischen Prädikaten und Eigenschaften voraussetzen. Das ist die These, die es in diesem und den folgenden Kapiteln zu untermauern gilt.

*

Das falsche Bild des Verhältnisses zwischen Sätzen und Ereignissen sieht so aus: Ein Ereignissatz besteht aus einem Subjektausdruck und einem (eventuell mit einigen adverbialen Bestimmungen versehenen) Prädikat; ein solcher Satz bezieht sich auf ein Ereignis, dessen Träger der durch den Subjektausdruck bezeichnete Gegenstand (oder die bezeichnete Person) und dessen konstitutive Eigenschaft die durch das Prädikat bezeichnete Eigenschaft ist (das Datum findet sich zumeist verborgen in der indexikalischen Zeitform des Satzes). So bezieht sich dem Bild zufolge der Satz "Die Membran vibriert" auf ein Ereignis, dessen Träger die Membran ist und dessen konstitutive Eigenschaft es ist zu vibrieren.9 Ein Anhaltspunkt für die Falschheit dieses Bildes findet sich in Kims Lösungsvorschlag für das Emphaseproblem. Wie alle anderen Entitäten können auch Ereignisse Eigenschaften haben - das Vibrieren der Membran kann z.B. regelmäßig sein -, und man kann von einem Ereignis sagen, daß es die betreffende Eigenschaft hat, etwa indem man sagt "Das Vibrieren ¿1er Membran ist regelmäßig". Verbindet man aber diese Feststellung mit dem eben skizzierten Bild des Verhältnisses zwischen Ereignissen und Ereignissätzen, dann gelangt man zu einem merkwürdigen Unterschied zwischen Sätzen, die oberflächlich betrachtet nur wie stilistische Varianten aussehen. Der Satz "Das Vibrieren der Membran ist regelmäßig" bezieht sich auf ein Ereignis, dessen konstitutive Dieses Bild läßt sich entsprechend auf das Verhältnis zwischen mehrstelligen Ereignissen und den sich auf sie beziehenden Sätzen erweitern.

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Eigenschaft es ist zu vibrieren, der Satz "Die Membran vibriert regelmäßig" dagegen auf ein Ereignis mit der konstitutiven Eigenschaft, regelmäßig zu vibrieren. Und während letzterer nur besagt, daß das betreffende Ereignis stattfindet, schreibt ersterer dem Ereignis die Eigenschaft zu, regelmäßig zu sein. Das Befremden, das die Unterscheidung dieser beiden Sätze auslöst, läßt sich mindern, wenn man die im Rahmen von Kims Lösungsvorschlag für das Emphaseproblem gegebene Erklärung des Verhältnisses zwischen Eigenschaften von Ereignissen und ereigniskonstitutiven Eigenschaften akzeptiert, daß das Vibrieren nur deshalb die Eigenschaft hat, regelmäßig zu sein, weil zusätzlich zum Vibrieren auch ein regelmäßiges Vibrieren stattfindet. Dennoch kommt die Alternative, die sich bei Kim findet, dem gewöhnlichen Sprachempfinden sehr viel näher: Man kann auch den Satz "Die Membran vibriert regelmäßig" so verstehen, daß in ihm von der Membranschwingung gesagt wird, daß sie die Eigenschaft hat regelmäßig zu sein. Um allerdings die unhaltbare AmbiguitätsThese Kims zu vermeiden, muß man noch einen Schritt weiter gehen: Der Satz läßt sich nicht nur so verstehen, er muß so verstanden werden - auch in diesem Satz ist nur von einer Eigenschaft des Ereignisses die Rede, regelmäßig zu sein, und einer konstitutiven Eigenschaft zu vibrieren, nicht von einer konstitutiven Eigenschaft, regelmäßig zu vibrieren. Wenn aber in keinem der Beispielsätze von dieser konstitutiven Eigenschaft die Rede ist, dann gibt es auch keinen Grund zu der Annahme, daß es überhaupt eine solche konstitutive Eigenschaft oder ein durch sie konstituiertes Ereignis gibt. Die genannten Ereignissätze sind weder mehrdeutig, noch beziehen sie sich auf verschiedene Ereignisse; sie beziehen sich beide auf das Vibrieren der Membran und sagen, daß es die Eigenschaft hat, regelmäßig zu sein. Für dieses Verständnis der Ereignissätze spricht, daß es wesentlich näher an der gewöhnlichen Einschätzung solcher Ausdrücke wie "regelmäßig" ist als das andere und daß es auch nicht davon ausgehen muß, es gebe zwei eng verwandte Eigenschaften, von denen die eine sich auf Ereignisse, die andere auf deren Träger bezieht. Darüber hinaus erlaubt es eine gradlinige Erklärung eines Phänomens, mit dem man in Kims Ereigniskonzeption ansonsten nur schlecht fertig wird, der sogenannten Cambridge events. Der Ausdruck "Cambridge event" geht auf Peter Geach zurück. Obwohl Geach glaubt, daß sich keine Individuationsbedingung für Ereignisse finden läßt, sieht er sich in seinem Buch God and the Soul genötigt, die Existenz von Ereignissen zuzugestehen. Er begründet dies unter anderem damit, daß man nur so den intuitiven Unterschied rechtfertigen könne zwischen echten Veränderungen

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(changes) eines Gegenstandes oder einer Person und den von ihm so genannten 'Cambridge changes'.10 Letztere verdanken ihren Namen den beiden CambridgePhilosophen Bertrand Russell und John McTaggart, die eine Veränderung so charakterisiert haben, daß sich ein Gegenstand genau dann verändert, wenn er zu einem Zeitpunkt eine Eigenschaft hat, die er zu einem anderen Zeitpunkt nicht hat. Geach gesteht zwar zu, daß dies die einzig denkbare Charakterisierung einer Veränderung sei, aber er hält sie gleichwohl für nicht hinreichend. Dafür beruft er sich auf Piatons Beispiel im Theaetet (155b): Es gab einen Zeitpunkt, zu dem Sokrates größer war als Theaetet, und einen anderen, späteren, zu dem er kleiner war, ohne daß er sich in der Zwischenzeit (in seiner Größe) verändert hätte verändert hat sich ausschließlich Theaetet. Wenn man Geach beipflichtet, daß sich Sokrates nicht verändert hat, obwohl er erst die Eigenschaft hatte, größer als Theaetet zu sein, und sie später nicht mehr hatte, dann kann Russells und McTaggarts Kriterium für Veränderungen nicht hinreichend sein, dann trift es außer auf echte Veränderungen auch auf Nicht-Veränderungen - bloße Cambridge changes - zu. Cambridge changes, oder wie sie dann häufiger genannt wurden: Cambridge events, sind auch für Kims Ereigniskonzeption ein Problem. Ein anderes, vieldiskutiertes Beispiel zeigt dies noch deutlicher als das Piatons: Der Satz "Xanthippe wurde Witwe" ist wahr, und er ist wahr aufgrund eines Ereignisses. Als Xanthippe Witwe wurde, geschah etwas, aber die für Kim schwierige Frage ist: Geschah etwas mit ihr? Nach der oben skizzierten und bislang vorausgesetzten Auffassung vom Verhältnis Ereignis-Ereignissatz müßte sich der Satz auf ein Ereignis beziehen, dessen Trägerin Xanthippe war und das die konstitutive Eigenschaft hatte, Witwe zu werden. Es hätten dann also im Jahre 399 v. Chr. zwei verschiedene Ereignisse stattgefunden: Eines hatte den Träger Sokrates und die konstitutive Eigenschaft zu sterben, das andere die Trägerin Xanthippe und die konstitutive Eigenschaft, Witwe zu werden. Diese Ausdehnung der Welt der Ereignisse auch auf Cambridge events ist wenig attraktiv. Zu allererst widerspricht sie dem Gefühl, daß damals in Athen etwas mit Sokrates und nur mit Sokrates passiert ist, daß also ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen Sokrates' Tod und Xanthippes Verwitwung. Zudem kompliziert sie die im sechsten, siebten und achten Kapitel diskutierten Probleme erheblich: Wenn alle Ereignisse in irgendeinem Sinn physikalisch determiniert sind, dann muß sich auch eine physikalische Basis für das Ereignis God and the Soul, S. 71-72.

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finden lassen, daß Xanthippe Witwe wird. Und man muß etwas über die kausalen Beziehungen dieses Ereignisses sagen, man muß z.B. etwas darüber sagen, ob die Weigerung Sokrates', aus dem Gefängnis zu fliehen, eine Ursache dafür war, daß Xanthippe Witwe wurde, oder nicht, und wie sich die Annahme dieser Kausalbeziehung rechtfertigen ließe (welche Glieder die Kausalkette von der Weigerung zur Witwenschaft beispielsweise hatte). All diese Schwierigkeiten sprechen deutlich dagegen, die Cambridge events zu den Ereignissen zu zählen. Aber dann braucht man eine Erklärung, worauf sich der Satz "Xanthippe wird Witwe" bezieht. Es gibt einen Aufsatz, in dem Kim bestreitet, daß sich der Satz überhaupt auf ein Ereignis bezieht, doch das klingt auch nicht einleuchtend. 11 Dies spricht für die dritte Alternative, die sich im Anschluß an Kims Lösungsvorschlag für das Emphaseproblem anbietet: das Prädikat in dem Satz, der Ausdruck "wird Witwe", bezieht sich nicht auf eine konstitutive Eigenschaft, sondern auf eine Eigenschaft des Ereignisses selbst. Dieser Erklärung steht entgegen, daß sich die Eigenschaft, Witwe zu werden, sicher auf Xanthippe bezieht - Xanthippe ist es, die Witwe wird, nicht irgendein Ereignis. Um dem Rechnung zu tragen, sollte man den Satz folgendermaßen versteht: Es findet ein Ereignis statt, daß Xanthippe zur Witwe macht. Verborgen im Passivmodus bezieht sich der Satz also auf ein Ereignis, von dem er sagt, daß es zu Xanthippe in der Beziehung steht, sie zur Witwe zu machen. Die Annahme, daß der Satz eine Beziehung zwischen Xanthippe und einem Ereignis ausdrückt, deckt die Feststellung ab, daß es Xanthippe ist, auf die sich das Witwewerden bezieht, und vermeidet zugleich die unhaltbare These der Existenz von Cambridge events. Diese Lösung bedeutet aber eine erneute, viel weitergehende Modifikation des ursprünglichen Bildes des Satz-Ereignis-Verhältnisses als die Annahme, nicht alle Prädikatausdrücke (wie "regelmäßig") müßten sich auf konstitutive Eigenschaften beziehen: In dem Satz "Xanthippe wird Witwe" wird weder der Träger noch die konstitutive Eigenschaft des Ereignisses genannt, auf das er sich bezieht und das Xanthippe zur Witwe macht. (Der Satz bezieht sich zwar auf Sokrates' Tod, doch ohne Sokrates und ohne das Sterben zu erwähnen.) Es gibt demnach Ereignissätze, die nur sagen, daß ein Ereignis stattfindet, das eine bestimmte Eigenschaft oder Beziehung hat, aber nicht, um welches Ereignis es sich dabei handelt (in dem Sinn, daß Träger, konstitutive Eigenschaft und Datum genannt werden). Man kann sich demnach weder sicher sein kann, daß 11

Events and Their Descriptions: Some Considerations, S. 209. Kim diskutiert die Cambridge events außerdem in Noncausal Connections und Events as Property Exemplifications.

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das in einem Ereignissatz verwendete Prädikat die konstitutive Eigenschaft des Ereignisses nennt, auf das er sich bezieht, noch, daß der mit dem Subjektausdruck bezeichnete Gegenstand oder die Person ein Träger dieses Ereignisses ist. Vor allem kann man sich aber nicht sicher sein, daß es nur ein Ereignis gibt, das die Eigenschaft oder Beziehung hat, die der Satz zuschreibt - man erfährt aus dem Satz nicht, ob er sich auf ein Ereignis bezieht oder auf mehrere. Diese Feststellung ist besonders im Rahmen des feinkörnigen Ereignisverständnisses wichtig: Nicht nur das Ereignis, daß Sokrates starb, sondern das Ereignis, daß er sich vergiftete, das Ereignis, daß er hingerichtet wurde, und weitere, feinkörnig unterschiedene Ereignisse haben Xanthippe zur Witwe gemacht. Aber auch unabhängig von der feinkörnigen Position ist es ein historischer Zufall, daß Xanthippe nur einen Mann hatte, der zu diesem Zeitpunkt hingerichtet wurde - wären zur selben Zeit zwei Gatten Xanthippes gestorben, hätte es auch für das grobkörnige Verständnis zwei Ereignisse gegeben, die Xanthippe zur Witwe machten. Die Lösung des Problems der Cambridge events führt also zu folgender Alternative für das bislang implizit vorausgesetzte Bild des Verhältnisses zwischen Ereignissen und Ereignissätzen: Daß ein Ereignissatz sich auf ein Ereignis bezieht, heißt, daß er behauptet, daß Ereignisse einer bestimmten Sorte stattfinden, zu der dieses Ereignis gehört; und die Eigenschaften oder Beziehungen, von denen in dem Satz die Rede ist, charakterisieren die betreffende Sorte. Ereignissätze sind damit Sätze mit einem verborgenen Existenz-Quantor. Eine so drastische Revision zweier bislang unhinterfragt akzeptierter Annahmen - mit der Konsequenz, daß erstens die in Ereignissätzen genannten Eigenschaften und Gegenstände bzw. Personen nicht unbedingt die betreffenden Ereignisse konstituieren, und zweitens, daß sich ein Ereignissatz nicht notwendigerweise auf (maximal) ein Ereignis bezieht, sondern über Ereignisse quantifiziert - ist durch die relativ exotischen Cambridge events allein nicht zu rechtfertigen. Die Überlegenheit dieses Bildes der Ereignissätze gegenüber dem anderen muß sich vielmehr darin zeigen, daß es dazu beiträgt, weitere und zentralere Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen, die sich im Rahmen des anderen Bildes nicht lösen lassen. Wie bereits angekündigt, gilt dies tatsächlich für die in den letzten Kapiteln diskutierten Probleme: das Problem der kausalen Anhängsel und das Materialismus-Problem. Darüber hinaus aber ist die Frage der Beziehung zwischen Ereignissen und Ereignissätzen nicht abzulösen von der Frage nach der Beziehung zwischen Sätzen und der Welt überhaupt. Das nächste Kapitel beginnt mit einer Antwort auf diese allgemeine Frage, bevor dann die einzelnen für Ereignisse spezifischen Probleme wieder aufgenommen werden.

Kapitel 10 Die logische Form der Ereignissätze

Die Frage, worauf sich ein Satz oder ein Ausdruck innerhalb eines Satzes bezieht, ist eng mit der Frage verknüpft, was ein Satz oder Ausdruck bedeutet und unter welchen Bedingungen Sätze wahr sind. Die im ersten Teil dieses Kapitels vorgestellte sprachphilosophische Theorie gibt eine zusammenhängende Antwort auf diese Fragen, die sich in ihrer Konsequenz für die Ereignissätze genau mit den Überlegungen am Ende des vorigen Kapitels deckt. Die Theorie stammt von Davidson; sie ist die Basis seiner philosophischen Ansichten nicht nur in der Sprachphilosophie, sondern auch in der Handlungstheorie, Philosophie des Geistes und Metaphysik - nicht zuletzt der Metaphysik der Ereignisse.1 Ausgangspunkt der Sprachphilosophie Davidsons ist das Problem zu erklären, wie es möglich ist, daß es kompetente Sprecher natürlicher Sprachen wie Deutsch oder Englisch gibt. Eine Sprache umfaßt eine endlose Vielfalt von Sätzen, Menschen haben dagegen nur sehr begrenzte kognitive Kapazitäten - das läßt es ausgeschlossen erscheinen, daß Menschen eine Sprache erlernen können. Wenn sie es gleichwohl ständig tun, dann deshalb, weil sich die Sätze aus Worten zusammensetzen und ein Verständnis der Sätze auf dem Verständnis der Worte beruht. Ein zentrales Anliegen Davidsons ist es, zu erklären, was das heißt. Wenn man eine Sprache versteht, hat man Davidson zufolge ein bestimmtes Wissen: man weiß von jedem Satz dieser Sprache, was er bedeutet, also z.B. daß der englische Satz "Coal is black" bedeutet, daß Kohle schwarz ist.2 Dieses Wissen ist nicht ausschließlich kumulativ erworben - das wäre angesichts der endlosen Satzvielfalt unmöglich -, sondern basiert darauf, daß man ein 1 2

Ein Großteil der sprachphilosophisch wichtigen Aufsätze Davidsons findet sich in der Anthologie Inquiries into Truth and Interpretation, darunter auch der vielleicht wichtigste Truth and Meaning. Damit soll nicht ausgeschlossen sein, daß es Lücken im Wortschatz gibt. Die wenigsten Sprecher einer Sprache kennen die Bedeutungen wirklich alle Sätze dieser Sprache. Die Sprachkompetenz kann also mehr oder minder groß sein, aber sie setzt jedenfalls die Kenntnis endlos vieler Sätze voraus.

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Die logische Form der Ereignissätze

bestimmtes begrenztes Wissen hat, das einen in die Lage versetzt, auf die Bedeutungen all dieser Sätze zu schließen. Das sprachphilosophische Anliegen besteht nun darin anzugeben, worin dieses begrenzte Wissen besteht. Welches Wissen könnte jemanden in die Lage versetzen, die Bedeutungen aller Sätze einer Sprache zu erschließen? Diese Frage ist deshalb so schwierig zu beantworten, weil bedeutungszuschreibende Sätze wie: Der Satz "Coal is black" bedeutet, daß Kohle schwarz ist, semantisch undurchsichtig sind. Es ist nicht zu erkennen, welche Prämissen einen Schluß auf diesen Satz zuließen (abgesehen von uninteressanten aussagenlogischen Schlüssen). Akzeptiert man aber, daß es keine begrenzte Anzahl von Axiomen gibt, aus denen für jeden Satz einer Sprache ein solcher bedeutungszuschreibender Satz folgt, dann fragt es sich, worin dann das Wissen bestehen könnte, das ein Verständnis der Sprache ermöglicht. Davidsons Antwort beginnt mit der Feststellung, daß zumindest für einen wichtigen Kernbereich der Sprache, die assertorischen Sätze, gilt, daß die Satzbedeutungen notwendige und hinreichende Bedingungen dafür nennen, daß der betreffende Satz wahr ist. Da der Satz "Coal is black" bedeutet, daß Kohle schwarz ist, ist er genau dann wahr, wenn Kohle schwarz ist. Diesen Zusammenhang hat Alfred Tarski in seine berühmte Adäquatheitsbedingung ßr Wahrheitsdefinitionen gefaßt:3 Eine Definition des Prädikats "ist wahr" für eine bestimmte Sprache (die Objektsprache) ist nur dann unserem Vorverständnis von Wahrheit angemessen, wenn aus ihr für jeden objektsprachlichen Satz S ein Satz in der Sprache der Definition selbst (der Metasprache) folgt, der besagt, daß S genau dann wahr ist, wenn s - wobei "s" der Satz der Metasprache ist, der die Bedeutung von S angibt. Kurz: Es ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Wahrheitsverständnisses, daß die Bedeutung eines assertorischen Satzes eine notwendige und hinreichende Bedingung seiner Wahrheit angibt. Neben Quines Philosophie haben Tarskis Untersuchungen über die Wahrheit den größten Einfluß auf Davidsons Sprachphilosophie gehabt. Der Zusammenhang zwischen Bedeutungen und Wahrheitsbedingungen legt den Gedanken nahe, daß jemand, der die Wahrheitsbedingungen zumindest der assertorischen Sätze einer Sprache kennt, damit auch deren Bedeutungen kennt, daß also die Möglichkeit, die Wahrheitsbedingungen aller Sätze zu kennen, die Möglichkeit der Kenntnis der Satzbedeutungen erklärt. Dem steht jedoch zweierlei entgegen. Zum einen stellt sich erneut die Unendlichkeits-Frage: Wie kann jemand die Wahrheitsbedingungen aller endlos vielen Sätze kennen? Zum anderen sind zwar alle Satz-Bedeutungen notwendige und hinreichende Wahrheitsbedingungen, doch nicht alle notwendigen und hinreichenden Wahrheits3

Vgl. Tarskis Aufsätze Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen und Die semantiche Konzeption der Wahrheit.

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bedingungen sind Bedeutungen dieser Sätze. Der Satz "Coal is black" bedeutet daß Kohle schwarz ist, folglich ist er genau dann wahr, wenn Kohle schwarz ist; aber er ist auch genau dann wahr, wenn Schnee weiß ist, ohne daß "Coal is black" bedeutet, daß Schnee weiß ist. Nur bestimmte Wahrheitsbedingungen erlauben den Rückschluß auf die Satzbedeutungen; so lange man diese nicht von den anderen abgrenzen kann, vermittelt die Kenntnis der Wahrheitsbedingungen noch kein Wissen der Satzbedeutungen. Die Antwort auf beide Schwierigkeiten ist die gleiche: Nicht irgendwelche Wahrheitsbedingungen erlauben den Rückschluß auf die Satz-Bedeutungen, sondern nur diejenigen, die sich aus dem generellen Zusammenhang ergeben, der zwischen dem Aufbau der Sätze der betrachteten Sprache und Wahrheitsbedingungen dieser Sätze besteht. Jeder kompetente Sprecher einer Sprache verfügt über ein Basiswissen, eine Theorie, die es ihm erlaubt, aus dem Aufbau jedes Satzes auf seine Wahrheitsbedingungen zu schließen - das versetzt ihn in die Lage, die Wahrheitsbedingungen beliebig vieler Sätze zu kennen -, und die Wahrheitsbedingungen, die sich aus dieser Basis-Theorie herleiten lassen, sind eben diejenigen, die die Bedeutungen der Sätze nennen - daß "Coal is black" genau dann wahr ist, wenn Schnee weiß ist, wird sich aus ihr einfach nicht schließen lassen. Deshalb fordert Davidson, daß man die Frage, wie es möglich ist, eine Sprache wie Deutsch oder Englisch zu beherrschen, dadurch beantwortet, daß man eine Wahrheitstheorie für diese Sprache nennt, d.h. eine Anzahl von Prämissen über den Zusammenhang zwischen dem Aufbau und den Wahrheitsbedingungen der Sätze dieser Sprache, aus denen sich dann für alle Sätze dieser Sprache Wahrheitsbedingungen herleiten lassen, die wiederum Aufschluß über die Bedeutung dieser Sätze geben. Eine Wahrheitstheorie ist eine Wahrheitsdefinition in Tarskis Sinn. 4

Weil es mir letztlich nur darum geht, Davidsons Auffassung vom Verhältnis zwischen Ereignissen und Ereignissätzen zu untermauern, ist die Darstellung seiner sprachphilosophischen Grundlage nicht nur sehr knapp, sondern auch in einer wichtigen Hinsicht unvollständig, es fehlt die Einbindung der semantischen Überlegungen in die Theorie psychischer Zustände, insbesondere Davidsons Konzeption radikaler Interpretation, und insofern auch ein großes Stück Plausibilisierung der ganzen Vorgehensweise. Einen Überblick über Davidsons Gesamtprojekt geben Davidsons Toward a Unified Theory of Meaning and Action und Lorenz Lorenz-Meyer, The Architecture and Evidential Base of the Unified Theory. Zur generellen Frage, wie der Begriff der Wahrheitsbedingung mit den verwandten sprachphilosophischen Begriffen der Bedeutung und Tatsache zusammenhängt, vgl. die Ausführungen von Günther Patzig in Satz und Tatsache, vor allem den sehr anschaulichen Abschnitt 16.

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Davidson hat einen wichtigen Teil seiner sprachphilosophischen Untersuchungen dem Versuch gewidmet, eine Wahrheitstheorie auf weite Bereiche der englischen Sprache auszudehnen. Eine Wahrheitstheorie für Englisch zu erstellen, hat für jemanden, der Englisch spricht, den Vorteil, daß er unmittelbar überprüfen kann, ob sie korrekt ist; nur wenn tatsächlich jedem Satz seine Bedeutung als Wahrheitsbedingung zugeordnet wird, erklärt die Theorie die Fähigkeit, englisch zu sprechen. Daraus aber, daß sich die Gültigkeit der Theorie leicht überprüfen läßt, folgt nicht, daß es auch leicht ist, die Theorie zu erstellen. Um einige damit zusammenhängende Probleme und Davidsons Lösungsvorschläge wird es im nächsten Abschnitt gehen. Am Ende bleibt gleichwohl die Feststellung, daß Davidson noch weit von der Verwirklichung seines Ziels entfernt ist; es gibt immer noch große Teile der englischen Sprache, die sich hartnäckig der Inkorporation in eine Wahrheitstheorie widersetzen.

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Wie müßte Davidson zufolge eine Wahrheitstheorie aussehen, und wo liegen die Schwierigkeiten für eine solche Theorie? Bestände die englische Sprache nur aus einer begrenzten Anzahl elementarer Sätze und deren (endlos vielen) aussagenlogischen Komplexen, dann wäre es einfach, eine Wahrheitstheorie zu erstellen: Man würde in den Axiomen der Theorie die Wahrheitsbedingungen der elementaren Sätze aufführen und angeben, wie sich der Wahrheitswert komplexer Sätze aus dem seiner Teilsätze ergibt. (Zu den Axiomen zählte also, daß "Coal is black" genau dann wahr ist, wenn Kohle schwarz ist, und daß "Snow is white" genau dann wahr ist, wenn Schnee weiß ist, und es zählte dazu auch, daß ein Satz, der aus zwei Teil-Sätzen besteht, die mit einem "or" verknüpft sind, genau dann wahr ist, wenn der erste oder der zweite Satz wahr ist. Diese drei Prämissen würden z.B. den Schluß auf die Wahrheitsbedingung von "Snow is white or coal is black" erlauben.) Aber es gibt keine begrenzte Anzahl nicht aussagenlogisch komplexer englischer Sätze, deshalb wäre eine solche Wahrheitstheorie für die englische Sprache ungeeignet. Eine wichtige Gruppe nicht von ihr abgedeckter Sätze sind die quantifiüerten Sätze. Der Satz "All birds are red or green or if they are blue they live in Australia" ist zwar offenkundig komplex - niemand wird von einer Wahrheitstheorie erwarten, daß eines ihrer Axiome ihm unmittelbar Wahrheitsbedingungen zuschreibt -, aber aus der Sicht der Aussagenlogik ist er unstruk-

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turiert. Der entscheidende Unterschied zwischen aussagenlogisch komplexen Sätzen und komplexen quantifizierten Sätzen besteht darin, daß die strukturellen Elemente letzterer keine Sätze sind, sondern nur Satzteile, und Satzteile haben im Unterschied zu ganzen Sätzen keinen Wahrheitswert und also auch keine Wahrheitsbedingungen. Wenn sich die Wahrheitsbedingungen der komplexen quantifizierten Sätze gleichwohl aus ihrer Struktur herleiten lassen sollen, dann nicht als Funktion der Wahrheitsbedingungen der Strukturelemente. Daß sich gleichwohl eine Wahrheitstheorie für endlos viele quantifizierte Sätze erstellen läßt, hat Tarski gezeigt. In dem oben bereits erwähnten Aufsatz Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen definiert er "ist wahr" für einen bestimmten Teil der quantifizierten Sätze, die Sätze der Sprache des Klassenkalküls. Diese Definition läßt sich aber im Prinzip auf alle quantifizierten Sätze ausweiten. 5 Tarskis Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß sich die Wahrheitsbedingungen der quantifizierten Sätze zwar nicht auf die Wahrheitsbedingungen von Teilsätzen zurückführen lassen, wohl aber auf die Bedingungen, unter denen ihre Satzteile - die Prädikate, auf die sich die Quantoren beziehen - auf Entitäten zutreffen. So ist der Satz "All birds are red" genau dann wahr, wenn auf alle Entitäten, auf die das Prädikat "is a bird" zutrifft, auch "is red" zutrifft, der Satz "Some birds are red" genau dann, wenn es irgendeine Entität gibt, für die dies gilt. Zu den Axiomen einer Wahrheitstheorie für quantifizierte Sätze müssen also Aussagen gehören, die angeben, unter welchen Bedingungen ein Prädikat auf Entitäten zutrifft und wie sich dies auf die Wahrheit der beiden Typen quantifizierter Sätze, die All- und die Existenzsätze, auswirkt. In den folgenden Absätzen wird Tarskis Verfahren, eine Wahrheitsdefinition für quantifizierte Sätze zu geben, kurz skizziert. 6 Wichtig für das Verständnis der Wahrheitsdefinition Tarskis ist, daß sie zwar die Wahrheitsbedingungen der Sätze auf Axiome zurückführt, in denen Bedingungen dafür angegeben werden, wann ein Prädikat auf eine Entität zutrifft, daß aber kein Vorverständnis dieser Zutreffens-Relation vorausgesetzt wird. Deshalb wählt Tarski für die Wahrheitsdefinition anstatt möglicherweise schon vorbelasteter Termini wie "zutreffen" den Kunstausdruck "Erßllung". Alles, was es über die Erfüllungsbeziehung zu sagen gibt, findet sich in den Axiomen der Wahrheitsdefinition. Ein weiterer Kunstausdruck ist der des "offenen Satzes". Ein offener Satz ist ein Satz, in dem sich eine oder mehrere 'ungebundene' Variablen befinden, d.h. Variablen, über die in dem Satz nicht quantifiziert wird - z.B. "x ist ein Mensch" oder "x ist größer als y", aber auch "Alle χ sind rot, wenn y rot ist. " Der Begriff des offenen Satzes ersetzt Das gilt genau genommen nur für Sätze, die im Sinne der Prädikatenlogik wohlgeformt sind, d.h. keine Prädikats-Variablen enthalten.

erster Stufe

Vgl. dazu insbesondere Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen § 3. Leichter zugänglich und übersichtlicher sind die exemplarischen Wahrheitsdefinitionen

bei Susan Haack (Philosophy ofLogics, S. 104 ff.) und Künne (Wahrheit, S. 150 ff.).

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den an philosophischen Konnotationen reicheren des Prädikats als Gegenstand der Erfüllungsbeziehung. Erfüllung ist im Prinzip eine Beziehung zwischen offenen Sätzen und irgendwelchen Entitäten. Hat der offene Satz eine und nur eine ungebundene Variable, kann er von einer Entität erfüllt werden, hat er zwei ungebundene Variablen, von einem Paar, bei drei ungebundenen Variablen von einem Tripel usw. Da es allerdings keine Obergrenze für die Verwendung ungebundener Variablen in offenen Sätzen gibt und vor allem da Tarski davon ausgehen muß, daß offene Sätze mit einer unterschiedlichen Zahl ungebundener Variablen dieselben Erfüllungsrelata haben können, kann er die Erfiillungsbeziehung nicht für jede Anzahl ungebundener Variablen in den offenen Sätzen einzeln definieren. Er definiert Erfüllung deshalb als Beziehung zwischen einem offenen Satz und einer Folge, sozusagen einem unendlichen Tupel, von Gegenständen. Dabei bestimmt die Anzahl der Variablen im offenen Satz die Aiizahl der Gegenstände, die, von vorne gerechnet, für die Erfüllung des Satzes eine Rolle spielen. Der offene Satz "x ist größer als y" wird z.B. von allen Folgen erfüllt, deren erstes Folgenglied größer ist als das zweite - ganz unabhängig von den unendlich vielen anderen Folgengliedern. 7 Der theoretische Nutzen des Erfüllungsbegriffs liegt nun darin, daß sich die Erfüllungsbedingungen aussagenlogisch komplexer offener Sätze ganz parallel den Wahrheitsbedingungen aussagenlogisch komplexer geschlossener Sätze verhalten. Die Konjunktion zweier geschlossener Sätze ist genau dann wahr, wenn beide Teilsätze wahr sind - und die Konjunktion zweier offener Sätze wird von genau denjenigen Folgen erfüllt, die jeden der Teilsätze erfüllen. Analoges gilt für alle anderen aussagenlogischen Verknüpfungen offener Sätze. Aber nicht nur die Erfüllungsbedingungen aussagenlogisch zusammengesetzter offener Sätze lassen sich aus denen elementarer offener Sätze erschließen. Man kann auch etwas über die Erfüllungsbedingungen offener Sätze sagen, bei denen ein Teil der Variablen durch einen Quantor gebunden ist. Bindet ein Existenzquantor die soundsovielte Variable eines Satzes dann wird dieser Satz von jeder Folge erfüllt, die sich maximal an der ebensovielten Stelle von einer anderen Folge unterscheidet, die den offenen Satz erfüllt, der entsteht, wenn man den Existenzquantor wegläßt. (Da z.B. die Folge [Der Petersdom, die Münchner Frauenkirche, ...] den offenen Satz "x ist größer als y" erfüllt, erfüllt jede Folge, die sich von dieser maximal im ersten Folgeglied unterscheidet, den Satz "Es gibt etwas, das größer als y ist", unabhängig davon, ob deren erstes Folgeglied größer oder kleiner als das zweite, die Frauenkirche, ist.) Ein allquantifizierter Satz wird von all den Folgen erfüllt, die die Existenzquantifikation seiner Negation nicht erfüllen. Diese Ausdehnung des Erfüllungsbegriffs auf offene Sätze mit Quantoren hat weitreichende Konsequenzen. Während die aussagenlogische Verknüpfung offener Sätze stets wieder zu offenen Sätzen führt, kann das Binden einzelner Variablen durch Quantoren aus den offenen geschlossene Sätze machen (dann, wenn keine ungebundenen Variablen mehr übrig sind). Damit läßt sich der Erfüllungsbegriff auch auf geschlossene Sätze anwenden: Das Binden einer Variablen hat zur Folge, daß die nur an der Stelle der gebundenen Variablen unterscheidbaren Folgen den Satz entweder alle erfüllen oder alle nicht erfüllen - wenn eine Folge einen Satz erfüllt, eine andere nicht, kann dies nur daran liegen, daß sie sich an der Stelle einer ungebundenen Variablen unterscheiden; geschlossene Sätze aber haben keine ungebundenen Variablen, folglich kann es keine zwei Folgen geben, von denen die eine den geschlossenen Satz erfüllt, die andere nicht; ein geschlossener Satz wird entweder von allen oder von gar keinen Folgen erfüllt, und wie sich zeigen läßt, sind es gerade die wahren Sätze, die durch alle Folgen erfüllt werden, und àie, falschen, die keine Folge erfüllt. Es ist für das Verständnis des Folgenbegriffs wichtig, daß eine Entität nicht nur an einer Stelle der Folge zu stehen braucht - man darf sich eine Folge also nicht als Aneinanderreihung verschiedener Entitäten vorstellen. Genaueres zum Begriff der Folge findet sich bei Quine, Philosophy of Logic, S. 35 ff.

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Deshalb eignet sich der Erfüllungsbegriff so gut für eine Wahrheitsdefinition für quantifizierte Sätze: Es reicht, daß man in die Axiome Erfüllungsbedingungen für die elementaren offenen Sätze aufnimmt (z.B.: "x¡ ist rot" wird genau von den Folgen erfüllt, deren i-tes Folgeglied rot ist), dazu ein Axiom über die Auswirkungen auf die Erfüllungsbedingungen, wenn eine Variable durch einen Quantor gebunden wird, und schließlich das Axiom, daß geschlossene Sätze, die durch alle Folgen erfüllt werden, wahr, und solche, die durch keine Folge erfüllt werden, falsch sind. Nach diesem Muster, so Davidson im Anschluß an Tarski, muß eine Wahrheitstheorie aufgebaut sein, die nicht nur die aussagenlogisch komplexen, sondern auch die quantifizierten englischen Sätze zum Gegenstand hat.

Wenn man akzeptiert, daß eine Wahrheitstheorie für die quantifizierten Sätze einer Sprache dem Muster von Tarskis Wahrheitsdefinition für die Sprache des Klassenkalküls zu folgen hat, dann ergeben sich unmittelbar zwei neue Fragen: Erstens, ist eine solche Theorie für alle quantifizierten englischen Sätze überhaupt möglich, und zweitens, wie weit wäre dann das von Davidson vorgeschlagene Projekt gediehen, eine Wahrheitstheorie für die englische Sprache als ganze zu erstellen? Bereits Tarski hat bezweifelt, daß eine Wahrheitstheorie für eine natürliche Sprache möglich ist. Seine Zweifel hingen mit der Feststellung zusammen, daß jede Wahrheitsdefinition für natürliche Sprachen droht, in die sogenannten Lügnerparadoxien zu führen und deshalb widersprüchlich zu sein. Doch es läßt sich meines Erachtens zeigen, daß diese Paradoxien keine Gefahr für Davidsons Projekt darstellen. Die Paradoxien entstehen nur dann, wenn man eine bestimmte Prämisse Tarskis teilt, die Prämisse, daß natürliche Sprachen universelle Sprachen sind. Und Davidson muß diese Prämisse nicht teilen. 8 Aber auch unabhängig von dieser Schwierigkeit garantiert die Beschränkung auf quantifizierte Sätze noch nicht, daß sich das Problem der endlosen Satzvielfalt lösen läßt. Eine Wahrheitstheorie für alle quantifizierten Sätze einer Sprache ist nur dann möglich, wenn es in dieser Sprache keine unbegrenzte Anzahl aussagenlogisch unstrukturierter offener Sätze gibt. Nur dann lassen sich die Wahrheitsbedingungen aller quantifizierten Sätze aus den in den Axiomen einer solchen Theorie genannten Erfüllungsbedingungen herleiten.

Vgl. Tarski, Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen, § 1, und Die semantische Konzeption der Wahrheit §§ 7-8. Davidson geht auf die drohenden Paradoxien in Truth and Meaning, S. 28, und In Defence of Convention Τ, S. 72, ein. Für die Frage der Universalität natürlicher Sprachen vgl. vor allem sein A Nice Derangement of Epitaphs, insbesondere den letzten Absatz.

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Beschränkt man sich auf die gewöhnlichen Beispiele für quantifizierte Sätze wie "Some birds are red", dann scheint diese Endlichkeitsforderung unproblematisch zu sein. Nichts spricht dagegen, daß es nur eine begrenzte Anzahl einfacher offener Sätze wie "x is red" gibt. Zweifelhaft wird dies erst im Rahmen von Davidsons Antwort auf die zweite oben angesprochene Frage, die Frage, wie weit das Projekt einer Wahrheitstheorie der englischen Sprache gediehen ist, wenn man eine Wahrheitstheorie für alle quantifizierten Sätze hat. Davidsons Antwort ist radikal: Eine Wahrheitstheorie, die Wahrheitsbedingungen für alle quantifizierten englischen Sätze nennt, ist bereits eine Wahrheitstheorie des Englischen - alle englischen Sätze sind Quantifikationen offener Sätze. Diese Behauptung bedarf des Kommentars. Zweifellos sind die meisten englischen Sätze weder wohlgeformt im Sinne eines logischen Kalküls (etwa der Prädikatenlogik erster Stufe), noch haben sie die Standardform der umgangssprachlichen Pendants der Sätze eines Kalküls (wie der Satz "Some birds are red,r). Die These, gleichwohl seien alle englischen Sätze quantifiziert, muß deshalb einen Unterschied zwischen der Satzform an der Oberfläche und ihrer Tiefenstruktur machen. Diese Unterscheidung ist vertraut, wenn man z.B. den Satz "Birds are red" als Allsatz bezeichnet, weil er eigentlich besagt "All birds are red", oder "Birds and bees are red" als Konjunktion, weil er besagt "All Birds are red and all bees are red". Davidson zufolge stehen alle englischen Sätze in einer solchen Beziehung zu den quantifizierten Sätzen. Zu jedem englischen Satz gibt es einen Satz in der Standardform quantifizierter Sätze, der dieselbe Wahrheitsbedingung hat wie der Ausgangssatz; Davidson nennt ihn die "logische Form" des Ausgangssatzes.9 Genau genommen ist die Behauptung, jeder Satz habe die logische Form eines prädikatenlogisch wohlgeformten Satzes, schwächer als die, alle Sätze seien Quantifikationen offener Sätze. Prädikatenlogisch wohlgeformt sind auch Sätze mit singulären Termen (Kennzeichnungen, Eigennamen). Ich glaube, daß Davidson die stärkere These vertritt, weiter unten werde ich ausführlicher auf seine Behandlung singulärer Terme eingehen. Der Begriff der logischen Form verändert Davidsons Bild der Sprachkompetenz. Ein kompetenter Sprecher kennt nicht eine Wahrheitstheorie, aus der sich für alle Sätze der Sprache Wahrheitsbedingungen erschließen lassen (eine solche Theorie wäre bei der Inhomogenität des Aufbaus aller nur denkbarer Sätze schlecht vorstellbar); er kennt aber eine Wahrheitstheorie für alle logischen Zum Verständnis des Begriffs der logischen Form vgl. insbesondere Davidsons Belief and the Basis of Meaning, S. 150-51, Radical Interpretation, S. 135, und seine Reply to Cargile.

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Formen der Sätze dieser Sprache und weiß, welche logische Form diese Sätze jeweils haben. Diese Modifikation der genannten Lösung für das philosophische Problem der Möglichkeit des Sprachverständnisses wirft eine Reihe neuer Fragen auf, die den Übergang von beliebigen Sätzen zu ihrer logischen Form betreffen. Ein Teil dieser Fragen führen in Davidsons Theorie der Interpretation und seine Philosophie des Geistes, sie lassen sich hier nicht beantworten.10 Ein anderer Teil aber richtet sich auf konkrete Satz-Typen, und dieser Teil ist dafür verantwortlich, daß die Annahme, es gebe eine endliche Anzahl von aussagenlogisch unstrukturierten offenen Sätzen, so schwer aufrecht zu erhalten ist. Es zeigt sich nämlich, daß das eigentliche Problem bei der Zuweisung logischer Formen an eine ganze Reihe von Sätzen nicht darin besteht, daß man überhaupt nicht weiß, wie man sie als quantifizierte Sätze verstehen könnte, sondern daß die offenen Sätze, aus denen sich diese logischen Formen zusammensetzen, die Hoffnung auf eine begrenzte Zahl elementarer offener Sätze zunichte machen. Das gilt insbesondere auch für die Frage, welche logische Form Ereignissätze haben.

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Auf den ersten Blick scheinen die Ereignissätze Davidsons These, zu allen Sätzen gebe es in den Wahrheitsbedingungen mit ihnen übereinstimmende quantifizierte Sätze, eher zu bestätigen als in Frage zu stellen. Aber der Eindruck täuscht; wie die folgenden Überlegungen zeigen, ist die logische Form der Ereignissätze komplizierter als es den Anschein hat - und aufschlußreicher.11 "Doris singt" ist ein Ereignissatz.12 Wenn man überhaupt bereit ist, Davidson beizupflichten, daß alle Sätze die Form quantifizierter Sätze haben, dann liegt es nahe, diesem Satz die logische Form zuzuschreiben: "Es gibt jemanden, die Doris heißt und die singt". Man würde dann von einer Wahrheitstheorie für die deutsche Sprache erwarten, daß sie eine Erfüllungsbedingung Die wichtigsten Aufsätze Davidsons zu diesem Thema finden sich im dritten Teil seiner Inquiries into Truth and Interpretation. Einen zuverlässigen Überblick gibt Peter Lanz, Menschliches Handeln zwischen Kausalität und Rationalität, Kapitel 4. Davidson diskutiert die logische Form der Ereignissätze vor allem in The Logical Form of Action Sentences, daneben in einigen der in den Essays on Actions and Events abgedruckten Erwiderungen auf verschiedene Kritiker, in den Ereignisaufsätzen in diesem Band und in Adverbs of Actions. Der Einfachheit halber wechsele ich von englischen zu deutschen Beispielsätzen. Die Unterschiede zwischen den beiden Sprachen spielen für das Weitere keine Rolle, und Davidsons Sprachphilosophie beschränkt sich naturgemäß ohnehin nicht auf seine Muttersprache.

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für den offenen Satz "x singt" angibt und daß sich daraus die Wahrheitsbedingung für den quantifizierten Satz erschließen läßt. 13 Das alles scheint ganz analog dem oben genannten Beispiel des offenen Satzes "x ist rot" zu sein. Das Problem für dieses Verständnis des Doris-Satzes liegt in den Folgen, die es für zahlreiche ganz ähnliche Ereignissätze hat, beispielsweise für "Doris singt Que sera sera", "Doris singt neben dem Flügel" und "Neben dem Flügel singt Doris lauthals Que sera sera". Würde man diese Sätze einfach analog dem ursprünglichen Doris-Satz mit logischen Formen versehen, dann hätte der erste die Form "Es gibt jemanden, die Doris heißt und die Que sera sera singt", der zweite die Form "Es gibt jemanden, die Doris heißt und die neben dem Flügel singt", und der dritte "Es gibt jemanden, die Doris heißt und die neben dem Flügel lauthals Que sera sera singt". Eine Wahrheitsdefinition, aus der sich für diese quantifizierten Sätze Wahrheitsbedingungen herleiten ließen, müßte also in ihren Axiomen Erfüllungsbedingungen für die offenen Sätze "x singt Que sera sera", "χ singt neben dem Flügel" und "x singt neben dem Flügel lauthals Que sera sera" nennen. Es ist aber offenkundig, daß sich durch Erweiterung und Verschachtelung im Prinzip beliebig viele solcher offenen deutschen Sätze erzeugen lassen, daß es diese Zuweisung einer logischen Form also unmöglich macht, eine Wahrheitstheorie für die deutsche Sprache zu erstellen. Die nächstliegende Zuordnung einer logischen Form zu den Ereignissätzen scheitert, wie angekündigt, an der Endlichkeitsforderung für die Axiome der Wahrheitstheorie. Der einzige Ausweg besteht darin, die offenen Sätze zumindest in den drei letzten Beispielsätzen als mehrstellig anzusehen, d.h. als Ausdruck einer Beziehung zwischen Doris und etwas anderem. Die Frage ist nur, welches die Relata sind. Auch hier gibt es eine naheliegende Antwort, die sich letztlich als nicht empfehlenswert erweist. Man könnte annehmen, der Satz "Doris singt neben dem Flügel" beispielsweise habe die logische Form: "Es gibt jemanden, die Doris heißt, und es gibt etwas, das ein Flügel ist, und erstere singt neben letzterem. " Wechselt man aus Gründen der Übersichtlichkeit von der Standardform zum Formalismus, dann lautet dieser Vorschlag für die logische Form: (3 x,y)(x heißt Doris & y ist ein Flügel & χ singt neben y). Es ist offenkundig, daß dieser zweite Vorschlag die Zahl der für eine Wahrheitstheorie relevanten elementaren offenen Sätze gegenüber dem ersten drastisch reduziert. Anstatt Erfüllungsbedingungen für "x singt neben dem Flügel" und für "x singt neben dem Sofa" und für "x singt neben dem Kamin" Auf den anderen offenen Satz "x heißt Doris" komme ich unten zu sprechen.

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angeben zu müssen, reicht es für die Wahrheitstheorie aus, in einem Axiom anzugeben, unter welchen Bedingungen der offene Satz "x singt neben y" erfüllt wird. Gleichwohl greift auch der zweite Vorschlag zu kurz. Man kann ihn zwar noch auf den zweiten Beispielsatz übertragen, der Satz hätte dann (in formaler Schreibweise) die logische Form: "(Ξ x,y)(x heißt Doris & y ist Que sera sera & χ singt y)" Aber am letzten und längsten Beispielsatz zeigt sich, daß immer noch die Gefahr unendlich vieler offener Sätze droht. Der Satz müßte dem zweiten Vorschlag zufolge die logische Form haben: "(3 x,y,z)(x heißt Doris & y ist Que sera sera & ζ ist der Flügel & χ singt lauthals y neben z)". Interessant ist hier nur der letzte offene Satz, "x singt lauthals y neben z", die anderen kamen bereits in den anderen Beispielsätzen vor. Dieser letzte Satz wirft zwei Schwierigkeiten auf: Zum einen ist er dreistellig; das ist eine Warnung, daß sich möglicherweise beliebig vielsteilige (und das heißt: voneinander verschiedene) offene Sätze finden lassen, in denen ebenfalls davon die Rede ist, daß jemand etwas singt, nur daß es endlos viele Modifikations-Stellen gibt, wo, woneben, mit wem, was, wann, wodurch und wohin gesungen wird. Zum anderen zeigt der Zusatz "lauthals", daß es auch grenzenlos viele dreistellige offene Sätze geben könnte, in denen davon die Rede ist, daß jemand singt - allerdings auf zahllose verschiedene Weise singt. Beispiele wären: "x singt krächzend y neben z", "x singt krächzend, aber lauthals y neben z", "x singt krächzend, aber lauthals oder zumindest nicht leise y neben z". Diese beiden Schwierigkeiten für den zweiten Vorschlag hängen zusammen. Sie entstehen, weil dem Vorschlag zufolge der offene Satz "x singt lauthals y neben z" elementar ist. Und sie lassen sich beseitigen, wenn man statt dessen auch diesen Satz als Konjunktion auffaßt: eines Satzes, in dem etwas über das Wer gesagt wird (Doris), einem, in dem etwas über das Was gesagt wird (Singen), noch einem, in dem etwas über das Was gesagt wird (von Que sera sera), einem über das Wo (neben dem Flügel) und einem über das Wie (lauthals). Das aber bedeutet, daß es irgendetwas geben muß, auf das sich die "Wer?", "Was?", "Wo?" und "Wie?" beziehen - sie müssen einen Gegenstand haben. Und dieser Gegenstand ist Doris' Singen, d.h. das Ereignis, um das es in diesem Satz geht. Das ist der Grundgedanke Davidsons für seinen Vorschlag für die logische Form der Ereignissätze; die Adverbien und adverbialen Bestimmungen in den Ereignissätzen werden als Adjektive des Ereignisses aufgefaßt, von dem in dem

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Satz die Rede ist. 14 Der Satz "Neben dem Flügel singt Doris lauthals Que sera sera" hat dann die logische Form: Es gibt ein Ereignis, das ein Singen von jemandem ist, die Doris heißt, das lauthals ist, das ein Singen von Que sera sera ist und das neben dem Flügel stattfindet; in formaler Schreibweise: (5 x,y,z)(x heißt Doris & y ist ein Singen & χ ist in bezug auf y die Handelnde & y ist lauthals & y ist von Que sera sera & ζ ist ein Flügel & y ereignet sich neben z). Entsprechend hat der einfache Beispielsatz "Doris singt" die logische Form "Es gibt ein Ereignis, das ein Singen von jemandem ist, die Doris heißt" ("(3 x,y)(x heißt Doris & y ist ein Singen & χ ist in bezug auf y die Handelnde)"). Davidsons Vorschlag umgeht damit die Schwächen des zweiten und vor allem ersten Vorschlags, denn es droht keine Gefahr mehr, in die Axiome der Wahrheitstheorie Erfüllungsbedingungen für unendlich viele offene Sätze aufnehmen zu müssen. Das Hauptproblem, mit dem sich Davidsons Vorschlags für die logische Form der Ereignissätze konfrontiert sieht, besteht darin, daß er sich auf bestimmte offene Sätze nicht ohne weiteres übertragen läßt. Wenn der für sein geschicktes Handspiel berüchtigte argentinische Fußballstar Diego Maradona vermeintlich ein Tor geschossen hat, dann heißt das nicht, daß es ein Ereignis gibt, das erstens ein Maradona-Tor und zweitens vermeintlich ist; der Satz "y schießt vermeintlich ein Tor" hat nicht die logische Form: (3 x)(x ist ein Torschuß von y & χ ist vermeintlich). Es gibt somit Adverbien, die sogenannten synkategorematischen Adverbien, die sich nicht auf die von Davidson vorgeschlagene Weise als Adjektive von Ereignissen auffassen lassen. Dazu zählen neben "vermeintlich" und ähnlichen Adverbien, wie "selten", "beinahe", "angeblich", vor allem relationale Adverbien, z.B. "schnell", "außergewöhnlich", "meisterlich" etc. Davidson selbst hat in seinem ersten Aufsatz über die logische Form der Ereignissätze darauf hingewiesen, daß man sehr wohl extrem schnell den Ärmelkanal durchschwimmen kann, und ihn damit zugleich nur langsam überqueren.15 Wenn ein und dasselbe Ereignis aber sowohl extrem schnell als auch langsam sein soll, dann zeigt das, daß die Schnelligkeit bzw. Langsamkeit

15

Dieser Schritt ist für Deutsche vermutlich weniger spektakulär als für Engländer und Amerikaner, weil sich im Deutschen Adjektive und Adverbien nicht in ihrer grammatischen Form unterscheiden. Darauf hat mich im Gespräch David Rosenthal hingewiesen. The Logical Form of Action Sentences, S. 106-107. Davidson diskutiert die sich seinem Vorschlag sperrenden Adverbien außerdem in Adverbs of Actions, S. 240-41. Für die Kritiker Davidsons vgl. Bennett, Adverb-Dropping Inferences and the Lemmon Criterion und Events and Their Names, §§ 68-69; Chisholm, Adverbs and Subdeterminates; Eddie Zemach, Events. Vgl. auch Quines Diskussion synkategorematischer Ausdrücke in Word and Object, S. 103 und 132 ff.

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überhaupt keine Eigenschaften des Ereignisses sind, und damit, daß der Satz "x durchschwimmt extrem schnell den Ärmelkanal" nicht die logische Form hat: "(3 y,z)(y ist der Ärmelkanal & ζ ist ein Durchschwimmen des y durch χ & ζ ist extrem schnell)". Es fragt sich, welche logische Form er dann hat. Davidson bietet keine Lösung für dieses Problem an, er weist nur darauf hin, daß es kein Problem speziell der Ereignissätze ist. Attributive Bestimmungen materieller Gegenstände weisen dieselbe Besonderheit auf: So, wie ein vermeintlicher Torschuß kein Torschuß ist, der vermeintlich ist, so ist ein gefälschter Tausendmarkschein kein Tausendmarkschein, der gefälscht ist; und so, wie ein schnelles Durchschwimmen des Ärmelkanals eine langsame Überquerung des Kanals sein kann - also überhaupt kein Schwimmen ist, das schnell ist -, so kann ein guter Killer ein schlechter Mensch sein, ist also ebenfalls kein Killer, der gut ist. Das löst nicht das generelle Problem, Sätzen, in denen diese Ausdrücke vorkommen, eine logische Form zuzuordnen, aber es hebt das Problem von der Betrachtung der Ereignissätze ab und macht es vor allem unabhängig von Davidsons Behauptung, Ereignissätze seien verborgene Existenzquantifikationen über Ereignisse. Davidson hat, wie gesagt, keine Lösung für das Problem synkategorematischer Ausdrücke, es gibt aber einen in meinen Augen äußerst plausiblen und zudem sehr Davidson-nahen Lösungsvorschlag von Wolfgang Künne. Um ihn vorstellen zu können, bedarf es aber noch einiger inhaltlicher Vorarbeit, deshalb werde ich erst am Ende dieses Kapitels auf ihn zurückkommen. *

Die Diskussion des Emphaseproblems und des Problems der Cambridge events im letzten Kapitel kam zu dem Resultat, daß man gewöhnliche Ereignissätze als quantifiziert auffassen sollte. Davidsons Versuch, eine Wahrheitstheorie für die englische Sprache zu entwickeln, bestätigt nun diese Sicht der Ereignissätze: Ereignissätze haben die logische Form einer Existenzquantifikation über Ereignisse, und die in den Sätzen auftretenden Prädikate (resp. offenen Sätze) nennen Eigenschaften dieser Ereignisse bzw. Beziehungen zwischen den Ereignissen und anderen Entitäten (Personen, materiellen Gegenständen oder anderen Ereignissen).

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Damit wird dieses Bild des Verhältnisses zwischen Ereignissätzen und Ereignissen wie angekündigt in ein umfassendes Bild des Verhältnisses zwischen Sätzen und der Welt eingebunden. Bevor im folgenden Kapitel die Frage gestellt wird, welche Konsequenzen dieses Bild für die in der Diskussion des KimVorschlags aufgetretenen Probleme hat, soll noch etwas mehr darüber gesagt werden, worin das Verhältnis zwischen Ereignissen und Ereignissätzen besteht. Davidsons These, eine Sprache zu verstehen, heiße, eine Wahrheitstheorie für diese Sprache zu kennen, gibt nicht nur eine Erklärung, wie sich die Bedeutung von Sätzen auf die Bedeutung ihrer Bestandteile zurückführen läßt, sondern sagt auch etwas über die Beziehung zwischen Sätzen und Entitäten in der Welt. Wenn man es mit einer Sprache zu tun hat, zu der quantifizierte Sätze gehören, dann muß man die Wahrheitsbedingungen der Sätze auf die Erfüllungsbedingungen offener Sätze zurückführen, und diese setzen als Relata Folgen von Entitäten voraus. Die Erfüllungsbeziehung ist eine Beziehung zwischen Sätzen und Entitäten, und zwar die, so Davidson, sprachphilosophisch einzig interessante derartige Beziehung.16 Davidson weist allerdings auch darauf hin, mit welchen Einschränkungen der Verweis auf die Erfüllungsbeziehung die Frage beantwortet, worauf sich ein Satz bezieht, was für ein magerer Äe/ferenzbegriff der Erfüllungsbegriff also ist. Zum einen ist er, wie oben schon erwähnt, ein theoretischer Begriff, der für die Konstruktion der Wahrheitstheorie entwickelt wurde und sich auf diese theorieimmanente Rolle beschränkt. Das heißt, daß der Begriff der Erfüllung im Gegensatz zum Begriff der Wahrheit keinerlei Eigengewicht beim Erstellen der Wahrheitstheorie hat. Ob die Wahrheitstheorie richtig ist oder nicht, hängt ausschließlich davon ab, welche Wahrheitsbedingungen aus ihr folgen - welche Erfüllungsbedingungen die offenen Sätze durch die Theorie erhalten, ist kein Kriterium der Korrektheit einer Wahrheitstheorie. Zum anderen ist auch diese theorie-immanente Erfüllungsbeziehung nicht so direkt wie man dies von einer Referenzbeziehung - also der Beziehung zwischen dem Satz und dem, worauf er sich bezieht - erwarten würde. Denn gerade die hier interessanten Sätze, die geschlossenen Sätze, werden - je nach Wahrheitswert - von allen oder von überhaupt keinen Folgen erfüllt, insofern ist das Verhältnis zu den einzelnen Folgen oder deren Gliedern bestenfalls vermittelt. Die Mittler sind die offenen Sätze, aus denen sich die geschlossenen Sätze unter anderem zusammensetzen, doch auch deren Verhältnis zu Entitäten in der Welt Vgl. dazu Davidsons Reality without Reference.

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ist anders als es die Bezeichnung als Referenzbeziehung suggeriert: Es gibt in der Regel nicht nur eine Entität, die als Glied einer Folge dafür verantwortlich ist, daß die betreffende Folge den offenen Satz erfüllt, es gibt häufig mehrere solcher Entitäten. Und inwieweit man bereit ist, diese Verantwortung so zu beschreiben, daß sich die geschlossenen Sätze auf die betreffenden Entitäten (z.B. Ereignisse) beâehen, hängt neben der Anzahl dieser Entitäten stark von der Art des Quantors und der Struktur des Satzes ab. Am ehesten leuchtet diese Redeweise bei Existenzquantifikationen über offene Sätze ein, die nur von Folgen erfüllt werden, die an der für die Erfüllung interessanten Stelle übereinstimmen, d.h. Existenzsätzen, deren Existenzbehauptung auf genau eine Entität zutrifft. (Man wird nicht sagen, der Satz "Es gibt Primzahlen kleiner als 10000" beziehe sich auf alle Primzahlen zwischen 1 und 10000, und vermutlich sagt man auch nicht, der Satz "Es gibt Primzahlen kleiner als 4" beziehe sich auf die 2 und 3, aber vielleicht kann man sagen, der Satz "Es gibt Primzahlen zwischen 6 und 10" beziehe sich auf die 7.) Das gilt auch für die genannten Ereignissätze: Man kann behaupten, der Satz "Neben dem Flügel singt Doris lauthals Que sera sera" beziehe sich auf ein konkretes Ereignis (z.B. auf Doris Days Auftritt in Hitchcocks "Der Mann, der zuviel wußte"), wenn es genau ein Ereignis gegeben hat, das ein lautes Singen von Que sera sera neben dem Flügel war mit Doris als Sängerin. Aber die Berechtigung für diese Redeweise unterscheidet sich nicht von der im PrimzahlBeispiel.17

Interessant ist die Frage der Beziehung zwischen Ereignissen und Ereignissätzen allerdings nicht nur für Sätze wie "Neben dem Flügel singt Doris lauthals Que sera sera", sondern auch für Sätze, in denen sich Kennzeichnungen für Ereignisse finden, wie z.B. in dem Satz "Doris' Gesang ereignet sich neben dem Flügel." Auch solchen Ereignissätzen muß Davidson im Rahmen seiner generellen Behauptung, alle Sätze seien ihrer Form nach quantifiziert, quantifizierte Sätze als logische Form zuordnen, und die Art und Weise, wie er dies macht, stützt

Vgl. dazu Davidsons The Individuation of Events, S. 167 ff. Es gibt allerdings Existenzsatze, von denen man auch dann nicht sagen würde, sie bezögen sich auf ein Ereignis, wenn es genau ein Ereignis gibt, das im genannten Sinn für ihre Wahrheit verantwortlich

ist - z.B. den Satz: "Wenn sich Doris entweder auf dem Teppich befindet oder unmittelbar daneben, dann singt sie lauthals neben dem Flügel Que sera sera." Das ist ein Beispiel dafür, wie die logische Struktur eines Satzes die Akzeptanz dieser Redeweise beeinflussen kann, unabhängig von seiner Erfüllung.

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abermals ein Resultat der Überlegungen des neunten Kapitels. 18 "Doris' Gesang ereignet sich neben dem Flügel" hat Davidson zufolge die logische Form: "Es gibt etwas, das ein Singen von jemandem ist, die Doris heißt, und das neben dem Flügel stattfindet". Das aber ist zugleich die logische Form von "Doris singt neben dem Flügel". Der Unterschied zwischen diesem Satz und dem Satz "Doris' Gesang ereignet sich neben dem Flügel" betrifft also nicht die logische Form und damit weder die Wahrheitsbedingungen, noch die Bedeutungen der beiden Sätze. Diese Feststellung paßt ausgezeichnet zu der im letzten Kapitel, die Sätze "Die Membran vibriert unregelmäßig" und "Das Vibrieren der Membran ist unregelmäßig" redeten nicht von verschiedenen Ereignissen, sondern sagten dasselbe von demselben Ereignis. Ereignissätze mit einer Kennzeichnung wie "Doris' Gesang ereignet sich neben dem Flügel" können allerdings auch so gemeint sein, daß sie eine andere logische Form haben als die entsprechenden Ereignissätze ohne Kennzeichnung. Sie können zum einen implizieren, daß es genau ein Ereignis gibt, auf das ihre Existenzbehauptung zutrifft, und wären dann falsch, wenn es mehrere Ereignisse dieser Art (z.B. mehrere Gesänge von Doris neben dem Flügel) gegeben hat. (In der philosophischen Literatur wird manchmal sogar behauptet, Sätze mit einer Kennzeichnung enthielten stets eine solche Singularitätsbehauptung.) Zum anderen können sie ein hinweisendes Element enthalten. Dann gilt für sie dasselbe wie das, was im folgenden über Eigennamen gesagt wird.19 Daß der Satz "Doris' Gesang ereignet sich neben dem Flügel" (gewöhnlich) dieselbe logische Form hat wie "Doris singt neben dem Flügel", hat eine weitere wichtige Konsequenz, die zurück, ganz an den Anfang dieser Untersuchung verweist. Im ersten Kapitel habe ich (gegen Wittgensteinsche Skrupel) versucht die Behauptung zu verteidigen, daß es Ereignisse gibt bzw. daß Ereignisse existieren, obwohl man normalerweise nicht sagt, es gebe Ereignisse, sondern nur, sie fänden statt, passierten, ereigneten sich eben. Die Gleichsetzung von Ereignen und Existieren findet sich nun in den beiden Beispielsätzen bestätigt. Der Satz "Doris' Gesang ereignet sich neben dem Flügel" sagt dasselbe wie "Doris singt neben dem Flügel", und nicht nur dasselbe wie: "Doris singt neben dem Flügel, und dies ereignet sich". Sich zu ereignen ist, das zeigt die logische Form dieser Sätze, ebenso wie zu existieren keine zusätzliche Eigenschaft von Doris' Gesang; daß sich Doris' Gesang ereignet, wird nicht durch einen weiteren offenen Satz "x ereignet sich" ausgedrückt, sondern durch den Existenzquantor.

Vgl. hieizu Davidsons Adverbs of Action, S. 231. Das erklärt, weshalb Davidson in seiner Reply to Quine on Events behauptet, der Satz "Mozart starb 1791" habe andere Wahrheitsbedingungen als "Mozarts Tod geschah 1791" (S. 173).

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Es gibt also in Davidsons Sprachphilosophie keinen gravierenden Unterschied zwischen Ereignissätzen, in denen mit einer Kennzeichnung auf Ereignisse Bezug genommen wird, und solchen, für die dies nicht gilt. Generell haben Sätze beider Typen die logische Form einer Existenzquantifikation über Ereignisse und beziehen sich nur in dem sehr mageren Sinn der Erfüllungsrelation auf bestimmte Ereignisse. Es gibt aber eine besondere Sorte von Kennzeichnungen, die auf eine weitere Beziehung zwischen Ereignissen und Ereignissätzen hindeutet, Kennzeichnungen mit einem demonstrativen Element. Ein Tennisschiedsrichter, der einen Spieler belehrt: "Dieser Aufschlag war aus", äußert nicht die Trivialität, daß es irgendwann einmal einen Aufschlag gegeben hat, der aus war; er sagt von dem bestimmten Aufschlag, über den beide diskutieren, daß er aus war, und was er sagt, ist nur dann wahr, wenn dieser Aufschlag tatsächlich aus war. Der Satz kann also nicht die logische Form haben: (3 χ χ χ war ein Aufschlag & χ war aus). Man muß ein demonstratives Element in die logische Form aufnehmen: (3 x)(x war ein Aufschlag & χ war aus & dies ist x), und dazu muß man in die Axiome der Wahrheitstheorie Erfüllungsbedingungen für den offenen Satz "dies ist x" aufnehmen: Der Satz "dies ist x¡" wird genau von all den Folgen erfüllt, auf deren i-tes Folgenglied der Sprecher hinweist. Die Existenz demonstrativer (oder allgemein: indexikalischer) Elemente in einer Sprache spielt in Davidsons Philosophie eine bedeutende Rolle. Zum einen bieten die Sätze mit solchen Elementen einen wichtigen Anhaltspunkt für die (in dieser Kurzdarstellung ausgesparte) radikale Interpretation.20 Zum anderen zwingen sie Davidson letztlich dazu, Wahrheit nicht als Prädikat von Sätzen, sondern von Satzäußerungen zu betrachten.21 Würde man Sätze als Wahrheitswerträger ansehen, dann wäre der Satz "Dieser Aufschlag war aus" manchmal wahr und manchmal falsch. Anstatt dies zuzulassen, zieht es Davidson vor, die Satzäußerung als Träger eines (und nur eines) Wahrheitswerts anzusehen. Für das weitere wird diese Modifikation der Theorie Davidsons keine Rolle spielen, sie zeigt allerdings, an welcher ganz anderen Stelle Ereignisse für Davidson wichtig sind, nämlich als Träger zentraler semantischer Eigenschaften. Die Ausweitung der Wahrheitstheorie um ein Axiom, das Erfüllungsbedingungen für "dies ist x" angibt, bedarf zweier Kommentare. Zum einen ist die Erfüllungsbedingung nicht exakter oder informationsreicher als der sprachliche Ausdruck selbst, d.h. alle Vagheiten und Kontextabhängigkeiten des auf etwas Hinweisens bzw. sich in diesem Sinn auf etwas Beziehens bleiben in der Erfüllungsbedingung erhalten. Das ist kein Defizit, denn es ist nicht Aufgabe einer Wahrheitstheorie, die in den Sätzen verwendeten Begriffe zu erläutern oder gar zu präzisieren. Der offene Satz "x¡ ist matschig" wird nach einer korrekten Wahrheitstheorie des Deutschen von allen Folgen erfüllt, deren i-tes Folgenglied matschig ist, unabhängig davon, daß die Verwendung

Vgl. z.B. Radical Interpretation, S. 136. Vgl. z.B. Truth and Meaning, S. 34.

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von "matschig" sehr verschwommen ist - und ebensowenig trägt die Wahrheitstheorie zur Klärung von "dies ist x" bei. 22 Der zweite Kommentar betrifft das Verhältnis zwischen dem demonstrativen Satz und seiner logischen Form. Nicht immer findet sich in dem Satz ein Pendant zum demonstrativen Element der logischen Form. Wie es verborgene Quantifikationen gibt, gibt es auch verborgene demonstrative Elemente, und wie Davidson zufolge die meisten quantifizierten Sätze den Quantor nicht explizit machen, überwiegen auch bei den demonstrativen Sätzen diejenigen ohne expliziten demonstrativen Satzteil. Ein Tennisfan, der im Sommer 1990 verhindert war, das Herren-Endspiel in Wimbledon zu verfolgen, und ein paar Tage später einen Freund fragt: "Hat Boris das Endspiel gewonnen?", wird die Antwort: "Klar, schon 1986" bestenfalls als Scherz auffassen; implizit verwies seine Frage auf das Endspiel 1990. Wichtig ist die Existenz impliziter demonstrativer Elemente für ein angemessenes Verständnis der Eigennamen in Davidsons Theorie. 23 (Andere wichtige Klassen implizit demonstrativer Sätze werden im folgenden Abschnitt vorgestellt.) Wie schon in dem Beispielsatz oben vorgeführt, kann man Eigennamen als Prädikate auffassen - "x heißt Doris" unterscheidet sich prima facie nicht von "x ist rot". Allerdings scheinen Eigennamen eine viel engere Verbindung zwischen einem Satz und einer einzelnen Entität, zumeist einer Person herzustellen, als gewöhnliche Prädikate. Wenn eine Mutter ihren Sohn fragt, ob seine Schwester schläft, und er antwortet "Doris singt", dann sagt er damit nicht bloß, daß es eine Doris gibt, die singt, er sagt, daß diese Doris, von der er und seine Mutter sprachen, singt. Für den Wahrheitswert seiner Antwort spielt es keine Rolle, ob irgendwo anders eine Frau namens Doris existiert, die singt ebenso wenig, wie es die Wahrheit oder Falschheit der oben erwähnten Schiedsrichteraussage beeinflußt, daß es natürlich schon viele Aufschläge gegeben hat, die im Aus gelandet sind. Diese Parallele zwischen Eigennamen und demonstrativen Sätzen legt es nahe, auch die Sätze mit Eigennamen häufig als versteckt demonstrativ aufzufassen. Der Doris-Satz hat dem zufolge die logische Form: Es gibt ein Ereignis, das ein Singen von dieser da ist, die Doris heißt. ("(3 x,y)(dies ist χ & χ heißt Doris & y ist ein Singen & χ ist in bezug auf y die Handelnde)".) Der Hauptunterschied zwischen Eigennamen und (anderen) Prädikaten besteht dann darin, daß Eigennamen häufiger mit einem impliziten demonstrativen Element verbunden sind als jene. (Es gibt allerdings auch Verwendungen von Eigennamen, die kein solches Element einschließen, z.B. den Satz "In unserer Schulklasse gab es drei Marias, aber keine Doris. ")

Vgl. hierzu und generell zur Einbindung indexikalischer Elemente in eine Wahrheitstheorie Scott Weinstein, Truth and Demonstratives. Vgl. dazu die knappen Bemerkungen Davidsons in A Nice Derangement of Epitaphs, S. 440-41, und vor allem Tyler Burges Aufsatz Reference and Proper Names.

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Wenn die hier kurz skizzierte Behandlung der Demonstrativ^ sei es in Kennzeichnungen oder in Eigennamen, stimmt, dann liegt das Besondere an der Beziehung zwischen demonstrativen Sätzen und einzelnen Entitäten in der Erfüllungsbedingung für das demonstrative Element. Diese setzt bereits ein Hinweisen der Äußerung (oder des Äußernden) auf die Entitä{ voraus und damit eine Beziehung, die - anders als die Erfüllungsrelation selbst - unabhängig von der Wahrheitstheorie besteht. Aber die Existenz einer solchen Beziehung bleibt auf die demonstrativen Sätze beschränkt. Allgemein, so muß man zusammenfassend sagen, reduziert sich das Verhältnis zwischen Ereignissen und Ereignissätzen auf die nur sehr entfernte und vermittelte Erfüllungsbeziehung.

*

Im letzten Teil dieses Kapitels möchte ich auf eine weitere gravierende Schwierigkeit für Davidsons Projekt zu sprechen kommen, deren Lösimg sich als folgenreich für die nächsten beiden Kapitel erweisen wird. In diesem Zusammenhang kann ich auch das Versprechen einlösen, Künnes Vorschlag zur Inkorporation synkategorematischer Adverbien in eine Wahrheitstheorie vorzustellen. Die Schwierigkeit liegt in der Handhabung einer bestimmten Sorte semantisch undurchsichtiger Sätze, der "daß"-Sätze. Wenn man eine Wahrheitstheorie der deutschen Sprache entwickeln möchte, dann setzt dies selbstverständlich voraus, daß sich auch für die "daß"-Sätze eine logische Form finden läßt. "Daß"Sätze werden häufig für die indirekte Rede und die Zuschreibung von Meinungen, Wünschen, Intentionen etc. verwendet; sie bestehen in der Regel aus einem Vorderteil wie z.B. "Eva erzählt", und einem anschließenden Nebensatz, der mit "daß" beginnt, 24 wie "daß der Nachbar nett ist".25 Diese Zusammensetzung aus zwei Sätzen, einem Haupt- und Nebensatz, legt die Vermutung nahe, daß der Satz die logische Form eines logisch komplexen Satzes hat (so wie der Satz "Wenn der Nachbar nett ist, ist Eva glücklich"). Doch es gibt keinen aussagen- oder prädikatenlogischen Satz, der unter denselben Bedingungen wahr ist wie "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist. "

Häufig wird nur dieser Nebensatz als "'daß'-Satz" bezeichnet, ich verwende den Ausdruck für den ganzen Satz. Es gibt andere Typen von "daß"-Sätzen, auf die sich die folgenden Überlegungen nicht unmittelbar übertragen lassen, z.B.: "Es ist möglich, daß der Nachbar nett ist", oder: "Es ist wahr, daß er nett ist "

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Aussagenlogisch komplex kann der Satz nicht sein, sonst müßte es ausgeschlossen sein, daß sich der Wahrheitswert des Satzes verändert, wenn man den Teilsatz "daß der Nachbar nett ist" durch einen Satz mit demselben Wahrheitswert ersetzt. Wenn es stimmt, daß der Nachbar nett ist, und wenn "Der Nachbar ist nett" ein aussagenlogischer Teilsatz der logischen Form von "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist" ist, dann folgt z.B. aus der Wahrheit von "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist", daß auch der Satz "Eva erzählt, daß Immanuel Kant am 22. April 1724 geboren wurde" wahr ist und dieser Schluß ist sicher ungültig. Weil nicht jeder, der überhaupt etwas Wahres erzählt, alle Wahrheiten der Welt erzählt, (und erst recht nicht jeder, der etwas Falsches erzählt, alle Falschheiten der Welt), kann "Der Nachbar ist nett" kein aussagenlogischer Teilsatz der logischen Form von Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist" sein. Aber es gibt auch keinen prädikatenlogisch komplexen Satz mit denselben Wahrheitsbedingungen wie "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist". Das liegt an der generellen Labilität seines Wahrheitswertes gegenüber jeder Veränderung im Nebensatz. Wenn in einem prädikatenlogischen Satz der offene Satz "x ist nett" auftritt, dann darf man diesen offenen Satz durch den offenen Satz "x ist nett, und Rom ist heiß, oder es stimmt nicht, daß Rom heiß ist" ersetzen, unbeschadet des Wahrheitswertes des ganzen Satzes. Aber aus "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist" folgt natürlich nicht: "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist und daß Rom heiß ist oder daß es nicht stimmt, daß Rom heiß ist". Es gibt keinen Weg, den Beispielsatz als prädikatenlogisch komplex aufzufassen und zugleich diesen Schluß zu vermeiden. Eine Alternative bestände darin, der Versuchung zu widerstehen, den Nebensatz als strukturiert aufzufassen, und ihn statt dessen als Teil eines großen offenen Satzes anzusehen. Dann hätte der Satz die logische Form: Es gibt jemanden, die Eva heißt, und ein Ereignis, das eine Erzählung von ihr ist, daß der Nachbar nett sei; formal: (Ξ x,y)(x heißt Eva & y ist eine Erzählung von x, daß der Nachbar nett sei). Das Problem dieses Vorschlags liegt darin, daß die benötigten offenen Sätze die Endlichkeitsforderung an die Wahrheitstheorie unerfüllbar machen. Bei den Ereignissätzen zeigten die Probleme, die Endlichkeitsforderung zu erfüllen, daß vermeintlich einstellige offene Sätze in Wirklichkeit zweistellig, vermeintlich zweistellige dreistellig etc. sind. Auch den Eva-Satz kann man versuchen, so zu verstehen. In ihm wird dann nicht nur über eine Person und ihre Erzählung quantifiziert, sondern auch noch über eine weitere Entität - nämlich das, was erzählt wird -, und diese Entität wird in eine Beziehung zum Erzählen gesetzt. Dabei ergibt sich unmittelbar die Frage, um welche Beziehung zu welchem Typ von Entität es sich dabei handeln könnte, aber man kann dieses Problem ausklammern und neutral sagen, daß es sich um eine noch zu klärende Beziehung F zu einer Proposition handelt (was immer unter einer "Proposition" zu verstehen sei). Das entscheidende Problem liegt darin, daß auch mit diesen Zugeständnissen noch nicht klar ist, welche logische Form der Beispielsatz hat. Man darf auf jeden Fall nicht sagen, er habe die Form: Es gibt jemanden, die Eva heißt, und ein Ereignis, das ein Erzählen von ihr ist, und es gibt eine Proposition, die zu dem Erzählen in der Beziehung F steht; formal: (3 x,y,z)(x heißt Eva & y ist eine Erzählung durch χ & y steht zu ζ in der Beziehung F). Dieser Satz wäre auch wahr, wenn Eva erzählte, sie hätte sich gerade ein Auto gekauft - d.h. wahr, unabhängig davon, was Eva erzählt, solange sie nur überhaupt etwas erzählt. Es fehlt eine nähere Spezifikation der Proposition, deren Existenz der Satz behauptet. Und der einzige Kandidat zur Spezifikation der Proposition ist der Nebensatz - doch wenn man diesen zur näheren Charakterisierung der Proposition heranzieht, scheint man unweigerlich in Konflikt mit der Endlichkeitsforderung zu geraten. Die Spannung zwischen dem offenkundigen Auftreten des Teilsatzes in den "daß"Sätzen und der Unmöglichkeit, diesem Auftreten in der logischen Form gerecht zu werden, macht die "daß"-Sätze zu den Paradigmata semantischer Undurchsichtigkeit, d.h. Undurchsichtigkeit in bezug auf die logische Rolle von Satzteilen. Zugleich illustriert dies aber auch meine Bemerkung im Rahmen von Achinsteins Lösungsvorschlag für das Emphaseproblem, daß die semantische Undurchsichtigkeit ein epistemisches

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Defizit sei. Ein Satz ist so lange semantisch undurchsichtig, wie man nicht weiß, welche logische Form er hat. Und der folgende Vorschlag Davidsons beseitigt meines Erachtens dieses Defizit für die "daß"-Sätze. Davidson löst das Problem, daß die Nebensätze für den Wahrheitswert von "daß"-Sätzen eine wichtige Rolle spielen, obwohl sie keine logischen Bestandteile dieser Sätze sind, radikal: 26 Die grammatischen Nebensätze sind aus Sicht der Wahrheitstheorie eigenständige Sätze, die einfach im Anschluß an den Vordersatz geäußert werden. In diesem Vordersatz wird auf sie hingewiesen als Muster dafür, was jemand gesagt, gedacht, gewünscht hat etc. Die Äußerung des Nachsatzes ist das Vorzeigen des Musters. Im Grunde genommen sollte man den "daß"-Satz als eine stilistische Variante ansehen für: "Das folgende erzählt Eva. Der Nachbar ist nett. " Aus der Umformulierung wird besonders deutlich, was der Beispielsatz Davidson zufolge eigentlich ist: kein Satz, sondern ein Text, d.h. eine Anzahl von Sätzen, die aufeinander folgen, ohne Teilsätze eines übergeordneten ganzen Satzes zu sein. Davidson nennt seinen Vorschlag deshalb "parataktische Analyse" (paratactic analysis) der "daß"-Sätze. Wenn es sich aber bei dem Beispiel um einen Text und nicht um einen Satz handelt, hat es auch keine logische Form. Und damit läßt sich die Ausgangsfrage nach der logischen Form der "daß"-Sätze streng genommen nicht beantworten. Was sich beantworten läßt, ist die Frage nach den logischen Formen der Teilsätze - die aber sind unproblematisch. Im Beispiel hat der erste Satz die logische Form: "Es gibt jemanden, die Eva heißt, und es gibt ein Ereignis, das ein Erzählen von ihr ist und zwar des folgenden"; und der zweite Teilsatz hat die Form: "Es gibt jemanden, der der Nachbar ist und nett ist. " Formal sehen die logischen Formen so aus: "(3 x,y,z)(x heißt Eva & y ist eine Erzählung durch χ von ζ & das folgende ist z)", und die zweite: "(3 x)(x ist der Nachbar & χ ist nett)". Der einzig interessante Teil dieser logischen Formen ist das demonstrative Element im ersten Satz, das auf den zweiten Satz zeigt (genauer gesagt: auf die Äußerung des zweiten Satzes). Wie aber oben erläutert, bereitet die Aufnahme demonstrativer oder indexikalischer offener Sätze in die Wahrheitstheorie keine Schwierigkeiten. Ich glaube deshalb, daß nach Davidsons parataktischer Analyse die "daß"-Sätze nicht länger semantisch undurchsichtig sind.

Vgl. vor allem seinen Aufsatz On Saying That.

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Es ist ganz aufschlußreich, die parataktische Analyse mit dem letzten der oben genannten alternativen Lösungsvorschläge zu vergleichen, dem zufolge in "daß"-Sätzen eine Beziehung zwischen einer Person und einer Proposition behauptet wird. Auch in der parataktischen Analyse wird der "daß"-Satz als relational aufgefaßt, d.h. die Erzählung Evas in Beziehung zu etwas (der Proposition) gesetzt. Die Proposition erweist sich aber als Entität eines vertrauten Typs, nämlich als Äußerung eines Satzes, und das heißt als ein Ereignis. Und die Charakterisierung der gemeinten Proposition, die in Konflikt mit der Endlichkeitsforderung zu geraten drohte, geschieht, ohne dieser zu widersprechen, über den demonstrativen Verweis auf eine andere Textstelle (den nachfolgenden Satz). Auch wenn meines Erachtens im Rahmen von Davidsons Projekt einer Wahrheitstheorie kein Weg an der parataktischen Analyse der "daß"-Sätze vorbeiführt, hat diese einige befremdliche Konsequenzen. Das liegt daran, daß "daß"-Sätze aus Sicht der Wahrheitstheorie keine Sätze sind, sondern Texte. Das heißt z.B., daß man aus "daß"-Sätzen und auf "daß"-Sätze nicht logisch schließen darf. Ein Satzkonglomerat ist weder eine geeignete Prämisse, noch eine geeignete Konklusion. Aus "Eva ist blond und erzählt, daß der Nachbar nett ist" folgt weder: "Eva ist blond", noch: "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist". Die zweite, eng damit zusammenhängende Eigentümlichkeit der parataktischen Analyse ist, daß ihr zufolge "daß"-Sätze keinen Wahrheitswert haben. Jeder der Teilsätze hat einen Wahrheitswert, aber weil die Sätze nicht logisch verknüpft, sondern parataktisch nachgeordnet sind, hat der Gesamt-Satz (oder besser: Gesamt-Text) keinen Wahrheitswert. Auch wenn Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist, der Text "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist" ist weder wahr noch falsch. Diese Feststellung führt zurück zur Ereignisdiskussion und der logischen Form von Goldmans Beispielsätzen; zuvor sei aber noch etwas zur Plausibilisierung der beiden, auf den ersten Blick haarsträubenden Konsequenzen der parataktischen Analyse gesagt. Daß Texte im Unterschied zu einzelnen Sätzen weder wahr noch falsch sein können, hindert einen gewöhnlich nicht daran, sie auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen. Der kurze Text "Hans spielt Flöte. Otto trommelt lieber" kann zwar nicht wahr sein, aber er kann richtig oder unrichtig sein. In diesem Sinn ist auch der Satz "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist" richtig oder unrichtig. Und die Alltagssprache mißachtet in beiden Fällen diesen Unterschied; man kann ebenso sagen, das kurze Textstück über Hans und Otto sei wahr, wie man sagt, "daß"Sätze seien wahr. Einen Unterschied gibt es allerdings zwischen den meisten "daß"-Sätzen und "Hans spielt Flöte. Otto trommelt lieber". Die Richtigkeit dieses Textstücks hängt von der Wahrheit der beiden Sätze ab, aus denen es sich zusammensetzt, die Richtigkeit der "daß"-Sätze dagegen ist häufig unabhängig von der Wahrheit zumindest des zweiten Satzes. Ob der Nachbar nett ist oder

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nicht, hat keinen Einfluß auf die Richtigkeit von "Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist. " Ahnliches gilt für die meisten "daß"-Sätze, Ausnahmen sind vor allem Wissenszuschreibungen und, wie noch zu erläutern sein wird, Erklärungen. Aber auch diese Feststellung spricht nicht gegen die parataktische Analyse. Viele vertraute Texte umfassen Sätze, deren Wahrheitswert keinen unmittelbaren Einfluß auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Textes haben. Ein besonders prominentes Beispiel sind Beweise; die Richtigkeit eines Beweises (seine Schlüssigkeit) ist unabhängig von der Wahrheit seiner Prämissen. Und man kann im Rahmen von Davidsons Theorie noch einen Schritt weiter gehen, und feststellen, daß es sogar einzelne Sätze gibt, die offenkundig nicht wahr sind, ohne daß sich daraus auf ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit schließen ließe, und andere Sätze, die ebenso offenkundig wahr sind, daraus aber ebenfalls weder auf ihre Richtigkeit noch Unrichtigkeit schließen lassen. Ersteres gilt, laut Davidson, für die allermeisten metaphorischen Sätze, letzteres für viele Gleichnisse.27 Wenn man behauptet: "Stalin ist ein Fuchs gewesen", dann behauptet man einen falschen Satz, denn Stalin war ein Mensch, kein Fuchs, sagt man dagegen: "Stalin glich Zeit seines Lebens einem neugeborenen Lamm", äußert man einen wahren Satz, denn alles gleicht allem. Dessen ungeachtet ist ersteres vermutlich richtig, letzteres nicht richtig. Die Erwähnung von Metaphern und Gleichnissen erlaubt es, den Unterschied zwischen Richtigkeit und Wahrheit bzw. zwischen Unrichtigkeit und Falschheit auf einen anderen Unterschied zurückzuführen. Wahr sind Sätze, richtig ist das, was mit der Äußerung der Sätze behauptet wird. Wer sagt, daß Stalin ein Fuchs gewesen sei, behauptet nicht, daß Stalin ein hundeartiges Raubtier der Gattung Vulpes gewesen sei; deshalb kann er recht haben, daß Stalin ein Fuchs gewesen ist, obwohl der geäußerte Satz falsch ist. Ebenso kann jemand, der einen Beweis führt, aus falschen Prämissen über falsche Theoreme zu einer falschen Konklusion gelangen und gleichwohl recht haben, denn was er behauptet ist nicht, daß die Prämissen, Theoreme oder die Konklusion wahr sind. Und ebenso kann jemand recht haben, der sagt "Eva erzählt das folgende. Der Nachbar ist nett", auch wenn der Nachbar nicht nett ist. Der Unterschied zwischen der Wahrheit eines Satzes und der Richtigkeit dessen, was mit ihm behauptet wird, ist eine Konsequenz einer zentralen These der Sprachphilosophie Davidsons, der Autonomie der Bedeutung (autonomy of

Vgl. seinen Aufsatz What Metaphors Mean, vor allem S. 257.

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meaning).^ Was ein Satz bedeutet, d.h. seine Wahrheitsbedingung im Rahmen einer Wahrheitstheorie für die Sprache, zu der er gehört, hängt von der Sprachgemeinschaft ab; was jemand mit diesem Satz macht, ist dagegen seinen Absichten und seiner Kreativität überlassen. Da es häufig zu seinen Absichten zählt, verstanden zu werden, wird er dabei auf die Bedeutung seiner Worte Rücksicht nehmen; er wird z.B. einen Satz in der Regel nur dann metaphorisch verwenden, wenn er davon ausgehen kann, daß die Adressaten ihm nicht zutrauen, daß er ihn wörtlich behauptet, und er wird ihn nur dann als Muster äußern (anstatt ihn zu behaupten), wenn er in einem unmittelbar anschließenden oder vorangehenden Satz auf ihn als Muster hinweist. Die Autonomie der Bedeutung macht es unmöglich, generell etwas dazu zu sagen, wie die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Texten mit der Wahrheit odeT Falschheit der in ihnen verwendeten Sätze zusammenhängt. Aber bei Standardverwendungen von Sätzen wie z.B. der Verwendung als Prämisse in einem Beweis oder der Verwendung als Muster in einem "daß"-Satz kann man etwas über den Normalfall sagen. Das habe ich oben bereits getan, als ich darauf hingewiesen habe, daß eine Wissenszuschreibung voraussetzt, daß der MusterSatz wahr ist. Vor allem aber gilt für sämtliche "daß"-Sätze: Sie sind im Normalfall genau dann richtig, wenn der demonstrative Satz wahr ist. (Daß Eva erzählt, daß der Nachbar nett ist, ist nur dann richtig, wenn wahr ist, daß Eva das im nächsten Satz folgende erzählt. Der Nachbar ist nett.) Diese Feststellung erklärt, weshalb es so nahe liegt, aus "daß"-Sätzen und auf "daß"-Sätze Schlüsse zu ziehen, die man genaugenommen bestenfalls aus dem bzw. auf den demonstrativen Satz ziehen darf.

Die parataktische Analyse wird im nächsten Kapitel noch eine wichtige Rolle spielen. Hier möchte ich abschließend erläutern, inwiefern sie zum Verständnis der logischen Rolle synkategorematischer Ausdrücke dienen kann. Das Problem der synkategorematischen Ausdrücke besteht darin, daß sie sich nicht auf dieselbe Weise wie gewöhnliche Adjektive oder Adverbien in der logischen Form der Sätze widerspiegeln, in denen sie vorkommen.

Am deutlichsten beschreibt Davidson die Rolle der Autonomie der Bedeutung in dem allerdings schwer erhältlichen Aufsatz Expressing Evaluations. Vgl. zu diesem Thema außerdem seine Autsätze Moods and Performances, Communication and Convention und den bereits erwähnten What Metaphors Mean.

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"Joe ist ein minderjähriger Killer" hat die logische Form: (3 x)(x ist Joe & χ ist ein Killer & χ ist minderjährig). Aber "Joe ist ein guter Killer" hat nicht die Form: (3 x)(x ist Joe & χ ist ein Killer & χ ist gut), und "Joe ist ein schlechter Mensch" hat nicht die Form: (3 x)(x ist Joe & χ ist ein Mensch & χ ist schlecht) - sonst ständen diese beiden Behauptungen in einem logischen Widerspruch, und das tun sie offenkundig nicht. "Mary fährt im Mai Fahrrad" hat die Form: (3 x)(x ist Mary & χ ist ein Fahrradfahren & χ geschieht im Mai). Doch "Mary fährt schnell Fahrrad" hat nicht die Form: (3 x)(x ist Mary & χ ist ein Fahrradfahren & χ geschieht schnell), ebensowenig wie "Mary reist langsam" die Form hat: (3 x)(x ist Mary & χ ist ein Reisen & χ geschieht langsam). Denn auch eine schnelle Radfahrerin reist langsam, diese beiden Sätze widersprechen sich also nicht. Welche logischen Formen haben die Sätze, in denen Ausdrücke wie "gut" und "schnell" vorkommen? Man könnte an dieser Stelle abermals versucht sein (wie z.B. oben bei der Betrachtung der "daß"-Sätze), die problematischen Prädikate als logisch unstrukturiert anzusehen. Doch auch bei den synkategorematischen Ausdrücken ließe die Endlichkeitsforderung an die Axiome der Wahrheitstheorie diese Lösung nicht zu. Die Axiome einer Wahrheitstheorie der deutschen Sprache werden keine Erfüllungsbedingungen für die offenen Sätze "x ist ein guter Killer" oder "x ist ein schnelles Fahrradfahren" nennen können, sonst müßten sie auch Erfüllungsbedingungen für "x ist ein guter Nudelauflauf' und "x ist eine schnelle Entscheidung" und endlos viele weitere offene Sätze angeben, in denen die Ausdrücke "gut" bzw. "schnell" vorkommen. Kurz, es ist offensichtlich, daß eine Wahrheitstheorie diese offenen Sätze als komplex anzusehen hat, die Frage ist nur, wie dies möglich ist. Zumindest für relationale synkategorematische Ausdrücke wie "gut" und "schnell" findet sich eine in meinen Augen einleuchtende und vollständig Davidson-konforme Antwort bei Künne 29 : Das Eigentümliche an solchen Ausdrücken wie "gut" und "schnell" ist, daß sie hinsichts-relarìv sind. Ein guter Killer zu sein heißt, in Hinsicht auf das Killersein gut zu sein; ein schnelles Radfahren ist in Hinsicht darauf, daß es ein Radfahren ist, schnell. Eine Wahrheitstheorie muß dieser Hinsichts-Relativität gerecht werden, so Künne, um das Problem synkategorematischer Ausdrücke zu lösen. Und die Umformulierung des Radfahr-Satzes offenbart auch schon den Grundgedanken von Künnes Lösung. Wie im Fall der "daß"-Sätze verbirgt sich hinter den synkategorematischen Ausdrücken ein demonstratives Element: Ein Ereignis ist ein Radfahren, und es ist in Hinsicht darauf schnell. Der wesentliche Unterschied zu den "daß"Sätzen liegt nur darin, daß nicht auf einen nachfolgenden weiteren Satz gezeigt wird, sondern auf einen Bestandteil des Satzes selbst - in dem Beispiel auf das

Reflections on Davidson's Philosophy of Language, Abschnitt III.6.

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Prädikat "ist ein Radfahren" (oder oben: "fährt Rad"). Künne spricht deshalb von "intra-sentential ostension ". Damit gelangt man zu den folgenden logischen Formen für die betrachteten Beispielsätze: "Joe ist ein guter Killer" hat die Form: (3 x)(x ist Joe & χ ist ein Killer & in dieser Hinsicht ist χ gut); und "Mary fährt schnell Fahrrad" hat die Form: (3 x)(x ist Mary & χ ist ein Fahrradfahren & in dieser Hinsicht geschieht χ schnell). Die Wahrheitstheorie muß also in ihren Axiomen Erfüllungsbedingungen für den offenen Satz "in dieser Hinsicht ist χ gut" und "in dieser Hinsicht geschieht χ schnell" angeben, der Unterschied zwischen "x ist ein guter Killer" und "x ist ein guter Nudelauflauf' bzw. "x ist ein schnelles Radfahren" und "x ist eine schnelle Entscheidung" ergibt sich dann aus den unterschiedlichen demonstrativen Bezugnahmen. Die Endlichkeitsforderung an die Wahrheitstheorie ist nicht gefährdet. Ich halte, wie gesagt, Künnes Lösungs-Vorschlag für geeignet, um Davidsons semantisches Programm auch auf Sätze mit Ausdrücken wie "schnell" und "gut" auszudehnen. Doch es bleibt die Schwierigkeit, daß sich nicht alle synkategorematischen Ausdrücke mit den Methoden Künnes in die Wahrheitstheorie integrieren lassen (was Künne auch nicht beansprucht). Die weiter oben genannten Beispielsätze "Der Tausendmarkschein ist gefälscht" und "Maradona schießt vermeintlich ein Tor" können nicht die durch den Künne-Vorschlag nahegelegte Form haben: (3 x)(x ist ein Tausendmarkschein & in dieser Hinsicht ist χ gefälscht) bzw. (3 x)(x ist ein Torschuß von Maradona & in dieser Hinsicht ist χ vermeintlich). Denn ein gefälschter Tausendmarkschein ist gar kein Tausendmarkschein, was immer man sonst noch über ihn sagen könnte, ein vermeinliches Tor ist kein Tor. Auch nach Künnes Vorschlag zur Behandlung hinsichts-relativer Ausdrücke gibt es also eine Gruppe synkategorematischer Ausdrücke, deren Inkorporation in eine Wahrheitstheorie Schwierigkeiten bereitet. Der Satz "Maradona schießt vermeintlich ein Tor" ist vermutlich weniger problematisch. Er ließe sich möglicherweise narataktisch verstehen: "Das folgende gilt vermeintlich. Maradona schießt ein Tor. ' ,3 " Für das Problem des gefälschten Tausendmarkscheins sehe ich hingegen keine Lösungsstrategie. Man könnte sich nicht einmal auf den Standpunkt stellen, der Satz "Der Tausendmarkschein ist gefälscht" sei zwar richtig, aber nicht wahr, weil ein falscher Geldschein so wenig ein Geldschein sei wie Stalin ein Fuchs. Denn das würde es unmöglich machen, dem offenen Satz "x ist gefälscht" in der Wahrheitstheorie Erfüllungsbedingungen zuzuweisen.

Darauf hat mich im Gespräch Künne aufmerksam gemacht.

Die logische Form der Ereignissätze *

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Das Ziel dieses Kapitels war es, die im letzten Kapitel angestellten Überlegungen zum Verhältnis zwischen Ereignissen und Ereignissätzen in den Rahmen einer allgemeinen sprachphilosophischen Theorie zu stellen und dadurch zu bestätigen und zu vertiefen. Die in Umrissen vorgestellte Theorie Davidsons erfüllt diese Erwartungen. Thema des nächsten Kapitels wird die Frage sein, inwiefern die Voraussetzung, daß dieses Verständnis der Ereignissätze korrekt ist, bei den Problemen weiterhilft, die im Zusammenhang mit der Diskussion der Ereigniskonzeption Kims aufgetreten sind. Dies setzt voraus, daß man Davidsons Verständnis der Ereignissätze teilt. Kim hat das ursprünglich nicht getan, in dem Aufsatz Events and Their Descriptions: Some Considerations verteidigt er das im neunten Kapitel skizzierte Bild, daß sich der Satz als ganzes auf ein Ereignis bezieht - vor allem gegen ein Standardargument Davidsons, das dieser stets anwendet, wenn jemand behauptet, es gebe etwas, auf das sich ein Satz als ganzer bezieht.^ In dem neueren Aufsatz Events as Property Exemplifications dagegen weist Kim ausführlich auf die Vereinbarkeit seiner Ereigniskonzeption mit Davidsons Vorschlag für die logische Form der Ereignissätze hin, und die Art und Weise, wie er dies tut, legt zumindest die Vermutung nahe, daß er den Vorschlag auch für richtig hält (dort Teil Π).

Vgl. The Logical Form of Action Sentences, S. 117-18, Causal Relations, S. 152-53, und Events as Particulars, S. 185. Das Argument (in der Literatur gelegentlich als Slingshot argument bezeichnet) geht ursprünglich auf Alonzo Church zurück, der es wiederum Frege zuschreibt.

Kapitel 11 Wahrheit als Methode

Der Versuch, aus den Anforderungen einer Wahrheitstheorie für eine Sprache Kapital für die metaphysische Frage zu schlagen, was Ereignisse sind, folgt einer Strategie, die Davidson in einem gleichnamigen Aufsatz als "The Method of Truth in Metaphysics" bezeichnet. Diese Methode basiert auf zwei Feststellungen: zum einen der bereits im vorigen Kapitel genannten Behauptung, daß sich Fragen, worüber man etwas sagt und was man darüber sagt, nur beantworten lassen, wenn man sich die logische Form der betreffenden Sätze vor Augen führt, und zum anderen der Feststellung, daß die von uns für wahr gehaltenen Sätze im großen und ganzen auch wahr sind. Mein Ziel in diesem Kapitel ist es nicht, eine dieser Feststellungen zu diskutieren - ich halte beide prima facie für einleuchtend - sondern zu zeigen, daß sie im konkreten Fall der Ereignisdiskussion zu überzeugenden Resultaten führen.1

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Besonders wichtig sind die ontologischen Konsequenzen einer Wahrheitstheorie. Eine Wahrheitstheorie läßt auf die Bedingungen schließen, unter denen die Sätze einer Sprache wahr sind, d.h. Bedingungen, die erfüllt sind, wenn die Sätze wahr sind. Setzt man voraus, daß viele für wahr gehaltene Sätze tatsächlich wahr sind, dann lassen die entsprechenden Bedingungen Schlüsse darüber zu, welche Entitäten es gibt. Diese Schlüsse hängen zum einen vom betrachteten und für wahr gehaltenen Satz ab, zum anderen von der Wahrheitstheorie für die Sprache, zu der dieser Satz gehört.

Für die erste Feststellung vgl. Davidsons Reality without Reference, für die zweite A Coherence Theory of Truth and Interpretation und On the Very Idea of a Conceptual Scheme.

Wahrheit als Methode

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Letzteres kann man am Beispiel des Satzes "Doris Day ist blond" demonstrieren. Welche ontologischen Konsequenzen hat die Wahrheit dieses Satzes? Wäre die deutsche Sprache so mager, daß man eine Wahlheitstheorie für sie erstellen könnte, die einer begrenzten Anzahl elementarer Sätze Wahrheitsbedingungen zuschreibt und die anderen Sätze als Wahrheitsfunktionen der elementaren Sätze versteht, dann hätte "Doris Day ist blond" keine ontologischen Konsequenzen, man könnte aus der Wahrheit dieses Satzes nichts darüber schließen, was es auf der Welt gibt. Nun ist, wie im letzten Kapitel gezeigt, eine solche Wahrheitstheorie für natürliche Sprachen wie die deutsche unzulänglich. Eine angemessene Wahrheitstheorie muß die Sätze als quantifiziert auffassen, und das heißt als Behauptungen über Entitäten in der Welt, die nur dann wahr sind, wenn es die betreffenden Entitäten gibt. "Doris Day ist blond" ist einer solchen Wahrheitstheorie zufolge dann und nur dann wahr, wenn es mindestens eine Folge gibt, deren erstes Folgenglied Doris Day heißt und blond ist. Die Wahrheit des Satzes "Doris Day ist blond" läßt also der Wahrheitstheorie zufolge auf die Existenz einer Doris Day schließen. Dies und nur dies ist in Davidsons Augen die ontologische Konsequenz dieses Satzes. (Das ist eine Bemerkung die unten noch eine wichtige Rolle spielen wird.) Auch die Wahrheit des Satzes "Doris Day singt" läßt darauf schließen, daß es Doris Day gibt. Er aber hat gegenüber "Doris Day ist blond" eine zusätzliche ontologische Konsequenz; er ist nur dann wahr, wenn es eine Folge gibt, die neben einem Folgenglied Doris Day ein weiteres Folgenglied hat, das ein Singen ist. Wenn der Satz "Doris Day singt" wahr ist, existiert also mindestens ein Singen - und weil ein Singen ein Ereignis ist, existiert mindestens ein Ereignis.2 Setzt man voraus, daß auf jeden Fall eine ganze Reihe von Sätzen wie "Doris Day singt" wahr sind, dann zeigt der Blick auf die logische Form dieser Sätze, daß daraus folgt, daß es auf der Welt Ereignisse gibt. Diese Konsequenz der Semantik der Ereignissätze nimmt abermals ein Thema des ersten Kapitels über Existenz und Individuation von Ereignissen auf. Die Frage, ob es Ereignisse gibt, läßt sich durch den Hinweis auf die logische Form der Ereignissätze als Existenzquantifikationen nicht nur als sinnvoll 2

Zu Beginn der Einleitung habe ich angemerkt, daß die Annahme, Handlungen seien Ereignisse, für mich der Anlaß war, mich mit Ereignissen zu beschäftigen. Deshalb habe ich hier und durchgehend in diesem Buch Handlungen als Ereignisse betrachtet Ich bin allerdings inzwischen (und nicht zuletzt durch diese Unteisuchung) zu dem Schluß gekommen, daß das Verhältnis zwischen Handlungen und Ereignissen verwickelter ist ja, daß es Handlungen im Unterschied zu Ereignissen streng genommen gar nicht gibt. Diese intuitiv wenig einleuchtende Feststellung erläutere ich in Actions, Reasons, and Their Relationship. Für meine Ereignis-Diskussion ist diese Modifikation irrelevant

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Wahrheit als Methode

erweisen (wie bereits im letzten Kapitel ausgeführt), sie läßt sich auch (mit der Zusatzprämisse, daß einige Ereignissätze wahr sind) positiv beantworten: Es gibt Ereignisse auf der Welt, denn viele wahren Behauptungen setzen die Existenz von Ereignissen voraus. Dies ist die ontologische Konsequenz der Semantik der Ereignissätze und eine späte zusätzliche Rechtfertigung für die Frage, was Ereignisse sind. Es ist aber vor allem ein Hinweis auf den ontologisch exklusiven Charakter der Ereignisse. Betrachtet man die logische Form zahlreicher gewöhnlicher deutscher Sätze, dann stellt man fest, daß ihre logischen Formen keine weiteren ontologischen Konsequenzen haben als die Existenz von materiellen Gegenständen bzw. Personen und die Existenz von Ereignissen; Entitäten anderer Kategorien werden nicht vorausgesetzt. Da noch niemand eine Wahrheitstheorie für die ganze deutsche Sprache erstellt hat, weiß man auch nicht, welche weiteren ontologischen Zugeständnisse eine Wahrheitstheorie nötig macht (z.B. im Bereich der mathematischen oder naturwissenschaftlichen Sprachteile). Aber bereits im jetzigen, vorläufigen Stadium der Entwicklung einer Wahrheitstheorie ist es interessant, daß man mit alltäglichen Behauptungen bestimmte ontologische Verpflichtungen nicht eingeht. Diese Indifferenz von Sätzen gegenüber der Existenz bestimmter Sorten von Entitäten wird im Verlauf der nächsten Kapitel noch eine wichtige Rolle spielen und auch leicht modifiziert werden. Hier soll vor allem darauf hingewiesen werden, wie ontologisch vernichtend es für eine Kategorie ist, wenn sich aus der Wahrheitstheorie nicht begründen läßt, daß es Entitäten dieser Kategorie gibt. Davidson ist (meines Erachtens zu recht) nicht nur der Auffassung, daß die Wahrheitstheorie enthüllt, was es gibt, sondern auch, daß sie alles enthüllt, was es gibt. Wer behauptet, daß es Entitäten einer Kategorie gibt, über die der Wahrheitstheorie zufolge nicht quantifiziert wird, behauptet in Davidsons Augen nichts anderes als: Es gibt diese Entitäten, aber wir reden nie darüber; und das ist eine wenn nicht widersprüchliche, so zumindest äußerst unplausible Behauptung. Akzeptiert man aber, daß die ontologischen Konsequenzen der Wahrheitstheorie erschöpfend darüber Aufschluß geben, welche Sorten von Entitäten es gibt, dann ist die Feststellung, eine Wahrheitstheorie setze nur die Existenz von materiellen Gegenständen, Personen und Ereignissen voraus, sehr stark.

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The Method of Truth in Metaphysics beschränkt sich nicht auf die Frage, welche Kategorien von Entitäten es gibt und welche nicht. Auch innerhalb der einzelnen Kategorien erlaubt sie es, metaphysische Fragen zu beantworten. Ein erstes Beispiel dafür findet sich schon im neunten Kapitel, das Problem der Cambridge events. Das Problem der Cambridge events besteht darin, daß ein Satz wie "Xanthippe wird Witwe" zwar sicher ein wahrer Satz ist, man aber in große Schwierigkeiten gerät, wenn man die Existenz eines Ereignisses zugesteht, dessen Trägerin Xanthippe ist und das die konstitutive Eigenschaft hat, Witwe zu werden. Die Lösung dieses Problems ergibt sich aus der logischen Form des Satzes - auch wenn der Begriff der logischen Form noch nicht eingeführt war, als ich oben die Lösung vorgestellt habe. "Xanthippe wird Witwe" hat die logische Form: "Es gibt jemanden, die Xanthippe heißt, und es gibt ein Ereignis, das eine Verwitwung Xanthippes ist" - in formaler Schreibweise: (3 x,y)(x heißt Xanthippe & y ist eine Verwitwung von x). Angesichts dieser logischen Form sieht man sich nun nicht mehr gezwungen, die Existenz eines Ereignisses anzunehmen, deren Trägerin Xanthippe ist; es reicht, die Existenz eines Ereignisses anzunehmen, das sie zur Witwe macht, und dessen Existenz (die von Sokrates' Tod nämlich) steht außer Frage. Viel wichtiger ist aber die logische Form der Ereignissätze für ein anderes Problem: Goldmans Frage, ob Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen ein und dasselbe Ereignis sind, d.h. das Problem, ob man Ereignisse grobkörnig oder feinkörnig verstehen sollte. Die logische Form der Ereignissätze spricht unmittelbar gegen die feinkörnige Antwort. Der Satz "John sagt Hallo" hat (entsprechend dem Beispiel "Doris singt") die logische Form "Es gibt jemanden, der John heißt, und ein Ereignis, das ein Hallo-Sagen von ihm ist". Der zweite Satz "John sagt laut Hallo" hat entweder die durch das Doris-Beispiel nahegelegte logische Form "Es gibt jemanden, der John heißt, und ein Ereignis, das ein Hallo-Sagen von ihm ist und das laut ist", oder er hat die logische Form "Es gibt jemanden, der John heißt, und ein Ereignis, das ein lautes Hallo-Sagen von ihm ist". Der erste Vorschlag ist für einen Vertreter des feinkörnigen Ereignisverständnisses nicht akzeptabel. Wenn es neben dem Hallo-Sagen Johns eine lautes Hallo-Sagen gibt, dann muß davon auch in "John sagt laut Hallo" die Rede sein, im ersten Vorschlag für die logische Form geht es hingegen nur um ein Hallo-Sagen, das zudem die Eigenschaft hat, laut zu sein. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen Johns Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen nur dann aufrecht zu erhalten, wenn man den zweiten Vorschlag für die logische Form

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Wahrheit als Methode

akzeptiert. Gegen den zweiten Vorschlag ist direkt nichts einzuwenden. Unhaltbar wird er erst als allgemeine Strategie für die logische Form von Ereignissätzen im Rahmen des feinkörnigen Ereignisverständnisses, denn dann verletzt man die Endlichkeitsforderung an die Axiome der Wahrheitstheorie. Wenn man nicht nur speziell das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen feinkörnig unterscheidet, sondern alle parallelen Beispiele - wie dies für ein feinkörniges Ereignisverständnis bislang schon immer vorausgesetzt wurde -, dann würde diese Strategie dazu führen, daß man in den Axiomen der Wahrheitstheorie endlos vielen elementaren offenen Sätzen Erfüllungsbedingungen zuschreiben müßte: Weil auch ein verächtliches Hallo-Sagen kein Hallo-Sagen wäre, müßte man Erfüllungsbedingungen für "x ist ein verächtliches Hallo-Sagen von y" in die Wahrheitstheorie aufnehmen, weil eine geheuchelte, telephonische Beileidsbekundung weder eine geheuchelte, noch eine telephonische Beileidsbekundung wäre, Erfüllungsbedingungen für "x ist eine geheuchelte, telephonische Beileidsbekundung", usw. Es war gerade das Problem, die Endlichkeitsforderung zu erfüllen, das im letzten Kapitel dazu führte, Sätze wie "Doris singt" als Quantifikationen über Ereignisse anzusehen. Doch diese Strategie setzt voraus, daß viele der 'langen' offenen Sätze logisch komplex sind, und das ist mit der Annahme des feinkörnigen Ereignisverständnisses unvereinbar, ein lautes Hallo-Sagen sei kein Hallo-Sagen, das laut ist, ein verächtliches Hallo-Sagen keines, das verächtlich ist, etc. The Method of Truth in Metaphysics spricht somit gegen das feinkörnige Ereignisverständnis. Wenn man nicht bereit ist, Johns Hallo-Sagen mit seinem lauten Hallo-Sagen zu identifizieren, dann steht man vor dem Problem, dem Ereignissatz "John sagt laut Hallo" eine andere logische Form zuzuweisen als "Es gibt jemanden, der John heißt, und ein Ereignis, das ein Hallo-Sagen von ihm ist und das laut ist", und ich halte dieses Problem für unlösbar. Der Zwang, viele Ereignissätze als komplexe Sätze aufzufassen, macht das feinkörnige Ereignisverständnis unmöglich. Neben den Schwierigkeiten, im Rahmen des feinkörnigen Ereignisverständnisses das Problem der kausalen Anhängsel zu lösen und eine adäquate Beschreibung der hierarchischen Struktur der Welt zu finden, ist die Unmöglichkeit einer Semantik der Ereignissätze das schlagende Argument für eine grobkörnige Antwort auf Goldmans Frage. Aber um wirklich stichhaltig zu sein, muß das grobkörnige Verständnis nicht nur eine logische Form für "John sagt laut Hallo" bieten, sondern auch für die beiden Beispielsätze in Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis.

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Wie im dritten Kapitel ausgeführt, hält Goldman Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen für unterschiedliche Ereignisse, weil sie unterschiedliche Ursachen hätten - letzteres werde durch Johns Gereiztheit verursacht, ersteres nicht. Dieses Argument ist so einleuchtend, daß es bis zum neunten Kapitel als schlagend vorausgesetzt wurde, und auch das im neunten Kapitel diskutierte Emphaseproblem hat es nicht widerlegt. Deshalb kann das feinkörnige Ereignisverständnisses nur dann als gescheitert gelten, wenn es gelingt, für die beiden Sätze, "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" und "John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist" eine logische Form zu finden, die sowohl der intuitiven Diskrepanz zwischen ihnen gerecht wird als auch den Schluß auf die Verschiedenheit des HalloSagens vom lauten Hallo-Sagen verbaut. Wenn man aus dem Vergleich der beiden Beispielsätze den Schluß zieht, daß Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen verschiedene Ursachen haben, dann zeigt das, daß man die Sätze so versteht, daß in ihnen davon die Rede ist, daß zwischen bestimmten Ereignissen eine Kausalbeziehung besteht. Der einfachste Vorschlag für die logische Form lautet deshalb für den ersten Beispielsatz - für "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" -: "Es gibt jemanden, der John heißt, ein Ereignis, das ein Hallo-Sagen von ihm ist, ein anderes Ereignis, das seine Gereiztheit ist, und letzteres verursacht ersteres", formal: (3 x,y,z)(x heißt John & y ist ein Hallo-Sagen von χ & ζ ist eine Gereiztheit von χ & ζ verursacht y). Dieser Vorschlag hat den Vorteil, daß er eine Erklärung dafür liefert, weshalb aus dem Beispielsatz offenkundig der Satz folgt "John sagt Hallo", und auch der Satz "John ist gereizt". Und er verletzt nirgends die Endlichkeitsforderung. Er hat aber den Nachteil, daß sich kein dazu passendes Verständnis des zweiten Beispielsatzes - "John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist" - finden läßt, das dem Goldman-Argument gerecht wird. Am nächsten liegt es, diesem Satz die logische Form zuzuschreiben: "Es gibt jemanden, der John heißt, ein Ereignis, das ein Hallo-Sagen von ihm ist, ein anderes Ereignis, das seine Gereiztheit ist, ersteres ist laut und letzteres verursacht ersteres", formal: (3 x,y,zXx heißt John & y ist ein Hallo-Sagen von χ & y ist laut & ζ ist eine Gereiztheit von χ & ζ verursacht y). Diese logische Form aber unterscheidet sich dann von der des ersten Satzes nur in dem Konjunkt "y ist laut", folglich darf man aus dem zweiten auf den ersten Satz schließen. Das bedeutet, Johns Gereiztheit verursacht nur dann sein lautes Hallo-Sagen, wenn sie sein Hallo-Sagen verursacht, und widerspricht damit Goldmans zumindest auf den ersten Blick äußerst plausibler Feststellung, die Gereiztheit sei keine Ursache des Hailo-Sagens, nur eine des lauten Hallo-Sagens. Zumindest würde eine Implikationsbeziehung zwischen den beiden Beispielsätzen es rätselhaft erscheinen lassen, weshalb der eine so plausibel und der andere so merkwürdig klingt. Der Schluß vom zweiten auf den ersten Beispielsatz ist verbaut, wenn sich der Zusatz "laut" in der logischen Form nicht als nähere Bestimmung des Ereignisses niederschlägt, also nicht als ein separater offener Satz, sondern als Teil eines logisch unstrukturierten offenen Satzes: "y ist ein lautes Hallo-Sagen von x". Aber das

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ist eine Strategie, die sich bei dem komplexen "weil"-Satz ebenso wenig wie beim einfachen Ereignissatz "John sagt laut Hallo" auf alle parallelen Beispielsätze ausdehnen läßt, ohne die Endlichkeitsforderung zu verletzen. Es muß einen dritten Weg geben, Goldmans Beispielsätze in die Wahrheitstheorie zu integrieren. Der in meinen Augen einzig gangbare Ausweg beginnt mit der schon im neunten Kapitel erwogenen Feststellung, daß die Goldman-Sätze nicht, wie dieser behauptet, unterschiedliche Wahrheitswerte haben - daß es zwar irreführend oder mißverständlich oder witzlos ist zu behaupten, John sage Hallo, weil er gereizt ist, nicht aber falsch. Doch Goldmans Überlegung ist zu plausibel, als daß man es bei dieser Feststellung bewenden lassen könnte, hinzukommen muß eine Diagnose dieser Plausibilität, d.h. eine Antwort auf die Frage: Weshalb fällt es so schwer anzuerkennen, daß der Satz "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" nicht falsch, sondern nur irreführend ist? Die in meinen Augen korrekte Antwortet lautet: Weil man nicht bereit ist zu akzeptieren, daß der fragliche Satz wahr ist. Im restlichen Teil dieses Abschnitts soll erläutert werden, inwiefern man behaupten kann, der Goldman-Satz sei nicht falsch, ohne gezwungen zu sein, ihn für wahr zu halten. Die auf den ersten Blick verblüffende These, der Satz sei weder wahr noch falsch, verliert viel von ihrer Unplausibilität, wenn man sich an Davidsons Behandlung der "daß"-Sätze erinnert. Davidson zufolge sind "daß"-Sätze streng genommen keine Sätze, sondern Texte, bestehend aus zwei aufeinanderfolgenden Einzelsätzen. Daraus folgt, daß "daß"-Sätze allem Anschein zum Trotz weder wahr noch falsch sein können, wohl aber - wie andere Texte auch - richtig oder unrichtig. Diese Grundidee läßt sich nun unmittelbar auf das GoldmanBeispiel übertragen. Auch der Satz "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" ist aus Sicht der logischen Form ein Text, kein Satz. Man kann ihn also für nicht falsch halten (sondern für nur irreführend o.ä.), ohne genötigt zu sein, ihn als wahr anzuerkennen - als Text ist er trivialerweise weder ein falscher Satz (wie Goldman annimmt), noch ein wahrer Satz, sondern ein nicht richtiger, weil irreführender Text. Da "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" aus der Sicht der Wahrheitstheorie ein Text und kein Satz ist, hat er auch keine logische Form, er hat aber Teilsätze und diese haben logische Formen. Doch ebenso wie bei der parataktischen Analyse der "daß"-Sätze stellt sich deren logische Form als weitgehend unproblematisch heraus. Zwei dieser Teilsätze lauten sicher: "John sagt Hallo" und "John ist gereizt"·, der erste ist ein gewöhnlicher Ereignissatz, seine logische Form ist oben schon diskutiert worden, der zweite scheint zumindest ebenfalls ein gewöhnlicher Ereignissatz zu sein (auf ihn komme ich weiter unten noch

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einmal zu sprechen). Dazu kommt ein dritter Satz, der sich hinter dem "weil" verbirgt und einen explanatorischen Zusammenhang herstellt; gemäß der Grundidee der parataktischen Analyse lautet er etwa: "Das eine erklärt das andere. " Er hat zwei demonstrative Elemente, die auf die beiden anderen Sätze (bzw. deren Äußerungen) verweisen, seine logische Form ist: "Es gibt zwei Äußerungen, die vorangegangene und die folgende, und erstere bietet einen Erklärung ßr letztere"; formal: (3 x,y)(das vorige ist χ & das folgende ist y & y bietet eine Erklärung für x). 3 Die parataktische Analyse des Beispiels "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von dem oben genannten Vorschlag: "Es gibt jemanden, der John heißt, ein Ereignis, das ein Hallo-Sagen von ihm ist, ein anderes Ereignis, das seine Gereiztheit ist, und letzteres verursacht ersteres". Zum einen handelt es sich, wie gesagt, für die parataktische Analyse um einen Text, nicht um einen wahren Satz, sie erklärt deshalb besser das Mißbehagen, das der Satz "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" auslöst. (Im folgenden wird deshalb stets von "Goldmans Beispielíeríen" die Rede sein, nicht von seinen beiden "Beispielsätzen".) Zum anderen darf man, weil Texte überhaupt keine logischen Beziehungen eingehen, ihr zufolge auch nicht von "John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist" auf "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" schließen; sie widerspricht Goldmans Behauptung deshalb nicht, das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen hätten unterschiedliche Ursachen. Aber wenn sie ihr auch nicht widerspricht, so stützt die parataktische Analyse die Behauptung auch nicht und bietet deshalb keinen Anhaltspunkt dafür, daß sein Argument stichhaltig ist. Goldman möchte aus dem Unterschied in der kausalen Rolle des Hallo-Sagens und lauten Hallo-Sagens auf die Richtigkeit des feinkörnigen Ereignisverständnisses schließen, und dazu muß sich dieser Unterschied aus der Differenz zwischen den beiden Beispieltexten, sei es nun eine Differenz des Wahrheitswerts oder der Richtigkeit, begründen lassen. Doch die parataktische Analyse des Beispiels bietet keine solche Begründung, ebenso wie sie mit Goldmans These, Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen hätten unterschiedliche Ursachen verträglich ist, ist sie auch damit verträglich, daß sie in allen Ursachen übereinstimmen - aus dem trivialen Grund, daß Texte überhaupt keine logischen Beziehungen (wie etwa einen Widerspruch) eingehen.

Davidson hat die parataktische Analyse nirgends auf Erklärungen abgewandt, allerdings gibt es eine Textstelle in Causal Relations, die zeigt, daß Davidson mit dieser Verwendung sicher einverstanden wäre (dort S. 161-62). Explizit findet sich dieser Schritt bei Bruce Aune in Reason and Action, S. 104-105.

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Damit bleibt als einzige Konsequenz der logischen Form für das GoldmanBeispiel die oben beschriebene Schwierigkeit, eine logische Form für den einen Teilsatz des Beispiel-Textes, für "John sagt laut Hallo" zu finden, die den logischen Schluß auf "John sagt Hallo" verbaut und sich, ohne die Endlichkeitsforderung zu verletzen, auf parallele Beispiele übertragen läßt. Gelingt dies nicht, ist das feinkörnige Ereignisverständnis unvereinbar mit der Semantik der Ereignissätze. *

Es ist allerdings nicht gesagt, daß Goldmans Argument nur dann schlüssig ist, wenn Erwägungen der logischen Form dies erweisen. Die logische Form eines Satzes rechtfertigt einige Schlüsse, aber nicht alle. Sie belegt, weshalb man z.B. aus "Hans ist ein Junggeselle" auf "Hans ist ein Junggeselle oder ein Philosoph" schließen darf, doch sie rechtfertigt nicht den Schluß auf "Hans ist unverheiratet". Schlüsse wie der erste sind logische, solche wie der zweite analytische Schlüsse, denn der erste basiert auf der logischen Form der Sätze, der zweite auf der Analyse der Bedeutung bestimmter in den Sätzen verwendeter Ausdrücke (im Beispiel des Ausdrucks "Junggeselle").4 Für Goldmans Argument bedeutet dies, daß sich der Schluß auf die unterschiedlichen Ursachen von Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen nicht unbedingt aus der logischen Form seiner Beispiele rechtfertigen lassen muß, er könnte sich auch auf einen analytischen Schluß stützen. Und weil man auch analytische Schlüsse nur aus Sätzen ziehen kann, müßte die Verschiedenheit der Ursachen aus den unterschiedlichen Wahrheitswerten der demonstrativen Teilsätze folgen, die für die Richtigkeit bzw. Falschheit der Texte verantwortlich sind. Sollte es sich herausstellen, daß Johns Gereiztheit nur dann zwar erklärt, daß er laut Hallo sagt, nicht aber, daß er Hallo sagt, wenn das Hallo-Sagen und laute Hallo-Sagen unterschiedliche Ursachen haben, dann bestätigt Goldmans Beispiel doch noch seinen Schluß auf die Verschiedenheit von Hallo-Sagen und lautem Hallo-Sagen. Hier nun stößt man auf eine zweite, sonderbare Indifferenz des Beispiels gegenüber Goldmans Argument. Im Unterschied zum unhaltbaren ersten Vorschlag für die logische Form, in dem sie als Kausalaussagen verstanden wurden, ist in der parataktischen Analyse der beiden Beispieltexte von Ursachen Davidson legt großen Wert auf diese Unterscheidung. Vgl. z.B. Truth and Meaning, S. 31, The Logical Form of Action Sentences, S. 105-106, und seine Reply to Cargile.

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oder Wirkungen überhaupt nicht die Rede. Der Schritt vom "weil" zur Kausalität ist in der parataktischen Analyse nicht vollzogen, deshalb ist es wenig verwunderlich, daß die parataktisch analysierten Texte Goldmans Argument nicht stützen. Eine Erläuterung der durch das "weil" ausgedrückten explanatorischen Beziehung wird die Verbindung sicherlich herstellen müssen. Dies wird das Thema des nächsten Abschnitts sein. Man kann die Tatsache, daß in den Beispieltexten von Kausalität explizit nicht die Rede ist, aber auch zum Anlaß nehmen, andere und bessere Beispiele für Goldmans Argumentation zu suchen, die ohne Zweifel Kausalbeziehungen zum Gegenstand haben, und so versuchen, ohne den Rückgriff auf die Bedeutungsanalyse Goldmans Schluß auf die Verschiedenheit der Ursachen des Hallo-Sagens und lauten Hallo-Sagens zu rechtfertigen. Damit beginnt dieser Abschnitt. Der Verdacht, daß die beiden bislang diskutierten Beispieltexte Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis nicht gerecht werden, wird durch Goldmans eigene Formulierungen in A Theory of Human Action bestärkt. Diese legen andere Beispiele näher, etwa das folgende: Das Urteil "Daß John laut Hallo sagt, ist eine Wirkung seiner Gereiztheit" ist wahr, während "Daß John Hallo sagt, ist eine Wirkung seiner Gereiztheit" offenkundig falsch ist.5 Man könnte aber noch deutlicher werden und das Beispiel so formulieren: Wahr ist das Urteil "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er laut Hallo sagt", falsch dagegen das Urteil "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er Hallo sagt. " Der Grund dafür, meine ursprüngliche Formulierung des Goldman-Arguments diesen beiden Alternativen vorzuziehen, lag darin, daß es zumindest im Deutschen natürlicher und plausibler klingt zu behaupten, John sage laut Hallo, weil er gereizt ist, aber er sage nicht Hallo, weil er gereizt ist, als zu sagen, seine Gereiztheit sei eine Ursache seines lauten Hallo-Sagens, nicht aber seines HalloSagens. Das Befremden, das diese Formulierungen (zumindest nach meinem Sprachgefühl) auslösen, ist meines Erachtens auch kein Zufall; es ist ein Anhaltspunkt für eine Besonderheit des Goldman-Beispiels, die unten zur Sprache kommen soll. Doch es gibt andere, stärker einleuchtende Beispiele, die denselben argumentativen Punkt machen, wie Goldmans John-Beispiel und in denen explizit von Kausalität die Rede ist. Im ersten Teil dieses Abschnitts wird ein solches Beispiel im Mittelpunkt stehen, im Anschluß daran komme ich auf Goldmans Beispiel zurück.

Vgl. dort S. 3.

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Das Beispiel wird durch die beiden Kausalaussagen gebildet: "Daß einer der Stützpfeiler nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke", und "Daß einer der Stützpfeiler ruckartig nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke".6 Ebenso wie für Goldmans Beispiel läßt sich auch für dieses Beispiel eine Situation erdenken, in der der erste der Sätze falsch, der zweite hingegen wahr zu sein scheint. Man kann sich z.B. vorstellen, daß ein Expertenteam, das den Brückeneinsturz untersucht, zu dem Fazit gelangt, nicht das Nachgeben des Brückenpfeilers, sondern das ruckartige Nachgeben des Pfeilers habe den Einsturz verursacht. (Das wäre dann möglicherweise eine Rechtfertigung für einen Architekten, der davon ausgehen durfte, daß diese Sorte von Pfeilern immer nur langsam und stetig nachgeben.) Wenn die beiden Sätze aber unterschiedliche Wahrheitswerte haben, dann ist das ruckartige Nachgeben des Pfeilers eine Ursache des Brückeneinsturzes, das Nachgeben des Pfeilers nicht, folglich sind das ruckartige Nachgeben und das Nachgeben verschiedene Ereignisse - das feinkörnige Ereignisverständnis ist abermals bestätigt. Das Beispiel kommt nicht nur zu demselben feinkörnigen Ergebnis wie das John-Beispiel im letzten Abschnitt; weil in ihm explizit von Kausalität die Rede ist, umgeht es auch dessen Schwierigkeit: Anders als die unterschiedliche kausale Rolle des Hallo-Sagens und lauten Hallo-Sagens folgt die des Nachgebens und ruckartigen Nachgebens des Stützpfeilers unmittelbar aus den unterschiedlichen Wahrheitswerten der beiden Sätze. Allerdings gibt es auch im Brückenbeispiel das Problem, eine logische Form für den zweiten Beispielsatz zu finden. Denn aus der Falschheit des ersten Satzes folgt nur dann, daß das Nachgeben des Pfeilers keine Ursache des Brückeneinsturzes ist, wenn dieser die logische Form hat: "Es gibt einen Gegenstand, der ein Stützpfeiler ist, ein Ereignis, das ein Nachgeben dieses Gegenstandes ist, einen weiteren Gegenstand, der eine Brücke ist, ein weiteres Ereignis, das ein Einstürzen dieses Gegenstandes ist, und ersteres Ereignis verursacht letzteres" - formal: (3 x,y,z,w)(x ist ein Stützpfeiler & y ist ein Nachgeben von χ & ζ ist die Brücke & w ist ein Einstürzen von ζ & y verursacht w). Und damit stellt sich die aus dem letzten Abschnitt vertraute Frage, wie sich die logische Form des zweiten Satzes von der des ersten unterscheidet. Das ist deshalb ein Problem, weil auch bei diesem Beispiel die naheliegende Antwort verbaut ist, daß nämlich die logische Form des zweiten Satzes zusätzlich das Konjunkt "und dieses Ereignis ist ruckartig" umfaßt. Wäre diese Antwort richtig, würde der erste aus dem zweiten Satz folgen und könnte deshalb nicht falsch sein, wenn dieser wahr ist. Diese Implikation ist verbaut, wenn sich die logische Form des zweiten von 6

Das Beispiel lehnt sich an ein Beispiel Davidsons an in Causal Relations, S. 161.

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der des ersten Satzes darin unterscheidet, daß sich in ihr anstelle von "und es gibt ein Ereignis, das ein Nachgeben dieses Gegenstandes [der Brücke] ist" der Teilsatz "und es gibt ein Ereignis, das ein ruckartiges Nachgeben dieses Gegenstandes ist" findet; die adverbiale Modifikation "ruckartig" ist dann ein Teil des offenen Satzes "y ist ein ruckartiges Nachgeben von x", und es gibt keine Veranlassung aus der Erfüllung dieses offenen Satzes auf die von "y ist ein Nachgeben von x" zu schließen. Doch dieser Vorschlag setzt voraus, daß die Axiome der Wahrheitstheorie den beiden offenen Sätzen separate Erfüllungsbedingungen zuschreiben, und damit gerät er in Konflikt mit der Endlichkeitsforderung für die Wahrheitstheorie. Dieses Dilemma hat im letzten Abschnitt dazu geführt, die Annahme, daß die "weil "-Sätze aus der Perspektive der Wahrheitstheorie als Sätze zu behandeln seien, ganz aufzugeben und sie statt dessen als parataktisch zusammengesetzt anzusehen. Aber, wie gesagt, wenn ein Satz wie "Daß einer der Stützpfeiler nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke" nicht besagt, daß ein Ereignis (nämlich das Nachgeben des Pfeilers) eine Ursache eines anderen Ereignisses (des Brückeneinsturzes) ist, dann ist nicht zu sehen, daß es überhaupt Sätze gibt, in denen von Kausalbeziehungen die Rede ist und die ganze Konzeption der Ereigniskausalität wird fragwürdig. Wenn der erste Beispielsatz aber aus der Perspektive der Wahrheitstheorie ein Satz mit einer logischen Form ist, dann ist auch der zweite ein Satz - es fragt sich bloß, mit welcher logischen Form.

Der erste Schritt zur Lösung dieses Rätsels liegt meines Erachtens in der Feststellung, daß solche Behauptungen wie das Urteil der Experten, nicht das Nachgeben des Brückenpfeilers habe die Brücke zum Einsturz gebracht, sondern sein ruckartiges Nachgeben, generell einer sonderbaren Logik folgen. In der alltäglichen Sprachpraxis werden diese Urteile nämlich nicht so behandelt, als existiere zwischen ihnen und dem oberflächlich betrachtet entgegengesetzten Urteil tatsächlich ein Widerspruch. Niemanden wird es stören, wenn etwa die vollständige Expertise über das Brückenunglück mit den Worten beginnt: "Nicht, wie zuerst vermutet, der Absturz eines Düsenjägers, sondern das Nachgeben eines Stützpfeilers verursachte den Einsturz der Brücke", um dann trotzdem weiter unten fortzufahren, daß nicht das Nachgeben, sondern das ruckartige Nachgeben des Pfeilers den Einsturz verursacht habe; ja sie könnte sogar am Ende zu dem Schluß gelangen, nicht das ruckartige Nachgeben des Pfeilers, sondern das ruckartige Nachgeben bei starkem Frost habe den Brückeneinsturz verursacht. Würde aus der Behauptung, nicht das Nachgeben des Pfeilers, sondern sein ruckartiges Nachgeben habe den Einsturz verursacht, folgen, daß das ruckartige Nachgeben den Einsturz verursacht hat, und würde aus der Behauptung, nicht das ruckartige Nachgeben, sondern das ruckartige Nachgeben bei starkem Frost habe den Einsturz verursacht, folgen, daß das ruckartige Nachgeben den Einsturz nicht verursacht hat, dann wäre die Expertise eklatant widersprüchlich. Das aber ist sie augenscheinlich nicht, folglich stimmt mit den genannten Implikationen etwas nicht. Dies wiederum hat die Konsequenz, daß

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auch der Schluß auf die unterschiedlichen kausalen Rollen des Nachgebens und ruckartigen Nachgebens in der Argumentation für das feinkörnige EreignisVerständnis zweifelhaft wird. Und es hat die Konsequenz, die Frage der logischen Form der Beispielsätze noch verzwickter zu machen. Die Lösung des Problems, wie die Beispielsätze aufzufassen sind, findet sich bei Davidson.7 Die Experten sind nicht nur daran interessiert, Ursachen des Brückeneinsturzes zu nennen, sie wollen den Brückeneinsturz erklären. Und auch wenn sowohl das Nachgeben als auch das ruckartige Nachgeben des Pfeilers den Einsturz verursachen, bietet das ruckartige Nachgeben im Unterschied zum Nachgeben eine Erklärung für den Einsturz. Nur wenn man Kausalbeúehungen von Kausalerklärungen unterscheidet, kann man sowohl daran festhalten, daß der erste Beispielsatz "Daß einer der Stützpfeiler nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke" die oben genannte logische Form hat ("Es gibt einen Gegenstand, der ein Stützpfeiler ist, ein Ereignis, das ein Nachgeben dieses Gegenstandes ist, einen weiteren Gegenstand, der eine Brücke ist, ein weiteres Ereignis, das ein Einstürzen dieses Gegenstandes ist, und ersteres Ereignis verursacht letzteres") als auch akzeptieren, daß sich die Experten in ihrem Gutachten nicht einfach in Widersprüche verwickeln. Weshalb kann man das? Es gibt zwei verschiedene Wege, die Unterscheidung zwischen Kausalbeziehungen und -erklärungen für die Auflösung der Schwierigkeiten heranzuziehen. Der erste Weg ist der, den Davidson in einer Erwiderung auf Peter Strawson vorschlägt.8 Nicht alle Kausalaussagen sind auch akzeptable Kausalerklärungen. Es gibt wahre Kausalaussagen, die überhaupt keine Erklärungen, und es gibt andere, die mehr oder minder gute Erklärungen bieten. Wenn die Experten zu dem Urteil gelangen, daß nicht das Nachgeben, sondern das ruckartige Nachgeben den Brückeneinsturz verursacht hat, dann meinen sie damit, daß die erste Kausalaussage eine schlechte, die zweite eine gute Erklärung bietet. Indem sie verneinen, daß das Nachgeben des Pfeilers eine Ursache des Brückeneinsturzes war, sagen sie zwar etwas Falsches, doch die unmittelbare Gegenüberstellung mit der logisch unvereinbaren wahren zweiten Aussage, das ruckartige Nachgeben habe die Brücke zum Einsturz gebracht, macht für den Hörer oder Leser deutlich, daß sie die erste Aussage nicht behaupten, sondern nur für die Erklärung des Brückeneinsturzes verwenden.

Causal Relations, S. 161-62. Reply to P.F. Strawson, S. 226-27.

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Aus der Sicht der Wahrheitstheorie handelt es sich demnach bei dem Expertenurteil um einen Text, bestehend aus zwei logisch unvereinbaren Sätzen mit den logischen Formen: "Folgendes ist nicht der Fall: daß es einen Gegenstand gibt, der ein Stützpfeiler ist, ein Ereignis, das ein Nachgeben dieses Gegenstandes ist, einen weiteren Gegenstand, der eine Brücke ist, ein weiteres Ereignis, das ein Einstürzen dieses Gegenstandes ist, und daß ersteres Ereignis letzteres verursacht. " und "Es gibt einen Gegenstand, der ein Stützpfeiler ist, ein Ereignis, das ein Nachgeben dieses Gegenstandes ist und das ruckartig ist, einen weiteren Gegenstand, der eine Brücke ist, ein weiteres Ereignis, das ein Einstürzen dieses Gegenstandes ist, und ersteres Ereignis verursacht letzteres." Trotz des Widerspruchs seiner Teilsätze aber ist der Text richtig, denn die offensichtliche Kontradiktion der Sätze bringt unmißverständlich zum Ausdruck, daß es in dem Text um den Wert der Kausalaussagen als Kausalerklärungen geht, nicht um ihre Wahrheit. Dies erlaubt es auch, das abschließende Expertenurteil zu verstehen, nicht das ruckartige Nachgeben des Pfeilers, sondern sein ruckartiges Nachgeben bei starkem Frost, habe den Einsturz verursacht. Während die Aussage, das ruckartige Nachgeben sei eine Ursache gewesen, im Verhältnis zu der Aussage, das Nachgeben sei eine Ursache gewesen, eine gute Erklärung bietet, ist sie im Vergleich zu der Aussage, es sei das Nachgeben bei starkem Frost gewesen, eine schlechte Erklärung. Die sich an Davidson orientierende Erläuterung des Brückenbeispiels löst die sich aus dem Dilemma zwischen der unterschiedlichen Evaluation der beiden Beispielsätze durch die Experten und der Notwendigkeit der Zuweisung einer logischen Form ergebenden Probleme. Aber die Erläuterung hat den großen Nachteil, daß sie sich nicht auf das Goldman-Beispiel übertragen läßt. Auch wenn es einleuchtet, daß trotz der Expertise sowohl das Nachgeben des Pfeilers als auch sein ruckartiges Nachgeben den Einsturz der Brücke verursacht haben beide Kausalaussagen also wahr sind -, ist es höchst unplausibel anzunehmen, im Grunde genommen sei Johns Gereiztheit auch eine Ursache dafür, daß er Hallo sagt. Der Satz "Daß John gereizt ist, ist eine Ursache seines Hallo-Sagens" ist eindeutig falsch. Wenn man deshalb die eben gegebene Erläuterung des Brückenbeispiels auf das John-Beispiel übertragen wollte, müßte man auch den Satz "Daß John gereizt ist, ist eine Ursache seines lauten Hallo-Sagens" für falsch halten. Und dann müßte man behaupten, ebenso wie wahre Kausalaussagen schlechte Erklärungen sein können, könnten falsche Kausalaussagen gute Erklärungen sein. Das scheint mir keine überzeugende Ansicht zu sein.

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Woran liegt es, daß sich diese Erläuterungen nicht auf das John-Beispiel übertragen lassen? Die Antwort muß meines Erachtens lauten: Weil Johns Gereiztheit in Wirklichkeit weder sein Hallo-Sagen, noch sein lautes HalloSagen verursacht. Was damit gemeint ist, wird deutlich, wenn man auf die oben ausgesparte Frage zurückkommt, welche logische Form der Satz "John ist gereizt" hat. Betrachtet man ihn als einen Ereignissatz wie "John sagt Hallo", dann hat er die Form: "Es gibt jemanden, der John heißt, und ein Ereignis, das seine Gereiztheit ist. " Aber muß der Satz diese logische Form haben? Das erste Beispiel für die logische Form eines Satzes im vorigen Kapitel war "Es gibt jemanden, die Doris heißt und blond ist" als Form von "Doris ist blond". Wenn dies aber die logische Form von "Doris ist blond" ist, dann liegt es nahe, daß entsprechend "John ist gereizt" die logische Form hat: "Es gibt jemanden, der John heißt und gereizt ist". Und in diesem Satz wird ausschließlich über eine Person quantifiziert, nicht aber über ein Ereignis. Die Annahme, daß in bestimmten Sätzen außer über Personen oder Gegenstände über etwas weiteres quantifiziert wird, was sich dann als Ereignis herausstellt, in das die Personen oder Gegenstände involviert sind, bedurfte im letzten Kapitel eines Zusatzarguments. In "Doris singt" wird anders als in "Doris ist blond" über Ereignisse quantifiziert, weil sich nur so logische Formen für zahlreiche verwandte Sätze ("Doris singt neben dem Flügel", "Doris singt Que sarà sarà") finden lassen. Dasselbe gilt für "John sagt Hallo", aber es ist zweifelhaft, ob es auch auf "John ist gereizt" zutrifft. Es gibt ein paar Sätze, die sich ebenfalls nur in näheren Bestimmungen des Gereiztseins von dem Originalsatz unterscheiden, z.B. den Satz "John ist ziemlich gereizt". Es könnte sich deshalb herausstellen, daß sich dieser und ähnliche Sätze nur dann in eine Wahrheitstheorie aufnehmen lassen, wenn man ihn und damit auch "John ist gereizt" als Sätze versteht, in denen außer über eine Person über eine weitere Entität quantifiziert wird. Dies läßt sich letztlich eist entscheiden, wenn man eine vollständige Wahrheitstheorie der deutschen Sprache kennt, aber ich halte es für wenig wahrscheinlich. Zum einen würde dies darauf hinauslaufen, daß eine solche versteckte zusätzliche Qualifikation eine generelle Eigenschaft der deutschen Sätze wäre, denn wenn in "John ist gereizt" über eine weitere Entität quantifiziert wird, dann auch in "Doris ist blond" und allen anderen Sätzen.9 Zum anderen ist es nicht klar, inwieweit die Annahme einer versteckten Quantifikation bei den näheren Bestimmungen, die sich auch in Sätze wie "John ist gereizt" oder "Doris ist blond" einfügen lassen, überhaupt zur Klärung der logischen Form beitragen würde. Solche Ausdrücke wie "ziemlich" gehören vermutlich eher zu den ebenfalls im vorigen Kapitel erwähnten Modifikationen (wie "vermeintlich"), deren Behandlung im Rahmen einer Wahrheitstheorie noch nicht befriedigend geklärt ist.

Diese Auffassung vertritt James Montmaruet in Whither States?.

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Der vielleicht wichtigste Grund, an der Unterscheidung zwischen Sätzen festzuhalten, in denen nur über eine Person oder einen Gegenstand quantifiziert wird (wie "Doris ist blond" oder "John ist gereizt") und anderen, die zudem verborgen über Ereignisse quantifizieren (wie "Doris singt" oder "John sagt Halb"), aber ist, daß sie es erlaubt, das Problem der beiden Sätze "Daß John gereizt ist, ist die Ursache dafür, daß er laut Hallo sagt" und "Daß John gereizt ist, ist die Ursache daßr, daß er Hallo sagt" zu lösen. Dieser Vorzug der Behandlung des Satzes "John ist gereizt" ist allerdings nicht unmittelbar deutlich. Auf den ersten Blick erscheinen Goldmans Beispielsätze sogar vollkommen unverständlich, wenn man bestreitet, daß in ihnen über eine Gereiztheit quantifiziert wird. Es fehlt ihnen dann das Relatum für die Kausalbeziehung. Verständlich werden sie erst, wenn man auch hier Davidsons Strategie folgt und zwischen Kausalbeziehung und Kausalerklärung unterscheidet, um sie dann als Kausalerklärungen aufzufassen. Man darf Davidsons Strategie allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt folgen, sonst läßt sie sich, wie gesagt, nicht auf das Goldman-Beispiel übertragen. Wenn der unrichtige Goldman-Satz, "Daß John gereizt ist, ist die Ursache daßr, daß er Hallo sagt" außer eine Kausalerklärung zu sein, auch eine Kausalaussage wäre, dann wäre er wahr, und das ist äußerst kontraintuitiv. Hier nun kommt es gelegen, daß man sinnvollerweise weder diesen Beispielsatz noch sein richtiges Pendant "Daß John gereizt ist, ist die Ursache daßr, daß er laut Hallo sagt" so verstehen sollte, als sei in ihnen außer von Johns Hallo-Sagen resp. lautem Hallo-Sagen von einem weiteren Ereignis die Rede, nämlich Johns Gereiztheit. Und wenn man das akzeptiert, dann kann es sich auch nicht um Kausalaussagen handeln. Gleichwohl ist der eine Satz richtig - folglich gibt es Kausalerklärungen, die keine Kausalaussagen sind. Und das bedeutet, daß sich Vokabeln wie "verursacht", "ist die Ursache von" entweder dafür verwenden lassen, eine Kausalbeziehung zwischen Ereignissen auszudrücken, oder für Kausalerklärungen, kurz: daß diese Kausalitäts-Vokabeln mehrdeutig sind. (Wenn ich im folgenden unzweideutig ausdrücken möchte, daß ein Ereignis zu einem anderen in einer Kausalbeziehung steht, werde ich sagen, es bewirke es kausal.) 10 Davidson beruft sich für die Unterscheidung zwischen Kausalbeziehungen und Kausalerklärungen am Ende von Causal Relations auf Zeno Vendlers Aufsatz Effects, Results and Consequences (und Vendler antwortet ihm darauf in seinen Causal Relations). Vendler vertritt dort allerdings abweichend von Davidson die Meinung, Ursachen seien überhaupt keine Ereignisse, sondern Tatsachen (facts), jede Erwähnung von Ursachen also eine Kausalerklärung, während Wirkungen tatsächlich Ereignisse seien. Die Über-

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Diese Diagnose des Beispiels soll im folgenden in dreierlei Hinsicht untermauert werden. Zuerst wird ausgeführt, was es aus der Sicht der Wahrheitstheorie heißt, die Beispiele als Kausalerklärungen anzusehen. Dann wird gefragt, was dies für die Erläuterung des Brückenbeispiels bedeutet. Und schließlich geht es darum, die Ambiguitätsbehauptung gegen mögliche Einwände zu verteidigen, und in diesem Zusammenhang etwas dazu zu sagen, was Kausalerklärungenen mit Kausalität zu tun haben.

Auch wenn das Kausalitäts-Vokabular mehrdeutig ist, gibt es Kontexte, die nur eine Lesart zulassen, z.B. Sätze, in denen es keine zwei Ereignisse gibt, von deren Kausalbeziehung die Rede sein könnte. Dazu zählen, wie gesagt, die Goldman-Beispiele. Der Ausdruck "verursacht" bedeutet hier ausschließlich "erklärt kausal", die Beispiele "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er Hallo sagt" und "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er laut Hallo sagt" lassen sich deshalb paraphrasieren durch "Daß John gereizt ist, erklärt kausal, daß er Hallo sagt" bzw. "Daß John gereizt ist, erklärt kausal, daß er laut Hallo sagt." Damit ist man aber schon fast wieder bei den ursprünglich diskutierten John-Beispielsätzen angelangt, bei "John sagt Hallo, weil er gereizt ist" und "John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist". Denn deren logische Form zeigt, daß sich diese ursprünglichen Beispiele so paraphrasieren lassen: "John sagt Hallo. Das wird durch folgendes erklärt. John ist gereizt. " bzw. "John sagt laut Hallo. Das wird durch folgendes erklärt. John ist gereizt. " Und das sind sicherlich auch Paraphrasen von "Daß John gereizt ist, erklärt, daß er Hallo sagt" bzw. "Daß John gereizt ist, erklärt, daß er laut Hallo sagt", von denen sich wiederum die Paraphrasen der neueren John-Beispiele nur noch in der Modifikation "kausal" hinter dem "erklärt" unterscheiden. All dies legt den Schluß nahe, daß auch die neuen Beispiele "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er Hallo sagt" und "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er laut Hallo sagt" aus der Perspektive der Wahrheitstheorie keine Sätze sind, sondern Texte, und daß sich die logische Form ihrer Teilsätze nur geringfügig von der unterscheidet, die die im letzten Abschnitt behandelten ursprünglichen John-Beispiele haben. Das heißt, die Sätze des ersten Beispiel texts haben die Form: "Es gibt jemanden, der John heißt und gereizt ist" und "Es gibt ztyei Äußerungen, die vorangegangene und die folgende, legungen zum Sprachgebrauch, die Vendler anstellt, um diese scharfe ontologische Scheidung von Ursache und Wirkung zu untermauern, stützt meinen Vorschlag, "kausal bewirken" so zu verstehen, daß es anders als "verursachen" eindeutig für die Kausalbeziehung steht.

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und erstere erklärt letztere kausal" und "Es gibt jemanden, der John heißt und ein Ereignis, das dessen Hallo-Sagen ist". Die Sätze des zweiten Textes stimmen mit diesen überein plus eines zusätzlichen Konjunkts "und das laut ist" im dritten Satz. Der geringe Unterschied aus der Sicht der Wahrheitstheorie zwischen dem ursprünglichen John-Beispiel und dem neuen, rechtfertigt im nachhinein die Konzentration auf das ursprüngliche Beispiel. Während beide in etwa dasselbe sagen, klingt die "weil"-Formulierung viel normaler und macht deshalb Goldmans Argument deutlich stärker. Die Doppeldeutigkeit des Kausalitätsvokabulars macht verständlich, weshalb die "weil"-Formulierungen viel natürlicher klingen als Formulierungen mit "verursacht" o.a. Wie schon oben erwähnt, klingt "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er Hallo sagt" ebenso wenig nach einem wahren Satz wie "John sagt Hallo, weil er gereizt ist", aber im Unterschied zu "John sagt laut Hallo, weil er gereizt ist" klingt auch "Daß John gereizt ist, verursacht, daß er laut Hallo sagt" sonderbar. Ich glaube, das liegt daran, daß dieser letzte Satz in einer Lesart tatsächlich falsch ist, und man deshalb zwischen positivem und negativem Urteil schwankt.

Die These, daß eine Reihe von Kausalitäts-Ausdrücken doppeldeutig sind, hat auch Auswirkungen für die Erläuterung des Brückenbeispiels. Zwar lassen sich die durch dieses Beispiel erzeugten Probleme nach wie vor mit Hilfe der Unterscheidung zwischen Kausalbeziehungen und Kausalerklärungen lösen, aber nicht im Sinne von Davidsons Strawson-Erwiderung. Wenn die Experten zu dem Schluß kommen, nicht das Nachgeben des Pfeilers habe den Brückeneinsturz verursacht, sondern sein ruckartiges Nachgeben, dann könnte man dies im Prinzip sowohl als Kausalurteil als auch als Kausalerklärung auffassen. Da aber erstere Lesart einen offenkundigen Widerpruch erzeugt, ist es klar, daß letztere stimmt, d.h. daß die Experten sagen wollen: "Nicht das Nachgeben, wohl aber das ruckartige Nachgeben erklärt den Brückeneinsturz kausaL " Die Gemeinsamkeit zu Davidsons Erläuterung besteht darin, daß die beiden Beispiele, "Daß der Pfeiler nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke" und "Daß der Pfeiler ruckartig nachgabt, verursacht den Einsturz der Brücke", nicht, wie man zuerst meinen könnte, unterschiedliche Wahrheitswerte haben, sondern daß sie sich in ihrer Richtigkeit unterscheiden, der erste richtig, der zweite unrichtig ist. Das erlaubt es beiden Erläuterungen, an der logischen Form der Ereignissätze festzuhalten, der zufolge ein ruckartiges Nachgeben ein Nachgeben ist, das ruckartig ist. Und damit widersprechen beide Erläuterungen Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis.

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Anders als in Davidsons Erläuterung geht der Unterschied zwischen der Richtigkeit des zweiten und Unrichtigkeit des ersten Beispiels in meiner Analyse des Beispiels aber nicht mit einer Wahrheitswertgleichheit der beiden Sätze einher. Während Davidson zufolge der erste Satz ebenso wie der zweite wahr ist, ist in meinen Augen weder der erste noch der zweite wahr, denn es sind, wie schon oben im letzten Abschnitt ausgeführt, überhaupt keine wahrheitswertfähigen Sätze, sondern echte Texte, d.h. parataktisch angeordnete Satzfolgen. Das hat den Vorteil, daß sich die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit des Textes auf einen Wahrheitswertunterschied zurückführen läßt (ohne daß deshalb Goldmans Schluß auf die feinkörnige Unterscheidung zwischen Nachgeben und ruckartigem Nachgeben zulässig wäre): Richtig sind diese Texte genau dann, wenn der demonstrative Mittelsatz wahr ist. ("Daß der Pfeiler nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke" ist unrichtig, weil das eine, worauf im Mittelsatz hingewiesen wird, keine Kausalerklärung für das andere bietet, der Mittelsatz also falsch ist. In "Daß der Pfeiler ruckartig nachgibt, verursacht den Einsturz der Brücke" dagegen ist der Mitteltext wahr und der Text deshalb richtig.) Daß in meiner Erläuterung nicht behauptet wird, der erste Beispielsatz (bzw. -text) sei wahr, erlaubt es, sie auf das Goldman-Beispiel zu übertragen. Und es erlaubt es auch, ein Argument gegen die Doppeldeutigkeit der Kausalitätsvokabeln zurückzuweisen, das sich im neunten Kapitel als Argument gegen Kims Ansicht, der Sokrates-Satz sei mehrdeutig, als sehr stark erwiesen hat: Wenn ein Satz doppeldeutig ist, und wenn er je nach Deutung einen anderen Wahrheitswert hat, dann hat der Satz selbst keinen Wahrheitswert. 11 Würde dies auch für die Annahme einer Ambiguität zwischen Kausalaussagen und Kausalerklärungen gelten, dann wäre dieser Vorschlag ebenfalls unhaltbar. Doch diese Ambiguität ist zugleich eine zwischen Sätzen und Texten. Und das führt dazu, daß etwas, was ein wahrer Satz ist, wie "Daß der Pfeiler nachgab, verursachte den Einsturz der Brücke" ein unrichtiger Text sein kann. Und das ist ein vertrautes Phänomen. Schwerer wiegt, daß dem zweiten Vorschlag zufolge ein und derselbe Text, "Daß der Pfeiler ruckartig nachgab, verursachte den Einsturz der Brücke", einmal richtig und dann wieder unrichtig ist. Im Expertenurteil, nicht das Nachgeben, das ruckartige Nachgeben habe den Einsturz verursacht, ist er 11

Wenn der Satz "Weil er in Athen den Schierlingsbecher trank, starb Sokrates" doppeldeutig ist und entweder besagt: "Weil er in Athen den Schierlingsbecher trank, starb Sokrates" oder "Weil er in Athen den Schierlingsbecher trank, starb Sokrates", und wenn der erste dieser Sätze falsch ist, der zweite wahr, dann hat der unbetonte Satz keinen eigenen Wahrheitswert, entgegen der kaum zu bezweifelnden Tatsache, daß er wahr ist.

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richtig, im abschließenden Urteil, nicht das ruckartige Nachgeben, sondern das ruckartige Nachgeben bei starkem Frost sei die Ursache gewesen, ist er unrichtig. Das ist zwar kein logischer Widerspruch (denn erstens können sich Texte nicht logisch widersprechen, und zweitens weisen die demonstrativen Elemente im Mittelsatz auf jeweils andere Äußerungen hin - wenn auch Äußerungen derselben Ereignissätze), aber es impliziert eine Relativität der Kausalerklärungen, und damit fragt es sich, ob es wirklich relativ ist, daß etwas eine Kausalerklärung ist. Insgesamt ist die Behauptung, daß ein vertrauter Begriff, wie der des Verursachens, in Wirklichkeit mehrdeutig sei, per se wenig plausibel. Das gilt vor allem dann, wenn sie darauf hinausläuft, der Ausdruck habe zwei völlig verschiedene Bedeutungen. Wenn man akzeptieren soll, daß Ausdrücke wie "verursachen" sowohl dasselbe bedeuten können wie "kausal bewirken" als auch wie "kausal erklären", dann deshalb, weil es einen engen Zusammenhang zwischen Kausalerklärungen und Kausalbeziehungen gibt. Im folgenden Kapitel soll dieser Zusammenhang skizziert werden. Diese Skizze hat nicht nur den Zweck, die Mehrdeutigkeitsthese plausibel zu machen. Sie erläutert auch, wie es zu der auf den ersten Blick merkwürdigen Relativität der Kausalerklärungen kommen könnte, die es erlaubt, das ruckartige Nachgeben sowohl für eine gute Erklärung, als auch für eine schlechte zu halten. Darüber hinaus beantwortet sie die noch offene Frage, ob nicht letztlich doch die explanatorische Kraft des ruckartigen Nachgebens oder des lauten Hallo-Sagens und deren Fehlen beim Nachgeben oder Hallo-Sagen Goldmans Schluß auf die Verschiedenheit dieser Ereignisse unausweichlich machen. Und schließlich bereitet sie das Terrain für die anschließende Diskussion der horizontalen und vertikalen Ereignisstruktur und des Problems der kausalen Anhängsel.

Kapitel 12 Kausalerklärungen

Das zentrale Ergebnis des vorigen Kapitels war die Feststellung, daß bestimmte Sätze, die Kausalaussagen zu sein scheinen, in Wirklichkeit etwas über Kausalerklärungen aussagen. Das Verb "verursachen" (bzw. verwandte Formulierungen) heißt dann so viel wie "kausal erklären" und die Wahrheitstheorie erweist die betreffenden Beispiele nicht als einzelne Sätze sondern als Texte, bestehend aus drei Sätzen, in deren mittlerem Satz sich der offene Satz "... erklärt ... kausal" findet. Wenn es nun, wie am Ende des letzten Kapitels behauptet, einen engen Zusammenhang zwischen Kausalerklärungen und Kausalbeziehungen gibt, dann muß er sich in den Erfüllungsbedingungen für diesen offenen Satz finden lassen. Es fragt sich deshalb, erstens, welche Typen von Entitäten den offenen Satz erfüllen, und zweitens, wann sie ihn erfüllen. Die Antwort auf die erste Frage ergibt sich unmittelbar aus der parataktischen Analyse: Die logische Form des mittleren Satzes offenbart zwei demonstrative Teile, in denen auf die Äußerung des ersten und die Äußerung des letzten Satzes hingewiesen wird. Es sind also Satzäußerungen und damit eine spezielle Form von Ereignissen, die den offenen Satz "... erklärt... kausal" erfüllen. Das zeigt, daß auch die Kausalerklärungen keine Ausweitung der Ontologie über die Ereignisse hinaus nötig machen, und spricht insofern für die parataktische Analyse. Es gibt allerdings einen Einwand der genau diese Konsequenz der parataktischen Analyse der Kausalerklärungen zum Anlaß nimmt, sie insgesamt in Frage zu stellen: Wenn aus der parataktischen Analyse folgt, daß es Äußerungen des Erklärenden sind, die den offenen Satz "... erklärt... kausal" erfüllen, folgt daraus nicht wiederum, daß das, was jemand erklärt, immer nur seine eigenen Äußerungen sind und nicht der Brückeneinsturz? Und ist das keine Reductio ad absurdum der parataktischen Analyse?1 Es gibt auf diesen Einwand zumindest zwei Erwiderungen, von denen die zweite in meinen Augen die stärkere ist. Diesen Einwand verdanke ich Peter Bieri.

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Die erste Erwiderung lautet: Es passiert durchaus häufig, daß man auf einen Gegenstand zeigt und etwas behauptet, ohne es von dem Gegenstand zu behaupten. Wenn man z.B. auf ein Auto zeigt und sagt: "Das ist die Farbe unseres neuen Sofas", dann meint man damit selbstverständlich nicht, daß ein Auto eine Farbe ist. Was man meint, läßt sich entweder so ausdrücken: Man meint, daß das die Farbe des Sofas ist, zeigt dabei aber nicht auf das Auto, sondern auf die Farbe des Autos; oder man drückt es so aus: Man meint, daß das Auto und das Sofa dieselbe Farbe haben. Beide Erläuterungen vermeiden den inakzeptablen Schluß, aber erstere hat den Nachteil, daß sie über Farben quantifiziert, also eine Ontologie voraussetzt, zu der Farben gehören, das spricht für letztere. Doch dafür läßt sich diese nicht auf die Kausalerklärungen übertragen. Aber auch eine Erläuterung der Kausalerklärung auf der ersten Linie wäre wenig befriedigend. Man müßte dann so etwas sagen wie: Die Demonstrative weisen nicht auf Satzäußerungen hin, sondern auf die dahinter stehenden Sachverhalte, Tatsachen o.ä. Das würde zwar nicht bestätigen, daß es sich um eine Erklärung des Brückeneinsturzes handelte - denn dieser ist ja ein Ereignis, kein Sachverhalt -, aber Sachverhalte scheinen zumindest geeignetere Explananda und Explanantia zu sein als Satzäußerungen. Doch dafür muß man annehmen, daß es Sachverhalte gibt, auf die man zudem auch noch zeigen können muß. Weil das ein hoher Preis ist, ist die folgende Replik auf den Einwand wesentlich attraktiver. Ein wichtiger Bestandteil des Einwands gegen die parataktische Analyse der Kausalerklärungen ist die angeblich triviale Antwort auf die Frage, welche Sorten von Entitäten Explananda und Explanantia einer Kausalerklärung sind, mit der dann die Antwort der parataktischen Analyse kollidiert: Das Nachgeben des Pfeilers erklärt den Brückeneinsturz - es sind also diese beiden Ereignisse selbst, die in der explanatorischen Beziehung stehen. So sehr dies auf den ersten Blick einleuchtet, es kann beim näheren Hinsehen nicht stimmen. Wären die Ereignisse wirklich die Erklär-Relata, dann müßte daraus, daß das Nachgeben des Pfeilers den Brückeneinsturz erklärt, folgen, daß das Ereignis, das an diesem Morgen einen Hasen ein paar hundert Meter weiter geweckt hat (angenommen, das Nachgeben des Pfeilers sei dieses Ereignis), den Einsturz der Brücke verursacht hat. Aber es wäre nicht nur eine schlechte, es wäre gar keine Erklärung des Brückeneinsturzes, wenn die Zeitung oder die Gutachter behaupteten, das Wecken des Hasens erkläre den Einsturz der Brücke. Zudem müßte folgen, daß die Erklärung des Brückeneinsturzes den Hasen geweckt hat; und auch das ist keine haltbare Konsequenz. Was dies zeigt ist, daß man in dem Satz "Das Nachgeben des Brückenpfeilers erklärt den Einsturz der Brücke" nicht beliebig Beschreibungen des Nachgebens des Pfeilers (oder auch des Einsturzes der Brücke) durch andere austauschen kann, ohne Gefahr zu laufen, etwas Inkorrektes zu sagen. Und das ist ein sicheres Indiz dafür, daß bei diesen Sätzen die Oberflächenform irreführend ist und daß man eine logische Form suchen muß, die ihrer inferenziellen Sprödheit besser gerecht wird. Eben dies wurde im letzten Abschnitt mit der parataktischen Analyse vorgeschlagen; und wenn man diesen Vorschlag für die logische Form von Sätzen wie "Das Nachgeben ¿les Brückenpfeilers erklärt den Einsturz der Brücke" akzeptiert, dann ist es leicht zu sehen, weshalb es sonderbar klingt zu sagen: "Die eine Satzäußerung des Erklärenden erklärt die andere Satzäußerung". Dann ist man nämlich geneigt, wiederum diese Aussage nicht als Satz, sondern als Text zu verstehen der Form: "Der Sprecher äußert den einen Satz. Das erklärt das folgende. Der Sprecher äußert den anderen Satz." Dieser Text ist sicher unrichtig, aber es gibt auch keinerlei Rechtfertigung dafür, ihn aus der oben vorgeschlagenen parataktischen Analyse des Brückenbeispiels herzuleiten. Was sich herleiten läßt, ist der Satz "Die eine Satzäußerung des Erklärenden erklärt die andere Satzäußerung" in einem anderen Sinn, in einem Sinn, in dem er tatsächlich die logische Form hat: "Es gibt zwei Äußerungen des Erklärenden, von denen die eme die andere erklärt", und in dem sich sehr wohl verschiedene Beschreibungen der Äußerungen gegenseitig substituieren lassen. Eine Journalistin könnte z.B. bei der Pressekonferenz einwenden: "Was sie da gerade gesagt haben und was ich hier hinten, nebenbei bemerkt, kaum verstehen konnte, erklärt vielleicht den Einsturz eines Brückensegments, aber nicht das, was sie

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dann gesagt haben, daß nämlich die ganze Brücke eingestürzt ist. " Hier redet die Journalistin im ersten und letzten Teil offenkundig von Äußerungen (die Äußerungen sind es, die sie kaum verstanden hat), im mittleren Teil aber vom Einsturz eines Brückensegments. Man kann das meines Erachtens nur dann erläutern, wenn man zuläßt, daß sich Aussagen der Oberflächenform "— erklärt —" auf zweierlei Weise verstehen lassen, entweder so wie im letzten Abschnitt am Beispiel des Nachgebens des Pfeilers, der den Brückeneinsturz erklärt, vorgeführt, oder so, daß sich die Oberflächenform mit der logischen Form weitgehend deckt, wie bei "Die eine Satzäußerung erklärt die andere"?· Der Einwand, nicht die Satzäußerungen, sondern der Zusammenbruch des Pfeilers und der der Brücke seien die Relata der Kausalerklärung, beruht demnach auf der Vermengung zweier verschiedener Sinne von Aussagen der Form "— erklärt —". In dem Sinn, in dem das Nachgeben des Pfeilers den Einsturz der Brücke erklärt, ist die eine Satzäußerung keine Erklärung der anderen, aber auch in diesem Sinn zeigt die logische Form, daß es nicht das Nachgeben des Pfeilers und der Brückeneinsturz sind, die den offenen Satz "... erklärt..." erfüllen und so für die Wahrheit des Satzes und die Richtigkeit des Textes verantwortlich sind. In dem anderen Sinn, in dem man unmittelbar an der Oberfläche ablesen kann, welche Entitäten den offenen Satz erfüllen, ist es falsch, daß das Nachgeben des Pfeilers den Einsturz der Brücke, wohl aber wahr, daß die eine Satzäußerung die andere erklärt. Es fragt sich als nächstes, wann sie dies tut.

Die folgenden terminologischen Klarstellungen sollen helfen, mögliche Mißverständnisse zu vermeiden. Wenn ein Text des Schemas "P 'Das vorige erklärt das folgende kausal.' Q", richtig ist, handelt es sich bei ihm um eine Kausalerklärung} Die Satzäußerung, auf die in einer Kausal er klärung als Erklärung hingewiesen wird (also die Äußerung von P) heißt im folgenden "Explanans", die Äußerung, auf die als das zu Erklärende hingewiesen wird (also die von Q), "Explanandum". Der Satz, in dem auf Explanans und Explanandum hingewiesen wird, heißt "Mittelsatz". Soll die Richtigkeit eines Satzes der Form einer Kausalerklärung in Frage stehen, bzw. verneint werden, dann ist von "potentiellen Kausalerklärungen" mit "potentiellen Explanantia" und "potentiellen Explanando" die Rede. Das bedeutet nicht, daß hier abermals eine Vokabel doppeldeutig ist, wie oben das Wort "verursacht"·, der Ausdruck "erklärt kausal" ist eindeutig, er ist in beiden Sätzen (bzw. Texten) Teil des offenen Satzes "...erklärt ... kausal" und dieser offene Satz wird in beiden Fällen durch SatzäuBerungen erfüllt und nicht durch Pfeilerkollapse oder Brückeneinstüize. "P" und "Q" stehen für zwei beliebige Sätze.

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Die Frage für die folgenden drei Abschnitte lautet deshalb: Welche Bedingungen müssen potentielle Explananda und Explanantia einer potentiellen Kausalerklärung erfüllen, um wirkliche Explananda bzw. Explanantia einer wirklichen Kausalerklärung zu sein? Eine erste Vermutung, die eine weite Strecke tragen wird, ist die, daß es ausschließlich von den geäußerten Sätzen abhängt, ob eine Äußerung eine andere kausal erklärt.4 Deshalb wird im folgenden häufig das Vokabular, das sich streng genommen auf Äußerungen bezieht, auf die Sätze übertragen werden.

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Ein Teil der Antwort, welche Bedingungen die in einer Kausalerklärung geäußerten Sätze erfüllen müssen, ist evident: Die Sätze müssen sicher alle wahr sein. Und sowohl das Explanandum wie auch das Explanans muß etwas mit dem Eintreten von Ereignissen zu tun haben. Fürs erste kann man sogar sagen: Das Explanandum muß ein Ereignissatz im oben beschriebenen Sinn sein, d.h. er muß sagen, daß ein Ereignis stattfindet (oder stattgefunden hat / stattfinden wird), für das folgendes gilt:... (und dann kommt ein offener Satz).5 Unter welchen Umständen erklärt ein potentielles Explanans einen Ereignissatz? Es ist sinnvoll, diese Frage zuerst allgemein zu beantworten, bevor man weiter fragt, was das Spezifikum einer kausalen Erklärung ist. Eine generelle Antwort auf die allgemeine Frage lautet: Das Explanans muß die Kenntnis vermitteln, die es erlaubt hätte, das durch den Ereignissatz behauptete Eintreten eines Ereignisses vorherzusagen. (Das Nachgeben des Brückenpfeilers erklärt also nur dann den Brückeneinsturz, wenn man aus dem Wissen, daß der Pfeiler nachgibt, den Einsturz der Brücke hätte vorhersagen können.) Dies ist Carl Gustav Hempels Adäquatheitsbedingungßr Ereigniserklärungen.6

Es versteht sich nach dem zu Beginn dieses Kapitels Gesagten von selbst, daß hier und im weiteren solche Sätze der Oberflächenform "— erklärt — kausal" im richtigen Sinn verstanden werden. Darin unterscheiden sich Kausalerklärungen prinzipiell von Erklärungen von Gesetzen oder von Eigenschaften. (Vgl. zu eisterem Unterschied Carl Gustav Hempel, Aspects of Scientific Explanation, S. 252, und zu letzterem Robert Cummins, The Nature of Psychological Explanations, S. 17.) Aspects of Scientific Explanation, S. 367-68. Dieses Kapitel orientiert sich insgesamt stark an Hempels Erläuterungen der Ereigniserklärung, auch wenn es signifikant von Hempels eigener Auffassung abweicht.

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Kausalerklärungen

Welches Wissen versetzt einen in die Lage zu einer derartigen Prognose? Die prominente Antwort John Stuart Mills, die Hempel und viele anderen Autoren in der empiristischen Tradition teilen, lautet: Man muß einen vorangehenden Zustand kennen und ein Gesetz, demzufolge auf diesen Zustand stets der zu prognostizierende Zustand folgt, um daraus auf dessen Eintreten schließen zu können. Zusammen mit Paul Oppenheim hat Hempel dieses Modell in einem kanonischen Aufsatz genauer erläutert und diskutiert. Er bezeichnet es als das Modell deduktiv-nomologischer Erklärungen, kurz: D-N-Erklärungen? Das Explanans einer D-N-Erklärung ist die Konjunktion eines oder mehrerer deskriptiver Sätze und eines oder mehrerer Gesetze, aus der deduktiv das Explanandum folgt. 8 In ihrer einfachsten Form sieht eine D-N-Erklärung deshalb schematisch so aus: "(3 x)(x ist F) & (y)(y ist F -» (3 z)(z ist G)). Das erklärt das folgende. (3 x)(x ist G)." (Dabei ist "(y)(y ist F — (3 z)(z ist G))" nicht bloß wahr, sondern ein Gesetz, d.h. es gilt auch für kontrafaktische Situationen.) Wenn das Explanandum einer solchen Erklärung ein Ereignissatz ist und wenn das Explanans wahr ist, dann ist es offensichtlich, daß die gesamte Erklärung Hempels Adäquatheitsbedingung für Ereigniserklärungen erfüllt. Wer das Explanans einer solchen Erklärung kennt, kann unmittelbar auf das Explanandum schließen, und das heißt, das Eintreten eines Ereignisses, das G ist, vorhersagen. D-N-Erklärungen können folglich das Eintreten von Ereignissen erklären. Das wirft die Frage auf nach der Beziehung zwischen D-N-Erklärungen und Kausalerklärungen: Sind D-N-Erklärungen des Eintretens von Ereignissen Kausalerklärungen? Und vor allem: Sind Kausalerklärungen D-N-Erklärungen? Hempel bestreitet, daß alle D-N-Erklärungen einzelner Ereignisse Kausalerklärungen sind. 9 Aber auf jeden Fall sind für ihn alle Kausalerklärungen Hempel/Oppenheim, Studies in the Logic of Explanation. Diesem Aufsatz verdankt das Modell die in Deutschland gebräuchliche Bezeichnung "Hempel-Oppenheim-Schema". Hempels eigene Bezeichnung "Deductive-nomological explanation" verwendet er erst in dem späteren Aufsatz The Logic of Functional Analysis (S. 299) und die prominente Abkürzung "D-N explanation" in Aspects of Scientific Explanation. Die Auffassung, daß zumindest ein Teil der wissenschaftlichen Erklärungen einzelner Ereignisse diesem Modell zu folgen hätten, findet sich z.B. bei Karl Popper, The Logic of Scientific Discovery, Kapitel 3, Rudolf Carnap, Philosophical Foundations of Physics, Abschnitt 1, und Ernest Nagel, The Structure of Science, S. 32. Vgl. zu dem Modell auch Kims Enzyklopädieartikel Explanation in Science. Man kann statt dessen das Explanans selbst auch wieder als Text, bestehend aus mehreren deskriptiven und gesetzesartigen Sätzen auffassen. Das macht für das weitere keinen Unterschied. Vor allem in Aspects of Scientific Explanation, S. 352. Hempel bestreitet, daß alle D-N-Erlärungen einzelner Ereignisse Kausalerklärungen sind, weil man z.B. die Zeit, die ein Pendel für eine Schwingung braucht, durch den Hinweis auf seine Länge und die

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D-N-Erklärungen. 10 Wenn das richtig ist, dann beantwortet das Schema für D-N-Erklärungen die eingangs gestellte Frage, welche Bedingungen potentielle Kausalerklärungen erfüllen müssen, um tatsächliche Kausalerklärungen zu sein: Das Explanans muß erstens wahr sein und zweitens deduktiv auf das Explanandum schließen lassen. Doch in dieser Form ist die Bedingung als notwendige Bedingung für Kausalerklärungen viel zu scharf. Die Frage, ob das Nachgeben des Brückenpfeilers den Einsturz der Brücke kausal erklärt, läßt sich nicht einfach dadurch negativ beantworten, daß man darauf hinweist, daß dem vermeintlichen Explanans das allgemeine Gesetz fehlt. In den wenigsten alltäglichen Kausalerklärungen ist von Gesetzen die Rede, vor allem nicht von den strengen Naturgesetzen, die Hempel unter "Gesetz" versteht. Das spricht entschieden gegen die Subsumtion der Kausal- unter die D-N-Erklärungen und zwingt Hempel dazu, seine Behauptung zu der These abzuschwächen, alltägliche Kausalerklärungen seien elliptische Formen von D-N-Erklärungen. ^ Es ist zum Verständnis dieser Modifikation wichtig, daß Hempel das Wort "elliptisch" hier in einem speziellen Sinn verwendet. Gewöhnlich ist ein sprachlicher Ausdruck elliptisch, wenn sich die zu seinem Verständnis nötige Ergänzung von selbst versteht oder aus dem Kontext ergibt. Aber in diesem Sinn sind alltägliche Kausalerklärungen sicher nicht elliptisch. Niemand würde die Erklärung verstehen, daß die Brücke eingestürzt sei, weil ein Pfeiler nachgegeben habe, wenn dies voraussetzte, daß man in der Lage ist, sie zu einer vollständigen D-N-Erklärung zu ergänzen. Das also kann Hempel nicht meinen. An einer anderen Stelle macht er deutlicher, was er unter einer elliptischen Erklärung v e r s t e h t : 1 ^ Eine elliptische Erklärung setzt voraus, daß es Gesetze gibt, die die Erklärung zu einer vollständigen D-N-Erklärung ergänzen würden. Doch weder der, der die Erklärung gibt, noch der, der sie versteht, muß diese Gesetze kennen. Dieses Verständnis der Kausalerklärungen kommt unserer epistemischen Situation in bezug auf die meisten Naturgesetze schon viel näher. Darüber hinaus beschränkt sich unsere Unwissenheit aber nicht allein auf die Gesetze, die die Kausalerklärungen zu D-N-Erklärungen ergänzen würden, auch die gesetzmäßig verknüpften Eigenschaften werden in der Regel in Kausalerklärungen nicht genannt. So gibt es sicher kein Naturgesetz, das den Schluß von "Der Pfeiler gibt nach" auf "Die Brücke stürzt ein" rechtfertigt. Was zumindest hinzukommen müßte, sind nähere Beschreibungen der Umstände des Nachgebens des Pfeilers und des Zusammensturzes der Brücke. Auch in dieser Hinsicht sind alltägliche Kausalerklärungen also gegenüber den D-N-Erklärungen stark ergänzungsbedürftig, und auch hierbei handelt es sich nicht um eine harmlose Ellipse im gebräuchlichen Sinn. Man kann sehr wohl die Kausalerklärung des Brückeneinsturzes verstehen, ohne die geringste Ahnung zu haben, wie man die Beschreibung des Nachgebens des Pfeilers oder des Brückeneinsturzes so erweitern könnte, daß eine Chance für ein den Schluß deckendes Gesetz besteht.

Pendelgesetze erklären kann. In meinen Augen zeigt das eher, daß hier nicht das Eintreten eines Ereignisses, sondern dessen Eigenschaft erklärt wird.

Aspects of Scientific Explanation, S. 349. Aspects of Scientific Explanation, S. 415. Aspects of Scientific Explanation, S. 349.

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Daß Kausalerklärungen elliptische D-N-Erklärungen sind, bedeutet also, daß sie sich durch weitere Beschreibungen der Randbedingungen und die Nennung von Gesetzen zu kompletten D-N-Erklärungen ergänzen ließen. Dies ist Hempels Antwort auf die Ausgangsfrage, unter welchen Bedingungen ein Satz Explanans eines anderen Satzes ist. Aber diese Antwort ist unbefriedigend. Zum einen läßt sich trotz der schwachen Forderung für elliptische D-N-Erklärungen immer noch bezweifeln, daß Kausalerklärungen sie erfüllen, zum anderen läßt dieses Verständnis der Kausalerklärungen es rätselhaft erscheinen, weshalb Kausalerklärungen adäquate Ereigniserklärungen sind. Der Grund dafür, daß vermutlich die wenigsten gewöhnlichen Kausalerklärungen elliptische D-N-Erklärungen sind, liegt in der Annahme Hempels, man könne die Beschreibungen des Explanans und Explanandums so ergänzen, daß sie unter ein Gesetz fallen. Sehr viel wahrscheinlicher ist hingegen, daß man ganz andere Beschreibungen braucht, um zu D-N-Erklärungen zu gelangen. Es ist nicht nur so, daß man mehr über die Umstände des Nachgebens des Brückenpfeilers und des Brückeneinsturzes wissen muß, um vom einen auf das andere schließen zu können, die Tatsache, daß es sich um ein Nachgeben eines Brückenpfeilers, bzw. ein Einstürzen einer Brücke handelt, ist für die Subsumtion unter Naturgesetze vollständig irrerelevant. Brücken und deren Pfeiler kommen in Naturgesetzen nicht vor. Die Begrifflichkeit alltäglicher Kausalerklärungen überschneidet sich nicht mit der der Naturgesetze. Aus diesem Grund reicht es nicht aus, die Erklärung im Brückenbeispiel als nur ergänzungsbedürftig ansehen, um sie den D-N-Erklärungen anzugleichen; wenn man eine D-N-Erklärung möchte, dann muß man Explanandum und Explanans vollständig ersetzen. Das zeigt, daß es überhaupt keinen Sinn macht, die Brückenerklärung als eine elliptische D-N-Erklärung zu betrachten, und es zeigt, daß generell das Verhältnis zwischen Kausalerklärungen und D-N-Erklärungen viel zu vage ist, um zu erläutern, worin sich tatsächliche von nur potentiellen Kausalerklärungen unterscheiden.13 Dieses Ergebnis wird noch durch die Feststellung gestützt, daß Kausalerklärungen das Eintreten einzelner Ereignisse erklären, daß also jede Charakterisierung der Kausalerklärungen zeigen muß, daß Kausalerklärungen adäquat im Sinne von Hempels Adäquatheitsbedingung für Ereigniserklärungen sind, während elliptische D-N-Erklärungen (anders als echte D-N-Erklärungen) diese Adäquatheitsbedingung in der Regel nicht erfüllen. Allein die Kenntnis eines Teils der deskriptiven Prämisse einer D-N-Erklärung ohne Kenntnis des Rests und ohne Kenntnis des passenden Gesetzes erlaubt keinerlei Vorhersage und erklärt deshalb auch nicht das Eintreten eines Ereignisses. Hempels Vorschlag, Kausalerklärungen als elliptische D-N-Erklärungen anzusehen, scheitert zum einen daran, daß die Unterschiede zwischen dem für echte D-N-Erklärungen benötigten und dem in Kausalerklärungen tatsächlich verwendeten begrifflichen Instrumentariums zu groß sind, um letztere als bloß ergänzungsbedürftig aufzufassen, zum anderen scheitert er daran, daß gerade die Unvollständigkeit elliptischer D-N-Erklärungen diese ihres Charakters als Erklärungen beraubt und somit der Vorschlag die explanatorische Kraft der Kausalerklärungen rätselhaft erscheinen läßt. Es stellt sich also erneut die Frage, wann Dieser Einwand geht auf Davidson zunick (Actions, Reasons, and Causes, S. 17).

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ein Satz bzw. die Äußerung dieses Satzes ein Explanans in einer Kausalerklärung ist.

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Weshalb wird die These, Kausalerklärungen seien elliptische D-N-Erklärungen, der explanatorischen Kraft der Kausalerklärung nicht gerecht? Während sie dazu zwingt, hinter jeder Kausalerklärung eine Menge impliziter Voraussetzungen zu akzeptieren, ignoriert sie einen wesentlichen anderen Bestandteil solcher Erklärungen, der schon im sechsten Kapitel eine wichtige Rolle gespielt hat: Die Erklärungen, die wir gewöhnlich geben und erhalten, stützen sich auf eine Fülle von Regelmäßigkeiten, Alltagsweisheiten, anschaulichen Modellen und naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen. Nichts von alledem kann beanspruchen, ein Naturgesetz zu sein (oder sich zu einem solchen ergänzen zu lassen); gleichwohl basiert die Unterscheidung zwischen richtigen und unrichtigen Kausalerklärungen auf deren Beziehung zu diesen Generalisierungen (wie sie oben genannt wurden). Die Generalisierungen bilden eine sehr wenig homogene Menge, sie reichen von meteorologischen Pseudoweisheiten wie "Regnet es am Siebenschläfer, regnet es die folgenden sieben Wochen" bis weit in die Wissenschaften hinein. Insbesondere kann man dazu auch eine spezielle Form wissenschaftlicher Gesetze zählen: die statistischen Gesetze. Und das suggeriert eine andere Strategie zur Beantwortung der Frage nach Bedingungen für Kausalerklärungen. Das primäre Interesse Hempels in Aspects of Scientific Explanation gilt wissenschaftlichen Erklärungen (obwohl er sich nicht auf diese beschränkt). In den Wissenschaften, vor allem in den Naturwissenschaften, aber spielen statistische Gesetze eine immer größere Rolle. Deshalb stellt Hempel in seiner Abhandlung der D-N-Erklärung einen anderen Typ von Erklärungen zur Seite, die induktiv-statistischen Erklärungen, kurz: l-S-Erldärungen. Da sich die D-N-Erklärung oben als ein wenig brauchbares Modell für Kausalerklärungen erwiesen hat, lohnt es sich, Kausalerklärungen mit I-S-Erklärungen zu vergleichen.14

Vgl. für das folgende Aspects of Scientific Explanation, S. 376 ff. und Hempels The Theoretician's Dilemma, S. 176-77.

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Kausalerklärungen

Grundlage der I-S-Erklärungen sind statistisch-probabilistische Gesetze (im folgenden kurz: statistische Gesetze), d.h. Gesetze die besagen: Die statistische Wahrscheinlichkeit, daß ein Ereignis mit einer Eigenschaft G eintritt, gegeben ein anderes Ereignis mit der Eigenschaft F tritt ein, hat einen bestimmten Wert r (zwischen Null und Eins). Formal: P(G,F) = r. Statistische Gesetze spielen unterschiedliche explanatorische Rollen. Sie können Prämissen in deduktiven Erklärungen sein. Diese Erklärungen nennt Hempel "deduktiv-statistische Erklärungen", um sie von deduktiven Erklärungen zu unterscheiden, die auf strikten Gesetzen beruhen. Deduktiv-statistische Erklärungen sind allerdings stets Erklärungen anderer statistischer Gesetze. 15 Das Eintreten eines Ereignisses läßt sich deduktiv-statistisch nicht erklären, denn aus einem statistischen Gesetz der genannten Form folgt nicht, ob ein Ereignis eintritt oder nicht - auch nicht mit der Zusatzprämisse: (3 x) (x ist F), und ganz unabhängig von der Größe r. Doch interessant für die Parallele zu den Kausalerklärungen sind nur Ereigniserklärungen. Obwohl also statistische Gesetze deduktiv das Eintreten eines Ereignisses nicht erklären können, werden sie durchaus zur Ereigniserklärung herangezogen. Das illustriert das folgende Beispiel: "Ich habe ein Los gezogen, und die Wahrscheinlichkeit, durch das Ziehen eines Loses einen Gewinn zu machen war 1/1000. Das erklärt das folgende. Ich habe eine Niete gezogen. " Das ist keine deduktive Erklärung, das Explanandum folgt nicht aus dem Explanans, trotzdem ist es eine gute Erklärung. Es ist eine induktiv-slalislisehe Erklärung. Der Unterschied zwischen induktiven und deduktiven Erklärungen liegt im Verhältnis zwischen Explanans und Explanandum: Bei einer deduktiven Erklärung müssen Explanans und Explanandum Prämissen und Konklusion eines gültigen deduktiven Schlusses, bei induktiven Erklärungen eines gültigen induktiven Schlusses sein. Generell hat ein induktiver Schluß folgende Form: (3 x)(x ist F) & P(G,F) = r. Das macht wahrscheinlich: (3 x)(x ist G). Doch das Verhältnis zwischen induktivem Schluß und I-S-Erklärung ist nicht so einfach wie das zwischen deduktivem Schluß und D-N-Erklärung. Die wahren Prämissen jedes gültigen deduktiven Schlusses erklären (wenn zu ihnen ein Gesetz gehört) die Konklusion. Aber dasselbe gilt ganz und gar nicht für induktive Schlüsse. Ein Beispiel Hempels für eine deduktiv statistische Erklärung ist die Erklärung dafür, daß (entgegen einer weit verbreiteten Ansicht) eine Serie von gleichen Würfen mit einem (idealen) Würfel die Wahrscheinlichkeit, daß bei einem erneuten Wurf abermals dieselbe Punktezahl oben liegt, nicht verringert (Vgl. Aspects of Scientific Explanation, S. 380).

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Zum einen gibt es bei induktiven Schlüssen kein Gegenstück zur deduktiven Dichotomie "die Konklusion folgt aus den Prämissen" vs. "die Konklusion folgt nicht aus den Prämissen". Die Prämissen eines induktiven Schlusses machen die induktive Konklusion mehr oder minder wahrscheinlich. Der Grad dieser induktiven Wahrscheinlichkeit entspricht der in dem statistischen Gesetz genannten statistischen Wahrscheinlichkeit r, d.h. der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, das G ist, gegeben ein Ereignis, das F ist. Aber natürlich bieten die induktiven Prämissen nicht unabhängig von der Höhe der induktiven Wahrscheinlichkeit eine I-S-Erklärung der Konklusion. Ob sie die Konklusion erklären, hängt davon ab, wie wahrscheinlich sie sie machen. Damit stellt sich die Frage nach einer Minimalwahrscheinlichkeit, die die Prämissen der Konklusion verleihen müssen, und jede derartige Festlegung ist willkürlich, bzw. abhängig vom Zweck der Erklärung. Man kann nur sagen, daß die Wahrscheinlichkeit 0,999 in dem Lotterie-Beispiel sicher ausreicht, und daß z.B. 0,5 zu wenig wäre. (Der Verweis auf die Gleichwahrscheinlichkeit von Kopf und Zahl erklärt nicht, daß eine Münze Kopf zeigt.) Aber ob z.B. die Wahrscheinlichkeit von 5/6 ausreicht, um zu erklären, daß jemand beim Russischen Roulett davongekommen ist, ist nicht definitiv zu beantworten. Neben der Unschärfe der Demarkationslinie zwischen explanatorischen und nicht explanatorischen Schlüssen gibt es noch einen anderen, zweiten Grund, weshalb man nicht unmittelbar von der Gültigkeit eines induktiven Schlusses auf die Richtigkeit einer I-S-Erklärung schließen darf. Unabhängig von der Höhe der induktiven Wahrscheinlichkeit, kann es sein, daß Hempels Adäquatheitsbedingung für Ereignis-Erklärungen nicht erfüllt ist. Mit anderen Worten: Jemand, der die Prämissen des induktiven Schlusses kannte, hätte nicht unbedingt erwarten müssen (oder erwarten dürfen), daß ein solches Ereignis eintritt, wie es das Explanandum behauptet. Der Grund dafür liegt in der, wie Hempel sie nennt, explanatorischen Ambiguität der I-S-Erklärungen}^ Es ist möglich, daß zwei induktive Schlüsse konsistente (und sogar wahre) Prämissen haben, doch einander widersprechenden Konklusionen jeweils eine hohe Wahrscheinlichkeit verleihen. Wenn aber alle induktiven Schlüsse I-S-Erklärungen lieferten und folglich ihre Konklusion als vorhersehbar erweisen würden, dann könnte jemand, der die Prämissen beider Schlüsse für wahr hält, sowohl die Wahrheit der einen als auch die der anderen Konklusion vorhersehen. Und damit könnte er auch ihre Konjunktion vorher16

Vgl. Aspects of Scientific Explanation, Inconsistencies, Abschnitte 2-4.

S. 394 ff., und auch Hempels

Inductive

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sehen - obwohl diese kontradiktorisch ist. Daraus folgt, daß die Annahme sicher falsch ist, daß allein die Tatsache, daß ein induktiver Schluß einer Konklusion eine hohe Wahrscheinlichkeit verleiht, es erlauben würde, die Wahrheit der Konklusion vorherzusehen. Das folgende von Davidson entlehnte (und leicht modifizierte) Beispiel illustriert die explanatorische Ambiguität der I-S-Erklärungen.17 Erster induktiver Schluß: "Das Barometer fällt stark. Die Wahrscheinlichkeit, daß es ant nächsten Tag regnet, wenn das Barometer stark fällt, ist 0,9. Das macht wahrscheinlich (mit der Wahrscheinlichkeit 0,9): Es regnet morgen." Zweiter induktiver Schluß: "Der ganze Himmel strahlt im Abendrot. Die Wahrscheinlichkeit, daß es am Tag nach einem ausgeprägten Abendrot nicht regnet, ist 0,9. Das macht wahrscheinlich (mit der Wahrscheinlichkeit 0,9): Es regnet morgen nicht. " Es passiert gelegentlich, daß bei Abendrot das Barometer fällt. Und wenn es passiert, dann sind alle vier Prämissen in den beiden induktiven Schlüssen wahr. Aber trotz der ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit, die die Prämissen den Konklusionen verleihen, weiß man nicht, welches Wetter man für den nächsten Tag vorhersagen soll. Und das heißt nach Hempels Adäquatheitsbedingung für Ereignis-Erklärungen: Weder erklärt der erste Text, daß es regnet, wenn es am nächsten Tag regnet, noch erklärt der zweite, daß es nicht regnet, wenn es nicht regnet. Allein die Form induktiver Schlüsse plus eine ausreichend hohe induktive Wahrscheinlichkeit erklären noch nicht, daß ein Ereignis eintritt. Das meteorologische Beispiel zeigt, was hinzukommen muß: Die Wettervorhersage muß sich auf alle relevanten Informationen stützen, über die man verfügt. Man muß also berücksichtigen, daß sowohl das Barometer fällt, als auch ein ausgeprägtes Abendrot ist, und wenn man dies beides berücksichtigen möchte, dann helfen einem die statistischen Gesetze, die das fallende Barometer mit Regen und das Abendrot mit schönem Wetter verbinden, nicht weiter. Um in dem Beispiel überhaupt etwas über das kommende Wetter sagen zu können, muß man ein statistisches Gesetz kennen, daß eine Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Wetter nennt, wenn Abendrot und fallendes Barometer zusammenkommen; und ein solches Gesetz läßt sich aus den beiden im Beispiel genannten statistischen Gesetzen nicht herleiten. Aus diesem Grund ergänzt Hempel die Bedingungen für I-S-Erklärungen um die Forderung maximaler Ausführlichkeit (,requirement of maximal specifity)18: Eine induktive Erklärung muß auf einem Vgl. How Is Weakness of the Will Possible?, S. 37-38. Aspects of Scientific Explanation, S. 399 ff. Hempel beruft sich hierfür auf Rudolf Carnap.

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induktiven Schluß beruhen, dessen Prämissen das gesamte für das zu erklärende Eintreten des Ereignisses relevante Wissen umfassen. 19 Diese Forderung hat zwei Konsequenzen für I-S-Erklärungen: Zum einen hängt die Frage, ob ein induktiver Schluß eine induktive Erklärung eines Ereignisses liefert, (anders als bei den D-N-Erklärungen) nicht allein von der Form des Schlusses und der Wahrheit der Prämissen (und Konklusion) ab. Ob das LotterieBeispiel oben eine I-S-Erklärung ist, kann man nur beurteilen, wenn man die anderen Informationen hinzuzieht, die man über das zu erklärende Ereignis hat. Zum anderen relativiert die Forderung (ebenfalls anders als bei D-N-Erklärungen) den Begriff einer Erklärung auf einen bestimmten Wissensstand; Hempel bezeichnet dies als die epistemische Relativität statistischer Erklärungen.20 Das also sind zusammengefaßt die Bedingungen dafür, daß ein Text relativ zu einem bestimmten Wissensstand eine I-S-Erklärung ist: 1. Das Explanandum folgt induktiv aus dem Explanans. 2. Das Explanans umfaßt ein statistisches Gesetz. 3. Explanans und Explanandum sind wahr. 4. Das Explanans macht das Explanandum ausreichend wahrscheinlich. 5. Der induktive Schluß vom Explanans auf das Explanandum erfüllt die Forderung maximaler Ausführlichkeit. Die ersten drei Bedingungen haben Pendants in den Bedingungen für D-N-Erklärungen, die vierte und fünfte Bedingung nicht. Es fragt sich nun, ob die I-S-Erklärungen eher zum Verständnis der Kausalerklärungen beitragen als die D-N-Erklärungen.

Die Gesetze, auf denen I-S-Erklärungen beruhen, sind statistisch-probabilistische Gesetze, d.h. Gesetze, die bedingte Wahrscheinlichkeiten des Eintretens eines Ereignisses eines Ereignistyps als numerischen Wert angeben. Aber gerade die Vagheit der Grenze zwischen noch explanatorisehen und nicht mehr explanatorischen induktiven Wahrscheinlichkeiten deutet darauf hin, daß solche Erklärungen nicht unbedingt auf statistische Gesetze angewiesen sind. In dem WetterBeispiel findet sich das statistische Gesetz "Die Wahrscheinlichkeit, daß es am nächsten Tag regnet, wenn das Barometer stark fällt, ist 0,9", aber dieselbe Funktion würden auch Generalisierungen wie "Es ist höchst wahrscheinlich, daß es am nächsten Tag regnet, wenn das Barometer stark fällt" oder "Wenn das Barometer stark fällt, regnet es gewöhnlich am nächsten Tag" erfüllen, d.h. Aspects of Scientific Explanation, S. 400-401. Aspects of Scientific Explanation, S. 402.

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Generalisierungen, in denen sich keine numerische Angabe, sondern nur eine qualitative Charakterisierung der statistischen Wahrscheinlichkeit findet ("höchst wahrscheinlich", "gewöhnlich"). Und es sind, wie oben gesagt, diese Generalisierungen, die eine wichtige Rolle in Kausalerklärungen spielen und denen Hempels Subsumtion der Kausalerklärungen unter die D-N-Erklärungen nicht gerecht wird. Kann man also sagen, daß Kausalerklärungen I-S-Erklärungen sind, in dem weiten Sinn, in dem eine I-S-Erklärung nicht unbedingt auf einem statistischen Gesetz mit numerischer Angabe der Wahrscheinlichkeit beruhen muß, sondern auf irgendeiner Generalisierung? Ein Indiz dafür, daß Kausalerklärungen tatsächlich I-S-Erklärungen sind, ist, daß sie alle fünf notwendigen Bedingungen für I-S-Erklärungen erfüllen müssen. Bei der dritten Bedingung ist dies offensichtlich, Explanans und Explanandum einer Kausalerklärung müssen wahr sein. Die zweite Bedingung fordert, daß eine induktive Erklärung auf Generalisierungen basiert, und die erste Bedingung spezifiziert die Art dieses Basierens als induktiv. Die Diagnose des Scheiterns der Analyse der Kausalerklärungen als D-N-Erklärungen bestand nun gerade in der Feststellung, daß damit die Rolle der Generalisierungen, die keine strikten Gesetze sind, außer Acht gelassen wird. Diese sind es, die die Konklusion vorhersehbar, und das heißt zumindest: wahrscheinlicher, machen müssen. Insofern ist auch die erste und zweite Bedingung erfüllt. Und natürlich erklären Generalisierungen nur dann das Auftreten eines Ereignisses, wenn sie es im eigentlichen Sinn des Wortes wahrscheinlich machen, d.h. ihm eine hohe Wahrscheinlichkeit zuweisen. Deshalb erfüllen Kausalerklärungen auch die vierte Bedingung. Die Höhe der induktiven Wahrscheinlichkeit ist zudem ein Kriterium dafür, unter den richtigen Kausalerklärungen zwischen mehr oder minder guten, bzw. mehr oder weniger aussagekräftigen Erklärungen zu unterscheiden. Es ist allerdings sicher nicht das einzige Kriterium, auch der Allgemeinheitsgrad der Generalisierung oder der Umfang des der Erklärung zugrunde liegenden Wissensstandes erlauben solche Differenzierungen. Nun wäre es offenkundig falsch zu behaupten, daß in allen Kausalerklärungen die Generalisierungen genannt würden, auf denen sie beruhen. Hempel hat recht, daß normalerweise in Erklärungen ein Teil der Prämissen nicht explizit gemacht werden. Doch während sich aus dieser Feststellung ein schwerwiegender Einwand gegen Hempels Subsumtion der Kausal- unter die D-N-Erklärungen ergibt, ist sie für die Subsumtion unter die I-S-Erklärungen ganz harmlos. Wären Kausalerklärungen D-N-Erklärungen, dann müßten sie elliptisch in Hempels speziellem Sinn sein und dann wäre nicht mehr zu erkennen, wie die Kausal-

Kausalerklärungen

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erklärungen seine Adäquatheitsbedingung für Ereignis-Erklärungen erfüllen könnten. Sind Kausalerklärung dagegen I-S-Erklärungen, dann handelt es sich bei den impliziten Prämissen nicht um uns weithin verborgene Naturgesetze, sondern um einfache Generalisierungen, und man kann davon ausgehen, daß sowohl der Erklärende, als auch der Adressat der Erklärung diese impliziten Prämissen kennen bzw. sie erschließen können. Das heißt, solche Erklärungen sind elliptisch im gewöhnlichen Wortsinn und erfüllen damit die Adäquatheitsbedingung

für Ereigniserklärungen

ebenso

gut wie

vollständig

explizite

I-S-Erklärungen. Der wichtigste Anhaltspunkt dafür, daß Kausal erklärungen tatsächlich I-S-Erklärungen sind, ist die Tatsache, daß sie auch die fünfte Bedingung erfüllen müssen. Für I-S-Erklärungen ist die fünfte Bedingung nötig, weil ohne sie das Problem der explanatorischen Ambiguität entsteht. Nur derjenige induktive Schluß, dessen Prämissen alle Informationen aus dem zur Verfügung stehenden Wissensschatz umfaßt, die die induktive Wahrscheinlichkeit der Konklusion möglicherweise beeinflussen, sollte der Vorhersage und damit auch der Erklärung (relativ zu diesem

Wissensschatz) dienen. Daß auch

Kausal-

erklärungen derselben Forderung unterliegen, hat sich bereits im letzten Abschnitt im Brückenbeispiel gezeigt. Der Text "Daß der Pfeiler nachgab, verursachte den Einsturz der Brücke" kann als Teil der Zeitungsmeldung oder zu Beginn des Expertengutachtens richtig sein, ohne daß dies ausschließt, daß er an anderer Stelle in dem Gutachten dem Text "Daß der Pfeiler ruckartig nachgab, verursachte den Einsturz der Brücke" gegenübergestellt und als unrichtig bezeichnet wird. Wie kann das sein? Einen Hinweis gibt die in solchen Zusammenhängen häufig verwendete Redewendung, das eine sei korrekt, aber genau genommen sei es nicht korrekt und etwas anderes korrekt. ("Genau genommen hat nicht das Nachgeben des Pfeilers den Einsturz verursacht, sondern sein ruckartiger Einsturz. ") Mit dieser Redewendung wird nicht gesagt, daß ein Satz falsch ist, der wahr zu sein scheint, es wird gesagt, daß derselbe Text, der jetzt richtig ist, vor dem Hintergrund weiterer, 'genauerer' Informationen geäußert, unrichtig wäre. Auch Kausalerklärungen sind relativ zu einem bestimmten Informationsstand. In dem Brückenbeispiel heißt das: Ergänzt man das Wissen des Zeitungsieseis durch weitere Details über die Brückenkonstruktion, die verwendeten Materialien, die prophylaktischen Überlegungen der Architekten und eine Vielzahl technischer Zusammenhänge (wie dies die Experten in ihrem Gutachten tun), dann kann es sein, daß der Leser vor diesem größeren Wissenshintergrund nicht mehr erwarten würde, daß die Brücke zusammenstürzt, wenn der Pfeiler nachgibt; und das heißt: der Satz "Der Pfeiler gab nach" würde diesem kenntnisreicheren Leser nicht mehr erklären, weshalb die

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Kausalerklärungen

Brücke zusammenbrach. Erst wenn er hört, daß der Pfeiler ruckartig nachgab, versteht er den Einsturz der Brücke. Und erfährt er aus der Expertise noch weitere Details, dann kann es sein, daß ihm auch das ruckartige Nachgeben keine Erklärung mehr bietet, sondern erst der Verweis darauf, daß der Pfeiler bei starkem Frost ruckartig nachgegeben hat. Während sich die Relativität der Kausalerklärungen also exakt mit der epistemischen Relativität statistischer Erklärungen deckt, wäre sie unter der Voraussetzung, daß Kausalerklärungen D-N-Erklärungen sind, völlig unverständlich, sie spricht damit deutlich für das Verständnis der Kausal- als I-S-Erklärungen. (Hempel selbst weist ausdrücklich darauf hin, daß sich D-N-Erklärungen einfach in wahre und falsche Erklärungen unterscheiden lassen, während die epistemische Relativität eine entsprechende Unterscheidung der I-S-Erklärungen nicht zuläßt. 21 Und alle Beispiele zeigen, daß Kausalerklärungen hier auf der Seite der I-S-Erklärungen zu finden sind.) Daß Kausalerklärungen die fünfte Bedingung erfüllen müssen, ist aber nicht nur ein Indiz dafür, daß man sie als I-S-Erklärungen ansehen sollte, es zeigt auch, weshalb es letztlich nicht genügt, in den Erfüllungsbedingungen für den offenen Satz "... erklärt ... kausal" auf die im Explanans und Explanandum geäußerten Sätze Bezug zu nehmen. Würde es sich bei Kausalerklärungen um D-N-Erklärungen handeln, dann hinge ihre Richtigkeit ausschließlich von den geäußerten Sätzen ab, unabhängig davon, wer sie wo und unter welchen Umständen äußert. Die Relativierung auf das gesamte in einer Erklärungssituation zur Verfügung stehende Wissen in der fünften Bedingung, zwingt dagegen zum Rekurs auf die, Äußerung selbst. *

Eine Antwort auf die Ausgangsfrage dieses Abschnitts lautet also, daß zwei Äußerungen den offenen Satz "... erklärt... kausal" nur dann erfüllen, wenn sie die fünf Bedingungen für I-S-Erklärungen erfüllen. Doch diese Antwort reicht noch nicht aus. Kausalerklärungen sind zwar I-S-Erklärungen, aber nicht jede I-S-Erklärung ist eine Kausalerklärung. Wenn das Barometer fällt und es am darauf folgenden Tag regnet (und zudem die anderen Bedingungen für I-S-Erklärungen erfüllt sind), dann erklärt zwar das Fallen des Barometers den Regen - doch es erklärt ihn nicht kausal. Was offenkundig fehlt, ist eine Kausalbeäehung zwischen den beiden Ereignissen. Nur wenn die Veränderung des Aspects of Scientific Explanation, S. 403.

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Barometers eine Ursache des Regens gewesen wäre, wäre der Hinweis auf diese Veränderung eine Kausalerklärung des Regens gewesen. Die zusätzliche, sechste Bedingung, die eine Kausalerklärung neben den fünf Bedingungen für I-S-Erklärungen erfüllt, muß also etwas mit dem Bestehen einer Kausalbeziehung zu tun haben. Und der einfachste Vorschlag lautet: Im Explanans muß die Existenz eines Ereignisses behauptet werden, das eine Ursache des Ereignisses ist, dessen Existenz das Explanandum behauptet. Dieser Vorschlag für eine sechste Bedingung erklärt den intuitiven Unterschied zwischen dem Barometer- und dem Brückenbeispiel und vor allem sagt er etwas darüber, was Kausalerklärungen überhaupt mit Kausalität zu tun haben. Gleichwohl kann er so nicht stehen bleiben. Denn sonst müßte jede Kausalerklärung in ihrem Explanans die Existenz eines Ereignisses behaupten (der Ursache). Doch das würde gerade das Beispiel, das der Aufhänger für die Diskussion der Kausalerklärungen in diesem Kapitel war, Goldmans JohnBeispiel, nicht erfüllen: "Daß John gereizt ist, ist die Ursache dafür, daß er laut Hallo sagt" ist, wie im letzten Kapitel erläutert, ein Text, bestehend aus den drei Sätzen: "John ist gereizt", "Das erklärt kausal das folgende" und "John sagt laut Hallo". Und der erste Satz hat die logische Form "Es gibt jemanden, der John heißt und gereizt ist", ist also kein Ereignissatz. Goldmans Beispiel erfüllt die vorgeschlagene sechste Bedingung also nicht, und damit ist entweder Goldmans Beispiel tatsächlich keine Kausalerklärung oder die sechste Bedingung nicht notwendig. Da nun die ganze Argumentation des letzten Kapitels in der Feststellung mündet, daß der Unterschied zwischen den beiden John-Beispielen darin zu suchen sei, daß seine Gereiztheit nicht erklärt, daß er Hallo sagt, wohl aber daß er laut Hallo sagt - und zwar kausal erklärt -, ist ein Verständnis kausaler Erklärungen, das diese Feststellung nicht deckt, nicht akzeptabel. Das spricht gegen die Notwendigkeit der sechsten Bedingung. Man könnte versuchen, den Widerspruch dadurch aufzulösen, daß man die JohnBeispiele als elliptische Kausalerklärungen ansieht. Wie oben betont, werden in den wenigsten I-S-Erklärungen alle Prämissen wirklich genannt. Zumeist fehlt die Generalisierung, auf die sich die Erklärung stützt, weil der Erklärende davon ausgehen kann, daß sich diese von selbst versteht, und es ist durchaus auch denkbar, daß in einer Kausalerklärung der Ereignissatz fehlt und nur die Generalisierung genannt wird, die den induktiven Schluß ermöglicht. (Das folgende ist vielleicht ein Beispiel dafür: "Der Autounfall heute morgen läßt sich ganz einfach erklären: Wenn es bei gefrorenem Boden in Bodensenken neblig wird, bilden sich dort sehr schnell kurze Glatteisinseln, auf die die Autofahrer nicht vorbereitet sind. ") Aber in diesem harmlosen Sinn ist das John-Beispiel nicht elliptisch. Weder der Erklärende, noch der Adressat der Erklärung müssen eine Ursache des lauten Hallo-Sagens kennen oder erschließen können. Trotzdem erklärt Johns Gereiztheit sein lautes Hallo-Sagen kausal. Die vorgeschlagene sechste Bedingung ist auch auf diese Weise nicht aufrecht zu erhalten.

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Das John-Beispiel führt also in das Dilemma, daß auf der einen Seite Kausalerklärungen etwas mit Kausalität, und das heißt mit dem Bestehen von Kausalbeziehungen zwischen Ereignissen, zu tun haben müssen, daß es auf der anderen Seite aber Kausalerklärungen gibt, deren Explanans keine Existenzbehaupung über Ereignisse umfaßt und die deshalb dem naheliegenden Vorschlag widersprechen, daß eine Kausalerklärung eine I-S-Erklärung ist, bei der das Explanans-Ereignis eine Ursache dessExplanandum-Ereignisses ist. Die Alternative zu diesem Vorschlag, die dieses Dilemma löst, lautet meines Erachtens: Kausalerklärungen sind I-S-Erklärungen, die deshalb korrekt sind, weil sie zugleich I-S-Erklärungen einer Ursache des Explanandum-Ereignisses sind. Wie ist das zu verstehen? Eine Kausalerklärung besteht, wie gesagt, aus dem Explanans, das sich aus einem oder mehreren deskriptiven Sätzen und einem oder mehreren statistischen Gesetzen oder Generalisierungen zusammensetzt, und aus dem Explanandum, das ein Ereignissatz ist. Das Explanans muß die fünf Bedingungen für I-S-Erklärungen erfüllen. Das heißt unter anderem, daß es einen induktiven Schluß auf das Explanandum erlauben muß. Das Besondere an Kausalerklärungen ist nun in meinen Augen, daß sich bei ihnen die Gültigkeit dieses Schlusses aus der Gültigkeit eines anderen Schlusses herleitet. Dieser andere Schluß ist ebenfalls induktiv, und seine Konklusion ist auch ein Ereignissatz; ein Ereignissatz, der die Existenz eines Ereignisses behauptet, das eine Ursache desjenigen Ereignisses ist, dessen Existenz das eigentliche Explanandum behauptet. Goldmans Beispiel ist dem zufolge nur dann eine Kausalerklärung, wenn das Explanans, zu dem die Aussage gehört, daß John gereizt ist, es wahrscheinlich macht, daß eine Ursache des lauten Hallo-Sagens eintritt, und es deshalb wahrscheinlich macht, daß John laut Hallo sagt. Dies setzt allerdings voraus, daß die statistischen Gesetze oder Generalisierungen, auf denen eine Kausalerklärung beruht, etwas über die bedingte Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Ursachen des Ereignisses sagen, das es zu erklären gilt. Doch das ist eine einleuchtende These. Goldmans Beispiel ist eine korrekte Erklärung, weil wir wissen, daß wahrscheinlich in jemandem, der so wie John gereizt ist, vieles vorgeht, das ihn laut werden läßt; der deskriptive Teil des Explanans liefert nicht nur einen Anhaltspunkt für das zu erklärende Lautwerden Johns, sondern auch dafür, daß gerade etwas geschieht, das dieses Lautwerden nach sich ziehen wird. Damit ist nicht gesagt, daß wir nicht den

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direkten Zusammenhang zwischen Gereiztsein und Lautwerden kennen. Wegen des analytischen Zusammenhangs zwischen dem Eintreten einer Ursache eines Ereignisses und dem Eintreten des Ereignisses selbst, folgt aus jeder Generalisierung über Ursachen bestimmter Ereignisse eine Generalisierung über die Ereignisse selbst. Aber entscheidend für Kausalerklärungen ist in meinen Augen, daß sie nicht nur auf diesen Generalisierungen über die Ereignisse selbst beruhen, sondern aussagekräftiger sind, weil sie sich auf die stärkeren Generalisierungen über die Ursachen der zu erklärenden Ereignisse stützen. Ein Teil der genannten Bedingung ist damit noch nicht berücksichtigt. Wenn eine Kausalerklärung eine I-S-Erklärung des Eintretens einer Ursache des Explanandum-Ereignisses sein soll, dann reicht es nicht aus, daß ihr Explanans einen induktiven Schluß auf das Eintreten dieser Ursache erlaubt, es müssen auch die weiteren Bedingungen für I-S-Erklärungen erfüllt sein. Insbesondere muß diese Ursache tatsächlich eintreten. Das zeigt, inwiefern auch dank dieser Bedingung aus jeder Kausalerklärung eine Kausalaussage folgt. Allerdings ist diese Kausalaussage nicht immer sehr aufschlußreich, im JohnBeispiel besagt sie nur, daß eine Ursache des lauten Hallo-Sagens das laute Hallo-Sagen verursacht hat. Interessanter wird sie, wenn man Kausalerklärungen betrachtet, deren Explanantia Ereignissätze umfassen. Auch hier gilt die Bedingung, daß diese Erklärungen nur dann Kausalerklärungen sind, wenn sie I-S-Erklärungen von Ursachen der zu erklärenden Ereignisse sind. Allerdings kommt noch eine weitere Bedingung hinzu. Der Hinweis auf das Nachgeben des Brückenpfeilers erklärt kausal den Brückeneinsturz, weil er eine I-S-Erklärung einer Ursache des Brückeneinsturzes liefert - wenn ein Pfeiler nachgibt, dann weiß man, daß wahrscheinlich etwas passiert, was die Brücke zum Einsturz bringt. Aber das, was da passiert, ist das Nachgeben des Brückenpfeilers selbst. Das heißt, die Kausalerklärung setzt voraus, daß der Hinweis auf das Eintreten des Explanans-Ereignisses (des Nachgebens des Pfeilers) eine I-S-Erklärung dafür bietet, daß eine Ursache des Explanadum-Ereignisses (des Brückeneinsturzes) stattfindet, und daß es sich dabei um eben dieses Explanans-Ereignis handelt. Ich glaube, daß diese modifizierte Bedingung notwendig dafür ist, daß ein Text eine Kausalerklärung ist. Vor allem aber ist die Bedingung auch hinreichend. Denn daraus, daß etwas das induktiv-statistische Explanans des Eintretens der Ursache eines Ereignisses ist, folgt, daß es das Eintreten des Ereignisses selbst induktiv-statistisch erklärt (mit der impliziten Zusatzprämisse, daß eine Ursache eines Ereignisses nur dann eintritt, wenn das Ereignis eintritt).

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Die ersten fünf Bedingungen werden also von der sechsten impliziert. Zusammenfassend Iäßt sich deshalb sagen: Ein Text ist dami und nur dann eine Kausalerklärung, wenn er eine I-S-Erklärung des Stattfindens einer Ursache des Explanandum-Ereignisses ist - und sollte er im Explanans die Existenz eines Ereignisses behaupten, ist er eine Kausalerklärung dann und nur dann, wenn er eine I-S-Erklärung des Stattfindens dieses Ereignisses als einer Ursache des Explanandum-Ereignisses ist.

Für dieses Verständnis der Kausalerklärungen spricht auch, daß es das Befremden reduziert, das die Behauptung des vorigen Kapitels erzeugt, das gesamte, alltäglich verwendete Kausalitätsvokabular sei mehrdeutig (der Ausdruck "verursachen" z.B. könne sowohl in Kausalaussagen als auch in Kausalerklärungen verwendet werden). Wenn das Bestehen einer Kausalbeziehung eine notwendige Bedingung für das Vorliegen einer Kausalerklärung ist, dann ist es nicht schwer zu verstehen, daß die Sprache zwischen Kausalaussage und -erklärung oszilliert. Wer einen Text wie "Daß jemand eine Brandbombe in das Tanklager geworfen hat, war die Ursache daßr, daß es explodiert ist" äußert, kann durchaus offen lassen, ob es sich dabei um eine Kausalerklärung oder Kausalaussage handelt. Dieser Unterschied kommt erst dann zum Tragen, wenn jemand der Äußerung widerspricht. Lautet z.B. die Erwiderung: "Nicht daß jemand eine Brandbombe in das Tanklager geworfen hat, sondern daß er sie genau an den Abfüllstutzen eines der Tanks geworfen hat, war die Ursache der Explosion", dann zeigt dies, daß die Äußerung als Kausalerklärung aufgefaßt wurde, denn mit dieser Erwiderung wird nicht bezweifelt, das die Explosion eine kausale Folge des Bombenwurfs war, sondern nur, daß das Werfen einer Brandbombe in das Tanklager die Explosion erklärt. Die Erwiderung zeigt aber auch, daß man eine Kausalerklärung eindeutig als solche kennzeichnen und von Kausalaussagen unterscheiden kann, indem man sie mit einer anderen, unzureichenden (potentiellen) Kausalerklärung kontrastiert, die als Kausalaussage verstanden aufgrund derselben Kausalbeziehung wahr wäre wie sie. Um dem Sprecher keinen offensichtlichen Widerspruch zu unterstellen, muß man ihn dann so verstehen, daß er keine Kausalaussage im Sinn hat, sondern eine Kausalerklärung. (Das gilt z.B. für die Formulierungen in dem Expertenbericht über den Brückeneinsturz.) Umgekehrt gibt es auch Äußerungen, die als Kausalerklärungen so eindeutig unzureichend sind, daß man sie nur als Kausal aussagen auffassen kann. Generell kann man sagen: Je offen-

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sichtlicher es ist, daß ein Text als Kausalerklärung unzureichend ist, d.h. je geringer die induktive Wahrscheinlichkeit ist, die sich in der Lesart als Kausalerklärung ergibt, desto näher liegt die Lesart als Kausalaussage. Der Text "Daß jemand eine Bierflasche in das Tanklager geworfen hat, war die Ursache daßr, daß es explodiert ist" ist sicher eine Kausalaussage und keine Kausalerklärung. *

Der Anlaß für die Diskussion dieses und des vorigen Kapitels war Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis. Die in der Diskussion gewonnenen Ergebnisse lassen nun eine abschließende Bewertung dieses Arguments zu. Im letzten Kapitel zeigte es sich, daß jeder Vorschlag für die logische Form der Teilsätze der Goldman-Beispiele, der nicht mit der Endlichkeitsforderung kollidiert, den Schluß aus "John sagt laut Hallo" auf "John sagt Hallo" rechtfertigt und folglich mit dem feinkörnigen Ereignisverständnis unvereinbar ist. Außerdem zeigte es sich, daß die Beispiel-Sätze als Ganze keine logische Form haben, weil sie aus der Sicht der Wahrheitstheorie keine Sätze sondern Texte sind. Insofern können sie Goldmans Argument weder stützen noch widerlegen. Als letzte Option, den Schluß auf die unterschiedlichen Ursachen des HalloSagens und lauten Hallo-Sagens zu rechtfertigen, blieb deshalb nur die Idee, daß dieser Schluß analytisch aus den unterschiedlichen Wahrheitswerten der demonstrativen Mittelsätze gerechtfertigt werden könnte. In diesem Kapitel hat es sich nun gezeigt, daß auch diese Erwartung nicht erfüllt wird. Zum einen gibt es Kausalerklärungen, bei denen das Explanans keinen Ereignissatz umfaßt, die also keine Kausalbeziehung zwischen einem im Explanans und einem im Explanandum genannten Ereignis voraussetzen, und Goldmans Beispiel ist eine solche Kausalerklärung. Schon deshalb ist es als Indiz für die Korrektheit des feinkörnigen Ereignisverständnisses ungeeignet. Zum anderen gilt auch für geeignetere Beispiele wie das des Brückeneinsturzes, daß die Falschheit des demonstrativen Mittelsatzes in einer (potentiellen) Erklärung nur darauf hinweist, daß irgendeine der Bedingungen für Kausalerklärungen nicht erfüllt ist - es ist nicht gesagt, daß es gerade die ist, daß aus der Erklärung eine Kausalaussage folgt. Deshalb darf man daraus, daß zwar das ruckartige Nachgeben, nicht aber einfach das Nachgeben eines Brückenpfeilers den Brückeneinsturz kausal erklärt, nicht schließen, daß zwar das ruckartige Nach-

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geben, nicht aber das Nachgeben des Pfeilers eine Ursache des Brückeneinsturzes war; und also hat man abermals keine Handhabe gegen die Annahme der Identität dieser beiden Ereignisse. Deshalb komme ich zu dem Fazit, daß sich aus Beispielen wie dem John-Beispiel Goldmans oder dem Brücken-Beispiel kein Profit für das feinkörnige Ereignisverständnis ziehen läßt.

Kapitel 13 Abkehr von den Eigenschafts-Exemplifikationen

Die letzten Kapitel waren dem vordringlichen Ziel gewidmet, Goldmans Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis zu entkräften. Und wie es sich gezeigt hat, kann man in der Tat dem offenkundig vorhandenen Unterschied zwischen Goldmans Beispielsätzen gerecht werden, ohne seine Schlußfolgerung zu teilen, Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen hätten unterschiedliche Ursachen. Damit fällt das entscheidende Argument für das feinkörnige Ereignisverständnis weg, und es fragt sich nun, was das für die Debatte zwischen grobkörnigem und feinkörnigem Ereignisverständnis insgesamt bedeutet. Einerseits ist sie entschieden. Die Überlegungen zur logischen Form der Beispielsätze im elften Kapitel haben gezeigt, daß man nicht umhin kann, den Satz "John sagt laut Hallo" so zu verstehen, daß er den anderen Satz, "John sagt Hallo" logisch impliziert. Es muß also ein Ereignis geben, das sowohl ein HalloSagen als auch ein lautes Hallo-Sagen ist, und diese Konsequenz steht im direkten Widerspruch zum feinkörnigen Ereignisverständnis, so wie es im dritten Kapitel charakterisiert wurde. Andererseits schließt dies nicht aus - und das ist das Thema des ersten Abschnitts dieses Kapitels -, daß es trotzdem eine feinmaschige Vielfalt von Ereignissen gibt, daß also eine Art geläutertes feinkörniges Ereignisverständnis zutrifft. Was heißt das?

Im neunten Kapitel hat es sich bereits gezeigt, man auch unter der Voraussetzung, daß Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, nicht voraussetzen muß, daß Ereignissätze offen zur Schau stellen, welche konstitutiven Elemente die Ereignisse haben, von denen in ihnen die Rede ist. "Xanthippe wird Witwe" ist auch dann ein wahrer Ereignissatz, wenn es keine Cambridge events (also z.B. Ereignisse mit Xanthippe als Trägerin und der konstitutiven Eigenschaft, Witwe zu werden) gibt. Diese Feststellung über den bestenfalls lockeren Zusammenhang zwischen Ereignissätzen und den konstitutiven Eigenschaften von Ereignissen fand sich in den anschließenden Kapiteln bestätigt. "John sagt

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Hallo" hat die logische Form: Es gibt jemanden, der John heißt, und ein Ereignis, das sein Hallo-Sagen ist. Es wird in dem Satz also gesagt, daß ein Ereignis stattfindet, das in der Beziehung zu einer Person namens John steht, sein Hallo-Sagen zu sein. Und das heißt, es wird nicht gesagt, welchen Träger oder welche konstitutive Eigenschaft das betreffende Ereignis hat. Nun gibt es hier allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Träger (und auch dem Datum) auf der einen und der konstitutiven Eigenschaft auf der anderen Seite. John wird zwar in dem Satz nicht als Träger bezeichnet, und das Xanthippe-Beispiel zeigt zudem, daß man fehlgehen kann, wenn man die Personen oder Gegenstände, die in einem Ereignissatz genannt werden, für Träger hält, aber er ist zumindest ein Kandidat, ein potentieller Träger des Ereignisses, um das es in dem Satz geht. Eine entsprechende Kandidatin für die konstitutive Eigenschaft nennt der Satz dagegen nicht. Konstitutive Eigenschaften müssen stets Eigenschaften des Trägers sein - nimmt man an, daß John der Träger ist, muß es sich also um eine Eigenschaft Johns handeln. Doch die logische Form macht deutlich, daß es in dem Satz um eine Beziehung zwischen John und dem Ereignis selbst geht, eine Eigenschaft von John kommt gar nicht vor. Und eine Beziehung kann kein Ereignis konstituieren, das eines ihrer Relata ist. Trotzdem möchte man gerne wissen, vorausgesetzt Ereignisse sind Eigenschafts-Exemplifikationen, welche Eigenschaft John exemplifiziert, wenn das Ereignis eintritt, das sein Hallo-Sagen ist. Und es gibt natürlich eine aussichtsreiche Kandidatin dafür (die nur, wie gesagt, in dem Satz nicht genannt wird), nämlich die Eigenschaft, von der Goldman ganz selbstverständlich annimmt, daß sie das Ereignis konstituiert: die Eigenschaft, Hallo zu sagen. An dieser Stelle findet nun die Läuterung des feinkörnigen Ereignisverständnisses statt. Ein geläuterte feinkörnige Ereignisverständnis erhält man, wenn man (gegen Goldman) davon ausgeht, daß Johns Hallo-Sagen identisch mit seinem lauten Hallo-Sagen ist; denn dann gibt es eine ebenso aussichtsreiche zweite Kandidatin: die Eigenschaft, laut Hallo zu sagen. Und weil es schwer fällt, sich zwischen diesen beiden Kandidatinnen zu unterscheiden, liegt es nahe, sie beide zu akzeptieren, d.h. von der Existenz zweier Ereignisse auszugehen, die beide John als Träger haben, von denen aber das eine die konstitutive Eigenschaft hat, Hallo zu sagen, die andere die Eigenschaft, laut Hallo zu sagen. Solange man zuläßt, daß beide Ereignisse sowohl zu John in der Beziehung stehen, sein Hallo-Sagen zu sein, als auch, sein lautes Hallo-Sagen zu sein, widerspricht diese Annahme nicht der Identifikation des Hallo-Sagens mit dem

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lauten Hallo-Sagen - zumal die logischen Formen der Beispielsätze diese als Existenzquantifikationen ausweisen, also als Behauptungen, daß es mindestens ein Ereignis gibt, das ein Hallo-Sagen bzw. lautes Hallo-Sagen Johns ist. Sie lassen damit offen, ob es mehrere solcher Ereignisse gibt, und die Qual der Wahl zwischen den beiden Kandidatinnen spricht dafür, daß in der Tat mehrere Ereignisse stattfinden, die die Existenzbehauptung erfüllen. The Method of Truth in Metaphysics widerspricht diesem geläuterten feinkörnigen Ereignisverständnis also nicht. Dennoch ist es keine attraktive Position. Die Verschiedenheit von Ereignissen sollte sich, möchte man meinen, auch im Wahrheitswert normaler Ereignissätze widerspiegeln, aber für die in diesem raffinierteren Sinne feinkörnig unterschiedenen Ereignisse gilt dies gerade nicht, denn in ihren eigenen (nicht den konstitutiven) Eigenschaften und Beziehungen stimmen sie ja überein. Dazu kommt, daß es unklar ist, welche kausalen Rollen die verschiedenen Ereignisse spielen und wie diese Rollen zusammenhängen. Man handelt sich als Verfechter des geläuterten feinkörnigen Ereignisverständnisses also eine große explikative Bringschuld ein. Wenn Johns lautes Hallo-Sagen den fürchterlichen Schreck seiner Tochter verursacht, dann heißt das erst einmal nur, daß es (mindestens) ein Ereignis gibt, das ein lautes Hallo-Sagen Johns ist und das (mindestens) ein anderes Ereignis verursacht hat, das der fürchterliche Schreck seiner Tochter ist. Aber wenn es viele Ereignisse gibt, die ein lautes Hallo-Sagen von John sind, und viele, die ein fürchterlicher Schreck seiner Tochter sind, sind sie alle dann Ursachen oder Wirkungen, oder nur einige? - Hält man alle Ereignisse des lauten Hallo-Sagens für Ursachen, dann fragt es sich als nächstes, ob sie alle Ursachen aller fürchterlichen Schrecken sind, oder ob ein bestimmtes lautes Hallo-Sagen nur ein bestimmtes fürchterliches Erschrecken verursacht. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wie man diese Kausalbeziehungen befriedigend aufklären könnte. Hält man aber nur einen Teil der Ereignisse, die Johns Hallo-Sagen sind, für Ursachen von nur einem Teil der Ereignisse, die ein fürchterliches Erschrecken seiner Tochter sind, dann muß man etwas über die kausale Rolle der verbleibenden Ereignisse sagen; und vermutlich wird man sie für kausal wirkungslos erklären müssen, woraus dann abermals Zweifel am Sinn des ganzen Ereignisverständnisses resultieren.

Alles spricht deshalb dafür, mit dem ursprünglichen feinkörnigen Ereignisverständnis auch seine geläuterte Variante fallen zu lassen. Das einzige, was dagegen zu sprechen scheint, ist die Schwierigkeit, die Frage zu beantworten, welche konstitutive Eigenschaft das Ereignis hat, daß John Hallo sagt, und sich dabei zwischen der Eigenschaft, Hallo zu sagen, und der, laut Hallo zu sagen, entscheiden zu müssen. Wenn man das unwillkommene Zugeständnis umgehen möchte, daß beide Eigenschaften Ereignisse konstituieren, kommt man als Vertreter von Kims Ereigniskonzeption deshalb nicht umhin, sich dieser Frage zu stellen. Das ist eine Instanz der generellen Schwierigkeit, zwischen ereignis-

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konstitutiven und nicht ereigniskonstitutiven Eigenschaften zu unterscheiden. Wenn John beide Eigenschaften hat, wenn aber nur ein Ereignis eintritt, das sein (lautes) Hallo-Sagen ist, dann können nicht beide Eigenschaften ereigniskonstitutiv sein. Worin unterscheiden sich ereigniskonstitutive von nicht ereigniskonstitutiven Eigenschaften? Kim teilt die Auffassung, daß nicht alle Eigenschaften ereigniskonstitutiv sind. Und er macht einen Vorschlag für die Abgrenzung: Man sollte diejenigen Eigenschaften für ereigniskonstitutiv halten, die in den Gesetzmäßigkeiten und Erklärungen wissenschaftlicher Theorien vorausgesetzt werden müssen.1 Das führt zurück zu dem noch offenen Problem der kausalen Anhängsel und zum Materialismus-Problem. Und es wirft die Frage auf, welche Eigenschaften als ereigniskonstitutiv angesehen werden müssen, um die alltägliche Praxis der Kausalurteile und der Rechtfertigung von Kausalurteilen zu erläutern.

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Das Problem der kausalen Anhängsel betrifft die Beziehung zwischen Marys Mitteilung, sie habe Zahnschmerzen und ihrem Tippen des englischen Satzes "I have a tooth ache". Beide Ereignisse sind Ursachen der Anzeige auf meinem Computerbildschirm, und die kausale Rolle des Tippens rechtfertigt die Annahme der kausalen Rolle der Mitteilung; doch so lange man voraussetzt, daß Johns Hallo-Sagen und lautes Hallo-Sagen verschiedene Ereignisse sind, können auch die Mitteilung und das Tippen nicht identisch sein; also fragte es sich, in welchem Verhältnis sie dann stehen. Das war das Problem der kausalen Anhängsel. Nachdem es sich nun herausgestellt hat, daß Johns Hallo-Sagen und sein lautes Hallo-Sagen identisch sind, fällt die das Problem konstituierende Voraussetzung weg und man kann, dem unmittelbaren Impuls folgend, Marys Mitteilung ebenfalls mit ihrem Tippen identifizieren. Daß Mary den Satz "I have a tooth ache" getippt hat und dies die Anzeige auf meinem Bildschirm verursacht hat, rechtfertigt die Annahme, daß ihre Mitteilung, daß sie Zahnschmerzen hat, die Bildschirmanzeige verursacht hat, weil das Tippen die Mitteilung ist.

Vgl. Events as Property Exemplifications, S. 162-63. Man kann diese Textstelle auch stärker so lesen, daß Kim behauptet, die Existenz von Ereignissen sei relativ zu wissenschaftlichen Theorien, d.h. man könne nicht behaupten, ein Ereignis finde statt, sondern nur, es finde vor dem Hintergrund einer bestimmten Theorie statt.

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Aber auch wenn mit der Aufgabe des (ursprünglichen) feinkörnigen Ereignisverständnisses das Problematische am Verhältnis zwischen kausalen Anhängseln und ihren Aufhängern wegfällt, muß man doch mehr über die Rechtfertigungsbeziehung zwischen Aussagen wie "Marys Mitteilung verursacht die Anzeige" und "Marys Tippen verursacht die Anzeige" sagen können als nur, daß sie sich auf dieselbe Kausalbeziehung stützen. Rechtfertigungen sind stets asymmetrisch, während die Identität der genannten Ursachen ein symmetrischer Zusammenhang ist. Es muß also etwas hinzukommen, das das eine zum Anhängsel, das andere zum Aufhänger macht. Was hinzukommen muß, wird deutlich, wenn man die Feststellung des elften Kapitels, daß das Kausalitätsvokabular mehrdeutig ist, und die im zwölften Kapitel vorgestellte Konzeption kausaler Erklärungen heranzieht. Bislang wurde vorausgesetzt, daß der rechtfertigende Übergang, der das Problem der kausalen Anhängsel erzeugt, ein Übergang von einer Kausalaussage zu einer anderen Kausalaussage ist. Doch ebenso wie viele andere Aussagen derselben Form kann man auch "Daß Mary mir mitteilt, daß sie Zahnschmerzen hat, verursacht die Anzeige des Satzes 7 have a tooth ache' auf meinem Bildschirm" und "Daß Mary den englischen Satz 7 have a tooth ache' tippt, verursacht die Anzeige des Satzes 7 have a tooth ache' auf meinem Bildschirm" als Kausal aussagen oder als Kausalerklärungen lesen. Und man kann nur dann verstehen, weshalb der Übergang von der ersten zu der zweiten Aussage die erste rechtfertigt, wenn man die zweite in letzterem Sinn auffaßt, also als Kausalerklärung. Je nachdem, wie man die erstere versteht, wird sie aus unterschiedlichen Gründen durch diese Erklärung gerechtfertigt. Angenommen, die erste Aussage ist eine Kausalaussage, also ein Satz, dann hat sie die logische Form: "Es gibt eine Person, die Mary heißt, ein Ereignis, das eine Mitteilung von ihr ist, daß sie Zahnschmerzen hat, ein weiteres Ereignis, das eine Bildschirmanzeige des Satzes Ί have a tooth ache' ist, und das erste Ereignis verursacht das zweite" - in formaler Schreibweise: (3 x,y,z)(x heißt Mary & y ist eine Mitteilung von x, daß sie Zahnschmerzen hat & ζ ist eine Bildschirmanzeige des Satzes 7 have a tooth ache' & y verursacht ζ). 2 Die zweite 2

Hier wird aus Gründen der Übersichtlichkeit der offene Satz "y ist eine Mitteilung von x, daß sie Zahnschmerzen hat" behandelt, als wäre er elementar; eine vollständige Angabe der logischen Form müßte diesen offenen Satz natürlich weiter zergliedern. Darüber hinaus wird bei diesem Beispiel und auch den folgenden vernachlässigt, daß der Satz einige demonstrative Elemente umfaßt (etwa in der Erwähnung von "Mary"), denen man so, wie im zehnten Kapitel beschrieben, Rechnung tragen müßte. Und schließlich wird vernachlässigt, daß es sich bei dem offenen Satz um einen "daß"-Satz handelt, der letztlich parataktisch zu analysieren ist - woraus folgt, wie das vorletzte Kapitel gezeigt hat,

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Aussage muß, wie gesagt, als Kausalerklärung gelesen werden, als ein Text, bestehend aus den drei Sätzen: "Mary tippt den englischen Satz 7 have a tooth ache'", "Auf meinem Bildschirm taucht der Satz 7 have a tooth ache' auf" und "Ersteres erklärt letzteres kausal". Dieser Text rechtfertigt die erste Kausalaussage nur, wenn er richtig ist; und er ist nur richtig, wenn er die im vorigen Kapitel genannten Bedingungen für Kausalerklärungen erfüllt, d.h. wenn er eine I-S-Erklärung dafür bietet, daß, gegeben Mary tippt den Satz "I have a tooth ache", dieses Ereignis eine Ursache der Bildschirmanzeige ist. Das wiederum setzt einen induktiven Schluß voraus und also ein statistisches Gesetz oder eine Generalisierung, der zufolge das Eintippen eines Satzes unter Umständen wie denen, in denen sich Mary jetzt befindet, wahrscheinlich das Aufleuchten des Satzes auf meinem Bildschirm verursacht. Diese Generalisierung ist nicht explizit, die Erklärung ist also elliptisch. Das spricht nicht dagegen, daß es eine Kausalerklärung ist - wie im vorigen Kapitel festgestellt, bauen die meisten gewöhnlichen Kausalerklärungen stillschweigend darauf, daß der Adressat der Erklärung die für die Schlüssigkeit des induktiven Schlusses verantwortliche Generalisierung ergänzen kann; und wie schon im sechsten Kapitel gesagt, kann man davon ausgehen, daß auch zwischen dem Tippen und der Anzeige ein genereller Zusammenhang besteht und daß der Erklärende und der Adressat der Erklärung dies wissen. Aber es deutet schon an, daß die Unterteilung der Rechtfertigungen in substitutioneile und nomologische im sechsten Kapitel künstlich war. Darauf komme ich zurück, wenn etwas mehr darüber gesagt ist, worin das Rechtfertigende an der substitutionellen Rechtfertigung liegt. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Kausalerklärung der Anzeige durch das Tippen und der Kausalaussage, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht? Das Explanandum der Kausalerklärung ist das Eintreten der Wirkung aus der Kausalaussage, also das Eintreten der Bildschirmanzeige. Aber weil es sich um eine Kausalerklärung handelt, ist ihr Explanans zugleich das Explanans einer I-S-Erklärung des Eintretens einer Ursache der Bildschirmanzeige, und zwar einer Ursache, die ein Tippen von "I have a tooth ache" ist. Ergänzt man die Kausalerklärung nun um die weitere Prämisse, daß Marys Tippen eine Mitteilung ist, daß sie Zahnschmerzen hat, dann ist dieser erweiterte Text eine I-S-Erklärung des Eintretens einer Ursache daß es sich bei dem Beispiel streng genommen um einen Text aus mehreren Sätzen handelt. Auch der offene Satz "z ist eine Bildschirmanzeige des Satzes 7 have a tooth ache'" ist nicht elementar, wird hier aber so behandelt.

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der Bildschirmanzeige, die eine Mitteilung Marys ist, daß sie Zahnschmerzen hat, kurz: eine I-S-Erklärung dafür, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht. Die Annahme, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht, wird also deshalb durch den Übergang zu der Kausalerklärung der Bildschirmanzeige durch das Tippen gerechtfertigt, weil unter der Voraussetzung, daß die Mitteilung mit dem Tippen identisch ist, die Kausalerklärung zugleich eine Erklärung dafür ist, daß die Mitteilung die Anzeige verursacht, und also auf diese Kausalbeziehung schließen läßt. Die Rechtfertigung des Kausalurteils stützt sich demnach auf zwei Prämissen, die Richtigkeit der Kausalerklärung und die Wahrheit des Identitätsurteils. Beide Prämissen können selbst wieder bezweifelt und gerechtfertigt werden. Im sechsten Kapitel, in dem es so aussah, als würde die substitutioneile Rechtfertigung darin bestehen, von einer Kausalaussage zu einer anderen überzugehen, warf die neuerliche Rechtfertigung der Rechtfertigung keine anderen Fragen auf als die ursprüngliche. Auch sie, so habe ich angenommen, läßt wieder zwei Typen der Rechtfertigung zu, die substitutioneile und die nomologische. Doch wenn substitutionelle Rechtfertigungen, wie jetzt behauptet, prinzipiell im Ubergang zu Kausalerklärungen bestehen, dann kann die Rechtfertigung der Rechtfertigung nicht so aussehen wie die Rechtfertigung einer Kausalaussage. Eine Kausalerklärung ist ein Text, und damit ist sie kein properes Explanandum für eine Erklärung. Gleichwohl lassen sich Kausalerklärungen durch andere Kausalerklärungen substitutioneil rechtfertigen. Die Frage ist, wie? Eine notwendige Bedingung dafür, daß eine Kausalerklärung eine andere substitutionell rechtfertigt, ist, daß sie eine Erklärung des Explanandums der ersten Aussage und vor allem zusammen mit dem Identitätsurteil eine I-S-Erklärung des Explanandums der durch die erste Erklärung implizierten I-S-Erklärung ist. Auch das läßt sich am Mary-Beispiel illustrieren; man muß dazu allerdings die erste Aussage, "Daß Mary mir mitteilt, daß sie Zahnschmerzen hat, verursacht die Anzeige des Satzes 7 have a tooth ache' auf meinem Bildschirm", als Text und nicht wie oben als Satz lesen. Dieser Text ist nur dann eine Kausalerklärung, wenn das Explanans induktiv-statistisch erklärt, daß Marys Mitteilung eine Ursache der Bildschirmanzeige ist.3 Wie oben gesagt, bietet nun auch die zweite Aussage des Mary-Beispiels in Kombination mit der 3

Da es vermutlich keinen generellen Zusammenhang zwischen Mitteilungen und Bildschirmanzeigen gibt, ist diese Lesart des Beispiels höchst unplausibel, aber es gibt, wie im sechsten Kapitel erläutert, andere Beispiele, die das Problem der kausalen Anhängsel aufwerfen, bei denen beide Aussagen durch einen generellen Zusammenhang abgedeckt sind.

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Identität von Mitteilung und Tippen eine I-S-Erklärung dafür, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht; und umgekehrt ist die erste Kausalerklärung zusammen mit dem Identitätsurteil eine I-S-Erklärung dafür, daß das Tippen eine Ursache der Bildschirmanzeige ist. Die Identität der Mitteilung Marys mit ihrem Tippen hat also zur Folge, daß jede der beiden Kausalerklärungung jeweils zu einer Erklärung der beiden Explananda der anderen Erklärung ergänzt werden kann. Das ist immer noch eine symmetrische Beziehung, die Asymmetrie kommt ins Spiel, weil Erklärungen unterschiedlich aussagekräftig sind. Es kann deshalb sinnvoll sein, eine dieser Erklärungen der anderen vorzuziehen - und eben das ist es, was beim Übergang vom kausalen Anhängsel zu seinem Aufhänger geschieht. Die Erklärung dafür, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht, die sich aus der zweiten Kausalerklärung zusammen mit dem Identitätsurteil ergibt, ist besser als die erste Kausalerklärung. (Da es ohnehin Mühe macht, die erste Aussage in dem Beispiel als Kausalerklärung zu lesen, ist dieser Unterschied in der explanatorischen Kraft augenfällig.) Damit ist zwar generell erklärt, weshalb man normalerweise geneigt ist, die eine der anderen Erklärung vorzuziehen, aber es ist noch nicht klar, weshalb dieser Übergang die erste Erklärung rechtfertigen kann. Und doch ist die im sechsten Kapitel beschriebene Abfolge verschiedener Kausalerklärungen in der substitutioneilen Rechtfertigung von Kausalaussagen nicht einfach eine Reihe immer besserer Kausalerklärungen. Wenn man von der Erklärung der Bildschirmanzeige durch das Tippen übergeht zu einer Erklärung der Anzeige durch die Fingerbewegungen, geschlossenen Stromkreise und Datenübertragungen, dann leistet man mehr als nur, daß man besser das Eintreten einer Ursache der Anzeige erklärt, die eine Mitteilung Marys ist, daß sie Zahnschmerzen hat (wie es im vorigen Absatz erläutert wurde). Man rechtfertigt zugleich die schlechtere Erklärung der Anzeige durch das Tippen. Und die Frage ist, in welchem Sinn man dies tut. Um dies zu beantworten ist es sinnvoll, erst einmal die eben gegebene Erläuterung auf die beiden anderen Typen substitutioneller Rechtfertigungen auszudehnen. (Die eben erläuterte Form substitutioneller Rechtfertigung soll im weiteren "Identitätsstrategie" genannt werden.) Wie man von Marys Mitteilung zu ihrem Tippen übergehen kann, kann man in einer substitutionellen Rechtfertigung auch weiter zu ihren Fingerbewegungen übergehen, denn die Fingerbewegungen sind das Tippen. Aber es ist fraglich, ob es einen stärkeren generellen Zusammenhang zwischen dem Stattfinden von Fingerbewegungen und der Anzeige von "I have a tooth ache" gibt als zwischen

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dem Tippen und dieser Anzeige. Der Übergang zu den Fingerbewegungen hat nur dann einen Sinn, wenn man zugleich kausale Zwischenglieder erwähnt, z.B. das sich Schließen bestimmter Schalter in der Tastatur. Es gibt einen sehr starken generellen Zusammenhang zwischen Fingerbewegungen und dem sich Schließen dieser Schalter; und wenn es wahrscheinlich ist, daß ein Ereignis, das ein solches Schalterschließen ist, die Bildschirmanzeige verursacht, dann ist es prima facie noch wahrscheinlicher, daß die Fingerbewegungen eine Ursache der Anzeige waren, als es wahrscheinlich ist, daß das Tippen eine Ursache der Anzeige ist. Eine Kausalerklärung kann also auch dadurch verbessert werden, daß man sie in Erklärungen verschiedener Teile der Kausalkette aufspaltet. Man kann dies als die "Kettenstrategie" der substitutioneilen Rechtfertigung bezeichnen. Wenn ein Satz in einer Kausalerklärung der deskriptive Teil des Explanans für einen anderen Satz ist und dieser in einer anderen Kausalerklärung der deskriptive Teil des Explanans für einen dritten Satz, dann folgt daraus unmittelbar nichts für das Verhältnis zwischen erstem und drittem Satz. (Kausalerklärungen sind schon deshalb intransitiv, weil sich das Explanandum auf einen Ereignissatz beschränkt, während zum Explanans immer auch eine Generalisierung gehört.) Aber wenn man weiß, daß die Tatsache, daß ein Ereignis von einem bestimmten Typ stattfindet, es wahrscheinlich macht, daß dieses Ereignis ein anderes eines anderen Typs verursacht, und wenn die Tatsache, daß ein Ereignis dieses anderen Typs stattfindet, es wahrscheinlich macht, daß dieses Ereignis eine Ursache eines Ereignisses eines dritten Typs ist, dann ist dies so lange ein guter Grund für die Annahme, daß das Eintreten eines Ereignisses des ersten Typs es wahrscheinlich macht, daß es sich um eine Ursache eines Ereignisses des dritten Typs handelt, so lange man keine dem entgegenstehenden weiteren Informationen hat. Und daß eine Kausalerklärung korrekt sein kann, auch wenn sie durch weitere wahre Prämissen in eine inkorrekte verwandelt werden kann, ist nicht außergewöhnlich, sondern eine Folge der im vorigen Kapitel erörterten fünften Bedingung für I-S-Erklärungen. Neben dem Aufspalten der Kausalkette in ihre einzelnen Glieder gibt es einen weiteren, eng damit verzahnten Weg, zu besseren Erklärungen der Mitteilung als Ursache der Bildschirmanzeige zu kommen. Die Fingerbewegungen, die mit dem Tippen und folglich der Mitteilung identisch sind, bilden ein komplexes Ereignis. Wenn man wissen möchte, welcher generelle Zusammenhang zwischen dem Stattfinden dieses Ereignisses und dem anderer Ereignisse besteht, dann reichen kausale Zwischenschritte allein nicht aus, man muß das Ereignis zudem als aus Teilereignissen zusammengesetzt auffassen. Diese mereologische Strategie ist schon im sechsten und achten Kapitel angesprochen worden, sie spielt eine große Rolle in der substitutionellen Rechtfertigung. Und auch sie läßt sich ebenso wie die Identität zwischen Anhängsel und Aufhänger mit dem im letzten Kapitel gewonnenen Verständnis der Kausalerklärungen erläutern. Das Tippen des Buchstabens "/" ist ein Teil des Tippens von "I have a tooth ache". Setzt man voraus, daß Thomson recht hat und ein Ereignis alles

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verursacht, was seine Teile verursachen (mit Ausnahme anderer Teile), dann gilt: Wenn es das Eintreten dieses Teilereignisses wahrscheinlich macht, daß es eine Ursache der Bildschirmanzeige ist, dann macht es das Eintreten dieses Teilereignisses ebenso wahrscheinlich, daß das Ganze, zu dem es gehört, d.h. das Tippen von "I have a tooth ache" und damit die Mitteilung, Mary habe Zahnschmerzen, eine Ursache der Bildschirmanzeige ist. Und diese Erklärung läßt sich noch dadurch verstärken, daß man parallele Kausalerklärungen aufgrund des Eintretens der anderen Teilereignisse (des Tippens der anderen Buchstaben) gibt. Die Kettenstrategie und die mereologische Strategie zwingen dazu, die Aussage oben, daß die substitutionelle Rechtfertigung immer darin besteht, zu einer besseren Erklärung überzugehen, zu modifizieren. Sie gilt im mereologischen Fall nur dann uneingeschränkt, wenn die zu rechtfertigende Kausalerklärung (oder -aussage) durch Erklärungen ersetzt wird, denen zufolge so viele Teile der Ursache so viele Teile der Wirkung verursachen, daß diese Teile zusammen die ganze Ursache, die ganze Wirkung sind. Das aber ist nicht die Regel. Und der Übergang von der Aussage, daß Marys Mitteilung die Bildschirmanzeige verursacht hat, zu einer Kausalerklärung dafür, daß ein bestimmter Leuchtpunkt auf meinem Bildschirm auftritt, ist nicht unbedingt eine bessere Erklärung für das Auftreten der Anzeige insgesamt, auch wenn der Leuchtpunkt ein Teil der Anzeige ist. Ähnliches gilt für die Kausalketten; die Erklärung eines kleinen Kettenglieds erklärt die Gesamtkausalbeziehung nicht unbedingt besser als die zu rechtfertigende Erklärung. Dessen gewiß kann man erst sein, wenn die Glieder zusammengenommen die ganze Kette bilden.

Insgesamt bietet die substitutioneile Rechtfertigung also das Bild einer Baumstruktur zahlreicher verschiedener Kausalerklärungen, die alle dasselbe Explanandum haben, das Stattfinden einer Anzeige von "I have a tooth ache" auf meinem Bildschirm, und die zudem alle I-S-Erklärungen dafür sind, daß die Mitteilung Marys, sie habe Zahnschmerzen, eine Ursache dieses Ereignisses ist. Die Frage ist nur immer noch, inwiefern sich diese Kausalerklärungen untereinander rechtfertigen. In einem sehr schwachen Sinn rechtfertigt eine Kausalerklärung eine andere, wenn sie deren Explananda teilt. Aber die Beziehung zwischen den Kausalerklärungen in der substitutionellen Rechtfertigung ist enger. Das macht ein Beispiel deutlich, bei dem zwei Kausalerklärungen ebenfalls die Explananda teilen, die eine der anderen aber widerspricht: das oben erwähnte Gutachten zum Brückeneinsturz. Die Experten gehen in ihrem Gutachten von der Erklärung des Brückeneinsturzes durch das Nachgeben des Brückpfeilers zu der Erklärung durch sein ruckartige Nachgeben über. Dies ist ein Übergang von einer Kausalerklärung zu einer anderen mit denselben Explananda. Beides sind Erklärungen des Brückeneinsturzes, und unter der Voraussetzung, daß das ruckartige Nach-

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geben ein Nachgeben war, sind beide I-S-Erklärungen sowohl dafür, daß das Nachgeben den Einsturz verursacht hat, als auch dafür, daß das ruckartige Nachgeben ihn verursacht hat. Trotzdem widersprechen die Experten der ersten Kausalerklärung und stellen ihr die zweite entgegen. ("Nicht das Nachgeben, das ruckartige Nachgeben verursachte den Brückeneinsturz".) Was also unterscheidet diesen Übergang von einer substitutioneilen Rechtfertigung? Das Gutachten-Beispiel hat im vorigen Kapitel eine wichtige Rolle gespielt, um zu belegen, daß Kausalerklärungen tatsächlich I-S-Erklärungen sind. Eine Analyse der Kausalerklärungen muß dem Umstand Rechnung tragen, daß eine Kausalerklärung vor dem einen Wissenshintergrund richtig, vor einem anderen unrichtig sein kann. Und wenn Kausalerklärungen I-S-Erklärungen sind, ist das kein Wunder, denn alle I-S-Erklärungen sind epistemisch relativ. Das Explanans einer I-S-Erklärung muß vor dem Hintergrund aller zur Verfügung stehenden Informationen dem Explanandum eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit beimessen. Fügt man einem Explanans aber weitere (wahre) Prämissen hinzu, dann kann es sein, daß es aufhört, das Explanandum induktiv zu erklären (wie es z.B. bestimmte Zusatzinformationen über die Brückenkonstruktion unmöglich machen, den Einsturz weiter durch das Nachgeben des Pfeilers zu erklären).4 Wenn Umstände denkbar sind, die geeignet wären, die richtige in eine unrichtige Erklärung zu verwandeln, dann spricht es für eine Erklärung zu wissen, daß diese Umstände nicht vorliegen. Das ist es in meinen Augen, was bei der substitutionellen Rechtfertigung geschieht; die zweite Kausalerklärung rechtfertigt deshalb die erste, weil sie auf Prämissen beruht, in Konjunktion mit denen das Explanans der zu rechtfertigenden Erklärung immer noch ihr Explanandum kausal erklärt, während es andere, ihnen widersprechende Sätze gibt, in Konjunktion mit denen die Prämissen der ersten Erklärung deren Explanandum nicht erklären würden. Die Zusatzinformation, daß Marys Finger die Tasten gedrückt, diese wiederum Stromkreise geschlossen haben etc., ändert nichts daran, daß es die Prämissen insgesamt wahrscheinlich machen, daß ein Tippen des Satzes in das e-mail-Programm das Auftauchen des Satzes auf dem Bildschirm des Empfangers verursacht; und sie schließt Möglichkeiten aus, die die

Man muß hier und im folgenden stets daran denken, daß die Explananda von Kausalerklärungen keine Sätze sind, sondern Äußerungen von Sätzen. Deshalb wird streng genommen nicht eine Erklärung unrichtig, die zuvor richtig war, sondern eine unter den neuen Umständen geäußerte Erklärung ist unrichtig, während eine Erklärung desselben durch die geäußerten Sätze charakterisierten Typs unter den vorherigen Umständen richtig gewesen wäre.

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Erklärung unrichtig gemacht hätten, z.B. die, daß einer der Schalter defekt oder die Tastatur nicht angeschlossen war. Kausalerklärungen, für die zwar ebenfalls gilt, daß ihre Prämissen in Konjunktion mit den Prämissen einer anderen Kausalerklärung deren Richtigkeit nicht beeinträchtigen, deren Prämissen aber auch zu keiner Prämisse im Widerspruch ständen, die die Erklärung unrichtig machte, kann man dagegen als "indifferent" in bezug auf diese Erklärung bezeichnen. Und Kausalerkläruiigen schließlich mit Prämissen, die in Konjunktion mit den Prämissen der anderen Kausalerklärung diese unrichtig machten, widersprechen der anderen Erklärung. Das gilt für die zweite Erklärung der Experten in dem Brückenbeispiel; sie basiert auf einem Wissenshintergrund, der es nicht länger wahrscheinlich macht, daß ein Nachgeben des Pfeilers den Brückeneinsturz verursacht hat, sondern nur, daß ein ruckartiges Nachgeben dies verursacht hat. Eine Kausalerklärung rechtfertigt eine andere also nur dann substitutioneil, wenn ihre Beziehung vom ersten der drei Typen ist. Und unter der die Asymmetrie

garantierenden

Voraussetzung,

daß die zweite

eine

bessere

Erklärung als die erste sein muß, ist das in meinen Augen die richtige generelle Beschreibung substitutioneller Rechtfertigung.

Dieses Verständnis substitutioneller Rechtfertigungen hat Auswirkungen auf die vermeintlich anderen, die nomologischen Rechtfertigungen. Als nomologisch wurde im sechsten Kapitel die Rechtfertigungen einer Kausalaussage durch den Hinweis auf eine Gesetzmäßigkeit bezeichnet, unter die die Ursache und die Wirkung fallen. Es ist einer der Vorzüge der Ereigniskonzeption Kims, daß sie erklärt, was es heißen könnte, daß eine Kausalaussage durch eine Gesetzmäßigkeit gedeckt ist: Die Gesetzmäßigkeit muß einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Ereignissen des Typs der Ursache und dem Auftreten von Ereignissen des Typs der Wirkung herstellen, und die ereigniskonstitutiven Eigenschaften charakterisieren den betreffenden Typ. Darauf wiederum gründet sich die Erwartung vom Ende des ersten Abschnitts dieses Kapitels, daß sich die Frage, welche ereigniskonstitutiven Eigenschaften es gibt, beantworten läßt, wenn man feststellt, welche ereigniskonstitutiven Eigenschaften die Gesetzmäßigkeiten voraussetzen, auf denen korrekte Kausalerklärungen beruhen. Doch vor dem Hintergrund der Erläuterung substitutioneller Rechtfertigung verliert diese Beschreibung viel von ihrer Plausibilität. Kausalaussagen werden, wie gesagt, nicht durch den Übergang zu Kausalaussagen sondern durch den zu

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Kausalerklärungen substitutioneil gerechtfertigt; eine Erläuterung der nomologischen Rechtfertigung, die diese auf Kausal aussagen beschränkt, sagt also nichts darüber, welche Rolle nomologischer Erwägungen in späteren Rechtfertigungsschritten spielen, in denen es um die Korrektheit der Kausalerklärungen geht. Zudem liegt eine alternative Beschreibung dieser Rechtfertigung jetzt viel näher: Nomologische Rechtfertigungen sind eine Spezies substitutioneller Rechtfertigungen. Eine substitutioneile Rechtfertigung besteht im Übergang von einer Kausalaussage oder einer Kausalerklärung zu einer (anderen) Kausalerklärung. Zum Explanans einer Kausalerklärung gehört aber stets ein nomologisches Element: die Generalisierung, die den induktiven Schluß erlaubt. Jede substitutionelle Rechtfertigung beruht also in diesem Sinn auf einer Gesetzmäßigkeit. Die Gesetzmäßigkeit ist allerdings nicht immer explizit, häufig versteht sie sich von selbst oder wird vom Erklärenden für selbstverständlich angesehen. (Deshalb entsteht der Eindruck, daß bei substitutioneilen Rechtfertigungen eine Kausalaussage durch eine andere ersetzt wird). Und wenn der Erklärende dann aus irgendeinem Grund (z.B. weil sie doch nicht selbstverständlich ist) die Gesetzmäßigkeit nachträgt, dann erzeugt dies den Anschein, als handele es sich um einen eigenen Rechtfertigungsschritt, um eine nomologische Rechtfertigung, während es tatsächlich nur das Ausbuchstabieren der schon gegebenen Rechtfertigung ist. Das ist zumindest ein Typ vermeintlich nomologischer Rechtfertigungen, die sich als substitutionell entpuppen. Ein anderer besteht darin, daß sich eine Kausalerklärung von vorn herein auf die Angabe der Gesetzmäßigkeit beschränkt und die nicht-nomologischen Prämissen stillschweigend voraussetzt. Auch beim Übergang zu einer solchen Kausalerklärung kann dann der Eindruck entstehen, es handele sich um einen eigenen Rechtfertigungs-Typ, obwohl auch hier in Wirklichkeit die zu rechtfertigende Kausalaussage oder -erklärung durch eine (elliptische) Kausalerklärung substituiert wird. Das illustriert das Beispiel eines Fußballers, der gegen den Torpfosten prallt. Einige Stunden später wird ihm übel, und die Ärztin behauptet, daß der Aufprall die Übelkeit verursacht habe. Diese Behauptung rechtfertigt sie durch den Hinweis, daß Gehirntraumata häufig solche verzögerten Wirkungen haben. Sie erwartet hier, daß der Adressat der Erklärung die impliziten Teile versteht, also daß sich die Kausalbeziehung zwischen dem Aufprall und der Übelkeit aus zwei Kausalgliedern zusammensetzt, zum einen der Kausalbeziehung zwischen dem Aufprall und der Gehirnverletzung und zum anderen zwischen Gehimverletzung und Übelkeit. Und sie

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erklärt dann die Gesamtbeziehung dadurch, daß sie sagt, aufgrund welchen generellen Zusammenhangs es zu erwarten gewesen war, daß das kausale Zwischenglied, das Gehirntrauma, Übelkeit hervorrufen würde.

Dieser Vorschlag, nomologische Rechtfertigungen als verkappt substitutioneil aufzufassen, hat, wie gesagt, den Vorteil, daß er für alle Stufen des Rechtfertigungsprozesses gilt und überhaupt gut zur Erläuterung substitutioneller Rechtfertigung paßt. Aber dafür enttäuscht der Vorschlag die Hoffnungen, daß sich aus der nomologischen Rechtfertigung Hinweise auf die ereigniskonstitutiven Eigenschaften ergeben. Die Gesetzmäßigkeiten, auf die sich Kausalerklärungen stützen, müssen zusammen mit Ereignissätzen Prämissen induktiver Schlüsse sein. Sie können sich also nicht auf generelle Zusammenhänge zwischen ereigniskonstitutiven Eigenschaften beziehen, denn von diesen ist, wie oben betont, in den Ereignissätzen gerade nicht die Rede. Die Erklärung des Brückeneinsturzes durch das ruckartige Nachgeben des Pfeilers zum Beispiel basiert auf dem generellen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Ereignissen, die ein ruckartiges Nachgeben eines Pfeilers sind, und ihrem Verursachen von Brückeneinstürzen; konstitutive Eigenschaften dieser Ereignisse finden darin keine Erwähnung. Die Lösung des Problems der kausalen Anhängsel und Erläuterung der Rechtfertigung von Kausalaussagen in diesem Abschnitt hilft deshalb nicht weiter, wenn man wissen möchte, welche Eigenschaften es sind, die die beteiligten Ereignisse konstituieren. Die Überlegung des nächsten Abschnitts bietet eine radikale Diagnose für das Scheitern dieser Suche. *

Der Ausgangspunkt für die Frage nach den ereigniskonstitutiven Eigenschaften gewöhnlicher Ereignisse, wie etwa von Johns Hallo-Sagen, war die Feststellung, daß gerade nach dem Scheitern des ursprünglichen feinkörnigen Ereignisverständnisses (also der These, daß z.B. Johns lautes Hallo-Sagen kein HalloSagen sei) ein anderes, geläutertes feinkörniges Ereignisverständnis unumgänglich scheint, dem zufolge es eine Vielzahl von Ereignissen gibt, die sich zwar in ihren konstitutiven Eigenschaften unterscheiden, die aber alle Johns HalloSagen, sein lautes Hallo-Sagen, sein lautes Hallo-Sagen am Telephon etc. sind. Diese unwillkommene Ereignisflut entsteht, weil es eine Unmenge von Eigen-

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Schäften zu geben scheint, die alle unterschiedslos gute Kandidatinnen dafür sind, Johns Hallo-Sagen zu konstituieren: die Eigenschaft, Hallo zu sagen, die Eigenschaft, laut Hallo zu sagen, die Eigenschaft am Telephon laut Hallo zu sagen, etc. Die Hoffnung, daß es die Gesetzmäßigkeiten, auf die man sich bei der Rechtfertigung von Kausalurteilen stützt, erlauben, hier eine Auswahl zu treffen, hat sich nicht erfüllt. In diesem Abschnitt wird ein anderes, radikales Argument vorgestellt. Das geläuterte feinkörnige Ereignisverständnis hat nicht nur die Konsequenz einer Vielzahl von normalerweise ununterschiedenen und ununterscheidbaren Ereignissen, es führt auch zu der schon im neunten Kapitel angesprochenen "Doppelwelt"

von Eigenschaften (resp. Beziehungen). Dort ergab sie sich als

Konsequenz aus Kims Vorschlag für die Lösung des Emphaseproblems: jeder ereigniskonstitutiven Eigenschaft (wie der, den Schierlingsbecher zu trinken) entsprach eine Ereignis-Eigenschaft (wie die, ein Trinken des Schierlingsbechers zu sein). Und ganz parallel hierzu gibt es dem geläuterten

feinkörnigen

Verständnis zufolge neben der ereigniskonstitutiven Eigenschaft, Hallo zu sagen, die Beziehung des Ereignisses zu John, sein Hallo-Sagen zu sein, neben der ereigniskonstitutiven Eigenschaft, mitzuteilen, daß man Zahnschmerzen hat, die Beziehung eines Ereignisses zu Mary, ihre Mitteilung zu sein, daß sie Zahnschmerzen hat, etc. Das aber ist auch dann eine befremdliche Ansicht, wenn man voraussetzt, daß es einen engen Zusammenhang zwischen beiden Eigenschafts(oder Beziehungs-) Typen gibt. Die Feststellung der Unplausibilität dieser Eigenschafts-Doppelwelt ist nun aber weit mehr als nur ein Vorbehalt gegenüber der geläuterten Feinkörnigkeit. Es ist vor allem ein Grund, generell skeptisch gegenüber dem oben eingeschlagenen Ausweg zu sein, zwischen ereigniskonstitutiven und nicht ereigniskonstitutiven Eigenschaften zu unterscheiden. Die Doppelwelt der Eigenschaften folgt nicht erst dann, wenn man annimmt, daß die Eigenschaft, Hallo zu sagen, oder die Eigenschaft, etwas mitzuteilen, ereigniskonstitutiv sind, sie folgt bereits dann, wenn man annimmt, daß es solche Eigenschaften überhaupt gibt. Und damit spricht die Unplausibilität der Verdopplung aller Eigenschaften nicht nur gegen die Ereigniskonstitutivität dieser Eigenschaften, sie spricht gegen deren Existenz.

Das ist die radikale Aussicht dieses Abschnitts: Die Frage,

welche der vielen alternativen Eigenschaften die Ereignisse konstituieren, mag auch deshalb so schwer zu beantworten sein, weil es diese Eigenschaften in Wirklichkeit alle gar nicht gibt.

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Der Zweifel an der Existenz dieser Eigenschaften führt zurück zu Davidsons Method of Truth in Metaphysics. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels hat sich gezeigt, daß es keinen direkten Widerspruch zwischen dem geläuterten feinkörnigen Ereignisverständnis und Erwägungen der logischen Form der beteiligten Sätze gibt. Aber es gibt einen indirekten Konflikt. Das hängt mit den zu Beginn des elften Kapitels erwähnten ontologischen Konsequenzen einer Wahrheitstheorie zusammen. Wenn in einem wahren Satz behauptet wird, daß es etwas gibt, dann gibt es das auch; und vor allem: dasjenige, wovon in keinem wahren Satz gesagt wird, daß es es gibt, das gibt es nicht (es sei denn, man ist bereit zuzugestehen, daß es etwas gibt, worüber wir nicht sprechen können). Die Frage ist also, ob es wahre Sätze gibt, aus denen hervorgeht, daß es Eigenschaften gibt wie die, Hallo zu sagen, oder die, etwas mitzuteilen. Das Problem einer affirmativen Antwort ist, daß die Betrachtung der logischen Form offenbart hat, daß sich gerade diejenigen Sätze, die dafür am ehesten in Frage kommen - wie z.B. "John sagt Hallo" oder "Mary teilt mir mit, daß sie Zahnschmerzen hat" -, über die Existenz dieser Eigenschaften ausschweigen; von einer Eigenschaft, Hallo zu sagen, oder einer, etwas mitzuteilen, ist in diesen Sätzen nicht die Rede. Das schließt nicht aus, daß in anderen Sätzen davon die Rede ist, aber es weckt Zweifel, ob diese anderen Sätze wahr sein können. Die Schwierigkeit liegt darin, daß es schwer verständlich wäre, wenn es die betreffenden Eigenschaften gäbe, ohne daß von ihnen in den naheliegenden Sätzen die Rede wäre. Wenn es die Eigenschaft gibt mitzuteilen, daß man Zahnschmerzen hat, dann muß davon in "Mary teilt mir mit, daß sie Zahnschmerzen hat" die Rede sein - es ist davon nicht die Rede, folglich gibt es diese Eigenschaft nicht. Damit stützt The Method of Truth in Metaphysics den Verdacht, daß man besser nicht auf eine Doppelwelt von Eigenschaften bauen sollte. Doch dabei bleibt es nicht. Die ontologischen Konsequenzen der Betrachtung der logischen Form beschränken sich nicht auf die Feststellung, daß in den Beispielsätzen von ereigniskonstitutiven Eigenschaften nicht die Rede ist und es deshalb fraglich ist, ob es diese Eigenschaften überhaupt gibt. Oben habe ich gesagt, statt dessen sei von der Beziehung z.B. zwischen Mary und einem Ereignis die Rede. Doch auch das stimmt beim näheren Hinsehen nicht. Die einzigen Existenzbehauptungen in dem Beispielsatz betreffen die Person Mary und das Ereignis, daß sie etwas mitteilt. Über Eigenschaften oder Beziehungen des Ereignisses schweigt sich der Satz ebenso aus wie über ereigniskonstitutive Eigenschaften. Es ist deshalb

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gleichermaßen fraglich, ob es Marys Beziehung zu ihrer Mitteilung gibt, wie es fraglich ist, ob es ihre Eigenschaft gibt, etwas mitzuteilen. Und dasselbe gilt für die Nicht-Ereignissätze, z.B. für den anderen Satz in Goldmans Beispiel, "John ist gereizt". Auch dieser Satz trifft nur die eine Existenzbehauptung, daß es John gibt, von einer Gereiztheit ist abermals nicht die Rede. Diese radikale Konsequenz der Method of Truth in Metaphysics fordert zum Widerspruch heraus.5 Dieser Widerspruch kann zwei Formen annehmen. Zum einen kann man das Ganze als Indiz dafür betrachten, daß die logische Form dieser Sätze nicht so einfach ist wie angenommen, d.h. daß sie in Wirklichkeit doch über Eigenschaften quantifizieren. Ein elementarer Subjekt-Prädikat-Satz wie "John ist gereizt" hätte dann die Form: "Es gibt jemanden namens John und eine Eigenschaft, gereizt zu sein, und John exemplifiziert diese Eigenschaft". Es ist aber nicht sicher, ob man damit das Problem umgeht.6 Oder, zum anderen, man bestreitet, daß die Existenz von Eigenschaften daran gebunden ist, in diesen Sätzen vorzukommen, und pocht darauf, daß gerade Goldmans Beispiel "John ist gereizt" zeigt, daß es Eigenschaften gibt, über die zwar nicht in diesem aber in anderen Sätzen ganz offenkundig quantifiziert wird, z.B. in "Johns hervorstechende Eigenschaft heute morgen war seine Gereiztheit". Doch auch diese Option bringt Schwierigkeiten mit sich. Wenn man die Frage der Existenz bestimmter Eigenschaften, z.B. der Gereiztheit, davon löst, daß in Sätzen wie "John ist gereizt" von ihr die Rede ist, aber daran festhält, daß dies für einen Satz wie "Gereizt zu sein ist eine Eigenschaft Johns" gilt, dann muß man erläutern, weshalb man trotzdem so mühelos zwischen diesen beiden Sätzen hin und her wechselt. Und das ist ein Problem, weil die einfachste Erklärung, daß die Sätze synonym sind, nicht mit den unterschiedlichen Existenzpräsuppositionen vereinbar ist. Es gibt aber auch einen Ausweg, ohne sich in die Schwierigkeiten dieser beiden Optionen zu begeben. Man kann sehr wohl akzeptieren, daß die logische Form der Beispielsätze tatsächlich zeigt, daß es Eigenschaften wie die, Hallo zu sagen, etwas mitzuteilen, gereizt zu sein, oder auch: einzustürzen, jemanden zu küssen, gut zu schmecken etc. etc. nicht gibt, ohne daß man dadurch zu radikalen Konsequenzen gezwungen wäre. Sätze wie "Johns hervorstechende Eigenschaft heute morgen war seine Gereiztheit" sind zwar falsch, wenn es keine Gereiztheit Davidson selbst sagt meines Wissens nirgends etwas über die Existenz von Eigenschaften (mit Ausnahme einer kurzen Bemerkung in Adverbs ofAction, S. 240-41). Davidson zumindest ist ein entschiedener Gegner dieser Auffassung, u.a. weil er glaubt, daß sie in einen infiniten Regress führt (vgl. Truth and Meaning, S. 17).

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gibt, aber es kann trotzdem richtig sein, sie zu äußern. Dieser Vorschlag läuft also darauf hinaus, abermals auf die Unterscheidung aus dem elften Kapitel zwischen wahren bzw. falschen Sätzen und richtigen bzw. unrichtigen Texten zurückzugreifen und die Praxis der Quantifikation über Eigenschaften, die es zweifellos gibt, dadurch mit der Nichtexistenz der Eigenschaften zu vereinbaren. Es gibt zwei weitere Argumente, die diese auf den ersten Blick vielleicht überzogen wirkende Strategie stützen. Zum einen ist sie für Davidsons Projekt einer Wahrheitstheorie der deutschen oder englischen Sprache vermutlich ohnehin unverzichtbar; es gibt so viele Existenzbehauptungen in vorderhand legitimen Äußerungen, daß eine Wahrheitstheorie, die es zuließe, darin Äußerungen wahrer Sätze zu sehen, zu einer sehr sonderbaren Ontologie führte. (Willkürlich ausgewählte Beispiele sind: Drehmomente, Schicksale, Pläne, Stimmen, Preise, Tabus, Stärken und Schwächen, usw. usf.) Zweifellos hat man häufig recht, wenn man etwas über diese Dinge sagt, und es führt auch kein Weg daran vorbei, daß die Sätze, in denen man es sagt, die Existenz dieser Dinge behaupten. Aber zumindest wenn man der Auffassung ist, daß die Existenz von Entitäten einer ontologischen Kategorie an das Bestehen von Individuationsbedingungen gebunden ist, wird man nicht zubilligen können, daß es all dies wirklich gibt. Deshalb kommt man meines Erachtens nicht um die Feststellung herum, daß die Sätze, in denen diese Existenzbehauptungen stehen, falsch sind. 7 Das führt zum zweiten Argument für diese Strategie. Wenn man zuläßt, daß die meisten Sätze über Eigenschaften falsch sind (obwohl es nicht selten richtig ist, sie zu äußern), dann kann man erklären, weshalb es sich im fünften Kapitel als so schwierig herausgestellt hat, eine Individuationsbedingung ßr Eigenschaften zu finden. Für alle dort genannten Eigenschaften gilt dasselbe wie für Johns Gereiztheit: es gibt sie nicht. Die Eigenschaft, ein Lebewesen mit Herz zu sein, ist weder dieselbe Eigenschaft wie die, ein Lebewesen mit Niere zu sein, noch eine andere Eigenschaft - es ist, wie Quine betont, überhaupt keine Eigenschaft. Dennoch macht es häufig Sinn, Identitätsurteile über diese Eigenschaften zu fällen. Das würde nur dann das Bestehen einer Individuationsbedingung voraussetzen, wenn man darauf bestände, daß diese Identitätsurteile wahr sind, aber ich glaube nicht, daß man darauf bestehen sollte. *

Allerdings ist auch aus dieser Perspektive der Satz "Gereizt zu sein ist eine Eigenschaft Johns" nicht mit "John ist gereizt" synonym.

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Die Überlegungen des letzten Abschnitts lassen nun, wie angekündigt, die Frage, welche Eigenschaften ereigniskonstitutiv sind und welche nicht, in einem ganz neuen Licht erscheinen. Es geht nicht darum, unter den zahllosen vertrauten Eigenschaften die ereigniskonstitutiven auszusondern; denn so viele vertraute Eigenschaften gibt es gar nicht - es ist nicht einmal klar, welche Eigenschaften es überhaupt gibt. Die Frage danach, welche möglichen ereigniskonstitutiven Eigenschaften es nach dem radikalen Zweifel an der Existenz vieler Eigenschaften gibt, führt zu der noch offenen Frage, wie man der materialistischen Vorstellung gerecht werden kann, daß die Welt der Ereignisse dafür verantwortlich ist, daß es eine Hierarchie der Wissenschaften gibt, an deren Fundament sich die Physik befindet. Denn möglicherweise findet sich hier eine Rechtfertigung für die Annahme, daß es zumindest bestimmte Eigenschaften gibt, die die Ereignisse konstituieren. Im sechsten Kapitel ist es als ein Problem für Kim eingeführt worden, der materialistischen Grundüberzeugung gerecht zu werden. Denn er kann dies nur dadurch zu erläutern versuchen, daß er sich auf den schwer akzeptablen Standpunkt der Typen-Identitäts-These stellt, oder dadurch, daß er die nächstliegende Position ganz aufgibt, den Physikalismus. Kim selbst wählt den zweiten Weg, aber es hat sich im achten Kapitel gezeigt, daß keiner von beiden Wegen geeignet ist, das Materialismus-Problem zu lösen. Weder die Supervenienz noch die Typen-Identität können verständlich machen, weshalb sich jedes Kausalurteil letztlich durch den Rückgriff auf elementare physikalische Kausalbeziehungen und Gesetzmäßigkeiten rechtfertigen läßt. Das Dilemma entfällt mit dem Abschied vom feinkörnigen Ereignisverständnis; man kann Physikalist sein, ohne die Eigenschaften, Hallo zu sagen, oder, etwas mitzuteilen, als physikalisch anzusehen - ja, ohne sie überhaupt für existent zu halten -, man muß sich also nicht zwischen Typen-Identität und AntiPhysikalismus entscheiden. Allerdings muß man, wenn man daran festhält, daß Ereignisse Eigenschafts-Exemplifikationen sind, als Physikalist nach wie vor annehmen, daß die konstitutiven Eigenschaften von Johns Hallo-Sagen oder Marys Mitteilung physikalische Eigenschaften sind. Und daraus ergibt sich die Hoffnung, daß man weiß, welche Eigenschaften ereigniskonstitutiv sind, wenn man nur erfährt, wie sich die kausale Rolle aller Ereignisse auf die elementarer physikalischer Ereignisse zurückführen läßt. Dazu kommt, daß man nicht einfach, wie im letzten Abschnitt geschehen, behaupten kann, daß es keine Eigenschaft gibt, ein Lebewesen mit Herz zu sein, ohne sich der Frage zu stellen, welche Folgen dies für das Verständnis des

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Gegenstandsbereichs der Einzelwissenschaften hat. Was heißt es, daß ein Ereignis ein biologisches Ereignis ist, wenn nicht, daß es durch solche Eigenschaften wie die, ein Lebewesen mit Herz zu sein, konstituiert wird? Die Rechtfertigung von Kausalaussagen durch die Einzelwissenschaften und letztlich durch die Physik ist wie jede andere auch substitutionell; das heißt, die Kausalaussagen werden dadurch gerechtfertigt, daß man sie durch Kausalerklärungen ersetzt. Diese Kausalerklärungen können entweder direkt erklären, daß die genannte Ursache die Wirkung verursacht (Identitätstrategie), oder sie erklären es dadurch, daß sie diese Kausalbeziehung auf die Kausalbeziehungen zwischen Teilen zurückführen (mereologische Strategie), oder schließlich, sie erklären es dadurch, daß sie Glieder der Kausalkette zwischen Ursache und Wirkung erklären (Kettenstrategie). Jede dieser Strategien setzt zweierlei voraus: Zum einen muß man etwas darüber wissen, mit welchen Ereignissen die vermeintliche Ursache identisch ist, bzw. welche Teile sie hat oder welche kausalen Zwischenschritte die vermeintliche Kausalkette hat; zum anderen muß man die Gesetzmäßigkeiten kennen, die es erlauben, Schlüsse aus dem Auftreten dieser Ereignisse zu ziehen. Und man wird bald, wie schon am Ende des sechsten Kapitels beschrieben, bei diesen Rechtfertigungen den Boden des Allgemeinwissens verlassen und auf die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften bauen müssen. Die Rechtfertigung dafür, daß das Tippen die Bildschirmanzeige verursacht, durch die kausale Rolle der Fingerbewegungen läßt sich noch ohne wissenschaftliche Hilfe geben, doch wenn man dann weiter ins Detail sowohl der Ereignisse Tippen und Bildschirmanzeige als auch der Kausalkette zwischen dem Tippen und der Anzeige eindringen möchte, muß man auf die Ingenieurwissenschaften, die Biologie, die Mechanik und Elektronik zurückgreifen. Die Wissenschaften stellen die Generalisierungen zur Verfügung, die es ermöglichen, gute Kausalerklärungen zu geben. Und aus diesen Generalisierungen geht auch hervor, welche Teilereignisse und welche Kettenglieder solche Erklärungen voraussetzen, d.h. man erfährt, wonach man suchen muß, wenn man die Annahme bestätigen möchte, ein bestimmtes Ereignis sei die Ursache eines anderen Ereignisses. Der Ingenieurwissenschaft zufolge ist es z.B. wahrscheinlich, daß eine bestimmte Veränderung der Schalterstellung einen elektrischen Impuls verursacht. Man kann also untersuchen, ob Marys Tippen eine derartige Veränderung der Schalterstellung umfaßt, und außerdem, ob der elektrische Impuls tatsächlich ausgesandt wurde, um so die Annahme, daß ihr Tippen die Anzeige verursacht hat, zu rechtfertigen.

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Darüber hinaus bieten die Einzel Wissenschaften häufig selbst generelle Beschreibungen von möglichen Identitäts- und Teil-Ganzes-Beziehungen. Es ist nicht Gegenstand der Biologie, auf die mögliche Identität der Mitteilung mit dem Tippen oder auch die des Tippens mit den Fingerbewegungen hinzuweisen - dies ist Gegenstand überhaupt keiner wissenschaftlichen Disziplin, sondern nur der Alltagserfahrung -, aber die Biologie stellt fest, daß normalerweise die Fingerbewegungen aus dem Zusammenspiel bestimmter Sehnen, Muskeln, Knochen, Nerven etc. bestehen und daß dieses sich wiederum normalerweise aus bestimmten chemischen Prozessen zusammensetzt. Dieses Wissen ermöglicht es dann im konkreten Fall der Mitteilung Marys, nach entsprechenden Teilereignissen der Fingerbewegungen zu suchen und so die ursprüngliche Kausalaussage weiter zu rechtfertigen. Wie schon im sechsten Kapitel erwähnt, hat die materialistische Struktur der Ereignisse, die es aufzuklären gilt, die Konsequenz, daß sich für jede Kausalaussage dieser Rechtfertigungsprozeß bis in die Physik hinein weiterführen läßt. Und vor dem Hintergrund des eben Gesagten heißt das: Er muß sich bis zu dem Punkt weiterführen lassen, wo sowohl die Teile der Ursache und die Teile der Wirkung elementare physikalische Ereignisse sind, als auch die Kausalketten so beschaffen sind, daß die physikalischen Gesetze (oder zumindest Gesetzmäßigkeiten) darauf schließen lassen, daß ein Glied das nächste Glied der Kette verursacht. Das aber heißt: Alle Ereignisse setzen sich aus elementaren physikalischen Ereignissen zusammen, und ihre Kausalbeziehungen lassen sich explanatorisch auf die Kausalbeziehungen ihrer Teile zurückführen. Das erklärt den basalen Status der Physik; sie ist es, die die letztendlichen Kausalerklärungen liefert, die geeignet sind, alle Kausalurteile zu rechtfertigen allerdings nur dann, wenn man sie mit den komplexen Aussagen über die mereologischen Beziehungen und Kausalketten verknüpft, die sich auf den verschiedenen Ebenen des Rechtfertigunsgbaums finden und die sowohl vom Alltagswissen als auch den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen bereitgestellt werden. Es bleiben zwei Fragen: Zum einen, weshalb kommt es zu einer Hierarchie unter den anderen Disziplinen; und zum anderen, weshalb sind die Erklärungen auf der physikalischen Ebene nicht einfach die bestmöglichen Erklärungen, sondern zugleich auch Rechtfertigungen für die Erklärungen der darüberliegenden Ebenen?

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Abkehr von den Eigenschafts-Exemplifikationen

Die Antworten auf beide Fragen ergeben sich aus dem, was oben generell über die Rechtfertigungsbeziehung zwischen Kausalerklärungen gesagt wurde. Eine Kausalerklärung im Vokabular der Chemie und beruhend auf chemischen Gesetzmäßigkeiten kann deshalb eine Kausalerklärung im Vokabular und mit den Gesetzmäßigkeiten der Biologie rechtfertigen, weil der Informationshintergrund, auf dem die biologische Erklärung basiert, durch bestimmte chemische Sachverhalte so erweitert werden kann, daß die biologische Erklärung aufhört, richtig zu sein. Aus diesem Grund zeigt eine chemische Kausalerklärung, deren Explanans bestimmte solcher Sachverhalte ausschließt, daß man bei der biologischen Erklärung Recht hatte, diese Sachverhalte zu ignorieren, und rechtfertigt insofern diese Erklärung. Umgekehrt ist es nicht denkbar, daß eine chemische Kausalerklärung durch eine biologische gerechtfertigt wird, denn es gibt keine möglichen biologischen Sachverhalte, die eine chemische Erklärung unrichtig machen würden, und folglich auch keine Explanantia einer Kausalerklärung, die solche Sachverhalte ausschließen könnten. Nur weil diese Asymmetrie besteht, können chemische Kausalerklärungen biologische rechtfertigen. Und aufgrund einer parallelen Asymmetrie rechtfertigen biologische psychologische

und

psychologische soziologische Kausalerklärungen. Das soll nicht heißen, daß sich z.B. eine soziologische Kausalerklärung ausschließlich durch den Übergang zu psychologischen Kausalerklärungen rechtfertigen ließe, sie läßt sich zweifellos auch durch den Übergang etwa zu ökonomischen Kausalerklärungen rechtfertigen. Dies zeigt zugleich, daß aus der Möglichkeit, eine Kausalerklärung der einen Disziplin durch eine der anderen Disziplin substitutionell zu rechtfertigen, nicht folgt, daß die eine Disziplin der anderen gegenüber fundamental ist. Es ist ebenso möglich, bestimmte soziologische Kausalaussagen ökonomisch zu rechtfertigen, wie es möglich ist, ökonomische soziologisch zu rechtfertigen. Der fundamentale Charakter der Chemie gegenüber der Biologie liegt darin, daß nicht nur die einzelnen Explanantia die für die Rechtfertigung charakteristische Asymmetrie aufweisen, sondern alle möglichen biologischen und chemischen Explanantia. Damit ist man wieder bei der Frage, wie diese Hierarchie zu erklären ist. Und die Antwort gleicht der zum fundamentalen Status der Physik: Alle Ereignisse, über deren Kausalbeziehungen es chemische Generalisierungen gibt, sind Teile solcher Ereignisse, über die es biologische Generalisierungen gibt. (Ein Ereignis, dessen kausale Rolle eine soziologische Gesetzmäßigkeit deckt, kann dagegen ein Teil eines Ereignisses sein, dessen kausale Rolle eine ökonomische Gesetzmäßigkeit deckt und vice versa.) Wenn aber alle in diesem Sinne chemischen

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Ereignisse Teile biologischer Ereignisse sind und alle Ereignisse ihre kausale Rolle den Kausalbeziehungen ihrer Teile verdanken, dann verdanken alle biologischen Ereignisse ihre kausale Rolle chemischen Ereignissen und es ist kein Wunder, daß biologische Kausalerklärungen keine chemischen rechtfertigen können. Die Erläuterung der substitutioneilen Rechtfertigung von Kausalaussagen und die Annahme, daß jedes Ereignis seine kausale Rolle ausschließlich der kausalen Rolle seiner Teile verdankt bis hinunter auf die Ebene der Physik, erklären die Hierarchie zwischen den verschiedenen Disziplinen und die basale Rolle der Physik. Vor allem aber beantworten sie die Frage, was ein korrektes Ereignisverständnis erfüllen muß, um nicht in Konflikt mit dem materialistischen Aufbau der Welt zu geraten: Alle Ereignisse müssen insofern physikalische Ereignisse sein, als sie sich aus elementaren physikalischen Ereignissen zusammensetzen. Man kann das einen "mereologische Physikalismus" nennen.

Der Ausgangspunkt für die Frage nach dem korrekten Verständnis des materialistischen Weltbilds war das Problem, ereigniskonstitutive Eigenschaften für die vertrauten Ereignisse zu finden, nachdem sich die Überlegungen der letzten beiden Abschnitte als unergiebig und eher desillusionierend erwiesen haben. Wenn aber die Skizze dieses Abschnitts und insbesondere der von ihr vorausgesetzte mereologische Physikalismus richtig sind, dann wird abermals die Hoffnung enttäuscht, einen Hinweis auf die ereigniskonstitutiven Eigenschaften zu erhalten. Sowohl die Rolle der Physik als auch die der anderen Einzelwissenschaften läßt sich aus der Funktion in substitutionellen Rechtfertigungen erklären - und wie im zweiten Abschnitt erläutert, schweigen sich substitutionelle Rechtfertigungen wegen der prominenten Stellung der Ereignissätze in den Kausalerklärungen vollständig darüber aus, welche konstitutiven Eigenschaften die betreffenden Ereignisse haben könnten. Aus all dem folgt nicht, daß Ereignisse keine konstitutiven Eigenschaften haben, aber es stimmt doch nachdenklich festzustellen, daß sich die prominenten Bereiche, in denen Ereignisse auftreten - die Ereignissätze, die Kausalerklärungen und darunter insbesondere die wissenschaftlichen Erklärungen - erläutern lassen, ohne daß konstitutive Eigenschaften irgendeine Rolle spielten. Das spricht zumindest deutlich dagegen, daß Ereignisse tatsächlich EigenschaftsExemplifikationen sind. Man braucht schon gute Gründe gleichwohl an dieser Konzeption festzuhalten. Doch die oben genannten Gründe, seine Kompatibilität

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Abkehr von den Eigenschafts-Exemplifikationen

mit der feinkörnigen Position und das Zusammenpassen mit der nomologischen Rechtfertigung von Kausalaussagen, haben sich als nicht triftig herausgestellt. Zudem kommt mit dem mereologischen Physikalismus noch ein weiterer Grund hinzu, der Konzeption der Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen skeptisch gegenüberzutreten. Bereits im fünften Kapitel stand die Vermutung, daß diese Konzeption Schwierigkeiten haben könnte, den Teil-Ganzes-Beziehungen zwischen Ereignissen gerecht zu werden. Prominente Ereignisse wie eine Fußballweltmeisterschaft, aber auch bescheidenere wie ein Regenschauer oder der mit ihm verbundene Anstieg der Luftfeuchtigkeit lassen sich nur schwer als Eigenschafts-Exemplifikationen verstehen, ohne daß man ihnen deshalb den Charakter von Ereignissen absprechen möchte. In der Diskussion der supervenienten Kausalität und Typen-Identität im achten Kapitel kam dann ebenfalls die Teil-Ganzes-Beziehung zwischen Eigenschafts-Exemplifikationen zur Sprache; und es wurde der naheliegende Gedanke, diese an die quasi-logische Struktur der konstitutiven Eigenschaften zu koppeln, als untauglich verworfen. Es ist schwer zu sagen, ob dies am dort vorausgesetzten feinkörnigen Ereignisverständnis lag, solange man nicht weiß, welche konstitutiven Elemente grobkörnig verstandene Eigenschafts-Exemplifikationen haben. Aber es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Probleme hier nicht auftreten. *

Das Ziel dieses Kapitels war es, die Ergebnisse der letzten Kapitel auf die ausstehenden Probleme, das Problem der kausalen Anhängsel und das Materialismus-Problem, zu übertragen und dabei zu untersuchen, inwieweit sich Kims Vorschlag, Ereignisse als Eigenschafts-Exemplifikationen zu betrachten, unabhängig vom feinkörnigen Ereignisverständnis aufrecht erhalten läßt. Ich glaube, daß es gelungen ist, zumindest skizzenhaft darzustellen, welche Form die Rechtfertigung von Kausalurteilen hat und welche Rolle dies den Wissenschaften zuweist. Und vor diesem Hintergrund, so hat es sich gezeigt, gibt es keinen Grund dafür, wohl aber Gründe dagegen, an Kims Ereignis-Konzeption festzuhalten. Was dann sind Ereignisse? Welches ist ihre Individuationsbedingung? Der mereologische Physikalismus legt die Antwort nahe, daß zwei Ereignisse genau dann identisch sind, wenn sie aus denselben elementaren physikalischen Teil-

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ereignissen bestehen.8 Und das ist auch sicher korrekt - aber ebenso sicher ist diese Identitätsbedingung keine Individuationsbedingung im oben beschriebenen Sinn. Es gilt für alle Entitäten überhaupt, daß nur identische Entitäten dieselben Teile haben, und deshalb verletzt dieser Vorschlag eklatant die Spezifitätsforderung an Individuationsbedingungen. Doch er weist die Richtung des meines Erachtens letztlich korrekten Vorschlags. Inwiefern eine Beziehung eine Teil-Ganzes-Beziehung ist, kann umstritten sein: Teilmengen sind Teile von Mengen, Elemente vermutlich nicht; das Ereignis, daß Mary etwas tippt, ist kein Teil des Ereignisses, daß sie etwas tippt und es auch so meint, aber daß sie "/" tippt, ist ein Teil ihres Tippens von "/ have a tooth ache"·, usw. Doch es gibt so etwas wie eine paradigmatische TeilGanzes-Beziehungen, das ist die räumliche Beziehung materieller Gegenstände. Der Auspuff nimmt einen Teil des Ortes ein, an dem sich das Auto befindet, folglich ist er zweifellos ein Teil des Autos. Wie die materiellen Gegenstände haben aber auch Ereignisse räumliche und zudem auch zeitliche Teile. Deshalb wird im nächsten Kapitel vorgeschlagen werden, alle Teile eines Ereignisses als raumzeitliche Teile aufzufassen, jedes Ereignis also als raumzeitlichen Komplex elementarer physikalischer Ereignisse anzusehen und folglich Ereignisse raumzeitlich zu individuieren.

Diesen Vorschlag macht (beschränkt auf zusammengesetzte Ereignisse) Lombard in Events: A Metaphysical Study, S. 179.

Kapitel 14 Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

Die Ansicht, daß zwei Ereignisse identisch sind, wenn sie zur selben Zeit am selben Ort stattfinden, ist vermutlich der nächstliegende Vorschlag für die Ereignis-Individuation überhaupt. Er ist in der philosophischen Diskussion vor allem von Quine, von E.J. Lemmon und in einer neueren kurzen Erwiderung auf einen Vortrag Quines auch von Davidson vertreten worden, der damit seinen ursprünglichen, im zweiten Kapitel diskutierten Vorschlag zurücknimmt. 1 Daß der Vorschlag in dieser Untersuchung erst so spät erwähnt wird, liegt vor allem daran, daß er paradigmatisch grobkörnig ist; Johns Hallo-Sagen und sein lautes Hallo-Sagen finden ohne Zweifel an demselben raumzeitlichen Ort statt. Vor der Abkehr vom feinkörnigen Ereignisverständnis konnte dieser Vorschlag also nicht korrekt sein. Nachdem dieses Hindernis nun aber ausgeräumt ist, fragt es sich jetzt wie bei jedem anderen Vorschlag, erstens ob der Vorschlag wahr ist, also eine zutreffende Identitätsbedingung beschreibt, und zweitens, ob er angemessen ist, d.h. ob diese Identitätsbedingung die zusätzlichen Kriterien für Individuationsbedingungen erfüllt. In beiderlei Hinsicht gibt es Grund, der raumzeitlichen Individuation skeptisch gegenüberzustehen. Doch am Ende lassen sich, glaube ich, alle Zweifel ausräumen - der Vorschlag ist korrekt. Ich beginne mit der zweiten Frage, der Frage nach der Adäquatheit der raumzeitlichen Identitätsbedingung.

*

Vgl. Quine, Events and Reification, S. 167, On Multiplying Entities, S. 260, Word and Object, S. 171, Things and Their Place in Theories, S. 11; Lemmon, Comments on Davidsons "The Logical Form of Action Sentences". (Lemmon wird von vielen Autoren als der Vertreter einer raumzeitlichen Ereignisindividuation angesehen trotz der relativ schmalen Textbasis eines einzigen Kommentars zu Davidson.) Davidsons Konversion findet sich in seiner Reply to Quine on Events, S. 176. In der Diskussion im Anschluß an einen Vortrag, den er im März 1990 in Bielefeld gehalten hat, hat Davidson diese Meinungswandel allerdings erneut in Frage gestellt und sich überhaupt nicht mehr auf eine Individuationsbedingung für Ereignisse festlegen lassen.

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Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

Um eine angemessene Individuationsbedingung zu sein, muß eine Identitätsbedingung drei Voraussetzungen erfüllen: sie sollte prinzipiell als Identifikations-Kriterium geeignet sein, sie sollte klarstellen, ob die betreffenden Entitäten abhängige oder unabhängige Entitäten sind, und schließlich sollte sie für die betreffenden Entitäten spezifisch sein. In bezug auf die ersten beiden Voraussetzungen ist der Vorschlag, Ereignisse raumzeitlich zu individuieren, problemlos. Wann und w o ein Ereignis stattgefunden hat, ist in vielen Situationen ein wichtiges Indiz dafür, ob es mit einem anderen Ereignis übereinstimmt oder nicht. Der raumzeitliche Ort eines Ereignisses ist also gut dazu geeignet, konkrete Identitätsfragen zu entscheiden, er ist ein brauchbares Identifikations-Kriterium

für Ereignisse.

Und ebenso wie

die

paradigmatisch unabhängigen Entitäten, die materiellen Gegenstände, koppelt die raumzeitliche Individuation die Ereignis-Identität nicht an eine Beziehung zu anderen Entitäten, sondern an die Eigenschaft, an einem bestimmten raumzeitlichen Ort stattzufinden. Ereignisse sind für sie also unabhängige Entitäten. 2 Bevor ich zum dritten Kriterium für die Angemessenheit einer Individuationsbedingung übergehe, muß ich auf eine Spannung in der gesamten Argumentation dieser Arbeit eingehen, die sich hier offenbart und die ich nur unvollständig auflösen kann. Eigenschaften und Beziehungen spielen sowohl für die Frage, welche Identitätsbedingungen Individuationsbedingungen sind, als auch für die Frage, weshalb man überhaupt nach Individuationsbedingungen suchen sollte, eine wichtige Rolle. Zugleich fußt aber die endgültige Abkehr von Kims Ereignisverständnis im dreizehnten Kapitel unter anderem auf der Feststellung, daß es die meisten vertrauten Eigenschaften und Beziehungen streng genommen nicht gibt. Wie können sie so wichtig sein, wenn es sie gar nicht gibt? - Ich habe darauf, wie gesagt, keine befriedigende Antwort, aber ich glaube, daß sie eng mit der Unterscheidung zwischen richtigen und wahren Existenzbehauptungen im letzten Kapitel zusammenhängen muß. Da es zweifellos im Alltag wie in den Wissenschaften und auch in der Philosophie eine Vielzahl von legitimen Aussagen über Eigenschaften gibt, ist die Ansicht, es gebe keine Eigenschaften, nur dann haltbar, wenn man letztlich erklären kann, wie es zu dieser Legitimität kommt. Darauf baut meine Zuversicht, daß sich auch die Spannung in meiner Arbeit im Prinzip lösen ließe. Das dritte Kriterium dafür, daß eine Identitäts- auch eine Individuationsbedingung ist, ist die Spezifität der individuierenden Eigenschaft; eine Individuationsbedingung sollte ausschließlich für Entitäten der betreffenden Kategorie gelten. Und hier liegt das Problem für die Angemessenheit der raumzeitlichen Ereignis-Individuation. Allem Anschein nach wird die Spezifitätsbedingung von diesem Vorschlag eklatant verletzt. Denn nicht nur Ereignisse, sondern auch In einer Fußnote im zweiten Kapitel wird kuiz angesprochen, daß man bezweifeln könnte, daß die raumzeitliche Charakterisierung tatsächlich eine Eigenschaft und keine Beziehung nennt. Das ist McLaughlins Position in The Semantics of Action, Event, and Singular Causal Sentences. Wichtig für die Frage der Angemessenheit der Bedingung ist nur, daß Ereignisse hier nicht schlechter abschneiden als materielle Gegenstände.

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Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

materielle Gegenstände sind identisch, wenn sie in ihrem raumzeitlichen Ort übereinstimmen. Die Individuation materieller Gegenstände läßt es also fraglich erscheinen, ob eine raumzeitliche Ereignis-Individuation angemessen sein kann. Sie spricht zudem aber auch gegen die Wahrheit dieses Vorschlags.3 Denn auch in die umgekehrte Richtung - mit Bezug auf die Individuation der materiellen Gegenstände - droht die Spezifitätsforderung verletzt zu werden. Wenn es stimmt, daß zwei Ereignisse identisch sind, sofern sie in ihrem raumzeitlichen Ort übereinstimmen, dann fragt es sich, inwieweit die raumzeitliche Identität gleichwohl den materiellen Gegenständen spezifisch sein kann - was wiederum eine notwendige Bedingung der Angemessenheit der raumzeitlichen Individuation materieller Gegenstände ist. Es entsteht also ein Konflikt zwischen der bereits im ersten Kapitel für selbstverständlich angenommenen raumzeitlichen Individuation materieller Gegenstände und der Wahrheit der raumzeitlichen Ereignis-Individuation, der offensichtlich stark gegen letztere spricht. Zweifel an der Wahrheit einer Individuationsbedingung sollten sich allerdings vor allem darin niederschlagen, daß man Beispiele für Ereignisse sucht, die die Bedingung erfüllen, ohne identisch zu sein. Gibt es Ereignisse, die in ihrem raumzeitlichen Ort übereinstimmen, obwohl sie voneinander verschieden sind? Die folgende Überlegung soll zeigen, daß es eine ganze Reihe solcher Ereignisse gibt, ja daß vielleicht sogar alle Ereignisse die raumzeitliche Individuation falsifizieren, da letztlich alle Ereignisse denselben Ort einnehmen.4 Ausgangspunkt des Arguments ist die Feststellung, daß viele Ereignisse Veränderungen materieller Gegenstände sind und daß sie deshalb ihren Ort dort haben, wo sich dieser Gegenstand befindet. Jede Veränderung eines Gegenstands aber ist zugleich eine Veränderung jedes anderen Gegenstandes, dessen Teil er ist. Also hat das Ereignis seinen Ort auch dort, wo dieser umfassendere Gegenstand ist. Ja, wenn man das Universum als denjenigen Gegenstand annimmt, der alle anderen Gegenstände als Teile hat, dann ist jede Veränderung eine Veränderung des Universums, hat ihren Ort folglich im Universum. Doch natürlich können in einem Gegenstand mehrere Veränderungen synchron stattfinden, und erst recht gibt es viele gleichzeitige Veränderungen des ganzen Universums. Ergo, so das Argument, folgt aus der Tatsache, daß zwei Veränderungen zur selben Zeit an demselben Ort stattfinden, noch lange nicht, daß sie identisch sind.

Die folgende Überlegung verdanke ich Rosemarie Rheinwald. Davidson skizziert dieses Argument in The Individuation of Events, S. 175-76.

Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

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Das folgende Beispiel illustriert dieses Argument: Das Reißen des Keilriemens in einem Auto ist sicher eine Veränderung des Riemens und das Platzen des Benzintanks sicher eine Veränderung des Tanks, und beides sind auch Veränderungen des Autos, zu dem der Keilriemen und der Tank gehören. Platzt nun zur gleichen Zeit in einem Auto der Tank und reißt der Keilriemen, dann finden beide Ereignisse an dem Ort statt, an dem sich das Auto befindet - die Ereignisse teilen den räumlichen Ort, und da sie auch gleichzeitig stattfinden, müßten sie also identisch sein, doch das ist absurd.

Neben diesem sehr globalen Argument gegen die Wahrheit der raumzeitlichen Ereignis-Individuation gibt es in der Literatur auch konkrete Beispiele für vermeintlich raumzeitlich übereinstimmende und gleichwohl nicht-identische Ereignisse. Die folgenden Beispiele stammen von Davidson und waren für ihn ursprünglich der Anlaß, die raumzeitliche Ereignis-Individuation zu verwerfen: Eine Metallkugel kann sich ein Stückchen drehen und sich zur gleichen Zeit erwärmen, so Davidson, ohne daß diese Ereignisse identisch wären oder sich in ihrem Ort unterschieden.^ Und jemand kann den Hellespont durchschwimmen und sich erkälten, ebenfalls ohne daß diese Ereignisse identisch oder raumzeitlich unterschieden wären. 6 Lombard hat das zweite Beispiel dann noch pointierter ausgeschmückt: Der Betreffende, Jones, erkältet sich nicht nur, während er den Hellespont durchschwimmt, er denkt zudem an Wien; und auch dieses Ereignis, daß Jones an Wien denkt, unterscheidet sich raumzeitlich nicht vom Schwimmen oder dem sich Erkälten (obwohl es natürlich von diesen verschieden ist). 7 Alle drei Beispiele sind einleuchtend, doch wenn sie richtig sind, dann ist die raumzeitliche Individuation falsch. *

Es gibt also eine Reihe von Gründen, der raumzeitlichen Ereignis-Individuation skeptisch gegenüberzustehen, bzw. sich nach einer Alternative umzusehen. Letzteres muß nicht heißen, daß man den Grundgedanken, die Ereignis-Individuation an den raumzeitlichen Ort zu koppeln, ganz aufgibt. Man kann auch versuchen, den Vorschlag so weit zu modifizieren, daß die Gegenargumente nicht mehr greifen. Einen solchen Versuch hat Myles Brand unternommen. 8 Wie kann man erklären, daß zwar das Ereignis, daß Jones den Hellespont durchschwimmt, nicht dasselbe Ereignis ist wie das, daß er sich erkältet, oder das, daß er an Wien 5

6 7

8

The Individuation of Events, S. 178. Vgl. Davidsons Reply to Lemmon on Identity Conditions for Events, S. 125. Events, S. 435. Brand, Intending and Acting, Kapitel 3, und Particulars, Events, and Actions, S. 144 ff.

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Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

denkt, daß aber doch die raumzeitliche Lokalisation eine wichtige Rolle bei der Ereignis-Individuation spielt? - Brands Antwort lautet: Es reicht nicht, daß zwei Ereignisse faktisch denselben Ort in Raum und Zeit einnehmen, um identisch zu sein, sie müssen notwendigerweise raumzeitlich zusammenfallen. Weil es aber möglich gewesen wäre, daß Jones den Hellespont durchschwimmt, ohne sich zu erkälten oder ohne an Wien zu denken, erfüllen sein sich Erkälten, sein Denken, nicht die Bedingung, sich notwendigerweise an demselben Ort zu ereignen wie sein Schwimmen. Es ist somit kein Wunder, daß es sich um verschiedene Ereignisse handelt. Brand schlägt also die folgende Individuationsbedingung für Ereignisse vor: Zwei Ereignisse sind identisch, wenn sie notwendigerweise denselben Ort in Raum und Zeit einnehmen. Dieser Vorschlag hat den Vorzug, einen Teil der Einwände gegen die raumzeitliche Individuation zu umgehen: Zum einen ist er ebenso wie mit dem Jones-Beispiel auch mit den anderen Beispielen verträglich. Und zum anderen wendet er den drohenden Konflikt mit der Spezifitätsforderung an die Individuation materieller Gegenstände ab; denn da es Brand zufolge voneinander verschiedene Ereignisse gibt, die (faktisch) denselben Ort einnehmen, ist für ihn die raumzeitliche Identität keine zutreffende Identitätsbedingung für Ereignisse - sie bleibt spezifisch für materielle Gegenstände. Doch diesen Vorzügen des Vorschlags stehen gewichtige Nachteile entgegen. Zum einen bleibt das Problem bestehen, selbst die Spezifitätsforderung zu erfüllen. Weil alles, was notwendigerweise denselben Ort einnimmt, es auch faktisch tut, sind materielle Gegenstände, die sich notwendigerweise an demselben Ort befinden, identisch, die Spezifitätsforderung für die Ereignis-Individuation ist offenkundig verletzt, der Vorschlag nicht angemessen. Zum anderen ist zweifelhaft, ob die notwendige raumzeitliche Übereinstimmung wirklich eine individuierende Eigenschaft im gesuchten Sinn bietet - und zwar aus denselben Gründen, aus denen sich im fünften Kapitel die notwendige Koextensivität als ungeeignet für die Eigenschafts-Individuation erwiesen hat. Die individuierenden Eigenschaften sollen darauf schließen lassen, daß für die zu individuierenden Entitäten das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren gilt. Die Tatsache, daß Jones' Schwimmen und Denken nicht notwendigerweise an demselben Orte hätten stattfinden müssen, erlaubt aber nur den Schluß, daß die beiden Ereignisse nicht notwendigerweise dieselben Eigenschaften haben, und läßt damit offen, ob sie kontingenterweise dieselben Eigenschaften haben. Und das ist mit der Falschheit des Prinzips der Identität des Ununterscheidbaren verträglich.

Die laumzeitliche Ereignis-Individuation

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Die dritte Schwierigkeit für Brand liegt darin, daß sein Vorschlag zurück zum feinkörnigen Ereignisverständnis führt, mit all seinen Problemen. Ohne Modifikation mündet Brands Vorschlag sogar in einem Ereignisveiständnis, das ähnlich feinkörnig ist wie Chisholms. Es hätte z.B. durchaus sein können, daß Ludwig Erhardt und nicht Konrad Adenauer der erste CDU-Vorsitzende geworden wäre; und dann wäre der erste CDU-Vorsitzende erst Jahre nach Adenauer zum Kanzler gewählt worden. Also fanden die Wahl Adenauers zum Bundeskanzler und die Wahl des ersten CDU-Vorsitzenden zum Bundeskanzler nicht notwendigerweise an demselben Ort statt - und sind deshalb nach Brands Kriterium verschieden. Brand umgeht diese auch in seinen Augen inakzeptable Konsequenz dadurch, daß er den EreignisTräger von der Modalanforderung ausklammert. Wenn man dann aber fragt, wann zwei Ereignisse notwendigerweise denselben Ort einnehmen, landet man bei der Feststellung: wenn die Träger übereinstimmen und es dasselbe ist, was in 9beiden Ereignissen mit ihnen geschieht. Und das ist nichts anderes als Kims Vorschlag.

*

Gibt es einen anderen Weg als den Brands, an einer raumzeitlichen EreignisIndividuation festzuhalten? - Ein Teil der oben aufgeführten Einwände basieren auf der Feststellung, daß diese Individuation die Ereignisse sehr nah an die materiellen Gegenstände rückt. Doch das ist vielleicht gar kein Grund zur Kritik. Vielleicht ist diese Nähe zwangsläufig, weil Ereignisse materielle Gegenstände sind. Wie Chisholms Vorschlag ist auch die Idee der Subsumtion der Ereignisse unter die materiellen Gegenstände reduktionistisch. Ihr zufolge ist es im Grunde verfehlt, nach der Individuationsbedingung für Ereignisse zu suchen, denn eine eigene Individuationsbedingung haben sie nicht. Statt dessen gehören sie zu einer umfassenderen Kategorie und teilen deren Individuationsbedingung. Sind Ereignisse also materielle Gegenstände? - Dafür spricht auch hier, daß ein Teil der oben genannten Einwände gegenstandslos wird. Den Ereignissen spezifisch braucht die raumzeitliche Individuation nicht zu sein, weil sie ja nicht die Ereignisse, sondern die materiellen Gegenstände individuiert, zu denen die Ereignisse zählen. Und aus demselben Grund wird auch die Spezifität der raumzeitlichen Individuation materieller Gegenstände nicht durch die Ereignisse bedroht, weil diese als materielle Gegenstände zu der zu individuierenden Kategorie gehören.

Vgl. hierzu Peter Simons, Brand on Event Identity.

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Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

Was allerdings unberücksichtigt bleibt, sind die Gegenbeispiele. Solange es so aussieht, als müßte man in Jones' Schwimmen und seinem Nachdenken über Wien die Existenz zweier raumzeitlich übereinstimmender und trotzdem verschiedener Ereignisse anerkennen, ist nicht gezeigt, daß man Ereignisse als raumzeitlich individuierte Entitäten auffassen kann - geschweige denn als materielle Gegenstände. Dazu kommt die generelle Unplausibilität dieses Reduktionismus. Hacker hat in einem Artikel ausführlich darauf hingewiesen, welche Vielzahl von Dingen es gibt, die man über (gewöhnliche) materielle Gegenstände sagen kann, nicht aber über Ereignisse, und die es sehr befremdlich erscheinen lassen, ein Ereignis für einen materiellen Gegenstand zu halten. 10 Ein Ereignis besteht nicht aus etwas, so wie eine Mütze aus Wolle besteht; ein Ereignis hat keine Konsistenz und keine Farbe. Ereignisse finden zwar an einem Ort statt, aber sie haben keine Form - ein Fußballspiel ist weder eckig wie der Platz, noch rund wie der Ball. Es gibt zwar auch materielle Gegenstände, bei denen man schlecht entscheiden kann, welche Form, Farbe etc. sie haben, und es mag materielle Gegenstände im weitesten Sinn geben, für die diese Fragen sinnlos sind - z.B. subatomare Teilchen -, aber selbst im Fall solcher Teilchen scheinen die Fragen aus anderen Gründen sinnlos als bei den Ereignissen. Physiker können etwas darüber sagen, weshalb wir nicht fragen sollten, ob Quarks wirklich rot oder grün sind; aber niemand kann sagen, warum ein Fußballspiel nicht rot noch grün ist. Mir scheinen diese Einwände Hackers gewichtiger als seine Kritik der Behauptung, es "gebe" Ereignisse, die ich oben im ersten Kapitel erwähnt habe. Es ist eben nicht bloß eine Frage unseres Sprachgebrauchs, ob man bereit ist, Ereignisse als materielle Gegenstände anzusehen. Fragt man sich, ob Ereignisse eine Art materielle Gegenstände sind, und denkt dabei an bestimmte Ereignisse, z.B. ein Fußballspiel oder eine Rede Gorbatschows, so stellt man sich das Spielfeld oder Gorbatschow vor, aber das Ereignis neben den Gegenständen oder Personen scheint ungreifbar oder zumindest unvorstellbar. (Das ist eine philosophische Vorgehensweise, vor der es dem Wittgensteinianer Hacker vermutlich schaudern würde.) Hierin unterscheiden sich die materiellen Gegenstände so signifikant von den Ereignissen, daß viel dafür spricht, Hackers Kritik am Reduktionismus zu folgen und Ereignisse nicht für materielle Gegenstände zu halten.

Hacker, Events and Objects in Space and Time (S. 7-8).

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Es gibt aber noch einen anderen Weg, der Nähe zwischen Ereignissen und materiellen Gegenständen Rechnung zu tragen. Man kann den Reduktionismus umdrehen und behaupten, daß nicht die Ereignisse materielle Gegenstände sind, wohl aber daß die materiellen Gegenstände Ereignisse sind. Man hat dann kein reduktionistisches Ereignisverständnis, sondern ein reduktionistisches Verständnis materieller Gegenstände. Und es gibt einen dritten, dem zweiten sehr ähnlichen Weg, den ich deshalb mit jenem parallel diskutieren möchte. Wenn man sich dagegen sträubt, materielle Gegenstände als sonderbare Ereignisse aufzufassen, kann man immer noch annehmen, daß es eine gemeinsame ontologische Kategorie gibt, unter die sowohl Ereignisse als auch materielle Gegenstände fallen und für die die raumzeitliche Individuationsbedingung gilt. Das ist der Vorschlag Quines. 11 Für Quine zählen die Entitäten, die wir gewöhnlich als Ereignisse bzw. materielle Gegenstände (Quine spricht von "bodies") bezeichnen, in Wirklichkeit alle zu den physikalischen Gegenständen (physical objects). Jedes beliebige raumzeitliche Gebilde in der Welt ist ein und genau ein physikalischer Gegenstand. Beide Vorschläge haben den Vorzug, die Probleme mit der Spezifitätsforderung an die Ereignis-Individuation und an die Individuation materieller Gegenstände zu umgehen. Wie schon der erste reduktionistische Vorschlag gezeigt hat, tauchen die Probleme nicht auf, wenn man voraussetzt, daß Ereignisse und materielle Gegenstände zu ein und derselben ontologischen Kategorie gehören. Die Vorschläge stehen allerdings auch vor denselben Schwierigkeiten. Vor allem müssen sie mit den genannten Gegenbeispielen fertig werden, denn diese beanspruchen, unabhängig vom Verhältnis der Ereignisse zu den materiellen Gegenständen zu zeigen, daß man Ereignisse nicht raumzeitlich individuieren kann. Und es gibt darüber hinaus noch ein weiteres Problem, mit dem sich alle drei Reduktionismen konfrontiert sehen, der generellen Frage des Verhältnisses zwischen einem Ereignis und demjenigen Gegenstand oder derjenigen Person, mit dem bzw. der etwas geschieht. Ich habe oben behauptet, daß nicht jedes Ereignis einen Träger hat (Fußballweltmeisterschaften und Regenschauer z.B. nicht), aber viele Ereignisse haben einen Träger, und manche dieser Ereignisse dauern so lange wie dieser Träger existiert. Der Reduktionist muß sich deshalb fragen lassen, in welchem Verhältnis solche Ereignisse zu dem Träger stehen, Vgl. die Literaturangaben in Anmerkung 1.

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vor allem: ob sie mit ihm identisch sind oder nicht. Nimmt man als Beispiel einen Menschen und sein Leben, dann könnte man es pathetisch so ausdrücken: Ist dieser Mensch sein Leben? - Und jede nicht metaphorische Antwort muß meines Erachtens lauten: Nein. Und dennoch nimmt das Leben keinen anderen Raum ein als der Mensch, zumindest nicht in dem Sinn, daß es länger oder kürzer, dicker oder dünner ist als er. Die Frage des Verhältnisses zwischen mir und meinem Leben macht anschaulich, wo die zentrale Schwierigkeit der Reduktion materieller Gegenstände auf die Ereignisse (oder auf physikalische Gegenstände) liegt. Sie sind zwar beide in Raum und Zeit lokalisiert, aber anscheinend auf unterschiedliche Weise. Was damit gemeint sein könnte, wird deutlich, wenn man einer anderen möglichen Asymmetrie zwischen Ereignissen und materiellen Gegenständen nachgeht, der Frage, ob sich Ereignisse, so wie (viele) materielle Gegenstände, bewegen können.

*

Können Ereignisse sich bewegen? 12 - Der erste Eindruck ist zwiespältig. Es gibt Beispiele, die zeigen, daß man gelegentlich so redet, als könnten Ereignisse sich bewegen. Eine Geburtstagsparty ist sicherlich ein Ereignis; und man sagt manchmal, daß sich eine Party in den Garten verlagerte, als der Regen aufhörte. Und eine Straßenschlacht - auch zweifellos ein Ereignis - kann sich auf die umliegenden Wohnblocks ausdehnen. Unser alltäglicher Sprachgebrauch läßt demnach sich bewegende Ereignisse zu. 13 Aber andererseits gehen wir gewöhnlich nicht sehr weit in dem Zugeständnis, daß sich Ereignisse wirklich bewegen können - Stephan ist unter meinem Fenster vorübergekommen, doch die Behauptung, sein Kaugummikauen sei vorübergekommen, klingt nach literarischer Extravaganz. Und zudem droht hier ein Regress. Denn gewöhnlich handelt es sich um ein Ereignis, wenn sich etwas bewegt. Also sollte es auch ein Ereignis sein, wenn sich Stephans Kaugummikauen unter meinem Fenster vorbeibewegt. Das aber ist erstens ohnehin ein sonderbares Ereignis, und zweitens stellt sich auch für dieses vermeintliche Ereignis, also für die Bewegung des Kaugummikauens unter meinem Fenster vorbei, die Frage, ob es sich seinerseits bewegen könnte und ob Der folgende Abschnitt orientiert sich stark an Dretskes Aufsatz Can Events Move?. Offenbar ist dies im Englischen noch deutlicher als bei uns. Dretskes Beispiele sind: Picnics moving inside, battles moving up and down a hill, und ähnliche.

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diese Bewegung der Bewegung eines Ereignisses erneut ein Ereignis ist. Es ist leicht zu sehen, daß solche Überlegungen zu einer wenig attraktiven Ereignisvervielfältigung führen. Viel näher liegt es zu bestreiten, daß sich Ereignisse wie Stephans Kaugummikauen bewegen können. Es gibt aber auch ein Argument, das zeigen soll, daß sich Ereignisse bewegen können müssen, und dieses Argument ist verblüffend einleuchtend. Ereignisse haben häufig ihren Ort in einem Gegenstand; eine Geburtstagsparty findet etwa im Haus des Feiernden statt. Diese Gegenstände haben ihrerseits ebenfalls wieder einen Ort; das Haus des Feiernden ist beispielsweise in Hamburg. Und daraus kann man dann schließen, daß das Ereignis am Ort des Gegenstands stattfindet; die Party also in Hamburg ist. Gegenstände haben aber nicht nur einen Ort, sie können ihn zumeist auch verändern, d.h. sie können sich bewegen. Und nun liegt es sehr nahe, von den Ereignissen, die sich in den Gegenständen abspielen, dasselbe anzunehmen. Findet z.B. die Geburtstagsparty nicht im Haus, sondern an Bord eines Schiffes statt, das von Hamburg nach Helgoland fährt, dann verändert sich der jeweilige Ort des Schiffes und folglich bewegt sich das Schiff von Hamburg nach Helgoland. Das Schiff aber ist der Ort der Party - was liegt deshalb näher als die Annahme, daß sich auch die Party von Hamburg nach Helgoland bewegt hat? Die Argumentation ist ganz analog der folgenden: Das Rettungsboot ist auf dem Schiff, das Schiff bewegt sich von Hamburg nach Helgoland, also bewegt sich auch das Rettungsboot von Hamburg nach Helgoland. Weshalb soll für die Party nicht gelten, was für das Rettungsboot gilt? - Wenn man daran festhalten möchte, daß sich Ereignisse nicht bewegen können, dann muß es einen Bruch geben in der Parallele zwischen Geburtstagsparty und Rettungsboot. Dretske hat in Can Events Move? eine Diagnose des Fehlers in dem Argument gegeben, die in meinen Augen über die Frage, ob sich Ereignisse bewegen können, hinausreicht und die raumzeitliche Ereignis-Individuation insgesamt ins rechte Licht rückt. Was bedeutet es, daß sich etwas bewegt? Es bedeutet, daß es sich zuerst an der einen Stelle und zu einem späteren Zeitpunkt an einer anderen Stelle befindet. Darauf baut das Argument auf: Die Party ist zuerst im Hamburger Hafen und dann auf der Reede von Helgoland, also muß sie sich vom einen Ort zum anderen bewegt haben. Doch das folgende Beispiel zeigt, daß diese Überlegung nicht schlüssig ist: Ein Koch, der gerade die Suppe umrührt, wird gefragt, wo der Kochlöffel ist; er antwortet "In der Suppe"; und dann wird er gefragt, was er denn in der Hand halte, und er sagt: "Den Kochlöffel". Der Löffel war also zuerst in der Suppe und ist jetzt in der Hand des Kochs, heißt das, daß

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er sich in der Zwischenzeit vom einen Ort zum anderen bewegt hat? - Natürlich nicht, als der Koch sagte, der Löffel sei in der Suppe, meinte er, daß sich ein Teil des Löffels in der Suppe befand, nicht der Löffel als Ganzes, und ebenso meinte er später abermals nur, daß sich der Löffel teilweise in seiner Hand befand. Das Beispiel illustriert, daß man manchmal von einem Gegenstand behauptet, er befinde sich an diesem oder jenem Ort, und damit meint, daß sich ein Teil dieses Gegenstandes dort befindet, nicht der Gegenstand als Ganzes. Und man kann annehmen, daß diese Unscharfe nicht nur in der Lokalisation von Gegenständen, sondern auch von Ereignissen auftritt. Dann aber erscheint das Party-Beispiel in einem neuen Licht. Daß die Party erst in Hamburg und dann auf der Helgoländer Reede stattfand, muß nicht heißen, daß sie sich vom einen Ort zum anderen bewegt hat (genauso wenig wie der Kochlöffel aus dem Topf in die Hand des Kochs gewandert ist). Es kann auch bloß heißen, daß sich ein Teil der Party in Hamburg abgespielt hat und eine anderer Teil auf Helgoland. Wo aber befindet sich ein Gegenstand als Ganzes, z.B. der Kochlöffel? - Der Löffel ist dort, wo sich sein Stil und die Laffe (der Schöpftal) befinden, d.h. sein Ort umfaßt die Orte all seiner Teile. Dasselbe gilt für das Rettungsboot, es ist dort, wo sich all seine Teile befinden, erst in Hamburg und dann auf Helgoland. Und es gilt für die Party, auch sie ist als Ganzes nur dort, wo sich all ihre Teile befinden. Aber anders als die Teile des Rettungsbootes sind nicht alle Teile der Party erst in Hamburg und dann auf Helgoland. Denn Ereignisse wie die Party haben nicht nur räumliche Teile wie der Löffel oder das Boot, sie haben auch zeitliche Teile: ihre Phasen oder Stadien.14 Das Kaffetrinken, das zu Beginn der Party im Hamburger Hafen stattfand, ist z.B. ein Teil der Party, und der Mitternachtsimbiß auf Helgoland ebenfalls. Weil der Imbiß aber nicht in Hamburg war, war die Party als Ganzes ebenfalls nicht in Hamburg - und weil umgekehrt das Kaffetrinken nicht auf Helgoland stattfand, war sie auch nicht auf Helgoland. Das ist Dretskes Erklärung dafür, daß sich Ereignisse nicht bewegen können. Es kann nicht geschehen, daß sich alle Teile eines Ereignisses zu einem bestimmten Zeitpunkt an der einen, zu einem späteren Zeitpunkt an einer anderen Stelle befinden, denn es gäbe dann immer eine Phase des Ereignisses, die erst nach dem früheren Zeitpunkt einsetzte oder vor dem späteren beendet wäre. Was wie eine Bewegung erscheint, ist, daß sich die Orte verschiedener Manchmal wird behauptet, wenn ein Ereignis überhaupt so etwas wie Teile haben könne, dann seien diese Teile notwendigerweise zeitliche Teile, also Phasen (z.B. von Hacker, Events and Objects in Space and Time, S. 7). Dagegen spricht, daß z.B. eine Schlacht, die so lange dauert wie der Krieg, keine Phase wohl aber ein Teil des Krieges ist.

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Teile des Ereignisses voneinander unterscheiden. In Wirklichkeit bewegt sich eine Party, die in Hamburg beginnt und in Helgoland endet, genauso wenig, wie sich der Kochlöffel bewegt haben muß oder wie sich, um ein anderes Beispiel zu bringen, ein Teppichläufer bewegt, der im Flur beginnt und im Wohnzimmer endet.

Diese Überlegungen Dretskes kann man sich nun für die raumzeitliche Ereignisindividuation zunutze machen. Sowohl Ereignisse als auch materielle Gegenstände sind identisch, wenn sie in ihrem Ort übereinstimmen. Aber diese vage Bedingung heißt jeweils etwas anderes. Für die materiellen Gegenstände muß man sie so lesen: Materielle Gegenstände sind identisch, wenn sie zu einem beliebigen Zeitpunkt in ihrem räumlichen Ort übereinstimmen. Und für Ereignisse besagt sie: Ereignisse sind identisch, wenn sie in ihrem raumzeitlichen Ort übereinstimmen. Anders ausgedrückt: Materielle Gegenstände haben eine dreidimensionale, Ereignisse eine vierdimensionale Gestalt, die ihnen wesentlich ist. Der Unterschied zwischen einem sich in der vierten Dimension bewegenden dreidimensionalen Gebilde und einem vierdimensionalen erklärt, daß es auf der einen Seite eine enge Beziehung zwischen Ereignissen und materiellen Gegenständen gibt, auf der anderen aber auch die besonders von Hacker hervorgehobenen deutlichen Unterschiede. Führt man sich alltägliche Ereignisse 'vor Augen' und fragt, was das eigentlich ist, was da passiert, dann finden sich dort nur die materiellen Gegenstände, denn im dreidimensionalen Raum existieren nur die sich verändernden Gegenstände. Trotzdem empfindet man die Behauptung als unbefriedigend, die Leute auf dem Schiff plus möglicherweise die Getränke, das Essen, das Mobiliar etc. etc. seien das Ereignis Geburtstagsparty. Durch solche Reflexionen bekommen Ereignisse etwas Ungreifbares - und das sind sie im wahren Sinn des Wortes ja auch. Man kann sich möglicherweise dadurch behelfen, daß man sagt, ein Ereignis seien bestimmte involvierte Gegenstände in einem Zeitraum, aber es ist zweifelhaft, ob das eine wirklich verständliche Formulierung ist. Deshalb muß man sich auf die Auskunft beschränken, die das Wesen einer Entität erschließen soll, ihre Individuationsbedingung. Und nachdem nun der Vorschlag der raumzeitlichen Ereignis-Individuation präzisiert ist, stellt sich emeut die Frage, ob er korrekt ist oder nicht.

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Er ist auf jeden Fall angemessen, das folgt aus der Feststellung, daß Ereignisse und materielle Gegenstände unterschiedlich in Raum und Zeit lokalisiert sind. Materielle Gegenstände haben keinen raumzeitlichen, keinen vierdimensionalen Ort, deshalb ist das Übereinstimmen im vierdimensionalen Ort sicher keine hinreichende Bedingung für ihre Identität und die Spezifitätsbedingung für die Ereignis-Individuation somit gewahrt. Aus demselben Grund gilt für Ereignisse nicht die Identitätsbedingung für materielle Gegenstände. Sie haben stets eine zeitliche Dimension, nehmen also als Ganzes zu keinem Zeitpunkt einen räumlichen Ort ein und lassen deshalb auch keine Rückschlüsse vom räumlichen Ort in einem Zeitpunkt auf ihre Identität zu. Die Spezifitätsforderung an die Individuation materieller Gegenstände ist damit ebenfalls gewahrt. 15 Was bleibt, sind die Zweifel, die sich auf die Gegenbeispiele gründen. Doch auch diese Zweifel lassen sich ausräumen, wenn man nur der Lokalisation der problematischen Ereignisse größere Aufmerksamkeit schenkt. Ist ein Verfechter der raumzeitlichen Ereignis-Individuation wirklich gezwungen, alle gleichzeitigen Veränderungen des Universums an demselben Ort anzusiedeln - oder auch nur das Reißen des Keilriemens und das Platzen des Benzintanks? Nein, sicher nicht. 16 Das Beispiel illustriert nur den trivialen Umstand, daß man den Ort eines Gegenstandes oder eines Ereignisses mehr oder minder großzügig angeben kann. Der Petersdom befindet sich in Italien und die letzte Fußballweltmeisterschaft fand in Italien statt. Daraus folgt natürlich nicht, daß alle materiellen Gegenstände Italiens mit dem Petersdom identisch sind, oder alle die Weltmeisterschaft in Italien begleitenden Ereignisse mit der Weltmeisterschaft. Das offenkundige Mißverständnis, auf dem dieses Argument beruht, ist die Verwechslung zwischen beliebigen räumlichen und zeitlichen Lokalisationen eines Ereignisses, die mehr oder minder genau sein können, und dem Ort, an dem das Ereignis stattfindet. Sagt man, der Petersdom sei in Italien, dann meint man nicht, er sein in ganz Italien, er nehme das ganze Land ein. Man sagt, daß der Petersom irgendwo in Italien ist, daß der räumliche Ort, den er einnimmt, zu Italien gehört. Lokalisierungen können also nicht nur in der oben genannten Hinsicht ungenau sein, daß sie sich darauf beschränken, den Ort eines Teiles des

Das ist am Ende auch Davidsons Ansicht, wenn er im letzten Absatz seiner Reply to Quine on Events schreibt: Occupying the same portion of space-time, event and object differ. One is an object which remains the same object through changes, the other a change in an object or objects (S. 176). Vgl. Davidsons Diskussion des Arguments in The Individuation of Events, S. 175-76.

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betreffenden Gegenstandes oder Ereignisses zu nennen (so wie im KochlöffelBeispiel), sondern auch darin, daß sie den Ort zu umfassend angeben. Für viele Zwecke reichen solche unpräzisen Lokalisierungen vollkommen aus, aber es ist offenkundig, daß sich die Identität sei es von Ereignissen oder von materiellen Gegenständen nicht aus diesen pragmatisch gewählten Angaben erschließen läßt. Echte Beispiele raumzeitlich übereinstimmender und gleichwohl voneinander verschiedener Ereignisse dürfen in keiner noch so akkuraten Angabe des raumzeitliche Ortes auseinanderklaffen. Und dies ist im Beispiel des reißenden Keilriemens und platzenden Tanks bestimmt nicht erfüllt. Weniger deutlich ist, daß sich mit derselben Argumentation auch das JonesBeispiel ausräumen läßt. Bevor ich dazu komme, möchte ich anhand eines weiteren vermeintlichen Gegenbeispiels deutlicher machen, was es heißt, daß Ereignisse in allen raumzeitlichen Charakterisierungen übereinstimmen müssen, um identisch zu sein. Angenommen, jemand hätte 1990 eine Alternativ-Tour zur Tour de France veranstaltet, die zur selben Zeit wie die richtige Tour exakt dieselben Etappen abgefahren hätte, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, dann hätten beide Ereignisse in ihrem engsten räumlichen und engsten zeitlichen Ort übereingestimmt - sie wären im selben Augenblick gestartet worden und hätten (einmal angenommen) genau zur gleichen Zeit aufgehört, keine hätte ein Fleckchen französischer Erde berührt, die die andere nicht berührt hat. Und doch wären es natürlich zwei verschiedene Radrennen gewesen. Die Frage ist, wie sich das mit der raumzeitlichen Individuation vereinbaren läßt. Graphik 3 auf der folgenden Seite zeigt, wie dieses Beispiel gemeint ist. Die beiden Kurven beschreiben, stark vereinfacht, die Tour de France und die Alternativ-Tour dazu; und die schraffierten Doppelpfeile geben den engsten räumlichen und zeitlichen Ort für die Ereignisse an. In beiden Lokalisationen stimmen die Rennen überein; trotzdem geht aus der Graphik deutlich hervor, daß sie sich raumzeitlich unterscheiden. Und aus der Graphik geht auch hervor, wie dieser scheinbare Widerspruch zu erklären ist. Der raumzeitliche Ort eines zweidimensionalen Gebildes wie einer Kurve ist nicht einfach die Breite, die sie einnimmt, plus die Höhe; der Ort der Kurve ist die Folge der Koordinaten all ihrer Teile. In Ausnahmefällen, kann man ein zweidimensionales Gebilde durch die Angabe von Höhe und Breite exakt beschreiben, doch in der Regel muß man auf andere Beschreibungen (Funktionen, Relationen) zurückgreifen, die den raumzeitlichen Ort charakterisieren.

238

Die raumzeitliche Ereignis-Individuation

Graphik 3

zeitlicher Ort zzzzzzz

~k.

/

1

Bordeaux

räumlicher Ort Besancon

Poitiers

\

^

2.7

8.7 —

Tour de France 1990

19.7

\

7

22.7

-Ί— A l t e r n a t i v - T o u r

Und dasselbe gilt für vierdimensionale Entitäten, für Ereignisse. Ereignisse bilden vierdimensionale Körper, "Würmer", die ebenfalls nur in Ausnahmefällen dadurch eindeutig beschrieben werden können, daß man sagt, wann das betreffende Ereignis stattgefunden hat und wo. Zumindest dann, wenn man es wirklich von allen anderen Ereignissen abgrenzen möchte, muß man auch diese Ereigniskörper durch ihre einzelnen Koordinaten beschreiben, d.h. durch die Orte, an denen ihre Teile stattfinden - letztlich durch die Orte der elementaren physikalischen Ereignisse, aus denen sie sich zusammensetzen. Nur dann, wenn man die Folge dieser raumzeitlichen Koordinaten als den Ort eines Ereignisses ansieht, ist der Vorschlag, Ereignisse durch ihren raumzeitlichen Ort zu individuieren, haltbar. Und dann ist auch das Jones-Beispiel kein Anlaß mehr, skeptisch zu sein. Wenn Jones durch den Hellespont schwimmt, sich erkältet und an Wien denkt, dann geschehen diese drei Ereignisse auf seiner Route durch die Meerenge und insofern an demselben Ort. Sie geschehen aber auch in der Türkei, nördlich des Äquators und irgendwo zwischen Asien und Europa. Allein daraus kann nicht

Die laumzeitliche Ereignis-Individuation

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folgen, daß sie identisch sind; was die raumzeitliche Individuation behaupten muß ist, daß die Ereignisse identisch sind, wenn sie alle Koordinaten teilen. Doch es gibt keinen Anlaß anzunehmen, daß sie das tun. Das Schwimmen z.B. besteht unter anderem aus bestimmten Muskelbewegungen am rechten Knie, die weder zum sich Erkälten noch gar zum Nachdenken gehören, ist also von beiden raumzeitlich verschieden und folglich nicht mit ihnen identisch. Und analog lassen sich auch das sich Erkälten und das Nachdenken über Wien auseinanderhalten. In anderen Fällen ist eine Entscheidung sicher schwieriger und hängt vermutlich von eventuell noch zu entdeckenden naturwissenschaftlichen Zusammenhängen ab. Das könnte für die rotierende Kugel bedeuten, daß das Rotieren und das Wärmerwerden tatsächlich ein und daselbe Ereignis sind, wenn sich nämlich auch auf der Ebene elementarer physikalischer Ereignisse keine Teilereignisse finden lassen, die zwar zum Rotieren gehören, nicht aber zum Erwärmen, oder umgekehrt. Doch sollte dies eintreten, dann sehe ich auch keinen Grund mehr, sich gegen diese Konsequenz zu sperren. 17 *

Damit sind die Einwände gegen den Vorschlag, Ereignisse raumzeitlich zu individuieren, ausgeräumt. Und weil dieser Vorschlag außerdem gut zum Fazit des vorangegangenen Kapitels paßt, daß Ereignisse ihre kausale Rolle aus der kausalen Rolle ihrer Teile gewinnen, glaube ich, daß er richtig ist. Ereignisse sind raumzeitliche Entitäten, die genau dann identisch sind, wenn sie in dem Ort, an dem sie stattfinden, übereinstimmen. Das ist am Ende meine Antwort auf die Frage, was Ereignisse sind. Sie ist wenig spektakulär, doch es hat mich einige Mühe gekostet zu zeigen, daß sie so wenig spektakulär ausfallen kann. Ich hoffe, dies ist mir gelungen.

Das ist auch die Meinung, die Quine vertritt (Events and Reification, S. 167).

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Personenregister

Achinstein, Peter. 60 f., 118,120,121

Haack, Susan: 135

Anscorabe, G.E.M: 31

Hacker, Peter: 2, 230, 234 f.

Aristoteles: 79

Haller, Rudolf: 41

Aune, Bruce: 165

Hare, Richard: 79 Hempel, Carl Gustav: 181-192

Bennett, Jonathan: 120,142

Honderich, Ted: 21

Bieri, Peter: 5 2 , 9 6 , 1 7 8 Brand, Myles: 15,19 f., 227 ff. Brandt, Richard: 59, 75 Bürge, Tyler. 148 Carnap, Rudolf: 55-59, 182,188

Kim, Jaegwon: 36, Kap. 5 pass., 63-67, 71, 73-78, Kap. 7, 8 und 9 pass., 157, 176, 182, 201 f., 210, 213, 217, 222 f., 225, 229 Künne, Wolfgang: 40, 51, 55, 60, 135, 143, 149, 155 f.

Chisholm, Roderick: 35 f., Kap. 4 pass., 46, 142, 229

Lanz, Peter: 139

Church, Alonzo: 157

Leibniz, Gottfried Wilhelm: 2 f., 5

Cummins, Robert: 181

Lemmon, E.J.: 224 Lewis, David: 104,124

Davidson, Donald: 3, Kap. 2 pass., 28, 31 f., 34, 36, 38, 41, 44, 47-51, 67, 78, 97, Kap. 10 pass., 158 ff., 164 ff., 168, 170 f., 173, 175 f., 184, 188, 214 ff., 224, 226 f., 236 Dretske, Fred 118, 120 f., 232-235

Lewis, Harry: 79 Lombard, Lawrence B.: 48 ff., 52, 223, 227 Lorenz-Meyer, Lorenz: 133 McLaughlin, Brian: 14,105 f., 225

Feldman, Richard: 43

McTaggert, John: 128

Frege, Gottlob: 56, 157

Mill, John Stuart: 182 Montmaraet, James: 172

Geach, Peter: 79, 127

Moore, G.E.: 79

Goldman, Alvin: 21, Kap. 3 pass., 46, 55 ff., 64 f., 73 f., 118 ff., 122, 161-167,

Nagel, Ernest: 182

175,197 f., 199 f. Grimes, Thomas: 89

Oppenheim, Paul: 182

248

Personenregister

Patzig, Günther: 133

Tarski, Alfred: 132 f., 135 ff.

Pepper, Stephen: 79

Teller, Paul: 92

Piaton: 128

Thalberg, Irving: 43

Popper, Karl: 182

Thomson, Judith Jarvis: 20-26, 70

Putnam, Hilary: 59 ff., 96 f.

Tyles, J.E.: 11 f.

Quine, Willard V.O.: 2 ff., 6, 11-15, 57-62, 132,136,142, 216,224, 231, 239

Vendler, Zeno: 173

Rheinwald, Rosemarie: 81, 226 Rosenthal, David: 142 Ross, W.D.: 79 Russell, Bertrand: 128 Sher, George: 11,15 ff.

Weinstein, Scott: 148 Wierenga, Edward: 43 Wiggins, David: 5 Wilson, N.L.: 11,13 ff., 17 Wittgenstein, Ludwig: 1 f., 41,146

Simons, Peter: 229 Strawson, Peter: 6,51,170,175

Zemach, Eddie: 142

Sachregister

Abhängige Entitäten (siehe Entitäten abhängige vs. unabhängige) Adäquatheitsbedingung für Ereigniserklärengen 181 f., 184,187,191 Adverbien 140-143 - synkategorematische 142 f., 149, 154156 Ambiguität von Sätzen 122-125, 127, 173177, 196 f. Analytische Schlüsse 166,197 Äußerungen (siehe Sätze - vs. Satzausserungen) Autonomie der Bedeutung (siehe Sprachliche Bedeutung - Autonomie)

Eigennamen (siehe logische Form - von Sätzen mit Eigennamen)

Brücken-Beispiel 168-171, 174-177, 178181,183 f., 191 f., 195-198,208 ff., 212

Eigenschaften 54-61,214-217 - Dependenz (siehe Dependenz - von Eigenschaften) - ereigniskonstitutive Kap. 5 pass., 74 f., 77, 80, 98, 109, 121-129, 199-202, 210, 212 f., 217, 221 f. - Individuation 55-62,94 f., 216, 228 - koextensive 57 f., 87 f., 90-95,115,228 - maximal starke 85, 87, 90 f. - Supervenienz (siehe Supervenienz zwischen Eigenschaften) - von Ereignissen 47, 121-127, 200 ff., 212-215 - wesentliche 5 ff., 13 f., 225 (siehe auch Ereignisse - als Eigenschafts-Exemplifikationen)

Cambridge events 199 f.

Eigenschaftsfamilien 110 - Definition 79 f.

127-130, 143, 161,

"daß"-Sätze (siehe logische Form - von "daß"-Sätzen)" Deduktiv-nomologische Erklärungen (siehe D-N-Erklärungen) Demonstrativa (siehe logische Form - von Sätzen mit indexikalischen Elementen) De pendenz - von Eigenschaften 77 f., 80-84, 88 f., 91-95,100,106,111 - von Ereignissen 74 f., 80,100 D-N-Erklärungen 182-186,189 f., 192 - vs. Kausalerklärungen (siehe Kausalerklärungen - vs. D-N-Erklärungen)

Kap. 7 pass., 108,

Emphaseproblem 119-125,143,213 Endlichkeitsforderung an die Axiome einer Wahrheitstheorie (siehe Wahrheitstheorie - Endlichkeitsforderung) Entitäten 3 - abhängige vs. unabhängige 6, 13 f., 19, 50,225 - Kategorien 5 Ereignissätze Kap. 9 pass., 139-147, Kap. 11 pass., 181 f., 193, 197, 199 f., 214 f., 221 - logische Form (siehe Logische Form von Ereignissätzen)

250

Sachregister

Ereignisse - als Eigenschafts-Exemplifikationen Kap. 5 pass., 200,217,221 f., 229 - als materielle Gegenstände 229-232, 235 - als Sachverhalte Kap. 4 pass. - Datum 47 - Dependenz {siehe Dependenz - von Ereignissen) - Eigenschaften (siehe Eigenschaften von Ereignissen) - Existenz (siehe Existenz - von Ereignissen) - Individuation 2,6, 28, 38, 229 - Individuation durch notwendige raumzeitliche Übereinstimmung 228 ff. - kausale Individuation Kap. 2 pass., 36 - kausale Rolle 13, 19, 36, 43 f., Kap. 6 und 8 pass., 163, 201 - konstitutive Eigenschaften (siehe Eigenschaften - ereigniskonstitutive) - Phasen 234 f., 238 - raumzeitliche Individuation 30, Kap. 14 pass. - sich bewegende 232-236 - Supervenienz (siehe Supervenienz zwischen Ereignissen) - Teil-Ganzes-Beziehungen 21-26, 49, 53 f., 70 ff., 103, 108 ff., 207 f., 218 f., 222 f., 234 f., 238 - Träger 47,50-54, 77,129 f., 200, 231 - Vorhersage (siehe Vorhersagen von Ereignissen) - Wiederkehr 39, 41, 43 f. (siehe auch Gegenstände, materielle als Ereignisse)

Existenz 3,146,158 ff. - von Eigenschaften 213-218, 225 - von Ereignissen 2 f., 11 f., 146,159 f., 230 Explanatorische Ambiguität (siehe I-S-Erklärungen explanatorische Ambiguität) Feinkörniges Ereignisverständnis (siehe Ereignisverständnis feinkörniges vs. grobkörniges) Folgen 136 f., 144 f. Gegenstände, materielle 2, 4-8, 223 ff., 229-235 - als Ereignisse 231 f., 235 - Individuation 4-8, 10, 14, 17 f., 225 f., 228, 231, 235 f. (siehe auch Ereignisse - als materielle Gegenstände) Gegenstände, physikalische 231 f. Geläutertes feinkörniges Ereignisverständnis (siehe Ereignisverständnis - geläutertes feinkörniges) Generalisierungen (siehe Gesetzmäßigkeiten) Gesetze (siehe Gesetzmäßigkeiten) Gesetzmäßigkeiten 67 ff., 76 f., 111 ff., 116, 182-191, 194 f., 202, 204, 210-213, 218-221 Goldmans John-Beispiel Kap. 3 pass., 42, 63, 65-68, 73, 105-108, 118 ff., 125, 161-168, 173-176, 193-202, 212-217, 224

Ereignisverständnis - feinkörniges vs. grobkörniges Kap. 3 pass., 46 f., 63 f., 73 f., 118-121, 125, 161-168, 170, 175 f., 197 f., 199, 202 f., 212, 217,224, 229 - geläutertes feinkörniges 199 ff., 212 ff.

Grobkörniges Ereignisverständnis (siehe Ereignisverständnis feinkörniges vs. grobkörniges)

Erfüllung 135 ff. - vs. Referenz 144 f., 147,149

Identifikations-Kriterium 15-19, 27-31, 51, 225

Hellespont-Beispiel 227 f., 230 f., 238 f.

Sachregister Identität des Ununterscheidbaren (siehe Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren) Individuation - von Eigenschaften (siehe Eigenschaften - Individuation) - von Ereignissen (siehe Ereignisse Individuation) - von materiellen Gegenständen (siehe Gegenstände, materielle - Individuation) - von Mengen (siehe Mengen - Individuation) Individuationsbedingungen 2, 5-8, 216, 225 - Spezifitätsforderung (siehe Spezifitätsforderung an Individuationsbedingungen) Induktiv-statistische I-S-Erklärungen)

Erklärungen

(siehe

I-S-Erklärungen 185-196,204-209 - explanatorische Ambiguität 187 f. - vs. Kausalerklärungen (siehe Kausalerklärungen - vs. I-S-Erklärungen) John (siehe Goldmans John-Beispiel) Jones (siehe Hellespont-Beispiel) Kausalaussagen (siehe Kausalerklärungen vs. Kausalaussagen) Kausalerklärungen 165, 170-177, Kap. 12 und 13 pass. - Explananda vs. Explanantia 180 - parataktische Analyse (siehe Parataktische Analyse - von Kausalerklärungen) - Relativität 177, 191 f., 209, 210, 220 - vs. D-N-Erklärungen 182-185,192 - vs. I-S-Erklärungen 186-196,204-209 - vs. Kausalaussagen 170-175, 193-197, 203 ff. Kausalketten 71, 73, 77, 104, 108, 129, 207 f., 218 f.

251

Kennzeichnungen (siehe logische Form von Sätzen mit Kennzeichnungen) Kognitive Gleichwertigkeit 35, 39 f., 42, 44 Konstitutive Eigenschaften von Ereignissen (siehe Eigenschaften - ereigniskonstitutive) Logische Form 138 f., 158, 214 f. - von "daß"-Sätzen 149-154,164 - von Ereignissätzen 139-143, 161-166, 168-177,193, 197,199 ff., 203-206 - von Sätzen mit Eigennamen 148 f. - von Sätzen mit indexikalischen Elementen 147 ff., 151,165 - von Sätzen mit Kennzeichnungen 145 ff., 149 Liignerparadoxien 137 Mary (siehe Zahnschmerzen-Beispiel) Materialismus-Problem 75, 81 f., 111, 114 ff., 120, 126, 217 ff., 221 Mengen 58 - Individuation 5 f., 10-15,17 f. Mereologische Kausalbeziehungen 21-25, 70 ff., 103 ff., 108 ff., 207 f., 219 ff. (siehe auch Rechtfertigung von Kausalaussagen - mereologische Strategie) Mereologischer Physikalismus 221 ff. The Method of Truth in Metaphysics 158, 162, 201, 214 f. Metaphern und Gleichnisse 153 f. Multiple-realisation-argument % f. Offene Sätze 135 ff. Ort, raumzeitlicher 14, 224-227, 232-239 Parataktische Analyse 151-156, 164-167, 169,178 ff., 203 f. - von Kausalerklärungen 164 f., 174-180 Physikalismus 74 f., 217 - mereologischer (siehe mereologischer Physikalismus)

252

Sachregister

Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren 2,4-7,16,61,228 Prinzip der Ununterscheidbarkeit des Identischen 16,33 f., 43 f. Problem der kausalen Anhängsel 73 f., 76 ff., 100, 107-112, 114,118, 120, 126, 202-210,212, 222 Propositionen 39 ff., 150,152 Rechtfertigung von Kausalaussagen Kap. 6 pass., 202-208, 212 - Identitätsstrategie 202-206, 218 - Kettenstrategie 206 ff., 218 - mereologische Strategie 207 f., 218 - nomologische 67-71, 76 f., 111 f., 204, 210 ff., 222 - substitutioneile 69-74, 76 f., 100, 107114, 202-212, 218-222 (siehe auch Gesetzmäßigkeiten; Mereologische Kausalbeziehungen) Rest 72,109 f. Richtigkeit (siehe Wahrheit vs. Richtigkeit) Sachverhalte Kap. 3 pass., 179 - Individuation 39 f. - Vorkommen 40 f., 43 (siehe auch Ereignisse - als Sachverhalte) Sätze - vs. Satzäußerungen 147, 178 ff., 192, 209 - vs. Texte (siehe Texte) Schierlingsbecher-Beispiel 118-125,176 Semantische Undurchsichtigkeit 120, 132, 150 f. Spezifitätsforderung an Individuationsbedingungen 6 f., 12, 50 f., 223, 225 f., 228 f., 231, 236 (siehe auch Individuationsbedingungen) Sprachkompetenz 131 ff., 138 f. Sprachliche Bedeutung 56,131 ff., 153 f.

- Autonomie 153 f. Superveniente Kausalität 100-114 Supervenienz 78, Kap. 7 pass., 217 - mereologische 110 - schwache 80-88 - starke 88-97,115 - zwischen Eigenschaften 86 ff., 97 f., 108 - zwischen Ereignissen 97 f., 108 Teil-Ganzes-Beziehungen (siehe Ereignisse - Teil-Ganzes-Beziehungen) Texte 151-154, 164-167, 171, 174-177, 178, 180, 197, 204,216 Transitivität der Kausalität 22 ff., 70 f. Typen-Identitäts-These 75, 95 ff., 114-117, 217 Unabhängige Entitäten (siehe Entitäten abhängige vs. unabhängige) Vorhersagen von Ereignissen 181 f., 187 f. Vorkommen von Sachverhalten Sachverhalte - Vorkommen)

(siehe

Wahrheit vs. Richtigkeit 152 ff., 164, 175 ff., 215 f., 225 Wahrheitsbedingungen 132 ff., 146, 154, 159 Wahrheitsdefinition 132 f., 135 ff. Wahrheitstheorie Kap. 10 pass., 158-164, 168-175,178,197, 216 - Endlichkeitsforderung 137-141, 150, 152,155 f., 162 ff., 166,169,197 - ontologische Konsequenzen 158 ff., 214 ff. Wahrheitswert 82 f., 123, 136 f., 147, 152 f., 164 ff., 168,175 f., 201 Wesentliche Eigenschaften (siehe Eigenschaften - wesentliche) Wiederkehr von Ereignissen (siehe Ereignisse - Wiederkehr)

Sachregister Wissenschaftshierarchie 74-78, 80 f., 9094, 98 f., 217-221 Zahnschmerzen-Beispiel 69-76, 100, 108113, 115 ff., 118, 202-208, 213 ff., 217, 223 Zustände 50

253

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin New York

QUELLEN U N D STUDIEN ZUR

PHILOSOPHIE

HARALD KÖHL

Kants Gesinnungsethik Groß-Oktav. XII, 161 Seiten. 1990. Ganzleinen DM 88,ISBN 3 11 012309 6 (Band 25) CHRISTEL FRICKE

Kants Theorie des reinen Geschmacksurteils Groß-Oktav. IX, 194 Seiten. 1990. Ganzleinen DM 98,ISBN 3 11 012585 4 (Band 26) BERNHARD THÖLE

Kant und das Problem der Gesetzmäßigkeit der Natur Groß-Oktav. XI, 324 Seiten. 1991. Ganzleinen DM 148,ISBN 3 11 012193 X (Band 27) SYBILLE KRÄMER

Berechenbare Vernunft Kalkül und Rationalismus im 17. Jahrhundert Groß-Oktav. X, 431 Seiten, diverse Tabellen. 1991. Ganzleinen DM 196,- ISBN 3 11 012106 9 (Band 28)

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