Von »Sport und Recht« zu »Faszination Sportrecht«: Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Udo Steiner / Wolf-Dietrich Walker [1 ed.] 9783428549825, 9783428149827

Der Band enthält eine Auswahl der sportrechtlichen Beiträge von Klaus Vieweg aus den Jahren 1983 bis 2015, die – in chro

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Von »Sport und Recht« zu »Faszination Sportrecht«: Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Udo Steiner / Wolf-Dietrich Walker [1 ed.]
 9783428549825, 9783428149827

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Beiträge zum Sportrecht Band 50

Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“ Ausgewählte Schriften von Klaus Vieweg

Herausgegeben von Udo Steiner Wolf-Dietrich Walker

Duncker & Humblot · Berlin

UDO STEINER/WOLF-DIETRICH WALKER (Hrsg.)

Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 50

Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“ Ausgewählte Schriften von Klaus Vieweg

Herausgegeben von Udo Steiner Wolf-Dietrich Walker

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-14982-7 (Print) ISBN 978-3-428-54982-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84982-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Professor Dr. Klaus Vieweg vollendet im Jahr 2016 sein 65. Lebensjahr. Er hat sich durch seine Veröffentlichungen, Vorträge und von ihm organisierte Symposien nicht nur im Bürgerlichen Recht sowie im Technik- und Wirtschaftsrecht eine hohe Anerkennung erworben. Vor allem hat er die Entwicklung des Sportrechts in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Sein Schriftenverzeichnis zum Sportrecht umfasst bisher vierundzwanzig selbstständige Werke, die er allein verfasst hat oder an denen er als Mitautor oder (Mit-) Herausgeber beteiligt ist. Dazu kommen 91 Aufsätze, Vorträge, Berichte und Rezensionen. Klaus Vieweg weiß, worüber er in seinen sportrechtlichen Veröffentlichungen schreibt. Er hat neben Rechtswissenschaft auch Sport studiert. Als ehemaliger Leistungssportler im Turnen und Hobbyfußballspieler kennt er die Perspektive des Sportlers und als Trainer mit A-Lizenz im Kunstturnen diejenige des Trainers. Die wichtigsten seiner sportrechtlichen Publikationen aus der Zeit zwischen 1983 und 2015 sind in diesem Band zusammengestellt. An ihnen lässt sich die Entwicklung von der Entdeckung des Sports als Gegenstand spezifischer juristischer Fragestellungen in Richtung zum Sportrecht als einem eigenen Rechtsgebiet mit Querschnittsmaterie verfolgen. Sein 1983 in der „Juristischen Schulung (JuS)“ erschienener Einführungsaufsatz trägt noch den Titel „Sport und Recht“. Dagegen ist in seinen Veröffentlichungen seit 1994 immer wieder vom „Sportrecht“ die Rede. Seine im Jahr 1990 veröffentlichte Habilitationsschrift über „Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände“ war – soweit ersichtlich – die erste Habilitation zum Sportrecht. An der bis heute immer weiter wachsenden Zahl von juristischen Veröffentlichungen mit Bezug zum Sport haben die Arbeiten von Klaus Vieweg einen maßgeblichen Anteil. Sie umfassen ein weites Spektrum von Themen, u. a. aus dem Vereinsrecht, Nachbarrecht, Wirtschaftsrecht, Medienrecht, Datenschutzrecht, Technikrecht und Europarecht. Immer wieder werden von ihm auch andere Disziplinen wie Naturwissenschaften und Technik mit einbezogen. 1994 wurde die heute renommierte Fachzeitschrift „Sport und Recht (SpuRt)“ gegründet. Klaus Vieweg gehörte von Anfang an zum Kreis der Herausgeber. Als solcher hat er auch die erfolgreiche Entwicklung dieser Zeitschrift mit geprägt. Klaus Vieweg ist langjähriger Vizepräsident der Deutschen Vereinigung für Sportrecht (DVSR). Bis heute bringt er seine Fachkenntnisse, Erfahrungen und Kontakte zu Sportrechtlern aus der Wissenschaft und der Praxis ein, wenn es darum geht,

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Vorwort

die jährlichen Tagungen mit aktuellen Themen und renommierten Referenten zu organisieren. International ist Klaus Vieweg gut vernetzt. 1992 hat er in Athen die International Association of Sports Law (IASL) mit begründet, ist aktuell deren Honorary Vice President und gefragter Referent bei den jährlich stattfindenden Konferenzen. Ein besonderes Anliegen ist es ihm, auch den wissenschaftlichen Nachwuchs für das Sportrecht zu begeistern. Viele höchst beachtliche Arbeiten sind aus seinem Schülerkreis entstanden. Die regelmäßig von ihm veranstalteten Interuniversitären Tagungen zum Sportrecht, zu denen bisher bereits acht Tagungsbände mit den Vorträgen von jeweils zwei Tagungen erschienen sind, werden stets gut besucht, auch von längst etablierten Sportrechtlern aus der Praxis und der Wissenschaft. Durch sein Engagement hat er einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass inzwischen an vielen juristischen Fakultäten immer wieder Seminare zu sportrechtlichen Themen angeboten werden, in denen sich die sportlich oft sehr bewanderten Studierenden auch juristisch so richtig „austoben“ können. Auf diese Weise hat Klaus Vieweg maßgeblich dazu beigetragen, dass die „Faszination Sportrecht“ nicht nur die Rechtswissenschaft, sondern auch die Juristenausbildung längst erreicht hat. Das Engagement von Klaus Vieweg als Mitherausgeber mehrerer nationaler und internationaler Schriftenreihen, als Verfasser juristischer Beiträge und als gefragter Vortragender ist ungebrochen. Durch die Gründung und Leitung der „Erlanger Forschungsstelle für deutsches und internationales Sportrecht“ hat er die Voraussetzungen für eine Nachhaltigkeit dieses Forschungsschwerpunktes an der Universität Erlangen-Nürnberg geschaffen. Im Interesse des Sportrechts ist eine organisatorische und inhaltliche Weiterführung dieser Einrichtung zu wünschen. Regensburg und Gießen im April 2016 Udo Steiner und Wolf-Dietrich Walker

Inhaltsverzeichnis Zur Einführung: Sport und Recht (1983) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen (1984) . . . .

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Gleichschaltung und Führerprinzip. Zum rechtlichen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich (1985) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sportanlagen und Nachbarrecht (1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen (1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände. Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände – Inhaltsverzeichnis (1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Doping und Verbandsrecht (1991) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Doping und Verbandsrecht. Zum Beschluß des DLV-Rechtsausschusses im Fall Breuer, Krabbe, Möller (1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände (1993) . . . . . . . . . . . . . . 129 Sponsoring und Sportrecht (1994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen (1994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Blut und/oder Urin zum Nachweis von Dopingsubstanzen. Ergebnisse juristischer Gutachten (zusammen mit Kristian Kühl und Peter J. Tettinger) (1995) . . . . . . . 189 Disziplinargewalt und Inhaltskontrolle. Zum „Reiter-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (1995) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband im Hinblick auf Werberechte (zusammen mit Isolde Hannamann) – Inhaltsverzeichnis (1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Athleteninteresse und mögliche Konflikte in Verein und Verband. Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion sog. Athletenvereinbarungen (zusammen mit Isolde Hannamann) (1997) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

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Inhaltsverzeichnis

Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte. Das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport (1997) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Inline-Skating. Rechtstatsachen, Rechtslage und Reformbedarf (1998) . . . . . . . . . . 257 Grundinformationen zur Dopingproblematik (1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Dopingvermeidung und Verbandsrecht. Regelkreismodell, Ergebnisse und Analyse einer explorativen Erhebung (1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Soziale und wirtschaftliche Machtpositionen im Sport. Rechtstatsächliche Situation und (kartell)rechtliche Grenzen (zusammen mit Isolde Hannamann) (1998) . . . 307 Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa (1999) . . . 339 Europaweite Ausschreibung und Vergabe beim Sportstättenbau. Zur Neukodifikation des Vergaberechts in den §§ 97 ff. GWB (zusammen mit Frank Oschütz) (1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Zur Einführung: Aktuelle Probleme des Dopings (2000) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Verbandsautonomie und Grundfreiheiten (zusammen mit Anne Röthel) (2002) . . . 373 Unfallrisiken im Sport und Versicherung (2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Staatliches Anti-Doping-Gesetz oder Selbstregulierung des Sports? (2004) . . . . . . 415 Fairness und Sportregeln. Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport (2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote (2005) . . 445 Sachverständigenanhörung in der Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages am 27. 09. 2006 (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Zur Einführung: Probleme und Tendenzen des Lizenzierungsverfahrens (zusammen mit Andrea Neumann) (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations. Pilot Study for the European Commission (hrsg. zusammen mit Robert Siekmann) – Inhaltsverzeichnis (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Gleichbehandlung im Sport. Grundlagen und Grenzen (zusammen mit Anne Müller) (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Zur Europäisierung des Vereins- und Verbandsrechts (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen aus rechtlicher Sicht (zusammen mit Christoph Röhl) (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 „Neue Medien“ und Sportrecht (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

Inhaltsverzeichnis

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Zur zivilrechtlichen Haftung der Veranstalter und Ausrichter satzungsgemäßer Sportwettkämpfe (zusammen mit Christoph Röhl) (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine (2010) . . . . . . . . . 567 Sportunfälle und zivilrechtliche Haftung (2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Sport und Medien. Entwicklungen im Spannungsfeld von Technik, Wirtschaft und Recht (2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Sports Law Germany (zusammen mit Andreas Krause) – Inhaltsverzeichnis (2013) 611 Lex sportiva und Fairness-Prinzip (zusammen mit Paul Staschik) (2013) . . . . . . . . 619 Sportärztliche Entscheidungen aus rechtlicher Sicht (2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 „Techno-Doping“. Regelungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten der Sportverbände (2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Medizinische Probleme im Fußball. Pflichten und Maßnahmen der FIFA aus rechtlicher Sicht (2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Das Ehrenamt unter Verantwortungsdruck (zusammen mit Hans Kudlich) (2015)

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Faszination Sportrecht, Online-Publikation (3. Aufl. 2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 Schriftenverzeichnis Sportrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755

Zur Einführung: Sport und Recht* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweispurigkeit des Sportrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundprobleme des Sportverbandsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strukturmerkmale des Sportverbandswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbandsautonomie und Verbandsmacht im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruch auf Aufnahme in einen Sportverband mit Monopolstellung . . . . . . . . . . 4. Verbandsstrafen und Verbandsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sportregeln – Funktion und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Sportrechtliche Fragestellungen finden spätestens seit dem sog. Bundesligaskandal1 in Öffentlichkeit, Rechtsprechung und Schrifttum zunehmend Beachtung. Diese Resonanz ist symptomatisch für einen Entwicklungsprozeß in der Beziehung von Sport und Recht. Wurden noch vor gut einem Jahrzehnt sportspezifische Interessenkonflikte fast ausnahmslos intern mit Hilfe des selbstgegebenen Verbandsrechts abschließend geregelt, so führte insbesondere die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung weiter Bereiche des Spitzensports zu einer kritischen Überprüfung seiner traditionellen Selbstregulierungsmechanismen. Wer seine beruflichen und wirtschaftlichen Interessen durch die verbandsrechtlichen Regelungen und verbandsinternen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht genügend berücksichtigt sah, informierte die Medien und versuchte, durch Anrufung staatlicher Gerichte seine Ziele zu erreichen. Es erwachte das Interesse der Rechtswissenschaft, für die sich ein Gebiet auftat, in dem manches zurechtgerückt werden konnte. Dieser Klärungsprozeß ist noch keineswegs abgeschlossen, zumal sich das soziale und wirtschaftliche Phänomen Sport erfindungsreich fortentwickelt. Grunskys2 Hinweis auf die „Zuwachsrate des Sportrechts“, die in der Gesamtrechtsordnung ihresgleichen suche, beschreibt deshalb nach wie vor zutreffend die Situation. Ein einführender Überblick muß sich darauf beschränken, Grundstrukturen und typische Fragestellungen zu skizzieren. Die Sportverbandsproblematik sowie die Sportregeln erscheinen in besonderer Weise geeignet, einen ersten Einstieg in die Grundlagen der Beziehung von Sport und Recht zu verschaffen. Die Darstellung * Erstveröffentlichung in JuS 1983, 825 – 830. 1 Eine Darstellung der Spielmanipulationen in der Fußball-Bundesliga-Saison 1970/71 sowie eine gute Materialzusammenstellung findet sich bei Rauball, Bundesliga-Skandal, 1972. 2 Grunsky, Haftungsrechtliche Probleme der Sportregeln, 1979, S. 5.

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befaßt sich demgemäß mit der das Sportrecht generell kennzeichnenden Zweispurigkeit von Verbandsrecht und allgemeinem Recht (dazu II.), die sich insbesondere an Grundproblemen des Sportverbandsrechts (dazu III.) und an den Sportregeln (dazu IV.) aufzeigen läßt. Auf die nur noch schwer zu überschauende Fülle spezieller sportrechtlicher Fragestellungen kann hier aus Raumgründen nicht eingegangen werden.3

II. Zweispurigkeit des Sportrechts Das Spektrum sportlicher Betätigung reicht vom gelegentlichen Freizeitsport bis zur Vollzeitarbeit, die den Lebensunterhalt sicherzustellen hat. Zwischen den Beteiligten – das sind nicht nur die Sportler selbst, sondern auch Vereine und Verbände, Funktionäre, Trainer, Mäzene und Zuschauer – gibt es trotz des prinzipiell gleichgerichteten Interesses am bestmöglichen Ablauf des jeweiligen Sportbetriebs eine Fülle von Konfliktsituationen. Man denke beispielsweise nur an die Dopingproblematik oder an spektakuläre Verletzungen im Fußball. Nicht zuletzt hieraus resultiert ein erhebliches Ordnungsbedürfnis. Aufgabe des Sportrechts ist es, die vielfältigen Erscheinungsformen und Konfliktsituationen im sozialen und wirtschaftlichen Beziehungsgeflecht Sport so zu erfassen, daß sowohl dem gleichgerichteten Interesse der Beteiligten entsprochen wird als auch die konfligierenden Interessen fair gegeneinander abgewogen werden. Das schließt nicht nur ein, daß das Sportrecht sich die innere Ordnungsfähigkeit und Fachkompetenz der Sportorganisationen zunutze zu machen hat, die ihren Ausdruck in sportartspezifischen Verbandsregelungen – insbesondere den Sportregeln – finden.4 Dies bedeutet zugleich, daß dann die Lösungsansätze und Maßstäbe des allgemeinen Rechts korrigierend oder ergänzend herangezogen werden müssen, wenn die Selbstregulierungskräfte der Sportorganisationen versagen oder fehlgeleitet werden. Für das Sportrecht kennzeichnend ist demgemäß eine Zweispurigkeit. Es umfaßt zwei Normenkomplexe: das privatautonom gesetzte Verbandsrecht der Sportorganisationen einerseits und das in allgemeingültigen Rechtsnormen gesetzte Recht andererseits. Die Lösung sportspezifischer Rechtsfragen hängt häufig – wie noch zu zeigen sein wird – gerade von der Auslotung des Verhältnisses dieser beiden Normenkomplexe ab. Zusammenspiel und Widerstreit von Verbandsrecht und allgemeinem Recht sowie die Vielfalt der Erscheinungsformen des Sports und die Komplexität der dabei berührten Interessen machen die Eigenart dieses Rechtsgebiets aus. Zugleich liegt hier eine wesentliche Ursache für die dynamische Entwicklung des Sportrechts, die sich nicht zuletzt daran zeigt, daß verbandsrechtliche Regelungen dem allgemeinen Recht angepaßt werden müssen. Ein Bei3

Einen guten Überblick gibt Weisemann, Sport, Spiel und Recht, 1983. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Sportverbände, Satzungsbestimmungen und Wettkampf- bzw. Spielregeln der Grundsportarten findet sich bei Klein (Hrsg.), Dt. Sporthdb., 3 Bde. (Stand 1982); die für den Berufsfußball wesentlichen Regelungen des DFB sind abgedruckt in RdA 1982, 53 ff. 4

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spiel hierfür mag die Ausländerklausel in § 7 Ziff. 1 c des Lizenzspielerstatutes des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sein, der zufolge Ligavereine nicht mehr als zwei Ausländer vertraglich verpflichten dürfen. Um nicht gegen das Diskriminierungsverbot des EWG-Vertrages zu verstoßen, bestimmt die Klausel weiter, daß Staatsbürger der Mitgliedstaaten der EG nicht als Ausländer gelten.5

III. Grundprobleme des Sportverbandsrechts 1. Strukturmerkmale des Sportverbandswesens Sieht man einmal vom Schul- und Hochschulsport ab, so findet die organisierte Sportausübung weitgehend im Rahmen von Vereins- und Verbandsveranstaltungen statt.6 Daher verwundert es nicht, daß der Deutsche Sportbund (DSB) – die Dachorganisation des deutschen Sports – 18 Mio. Mitglieder in über 50.000 Vereinen zählt. Erstes Kennzeichen des Sportverbandswesens ist ein pyramidenförmiger Aufbau von Sportvereinen und -verbänden, die den Status von eingetragenen Vereinen i. S. v. § 21 BGB haben. Vereinfacht7 bauen sich diese Verbandspyramiden wie folgt auf. Ein Sportverein – ein Zusammenschluß sportinteressierter Mitglieder– ist selbst korporatives Mitglied im örtlichen Stadt- bzw. Kreissportbund sowie in den Landesfachverbänden derjenigen Sportarten, die in dem Verein betrieben werden. Die Landesfachverbände der verschiedenen Sportarten8 bzw. die Sportvereine selbst9 sind in Landessportbünden zusammengeschlossen, deren Einzugsbereiche sich mit den Grenzen der Bundesländer decken. Die Landesfachverbände sind außerdem Mitglieder ihres jeweiligen Spitzenverbandes (z. B. Deutscher Skiverband). Die Spitzenverbände und die elf Landessportbünde sind schließlich ordentliche Mitgliedsorganisationen des DSB.10

5 Die bis zum 30. 04. 1972 geltende Regelung des § 12 d des Bundesligastatuts sah für die EG-Ausländer noch keine Sonderstellung vor. Vgl. zu den Hintergründen der Änderung Preis, Der Lizenzspieler im Bundesligafußball, 1973, S. 51. Mit der Problematik von Ausländerklauseln befassen sich auch zwei Urteile des EuGH. Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 12. 1974 Rs. 36/74 (Walrave und Koch) sowie EuGH, Urt. v. 14. 07. 1976 Rs. 13/76 (Donà). 6 Nach Weisemann (Fn. 3), Rndr. 422 machen nach Angaben des DSB und des LSB Nordrhein-Westfalen die Sportangebote der Sportorganisationen 95 % aus. Volkshochschulen, Sportämter und private Sportschulen bieten lediglich 5 % an. 7 Zu näheren Angaben siehe Klein (Hrsg.), Dt. Sporthdb. I (Fn. 4) sowie Gieseler u. a., Der Sport in der B/Rep. Dtld., 1972. 8 So in Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. 9 So in den übrigen Bundesländern. 10 § 5 Nr. 1 DSB-Satzung. Daneben führt diese Satzungsbestimmung Sportverbände mit besonderer Aufgabenstellung, Verbände für Bildung und Wissenschaft sowie Förderverbände als außerordentliche Mitglieder des DSB auf.

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Zweites Kennzeichen des Sportverbandswesens ist das sog. Ein-Platz-Prinzip. So regelt § 5 Nr. 2 DSB-Satzung, daß für jedes Fachgebiet nur ein Spitzenverband in den DSB aufgenommen wird. Ähnlich ist das Ein-Platz-Prinzip auch in den Satzungen der Landessportbünde verankert. Dies hat zur Folge, daß die meisten Sportverbände eine räumlich-fachliche Monopolstellung11 haben, die zwar Kompetenzprobleme – z. B. bei der Ausrichtung von Meisterschaften – vermeiden hilft, zugleich aber beispielsweise dazu führt, daß die wenigen außenstehenden Verbände von der Verteilung staatlicher Sportförderungsmittel ausgenommen werden. Drittes Kennzeichen des Sportverbandswesens ist schließlich die Normierung eines im wesentlichen einheitlichen Verbandsrechts, das für alle Verbände, Vereine und Einzelmitglieder eines Fachgebiets gleichermaßen Geltung beansprucht. Konstruktiv wird dies insbesondere durch sog. Überleitungsbestimmungen12 erreicht. Die Spitzenverbände schreiben in ihren Satzungen nämlich vor, daß die ihnen angeschlossenen Landesfachverbände die Verbandsvorschriften des Spitzenverbandes wörtlich, sinngemäß oder durch allgemeine Verweisung in ihre Satzungen zu übernehmen haben und ihrerseits die Übernahme für ihre Mitgliedsvereine verbindlich vorschreiben müssen. Auf diese Weise wird erreicht, daß das Betätigungsfeld Sport bis in alle Einzelheiten durch ein einheitliches Verbandsrecht geordnet wird.13 2. Verbandsautonomie und Verbandsmacht im Sport Die Vereins- oder Verbandsautonomie bezeichnet – als Ausfluß der allgemeinen Privatautonomie – das Recht der Vereine und Verbände zur selbständigen Regelung ihrer inneren Angelegenheiten. Sie umfaßt inhaltlich sowohl das Recht zur eigenen Rechtsetzung, insbesondere durch Satzung, als auch das Recht zur Selbstverwaltung durch Anwendung des selbstgesetzten Rechts im Einzelfall.14 Ihre rechtliche Grundlage findet sie in den §§ 21 ff. BGB. Verfassungsrechtlich ist die Verbands-

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Bis 1933 gab es hingegen eine heute schwer vorstellbare Zersplitterung des Sportverbandswesens. Miteinander konkurrierten ca. 300 Sportverbände, die sich politisch, weltanschaulich oder konfessionell deutlich voneinander abgrenzten. Nach 1933 wurden alle Sportvereine in einer Einheitsorganisation – dem Deutschen Reichsbund für Leibesübungen – zusammengeschlossen. Die verlockenden Erinnerungen an die Macht eines Einheitsverbandes standen Pate beim Wiederaufbau des Sportverbandsgefüges nach 1945. Vgl. hierzu Lohbeck, Das Recht der Sportverbände, Diss. Marburg 1971, insb. S. 68. 12 P. Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972, S. 77 bezeichnet sie als doppelte Satzungsabsicherung, H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972, S. 37 spricht von Vermittlungsbestimmungen. Ein klassisches Beispiel ist § 13 Nr. 1 c DFB-Satzung. 13 So auch Nicklisch, Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, 1982, S. 13. 14 Lukes, in: Festschr. f. Westermann, 1974, S. 329; Nicklisch, in: DSB (Hrsg.), Verbandsautonomie und Verfassungsrecht, 1979, S. 5.

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autonomie als Teilaspekt der Vereinigungsfreiheit durch Art. 9 I GG abgesichert.15 Die Gewährung der Verbandsautonomie durch das BGB beruht auf der Prämisse, daß ein Mißbrauch von Verbandsmacht durch Selbstregulierungsmechanismen – vor allem durch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft16 – ausgeschlossen ist.17 Für das Sportverbandswesen ist jedoch – durch das Ein-Platz-Prinzip bedingt – eine weitgehende räumlich-fachliche Monopolisierung kennzeichnend. Als Folge hiervon ergeben sich zahlreiche Konfliktsituationen für diejenigen, die auf die Mitgliedschaft in den Verbänden angewiesen sind. Diese Konflikte, die die Frage nach den Grenzen der Verbandsautonomie bzw. der gerichtlichen Kontrolle verbandsrechtlicher Regelungen und Entscheidungen aufwerfen, lassen sich in zwei Kategorien zusammenfassen. Zum einen sind dies die Fälle, in denen ein Sportverband wegen des verbandsrechtlichen Ein-Platz-Prinzips nicht in den DSB oder die Landessportbünde – also Verbände mit Monopolstellung – aufgenommen wird und deshalb beispielsweise nicht an der staatlichen Sportförderung partizipiert. Zum andern betrifft dies die Beziehung zwischen Sportverband bzw. -verein und Mitglied. Konflikte entstehen hier nicht nur im Zusammenhang mit verbandsrechtlichen, Sanktionen, insbesondere den sog. Sportstrafen, sondern auch bei der Versagung von fördernden Maßnahmen – z. B. der Nominierung für eine Auswahlmannschaft –, auf die das Mitglied einen Anspruch zu haben meint. Rechtsprechung und Schrifttum haben für diese beiden Konfliktkategorien unterschiedliche Ansätze zur Begrenzung der Verbandsmacht durch Kontrolle der verbandsrechtlichen Regelungen und Entscheidungen entwickelt. 3. Anspruch auf Aufnahme in einen Sportverband mit Monopolstellung Hat ein Sportverband mit Monopolstellung, der wie der DSB als Verteilungsstelle für staatliche Subventionen fungiert, in seiner Satzung18 das Ein-Platz-Prinzip verankert und bereits für ein bestimmtes Fachgebiet einen Sportverband als Mitglied aufgenommen, so ist der Konflikt mit etwaigen Konkurrenzverbänden desselben Fachgebiets vorprogrammiert. So war es auch im Fall des Rad- und Kraftfahrerbundes Solidarität e. V. (RKB Solidarität), der der Leitentscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 02. 12. 197419 zugrunde lag. 15 Vgl. das Mitbestimmungsurteil des BVerfG v. 01. 03. 1979, BVerfG 50, 290 (353 ff.) = NJW 1979, 699 (705 f.) = JuS 1979, 897 Nr. 1 (H. Weber). 16 Leßmann, Die öffentlichen Aufgaben und Funktionen privatrechtlicher Wirtschaftsverbände, 1976, S. 262 ff. 17 Nicklisch (Fn. 14), S. 7. 18 § 5 Nr. 2 DSB-Satzung. 19 BGHZ 63, 282 ff. = NJW 1975, 771 ff. = JuS 1975, 395 Nr. 6 (K. Schmidt). Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Birk, JZ 1972, 343 ff., Nicklisch, JZ 1976, 105 ff. sowie Küttner, NJW 1980, 968 f.

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Der DSB hatte die Aufnahme des RKB Solidarität20 unter Berufung auf das satzungsmäßige Ein-Platz-Prinzip abgelehnt, da der Radsport im DSB bereits durch den Bund Deutscher Radfahrer e. V. vertreten war. Der BGH entschied, daß satzungsmäßige Aufnahmebeschränkungen eines Monopolverbandes gerichtlich überprüft werden können. Zur Überprüfung zog er eine an § 826 BGB sowie an Tatbestandsmerkmale des § 27 GWB (Aufnahme in Wirtschafts- und Berufsvereinigungen) angelehnte Formel heran, derzufolge die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten Behandlung und unbilligen Benachteiligung des Bewerbers führen dürfe. Maßgeblich sei eine umfassende Abwägung der Interessen des Monopolverbandes und des Bewerbers. Der RKB Solidarität habe ein so erhebliches Interesse, an den Rechten und Vorteilen eines Mitglieds des DSB teilzuhaben, daß er unbillig benachteiligt werde, wenn diese ihm vorenthalten würden. Allerdings habe auch der DSB ein berechtigtes Interesse daran, daß – dem Zweck des Ein-PlatzPrinzips entsprechend – bereits innerhalb der Fachgebiete eine einheitliche Rangfolgenentscheidung über Fördermaßnahmen getroffen werde und er, der DSB, selbst nur noch überfachlich koordinieren müsse. Die Satzungsbestimmung des Ein-Platz-Prinzips sei deshalb grundsätzlich sachlich gerechtfertigt. Bei dieser Interessenkonstellation sah sich der BGH veranlaßt, den Rechtsstreit zurückzuverweisen, damit mit den Parteien in der Tatsacheninstanz erörtert werden könne, wie sowohl dem Ein-Platz-Prinzip als auch dem Gebot der Gleichbehandlung sportartgleicher und ähnlich bedeutender Verbände stärker Rechnung zu tragen sei.21 1977 wurde der RKB Solidarität dann als „Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung“22 außerordentliche Mitgliedsorganisation des DSB23. Rechtsprechung und Schrifttum sind – was das praktische Ergebnis anbelangt – der RKB-Solidaritäts-Entscheidung des BGH gefolgt. Zur Begründung wird dabei – neben der vom BGH verwendeten Formel, die sich an § 826 BGB und § 27 GWB anlehnt24 – teilweise direkt auf §§ 26 II, 27 und 35 GWB verwiesen,25 z. T. wird die sog. Horizontalwirkung der Grundrechte als Grundlage des Aufnahmeanspruchs angesehen.26 Schließlich wird der Aufnahmeanspruch als gewohnheitsrechtliche 20 Der in der Arbeitersportbewegung wurzelnde RKB Solidarität war vor 1933 der größte Radsportverband der Welt. Er wurde nach dem 2. Weltkrieg neugegründet und bemühte sich seit 1964 um die Mitgliedschaft im DSB. 21 BGHZ 63, 282 (286, 291 ff.) = NJW 1975, 771 (774 f.). 22 Im Sinne von § 5 Nr. 1 DSB-Satzung. 23 In einer Pressenotiz der FAZ v. 26. 05. 1981 wird betont, daß mit diesem Status im Vergleich zu den Spitzenverbänden, die ordentliche Mitgliedsorganisationen des DSB sind, eine erheblich geringere finanzielle Förderung verbunden ist. 24 Vgl. vor allem OLG Frankfurt, WRP 1983, 35 (37) (Aikido-Verband Hessen e. V.) sowie auch BGH, WuW/EBGH 1725 (Deutscher Landseer Club); Coing, in: Festschr. f. Flume, 1978, S. 439; Reuter, in: MünchKomm, 1979, Vorb. § 21 Rndr. 111; Immenga-MestmäckerMarkert, GWB 1981, § 27 Rndr. 52. 25 LG Frankfurt, zit. von OLG Frankfurt, WRP 1983, 35 (37). 26 Nicklisch, JZ 1976, 107 ff.

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Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgebotes begriffen27 oder in Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen des Kontrahierungszwangs28 begründet. 4. Verbandsstrafen und Verbandsentscheidungen Die Beziehung zwischen Verein und Mitglied ist dann durch ein besonderes Konfliktpotential gekennzeichnet, wenn es sich um einen Verband mit Monopolstellung handelt und das Mitglied auf dessen Tätigkeiten und Leistungen angewiesen ist. Neuralgische Punkte im Sportverbandsrecht sind insofern die sog. Verbandsstrafen – beispielsweise Disqualifikation oder Sperre wegen Dopings – sowie – damit zusammenhängend – der Umfang der Überprüfung dieser Maßnahmen durch staatliche Gerichte. Von ihrer tatsächlichen Bedeutung her ist diese Problematik kaum zu überschätzen. So beziffert Schlosser29 allein die jährlich von der „Sportgerichtsbarkeit“ der bundesdeutschen Fußballverbände verhängten Strafen auf rund 150.000. Ähnliche Probleme – bislang aber noch kaum erörtert, obwohl auch sie an der Tagesordnung sind – stellen sich, wenn der Sportverband Vorteile wie die Teilnahme an Verbandslehrgängen oder Startberechtigungen versagt, auf die das Mitglied Anspruch zu haben meint, oder Entscheidungen trifft, die – ohne ein Unwerturteil zu enthalten – das Mitglied belasten. Die Festlegung der Mannschaftsaufstellung des Bundesligateams eines Tischtennisvereins gegen den Willen des betroffenen Vereins30 liefert hierfür ein aktuelles Beispiel. Mit der h. M.31 ist davon auszugehen, daß einseitig getroffene Verbandsentscheidungen – insbesondere Verbandsstrafen – ihre Grundlagen in der Verbandsautonomie finden. Sie stellen nicht nur ein zweckmäßiges Instrumentarium zur Lösung verbandsinterner Konflikte zur Verfügung, sondern erweisen sich zudem als konsequente Fortsetzung der mit der Verbandsautonomie eingeräumten Chance zur Selbstregulierung eines vom Satzungszweck erfaßten gesellschaftlichen Bereiches. Die Kernfrage zum Problemkomplex Verbandsstrafen und -entscheidungen betrifft den Umfang ihrer Überprüfbarkeit durch staatliche Gerichte und damit zugleich die Grenze der Verbandsgewalt. Diese Frage steht nicht zuletzt deshalb im Mittelpunkt, weil von den Entscheidungen staatlicher Gerichte Reflexwirkungen hinsichtlich der Normsetzung der Verbände und der Entscheidungspraxis ihrer Organe – hierzu sind auch die sog. Sportgerichte zu zählen – ausgehen. Zu unterscheiden sind drei Kontrollformen: die Inhaltskontrolle des Verbandsrechts, die Richtig27 O. Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände (unveröffentlichte Göttinger Habilitationsschrift). 28 Grunewald, AcP 182 (1982), 202 f., 212. 29 P. Schlosser (Fn. 12), S. 20. 30 FAZ, Pressenotiz v. 15. 01. 1983, S. 18 u. v. 22. 01. 1983, S. 21. 31 Vgl. Leßmann (Fn. 16), S. 270 f. m. w. N., Flume, in: Festschr. f. Bötticher, 1969, S. 101 ff. und ihm folgend Coing (Fn. 24), S. 436 f. lehnen die Vereinsstrafe vor allem wegen der damit verbundenen moralischen Verurteilung ab. Ablehnend hinsichtlich Verbänden mit Repräsentationsfunktionen Reuter, in: MünchKomm, Vorb. § 21 Rndr. 126.

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keitskontrolle hinsichtlich der Tatsachenermittlung und schließlich die Kontrolle des zur Verbandsentscheidung führenden Subsumtionsvorgangs. Die Rechtsprechung beschränkt sich hinsichtlich der Verbandsstrafe auf die Prüfung, ob der Strafbeschluß in der Satzung eine Stütze findet, das vorgeschriebene Verfahren beachtet, die Satzungsvorschrift gesetz- oder sittenwidrig und die Bestrafung offenbar unbillig ist.32 Hinsichtlich der Kontrolle anderer Verbandsentscheidungen sind erst vereinzelt erstinstanzliche Entscheidungen ergangen.33 Die beschränkte Kontrolle der Verbandsstrafen durch die Rechtsprechung stößt seit Ende der 1960er Jahre zunehmend auf Kritik des Schrifttums, das sich vor allem mit dem Problem der Verbandsmacht auseinandersetzt. Mit besonderer Schärfe trat diese Problematik im sog. Bundesligaskandal zutage, wurde hier doch deutlich, daß Entscheidungen über Berufsausübung und -chancen durch Verbandsinstanzen – die Sportgerichtsbarkeit des DFB – unter weitgehender Ausblendung allgemeingesetzlicher Wertungen getroffen wurden.34 Das Schrifttum versucht, eine gerichtliche Kontrolle der Verbandsstrafen auf verschiedene Weise zu erreichen. Es qualifiziert sie z. B. als Vertragsstrafen i. S. der §§ 339 ff. BGB,35 unterscheidet in Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Abgrenzung zwischen Verwaltungsakt und innerdienstlicher Weisung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis in der Beziehung von Verband und Mitglied36 oder zieht verfassungsrechtliche Wertungen37 heran. Richtig gewählt ist das verfolgte Ziel, Verbandsmacht und schutzwürdige Individualinteressen einander näherzubringen. Die Lösungsansätze bleiben jedoch zumeist entweder zu sehr im Dogmatischen verhaftet bzw. führen zu praktischen Abgrenzungsproblemen oder vermögen – bei Wegfall der Verbandsgerichtsbarkeit – die entstehenden Regelungslücken nicht befriedigend auszufüllen.38 Richtigerweise muß zunächst der Blickwinkel über Verbandsstrafen hinaus auf sonstige Verbandsentscheidungen gegenüber einem Mitglied erweitert werden39. Eine prinzipiell unterschiedliche Behandlung erscheint – zumindest was den kommerziell betriebenen Sport betrifft – nicht mehr gerechtfertigt. So hat beispielsweise 32 BGHZ 21, 370 (373); 29, 352 (362); 47, 381 (384). Weitergehend wohl ein noch nicht veröffentlichtes Urteil des II. Zivilsenats des BGH – Az. II ZR 138/82 –, das einer Pressenotiz der SZ v. 17./18. 09. 1983, S. 6 zufolge auch eine gerichtliche Überprüfung der Sachverhaltsfeststellungen bejaht. 33 Eine gewisse Vorreiterfunktion kommt den Berufsfußball-Entscheidungen zu. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß Profifußballer aus steuerlichen Gründen nicht Mitglieder ihrer Vereine sind und daher in erster Linie über vertragliche Beziehungen zu entscheiden ist. 34 Vgl. die pointierte Darstellung des vom betroffenen Verein Arminia Bielefeld beauftragten Gutachters Westermann (Fn. 12), S. 84 ff. 35 Bötticher, ZfA 1970, 1 ff. 36 Westermann (Fn. 12), S. 81 f. 37 Besonders engagiert Burmeister, DOV 1978, 7 ff. und Westermann (Fn. 12), S. 52 ff. 38 So muß Reuter, ZGR 1980, 118 ff. nach Absage an die Strafgewalt repräsentativer Vereinigungen – funktionsersetzend – eine Disziplinargewalt bejahen. 39 So auch bereits Nicklisch (Fn. 14), S. 11.

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die Versagung einer Spielberechtigung in einem durch den Sportverband geschaffenen und reglementierten Markt faktisch dieselben Konsequenzen wie eine Sperre. Das in der Strafe liegende Unwerturteil tritt gegenüber den wirtschaftlichen Folgen – Einkommensschmälerung – zurück, bisweilen dient es sogar der kommerzialisierbaren Imagepflege eines Sportlers als Rebell. Ebenso kann die Bindung aller Spitzenathleten eines Sportverbandes an bestimmte Ausrüster das ideelle oder wirtschaftliche Interesse einzelner Athleten, die anderes Material bevorzugen oder sich nicht als Werbeträger für bestimmte Produkte einspannen lassen möchten, zutiefst berühren. Hält man sowohl die Verbandsstrafen als auch andere Verbandsentscheidungen mit individuell belastender Wirkung nicht nur aus Zweckmäßigkeitsgründen, sondern auch als notwendigen Aspekt der verfassungsrechtlich garantierten Befugnis zur eigenen Rechtsetzung der Verbände für prinzipiell zulässig, so muß dem mit der Verbandsmacht verbundenen Rechtsschutzrisiko40 begegnet werden. Hierzu bedarf es erstens einer weitgehenden Inhaltskontrolle41 der verbandsrechtlichen Normen, die Grundlage für Sportstrafen und sonstige individuell belastende Entscheidungen sind. Der vom BGH in seiner RKB-Solidaritäts-Entscheidung42 gewählte Ansatz einer Inhaltskontrolle im Wege einer umfassenden Interessenabwägung läßt sich im Erst-recht-Schluß auf die interne Beziehung von Verband und Mitglied übertragen.43 Die Gesichtspunkte des Monopolverbandes einerseits und des Angewiesenseins auf seine Leistungen andererseits haben hier ihren Platz. Verbandsrechtliche Generalklauseln, die – wie z. B. „unsportliches Verhalten“ – als Grundlage für Sportstrafen nur schwer zu entbehren sein dürften, könnte man als „unbestimmte Verbandsrechtsbegriffe“ bezeichnen, die von der Rechtsprechung daraufhin zu überprüfen wären, ob sie mit dem allgemeinen Recht in Einklang zu bringen sind und ob sie zulässigerweise einen Beurteilungsspielraum enthalten oder nicht.44 Zweitens bedarf es einer gerichtlichen Tatsachenkontrolle.45 So kann verhindert werden, daß durch eine unzutreffende Tatsachenfeststellung der betroffene Sportler – trotz Inhaltskontrolle des Verbandsrechts – rechtlos gestellt wird. Zu berücksichtigen ist dabei, daß im Interesse des Spielflusses bestimmte Tatsachenentscheidungen wie die Bejahung eines Foulspiels beim Fußball ad hoc getroffen 40 Burmeister, DOV 1978, 2 sieht eine faktische Entrechtung bzw. einen oktroyierten Rechtsverzicht als typisch für das Sportverbandswesen an. 41 Nicklisch (Fn. 13), S. 47 bejaht eine Inhaltskontrolle dahingehend, daß Verbände nur sachgerechte und angemessene Normen setzen dürfen. Larenz, in: Gedächtnisschr. f. Dietz, 1973, S. 55 fordert eine Übereinstimmung mit den tragenden Grundprinzipien der Rechtsordnung. OLG Frankfurt, NJW 1973, 2208 (2209) unterzieht den Lizenzvertrag eines Berufsfußballspielers mit dem DFB wie AGB einer allgemeinen Inhaltskontrolle. 42 Siehe oben III.3. 43 Vgl. Nicklisch (Fn. 13), S. 29; Reuter, ZGR 1980, 115 f. 44 Vgl. Westermann (Fn. 12), S. 105 f. m. w. N.; Nicklisch (Fn. 14), S. 14. 45 Offengelassen von BGHZ 29, S. 352 (362) für den Fall offensichtlich willkürlicher Tatsachenfeststellung. Bejahend Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, S. 116 f.; Westermann (Fn. 12), S. 106; Larenz (Fn. 41), S. 57; Nicklisch (Fn. 14), S. 14.

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werden müssen und wegen der Einmaligkeit des Spielablaufs auch nicht im nachhinein geändert werden sollten. Die Richtigkeit dieser Tatsachenentscheidungen muß aber im Rahmen der Kontrolle der Verbandsentscheidung – z. B. der Verhängung einer Sperre – gerichtlich überprüft werden können.46 Schließlich drittens bedarf es – nicht zuletzt wegen des Umgehungsaspekts – der Subsumtionskontrolle.47 Hierbei spielt es insbesondere eine Rolle, ob den Verbänden hinsichtlich der unbestimmten Verbandsrechtsbegriffe ein Beurteilungsspielraum zuerkannt werden kann. Der skizzierte Lösungsansatz trägt dem Umstand Rechnung, daß die Interessen von Sportverband und Mitglied – hiermit sind auch die Mitglieder verbandsangehöriger Vereine gemeint48 – nicht nur gegeneinander gerichtet sind, sondern auch eine gemeinsame Basis haben. Die Chance zur sachnahen und fairen Selbstregulierung der Konflikte durch Verbandsrecht und verbandsrechtliche Entscheidungsmechanismen – beispielsweise Verfahren vor den Sportgerichten – bliebe gewahrt. Die staatlichen Gerichte hätten durch Anerkennung von Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräumen die Möglichkeit, Zurückhaltung zu üben, wenn es darum geht, eigene Entscheidungen an die Stelle der Entscheidungen fachkundiger Verbandsorgane zu setzen. Die dennoch drohende „Konkurrenz“ staatlicher Gerichte49 dürfte bereits im verbandsinternen Vorfeld zu Regelungen und Entscheidungen führen, die auch von den betroffenen Sportlern und Vereinen als sachgerecht akzeptiert werden können.

IV. Sportregeln – Funktion und Bedeutung Die Sportregeln werden in mehr oder weniger umfangreichen sportartspezifischen Regelwerken – wie den Amtlichen Leichtathletik-Bestimmungen oder den Internationalen Hallenhandball-Regeln50 – vom betreffenden nationalen oder internationalen Sportverband aufgestellt. Sie haben verschiedene einander ergänzende Funktionen. Zunächst dienen sie der Typisierung der Sportart, indem sie abstrakt-generelle Festlegungen z. B. hinsichtlich der Wettkampfstätte (Spielfläche usw.), des Spielziels, der Spieldauer, der Mannschaftsstärke, des Sportgeräts, der 46

Ähnlich schon Westermann (Fn. 12), S. 107 f. Offengelassen von BGHZ 29, 352 (362) für den Fall offensichtlich willkürlicher Subsumtion. Bejahend Meyer-Cording (Fn. 45), S. 117 f.; P. Schlosser (Fn. 12), S. 106; Westermann (Fn. 12), S. 106. 48 Eine Bestrafung von Nichtmitgliedern ist allerdings unzulässig. So zutreffend BGHZ 28, 131 (133); 29, 352 (359). Vgl. zu der insbesondere für den Bereich des Lizenzfußballs geführten Diskussion der Erstreckung der Verbandsgewalt Lukes (Fn. 14), S. 334 ff. sowie Coing (Fn. 24), S. 438. 49 Bereits RG, Warn 1919, Nr. 20 hat entschieden, daß ein ersatzloser Rechtswegausschluß in der Satzung unwirksam ist. Vgl. zur Problematik satzungsmäßiger Schiedsklauseln statt vieler Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970 passim. 50 Eine Zusammenstellung der Spiel- und Wettkampfregeln der Grundsportarten findet sich bei Klein (Hrsg.), Dt. Sporthdb. III (Fn. 4). 47

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Sportkleidung, des Bewegungsverhaltens bis hin zur äußeren Erscheinung des Sportlers51 treffen. Erst diese Typisierung und Vereinheitlichung ermöglicht sportliche Wettkämpfe in größerem Rahmen. Können die kickenden Kinder ihre Spielregeln noch selbst so festlegen, daß sie ihren individuellen Bedürfnissen gerecht werden, so bedarf es für die Ausrichtung eines Ligabetriebes oder die Aufstellung von Rekordlisten einheitlicher Voraussetzungen der sportlichen Betätigung. Sportregeln, die die Funktion haben, Wettbewerb zu ermöglichen, werden durch solche Sportregeln ergänzt, die Chancengleichheit erreichen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern sollen. Die Einteilung von Gewichthebern und Boxern in Gewichtsklassen, das Verbot der Einnahme aufputschender Mittel (Doping), die Zulassung von Sportgeräten und -materialien sowie das Verbot bestimmter Bewegungstechniken (z. B. beidbeiniger Absprung beim Hochsprung) dienen diesem Zweck. Der Gewährleistung der Chancengleichheit zwischen konkurrierenden Vereinen dienen Bestimmungen, die den Vereinswechsel von Sportlern reglementieren und eventuell von Geldzahlungen abhängig machen. Den Sportregeln kommt zudem die Funktion zu, Streitigkeiten zu vermeiden oder doch zumindest einen geordneten Spiel- bzw. Wettkampfverlauf durch spezielle Verfahrensbestimmungen und Ordnungsvorschriften sicherzustellen. Nicht zuletzt sollen Sportregeln die Sportler selbst, aber auch ihre Kontrahenten und die Zuschauer vor Gefahren schützen, die von der sportlichen Betätigung typischerweise ausgehen. Dopingbestimmungen, Mindestaltervorschriften im Boxen, das Verbot der Drehtechnik beim Speerwurf – diese Technik würde stadionweite Würfe bis in die Zuschauerränge ermöglichen – sowie die Fußballregel 12 (verbotenes Spiel und unsportliches Betragen) sind hierfür anschauliche Beispiele. Sportregelwerke erlangen dadurch eine eminent praktische Bedeutung, daß sie gemäß den Verbandsbestimmungen für die gesamte verbandlich organisierte Ausübung dieser Sportart verbindlich sind. Das Netz der Verhaltensanweisungen in der „Nebensache Sport“ ist z. T. äußerst engmaschig gewoben. Wer beispielsweise in einem Verein Fußball spielen will, ist durch entsprechende Überleitungsbestimmungen52 zur Einhaltung der DFB-Fußballregeln verpflichtet. Will der Fußballer seinen Verein wechseln, so sieht er sich mit einem recht kunstvollen Regelwerk53 konfrontiert, das den Wechsel von der Zustimmung seines alten Vereins bzw. vom Ablauf einer bestimmten Wartefrist abhängig macht. Faktisch haben Sportregeln auch wesentlichen Einfluß auf das Maß der der Sportart eigentümlichen Selbstge51

Das Problem der „Werbung am Mann“ ist hier einzuordnen. Sehr weit ging die Interpretation der internationalen Kunstturn-Wertungsvorschriften durch den Deutschen Turnerbund, wonach zeitweilig das Tragen modisch langer Haare als „unturnerisches Verhalten“ mit Punktabzug bestraft wurde. 52 Siehe oben III.1. Im Bereich des Profifußballs erfolgt die Bindung auf vertraglicher Grundlage. 53 §§ 5 und 7 DFB-Spielordnung bzw. die entsprechenden Vorschriften der Landesfußballverbände. Siehe zu diesem Problemkreis die vom Württembergischen Fußballverband e. V. herausgegebene Schrift „Rechtsprobleme beim Vereinswechsel eines Fußballspielers“, 1983, die mehrere sehr informative Referate enthält.

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fährdung der Sportler – man denke nur an die im Kunstturnen geforderte unphysiologische Landung – bzw. auf Art und Umfang der Gefährdung durch Mitspieler und Kontrahenten. Bislang wenig beachtet sind schließlich die Einwirkungen bestimmter Sportregeln –insbesondere Ausrüstungs- und Werbebestimmungen – auf den Sportartikel- und Werbemarkt. Sportregeln schaffen Marktpräferenzen für regelgerechte Produkte und schließen nichtregelgerechte Produkte u. U. vom Markt aus. Die Parallele zur wettbewerbsrechtlichen Problematik der technischen Normen drängt sich auf54. Hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung ist als Ausgangspunkt zum einen wesentlich, daß die Sportregeln Regelungen privatrechtlicher nationaler oder internationaler Sportverbände sind, die im Rang unter den Satzungen stehen.55 Zum anderen ist bedeutsam, daß diejenigen Sportregeln, die abstrakt-generelle Verhaltensanweisungen56 an die Sportler beinhalten, insbesondere erlaubte oder verbotene Bewegungsabläufe beschreiben,57 häufig weite Formulierungen enthalten, um keine Regelungslücken entstehen zu lassen. So liegt z. B. im Fußball ein „verbotenes Spiel“ vor, wenn ein Spieler „in einer nach Ansicht des Schiedsrichters gefährlichen Weise spielt“58. Konkretisierungsbedürftig ist die Formulierung „in gefährlicher Weise“, da nähere Angaben zum tolerierten Gefährdungsgrad fehlen. Derartige Wendungen lassen sich als „unbestimmte Verbandsrechtsbegriffe“ bezeichnen. Die Konkretisierungskompetenz ist im erwähnten Beispiel aus Gründen der Aufrechterhaltung des Spielflusses verbandsrechtlich dem Schiedsrichter zugewiesen.59 Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen und Untersuchungen des Schrifttums60 ist die haftungsrechtliche Relevanz derjenigen Sportregeln, die den Schutz des Mitspielers bzw. Kontrahenten bezwecken. Im Ergebnis besteht insofern weitgehend Einigkeit, daß ein Sportler, der trotz regelgerechten Verhaltens einen Mitspieler verletzt hat, nicht gem. § 823 I BGB61 auf Schadensersatz haftet. Die Begründungen sind allerdings verschieden.62 Vor allem drei Begründungsansätze werden hinsichtlich der Haftungsbegrenzung diskutiert: die Annahme einer un54

Vgl. hierzu Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 258 ff. Vgl. Lukes, NJW 1972, 125 f.; Krähe, Die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche von Amateur- und Berufssportlern für Verletzungen beim Fußballspiel, 1981, S. 68 f. 56 Marburger (Fn. 54), S. 302. 57 Z. B. Regel 12 der DFB-Fußballregeln; Regel 8 der Internationalen HallenhandballRegeln. 58 Regel 12 II Nr. 1 DFB-Fußballregeln. 59 Entscheidungshilfen werden den Schiedsrichtern im Rahmen ihrer Ausbildung gegeben (Schiedsrichterlehrfilm „Erlaubt – Verboten“). Auch gibt es „Amtliche Entscheidungen“ des Internationalen Fußballverbandes FIFA zu den Fußballregeln. 60 Vgl. statt vieler BGHZ 63, 140 ff. = NJW 1975, 109 ff. = JuS 1975, 463 Nr. 5 (Emmerich); Füllgraf, VersR 1983, 705 ff.; Grunsky (Fn. 2), S. 5; Marburger (Fn. 54), S. 302 ff.; Schild, Jura 1982, 464 ff., 520 ff.; Zimmermann, VersR 1982, 497 ff. 61 Vgl. in vertraglicher Hinsicht Grunsky (Fn. 2), S. 35 ff.; Krähe (Fn. 55), S. 322. 62 Vgl. zum. Meinungsstand Marburger (Fn. 54), S. 303 ff.; Füllgraf, VersR 1983, 705 ff. 55

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rechtsausschließenden Einwilligung,63 der Gedanke der Risikoübernahme verbunden mit dem aus § 242 BGB abgeleiteten Verbot des venire contra factum proprium64 sowie schließlich die Auffassung, durch die Sportregeln werde der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 I 2 BGB verbindlich konkretisiert65. Auf diesen Streit kann hier aus Raumgründen nicht eingegangen werden. Das übereinstimmend vertretene Ergebnis, daß von privatrechtlichen Sportverbänden aufgestellte Sportregeln derartig weitgehende Rechtswirkungen – Haftungsbegrenzungen – erzeugen können, fordert jedoch einige kritische Anmerkungen heraus. Erstens ist zu fragen, ob der Maßstab der Regelgerechtheit nicht zu dürftig ist, um komplexen Spielsituationen haftungsrechtlich wirklich gerecht werden zu können.66 Insbesondere dann, wenn man die Sportregeln als Konkretisierung des Maßstabs der im Sport erforderlichen Sorgfalt begreift, ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß die Sportregeln nur ein Konkretisierungsmittel sind. Je nach Sportart und Beziehung zwischen Verletztem und Verletzer sind weitere Konkretisierungshilfen – z. B. Sicherheitshandbücher mit Empfehlungscharakter67 – heranzuziehen. Zweitens ist zu beachten, daß in den haftungsrechtlich relevanten Sportregeln unbestimmte Verbandsrechtsbegriffe wie „gefährliche Spielweise“ enthalten sind, die zur Vorsicht mahnen sollten, die im Spiel getroffenen Entscheidungen des Schiedsrichters unbesehen zu übernehmen. Die unbestimmten Verbandsrechtsbegriffe bedürfen vielmehr der rechtlichen Konkretisierung. Dabei ist jeweils zu prüfen, ob diese Konkretisierung zulässigerweise durch den Verband oder sogar den Schiedsrichter68 erfolgen darf.69 Drittens erhebt sich die Frage der Tatsachenfeststellung. Insofern sind – wie auch hinsichtlich des abschließenden Subsumtionsvorgangs – durch die Gerichte Entscheidungen zu treffen, die in keiner Form durch die Spielentscheidung eines Schiedsrichters, die Spielregel sei verletzt oder nicht verletzt, präjudiziert werden. Viertens schließlich ist das Beweisproblem hervorzuheben, das in der Praxis ausschlaggebende Bedeutung hat. Eine Beschränkung der zulässigen Beweismittel ist im Haftungsprozeß – anders mag es in verbands-

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Neuerdings Grunsky (Fn. 2), S. 24 ff. m. w. N. BGHZ 63, 140 (144 f.) = NJW 1975, 109 (110). Der BGH stellt darauf ab, daß durch regelgerechtes Spiel von allen Akteuren gemeinsam eine Gefahrenlage geschaffen werde und daß die Rollenverteilung von Verletzer und Verletztem quasi zufällig sei. Zustimmend Füllgraf, VersR 1983, 709 ff. 65 Marburger (Fn. 54), S. 304 ff. m. w. N. 66 So unterscheidet Grunsky (Fn. 2), S. 21 ff. im Rahmen des regelwidrigen Verhaltens nochmal zwischen normalen und groben Regelverstößen. Nur letztere sollen haftungsrechtlich relevant sein. 67 Derartige safety manuals spielten eine Rolle im Rechtsstreit Moore vs. Reeves, in dem die bei einem Trainingsunfall verletzte Turnerin von ihrem Trainer 250.000 £ erstritt. Vgl. The Times, Pressenotiz v. 25. 05. 1982, S. 3. 68 Regel 12 II Nr. 1 der DFB-Fußballregeln: „Ansicht des Schiedsrichters“. 69 Marburger (Fn. 54), S. 307 spricht zutreffend von der Notwendigkeit der richterlichen Konkretisierung und Ergänzung der Sportregeln. Ähnlich Grunsky (Fn. 2), S. 31. 64

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rechtlichen Verfahren sein70 – nicht gegeben. Da in der Praxis in außergewöhnlich vielen Fällen die Beweislast für den Ausgang des Prozesses entscheidend ist, ist es wesentlich, daß es richtigerweise dem Verletzten obliegt, den Nachweis zu führen, daß der Schädiger gegen eine Sportregel verstoßen hat.71

70 71

Vgl. die Diskussion im DFB zum sog. Fernsehbeweis. Füllgraf, VersR 1983, 711 f.

Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen* I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtstatsächlicher Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zur gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen als Mittel zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Vereinsstrafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen . . . . . . . . . . . 3. Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung sonstiger Vereinsentscheidungen a) Versagung von Vorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige individuell belastende Vereinsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26 27 30 31 32 37 37 39

I. Einführung Mit seinem Urteil vom 30. 05. 1983 hat der II. Zivilsenat des BGH1 eine Grundsatzentscheidung zur Problematik der gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen getroffen, der auch für andere Vereinsentscheidungen Bedeutung zukommt. Der BGH gibt seine frühere Rechtsprechung auf, derzufolge die Tatsachenermittlung im vereinsrechtlichen Disziplinarverfahren grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle unterlag. Zugleich hält er aber daran fest, daß die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts von den Vereinen in Ausübung ihrer Vereinsgewalt eigenverantwortlich vorzunehmen ist und gerichtlich nur in engen Grenzen nachgeprüft werden kann. Die Entscheidung gibt Anlaß, die seit Inkrafttreten des BGB geführte Auseinandersetzung um die gerichtliche Kontrolle von Vereinsstrafen aufzugreifen.2 Sowohl zur Beurteilung der neueren Rechtsprechung (dazu III.) als auch zur Begründung des eigenen Standpunktes (dazu IV.) erscheint es notwendig, sich zunächst die rechtstatsächlichen Grundlagen der Problematik zu verdeutlichen (dazu II.).

* Erstveröffentlichung in JZ 1984, 167 – 173. 1 Die Entscheidung ist abgedruckt in JZ 1984, 186 (in diesem Heft). 2 Vgl. zur hier nicht behandelten Spezialproblematik des Gewerkschaftsausschlusses statt Vieler Säcker/Rancke AuR 1981, 1 ff.; Popp JuS 1980, 798 ff.; Zöllner, Zur Frage des Gewerkschaftsausschlusses wegen gewerkschaftsschädigender Kandidatur bei Betriebsratswahlen, 1983, m. z. N.

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II. Rechtstatsächlicher Befund Das Vereinsrecht kann nur auf die relativ grobrastrige Regelung der §§ 21 ff. BGB zurückgreifen. Für die erforderliche richterliche Präzisierung bedarf es in besonderem Maße der Rechtstatsachenkenntnis,3 um zu lebensnahen, interessengerechten und zugleich praktikablen Entscheidungen zu gelangen. Kennzeichnend für das Vereins- und Verbandswesen ist – sieht man einmal von kleineren Freizeit- und Geselligkeitsvereinen ab – ein Entwicklungsprozeß, der von austauschbaren Kleinvereinen4 zu Großvereinen bzw. Verbänden geführt hat, die fachlich und räumlich weitgehend Monopol- oder Oligopolstellungen innehaben. Hiermit verbunden ist nicht nur die Zusammenfassung und Kanalisierung des spezifischen gemeinsamen Interesses der einzelnen Mitglieder sowie die Repräsentanz dieses Interesses gegenüber den politischen Entscheidungsstellen.5 Konsequenz dieser faktischen Monopol- bzw. Oligopolstellungen der Vereine und Verbände ist zugleich auch, daß die Mitgliedschaft in ihnen unausweichliches Erfordernis für beruflichen sowie wirtschaftlichen Erfolg sein kann und daß die Schlagkraft der Vereins- bzw. Verbandsmacht sich möglicherweise nach innen richtet. Die einzelnen Mitglieder werden einem einheitlichen Verbandsrecht unterworfen, auf dessen inhaltliche Gestaltung sie praktisch keinen Einfluß haben. Die Vereine und Verbände agieren gegenüber ihren Mitgliedern mit einem Instrumentarium, das demjenigen der Eingriffs- und Leistungsverwaltung ähnlich ist.6 Vermag nur ein Verein bzw. Verband bestimmte Vorteile – wie z. B. Startberechtigungen – zu gewähren, so sind Konflikte sowohl mit Außenstehenden, die sich erfolglos um die Mitgliedschaft bewerben,7 als auch mit den Mitgliedern vorprogrammiert. Um solche Innenkonflikte des Vereins bzw. Verbands mit den Mitgliedern geht es hier. Eine erste Kategorie dieser Innenkonflikte ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Mitglied gegen die Anforderungen des selbstgesetzten Rechts des Vereins verstößt und die zuständigen Vereinsinstanzen hierauf mit der Verhängung einer Vereinsstrafe reagieren. Die rechtstatsächliche Bedeutung der Vereinsstrafen ist kaum zu überschätzen.8 Vereinsausschlüsse sind dabei allerdings relativ selten geworden.9 3 Nicklisch JZ 1976, 105; Leist, Die Strafgewalt moderner Vereine, 57, beklagt schon 1901, daß die Jurisprudenz genauere Kenntnis des Vereinswesens nicht zu ihren Obliegenheiten zählt. 4 Teubner, Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, 1978, 326, bezeichnet diese als „freie Vereine“, die durch relativ geringe Größe, lokale Organisation und hohe Mitgliederhomogenität gekennzeichnet sind. 5 Leßmann, Die öffentlichen Aufgaben und Funktionen privatrechtlicher Wirtschaftsverbände, 1976, 120 ff.; MK-Reuter, vor § 21, Rdnr. 114. 6 Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, 75 ff.; Schlosser MDR 1967, 884 ff. u. 961 ff. 7 Vgl. zur Aufnahmeproblematik statt Vieler Birk JZ 1972, 343 ff.; Nicklisch JZ 1976, 105 ff.; Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände, unveröffentlichte Göttinger Habilitationsschrift; Vieweg JuS 1983, 826 f.; BGHZ 63, 282 ff. 8 Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972, 20, hat für den Bereich der deutschen Fußballbünde eine Zahl von rund 150.000 Vereinsstrafen im Jahr ermittelt. § 43

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Neben den Vereinsstrafen rückt eine weitere Kategorie von konfliktträchtigen Vereinsentscheidungen zunehmend in das Blickfeld. Es handelt sich hierbei um die Versagung von Vorteilen, die lediglich der Verein gewähren kann und auf die das Mitglied Anspruch zu haben meint. Gängige Beispiele für derartige Vorteile sind die Erteilung von Lizenzen, von Startberechtigungen und die Nominierung als Kandidat auf einer Wahlliste. Eine dritte Kategorie von Innenkonflikten stellen schließlich solche Vereinsentscheidungen dar, die – zufällig oder gezielt – zu einer individuellen Belastung eines Mitglieds führen, ohne Vereinsstrafen zu sein. Die Verschärfung der Voraussetzungen einer erneuten Lizenzerteilung, die de facto zum Entzug der Lizenz führt, sowie das Verbot, den Vereinsnamen zum Zweck der Werbung zu ändern,10 mögen hier als Beispiel dienen. Als Rechtstatsache ist weiter hervorzuheben, daß in Satzung und Statuten der Vereine und Verbände – insbesondere in deren sog. Rechtsordnungen – differenzierte Sanktionskataloge und zum Teil eine eigene Verbandsgerichtsbarkeit mit spezifischen Rechtsschutzmöglichkeiten normiert sind11. Hierdurch wird ein Weg eröffnet, solche Konflikte vereinsintern zu lösen, die dadurch entstehen, daß ein Mitglied sich nicht konform mit dem selbstgesetzten Vereinsrecht verhält und der Verein nicht bereit ist, dies zu dulden. Man kann hierin einen staatsentlastenden Selbstregulierungsmechnismus sehen. Fördernde Maßnahmen des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern sind hingegen in den Vereinsstatuten zumeist nur global im Rahmen des Vereinszwecks angesprochen. Eine Spezifizierung des Leistungskataloges sowie der Kriterien für die Vorteilsgewährung findet sich nur in Ausnahmefällen.12 Ebenso selten sind in den Vereinsstatuten Bestimmungen über diesbezügliche vereinsinterne Rechtsschutzmöglichkeiten der Mitglieder enthalten. Gleiches gilt für die dritte der oben erwähnten Kategorien von Innenkonflikten.

III. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zur gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen Die Rechtsprechung hat sich zwar bei der Nachprüfung von Vereinsstrafen stets Zurückhaltung auferlegt. Tendenziell ist aber eine Erweiterung und Verdichtung der

DFB-Satzung führt zwölf verschiedene Strafarten (Verwarnung, Verweis, Geldstrafe, Sperre, Ausschluß usw.) auf. 9 Vgl. Schlosser (N. 8), 22 f.; Popp JuS 1980, 798 f. In den Jahren 1928 – 1932 hat aber beispielsweise der Arbeiter-Turn- und Sportbund e. V. fast 1.000 Vereine mit ca. 100.000 Mitgliedern ausgeschlossen. 10 So eine Satzungsänderung des DFB, die darauf abzielt, die Namensänderung des Vereins Eintracht Braunschweig zu unterbinden. 11 Vgl. z. B. die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. 12 Vgl. z. B. die Rechtsschutzrichtlinien der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr.

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gerichtlichen Kontrolle erkennbar.13 Diese Entwicklung der Rechtsprechung läßt sich – wie auch die Begründung der gerichtlichen Tatsachenkontrolle in der Entscheidung vom 30. 05. 1983 wieder deutlich macht – als Reaktion auf die Wandlungen der rechtstatsächlichen Verhältnisse verstehen. Sie ist geprägt durch das Bemühen, die Probleme praktikabel zu lösen, die dadurch entstehen, daß bei einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle die Einzelfallgerechtigkeit möglicherweise zurückstehen muß. Der BGH14 hatte die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen in ständiger Rechtsprechung auf die Fragen beschränkt, ob die verhängte Strafe eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung findet, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet, ob keine Gesetzes-, Sitten- oder Satzungsverstöße vorliegen und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist. In seiner Entscheidung vom 30. 05. 1983 erweitert er diese begrenzte Kontrolle um die volle Nachprüfung der der Verhängung der Vereinsstrafe zugrunde liegenden Tatsachen, ohne dabei nach der Bedeutung der Vereine und der Art der Vereinsstrafe zu differenzieren. Es fragt sich, wie der vom BGH verwendete abstrakte Nachprüfungsansatz im einzelnen zu verstehen ist, wie also die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle in der Rechtsprechungspraxis konkret abgesteckt werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht geht die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen recht weit. Dies beruht vor allem darauf, daß die Beachtung des – zumeist hinreichend konkret – in der Satzung vorgeschriebenen Verfahrens kontrolliert wird und daß ergänzend allgemeine Rechtsgrundsätze – wie die Gewährung rechtlichen Gehörs15 – herangezogen werden. In materiellrechtlicher Hinsicht gewinnt der Umfang der gerichtlichen Nachprüfung an Konturen, wenn man zwischen der Inhaltskontrolle der Vereinsnormen, der Tatsachenkontrolle und der Subsumtionskontrolle unterscheidet. Während die Tatsachenkontrolle vom BGH jetzt in vollem Umfang anerkannt worden ist,16 bedarf der Umfang der Inhalts- und Subsumtionskontrolle der Präzisierung. Für eine – allerdings nicht als solche bezeichnete – Inhaltskontrolle der der Vereinsstrafe zugrunde liegenden Normen greift der BGH auf zwei Ansätze zurück. Zum einen sieht er sich hinsichtlich der Prüfung der Satzungsmäßigkeit einer Vereinsstrafe als be13 Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung insbes. Meyer-Cording (N. 6), 100 ff.; Groscurth, Die Entwicklung der Rechtsprechung zur gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Vereinsbeschlüssen, Diss. Göttingen 1969; Beuthien BB 1968, Beilage 12; MK-Reuter, vor § 21, Rdnr. 129. 14 BGHZ 13, 5 (11); 21, 370 (373) = JZ 1957, 122 (Meyer-Cording); 29, 352 (354) = JZ 1959, 665 (dazu Meyer-Cording S. 649); 36, 105 (109) = JZ 1962, 363 (Hefermehl); 47, 381 (384) mit Besprechung Wiedemann JZ 1968, 219 ff. 15 BGH WM 1961, 942. 16 Die frühere Rechtsprechung des BGH beschränkte die Nachprüfung auf „offensichtlich willkürliche Tatsachenfeststellungen“. Vgl. BGHZ 29, 352 (362); 36, 105 (114). Die Instanzgerichte folgten dem BGH. Für eine weitgehende Tatsachenkontrolle allerdings LG Hamburg MDR 1971, 132.

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fugt an, die Auslegung der Satzung vorzunehmen, wenn sich deren Wirkung über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt17. Zum andern eröffnet ihm der Prüfungsmaßstab der Gesetzeswidrigkeit einen Weg, der Verhängung satzungsmäßig vorgesehener Vereinsstrafen die Anerkennung zu versagen. Wie weitgehend hierdurch inhaltliche Normenkontrollen möglich werden, zeigen die vom BGH entschiedenen Fälle des Ausschlusses aus einer Gewerkschaft. Vereinsnormen, die die Kandidatur auf einer von der Gewerkschaft nicht unterstützten Liste als gewerkschaftsschädigendes Verhalten einstufen, sind danach wegen Verstoßes gegen § 20 II BetrVG (Verbot der Beeinflussung der Wahl des Betriebsrats durch Androhung oder Zufügung von Nachteilen) nichtig. Vom Schutz des § 20 II BetrVG nicht gedeckt sein sollen hingegen Äußerungen und Handlungen eines Mitglieds, die sich über den Wettbewerb um Stimmen hinaus in schädlicher Weise gegen seine Gewerkschaft richten, ohne durch die garantierte Wahlfreiheit sachlich gerechtfertigt zu sein.18 Als beispielhafte Konkretisierungen erwähnt der BGH dabei die Kandidatur auf der Liste einer konkurrierenden Gewerkschaft sowie – auf den konkreten Fall bezogen – die Anwendung wahlbeeinflussender Täuschungsmittel zum Nachteil der Gewerkschaft.19 Gerade diese einzelfallbezogene Bildung von Beispielsfällen, die die Voraussetzungen der unbestimmten Ausschlußnorm des „gewerkschaftsschädlichen Verhaltens“ erfüllen, zeigt die Nähe, in der sich der BGH zur ausdrücklich eng begrenzten gerichtlichen Nachprüfung der Subsumtion befindet. Hinsichtlich der Subsumtion bejaht der BGH nämlich nur eine Grenzkontrolle, die eine offensichtlich willkürliche Subsumtion und grobe Unbilligkeiten ausschalten soll. Zur Begründung führt er insofern an, aus dem Rechtssatz, daß das Gericht nur zu prüfen habe, ob sich der Beschluß auf eine Vorschrift der Satzung „stützt“, ergebe sich umgekehrt, daß die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die herangezogene Vorschrift zu den Maßnahmen gehöre, die ein Verein in Ausübung seiner Verbandsgewalt eigenverantwortlich zu treffen habe und die grundsätzlich gerichtlich nicht nachgeprüft werden könne.20 Hierdurch werde gewährleistet, daß die interne Gestaltung des Vereinslebens und der Vereinspolitik nicht auf staatliche Wertvorstellungen festgelegt werde.21 Im Gegensatz hierzu hat der BGH im Urteil vom 13. 07. 196122 ausgeführt, die Gerichte könnten nachprüfen, ob der dem Mitglied vorgeworfene Sachverhalt generell, abstrakt eine Pflichtverletzung darstelle, die nach der Satzung zum Ausschluß berechtige.23 Die vorgeworfene Handlungsweise – Verbreitung unzüchtiger Schriften – stelle ein Verhalten dar, das unter die betreffende Satzungsnorm „subsumiert“ werden könne. 17

BGHZ 21, 370 (374) u. 25, 311 (315) bejahen insofern eine „freie Nachprüfung“. BGH JZ 1984, 186. 19 BGH NJW 1981, 2178 (2179) m. w. N.; BGH JZ 1984, 186 f. 20 BGH WM 1966, 772 (773); vgl. auch BGHZ 47, 381 (384). 21 BGH JZ 1984, 187. 22 BGH WM 1961, 942 = LM Nr. 3/4 zu § 39 BGB. 23 Eine Subsumtionskontrolle wird auch von RGZ 125, 338 (341) und 147, 11 (14) vorgenommen. 18

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Die uneinheitliche Rechtsprechung des BGH spiegelt die Probleme wider, die sich bei einer begrenzten Nachprüfung solcher Vereinsstrafen fast zwangsläufig ergeben, die auf unbestimmte Satzungsbestimmungen wie „gewerkschaftsschädliches Verhalten“ gestützt sind. Methodisch erweist sich insbesondere die Abgrenzung von Normenkonkretisierung und Subsumtion als schwierig, da die Entscheidungsfindung auch bei unbestimmten Vereinsrechtsbegriffen eher auf einem Vorgang wechselseitig orientierter Präzisierung von Obersatz und Sachverhalt beruht.24 Die letztendlich entscheidenden Wertungen brauchen nicht im Rahmen der Subsumtion vorgenommen zu werden, sie können – wie gezeigt – bereits bei der Auslegung der Satzung und deren Nachprüfung auf Gesetzmäßigkeit erfolgen. Der in ständiger Rechtsprechung verwendete Nachprüfungsansatz des BGH ermöglicht damit auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht nur eine eng begrenzte Kontrolle von Vereinsstrafen, sondern durchaus auch flexible Einzelfallentscheidungen, wobei allerdings die den Entscheidungen zugrunde liegenden Wertungen und die hieraus resultierenden Konflikte zwischen Verein und Mitglied nicht aufgedeckt werden müssen.

IV. Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen als Mittel zur Konfliktlösung Im Schrifttum ist die Rechtsprechung zur gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen von jeher auf Kritik gestoßen25. Teilweise wird schon die Zulässigkeit der Vereinsstrafgewalt völlig oder in Teilbereichen abgelehnt, so daß sich die Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung gar nicht erst stellt. Die rechtliche Zulässigkeit der Vereinsstrafgewalt ist demgemäß als Vorfrage zu erörtern (dazu 1.), bevor Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung diskutiert werden können. Für die Lösung dieser Problematik sollte die Funktion der gerichtlichen Nachprüfung maßgeblich sein, nämlich die in Vereinsstrafen gipfelnden Innenkonflikte zwischen Verein und Mitglied zu lösen oder besser – quasi als Reflex auf die Entscheidungsfindung der Vereinsinstanzen schon im Ansatz zu vermeiden. Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen haben sich deshalb an den Ursachen des Innenkonflikts Vereinsstrafe zu orientieren (dazu 2.). In gleicher Weise lassen sich Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung sonstiger Vereinsentscheidungen, die zu Innenkonflikten zwischen. Verein und Mitglied führen, bestimmen (dazu 3.).

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Vgl. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung 1970, 79 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1983, 264. 25 Vgl. insbesondere Meyer-Cording (N. 6), 100 ff.; Beuthien BB 1968, Beilage 12; Flume, Die Vereinsstrafe in: Festschrift für Bötticher, 1969, 101 ff.; H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972, 100 ff.; Schlosser (N. 8), 93 ff.; Larenz, in: Gedächtnisschrift für Dietz, 1973, 45 ff.; MK-Reuter, vor § 21, Rdnr. 130 ff.

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1. Zulässigkeit der Vereinsstrafgewalt Die im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vereinsstrafgewalt richten sich im Kern dagegen, daß Individualinteressen und Wertvorstellungen der Mitglieder durch Sonderrechtsordnungen der Vereine und Verbände zurückgedrängt werden.26 Dabei wird zum Teil vorausgesetzt, daß die Anerkennung einer in der Vereinsautonomie begründeten Sonderrechtsordnung sowie die Bejahung einer Vereinsstrafgewalt zugleich – wenn auch innerhalb gewisser Grenzen – Freiheit von gerichtlicher Kontrolle bedeutet.27 Die Lösung der Problematik wird insbesondere in der Anwendung des § 343 BGB gesehen,28 der eine gerichtliche Angemessenheitskontrolle hinsichtlich Vertragsstrafen vorsieht. Die Anwendbarkeit des § 343 BGB wird dabei vor allem aus dem Vertragscharakter des Mitgliedschaftsverhältnisses hergeleitet. Die Fragwürdigkeit der Anknüpfung der Gerichtsfreiheit bzw. -unterworfenheit an die Qualifikation der Satzung als Norm bzw. Vertrag haben bereits Teubner und Reuter aufgezeigt.29 Zentral scheint mir in diesem Zusammenhang die Frage zu sein, ob sich die Vereinsstrafgewalt als Ausfluß der verfassungsrechtlich anerkannten Vereinsautonomie einerseits und eine hinreichend weitgehende gerichtliche Nachprüfung andererseits dogmatisch miteinander vereinbaren lassen. Schwierigkeiten muß dies bereiten, wenn man die Vereinsautonomie in einem weiten Sinne nicht nur als Kompetenz zur Umsetzung eigener Wertvorstellungen in für die Mitglieder verbindliche Vereinsnormen sowie zum Vollzug dieser Normen begreift, sondern zugleich damit die Freiheit von gerichtlicher Nachprüfung verkoppelt. Für die Untrennbarkeit von Vereinsautonomie und Gerichtsfreiheit wird angeführt, die Satzungsautonomie werde entwertet, wenn die Anwendung der Satzung den Gerichten vorbehalten bleibe.30 In der Tat würde ein gerichtlicher Anwendungsvorbehalt die Satzungs- und damit die Vereinsautonomie erheblich relativieren. Eine gerichtliche Nachprüfung dürfte jedoch andere Wirkungen haben. Die Kontrolle der nicht akzeptierten Vereinsstrafen sollte lediglich die widerstreitenden Interessen und Wertungen von Verein und Mitglied31 ausgleichen, wobei insbesondere das möglicherweise gespannte Verhältnis von Verbandsrecht und allgemeinem Recht32 auszuloten 26

Flume (N. 25), 108 ff.; H. P. Westermann (N. 25), 17; Reuter ZGR 1980, 112. Vgl. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, 186; Reuter ZGR 1980, 107; auch die Rechtsprechung geht hiervon im Ergebnis aus. 28 Bötticher ZfA 1970, 1 ff.; Beuthien (N. 25), 11 f.; Weitnauer, Vereinsstrafe, Vertragsstrafe und Betriebsstrafe, in: Festschrift für Reinhard, 1972, 179 ff. 29 Teubner (N. 4), 318 f.; Reuter ZGR 1980, 102. 30 Reuter ZGR 1980, 107. 31 Reuter ZGR 1980, 112 berücksichtigt nicht, daß es auch Wertungsübereinstimmungen zwischen Vereinen mit ,,Repräsentationsfunktion“ und ihren Mitgliedern gibt. Dies kann beispielsweise dazu führen, daß die Mitglieder ihr mit der Vereinsstrafe belegtes Verhalten selbst im nachhinein als nicht tolerabel bewerten. 32 Für das Sportrecht habe ich an anderer Stelle, JuS 1983, 825 f., die Zweispurigkeit von Verbandsrecht und allgemeinem Recht als Wesensmerkmal bezeichnet. 27

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ist. Sie muß den Vereinen und Verbänden aber die Chance zur endgültigen Selbstregulierung und -verwaltung des von ihnen vereinnahmten gesellschaftlichen Bereiches, insbesondere zur Selbstregulierung ihrer Konflikte mit den Mitgliedern belassen. Hierin liegen Bedeutung und Wert der Vereinsautonomie. Als Prüfstein für die Realisierung dieser Chance, die die Vereinsautonomie eröffnet, erweist sich dabei die Frage, ob das Mitglied die verhängte Vereinsstrafe akzeptiert. Die Verkopplung von Vereinsautonomie und Gerichtsfreiheit kann damit aufgelöst werden.33 Vereinsautonomie bedeutet nicht die Garantie eines absoluten Freiraums, eines fest umgrenzten Feldes, in dessen Innenraum gerichtliche Nachprüfungen keinesfalls erlaubt sind. Eine solche statische Grenzziehung müßte immer Schwierigkeiten aufwerfen, wenn es um die Berücksichtigung gesellschaftlicher Entwicklungen – beispielsweise Professionalisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen im Sport – geht. Vereinsautonomie kann lediglich die Einräumung eines gerichtlich kontrollierten Freiraums bedeuten. Sie erweist sich damit als Ausprägung der Privatautonomie.34 Auch die privatautonom geschlossenen Verträge unterliegen dem Vorbehalt gerichtlicher Kontrolle auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Recht. Von einer Unterwerfung der Mitglieder unter die Vereinsstrafgewalt kann bei der so verstandenen Vereinsautonomie nur in dem Sinne gesprochen werden, daß die Mitglieder nicht von vornherein auf eine gerichtliche Nachprüfung sie betreffender Vereinsentscheidungen verzichten. Eine andere Auslegung der Eintrittserklärung würde dem Charakter des Mitgliedschaftsverhältnisses als einer Dauerbeziehung, die Wandlungen unterworfen sein kann – man denke nur an die Entwicklung eines Hochleistungssportlers, der bereits als Kleinkind Mitglied des Vereins wurde –, nicht gerecht. 2. Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsstrafen Mit der Verhängung einer Vereinsstrafe beabsichtigt der Verein, einen Innenkonflikt mit einem Mitglied zu lösen, dessen Verhalten als nicht statutenkonform bewertet wird. Wird diese „Lösung“ seitens des Mitglieds nicht akzeptiert, bildet die Vereinsstrafe ihrerseits Anlaß, den Konflikt auf der Ebene der Vereinsgerichtsbarkeit bzw. der staatlichen Gerichtsbarkeit weiter auszutragen. Als Ursachen der konfliktfortführenden Vereinsstrafen können eine unterschiedliche Sicht der Tatsachen einerseits sowie der Interessen und Wertungen andererseits angenommen werden. Beide Ursachenkomplexe finden ihren Ausdruck darin, daß der durch die Vereinsstrafe Betroffene das gemäß den Vereinsnormen als Konfliktlösungsmechanismus praktizierte Zusammenspiel von Entscheidungsträger, -verfahren und -maßstab nicht als fair zu akzeptieren vermag. Eine Korrelation von Konfliktpo33 Vgl. Schlosser (N. 8), 99 f.; H. P. Westermann (N. 25), 102; Teubner (N. 4), 321; ablehnend Reuter ZGR 1980, 107. 34 Als Grundlage der Vereinsautonomie werden auch ein staatliches Geltenlassen, Gewohnheitsrecht sowie Richterrecht angesehen. Vgl. die Nachweise bei Staudinger-Coing, Vorbem. zu §§ 21 – 54, Rdnr. 36 f.

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tential einerseits sowie Machtgefälle zwischen Verein und Mitglied andererseits erscheint naheliegend. Der Grad der Nichtaustauschbarkeit des Vereins bzw. der Unfreiwilligkeit der Mitgliedschaft mag insofern als Indikator angesehen werden. An diesem Punkt hat auch die Auswahl von „Abhilfemaßnahmen“ anzusetzen. Zwei Wege versprechen eine Verringerung des der Vereinsstrafe immanenten Konfliktpotentials: gesetzlich bindende Vorgaben und die gerichtliche Nachprüfung der Vereinsstrafen. Eine gesetzliche Regelung könnte in Ergänzung der §§ 25 ff. BGB bindend vorgeben, welche Vereinsorgane nach welchen Verfahrensgrundsätzen und welchen materiellen Entscheidungsmaßstäben Vereinsstrafen verhängen dürfen. Dieser Ansatz soll hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Von einer gerichtlichen Nachprüfung, die nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis der Vereinsautonomie in vollem Umfang zulässig ist, könnten zumindest Reflexwirkungen auf die Entscheidungsfindung der Vereine ausgehen. Die drohende „Konkurrenz“ staatlicher Gerichte könnte bereits im vereinsinternen Vorfeld zu Strafbeschlüssen führen, die für die betroffenen Mitglieder als sachgerecht akzeptierbar sind und die die Anrufung staatlicher Gerichte entbehrlich machen. Herkömmlich werden – entsprechend den gedanklichen Schritten des juristischen Syllogismus – drei Formen der gerichtlichen Nachprüfung unterschieden: Inhaltskontrolle der Vereinsnormen, Tatsachenkontrolle und Subsumtionskontrolle.35 Diese Kontrollformen finden ihre Ansatzpunkte in den beiden Ursachenkomplexen des Innenkonflikts Vereinsstrafe: der Tatsachendivergenz einerseits und der Interessen- und Wertungsdivergenz andererseits. Die durch Bewertungsfehler bedingte Nichtakzeptanz von Vereinsstrafen kann dabei allerdings nicht eindeutig der Inhalts- bzw. der Subsumtionskontrolle zugeordnet werden. Dies liegt nicht nur an der „Laiensicht“ der Betroffenen, die sich entscheiden müssen, ob sie eine gegen sie verhängte Vereinsstrafe akzeptieren oder vor staatlichen Gerichten angreifen wollen. Dies findet seinen Grund auch in der Vorbildung der Entscheidungsträger, die nicht notwendig Juristen sein müssen, sowie in der besonders häufigen Verwendung höchst unbestimmter Vereinsnormen wie „gewerkschaftsschädliches“, „unsportliches“ oder „vereinsschädliches Verhalten“. Gerade hinsichtlich dieser unbestimmten Vereinsnormen lassen sich – wie im allgemeinen Recht auch – Normenkonkretisierung und Subsumtion nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen. Die Entscheidungsfindung beruht vielmehr auf einem Vorgang wechselseitig orientierter Präzisierung von Obersatz und Sachverhalt.36 Hieraus folgt, daß hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung eine – gleichwie vorgenommene – Differenzierung zwischen Inhaltskontrolle und Subsumtionskontrolle erheblichen Schwierigkeiten begegnen muß. Die Rechtsprechung belegt, welche Probleme aufgeworfen werden, wenn zwischen der zulässigen Auslegung der Ver35 Die verschiedentlich gesondert erwähnte Strafzumessungskontrolle läßt sich bereits von diesen drei Kontrollformen erfassen. 36 Vgl. Esser (N. 24), 79 ff.; Larenz (N. 24), 264.

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einsnorm und ihrer Überprüfung auf Gesetzwidrigkeit einerseits und der unzulässigen Subsumtion andererseits unterschieden werden muß.37 Eine gerichtliche Nachprüfung sollte sich folglich unterschiedslos auf beide Entscheidungskomponenten erstrecken, da sie nur dann effektiv sein kann, wenn sie alle konfliktfördernden Ursachen erfaßt.38 Dies muß insbesondere gelten, wenn das Konfliktpotential deshalb besonders groß ist, weil Vereinsnorm und Sachverhalt nur aufgrund wertender Schritte einander näher zu bringen sind. Hier liegt bei praktischer Betrachtung die Hauptproblematik. Wie haben nun Tatsachenkontrolle einerseits sowie Inhalts- und Subsumtionskontrolle andererseits zu erfolgen, um ihren Zweck – Ausschaltung bzw. Reduzierung konfliktfördernder Ursachen – zu genügen? Im Rahmen der Tatsachenkontrolle ist zu berücksichtigen, daß die Zugrundelegung falscher oder nicht bewiesener Sachverhalte, eine unzutreffende Beweiswürdigung oder eine unzureichende Sachaufklärung konfliktfördernd wirken. Demgemäß hat bezüglich der Tatsachenfeststellung prinzipiell eine volle gerichtliche Nachprüfung anzusetzen. Diese beinhaltet die Hinzuziehung aller von den Parteien benannten Beweismittel und deren Würdigung nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen.39 Ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Gerichte mit einer beschränkten Tatsachenkontrolle begnügen können, soll hier nicht vertieft werden. Dies erscheint dann diskussionsfähig, wenn durch entsprechende Ausgestaltung des vereinsrechtlichen Tatsachenfeststellungsverfahrens – zu fordern wären insbesondere Neutralität durch Interessenrepräsentanz, Beachtung zivilprozessualer Grundsätze und faire Beweislastverteilung – eine korrekte Tatsachenfeststellung hinreichend wahrscheinlich für die richterliche Überzeugungsbildung ist, wenn aufgrund der Vereinsstruktur – beispielsweise bei austauschbaren Geselligkeitsvereinen – zwischen Verein und Mitglied kein konfliktförderndes Machtgefälle besteht,40 oder wenn die Nichtnachprüfbarkeit als funktionsnotwendig anzuerkennen ist.41 Der Rechtsprechung stehen damit Wege offen, den auf sie im Rahmen der Tatsachennachprüfung zukommenden Arbeitsanfall in Grenzen zu halten. Im Rahmen der Inhalts- und Subsumtionskontrolle sind die entscheidungsrelevanten Vereinsnormen – hierunter fallen nicht nur materielle Sachnormen, sondern 37

Siehe hierzu im einzelnen oben III. Im Ergebnis ebenso Teubner (N. 4), 321 m. w. N. 39 So jetzt auch BGH, JZ 1984, 187 f. Stehen Vereinsnormen dem entgegen, so ist im Rahmen der Inhaltskontrolle zu untersuchen, ob diese Normen konfliktfördernd wirken. 40 Insofern könnte der Ansatz Reuters ZGR 1980, 113 f. herangezogen werden, der zwischen Vereinen mit Repräsentationsfunktion und solchen mit Kommunikationsfunktion unterscheidet. Hier behält die in den club cases des Viktorianischen Zeitalters geprägte klassische Formulierung „… none but the members of a club can know the little details which are essential to the social well-being of such a society of gentlemen …“ ihre Gültigkeit. Vgl. Romilly J. in Hopkinson v. Marquis of Exeter (1867) L. R. 5 Eq 63. 41 Dies dürfte bei den ad hoc zu treffenden Schiedsrichterentscheidungen in Sportspielen der Fall sein. Das Risiko von Fehlentscheidungen belastet hier alle Beteiligten gleichermaßen. Eine gerichtliche Nachprüfung würde zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen der Entscheidungsfindung und damit zu Wettbewerbsverzerrungen führen. 38

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auch Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen – daraufhin zu überprüfen, ob sie sachfremde konfliktfördernde Inhalte haben und ob die wertende Annäherung von Sachverhalt und Norm in konfliktfördernder Weise vorgenommen worden ist. Das Ziel der Konfliktlösung und -vermeidung erfordert eine umfassende Abwägung der rechtlich anerkannten Interessen des Vereins und des Mitglieds. Einen ähnlichen Ansatz hat der BGH42 hinsichtlich der Problematik der Aufnahme eines Bewerbers in einen Monopolverband in Anlehnung an § 826 BGB und § 27 GWB angewendet. Er läßt sich im Erst-recht-Schluß auf die interne Beziehung von Monopolverein und Mitglied übertragen.43 Widersinnig wäre nämlich, den Ausschluß eines Mitglieds als Vereinsstrafe von geringeren Voraussetzungen abhängig zu machen als den Zwang zur Wiederaufnahme dieses ausgeschlossenen Mitglieds. Hierin läge eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Mitglieder gegenüber den Nichtmitgliedern. Aber auch für die Inhaltskontrolle der Normen solcher Vereine, die keine Monopolstellung haben, liefert dieser Ansatz – Konfliktvermeidung durch Interessenausgleich – einen funktionierenden Kontrollmaßstab.44 Er deckt die normimmanente Interessenabwägung auf und untersucht sie daraufhin, ob sie mit den Wertungsmaßstäben des allgemeinen Rechts in Einklang zu bringen ist. Der von der Rechtsprechung herangezogene Maßstab der Gesetzeswidrigkeit und die Bildung von tatbestandskonkretisierenden Fallgruppen haben hier ebenso ihren Standort wie die in der Literatur diskutierte Horizontalwirkung der Grundrechte45. Dieser Ansatz ermöglicht ein hohes Maß an Differenzierung im Einzelfall. Die mit der Bildung von idealtypischen Vereinskategorien – beispielsweise Vereine mit Repräsentationsfunktion46 – verbundenen Schwierigkeiten werden vermieden. Auch bezüglich dieser Inhalts- und Subsumtionskontrolle ist eine richterliche Selbstbeschränkung diskutierbar, wenn durch Vereinsnormen hinreichend abgesichert ist, daß Normsetzung, -konkretisierung und -anwendung sach- und interessengerecht, d. h. konfliktvermeidend, vorgenommen werden. Die am Ziel der Konfliktvermeidung orientierte repräsentative Zusammensetzung des entscheidenden Vereinsorgans könnte beispielsweise zu einer geringeren gerichtlichen Kontrolldichte führen. Die richterliche Anerkennung von Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräumen als Wertungsnischen könnte in Parallele zur verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung47 bezüglich der unbestimmten Vereinsnormen hier ihren Platz

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BGHZ 63, 282 ff. (Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität e. V.). Reuter ZGR 1980, 115; Nicklisch, Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, 1982, 29; Vieweg JuS 1983, 828. Schon Wiedemann JZ 1968, 219 (220) bejaht eine inhaltliche Kontrolle der Vereinssatzung. 44 Der BGH nimmt bei den Gewerkschaftsausschlüssen letztlich eine Interessenabwägung vor. Hierauf weist Popp JuS 1980, 803 hin. 45 Vgl. Nicklisch JZ 1976, 107 ff. 46 MK-Reuter, vor § 21, Rdnr. 124 ff. 47 Vgl. BVerwGE 39, 197 (203 f.) = JZ 1972, 204 (Bachof). 43

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haben.48 Mit der Inhalts- und Subsumtionskontrolle verbunden ist die Frage nach der geltungserhaltenden Reduktion der Vereinsnormen sowie die Problematik des Fehlens von Vereinsnormen. Auch insofern kann der Maßstab des konfliktreduzierenden Interessenausgleichs einen Lösungsansatz darstellen. Die Vornahme der Tatsachenkontrolle einerseits und der Inhalts- bzw. Subsumtionskontrolle andererseits soll im folgenden am Beispiel einer umstrittenen sportrechtlichen Entscheidungsfindung veranschaulicht werden. Es wird die Auffassung vertreten, daß die Annahme von Siegprämien von dritter Seite49 ein „unsportliches Verhalten“ darstellt, das mit der Verhängung von Vereinsstrafen geahndet werden kann.50 Bringt in einem solchen Fall der bestrafte Verein oder Spieler vor, er habe die ihm angebotene Siegprämie abgelehnt und benennt hierfür Zeugen, so haben die staatlichen Gerichte im Rahmen der Tatsachenkontrolle diese Zeugen zu vernehmen und deren Aussagen zu würdigen. Hinsichtlich der Inhalts- und Subsumtionskontrolle kommt es darauf an, ob die Annahme von Siegprämien von dritter Seite ein „unsportliches Verhalten“ darstellt. Die Nähe von Normenkonkretisierung und Subsumtion ist auch hier erkennbar. Zwar läßt sich das wenig faßbare Tatbestandsmerkmal „unsportliches Verhalten“ durch Auslegung im Sinne von „sportwidriges Verhalten“ näher präzisieren. Auch lassen sich Beispielfallgruppen bilden, die diese unbestimmte Vereinsnorm konkretisieren51. Beispielsweise könnte die Annahme von Verlustprämien, also Prämien für Schlechtleistung, als „unsportliches Verhalten“52 eingestuft werden. Die Frage, ob die Annahme von Siegprämien ebenfalls ein strafwürdiges „unsportliches Verhalten“ ist, bliebe aber im Rahmen der wertenden Zuordnung von Sachverhalt und Norm klärungsbedürftig. Zieht man als Kontrollmaßstab die konfliktreduzierende umfassende Abwägung der rechtlich anerkannten Interessen von Verein und Mitglied heran, so ergibt sich folgende Lösung. Unsportlich bzw. sportwidrig ist ein Verhalten jedenfalls dann, wenn es die funktionellen Eigenarten des betreffenden Sports berührt. Ist der Wettkampfcharakter sportarttypisch53 – was sich insbesondere aus dem Sportregelwerk ergeben kann54 – so ist jedes Verhalten sportwidrig, das den Wettkampfcharakter in Frage stellt. Ergebnisabsprachen sind hierzu ebenso zu zählen wie absichtliches Verlieren eines Spiels, gleichgültig, ob hierfür Prämien versprochen, gefordert oder gezahlt werden. Die Zahlung von Siegprämien fördert aber gerade das Interesse am Gewinn eines Spiels und damit dessen Wettkampfcharakter, wobei es nicht darauf ankommt, wer die Prämie zahlt. Dennoch kann 48

Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970, 43 ff.; Beuthien (N. 25), 5; H. P. Westermann (N. 25), 104 ff.; ablehnend Teubner (N. 4), 321. 49 Hierzu kann es insbesondere zu Saisonende kommen, wenn eine der beteiligten Mannschaften wegen ihres Tabellenplatzes selbst kein besonderes Interesse am Gewinn des Spiels hat, ein solches Interesse am Ausgang des Spiels aber auf seiten eines dritten Vereins besteht. 50 Vgl. Reuter ZGR 1980, 122 f. mit Hinweis auf die Praxis des DFB. 51 Vgl. z. B. § 5 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. 52 Dies ist in der Literatur unumstritten. 53 Hierauf weist Preis DB 1971, 1572 für den Bereich des Fußballs hin. 54 Vgl. zu den Funktionen der Sportregeln im einzelnen Vieweg JuS 1983, 828 f.

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ein „unsportliches Verhalten“ gegeben sein, wenn durch die Zahlung von Siegprämien von dritter Seite die Chancengleichheit zwischen den konkurrierenden Vereinen in einer von den – interessengerechten – Vereinsnormen nicht tolerierten Weise beeinflußt wird. Ist nämlich der Ligabetrieb so organisiert, daß alle Vereine nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze oder überhaupt nicht ihre Spieler fördern dürfen, so würde die Zahlung von Siegprämien durch Dritte einen Startvorteil ermöglichen und damit Konflikte zwischen den Mitgliedern fördern, statt sie zu vermeiden. 3. Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung sonstiger Vereinsentscheidungen Die Frage, ob die beiden anderen Arten von Innenkonflikten zwischen Verein und Mitglied55 in gleicher Weise wie die Vereinsstrafen einer gerichtlichen Nachprüfung unterliegen sollen, kann dann bejaht werden, wenn die betreffenden Konfliktursachen keine wesentlichen Unterschiede aufweisen und die gerichtliche Nachprüfung zur erstrebten Konfliktlösung führt, ohne zugleich eine unerwünschte Mehrbelastung der Gerichte mit sich zu bringen. Die folgenden Überlegungen unterscheiden demgemäß zwischen den beiden Arten von Innenkonflikten. Es bleibt aus Raumgründen außer Betracht, daß insbesondere hinsichtlich der Gewährung von Vorteilen auch vertragliche Regelungen recht verbreitet sind.56 a) Versagung von Vorteilen Um eine Versagung von Vorteilen handelt es sich dann, wenn ein Verein bzw. Verband es entweder ausdrücklich ablehnt, dem Mitglied den Vorteil zu gewähren, oder aber auf einen entsprechenden Antrag des Mitglieds keine Entscheidung trifft. Besonders verbreitet sind Entscheidungen über Vorteilsgewährungen57 im Sportbereich; sie finden sich aber beispielsweise auch bei den Gewerkschaften (sog. Unterstützungsleistungen)58. Teilweise rückt die Vorteilsversagung hinsichtlich ihrer rechtstatsächlichen Auswirkungen in die Nähe der Vereinsstrafe. So hat die Versagung einer Startberechtigung für den betroffenen Sportler dieselbe Wirkung – Startverbot und ggf. Einkommensverlust – wie eine als Vereinsstrafe verhängte Sperre.59 In diesen Fällen erweisen sich Vereinsstrafe und Versagung von Vorteilen 55

Siehe oben II. Vertragliche Regelungen sind notwendig, wenn die Vorteile einem Nichtmitglied des Vereins gewährt werden. 57 Meyer-Cording (N. 6), 75 ff. und Schlosser MDR 1967, 885 bezeichnen sie in Anlehnung an den verwaltungsrechtlichen Sprachgebrauch als begünstigende Vereinsverwaltungsakte. 58 Näher dazu Schlosser (N. 8), 69 ff. 59 So richtig LG Münster, Urt. v. 05. 02. 1979 – 11 0 186/78 – (Versagung der Startberechtigung durch den nationalen Sportverband als Folge einer durch den internationalen Sportverband verhängten Sperre). 56

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für die Vereine bzw. Verbände als austauschbare Mittel zur Steuerung des Verhaltens ihrer Mitglieder bzw. zur vereinsseitigen Lösung entstandener Konflikte. Besonderes Konfliktpotential beinhalten die Fälle, in denen der Verein eine Auswahlentscheidung zu treffen hat, welchen Mitgliedern er einen zahlenmäßig beschränkten Vorteil zukommen lassen will. Die Aufstellung als Kandidat auf einer Wahlliste60 oder die Berufung in die Nationalmannschaft sind hierfür Beispiele. Die soziale, wirtschaftliche oder berufliche Relevanz solcher Auswahlentscheidungen liegt auf der Hand, wenn das Mitglied zentrale Lebensentscheidungen – Beruf, Trainingsaufwand über Jahre usw. – im Hinblick auf diesen Vorteil getroffen hat und nun keine Ausweichmöglichkeit hat, weil allein der Verein bzw. der Verband den Vorteil verschaffen kann. Fragt man nach den Konfliktursachen, so ergeben sich keine prinzipiellen Unterschiede zum Innenkonflikt Vereinsstrafe. Auch bezüglich der Versagung von Vorteilen sind eine unterschiedliche Sicht der Tatsachen sowie verschiedene interessengetragene Bewertungen, die zu der Nichtakzeptanz von Entscheidungsträger, -verfahren und -maßstab führen, Zentralpunkt. Allerdings sind die Konfliktursachen weniger faßbar, wenn weder Satzung noch Vereinsordnungen Regelungen über die streitige Gewährung der Vorteile enthalten. Hier kann das unbestimmte Gefühl vorherrschen, „verschaukelt“ worden zu sein. Die Gleichheit der Konfliktursachen legt es nahe, die Verhängung von Vereinsstrafen und die Versagung von Vorteilen auch bezüglich Art und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung gleich zu behandeln, um das gesetzte Ziel der Konfliktlösung zu erreichen. Aus Sicht der Praxis stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Probleme: Was ist zu tun, wenn die Vereinsinstanzen sich nicht bereit finden, überhaupt eine Entscheidung zu treffen oder die Ablehnung zu begründen? Und: Wie ist dem Problem des Normenmangels zu begegnen? Eine gerichtliche Nachprüfung ist nämlich nur dann sinnvoll und realisierbar, wenn die Vereine verpflichtet sind, Entscheidungen über die Gewährung bzw. Versagung von Vorteilen in angemessener Frist zu treffen und diese Entscheidungen auch hinreichend ausführlich zu begründen. Eine derartige Entscheidungs- und Begründungspflicht ergibt sich als Ausfluß der allgemeinen Wohlverhaltenspflicht des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern61, die als Gegenstück zur Unterwerfung der Mitglieder unter die Vereinsgewalt angesehen werden kann. Diese – einklagbare – Entscheidungs- und Begründungspflicht ist begrenzt auf den rechtlich relevanten Tätigkeitsbereich des Vereins. Insofern kann es ihm nicht freistehen, Teile des Vereinslebens rechtsfrei zu halten. Verzichtet der Verein auf abstrakt-generelle Regelungen, so ist er dennoch gehalten, Einzelfallentscheidungen zu treffen und zu begründen. Er kann sich dem nicht durch einen „Normenmangel“ entziehen. Auch läßt sich die Frage der Ko-

60 Popp JuS 1980, 798 f. weist darauf hin, daß in den Fällen des Ausschlusses aus einer Gewerkschaft wegen der Kandidatur auf einer fremden Liste häufig ausschlaggebend war, daß dem Bewerber überhaupt kein oder nur ein wenig aussichtsreicher Listenplatz eingeräumt wurde. 61 OLG Düsseldorf WuW 1981, 366 (368) m. w. N.

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stentragung in einer für den Verein akzeptablen Weise regeln.62 Die gerichtliche Nachprüfung der Versagung von Vorteilen hat in der Form der Tatsachenkontrolle einerseits und der Inhalts- bzw. Subsumtionskontrolle andererseits zu erfolgen. Maßgeblich wird damit der Maßstab des konfliktreduzierenden Interessenausgleichs. Auch hier ist eine richterliche Selbstbeschränkung – beispielsweise durch Anerkennung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen63 – diskutierbar, wenn Entscheidungsträger, -verfahren und -maßstab die Gewähr für eine faire Abwägung der rechtlich anerkannten Interessen von Verein und Mitglied bieten. Dem Problem der Mehrbelastung der Gerichte ließe sich so begegnen. b) Sonstige individuell belastende Vereinsentscheidungen Bei dieser dritten Gruppe von Innenkonflikten zwischen Verein und Mitglied handelt es sich der Art nach um eine Auffangkategorie, die vor allem diejenigen Vereinsentscheidungen erfaßt, die zwar abstrakt und generell formuliert sind, die jedoch – sei es zielgerichtet, sei es bloß als Reflex – individuell belastende Wirkungen bei einem oder mehreren Mitgliedern zeitigen. Als Beispiele wurden bereits die Verschärfung der Voraussetzungen einer erneuten Lizenzerteilung und das mit Ausschluß bzw. Lizenzentzug bewehrte Verbot, den Vereinsnamen zum Zweck der Werbung zu ändern, genannt. Hinsichtlich der Konfliktursachen sind ebensowenig wie hinsichtlich des Konfliktpotentials wesentliche Unterschiede zum Innenkonflikt Vereinsstrafe erkennbar, zumal wenn eine Verhaltenssteuerung des Mitglieds bezweckt und erhebliche soziale, berufliche oder wirtschaftliche Interessen des Mitglieds betroffen sind. Als Besonderheit kann sich jedoch ergeben, daß der Konflikt noch nicht aktuell ist, solange erst das Vorstadium einer abstrakt-generellen Beschlußfassung erreicht und noch keine individuell gerichtete Entscheidung getroffen ist. Die gerichtliche Nachprüfung als Maßnahme der Konfliktlösung hat dem zu begegnen, indem sie erst dann einsetzen darf, wenn ein Rechtsschutzinteresse des Mitglieds gegeben ist. Dieses fehlt, solange dem Mitglied zuzumuten ist, eine Einzelfallentscheidung herbeizuführen oder abzuwarten. Ein Abwarten ist dem Mitglied jedoch dann nicht mehr zumutbar, wenn sein beabsichtigtes Verhalten zwangsläufig die Verhängung einer Vereinsstrafe zur Folge haben würde, weil die zuständige Vereinsinstanz nach den maßgeblichen Vereinsnormen keine – das Mitglied nicht belastende – Ausnahmeregelung treffen kann. In diesem Fall ist ein Rechtsschutzinteresse bereits zu bejahen. Die gerichtliche Nachprüfung kann dann in gleicher Weise wie bei den Vereinsstrafen und der Versagung von Vorteilen erfolgen.

62 Auch die innerverbandliche Nachprüfung von Vereinsstrafen führt bei Erfolglosigkeit regelmäßig zur Kostentragung durch das Mitglied. 63 Vgl. Schlosser (N. 8), 73 f., 102 ff.

Gleichschaltung und Führerprinzip Zum rechtlichen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziele und Inhalte des nationalsozialistischen Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die vom Staat eingesetzten Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einräumung von Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung der Sportpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gleichschaltung der Sportverbände und -vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sporthistorischer Abriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Situation in der Endphase der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Vorgänge in den Jahren nach 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Verbot der Arbeitersportbewegung sowie der konfessionellen Sportvereine und -verbände, die Diskriminierung jüdischer Sportvereine und -verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Gleichschaltung der nicht parteipolitisch oder konfessionell gebundenen Sportverbände und -vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Aspekte der Gleichschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das staatliche Organisations- und Verwaltungsmonopol . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Führerprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 44 46 46 48 49 49 49 51 51 54 57 57 59 59 66

I. Einleitung Herr Jubelius hat uns über die Strafgewalt im Universitätsbereich berichtet. Um von hier den Bogen zum organisierten Sport zu schlagen, möchte ich einleitend auf die Hochschulsportordnung von 19341 eingehen. Diese schrieb für die Studentinnen und Studenten der ersten drei Semester wöchentlich drei bis vier Stunden Pflichtsport vor. Inhaltliche Schwerpunkte waren dabei Geländelauf, Kleinkaliberschießen, Turnen und Kampfspiele (Fußball, Handball), dazu Boxen für die Studenten sowie Tanz und Gymnastik für die Studentinnen. Dieser Pflichtsport wurde mit Prüfungen abgeschlossen. Wer die geforderte Mindestpunktzahl nicht erreichte, * Erstveröffentlichung in P. Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 244 – 271. Die Vortragsfassung wurde im wesentlichen beibehalten, jedoch um den Fußnotenapparat und die Zusammenfassung ergänzt. 1 Erlaß des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (RMfWEV) v. 30. 10. 1934, abgedr. in G. Briese, Hochschulsportordnung v. 30. 10. 1934, Berlin 1937, S. 9 ff.

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wurde nicht zum 4. Semester zugelassen. Er mußte mit der Verweisung von der Universität rechnen.2 Ob es in der Praxis zu dieser letzten Konsequenz kam, muß hier allerdings offen bleiben. Die bisherige Auswertung der hiesigen Universitätsarchivalien hat jedenfalls noch nicht den Nachweis derartiger Verweisungen erbracht.3 Dieses Beispiel liefert erste Hinweise auf Funktion und Stellenwert des Sports im Dritten Reich. Die Auswahl der Pflichtsportarten – Kleinkaliberschießen, Geländelauf, Boxen – legt den Wehrsportgedanken offen. Die sanktionsbewehrte Pflichtigkeit verdeutlicht den Stellenwert des Sports. Tendenziell erstrebt war eine Gleichwertigkeit von geistig-wissenschaftlicher und körperlicher Ausbildung,4 wenn nicht sogar eine Priorität der körperlichen Erziehung. Der studentische Pflichtsport macht ein weiteres deutlich. Die Entwicklung begann nicht plötzlich im Jahre 1933. Sie setzte wesentlich früher ein. Die Forderung nach studentischem Pflichtsport läßt sich nämlich zurückführen auf den 2. Deutschen Studententag im Jahre 1920,5 der Ersatz forderte für die nach dem Ersten Weltkrieg weggefallene Militärzeit, die „unserem Volke ungeahnte Kräfte erhalten hat“6. Ich möchte Ihnen im folgenden einen Überblick geben über die Ziele und Inhalte des nationalsozialistischen Sports sowie über die vom Staat zur Verwirklichung dieser Ziele eingesetzten Mittel. Dabei möchte ich einen Schwerpunkt legen auf das organisatorische Phänomen der sog. Gleichschaltung sowie – damit zusammenhängend – auf die vereinsrechtlichen Probleme, die sich aus der Einführung des sog. Führerprinzips ergaben. Betroffen von der Gleichschaltung waren immerhin 5 – 8 Mio. Sportler. Die Wirkungen der Gleichschaltung haben die Zeit des Dritten Reiches überdauert. Unser heutiges monopolartig strukturiertes Sportverbandswesen7 hat hier seine Wurzeln. Ich möchte nicht eingehen auf die Frage der personellen Kontinuität, die sich – man denke nur an Carl Diem und Guido v. Mengden – selbstverständlich auch im Sportbereich stellt. Nur kurz ansprechen möchte ich die als eigentliches Thema des Vortrages angekündigte Problematik der Verbandsstrafgewalt. Ich habe hierzu – was die theoretische rechtliche Behandlung betrifft – nur wenige NS-Spezifika feststellen können. Zudem erwies sich die Rechtstatsachenbasis – wie bei Herrn

2 W. Buss, Die Entwicklung des deutschen Hochschulsports vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des NS-Staates, phil. Diss. Göttingen 1975, S. 168. 3 L. Pfeiffer, W. Frisch, J. Leinweber, R. Oenning, Hochschulsport in Münster, noch unveröffentlichtes Manuskript 1983, S. 31. 4 Vgl. auch den Erlaß des RMfWEV v. 16. 12. 1935 (Richtlinien für die gesundheitliche Auslese zum Hochschulstudium), abgedr. bei W. Buss (Fn. 2), S. 168, Fn. 50. 5 Beschlüsse des 2. Deutschen Studententages, Dok. Nr. 3 bei W. Buss (Fn. 2), S. 365. 6 Führerausschuß des Deutschen Hochschulringes, Dok. Nr. 5 bei W. Buss (Fn. 2), S. 367. 7 Vgl. hierzu K. Vieweg, Zur Einführung: Sport und Recht, JuS 1983, 825 (826) m. w. N.

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Jubelius – als recht schmal.8 Ich möchte mich auf die folgenden stichwortartigen Bemerkungen beschränken. In materiellrechtlicher Hinsicht kam es – als Folge der sog. Gleichschaltung – zwar zu einer weitgehenden Vereinheitlichung der Vereinsund Verbandsstrafbestimmungen.9 Die Einheitssatzungen ließen allerdings noch Raum für gewisse Differenzierungen. Auch waren die betreffenden Strafnormen ihren Voraussetzungen nach unbestimmt gefaßt und damit interpretationsfähig wie eh und je.10 In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind der weitere Aufbau eigener Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeiten mit einheitlichen Zuständigkeitsabgrenzungen11 sowie die unmittelbare Strafgewalt des Reichssportführers gegenüber allen Vereinen und deren Mitgliedern12 zu erwähnen. Die noch heute in den Regelungen mancher Sportvereine und -verbände anzutreffende Übertragung der Vereinsstrafgewalt auf den betreffenden Spitzenverband dürfte hier ihren Ursprung haben. Voraussetzungen und Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsund Verbandsstrafen wurden kontrovers diskutiert.13 Die Rechtsprechung des Reichsgerichts14 sah lediglich eine auf offenbare Unbilligkeit und Sittenwidrigkeit beschränkte Grenzkontrolle vor. Ich möchte mich im folgenden auf die Darstellung und Analyse des rechtlichen Instrumentariums der Organisation des Sports im Dritten Reich beschränken. Eine Bewertung als Recht oder Unrecht – wie es der Titel der Vortragsreihe vielleicht erwarten läßt – werde ich nicht vornehmen. Hierfür bedürfte es weitergehender 8 Eine kurze Statistik über die Bestrafungen im Gau 6 Mitte des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen in der Zeit vom 01.07. bis 31. 12. 1936 findet sich bei G. Sunderdiek, Das Disziplinarstrafrecht des Sports, Diss. Jena 1937, S. 68 ff. 9 Vgl. § 7 Einheitssatzung für die dem Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) angeschlossenen Vereine (RMinBl. 1935, S. 100) sowie § 7 Einheitssatzung für die dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) angeschlossenen Gemeinschaften (RMinBl. 1940, S. 21). 10 Vgl. G. Sunderdiek (Fn. 8), S. 27 ff. 11 Alle 4 Fassungen der Rechts- und Strafordnung des DRL bzw. NSRL treffen in den §§ 1 – 4 Regelungen zum Instanzenzug sowie zu den Zuständigkeitsabgrenzungen. Vgl. E. Lohbeck, Das Recht der Sportverbände, Diss. Marburg 1971, S. 62 ff. m. w. N. 12 E. Lohbeck (Fn. 11), S. 63; vgl. § 8 (2) Einheitssatzung der dem NSRL angeschlossenen Gemeinschaften (RMinBl. 1940, S. 21). 13 Vgl. insbes. H. Lehmann, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 4. Aufl. Berlin-Leipzig 1933, S. 455; Soergel-Gerold, Bürgerliches Gesetzbuch, 1. Bd., 6. Aufl. Stuttgart Leipzig Berlin 1937, Anm. 2 zu § 39; W. Geibel, Leibesübungen und Recht, Mannheim Berlin Leipzig 1936, S. 51 ff.; K. Peters, Die Ausschließung von Mitgliedern aus rechtsfähigen Vereinen, Diss. Köln 1933, S. 30 ff.; H. Beyer, Die Ausschließung eines Mitgliedes aus dem Verein, Diss. Halle 1935, S. 77 ff.; O. Wurst, Vereinsautonomie und richterliche Nachprüfung von Ausschließungsbeschlüssen, Diss. Tübingen 1935, S. 37 ff.; G. Hasenstein, Der Ausschluß eines Mitgliedes aus einem Verein und die gerichtliche Nachprüfung des Ausschließungsbeschlusses nach deutschem und schweizerischem Recht, Diss. Jena 1936, S. 18 ff. 14 RGZ 147, S. 10 = JW 1935, S. 1145 (1146) m. Anm. Roquette; vgl. allg. zur Entwicklung der Rechtsprechung U. Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, Tübingen 1957, S. 107 ff. m. z. N.

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Untersuchungen, die den vorgegebenen zeitlichen Rahmen des Vortrags sprengen würden.

II. Ziele und Inhalte des nationalsozialistischen Sports Ziele der nationalsozialistischen Körperertüchtigung waren Volksgesundheit, Kraftbewußtsein, soldatisch-kämpferische Haltung, Rassereinheit, Erhaltung der Erbgesundheit, Förderung der natürlichen Volksvermehrung, völkische Einstellung, Gemeinschaftsbewußtsein sowie Auflösung von Klassen- und Konfessionsschranken. Die gleichwertige Einheit von Körper und Geist galt als Ideal.15 Alle Grundsatzschriften der nationalsozialistischen Leibeserziehung stützten sich auf Hitlers Thesen und Postulate, vor allem in „Mein Kampf“.16 Wesentlich erscheinen mir die folgenden:17 „Der völkische Staat hat seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten“ … „Die körperliche Erziehung ist im völkischen Staat nicht eine Sache des einzelnen …, sondern eine Forderung der Selbsterhaltung des durch den Staat vertretenen und geschützten Volkstums“ … (Der junge Volksgenosse) „muß in seiner körperlichen Kraft und Gewandtheit den Glauben an die Unbesiegbarkeit seines ganzen Volkstums wiedergewinnen“ … „Die Erziehung des Mädchens verläuft im völkischen Staat analog. Hauptgewicht ist vor allem auf die körperliche Ausbildung zu legen, erst dann auf die Förderung der seelischen und zuletzt der geistigen Werte“. Weiter fordert Hitler „Eitelkeit auf einen schönen, wohlgeformten Körper“, damit sich „im Interesse der Nation die schönsten Körper finden“ … „Man gebe der deutschen Nation 6 Millionen sportlich tadellos trainierter Körper, alle von fanatischer Vaterlandsliebe durchglüht und zu höchstem Angriffsgeist erzogen, und der nationale Staat wird aus ihnen, wenn notwendig, in nicht einmal zwei Jahren eine Armee geschaffen haben“. Ideologisch stellte sich die nationalsozialistische Leibeserziehung in die Tradition des „Turnvaters“ Jahn, der zur Symbolfigur hochstilisiert wurde.18 In seinem Kampf gegen die napoleonische Herrschaft wurde er als Vorbild für die als ähnlich empfundene Situation des deutschen Volkes in den 30er Jahren angesehen. Es wurden Ähnlichkeiten zwischen Jahns Schrift „Deutsches Volkstum“ aus dem Jahre 15 Vgl. hierzu B. Malitz, Die Leibesübungen in der nationalsozialistischen Idee, München 1933, S. 9 ff.; H. Hagen, Erziehung und Leibesübungen, in: Volk im Werden 1933, S. 51 ff.; W. Geibel (Fn. 13), S. 1 ff.; S. Nürck, Sport und Recht, Berlin 1936, S. 21 ff.; H. Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, Schorndorf 1966, S. 19 f. 16 H. Bernett, Der Weg des Sports in die nationalsozialistische Diktatur, Schorndorf 1983, S. 19. 17 A. Hitler, Mein Kampf, München, 342.–346. Aufl. 1938, S. 452 ff.; vgl. auch die von H. Rauschning, Gespräche mit Hitler, Zürich New York 1940, S. 237 überlieferten Äußerungen Hitlers. 18 H. Bernett (Fn. 15), S. 77.

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1816 und Hitlers „Mein Kampf“ entdeckt. Jahns Volkstum wurde mit Rasse, seine Erdhaftigkeit mit dem Boden der nationalsozialistischen Ideologie gleichgesetzt. Das schwer strukturierbare Konglomerat der nationalsozialistischen Weltanschauung19 fand seine assoziative Entsprechung in Jahn. Die erwähnte Zielsetzung fand ihren Niederschlag in den Erscheinungsformen und Inhalten sportlicher Betätigung. Zwei inhaltliche Besonderheiten möchte ich herausgreifen, wobei ich das Gesamtbild natürlich verzerre: den Wehrsportgedanken und das sog. Dietwesen. Für den Hochschulbereich habe ich den Einfluß des Wehrsportgedankens20 erwähnt. Kleinkaliberschießen und Boxen wurden zum studentischen Pflichtsport. Parallelerscheinungen haben wir im Schulsport, im Geländesport der Hitler-Jugend21 und auch im Wettkampfsport. Keulenweit- und -zielwurf dienten als Vorübungen für den Handgranatenwurf. Gepäckmärsche bereiteten auf das Soldatenleben vor. Der Wehrsportgedanke konnte problemlos auf Friedrich Ludwig Jahn zurückgreifen, der die deutsche Jugend für den Befreiungskampf gegen Napoleon ertüchtigen wollte. Im sog. Dietwesen22 – „diet“ bedeutet zugleich Volk und deutsch – ging es um die Pflege des deutschen Volkstums, um die Erhaltung und Wahrung seiner rassisch bedingten Eigenart.23 Das Dietwesen äußerte sich u. a. in der Abhaltung bestimmter Feiern wie der Sommersonnenwende und der Julfeier sowie in der sog. völkischen Aussprache. Die völkische Aussprache wurde beispielsweise in der Form durchgeführt, daß bei sportlichen Wettkämpfen Fragen nach der Bedeutung des Hakenkreuzes und dem Lebensweg des Führers richtig beantwortet werden mußten.24

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H. Bernett (Fn. 15), S. 75. E. Unger, Das Schrifttum des Nationalsozialismus von 1919 bis zum 1. Januar 1934, Berlin 1934, S. 91 ff. listet allein für das Jahr 1933 ca. 50 Publikationen zum Wehr- und Geländesport auf. 21 Die zur Beseitigung von Überschneidungen auf dem Gebiet der Leibesübungen in Schule und Hitler-Jugend zwischen dem RMfWEV und dem Reichsjugendführer am 31. 01. 1941 geschlossene Vereinbarung (abgedr. in A. Homeyer, Die Neuordnung des höheren Schulwesens, 2. Aufl. Berlin 1940, 6. Nachtrag) erstreckte sich auch auf die Wehrertüchtigung. 22 Vgl. hierzu im einzelnen H. Bernett (Fn. 16), S. 68 ff. 23 Ziff. 1 der Dietordnung des DRL (abgedr. in GauVOBl. 1937 Nr. 25, S. 6 f.): „Die Dietarbeit hat den Zweck, den DRL fest an Bewegung und Staat zu binden. Sie soll in den Vereinen und bei deren Mitgliedern das Bewußtsein verankern, daß die Leibesübungen nicht Selbstzweck sind, sondern der Erweckung und Erhaltung des Wehrwillens, des Volksstolzes und des Volksgefühls zu dienen haben. Die Dietarbeit gilt ferner der Neugestaltung des inneren Lebens der Vereine aufgrund der kulturellen, geistigen und rassenpolitischen Erkenntnisse des Nationalsozialismus. Sie zielt somit auf die Erweckung, Erhaltung und Pflege des deutschen Volkstums und deutscher Art und Sitte.“ 24 Vgl. zu den Problemen bei der praktischen Durchsetzung der völkischen Aussprache H. Bernett (Fn. 16), S. 72 ff. 20

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III. Die vom Staat eingesetzten Mittel Zur Verwirklichung der angesprochenen Ziele nationalsozialistischer Körperertüchtigung wurden im wesentlichen drei Mittel eingesetzt: @ die Einräumung von Privilegien, @ die Einführung von Pflichtsport als flankierende Maßnahme, @ die Umstrukturierung des Sportverbands- und -vereinswesens im Wege der sog. Gleichschaltung. 1. Einräumung von Privilegien Die Förderung des Sports wurde zunächst dadurch vorgenommen, daß fast alle in der Zeit vor 1933 von den interessierten Kreisen gestellten Forderungen – mehr Anerkennung, mehr Sportstätten, die tägliche Sportstunde usw. – erfüllt wurden. Zu keiner Zeit zuvor genoß der Sport so viele Privilegien.25 Ich möchte dies an zwei Gesetzen exemplarisch deutlich machen: @ dem vom 13. 12. 1933 datierenden Gesetz über die Beschränkung der Nachbarrechte gegenüber Betrieben, die für die Volksertüchtigung von besonderer Bedeutung sind (NachbarrechtsbeschränkungsG)26, @ dem Gesetz über die Beurlaubung von Angestellten und Arbeitern für Zwecke der Leibeserziehung vom 15. 02. 193527. Das NachbarrechtsbeschränkungsG sah eine Einschränkung des durch § 906 BGB gewährleisteten Nachbarschutzes gegenüber Einwirkungen, die von Nachbargrundstücken herrühren, dann vor, wenn der Reichsinnenminister einen Sportbetrieb wegen seiner besonderen Bedeutung für die Volksertüchtigung genehmigt hatte. Der Nachbar konnte weder die Einstellung des Sportbetriebs noch die Einrichtung von Schutzmaßnahmen – z. B. gegen Lärm – verlangen (§ 1 Abs. 1).28 Die Gewährung einer Entschädigung war in das Ermessen des Reichsinnenministers gestellt (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3).29 Der Rechtsweg war insoweit ausgeschlossen (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3).30 25 A. Krüger, Die Rolle des Sports bei den Kriegsvorbereitungen des nationalsozialistischen Deutschlands, in: S. Güldenpfennig/H. Meyer (Hrsg.), Sportler für den Frieden, Köln 1983, S. 137. 26 RGB1. 1933 I, S. 1058. 27 RGB1. 1935 I, S. 197 f. 28 Nach Staudinger-Seufert, 11. Aufl., Berlin 1956, § 906, Anm. 1 b bestehen gegen die Weitergeltung des NachbarrechtsbeschränkungsG im allgemeinen keine Bedenken, da es nicht auf spezifisch nationalsozialistischem Gedankengut beruhe. Gegen eine Weitergeltung OLG Hamm, Urt. v. 06. 12. 1976 – 5 U 166/75. 29 Staudinger-Seufert, § 906, Anm. 1 b sieht hierin einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 GG. In diesem Sinne auch H. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl. Karlsruhe 1973, § 63 II 4c. 30 Staudinger-Seufert, § 906, Anm. 1 b bejaht hier einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG.

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Die amtliche Begründung31 sowie die damaligen Kommentierungen32 zu diesem Gesetz wiesen übereinstimmend darauf hin, daß hier erstmals einer der tragenden nationalsozialistischen Grundsätze „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ in die Tat umgesetzt worden sei. Das Gesetz beinhalte einen ersten entscheidenden Schritt zur Abkehr vom individualistisch-liberalistischen Eigentumsbegriff.33 Einer der Kommentatoren – ein Berliner Richter – belegte die praktische Bedeutung einer Regelung der Konfliktsituation Volksertüchtigungsbetrieb versus Nachbarschaft mit einem „unerfreulichen Rechtsstreit, in welchem der Staat selbst einen nicht nur für die Wehrmacht, sondern auch für den Schießsport so wichtigen Betrieb wie die Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen in Wannsee gegen den auf die §§ 904 ff., 1004 BGB gestützten Generalangriff der Grundstückseigentümer verteidigen mußte, eine Tatsache, die allein schon den Erlaß des Gesetzes gerechtfertigt hätte“.34 In der Tat scheint dieser Rechtsstreit das Gesetz über die Beschränkung der Nachbarrechte veranlaßt zu haben.35 Bemerkenswert erscheint mir die durch das Nachbarrechtsbeschränkungsgesetz vorgenommene Legitimierung des Eingreifens der Exekutive in bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse, wobei alle denkbaren Konflikte durch den Reichsinnenminister endgültig entschieden wurden, da der Rechtsweg ausdrücklich ausgeschlossen war. Daß angesichts der Betroffenheit, die das Tennisplatzurteil des Bundesgerichtshofs36 in Sportkreisen ausgelöst hat, das Nachbarrechtsbeschränkungsgesetz in die aktuelle Diskussion über die Beziehung von Sport und Umwelt eingebracht worden ist,37 kann kaum verwundern. Das erwähnte Beurlaubungsgesetz bezweckte die Sportförderung, indem es die Arbeitgeber verpflichtete, ihre männlichen Angestellten und Arbeiter zur Teilnahme an den vom Reichsinnenminister anerkannten Lehrgängen für Leibeserziehung zu beurlauben. Auch hier entschied über etwaige Einwendungen der betroffenen Arbeitgeber der Reichsinnenminister endgültig.

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DJ 1933, S. 862. Grund, Das Gesetz über die Beschränkung der Nachbarrechte vom 13. Dez. 1933, JW 1934, S. 203; Fraeb, Das Nachbarrechtsbeschränkungsgesetz, Die erste gesetzgeberische Verwirklichung der Forderung: Gemeinnutz vor Eigennutz, DRZ 1934, S. 107; Mössmer, in: Frank, Nationalsozialistisches Handbuch für Recht und Gesetzgebung, München 1935, S. 1002. 33 Mössmer (Fn. 32), S. 1002. 34 Grund, JW 1934, S. 203. 35 Begründung des Gesetzentwurfs in der Kabinettsvorlage des Reichsministers der Justiz Nr. I m 3647 vom 04. 12. 1933 (Bundesarchiv Koblenz, Bestand Reichskanzlei, Signatur R 43 11/1526, BI. 27 f.). 36 BGH, Urt. v. 17. 12. 1982 NJW 1983, S. 751 f. = WM 1983, S. 176 f. 37 Der Spiegel Nr. 16/83, S. 111. 32

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2. Einführung der Sportpflicht Als zweites Mittel der Verwirklichung der Ziele der nationalsozialistischen Leibeserziehung trat flankierend neben die Einräumung von Privilegien die Normierung einer Sportpflicht in vielen staatlich reglementierten Lebensbereichen. Den studentischen Pflichtsport habe ich eingangs erwähnt, ebenso die Tatsache, daß die Forderung nach einer Sportpflicht der Studenten schon Jahre im Raum stand.38 Hinzu kam insbesondere die Arbeitsdienstpflicht. Auch in der Justizausbildungsordnung (JAO)39 fand dies seinen Niederschlag. Bei der Meldung zur ersten juristischen Staatsprüfung war der Nachweis zu führen, „daß der Bewerber … sich körperlich gestählt hat, wie es einem jungen deutschen Manne zukommt. Zu diesem Zweck muß er sich im Arbeitsdienst bewährt haben und dies durch Vorlegen des Arbeitspasses nachweisen“.40 Die juristische Referendarzeit wurde in Preußen durch ein sechswöchiges Gemeinschaftsleben im Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“ in Jüterbog abgeschlossen.41 Eine Examensvorbereitung war während dieser Lagerzeit nicht erlaubt. Die Gemeinschaft der Juristen sollte sich vielmehr insbesondere sportlich betätigen,42 um „unbelastet von eingelerntem Gedächtniskram körperlich und geistig frisch in die mündliche Prüfung einzutreten“.43 Nach der Kommentierung von Palandt zur JAO 1934 wurde Befreiung vom Prüfungsabschnitt Lagerzeit nur in den Fällen erteilt, in denen der Referendar wegen seiner körperlichen Beschaffenheit nicht zu den wehrsportlichen Übungen herangezogen werden konnte.44

38 Auch ein aus dem Dezember 1917 datierender Gesetzentwurf wollte jeden deutschen Reichsangehörigen in der Zeit von der Vollendung des schulpflichtigen Alters bis zur Volljährigkeit zur körperlichen Übung verpflichten. Vgl. C. L. Long, Die Leitung und Aufsicht des Sports durch den Staat, Diss. Leipzig 1939, S. 18. Ebenfalls forderte § 21 des Parteiprogramms der NSDAP die gesetzliche Festlegung einer Turn- und Sportpflicht. 39 JAO v. 22. 07. 1934, RGBI. 1934 I, S. 727. 40 § 2 Abs. 1 JAO v. 22. 07. 1934. Widmete sich eine Frau dem Rechtsstudium, wovon H. Richter, in: Palandt/Richter, Die Justizausbildungsordnung des Reiches, Berlin 1934, Anm. 3 zu § 2 JAO dringend abriet, so mußte auch sie nach dieser Kommentierung am Arbeitsdienst teilnehmen. 41 Einen Eindruck vom Lager der Referendare in Jüterbog vermittelt der Wochenschaubeitrag der Deulig-Tonwoche 83, der neben einer kläglichen Massengymnastik (Liegestütze usw.) eine Ansprache des Staatssekretärs R. Freisler sowie das gemeinschaftliche Schuhputzen der Referendare wiedergibt. Vgl. auch die Berichte von C. H. Ule, Ein Gemeinschaftslager der preußischen Referendare, VerwArch 38 (1933), S. 437 ff. sowie ders., Referendar in politisch bewegten Zeiten, Köln, Berlin, Bonn, München 1983, S. 60 ff. 42 AV des Preußischen Justizministers v. 29. 06. 1933 – I 10 136 – PrJMBI. S. 210; vgl. hierzu allgemein Pohlmann, Leibesübungen in den Referendar-Arbeitsgemeinschaften, DJ 1937, S. 1674 ff. 43 AV des Preußischen Justizministers v. 07. 07. 1933 – I 7420 – PrJMB1. S. 217. 44 O. Palandt, in: Palandt/Richter (Fn. 40), Anm. 3 zu § 42 JAO.

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3. Die Gleichschaltung der Sportverbände und -vereine a) Sporthistorischer Abriß Ich skizziere zunächst die Situation in der Endphase der Weimarer Republik, dann den Prozeß der Gleichschaltung des Sportverbandswesens in den Jahren nach 1933. aa) Die Situation in der Endphase der Weimarer Republik Im Jahre 1932 gab es im Reichsgebiet ca. 300 Sportverbände45, in denen etwa 40.000 Vereine mit insgesamt mehreren Millionen Mitgliedern46 zusammengeschlossen waren. Das zersplitterte Sportverbandswesen spiegelte die gesellschaftlichen und politischen Konflikte des Alltagslebens in dieser Zeit wider. So unterschieden sich die Verbände keineswegs allein nach der repräsentierten Sportart.47 In den Vordergrund rückten vielmehr Differenzierungen nach parteipolitischen, konfessionellen und ideologischen Gesichtspunkten. Diese Aufsplitterung in Arbeitersportverbände, die entweder der SPD oder der KPD nahestanden, in parteipolitisch neutrale, bürgerlich-national eingestellte Sportverbände – wie die Deutsche Turnerschaft (DT), den Deutschen Ruderverband (DRV) und den Deutschen FußballBund (DFB) – und in konfessionell geprägte Sportverbände – wie die Deutsche Jugendkraft, das Eichenkreuz, den Sportverband katholischer Handlungsgehilfen und die jüdischen Sportverbände – läßt sich in erster Linie auf Diskriminierungen der Arbeiter48 und Juden49 seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zurückführen. Hinzu kamen internationale Einflüsse50 sowie – nimmt man die Mitgliederzahlen in der Zeit der Weimarer Republik als Indiz – ein insgesamt steigendes Bedürfnis nach sportlicher Betätigung. Außerdem wurden Funktion und Inhalt sportlicher Betätigung – auch innerhalb der Verbände – unterschiedlich eingeschätzt. Spannungspole waren das als spezifisch deutsch verstandene Turnen und 45

G. Sunderdiek (Fn. 8), S. 5. C. Diem, Der Deutsche Sport in der Zeit des Nationalsozialismus, bearb. v. L. Peiffer, Köln 1980, S. 15, geht von 5 Mio. Mitgliedern aus. Zurückhaltend H. Bernett (Fn. 16), S. 51 f. 47 Die ersten Sportfachverbände wurden in den Sportarten gegründet, die von der Deutschen Turnerschaft (DT) als aus dem Ausland kommend abgelehnt wurden. So wurde der Deutsche Ruderverband (DRV) 1883 gegründet. 48 Nach Erlaß der Sozialistengesetze empfahl der Vorsitzende der DT Th. Georgii, Deutsche Turn-Zeitung 1878, S. 365, den Vereinen, sozialdemokratische Mitglieder auszuschließen. Die Gründung des Deutschen Arbeiter-Turnerbundes im Jahre 1893 ist eine Konsequenz dieser Diskriminierung. Die Statuten des DRV versagten von 1883 – 1918 jedem die Startberechtigung, der „als Arbeiter seinen Lebensunterhalt durch seiner Hände Arbeit verdient“. Vgl. Sunderdiek (Fn. 8), S. 4. 49 In der DT bestand ab 1887 heftiger Streit um die Einführung des sog. Arier-Paragraphen. Vgl. L. Pfeiffer, Die Deutsche Turnerschaft – Ihre politische Stellung in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Ahrensburg 1976, S. 16. 50 Man denke nur an den Einfluß der Sozialistischen Arbeiter-Sport-Internationale sowie der Roten Sport-Internationale auf die Organisationsstruktur des deutschen Arbeitersports. 46

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der als international angesehene Sport, der einseitig spezialisierte Rekordsport und die allgemeine Leibesertüchtigung, der Individualsport und der Sport in der Gemeinschaft sowie schließlich das Pro und Kontra des Wehrsports. Die Zersplitterung des Sportverbandswesens führte zu Abschottungsmechanismen – gegenseitiger Boykott des Sportverkehrs, Verbot von Doppelmitgliedschaften sowie zu fachlichen Kompetenzstreitigkeiten. So stritten vier Verbände um die Regelhoheit im Handball. Zwei Ansätze zur Überwindung dieser Differenzen fallen auf. Zum einen ist das Bestreben der Verbände auf Reichsebene erkennbar, ihr Verbandsrecht für die angeschlossenen Regionalverbände und die einzelnen Vereine verbindlich zu machen.51 Als „Gegenleistung“ dürften satzungsmäßige Fachund Gebietsschutzbestimmungen,52 die einen Monopolisierungsprozeß einleiteten, eine gewisse Rolle gespielt haben. Zum andern wurde die Notwendigkeit der zwischenverbandlichen Zusammenarbeit erkannt. So trafen die DT, der DFB und die Deutsche Sportbehörde für Leichtathletik (DSBA) 1930 eine vertragliche Regelung über ihre Zuständigkeiten, den Wettkampfverkehr und ihre allgemeine Zusammenarbeit in Form einer Arbeitsgemeinschaft.53 In der Endphase der Weimarer Republik bestanden zwei große Sportdachverbände: der Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen (DRA) und die Zentralkommission für Sport und Körperpflege (ZK). Der DRA ging aus einer Organisation hervor, die sich die Teilnahme Deutschlands an den olympischen Spielen zum Ziel gesetzt hatte.54 Er vereinigte einen Teil – aber nicht alle – parteipolitisch ungebundenen, bürgerlich-national eingestellten Sportverbände, deren interne Querelen sich in seiner Arbeit fortsetzten. In der Zentralkommission waren – nach Spaltung der Arbeitersportbewegung in den Jahren 1928 – 193255 – die der SPD nahestehenden Verbände zusammengeschlossen.56 Die KPD-orientierten Vereine waren Mitglieder der Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit.57 51

Nach G. Sunderdiek (Fn. 8), S. 7, erreichte dies nur die DT. E. Lohbeck (Fn. 11), S. 32, mit Verweis auf die Satzung des Deutschen Hockeybundes von 1929. 53 Vertrag zwischen den drei Verbänden Deutsche Turnerschaft, Deutsche Sportbehörde für Leichtathletik, Deutscher Fußballbund v. 03.03./12. u. 13. 04. 1930, Deutsche Turn-Zeitung 1930, S. 653 ff. In § 16 dieses Vertrages wurde zur Regelung etwaiger Meinungsverschiedenheiten ein Schiedsgericht vereinbart. 54 Komitee für die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen (1895); Deutscher Reichsausschuß für Olympische Spiele (1904); vgl. hierzu im einzelnen E. Lohbeck (Fn. 11), S. 15. 55 Dieser Spaltungsprozeß war durchaus gravierend. Es wurden nach einem Schreiben des ATUS-Vorsitzenden Gellert an Reichsinnenminister Frick v. 29. 03. 1933 (abgedr. als Dok. VII in: H. Timmermann, Geschichte und Struktur der Arbeitersportbewegung 1893 – 1933, Ahrensburg 1973, S. 142) ca. 1.000 KPD-nahestehende Vereine mit ca. 100.000 Mitgliedern ausgeschlossen. 56 Die Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege (Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Sport-Internationale SASI) vereinigte insgesamt ca. 1,3 Mio. Mitglieder in ca. 17.000 Vereinen. Angeschlossen waren u. a. folgende Verbände: der Arbeiter Turn- und 52

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Für die staatliche Sportverwaltung trugen auf Reichsebene vier Ministerien Verantwortung.58 Verbindungsglied zwischen der staatlichen Sportverwaltung und den Sportverbänden war ein vom Reichsinnenminister 1920 einberufener ständiger „Reichsbeirat für körperliche Erziehung“, dem je 5 Vertreter des DRA und der ZK angehörten.59 bb) Die Vorgänge in den Jahren nach 1933 Das Jahr 1933 brachte den Prozeß der Gleichschaltung des Sportverbandswesens, der durch drei Vorgänge gekennzeichnet war: erstens durch die Einsetzung des staatlichen Reichssportkommissars von Tschammer und Osten am 28. 04. 1933, der später am 19. 07. 1933 zum Reichssportführer ernannt wurde60, zweitens durch das Verbot der Arbeitersportbewegung und der konfessionellen Sportvereine und -verbände sowie durch die Diskriminierung jüdischer Sportvereine und -verbände [dazu (1)] und schließlich drittens durch die Umstrukturierung des verbliebenen Sportverbandswesens [dazu (2)]. (1) Das Verbot der Arbeitersportbewegung sowie der konfessionellen Sportvereine und -verbände, die Diskriminierung jüdischer Sportvereine und -verbände Das Verbot der Arbeitersportbewegung läßt sich als ein Akt der Gleichschaltung begreifen, wenn man davon ausgeht, daß nicht beabsichtigt war, die ehemaligen Arbeitersportler auf Dauer von organisierter sportlicher Betätigung fernzuhalten.61 Gestützt auf die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. 02. 1933 – die sog. Reichstagsbrandverordnung62 – wurden die KPD-orientierte Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit mit ihren Untergliederungen sowie die ihr angeschlossenen ca. 3.400 Vereine aufgelöst (Mitte März bis Ende April 1933).63 Die Versuche der SPD-nahestehenden Sportverbände, sich mit der nationalsozialisti-

Sportbund ATUS, der Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität, die Touristenvereinigung Die Naturfreunde, der Arbeiter-Samariter-Bund. 57 Die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit (deutsche Sektion der Roten Sport-Internationale, KOMMINTERN 1921) vereinigte ca. 3.400 Vereine und 270.000 Mitglieder. 58 C. L. Long (Fn. 38), S. 29. 59 E. Lohbeck (Fn. 11), S. 17. 60 C. L. Long (Fn. 38), S. 41 ff.; vgl. hierzu die Biographie v. D. Steinhöfer, Hans von Tschammer und Osten, Reichssportführer im Dritten Reich, Berlin 1973. 61 Rede von Tschammer und Osten in Köln, Die Fußballwoche 1933 v. 12. 06. 1933 (1. c. H. Bernett [Fn. 16], S. 9); vgl. allgemein zur Situation des Arbeitersports im Jahre 1933 H. Bernett, Die Zerschlagung des deutschen Arbeitersports durch die nationalsozialistische Revolution. Sportwissenschaft 1983, S. 349 ff. 62 RGBI. 1933 I, S. 83. 63 E. Lohbeck (Fn. 11), S. 48 m. w. N.; R. Beduhn, Die Roten Radler–Illustrierte Geschichte des Arbeiterradfahrerbundes „Solidarität“, Münster 1982, S. 108.

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schen Staatsführung zu arrangieren, scheiterten und mündeten in Resignation64. Die Zentralkommission – der Dachverband der SPD-nahestehenden Vereine und Verbände – entzog sich der drohenden Auflösung durch die Selbstauflösung. Verwaltung und Vermögen übertrug die Zentralkommission dem mittlerweile ernannten Reichssportkommissar. Die der Zentralkommission angeschlossenen Verbände und Vereine wurden im April/Mai 1933 zerschlagen65. Der Reichssportkommissar ließ das auf 25 – 50 Mio. Mark geschätzte Vermögen der Verbände liquidieren und den Gemeinden bzw. Sportorganisationen übertragen. Das Vermögen der einzelnen Vereine wurde dagegen durch die Regierungspräsidenten (Geheime Staatspolizei) beschlagnahmt und eingezogen66. Die Frage der Integration der früheren Arbeitersportler in die verbliebenen „gleichgeschalteten“ Vereine und damit die Unterwanderungsproblematik wurde zunächst von den Vereinen und Verbänden selbst geregelt, wobei wegen der bedrohten eigenen Existenz große Zurückhaltung geübt wurde67. Bald nahm aber der Staat Einfluß, zunächst auf lokaler, dann auf regionaler Ebene. In Dortmund erfolgte eine Regelung durch Anordnung des örtlichen Sportkommissars, der die „wurzellos gewordenen Mitglieder der Arbeiterschaft … in dem nationalsozialistischen Staat heimatlich verankern“ wollte. Er gab den Arbeitersportvereinen auf, ihm Mitgliederlisten einzureichen, in denen anzugeben war, in welche Vereine und Verbände die Mitglieder aufgenommen zu werden wünschten. Alle Mitglieder, die sich nicht in andere Vereine und Verbände überführen lassen wollten, betrachtete er als staatsfeindlich und drohte ihnen besondere Maßnahmen an.68 Der Sächsische Minister für Arbeit und Wohlfahrt ordnete an, daß die Aufnahme in einen Verein nur mit Genehmigung des betreffenden Verbandes zulässig sei.69 Schließlich wurde die Aufnahmeproblematik reichseinheitlich durch Erlaß des Reichsinnenministers vom 21. 06. 1933 gelöst. Danach wurde eine Sperrfrist bis zum 01. 10. 1933 bestimmt und die Aufnahme von den folgenden Voraussetzungen abhängig gemacht: @ Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, keine Beziehung mehr zu marxistischen Organisationen zu haben, @ Beibringung eines polizeilichen Führungszeugnisses, @ Gestellung zweier Bürgen, die vor dem 01. 01. 1933 einem nationalen Verband (NSDAP, Stahlhelm) angehört haben. 64

H. Timmermann (Fn. 55), S. 177; H. Bernett (Fn. 16), S. 8 f. R. Beduhn (Fn. 63), S. 108. Nach H. Timmermann (Fn. 55), S. 184, wurde der ATUS am 30. 04. 1933 verboten; vgl. zur Lage in Hessen Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 606. 66 E. Lohbeck (Fn. 11), S. 48 m. w. N.; H. Bernett (Fn. 16), S. 8 f.; H. Timmermann (Fn. 55), S. 174 ff.; vgl. zu den Rechtsgrundlagen die Gesetze v. 26. 05. 1933 (RGBI. I, S. 293) und v. 14. 07. 1933 (RGBI. I, S. 479) sowie auch die Bekanntmachung des Thüringischen Ministers des Innern v. 09. 08. 1933 (I. c. DJZ 1935, S. 764). 67 H. Bernett (Fn. 16), S. 8 f. 68 Vgl. Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 465. 69 Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 309. 65

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Zudem durfte die Zahl ehemaliger Marxisten 20 % der Gesamtmitgliederzahl nicht überschreiten. Die korporative Übernahme ehemaliger marxistischer Organisationen wurde grundsätzlich abgelehnt.70 Da die konfessionellen Sportverbände – Deutsche Jugendkraft und Eichenkreuz – sich nicht bereitfanden, an der von von Tschammer und Osten initiierten Neuordnung des Sportverbandswesens – auf die ich gleich eingehen werde – mitzuwirken, wurde ihnen durch Polizeiverordnung jegliche sportliche Tätigkeit untersagt.71 Die Gestapo nahm diese Polizeiverordnung als Grundlage für die Auflösung der konfessionellen Sportverbände und für die Beschlagnahme ihres Vermögens.72 Das Schicksal des jüdischen Sports, auf das ich zumindest kurz eingehen möchte, ist ein Abbild des Schicksals der Juden im Dritten Reich.73 Zwei jüdische Sportverbände standen sich in der Zeit nach 1933 gegenüber. Der zionistische Makkabi und der dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten verbundene – im Mai 1933 gegründete – „Schild“, der junge jüdische Menschen in „deutsch-vaterländischem Geist“ erziehen wollte.74 Diese beiden jüdischen Sportverbände bildeten mit den ihnen angeschlossenen Vereinen ein Auffangbecken für die aufgrund der Einführung des sog. Arier-Paragraphen75 aus anderen Vereinen ausgeschlossenen bzw. zum Austritt gezwungenen Sportler.76 Sie hatten im Jahre 1935 jeweils ca. 20.000 Mitglieder. Die jüdischen Sportvereine und -verbände waren Objekt einer wechselhaften politischen Einflußnahme, wobei der drohende Boykott der Olympischen Spiele 1936 durch die USA eine wesentliche Rolle spielte. Die jüdi70

Vgl. Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 872 u. 1070. Polizeiverordnung gegen die konfessionellen Jugendverbände v. 23. 07. 1935 (pr. GS 1935, S. 105 f.). Ermächtigungsgrundlage hierfür war § 1 VO v. 28. 02. 1933 i. V. m. § 14 PVG. Zuvor war ihnen bereits indirekt in den Richtlinien des Reichssportkommissars über den Neuaufbau der deutschen Leibesübungen die Durchführung von Meisterschaften, Pokal-und Reihenspielen verboten worden. Vgl. Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 410. 72 E. Lohbeck (Fn. 11), S. 48, mit Hinweis auf Auskünfte der Deutschen Jugendkraft und des Eichenkreuzes. 73 H. Bernett, Der jüdische Sport im nationalsozialistischen Deutschland 1933 – 1938, Köln 1978, S. 119. 74 Vgl. das Schreiben des RjF-Bundesvorsitzenden v. 11. 05. 1933 an den Reichssportkommissar, abgedr. bei H. Bernett (Fn. 73), S. 92. 75 In seiner Osterbotschaft v. 18. 04. 1933 wies der Vorsitzende der DT, E. Neuendorff, darauf hin, daß der Arier-Paragraph der Satzung der DT die Vereine verpflichte, umgehend alle jüdischen Mitglieder aus ihren Reihen auszuscheiden. Der Begriff des Juden werde dabei nicht durch den Glauben, sondern durch das Blut bestimmt. Jude sei, wer von jüdischen Eltern stamme. Dazu genüge, daß ein Teil der Großeltern jüdischen Blutes sei. Jüdische Turner, die am Weltkriege als Frontkämpfer teilgenommen hätten oder deren Söhne oder Väter im Weltkriege gefallen seien, könnten in allen Ehren in der Turnerschaft bleiben. Vgl. Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 290. 76 H. Bernett (Fn. 73), S. 29 f., schildert diesen Vorgang exemplarisch an der Berliner Turnerschaft und dem persönlichen Schicksal des dreifachen Olympiasiegers A. Flatow, der jahrzehntelang in diesen Verein integriert war, ihn dann verlassen mußte und später in Theresienstadt ums Leben kam. 71

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schen Sportvereine wurden hinsichtlich der Sportstättenbenutzung diskriminiert77 und mußten Sportveranstaltungen 48 Stunden vor deren Beginn bei den örtlichen Polizeibehörden anmelden.78 Es fällt auf, daß von staatlicher Seite zunächst den neutralen – d. h. nicht-zionistischen – jüdischen Sportvereinen ein Vorteil eingeräumt wurde, dann aber – um die Auswanderungsbewegung zu unterstützen – die Vorstandsämter neutraler jüdischer Sportvereine durch die Gestapo mit Zionisten besetzt wurden.79 Die Auswanderungsbewegung führte zu entsprechendem Mitgliederschwund. Mit der sog. „Reichskristallnacht“ endete 1938 der jüdische Sport. (2) Die Gleichschaltung der nicht parteipolitisch oder konfessionell gebundenen Sportverbände und -vereine Eine vollkommene Umgestaltung des Sportverbandswesens, die zunächst die Auflösung aller Verbände erfordert hätte, wurde mit Rücksicht auf die angelaufenen Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 1936 nicht vorgenommen.80 Der Vorstand des DRA – des Dachverbandes der bürgerlich-national eingestellten Vereine und Verbände – zeigte dem Reichssportführer am 03. 05. 1933 seine Auflösung an81. Die größten Mitgliedsverbände – DT, DFB und DSBA – forderten die Auflösung des DRA, wohl in der Hoffnung, im zukünftigen NS-Sport eine tragende Rolle spielen zu können. Sie entwickelten Aktivitäten zur ideologischen und organisatorischen Anpassung. E. Neuendorff – der Vorsitzende der DT – bot an, die Turner neben SA und Stahlhelm als dritten Kampfverband in die nationale Front einzureihen.82 Der DFB bestimmte, daß seine 18 – 24jährigen „Jungmannen“ auch im Geländesport und im Kleinkaliberschießen ausgebildet wurden.83 Der Vorsitzende des Deutschen Ruderverbandes bekannte sich zu „echt germanischer Gefolgschaftstreue“.84 Ob diese Aktivitäten als Anbiederung, Flucht nach vorne oder als Opportunistenwettrennen zu werten sind,85 mag hier offenbleiben. Die Umstrukturierung des Sportverbandswesens wurde am 24. 05. 1933 eingeleitet, als der Reichssportkommissar im Einvernehmen mit dem Reichsinnenmini77

H. Bernett (Fn. 73), S. 90 u. 98 f. H. Bernett (Fn. 73), S. 95. 79 H. Bernett (Fn. 73), S. 98 f. 80 H. v. Tschammer und Osten, Der Deutsche Sport im Reiche Adolf Hitlers, in: H. Pfundtner (Hrsg.), Dr. Wilhelm Frick und sein Ministerium, München 1937, S. 109 (112 f.). 81 Vgl. zur Diskussion über die Freiwilligkeit und Legalität der Auflösung des DRA E. Lohbeck (Fn. 11), S. 49 sowie H. Bernett, Sportpolitik im Dritten Reich – Aus den Akten der Reichskanzlei, Schorndorf 1971, S. 25 ff. jeweils m. w. N. 82 Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 289, 329 u. 430. 83 L. c. H. Bernett (Fn. 16), S. 11 f. 84 L. c. H. Bernett (Fn. 16), S. 13. 85 H. Bernett (Fn. 16), S. 10 u. 13. C. Diem veranlaßten diese Verhaltensweisen später am 09. 02. 1955 in einem Schreiben an E. Harte zu dem Ausspruch „charakterlos wie ein Sportführer“ (l. c. H. Bernett [Fn. 16], S. 13). 78

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ster Leitsätze zur Neuordnung der Deutschen Leibesübungen bekanntgab.86 Die Leitsätze sahen als Interimslösung u. a. vor: @ eine Verminderung der „bisherigen Riesenzahl von Verbänden“ durch Errichtung von 15 Verbänden in den Hauptsportarten; @ die einheitliche räumliche Untergliederung dieser Fachverbände in Gaue, Bezirke und Kreise; @ das Alleindurchführungsrecht der anerkannten Spitzenverbände hinsichtlich Meisterschaften, Reihen- und Pokalspielen; @ die Ernennung der Fachverbandsführer durch den Reichssportkommissar; @ die Bildung des Reichsführerringes; @ die Ernennung von Beauftragten des Reichssportkommissars zur Durchführung der staatlichen Aufsicht; @ die Einführung des Führerprinzips. Die praktische Umsetzung dieser Leitsätze verlief reibungslos, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie dem Eigeninteresse der wichtigsten Verbandsvertreter entsprach. Es bedurfte nicht des vom Reichssportkommissar angedrohten Reichsgesetzes für Leibesübungen.87 Im Radsport wurden beispielsweise die ca. 30 Verbände, die 1932 bestanden hatten, durch einen Verband mit Fachgebietsmonopol88 ersetzt. Kehrseite war aus Sicht der Radsportler und Radsportvereine ein entsprechender Organisationszwang.89 Die Neuordnung des Sportverbandswesens wurde fortgeführt durch die Gründung des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen (DRL) im Jahre 1934,90 dessen Satzung allerdings erst am 01. 01. 1936 in Kraft trat.91 Die Organisationsstruktur des DRL stellte wiederum eine nur bedingt nachvollziehbare Verlegenheitslösung der Einigungsbestrebungen dar. Der DRL setzte sich aus zwei Mitgliedergruppen zusammen: In der Gruppe A waren alle Vereine unmittelbare DRL-Mitglieder, die eine der Hauptsportarten – wie Geräteturnen, Fußball oder Leichtathletik – betrie-

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Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 410 f.; vgl. zur Vorgeschichte L. Pfeiffer, Zur Vorgeschichte der Richtlinien für den Neuaufbau des Deutschen Sports vom 24. 05. 1933, Stadion 1975, S. 377 ff. 87 Vgl. Deutsche Turn-Zeitung 1933, S. 411. 88 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Deutschen Radfahrer Verbandes v. 22. 01. 1934. 89 Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 u. 2 der Satzung des Deutschen Radfahrer Verbandes v. 22. 01. 1934. 90 H. Bernett (Fn. 16), S. 15, nennt den 09. 03. 1934, C. L. Long (Fn. 38), S. 61, den 27. 07. 1934 als Gründungsdatum. 91 Die Satzung v. 09. 01. 1935 ist bei S. Nürck (Fn. 15), S. 128 f. sowie C. L. Long (Fn. 38), S. 61 f., wiedergegeben.

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ben und einem der 14 Fachämter des DRL unterstellt waren.92 Zu der Gruppe B der DRL-Mitglieder gehörten die vom DRL anerkannten 10 Fachsportverbände, die die restlichen Sportarten – Kegeln, Golf, Tischtennis usw. – vertraten.93 Die diesen Fachsportverbänden angeschlossenen Vereine waren mittelbare Mitglieder des DRL. Der staatliche Einfluß auf die Sportfachverbände wurde dadurch sichergestellt, daß deren Satzungen der Genehmigung des Führers des DRL bedurften.94 Der staatliche Einfluß auf die Vereine wurde dadurch gewährleistet, daß staatliche Fördermaßnahmen von der Anerkennung durch den Reichssportführer abhängig gemacht wurden.95 Mit der Einrichtung von 14 Fachämtern wurden die Verbände, die zuvor die Hauptsportarten repräsentierten, quasi funktionslos, so daß der Weg der Selbstauflösung für die bisherigen Großverbände vorgezeichnet war.96 Der Abschluß der Entwicklung wurde durch einen Führererlaß vom 21. 12. 193897 eingeleitet. Der DRL erhielt den Namen Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) und wurde zu einer von der NSDAP „betreuten“ Organisation, die aus dem Bereich der privaten Verbände herausgehoben war.98 Dies führte zu einer Änderung der räumlichen Untergliederung, die derjenigen der NSDAP angepaßt wurde.99 Mitglieder des NSRL waren alle „Deutschen Gemeinschaften, die zur Pflege der Leibesübungen oder zur Durchführung sportlicher Wettkämpfe gebildet werden“, deren Mitglieder sowie Zusammenschlüsse von Vereinen (Verbände).100 Auf weitere Einzelheiten der Organisation des Sportverbandswesens im Dritten Reich will ich nicht eingehen. Wir haben das Phänomen einer unter dem Strich wohl durchaus effektiven Arbeit, obwohl die Organisationsstruktur und insbesondere die zahlreichen Anbindungen der eigentlich zentralen Person des Reichssportführers an Partei und Staatsorganisationen Querelen und Reibungsverluste mit sich brachten.101

92 Die Fachämter waren nach C. L. Long (Fn. 38), S. 63, nichtrechtsfähige Verwaltungsstellen des DRL. 93 S. Nürck (Fn. 15), S. 132, bezeichnet sie treffend als „getarnte Fachämter“ für die betreffenden Sportzweige. 94 § 7 lit. b) DRL-Satzung v. 09. 01. 1935. 95 Bekanntmachung des Reichssportführers vom 01. 06. 1935, RMinBl. 1935, S. 546 f.; vgl. auch E. Lohbeck (Fn. 11), S. 51, Fn. 5. 96 Vgl. H. Bernett (Fn. 16), S. 18 f., sowie E. Lohbeck (Fn. 11), S. 52, jeweils m. w. N. 97 RGBI. 1938 I, S. 1959; die Ausführungsbestimmungen finden sich in RGB1. 1939 I, S. 958. 98 E. Lohbeck (Fn. 11), S. 52 m. w. N. 99 Erlaß des Reichsorganisationsleiters der NSDAP R. Ley v. 03. 06. 1939 (I. c. H. Bernett [Fn. 16], S. 25 f.). 100 § 3 Abs. 1 NSRL-Satzung v. 24. 11. 1939, abgedr. in RMinBl. 1940, S. 18 f. 101 Vgl. hierzu insbes. H. Bernett (Fn. 16), S. 33 ff., 53 ff. u. 93 ff. m. z. N.

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b) Rechtliche Aspekte der Gleichschaltung Betrachtet man den sporthistorischen Prozeß der sog. Gleichschaltung aus rechtlicher Sicht, so erscheinen drei Faktoren maßgebend gewesen zu sein: erstens das vom Staat in Anspruch genommene Organisations- und Verwaltungsmonopol, zweitens die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts und schließlich drittens das sog. Führerprinzip. aa) Das staatliche Organisations- und Verwaltungsmonopol Der staatliche Anspruch, mit dem DRL bzw. NSRL die „umfassende Leibeserziehungsgemeinschaft des deutschen Volkes“102 geschaffen zu haben, wurde im Grunde von privater Seite nicht bestritten. Darüber hinaus verfolgte die Reichssportführung konsequent das Ziel einer einheitlichen Ausrichtung des europäischen Sports unter deutscher Führung.103 Im nationalen Bereich gab es allerdings Kompetenzstreitigkeiten mit einigen Staats- und Parteiorganisationen und -stellen (SS, SA, HJ, KdF). Diese Konflikte wurden auf vertraglicher Ebene bereinigt.104 Das vom Staat in Anspruch genommene Organisations- und Verwaltungsmonopol erstreckte sich im übrigen nicht allein auf den Amateursport, es bestand ebenso für den Berufssport. Das Reichssportamt – und damit der Reichssportführer – bestimmte, welche Sportarten überhaupt berufsmäßig ausgeübt werden durften105 und erkannte für jede Sportart einen Fachverband an,106 der seiner Aufsicht und seinen Weisungen unterlag.107 Alle im Berufssport tätigen Personen waren Zwangsmitglieder dieser Verbände.108 Eine Konsequenz des in Anspruch genommenen staatlichen Organisations- und Verwaltungsmonopols war die Auflösung von Sportvereinen und -verbänden, die nicht in das staatliche Konzept einer organismushaften einheitlichen Leibeserziehungsgemeinschaft paßten. Die Auflösung der Arbeitersportvereine und -verbände sowie der konfessionellen Sportvereine und -verbände war nicht Gegenstand juri102

§ 1 Durchführungsbestimmungen des Reichssportführers zum Erlaß des Führers und Reichskanzlers über den NSRL v. 15. 05. 1939 (RGBI. 1939 I, S. 958). 103 H. J. Teichler, Die internationalen Sportbeziehungen des Deutschen Reiches von 1933 – 1939 im Spannungsfeld von Frieden und Krieg, in: S. Güldenpfennig/H. Meyer (Hrsg.), Sportler für den Frieden, Köln 1983, S. 153 (179) m. w. N. 104 Vgl. C. L. Long (Fn. 38), S. 78 ff.; H. Bernett (Fn. 16), S. 53. Vgl. zu den Erlassen zur Unterstützung des Reichssportführers H. Bernett (Fn. 16), S. 14. 105 § 1 Anordnung des Reichssportführers über die Organisation des deutschen Berufssports v. 31. 01. 1938 (RMinBl. 1938, S. 29). 106 § 2, S. 2 und § 3 der Anordnung v. 31. 01. 1938 (Fn. 105); vgl. die Bekanntmachung über die Anerkennung des Berufsverbandes Deutscher Faustkämpfer v. 31. 01. 1938 (RMinBl. 1938, S. 29) sowie die Bekanntmachung über die Anerkennung des Berufsverbandes Deutscher Eiskunstläufer (RMinBl. 1941, S. 271). 107 Vgl. die in Fn. 106 angeführten Bekanntmachungen. 108 § 2 Satz 1 der Anordnung des Reichssportführers v. 31. 01. 1938 (Fn. 105).

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stischer Untersuchungen oder Anlaß für Gerichtsentscheidungen109. Für die Betroffenen dürften sich andere Probleme – SA-Aktivitäten usw. – gestellt haben, so daß sie sich nicht auf von vornherein wenig aussichtsreiche Rechtsstreitigkeiten einließen. Rechtsprechung und Schrifttum beschäftigten sich aber in anderem Zusammenhang mit der Auflösung von Vereinen. Allgemein bestand insofern Einigkeit, daß die Präambel der den Auflösungsverfügungen zugrundeliegenden Verordnung vom 28. 02. 1933 (ReichstagsbrandVO), die auf die „Abwehr kommunistischer Gewaltakte“ abstellte, nur Motiv, nicht aber Voraussetzung sei und deshalb in einem weiten Sinne verstanden werden müssen.110 Die Verordnung vom 28. 02. 1933 ermöglichte demgemäß die Auflösung aller Verbände, die „irgendwie der kommunistischen Bewegung überhaupt Auftrieb zu geben geeignet schienen“.111 Streit bestand allerdings hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung der Auflösungsverfügungen.112 Diese wurde z. T. mit der Begründung abgelehnt, bei den Vereinsauflösungen handele es sich um staatspolitische Verwaltungsakte, die – wegen der als Einheit gedachten Staatsgewalt113 – gerichtlich nicht überprüft werden dürften. Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz stünden nicht gegeneinander, sondern seien nur verschiedene Tätigkeiten desselben Organismus. Für die schrankenlose Rechtsstaatsauffassung des liberalen Staates gebe es keinen Raum mehr. Ein staatspolitischer Verwaltungsakt finde seine Begründung und Rechtfertigung in den Lebensnotwendigkeiten des Staates. Die Entscheidung, ob es sich um einen solchen staatspolitischen Verwaltungsakt handele, liege bei der Behörde.114 Diese Zurückhaltung der Justiz erklärt sich aus der ihr zugewiesenen Funktion. Maunz115 führte im Anschluß an Reichsinnenminister Frick116 aus, die Verwaltungsgerichtsbarkeit diene „dem Schutz der nationalsozialistischen Volksordnung“ 109

In den 50er Jahren gab es allerdings vermögensrechtliche Folgestreitigkeiten zwischen Vereinen, die behaupteten, mit dem im Grundbuch eingetragenen Verein identisch zu sein. Vgl. BGHZ 16, S. 143 ff. 110 U. Scheuner, Die Neugestaltung des Vereins- und Verbandsrechts, DJZ 1935, S. 666, mit Verweis auf E. R. Huber; Cremer, Wann kann die Verwaltungsbehörde gegen die Eintragung von Vereinen Einspruch erheben?, JW 1933, S. 2257; Roche, Die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat und gegen Verrat am deutschen Volke, DJZ 1933, S. 394 (395); H. Clar, Das Schicksal eines rechtsfähigen Vereines nach der Auflösung und dem Verlust der Rechtsfähigkeit, Diss. Würzburg 1934, S. 15 f.; RG v. 01. 12. 1933, RVerwB1. 1933, S. 900; pr. OVG, OVGE 94 (1935), S. 134 (138 f.); VG Harnburg JW 1936, S. 543, mit Verweis auf einen Erlaß des Preußischen Justizministers v. 03. 03. 1933. 111 U. Scheuner, DJZ 1935, S. 666. 112 Bejahend insbes. pr. OVG, OVGE 94 (1935), S. 134 (136 f.), unter Berufung auf den Erlaß des Preußischen Justizministers v. 03. 03. 1933. Ablehnend VG Hamburg JW 1936, S. 543 (544) m. z. N. zum Streitstand. 113 Vgl. zur Ablehnung der liberalen Gewaltenteilung Th. Maunz, Verwaltung, Hamburg 1937, S. 11 ff. 114 VG Hamburg JW 1936, S. 543 (544). 115 Th. Maunz (Fn. 113) S. 205. 116 W. Frick, Probleme des neuen Verwaltungsrechts, Deutsche Verwaltung 1936, S. 329 (332).

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und nicht dem Schutz subjektiver öffentlicher Rechte des Individuums oder der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung zum Schutz einer staatsfreien Sphäre des Volksgenossen. bb) Die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts Zweiter rechtlicher Aspekt der Gleichschaltung des Sportverbandswesens war die rechtlich verbindliche Durchnormierung des gesellschaftlichen Bereiches Sport durch Schaffung eines im wesentlichen einheitlichen Satzungs- und Ordnungsrechts. Insbesondere erließ der Reichssportführer eine Einheitssatzung für alle dem DRL bzw. NSRL angeschlossenen Vereine, die diesen nur unerhebliche Variationsmöglichkeiten beließen.117 Die NSRL-Satzung war für alle Sporttreibenden verbindlich.118 Die verlockenden Erinnerungen an die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts sowie die Schaffung machtvoller Monopolstrukturen im organisierten Sport während der Zeit des Dritten Reiches dürften beim Aufbau des Sportverbandswesens nach 1945 Pate gestanden haben.119 cc) Das Führerprinzip Drittens schließlich ist der Prozeß der Gleichschaltung nicht ohne die personelle Einflußkomponente verstehbar, die mit dem sog. Führerprinzip eingeführt wurde. Die durchgängige Ersetzung des in den vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB als Regel vorgesehenen Mehrheitsprinzips – gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB wird zudem die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung vermutet – durch den Führergrundsatz und die Besetzung der Führerposten mit nationalsozialistischen Persönlichkeiten120 war vielleicht das wesentlichste Mittel der Gleichschaltung der Vereine und Verbände. Hitler bezeichnete das Führerprinzip zumeist als „Persönlichkeitsprinzip“ und umschrieb es mit dem Satz „Autorität nach unten und Verantwortlichkeit nach 117 Einheitssatzung für die dem DRL angeschlossenen Vereine (RMinBl. 1935, S. 100 ff.); Einheitssatzung für die dem NSRL angeschlossenen Gemeinschaften (RMinBl. 1940, S. 20 ff.). Die Verwendung von Mustersatzungen fand sich in dieser Zeit häufig. Nach KG Beschl. v. 01. 07. 1957, WM 1957, S. 1011 f., sind Sportvereine, die die NSRL-Satzung angenommen hatten, weder durch Kontrollratsgesetz Nr. 2 noch durch Kontrollratsdirektive Nr. 23 aufgelöst worden. 118 Gemäß § 3 der Einheitssatzung (Fn. 117) waren die einzelnen Sportler unmittelbare Mitglieder des NSRL. 119 Vgl. E. Lohbeck (Fn. 11), S. 68, sowie K. Vieweg, JuS 1983, S. 826, Fn. 5. 120 O. Stritzke, Vom Werden des neuen Vereinsrechts, JW 1933, S. 2094 (2095); A. Rupf, Der Einfluß des Führerprinzips auf das Verhältnis von Verein und Ortsgruppe, Diss. Tübingen 1935, S. 5, und V. Rolleri, Der Führergrundsatz im Vereinsrecht, Diss. Heidelberg 1936, S. 25, fordern in diesem Zusammenhang die Durchsetzung des Arier-Paragraphen in der Führung.

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oben“121. Kennzeichnend war damit zum einen, daß Entscheidungsfindung und -durchsetzung in der Hand des betreffenden Führers zentriert waren. Für die Entscheidungsfindung stand ihm dabei u. U. ein von ihm selbst ausgewähltes – als Führerrat, Beirat o. ä. bezeichnetes – Gremium zur Seite, das allerdings nur beratende Funktion hatte.122 Die zur Durchsetzung der Entscheidung erforderliche Macht leitete sich aus der Autorität123 des Führers ab, die wiederum im Vertrauen der Machtunterworfenen – der Gefolgschaft – begründet war.124 Zwischen Führer und Gefolgschaft wurde – unter Bezugnahme auf deutschrechtliche Ursprünge125 – ein besonderes Treueverhältnis angenommen.126 Zum andern war für das Führerprinzip kennzeichnend, daß den Führer einer Gemeinschaft die alleinige Verantwortung gegenüber der ihm übergeordneten – ihn überwachenden – Instanz traf.127 Die Überprüfung erstreckte sich nicht nur auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit der Tätigkeit des betreffenden Führers.128 Nach Ule war das Führerprinzip ein „hervorragender Bestandteil der nationalsozialistischen Staatsauffassung“129, ein „organisatorisches Mittel zur Verwirklichung echten Führertums“130. Carl Schmitt sah es als unzulässig an, „ein bestimmtes wichtiges Gebiet des öffentlichen Lebens von der Herrschaft des Führer121 A. Hitler (Fn. 17), S. 501. Zum Gegenbegriff des liberalistisch-parlamentarischen Mehrheitsprinzips führt er ebda. S. 89 aus: „Die Majorität ist nicht nur eine Vertreterin der Dummheit, sondern auch der Feigheit. Und so wenig 100 Hohlköpfe einen Weisen ergeben, so wenig kommt aus 100 Feiglingen ein heldenhafter Entschluß. – Die Majorität kann den Mann niemals ersetzen.“ 122 Vgl. hierzu im einzelnen C. Schmitt, Staat, Volk, Bewegung, Hamburg 1933, S. 35; H. Krüger, Der Aufbau der Führerverfassung, Deutsches Recht 1935, S. 210 (211); C.-H. Ule, Führerräte in der deutschen Verwaltung, VerwArch 40 (1935), S. 279 ff. 123 Das Führerprinzip wird auch als „Grundsatz autoritärer Körperschaftsführung“ bezeichnet. Vgl. z. B. W. Paul, Das Führerprinzip im privaten Vereinsrecht, JW 1934, S. 8; LG Essen JW 1934, S. 2800. 124 W. Paul, JW 1934, S. 8 ff.; A. Rupf (Fn. 120), S. 9; H. Rogner, Die Verwirklichung des Führerprinzips unter den vereinsrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. Halle 1935, S. 3. C.-H. Ule, Herrschaft und Führung im nationalsozialistischen Reich, VerwArch 46 (1941), S. 1 (23), spricht anschaulich vom Führer-Gefolgschaftsprinzip. 125 Vgl. insbes. E. Nitsche, Das Führerprinzip als Problem des privaten Vereinsrechts, Diss. Göttingen 1934, S. 10 ff. 126 O. Stritzke, JW 1933, S. 2095; E. Nitsche (Fn. 125), S. 31; H. B. Brausse, Die Führungsordnung des deutschen Volkes, Hamburg 1940, S. 85, bezeichnet das Führer-Gefolgschaftsverhältnis als „Treubund“. 127 Nach C. Schmitt (Fn. 122), S. 24, war es für das Verbandswesen vor 1933 kennzeichnend, daß es unter Ablehnung jeder Verantwortung den Staat beherrschte und sich hierbei oft einer so anonymen Rechtsform wie der des nichtrechtsfähigen Vereins bediente. Nach C.-H. Ule, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1935, S. 634, wich das „Prinzip anonymer Verantwortungslosigkeit“ dem Grundsatz persönlicher Verantwortlichkeit. 128 W. Paul, JW 1934, S. 9. 129 C.-H. Ule (Fn. 127), S. 632. 130 C.-H. Ule (Fn. 124), S. 48; vgl. zur Abgrenzung von Führerprinzip und Führertum C.-H. Ule (Fn. 122), S. 282 m. w. N.

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gedankens auszunehmen“131. Die Einstufung des Führerprinzips als ein für den Aufbau der Gemeinschaftsformen maßgebendes Organisationsprinzip132 zeigte sich nicht zuletzt daran, daß es in einer Reihe von Gesetzen seinen Niederschlag fand, die den Bereich der Staats- und Selbstverwaltung regelten.133 So verwundert es nicht, daß in den Jahren 1933 bis ca. 1936 eine Vielzahl von Autoren sich mit der Einführung des Führerprinzips in bestimmte Gesetzesmaterien beschäftigte134 bzw. die Vereinbarkeit „alten“ Gesetzesrechts mit dem Führerprinzip untersuchte. Manche Ergebnisse befremden aus heutiger Sicht. So forderte beispielsweise Bartholomeyczik, es müsse endlich die Umgestaltung der Aktiengesellschaft in eine Kerngesellschaft verantwortlicher Großaktionäre erfolgen. Der Kleinaktionär müsse auf sein Stimmrecht verzichten. Zum Ausgleich treffe den Großaktionär die Haftung gegenüber dem Kleinaktionär135. Bevor ich gleich auf die vereinsrechtliche Diskussion eingehe, möchte ich für den Sportbereich die praktische Umsetzung des Führerprinzips in die vom Reichssportführer erlassene Satzung des NSRL sowie in die Einheitssatzung für die dem NSRL angeschlossenen Vereine darstellen. Das Führerprinzip wurde hier noch konsequenter umgesetzt, als es in der Satzung des DRL und in der Einheitssatzung seiner Vereine136 der Fall war. Führer des NSRL und dessen Vorstand i. S. d. BGB war der Reichssportführer.137 Alle gesetzlich der Mitgliederversammlung zustehenden Befugnisse gingen – soweit zulässig und in der Satzung nicht anders bestimmt – auf ihn über.138 Die Mitgliederversammlung wurde durch den Führerrat ersetzt, dessen Mitglieder vom NSRL-Führer ernannt wurden und dem die Aufgabe zukam, diesen in allen grundsätzlichen Fragen zu beraten.139 Der NSRL-Führer bestellte seine Mitarbeiter in der Reichsführung sowie in den örtlichen Gliederungen, deren Abgrenzung er ebenfalls selbst bestimmt.140 Der NSRL-Führer genehmigte die Bestellung und

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C. Schmitt (Fn. 122), S. 33. V. Rolleri (Fn. 120), S. 17; vgl. auch A. Hitler (Fn. 17), S. 501 u. 503. 133 H. Rogner (Fn. 124), S. 2; vgl. auch die Auflistung der einschlägigen Gesetze bei C.-H. Ule (Fn. 122), S. 286, Fn. 17. 134 Vgl. statt Vieler Th. Maunz, Der Führergedanke in der Verwaltung, Deutsches Recht 1935, S. 219 ff.; H. Thieme, Führerprinzip in der Arbeitsverfassung, Deutsches Recht 1935, S. 214 ff.; vgl. auch die Literaturübersicht von G. Neese, Führer, Führerordnung, Führertum im deutschen Verfassungsrecht, VerwArch 46 (1941), S. 196 ff. 135 H. Bartholomeyczik, Gemeinschaftsgedanke und Führerprinzip im Recht der privaten Körperschaften, Nationale Wirtschaft 1934, S. 4 (6). 136 Hiermit setzt sich H. Rogner (Fn. 124), S. 42 ff., auseinander. 137 § 5 (1) Satzung NSRL v. 24. 11. 1939 (RMinBI. 1940, S. 18 ff.). 138 § 8 (1) NSRL-Satzung. 139 § 8 (3) u. (4) NSRL-Satzung. 140 § 6 NSRL-Satzung. 132

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Abberufung der einzelnen Vereinsführer.141 Durch diese Auswahl- und Genehmigungsentscheidungen wurde der Einfluß des Reichssportführers in personeller Hinsicht bis auf die unterste Ebene der Vereine sichergestellt. Weiterhin entschied der Reichssportführer über Satzungsänderungen142 und erließ die speziellen Ordnungen wie z. B. die Rechts- und Strafordnung143. Der NSRL-Führer entschied über die Aufnahme von Mitgliedern. Diese unterstanden seiner Disziplinar- und Strafgewalt.144 Der NSRL-Führer bestimmte die Beitragshöhe der Mitglieder.145 Seiner Zustimmung bedurfte es zur Verfügung über Grundbesitz des Vereins.146 Der NSRL-Führer konnte Vereine – nach Anhörung des Vereinsführers – auflösen.147 Die Rechtsstellung der Gefolgschaft – sprich der Mitglieder – war komplementär zu diesen Führungsansprüchen ausgestaltet.148 In die einheitlichen Satzungen der einzelnen Sportvereine wurde das Führerprinzip in einer vergleichsweise milderen Form umgesetzt. Zwar lagen Geschäftsführung und Vertretung des Vereins allein in der Hand des Vereinsführers, der auch Vorstand im Sinne des BGB war.149 Er entschied über die Aufnahme von Mitgliedern150, über Satzungsänderungen151 und die Beitragshöhe152. Zudem ernannte er seine Mitarbeiter und seinen Stellvertreter.153 Den Mitgliedern, die den Anordnungen des Vereinsführers Folge zu leisten hatten,154 waren aber einige Restbefugnisse eingeräumt. Die Mitgliederversammlung konnte den Vereinsführer vorschlagen, der vom örtlich zuständigen Kreisführer des NSRL im Einvernehmen mit dem Kreisleiter der NSDAP bestellt und abberufen wurde.155 Die Mitgliederversammlung war auch zuständig, dem Vereinsführer Entlastung zu erteilen, den Haushaltsvorschlag zu genehmigen und mit Dreiviertelmehrheit die Auflösung des Vereins zu beschließen.156 141 § 9 (3) der Einheitssatzung für die dem NSRL angeschlossenen Gemeinschaften (RMinBI. 1940, S. 20 ff.). 142 Art. VI Führererlaß v. 21. 12. 1938 (RGBI. 1938 I, S. 1959). 143 § 7 NSRL-Satzung. 144 § 3 (3) NSRL-Satzung; § 8 (2) Einheitssatzung. 145 § 4 (1) NSRL-Satzung. 146 § 9 (4) Einheitssatzung. 147 § 17 (2) Einheitssatzung. 148 Vgl. insbes. § 8 (2) Einheitssatzung; im Ergebnis ebenso E. Lohbeck (Fn. 11), S. 55, bezüglich des DRL. 149 § 9 (1) Einheitssatzung. 150 § 5 Einheitssatzung. 151 § 16, S. 2, Einheitssatzung. § 16, S. 1, Einheitssatzung erforderte dabei die Zustimmung des NSRL-Führers. 152 § 8 (1) Einheitssatzung. 153 §§ 10 u. 9 (2) Einheitssatzung. 154 § 8 (2), S. 1, Einheitssatzung. 155 § 9 (3) Einheitssatzung. 156 § 14 (1) u. § 17 (1) Einheitssatzung.

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Welche juristischen Probleme warf nun die Einführung des Führerprinzips im Vereinsrecht auf? – Zunächst ein begriffliches: Es wurde heftigst diskutiert, ob die restlose Durchsetzung des Führerprinzips – also auch in Vereinen, die für den autoritären Staat völlig unbedeutend waren – nicht eine Banalisierung und Verhöhnung des Führergedankens sowie ein Mißbrauch und eine Herabwürdigung des Begriffs „Führer“ sei.157 Die Diskussion wurde durch Runderlaß des Reichsinnenministers158 beendet, demzufolge „keine Bedenken bestehen, die Bezeichnung Führer in Verbindung wie z. B. Vereinsführer zu benützen“. Ernstere Probleme ergaben sich aus den vereinsrechtlichen Regelungen des BGB, die als Regelfall das Mehrheitsprinzip vorsehen und zudem in § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung und nicht des Vorstands enthalten. Das durch § 40 BGB gewährleistete freie Satzungsrecht der Vereine eröffnete jedoch die Möglichkeit, die Vereinsverfassung weitestgehend auf das Führerprinzip umzustellen. Einigkeit bestand deshalb, daß die Einführung des Führerprinzips zulässig sei.159 Die erforderliche Satzungsänderung betreffe nicht den Zweck160,,sondern nur die Organisation des Vereines, so daß gemäß § 33 Abs. 1 BGB eine Dreiviertelmehrheit in der Mitgliederversammlung genüge.161 In der Praxis verlief die Umstellung auf das Führerprinzip schnell und reibungslos.162 Vor allem drei Ursachen dürften hierfür maßgebend gewesen sein: zum einen die psychologische Komponente, die sich in einer allgemeinen Tendenz zur Anpassung an die Anforderungen der Zeit und auch in einem verbreiteten Selbstverständnis der designierten Vereinsführer von ihrer Stellung im Verein ausdrückte; zum andern wurden die Gerichtsgebühren niedergeschlagen, die für Eintragungen in das Vereinsregister anläßlich der Gleichschaltung eigentlich anfielen,163 zum dritten schließlich verlangten die Registergerichte – im Einklang mit der herrschenden Meinung in der Literatur – nicht, daß das Führerprinzip nach Art und

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O. Stritzke, JW 1933, S. 2094; W. Paul, JW 1934, S. 9; U. Scheuner, DJZ 1935, S. 665; A. Rupf (Fn. 120), S. 7; G. Hasenstein (Fn. 13), S. 44. 158 Erlaß v. 07. 03. 1934 (I a 2100/5.3.) an die Landesregierungen (I a 2100/A. 16.5.). 159 Staudinger-Riezler, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch I. Bd., 10. Aufl. München-Berlin-Leipzig 1936, § 32, Rdnr. 5; A. Rupf (Fn. 120), S. 14; H. Rogner (Fn. 124), S. 9 ff.; RG JW 1934, S. 3001; KG JW 1934, S. 3000; LG Essen JW 1934, S. 2800. 160 So aber Zschucke, Zur Neugestaltung des deutschen Vereinsrechts, DJZ 1933, S. 1597, der deshalb einen einstimmigen Änderungsbeschluß forderte. 161 W. Paul, JW 1934, S. 8 ff.; A. Rupf (Fn. 120), S. 12 ff. 162 A. Rupf (Fn. 120), S. 87 f.; V. Rolleri (Fn. 120), S. 7. 163 V. Rolleri (Fn. 120), S. 7, mit Hinweis auf die betreffenden Erlasse. Bezüglich der Sportvereine wurde durch AV v. 19. 12. 1933 (Deutsche Justiz 1933, S. 836) bestimmt, daß von der Befugnis zur Niederschlagung der Gerichtsgebühren nur Gebrauch zu machen ist, wenn der zuständige Beauftragte des Reichssportführers Satzung und Vorstand des Vereins geprüft und darüber eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt hat.

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Umfang in ganz bestimmter Weise in der Satzung zum Ausdruck kommen mußte, sondern akzeptierten durchaus unterschiedliche Lösungen.164 In der vereinsrechtlichen Diskussion war nicht unstreitig, wie weit die im BGB aufgeführten Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung zurückgedrängt werden konnten, ohne zu den Regelungen des BGB in Widerspruch zu geraten bzw. zurückgedrängt werden mußten, um dem Führerprinzip zu entsprechen. Nach der herrschenden Meinung ergab sich folgendes: Die Ernennung des Vereinsführers konnte gemäß §§ 40 und 27 Abs. 1 BGB – bei entsprechender Satzungsbestimmung – durch einen Dritten, beispielsweise den Führer des übergeordneten Verbandes vorgenommen werden.165 Ein Vorschlagsrecht der Mitgliederversammlung oder die Wahl des Vereinsführers durch die Mitgliederversammlung wurde nicht als Widerspruch zum Führerprinzip angesehen. Wahl durch die Gefolgschaft sei durchaus ein germanisches Rechtsprinzip gewesen.166 Soweit anfänglich wegen Rücktritts des Vorstands Probleme bestanden, das Führerprinzip einzuführen, gab eine „weitherzige“ Anwendung des § 29 BGB die Möglichkeit, daß auf Antrag eines Beteiligten – beispielsweise eines nationalsozialistisch eingestellten Vereinsmitglieds – ein kommissarischer Vorstand durch das Amtsgericht bestellt wurde.167 Weigerten sich die noch im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder, eine Mitgliederversammlung zum Zwecke der Einführung des Führerprinzips einzuberufen,168 so konnte das Amtsgericht gemäß § 37 Abs. 2 BGB die Mitglieder, die die Einberufung der Mitgliederversammlung verlangt hatten, ermächtigen, die Mitgliederversammlung einzuberufen.169 Zum Vereinsführer konnte – da § 26 Abs. 1 BGB nicht verlangt, daß der Vorstand Vereinsmitglied ist – auch ein Vereinsexterner – 164 Vgl. V. Rolleri (Fn. 120), S. 64 f., mit dem Bemerken, daß die Meinungen darüber, was unter Führergrundsatz im Vereinsrecht zu verstehen ist, weit auseinandergehen. U. Scheuner, DJZ 1935, S. 670, hielt es für unzweckmäßig, Art und Umfang der Einführung des Führerprinzips zwingend vom Gesetz vorzuschreiben. Anderer Ansicht war hingegen C.-H. Ule, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1935, S. 633, demzufolge die Durchführung des Führerprinzips eine ganz bestimmte Organisationsform erforderte. 165 A. Fuxius, JW 1935, S. 989; V. Rolleri (Fn. 120), S. 33 f.; KG JW 1934, S. 3000; Rechtsgutachten des KG v. 30. 04. 1936, DJ 1936, S. 1948. 166 W. Paul, JW 1934, S. 10; E. Nitsche (Fn. 125), S. 10 ff.; LG Essen JW 1934, S. 2801; vgl. auch A. Hitler (Fn. 17), S. 99. 167 H. Welski, Der kommissarisch eingesetzte Vereinsvorstand und § 29 BGB, JW 1933, S. 1376; Ritter, Die Stellung der Kommissare über juristische Personen, JW 1933, S. 2193; Staudinger-Riezler (Fn. 159), § 29, Rdnr. 7; A. Rupf (Fn. 120), S. 47. 168 Nach L. Boersch, Gleichschaltung von Vereinen unter Einführung des Führerprinzips, JW 1934, S. 3188, war der Vorstand gemäß § 36 BGB zur Einberufung der Mitgliederversammlung verpflichtet, weil das Vereinsinteresse die Einführung des Führerprinzips verlangte. 169 L. Boersch, JW 1934, S. 3189, wollte § 37 Abs. 2 BGB dann entsprechend anwenden, wenn die erforderliche Zahl von Vereinsmitgliedern die Einberufung einer Mitgliederversammlung zwecks Einführung des Führerprinzips wünschte, die Vorstandsmitglieder jedoch an der Einberufung tatsächlich verhindert waren oder ihr Aufenthalt unbekannt war oder ein zur Berufung der Versammlung berechtigter Vorstand – infolge Amtsniederlegung, Abberufung usw. – nicht mehr vorhanden war.

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z. B. ein Parteifunktionär – ernannt werden170. Das Recht zur Abberufung des Vereinsführers konnte ebenfalls durch einen Dritten – z. B. den Verbandsführer – ausgeübt werden.171 Ein Abberufungsrecht der Mitgliederversammlung wurde hingegen bei verbandsangehörigen Vereinen als Widerspruch zum Führerprinzip angesehen.172 Auch hinsichtlich der weiteren Zuständigkeiten ermöglichten die §§ 40 und 32 BGB eine umfassende Kompetenzverschiebung von der Mitgliederversammlung auf den Vereinsführer173. Durch entsprechende Satzungsbestimmungen konnte sichergestellt werden, daß der Vereinsführer insbesondere über Aufnahme und Ausschluß von Mitgliedern174, über Satzungsänderungen175 und über die Auflösung des Vereins176 entschied. Hinsichtlich der Auflösungsbefugnis wurde argumentiert, § 41 BGB, demzufolge der Verein durch Beschluß der Mitgliederversammlung aufgelöst werden kann, enthalte keine abschließende Regelung. Mit dieser Begründung wurden im übrigen auch Satzungsbestimmungen für zulässig erachtet, die die Auflösungsbefugnis einem Dritten – insbesondere dem Führer des übergeordneten Verbandes – übertrugen.177 Die gänzliche Abschaffung der Mitgliederversammlung war umstritten.178 In einem Rechtsgutachten für das Reichsgericht hielt das Kammergericht die Beseitigung der Mitgliederversammlung dann für zulässig, wenn die Satzung das Recht zur Auflösung an die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder knüpfe und für den Fall der Auflösung den Antragsberechtigten bestimme.179 Die Forderung, das Vereinsrecht des BGB den Anforderungen der neuen Zeit anzupassen, wurde anfangs sehr häufig erhoben. Die Reichsfachgruppe Hochschullehrer im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen befaßte sich demgemäß ebenso mit dem Verbandsrecht wie der Ausschuß für Personen, Vereins- und

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Staudinger-Riezler (Fn. 159), § 26, Rdnr. 3. KG Rechtsgutachten v. 30. 04. 1936, DJ 1936, S. 1948 m. w. N. zum Streitstand. 172 V. Rolleri (Fn. 120), S. 38 f. m. w. N.; a. A. Staudinger-Riezler (Fn. 159), § 27, Rdnr. 16 m. w. N. 173 Staudinger-Riezler (Fn. 159), § 32, Rdnr. 3; Soergel-Gerold (Fn. 13), § 26 Anm. 1 u. § 33, Anm. 5; KG JW 1934, S. 3000. 174 V. Rolleri (Fn. 120), S. 47 f.; A. Fuxius, JW 1935, S. 988; RG DJ 1936, S. 1271. 175 KG Rechtsgutachten v. 30. 04. 1936, DJ 1936, S. 1948 f. m. w. N. zum Streit, ob dies auch für die Änderung des Vereinszwecks gilt. 176 KG Rechtsgutachten v. 30. 04. 1936, DJ 1936, S. 1949 m. w. N.; ablehnend A. Fuxius, JW 1935, S. 987; differenzierend Soergel-Gerold (Fn. 13), § 33 Anm. 5, wonach es darauf ankommen sollte, ob die Auflösung im Rahmen der Neuordnung des Vereinsrechts und im Zuge der Umorganisation des fraglichen Bereichs der Volksgemeinschaft erfolgte. 177 KG Rechtsgutachten v. 30. 04. 1936, DJ 1936, S. 1949; Soergel-Gerold (Fn. 13), § 33, Anm. 5; skeptisch Staudinger-Riezler (Fn. 159), § 41, Rdnr. 6. 178 Ablehnend A. Fuxius, JW 1935, S. 987; E. Nitsche (Fn. 125), S. 30; zweifelnd W. Paul, JW 1934, S. 9 m. w. N. zum Streitstand; vgl. auch Soergel-Gerold (Fn. 13), § 32, Anm. 1. 179 KG-Rechtsgutachten v. 30. 04. 1936, DJ 1936, S. 1948 f. = JW 1937, S. 408. 171

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Schuldrecht der Akademie für Deutsches Recht.180 Die Forderungen gingen insbesondere dahin, dem Führerprinzip eine positive Rechtsgrundlage zu geben,181 die wirtschaftlichen Vereine aus dem BGB auszuscheiden182, für Idealvereine ein Konzessionssystem einzuführen, das eine weitgehende Einflußnahme von Partei und Staat gewährleisten sollte183 und die Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins zu beseitigen.184 Wenn es zu einer Änderung des BGB nicht mehr kam, so dürften dafür zwei Aspekte maßgeblich gewesen sein. Zum einen kam der Umstrukturierungsprozeß, mit dem wesentliche Bereiche des Verbandswesens in den Aufbau von Staat und Bewegung eingeordnet und damit dem Vereinsrecht des BGB entzogen wurden, nicht recht zu einem Abschluß. Eine Änderung des BGB erschien demnach angesichts dieser Aushöhlung der Materie185 noch verfrüht. Zum andern erwies sich das Vereinsrecht des BGB als ausgesprochen anpassungsfähig,186 so daß für seine Änderung kein unabdingbares Bedürfnis bestand.

IV. Zusammenfassung Nach einem Überblick über die Ziele und Inhalte des nationalsozialistischen Sports wird das vom Staat zu deren Verwirklichung eingesetzte Instrumentarium dargestellt. Hierzu gehörte erstens die Einräumung von Privilegien. Exemplarisch wird dies an der gesetzlichen Regelung der Konfliktsituation Sportstätte (Volksertüchtigungsbetrieb) – Nachbarschaft im Nachbarrechtsbeschränkungsgesetz aufgezeigt. Weiteres Instrument war die Einführung einer Sportpflicht in vielen staatlich reglementierten Lebensbereichen (Hochschule, juristische Referendarausbildung). Drittes Mittel war schließlich die sog. Gleichschaltung der Sportverbände und -vereine. In einem sporthistorischen Abriß der Gleichschaltung werden zunächst die Situation in der Endphase der Weimarer Republik und anschließend die Vorgänge in 180 Arbeitstagung der Reichsfachgruppe Hochschullehrer des BNSDJ am 12./13. 10. 1935 mit Gutachten von Scheuner und Siebert, vgl. DJZ 1935, S. 1294 f.; vgl. auch den Beitrag des Vorsitzenden des Ausschusses für Personen-, Vereins- und Schuldrecht der Akademie für Deutsches Recht J. W. Hedemann, Neun Thesen zum Vereinsrecht, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1938, S. 109 ff. 181 V. Rolleri (Fn. 120), S. 67; E. Nitsche (Fn. 125), S. 30 ff.; zurückhaltend U. Scheuner, DJZ 1935, S. 670. 182 R. Doesseler, Nichtrechtsfähiger Verein und Staat, Diss. Frankfurt 1935, S. 43 ff.; J. W. Hedemann, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1938, S. 111. 183 R. Doesseler (Fn. 182), S. 45 ff.; U. Scheuner, DJZ 1935, S. 670. 184 R. Doesseler (Fn. 182), S. 49 ff.; J. W. Hedemann, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1938, S. 110; kritisch gegenüber der anonymen Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins schon C. Schmitt (Fn. 122), S. 24. 185 J. W. Hedemann, Bericht über die Arbeit des Vereinsausschusses der Akademie für Deutsches Recht, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1935, S. 355. 186 H. Rogner (Fn. 124), S. 44.

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den Jahren nach 1933 geschildert. Hierzu gehören einerseits das Verbot der Arbeiter- und der konfessionell geprägten Sportbewegung sowie die Diskriminierung des jüdischen Sportverbandswesens und andererseits die Gleichschaltung der weder parteipolitisch noch konfessionell gebundenen Sportvereine und -verbände. Der Prozeß der Neuordnung des Sportverbandswesens verlief in mehreren Stufen. Als Einheitsorganisation wurde der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen (DRL) bzw. der Nationalsozialistische Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) geschaffen, an dessen Spitze der Reichssportführer stand. Aus rechtlicher Sicht waren drei Faktoren für den sporthistorischen Prozeß der Gleichschaltung maßgebend: das vom Staat in Anspruch genommene Organisations- und Verwaltungsmonopol, die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts sowie die Einführung des sog. Führerprinzips. Das vom Staat hinsichtlich der Leibeserziehung in Anspruch genommene Organisations- und Verwaltungsmonopol hatte zur Konsequenz, daß die nicht in das Konzept einer organismushaften einheitlichen Leibeserziehungsgemeinschaft passenden Sportvereine und -verbände aufgelöst wurden. Als Rechtsgrundlage der Auflösungsverfügungen diente die sog. Reichstagsbrandverordnung vom 28. 02. 1933. In Rechtsprechung und Literatur war umstritten, ob derartige Auflösungsverfügungen gerichtlich überprüfbar waren. Die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts war ein Ausfluß des vom Staat in Anspruch genommenen Regelungsmonopols für den Sportbereich. Die vom Reichssportführer erlassenen Einheitssatzungen ließen den Vereinen nur unerhebliche Variationsmöglichkeiten. Die NSRL-Satzung war für alle Sporttreibenden verbindlich. An den Monopolisierungsprozeß und die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts im Dritten Reich knüpfte der Wiederaufbau des Sportverbandswesens nach 1945 an. Die Einführung des Führerprinzips und die Besetzung der Führerposten mit nationalsozialistischen Persönlichkeiten war ein besonders wesentliches Gleichschaltungsinstrument. Das Führerprinzip beinhaltete zum einen die Zentrierung der Entscheidungsgewalt in der Hand des betreffenden Führers und zum andern dessen alleinige Verantwortlichkeit gegenüber der ihm übergeordneten Instanz (Verbandsführer). Dargestellt wird die praktische Umsetzung des Führerprinzips im Sportbereich. Sie stieß hier wie auch in anderen Bereichen nur auf geringen Widerstand. Juristische Probleme warf die Einführung des Führerprinzips insofern auf, als die vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB als Regelfall das Mehrheitsprinzip vorsehen und zudem in § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung vermutet wird. Das durch § 40 BGB gewährleistete freie Satzungsrecht der Vereine eröffnete jedoch die Möglichkeit, die Vereinsführung weitestgehend auf das Führerprinzip umzustellen. Die juristische Diskussion nutzte dabei die Freiräume, die das BGB ließ. So wurde es für zulässig erachtet, daß der Führer des übergeordneten Verbandes die Vereinsführer ernannte und abberief. Ebenso wurde eine umfassende Kompetenzverschiebung von der Mitgliederversammlung auf den

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Vereinsführer auf Grundlage der §§ 40 und 32 BGB als rechtens angesehen. Lediglich die gänzliche Abschaffung der Mitgliederversammlung war umstritten. Da das Vereinsrecht des BGB sich als ausgesprochen anpassungsfähig erwies, bedurfte es letztlich keiner Änderungen, um die nationalsozialistischen Ziele durchzusetzen.

Sportanlagen und Nachbarrecht* I. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konfliktsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidungs- und Begründungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Kompromißbereitschaft der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkretisierungs- und harmonisierungsbedürftige Entscheidungsmaßstäbe . . . c) Messung und objektive Bewertung der Immissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kein gerichtlicher Gestaltungsfreiraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Medienecho und Publikumsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Planungsrechtliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkretisierung und Harmonisierung der Entscheidungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . a) Die Entscheidung über die prinzipielle Zulässigkeit der Sportanlage . . . . . . . . b) Die Entscheidung über das Ausmaß der Nutzung der Sportanlage . . . . . . . . . . . aa) Mindestabstände und Immissionshöchstwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Immissionsrichtwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Immissionsbandbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Privates und öffentliches Nachbarrecht haben sich seit einigen Jahren vermehrt mit den von Sportanlagen herrührenden (Geräusch-)Immissionen auseinanderzusetzen. Sportimmissionen sind in zunehmendem Maße zum Gegenstand gerichtlicher Nachbarstreitigkeiten geworden. „Sport und Umwelt“ bezeichnen als Schlagworte eine bisweilen sehr engagiert geführte Diskussion – eine Diskussion, die nicht zuletzt durch die Rechtsprechung1 selbst ausgelöst wurde. Die überwiegende Zahl der ergangenen Entscheidungen untersagte oder beschränkte den Sportbetrieb. Veröffentlichungen auf administrativer Ebene haben den Konflikt verstärkt: Der in ministeriellem Auftrag erstellte Bericht der Projektgruppe „Aktionsprogramm Ökologie“ hält es wegen der sich abzeichnenden Altersstruktur der Bevölkerung für erforderlich, daß in einigen Jahren Sportbauten abgebrochen

* Erstveröffentlichung in JZ 1987, S. 1104 – 1112. 1 Besondere Publizität erlangte in den Medien das sog. Tennisplatz-Urteil des BGH v. 17. 12. 1982, NJW 1983, 751 f. = WM 1983, 176. Der BGH bestätigte ein Urteil des OLG Frankfurt, das die von einem Tennisplatz ausgehende Geräuscheinwirkung u. a. mit der Begründung als unzulässig bewertete, die Geräusche des Tennisspiels seien für die Nachbarschaft lästiger als die Geräusche benachbarter Gewerbebetriebe.

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werden.2 Die vom Länderausschuß für Immissionsschutz im Herbst 1982 verabschiedeten „Hinweise zur Beurteilung des durch Freizeitaktivitäten verursachten Lärms“3 sehen wegen der Auffälligkeit des Informationsgehalts und/oder der Einzeltonhaltigkeit der Geräusche und der dadurch hervorgerufenen Lästigkeit einen Zuschlag in Höhe von 5 dB(A) auf den ermittelten Schallpegel vor. Die heftige Kritik des Deutschen Sportbundes als Dachorganisation des deutschen Sports4 löste nicht nur Diskussionen auf politischer Ebene aus.5 Auch das rechtswissenschaftliche Schrifttum hat sich mittlerweile mit einer Reihe von Gutachten und Beiträgen der Problematik angenommen.6 Die Diskussion konzentriert 2

Bundesminister des Inneren (Hrsg.), Abschlußbericht der Projektgruppe „Aktionsprogramm Ökologie“, Umweltbrief Nr. 29, Bonn 1983, Textziff. 418 – 426. In Textziff. 422 wird der „sportive“ Mensch als „Hätschelkind“ der Kommunalpolitik bezeichnet. Kritisch hierzu aus der Sicht des Deutschen Städtetages B. Happe, Sportstätten und Umweltschutz, Der Städtetag 1984, 400 (401 f.). 3 Die „Hinweise zur Beurteilung des durch Freizeitaktivitäten verursachten Lärms“ des Länderausschusses für Immissionsschutz sind abgedr. in NVwZ 1985, 98 ff. 4 Der Deutsche Sportbund erhob das Sport-Umwelt-Problem zum Hauptthema seines Bundestages in Bad Homburg im Mai 1984. Ergebnis war der Beschluß der „Umweltpolitischen Grundsätze des Deutschen Sportbundes“, insbesondere der 8 Thesen zur Umweltpolitik des Sports. 5 So fand zuletzt am 04. 06. 1986 eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen vor dem Sportausschuß des Deutschen Bundestages statt. Vgl. auch den Sechsten Sportbericht der Bundesregierung, Bonn 1986, 8, den Geschäftsbericht des Deutschen Städtetages, 96 f. und den Geschäftsbericht 1986 des Städtetages Nordrhein-Westfalen, 70 ff. 6 Bei Abgabe der Druckfahnen (November 1986) lagen folgende Veröffentlichungen vor: H.-J. Birk, Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen, NVwZ 1985, 689 ff.; E. Deutsch, Nachbarrecht und Sportstätte, VersR 1984, 1001 ff.; G. Gaentzsch, Sportanlagen im Wohnbereich, UPR 1985, 201 ff.; K. Gelzer, Umweltbeeinträchtigungen durch Sportanlagen aus öffentlich-rechtlicher (planungsrechtlicher) Sicht, in: Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen, Düsseldorf 1984, 49 ff.; ders., Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Probleme bei der Nutzung von Spiel- und Sportanlagen in Wohngebieten, in: W. Pastor (Hrsg.), Festschrift f. Hermann Korbion zum 60. Geburtstag, Düsseldorf 1986, 117 ff.; H. Hagen, Sportanlagen im Wohnbereich, UPR 1985, 192 ff.; B. Happe, Sportstätten und Umweltschutz, Der Städtetag 1984, 400 ff.; H. Johlen, Bauplanungsrecht und privatrechtlicher Immissionsschutz, BauR 1984, 134 ff.; W. Hastens, Zur Bedeutung des Landschaftspflegegesetzes und Nachbarrechts beim Bau von Sportanlagen im Rahmen der Bauleitplanung, SchlHA 1985, 97 ff.; K. Kleefisch, Sport und Umwelt, Städte- und Gemeinderat 1986,141 ff.; H. Kohler, Sportlärm und Nachbarschutz, Jura 1985, 225 ff.; C. Krähe, Sportstätten und Nachbarschutz – Eine Zwischenbilanz der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und der ordentlichen Gerichte, in: E. Scheffen (Hrsg.), Haftung und Nachbarschutz im Sport, Heidelberg 1985, S. 19 ff.; G. Lang, Sportanlagen im Wohnbereich, UPR 1985, 185 ff.; I. v. Münch, Die Stellung des Sports in der modernen Verfassungsordnung unseres Sozial- und Kulturstaates, Rechtsgutachten erstellt im Auftrag des Deutschen Sportbundes, Hamburg 1986, 41 ff.; H.-J. Papier, Wirkung des öffentlichen Planungsrechts auf das private Immissionsschutzrecht, in: Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen, Düsseldorf 1984, 97 ff.; ders., Sportstätten und Umwelt, UPR 1985, 73 ff.; ders., Sport und Umwelt, NVwZ 1986, 624 ff.; ders., Sportstätten und Umwelt, UPR 1985, 73 ff.; H. Pikart, Bürgerlich-rechtliche Rechtsfragen bei Lärmbelästigungen durch den Betrieb von Sportanlagen im Wohnbereich, in: Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen, Düsseldorf 1984, 1 ff.; J. Salzwedel, Sportanlagen im Wohnbereich – Zusam-

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sich bisher im wesentlichen auf die normative Ebene, sei es auf die Interpretation der maßgeblichen Vorschriften, sei es auf die Empfehlung, diese Vorschriften zu ändern.7 Daneben wendet sich die Kritik auch gegen die Anwendung der eigentlich für Gewerbelärm konzipierten TA Lärm8 auf die von Sportanlagen ausgehenden Geräusche. Kritikpunkt ist schließlich, daß beispielsweise die Impulshaltigkeit der Ballgeräusche zu pauschalen Erhöhungen der ermittelten Schallpegel führen soll (sog. „Zuschlagspraxis“).9 Weitgehend unberücksichtigt ist in der bisherigen Diskussion die besondere Bedeutung geblieben, die der Rechtsprechung im Konflikt der beiden „Zukunftsbranchen“10 Sport und Umwelt zukommt. Die Rechtsprechung ist nicht nur Konfliktindikator, zeigt also nicht nur die Konfliktsituationen und etwaige Schwachstellen der einschlägigen Vorschriften auf. Sie kann – aus der Sicht des Sports – durchaus auch zum Konfliktförderer werden, wenn Urteile, die die Nutzung von Sportanlagen beschränken, ihrerseits dazu führen, daß andere – bisher latente – Konflikte aufbrechen und vor die Gerichte getragen werden. Hiervon ausgehend werden zunächst die wesentlichen Ergebnisse einer an anderer Stelle11 veröffentlichten rechtstatsächlichen Untersuchung der gerichtlichen Praxis in aktualisierter Form wiedergegeben (dazu I.). Insbesondere die erkennbaren Entscheidungsschwierigkeiten, mit denen sich die Rechtsprechung konfrontiert sieht, geben Anlaß zu Lösungen und sind zugleich Prüfstein der Lösungsvorschläge (dazu II.).

I. Die Rechtsprechung Die Zahl der zu Sportanlagen-Nachbarschafts-Konflikten geführten gerichtlichen Auseinandersetzungen kann nur geschätzt werden. Sie ist – entgegen ihrer Beachtung in der Öffentlichkeit – jedenfalls dann noch als relativ gering anzusehen, wenn man sie in Relation zu den ca. 150.000 Sportanlagen setzt, die im Bundesgebiet – allein durch ihre Existenz – in irgendeiner Form auf ihre Umgebung einwirken. Im Zeitraum 1976 bis Mitte 1986 haben ca. 30 gerichtliche Entscheidungen eine gewisse Publizität erlangt. Das Gros dieser Entscheidungen ist in den Jahren

menfassung der Ergebnisse der Podiumsdiskussion des rechtswissenschaftlichen Fachgesprächs der Gesellschaft für Umweltrecht und der kommunalen Spitzenverbände am 14. 03. 1985, UPR 1985, 210 ff.; T. Schwarze, Planungsrechtliche Zulässigkeit von Bolzplätzen in Wohngebieten, DVB1.1986,1050 ff.; K. Vieweg, Sport und Umwelt – Rechtliche Implikationen des Konflikts, Sportwissenschaft 1986, 148 ff. 7 Zu den Vorschlägen näher unter II. 8 Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm v. 16. 07. 1968 – Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 v. 26. 07. 1968. 9 Insbesondere H.-J. Papier NVwZ 1986, 624 ff. 10 E. Deutsch VersR 1964, 1005. 11 K. Vieweg Sportwissenschaft 1986, 148 ff.

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seit 1981 ergangen. Die folgenden Ergebnisse basieren auf der Auswertung von 72 Entscheidungen.12 1. Die Konfliktsituationen Die ausgewerteten Entscheidungen betreffen – von ihrer Konfliktsituation her – zumeist Tennisanlagen (ca. 53 %) und Stadien (ca. 24 %), daneben Kleinspielfelder, Bolz- und Schießplätze. Inhaltlich geht es fast ausschließlich um die von den Sportanlagen ausgehenden Geräusche, bisweilen zusätzlich um Beeinträchtigungen durch Flutlicht, dessen Einsatz wiederum – wegen des verlängerten Spielbetriebs – die Dauer der Geräuscheinwirkungen beeinflußt. Wesentlich ist, daß ganz überwiegend bereits fertiggestellte und genutzte Sportanlagen betroffen sind (ca. 76 %). Die Gründe sind darin zu suchen, daß das Ausmaß der von den Sportanlagen ausgehenden Beeinträchtigungen erst bei Nutzung der Anlage erkennbar wird und daß die Wohnhäuser später als die Sportanlage errichtet worden sind. Insgesamt gesehen handelt es sich im wesentlichen eher um soziale als um ökologische Mikrokonflikte13 und damit um spezielle Ausformungen – ihrer Art nach heikler – Nachbarschaftskonflikte. Man sollte deshalb nicht von Sport-Umwelt-Konflikten, sondern von Sportanlagen-Wohnumwelt-Konflikten sprechen. Es fällt auf, daß die aus der Sicht des Umweltschutzes ungleich brisanteren Probleme, wie die der Boden- und Vegetationsbeeinträchtigung durch den Massentourismus oder die der Grundwassergefährdung durch Schießblei – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht Gegenstand von Gerichtsverfahren gewesen sind. Ebenso ist die Rechtsprechung wohl noch nicht mit Fragen befaßt worden, die – wie z. B. das Surfer-Segler-Angler-Problem – mit der Verteilung von Umweltnutzungsbefugnissen zusammenhängen. 2. Entscheidungsergebnisse Die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten sind – nicht zuletzt wegen der sogenannten Doppelgleisigkeit des gerichtlichen Nachbarschutzes – bei Sportan12 Der Verfasser stützt sich hierbei auf die vom Justitiar des DSB, J. Kühl, angelegte und von ihm erweiterte Entscheidungssammlung. E. Reschke, Handbuch des Sportrechts, Neuwied und Darmstadt, Stand: September 1986, Dok.-Nr. 04, 09 und 58, gibt 14 ausgewählte Entscheidungen wieder. Für die Erweiterung der Entscheidungssammlung wurde auch das juristische Informationssystem JURIS herangezogen. Logisch verknüpft wurden folgende Suchworte: Sport, Tennis, Bolzplatz, Fußball, Schießen, Golf, Umwelt, Nachbarschutz, Lärm, Licht, Immission, Emission, TA Lärm, VDI-Richtlinie. Herrn Ulrich Weber-Steinhaus danke ich für die freundliche Unterstützung. 13 Nach U. Diederichsen, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts, maschinenschriftliche Fassung des anläßlich des 56. Deutschen Juristentages 1986 in Berlin gehaltenen Referates, 50 f., betreffen die zivilrechtlichen Umweltschutzprozesse im Grunde nur Quisquilien wie den Streit um Tennis- und andere Sportanlagen. H. v. Lersner, Geräusche aus Sportanlagen – ein Umweltproblem?, Zschr. f. Lärmbekämpfung 1985, 121 (122) führt aus, daß Konflikte zwischen Sport und Umweltschutz bei Skilifts und Motocrossbahnen näher gelegen hätten.

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lagen-Wohnumwelt-Konflikten vielfältig. Sie reichen von der zivilgerichtlichen Nachbarklage auf Beseitigung und Unterlassung der Störungen (Sportgeräusche) bis zur verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes führte im wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: @ Nichtgenehmigung der Sportanlage oder völlige Untersagung des Sportbetriebs (ca. 39 %); @ Beschränkung des Sportbetriebs (ca. 25 %); @ keine Beschränkung des Sportbetriebs (ca. 25 %).

3. Entscheidungs- und Begründungsschwierigkeiten Argumentationsaufwand sowie manche – zum Teil auch „zwischen den Zeilen“ versteckte – erläuternde Hinweise lassen erkennen, daß die Gerichte sich insbesondere mit fünf Problemen konfrontiert sehen. a) Fehlende Kompromißbereitschaft der Beteiligten Erstens werden die Gerichte häufig erst in einem Zeitpunkt angerufen, in dem die Sportanlage bereits errichtet ist und genutzt wird. Die Gründe liegen einerseits darin, daß außergerichtliche Konfliktlösungsversuche vorgeschaltet sind sowie andererseits darin, daß die konkrete Beeinträchtigung erst bei erfolgter Nutzung für die Nachbarn erkennbar ist. Nach Scheitern der außergerichtlichen Konfliktlösungsversuche – auch seitens der zuständigen Behörden – sind die „Fronten“ zwischen dem Sportanlageneigentümer und -nutzer sowie den Behörden auf der einen Seite und den sich durch die Immissionen beeinträchtigt fühlenden Nachbarn auf der anderen Seite verhärtet. Jede Seite glaubt gute Gründe zu haben, den Konflikt nunmehr kompromißlos auszutragen.14 Sportanlageneigentümer und -nutzer gehen von dem hohen gesellschaftlichen Wert des Sports aus und sehen ihre Einschätzung zumeist durch die Entscheidungen der Planaufsteller und der zuständigen Behörden bestätigt. Die betroffenen Nachbarn argumentieren mit Eigentums- und Umweltschutzgesichtspunkten. Für die Gerichte ist es schwierig, diese verhärteten Fronten aufzuweichen, Fehlplanungen und -investitionen einerseits und die Pflicht zur Duldung von Beeinträchtigungen andererseits verständlich zu machen, kurzum: Entscheidungen zu treffen, die von allen Seiten akzeptiert werden. Indiz hierfür mag sein, daß gerichtliche Vergleiche in den Sport-Umwelt-Prozessen keine praktische Bedeutung erlangt haben.15

14

OVG Lüneburg BRS 44 Nr. 183 weist z. B. mit aller Deutlichkeit auf die nahezu als unversöhnlich zu bezeichnende Haltung des Klägers und des beigeladenen Tennisvereins hin. 15 In den untersuchten Verfahren ist es lediglich zu einem gerichtlichen Vergleich gekommen.

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b) Konkretisierungs- und harmonisierungsbedürftige Entscheidungsmaßstäbe Sowohl Zivil- als auch Verwaltungsgerichte sehen sich vor das Problem gestellt, daß das ihnen vorgegebene Entscheidungsinstrumentarium zum Teil nicht die Konkretheit aufweist, die zu seiner unmittelbaren Anwendung nötig ist. So fordert beispielsweise das planungsrechtliche Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 u. 7 BBauG, daß bei der Aufstellung von Bebauungsplänen u. a. einerseits die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und die Belange des Umweltschutzes und andererseits die Belange von Sport, Freizeit und Erholung zu berücksichtigen sind. Dabei müssen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Bei dieser Abwägung sind die – ebenfalls konkretisierungsbedürftigen – Vorgaben der §§ 1 u. 3 Abs. 1 BImSchG (Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen) zu berücksichtigen. Auch das von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung selbst entwickelte nachbarrechtliche Gebot der Rücksichtnahme16 bedarf der Konkretisierung im Einzelfall. Vor eine ähnliche Problematik sehen sich die Zivilgerichte bei der Anwendung des § 906 BGB gestellt. Sie müssen jeweils beurteilen, ob die auf das Grundstück des Klägers einwirkenden Geräusche wesentlich sind, ob eine solche wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und ob sie durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Probleme ergeben sich schließlich in diesem Zusammenhang daraus, daß öffentlich- und zivilrechtliche Entscheidungsmaßstäbe unabgestimmt, ja beziehungslos nebeneinander stehen. Verlangen die öffentlich-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe teilweise eine umfassende Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Belange, ist das Blickfeld des zivilrechtlichen Nachbarschutzes auf den Konflikt der Nutzungsinteressen der Grundstückseigentümer reduziert. Die „Doppelgleisigkeit des gerichtlichen Nachbarschutzes“ führt wegen dieses nicht harmonisierten Nebeneinanders öffentlich- und zivilrechtlicher Entscheidungsmaßstäbe fast zwangsläufig auch zu divergierenden Entscheidungen.17 c) Messung und objektive Bewertung der Immissionen Eine dritte Schwierigkeit besteht darin, die konfliktbegründenden Geräusche präzise zu messen und objektiv zu bewerten. Dieses Problem ist für die Lösung von Sportanlagen-Wohnumwelt-Konflikten zentral. Die Gerichte sind – sowohl was die Messung als auch was die Bewertung betrifft – normalerweise auf ergänzenden fachspezifischen Sachverstand angewiesen. Die von technischen Sachverständigen 16

BVerwGE 52, 122 ff.; BVerwG Buchholz 406.19 Nr. 33 und 43. Bestes Beispiel ist das sog. Tennisplatz-Urteil des BGH NJW 1983, 751 f. = WM 1983, 176. Der BGH verurteilte den Beklagten zur Unterlassung des Tennisspiels. Für die Tennisplätze war die erforderliche Baugenehmigung erteilt worden. 17

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erstatteten schalltechnischen Gutachten stützen sich in aller Regel auf die von der Bundesregierung als allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassene Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm)18 bzw. die vom Verband Deutscher Ingenieure (VDI) aufgestellte VDI-Richtlinie 205819, die die Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft betrifft. In der TA Lärm und in der VDI-Richtlinie 2058 werden bestimmte Immissionsrichtwerte angegeben, die das hinzunehmende Lärmniveau beschreiben. Die Immissionsrichtwerte werden wie der Beurteilungspegel, den der Sachverständige zu ermitteln hat, unter Berücksichtigung der in DIN 45633 aufgeführten Frequenzbewertungskurve A in dB(A) ausgedrückt. Es handelt sich hierbei um eine logarithmische Kurve. Eine Erhöhung des Geräuschpegels um 10 dB(A) bedeutet also eine Verdopplung der Lautstärke. Die TA Lärm schreibt zwar die Verwendung bestimmter Meßgeräte sowie einige Einzelheiten des Meßverfahrens – wie Ort und Zeit der Messungen sowie die Auswertung der Ergebnisse – vor. Sie läßt aber bei impulshaltigen Geräuschen – wie dem Auftreffen des Fußballs auf Maschendraht oder dem Schlagen von Tennisballen – die Möglichkeit offen, zur Beurteilung den Taktmaximalpegel oder den gemittelten Impulsschallpegel heranzuziehen. Je nach gewähltem Meßverfahren sind unterschiedliche Schallpegel zu gewärtigen.20 Die Meßwerte können außerdem einigen Korrekturen unterzogen werden, Meßunsicherheiten sowie Fremdgeräusche wie z. B. Verkehrslärm können durch Abschläge, Geräusche in Ruhezeiten, informations- und impulshaltige Geräusche durch pauschale Zuschläge berücksichtigt werden. Deutlich wird, daß sich bereits die Ermittlung der Beurteilungspegel zwar als im wesentlichen einheitlich, aber wohl kaum als objektiv-exakt bezeichnen läßt angesichts der – nur teilweise technisch bedingten – Wertungen und Abschätzungen, die in die Pegelermittlung einfließen. Hinzu kommen noch schwer vermeidbare Zufälligkeiten bei der Auswahl der Meßzeiten, die dazu führen können, daß die Meßergebnisse nicht repräsentativ sind. Das schalltechnische Gutachten schließt mit einem Vergleich der für die Tagesund Nachtzeit (22.00 – 6.00 Uhr) getrennt ermittelten Beurteilungspegel mit den in der TA Lärm bzw. der VDI-Richtlinie 2058 angegebenen Immissionsrichtwerten. Diese betragen beispielsweise tagsüber 60 dB(A) für Gebiete mit gewerblichen Anlagen und Wohnungen, in denen weder die einen noch die anderen überwiegen.21

18 Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm v. 16. 07. 1968 – Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 v. 26. 07. 1968. 19 VDI-Richtlinie 2058 zur Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft (Ausgabe Juni 1973). 20 Hierauf weist z. B. ausdrücklich LG Berlin, Urt. v. 21. 06. 1983 – 50322/79 hin. Vgl. hierzu im einzelnen G. Niesl/W. Probst/J. Hingsammer, Die Geräuschemission von Tennisanlagen, Zschr. f. Lärmbekämpfung 1983, 61 (63 ff.). 21 Ziff. 2.3.2 TA Lärm; Ziff. 3.3.1 VDI-Richtlinie 2058, Bl. 1.

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Auf der Grundlage eines solchen Sachverständigengutachtens erscheint die Entscheidung für die Gerichte einfach. Liegt der ermittelte Schallpegel unter dem einschlägigen Richtwert, kann die Sportanlage wie bisher genutzt werden, liegt er darüber, muß die Nutzung geändert werden oder ganz unterbleiben. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß eine kritiklose Übernahme der Immissionsrichtwerte fragwürdig ist. Zum einen sind die Immissionsrichtwerte für die von gewerblichen Anlagen ausgehenden Geräusche entwickelt worden. Es ist aber ein altbekanntes Phänomen, daß verschiedenartige Geräusche – auch bei identischen akustischen Geräuschkernwerten – als unterschiedlich störend empfunden und – je nach Vorverständnis – bewertet werden.22 Bedeutung kommt insofern den nichtakustischen Moderatorvariablen zu.23 Die Bewertung von Freizeit- und Sportgeräuschen kann deshalb anders ausfallen als diejenige von Gewerbegeräuschen. Zum andern ist der verwendete Gebietsraster weniger differenziert als beispielsweise derjenige der Baunutzungsverordnung. Eine schematische Anwendung der Immissionsrichtwerte ist insbesondere in Randgebieten zweifelhaft. Auch tragen die Immissionsrichtwerte den besonderen städtebaulichen Eigenarten der Stadtstaaten Hamburg und Bremen – geringe Gebietskapazitäten und demgemäß geringere Abstände zwischen unterschiedlichen Nutzungen – nicht Rechnung. Zum dritten ist der zugrundegelegte Zeitraster nur unzureichend differenziert. TA Lärm und VDIRichtlinie 2058 unterscheiden lediglich zwischen Tages- und Nachtzeit. Unberücksichtigt bleibt, daß sich der hier gegebene Konflikt wegen unterschiedlicher Freizeitaktivitäten insbesondere in den Abendstunden der Sommermonate und am Wochenende zuspitzt. Zum vierten schließlich handelt es sich bei den Immissionsrichtwerten nicht um Akzeptanzgrenzen, die durch empirische Forschungen festgestellt worden sind oder festgestellt werden könnten. Sie sind vielmehr ein wertender Entscheidungsgriff auf einer Skala wissenschaftlich vertretbarer Werte.24 Sie stellen einen Kompromiß zwischen den insofern gegenläufigen Interessen der Wirtschaft und des Umweltschutzes dar. Die freizeit- und sportspezifische Interessenlage wurde – schon von 22 S. Weiß, Rechtliche Probleme des Schallschutzes, Düsseldorf 1986, 6; A. Schick/ S. Namba/S. Kuwano, Lärm in der Wohnnachbarschaft, Zschr. f. Lärmbekämpfung 1985, 44 ff. mit tabellarischer Übersicht besonders störender Geräusche. 23 Umweltbundesamt (Hrsg.), Lärmbekämpfung 1981 – Materialien zum Zweiten Immissionsschutzbericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag, Berlin 1981, 119; B. Rohrmann, Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen von Umweltlärm in Wohngebieten. Maschinenschriftliches Manuskript eines am 19. 09. 1984 im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gehaltenen Vortrags, 13 ff. H. v. Lersner, Zschr. f. Lärmbekämpfung 1985, 122. 24 Vgl. B. Rohrmann (Fn. 23), 19 f.; B. Griefahn, Grenzwerte vegetativer Belastbarkeit, Zschr. f. Lärmbekämpfung 1982, 131 ff.; Kritisch insbes. G. Winter, Grenzwerte, Düsseldorf 1986, 8 ff.; Symptomatisch war die Diskussion um die Festsetzung von Immissionsgrenzwerten im geplanten Verkehrslärmschutzgesetz. Der Entwurf der Bundesregierung (BT-DrS VIII/1671 v. 23. 03. 1978) sah beispielsweise als Immissionsgrenzwerte für reine und allgemeine Wohngebiete 65 dB (A) und für Mischgebiete 70 dB (A) vor. Vgl. zum Scheitern dieses Regelungsversuchs G. Hartkopf/E. Bohne, Umweltpolitik, Bd. 1, Opladen 1983, S. 148 f.

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der Zielsetzung her – weder in der TA Lärm noch in der VDI-Richtlinie 2058 berücksichtigt. Auch die im Länderausschuß für Immissionsschutz verabschiedeten Richtwerte25 sind ohne repräsentative Beteiligung der am Sport Interessierten zustande gekommen. Insgesamt kann deshalb nicht verwundern, wenn die Gerichte ihren Entscheidungen nicht uneingeschränkt die Immissionsrichtwerte der TA Lärm bzw. der VDI-Richtlinie 2058 zugrundelegen, auch wenn von ihnen eine gewisse Faszination – klares quantifiziertes Entscheidungskriterium, verbreitete Akzeptanz – ausgeht. Die Ergebnisse der vorgenommenen Untersuchungen belegen dies. Soweit es in den ausgewerteten Gerichtsentscheidungen auf die Messung und Beurteilung quantifizierter Geräuschwerte ankam, legten die Gerichte zu ca. 47 % die Immissionsrichtwerte der TA Lärm bzw. der VDI-Richtlinie 2058 unmittelbar und zu weiteren ca. 40 % mit Modifizierungen als Lärmakzeptanzniveau zugrunde.26 Eine Bindung der Gerichte an die Immissionsrichtwerte der TA Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 kommt – abgesehen von deren Indizcharakter – deshalb nicht in Betracht, weil sie weder gesetzlich festgelegt sind noch den hohen Anforderungen genügen, die an die partielle Bindungswirkung sog. „antizipierter Sachverständigengutachten“ zu stellen sind.27

25 Die vom Landesausschuß für Immissionsschutz im Herbst 1982 gegebenen Hinweise zur Beurteilung des durch Freizeitaktivitäten verursachten Lärms sind abgedruckt in: NVwZ 1985, 98 ff.; Kritisch zu den Hinweisen des Länderauschusses für Immissionsschutz H.-J. Papier UPR 1985, 76; G. Gaentzsch UPR 1985, 204 betont, daß die „Hinweise“ gegenüber Sportlärm keine strengeren Maßstäbe als gegenüber Gewerbelärm anlegen; J. Salzwedel UPR 1985, 210 bezeichnet die „Hinweise“ als vernünftige, vermittelnde Lösung im Konfliktbereich zwischen Sport und Wohnen. 26 Gegen eine schematische Anwendung der Immissionsrichtwerte z. B. OVG Lüneburg BRS 44, Nr. 183; MK-Säcker, § 906 BGB, Rdnr. 35; G. Lang UPR 1985, 190; G. Gaentzsch UPR 1985, 203 f.; J. Salzwedel UPR 1985, 211; C. Krähe (Fn. 6), 29. Nach der Auffassung von H. Hagen UPR 1985, 193 indiziert die Überschreitung der Richtwerte die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung i. S. v. § 906 BGB, ihre Unterschreitung schließt hingegen die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nicht aus. 27 „Antizipierte Sachverständigengutachten“ sind sowohl in ihrer Bezeichnung als auch in ihrer rechtlichen Wirkung umstritten. Die Bezeichnung knüpft daran an, daß die Festlegungen der Sachverständigengremien sich auch antizipierend auf zukünftige Streitfälle beziehen und funktional die förmliche Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich machen können. Die Frage, inwieweit „antizipierte Sachverständigengutachten” für die Gerichte verbindlich sind, wird insbesondere im Zusammenhang mit dem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Behördenentscheidungen im Umwelt- und Kernenergierecht diskutiert. Bejahend im Anschluß an R. Breuer AöR 101 (1976), 46 ff. und 82 ff. BVerwGE 55, 250 (256 – 261). Die Literatur ist hinsichtlich der Bindungswirkung überwiegend kritisch. Vgl. insbes. H.-J. Papier DVBl 1979, 162 f.; K. Vieweg NJW 1982, 2473 ff.; H. D. Jarass DVBl 1983, 725 ff.; D. Deiserath, Großkraftwerke vor Gericht 1986, 317 ff.

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d) Kein gerichtlicher Gestaltungsfreiraum Als vierte Schwierigkeit ergibt sich vornehmlich für die Zivilgerichte, daß ihnen durch die Vorschriften des BGB-Nachbarrechts praktisch kein Gestaltungsfreiraum zugebilligt wird.28 Ihr Entscheidungsspektrum beschränkt sich auf die Bestätigung des Status quo sowie auf die Verurteilung, alle oder bestimmte Nutzungen zu unterlassen und – bisher allerdings nicht praktisch geworden – auf die Verurteilung, für die zu duldenden Beeinträchtigungen einen finanziellen Ausgleich zu zahlen. e) Medienecho und Publikumsinteresse Als fünfte Schwierigkeit erweist sich schließlich die Abfassung der Urteile. Angesichts des hohen Publikumsinteresses, das Sport-Umwelt-Entscheidungen derzeit genießen, müssen die Gerichte darauf bedacht sein, daß ihre Entscheidungen in den Medien wenigstens im Kern richtig wiedergegeben werden. Hierzu gehört, daß etwaige Besonderheiten des entschiedenen Falles als solche auch klargestellt werden. Beim Tennisplatz-Urteil des BGH29, das einen völlig atypischen Sonderfall betraf, ist dieses beispielsweise nicht geschehen.

II. Lösungsvorschläge Überlegungen, wie die Sportanlagen-Wohnumwelt-Problematik für alle Seiten zufriedenstellender gelöst werden kann, können an die dargestellten Schwierigkeiten anknüpfen, mit denen sich die Rechtsprechung konfrontiert sieht. 1. Planungsrechtliche Ansätze Alle Schwierigkeiten – insbesondere aber die Verhärtung der Streitfronten aufgrund langwährender Konflikteskalation – lassen sich selbstverständlich vermeiden, wenn bereits die Planungen so erfolgen, daß es – beispielsweise durch räumliche Trennung – von vornherein zu keinem Konflikt zwischen Wohnbebauung und Sportanlage kommen kann. In diese Richtung geht der Vorschlag, planungsrechtlich für bestimmte Sportanlagen Mindestabstandsgrenzen, wie sie bereits für viele emittierende Gewerbeanlagen bestehen, festzulegen.30 Ein Patentrezept kann hierin aber aus zwei Gründen nicht gesehen werden. Zum einen löst es nicht die Probleme bestehender Sportanlagen, die nicht nur zahlenmäßig, sondern auch vom Konfliktpotential her im Vordergrund stehen. Insofern ist bezüglich der Altanlagen eher ein 28

Hierauf weist E. Deutsch VersR 1984, 1005 hin. Vgl. Fn. 1 und l7. 30 H. Meurers, (VDI) schlägt in: CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hrsg.), Sport und Umwelt – Eine Dokumentation zum Hearing der CDU am 18. 05. 1984 in Bonn, S. 40, bei Tennisplätzen Entfernungsbereiche von 40 bis 150 m vor. 29

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konfliktfördernder Effekt zu erwarten. Zum andern könnten diese Sportanlagen wohl nicht mehr in der Nähe zur Wohnbebauung („Sportplatz um die Ecke“) realisiert werden; dies würde fast zwangsläufig zu anderen Umweltbelastungen – Zunahme des Kfz-Verkehrs – führen. Eine flexible Planung, die die örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse, aber auch die absehbaren Entwicklungen berücksichtigt, wäre von vornherein ausgeschlossen. Zuzustimmen ist hingegen dem Vorschlag Gelzers31, die Baunutzungsverordnung32, die bisher Spiel- und Sportanlagen nur pauschal ohne Berücksichtigung eines etwaigen Störungsgrades erwähnt, zu präzisieren. Gelzers Ansatz geht dahin, zwischen „nicht störenden“, „nicht wesentlich störenden“ und „sonstigen“ Sportanlagen zu differenzieren. Beispielsweise sollen in allgemeinen Wohngebieten (§ 4 BauNVO) „den Bewohnern des Gebietes dienende, nicht wesentlich störende Spielund Sportanlagen“ zulässig sein. Dieser Vorschlag erweist sich einerseits als erster Vorstoß in Richtung Konkretisierung der planungsrechtlichen Vorgaben. Andererseits beläßt er den Genehmigungsbehörden einen hinreichenden Entscheidungsraum. Schon jetzt sollte allerdings das vorhandene planungsrechtliche Instrumentarium von den planaufstellenden Gemeinden mehr genutzt werden, um für Neubauten durch frühzeitige Festlegungen, die auch den absehbaren Bedarfsentwicklungen Rechnung tragen, Sportanlagen-Wohnumwelt-Konflikte weitgehend zu vermeiden. Der Festsetzung von Sportanlagen in Sonderflächen (§ 11 BauNOV), in Grünflachen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BBauG) oder in Flächen für den Gemeinbedarf (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG) kommt insofern besondere Bedeutung zu.33 Durch eine offene Gestaltung des Planaufstellungsverfahrens, die mit der Bürgerbeteiligung bereits in § 2a BBauG vorgesehen ist, ist eine umfassende Interessenberücksichtigung prinzipiell gewährleistet. Diese hilft, Planungsfehler von vornherein zu vermeiden. Ergänzend empfiehlt sich die Anhörung der lokalen Untergliederungen des DSB, die allerdings – nach der Konzeption des Bundesbaugesetzes – nicht als Träger öffentlicher Belange angesehen werden können.34 Durch rechtzeitige Planung und Information der Eigentümer bestehender Sportanlagen könnte auch das von diesen häufig erst zu spät erkannte Problem der heranrückenden Wohnbebauung frühzeitig einer Lösung zugeführt werden.35 In diesem Stadium sind Verhandlungen mit den 31

K. Gelzer, in: Festschrift f. H. Korbion (Fn. 6), 119 ff. Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke i. d. F. v. 15. 09. 1977 (BGB1.1, 1763). 33 K. Gelzer, Umweltbeeinträchtigungen durch Sportanlagen aus öffentlich-rechtlicher (planungsrechtlicher) Sicht (Fn. 6), 89 f.; G. Lang UPR 1985, 191. 34 Vgl. hierzu die Forderung von B. Billion (DSB), Schutz der Umwelt – Vorwand gegen den Sport oder zentrale Aufgabe für den Sport?, in: Bensberger Protokolle Nr. 43 der ThomasMorus-Akademie, 1984, 57 (71 f.). Ablehnend auch G. Lang UPR 1985, 191. 35 Hierauf weisen auch K. Gelzer, Umweltbeeinträchtigungen aus öffentlich-rechtlicher (planungsrechtlicher) Sicht (Fn. 6), 83 und die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU und der F.D.P. vom 22. 03. 1984 (BT-DrS X/1169, 6) hin. 32

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Bauwilligen über die Einräumung einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), in der die Geltendmachung von Eigentumsrechten gegenüber den Sportanlagen-Grundstücken ausgeschlossen wird, noch erfolgversprechend, wenn ein angemessener finanzieller Ausgleich angeboten wird. Abgesehen von der Frage der zivilrechtlichen Wirkung des Planungsrechts sind dessen Möglichkeiten jedoch aus zwei Gründen begrenzt. Erstens ist das Planungsrecht auf Prognosen angewiesen und kann demgemäß nur eine relativ grobe Steuerung leisten. Zweitens lassen sich durch planungsrechtliche Festsetzungen die im Zusammenhang mit Altanlagen stehenden (latenten) Konflikte allenfalls in noch unbeplanten Gebieten entschärfen. 2. Konkretisierung und Harmonisierung der Entscheidungsmaßstäbe Ausgehend von den oben ermittelten Schwierigkeiten der Rechtsprechung bietet sich eine Verbesserung der Entscheidungsmaßstäbe in zwei Richtungen an: Zum einen ist eine Konkretisierung der Entscheidungsmaßstäbe, etwa im Wege der Quantifizierung, zu erwägen; zum andern ist zu fragen, ob und inwieweit öffentlichund zivilrechtliche Entscheidungsmaßstäbe aufeinander abgestimmt werden können. Dabei ist zweckmäßigerweise danach zu differenzieren, ob es um die prinzipielle Zulässigkeit (das „Ob“) der Sportanlage gerade an dieser Stelle oder um das Ausmaß ihrer Nutzung (das „Wie“) geht. Mit dieser Differenzierung können – zumindest bei der Errichtung von Sportanlagen – volkswirtschaftlich unerwünschte Fehlinvestitionen vermieden werden. a) Die Entscheidung über die prinzipielle Zulässigkeit der Sportanlage Eine Entscheidung über die prinzipielle Zulässigkeit der Sportanlage gerade an dieser Stelle (Standortentscheidung) enthält zugleich eine erste Vorentscheidung über die Verträglichkeit oder Unverträglichkeit der Nachbarschaft von Wohnen und Sport. Hinreichend konkrete Angaben über die prinzipielle (planungsrechtliche) Zulässigkeit – das „Ob“ – von Sportanlagen können insbesondere den Vorschriften der Baunutzungsverordnung entnommen werden.36 Problematisch ist insoweit deshalb nicht so sehr die mangelnde Konkretheit als die fehlende Harmonisierung öffentlich- und zivilrechtlicher Entscheidungsmaßstäbe. Zivilgerichte können auch dann jegliche Nutzung der Sportanlage untersagen, wenn sie planungsrechtlich zulässig ist und eine rechtmäßige Baugenehmigung vorliegt. Grund für derartige Ergebnisdivergenzen ist, daß die Zivilgerichte bei der Prüfung der Frage, ob die Eigentumsbeeinträchtigung gem. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zu dulden ist, auf die Ortsüblichkeit, nicht aber auf die Plankonformität oder die Erteilung der Baugenehmigung abstellen.37 36 Siehe hierzu die Übersicht bei K. Gelzer, Umweltbeeinträchtigungen durch Sportanlagen aus öffentlich-rechtlicher (planungsrechtlicher) Sicht (Fn. 6), 83 f. 37 BGH LM Nrn. 5, 11 und 39.

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Überlegungen zur Harmonisierung von öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Entscheidung können nicht an die Erteilung der Baugenehmigung anknüpfen, da diese ausdrücklich unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird. Ebensowenig kommt eine Präklusion privatrechtlicher Abwehransprüche aufgrund § 14 1. Halbsatz BImSchG in Betracht. Sportanlagen bedürfen nicht der hierzu erforderlichen förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung38. Eine Aufnahme der besonders konfliktträchtigen – nicht zu gewerblichen Zwecken betriebenen – Tennisund Bolzplätze in die Liste der Anlagen, die einer förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, würde einen Systembruch darstellen. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sind nämlich nur solche Anlagen betroffen, die in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen. Eine Harmonisierung von privatem Nachbarrecht und öffentlichem Bauplanungsrecht könnte jedoch erstens dadurch erreicht werden, daß bei der Auslegung des für die Duldungspflicht gem. §906 Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblichen Begriffs „Ortsüblichkeit“ nicht nur die tatsächliche Nutzung, sondern auch die bauplanungsrechtlich zugelassene Nutzung berücksichtigt wird.39 Eine bauplanungsrechtlich zulässige Sportanlage wäre danach ihrer Art nach auch ortsüblich. Ob allerdings der konkrete Betrieb der Sportanlage – Differenzierungen sind z. B. nach Wochentag und Tageszeit möglich – eine dem Umfang oder Grad nach ortsübliche Benutzung i. S. v. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, wäre im Einzelfall nach den Maßstäben zu entscheiden, die für die Bestimmung des Ausmaßes der Nutzung heranzuziehen sind.40 Denn die Ortsüblichkeit einer bestimmten Art emittierender Anlagen bedeutet nicht, daß alle von einer solchen Anlage herrührenden Immissionen zu jeder Tages- und Nachtzeit ortsüblich sind.41 Eine Harmonisierung von privatem Nachbarrecht und öffentlichem Bauplanungsrecht könnte zweitens dadurch erreicht werden, daß der Bebauungsplan als Rechtsnorm anerkannt wird, die auch Inhalt und Schranken des nachbarlichen Grundeigentums bestimmt. Bei einer plankonformen Nutzung – etwa als Tennisplatz – würden dem Nachbarn so Duldungspflichten i. S. v. § 1004 Abs. 2 BGB

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§ 4 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen v. 14. 02. 1975 führt in den Nrn. 39 und 40 lediglich Motorsportanlagen sowie Schießstände und -plätze für das vereinfachte Genehmigungsverfahren auf. Dieses begründet jedoch keine Präklusionswirkung. 39 R. Breuer, Baurechtlicher Nachbarschutz, DVBl. 1983, 431 (438 f.). H. Johlen BauR 1984, 137; H.-J. Birk NVwZ 1985, 697; MK-Säcker, § 906, Rdnr. 87; de lege ferenda auch H. Hagen UPR 1985, 200. 40 Dazu sogleich unter II. 2. b). 41 Die Rechtsprechung differenziert für die Bestimmung der ortsüblichen Benutzung i. S. v. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zutreffend nach Art und Umfang/Grad der Benutzung des Grundstücks. BGH NJW 1983, 751 f. = WM 1983, 176 stellt z. B. darauf ab, ob die Benutzung des Grundstücks während der Arbeits- oder der Freizeit erfolgt.

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auferlegt, die wegen ihrer Spezialität der allgemeinen Regelung des nachbarlichen Baunutzungskonfliktes in § 906 BGB vorgehen.42 Diese Überlegungen dürften zwar auf eine psychologische Barriere bei den Zivilgerichten stoßen, die sich immer schwer tun werden, in ihren Entscheidungen einen Primat des öffentlichen Rechts anzuerkennen. Gewichtige Argumente sprechen aber – hinsichtlich der Entscheidung über das „Ob“ – dafür. Dem wirksamen Bebauungsplan liegt eine umfassende Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Belange zugrunde.43 Diese Form der Konfliktregelung entspricht in besonderem Maße der Befriedungsfunktion des Rechts. Zudem legen es volkswirtschaftliche Gründe – Vermeidung von Fehlinvestitionen – und das Gebot der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung nahe, bei planungsrechtlicher Zulässigkeit der Sportanlage auch eine privatrechtliche Duldungspflicht des Grundstücksnachbarn zu bejahen, soweit die prinzipielle Zulässigkeit – das „Ob“ – der Sportanlage in Frage steht. Dies muß zumindest dann gelten, wenn die planerischen Festsetzungen so konkret sind, daß die Konfliktsituation Sportanlage ./. Nutzung des Nachbargrundstücks hinreichend gewürdigt werden kann.44 Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung ergibt sich insofern der Vorrang der wirksamen öffentlich-rechtlichen Planungsentscheidung gegenüber den privatrechtlichen Nachbarrechten. Dies hat natürlich zur Konsequenz, daß die Zivilgerichte inzidenter letztlich auch die Wirksamkeit des Bebauungsplanes – insbesondere aber die Beachtung des Abwägungsgebotes des § 1 Abs. 6 u. 7 BBauG – überprüfen. Mit der Entscheidung über das „Ob“ – den Standort – der Sportanlage ist zugleich eine erste Entscheidung über das „Wie“ getroffen. Anlagentypische Nutzungen können nach diesem Ansatz von den Zivilgerichten nicht mehr völlig untersagt werden, wenn sie in die zur planungsrechtlichen Zulässigkeit führende Abwägung einbezogen worden sind. Sie unterliegen hinsichtlich ihres konkreten Ausmaßes – insbesondere was die Zeitkomponente betrifft – aber weiterhin den zivilrechtlichen Maßstäben der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit.45 Damit relativiert sich auch das Hauptargument derjenigen, die eine Berücksichtigung eines wirksamen Bebauungsplanes bei der Bestimmung der Ortsüblichkeit in § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB

42 H.-J. Papier, Wirkungen des öffentlichen Planungsrechts auf das private Immissionsschutzrecht (Fn. 6), 110 f. und 120; ders. UPR 1985, 77 f.; G. Lang UPR 1985, 190 f.; vgl. auch G. Gaentzsch UPR 1985, 203 u. 210 sowie J. Salzwedel UPR 1985, 211 und J. Schapp, Das Verhältnis von privatem und öffentlichem Nachbarrecht, 1978, 30 ff., 162 ff. u. 241 ff. Ablehnend H. Hagen UPR 1985, 196 ff. mit eingehender Begründung. 43 U. Diederichsen (Fn. 13), 1 konzediert als Schwäche des Zivilrechts, daß es lediglich auf die Regelung individueller Verhältnisse, nicht aber auf Planung ausgerichtet ist. 44 Im Ansatz ähnlich H. Pikart, Bürgerlich-rechtliche Rechtsfragen bei Lärmbelästigungen durch den Betrieb von Sportanlagen im Wohnbereich (Fn. 6), 30 f. m. w. N. 45 Diese Lösung deckt sich im Ergebnis mit dem Beschluß Nr. 52 des 56. Deutschen Juristentages, DB 1986, 2068, daß der Bebauungsplan nicht abschließend über die Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit i. S. v. § 906 BGB entscheidet.

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ablehnen.46 Von einer Präklusion privatrechtlicher Abwehransprüche durch Bebauungspläne und einer Verlagerung etwaiger planerischer Fehlprognosen auf den betroffenen Grundstückseigentümer kann bei der hier vorgeschlagenen Differenzierung zwischen der Entscheidung über das „Ob“ und derjenigen über das „Wie“ keine Rede sein. Hinsichtlich des Ausmaßes der zulässigen Nutzung bleibt für einen flankierenden und zugleich dynamischen zivilrechtlichen Nachbarschutz insbesondere im Rahmen der Interpretation der Ortsüblichkeit i. S. v. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hinreichend Raum. Für den unbeplanten Innenbereich und den Außenbereich greifen diese Überlegungen nicht. Zwar sind die Kriterien der §§ 34 und 35 BBauG differenzierter als diejenigen, die § 906 BGB mit der Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit zur Verfügung stellt. Eine zivilrichterliche Berücksichtigung der planungsrechtlichen Zulässigkeitsentscheidung ist jedoch nicht konstruierbar. Insofern bleibt es bei dem Appell an die Planungsträger, durch rechtzeitige Aufstellung von Bebauungsplänen Konfliktsituationen schon im Ansatz weitgehend zu vermeiden oder zu entschärfen. In extrem gelagerten Einzelfallen kann der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu dem Ergebnis führen, daß der durch die Sportimmissionen betroffene Nachbar sich nicht mehr gegen die Existenz der Sportanlage wenden kann. Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn er durch langjährige stillschweigende Duldung der Anlage seinen Eigentumsfreiheitsanspruch verwirkt hat oder sich bei zeitlicher Priorität der Sportanlage zu seinem eigenen Verhalten – Ausnutzen des Minderwertes des Grundstücks beim Kauf – in Widerspruch setzt.47 b) Die Entscheidung über das Ausmaß der Nutzung der Sportanlage Ist nach diesen Maßstäben eine Sportanlage an einer bestimmten Stelle prinzipiell zulässig und damit vom Nachbarn zu dulden, so stellt sich die interessantere und praktisch wichtigere Anschlußfrage nach dem Ausmaß der zulässigen Nutzung. Diese Frage nach dem „Wie“ der Nutzung kann Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Nachbarklage gegen die zuständige Behörde sein, der Baugenehmigung (nachträglich) Auflagen beizufügen oder bestimmte Nutzungen (zeitweise) zu untersagen. Sie kann auch Gegenstand zivilrechtlicher Beseitigungs- und Unterlas46 De lege lata H. Hagen UPR 1985, 199 f.; P. Marburger, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und öffentlichen Rechts, Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag, 1986, C 105; U. Diederichsen (Fn. 13), 11 mit der Begründung, der Zivilrechtler wäre ansonsten den Velleitäten des öffentlichen Rechts ausgeliefert. 47 H. Pikart (Fn. 6), 32 ff.; C. Krähe (Fn. 6), 34 leitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben umgekehrt die Pflicht des Störers ab, zur Beseitigung der Störung sinnvoll beizutragen. Für eine weitergehende Anwendung des § 242 BGB als Korrektiv des § 906 BGB H. Köhler Jura 1985, 228 f., der mit diesem Ansatz den Weg zu einer auf den Einzelfall bezogenen Interessenabwägung eröffnet.

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sungsklagen gem. § 1004 Abs. 1 BGB oder Vorfrage nachbarrechtlicher Ausgleichsansprüche gem. § 906 Abs. 2 BGB sein. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist zum einen, daß mit der Entscheidung über die prinzipielle Zulässigkeit zugleich bereits die Grundentscheidung über das zulässige Ausmaß der Nutzung der Sportanlage getroffen ist. Es geht bei der Frage des „Wie“ der Nutzung also nur noch um eine Art „Feinsteuerung“. Zum anderen ist zu bedenken, daß auch hinsichtlich der Entscheidung über das Ausmaß der Nutzung die Entscheidungs- und Begründungsschwierigkeiten aus der Konkretisierungsbedürftigkeit sowie der unzureichenden Abstimmung öffentlichrechtlicher und zivilrechtlicher Entscheidungsmaßstäbe resultieren. Die wünschenswerte Konkretisierung und Harmonisierung der Entscheidungsmaßstäbe darf aber nicht an den funktionsspezifischen Anforderungen einer „Feinsteuerung“ vorbeigehen. Hierzu gehört, daß die Konkretisierung nicht dazu führen darf, daß besondere Umstände des einzelnen Falles ausgeblendet werden. Vermieden werden sollte weiterhin – nicht zuletzt aus psychologischen Gründen – eine Harmonisierung, die dazu führt, daß die Zivilgerichte durch öffentlich-rechtliche Vorgaben oder umgekehrt die Verwaltungsgerichte durch zivilrechtliche Kriterien bei der Entscheidung über das zulässige Ausmaß der Nutzung der Sportanlage gebunden werden. Anzustreben sind deshalb zum einen eine Konkretisierung ohne Flexibilitätsverlust und zum anderen eine Harmonisierung ohne Dominanz. An diesen Prüfsteinen werden im folgenden drei Lösungsansätze gemessen: die Normierung von Mindestabständen und Immissionshöchstwerten [dazu aa)], Immissionsrichtwerte [dazu bb)] und schließlich ein speziell für Sportimmissionen zu entwickelnder Raster von Immissionsbandbreiten [dazu cc)]. aa) Mindestabstände und Immissionshöchstwerte Die angestrebte Konkretisierung und Harmonisierung der Entscheidungsmaßstäbe könnte dadurch erreicht werden, daß durch Gesetz oder Rechtsverordnung sportanlagenspezifische Mindestabstände und/oder Immissionshöchstwerte nebst Meßmethoden festgeschrieben werden. Dieser Ansatz hätte zwar den Vorteil, die Entscheidung des Nachbarschaftskonflikts vorhersehbar zu machen. Auch könnte man gesetzliche Verwirkungsregelungen48 für bereits bestehende Sportanlagen damit verbinden, so daß Altkonflikte nach einigen Jahren nicht mehr erfolgreich gerichtlich aufgegriffen werden könnten. Als gravierender Nachteil erweist sich jedoch, daß eine hinreichend konkrete Regelung zugleich zu einem erheblichen Verlust an Flexibilität führt. Die Gerichte wären auf die Prüfung beschränkt, ob die betreffende Sportanlage den geforderten Abstand hat und/oder ob die das Nachbargrundstück beeinträchtigenden Immissionen unter oder über dem vorgegebenen Immissionshöchstwert liegen. Ein gerichtlicher Gestaltungsraum, in den die spezi48 Solche Verwirkungsregelungen enthalten z. B. §§ 3 u. 47 NachbarrechtsG NW hinsichtlich der Beseitigungsansprüche, die bei Nichteinhaltung der für Gebäude und Anpflanzungen vorgeschriebenen Grenzabstände gegeben sind.

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fischen Umstände des konkreten Falles einfließen und der zu einer Aufweichung der verhärteten Fronten der Nachbarn führen könnte, wäre hierbei nicht eröffnet. Mindestabstände oder Immissionshöchstwerte sollten deshalb nicht normiert werden. bb) Immissionsrichtwerte Bereits oben49 wurde festgestellt, daß die Rechtsprechung zur Konkretisierung sowohl der zivil- als auch der öffentlich-rechtlichen globalen Entscheidungsmaßstäbe überwiegend – sei es unmittelbar, sei es mit Modifizierungen – auf die Immissionsrichtwerte der TA Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 zurückgreift. Die Immissionsrichtwerte haben somit in der Praxis erwiesen, daß sie das Kriterium der nichtdominanten Harmonie erfüllen. Die nichtschematische Anwendung der Immissionsrichtwerte hat aber zugleich auch gezeigt, daß sie nicht als optimale Konkretisierungen der unbestimmten zivil- und öffentlich-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe angesehen werden. Insbesondere sind die ihnen zugrundegelegten Gebiets- und Zeitraster nur unzureichend differenziert50. Darüber hinaus gehen der Festlegung der Richtwerte Wertungen voran, die mit den Spezifika der SportWohnumwelt-Problematik nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen sind.51 Es kann deshalb nicht verwundern, daß die Gerichte der Faszination der Immissionsrichtwerte der TA Lärm und der VDI-Richtlinie 2058 nicht völlig erliegen. Die erwähnten Kritikpunkte könnten in einer Neufestlegung von sportanlagenspezifischen Immissionsrichtwerten berücksichtigt werden. Diese Immissionsrichtwerte könnten zugleich hinreichend konkrete Gebiets- und Zeitraster sowie problemspezifische Wertungen zugrunde legen. Ein Versuch in dieser Richtung sind die vom Länderausschuß fur Immissionsschutz verabschiedeten Hinweise zur Beurteilung des durch Freizeitaktivitäten verursachten Lärms52. Dieser Versuch mußte jedoch schon deshalb scheitern, da nicht alle interessierten Kreise angehört wurden und damit eine breite Akzeptanz nicht erreicht werden konnte. Möglich erscheint jedoch, unter Berücksichtigung unterschiedlichen fachlichen und interessengebundenen Sachverstandes sportanlagenspezifische Immissionsrichtwerte festzulegen, die von den betroffenen Interessengruppen prinzipiell akzeptiert werden können. Gelänge auf diese Weise eine hinreichend differenzierende Konkretisierung, so bliebe die weitere Anforderung eines ausreichenden Maßes an Flexibilität, das es erlaubte, die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Immissionsrichtwerte lassen schon begrifflich Abweichungen zu. Mit einem Katalog von Zu- und Abschlägen könnten dem Anwender auch Orientierungen an die Hand gegeben werden, in welchem Umfang er von den Richtwerten abweichen kann. Zweifel müssen jedoch in zweifacher Hinsicht angemeldet werden. Zum einen 49

Siehe oben I. 3. c). Siehe oben I. 3. c). 51 Siehe oben I. 3. c). 52 Siehe oben Fn. 25. 50

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dürfte es kaum möglich sein, alle relevanten Aspekte abschließend zu erfassen. Zum anderen hat gerade die sogenannte „Zuschlagspraxis“ bei auffälligen Geräuschen in ruhebedürftigen Zeiten53 gezeigt, daß es ausgesprochen schwer ist, insoweit zu allgemein akzeptierten Werten zu gelangen. Sport-Wohnumwelt-Konflikte lassen sich schwerlich mit einem geschlossenen Punktsystem erfassen und in einer mathematischen Gleichung lösen. Sportanlagenspezifische Immissionsrichtwerte sind deshalb im Ergebnis ein Schritt in die richtige Richtung. Die Flexibilitätseinbuße ist jedoch noch zu groß, um die gewünschte Kompromißbereitschaft der streitenden Parteien und damit die Akzeptanz richterlicher Entscheidungen erreichen zu können. cc) Immissionsbandbreiten Die Diskussion der Immissionsrichtwerte liefert den Ausgangspunkt für einen Lösungsansatz, der mit den Vorzügen der Immissionsrichtwerte die Förderung der Kompromißbereitschaft der Parteien verbindet. Speziell für Sportimmissionen sollten – unter Verwertung repräsentativen Sachverstandes nach Anhörung aller interessierten Kreise in einem offenen Verfahren – sowohl das Meßverfahren und die Meßmethoden als auch ein differenzierter Raster von Immissionsbandbreiten festgelegt werden. Hiermit könnten die zivil- und öffentlich-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe konkretisiert und harmonisiert werden. Im einzelnen bedeutet dies: Durch die Repräsentanz unterschiedlichen fachlichen und interessengebundenen Sachverstandes – sei es in einem interdisziplinaren Expertengremium selbst, sei es durch Einholung von Sachverständigengutachten oder in Form von Hearings – wird aufgrund der fachlichen Legitimation die Akzeptanz dieser Expertenempfehlungen für alle Betroffenen erhöht. Es wird von vornherein vermieden, daß – wie es bei den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz54 geschehen ist – Aussagen zustande kommen, die von einzelnen Interessengruppen schon deshalb nicht akzeptiert werden, weil sie nicht einmal angehört worden sind. Wegen der Kumulation und Neutralisierung fach- und interessenspezifischen Sachverstandes sind die Expertenempfehlungen für die Zivil- und Verwaltungsgerichte besser zu verwerten als die bisher in der TA Lärm und der VDI-Richtlinie 2058 genannten Immissionsrichtwerte. Die Gerichte können die Expertenempfehlungen als „antizipierte Sachverständigengutachten“55 behandeln. Hiermit wird das Gerichtsverfahren entlastet.56 53

Kritisch gegenüber den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung von Freizeitlärm H.-J. Papier NVwZ 1986, 624 ff. 54 Siehe hierzu oben I. 3. c), insbesondere Fn. 25. 55 Vgl. zur Bezeichnung und rechtlichen Wirkung der „antizipierten Sachverständigengutachten“ oben Fn. 27. 56 Allerdings sind die Gerichte nur unter ganz besonderen Voraussetzungen rechtlich an die in den „antizipierten Sachverständigengutachten“ enthaltenen Aussagen gebunden. Vgl. zu den Anforderungen im einzelnen K. Vieweg, Antizipierte Sachverständigengutachten – Funktion, Verwertungsformen, rechtliche Bedeutung, NJW 1982, 2473 ff.

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Bezüglich der Meßmethoden und des Meßverfahrens sollte gewährleistet sein, daß die Messungen nicht nur einheitlich durchgeführt und durch Auswahl der Meßgeräte Meßungenauigkeiten vermieden werden. Es sollte zugleich sichergestellt sein, daß die Messungen und Auswertungen weitgehend wertungsfrei erfolgen. Es sollten daher sowohl der Dauerschallpegel als auch etwaige Spitzenpegel auf hinreichender empirischer Grundlage stundenweise dokumentiert werden. Zudem sollte die Art der Geräusche – Impulshaltigkeit, Informationswert usw. – systematisch erfaßt werden. Der vorgeschlagene Raster von Immisssionsbandbreiten konkretisiert die unbestimmten zivil- und öffentlich-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe. Er ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet. Erstens enthält er keine festen Richtwerte, sondern gibt Bandbreiten (z. B. 55 – 60 dB [A]) an. Die Untergrenze bezeichnet – nach Auffassung der Experten – jeweils die zu akzeptierende, die Obergrenze die nicht mehr akzeptable Immission. Extremfälle außerhalb der Bandbreite werden auf diese Weise von vornherein ausgegrenzt. Eine Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist insoweit nicht zu erwarten. Zweitens werden diese Immissionsbandbreiten in Beziehung gesetzt zu den für den Sport-Wohnumwelt-Konflikt spezifischen Kriterien. Diese sind: die (plan-) gebietsspezifische Umgebungssituation (Situationsgebundenheit des Grundstücks), Immissionsart und Emissionsquelle (Tennisplatz, Bolzplatz) sowie Monat, Wochentag und Tageszeit. Innerhalb der Immissionsbandbreiten ist Raum für die richterliche Berücksichtigung fallspezifischer Besonderheiten. Diese können sein: die objektive Bedarfssituation, Ausweichmöglichkeiten, besondere Beeinträchtigungen der Anwohner aufgrund deren subjektiver Situation, die Kosten für Immissionsschutzvorkehrungen, die Möglichkeit der Übernahme dieser Kosten durch die Kommune usw. Mit diesem Ansatz wird ein geringeres Maß an Rechtssicherheit bewußt eingesetzt, um die starre Konfliktfront der streitenden Parteien aufzuweichen und deren Verhandlungsbereitschaft zu fördern. Die Vorgabe der Bandbreiten eröffnet für die Zivil- und Verwaltungsgerichte einen Entscheidungsraum, der ihnen ermöglicht, die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Faszination der Bandbreite tritt an die Stelle der Faszination der Richtwerte. Die Gerichte können wegen der wiedergewonnenen Verhandlungsbereitschaft Vorschläge (z. B. Ausgleichszahlungen gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB; Lärmschutzvorkehrungen) unterbreiten, die Aussicht haben, als Vergleich akzeptiert zu werden57. Wegen des öffentlichen Interesses an der Nutzung bereits erstellter Sportanlagen ist dabei in die Überlegungen einzubeziehen, daß Ausgleichszahlungen und/oder Kosten für

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E. Deutsch VersR 1984, 1004 weist zutreffend darauf hin, daß die durch die Novellierung der § 906 BGB im Jahre 1959 geschaffenen Möglichkeiten mehr genutzt werden sollten. P. Marburger (Fn. 46), C 113 erwähnt die Möglichkeit, den nachbarlichen Interessenkonflikt durch Erteilung von Auflagen technischer und organisatorischer Art an den Emittenten unter möglichst weitgehender Wahrung der beiderseitigen Belange gestaltend zu entscheiden.

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Schutzvorkehrungen möglicherweise von der Gemeinde58 oder anderen Institutionen der Sportförderung übernommen werden. Die Öffnung eines Entscheidungsraums für die Gerichte dürfte zudem positive Rückkoppelungseffekte bei denjenigen auslösen, die an Sport-Wohnumwelt-Konflikten beteiligt sind. Es ist zu vermuten, daß außergerichtliche Konfliktlösungen an Bedeutung gewännen.

III. Zusammenfassung Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren in zunehmendem Maße über Klagen der Nachbarn von Sportanlagen zu entscheiden gehabt. In erster Linie ging es dabei um die von Tennis- und Bolzplätzen sowie Stadien ausgehenden Geräusche. In der Mehrzahl der entschiedenen Fälle wurde der Sportbetrieb untersagt oder beschränkt. Die Analyse der Rechtsprechung läßt folgende Probleme erkennen, mit denen sich die Zivil- und Verwaltungsgerichte konfrontiert sehen: die Kompromißlosigkeit der Beteiligten, die Konkretisierungs- und Harmonisierungsbedürftigkeit der zivil- und öffentlich-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe, die Messung und objektive Bewertung der Immissionen, der fehlende gerichtliche Gestaltungsfreiraum sowie das gesteigerte Interesse der Medien und der Öffentlichkeit. Für die zentrale Frage der Konkretisierung und Harmonisierung der unbestimmten zivil- und öffentlich-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe wird vorgeschlagen, danach zu differenzieren, ob es sich um die prinzipielle Zulässigkeit (das „Ob“) der Sportanlage gerade an dieser Stelle oder um das Ausmaß ihrer Nutzung (das „Wie“) handelt. Für die Standortentscheidung (das „Ob“) wird der Vorrang der wirksamen öffentlich-rechtlichen Planungsentscheidung gegenüber den privaten Nachbarrechten anerkannt. Hinsichtlich der Entscheidung über das Ausmaß der Nutzung der Sportanlage (das „Wie“) wird eine Konkretisierung und Harmonisierung zivil- und öffentlich-rechtlicher Entscheidungsmaßstäbe in einem speziell für Sportimmissionen zu entwickelnden differenzierten Raster von Immissionsbandbreiten vorgeschlagen. Dieser Raster gibt Raum für die richterliche Berücksichtigung fallspezifischer Besonderheiten und dürfte die Kompromißbereitschaft der Beteiligten fördern.

58 G. Lang UPR I98S, 186 f. nennt Beispiele, in denen die Stadt Stuttgart die durch Lärmschutzmaßnahmen entstehenden Mehrkosten übernommen hat.

Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen* I. II. III. IV. V. VI.

Legitimationsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Dogmatische Grundlage und Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Reichweite und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Verhältnis der Inhaltskontrolle zur Tatsachen- und Subsumtionskontrolle . . . . . . . . 98 Geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen gehört zu den klassischen Problemen des Verbandsrechts. Sie bildet den neuralgischen Punkt im Verhältnis von Verbandsautonomie und staatlicher Kontrollkompetenz. Zusammen mit der Tatsachenund Subsumtionskontrolle gibt die Inhaltskontrolle in den praktisch wichtigsten Fällen kontrollbedürftiger Verbandsmacht – den Verbandsstrafen und sonstigen nachteiligen Verbandsentscheidungen – den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung an. Die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen kennzeichnete bis in die jüngste Vergangenheit ein hohes Maß an Zurückhaltung1 und Unausgewogenheit.2 Mit Urteil vom 24. 10. 1988 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs3 Forderungen des Schrifttums folgend seine frühere restriktive Rechtsprechung zumindest teilweise aufgegeben. Er bejaht nunmehr bei Verbänden mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine Inhaltskontrolle der Verbandsnormen gemäß § 242 BGB, hält aber im übrigen an der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle fest. Mit dem Urteil vom 24. 10. 1988 hat die dynamische Entwicklung, die die Rechtsprechung in den letzten Jahren genommen hat, einen vorläufigen Endpunkt erreicht. Neben eine volle Tatsachenkontrolle4 und eine erweiterte Subsumtionskontrolle bei Verbänden mit überragen* Erstveröffentlichung in H. Leßmann/B. Großfeld/L. Vollmer (Hrsg.), Festschrift f. Rudolf Lukes, Köln/Berlin/Bonn/München 1989, S. 809 – 823. 1 Überblick bei V. Röhricht, Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen. Bestandsaufnahme und Ausblick, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 75 ff. 2 K. Vieweg, JZ 1984, 169 m. w. N.; kritisch zur uneinheitlichen Rechtsprechung des BGH auch H. Buchner, Probleme des Verbandsrechts aus der Sicht des deutschen Zivil- und Arbeitsrechts, in: K. M. Meessen (Hrsg.), Verbände und europäische Integration, 1980, S. 16 f. 3 BGH, WM 1989, 184 ff. = ZIP 1989, 14 ff.; dazu V. Beuthien, WuB L. § 25 BGB 1.89. 4 BGHZ 87, 337 (344) = JZ 1984, 186 (187) = NJW 1984, 918 = WM 1983, 1208; dazu W. Herschel, AuR 1984, 160; K. Vieweg, JZ 1984, 167 ff.; W. Baecker, NJW 1984, 906 f.; D. Leipold, ZGR 1985, 113 ff.

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der Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich5 ist nunmehr eine entsprechende Inhaltskontrolle der Verbandsnormen getreten. Trotz dieser insgesamt gewiß positiven Entwicklung bleiben entscheidende Fragen klärungsbedürftig: die Legitimation des Staates zur Zulassung und Kontrolle privater Normsetzung (dazu I.), die dogmatische Grundlage und der Kontrollmaßstab (dazu II.), die Reichweite und der Umfang der Inhaltskontrolle der Verbandsnormen (dazu III.), das Verhältnis der Inhalts- zur Tatsachen- und Subsumtionskontrolle (dazu IV.) sowie die Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion (dazu V.).

I. Legitimationsfragen Verbandsautonome Normsetzung und staatliche Kontrolle stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis. Will man es auflösen, muß man zunächst drei Legitimationsfragen auseinanderhalten: Verfügt der Staat über eine Legitimation zur Zulassung privater Normsetzung? Bejahendenfalls: Ist er zugleich zu deren Kontrolle legitimiert? Und: Worin besteht die Legitimation der Verbände zur Normsetzung gegenüber ihren Mitgliedern? Das Erfordernis einer besonderen Legitimation des Staates, private Normsetzung zuzulassen, ergibt sich aus verschiedenen Gründen. Erstens kann der Staat dadurch, daß er privater Normsetzung Geltung – rechtliche Wirkung – verschafft, seine eigene Stellung als Träger der Rechtsordnung schwächen: Er gefährdet möglicherweise seine Souveränitat. Zweitens wirkt der Staat durch die Geltungsverschaffung bei gleichzeitigem Verzicht auf eine eigene Regelung an der privaten Normsetzung mit; er muß sein Handeln – insbesondere die Erzeugung rechtlicher Wirkungen – aber stets verfassungsrechtlich legitimieren. Drittens ermöglicht der Staat mit der Zulassung privater Normsetzung die Ausübung sozialer Macht, die nicht demokratisch legitimiert ist. Hier verläßt der Staat seine demokratische Legitimationsbasis.6 Die staatliche Zulassung privater Normsetzung läßt sich nicht nur mit Traditionsargumenten7, sondern auch mit der partiellen Offenheit der deutschen Rechtsordnung für fremdes Recht begründen.8 Diese Offenheit kommt im Hinblick auf staatlich gesetztes Recht in Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 GG sowie in den IPR-Vorschriften des EGBGB zum Ausdruck. Gegenüber privater Normsetzung macht Art. 20 Abs. 3 GG die Offenheit der deutschen Rechtsordnung deutlich, denn die 5 BGH, WM 1987, 1422 (1425) im Anschluß an D. Reuter (MünchKomm-Reuter, § 25, Rnr. 32 ff.). Dazu W. Hadding/F. v. Look, ZGR 1988, 273. 6 Vgl. zur Begründung des Erfordernisses einer Legitimation staatlicher Zulassung privater Normsetzung auch F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, S. 506 f. 7 Vgl. E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, 4. Bd., 1969, S. 991; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 511. 8 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 508 u. 525 bejaht eine prinzipielle Offenheit der deutschen Rechtsordnung für fremdes Recht.

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Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht schließt das von privaten Gruppen erzeugte Gewohnheitsrecht ein.9 Schließlich und vor allem läßt sich die staatliche Befugnis zur Zulassung privater Normsetzung durch die Grundrechte, insbesondere durch Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 2 Abs. 1 GG legitimieren. Die Grundrechte erweisen sich insofern nicht als Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates, sondern als staatliche Befugnisse, die demselben Ziel dienen sollen: die durch das Grundrecht geschützte Freiheit zu effektuieren.10 Der konkrete Umfang der staatlichen Zulassung privater Normsetzung ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen privater Verbandsnormsetzung. Art. 9 Abs. 1 GG schützt die verbandsautonome Normsetzung.11 Den mit der Verbandsnormsetzung verbundenen Gefahren begegnet die deutsche Rechtsordnung mit einem Konkretisierungs-, Kontroll- und Korrekturvorbehalt.12 Der aus den Pflichten des Privatrechtsgesetzgebers abzuleitende Vorbehalt der Konkretisierung der Verbandsautonomie bedeutet, daß die Verbände ihren Autonomiebereich nicht selbst endgültig konkretisieren dürfen. Eine selbstdefinierte Verbandsautonomie gibt es nicht. Den Konkretisierungsvorbehalt der Legislative ergänzt der Kontrollund Korrekturvorbehalt der Judikative. Er ist aus der allgemeinen rechtsstaatlichen Justizgewährungspflicht abzuleiten, mit der ein jedermann zustehender Justizgewährungsanspruch korrespondiert.13 Da der Privatrechtsgesetzgeber selbst grundrechtsgebunden ist, obliegt ihm, die grundrechtsverbürgten Positionen Privater gegeneinander abzugrenzen und Grundrechtskollisionen durch eine Güterabwägung14 nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz15 – letztlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – zu lösen.16 Der Privatrechtsgesetzgeber ist legitimiert und verpflichtet, den Grundrechten zu größtmöglicher Effektivität zu verhelfen und zugleich Fehlabgrenzungen grundrechtlich geschützter Positionen zu vermeiden. Gleiches gilt für die mit der Nachprüfung von Verbandsentscheidungen befassten Gerichte. Die gerichtliche Kontrolldichte korreliert mit dem durch die Verbands9

R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VI, Rnr. 52. F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 512. 11 Vgl. insbesondere BVerfGE 50, 290 (354 ff.) sowie R. Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 9, Rnr. 84. 12 Dazu im einzelnen K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, später veröffentlichte Münsteraner Habilitationsschrift, 1990, S. 159 ff. 13 E. Schumann, in: Stein/Jonas, Einleitung, Rnr. 204; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. IV, Rnr. 16 u. 104 m. w. N.; E. Benda/A. Weber, ZZP 96 (1983), 292 f. 14 BVerfGE 30, 173 (195); vgl. allgemein zur Lösung von Grundrechtskollisionen durch Güterabwägung H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 28 ff.; zustimmend A. Bleckmann, Staatsrecht II, 1985, S. 315. 15 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1988, Rnr. 72 u. 317 f.; vgl. auch F. Nicklisch, JZ 1976, 110. 16 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rnr. 72; RGRK-Steffen, vor § 21, Rnr. 28 u. 34; D. Reuter, NJW 1987, 2404; vgl. auch BVerfGE 30, 227 (243). 10

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normsetzung verursachten Grad der Grundrechtsgefährdung. Auch für die Rechtsprechung stellt sich damit letztlich die Aufgabe, im Wege der Inhalts-, Tatsachenund Subsumtionskontrolle Grundrechtsfehlabgrenzungen aufzudecken und zu korrigieren. Die Legitimation der Verbände zur Normsetzung gegenüber ihren Mitgliedern findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 9 Abs. 1 GG. Ihre verfassungsrechtlichen Grenzen gegenüber den grundrechtlich geschützten Positionen der Mitglieder werden – wie gezeigt – durch eine Güterabwägung und damit letztlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bestimmt. Als Legitimation der Verbände zur Normsetzung gegenüber ihren Mitgliedern kann der Verbleib eines Mitglieds im Verband nach Gründung oder Beitritt angesehen werden, allerdings mit der Maßgabe, daß im Rahmen gerichtlichen Rechtsschutzes Grundrechtsfehlabgrenzungen aufgedeckt und korrigiert werden können. Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs17 im Anschluß an Reuter18 hinsichtlich des Umfangs der Inhaltsund Subsumtionskontrolle vorgenommene Differenzierung zwischen Verbänden mit und ohne überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich trifft nicht den verfassungsrechtlichen Kern der Legitimationsproblematik. Die als Legitimation zugrunde gelegte Freiwilligkeit der Mitgliedschaft indiziert zwar einen geringeren Grad der Grundrechtsgefährdung durch Verbandsnormsetzung, kann aber nicht das einzige Entscheidungskriterium sein. Im Ergebnis ist also eine Legitimation des Staates zur Zulassung privater Normsetzung durch Verbände ebenso zu bejahen wie die Legitimation der Verbände zur – gerichtlich kontrollierten – Normsetzung. Verfassungsrechtlich vorgegeben ist ein Umfang der staatlichen Kontrolle – insbesondere der Inhaltskontrolle von Verbandsnormen –, der Fehlabgrenzungen grundrechtlich geschützter Positionen des Verbandes einerseits und seiner Mitglieder andererseits aufdeckt und korrigiert. Kollisionen von Grundrechtspositionen sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz – letztlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – zu lösen.

II. Dogmatische Grundlage und Kontrollmaßstab Die Frage, ob eine Inhaltskontrolle der Verbandsnormen – wie der Bundesgerichtshof19 annimmt – aus § 242 BGB abgeleitet werden kann, stellt sich erst, wenn geklärt ist, daß die einschlägigen Verbandsregelungen nicht der Inhaltskontrolle der speziellen Regelung des AGBG unterliegen. Dies setzt voraus, daß die Verbandsregelungen der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG unterfallen, dem zufolge das AGBG keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts findet. Die herrschende Meinung ordnet Verbandssatzungen und -ordnungen – 17

BGH, WM 1987, 1422 (1425); BGH, WM 1989, 184 (187 f.). MünchKomm-Reuter, § 25, Rnr. 25 u. 32. 19 BGH, WM 1989, 184 (187 f.). 18

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entsprechend der erklärten Absicht des Gesetzgebers20 – zutreffend jedenfalls dann dieser Bereichsausnahme zu, wenn sie die Gründung oder die Organisation des Verbandes betreffen und es sich nicht um Austauschverträge zwischen Verband und Mitgliedern handelt.21 Schwierigkeiten bereiten die Regelungen von Austauschbeziehungen, die beispielsweise die Benutzung von Verbandseinrichtungen betreffen. Fraglich ist, ob die zwischen Verband und Mitgliedern in Verbandsnormen geregelten Austauschbeziehungen im Kern verbands- oder schuldrechtlicher Art sind. Insofern ist zu berücksichtigen, daß sich die betreffenden Regelungen – nicht zuletzt, weil sie der Erreichung des Verbandszwecks dienen22 – als wesentliche Elemente der komplexen Beziehung zwischen Verband und Mitgliedern erweisen. Gerade deshalb muß es dem Verband darauf ankommen, im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten den verbandsspezifischen Wertungen, die allgemein die Grundbeziehung zwischen Verband und Mitgliedern prägen, auch für die speziellen Austauschbeziehungen Geltung zu verschaffen. Probates Mittel hierfür ist die normative Ankopplung der – für sich genommen eher wertneutralen – Austauschbeziehungen an die Regelung der verbandsspezifischen Wertungen in Satzung und ergänzenden Nebenordnungen. Geht man nun davon aus, daß einerseits die Grundbeziehung zwischen Verband und Mitgliedern der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG unterfällt und daß andererseits die in Satzung und Nebenordnungen geregelten Austauschbeziehungen dazu in einem engen Zusammenhang stehen sollen,23 so wird deutlich, daß eine isolierte Herausnahme der die Austauschbeziehungen betreffenden Regelungen künstlich, unpraktikabel und interessenwidrig wäre.24 Demgemäß gehören die die Austauschbeziehungen regelnden Verbandsnormen zum Gesellschaftsrecht i. S. v. § 23 Abs. 1 AGBG. Das hat zur Konsequenz, daß die Vorschriften des AGBG grundsätzlich nicht anwendbar sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die erwähnte normative Ankopplung aus20

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 7/3919, S. 41. P. Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § 23, Rnr. 22; Staudinger/Schlosser, § 23, Rnr. 6 u. 8; Löwe/v. Westphalen, § 23 Abs. 1, Rnr. 5; MünchKomm-Kötz, § 23, Rnr. 5; Palandt/Heinrichs, § 23, Anm. 2) a) cc); vgl. BGH, WM 1988, 707 (708) und OLG Frankfurt, BB 1978, 926 hinsichtlich Genossenschaften; a. A. Erman/O. Werner, § 23, Rnr. 8 mit der Begründung, der allgemeine Sprachgebrauch des Begriffs Gesellschaft umfasse keine Vereine; differenzierend B. Grunewald, ZHR 152 (1988), 254 f.; für eine eher restriktive Auslegung hinsichtlich des Vereinsrechts H. Horn, in: Wolf/Lindacher/Horn, Kommentar zum AGBG, § 23, Rnr. 77. 22 Auf den unmittelbaren Bezug zum Zweck der Genossenschaft stellt auch BGH, WM 1988, 707 (708) für die Entscheidung ab, ob eine Satzungsregelung der mitgliedschaftlichen Sphäre angehört. 23 Dies verkennt MünchKomm-Kötz, § 23, Rnr. 6, der das AGBG auf satzungsförmig geregelte Austauschbeziehungen zwischen Verband und Mitgliedern anwenden will. 24 Vgl. zum Vorschlag einer Differenzierung zwischen der Satzung und solchen Nebenordnungen, die die Verbandsorganisation betreffen, einerseits und sonstigen, insbesondere Austauschbeziehungen regelnden Nebenordnungen andererseits B. Grunewald, ZHR 152 (1988), 254 f. Bei dieser Differenzierung unterlägen die auf denselben Innenkonflikt bezogenen Regelungen gegebenenfalls unterschiedlichen Kontrollmaßstäben. 21

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nahmsweise nicht gewollt ist oder aus rechtlichen Gründen – z. B. Nichtbeachtung der normformalen Anforderungen des § 25 BGB25 – scheitert. Die grundsätzliche Unanwendbarkeit des AGBG eröffnet die Möglichkeit, die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen gemäß § 242 BGB vorzunehmen. In der Rechtsprechung haben das OLG Frankfurt26 und das OLG Celle27 ohne Begrenzung auf bestimmte Verbandstypen bejaht, daß Verbandsnormen auf korporationsrechtlicher Ebene einer Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB unterliegen. Nunmehr hat auch der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs28 eine richterliche Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB jedenfalls für die Fälle angenommen, in denen der Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und das Mitglied auf die Mitgliedschaft angewiesen ist. Diese neue Rechtsprechung überrascht insofern nicht, als der Bundesgerichtshof in vergleichbaren Bereichen bereits eine Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB durchgeführt hatte. Zum einen hatte er die Gesellschaftsverträge von Publikums-Kommanditgesellschaften29, zum anderen die die Beziehung zu Nichtmitgliedern regelnden Verbandsnormen30, zum dritten schließlich die satzungsgemäßen Aufnahmevoraussetzungen von Monopolverbänden31 einer allgemeinen Inhaltskontrolle unterzogen. Daneben ließ sich bereits eine spezielle Inhaltskontrolle anhand der zwingenden Grundsätze der Gleichbehandlung und des Verbots rückwirkender nachteiliger Veränderung von Mitgliedschaftsrechten feststellen.32 Auch konnte man die Jägermeister Braunschweig-Entscheidung33 als Übergang zu einer offenen Inhaltskontrolle begreifen, wurde doch erstmals eine Satzungsbestimmung am – wegen seines Schutzzwecks

25 Vgl. zum Verfassungscharakter von Verbandsnormen schon R. Lukes, NJW 1972, 121 ff.; vgl. zum Meinungsstand hinsichtlich des vereinsrechtlichen Verfassungsbegriffs im einzelnen D. Reuter, ZHR 148 (1984), 525 f.; Soergel/Hadding, § 25, Rnr. 1. 26 OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 5 (7); 1981, 391 (392). 27 OLG Celle, WM 1988, 495 (496), bezüglich einer Satzungsbestimmung, die den Rechtsweg gegenüber Mitgliederversammlungsbeschlüssen strikt ausschließt. 28 BGH, WM 1989, 184 (187 f.). 29 BGHZ 64, 238 (241 ff.); vgl. auch BGH, NJW 1982, 2495 (2496) hinsichtlich Publikums-BGB-Gesellschaften. BGH, WM 1988, 707 (709) weist ausdrücklich auf die Rechtsprechung zur Publikums-Kommanditgesellschaft hin. Vgl. zum Meinungsstand in der Literatur H.-E. Hille, Die Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge von Publikums-Personengesellschaften, 1986, S. 14 ff. sowie H. P. Westermann, in: Festschrift f. W. Stimpel, 1985, S. 73 ff. 30 BGH, WM 1972, 1249; BGH, LM Nr. 10 zu § 25 BGB; ebenso OLG Frankfurt, NJW 1973, 2208 (2209) mit Anm. H. P. Westermann auf S. 2210 f. 31 BGHZ 63, 282 (285 f.) = NJW 1975, 771 f. nimmt die Inhaltskontrolle nach einer an § 826 BGB und Tatbestandsmerkmale des § 27 GWB angelehnten Formel vor. 32 V. Röhricht, Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen. Bestandsaufnahme und Ausblick (Fn. 1), S. 76 f. m. w. N. 33 BGH, WM 1987, 373 (bezüglich § 32 Abs. 1 S. 2 BGB).

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als unabdingbar eingestuften – Kernbereich einer an sich abdingbaren gesetzlichen Bestimmung gemessen.34 Zutreffend bejaht der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs35, daß allein § 242 BGB Rechtsgrundlage der Inhaltskontrolle ist. Einer ergänzenden Erwähnung des § 315 BGB36 bedarf es nicht. Kontrollmaßstab ist damit der Grundsatz von Treu und Glauben. Er beinhaltet das Gebot verantwortungsvoller Abwägung der Interessen aller an dem Rechtsverhältnis Beteiligten.37 Mit dem Gebot der Interessenabwägung steht ein optimaler Ansatz für die Drittwirkung der Grundrechte38 sowie die – verfassungsrechtlich gebotene – angemessen abgestufte gerichtliche Kontrollintensität zur Verfügung. Er ermöglicht die Einbeziehung der Interessen des Verbandes, der Mitgliedermehrheit und -minderheit sowie gegebenenfalls der mittelbaren Mitglieder. Zugleich gewährleistet dieser Ansatz, daß nicht nur diejenigen Interessen einbezogen werden, die einen unmittelbaren Bezug zur konkret in Frage stehenden Austauschbeziehung zwischen Verband und Mitglied haben. In die Abwägung einzubringen sind – will man mit der Drittwirkung der Grundrechte ernst machen – vielmehr auch diejenigen Interessen, die aus der Verfolgung des gemeinsamen Zwecks und damit aus dem Umstand resultieren, daß zwischen Verband und typischerweise betroffenen Mitgliedern eine komplexe körperschaftliche Gesamtbeziehung besteht. Diese wird durch generelle verbandsspezifische Wertungen geprägt und umfaßt die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, Vorteile und Belastungen. Zu den generellen verbandsspezifischen Wertungen gehört beispielsweise auch die Entscheidung, konkrete Detailwertungen in Form von Beurteilungs- oder Entscheidungsspielräumen der normanwendenden Verbandsinstanz zu überlassen.39 Die Konsequenzen der Anwendung des § 242 BGB als Kontrollmaßstab lassen sich beurteilen, wenn man die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen mit derjenigen gleichlautender Bestimmungen in Austauschverträgen vergleicht, die keinen Bezug zur Mitgliedschaft haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine um die verbandsdemokratischen Mitwirkungsrechte kupierte, ansonsten aber vollständige Mitgliedschaft vertraglich nicht vereinbart werden kann. Einer solchen Vereinbarung 34 V. Röhricht, Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen. Bestandsaufnahme und Ausblick (Fn. 1), S. 77. 35 BGH, WM 1989, 184 (187 f.); ebenso Soergel/Hadding, § 25, Rnr. 25. 36 Für eine ergänzende Anwendung des § 315 BGB z. B. Palandt/Heinrichs, §25, Anm. 3) c); für eine ausschließliche Anwendung des § 315 BGB Soergel/Wolf, § 315, Rnr. 9; M. Wolf, In dubio pro arbitro?, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Beweisprobleme in der Sportrechtsprechung, 1984, S. 76. Die Rechtsprechung hat vor Inkrafttreten des AGBG in einer Zwischenphase die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf § 315 BGB gestützt. Vgl. die Nachweise bei Soergel/Teichmann, § 242, Rnr. 15 u. MünchKomm-Söller, § 315, Rnr. 29; vgl. zur Anwendbarkeit des § 315 BGB auch R. Lukes, NJW 1963, 1897; ablehnend z. B. Soergel/Teichmann, § 242, Rnr. 15 m. w. N. 37 MünchKomm-Roth, § 242, Rnr. 32 m. w. N. 38 Vgl. zum Meinungsstand W. Rufner, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, 1987, S. 215 ff. 39 Vgl. zur Ableitung von Ermessensausübungsgrundsätzen für das private Vereinsrecht aus § 242 BGB P. Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, S. 103.

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wäre unter dem Gesichtspunkt der Umgehung die Wirksamkeit zu versagen.40 Derartige vertragliche Austauschbeziehungen zwischen Verband und Mitgliedern oder auch Nichtmitgliedern sind demgemäß immer ihrer Art nach sachlich-gegenständlich begrenzt. Dies hat zur Konsequenz, daß die Inhaltskontrolle gleichlautender Vertragsbestimmungen zwar nach demselben Kontrollmaßstab – Art. 9 AGBG oder § 242 BGB – vorgenommen werden könnte, möglicherweise aber zu unterschiedlichen Ergebnissen führte. Abzuwägen wären nämlich die Interessen, die die konkrete Austauschbeziehung – das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung41 – beträfen. Es ginge allein um die spezielle Austauschgerechtigkeit. Verbandsspezifische Wertungen, die keinen direkten Bezug zur konkreten Leistungsbeziehung haben, müßten ausgeblendet und könnten auch nicht über eine Ausgestaltungsbefugnis gemäß § 315 BGB einbezogen werden. Eine umfassende Einbeziehung sämtlicher Verbandsnormen wäre beispielsweise ebenso unwirksam wie der globale Verweis auf verbandsschädliches Verhalten als Vertragsstrafgrund. Unzulässig wäre auch die Berücksichtigung der Gesichtspunkte der Sozial- oder gar Generalprävention.42

III. Reichweite und Umfang Der Bundesgerichtshof43 bejaht eine richterliche Inhaltskontrolle von Verbandsnormen unter der Voraussetzung, daß der Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und das Mitglied auf die Mitgliedschaft angewiesen ist. Klärungsbedürftig sind die Rechtfertigung dieser Beschränkung der Reichweite auf bestimmte Verbandstypen sowie der Umfang der gerichtlichen Inhaltskontrolle. Der Bundesgerichtshof führt zur Begründung seiner Entscheidung zunächst die Rechtslage beim verbandsrechtlichen Aufnahmezwang an. Verbänden mit einer überragenden Machtstellung innerhalb ihres wirtschaftlichen oder sozialen Bereichs stehe es nicht frei, Mitgliedschaftsbewerber willkürlich abzuweisen. Ebensowenig dürfe ihnen freigestellt werden, ihre Mitglieder willkürlichen oder unbilligen, Treu und Glauben widerstreitenden Satzungsgestaltungen zu unterwerfen. Zudem weist der Bundesgerichtshof auf die geringen Möglichkeiten der Mitglieder hin, eine Änderung des bestehenden Satzungsrechts zu erreichen. Die Mitwirkungsrechte der Mitglieder seien in der Verbandwirklichkeit oftmals verkümmert und die betreffenden dispositiven Gesetzesbestimmungen zugunsten der Leitungs40

Vgl. R. Lukes, in: Festschrift f. H. Westermann, 1974, S. 342. BGH, NJW 1982, 181 f. (betr. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG); Palandt/Heinrichs, § 9 AGBG, Anm. 3) a). 42 So im Ergebnis auch MünchKomm-Reuter, § 25, Rnr. 30; vgl. aber H. P. Westermann, Der Sportier als „Arbeitnehmer besonderer Art“, in: E. Reschke (Hrsg.), Sport als Arbeit, 1985, S. 42, dem zufolge die Maßstäbe und sozialethischen Anforderungen des Vereinsstrafrechts für die Vertragsstrafen gegenüber Nichtmitgliedern übernommen werden können. 43 BGH, WM 1989, 184 (187 f.). 41

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organe des Verbandes abgeändert. Das Korrektiv der Austrittsfreiheit entfalle bei sozial und wirtschaftlich mächtigen Verbänden, bei denen die Mitglieder auf die Mitgliedschaft angewiesen seien.44 Bei derartigen Verbänden bestehe vielmehr eine Ungleichgewichtslage, wie sie typischerweise bei nicht ausgehandelten Vertragsbedingungen anzutreffen sei. Auf die bei dieser Sachlage bestehenden Möglichkeiten des Machtmißbrauchs bestehe jedoch auch im Rahmen der Satzungsautonomie kein Anspruch. Entscheidend für die Bestimmung der Reichweite und des Umfangs der richterlichen Inhaltskontrolle ist die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende staatlicbe Justizgewährungspflicht. Sie verpflichtet die Rechtsprechung zu einer Kontrolle der Verbandsnormsetzung und -anwendung, die Grundrechtsfehlabgrenzungen aufdeckt und korrigiert. Mit einer angemessen abgestuften gerichtlichen Kontrollintensität hat sie der Gefährdung grundrechtlich geschützter Positionen durch Normsetzung, Tatsachenfeststellung und/oder Subsumtion wirksam zu begegnen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Grundrechtsgefährdungspotential sehr unterschiedlich sein kann. Von Bedeutung hierfür sind zum einen das zwischen Verband und Mitglied bestehende Machtgefälle und zum anderen die Relevanz der Verbandsnormen für die grundrechtlich geschützte Position des Mitglieds einerseits und des Verbandes andererseits. Insofern haben die Aspekte der Monopolstellung45, der sozialen bzw. wirtschaftlichen Macht46 sowie der Unfreiwilligkeit der Mitgliedschaft47 ihre Berechtigung. Sie dürfen aber nicht als unabdingbare Voraussetzungen der Inhaltskontrolle verstanden werden.48 Der verfassungsrechtlichen Justizgewährungspflicht wird vielmehr nur dann entsprochen, wenn die Inhaltskontrolle sämtliche Verbandsnormen aller Verbandstypen erfaßt. Dem – je nach Verbandstyp und Relevanz der Verbandsnorm – unterschiedlichen Grundrechtsgefährdungspotential kann durch eine angemessen abgestufte Kontrollintensität, beispielsweise durch eine differenzierende Anerkennung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen49 der normanwendenden Verbandsinstanzen, Rechnung getragen werden. 44

BGH, WM 1989, 184 (187 f.) folgt insoweit der Differenzierung von MünchKommReuter, § 25, Rnr. 25 u. 32. 45 W. Möschel, Monopolverband und Satzungskontrolle, Recht und Staat, Heft 486/487, 1978, S. 19 f.; P. Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, § 23, Rnr. 29 allerdings im Hinblick auf eine Anwendung des AGBG. 46 F. Nicklisch, Inhaltskontrolle und Verbandsnormen, 1982, S. 41 ff.; zustimmend MünchKomm-Reuter, vor § 21, Rnr. 129; nunmehr auch BGH, WM 1989, 184 (188). 47 MünchKomm-Reuter, § 25, Rnr. 25 u. 32; jetzt auch BGH, WM 1989, 184 (188). 48 Gegen eine Beschränkung der Inhaltskontrolle von Vereinsordnungen auf bestimmte Vereinstypen zutreffend B. Grunewald, ZHR 152 (1988), 261. 49 Vgl. zur Frage, ob eine Einschätzungsprärogative der Verbandsorgane anzuerkennen ist, im einzelnen U. Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, S. 118 ff.; K. Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 1983, S. 168; P. Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972, S. 105 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1986, S. 544; H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972, S. 105 ff.; nunmehr auch BGH, WM 1987, 1422 (1425) mit Anm. H. P. Westermann, WuB II L. § 25 BGB 1.88.

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IV. Verhältnis der Inhaltskontrolle zur Tatsachen- und Subsumtionskontrolle Gefährdungen grundrechtlich geschützter Positionen der Mitglieder können sich nicht nur aus der Normsetzung, sondern ebenfalls aus der Tatsachenfeststellung und/oder Subsumtion durch die Verbände ergeben. Problematisch sind auch insofern Kontrollintensität und -maßstab. Grundlegende Bedeutung hat dabei der Funktionszusammenhang von Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in neuerer Rechtsprechung – Forderungen des kritischen Schrifttums folgend – bei Verbandsstrafen zum einen eine volle gerichtliche Nachprüfung der Tatsachenermittlung bejaht.50 Zum andern hat er seine ständige Rechtsprechung teilweise aufgegeben, der zufolge Verbandsstrafen lediglich einer begrenzten Subsumtionskontrolle auf offensichtliche Willkür und grobe Unbilligkeit unterlagen. Nunmehr nimmt der Bundesgerichtshof51 im Anschluß an Reuter52 für den Ausschluß aus Monopolverbänden sowie aus Vereinigungen mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich – also Verbänden, die einer Aufnahmepflicht unterliegen – diese Einschränkung nicht mehr vor. Vielmehr stellt er an die gerichtliche Nachprüfung einer Ausschlußentscheidung dieselben Anforderungen wie an die Kontrolle des Rechts, einen Aufnahmeantrag abzulehnen. Zur Begründung führt er an, der Ausschluß müssse durch sachliche Gründe gerechtfertigt, dürfe aber nicht unbillig sein. Unbilligkeit sei um so eher anzunehmen, je wichtiger für den Betroffenen die Mitgliedschaft sei. Dem Beurteilungs- oder Ermessensspielraum des Verbandes seien dabei enge Grenzen gesetzt. Bei Verbänden, die keinem Aufnahmezwang unterliegen, bleibe es hingegen bei der eingeschränkten Subsumtionskontrolle. Hierdurch sei gewährleistet, daß weder die interne Gestaltung des Vereinslebens noch die Vereinspolitik auf staatliche Wertvorstellungen festgelegt werde.53 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert nach wie vor Kritik heraus. Hinsichtlich der Tatsachenkontrolle ist mit dem II. Zivilsenat im Ergebnis davon auszugehen, daß ein Mitglied nicht hinnehmen muß, für Taten bestraft zu werden, die es nicht begangen hat. Zu fragen bleibt jedoch, ob man den – etwas konstruierten – Weg wählen muß, die Eintrittserklärung in diesem Sinne auszulegen. Näherliegend erscheint es, das auch hier letztlich vorliegende Spannungsverhältnis zwischen der Verbandsautonomie und der Justizgewährungspflicht durch eine – dem Subsidiaritätsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende – 50 BGHZ 87, 337 (344) = JZ 1984, 186 (187) = NJW 1984, 918 = WM 1983, 1208; dazu W. Herschel, AuR 1984, 160; K. Vieweg, JZ 1984, 167 ff.; W. Baecker, NJW 1984, 906 f.; D. Leipold, ZGR 1985, 113 ff. jeweils m. w. N. 51 BGH, WM 1987, 1422 (1425); dazu W. Hadding/F. v. Look, ZGR 1988, 270 ff.; H. P. Westermann, WuB II L. § 25 1.88. 52 MünchKomm-Reuter, §25, Rnr. 32 ff. 53 BGHZ 87, 337 (344).

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Abwägung der Interessen der Beteiligten aufzulösen.54 Als Grundlage einer für die Drittwirkung von Grundrechten offenen Interessenabwägung kommt wiederum § 242 BGB in Betracht. Für diesen Ansatz spricht zum einen der Vorzug, für die gerichtliche Tatsachenkontrolle mit § 242 BGB denselben Kontrollmaßstab wie bei der Inhaltskontrolle der Verbandsnormen zur Verfügung zu haben. Zudem wäre es widersinnig, auf einer vollen gerichtlichen Nachprüfung der Tatsachen zu bestehen, wenn eine am Maßstab des § 242 BGB durchgeführte Inhaltskontrolle ergäbe, daß eine Verbandsnorm, die eine Reduzierung oder den Ausschluß der Tatsachenkontrolle vorsieht, sich als interessengerecht erwiese und damit Bestand hatte. Der hinreichende Grad der Richtigkeitsgewähr und der zu dessen Erreichung erforderliche Feststellungsaufwand sind somit an § 242 BGB zu messen. Hierbei müssen alle Umstände, die die beteiligten Interessen prägen können, in die Abwägung einbezogen werden. Neben der generellen Qualität des verbandlichen Tatsachenfeststellungsverfahrens – eine besondere Rolle spielt dabei der Grad der Unabhängigkeit des entscheidenden Verbandsorgans – kommt es darauf an, ob bereichsspezifische Umstände vorhanden sind, die gegen eine umfassende Tatsachenkontrolle sprechen.55 Im Ergebnis zeigt sich, daß eine auf § 242 BGB gestützte Bestimmung des Grades der Richtigkeitsgewähr und damit des Ermittlungsaufwands flexibel das zwischen der Justizgewährungspflicht einerseits und der Verbandsautonomie andererseits bestehende Spannungsverhältnis austarieren kann. Vermieden werden Unzuträglichkeiten, die sowohl bei einer Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung auf offensichtlich willkürliche Tatsachenfeststellungen56 als auch bei einer funktions- und interessenwidrigen vollständigen Tatsachenkontrolle57 entstehen.

54 Näher dazu K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände (Fn. 12), S. 239 ff.; W. Grunsky, Tatsachenfeststellung im Sportrecht zwischen staatlichen Gerichten und Verbandsgerichten, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 68 ff., stellt auf die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Mitglieds einerseits und die Gefährung der Erreichung des Verbandszwecks andererseits ab. 55 Vgl. allgemein zu den Fallgestaltungen, in denen eine Beschränkung der Tatsachenkontrolle diskussionswürdig ist, K. Vieweg, JZ 1984, 171. 56 So die frühere Rechtsprechung des BGH. Vgl. BGHZ 36, 105 (114). 57 So BGHZ 87, 337(344) = JZ 1984, 186 (187) = NJW 1984, 918 = WM 1983, 1208. Auch die Literatur spricht sich weitgehend für eine vollständige Tatsachenkontrolle aus. Vgl. V. Beuthien, BB Beil. 12/1968, 3 ff; W. Flume, in: Festschrift f. E. Boetticher, 1969, S. 197 f.; H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972, S. 100 ff.; ders., JZ 1972, 539 ff.; ders., JA 1984, 403; P. Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972, S. 99 ff.; K. Larenz, in: Gedächtnisschrift f. R. Dietz, 1973, S. 55 ff.; H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 186 ff.; Staudinger/Coing, vor § 21, Rnr. 41; Erman/H. Westermann, § 25, Rnr. 4e; D. Schwab, Einführung in das Zivilrecht, 1987, Rnr. 1124; W. Baecker, NJW 1984, 906 f.; D. Leipold, ZGR 1985, 117; differenzierend – MünchKommReuter, § 25, Rnr. 28 u. 32 ff. (Vereine mit und ohne Aufnahmefreiheit); ders., ZGR 1980, 101 ff.

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Hinsichtlich der Subsumtionskontrolle ist zunächst zu berücksichtigen, daß sich – insbesondere bei unbestimmten Verbandsnormen – die Abgrenzung von Normenkonkretisierung und Subsumtion methodisch als ausgesprochen schwierig erweist. Die Entscheidungsfindung beruht in diesen Fällen vielmehr auf einem Vorgang wechselseitig orientierter Präzisierung von Obersatz und Sachverhalt.58 Werden aber – wie es der Bundesgerichtshof zumindest teilweise für richtig hält – Norminhalt und Subsumtion mit unterschiedlicher Intensität kontrolliert, lassen sich Widersprüche kaum vermeiden. Widersprüchlich ist auch die Begründung, die der Bundesgerichtshof liefert. Selbst wenn man den Ansatz akzeptierte, den Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch Auslegung der Eintrittserklärung zu ermitteln,59 wäre nicht einzusehen, daß ein Mitglied zwar nicht mit der Zugrundelegung falscher Tatsachen, hingegen aber mit einer fehlerhaften Subsumtion als Grundlage einer im Ergebnis ungerechtfertigten Bestrafung einverstanden sein soll.60 Ebenfalls nicht recht einsehbar ist – abgesehen von praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten – aus demselben Grund die Beschränkung der erweiterten Subsumtionskontrolle auf Monopolverbände und Vereinigungen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich.61 Schließlich vermag auch die dogmatische Ankopplung an den Aufnahmezwang nicht zu überzeugen.62 Diese Begründung läßt sich nicht auf Verbandsstrafen übertragen, die gleichfalls grundrechtlich geschützte Rechtspositionen tangieren. Richtigerweise kann für die Subsumtionskontrolle keine andere Kontrollintensität als für die Inhaltskontrolle der Verbandsnormen gelten, will man Wertungsund Ergebnisdivergenzen vermeiden. Als Grundlage63 für die Bestimmung der Kontrollintensität bietet sich auch hier § 242 BGB an. Die für seine Anwendung im Rahmen der Inhaltskontrolle der Verbandsnormen sprechenden Argumente64 können auf die Subsumtionskontrolle übertragen werden.65 Dies gilt insbesondere für den Gesichtspunkt der optimalen Einbeziehung drittwirkender Grundrechte in die 58 J. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970, S. 79 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1983, S. 264; K. Vieweg, JZ 1984, 169 u. W. Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen, 1985, S. 94 ff. jeweils m. N. aus der uneinheitlichen Rechtsprechung des BGH. 59 BGHZ87, 337 (344 f.). 60 So auch D. Leipold, ZGR 1985, S. 116 ff.; Soergel/Hadding, §25, Rnr. 61; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1986, S. 544; H. P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 55. 61 So BGH, WM 1987, 1422 (1425) im Anschluß an Reuter. 62 Vgl. auch W. Hadding/F. v. Look, ZGR 1988, 273. 63 P. Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972, S. 142, weist zutreffend darauf hin, daß die Rechtsprechung ohne Rückgriff auf geschriebene Rechtsgrundlagen behauptet, der staatliche Richter könne nachprüfen, ob eine Verbandsstrafe offenbar unbillig sei. 64 Siehe im einzelnen oben II. 65 P. Schlosser, Jura 1980, 53 bejaht eine Pflicht der Verbände, ihre satzungsmäßigen Befugnisse nur nach Treu und Glauben und ohne Ermessensfehler wahrzunehmen.

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generelle Interessenabwägung. Die Einbeziehung der Grundrechte in die Interessenabwägung gewährleistet, daß es auch im Einzelfall nicht zu Fehlabgrenzungen grundrechtlich geschützter Positionen kommt. Dies hat vor allem Bedeutung für die Subsumtion unter unbestimmte Verbandsbegriffe – wie z. B. „vereinsschädliches Verhalten“ – sowie bei Subsumtionen, die im Zusammenhang mit Beurteilungsund Ermessensspielräumen der zuständigen Verbandsorgane stehen. Im Ergebnis ist demnach für das gesamte gerichtliche Kontrollinstrumentarium – Inhaltskontrolle der Verbandsnormen, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle – ein einheitlicher Kontrollmaßstab gegeben, der seine Grundlage in § 242 BGB findet. Er erlaubt es, das zwischen der Verbandsautonomie und der Justizgewährungspflicht bestehende Spannungsverhältnis angemessen auszutarieren. Sowohl eine richterliche Selbstbeschränkung als auch eine verbandsnormative Reduzierung staatlich-gerichtlicher Kontrolle sind in adäquatem Umfang möglich. Die konkreten Kontrollergebnisse können – je nach Verbandsstruktur66 und Art der Entscheidung – differieren. Schon die Möglichkeit der aufgezeigten gerichtlichen Nachprüfung legt die Annahme nahe, daß es zu Reflexwirkungen hinsichtlich der Normsetzung und -anwendung der Verbände kommt. Die drohende „Konkurrenz“ staatlicher Gerichte kann bereits im verbandsinternen Vorfeld zu Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen führen, die von den betroffenen Mitgliedern als sachgerecht akzeptiert werden und die Anrufung staatlicher Gerichte entbehrlich machen. Eine Überlastung der staatlichen Gerichte ist bei einer nach dem einheitlichen Maßstab des § 242 BGB erfolgenden Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle nicht zu besorgen.

V. Geltungserhaltende Reduktion Hält eine Verbandsnorm der Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB nicht stand, wäre sie aber in modifizierter Form wirksam, stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion. Zu klären ist, ob das Gericht die Verbandsnorm anpassen darf oder sogar muß, um das Problem des Normenmangels67 zu vermeiden. Im Unterschied zu der ansonsten vergleichbaren Problematik bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen68 können bei den Verbandsnormen die Adressaten – wenn auch in unterschiedlichem Umfang – an der Aufstellung mitwirken. Zudem steht häufig hinsichtlich der in den Verbandsnormen geregelten Materie kein hin66

Ist z. B. in Geselligkeitsvereinen zwischen Verein und Mitglied kein konfliktförderndes Machtgefälle vorhanden, kann folgende, in den club cases des Viktorianischen Zeitalters geprägte – geradezu klassische – Formulierung durchaus herangezogen werden: „… none but the members of a club can know those little details which are essential to the social well-being of such a society of gentlemen …“ Vgl. Romilly J. in Hopkinson v. Marquis of Exeter (1867) L.R. 5 Eq 63. 67 K. Vieweg, JZ 1984, 172 f.; H. P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol (Fn. 60), S. 54. 68 Ablehnend BGHZ 84, 109 (115 f.); 88, 78 (85); 90, 69 (83 ff.); 96, 19 (25 f.); vgl. zum Meinungsstand MünchKomm-Kötz, § 6 AGBG, Rnr. 8 ff. sowie H. Roth, JZ 1989, 414 f.

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reichend enges Netz dispositiven staatlichen Rechts zur Verfügung, das an die Stelle der unwirksamen Verbandsnormen treten könnte. Dies spricht auf den ersten Blick dafür, die geltungserhaltende Reduktion bei Verbandsnormen in größerem Umfang zuzulassen als bei Allgemeinen Geschaftsbedingungen, zumal das allgemeine Privatrecht einen deutlichen Trend zur geltungserhaltenden Reduktion aufweist.69 Die Lösung der Problematik muß zweierlei berücksichtigen: zum einen die grundrechtlich garantierte Verbandsautonomie, die im Verhältnis zu den staatlichen Gewalten die Chance zur endgültigen Selbstregulierung beinhaltet70 ; zum andern die Treue- oder Förderpflicht der Mitglieder. Diese schließt ein, daß das durch den Normenmangel betroffene Mitglied grundsätzlich gehalten ist, dem Verband die Gelegenheit zur verbandsautonomen Regelung innerhalb angemessener Frist zu geben.71 Allein auf diese Weise ist gewährleistet, daß der Verband seine grundrechtlich geschützte Autonomie nutzen und verbandsspezifische Wertungen in die Normsetzung einbringen kann.72 Lediglich in Eilfällen sind demnach die staatlichen Gerichte befugt – aber auch verpflichtet – im Wege der geltungserhaltenden Reduktion eine Normenanpassung vorzunehmen, damit sie die erforderliche Entscheidung treffen können.

VI. Ausblick Mit seinem Urteil vom 24. 10. 1988 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs einen vorläufigen Endpunkt seiner Rechtsprechung zur gerichtlichen Nachprüfung von Verbandsentscheidungen gesetzt, indem er eine Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB für Verbände bejaht, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben. Diese Beschränkung kann angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben nur ein Zwischenstadium sein. Die erforderliche Ausweitung auf alle Verbandstypen dürfte im Gegenzug das Interesse auf die Möglichkeiten richterlicher Selbstbeschränkung richten. Der für die Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle einheitliche Maßstab des § 242 BGB eröffnet die Möglichkeit, verbandsspezifischen Wertungen durch Anerkennung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen Rechnung zu tragen. Die in einigen Bereichen schon bestehende Problematik des Normenmangels wird sich bei konsequenter Durchführung der Inhaltskontrolle von Verbandsnormen – zumindest vorübergehend – noch verschärfen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist diskussionswürdig, muß aber im Zusammenhang mit den noch weitgehend ungeklärten Regelungs- und Entscheidungspflichten der Verbände gesehen werden. 69 H. Roth, JZ 1989, 415 u. 419; vgl. zur geltungserhaltenden Reduktion im Gesellschaftsrecht H. P. Westermann, in: Festschrift f. W. Stimpel, S. 84 ff. 70 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände (Fn. 12), S. 260 ff. 71 Zutreffend im Ergebnis BGH, LM Nr. 22 zu § 25 BGB; BGH, WM 1989, 184 (189). 72 Gegen eine normsetzende Tätigkeit der ordentlichen Gerichte auch H. P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol (Fn. 60), S. 54.

Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände* Einleitung Erster Teil Grundlagen § 1 Begriffe und Funktionen I. Deutsche und internationale Verbände 1. Begriffe 2. Funktionen II. Verbandsnorm 1. Begriff 2. Funktionen III. Verbandsentscheidungen 1. Begriff 2. Funktionen IV. Verbandsstrafe 1. Begriff 2. Funktionen § 2 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes I. Eingrenzungskriterien II. Die Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen deutscher und internationaler Sportverbände als Untersuchungsgegenstände 1. Konfliktpotential 2. Realisierbarkeit der rechtstatsächlichen Untersuchung a) Systematisierung der Konflikte b) Auswahl der näher zu untersuchenden Konflikte 3. Konsequenzen für den Gang der Darstellung

* Habilitationsschrift Münster 1989, Berlin 1990, 396 Seiten.

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Zweiter Teil Rechtstatsächlicher Befund § 3 Die internationalen Sportverbände, deren Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen I. Zielsetzung und Methode II. Grundinformationen über internationale Sportverbände 1. Gewählte Rechtsform 2. Gründung: Zeit und Ort 3. Sitz und Sitzwechsel 4. Verbandsinterne Beziehungen a) Mitgliederstruktur aa) Kreis der Mitglieder bb) Arten der Mitgliedschaft cc) Fachlich-räumliche Monopolstellung durch das Ein-Verbands-Prinzip b) Grundlegende Pflichten und Rechte der Mitglieder gegenüber den internationalen Sportverbänden aa) Pflicht zur Befolgung der Normung und Entscheidungen der internationalen Sportverbände (1) Grundlagen in den Normen der internationalen und deutschen Sportverbände (a) Grundlagen in den Normen der internationalen Sportverbände (b) Grundlagen in den Normen der deutschen Sportverbände (2) Gegenstand und Art der Bindung bb) Sonstige Pflichten der Mitglieder cc) Rechte der Mitglieder c) Die Beziehungen der internationalen Sportverbände zu ihren mittelbaren Mitgliedern III. Grundlagen der Strafen und sonstigen Entscheidungen in den Normen der internationalen Sportverbände 1. Strafen a) Strafen gegenüber nationalen Sportverbänden b) Strafen gegenüber Vereinen c) Strafen gegenüber Sportlern und Funktionsträgern d) Strafen gegenüber Externen 2. Entscheidungen a) Entscheidungen gegenüber nationalen Sportverbänden b) Entscheidungen gegenüber Vereinen c) Entscheidungen gegenüber Sportlern und Funktionsträgern d) Entscheidungen gegenüber Externen IV. Die von den internationalen Sportverbänden normierte Überprüfung ihrer Strafen und sonstigen Entscheidungen 1. Rechtsschutzorgane 2. Prüfungsgegenstand V. Qualität und Wirkungen der Strafen und sonstigen Entscheidungen der internationalen Sportverbände VI. Zusammenfassende Würdigung

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Dritter Teil Rechtliche Problematik § 4 Das Verhältnis der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen deutscher und internationaler Sportverbände zum staatlichen, insbesondere deutschen Recht I. Regelungsansprüche staatlicher Rechtsordnungen II. Regelungsansprüche des deutschen Rechts III. Kollisionslösung IV. Zusammenfassung § 5 Die Verbandsautonomie als Grundlage der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen deutscher und internationaler Sportverbände I. Erfordernis, Art und Umfang der Legitimation des Staates zur Zulassung privater Normsetzung und -anwendung II. Begriff der Verbandsautonomie III. Grundlagen der Verbandsautonomie im deutschen Recht 1. Deutsche Sportverbände 2. Deutschem Recht unterstellte internationale Sportverbände 3. Ausländischem Recht unterstellte internationale Sportverbände IV. Staatlicher Konkretisierungs-, Kontroll- und Korrekturvorbehalt V. Zusammenfassung § 6 Verfassungsrechtliche Grenzen der Verbandsautonomie I. Außengrenzen 1. Maximalgrenzen 2. Minimalgrenzen 3. Weitere verfassungsrechtliche Konkretisierungen a) Ausdrückliche Schranken b) Grundrechtsimmanente Schranken c) Subsidiaritätsprinzip d) Konsequenzen aa) Chance der Sportverbände zur endgültigen Selbstregulierung bb) Voraussetzungen staatlicher Konkretisierungen, Kontrolle und Korrektur II. Innengrenzen III. Zusammenfassung § 7 Einfachgesetzliche Grenzen der Verbandsautonomie deutscher Sportverbände I. BGB 1. § 25 BGB a) Die Position der Rechtsprechung b) Kritik und eigener Ansatz c) Verfassungsqualität der Strafnormen d) Verfassungsqualität sonstiger Entscheidungsnormen e) Verfassungsqualität der Rechtsschutznormen f) Zusammenfassung 2. §§ 134, 138 BGB 3. § 242 BGB a) Inhaltskontrolle der Verbandsnormen b) Tatsachen- und Subsumtionskontrolle c) Regelungs- und Entscheidungspflicht aufgrund verbandsrechtlicher Förderpflicht

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d) Zusammenfassung 4. §§ 315 Abs. 3 Satz 2 und 319 Abs.1 Satz 1 BGB 5. § 343 Abs.1 BGB 6. § 661 Abs. 2 BGB 7. §§ 823 ff. BGB II. Art. 6 EGBGB III. AGBG IV. VereinsG V. §§ 1025 ff. ZPO 1. Anwendung auf satzungsmäßige Schiedsgerichte 2. Bedeutung bei der Aufhebungsklage 3. Bedeutung im gerichtlichen Nachprüfungsverfahren VI. Zusammenfassung § 8 Einfachgesetzliche Grenzen der Verbandsautonomie internationaler Sportverbände I. Einfachgesetzliche Grenzen der Verbandsautonomie der deutschem Recht unterstellten internationalen Sportverbände 1. § 25 BGB 2. §§ 134, 138 BGB 3. § 242 BGB 4. §§ 1025 ff. ZPO II. Einfachgesetzliche Grenzen der Verbandsautonomie ausländischen Rechtsordnungen unterstellter internationaler Sportverbände 1. Art. 6 EGBGB 2. §§ 1025 ff. ZPO 3. Zusammenfassung § 9 Rechtsqualität und -wirkung I. Rechtsqualität der Verbandsnormen, -strafen und sonstigen -entscheidungen 1. Rechtsqualität der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen deutscher Sportverbände 2. Rechtsqualität der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen deutschem Recht unterstellter internationaler Sportverbände 3. Rechtsqualität der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen ausländischen Rechtsordnungen unterstellter internationaler Sportverbände II. Rechtswirkung 1. Rechtswirkung der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen deutscher Sportverbände a) Bindungsvoraussetzungen b) Art der Bindung c) Gegenstand und Umfang der Bindung 2. Rechtswirkung der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen der deutschem Recht unterstellten internationalen Sportverbände 3. Rechtswirkung der Normen, Strafen und sonstigen Entscheidungen der ausländischen Rechtsordnungen unterstellter internationaler Sportverbände III. Zusammenfassung Anhang: Materialien Literaturverzeichnis

Doping und Verbandsrecht* I. Die Unabhängige Doping-Kommission des deutschen Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtstatsächliche Grundlagen der Dopingproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definitions- und Nachweisprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dopingregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gerichtliche Nachprüfung von Verbandsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Satzungsmäßige Grundlage der Verbandsstrafen und personelle Reichweite der Verbandsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Nachprüfung von Vertragsstrafen und Zulassungsbedingungen . . . . . . VI. Ergebnis und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sowohl für die Bewältigung der aktuellen Dopingproblematik im deutschen Sport als auch für die Entwicklung von Handlungskonzepten ist von entscheidender Bedeutung, ob Verbandsstrafen aufgrund von Dopingverstößen einer gerichtlichen Kontrolle standhalten. Dem Verfasser erscheint dies aus mehreren Gründen äußerst zweifelhaft. Rechtlich bedenklich seien Verbandsstrafen bei systematischen Dopingverstößen und erkennbarer Ineffizienz der Dopingregelungen sowie der Kontrollpraxis der Sportverbände.

I. Die Unabhängige Doping-Kommission des deutschen Sports Doping ist in vielen Sportarten seit Jahren ein Dauerthema.1 Die Disqualifikation Ben Johnsons, des Siegers im 100-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen 1988 * Erstveröffentlichung in NJW 1991, 1511 – 1516. 1 Aus juristischer Sicht haben sich speziell mit der Dopingproblematik befaßt Kohlhaas, in: F.-C. Schroeder-H. Kauffmann (Hrsg.), Sport und Recht, 1972, S. 48 ff.; ders., NJW 1970, 1958 ff.; Schneider-Grohe, Doping – Eine kriminologische und kriminalistische Untersuchung zur Problematik der künstlichen Leistungssteigerung im Sport und zur rechtlichen Handhabung dieser Fälle, 1979; Linck, NJW 1987, 2545 ff.; Franz-Hartl, NJW 1988, 2277 ff.; Körner, ZRP 1989, 418 ff.; Reschke, Rechtliche Aspekte zum Doping unter besonderer Berücksichtigung der Stellung des Arztes (noch unveröffentlichtes Manuskript eines an der Deutschen Richterakademie am 06. 04. 1989 gehaltenen Vortrags); Steiner, Verfassungsrechtliche Probleme des Dopings, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Doping und Sport, 1990, S. 50 ff. sowie die im von Schild 1986 herausgegebenen Band „Rechtliche Fragen des Dopings“ abgedruckten Beiträge von Schild, S. 13 ff., D. Schwab,

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in Seoul, rückte es in das allgemeine Bewußtsein. Die aktuelle Berichterstattung in den Medien über – behauptete und eingestandene – Dopingpraktiken im deutschen Sport2 hat erneut zu einer intensiven Diskussion geführt. Betroffen sind Athleten, Trainer, Ärzte und Funktionäre sowohl im Gebiet der ehemaligen DDR als auch im alten Bundesgebiet. Der Deutsche Sportbund (DSB) und das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) haben umgehend reagiert, insbesondere durch die Einsetzung der hochkarätig besetzten „Unabhängigen Doping-Kommission des deutschen Sports“ (sog. Reiter-Kommission)3. Ihre Aufgabe, die sie bis Ende Juni 1991 erledigen soll, besteht darin, aufgrund von möglichst objektiven Grundlagen aus den Doping-Geschehnissen der Vergangenheit Handlungskonzepte für die Zukunft zu entwickeln.4 Das erklärte Ziel der Reiter-Kommission, Art und Ausmaß des Dopings im deutschen Sport weitgehend aufzuklären, begegnet insbesondere der Schwierigkeit, wahrheitsgemäße Aussagen der Betroffenen und sonstiger Informanten zu erhalten. Wer weiterhin in seinem Sport aktiv sein möchte, darf sich nicht durch Eingeständnisse belasten, will er nicht das Risiko eingehen, mit einer Verbandsstrafe belegt zu werden. Um diesem Dilemma zwischen Aufklärungsbedarf und -bereitschaft zu begegnen, sind im Bereich des Sports Überlegungen in Richtung einer Generalamnestie, einer Straffreiheit der Sportler oder einer Art V-Mann- und Kronzeugenregelung angestellt worden.5 Sie gehen davon aus, daß etwaige Verbandssanktionen aufgrund eingestandenen oder bezeugten Dopings einer Nachprüfung durch staatliche Gerichte standhalten. Wäre dies nicht der Fall, verlören die drohenden Start- oder Tätigkeitssperren zumindest einen Teil ihrer Nebenwirkung, ein Dopingdunkelfeld aufgrund Schweigens oder Vertuschens aufrecht zu erhalten. Die Betroffenen würden sich bei einer Aussage nicht selbst schädigen. Zudem könnten die Verbände auf Sanktionen verzichten, ohne ihre grundsätzliche NormS. 35 ff., v. Loeper-Faßbender, S. 51 ff., und Meinberg-Olzen-Neumann, S. 63 ff. Zur verbandsrechtlichen Dopingproblematik näher Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände, 1990, S. 84 ff., 252 f., 289 ff. 2 Eine Zusammenstellung findet sich im Pressespiegel des DSB „Sport im Spiegel“, 35. Jg., Nr. 21 – 22/90 v. 01.12./20. 12. 1990 u. 36. Jg., Nr. 2/91 v. 01. 02. 1991. 3 Mitglieder sind Prof. Dr. Heinrich Reiter (Präsident des BSG – Vorsitzender), Prof. Dr. Christiane Stang-Voss (Rektorin der Deutschen Sporthochschule Köln), Prof. em. Dr. Erhard Bock (Internist, ehemals Direktor der Tübinger Universitätsklinik), Prof. Dr. Hans Kuno Kley (Endokrinologe, Chefarzt des Städtischen Krankenhauses Singen), Prof. Dr. George Turner (Jurist, ehemals Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz), Prof. Dr. Helmut Kirchgässner (Psychologe, ehemals Rektor der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig) und Volker Grabow (Aktivensprecher im DSB). Daneben hat der DSB eine Kommission zur Überwachung der Dopingkontrollen und eine Ad-hoc-Kommission zur Beratung in Dopingfragen eingerichtet. Vgl. FAZ v. 25. 01. 1991, S. 25 und FAZ v. 28. 01. 1991, S. 23. 4 FAZ v. 26. 01. 1991, S. 25. 5 Süddt. Ztg. v. 06. 12. 1990, S. 46; FAZ v. 17. 12. 1990, S. 21. So hat z. B. der Deutsche Ski-Verband hinsichtlich der Skilangläufer Holger Bauroth und Uwe Bellmann auf eine Bestrafung verzichtet. Vgl. FAZ v. 30. 01. 1991, S. 25.

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befolgungspflicht zu verletzen. Zentral ist deshalb die Frage, ob Verbandsstrafen aufgrund – eingestandenen oder bezeugten – Dopings einer gerichtlichen Nachprüfung standhalten. Die Gerichtsfestigkeit von Verbandsstrafen ist weiterhin Grundlage möglicher Handlungskonzepte, soll in Zukunft Doping effektiv verhindert werden. Die Erörterung dieser Rechtsfragen setzt die Kenntnis der wesentlichen rechtstatsächlichen Grundlagen der Dopingproblematik (dazu II.) sowie der Dopingregelungen der Verbände (dazu III.) voraus.

II. Rechtstatsächliche Grundlagen der Dopingproblematik 1. Definitions- und Nachweisprobleme Das Wort Doping leitet sich aus der Buren-Sprache ab. „Dope“ bezeichnete im 19. Jahrhundert eine Mischung von starkem Schnaps und Alkaloiden.6 Verwendet wird der Begriff Doping seit fast 100 Jahren, um bestimmte – als unzulässig bewertete – Formen der Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit zu erfassen. Nicht zuletzt die durch die Erwartung ständiger Leistungssteigerung verursachte dynamische Entwicklung der Manipulationsmethoden einerseits und der Nachweisverfahren andererseits hat dazu beigetragen, daß der Dopingbegriff einer Reihe von Definitions- und Abgrenzungsproblemen begegnet. Erstens ist fraglich, ob und inwieweit die Zwecke des Dopingverbots – Schutz der Gesundheit der Athleten, Verhinderung von Chancenungleichheit im Wettkampf7 und Erhaltung des Ansehens der Sportart – in die Definition des Dopings einfließen sollen. Zweitens muß eine Abgrenzung vorgenommen werden zur – zulässigen – Zuführung solcher Substanzen, die medizinisch angezeigt ist. Hierbei handelt es sich zum einen um die sogenannte Substitution8 von Wirkstoffen wie Vitaminen, Elektrolyten und Spurenelementen sowie von Nährstoffen wie Kohlehydraten und Eiweiß. Zum anderen kann eine therapeutische Zuführung von Substanzen als zulässig bewertet werden, wenn es um die Heilung eines erkrankten oder verletzten Athleten geht. Der Zielkonflikt zwischen therapeutischer Wirkung und Verhinderung von Wettkampfvorteilen durch Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit

6 Donike, Stichwort Doping, in: Eberspächer (Hrsg.), Handlexikon Sportwissenschaft, 1987. 7 Meinberg-Olzen-Neumann (Fn. 1), S. 75 f. nennen die Fairneß und den Wettkampfzweck als Kräftevergleich sowie den Gesundheitsschutz der Sportler als Zwecke des Dopingverbotes. 8 Vgl. hierzu die Erklärung des Deutschen Sportärztebundes v. 03. 12. 1983, abgedr. in: Donike-Rauth, Dopingkontrollen, 1990, S. 145; vgl. auch Sehling-Pollert-Hackfort, Doping im Sport, 1989, S. 103 ff. sowie Keul, Streitfall „Substitution“ – Eine verbotene Hintertür zur Leistungssteigerung, FAZ v. 28. 05. 1988, S. 24.

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ist schwer zu lösen. Die pragmatische Ankoppelung an die Nachweismöglichkeit9 kann zu Härten führen. Soll beispielsweise ein Dopingverstoß auch dann bejaht werden, wenn nur geringe Mengen der fraglichen Substanz beim kranken – seine normale Leistungsfähigkeit nicht erreichenden – Sportler nachgewiesen werden? – Die Verbandspraxis scheint bisweilen solche Härtefälle anzuerkennen.10 Abgrenzungsprobleme bestehen auch zum sogenannten Blutdoping. Hierbei handelt es sich um eine medizinische Manipulation, bei der Blut oder daraus gewonnene Erythrozyten intravenös dem Körper vor dem Wettkampf zugeführt werden. Die erhöhte Zahl roter Blutkörperchen soll – ähnlich wie nach einem Höhentraining – zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit bei Ausdauersportarten führen.11 Um Substitution oder therapeutische Maßnahmen handelt es sich beim Blutdoping gewiß nicht. Soll aber die Entnahme und Wiederzufuhr körpereigener Substanzen dem Dopingbegriff unterfallen? – Dies ist eine Wertungsfrage, deren Beantwortung sich auch an den Zwecken des Dopingverbotes zu orientieren hat. Drittens stellt sich das Formulierungsproblem: Genügt eine Definition, die ihrerseits auf konkretisierungsbedürftige Begriffe oder eine beispielhafte Aufzählung typischer Dopingsubstanzen zurückgreift? Oder ist eine präzise Definition und/oder ein abschließender12 Katalog der Dopingsubstanzen erforderlich? Viertens bedarf der Klärung, ob Doping subjektiv die Kenntnis oder zumindest das Kennenmüssen der begriffsprägenden Umstände und einen entsprechenden Willen voraussetzt. Bejaht man dies, so sind die objektiven Abgrenzungs- und Definitionsprobleme jeweils zwangsläufig durch einen subjektiven Widerpart zu ergänzen. Hinzu kommen Wertungsschwierigkeiten. Soll wirklich ein Athlet bestraft werden, der – eingebunden in ein staatliches und/oder verbandliches (Förder-)Konzept – faktisch vor die Alternative gestellt ist, zu dopen oder auf einen erfolgreichen Leistungssport zu verzichten? Fünftens bestehen Nachweisschwierigkeiten. Zum einen geht es im wesentlichen um den Nachweis der Kausalität zwischen der Substanzeinnahme und der Steigerung der Leistungsfähigkeit und/oder der Gefährdung der Sportler. Lassen sich überhaupt Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge13 begründen? Sind hierfür Mindestdosierungen und -anwendungszeiträume erforderlich? Läßt sich die Kau9 Nach Donike-Rauth (Fn. 8), S. 38 besteht die Nachweismöglichkeit nach routinemäßig durchgeführten Analysemethoden normalerweise für einen Zeitraum von 24 – 48 Stunden nach dem Absetzen des Medikaments. 10 Bei den Olympischen Spielen in Seoul wurden wegen zu geringer Quantität bei den Modernen Fünfkämpfern in fünf Fällen sowie im Fall des britischen 200-Meter-Läufers Christie keine Strafen ausgesprochen. Vgl. FAZ v. 27. 09. 1988, S. 25 und FAZ v. 03. 10. 1988, S. 25. 11 Die Effizienz des Blutdopings ist umstritten. Vgl. zur Praxis des Blutdopings DonikeRauth (Fn. 8), S. 13 und Nafziger, International Sports Law, 1988, S. 154 f. 12 Donike-Rauth (Fn. 8), S. 17 weisen zu Recht darauf hin, daß sich bei einer abschließenden Dopingliste das Problem der „designer drugs“ stellt. 13 Donike (Fn. 6) konstatiert erhebliche Schwierigkeiten, experimentell gesicherte Leistungssteigerungen durch Dopingmittel nachzuweisen. Im Wesentlichen gelinge dies nur für die Gruppe der Amphetamine.

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salität generell oder nur individuell beurteilen? Ist eine Quantifizierung in der Weise möglich, daß eine bestimmte Dosierung zu einer in Prozenten angebbaren Leistungssteigerung führt? Gibt es eine Bagatellschwelle, jenseits der – z. B. bei Coffein oder Alkohol – Doping erst anfängt? Muß nicht zwischen den Sportarten differenziert werden? – Beta-Blocker mögen den Schützen die nötige Ruhe geben. Im Tennis führte ihre Anwendung hingegen zu einer Verschlechterung der Reflexe. Zum anderen – damit zusammenhängend – stellt sich das konkrete Nachweisproblem: Mit welchen Methoden14 kann mit welcher Genauigkeit eine Aussage über Ob, Umfang und Dauer der Einnahme einer bestimmten Substanz gemacht werden? Welche verfahrensmäßigen Sicherungen müssen beachtet werden, um auch Manipulationen bei Gewinnung, Versiegelung, Transport und Untersuchung der Proben zu verhindern? Wie können Sachkunde, Unabhängigkeit und Neutralität des Untersuchungslabors15 sichergestellt werden? Muß nicht – wenn es um die Gewährleistung der Chancengleichheit im Wettkampf geht – aufgrund der Größe der Stichprobe die Aussage möglich sein, daß die pharmakologisch unbeeinflußte Leistung der Normalfall und Doping die Ausnahme in der betreffenden Sportart ist? Führt nicht die Fortentwicklung der Analysemethoden – kontraproduktiv – zugleich zu einem know how, wie Dopingverstöße am besten zu verdecken sind? Wie kann z. B. sichergestellt werden, daß die Information über den optimalen Absetzzeitpunkt eines Anabolikums geheim bleibt? Wer kontrolliert die Kontrolleure? Soll schließlich als Dopingnachweis auch das Geständnis16 ausreichen? – Die Fülle der Fragen gibt einen Eindruck von der Komplexität der Nachweisproblematik. 2. Interessenlage Definitions- und Nachweisprobleme fördern dann die Bildung von Grauzonen und Dunkelfeldern, wenn keine gegenläufigen Interessen vorhanden sind. Hier liegt der Kern der Intransparenz der Dopingrealität. Für das Nutzen-Kosten-Kalkül des einzelnen Sportlers sind maßgeblich die Erhöhung der Erfolgschance einerseits und die Gesundheitsschäden und -risiken sowie das Entdeckungsrisiko andererseits. Wird das Leistungsniveau national und/oder international durch Doping mitbestimmt und knüpft die fachliche sowie finanzielle Förderung durch Verbände, Stiftung Deutsche Sporthilfe, Bundesausschuß für Leistungssport und Sponsoren – 14 Näher dazu Donike (Fn. 6); vgl. zu den neuartigen Steroidprofil-Untersuchungen Donikes, die es erlauben, den Mißbrauch anaboler Steroide bis auf einen Einnahmezeitraum von drei Monaten vor dem Dopingtest zurückzuverfolgen, FAZ v. 29. 07. 1989, S. 20 und FAZ v. 03. 11. 1989, S. 31. 15 Der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) hat dem Analyse-Institut in Kreischa/ Sachsen vorerst die Anerkennung entzogen, nachdem der stellvertretende Direktor des früheren Sportmedizinischen Dienstes der DDR, Dr. M. Höppner, gegenüber dem „Stern“ Beweise über ein systematisches Doping in der ehemaligen DDR geliefert hatte. Vgl. FAZ v. 22. 01. 1991, S. 25. 16 Beim sog. Blutdoping ist eine Nachweismethode noch nicht etabliert. Vgl. SehlingPollert-Hackfort (Fn. 8), S. 79.

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nicht zuletzt wegen der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit – an dieses Leistungsniveau an, ist es für den einzelnen Athleten schwer, auf Doping zu verzichten. Ein gegenläufiges Interesse der Trainer ist angesichts der Zeitverträge und Erfolgsprämien17 kaum zu erwarten. Ärzte18 und Funktionäre partizipieren ebenfalls – durch Steigerung ihres Ansehens – am Erfolg der Athleten. Es ist also in dopingträchtigen Sportarten ein geschlossener Interessenkreis vorhanden, dem an der Entdeckung von Dopingverstößen kaum gelegen sein kann. Aus diesem Kreis initiierte Kontrollverfahren setzen sich demgemäß leicht dem Verdacht aus, ineffektiv zu sein. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn einige Betroffene aus der Allianz des Schweigens ausbrechen, beispielsweise weil sie durch Vermarktung ihrer Informationen finanzielle Vorteile ziehen können. In diesem Fall – er entspricht der aktuellen Situation – kann der Druck der Öffentlichkeit und der Sponsoren als „extrinsische Initialzündung“ das Eigeninteresse an einer umfassenden Aufklärung vergangener und Verhinderung zukünftiger Dopingverstöße wecken.

III. Dopingregelungen Spezielle Dopingregelungen kennt das deutsche Recht nicht. Doping ist kein Rechtsbegriff. Die möglicherweise einschlägigen allgemeinen arzt- und strafrechtlichen Vorschriften19 haben für das Verbandsrecht keine Bedeutung. Sie werden im folgenden ebenso ausgeblendet wie die speziellen Dopingregelungen ausländischer Rechtsordnungen.20 Eine umfassende rechtstatsächliche Untersuchung der Dopingregelungen sowie der Kontroll- und Sanktionspraxis der deutschen und internationalen Sportverbände fehlt bislang.21 Die kursorische Durchsicht der Satzungen und Nebenordnungen der wichtigsten – die olympischen Sportarten repräsentierenden – Verbände gibt folgendes Bild: Auffallend ist zunächst, daß zwar die internationalen Sportverbände fast durchgängig mehr oder weniger umfangreiche Dopingregelungen kennen, daß 17 Z. B. sieht die vom DSB im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern erlassene Vergütungsordnung für Bundestrainer/innen eine regelmäßige Vertragsdauer von vier Jahren sowie eine Erfolgsprämie in Höhe von 10.000 DM vor, wenn der betreute Athlet bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille erringt. 18 Kritisch zur Tätigkeit der Ärzte im Spitzensport Sehling-Pollert-Hackford (Fn. 8), S. 131 m. w. N. 19 Näher hierzu Linck, NJW 1987, S. 2545 ff. m. w. N.; Franz-Hartl, NJW 1988, 2277; Schild (Fn. 1), S. 13 ff.; gegen ein spezielles Dopinggesetz Steiner (Fn. 1), S. 54 ff. 20 Durch staatliches Gesetz ist Doping beispielsweise in Griechenland verboten und unter Strafe gestellt. Vgl. näher Will, in: Reuter (Hrsg.), Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, 1987, S. 45. 21 Zu Einzelheiten der Regelungen der – hier nicht behandelten – internationalen Sportverbände Vieweg (Fn. 1), S. 84, 87, 89 u. 91 ff.

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aber die deutschen (Fach-)Sportverbände nur relativ selten spezielle Dopingregelungen treffen. Drei Gründe dürften hierfür ausschlaggebend sein: Zum einen stellt sich das Organisations- und Kostenproblem. Sollen Dopingregelungen nicht nur auf Teilnehmer an Deutschen Meisterschaften beschränkt bleiben, sondern beispielsweise auch Qualifikationswettkämpfe und Landesmeisterschaften sowie die wettkampfvorbereitende Trainingsphase umfassen, ist der Organisations- und Kostenaufwand beinahe prohibitiv groß. Mit der derzeitigen – noch weitgehend durch ehrenamtliche Tätigkeit gekennzeichneten – Verbands- und Vereinsstruktur läßt sich eine flächendeckend-effektive Dopingkontrolle kaum in Einklang bringen. Zum andern dürfte das Regelungsdefizit auch auf der Einschätzung der maßgeblichen Verbandsfunktionäre beruhen, Doping stelle in „ihrer“ Sportart kein Problem dar. So sind Dopingkontrollen im Bundesligafußball über Jahre mit der Begründung abgelehnt worden, eine Steigerung des spezifisch fußballerischen Leistungsvermögens sei durch die Einnahme von Dopingsubstanzen nicht möglich. Inwieweit diese Einschätzungen zutreffen oder ob sachfremde Überlegungen – Leistungssteigerung um jeden Preis, Gleichziehen mit der internationalen Konkurrenz, Vermeidung „hausgemachter“ Probleme und einer „Nestbeschmutzung“ – eine Rolle spielen, muß hier offenbleiben. Zum dritten schließlich mag die Vorstellung vorhanden sein, mit Verabschiedung der DSB-Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings22 bereits genug getan zu haben. Daß dies nicht der Fall ist, ergibt sich schon aus § 4 Nr. 2 dieser Richtlinien. Darin werden u. a. die (Sport-)Spitzenverbände verpflichtet, für ihren Bereich die erforderlichen Bestimmungen über Zuständigkeiten und Verfahren in Fällen des vollendeten und versuchten Dopings sowie der vollendeten oder versuchten Verweigerung oder Vereitelung von Dopingkontrollen zu erlassen.23 Die Regelungsansätze derjenigen deutschen Sportverbände, die sich dem Dopingproblem explizit widmen, sind unterschiedlich. Sie spiegeln die erwähnten Definitions- und Abgrenzungsprobleme zum Teil wider.24 Zumeist versuchen sie, diesen Problemen dadurch aus dem Wege zu gehen, daß sie Bezug nehmen entweder auf die Dopingregelungen „ihres“ internationalen Fachverbandes oder die des Deutschen Sportbundes (DSB). Zwei Beispiele seien hierfür genannt: So lautet § 8 der SportO des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber (BVDG): 22

Die am 03. 12. 1989 in Kraft getretenen DSB-Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Doping sind abgedruckt in Donike-Rauth (Fn. 8), S. 131 ff. 23 Die Nennung allgemeiner Disziplinargründe wie „Verstöße gegen sportliche Grundsätze und unsportliches Verhalten“ (§ 2 DisziplinarO DSkiV [1988]) reichen dafür wohl kaum aus. 24 Besonders unpräzise und sprachlich verunglückt ist Art. 73 Nr. 2 SpielO (1986) des Deutschen Eishockey-Bundes: „Doping ist der Gebrauch (Einnahme, Injektion oder Verabreichung) oder die Verteilung von gewissen Substanzen an einen Spieler. Diese können die Auswirkung haben, künstlich eine körperliche und/oder geistige Beschaffenheit zu verbessern und somit seine sportliche Leistung zu steigern, jedoch seiner Gesundheit Schaden zuzufügen.“

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„Jeder Athlet, dem die Verwendung von Dopingmitteln beim Wettkampf nachgewiesen wird, wird disqualifiziert und verliert den gewonnenen Platz. Über weitere Maßnahmen entscheidet der BVDG-Vorstand. Bei internationalen Gewichtheberkämpfen gelten die Antidopingbestimmungen der IWF (International Weightlifter Federation), bei Wettkämpfen innerhalb des BDVG die Antidopingbestimmungen des DSB. Unkenntnis über die Wirkung eingenommener Mittel schützt nicht vor Bestrafung.“

In der in Bezug genommenen Dopingdefinition des DSB25 heißt es: „(1) Doping ist der Versuch einer unphysiologischen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Sportlers durch Anwendung (Einnahme, Injektion oder Verabreichung) einer DopingSubstanz durch den Sportler oder eine Hilfsperson (z. B. Mannschaftsleiter, Trainer, Betreuer, Arzt, Pfleger oder Masseur)26 vor einem Wettkampf oder während eines Wettkampfes und für die anabolen Hormone auch außerhalb des Wettkampfes. (2) Doping-Substanzen im Sinne dieser Richtlinien sind insbesondere Phenyläthylaminderivate (Weckamine, Ephedrine, Adrenalinderivate), Narkotika, Analeptika, (Kampfer und Strychninderivate) und anabole Hormone. Sportartspezifisch können weitere Substanzen, z. B. Alkohol, Sedativa, Psychopharmaka unter den Doping-Substanzen aufgeführt werden.“

Eine Konkretisierung der Doping-Substanzen erfolgt gemäß § 3 der DSB-Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings durch die vom Deutschen Sportärztebund im Einvernehmen mit dem DSB aufgestellte und fortgeschriebene Dopingliste. Teil VI. A.–G. der WettkampfO des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV)27 ist die deutsche Übersetzung der Rules 55 – 61 des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (International Amateur Athletic Federation – IAAF). Sie wird lediglich um einige verfahrensmäßige Regelungen ergänzt. Die Dopingregelungen der IAAF28 sind 1989 – nicht zuletzt aufgrund des Falles Ben Johnson – umfassend revidiert worden. Sie stellen mit acht Druckseiten derzeit die umfassendste und spezifizierteste Dopingregelung dar. Bereits die kursorische Durchsicht der Verbandssatzungen und -nebenordnungen29 legt den Eindruck nahe, daß die Dopingproblematik nur punktuell und unvollständig erfaßt wird. Auch explizite Doping-Vereinbarungen in gesonderten Verträgen – z. B. der Bundestrainer mit dem DSB – scheinen bislang eher die 25

§ 2 DSB-Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings, abgedr. in: Donike-Rauth (Fn. 8), S. 131 ff. 26 Auch wenn in dieser beispielhaften Aufzählung nicht ausdrücklich erwähnt, können Funktionäre im Einzelfall als Hilfspersonen in diesem Sinne angesehen werden. 27 Die WettkampfO des DLV ist abgedruckt in DLV (Hrsg.), Amtliche Leichtathletik-Bestimmungen, Ausgabe 1990, S. 3 ff. 28 Die IAAF-Regeln sind abgedruckt in IAAF (ed.), Official Handbook 1990/91. Eine deutsche Übersetzung findet sich in DLV (Hrsg.), Amtliche Leichtathletik-Bestimmungen, Ausgabe 1990, S. 37 ff. 29 Wettkampfausschreibungen wurden nicht untersucht.

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Ausnahme als die Regel zu sein. Insgesamt zeigt sich einmal mehr, daß der Verbandsbereich ein lohnender Gegenstand der Rechtstatsachenforschung ist.

IV. Gerichtliche Nachprüfung von Verbandsstrafen Die Frage, ob Verbandsstrafen wegen Dopingverstößen einer gerichtlichen Kontrolle standhalten, ist aus zwei Gründen zentral: Zum einen wäre die aktuell erforderliche Aufklärung der bisherigen Dopingpraxis erheblich erleichtert, wenn aussagebereite Betroffene keine Verbandsstrafe zu befürchten hätten. Zum anderen muß ein jedes Handlungskonzept – neben einer Reduzierung der Definitions- und Abgrenzungsprobleme sowie der Auflösung geschlossener Interessenkreise beispielsweise durch Einsetzung unabhängiger Kontrolleure – eine möglichst gerichtsfeste Absicherung durch Verbandsstrafen vorsehen.30 „Ob“ und „Wie“ der gerichtlichen Nachprüfung von Verbandsstrafen gehören zu den klassischen Problemen des Vereinsrechts.31 Für die hier erforderliche Rechtsprechungsprognose bedarf es keines Eingehens auf dogmatische Einzelheiten wie die Frage der Rechtsqualität der Verbandsnormen.32 Entscheidend ist, daß eine gerichtliche Nachprüfung – entgegen anderslautenden Verbandsnormen – nicht völlig ausgeschlossen werden kann.33 Dies widerspräche der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen staatlichen Justizgewährungspflicht. Möglich ist allenfalls eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf den in §§ 1040, 1041 ZPO vorgesehenen Umfang. Dies setzt allerdings die Einsetzung von Schiedsgerichten voraus, die nicht Verbandsorgane sind.34 Daran fehlt es in der Praxis der meisten Sportverbände.35

30 Funktionale Identität besteht zwischen der Verbandsstrafe Sperre und der Verbandsentscheidung, einen Sportler zu Wettkämpfen nicht zuzulassen. Nichtzulassungsstreitigkeiten werfen – bei ansonsten identischer Interessenlage – das Zusatzproblem der Anspruchsgrundlage der Athleten auf. Vgl. allgemein zur Regelungs- und Entscheidungspflicht aufgrund verbandsrechtlicher Förderpflicht Vieweg (Fn. 1), S. 244 ff. 31 Vgl. aus neuerer Zeit insb. van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 1990, passim; Soergel-Hadding, BGB, § 25 Rdnrn. 37 ff.; Reuter, in: MünchKomm, § 25, Rdnrn. 18 ff.; Vieweg (Fn. 1), S. 197 ff.; Erman-H.P. Westermann, BGB, § 25 Rdnrn. 5 ff. 32 Vgl. zum Streit zwischen der modifizierten Normentheorie und der Vertragstheorie insb. Reuter, in: MünchKomm, § 25 Rdnrn. 7 ff., und Soergel-Hadding, § 25 Rdnrn. 17 ff.; vermittelnd Vieweg (Fn. 1), S. 320 ff.: potentielle rechtliche Doppelqualität der Verbandsnormen. 33 BGHZ 29 S. 352 (BGHZ 29 S. 354) = NJW 1959, NJW Jahr 1959 S. 982. 34 Vgl. statt vieler P. Schlosser, in: Stein-Jonas, ZPO, Vorb. § 1025 Rdnr. 6 m. w. N. Streitig ist, ob „echte“ Schiedsgerichte durch Satzung eingesetzt werden können. Dagegen – mit Hinweis auf die Formvorschrift des § 1027 ZPO – z. B. P. Schlosser, in: Stein-Jonas, § 1048 Rdnr. 11 m. w. N. Zutreffend können jedoch auch durch Mehrheitsbeschluß verbandsnormativ eingesetzte Schiedsgerichte § 1048 ZPO unterfallen. Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1079 f., und Vieweg (Fn. 1), S. 265 ff.

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1. Satzungsmäßige Grundlage der Verbandsstrafen und personelle Reichweite der Verbandsnormen Die konkrete gerichtliche Nachprüfung einer wegen Dopingverstoßes ausgesprochenen Verbandsstrafe erstreckt sich zunächst darauf, ob die Verbandsstrafe überhaupt eine Grundlage hat, die den Straftatbestand Doping und die angedrohte Strafe gegenüber den Betroffenen festlegt.36 Drei Prüfungsaspekte sind insofern miteinander verknüpft: die richtige Regelungsebene – Satzung oder Nebenordnung –, der erforderliche Grad der Konkretheit der Regelung sowie deren personelle Reichweite. Gesetzlicher Ausgangspunkt dieses ersten Prüfungskomplexes ist § 25 BGB, demzufolge die Verfassung des rechtsfähigen Vereins durch die Satzung bestimmt wird. Hieraus ergibt sich in normformaler Hinsicht, daß zur Verbandsverfassung gehörende Regelungen nicht lediglich in Nebenordnungen ohne Satzungsqualität aufgenommen werden dürfen, sollen sie die Mitglieder binden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur gehören die für das Vereinsleben wesentlichen Grundentscheidungen zur Verfassung und müssen deshalb in der Satzung geregelt werden.37 Gehören aber Dopingbestimmungen zu den wesentlichen Grundentscheidungen eines Sportverbandes? Die Rechtsprechung zieht – nicht zuletzt aus Gründen des Mitgliederschutzes38 – einerseits den Kreis der zur Verfassung gehörenden Regelungen sehr weit.39 Andererseits soll es – nach freilich schon älteren Entscheidungen – ausreichen, wenn die Strafe generalklauselhaft in der Satzung vorgesehen ist40 und die weitere Konkretisierung in einer Nebenordnung erfolgt.41 Eine sichere Rechtsprechungsprognose hinsichtlich des gem. § 25 BGB notwendigen Umfangs konkreter Dopingvorschriften auf Sat-

35 Der vom Internationalen Olympischen Komitee als unabhängiges Schiedsgericht eingerichtete Court of Arbitration for Sport hat bislang leider keine große Resonanz gefunden. Näher hierzu Simma, in: Festschr. f. Seidl-Hohenveldern, 1988, S. 573 ff. 36 Vgl. allgemein zum Erfordernis einer satzungsmäßigen Grundlage RGZ 125, 338 (340); BGHZ 47, 172 (177) = NJW 1967, 1268 (1270). 37 BGHZ 47, 172 (177) = NJW 1967, 1268 (1270); BGHZ 88, 314 (316) = NJW 1984, 1355; BGHZ 105, 306 (313 f.) = NJW 1989, 1724 (1725); ebenso Staudinger-Coing, § 25 Rdnr. 3; Erman-H. P. Westermann, § 25 Rdnr. 1; Steffen, in: RGRK, § 25 Rdnr. 1; krit. Lukes, NJW 1972, 121 ff.; P. Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972, S. 61 f.; Reuter, ZHR 148 (1984), 525 ff. 38 So jetzt ausdrücklich BGHZ 105, 306 (314) = NJW 1989, 1724 (1726). 39 Nach BGHZ 47, 172 (178) = NJW 1967, 1268 (1270 f.) müssen auch Kostenregelungen in die Satzung aufgenommen werden. Dagegen Lukes, NJW 1972, 126; Reuter, in: MünchKomm, § 25 Rdnr. 4; Steffen, in: RGRK § 25 Rdnr. 16. 40 BGHZ 36, 105 (113 f.) = NJW 1962, 247 (248) (sauberes Geschäftsgebaren); BGHZ 47, 381 (383 f.) = NJW 1967, 1657 (1659) (Gefährdung des Ansehens des Clubs durch unsportliches oder unwürdiges Verhalten). 41 BGHZ 29, 352 (358) = NJW 1959, 982 (983); vgl. auch Lukes, NJW 1972, 127, und Kirberger, NJW 1973, 1732.

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zungsebene stößt somit auf Schwierigkeiten.42 Angesichts der deutlichen Tendenz zur Ausweitung des Mitgliederschutzes bei sozial und wirtschaftlich mächtigen Verbänden43 sowie zur Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes bei eingetragenen Vereinen44 erscheint möglich, daß im kommerzialisierten und professionalisierten Sport eine – relativ konkrete – Dopingregelung zu den Grundentscheidungen eines Sportverbandes zu rechnen ist. Hierfür spricht ebenfalls die aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht abzuleitende Regelungspflicht der Verbände.45 Jedenfalls ist davon auszugehen, daß eine Start- oder Tätigkeitssperre eine gerichtliche Kontrolle dann nicht übersteht, wenn sie ausschließlich auf Strafbestimmungen in einer Nebenordnung ohne Satzungsqualität gestützt ist. Die normformalen Anforderungen des § 25 BGB werden insofern nicht erfüllt. Neben dem Erfordernis einer hinreichend präzisen Satzungsgrundlage kann sich auch unter dem Aspekt der personellen Reichweite eine Wirksamkeitshürde ergeben. Verbandsregelungen binden grundsätzlich nur die unmittelbaren Mitglieder. Dopingbestimmungen eines deutschen Sportverbandes erzeugen Bindungswirkung deshalb nur gegenüber den betreffenden Landesverbänden. Dopingverstöße der Athleten, Trainer, Ärzte und Funktionäre – sogenannter mittelbarer Mitglieder – werden nur dann erfaßt, wenn die Strafnormen durch ein lückenloses System korrespondierender Satzungsbestimmungen vom deutschen Sportverband über den Landesverband an den Verein vermittelt werden, dessen Mitglied der Betroffene ist.46 Der deutsche Sportverband muß also in seiner Satzung seine Landesverbände verpflichten, ihrerseits durch Satzung die ihnen angeschlossenen Vereine zu verpflichten, entsprechende Dopingbestimmungen in ihre Satzung aufzunehmen. Landesverbände und Vereine müssen ihre Satzungen demgemäß ausgestalten. Derartige lückenlose Satzungsabsicherungen47 stoßen in der Praxis nicht zuletzt dann auf Schwierigkeiten, wenn in Vereinen mehrere Sportarten betrieben werden und die Satzungsbestimmungen verschiedener Landesverbände vermittelt werden sollen. Fehlt eine lückenlose Satzungsabsicherung, sind die Athleten, Trainer, Ärzte und Funktionäre verbandsnormativ nicht an die Dopingbestimmungen des betreffenden deutschen Sportverbandes gebunden. Darauf gestützte Verbandsstrafen halten einer gerichtlichen Kontrolle nicht stand. 42

Allg. zu dieser Problematik Reuter, ZHR 148 (1984), 523 ff.; Vieweg (Fn. 1), S. 197 ff. BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726). 44 BGHZ 96, 245 (249 f.) = NJW 1986, 1033 (1034); dazu Häuser-van Look, ZIP 1986, 754 f.; vgl. auch H. P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 48 ff. 45 Vgl. Vieweg (Fn. 1), S. 244 ff. Speziell zum Detaillierungsgrad von Dopingbestimmungen ebda, S. 252 f. 46 Zur pyramidenförmigen Struktur des Sportverbandswesens vgl. Vieweg, JuS 1983, 826 f. 47 Vgl. BGHZ 28, 131 (134) = NJW 1958, 1867 (1868); BayObLGZ 1986, 528 (534); zu den Voraussetzungen s. im einzelnen Reichert-Dannecker-Kühr, Hdb. d. Vereins- und VerbandsR, 1987, Rdnrn. 209, 2095 a; P. Schlosser (Fn. 37), S. 76 ff.; Vieweg (Fn. 1), S. 336 m. w. N. 43

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2. Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle Der zweite wichtige Prüfungskomplex48 erstreckt sich auf den Inhalt der der Verbandsstrafe zugrundeliegenden Dopingregelung, die relevanten Tatsachen sowie die Subsumtion. Die Rechtsprechung des BGH hat den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung – vor allem bei Strafen und Entscheidungen sozial oder wirtschaftlich mächtiger Verbände – in den letzten Jahren erheblich erweitert.49 Wirksamkeitsgrenzen sind nach der neuen Rechtsprechung nicht mehr nur Gesetzes- und Sittenwidrigkeit sowie offenbare Willkür und Unbilligkeit.50 An ihre Stelle ist eine umfassende Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle getreten.51 Maßstab der Inhaltskontrolle der Verbandsstrafnormen ist § 242 BGB. Im praktischen Ergebnis läuft dies auf eine umfassende Abwägung der Interessen von Verband und (mittelbaren) Mitgliedern hinaus. Eine Verbandsnorm, die Dopingverstöße mit Strafen bedroht, ist nicht schon deshalb unwirksam, weil das staatliche Recht dasselbe Verhalten nicht unter Strafe stellt und die Einnahme einiger Substanzen, die in den einschlägigen Dopinglisten aufgeführt sind, in der Bevölkerung weit verbreitet ist. Verbandsspezifische Wertungen – wie das Dopingverbot – haben vielmehr als Ausfluß der durch Art. 9 I GG geschützten Verbandsautonomie prinzipiell ihren Raum. Diese Beurteilung kann sich jedoch ändern, wenn das Dopingverbot nicht ernsthaft der Verhaltenssteuerung dienen soll, sondern nur einen pro-forma- oder gar Alibicharakter hat. Schwer vorstellbar ist, daß die Rechtsprechung Dopingstrafnormen als mit dem Maßstab von § 242 BGB vereinbar ansehen wird, wenn der betreffende Sportverband dem Doping durch das System der Förderung Vorschub leistet oder zumindest duldet, daß eine große Zahl von Athleten während der Trainingsphase oder im Wettkampf gedopt ist. Eine Bestrafung der Betroffenen stellt unter diesen Voraussetzungen eine treuwidrige Verletzung der verbandsrechtlichen Förderpflicht dar, die bei einer monopolartigen Verbandsstruktur – wie sie das Sportverbandswesen kennzeichnet – besonders umfangreich und intensiv ist.52 In diesem Zusammenhang spielen im einzelnen einerseits die Qualifikationsnormen und die Art und Weise der medizinischen Betreuung sowie andererseits die Regelung und Handhabung des Verfahrens der Dopingkontrolle eine wesentliche Rolle. Planmäßige Lücken in Regelung und/oder praktischer 48

Die Verfahrenskontrolle wird aus Raumgründen ausgeklammert. In der Praxis sind Verfahrensregelungen häufig noch wenig ausgeprägt. Eine beispielhaft detaillierte Verfahrensregelung hat der Deutsche Fußballbund vorgenommen. Sie ist abgedruckt in: Kindermann, Die verbandsrechtliche Regelung des Dopingverbotes im Fußball, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Doping und Sport, 1990, S. 31 ff. 49 Deshalb haben die wenigen älteren untergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit der Nichtzulassung zu Wettkämpfen aufgrund Dopingverstoßes befassen, nur einen beschränkten Aussagewert. 50 So noch BGHZ 47, 381 (384) = NJW 1967, 1657 (1659). 51 BGHZ 87, 337 (344) = NJW 1984, 918; BGHZ 102, 265 (276) = NJW 1988, 552 (555); BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726). 52 Vgl. Vieweg (Fn. 1), S. 246 f.; vgl. nunmehr auch BGH, NJW 1990, 2877 (2878 f.).

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Durchführung können deshalb dazu führen, daß die Verbandsnormen, die Dopingverstöße unter Strafe stellen, nicht der Inhaltskontrolle standhalten. Im Rahmen der Inhaltskontrolle lassen sich beispielsweise zu Lasten der Athleten gehende Definitionsunschärfen beseitigen53 sowie das Strafzumessungs- und das Verschuldensproblem lösen. Verbandsnormen, die Doping unter Strafe stellen, tun dies – wie viele Sportregeln, die der Gewährleistung der Chancengleichheit dienen sollen – ohne Rücksicht auf das individuelle Verschulden des Athleten. Auch der Sportler, dem der Arzt oder Trainer abredewidrig anstelle zulässiger Vitaminpillen unzulässige Hormontabletten verabreicht hat, ist den Verbandsstrafen ausgesetzt. Soweit sich die Sanktion in der Disqualifikation bei einem konkreten Wettkampf erschöpft, dürfte dies der Inhaltskontrolle standhalten, da es um die Ausschaltung irregulärer Vorteile und die Gewährleistung der Chancengleichheit im Wettkampf geht. Individuelles Verschulden kann hierfür kein Kriterium sein. Ob hingegen eine Verbandsnorm, die eine Sperre, d. h. die Nichtzulassung zu zukünftigen Wettkämpfen vorsieht, einer Inhaltskontrolle standhält, wenn der Dopingverstoß ohne Verschulden erfolgt ist, mag immerhin bezweifelt werden. Der Grad der Professionalisierung der betreffenden Sportart und die Dauer der Sperre sind insofern unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel mit zu berücksichtigen. Übergreifende Bedeutung kommt dabei dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu. Hinsichtlich der Tatsachenkontrolle ist davon auszugehen, daß eine Verbandsstrafe wegen Dopings bei Bestreiten des Betroffenen nur dann im gerichtlichen Nachprüfungsverfahren Bestand haben wird, wenn das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen des Dopingverstoßes erlangt (§ 286 I ZPO). Hierzu bedarf es gegebenenfalls der Einholung von Sachverständigengutachten, die sich mit dem Befund der im Verbandsverfahren beauftragten Untersuchungslaboratorien auseinandersetzen. Für die Annahme einer sogenannten Tatsachenentscheidung, wie sie im Sport für notwendige Sofortentscheidungen – z. B. Elfmeter im Fußball – anerkannt ist,54 besteht bei der Dopingproblematik schon wegen der üblichen Verfahrensdauer kein Anlaß. Hinsichtlich der Subsumtionskontrolle ist nicht erkennbar, daß die Gerichte im Zusammenhang mit der Bestrafung von Dopingverstößen Beurteilungs- oder Ermessenspielräume55, der zuständigen Verbandsorgane anerkennen werden.

53

Vgl. zur geltungserhaltenden Reduktion bei Verbandsnormen Vieweg, in: Festschr. f. Lukes, 1989, S. 821 f. 54 Vieweg (Fn. 1), S. 240. 55 Vgl. BGHZ 93, 151 (158); BGHZ 102, 265 (276) = NJW 1988, 552 (555) m. Anm. H. P. Westermann, WuB II L. § 25 BGB 1.88.

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V. Gerichtliche Nachprüfung von Vertragsstrafen und Zulassungsbedingungen Die Konstruktion einer vertraglichen Unterwerfung unter die Verbands(straf)gewalt56 wurde erstmals vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gewählt, um die Berufsfußballer, die aus steuerlichen Gründen nicht Mitglieder der Vereine sein durften, für die sie spielten, an die Normen des DFB zu binden. Diese Konstruktion haben mittlerweile einige Sportverbände aufgegriffen, nicht zuletzt um den Schwierigkeiten einer normativen Bindung der (mittelbaren) Mitglieder Rechnung zu tragen.57 Ein Teil des Schrifttums58 befürwortet generell eine vertragliche Lösung, weil eine eigene Normsetzungsbefugnis der Verbände prinzipiell abzulehnen sei. Die ursprüngliche Zielsetzung dieser Meinung, den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung zu erweitern, spielt angesichts der Kontrollpraxis der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle.59 Die praktische Bedeutung einer vertraglichen Bindung ergibt sich – unabhängig von der streitigen dogmatischen Einordnung der Verbandsnormen60 – dann, wenn eine verbandsrechtliche Bindung der Athleten, Trainer, Ärzte und Funktionäre an den normformalen Anforderungen des § 25 BGB oder an der fehlenden personellen Reichweite der Verbandsnormen scheitert. Eine derartige Vertragsbindung durch Unterwerfung unter inhaltsgleiche Verbands-AGB61 kann insbesondere im Zusammenhang mit der Wettkampfausschreibung und der Anmeldung als Teilnehmer62 zustande kommen. Enthält die Ausschreibung selbst Dopingbestimmungen oder verweist sie auf die Dopingregelungen in Satzung und/oder Nebenordnung, so werden diese nach allgemeinen Grundsätzen Vertragsbestandteil.63 Dopingverstöße können insbesondere als Disqualifikationsgrund hinsichtlich des laufenden Wettkampfes und als Nichtzulassungsgrund für künftige Wettkämpfe formuliert werden.64 Derartige Dopingbestimmungen unterliegen damit der Inhaltskontrolle der §§ 9 I AGB-Gesetz, 343 I BGB. Damit kommt es auch insofern letztlich auf eine

56

Grundlegend Lukes, in: Festschr. f. H. Westermann, 1974, S. 325 ff. Z. B. Anlage 1 – 3 zu Art. SPIELO Artikel 49 Ziff. 2 SpielO (1986) des Deutschen Eishockey-Bundes. 58 In jüngster Zeit insb. Soergel-Hadding, § 25 Rdnrn. 38 ff., und van Look (Fn. 31), S. 107 ff. 59 Vieweg, WM 1991, 210 f. 60 Siehe Fn. 32. 61 Zum AGB-Charakter der Vereinsordnungen Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 ff.; abl. van Look (Fn. 31), S. 182 f. 62 Auch nicht vereinsgebundene Teilnehmer z. B. an einem Volkslauf könnten sich Dopingbestimmungen des Verbandes unterwerfen. 63 Vgl. Meinberg-Olzen-Neumann (Fn. 1), S. 74. 64 Meinberg-Olzen-Neumann (Fn. 1), S. 81; Reschke (Fn. 1), S. 9 f.; vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Dopingkontrollen im Wettkampfvorfeld Steiner (Fn. 1), S. 60 f. 57

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Interessenabwägung an.65 Deren Ergebnis stimmt mit dem der Inhaltskontrolle der Verbandsnormen gem. § 242 BGB überein.

VI. Ergebnis und Konsequenzen Ob Verbandsstrafen wegen Dopingverstoßes einer gerichtlichen Kontrolle standhalten, ist aus mehreren Gründen äußerst zweifelhaft. Häufig fehlen – entgegen § 25 BGB – hinreichend konkrete Strafbestimmungen auf Satzungsebene. Auch erstreckt sich die personelle Reichweite der Dopingregelungen grundsätzlich nicht auf mittelbare Mitglieder wie die Athleten, Trainer, Ärzte und Funktionäre. Die gem. § 242 BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle der Dopingstrafnormen verläuft dann negativ, wenn der betreffende Sportverband dem Doping Vorschub leistet oder zumindest Dopingverstöße in großem Umfang dadurch duldet, daß er kein effizientes Kontrollsystem einrichtet und unterhält. Die Verhängung von Verbandsstrafen erweist sich unter solchen Bedingungen als treuwidriger Verstoß gegen die verbandsrechtliche Förderpflicht. Auch eine aufgrund eines formularmäßigen Wettkampfvertrages von einem Teilnehmer bei Doping verwirkte Vertragsstrafe hielte bei dieser Sachlage einer gerichtlichen Nachprüfung kaum stand, da der Kontrollmaßstab des § 9 I AGB-Gesetz identisch mit dem des § 242 BGB ist. Praktische Konsequenz ist, daß unter den geschilderten Bedingungen die von der Dopingproblematik betroffenen Verbände ohne Verstoß gegen ihre Normbefolgungspflicht von einer Bestrafung der Athleten, Trainer, Ärzte und Funktionäre absehen können. Auf diese Weise vermögen sie einen entscheidenden Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung zu leisten. Zugleich ergibt sich eine wichtige Konsequenz für jedes Handlungskonzept. Die notwendige Absicherung durch Verbandsstrafen – oder auch Vertragsstrafen und Zulassungsbedingungen – setzt sowohl eine detaillierte Regelung als auch eine effektive praktische Durchführung der Dopingkontrollen voraus.66

65

Vgl. Kötz, in: MünchKomm, § 9 AGB-Gesetz Rdnr. 3; Soergel-Lindacher, § 343 Rdnr. 15. 66 Die vertraglich von den Sporthilfeempfängern zu erklärende Bereitschaft, unangemeldete Dopingkontrollen auch außerhalb der Wettkämpfe durchführen zu lassen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vgl. § 4 (2) Vereinbarung zwischen der Stiftung Deutsche Sporthilfe und den geförderten Athleten.

Doping und Verbandsrecht Zum Beschluß des DLV-Rechtsausschusses im Fall Breuer, Krabbe, Möller* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Der Beschluß des Rechtsausschusses des Deutschen Leichtathletik-Verbands . . . . . 124 III. Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

I. Einleitung Der juristischen Dopingdiskussion des Jahres 19911 und den Empfehlungen der Unabhängigen Doping-Kommission des deutschen Sports (sog. Reiter-Kommission)2 folgte im Frühjahr 1992 die Nagelprobe in der Verbandspraxis. Der Fall der Sprint-Weltmeisterin Katrin Krabbe sowie ihrer Trainingspartnerinnen Grit Breuer und Silke Möller polarisierte Medien und Öffentlichkeit in zuvor nicht gekannter Weise. Mehrere Aspekte ließen die Sachprobleme zum Spektakulären anwachsen: die vermuteten Manipulationsvarianten bei der Dopingprobe, die beruflich-wirtschaftliche sowie persönliche Dimension einer vierjährigen Sperre, der mutmaßliche Einfluß der Sponsoren auf die Entscheidungen von Verband und Athletinnen sowie die Bewältigung des DDR-Sports durch westdeutsch geprägte Verbände. Erschwert wurden die erforderlichen Sachentscheidungen durch Synergieeffekte aus zeitlichem Entscheidungsdruck, unzureichender Sachkenntnis – vor allem der verbandsrechtlichen Gegebenheiten – sowie dem Profilierungs- und Rechtfertigungsbedarf einiger Beteiligter und Interessierter. Schließlich lenkte auch der Stil der Auseinandersetzung – Verlautbarungen über die Medien und Ergebnisvorwegnahmen – von den Sachproblemen ab. Der Rechtsausschuß des Deutschen-Leichtathletik-Verbands (DLV) hat diesen Widrigkeiten getrotzt. Sein Beschluß3 deckt gravierende Mängel der Regelungen und Praxis des DLV auf. Wie der Vergleich mit den im April 1992 vorgelegten Formulierungsvorschlägen einer im Auftrag des DSB-Präsidiums tätigen Juristen-

* Erstveröffentlichung in NJW 1992, 2539 f. 1 Vgl. insb. Steiner, NJW 1991, 2729 (2736); Turner, MDR 1991, 569 ff.; ders., NJW 1991, 2943 ff.; Vieweg, NJW 1991, 1511 ff. 2 Bericht der Unabhängigen Doping-Kommission, Juni 1991, passim. 3 Abgedruckt in NJW 1992, 2588 ff. Vgl. zur Medienkritik z. B. die Presseberichte in: Deutscher Sportbund (Hrsg.), Sport im Spiegel Nr. 7 – 8/92.

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kommission4 zeigt, besteht auch bei anderen deutschen Sportverbänden erheblicher Anpassungsbedarf.

II. Der Beschluß des Rechtsausschusses des Deutschen Leichtathletik-Verbands Der Rechtsausschuß ist das von der Satzung des DLV als einzige Instanz bestimmte Organ zur Ausübung der Verbandsgerichtsbarkeit.5 Seine Mitglieder werden vom Verbandstag des DLV gewählt.6 Die Satzung7 bezeichnet den Rechtsausschuß als unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Dennoch ist er kein Schiedsgericht i. S. v. § 1048 ZPO.8 Seine Entscheidungen unterliegen vielmehr der in den letzten Jahren stark erweiterten gerichtlichen Nachprüfung.9 Deshalb ist es konsequent und richtig, daß der Rechtsausschuß mit seinem Beschluß eine staatlich-gerichtliche Entscheidung quasi antizipiert.10 Hierin läßt sich ein Markstein in der Sport-Verbandsgerichtbarkeit sehen, die bisher nur allzu häufig das Verhältnis von staatlichem Recht und Verbandsnormsetzung verkannt hat. Da offenbar vertragliche Beziehungen zwischen dem DLV und den Athletinnen nicht dargetan waren, konnte der Rechtsausschuß sich auf die verbandsrechtliche Beurteilung beschränken.11 Er stützt seinen Beschluß auf drei Begründungen, die jede für sich genommen zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse des DLV führen. Zutreffend erkennt der Rechtsausschuß erstens einen gravierenden Zuständigkeitsfehler. Während die Durchführung von Dopingkontrollen nach dem eigenen Regelwerk des DLV ausschließlich der vom Verbandstag zu berufenden Dopingkommission übertragen ist, führte die Einschaltung des südafrikanischen Leichtathletik-Verbands zwangsläufig zum Verlust der Verfahrensherrschaft der Dopingkommission. Dieser bislang übersehene Widerspruch von verbandsrechtlicher Grundlage und praktischen Erfordernissen entstand 1990 mit Einführung der all4 Die Empfehlungen der Juristenkommission (Rechtsanwalt Brodeßer, DSB-Justitiare Kühl und Latz, Richter am BGH Röhricht, Prof. Dres. Turner u. Vieweg) befinden sich nach Weiterleitung an die Verbände in der Umsetzungsphase. 5 § 11 Satzung DLV. 6 § 10 (1) Rechts- und Verfahrensordnung (RuVO) DLV. 7 § 11 Satzung DLV; vgl. auch § 4 (2) RuVO DLV. 8 Vgl. zur Diskussion der Zulässigkeit satzungsmäßiger Schiedsgerichte Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1989, S. 265 ff. 9 Vgl. im einzelnen Vieweg (Fn. 8), S. 229 ff. 10 So ausdrücklich S. 29 des Beschlusses hinsichtlich einer vierjährigen Sperre bei erstmaligem Dopingverstoß. 11 Ein aktueller Überblick über die Konstruktionen der rechtlichen Beziehungen zwischen Verband und Sportler findet sich bei Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, 1992, S. 61 ff. Auch die vom DSB-Präsidium beauftragte Juristenkommission (Fn. 4) bietet neben einer satzungsrechtlichen eine individualrechtliche Lösung an.

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gemeinen Trainingskontrollen. Flächendeckende Dopingkontrollen außerhalb des Wettkampfs können – wie auch die Dopinganalytik – zweckmäßigerweise nur durch verbandsexterne Organisationen – wie z. B. German Control12 – durchgeführt werden. Dies setzt jedoch eine entsprechende Klarstellung in der Verbandssatzung voraus.13 Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand die zweite Begründung des Rechtsausschusses, ein Dopingverstoß durch Anwendung einer verbotenen Technik – also durch Manipulation – sei nicht zu seiner vollen Überzeugung bewiesen. Der Rechtsausschuß nimmt insofern für sich das für die freie richterliche Überzeugung geltende Beweismaß des § 286 ZPO in Anspruch. Danach wäre der – gewiß schwierige – Indizienbeweis dann geführt, wenn eine derartig hohe Wahrscheinlichkeit der Manipulation durch die Athletinnen besteht, daß „Zweifeln Schweigen geboten ist, ohne sie völlig auszuschließen“14. Manches spricht dafür, daß eine zweite Verbandsinstanz15 oder ein staatliches Gericht bei Durchführung des eigentlich entbehrlichen Beweisverfahrens zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre. Die vom Rechtsausschuß zur Begründung der eigenen Zweifel an der Manipulation durch die Athletinnen angeführten Umstände – Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, deren Zweck die Vermeidung von Fremdmanipulationen ist, die Einschaltung untergeordneter Mitarbeiter sowie die mit der Objektivität und Neutralität eines Sachverständigen nicht in Einklang zu bringenden Verhaltensweisen des Beauftragten für Dopinganalytik Prof. Dr. D. – zeigen verdienstvoll Defizite auf, die sich zukünftig ohne weiteres abstellen lassen. Nicht zuzustimmen ist dem Rechtsausschuß allerdings insofern, als er tatsächliche Feststellungen hinsichtlich der konkret angewandten Manipulationsmethode sowie Art und Umfang der Beteiligung der Athletinnen verlangt. Ausreichend ist vielmehr die Darlegung verschiedener – die Mitwirkung der Athletinnen voraussetzender – Manipulationsmöglichkeiten, falls sämtliche Möglichkeiten der Fremdmanipulation der Dopingprobe mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Der dritten Begründung des Rechtsausschusses ist wenig hinzuzufügen. Mit der ständigen Rechtsprechung und der in sich nur graduell unterschiedlichen Literatur16 müssen die für das Vereinsleben grundlegenden Entscheidungen in die Satzung 12

Für 1992 hat der Deutsche Sportbund (DSB) der TÜV Rheinland-Tochter German Control den Auftrag zu 4.000 Trainingskontrollen erteilt. Die Auswahl der Athleten trifft der DSB nach sportwissenschaftlichen Kriterien und mit Hilfe eines Zufallsgenerators eines Computers, der die Namen der ca. 4.000 Mitglieder der Leistungskader gespeichert hat. 13 § 9 DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings, die nach der Empfehlung der Juristenkommission (Fn. 4) Bestandteil der Verbandssatzungen werden sollen, regelt, daß die Dopingkontrolle der Mitgliedsorganisation oder einer von ihr bestimmten zuständigen Stelle obliegt. 14 Vgl. BGHZ 53, 245 (256) = NJW 1970, 946; BGHZ 61, 169 = NJW 1973, 1925. 15 Die Ad-hoc-Kommission „Sport und Recht“ des Wissenschaftlichen Beirats des DSB empfahl in ihrem Bericht vom Oktober 1983 hingegen nach Möglichkeit eine zweite Instanz. 16 Überblick bei Vieweg (Fn. 8), 197 ff.

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aufgenommen werden. Daß Dopingbestimmungen und Sanktionssysteme dazugehören, kann nicht zweifelhaft sein. Weiterhin erfordert eine verbandsrechtliche Bindung der Athleten, die selbst nicht Mitglieder des Deutschen LeichtathletikVerbands sind, sondern diesem nur mittelbar über Verein und Landesverband angehören, ein lückenloses System korrespondierender Satzungsbestimmungen. Diese normformalen Anforderungen, die letztlich dem Mitgliederschutz dienen, mögen bei Nichtjuristen auf wenig Verständnis stoßen. Daß der Rechtsausschuß seinen Verband in dieser Deutlichkeit auf die festgestellten Versäumnisse hingewiesen hat, ist verdienstvoll und wird Wirkung über den Deutschen LeichtathletikVerband hinaus zeigen.17 Bemerkenswert ist schließlich das obiter dictum des Rechtsausschusses, der eine vierjährige Sperre auch der Höhe nach beanstandet. Zutreffend moniert er, daß die vom Internationalen Leichtathletik-Verband IAAF beschlossene Verlängerung der Sperre bei erstmaligem Dopingverstoß von zwei auf vier Jahre weder international noch national in die Satzung aufgenommen, nicht einmal offiziell verlautbart worden ist. Die Ausführungen zur Informationspflicht des Verbands gegenüber den Athleten und zur Unzulässigkeit einer automatischen Normenanpassung im Wege der dynamischen Verweisung tragen vielleicht dazu bei, mit verbreiteten Fehlvorstellungen aufzuräumen. Daß eine pauschale – individuelle Aspekte ausblendende – Sperre von vier Jahren bei erstmaligem Dopingverstoß nicht mit Art. 12 GG in Einklang zu bringen ist, ist im Schrifttum unstreitig. Die aufgrund der Empfehlungen der Juristenkommission geänderten DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings sehen im ersten Fall eine Wettkampfsperre von bis zu 12 Monaten vor.18 Bei der Festlegung der Sperre sind nunmehr der individuelle Grad des Verschuldens sowie die mögliche Dauer weiterer wettkampfsportlicher Tätigkeit zu berücksichtigen.19

III. Ergebnis und Ausblick Die pauschale Medienkritik am Beschluß des DLV-Rechtsausschusses erweist sich als ungerechtfertigt. Der Beschluß antizipiert zumindest hinsichtlich der formalen Anforderungen sowie der verfassungsrechtlichen Beurteilung einer vierjährigen Sperre die zu erwartenden zivilgerichtlichen Entscheidungen. Die Beweiswürdigung mag angreifbar sein, berührt aber das Ergebnis nicht. Die Bedeutung des Beschlusses des DLV-Rechtsausschusses liegt gerade darin, daß sie über den entschiedenen Fall hinausgeht. Die kritische Distanz zu den Verbandsinstanzen setzt ein Zeichen, macht allerdings Überlegungen nicht entbehrlich, ein „echtes“ 17 Vgl. auch die in die gleiche Richtung gehenden Empfehlungen der Juristenkommission (Fn. 4). 18 Anlage 1 Nr. 1 DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings. 19 So der Wortlaut der auf Empfehlung der Juristenkommission (Fn. 4) eingefügten Textpassage der Anlage 1 Nr. 1 a. E. DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings; vgl. auch Nr. 3 der Empfehlungen der Juristenkommission hinsichtlich der Wettkampfordnung.

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Schiedsgericht – sei es beim DSB, sei es bei den Fachverbänden – einzurichten. Vielleicht trägt der Beschluß auch dazu bei, daß Rechtsschutz durch Verfahren auch für die Sportverbände zur Selbstverständlichkeit wird.20 Die Bewältigung der Dopingproblematik erfordert die Anwendung zusätzlicher Kontroll- und Analysemethoden. Hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß z. B. die vorgeschlagene Erstellung von Steroidprofilen – sogenannte „hormonelle Fingerabdrücke“ – und Bluttests neue Zulässigkeitsfragen aufwerfen. Gleiches gilt für die Forderung, die Anonymität bei Trainingskontrollen aufzuheben. Der Beschluß des Rechtsausschusses des DLV wird dazu beitragen, die erforderliche Umsetzung solcher Neuerungen in Satzungen und Ordnungen der Sportverbände zu beschleunigen. Wünschenswert wäre, wenn der Rechtsausschuß zudem mit seiner Kritik die nötige Sensibilität für Fragen des Persönlichkeitsrechts der Athleten wecken könnte. Die ungenehmigte Analytik von B-Proben sowie die Mitteilung der eingenommenen Antikonzeptiva an die Presse sind – bei allem Verständnis für eine engagierte Dopingbekämpfung – rechtlich nicht tolerabel. Die im Zusammenhang mit dem Fall Krabbe aufgeworfenen Schadensersatzfragen sind komplex und bisher erst in Ansätzen erörtert.21 Sie können nur bei einer sorgfältigen Ausdifferenzierung der rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten sowie deren Pflichten beantwortet werden.

20 Bei den internationalen Sportverbänden ist jedoch nach wie vor Skepsis angebracht. So verschärfte der Internationale Leichtathletik-Verband IAAF nach einer Notiz in der FAZ v. 11. 08. 1992, S. 19 die Sperre des 400-m-Weltrekordlers Reynolds um knapp 5 Monate, weil er durch „juristische Schritte den Sport in Mißkredit gebracht“ habe. 21 Vgl. Schwab, in: Schild, Rechtliche Fragen des Dopings, 1986, S. 35 ff.; Turner, NJW 1992, 720 ff. Vgl. zur prinzipiellen Möglichkeit einer Schadensersatzpflicht aufgrund der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten BGH, NJW 1990, 2877 (2878).

Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände* I. Rechtstatsächlicher Befund und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das „Ob“ der Teilnahme – die prinzipielle Teilnahmeberechtigung und -pflicht . . . 1. Aufnahme und Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Satzungspraxis der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Exkurs: Aufnahmeprobleme im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilnahme ohne Mitgliedschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluß und Entziehung der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Teilnahmepflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sperre und Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Boykott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das „Wie“ der Teilnahme – Teilnahmemodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltskontrolle der Verbandsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normenmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schlußbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Rechtstatsächlicher Befund und Fragestellung „Die Teilnahme ist wichtiger als der Sieg“.1 Diese alte olympische Maxime dient seit langem dem Trost der Verlierer. Sie relativiert zugleich den sportlichen Erfolg, indem sie den Wert des Selbstentfaltungs- und Kommunikationserlebnisses Sport in den Mittelpunkt rückt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung enthält dieser alte Satz außerdem eine neue Wahrheit. Sie lautet: Allein die Teilnahme ist wichtig für die finanzielle Grundversorgung im kommerzialisierten Sport. Der Sieg entscheidet nur noch über Zusatzeinnahmen. Die Beispiele hierfür sind Legion. Sie reichen von der Antrittsprämie eines Ben Johnson über die staatliche und kommunale Sportförderung2 bis hin zur pauschalierten Verteilung der sogenannten Fernsehgelder3 auf alle * Erstveröffentlichung in: E. Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg 1993, S. 23 – 47 (Stand: August 1991 – Abgabe an den Herausgeber). 1 Vgl. H. Lenk, Werte, Ziele, Wirklichkeit der modernen olympischen Spiele, Schorndorf 1964, S. 282 ff., der die Teilnahme dem übergeordneten Grundwert der menschlichen Vervollkommnung zurechnet. 2 Vgl. hierzu die Beiträge in: P. J. Tettinger (Hrsg.), Subventionierung des Sports, Heidelberg 1987.

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teilnehmenden Vereine und Verbände. Die Teilnahme ist also aus mehreren Gründen zentral für den Sport in seinen vielfältigen Erscheinungsformen: als Mittel zur Realisierung des Wettkampfprinzips, zur Selbstentfaltung und Kommunikation sowie als Einkunftsquelle. Der Prozeß der Kommerzialisierung und Professionalisierung4 hat zu einer weitgehenden Integration des Sports in das Wirtschaftsleben geführt. Insbesondere die Teilnahme am medienrelevanten Spitzensport ist zum Wirtschaftsfaktor geworden. Parallel zu dieser ökonomischen Entwicklung läßt sich seit dem sogenannten Bundesligaskandal5 vor nunmehr 20 Jahren eine sukzessive Integration des Sports in das allgemeine Recht6 beobachten. Sie ist gekennzeichnet durch eine wachsende Inanspruchnahme staatlich-gerichtlichen Rechtsschutzes und eine Ausweitung der gerichtlichen Kontrolle,7 umgekehrt gewendet: eine Reduzierung rechtsfreier Räume. Die augenfällige Diskrepanz zwischen Vereins- und Verbandsregelungen sowie Entscheidungsstrukturen und -mechanismen einerseits und den Anforderungen des allgemeinen Rechts, insbesondere des Rechtsstaatsprinzips, andererseits erwies sich als nicht mehr tragbar. Die Empfindlichkeit des allgemeinen Rechts für faktische wirtschaftliche und soziale Machtverhältnisse macht deshalb – trotz Anerkennung einer prinzipiellen Autonomie – vor dem Sportbereich nicht mehr halt. Die Betroffenen sind sich dieser Situation zunehmend bewußt. Die stillschweigende – auch resignierende – Duldung von Regelungen und Entscheidungen, die den eigenen wirtschaftlichen, beruflichen und persönlichen Interessen zuwiderlaufen, ist nicht mehr der Normalfall. Ein common sense, Konflikte nicht von staatlichen Gerichten entscheiden zu lassen, ist beinahe nur noch bei Verbänden und Vereinen gegeben, die gemeinsam einen „Dammbruch“ besorgen müssen und verhindern wollen.8 Systematisiert man das reiche Rechtstatsachenmaterial, so ergeben sich im Hinblick auf die Teilnahme drei Problemkreise. Der erste Problemkreis betrifft das „Ob“ der Teilnahme – die prinzipielle Teilnahmeberechtigung und -pflicht. Hierzu gehören die Fragen der Aufnahme als teilnahmeberechtigtes Mitglied, des Ausschlusses und der Teilnahmepflicht. Ein zweiter – bisher kaum beachteter – Pro3 Die Erlöse für die Fernsehrechte an den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona belaufen sich beispielsweise auf 925 Mio. US-Dollar. Vgl. FAZ v. 15. 06. 1991, S. 26. 4 Vgl. hierzu K. Vieweg, JuS 1983, 825. 5 R. Rauball, Bundesliga-Skandal, Berlin/New York 1972, passim. 6 Vgl. schon die engagierte Stellungnahme von H. P. Westermann, Die Vereinsstrafgewalt und das allgemeine Recht, Bielefeld 1972, passim. 7 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Sportverbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände, Berlin 1990, S. 229 ff. 8 So war beispielsweise nicht zu erwarten, daß das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der Weltfußballverband (FIFA) ihren Streit hinsichtlich der Teilnahmevoraussetzungen an Olympischen Spielen gerichtlich klären ließen. Vgl. FAZ v. 05. 06. 1985, S. 22, FAZ v. 17. 10. 1985, S. 24 und FAZ v. 13. 06. 1989, S. 29.

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blemkreis betrifft das „Wie“ der Teilnahme – die Teilnahmemodalitäten. Hierbei handelt es sich z. B. um folgende Spezialprobleme: Qualifikation- und Veranstaltungsmodus, Terminschutz und Konkurrenzverbot, Werberecht und -pflicht der Teilnehmer sowie Verteilung der Einnahmen aus der Veräußerung von Fernseh- und Werberechten. Auf lange Sicht wird in diesem Bereich der Schwerpunkt der rechtlichen Diskussion liegen. Ein dritter Problemkreis betrifft die Teilnahme und Teilhabe Externer. Hierbei geht es einerseits beispielsweise um Fragen der Zulassung der Medien (Presse, Rundfunk und Fernsehen) zu den Veranstaltungen,9 die Aufnahme von Herstellern in die betreffenden Pool-GmbHs sowie die Anerkennung als offizieller Förderer. Da es sich hierbei ganz wesentlich um kartellrechtliche Fragestellungen handelt, die einer weiteren Tagung vorbehalten bleiben sollen, werden sie im folgenden ausgeblendet. Die Untersuchung des „Ob“ und „Wie“ der Teilnahme (dazu II. und III.) beschränkt sich – in Abgrenzung zum Referat von Herrn Deutsch – auf die Ebene der Vereine und Verbände. Die pyramidenförmige Struktur des Sportverbandswesens erfordert aber zum Teil eine Einbeziehung der mittelbar betroffenen Athleten, um der umfassenden wechselseitigen Förderpflicht10 Rechnung zu tragen und einen angemessenen Interessenausgleich zu finden.

II. Das „Ob“ der Teilnahme – die prinzipielle Teilnahmeberechtigung und -pflicht 1. Aufnahme und Anerkennung Teilnahme und (mittelbare) Mitgliedschaft sind im Sportbereich weitgehend miteinander verkoppelt. Deutscher Meister wird eine Vereinsmannschaft nur dann, wenn ihr Verein mittelbar über den Landes- und Regionalverband dem deutschen Fachsportverband angeschlossen ist. Die Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen setzt ebenfalls voraus, daß man in dem vom internationalen Sportverband anerkannten deutschen Verband organisiert ist. Organisationstechnisch wird dies durch das sogenannte Ein-Platz-Prinzip oder Ein-Verbands-Prinzip11 erreicht. Es besagt, daß nur jeweils ein Verband pro Fachgebiet und/oder -region Mitglied in dem übergeordneten Verband sein darf. Hierdurch bedingt ist ein pyramidenförmiger Aufbau des Sportverbandswesens und eine Monopolstruktur.

9

Vgl. z. B. G. B. Krause-Ablass, AWD 1972, 392 ff. Dazu K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 246 ff. m. w. N. 11 K. Vieweg, JuS 1983, 826; ders., Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 61 ff.; G. Gießelmann-Götze, Das Ein-Platz-Prinzip, in: M.R. Will (Hrsg.), Sport und Recht in Europa – Kolloquium, Saarbrücken 1988, S. 15 ff. 10

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Neben historischen Gründen – Gleichschaltung im Dritten Reich12 und Einheitssportbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg – sind insbesondere Zweckmäßigkeitsgründe für diese Struktur bestimmend gewesen. Ein unzersplitterter, einheitlicher Sport ist nach innen besser zu leiten; nach außen kann er mit größerem Gewicht auftreten. Er entlastet zudem den Staat bei der Verteilung der Fördermittel. Gerade dieser Aspekt Weitergabe von Fördermitteln an die Mitglieder13 – macht die Mitgliedschaft attraktiv. Die finanzielle Teilhabe eröffnet die sportliche Teilnahme. a) Nationale Ebene aa) Rechtsprechung und Literatur Die Aufnahmeproblematik gehört zu den geradezu klassischen Fragen des Sportverbandsrechts. Der DSB sowie einige Landessportbünde und -verbände verfügen über mehr oder weniger intensive Gerichtserfahrungen. Derzeit ist eine gewisse Konsolidierungs- und Ruhephase eingetreten, nachdem einige Satzungen den Anforderungen der Rechtsprechung gemäß angepaßt worden sind. Besonders anschaulich sind zwei Fälle: die Aufnahmestreitigkeiten zwischen dem Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität und dem Deutschen Sportbund (DSB) sowie zwischen dem Freizeitsportclub Dynamo Windrad Kassel und dem Landessportbund Hessen. Der Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität bildete bis zu seiner Auflösung in der Zeit des Dritten Reiches mit ca. 350.000 Mitgliedern den größten Radsportverband der Welt.14 Im Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen entstanden nach Kriegsende zahlreiche Solidaritäts-Vereine und regionale Verbände neu, die sich im April 1949 zum RKB Solidarität zusammenschlossen, zugleich aber in Widerspruch zur Einheitssportbewegung gerieten.15 Unter Hinweis auf sein satzungsmäßiges Ein-Platz-Prinzip lehnte der DSB die in den Jahren 1954 bis 1960 gestellten Aufnahmeanträge des RKB Solidarität jeweils ab. Den Radsport-Platz hatte seit der Gründung des DSB im Jahre 1950 der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) inne. Später entstand kurzzeitig zwischen der RKB Solidarität und dem BDR eine Arbeitsgemeinschaft. Auch die dem RKB Solidarität angeschlossenen Sportler erhielten nun Radfahrerlizenzen, die zur Teilnahme an deutschen und internationalen Meisterschaften berechtigten. Ein erneuter – im April 1968 gestellter – Aufnahmeantrag des RKB Solidarität wurde vom DSB abgelehnt. 12

K. Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip – Zur Organisation des Sports im Dritten Reich, in: P. Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 244 ff. 13 Vgl. z. B. § 7 Nr. 1 b) Satzung DSB i. d. F. vom 15. 12. 1990. 14 R. Beduhn, Die Roten Radler – Illustrierte Geschichte des Arbeiterradfahrerbundes „Solidarität“, Münster 1982, S. 108. 15 Vgl. zur Entwicklung des RKB Solidarität allgemein F. Nitsch, FAZ v. 20. 05. 1976, S. 31, sowie R. Horsch, in: Festschrift und Dokumentation 90 Jahre Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität 1896 e. V., Offenbach 1986, S. 60 ff.

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Die sich anschließende Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes führte zur Leitentscheidung des BGH16 vom 02. 12. 1974. Darin stellt der II. Senat des BGH hinsichtlich des Aufnahmezwanges aufgrund nichtiger oder nur eingeschränkt anwendbarer satzungsmäßiger Aufnahmebeschränkungen auf § 826 BGB und Tatbestandselemente des die Aufnahme in Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen regelnden § 27 GWB ab. Gestützt auf diese Vorschriften entwickelt er die Formel, daß die vom Text der Satzung gedeckte Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf. Ob das der Fall ist, will der BGH anhand einer Interessenabwägung bestimmt wissen. In deren Rahmen komme es einerseits auf die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen – ihm vorenthaltenen – Rechte und Vorteile, andererseits aber auch auf eine Bewertung und Berücksichtigung des Interesses des Monopolverbandes an der Geltung der Aufnahmebeschränkungen an. Im Einzelfall müsse geprüft werden, ob der Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die vom Monopolverband aufgestellten Aufnahmevoraussetzungen zu erfüllen. Aber auch dem Monopolverband müsse gegebenenfalls angesonnen werden, den mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck durch eine andere, „mildere“ Ausgestaltung der Satzung zu erreichen und dem Bewerber auf diese Weise den Zugang zu den Verbandsvorteilen zu eröffnen.17 Im Ergebnis hat der BGH durch das Urteil vom 02. 12. 1974 ein hohes Maß an Flexibilität bei der Lösung von Aufnahmekonflikten geschaffen, indem er im Rahmen der Interessenabwägung sowohl die Satzung des die Aufnahme verweigernden Monopolverbandes als auch die des Bewerbers einer Inhaltskontrolle unterzieht und sowohl Monopolverband als auch Bewerber gegebenenfalls zu einer Satzungsanpassung verpflichtet.18 Zugleich erkennt der BGH das Ein-Platz-Prinzip als prinzipiell sachgemäß an, da auf diese Weise eine Erschwerung der verbandsinternen Willensbildung sowie eine Unübersichtlichkeit und Rivalität innerhalb des Mitgliederkreises vermieden werden könnten.19 Aber auch schon in dieser frühen Entscheidung bringt der BGH alternative Organisationsformen, die – wie die gemeinschaftliche Dachorganisation konkurrierender Verbände – dem Ein-PlatzPrinzip ebenfalls (noch) Rechnung tragen, ins Gespräch.20 Der weitere Verfahrensablauf wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten der praktischen Behandlung der Aufnahmepflicht. Kehrseite der flexiblen Interessenabwägung ist zwangsläufig eine gewisse Rechtsunsicherheit durch mögliche Bewertungsdivergenzen. Das OLG Frankfurt, an das der BGH zurückverwiesen hatte, 16

BGHZ 63, 282 ff. = BGH NJW 1975, 771 ff. BGHZ 63, 282 (285 f.) = BGH NJW 1975, 771 (772). 18 BGHZ 63, 282 (290 f.) = BGH NJW 1975, 771 (774). 19 BGHZ 63, 282 (292) = BGH NJW 1975, 771 (774). 20 BGHZ 63, 282 (294) = BGH NJW 1975, 771 (775). 17

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verpflichtete mit Urteil vom 27. 11. 1975 den DSB zur Aufnahme des RKB Solidarität. Bis zur Aufnahme des RKB Solidarität als „Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung“21 in den DSB verstrichen dann nochmals über 2 Jahre.22 Der Fall des Freizeit-Sport-Clubs Dynamo Windrad Kassel e.V. führte gar bis zum Bundesverfassungsgericht. 1982 lehnte der Landessportbund Hessen die Aufnahme ab. Der Begriff „Dynamo“ ähnele zu sehr den Gepflogenheiten der Sportvereine in der DDR bzw. in den Ostblockstaaten.23 Die gegen die Ablehnung der Aufnahme gerichtete Klage wies das OLG Frankfurt24 mit der Begründung ab, eine sittenwidrige Schädigung i. S. v. § 826 BGB liege nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht nahm die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht nicht an. Es stellte zu Recht heraus, daß sowohl der LSB Hessen als auch der FSC Dynamo Windrad sich auf das Grundrecht des Art. 9 I GG berufen können, so daß eine Abwägung zwischen beiden Grundrechtspositionen erforderlich werde. Konkret könne der Vereinsname des Bewerbers keinen absoluten Vorrang gegenüber dem Interesse des monopolartigen Verbandes beanspruchen, sein in der Satzung normiertes parteipolitisches Neutralitätsgebot durchzuhalten. Zudem weist das Bundesverfassungsgericht zutreffend darauf hin, daß das OLG Frankfurt die Frage des Aufnahmezwanges in Anwendung der hierzu in Literatur und Rechtsprechung einhellig vertretenen Grundsätze entschieden habe.25 In der Tat gibt es von den Grundpositionen her keine Unterschiede. Anerkannt ist in Literatur und Rechtsprechung, daß Aufnahmestreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden können26 und daß die Entscheidung letztlich auf einer – auch verfassungsrechtlich gebotenen – Interessenabwägung beruht. Dabei werden die Aufnahmebedingungen – die Mitgliedschaft quasi antizipierend – einer Inhaltskontrolle unterzogen. Daß die Aufnahmepflicht dogmatisch unterschiedlich begründet wird, soll hier nur Erwähnung finden. Praktische Konsequenzen haben die unterschiedlichen Ansätze Selbstbindung des Vereins durch Satzung27, §§ 826, 249 S.1 BGB28, § 1004 BGB29, offene Gesetzesanalogie zu § 27 GWB i.V.m. §§ 35 GWB, 823 II, 1004 BGB30, Gleichbehandlungsgebot31 – nicht. 21

§ 5 Nr. 1 a) Satzung DSB i. d. F. vom 15. 12. 1990. R. Horsch, in: Festschrift und Dokumentation 90 Jahre Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität 1896 e. V., S. 73. 23 Der Spiegel Heft 13/87 v. 23. 03. 1987, S. 94 f. schildert die Eigeneinschätzung als „ein bißchen links“, „ein bißchen alternativ“. 24 OLG Frankfurt, Urt. v. 10. 05. 1985 – 2 U 23/85. 25 BVerfG (I. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 05. 09. 1988 – 1 BvR 1008/85 NJWRR 1989, 636. 26 Vgl. aber § 5 Nr. 6 Aufnahme-Richtlinien DSB i. d. F. vom 04. 06. 1988 i. V. m. § 5 Nr. 4 und § 20 Satzung DSB i. d. F. vom 15. 12. 1990. 27 B. Grunewald, AcP 182 (1982), 181, 184. 28 D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., Heidelberg 1990, Rdnr. 1114. 29 K. Schmidt, DRiZ 1977, 97, 98; W. Kilian, AcP 180 (1980), 47, 82. 30 F. v. Look, Anm. zu BGHZ 101, 193, in: WuW II L. § 38 BGB 1.88. 22

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bb) Satzungspraxis der Verbände Die Satzungspraxis des DSB sowie der Landessportbünde und -verbände hat sich der gefestigten Rechtsprechung nolens volens gebeugt und die Satzungen und Aufnahme-Richtlinien32 entsprechend geändert. Insbesondere die Öffnungsklauseln33, denen zufolge für eine Übergangszeit konkurrierende Verbände Mitglieder sein können, nehmen dem Ein-Platz-Prinzip vorübergehend die kompromißlose Entscheidungsschärfe. Die Problematik wird damit jedoch nur zeitlich verschoben; sie wandelt sich zum Ausschlußproblem34. cc) Exkurs: Aufnahmeprobleme im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung Die Aufnahmeprobleme, die sich im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung gestellt haben, sind weitgehend gelöst: pragmatisch und wohl ohne offene Langzeitprobleme. Theoretisch standen verschiedene Varianten35 zur Wahl, den Anforderungen der Organisationsstruktur des deutschen Sports und dem Ein-PlatzPrinzip Rechnung zu tragen: @ die Fusion durch Aufnahme der bestehenden DDR-Organisationen – insbesondere des DTSB und seiner Untergliederungen – in den DSB bzw. die anderen Organisationen des bundesdeutschen Sports; @ die Fusion im Wege der Neugründung gesamtdeutscher Sportverbände, in die die Organisationen der alten Bundesrepublik und DDR aufgehen; @ die Fusion durch Aufnahme der in den neuen Bundesländern neu gegründeten Landessportbünde und Landesfachverbände in den DSB und die bereits bestehenden bundesdeutschen Spitzenverbände.

31 O. Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände, noch unveröffentlichte Habilitationsschrift, Göttingen 1982, S. 606 ff.; W. Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen. Berlin 1985, S. 74 ff. 32 Aufnahme-Richtlinien gehören zur Verbandsverfassung, die gemäß § 25 BGB Satzungsqualität haben muß. Näher zur Frage, welche Regelungen zur Verbandsverfassung gehören, K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 197 ff. 33 Z. B. § 5 Aufnahme-Richtlinien DSB i. d. F. vom 04. 06. 1988; § 34 Nr. 2 Satzung Bayerischer Landes-Sportverband e. V. i. d. F. vom 11. 06. 1988; § 3 Aufnahmerichtlinien des Landessportbundes Niedersachsen e. V. für Landesverbände i. d. F. vom 22. 10. 1988. 34 Dazu im einzelnen unten II. 3. 35 Vgl. allgemein zur Verbandsfusion B. Reichert/F. J. Dannecker/C. Kühr, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 4. Aufl., Neuwied/Darmstadt 1987, Rdnr. 1414 f.; V. Rieble, JZ 1991, 658 f.

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Der dritte Weg hat sich als der praktikabelste erwiesen.36 Mit ihm wurden eine Reihe Schwierigkeiten vermieden und Risiken kleingehalten. Verhindert werden konnte eine unliebsame Kontinuität. Vermögensübertragungen und die Aufdeckung stiller Reserven entfielen. Die Arbeitsverhältnisse mußten nicht zwangsläufig fortgeführt werden. Bei bestehenden bundesdeutschen Verbänden reichten kleinere Satzungsanpassungen – z. B. hinsichtlich des Verbandsgebiets – aus. Stichworthaft: ein schneller, fast reibungsloser Prozeß der Selbstorganisation mit dem Ziel der Integration des DDR-Sports in die bestehende bundesdeutsche Sportverbandsstruktur. Damit verbunden waren aber auch die Aufgabe der Eigenständigkeit und der Eigenarten des früheren DDR-Sports. b) Internationale Ebene Auf internationaler Ebene taucht die Aufnahmeproblematik in zwei Spielarten auf. Zum einen geht es um die fachliche Konkurrenz, zum anderen um politische Implikationen. Gemeinsames Kennzeichen der ersten Fallgruppe ist, daß wegen des auch auf internationaler Ebene realisierten Ein-Platz-Prinzips nur einer der miteinander konkurrierenden Verbände aufgenommen bzw. anerkannt werden kann. Ist der für die betreffende Sportart vorgesehene Platz bereits mit einem Verband besetzt, hat der konkurrierende Verband keine Chance, aufgenommen zu werden. Der RKB Solidarität liefert auch hier ein geradezu klassisches Beispiel. Sein letzter Antrag vom 10. 03. 197837, in die UCI aufgenommen zu werden, wurde bereits am 15. 03. 1978 mit einem lapidaren Schreiben des Generalsekretärs M. Jekiel abgelehnt: „Nur ein nationaler Verband kann in die FIAC aufgenommen werden und dieser ist schon in der FIAC – BDR. Mit sportlichen Grüßen“.38 Die vom Generalsekretär des RKB angeregte Prüfung, ob nach schweizerischem Recht das Ein-Platz-Prinzip Bestand hat, wurde vom Präsidium aus Kostengründen abgelehnt.39 Turnusmäßig wird seitdem vom Präsidium geprüft, ob die Aufnahme in den Internationalen Radsportverband betrieben werden soll.40 Bislang hat man sich zu diesem Schritt nicht entschließen können. Das zweite Beispiel betrifft das internationale Damenhockey. Hier konkurrierten jahrzehntelang zwei internationale Verbände: die 1924 36 Die Vereinbarung zwischen dem DSB und dem DTSB über den Weg zur deutschen Einheit im Sport ist abgedruckt in: FAZ v. 03. 07. 1990, S. 29; ein Überblick über die Vereinigung der Fachsportverbände ist abgedruckt in: FAZ v. 24. 08. 1990, S. 32. 37 Bereits 1955 war ein erster Aufnahmeantrag an die UCI gestellt worden. Vgl. R. Horsch, in: Festschrift und Dokumentation 90 Jahre Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität 1896 e. V., S. 68. 38 Das Schreiben liegt dem Verfasser in Fotokopie vor. Der Internationale Amateurradsportverband FIAC und der Internationale Berufsradfahrerverband FICP sind integrierte Teile der Union Cycliste Internationale (UCI). 39 Schreiben des Generalsekretärs Horst Pfeifer v. 10. 02. 1987 an den Verfasser. 40 Auskunft des Generalsekretärs Thomas Bechgerd v. 16. 05. 1991.

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gegründete Fédération Internationale de Hockey (FIH) und die 1927 gegründete International Federation of Women‘s Hockey Associations (IFWH). Erst als sich beide Verbände 1983 zusammenschlossen, wurde Damenhockey zur olympischen Sportart. Auch hier waren die faktischen Machtverhältnisse entscheidend. IOC und FIH setzten sich durch. Ein drittes Beispiel führt zum umgekehrten Ergebnis. Da der neugegründete Internationale Triathlon-Verband (ITU) gegen die vom IOC zur Bedingung gemachte Angliederung an die Internationale Union für Modernen Fünfkampf und Biathlon (UIPMB) votierte, vergab er für Triathlon alle Chancen, ins olympische Programm aufgenommen zu werden.41 Die zweite Spielart der Aufnahme- und Anerkennungsprobleme auf internationaler Ebene ist durch politische Dissonanzen gekennzeichnet. So sind die israelischen Verbände in den asiatischen Sportverbänden zum Teil nicht gerne gesehen. Aufnahmeverweigerungen und Ausschlüsse belegen dies.42 Als Ausweg versuchen die israelischen Verbände – unter Ausblendung der kontinentalen Komponente des Ein-Platz-Prinzips –, in die entsprechenden europäischen Sportverbände aufgenommen zu werden.43 Mit einer solchen sportpolitisch motivierten „Kontinentalerstreckung“ kann den israelischen Verbänden und Sportlern geholfen werden. Doch: Haben sie einen Aufnahmeanspruch? Die Autonomiebestrebungen der baltischen Staaten werfen bereits ihre Schatten auf die internationalen Sportverbände. Die Gründung Nationaler Olympischer Komitees44 wird allerdings vorerst wohl kaum eine Anerkennung durch das IOC nach sich ziehen. Anders als bei der Ping-Pong-Diplomatie45 wird der Sport kaum eine Vorreiterrolle übernehmen. Vielmehr ist zu erwarten, daß die internationalen Sportverbände die politische Entwicklung und völkerrechtliche Anerkennung der baltischen Staaten abwarten.46 Es zeigen sich Parallelen zu dem sogenannten „German Problem“ – der (Nicht-)Anerkennung zweier deutscher Staaten – in den

41

FAZ v. 02. 08. 1989, S. 18; FAZ v. 05. 08. 1989, S. 20. Z. B. wurde Israel von den 9. Asienspielen in Neu-Delhi ausgeschlossen. Vgl. FAZ v. 22. 11. 1982, S. 23. 43 Die Europäische Tischtennis-Union hat die Aufnahme Israels abgelehnt Vgl. FAZ v. 03. 04. 1989, S. 26. Der UEFA-Kongreß stimmt im Juni 1992 über die Mitgliedschaft Israels ab. Vgl. SZ v. 21./22. 04. 1990, S. 49. 44 FAZ v. 07. 12. 1988, S. 26 (Lettland); FAZ v. 14. 03. 1990, S. 32 (Litauen). Das IOC hat zur „baltischen Frage“ eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Keba Mbaye eingesetzt Vgl. FAZ v. 17. 09. 1990, S. 27. 45 Vgl. J. A. R. Nafziger, International Sports Law, Dobbs Ferry, New York 1988, S. 74 ff. 46 So z. B. der Standpunkt der FIFA. Vgl. FAZ v. 16. 03. 1990, S. 32. Die Aufnahmeanträge aus Estland, Lettland und Litauen wurden vom Generalsekretär des Internationalen AmateurBox-Verbandes AIBA als interne Angelegenheit des sowjetischen Verbandes gewertet. Vgl. FAZ v. 10. 08. 1989, S. 20. Der Aufnahmeantrag des vom UdSSR-Verband ausgeschlossenen georgischen Fußballverbandes wurde von der FIFA abgelehnt. Vgl. FAZ v. 08. 07. 1991, S. 31. 42

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50er und 60er Jahren47 sowie dem Konflikt zwischen der Volksrepublik China und Taiwan48. Verbands- und völkerrechtlich tun sich höchst interessante Fragestellungen auf. So hatten die baltischen Staaten bis zur Annektion durch die Sowjetunion im Jahre 1940 vom IOC anerkannte Nationale Olympische Komitees.49 Eine Entziehung der Anerkennung gemäß Bye law 2 to Rule 25 Olympic Charter ist nie erfolgt. Deshalb stellt sich das lettische NOK, das sich wieder konstituiert hat, auf den Standpunkt, es sei legitimiertes NOK für das Gebiet des autonomen Staates Lettland.50 Ähnlich dürften die Verhältnisse in einer Reihe internationaler Sportverbände liegen. Eine juristisch exakte Aufarbeitung hätte 1940 die Fragen entscheiden müssen, ob die Verbände der annektierten baltischen Staaten zur Wahrung des Ein-Platz-Prinzips aus den betreffenden internationalen Sportverbänden ausgeschlossen werden mußten, falls sie nicht freiwillig austraten, ob die Rechte der baltischen Verbände auf die nationalen Sportorganisationen der UdSSR übergingen, und was mit etwaigen baltischen Funktionären in den internationalen Sportverbänden zu geschehen habe. In den Kriegswirren bestanden gewiß andere Probleme. 1940 und 1944 fanden keine Olympischen Spiele statt. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte sich die faktische Situation dann zu einer völkerrechtlich anerkannten verdichtet. Derzeit stellen sich im übrigen als Konsequenz der deutschen Vereinigung ähnliche Fragen für die internationalen Sportverbände. Vergleichbare Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit den Sezessionsbestrebungen der jugoslawischen Teilrepubliken. So hat Kroatien bereits FußballTestspiele gegen Rumänien und die USA bestritten und bereitet einen Antrag auf Aufnahme in die FIFA vor.51 Aus dem jugoslawischen NOK sowie den anderen nationalen Sportorganisationen Jugoslawiens ist Kroatien mittlerweile ausgetreten.52 Die mit den Sezessionsbestrebungen zusammenhängenden Probleme sind soweit ersichtlich – noch nicht forensisch geworden. Ob sich staatliche Gerichte in der Zukunft damit werden befassen müssen, mag immerhin bezweifelt werden. Doch unrealistisch ist ein solcher Aufnahmestreit vor deutschen Gerichten nicht. Einige der bedeutenden internationalen Sportverbände haben ihren Sitz im Gebiet der – vergrößerten – Bundesrepublik Deutschland: so der Internationale Basketball-Verband FIBA, die Internationale Schützenunion UIT und die Internationale Union für Modernen Fünfkampf und Biathlon UIPMB. Diese Verbände könnten – gleich ob 47 Vgl. K. Doehring, Die gesamtdeutsche Olympiamannschaft als Rechtsfrage – Rechtsgutachten erstattet im Auftrage des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland, 1965. 48 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 65, Fn. 108. 49 FAZ v. 29. 01. 1991, S. 32. 50 FAZ v. 29. 01. 1991, S. 32. 51 FR v. 09. 04. 1991, S. 17. 52 FAZ v. 03. 08. 1991, S. 21.

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rechtsfähig oder nichtrechtsfähig (vgl. § 50 Abs. 2 ZPO) – von einem Bewerber vor dem zuständigen deutschen Gericht auf Aufnahme verklagt werden.53 Anspruchsgrundlage und Prüfungsmaßstab unterschieden sich nicht wesentlich von denen bei innerstaatlichen Aufnahmestreitigkeiten. Entscheidend wäre auch hier letztlich eine Interessenabwägung54, die sich vor allem auf Geltung und Anwendung des EinPlatz-Prinzips bezöge. In diesem Zusammenhang wäre zu berücksichtigen, daß das Ein-Platz-Prinzip die Erreichung dreier Ziele gewährleisten soll: die Einheitlichkeit des internationalen Sportbetriebs, die Vereinfachung der Organisation internationaler Sportveranstaltungen und die Vermeidung konkurrenzbedingter Kompetenzkonflikte.55 Durch eine der völkerrechtlichen Anerkennung der Autonomie eines Territoriums zeitlich vorhergehende Aufnahme oder Anerkennung seiner Sportverbände würde jedoch der noch nicht endgültig ausgetragene Nationalitätenkonflikt in den internationalen Sportverband hineingetragen werden. Auch müßte aus praktischer Sicht z. B. geklärt werden, was mit den bereits erworbenen Startrechten zu geschehen hat. Sollen sie – solange der alte Verband noch besteht – bei ihm verbleiben, obwohl Sportler aus den Abspaltungsgebieten die Qualifikation miterkämpft haben? Ebenso wäre klärungsbedürftig, welchem nationalen Verband die Sportler zuzurechnen sind. Was soll beispielsweise mit den kroatischen oder slowenischen Athleten geschehen, die lieber – wie bisher – als Jugoslawen an internationalen Wettkämpfen teilnehmen möchten? Können sie beispielsweise – wie geschehen56 – von ihrer Sportföderation angewiesen werden, nicht mehr für Jugoslawien zu starten? – Aus der Abwägung mit dem Autonomieinteresse des die Aufnahme begehrenden Verbandes ergibt sich, daß das Interesse des internationalen Sportverbandes, sich aus derartigen Konflikten herauszuhalten, solange Vorrang verdient, wie von einer völkerrechtlichen Anerkennung der proklamierten Eigenständigkeit des betreffenden Territoriums noch nicht die Rede sein kann. Eine Aufnahmepflicht wäre unter diesen Umständen zu verneinen. Ein Aufnahmeanspruch eines israelischen Sportverbandes gegenüber einem europäischen Sportverband mit Sitz im Bundesgebiet scheitert schon daran, daß Israel zu Asien und nicht zu Europa gehört. Eine Art „Verbandsasyl“ läßt sich zwar insbesondere in Erwägung ziehen, wenn der internationale Sportverband kontinentale Qualifikationen zu seinen Weltmeisterschaften vorsieht. Hierzu bedarf es aber keiner Aufnahme als Mitglied. Ausreichend wäre die Zulassung zur Teilnahme an den betreffenden Ausscheidungswettkämpfen.57 53 Vgl. zu den Fragen der internationalen Entscheidungszuständigkeit T. Summerer, Internationales Sportrecht vor dem staatlichen Richter, München 1990, S. 75 ff. 54 Näher dazu – insbesondere zu der im Einzelfall möglicherweise abweichenden Interessenabwägung – K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 282. 55 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 292. 56 FAZ v. 03. 08. 1991, S. 21. 57 Siehe hierzu im einzelnen II. 2.

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Mit der Verneinung der Aufnahmepflicht soll dem internationalen Sportverband nicht die Aufnahmeberechtigung abgesprochen werden. Ein internationaler Sportverband könnte also – bei Vorliegen der sonstigen Aufnahmevoraussetzungen – mit dem erforderlichen Quorum z. B. die Aufnahme baltischer, kroatischer und slowenischer Verbände beschließen. Ein europäischer Sportverband könnte Israel aufnehmen. 2. Teilnahme ohne Mitgliedschaft? Scheitert die Aufnahme – sei es daran, daß die Voraussetzungen des Aufnahmeanspruchs nicht gegeben sind, sei es, weil eine Aufnahme gar nicht erstrebt wird –, stellt sich folgende Anschlußfrage: Dürfen auch Externe auf nationaler oder internationaler Ebene an Wettkämpfen teilnehmen? Also: Teilnahme ohne Mitgliedschaft? Unproblematisch ist eine Entkopplung von Teilnahme und Mitgliedschaft, wenn die Wettkampfausschreibung die Teilnahme nicht von der Mitgliedschaft abhängig macht. Bei Breitensportwettkämpfen – z. B. Volksläufen – ist dies durchaus verbreitet; ebenso bei der Präsentation von Gymnastikschulen und Universitätsgruppen bei Deutschen Turnfesten und Gymnaestraden. Anders sieht es im organisierten Wettkampfsport aus. Neben Funktionsaspekten – insbesondere bei einem Ligensystem – tritt der Verbandswille zum Organisationszwang hervor. Mit den Worten von Herrn Will auf der Herbsttagung 1986 des Konstanzer Arbeitskreises: „Kein Kontakt außerhalb des Kartells“58. So bedürfen Freundschaftsspiele eines dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) mittelbar angeschlossenen Fußballvereins gegen eine Thekenmannschaft, die erste Mannschaft des Konstanzer Arbeitskreises oder eine nicht verbandsmäßig organisierte Betriebssportgemeinschaft der Genehmigung des zuständigen Landesverbandes. Entspricht die Veranstaltung nicht den Durchführungsbestimmungen des DFB, sieht dessen Spielordnung59 die Versagung der Genehmigung vor. Auf internationaler Ebene stellt sich die Situation vergleichbar dar. Eine schottische, walisische oder englische Fußballmannschaft darf nicht an Olympischen Spielen teilnehmen, da das IOC nur ein NOK für Großbritannien anerkannt hat. Daß die FIFA aus Traditionsgründen England, Wales, Schottland und Nordirland als eigenständige Verbände zu Mitgliedern hat,60 spielt aus der Sicht des IOC keine Rolle.61 Israel wird ohne Mitgliedschaft im betreffenden asiatischen Sportverband nicht zu asienweiten Wettkämpfen zugelassen. Auch die Mannschaft eines international tätigen Unternehmens würde – bei aller Abhängigkeit, die man im kom58

M. R. Will, Rechtsgrundlagen der Bindung nationaler Verbände an internationale Sportverbandsregeln, in: D. Reuter (Hrsg.), Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, Heidelberg 1987, S. 35. 59 § 11a SpielO DFB. 60 Vgl. Art. 1 (1) Statuten FIFA 1986. 61 FAZ v. 08. 02. 1990, S. 28.

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merzialisierten Sport konstatieren mag – von keinem internationalen Sportverband zu einer Weltmeisterschaft als Teilnehmer zugelassen werden, mag die gemeinsame Bindung an das Unternehmen auch größer sein als die Bindung an die einzelnen Nationalitäten der Sportler. Bei einer – bisher nicht ersichtlichen – Inanspruchnahme deutscher Gerichte zur Klärung derartiger Teilnahmeprobleme bereitete schon das Auffinden einer Anspruchsgrundlage Schwierigkeiten. In Anlehnung an die Aufnahmestreitigkeiten kommt insbesondere § 826 BGB i.V.m. Tatbestandselementen des Diskriminierungsverbotes des § 26 GWB als Anspruchsgrundlage in Betracht.62 Danach dürfte die Ablehnung als Teilnehmer – auch wenn vom Text der Satzung gedeckt, die die Mitgliedschaft als Teilnahmevoraussetzung formuliert – nicht zu einer im Verhältnis zu bereits aufgenommenen und als Teilnehmer zugelassenen Mitgliedern sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung des Teilnahmeinteressenten führen. Die konkrete Entscheidung kann auch insofern nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung getroffen werden. Hierbei spielt eine Rolle, @ ob die Teilnahme ohne Mitgliedschaft sich ohne Nachteil für die bestehende Wettkampforganisation überhaupt realisieren läßt; dies ist z. B. zweifelhaft bei einem Ligensystem oder bei Qualifikationssystemen, die die Einhaltung einheitlicher Wettkampfbedingungen gewährleisten sollen; @ die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Teilnahmemöglichkeit insbesondere im professionalisierten und kommerzialisierten Sport; @ die Zumutbarkeit und Möglichkeit eines Beitritts zu einem dem Veranstalter angeschlossenen Verband; @ die Vermeidung der Aushöhlung der spezifischen – in den Bereich der Verbandsautonomie fallenden – Verbandswerte; demzufolge die Berechtigung der Erwartung, daß die teilnehmenden Verbände, Vereine und Athleten diese Werte mittragen (z. B. Verzicht auf Doping; Einbindung in die üblichen Kontroll- und Sanktionssysteme). Führt diese Interessenabwägung zum Ergebnis, daß die Interessen des Bewerbers an einer Teilnahme ohne Mitgliedschaft Vorrang haben, so muß der veranstaltende Verband den Abschluß eines von der Mitgliedschaft unabhängigen Teilnahmevertrages zu den üblichen – nicht diskriminierenden – Bedingungen63 anbieten.

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Vgl. zur Aufnahmeproblematik im einzelnen oben II. 1.a). BGHZ 63, 282 (287) = BGH NJW 1975, 271 (273) führt – ohne Nennung einer Anspruchsgrundlage – in einem obiter dictum aus, ein Monopolverband, dessen Leistungspotential weitgehend aus öffentlichen Mitteln finanziert ist, werde im allgemeinen auch Nichtverbandsangehörige an seinen Veranstaltungen teilnehmen lassen müssen. 63 Vgl. zum „Wie“ der Teilnahme im einzelnen unten III.

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Scheitert die Mitgliedschaft nicht daran, daß der Teilnahmeinteressent nicht Mitglied werden möchte, sondern daran, daß das für die Aufnahme zuständige Verbandsorgan erst nach dem Wettkampf zusammentritt, so bieten sich zwei Lösungswege an: die zur Teilnahme berechtigende vorläufige Mitgliedschaft und das Angebot eines von der Mitgliedschaft unabhängigen Teilnahmevertrages. Auf internationaler Ebene wäre der Konflikt zwischen einem Teilnahmeinteressenten und einem internationalen Sportverband mit Sitz im Bundesgebiet nach dem gleichen Ansatz zu lösen. Vorerst dürften die baltischen, slowenischen und kroatischen Verbände noch nicht auf diese Weise ihre Teilnahme gerichtlich durchsetzen können. Für internationale Firmenmannschaften gilt dasselbe. Erfolgversprechender wäre eine Klage eines israelischen Verbandes auf Teilnahme. Sind Kontinentalwettkämpfe zugleich Qualifikation für die Weltmeisterschaften und ist der europäische Verband dem Weltverband verbandsrechtlich verbunden, ließe sich daran denken, im Rahmen der Interessenabwägung die wechselseitige Förderpflicht von internationalem Verband und europäischem Verband einzubeziehen und im Einzelfall eine Qualifikationsteilnahme Israels an den europäischen Wettkämpfen zu ermöglichen. 3. Ausschluß und Entziehung der Anerkennung Gegenstück zur Aufnahme ist der Ausschluß, zur Anerkennung die Entziehung der Anerkennung. Aus Verbandssicht sind die mit der Verweigerung der Aufnahme und dem Ausschluß beabsichtigten Wirkungen identisch. Gleiches gilt für Versagung und Entziehung der Anerkennung. Ist die Mitgliedschaft oder die Anerkennung Grundvoraussetzung der Teilnahme, so führen Ausschluß bzw. Entziehung der Anerkennung zum Verlust der Teilnahmemöglichkeit. Die dogmatische Einordnung des Ausschlusses aus einem Verein bzw. Verband ist streitig. Die wohl herrschende Meinung64 sieht im Ausschluß eine Form der Vereinsstrafe. Ein anderer Teil des Schrifttums qualifiziert den Ausschluß als Kündigung aus wichtigem Grund seitens des Verbandes gegenüber einem Mitglied.65 Die Kontroverse ist quasi ein Spiegelbild des traditionsreichen Streits zwischen der modifizierten Normentheorie66 und der Vertragstheorie67 hinsichtlich des Rechtscharakters der Satzung. Die praktische Relevanz dieses dogmatischen Streits ist hinsichtlich des Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung des

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Insbesondere D. Reuter, NJW 1987, 2401 ff. m. w. N. W. Flume, in: Fschr. f. E. Bötticher, Berlin 1969, S. 122; W. Hadding, in: Fschr. f. R. Fischer, Berlin/New York 1979, S. 194; B. Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, Köln/Berlin/Bonn/München 1987, S. 39 ff. 66 Insbes. U. Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, Tübingen 1957, S. 43 ff; MK-Reuter, § 25, Rdnr. 7 ff. 67 Insbes. W. Hadding, in: Fschr. f. R. Fischer, S. 188 ff; M. Lutter, AcP 180 (1980), 96 f. 65

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Straf- bzw. Kündigungsausschlusses mittlerweile recht gering geworden.68 Zumindest bei Monopolverbänden wird der Kontrollumfang ähnlich weit gezogen. Der Tendenz nach haben wir insofern eine volle gerichtliche Überprüfung, konkret: eine volle Inhalts-69, Tatsachen-70 und Subsumtionskontrolle71. Dabei werden der prinzipiellen Anerkennung eines den spezifischen Wertungen und Zielsetzungen des Verbandes Rechnung tragenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums von der Rechtsprechung dann enge Grenzen gesetzt, wenn die Mitgliedschaft für den Betroffenen besonders wichtig ist.72 Auch hier läuft die Prüfung letztlich auf eine Interessenabwägung hinaus.73 Ausschlüsse von Verbänden und Vereinen waren – anders als im Dritten Reich im Rahmen der Gleichschaltung – im bundesdeutschen Sport bisher äußerst selten. Das mag sich etwas ändern, wenn – als Konsequenz der sogenannten „Öffnungsklauseln“ – einer der aufgenommenen konkurrierenden Verbände wieder ausgeschlossen werden muß. So sieht § 5 Nr. 3 der Aufnahme-Richtlinien des DSB eine Zweijahresfrist zur Angliederung, Fusion oder Dachverbandsgründung zum Zwecke der gemeinsamen Ausübung der Rechte und Pflichten der konkurrierenden Verbände vor. Gemäß § 5 Nr. 4 der Aufnahme-Richtlinien des DSB wird nach ergebnislosem Ablauf der Zweijahresfrist derjenige Verband ausgeschlossen, der nach Auffassung des Hauptausschusses die Verantwortung für das Scheitern der Kooperationsbemühungen trägt. Bei dieser Entscheidung sollen folgende Punkte berücksichtigt werden: Mitgliederstärke der beiden Verbände, sportliche Bedeutung, Maß der Kooperationsbereitschaft, Bestandsschutzgedanke, Träger internationaler Rechte, Organisationsstruktur, bundesweite Vertretung und Interesse der Untergliederungen auf Länderebene. Tendenziell kann man aus diesen Aspekten einen Bestands- und Bedeutungsschutz ableiten, der es einem newcomer als Konkurrenzverband schwer machen wird, sich durchzusetzen. Das Maß der Kooperationsbereitschaft und die – im übrigen schwer aufklärbare – Verantwortung für das Scheitern der Kooperationsbemühungen dürften bei der Ausschlußentscheidung aber in den Hintergrund treten und können für den newcomer Anlaß sein, eine gerichtliche Nachprüfung seines Ausschlusses anzustrengen. Dabei führt die in § 5 Nr. 6 der Aufnahme-Richtlinien aufgenommene satzungsmäßige Schiedsklausel zumindest für den einstweiligen

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K. Vieweg, WM 1991, 211. BGHZ 105, 306 (316 ff.) = BGH NJW 1989, 1724 (1726). 70 BGHZ 87, 337 (344 f.) = BGH NJW 1984, 918 = JZ 1984, 186 (187). 71 BGHZ 102, 265 (276) = BGH NJW 1988, 552 (555). 72 BGHZ 102, 265 (276) = BGH NJW 1988, 552 (555). 73 Zu den Einzelheiten vgl. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 230 ff. m. w. N. 69

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Rechtsschutz nach zutreffender Ansicht nicht zum Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs.74 Sowohl für das verbandsinterne als auch das staatlich-gerichtliche Verfahren gilt, daß die Entscheidungsbasis nach der zweijährigen Probephase jedenfalls breiter und gesicherter ist. Sie erlaubt eher eine sorgfältige Prüfung der für eine vernünftige Realisierung des Ein-Platz-Prinzips relevanten Aspekte. Ob die in den AufnahmeRichtlinien genannten – mit dem satzungsmäßigen Quorum der bisherigen Mitglieder beschlossenen – Aspekte einer gerichtlichen Inhaltskontrolle standhalten, mag immerhin bezweifelt werden. In diesem Zusammenhang läßt sich berücksichtigen, daß es sich nicht um einen typischen Straf- oder Kündigungsausschluß aus wichtigem Grund handelt, sondern eher um die Feststellung des Eintritts einer auflösenden Aufnahmebedingung. Sollte die Ausschlußentscheidung einer gerichtlichen Nachprüfung standhalten, ergibt sich als Anschlußfrage, ob der ausgeschlossene Konkurrenzverband bei veränderten Bedingungen auf Antrag nicht doch zunächst zeitweise wieder aufgenommen werden muß. – Ein Aufnahme-AusschlußKreisel ohne Ende? Auf internationaler Ebene sind Ausschlüsse und Entziehungen der Anerkennung keine Seltenheit. Gemeinsam ist derartigen Entscheidungen ein politischer Hintergrund wie z. B. die Apartheidpolitik Südafrikas75. Aktuell stellt sich im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung ebenfalls das Problem der Beendigung der Mitgliedschaft der DDR-Verbände. In der Praxis löst es sich zumeist durch Austritt der DDR-Verbände76 oder durch Erlöschen der Mitgliedschaft aufgrund ihrer Auflösung. Ansonsten müßte zur Wahrung des Ein-Platz-Prinzips der Ausschluß erfolgen. Die gerichtliche Überprüfung von Ausschlüssen aus internationalen Sportverbänden mit Sitz im Bundesgebiet wäre – bei Bejahung der internationalen Zuständigkeit und der Anwendbarkeit deutschen Rechts – ähnlich vorzunehmen wie auf rein nationaler Ebene. 4. Teilnahmepflicht? Das unbegründete Nichtantreten einer Mannschaft bei einem Spiel oder Wettkampf wird verbreitet als unsportliches Verhalten bewertet und mit Verbandsstrafen belegt.77 Etwaige finanzielle Einbußen des Gegners können dabei als Bewertungs74

Vgl. zum Meinungsstand G. Lüke, Einstweiliger Rechtsschutz in der Verbands- und Schiedsgerichtsbarkeit, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Einstweiliger Rechtsschutz im Sport, Stuttgart 1986, S. 48 ff: W. Grunsky, Einstweiliger Rechtsschutz und Verbandsautonomie, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Einstweiliger Rechtsschutz im Sport, S. 61 ff; F. Nicklisch, Verbandsmacht und einstweiliger Rechtsschutz, Berlin 1974, S. 21 ff.; M. Vollkommer, RdA 1982, 16 ff. 75 Nach einer Pressenotiz in der FAZ v. 27. 04. 1991, S. 23 wurde Südafrika in 20 Sportarten aus den betreffenden internationalen Sportverbänden ausgeschlossen oder suspendiert. 76 Z. B. Austritt der DDR-Verbände aus der IIHF, der FILA und der FISA. Vgl. FAZ v. 11. 09. 1990, S. 29; FAZ v. 12. 09. 1990, S. 30; FAZ v. 29. 10. 1990, S. 30. 77 Z. B. im Handball; vgl. § 14 Nr. 1 RechtsO DHB (1984); D BußenO IHF (1986).

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gesichtspunkte hinzukommen. Im kommerzialisierten Sport wächst bei nicht vorhersehbarer Nichtteilnahme das Schadensausmaß entsprechend. So bestimmt die Teilnahme wichtiger Nationalmannschaften die Höhe erzielbarer Fernsehgelder. Olympiaboykotts78 und sonstige Teilnahmeabsagen können sich zum finanziellen Fiasko entwickeln. Das wirft – neben der Frage der Versicherungsmöglichkeit des Absagerisikos – die Frage der Teilnahmepflicht der Verbandsmitglieder auf. Zu unterscheiden sind insofern eine generelle verbandsrechtliche Teilnahmepflicht und eine – nach Meldung und sportlicher Qualifizierung – auf einen konkreten Wettkampf bezogene Teilnahmepflicht. Die Frage der generellen verbandsrechtlichen Teilnahmepflicht kann für die deutschen Sportverbände sowie für die internationalen Sportverbände, die wegen ihres Sitzes dem deutschen Recht unterstellt sind, in den meisten Fällen mit dem formalen Hinweis auf § 25 BGB beantwortet werden. Danach müssen die zur Verfassung eines Vereins gehörenden Regelungen in die Satzung aufgenommen werden, sollen sie die Mitglieder binden. Die Rechtsprechung des BGH ist insofern sehr weitgehend und zählt zu den die Verfassung bildenden, das Verbandsleben bestimmenden Grundentscheidungen auch z. B. Kostentragungsregeln79. Eine mit nicht unerheblichen finanziellen Risiken verbundene Teilnahmepflicht der Mitglieder gehört danach, aber auch nach dem ansonsten kritischen Schriftturn80 in die Satzung. Fehlt eine entsprechende Satzungsbestimmung – und dies ist häufig die Praxis – besteht keine verbandsrechtliche Teilnahmepflicht. Aus der allgemeinen Förderpflicht der Mitglieder läßt sie sich kaum ableiten. Dies widerspräche dem mitgliederschützenden Bestimmtheitsgrundsatz81. Die allgemeine Förderpflicht der Mitglieder kann jedoch – zusammen mit der Meldung und der sportlichen Qualifizierung – Grundlage einer auf einen konkreten Wettkampf bezogenen Teilnahmepflicht82 sein. Ein faktischer Teilnahmezwang kann sich dabei aus einer Schadensersatzpflicht der Mitgliedsverbände und -vereine ergeben, die ihre Teilnahme an den Verbandsveranstaltungen absagen, für die sie 78 Neben einem politisch motivierten Boykott durch die Nationalen Olympischen Komitees der betreffenden Länder ist auch ein Boykott durch den internationalen Sportverband aus wirtschaftlichen Gründen denkbar. Vgl. zu den Überlegungen des Internationalen EishockeyVerbandes IIHF, sich von den Olympischen Winterspielen auszuklammern und auch in Olympiajahren die wesentlich lukrativeren Weltmeisterschaften zu veranstalten, FAZ v. 15. 03. 1990, S. 31. 79 BGHZ 47, 172 (177). 80 Insbes. R. Lukes, NJW 1972, 125 f.; MK-Reuter, § 25, Rdnr. 4; K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 200 ff. 81 Vgl. zur Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes im Vereinsrecht F. Häuser/F. van Look, ZIP 1986, 754 f. 82 Vgl. zur Frage, ob der Deutsche Handball-Bund (DHB) an der B-Weltmeisterschaft teilnehmen muß, obwohl das vom Deutschen Handball-Verband der DDR für die A-Weltmeisterschaft erworbene Startrecht auf den DHB mit der Fusion am 01. 01. 1991 übergeht, FAZ v. 20. 07. 1990, S. 26, FAZ v. 13. 08. 1990, S. 16, FAZ v. 24. 10. 1990, S. 31 und FAZ v. 26. 10. 1990, S. 32.

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sich zuvor gemeldet und sportlich qualifiziert haben. Der BGH hat im Urteil vom 12. 03. 199083 die prinzipielle Möglichkeit einer Schadensersatzpflicht aufgrund der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten bejaht. Die Voraussetzungen einer solchen – der pVV ähnlichen – Schadensersatzpflicht – Mitgliedschaftsverhältnis, Handlung oder Unterlassung, Pflichtverletzung, haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit, Verschulden, Schaden und haftungsausfüllende Kausalität – wären im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Dabei ist davon auszugehen, daß eine Schadensersatzpflicht aus positiver Verletzung des Mitgliedschaftsverhältnisses (pMV) nicht nur den Verband, sondern auch die Mitgliedsvereine und -verbände treffen kann, da mit der Mitgliedschaft wechselseitige Rechte und Pflichten begründet werden. Hierzu zählt insbesondere die reziproke Förderpflicht84. Eine Verletzung dieser allgemeinen Förderpflicht, die einschließt, vermeidbaren wirtschaftlichen Schaden vom Verband fernzuhalten,85 kann – nach Meldung und sportlicher Qualifizierung – Grundlage einer Schadensersatzpflicht sein. In der Praxis wird ein Schadensersatzanspruch häufig daran scheitern, daß Verschulden und Kausalität fehlen bzw. nicht zu beweisen sind. Im nichtkommerzialisierten Sport dürfte es außerdem zumeist nicht zu einem ersatzfähigen Schaden kommen. Auch wäre bei der Bemessung des Umfangs der Schadensersatzpflicht gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen, ob die Teilnehmer rechtzeitig mit der erforderlichen Deutlichkeit auf die finanziellen Konsequenzen ihrer Absage hingewiesen worden sind. Ob und inwieweit ein danach schadensersatzpflichtiger Verband oder Verein Rückgriff beim einzelnen Athleten nehmen kann, ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen. Bei Abschluß eines Teilnahmevertrages ist die Rechtslage klarer. In einem sorgfältig formulierten Vertrag sind Teilnahmepflicht und Rücktrittsvoraussetzungen spezifiziert. Ist das nicht der Fall, muß mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Instrumenten eine Lösung gefunden werden. 5. Sperre und Suspendierung Als – im Vergleich zum Ausschluß – mildere Verbandsstrafen sind Sperren und Suspendierungen anzusehen. Durch sie verliert das Mitglied das Teilnahmerecht. Auf nationaler Ebene sind mir aktuelle praktische Fälle nicht bekannt, in denen ein Verein oder Landesverband gesperrt oder suspendiert worden ist. Recht verbreitet sind hingegen nach wie vor Sperren und Suspendierungen auf internationaler Ebene. Neben politischen Anlässen86 stehen Sicherheitsaspekte im Vordergrund. So hatte die UEFA die englischen Fußballvereine nach dem Desaster im Brüsseler 83

BGHZ 110, 323 (327) = BGH NJW 1990, 2877 (2878). K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 244 ff. 85 Vgl. BGH NJW 1990, 2877 (2879). 86 Z. B. hat der Weltboxverband AIBA Israel wegen Teilnahme an einer Veranstaltung in Südafrika für fünf Jahre gesperrt. Näher hierzu A. Krumpholz, Apartheid und Sport, München 1991, S. 177 f. 84

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Heyselstadion langfristig gesperrt.87 Vier der von der Sperre betroffenen englischen Vereine – Manchester United, Everton, Southampton, Norwich City – und die Professional Football Association beantragten erfolglos den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen die englische Football Association.88 Ein deutsches Gericht wäre mit dieser Problematik allenfalls inzidenter befaßt, wenn ein von der UEFA gesperrter deutscher Fußballverein – wie aktuell Dynamo Dresden89 – den DFB verklagen würde, seinerseits gegen die UEFA vorzugehen. Sollte gerichtlicher Rechtsschutz in dieser Weise gesucht werden, wären materiell-rechtlich inzidenter Art und Umfang der Kontrolle nach Schweizer Recht zu berücksichtigen. 6. Boykott Boykottfälle90 sind Spezialfälle der Verweigerung der Zulassung als Teilnehmer oder der Nichtteilnahme aufgrund politischer Motive. Sie sind nach den für die Teilnahmeberechtigung und -pflicht dargestellten Ansätzen zu lösen.

III. Das „Wie“ der Teilnahme – Teilnahmemodalitäten Ist die erste Hürde des „Ob“ der Teilnahme für den Verein oder Verband übersprungen, naht die zweite Hürde: das „Wie“ – die Teilnahmemodalitäten. Das Konfliktpotential ist insofern erheblich. Das liegt zum einen daran, daß üblicherweise der veranstaltende Verband die Teilnahmebedingungen einseitig – zumindest aber ohne entscheidenden Einfluß der einzelnen Teilnehmer – festsetzt. Faktische Machtverhältnisse und Traditionen spielen insofern eine besondere Rolle. Zum anderen beruht das Konfliktpotential darauf, daß Regelungsdefizite bestehen, die die Entscheidungen im Einzelfall erschweren. Dies gilt vor allem in Umbruchphasen: Kommerzialisierung und Professionalisierung haben dazu geführt, daß die gemeinsame Grundlage einheitlicher Werte und Wertungen – wie sie beispielsweise im Amateurgedanken und im Prinzip der Ehrenamtlichkeit zum Ausdruck kamen – kleiner geworden ist. Neue Fragen sind entstanden. Hergebrachte Regelungen passen vielfach nicht mehr: Im Ergebnis zeigt sich häufig ein Normenmangel, zumindest aber ein Mangel anwendbarer Normen.

87

Die UEFA hatte die englischen Fußballvereine zunächst auf unbestimmte Zeit und den FC Liverpool darüber hinaus für 3 weitere Jahre von allen Europacup-Wettbewerben ausgeschlossen (FAZ v. 20. 06. 1985, S. 24). Die Sperre der englischen Vereine wurde nach über 5 Jahren, die des FC Liverpool nach beinahe 6 Jahren aufgehoben. Vgl. FAZ v. 11. 07. 1990, S. 25 und FAZ v. 20. 04. 1991, S. 26. 88 T. Crocer, Football an Trial, F.A. Newsletter No. 10 August 1985, S. 1. 89 FAZ v. 20. 04. 1991, S. 26. 90 Vgl. zur Boykottproblematik sowohl in rechtstatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht im einzelnen A. Krumpholz, Apartheid und Sport, passim.

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Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände

Rechtstatsächlich öffnet sich ein breites Spektrum von Problemen des „Wie“ der Teilnahme. Aus Sicht der Teilnehmer können finanziell einschneidende Vorgaben – z. B. die Errichtung einer Flutlichtanlage, die Beanstandung des Finanzierungsplans oder die Notwendigkeit von „Spielerverkäufen“ – zu Konflikten führen. Anlaß zu Streitigkeiten bietet ebenfalls die Werbung in vielerlei Form. Dem Fußball kommt hier wieder einmal eine Vorreiterrolle zu: „Jägermeister“ Braunschweig als Vereinsname91 und Kondomwerbung auf den Trikots des FC Homburg92 beschäftigten die Gerichte. Mißfallen erregte gleichfalls die solidarische Werbung des TSV Angelmodde für Kaffee aus Nicaragua mit der Bezeichnung „Sandino Dröhnung“93. Bisweilen sind Mannschaften nicht damit einverstanden, als Werbeträger für die Vertragspartner des Veranstalters herzuhalten, sei es, weil man an den Einnahmen nicht partizipiert, sei es, weil man – wegen eigener Werbeverpflichtungen für ein anderes Unternehmen – sich hierzu nicht befugt fühlt. So spielten die Eishockeymannschaften der USA und von Kanada bei den Olympischen Winterspielen in Calgary 1988 in Trikots ihrer Ausrüsterfirmen. Ihre Weigerung, in Trikots des Vertragspartners des Internationalen Eishockeyverbandes IIHF zu spielen, führte zur Verhängung von Geldstrafen durch die IIHF.94 Auf Athletenebene stellt sich die Frage, ob es wirklich gerechtfertigt ist, Teilnehmer zu disqualifizieren, die die Startnummer auf das reduzieren, was ihre ureigenste Funktion ist und Werbeschriftzüge verdecken. – Weitere Streitpunkte sind z. B. das Ausländerkontingent in Vereinsmannschaften, das – teilweise kurzfristige Verbot bestimmten Materials oder spezieller technischer Vorrichtungen beim Sportgerät und die Beschränkung auf einen anerkannten Sportgerätetyp95, der Qualifikationsmodus96, der Veranstaltungsmodus97 – insbesondere das Setzen98 von Mannschaften –, Konkurrenzverbote, Genehmigungsvorbehalte und Terminschutz sowie – last not least – der Vertei-

91

BGHZ 99, 119 ff. = NJW 1987, 1811 ff. = WuB II L. §32 BGB 1.87 (F. van Look). LG Frankfurt ZIP 1989, 599 ff. 93 Kaufen + sparen (Verbraucherzeitung für Münster und das Münsterland) v. 30. 01. 1986, S. 1. 94 FAZ v. 18. 02. 1988, S. 27. 95 FAZ v. 15. 11. 1984, S. 22 (Surfbrett für Olympische Spiele); FAZ v. 15. 04. 1989, S. 26 (Segelboot für olympische Damenwettbewerbe); vgl. auch FAZ v. 30. 03. 1989, S. 26 u. 21. 10. 1989, S. 28 (Zulässigkeit des Katamarans beim America‘s Cup). 96 Die FIFA will bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 auf Kosten der europäischen Verbände den afrikanischen Verbänden einen zusätzlichen Platz zubilligen. Vgl. FAZ v. 15. 12. 1990, S. 24. Vgl. zur Entscheidung der UEFA hinsichtlich des deutschen Europacup-Kontingents FAZ v. 29. 10. 1990, S. 29, FAZ v. 22. 11. 1990, S. 31 u. FAZ v. 20. 04. 1991, S. 26. 97 Z. B. erwägt die UEFA eine Änderung des Europacup-Modus. Vgl. FAZ v. 22. 09. 1990, S. 25. 98 So werden z. B. in den Fußball-Europacup-Wettbewerben von der UEFA diejenigen 16 Mannschaften gesetzt, die – unter Berücksichtigung der Ergebnisse der letzten 5 Jahre – die höchsten Wertkoeffizienten erreichen. Vgl. FAZ v. 11. 07. 1990, S. 25. 92

Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände

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lungsschlüssel hinsichtlich der Erlöse für die veräußerten Fernseh- und Werberechte99. Sportrechtlich sind hiermit insbesondere folgende drei Probleme verbunden: @ Erstens ist die Zulässigkeit staatlich-gerichtlichen Rechtsschutzes fraglich. Zu diesem allgemeinen Problem sei nur so viel festgestellt: Ein völliger Ausschluß des Rechtswegs ist durch Satzungsbestimmung und/oder Vertrag nicht möglich. Selbst wenn satzungsmäßig und/oder vertraglich eine Streitentscheidung durch Schiedsgericht vorgesehen ist und die formellen und materiellen Voraussetzungen der §§ 1025 ff. ZPO eingehalten sind, bleibt zumindest die in §§ 1040 f. ZPO vorgesehene Überprüfung des Schiedsspruchs. Der einstweilige Rechtsschutz ist zudem nach der wohl herrschenden Meinung100 den staatlichen Gerichten vorbehalten. Aus rechtstatsächlicher Sicht scheint mir tendenziell die Bereitschaft zuzunehmen, den staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. @ Ein zweites Problem ist die Inhaltskontrolle der Verbandsnonnen. Es taucht dann auf, wenn der Verband zwar eine Regelung – z. B. in einer Nebenordnung oder Ausschreibung – getroffen hat, der Teilnehmer inhaltlich damit aber nicht einverstanden ist, weil er sich beispielsweise benachteiligt fühlt. @ Das dritte Problem besteht darin, daß häufig trotz Nonnenmangels Entscheidungen des Verbandes bzw. der Mitglieder getroffen werden müssen und im nachhinein die andere Seite mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

1. Inhaltskontrolle der Verbandsnormen Die Inhaltskontrolle bildet den neuralgischen Punkt im Verhältnis von Verbandsautonomie und staatlicher Kontrollkompetenz. Sie ist das Kernstück der gerichtlichen Nachprüfung. Mit seinem Urteil vom 24. 10. 1988 hatte der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs101 die Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB für Verbände bejaht, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben. Kontrollmaßstab ist damit der Grundsatz von Treu und Glauben. Er beinhaltet das Gebot verantwortungsvoller Abwägung der Interessen aller an dem Rechtsverhältnis Beteiligten.102 Mit dem Gebot der Interessenabwägung steht ein optimaler Ansatz für die (mittelbare) Drittwirkung der Grundrechte sowie die – verfassungsrechtlich gebotene – angemessen abgestufte gerichtliche Kontrollintensität zur Verfügung. Er ermöglicht die Einbeziehung der Interessen des Verbandes, der Mitgliedermehrheit und -minderheit sowie gegebenenfalls der mittelbaren 99

Vgl. zur Verteilung der Erlöse für die Veräußerung der Fernsehrechte an den Olympischen Spielen FAZ v. 26. 04. 1990, S. 32. 100 W. Grunsky, Einstweiliger Rechtsschutz und Verbandsautonomie, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Einstweiliger Rechtsschutz im Sport, S. 63. 101 BGHZ 105, 306 ff. = NJW 1989, 1724 ff. = WM 1989, 184 ff. 102 MK-Roth, § 242, Rdnr. 32 m. w. N.

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Mitglieder. Zugleich gewährleistet dieser Ansatz, daß nicht nur diejenigen Interessen einbezogen werden, die einen unmittelbaren Bezug zur konkret in Frage stehenden Austauschbeziehung zwischen Verband und Mitglied haben. In die Abwägung einzubringen sind vielmehr auch solche Interessen, die aus der Verfolgung des gemeinsamen Zwecks und damit aus dem Umstand resultieren, daß zwischen Verband und typischerweise betroffenen Mitgliedern eine komplexe körperschaftliche Gesamtbeziehung besteht. Diese wird durch generelle verbandsspezifische Wertungen geprägt und umfaßt die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, Vorteile und Belastungen. Zu den generellen verbandsspezifischen Wertungen gehört beispielsweise auch die Entscheidung, konkrete Detailwertungen in Form von Beurteilungsund Entscheidungsspielräumen der normanwendenden Verbandsinstanz zu überlassen.103 Als Beispiele seien nur die „Tatsachenentscheidung“ im Fußball und die Bewertung einer Barrenkür genannt. Die Konsequenzen der Anwendung des § 242 BGB als Kontrollmaßstab lassen sich beurteilen, wenn man die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen mit derjenigen gleichlautender Bestimmungen in Austauschverträgen vergleicht, die keinen Bezug zur Mitgliedschaft haben. Bedeutung hat dies vor allem in Fällen, in denen ein Teilnahmerecht ohne Mitgliedschaft bejaht werden kann.104 Bei diesem Vergleich ist zu berücksichtigen, daß eine um die verbandsdemokratischen Mitwirkungsrechte kupierte, ansonsten aber vollständige Mitgliedschaft vertraglich nicht vereinbart werden kann. Einer solchen Vereinbarung wäre unter dem Gesichtspunkt der Umgehung die Wirksamkeit zu versagen.105 Derartige vertragliche Austauschbeziehungen zwischen Verband und Mitgliedern oder auch Nichtmitgliedern sind demgemäß immer ihrer Art nach sachlich-gegenständlich begrenzt. Dies hat zur Konsequenz, daß die Inhaltskontrolle gleichlautender Vertragsbestimmungen zwar nach dem gleichen Kontrollmaßstab – Art. 9 AGBG oder § 242 BGB – vorgenommen werden könnte, möglicherweise aber zu unterschiedlichen Ergebnissen führte. Abzuwägen wären nämlich die Interessen, die die konkrete Austauschbeziehung – das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung106 – beträfen. Es ginge allein um die spezielle Austauschgerechtigkeit. Verbandsspezifische Wertungen, die keinen direkten Bezug zur konkreten Leistungsbeziehung haben, müßten ausgeblendet und könnten auch nicht über eine Ausgestaltungsbefugnis gemäß § 315 BGB einbezogen werden.107 Soweit die Normen des betreffenden internationalen Sportverbandes durch Rezeption Normen des deutschen Sportverbandes geworden sind, unterliegen sie 103

K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 235 f. 104 Siehe dazu im einzelnen oben II. 2. 105 Vgl. R. Lukes, in: Fschr. f. H. Westermann, Karlsruhe 1974, S. 342. 106 BGH NJW 1982, 181 f. 107 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 236 f.

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ebenfalls der Inhaltskontrolle des § 242 BGB. Das gleiche gilt für die Normen der internationalen Sportverbände, die dem deutschen Recht unterstellt sind. Zutreffend wird die vom BGH vorgenommene Beschränkung der Inhaltskontrolle auf Nonnen wirtschafts- oder sozialmächtiger Verbände kritisiert.108 Der BGH mag sich zu dieser Beschränkung veranlaßt gesehen haben, um den erwarteten zusätzlichen Arbeitsanfall für die Zivilgerichte in Grenzen zu halten. Auf Dauer wird sich diese Beschränkung aber wohl kaum durchhalten lassen. Konsequenz wäre, daß nicht nur die Normen der in ihren Bereichen gewiß sozialmächtigen Sportverbände, sondern auch die Satzungen und Nebenordnungen der einzelnen Sportvereine einer Inhaltskontrolle unterfielen. Mit den Möglichkeiten der richterlichen Selbstbeschränkung und vor allein einer rechtzeitigen Anpassung der Verbands- und Vereinsnormen könnte eine Klage- und Entscheidungsflut jedoch verhindert werden. Niemand wird faire Normen einer Inhaltskontrolle unterziehen wollen. 2. Normenmangel Unbestimmtheit, Lückenhaftigkeit und teilweise sogar das völlige Fehlen von Verbandsnormen sind in einigen deutschen Sportverbänden durchaus verbreitet. Diese rechtstatsächliche Situation führt zu zwei Fragen: Trifft die Bundes- und Landes-Sportverbände die Pflicht, Regelungen aufzustellen, die hinreichend konkret sowohl für die Anwendung durch die zuständigen Verbandsorgane als auch für die Perspektiventscheidungen der unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder sind? Und: Besteht für die Bundes- und Landes-Sportverbände in Angelegenheit ihrer unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder auch dann die Pflicht, Entscheidungen zu treffen, wenn ihre Verbandsnormen solche Entscheidungen nicht ausdrücklich vorsehen? – Ich habe an anderer Stelle109 schon im einzelnen die rechtliche Grundlage, die Voraussetzungen und Gegenstände einer solchen Regelungs- und Entscheidungspflicht dargestellt. Hier möchte ich mich deshalb auf die knappe Darlegung der Ergebnisse beschränken. Grundlage sowohl einer Regelungs- als auch einer Entscheidungspflicht der Bundes- und Landes-Sportverbände ist die sich aus § 242 BGB ergebende verbandsrechtliche Förderpflicht. Deren Intensität und Inhalt werden im deutschen Sportverbandswesen in erster Linie durch den Verbandszweck und das Ein-PlatzPrinzip, daneben aber auch durch den in der betreffenden Sportart erreichten Grad der Kommerzialisierung und Professionalisierung bestimmt. Die durch das EinPlatz-Prinzip bedingte Monopolstruktur des deutschen Sportverbandswesens führt aus der Sicht der unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder zu einer faktischen Zwangsmitgliedschaft, da nur der betreffende Bundes- bzw. Landes-Sportverband ihnen den erforderlichen Zugang zum Sportbetrieb verschaffen kann. Hieraus folgt, 108

Insbes. B. Grunewald, ZHR 152 (1988), 261; a. A. H. J. Bunte, ZGR 1991, 323. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 244 ff. 109

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daß die Förderpflicht besonders intensiv und weitgehend ist. Sie ist – das hat der BGH in der Segler-Entscheidung vom 12. 03. 1990110 nochmals betont – reziprok, besteht also auch für die Verbandsmitglieder. Inhaltlich läßt sich aus der reziproken Förderpflicht insbesondere eine wechselseitige Informationspflicht von Verband und Mitgliedern ableiten.111 Diese ist wiederum Grundlage einer Regelungs- und Entscheidungspflicht. Die generell-abstrakten Regelungen der Verbände müssen so detailliert sein, daß sie für die Mitglieder eine zuverlässige Informationsquelle sind, auf die sie nicht nur ihr aktuelles Verhalten, sondern auch langfristige Entscheidungen stützen können. Insbesondere müssen sie die komplexen Leistungsbeziehungen zwischen den Bundes- bzw. Landes-Sportverbänden sowie ihren unmittelbaren und mittelbaren Mitgliedern hinreichend ausdifferenzieren. Angesichts der mit den Schlagworten der Kommerzialisierung und Professionalisierung beschreibbaren Entwicklung im Sport sind sowohl in wirtschaftlicher als auch auf Athletenebene in persönlich-beruflicher Hinsicht langfristige (Prognose-) Entscheidungen unumgänglich. Die Regelungspflicht verlangt insbesondere eine Offenlegung der Ermessens- und Beurteilungsspielräume. Hinsichtlich der Regelungsform haben die Bundes- und LandesSportverbände eine Wahlfreiheit. Sie ermöglicht es ihnen, ihre Regelungspflicht durch verbandsrechtliche Normen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen zu erfüllen. Aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht gemäß § 242 BGB ist ebenfalls eine Ergänzung der Regelungspflicht durch eine Pflicht zur Beobachtung der Entwicklung und gegebenenfalls zu einer Anpassung der Verbandsregelungen abzuleiten. Ebenso ergibt sich daraus eine verbandsrechtliche Entscheidungs- und Begründungspflicht im Einzelfall. Diese kann insbesondere in den konfliktträchtigen Nominierungsfällen112 Bedeutung erlangen. Dem Urteil des BGH vom 12. 03. 1990 können auch für die Regelungs- und Entscheidungspflicht zwei wichtige Gesichtspunkte entnommen werden: Zum einen ergibt sich unter dem Zeitaspekt113, daß eine rechtzeitige Regelung und Information erforderlich ist. Zum anderen vermag die drohende Schadensersatzpflicht bei Verletzung der Regelungs- und Entscheidungspflicht ein Hebel zur effizienten Selbstregulierung und damit zur Entlastung der Gerichte zu sein.

110

BGHZ 110, 323 (330) = BGH NJW 1990, 2877 (2879). Als Verletzung der Informationspflicht wäre es beispielsweise anzusehen, wenn der Verband den ihm angeschlossenen Vereinen die Einsicht in den Vertrag verweigert, mit dem die entsprechenden Fernsehrechte veräußert werden. So hat der FC Chelsea die Fernsehübertragung seiner Fußballspiele verweigert, weil er keine Einsicht in den Vertrag zwischen der Football Association und der British Broadcasting Corporation nehmen durfte. Vgl. Mindener Tageblatt v. 05. 01. 1990, S. 24. 112 Dazu nunmehr eingehend M. Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, Bayreuth 1992. 113 Vgl. BGHZ 110, 323 (331) = BGH NJW 1990, 2877 (2879). 111

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IV. Schlußbemerkungen Hinsichtlich des „Ob“ der Teilnahme haben wir bei der rechtlichen Behandlung eine gewisse Konsolidierung erreicht. Die Frage der Teilnahme ohne Mitgliedschaft sowie Ausschlüsse vorübergehend aufgenommener Konkurrenzverbände könnten auf nationaler Ebene die Gerichte beschäftigen. International werden vorerst vermutlich die faktischen Machtverhältnisse und die Kompliziertheit der Materie die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes weitgehend verhindern. Das „Wie“ der Teilnahme bietet nicht nur rechtstatsächlich eine wahre Fundgrube. Es dürfte angesichts der wirtschaftlichen und beruflich-persönlichen Bedeutung zunehmend forensisch werden. Daß § 242 BGB im monopolisierten Sport im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle eine zentrale Rolle einnimmt, gibt zwar einerseits Gelegenheit zu einer umfassenden Interessenabwägung und eröffnet damit – in sportlichen Begriffen – die Möglichkeit fairer Lösungen. Andererseits birgt die Anwendung des § 242 BGB immer das Risiko der Rechtsunsicherheit. Deshalb wäre es hilfreich, wenn die Rechtsprechung frühzeitig zu Fallgruppenbildungen käme, um den Verbänden eine Orientierung zu geben, wie sie ihre Autonomie gerichtsfest nutzen können.

Sponsoring und Sportrecht* I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arten und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenkonflikte aus Sicht des Gesponserten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenkonflikte aus der Sicht der Sponsors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interessenkonflikte aus der Sicht der mit dem Gesponserten in der „Verbandspyramide“ Verbundenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interessenkonflikte aus der Sicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interessenkonflikte aus der Sicht der Eigentümer der Sportanlagen und -geräte 6. Interessenkonflikte aus der Sicht der Medien, insbesondere der Fernsehanstalten und -gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Interessenkonflikte aus der Sicht der Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Interessenkonflikte aus der Sicht der Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbandsregelungen und Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz und gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zulassungsbedingungen für die Teilnahme an Wettkämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auskunfts- und Leistungsansprüche einzelner Sportler aufgrund einer Sponsoringvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einfluß der Sponsoren auf die Wettkampfgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Für den modernen Sport ist Sponsoring einerseits ein wichtiges Finanzierungsmittel. Dies wird deutlich, wenn man die Finanzkonzepte z. B. der Olympischen Spiele 1972 in München und 1992 in Barcelona miteinander vergleicht. Andererseits wird Sponsoring aber auch als Bedrohung für den Sport gesehen. So herrschte in Athen Entsetzen und Empörung, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Olympischen Spiele für 1996 nach Atlanta vergab: Man hatte erwartet, * Erstveröffentlichung in SpuRt 1994, 6 – 10 (Teil I) und SpuRt 1994, 73 – 77 (Teil II). Überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Autor am 11. 12. 1992 anläßlich des „First International Congress on Sports Law“ der International Association of Sports Law (I.A.S.L.) in Athen gehalten hat. Die Originalfassung „Sponsoring and Sports Law“ ist abgedruckt in: Panagiotopoulos (ed.) Proceedings of the First International Congress on Sports Law, Athens 1993, S. 176 – 186.

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Sponsoring und Sportrecht

angesichts der Jahrhundertfeier würde wieder Athen zum Austragungsort bestimmt werden. In einer leidenschaftlichen Rede bei der Entzündung des Feuers im Hain von Olympia sagte im Juni 1992 der Präsident des Griechischen NOK, Lambis Nikolaou: „Wir fühlen uns verraten!“ An Atlanta werde man die olympische Flamme nicht übergeben. Dieses Beispiel illustriert den Konflikt zwischen Tradition und vermuteter Sponsorenmacht: Athen war Austragungsort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit. Atlanta ist Sitz von Coca-Cola, einem der Hauptsponsoren des IOC. Sponsoring ist auf allen Ebenen des kommerzialisierten und professionalisierten Sports mittlerweile verbreitet. Damit sind Interessenkonflikte und Rechtsprobleme insbesondere für Verbände, Vereine und Sportler vorprogrammiert.

I. Begriff Was ist Sponsoring? – Der ohnehin unscharfe Begriff wird im deutschen Sprachraum vielfach verwendet, ohne daß man über seinen Sinn genauer nachdächte. Unklar bleibt vor allem, worin er sich vom Mäzenatentum unterscheidet. Überwiegend wird Sponsoring definiert als „Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereitstellung von Geld- und Sachmitteln sowie Dienstleistungen durch Unternehmen für Personen und Organisationen im sportlichen, kulturellen, sozialen oder ökologischen Bereich zur Erreichung unternehmerischer Markt- und Kommunikationsziele verbunden sind“.1 Hiernach sind folgende Begriffsmerkmale wesentlich: @ die Bereitstellung von Geld und/oder Sachmitteln und/oder Dienstleistungen durch Unternehmen; @ die Unterstützung von Personen und/oder Organisationen – den Gesponserten – im sportlichen, kulturellen, sozialen oder ökologischen Bereich; @ die Verfolgung unternehmerischer Marketing- und/oder Kommunikationsziele, und zwar in der Regel durch Mitgestaltung der gesponserten Aktivitäten im Hinblick auf die Medienpräsenz und die öffentliche Selbstdarstellung des Sponsors. Man spricht hier von einem Image-Transfer, d. h. das Image, das die gesponserte Aktivität in der Öffentlichkeit genießt, soll sich auch mit dem Sponsor und dessen Unternehmungen verbinden. Durch dieses Merkmal unterscheidet sich der Sponsor vom Idealtyp des Mäzens, der nur fördern will und keinen wirtschaftlichen Eigennutz verfolgt. Mit anderen Worten: Der Sponsor beabsichtigt eine Gewinnsteigerung durch den Werbeeffekt, den er mit seinem publik gemachten Einsatz erzielt. Nicht wesentlich konkreter ist die Definition von Sponsoring in § 7 (1) des Rundfunkstaatsvertrages vom 31. 08. 1991: 1

Bruhn/Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring, Bd. I: Allgemeiner Teil, S. 5.

Sponsoring und Sportrecht

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„Sponsoring ist der Beitrag einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an Rundfunktätigkeiten oder an der Produktion audiovisueller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person, ihre Tätigkeit oder ihre Leistung zu fördern.“

II. Arten und Bedeutung 1. Arten Nach der Zielrichtung – dem Aktivitätsbereich des Gesponserten – lassen sich Sport-, Kultur-, Sozial- und Ökosponsoring unterscheiden. Beim Sportsponsoring, um das es uns hier geht, können wir nach dem Kreis der Gesponserten weiter differenzieren: Hierzu gehören internationale und nationale Verbände ebenso wie Vereine, Athleten, Mannschaften, Veranstalter und Eigentümer von Sportanlagen und -geräten. Nach der Zeitdauer unterscheidet man das oft personen- oder mannschaftsbezogene oder die Breitensportaktivitäten eines Verbandes erfassende Dauersponsoring (etwa als „Offizieller Ausrüster“) vom Ereignissponsoring (engl.: event sponsoring – z. B. Aral-Cup, BMW-Open, Virginia Slims Masters). Nach dem Zusammenhang der Aktivitäten des Gesponserten mit dem vom Sponsor angestrebten Werbeeffekt bestehen Unterschiede zwischen dem Produktsponsoring der Sportartikel-, Nahrungsmittel- und Getränkehersteller einerseits sowie dem reinen Imagesponsoring (Rasierwasser, Autos, Alkohol, Zigaretten, Möbel, Geräte, Fertighäuser, Computer, Bankdienstleistungen usw.) andererseits. Selbstverständlich sind auch Mischformen zwischen den genannten Arten des Sponsoring gebräuchlich. 2. Wirtschaftliche Bedeutung Die wirtschaftliche Bedeutung für den Gesponserten (engl.: sponsee) besteht zum einen in der Ersparnis notwendiger oder nützlicher Aufwendungen, zum anderen in der Einnahme zweckgebundener oder zweckfreier Geldmittel. Beides ermöglicht ihm im Idealfall eine Leistungssteigerung, jedenfalls eine größere Unabhängigkeit von öffentlichen Mitteln und von der – schwankenden – Eigenfinanzierung durch Mitgliederbeiträge, Eintrittsgelder usw. Die Leistungssteigerung ihrerseits erhöht wieder die Attraktivität und damit den Werbewert des Gesponserten (Verband, Verein, Athlet, Sportart). Man kann von einer Attraktivitätsspirale sprechen. Zu den durch Sponsoring ersparten notwendigen Aufwendungen gehören typischerweise: Sportausrüstung, Nahrungsmittel, Getränke, Organisationsmittel, Fahrzeuge, Computer, Dienstleistungen (Fahrdienst, Ballkinder im Tennis, Gerätekommandos, Computerfachkräfte). Zu den nützlichen Aufwendungen, die oft ein

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Sponsoring und Sportrecht

Sponsor finanziert, zählen Trainingslager, Wettkampfreisen, Turniere und sonstige Veranstaltungen sowie Regenerationsreisen. Zweckgebundene Geldleistungen sind z. B. Ersatz von Verdienstausfällen, Aufwandsentschädigungen, Spesen, Mittel für die Nachwuchsförderung usw. Sponsoring ist für den Sponsor zunächst ein Kostenfaktor. Es wird eingesetzt in der Erwartung, Mehreinnahmen zu erzielen, und zwar durch größere Bekanntheit des konkreten Produkts, des Namens oder Warenzeichens des Sponsors und/oder durch einen Imagegewinn des Unternehmens und seiner Produkte. Die Werbung erfolgt durch Nennung des Sponsors, entweder in einem Hinweis („Mit Unterstützung von …“), im Vereinsnamen (z. B. Toyota Köln, Steiner Bayreuth, Bayer Leverkusen) oder im Titel der Veranstaltung (z. B. Lufthansa Open, Veltins Basketball-Liga). Gebräuchlich ist vor allem die Verwendung von Firmenemblemen, Produktnamen und -abbildungen auf Wettkampfkleidung und Ausrüstung (umstritten waren z. B. die Kondomwerbung des FC Homburg und das „Grüne Buch“ des Muammar-al-Gaddafi beim ESC Iserlohn), auf Sportanlagen (z. B. Bullykreiswerbung im Eishockey), auf Organisationsmitteln (Startnummern, Zielband usw.) oder an anderer, für die Bildmedien gut sichtbarer Stelle. Der Werbeeffekt richtet sich auch nach der Exklusivität und Einprägsamkeit der Verbindung, die etwa zwischen dem Namen eines Sportlers oder einer Vereinsmannschaft und einem Produkt hergestellt werden kann. Entscheidend ist, wie lange und wie oft die Werbebotschaft jeweils an den Verbraucher herangetragen werden kann und ob dieser mit dem Produkt positive Assoziationen verbindet. Eine zentrale Rolle kommt im Hinblick auf Zuschauerzahl, Zeitpunkt, Dauer und Art der Übertragungen dem Medium Fernsehen zu. In den letzten Jahren war zunächst ein sprunghafter Anstieg der Sponsoringausgaben zu beobachten. Neuerdings führen jedoch genauere Kosten-Nutzen-Analysen tendenziell wieder zu einer Reduzierung der für Sportsponsoring bereitgestellten Mittel. Gleichzeitig läßt sich ein Trend zur Spezialisierung und zur verstärkten Einflußnahme der Sponsoren feststellen. Sponsoring wird zunehmend abhängig gemacht vom Leistungsniveau eines Sportlers oder Vereins, vom Image der betreffenden Sportart („Sauberer Sport“ contra Doping und Dopingverdacht), von der Breitensportaktivität des Verbandes (z. B. Deutscher Turnerbund), von der möglichst effektvollen Präsentation im Fernsehen (mit Folgen wie die Risikosteigerung im Skisport), vom Veranstaltungsablauf (daher weniger und kürzere Pausen im Turnen) sowie von Dauer und Uhrzeit der Fernsehübertragung (so bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988, deren Endkämpfe auf die prime time des USFernsehens abgestimmt werden mußten). Schließlich ist ein Trend zur Einschaltung spezialisierter Sponsoringagenturen festzustellen. Sponsoring betrifft häufig nicht nur den Sponsor und den Gesponserten, sondern hat – je nachdem, wer gesponsert wird – auch Auswirkungen auf sonstige Beteiligte: Athleten, Vereine, Verbände, Mannschaften, Veranstalter, Sponsoringagenturen und Medien, hier insbesondere das Fernsehen.

Sponsoring und Sportrecht

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Wie groß die Auswirkungen des Sponsoring im Einzelfall sein können, hängt wesentlich davon ab, wie stark eine Sportart bereits kommerzialisiert ist und wie professionell sie betrieben wird.

III. Interessenkonflikte Trotz des gemeinsamen Interesses am Gelingen einer gesponserten Sportveranstaltung und am hohen Niveau der gezeigten sportlichen Leistungen gibt es eine Fülle von Interessenkonflikten zwischen den am Sponsoring Beteiligten. Interessenkonflikte aber lassen Rechtsprobleme erwarten. Bringt man alle denkbaren Konflikte zwischen den am Sponsoring Beteiligten (also den Sponsoren, den Gesponserten und den ihnen vertraglich oder organisatorisch Verbundenen, den Eigentümern von Sportanlagen und Sportgeräten, den Veranstaltern, Zuschauern, Agenturen und Medien) in ein System, so ergeben sich insgesamt 28 mögliche Konstellationen. Dabei bleiben Konkurrenzsituationen z. B. zwischen Ko-Sponsoren oder Fernsehgesellschaften noch außer Betracht. Auf die wichtigsten Interessenkonflikte soll im folgenden eingegangen werden:

1. Interessenkonflikte aus Sicht des Gesponserten Das Konfliktspektrum im Verhältnis des Gesponserten zum Sponsor entspricht dem sonstiger Vertragsverhältnisse. Es reicht von der Nichtzahlung des Sponsors über die Nichterfüllung vereinbarter Leistungen durch den Gesponserten bis hin zu Fragen der Vertragsauslegung und -anpassung sowie der Inhaltskontrolle formularmäßiger Sponsoringverträge.

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Interessenkonflikte zwischen dem Gesponserten und den mit ihm organisatorisch oder vertraglich Verbundenen betreffen insbesondere die in einer „Sportverbandspyramide“ zusammengeschlossenen internationalen und nationalen Verbände, Vereine, Mannschaften und Athleten. Die Interessenkonflikte betreffen Art und Maß der Mitwirkung beim Zustandekommen des Sponsoringvertrages, das Verbot individueller Sponsoringverträge, das Einsichtsrecht in geschlossene Verträge, die finanzielle Beteiligung an den Einnahmen aus dem Sponsoringvertrag, die Mitwirkung bei der Vertragserfüllung (Teilnahmepflicht, Werbepflicht, sonstige Präsentationspflicht, Unterlassung schädigenden Verhaltens) sowie den Anspruch auf Teilnahme an Veranstaltungen des Gesponserten auch ohne Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Vertragserfüllung. Zwischen dem Gesponserten und dem Eigentümer von Sportanlagen und Sportgerät sind konfliktträchtig insbesondere die Zulassung werblicher Hinweise auf den Sponsor und die mögliche finanzielle Beteiligung des Eigentümers an den Sponsoringeinnahmen, z. B. in Form einer erhöhten Anlagenmiete. Interessenkonflikte zwischen dem Gesponserten und einem von ihm personenverschiedenen Veranstalter können sich ergeben bei konkurrierender Werbung. Problematisch ist insbesondere, ob ein gesponserter Veranstalter das „Ob“ der Teilnahme davon abhängig machen darf, daß der seinerseits gesponserte Vertragspartner seine Werbung unterläßt und/oder als Werbeträger nach den Wünschen des Veranstalters fungiert. Interessenkonflikte zwischen dem Gesponserten und den Medien, insbesondere den Fernsehanstalten und -gesellschaften, entstehen nur selten in vertraglichem Rahmen; denn vertragliche Sonderbeziehungen zwischen dem Gesponserten selbst (Verband, Verein, Mannschaften, Athleten) und den Medien sind untypisch, falls der Gesponserte nicht ausnahmsweise zugleich Veranstalter oder zumindest Ausrichter ist oder – ebenfalls ein Sonderfall – eine Fernsehanstalt oder -gesellschaft zugleich als Sponsor auftritt. Potentiell streitträchtig ist hier die Vergütung, soweit ein Recht am eigenen Bild besteht, also typischerweise bei Athleten. Weitere Interessenkonflikte können entstehen bezüglich des „Ob“ sowie der Art und Weise der Übertragung, speziell der Zulassung von (Schleich-)Werbung oder Sponsorhinweisen, des Zeitpunkts und der Dauer der Übertragung etc. Auch Art und Qualität der die Übertragung begleitenden Kommentierung – z. B. unsachliche Kritik – können zu Konflikten führen.

2. Interessenkonflikte aus der Sicht der Sponsors Zentral ist das Verhältnis des Sponsors zum Gesponserten. Je nach Erfahrung und Gewicht der ökonomischen Betrachtungen finden Interessenkollisionen und mögliche Konflikte Eingang in den Vertrag. Als schwierig erweist es sich dabei, die Leistung exakt zu beschreiben, da Leistungs- und Erfolgsschwankungen im sportlichen Bereich an der Tagesordnung sind. Weiterhin ist das Interesse des Sponsors

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zu berücksichtigen, daß sein Engagement nicht in das Gegenteil umschlägt, weil der Athlet z. B. aufgrund eines Dopingverstoßes gesperrt wird. Mittelbar betroffen sind die Beziehungen des Gesponserten zu den anderen am Sponsoring Beteiligten. Insbesondere treten Interessenkonflikte auf, wenn der Gesponserte noch anderweitig vertraglich gebunden ist (z. B. als Veranstalter an die Bandenwerbung des Sportstätteneigentümers). Sind der Gesponserte und der Veranstalter identisch, so reduzieren sich diese Problemquellen entsprechend. Das Verhältnis von Sponsor und Medien kann sehr konfliktträchtig sein, da Zuschauerzahlen, Zeitpunkt, Dauer und Art der Fernsehberichterstattung den wirtschaftlichen Wert des Sponsoring für den Sponsor wesentlich bestimmen. Die Fernsehanstalten und -gesellschaften ihrerseits sind hingegen an einer flexiblen Programmgestaltung interessiert, die den aktuellen Gegebenheiten Rechnung trägt. 3. Interessenkonflikte aus der Sicht der mit dem Gesponserten in der „Verbandspyramide“ Verbundenen Zentral ist aus dieser Sicht das Verhältnis zum Gesponserten. In ihm spiegeln sich die bereits dargestellten Interessenkonflikte mit den anderen am Sponsoring Beteiligten wider. Für einen Athleten stellen sich beispielsweise die Fragen der finanziellen Teilhabe, der Werbepflicht und des Unterlassens eigener konkurrierender Werbung, wenn sein Verband oder Verein gesponsert wird. 4. Interessenkonflikte aus der Sicht des Veranstalters Soweit der Veranstalter Teil der „Verbandspyramide“ ist oder selbst gesponsert wird, richten sich die Interessenkonflikte nach dem zuvor Ausgeführten. Im übrigen treten zum einen Interessenkonflikte mit den Teilnehmern sowie deren Sponsoren auf, zum anderen ergeben sich Interessenkonflikte mit den Sportstätteneigentümern sowie zum dritten mit den Medien. Die Interessenkonflikte mit den Teilnehmern betreffen im wesentlichen die Frage der Zulassung als Teilnehmer sowie die Teilnahmemodalitäten (Startgeld, Werbepflicht usw.). Die Interessenkonflikte mit dem Sportstätteneigentümer betreffen insbesondere die Höhe des Entgelts sowie – zumeist damit zusammenhängend – die Frage der Vermarktung einer Veranstaltung. Die Interessenkonflikte mit den Medien, insbesondere mit den Fernsehanstalten und -gesellschaften, betreffen die Entgeltzahlung für die Fernsehrechte sowie Art und Ausmaß der Einflußnahme der Medien auf Zeitpunkt und Durchführung der Veranstaltung.

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5. Interessenkonflikte aus der Sicht der Eigentümer der Sportanlagen und -geräte Zentral ist insofern das Verhältnis zum Veranstalter. Die Interessenkonflikte umfassen das gesamte Spektrum des – hier üblicherweise geschlossenen – Vertrages: Entgelt, bauliche Anforderungen (z. B. Flutlicht), Beschädigungen, Stadionwerbung (Banden, „Reiter“), Zulassung anderer konkurrierender Werbung des Veranstalters oder der Teilnehmer (sei es an der Person oder auf dem Sportgerät). Die Interessenkonflikte mit den Gesponserten sowie mit den mit ihnen in der „Verbandspyramide“ Verbundenen betreffen in erster Linie den Zustand der Sportanlage bzw. des Sportgeräts (Gefahrenfreiheit, Normgerechtigkeit) sowie zum anderen die Zulassung der Werbung. Interessenkonflikte können mit anderen Sponsoren auftreten, deren Interessen mit der eigenen Werbeverpflichtung des Eigentümers konkurrieren. Interessenkonflikte mit den Medien, insbesondere mit dem Fernsehen, treten in den Hintergrund, da Fernsehübertragungen normalerweise zu höheren Einnahmen führen. Konkurrierende Werbung (Hinweise auf Sponsoren und Werbeblöcke) ist hier als Streitquelle meist ohne Bedeutung.

6. Interessenkonflikte aus der Sicht der Medien, insbesondere der Fernsehanstalten und -gesellschaften Das Medieninteresse ist – sieht man von gesetzlichen Vorgaben ab – vor allem wirtschaftlich bestimmt. Hauptziele sind geringe Kosten, gute Arbeitsbedingungen (Akkreditierung, Kommentatorenplätze, Kamerastandorte, Flutlicht), gute Sendeund damit Werbezeit (Maßstab: Zuschauerverhalten), keine oder geringe störende Konkurrenzwerbung (Banden, „Reiter“, Ausrüstung und Kleidung der Athleten), unbeschränkte und exklusive Berechtigung zur (Live-)Übertragung und zur Mehrfachverwertung der aufgezeichneten Veranstaltung. Dem entgegengesetzt ist das Veranstalterinteresse an möglichst hohen Einnahmen (insbesondere sog. Fernsehgelder; nun auch Pressegelder wie im Fall Atletico Madrid) sowie zusätzlichen Einnahmequellen (z. B. durch Sponsoren und reine Werbung). Die Athleten haben vor allem ein Interesse an leistungsoptimalen Wettkampfzeiten und an der Zulassung der „Werbung am Mann“; andererseits kann die Ausrichtung von Wettkampfzeiten nach dem Fernsehzuschauerverhalten auch positive Auswirkungen auf die Werbeverträge der Athleten haben. Verbands- und Vereinsinteressen liegen – je nach Organisation – zwischen den Interessen des Veranstalters und der Athleten.

7. Interessenkonflikte aus der Sicht der Agenturen Agenturen werden im komplizierten Sponsoringmarkt tätig, um Sponsoren, Gesponserte und Medien bei der „Partnersuche“, den Vertragsverhandlungen und -abschlüssen zu unterstützen. Das Konfliktspektrum entspricht dem vergleichbarer

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Vertragsverhältnisse. Entgelthöhe und -zahlung sowie Qualität und Erfolg der Leistungen der Agentur sind besonders konfliktträchtig. 8. Interessenkonflikte aus der Sicht der Zuschauer Soweit die Zuschauer ein Interesse daran haben, die Sportveranstaltung sei es vor Ort, sei es am Fernsehgerät unbeeinträchtigt von Werbung zu verfolgen, geraten sie bei kommerzialisierten und professionalisierten Sportarten in Konflikt mit allen anderen Beteiligten. Besondere Probleme entstehen, wenn Eintrittskarten in großem Umfang an Sponsoren gehen und Interessierte entweder überhaupt keine Eintrittskarten erhalten oder sich mit schlechteren Plätzen begnügen müssen. Gesteigert ist der Konflikt, wenn die Sponsoren die Eintrittskarten ihren Geschäftspartnern zur Verfügung stellen und diese sie nicht ausnutzen.

IV. Verbandsregelungen und Verträge Bei Durchsicht der Satzungen und Ordnungen der für die olympischen Sportarten „zuständigen“ deutschen und internationalen Sportverbände fällt ein Mangel an verbindlichen Regelungen für das Sponsoring auf. Angesichts der dargestellten Interessenunterschiede und des erheblichen Konfliktpotentials mag dies auf den ersten Blick überraschen. Erklärbar ist der Normenmangel aber dadurch, daß viele Sportarten professionalisiert und kommerzialisiert worden sind, ohne auf alle Beteiligten Rücksicht zu nehmen; Grund hierfür mag auch sein, daß die Verbände die Rechtslage verkannt und die Stärke ihrer eigenen Rechtsposition überschätzt haben. Nicht bedacht wurde insbesondere, daß die schlichte Ausblendung eines Teils der – auch finanziellen – Interessen Drittbeteiligter oft nicht mit staatlichem Recht in Einklang zu bringen ist. So wird etwa in Deutschland, der Schweiz und den USA die Machtverteilung zwischen Verband, Verein und Athlet von einer kritischen Rechtsprechung und Fachliteratur begleitet. Satzungen und Ordnungen deutscher und internationaler Sportverbände enthalten teilweise Regelungen über die Verwertung sog. Fernseh- und Werberechte einschließlich der Verteilung der daraus erzielten Einnahmen. Kennzeichnend für diese Regelungen ist, daß pauschalierte Quoten für Mannschaften, Ausrichter und Verbände vorgegeben werden. Eine Beteiligung einzelner Athleten ist hingegen in keinem Fall vorgesehen. Verträge zwischen den am Sponsoring Beteiligten bezwecken, durch eine ausgewogene Leistungs- und Risikoverteilung dafür zu sorgen, daß sich die erkennbaren Interessengegensätze nicht später zu einem Streit entwickeln. Im Vergleich zu den Verbandsregelungen haben Verträge den Vorteil, daß sie individuell und flexi-

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bel auf die konkreten Verhältnisse zugeschnitten werden können. Sponsoringverträge zwischen Sponsor und Gesponserten können sich auf einzelne Veranstaltungen, Sportausrüstung und -kleidung sowie Lizenzen über Zeichen und Prädikate beziehen. Im Veranstaltungsvertrag werden u. a. geregelt:2 @ der Inhaber der Rechte, @ die Sportveranstaltung, @ die Art des Sponsorships (insbesondere die Exklusivität), @ die zugelassenen Werbemöglichkeiten, @ die Vergütung, @ die Ausfallversicherung, @ Vertragsdauer und Optionen. In einem Sponsoringvertrag, der die Lizenzen für Warenzeichen regelt, sollten insbesondere geregelt werden:3 @ der Inhaber der Rechte, @ die Produktkategorien, @ die Exklusivität, @ Ausnahmen für Produkte wie Zigaretten und Alkohol, @ Umfang und Art der Einsatzmöglichkeiten in der Werbung, @ die Gestaltung, @ die Lizenzgebühr, @ Dauer, Einsatzgebiet und Option. Sponsoring hat sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hat Sponsoringverträge bisher nicht ausdrücklich als Vertragstyp geregelt. Eine entsprechende Änderung des BGB ist auch nicht zu erwarten. Beim Sponsoringvertrag handelt es sich deshalb um einen „atypischen Vertrag“, der zu besonderen Problemen führen kann. Sponsoringverträge werden nicht immer von Juristen formuliert. Dieser Umstand, die Schwierigkeit der Materie sowie die verengte Sicht auf die Interessen der Vertragspartner führen insbesondere zu folgenden Problemen: @ unzureichende Beschreibung der beiderseits geschuldeten Leistungen, @ unzureichende Regelung etwaiger Leistungsstörungen,

2 Bruhn/Mussler, Sponsoringfibel – Planung und Durchführung des Sponsoring für Sportvereine, hrsgg. vom Deutschen Sportbund (DSB), Frankfurt 1991, S. 63 f. 3 Bruhn/Mussler, ebenda, S. 66.

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@ faktische Einbeziehung Dritter, insbesondere der Athleten, ohne deren Zustimmung, @ Verleitung des Gesponserten zum Bruch bestehender Verpflichtungen gegenüber Dritten.

V. Rechtsfragen 1. Ausgangspunkt Interessenkonflikte lassen rechtliche Probleme erwarten. Ob diese Probleme zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen, hängt in erster Linie von den wirtschaftlichen und psychologischen Gründen des Streites ab, ferner von den Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens, also vom Prozeßrisiko. Wie bereits deutlich wurde, wirft das Sponsoring vielfältige Rechtsfragen auf, die in diesem Rahmen keinesfalls erschöpfend behandelt werden können. Im folgenden soll es deshalb insbesondere darum gehen, die Hauptprobleme etwaiger Streitigkeiten zwischen Verbänden, Vereinen und Athleten darzustellen. Diese sind: @ Rechtsschutz und gerichtliche Kontrolle; @ anwendbares Recht; @ Zulassungsbedingungen für die Teilnahme an Wettkämpfen; @ Auskunfts- und Leistungsansprüche einzelner Sportler aufgrund einer Sponsoringvereinbarung; @ Einfluß der Sponsoren auf die Wettkampfgestaltung.

2. Rechtsschutz und gerichtliche Kontrolle Viele Repräsentanten der Verbände und Vereine sind der Auffassung, daß die Regelungen und Beschlüsse ihrer Organisationen nicht Gegenstand richterlicher Überprüfung sein dürften. Dementsprechend suspendierte z. B. die International Amateur Athletics Federation (IAAF) den Weltrekordinhaber im 400-m-Lauf, Butch Reynolds, für fünf Monate, weil er – mit Erfolg – gerichtlich gegen die IAAF vorgegangen war. Ein Gericht in Columbus/Ohio hatte im Dezember 1992 einer Schadensersatzklage Reynolds’ gegen die IAAF in Höhe von 27,3 Millionen USDollar stattgegeben, weil es zu der Auffassung gelangte, die IAAF habe Reynolds zu Unrecht wegen eines Dopingverstoßes gesperrt.4

4 Reynolds ./. International Amateur Athletic Federation, opinion and judgement of the United States District Court Southern District of Ohio Eastern Division (case No. C-2 – 92 – 452 – nicht veröffentlicht). Siehe auch FAZ v. 27. 01. 1993, S. 24.

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Vor allem in folgenden praktischen Situationen ist ein gerichtliches Vorgehen möglich: @ wenn ein Verband eine Geldbuße wegen verbotener Werbung verhängt (wie im Fall der Eishockey-Nationalmannschaften Kanadas und der USA während der Olympischen Winterspiele in Calgary 1988); @ wenn ein Verband die Zulassung zu Wettkämpfen deshalb verweigert, weil ein Athlet die Teilnahmebedingungen (z. B. Werbebeschränkungen) nicht akzeptiert; @ wenn ein Dritter (insbesondere ein Sportler), der nicht Partner der Sponsoringvereinbarung ist, aber von ihr betroffen wird, an den Zuwendungen des Sponsors teilhaben will und in diesem Zusammenhang Auskunft über den Vertragsinhalt begehrt. Rechtsstreitigkeiten werden in der Regel zwischen dem einzelnen Sportler und dem für ihn zuständigen nationalen oder internationalen Sportverband ausgetragen. Hierfür stehen durchaus verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung: Zunächst einmal kann die Anrufung einer verbandsinternen Kontrollinstanz zum gewünschten Entscheid führen. Zum zweiten können Schiedsgerichte auf nationaler und internationaler Ebene den Fall prüfen; in diesem Zusammenhang verdient insbesondere der Court of Arbitration for Sports (CAS) Erwähnung, der allerdings in finanzieller Hinsicht vom IOC abhängig ist. Darüber hinaus hat in manchen Ländern der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte an Bedeutung gewonnen. Freilich ist das Ausmaß der gerichtlichen Überprüfung von Land zu Land verschieden. Die deutschen Gerichte beispielsweise neigen weitaus eher als die britischen dazu, Entscheidungen und Maßnahmen der Verbände mit der strengen Elle des staatlichen Rechts zu messen. Solche nationalen Unterschiede haben zur Folge, daß die Erfolgsaussichten einer Klage etwa gegen einen internationalen Sportverband oft entscheidend davon abhängen, in welchem Land der Fall zur Verhandlung kommt; bestehen verschiedene Möglichkeiten, wird der Kläger dementsprechend einen ihm möglichst günstigen Gerichtsstand wählen. 3. Anwendbares Recht Bejaht ein staatliches Gericht seine Zuständigkeit für eine Klage, so entscheidet es gleichzeitig über das anwendbare Recht. In Fällen ohne Auslandsberührung liegt es auf der Hand, daß das Heimatrecht, also die am Sitz des Gerichts gültige Rechtsordnung, Anwendung findet. In Fällen mit Auslandsberührung muß das angerufene Gericht nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (in Deutschland vor allem im Einführungsgesetz zum BGB enthalten) bestimmen, nach welcher Rechtsordnung die Sachentscheidung zu treffen ist. Maßgeblich für den Gerichtsstand sind insbesondere der Sitz des betroffenen internationalen Sportverbandes

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und der Ort, an dem eine schädigende Handlung vorgenommen wurde oder eine vertragliche Leistung zu erbringen war. Steht danach die anwendbare Rechtsordnung fest, so bleibt zu klären, in welchem Umfang sie eine gerichtliche Nachprüfung zuläßt. Daher stellt sich immer die Frage nach dem Verhältnis zwischen staatlichem – in Gesetzen, Verordnungen und Gerichtsentscheidungen konkretisiertem – Recht einerseits und den Satzungen, Ordnungen und Entscheidungen der Verbände und Vereine andererseits. 4. Zulassungsbedingungen für die Teilnahme an Wettkämpfen Die Beziehungen zwischen den vom Sponsoring Betroffenen können komplex miteinander verflochten sein. Die einfachste Konstellation sieht folgendermaßen aus: Ein nationaler Sportverband veranstaltet selbst einen Wettkampf und schließt für diesen eine Sponsoringvereinbarung ab, die dem Sponsor das alleinige Werberecht einräumt. Der gesponserte Verband ist demgemäß verpflichtet, keine Konkurrenzwerbung zuzulassen. Nach seiner Satzung und seinen Wettkampfbedingungen erklärt sich der Verband zum alleinigen Inhaber aller Rechte an der Veranstaltung (z. B. einer Meisterschaft) einschließlich des Rechts, Austragungsort und -zeit zu bestimmen sowie die Sende- und Werberechte gegen Entgelt zu vergeben. Fraglich ist, ob der Sportverband nun einem Teilnehmer verbieten kann, auf eigene Rechnung zu werben. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn ein Sportler seinerseits durch eine Sponsoringvereinbarung gebunden ist und der hieraus resultierenden Werbeverpflichtung gegenüber seinem eigenen Sponsor nachkommen muß. Fraglich ist, ob der Verband berechtigt ist, Wettkampfteilnehmer nur dann zuzulassen, wenn sie sich den – von Eigeninteressen mitbestimmten – Werbebedingungen des Verbandes unterwerfen. Ähnliche Probleme treten bei der Nominierung5 von Sportlern für eine Nationalmannschaft auf, wenn der zuständige Sportverband im Hinblick auf Werbung und Ausrüstung einem anderen Sponsor verpflichtet ist als der Sportler. Dies war der Grund für einen Rechtsstreit zwischen dem Skiathleten Armin Bittner und dem Deutschen Skiverband.6 In einer einstweiligen Verfügung gab das Landgericht München I dem Sportler vorläufig recht. Daraufhin schlossen Bittner und der DSV einen Vergleich, der dem Sportler sowohl das Recht zur selbständigen Werbung als auch zur Teilnahme an Training und Wettkämpfen zugestand. Der Fall Bittner zeigt beide Aspekte des Problems: den der Zulassung zu Wettkämpfen bzw. der Nominierung als Mitglied der Nationalmannschaft und den der (Selbst-)Vermarktung durch Verkauf von Werberechten. Auf diesem Gebiet dürfte das letzte Wort noch lange nicht gesprochen sein. 5 Vgl. allgemein zur Problematik der Nominierung Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, Bayreuth 1992. 6 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11. 09. 1991, S. 31.

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Das deutsche Recht löst Probleme dieser Art in zwei Schritten. In einem ersten Schritt muß ermittelt werden, ob die Beziehung zwischen dem Sportverband oder -verein und dem einzelnen Athleten der Satzung und den Ordnungen des Verbandes oder dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt. Früher spielte diese Unterscheidung eine große Rolle, weil sie den Umfang der richterlichen Nachprüfung bestimmte. Nach neuerer Rechtsprechung und der Ansicht der meisten Fachautoren sind auch Satzungen und Ordnungen der Verbände in gleichem Umfang wie Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überprüfen, wenn der betreffende Verband ein Monopol innehat, wie es im organisierten Sport unter der Herrschaft des sogenannten Ein-Platz-Prinzips die Regel ist. Gleichwohl bleibt die erwähnte Unterscheidung bedeutsam für die Frage, welche formalen Anforderungen an die Rechtswirksamkeit zu stellen sind. Gemäß § 25 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) muß ein rechtsfähiger Verein – um einen solchen handelt es sich bei einem Sportverband – seine „Verfassung”, d. h. alle für seine Tätigkeit maßgeblichen Grundentscheidungen, durch die Satzung regeln. Auch die Landessportbünde und die rechtsfähigen Sportvereine müssen ihre Satzungen dementsprechend gestalten. Grundentscheidungen, die nicht in der Vereinssatzung niedergelegt sind, können gegenüber dem einzelnen Sportler als Vereinsmitglied keine Rechtswirkung entfalten. Dieser Umstand spielte im Fall Krabbe I7 eine entscheidende Rolle. Da weder der Deutsche Leichtathletik-Verband noch der Leichtathletik-Verband Mecklenburg-Vorpommern noch der S. C. Neubrandenburg in ihren Satzungen Dopingregelungen aufgenommen hatten, das Dopingverbot und etwaige Sanktionen von Dopingverstößen aber heutzutage zu den Grundentscheidungen eines Sportverbandes und -vereines gehören, mußte schon aus diesem formalen Grund die Sperre aufgehoben werden. Ähnlich wird man die Regelung der Werbung als Grundentscheidung i. S. v. § 25 BGB ansehen müssen. Ohne eine Satzungsregelung können deshalb für den Athleten keine nachteiligen Verbandsentscheidungen getroffen werden. In einem zweiten – wichtigeren – Schritt erfolgt die inhaltliche Überprüfung der Verbandsregelung. Hierzu sind die widerstreitenden Interessen des Sportverbands einerseits und des Sportlers andererseits umfassend zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. Insoweit macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Rechtsbeziehung zwischen dem Sportverband und dem Sportler auf Satzungsrecht beruht (dann gilt der Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB) oder auf einem Vertrag, der in unserem Ausgangsfall an § 26 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und an § 138 BGB zu messen wäre – letzteres unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Verpflichtung des Sportlers zum Bruch seines eigenen Sponsoringvertrages.

7 Der Beschluß des Rechtsausschusses des Deutschen Leichtathletik-Verbandes v. 04./ 05. 04. 1992 ist abgedruckt in: Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2588 ff.; dazu Vieweg, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2539 f.

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Die Interessen des Sportverbandes gehen insbesondere dahin, @ als alleiniger Interessenvertreter aller inländischen Personen und Organisationen aufzutreten, die sich einer bestimmten Sportart widmen; @ nicht gegen die Statuten seines übergeordneten internationalen Fachverbandes zu verstoßen, die es möglicherweise verbieten, Zahlungen an einzelne Sportler zu leisten oder Individualwerbung zuzulassen; @ mit der Vergabe von Fernseh- und Werberechten möglichst hohe Gewinne zu erzielen (dies setzt häufig Exklusivität voraus; Konkurrenzwerbung, etwa durch einzelne Sportler, mindert dabei den Gewinn); @ Mittel für die Nachwuchsförderung, für Trainingslager, Trainer, medizinische Versorgung, Versicherungsbeiträge usw. aufzubringen; @ wirtschaftlich nicht vom wechselnden Erfolg einzelner Sportler oder Mannschaften abhängig zu sein; @ an Wettkämpfen die leistungsstärksten Sportler teilnehmen zu lassen. Das Interesse der einzelnen Sportler besteht hingegen insbesondere darin, @ durch Werbung für den eigenen Sponsor möglichst hohe Gewinne zu erzielen; @ die Verpflichtungen aus dem eigenen Sponsoringvertrag zu erfüllen; @ an Wettkämpfen teilnehmen zu können, ohne gegenüber dem Sponsor vertragsbrüchig werden zu müssen; @ unabhängig vom sportlichen Erfolg an den Erträgen aus einer Sponsoringvereinbarung des Vereines oder Sportverbandes teilzuhaben; @ an Wettkämpfen auch dann teilnehmen zu dürfen, wenn er es aus persönlichen Gründen ablehnt, Werbemaßnahmen aktiv mitzutragen, zu denen sich sein Verein oder Verband verpflichtet hat (Beispiel: Werbung für das „Grüne Buch” des Muammar-al-Gaddafi). Eine Abwägung dieser Interessen führt in der Regel zu dem erstaunlichen Resultat, daß ein Sportverband nicht berechtigt ist, nur solche Wettkampfteilnehmer zuzulassen, die bereit sind, sich ohne finanzielle oder sonstige Gegenleistung seinen Werbebedingungen zu unterwerfen. Dies hat weitreichende Folgen. Die Sportverbände sind aufgrund des Ein-PlatzPrinzips und ihrer Monopolstellung dazu verpflichtet, mit den einzelnen Sportlern Vereinbarungen über deren Teilnahme an Wettkämpfen zu schließen. Die Teilnahmebedingungen müssen dabei den beiderseitigen Interessen Rechnung tragen. Diese Aufgabe läßt sich auf zweierlei Weise lösen, nämlich auf individueller oder auf Gruppenebene. Eine individuelle Vereinbarung müßte die persönlichen Umstände jedes einzelnen Sportlers berücksichtigen – also seinen Beitrag zum Erfolg der Veranstaltung, aber auch den höheren „Marktwert” eines erfolgreichen Wettkämpfers. Praktikabler ist hingegen eine Gruppenlösung, die den typischen Inter-

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essen der Teilnehmer in ihrer Gesamtheit Rechnung trägt und für die Beteiligung der Sportler an Fernseh- und Werberechten Pauschalbeträge vorsieht. 5. Auskunfts- und Leistungsansprüche einzelner Sportler aufgrund einer Sponsoringvereinbarung Aus Sicht der Sportler stellt sich die naheliegende Frage, wie sie ihre mutmaßlichen Ansprüche durchsetzen können. Am wirkungsvollsten wäre sicherlich ein gemeinsamer Boykott der Wettkämpfe oder des Veranstalters. Der gesetzliche Weg indessen führt über eine Stufenklage, wie sie in § 254 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geregelt ist: Auf der ersten Stufe müßten die Sportler Auskunft über die finanziellen Vereinbarungen zwischen Sponsor und Gesponsertem verlangen, wobei sich der eingeklagte Auskunftsanspruch in aller Regel gegen den Gesponserten richtet. Mit Hilfe der so erlangten Informationen könnte dann – auf der zweiten Stufe desselben Prozesses – eine finanzielle Beteiligung an den Sponsoringeinnahmen bzw. eine mit bestimmten finanziellen Bedingungen verbundene Wettkampfzulassung eingeklagt werden. Dieser Weg ist jedoch zeitraubend und daher wenig effektiv. Sportler werden deshalb eher eine Schadensersatzklage erheben, wenn der Veranstalter ihnen im Hinblick auf ihre Konkurrenzwerbung die Wettkampfzulassung versagt. Da an Rechtsstreitigkeiten dieser Art keiner Partei gelegen sein kann, empfiehlt es sich, den Problemkreis frühzeitig durch gruppenbezogene Vereinbarungen (dazu bereits 4.) zu regeln. 6. Einfluß der Sponsoren auf die Wettkampfgestaltung Die erzielten Ergebnisse beeinflussen auch die Auslegung und Reichweite von Vereinbarungen zwischen Sponsor und Gesponsertem: Aus dem Vertrag mit einem gesponserten Sportverband kann der Sponsor keinen Anspruch gegen einzelne Sportler mit dem Ziel eines bestimmten Werbeverhaltens herleiten. Ein Vertrag zu Lasten Dritter ist unwirksam. Auch sind Sportler nicht verpflichtet, im Interesse der Medienwirksamkeit – und damit des Sponsors – besondere Risiken auf sich zu nehmen, etwa dann, wenn mit Rücksicht auf günstige Fernsehwerbezeiten ein Ski-Abfahrtslauf trotz schlechten Wetters durchgeführt werden soll

VI. Zusammenfassung und Ausblick Sponsoring ist ein wichtiger Teil des kommerzialisierten und professionalisierten Sports geworden. Es bildet einen in vielfältiger Weise interessanten Gegenstand des Sportrechts. Vor allem die Rechtsstellung Dritter, die von Sponsoringverein-

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barungen mitbetroffen sind, wird hier in den Mittelpunkt gerückt. Der von der deutschen Rechtsordnung geforderte angemessene Ausgleich der beteiligten Interessen ist in der Praxis bisher nicht immer erreicht worden. Die beim Sponsoring auftretenden Rechtsprobleme sind weltumspannend; daher lohnt es sich zu ergründen, wie die verschiedenen Rechtsordnungen sie lösen.

Literatur M. Bruhn/R. Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring, Bd. I, Allgemeiner Teil, München 1992. M. Bruhn/D. Mussler, Sponsoringfibel – Planung und Durchführung des Sponsoring für Sportvereine, hrsgg. vom Deutschen Sportbund (Heft 10 der Arbeitshilfen und Anleitungen zur Theorie und Praxis-Organisation), Frankfurt 1991. K. Vieweg, Zur Einführung: Sport und Recht, JuS 1983, 825 – 830; ders. Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände, Berlin 1990. N. G. Weiand, Kultur- und Sportsponsoring im deutschen Recht unter besonderer Berücksichtigung urheber-, medien- und wettbewerbsrechtlicher Aspekte, Berlin 1993.

Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen* I. II. III. IV.

Potentielle Prozeßkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindung der Athleten an Doping- und Zulassungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch der Athleten auf Zulassung als Teilnehmer – Kontrahierungszwang . . . . Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlage und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebot der Interessenabwägung und Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . 3. Güterabwägung und Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konkrete Zweckbindung der Dopinganalytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Interessenabwägung bei Verbands-Zulassungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Probenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitergabe und Bekanntmachung der Analyseergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Tatsachen- und Subsumtionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verbandsentscheidungen, insbesondere Zulassungsentscheidungen im Zusammenhang mit „Dopingfällen“, werden zunehmend unter dem Blickwinkel getroffen, daß die durch sie Betroffenen gegen diese Entscheidungen klagen könnten. Vor allem die juristisch vorgebildeten Mitglieder von Verbandsorganen antizipieren das Ergebnis einer staatlich-gerichtlichen Nachprüfung, um eine Aufhebung ihrer eigenen Entscheidung, den damit verbundenen Verlust von Ansehen und etwaige Schadensersatzforderungen zu vermeiden. Für Dopingfälle lassen sich im wesentlichen vier potentielle Prozeßkonstellationen feststellen (dazu I.). Zentral ist in solchen Verfahren zunächst, ob die Athleten überhaupt an die Doping- und Zulassungsregelungen gebunden sind (dazu II.) und unter welchen Bedingungen sie einen Anspruch auf Zulassung als Teilnehmer an den Veranstaltungen des Verbands haben (dazu III.). Sowohl für die Zulassungsproblematik als auch für die Inhaltskontrolle (dazu IV.) sind Interessenabwägungen (dazu V.) letztlich von entscheidender Bedeutung. Auf sie sollte die Praxis zukünftig vor allem ihr Augenmerk richten. Aber auch bei der Tatsachen- und Subsumtionskontrolle (dazu VI.) können

* Erstveröffentlichung in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 36 – 49.

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Interessenabwägung bei der Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen

Fehler entdeckt werden, die zur Aufhebung der Verbands-Zulassungsentscheidung führen.

I. Potentielle Prozeßkonstellationen Im Zusammenhang mit Dopingfällen sind vier potentielle Prozeßkonstellationen zu unterscheiden: @ Klage eines Athleten auf Aufhebung einer Sperre, die aufgrund des Nachweises von Dopingsubstanzen oder des Nachweises der Anwendung einer verbotenen Methode oder wegen der Verweigerung einer Dopingkontrolle vom Verband ausgesprochen worden ist; @ Klage eines Athleten auf Zulassung als Teilnehmer an einer Sportveranstaltung, falls der Verband sich aufgrund des Nachweises der Dopingsubstanz oder des Nachweises der Anwendung einer verbotenen Methode oder wegen der Verweigerung einer Dopingkontrolle weigert, den Athleten als Teilnehmer zuzulassen; @ Klage eines Athleten gegen einen Verband oder Verein auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer unberechtigten Wettkampfsperre oder der Weigerung, ihn als Teilnehmer zuzulassen; @ Klage eines Verbands oder Vereins gegen einen Athleten z. B. auf Zahlung von Schadensersatz bei einem Dopingverstoß des Athleten. Schadensersatzklagen aufgrund von Zulassungsstreitigkeiten haben bisher im deutschen Sport1 noch keine forensische Bedeutung erlangt. Die zu den beiden ersten Fallgestaltungen gefundenen Ergebnisse könnten bei Bedarf für derartige Streitigkeiten herangezogen werden.

II. Bindung der Athleten an Doping- und Zulassungsregelungen Die Bedeutung der Frage nach der generellen Bindung der Athleten an Dopingbestimmungen, die die Zulassung als Teilnehmer regeln, zeigt sich, wenn man sich die Konsequenzen einer negativen Beantwortung verdeutlicht. Kommt überhaupt keine Bindung zustande, so können Verbandssanktionen – insbesondere Sperren und Suspendierungen – nicht „gerichtsfest“ ausgesprochen werden. In diesem Fall sind Schadensersatzansprüche der Verbände und Vereine gegenüber 1 Ein US-amerikanisches Gericht hat dem 400-m-Weltrekordler Butch Reynolds im September 1992 in einem Prozeß gegen den Internationalen Leichtathletik-Verband IAAF Schadensersatz in Höhe von 27,3 Mio. US-Dollar zugesprochen. Vgl. Reynolds ./. International Amateur Athletics Federation, Opinion and judgement of the United States District Court, Southern District of Ohio Eastern Division (case No. C-2 – 92 – 452 – nicht veröffentlicht). Siehe auch die Pressemitteilung in der FAZ v. 27. 01. 1993, S. 24.

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den Athleten nicht gegeben. Umgekehrt droht die erfolgreiche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die nicht „gerichtsfest“ gesperrten Athleten. Die Verbandspraxis unterschätzt – wie der Krabbe I-Fall2 zeigt – das Bindungsproblem. Ich beschränke mich im folgenden, um Wiederholungen zum Vortrag von Herrn Röhricht zu vermeiden, auf einige ergänzende Hinweise zur satzungsrechtlichen und „individualrechtlichen“ Lösung. Die Diskussion der praktischen Konsequenzen des § 25 BGB – Satzungserfordernis für die das Vereinsleben prägenden Grundentscheidungen – hat den Blick m. E. zu sehr auf den formalen Aspekt der richtigen Regelungsebene – Satzung oder Nebenordnung – gelenkt. So darf die von der DSB-Juristenkommission3 empfohlene Aufnahme der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings in die Satzungen der Verbände und Vereine nicht mißverstanden werden. Außer Frage steht, daß auf diese Weise das formale Erfordernis des § 25 BGB hinreichend erfüllt ist und den Verbänden und Vereinen eigene Formulierungsprobleme erspart bleiben. Notwendig ist die vollständige Aufnahme der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings in die Satzungen der Verbände und Vereine aber nicht. Insbesondere die 16-seitige Neufassung vom 15. 05. 1993 ist durch einen Detaillierungsgrad gekennzeichnet, der in der Satzung – gleich welchem Verständnis des § 25 BGB man folgt4 – nicht erreicht werden muß. Unabhängig von der Regelungsebene – Satzung oder Nebenordnung – ergibt sich der notwendige Umfang konkreter Zulassungs- und Dopingregelungen vielmehr einerseits aus dem Bestimmtheitsgrundsatz,5 andererseits aus der Regelungspflicht,6 die sich ihrerseits aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht herleitet. Die „individualrechtliche“ Lösung, die m. E. besser AGB-Lösung hieße, um klarzustellen, daß es sich hierbei nicht um eine individualvertragliche Lösung handelt, führt zu interessanten Einbeziehungs- und Geltungsfragen. Grundsätzlich ist eine Einbeziehung i.S.v. § 2 AGBG nötig. Denkbar ist aber auch im Einzelfall, 2

Beschluß des Rechtsausschusses des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, abgedruckt in: NJW 1992, 2588 (2590 f.); dazu K. Vieweg, NJW 1992, 2539 (2540). 3 Die im Auftrag des Präsidiums des Deutschen Sportbundes von November 1991 bis März 1992 tätig gewordene Juristenkomission (DSB-Justitiare Kühl und Latz, Rechtsanwalt Brodeßer, Richter am BGH Röhricht, Prof. Dres. Turner und Vieweg) hat im März 1992 als Empfehlungen ihre „Formulierungsvorschläge für einen Sanktionskatalog zur Bekämpfung des Dopings“ vorgelegt. 4 Vgl. zum Meinungsstand K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände, Berlin 1990, S. 197 ff. 5 Vgl. BGHZ 96, 245 (250) sowie H.P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol, in: Württembergischer Fußballverband e.V., Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, Stuttgart 1988, S. 41 (49 ff.). 6 Vgl. dazu im einzelnen K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 244 ff.

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daß es sich im kommerzialisierten und professionalisierten Sport bei den Athleten deshalb um Kaufleute handelt, weil sie im Rechtsverkehr als Ein-Personen-GmbH auftreten und deshalb § 2 AGBG gem. § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG auf sie als Kaufleute i. S. v. § 6 I HGB keine Anwendung findet. Die „individualrechtliche“ Lösung dürfte im übrigen nicht nur bei minderjährigen Athleten delikate rechtliche Einordnungsprobleme aufwerfen. Die Meldung der Athleten als Teilnehmer an Veranstaltungen erfolgt zumeist durch Trainer oder Funktionäre. Soll sie rechtlich als Willenserklärung eingeordnet werden, so wäre die Annahme einer Boten- oder Stellvertreterstellung der Trainer und Funktionäre erforderlich. Ob sich dies mit deren Selbstverständnis in Einklang bringen läßt, mag immerhin bezweifelt werden.

III. Anspruch der Athleten auf Zulassung als Teilnehmer – Kontrahierungszwang Falls der Verband einen Dopingverstoß bejaht, eine Wettkampfsperre aber einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhält, stellt sich die Frage, ob sich der Verband vor zukünftigen Problemen mit dem dopingverdächtigen Athleten dadurch schützen kann, daß er sich weigert, den Athleten auf verbandsrechtlicher oder vertraglicher Grundlage als Teilnehmer zu akzeptieren. Dieselbe Frage ergibt sich bei solchen Athleten, die nicht bereit sind, sich sog. Trainingskontrollen zu unterziehen. Gerichtspraktische Bedeutung kann ein solcher Konflikt insbesondere im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes erlangen.7 Ein Anspruch des Athleten gegen den Verband, als Teilnehmer an einer Verbandsveranstaltung zugelassen zu werden, kann sich sowohl auf verbandsrechtlicher als auch auf vertraglicher Grundlage ergeben. Da Teilnahmerechte der Athleten normalerweise nicht ausdrücklich in den Verbandsregelungen vorgesehen sind, läßt sich ein Teilnahmeanspruch nur aus dem allgemeinen vereinsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung8 ableiten. Voraussetzung dafür ist, daß der Athlet unmittelbar Mitglied des Verbands ist. Dies ist jedoch bei dem pyramidenförmigen Aufbau des deutschen Sportverbandswesens9 nur in wenigen Ausnahmefällen der Fall. Regelmäßig ist der Athlet nur mittelbar – über Verein und Landesverband – Mitglied des deutschen Spitzenverbands. Bei einer nur mittelbaren Mitgliedschaft könnte sich – vermittelt – ein Zulassungsanspruch über einen Nominierungsanspruch des Athleten gegenüber seinem Verein und des Vereins gegenüber dem Landesverband sowie einen Zulassungsanspruch des Landesverbands gegenüber dem deutschen Sportverband zugunsten des Athleten als Dritten ergeben. Dogma7

Vgl. aktuell zu der vorgelagerten Nominierungsproblematik AG Neubrandenburg, Urteil vom 11. 01. 1994 C 25/94 (Krabbe, Breuer, Derr ./. SC Neubrandenburg e. V.). 8 Vgl. hierzu B. Reichert/F.J. Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 5. Aufl. Neuwied/Kriftel/Berlin 1993, Rdnr. 543 u. 550 m. w. N. 9 Vgl. zur Struktur des Sportverbandswesens K. Vieweg, JuS 1983, 825 (826).

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tisch sind also durchaus komplizierte Konstruktionen zur Begründung eines Zulassungsanspruches erforderlich. Ob der Nachweis von Dopingsubstanzen oder der Anwendung einer verbotenen Methode oder der Verweigerung der Dopingkontrolle dafür ausreicht, die Zulassung des Athleten zu verweigern, beurteilt sich im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nach einer umfassenden Interessenabwägung10. Wird die Teilnahme an Veranstaltungen vertraglich geregelt, so ist zwar vom Grundsatz der Abschlußfreiheit auszugehen. Danach stünde es im Belieben der Verbände, mit welchen Athleten sie für ihre Veranstaltungen Teilnahmeverträge schließen. Die Abschlußfreiheit wird allerdings durch das Institut des Abschlußzwangs – Kontrahierungszwangs – beschränkt. Danach kann eine Pflicht zum Abschluß von Verträgen mit den jeweiligen Interessenten bestehen, falls nicht wichtige Gründe eine Ablehnung rechtfertigen. Insbesondere unterliegen marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen dann einem Abschlußzwang, wenn die Ablehnung des Vertragsschlusses gegen das Diskriminierungsverbot des § 26 II GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) verstößt.11 § 26 II GWB verbietet es, ein anderes Unternehmen im üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr unbillig zu behindern oder es gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln. Die Vorschrift ist insofern eine konkrete Ausformung der erhöhten Rücksichtnahmepflicht sozial mächtiger Teilnehmer am Rechtsverkehr.12 Da § 35 GWB bei Verletzung des Diskriminierungsverbots Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche vorsieht, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen auch der Abschluß eines Vertrags verlangt werden, der den Athleten nicht diskriminiert. Die weitgehende Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports einerseits und die Monopolstruktur des Sportverbandswesens andererseits führen zu der Annahme, daß es sich bei den Sportverbänden um Unternehmen i. S. v. § 26 II GWB13 handelt. Bei den Athleten wird man danach differenzieren müssen, ob sie ihren Sport berufsmäßig ausüben.14 Aber auch bei einer rein „amateurhaften“ Sportausübung besteht gem. § 826 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Form des Vertragsabschlusses, falls der Anspruchsgegner eine monopolartige Stellung innehat und diese Machtstellung mißbräuchlich ausnutzt. 10

Siehe zur Interessenabwägung im einzelnen unten V. BGHZ 36, 91 (99); 49, 98. Vgl. zur Parallelproblematik des Teilnahmeanspruchs der Vereine und Verbände K. Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: E. Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg 1993, S. 23 (34 ff.). 12 M. Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, Bayreuth 1992, S. 218. 13 Zutreffend M. Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, S. 192 ff. 14 M. Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, S. 195. 11

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Im Rahmen des § 26 II GWB wird die Unbilligkeit der Behinderung und das Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes für die unterschiedliche Behandlung nach dem einheitlichen Maßstab der umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten festgestellt.15

IV. Inhaltskontrolle Die Inhaltskontrolle16 bildet den neuralgischen Punkt im Verhältnis von Verbandsautonomie und staatlicher Kontrollkompetenz. Sie ist das Kernstück der gerichtlichen Nachprüfung.17 Ihre Bedeutung nimmt mit den gegenwärtigen starken Regulierungstendenzen bei der Dopingbekämpfung zu. So umfassen die DSBRahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings i. d. F. v. 15. 05. 1993 16 Druckseiten. Das von der Ständigen Kommission zur Überwachung der DopingKontrollen außerhalb des Wettkampfes herausgegebene Doping-Kontroll-System (DKS) ist – einschließlich der Anlagen – 39 Seiten lang. Die Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Regelungen einerseits und von Teilnahmeverträgen andererseits dürfte sich im Ergebnis nicht gravierend voneinander unterscheiden.18 Besteht eine verbandsrechtliche Regelung die Inhaltskontrolle nicht, so ist davon auszugehen, daß sie auch nach dem Kontrollmaßstab des § 9 I AGBG nicht Vertragsbestandteil werden kann.19 Die Konsequenzen einer negativ verlaufenden gerichtlichen Inhaltskontrolle sind erheblich. Etwaigen Verbandssanktionen wie Disqualifikationen und Wettkampfsperren fehlt die Grundlage; sie müssen aufgehoben werden, wenn nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion20 eine Normenanpassung vorgenommen werden kann.

15 K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. München 1992, § 26, Rdnr. 196. Zur Interessenabwägung siehe im einzelnen unten V. 16 Vgl. allgemein V. Röhricht, Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen – Bestandsaufnahme und Ausblick, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, Stuttgart 1988, S. 55 ff.; K. Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: H. Leßmann/B. Großfeld/L. Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes, Köln/Berlin/Bonn/München 1989, S. 809 ff. 17 K. Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände (Fn. 11), S. 23 (44). 18 Vgl. zu Differenzierungsmöglichkeiten K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 236 f. 19 Die speziellen Kontrollmaßstäbe des § 9 II Nr. 1 u. des § 11 Nr. 15 lit. a AGBG werden aus Raumgründen ausgeblendet. 20 Zur geltungserhaltenden Reduktion siehe näher unter IV. 5.

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1. Grundlage und Umfang Mit seinem Urteil vom 24. 10. 1988 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs21 die Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB22 für Verbände bejaht, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben. Kontrollmaßstab ist damit der Grundsatz von Treu und Glauben. Er beinhaltet das Gebot verantwortungsvoller Abwägung der Interessen aller an dem Rechtsverhältnis Beteiligten.23 In der Literatur wird – weitergehend – zum Teil eine uneingeschränkte Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB auch für Vereine und Verbände ohne wirtschaftliche oder soziale Machtstellung gefordert.24 Da es hier um die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen geht und die Sportverbände wegen des Ein-Platz-Prinzips eine Monopolstellung25 innehaben, wird im folgenden davon ausgegangen, daß die Verbandsnormen der Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB unterliegen. 2. Gebot der Interessenabwägung und Drittwirkung der Grundrechte Mit dem im Grundsatz von Treu und Glauben enthaltenen Gebot der Interessenabwägung steht ein optimaler Ansatz für die – verfassungsrechtlich gebotene – zumindest mittelbare Drittwirkung der Grundrechte26 zur Verfügung. Die Grundrechte regeln also nicht nur die Beziehung zwischen Staat und Bürgern, sondern – mittelbar über Generalklauseln sowie sonstige auslegungsfähige und auslegungsbedürftige Begriffe wie „Treu und Glauben“ in § 242 BGB – beispielsweise auch die Beziehung zwischen Verband bzw. Verein und Athlet. Bei der umfassenden Abwägung der Interessen ist zu berücksichtigen, daß sowohl auf Seiten des Verbands als auch auf Seiten der Athleten Grundrechte tangiert sind. 21

BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1969, 1724 (1726). Verbandsregelungen betreffen die Gesamtbeziehung zwischen Verband und Mitgliedern und unterfallen nach zutreffender h. M. deshalb nicht der Bereichsausnahme des § 23 I AGBG, demzufolge das AGBG keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts findet. Vgl. BGHZ 103, 219 (221 f.) = NJW 1988, 1729 f.; Staudinger/Schlosser, § 23 AGBG, Rdnr. 6 u. 8; MK-Kötz, § 23 AGBG, Rdnr. 5; K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 231. 23 MK-Roth, § 242, Rdnr. 32 m. w. N. 24 Insbesondere B. Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (261); K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 233 ff. m. w. N.; a. A. H.J. Bunte, ZGR 1991, 323; MK-Reuter, § 25, Rdnr. 24, der allerdings Justizgewährung und Justizgewährungspflicht miteinander verwechselt. 25 V. Röhricht, Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen (Fn. 16), S. 80 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 26 Vgl. zum Meinungsstreit, ob den Grundrechten im Privatrechtsverkehr eine unmittelbare oder mittelbare Drittwirkung zukommt, K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 190 ff. m. z. N.; vgl. neuestens BVerfG NJW 1994, 36 (38). 22

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Art. 9 I GG garantiert die Verbandsautonomie. Diese erfaßt inhaltlich sowohl das Satzungsrecht als auch das Selbstverwaltungsrecht der Verbände, mit anderen Worten Normsetzung und -anwendung.27 Gewährleistet ist, daß in die Normsetzung auch verbandsspezifische Wertungen einfließen können. So beruht das Dopingverbot insbesondere auf drei wertenden Entscheidungen: der Chancengleichheit, dem Schutz der Gesundheit der Athleten und – damit zum Teil zusammenhängend – der Wahrung des Ansehens der Sportart, sei es aus ethischen, sei es aus kommerziellen Gründen.28 Art. 9 I GG schützt zugleich die Durchsetzung des verbandsrechtlichen Dopingverbots und damit eine effektive Dopingkontrolle. Schließlich umfaßt der Schutz des Art. 9 I GG auch das Interesse der deutschen Sportverbände, die ihnen von ihren internationalen Sportverbänden vorgegebenen Dopingregelungen einzuhalten. Auch auf Seiten der Athleten sind die Interessen durch eine Reihe von Grundrechten geschützt. Die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) wird als Berufswahlfreiheit und Berufsausübungsfreiheit garantiert.29 Die in vielfältiger Weise entlohnte Tätigkeit eines Leistungssportlers, fällt unter den – weit auszulegenden30 – Berufsbegriff.31 Sanktionen in Form von langfristigen Wettkampfsperren sind subjektive Berufswahlbeschränkungen. Anordnungen im Rahmen von Dopingkontrollen tangieren die Berufsausübungsfreiheit. Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) schützt den Menschen vor Eingriffen, die geeignet sind, seine Persönlichkeitsphäre zu beeinträchtigen.32 In den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen insbesondere die Privat- und Intimsphäre, die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person sowie das Recht zur „informationellen Selbstbestimmung“.33 Das im Rahmen der Dopingkontrolle unabdingbare Urinieren unter Aufsicht einer Kontrollperson, die Publikation des Ergebnisses der Dopinganalyse und der von den Athleten angegebenen eingenommen Medikamente (z. B. Antikonzeptiva der Sportlerinnen) sowie die Vornahme eines „genetischen Fingerabdrucks“ mit Hilfe von im Urin befindlichen Zellen berühren das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Athleten. Art. 2 I GG (allgemeine Handlungsfreiheit) schützt insbesondere die freie Entfaltung der Persönlichkeit und 27 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 152 m. w. N. 28 Bericht der Unabhängigen Dopingkommission (Reiter-Kommission), Bonn 1991, S. 6 f. u. 28.; K. Vieweg, NJW 1991, 1511. 29 D. Hömig, in: K.-H. Seifert/D. Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. Baden-Baden 1991, Art. 12, Rdnr. 4. 30 BVerfGE 7, 377 (397), 14, 19 (22). 31 Bericht der Unabhängigen Dopingkommission (Reiter-Kommission), S. 70; U. Steiner, NJW 1991, 2729 (2735 f.); DLV-Rechtsausschuß, NJW 1992, 2588 (2592). 32 BVerfGE 54, 148 (153). 33 M. Antoni, in: K.-H. Seifert/D. Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 1, Rdnr. 10 m. z. N. aus der Rechtsprechung. Das Recht zur „informationellen Selbstbestimmung“ wurde von BVerfGE 65, 1 (43) = NJW 1984, 419 (422 ff.) in seinem Volkszählungsurteil entwickelt.

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damit sowohl die nichtberufsmäßige Sportausübung als auch die Fortbewegungsfreiheit. Wettkampfsperren aufgrund Dopingverstoßes sowie die Pflicht zu Abwesenheitsanzeigen und das Verbot, den Raum im Rahmen der Dopingkontrolle zu verlassen, tangieren die allgemeine Handlungsfreiheit. Schließlich können auch die Grundrechte der Athleten aus Art. 9 I GG (Vereinigungsfreiheit in Form der Beitrittsfreiheit) durch Dopingregelungen tangiert sein.

3. Güterabwägung und Verhältnismäßigkeitsprinzip Grundrechtskollisionen lassen sich im Wege der Güterabwägung lösen.34 Bei der Güterabwägung zur Lösung von Grundrechtskollisionen ist ein möglichst schonender Ausgleich35 zu finden, der – nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz36 – den kollidierenden Grundrechten zu optimaler Wirksamkeit verhilft.37 Dies führt im Ergebnis zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips38 als dem einzig tauglichen, weil halbwegs konkreten, Abwägungsgrundsatz.39 Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips40 im Rahmen der Inhaltskontrolle von Dopingregelungen ergibt folgendes: Dopingregelungen als Ausübung der Verbandsautonomie müssen zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und – unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs – erforderlich sowie für den Betroffenen zumutbar sein. Weiterhin haben sie – das ergibt sich aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht der Sportverbände gem. § 242 BGB41 – hinreichend konkret zu sein. Sie müssen so detailliert formuliert sein, daß sie die (mittelbaren) Mitglieder zuverlässig informieren, damit diese ihr aktuelles und langfristiges Verhalten danach ausrichten können.42 Hieraus folgt nicht nur das Er34

BVerfGE 30, 173 (195); 35, 202 (225). BVerfGE 35, 202 (225); 39, 1 (43). 36 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. Heidelberg 1993, Rdnr. 72 u. 317 f.; BVerfG NJW 1994, 36 (38). 37 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 72. 38 Vgl. auch den Bericht der Unabhängigen Dopingkommission (Reiter-Kommission), S. 53. 39 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 72; RGRK-Steffen, Vor § 21, Rdnr. 28 u. 34; D. Reuter, NJW 1987, 2401 (2404); K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 192. 40 Vgl. zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips BVerfGE 19, 342 (348); 30, 292 (316); N. Antoni, in: K.-H. Seifert/D. Hömig (Hrsg), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, vor Art. 1, Rdnr. 11. 41 BGHZ 110, 323 (340 f.); K. Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände (Fn. 11), S. 45 ff. 42 K. Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände (Fn. 11), S. 46. Vgl. allgemein zu den Bestimmtheitsanforderungen im Verbandsrecht B. Reichert/F.J. Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rdnr. 1589 sowie H.-P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol (Fn. 5), S. 49 u. 51 f.; F. van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, Berlin 1990, S. 122. 35

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fordernis einer klaren Auflistung der Dopingsubstanzen und der verbotenen Methoden, sondern auch die Notwendigkeit, den Zweck und das Verfahren43 der Dopingkontrolle sowie der Sanktionierung von Dopingverstößen zu regeln. 4. Konkrete Zweckbindung der Dopinganalytik Setzt man das Verhältnismäßigkeitsprinzip einerseits und das Erfordernis hinreichender Konkretheit andererseits in Beziehung zueinander, so ergibt sich daraus als weitere Anforderung eine konkrete Zweckbindung der Dopinganalytik. Nur solche Analyseverfahren dürfen herangezogen werden, die für den genannten Zweck geeignet und unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs erforderlich und zumutbar sind. Das bedeutet, daß bei der – verbreitet engen – Beschreibung des Zwecks der Dopinganalytik, ob „die A-Probe einen verbotenen Wirkstoff enthält“44, die Anwendung von Analyseverfahren zur Feststellung der Individualisierbarkeit oder der Anwendung verbotener Methoden – wie Blutdoping – unzulässig ist. Insofern lassen sich Parallelen zum Datenschutzrecht ziehen, das ebenfalls den Erforderlichkeitsgrundsatz und den Grundsatz der Zweckbindung als prägende Elemente45 ausweist. 5. Geltungserhaltende Reduktion Die Rechtsprechung hat sich mit der geltungserhaltenden Reduktion von Verbandsnormen, also mit der Frage, ob das Gericht die Verbandsnorm anpassen darf oder sogar anpassen muß, wenn sie in modifizierter Form der Inhaltskontrolle standhielte, bisher noch nicht befaßt. Im Unterschied zu der ansonsten vergleichbaren Problematik bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen46 können bei den Verbandsnormen die Adressaten – zumindest theoretisch – als Verbandsmitglieder an ihrer Aufstellung mitwirken. Zudem steht häufig hinsichtlich der in den Verbandsnormen geregelten Materie kein hinreichend enges Netz dispositiven staatlichen Rechts zur Verfügung, das an die Stelle der unwirksamen Verbandsnormen treten könnte. Dies spricht auf den ersten Blick dafür, die geltungserhaltende Reduktion von Verbandsnormen zuzulassen, zumal das allgemeine Privatrecht einen deutli-

43 U. Steiner, NJW 1991, 2729 (2736) verlangt eine Verfahrensgestaltung, die sich gegenüber Fehlern und Manipulationen als möglichst unanfällig erweist und in allen Phasen von sachkundigen, unabhängigen und neutralen Personen und Stellen verantwortet wird. 44 § 14 Ziff. 2 DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings i. d. F. vom 15. 05. 1993. 45 H.-J. Ordemann/R. Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 14. Aufl. München 1992, § 13, Anm. 3.2. 46 Die ständige Rechtsprechung lehnt eine geltungserhaltende Reduktion ab. Vgl. BGHZ 84, 109 (115 f.) sowie zuletzt BGHZ 106, 19 (26); vgl. zum Meinungsstand MK-Kötz, § 6 AGBG, Rdnr. 8 ff; Soergel-Stein, § 6 AGBG, Rdnr. 13.

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chen Trend zur geltungserhaltenden Reduktion47 aufweist. Die Lösung der Problematik wird im Spannungsfeld zwischen der grundrechtlich garantierten Verbandsautonomie einerseits und der wechselseitigen Treue- oder Förderpflicht von Verband und Mitgliedern andererseits48 zu suchen sein. Insofern kann sich eine geltungserhaltende Reduktion – auch schon durch die Verbandsrechtsprechung – als für beide Seiten interessengerecht erweisen. Sie vermeidet Normenmangel und Unsicherheiten, die ihrerseits zur Beinträchtigung des gemeinsamen Ziels eines funktionsfähigen sportlichen Wettbewerbs führen würden.

V. Interessenabwägung bei Verbands-Zulassungsentscheidungen Eine umfassende Analyse und Abwägung der Interessen von Verband und Athlet ist zum einen maßgeblich dafür, ob eine Dopingregelung der Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB oder § 9 I AGBG standhält.49 Zum andern bemessen sich die nichtdiskriminierenden Bedingungen eines etwaigen Teilnahmevertrags, auf dessen Abschluß die Athleten bei bestehendem Kontrahierungszwang einen Anspruch haben, ebenfalls nach dem Ergebnis der Interessenabwägung.50 Eine umfassende Analyse und Abwägung der Interessen von Verband und Athlet nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip für alle acht Phasen der Dopingkontrolle – (1) Auswahl der Athleten, (2) Benachrichtigung, (3) Probennahme, (4) Probentransport und -zwischenlagerung, (5) Probenanalyse, (6) Probendokumentation und -konservierung, (7) verbandsinterne und -externe Bekanntmachung des Analyseergebnisses sowie (8) Sanktionsverhängung – würde den Rahmen dieses Vortrags sprengen. Ich möchte beispielhaft nur die Probenanalyse – insbesondere die DNAAnalyse – sowie die Bekanntmachung der Analyseergebnisse ansprechen. 1. Probenanalyse Die Regelung der Probenanalyse als Kernstück der Dopingkontrolle ist einer Inhaltskontrolle hinsichtlich folgender Gesichtspunkte zu unterziehen: @ Verwendungsbefugnis, @ Fachkunde des Analytikers, @ Analysezweck und @ Analysemethoden. 47

H. Roth, JZ 1989, 415 u. 419. Vgl. K. Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen (Fn. 16), S. 822. 49 Siehe im einzelnen oben IV. 2. 50 Siehe im einzelnen oben III.

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Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Abwägungsgrundsatz zur Lösung von Grundrechtskollisionen führt dazu, daß die betreffenden Regelungen jeweils auf Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit zu prüfen sind.51 Geeignet, erforderlich und zumutbar ist es, den Athleten zu verpflichten, die – zweckgebundene – Verwendungsbefugnis hinsichtlich der Urinprobe auf den Verband oder eine vom Verband beauftragte Person oder Institution zu übertragen. Einer darüber hinausgehenden, nicht zweckgebundenen, uneingeschränkten Übertragung des Eigentums an der Urinprobe bedarf es hingegen nicht. Die Übertragung der damit verbundenen umfassenden Herrschaftsmacht i. S. v. § 903 BGB würde auch zweckfremde Verwendungen – z. B. die Veräußerung an Dritte – erlauben. Dies ist dem Athleten nicht zumutbar. Zumindest klarstellend sollte präzisiert werden, was nach Erreichen des Analysezwecks mit dem Rest der Urinprobe zu geschehen hat. Unproblematisch ist die Anordnung der Vernichtung der Urinprobe. Die verbandsnormative Anordnung der Aufbewahrung der Restprobe dürfte nur dann der gerichtlichen Inhaltskontrolle standhalten, wenn sich zukünftig noch weitere Verwendungsmöglichkeiten – z. B. als Beweismittel bei Verbesserung der Analytik oder bei absehbaren Gerichtsverfahren – ergeben und Mißbräuche ausgeschlossen werden können. Die Verbandsregelung hält nur dann der Inhaltskontrolle stand, wenn die Analytik fachkundig vorgenommen wird. Die Beauftragung eines vom IOC oder einem internationalen Sportverband nach sorgfältiger Prüfung akkreditierten Labors ist unbedenklich. Zweifelhaft ist jedoch, ob eine Verbandsregelung, die vorsieht, daß die sog. B-Probe in demselben Labor analysiert werden soll, der Inhaltskontrolle standhält. Der Gesichtspunkt der strikten Zweckbindung der Dopinganalytik kann dann Bedeutung erlangen, wenn der Zweck der Analyse so unpräzise formuliert ist, daß die Nichteinhaltung der Zweckbindung durch den Analytiker besorgt werden muß. Als besonders schwierig erweist sich schließlich eine Rechtsprechungsprognose hinsichtlich der Inhaltskontrolle der Analysemethoden. Die Schwierigkeiten resultieren zum einen aus der dynamischen Entwicklung der Dopinganalytik, die verbandsnormativen Regelungen nur bedingt zugänglich ist und demgemäß eine Auswahlfreiheit der mit der Dopinganalytik betrauten Person oder Institution zweckmäßig erscheinen läßt. Unbedenklich dürfte dies so lange sein, wie die Dopinganalytik sich auf zulässige Analysezwecke beschränkt und keine darüber hinausgehenden Tatsachen ermittelt werden sollen. Zum andern ergibt sich im Zusammenhang mit der DNA-Analyse der im Urin vorhandenen Körperzellen insbesondere das Problem der sogenannten „Überschußinformation“52. Soweit die DNA-Analyse die Ausforschung schutzbedürftiger genetischer Anlagen und die Feststellung genetisch bedingter – psychischer, kör51 52

Siehe oben IV. 3. G. Wiese, Genetische Analysen und Rechtsordnung, Neuwied/Kriftel/Berlin 1994, S. 27.

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per- oder krankheitsbezogener – Persönlichkeitsmerkmale, die den Kern der Persönlichkeit berühren, ermöglicht, ist dies jedenfalls vom Grundsatz der Zweckbindung nicht gedeckt und für den Athleten daher unzumutbar. Insofern lassen sich Parallelen zur „informationellen Selbstbestimmung“ ziehen, die das Bundesverfassungsgericht53 in seinem Volkszählungsurteil als Datenschutzgrundsatz entwickelt hat. Inwieweit diese Mißbrauchsmöglichkeit generell zur Unzulässigkeit der DNA-Analyse führen muß, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. 2. Weitergabe und Bekanntmachung der Analyseergebnisse Generell ist davon auszugehen, daß auch die Weitergabe der Analyseergebnisse an Verbandsorgane dem Grundsatz der Erforderlichkeit und einer strikten Zweckbindung unterliegt. Das bedeutet, daß nur ein solcher Informationstransfer einer gerichtlichen Inhaltskontrolle standhält, der zur weiteren Abwicklung des Dopingkontrollverfahrens, insbesondere im Rahmen der Sanktionierung festgestellter Dopingverstöße, erforderlich ist. Der Informationstransfer ist entsprechend zu organisieren, so daß gegebenenfalls nachvollzogen werden kann, wer welche Information unzulässigerweise an Medien und Öffentlichkeit gegeben hat. § 17 der DSBRahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings54 ist insofern zu pauschal formuliert. Insbesondere bei den Gründen der Entscheidung, durch die eine Zulassungssperre oder sonstige Sanktion verhängt wird, ist jeweils sorgfältig zu prüfen, inwieweit deren Veröffentlichung erforderlich ist.

VI. Tatsachen- und Subsumtionskontrolle Der Bundesgerichtshof hat in neuerer Rechtsprechung – Forderungen des kritischen Schrifttums55 folgend – bei Verbandsstrafen eine volle gerichtliche Nachprüfung der Tatsachenermittlung bejaht56. Werden also die vom Verband einer Entscheidung zugrundegelegten Tatsachen – z. B. ein Dopingverstoß – bestritten, so überprüft das Zivilgericht, ob diese Tatsachen wirklich vorliegen. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) kommt es darauf an, ob das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu dem Ergebnis gelangt, daß eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Absolute Gewißheit ist für diese subjektive Überzeugung nicht erfor53

BVerfGE 65, 1 (43) = NJW 1984, 419 (422 ff.). § 17 DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings i. d. F. vom 15. 05. 1993. 55 Vgl. zur Entwicklung von Rechtsprechung und Schrifttum Erman/H.P. Westermann, § 25, Rdnr. 5. 56 BGHZ 87, 337 (344) = NJW 1984, 918; dazu K. Vieweg, JZ 1984, 187 ff.; W. Baecker, NJW 1984, 906 f.; D. Leipold, ZGR 1985, 113 ff. 54

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derlich. Der Richter muß sich vielmehr mit einer persönlichen Gewißheit begnügen, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.57 Bestreitet der Athlet den Dopingverstoß, so bedarf es einer Beweiserhebung. Der Analytiker wird dabei als Sachverständiger – gegebenenfalls auch als Zeuge – vernommen. Die hergebrachte Analyse von A- und B-Proben trägt zur richterlichen Überzeugungsbildung, ob ein Dopingverstoß vorliegt, bei. Das gilt insbesondere, wenn A- und B-Probe in unterschiedlichen Labors unabhängig voneinander analysiert worden sind. Im einzelnen sind insbesondere die Sorgfalt der Analytik sowie der Ausschluß von Manipulationen von erheblicher praktischer Bedeutung für die richterliche Überzeugungsbildung. Sehen sich die juristisch vorgebildeten Mitglieder von Verbandsorganen veranlaßt, das Ergebnis einer staatlich-gerichtlichen Nachprüfung zu antizipieren, um eine Aufhebung ihrer Entscheidung, den damit verbundenen Ansehensverlust und etwaige Schadensersatzforderungen zu vermeiden, so werden sie auch die Tatsachenermittlung kritisch würdigen. Die Ausführungen des DLV-Rechtsausschusses im Falle Krabbe I58 belegen dies, auch wenn man die konkret gestellten Anforderungen an die persönliche Gewißheit für überzogen halten mag. Als weiteres Problem kann sich in einem gerichtlichen Verfahren erweisen, daß nur wenige Sachverständige in der Lage sind, eine den Anforderungen genügende Dopinganalytik vorzunehmen. Die Beauftragung durch einen Sportverband und die Berücksichtigung in einem Verbandsverfahren kann zur Konsequenz haben, daß der betreffende Sachverständige von einem Gericht nicht für das staatlich-gerichtliche Verfahren als Sachverständiger bestellt wird. Die Auswahl des Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts. Der Sachverständige kann aber wegen der Besorgnis der Befangenheit gem. §§ 406 I, 42 ff. ZPO abgelehnt werden, wenn er für eine Partei ein entgeltliches Privatgutachten erstellt hat.59 Die gerichtliche Subsumtionskontrolle prüft, ob das Verbandsorgan bei seiner Rechtsanwendung die festgestellten Tatsachen den einschlägigen Verbandsnormen zutreffend zugeordnet hat. Der Bundesgerichtshof60 nimmt im Anschluß an Reuter61 für den Ausschluß aus Monopolverbänden sowie aus Vereinigungen mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine unbegrenzte Subsumtionskontrolle vor. Im monopolartig strukturierten Sportbereich ist demgemäß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer uneingeschränkten Subsumtionskontrolle auszugehen. Da wegen des verbandsrechtlichen 57 BGHZ 53, 245 (256) = NJW 1970, 946 (948); BGHZ 61, 165 (169) = NJW 1972, 1924 (1925). 58 Die Krabbe I-Entscheidung des DLV-Rechtsausschusses ist abgedruckt in NJW 1992, 2588 ff. 59 BGH NJW 1972, 1134; Zöller/R. Greger, § 406 ZPO, Rndr. 8. 60 BGHZ 102, 265 (276) = NJW 1988, 552 (555); dazu W. Hadding/F. van Look, ZGR 1988, 270 ff. 61 MK-Reuter, § 25, Rdnr. 25 u. 32.

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Bestimmtheitsgrundsatzes Beurteilungsspielräume, die der verbandsspezifischen Wert- und Zielsetzung Rechnung tragen können, nur in engen Grenzen zugelassen sind,62 ergibt sich ebenfalls eine nur geringe Toleranzbreite für Subsumtionsunschärfen. Dies bedeutet konkret, daß in der Dopingliste nicht aufgeführte Substanzen und Methoden nicht im Wege einer fehlerhaften Subsumtion zur Grundlage von Verbandsentscheidungen gemacht werden dürfen.

VII. Zusammenfassung Die gerichtliche Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen gewinnt mittelbar schon deshalb zunehmend praktische Bedeutung, weil die juristisch vorgebildeten Mitglieder von Verbandsorganen das Ergebnis einer staatlich-gerichtlichen Nachprüfung antizipieren, um eine Aufhebung ihrer eigenen Entscheidung, den damit verbundenen Verlust von Ansehen und etwaige Schadensersatzforderungen zu vermeiden. Verbände können sich vor Problemen mit dopingverdächtigen Athleten nicht einfach dadurch schützen, daß sie sich weigern, solche Athleten – sei es auf verbandsrechtlicher, sei es auf vertraglicher Grundlage – als Teilnehmer an ihren Veranstaltungen zu akzeptieren. Sowohl nach dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als auch nach den Regeln des Kontrahierungszwangs kommt es hinsichtlich der Frage des Teilnahmeanspruchs letztlich auf eine umfassende Abwägung der Interessen von Verband und Athlet an. Die Verbandspraxis hat bisher das Problem, ob Athleten an Dopingbestimmungen gebunden sind, die die Zulassung als Teilnehmer regeln, nicht immer erkannt oder jedenfalls unterschätzt. Soweit das Bindungsproblem im Zusammenhang mit dem aus § 25 BGB abgeleiteten Satzungserfordernis für die das Vereinsleben prägenden Grundentscheidungen gesehen wird, wird der formale Aspekt der richtigen Regelungsebene – Satzung oder Nebenordnung – zu sehr in den Vordergrund gerückt. Wichtiger ist, daß die Verbandsregelungen hinreichend konkret sind und einer etwaigen gerichtlichen Inhaltskontrolle standhalten. Die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen bzw. -AGB erlangt nicht zuletzt wegen der gegenwärtig starken Regulierungstendenzen bei der Dopingbekämpfung zunehmende praktische Bedeutung. Mit dem im Kontrollmaßstab des Grundsatzes von Treu und Glauben enthaltenden Gebot der Interessenabwägung steht ein optimaler Ansatz für die – verfassungsrechtlich gebotene – mittelbare Drittwirkung der Grundrechte zur Verfügung. Sowohl auf Seiten des Verbands als auch auf Seiten der Athleten sind Grundrechte betroffen. Die Grundrechtskollisionen sind im Wege der Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz – im Ergebnis: nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – zu lösen. Für Doping- und Zulassungsre62 Vgl. auch V. Röhricht, Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen (Fn. 16), S. 88.

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gelungen bedeutet dies, daß sie zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und – unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs – erforderlich sowie für den Betroffenen zumutbar sein müssen. Hieraus ergibt sich weiterhin, daß die Dopinganalytik einer konkreten Zweckbindung unterliegt. Die Konsequenzen einer negativ verlaufenden gerichtlichen Inhaltskontrolle sind erheblich: Etwaigen Verbandssanktionen wie Disqualifikationen und Wettkampfsperren fehlt die Grundlage; sie müssen aufgehoben werden, wenn nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion eine Normenanpassung vorgenommen werden kann. Eine geltungserhaltende Reduktion kann sich als für beide Seiten interessengerecht erweisen, da sie Normenmangel und Unsicherheiten vermeiden hilft. Die umfassende Analyse und Abwägung der Interessen von Verband und Athlet führt z. B. im Fall der Probenanalyse und der Bekanntmachung der Analyseergebnisse zu dem Ergebnis, daß einige Regelungen restriktiv verstanden werden müssen, sollen sie einer Inhaltskontrolle standhalten. Schließlich trägt auch die für die Entscheidungen der Sportverbände geltende umfassende Tatsachen- und Subsumtionskontrolle zu einer höheren Richtigkeitsgewähr bei.

Blut und/oder Urin zum Nachweis von Dopingsubstanzen Ergebnisse juristischer Gutachten* I. Zivilrechtliche Beurteilung der Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle (Prof. Dr. Klaus Vieweg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Strafrechtliche Aspekte (Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Verfassungsrechtliche Aspekte (Prof. Dr. Peter J. Tettinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

National und international wird die Blutabnahme für die Dopinganalytik diskutiert. Obwohl der Internationale Ski-Verband (FIS) solche Kontrollen bei seinen Weltmeisterschaften bereits durchführen läßt, sind wichtige medizinische und juristische Fragen noch nicht endgültig geklärt. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesinstitut für Sportwissenschaft Gutachten in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten und eventuellen Vorteile der Blutanalytik gegenüber der bisherigen Urinanalytik aufzuzeigen.1 Die auf der Basis eines Fragenkataloges erstellten gutachterlichen Stellungnahmen liegen von Prof. Dr. Donike, Köln, Priv. Doz. Dr. Meyer, Berlin, Prof. Dr. Müller, Leipzig, Prof. Dr. Staak, Köln, Prof. Dr. Stoffel, Köln, zu den medizinischnaturwissenschaftlichen Aspekten und von Prof. Dr. Kühl, Gießen, Prof. Dr. Tettinger, Bochum, und Prof. Dr. Vieweg, Erlangen, zu den juristischen Problemfeldern vor. Die Gutachten werden in der Schriftenreihe des Bundesinstituts publiziert. Vorab seien nachstehend die Ergebnisse der juristischen Beiträge vorgestellt.

I. Zivilrechtliche Beurteilung der Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle (Prof. Dr. Klaus Vieweg) Das Gutachten befaßt sich mit der zivilrechtlichen Beurteilung der Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle. Es geht davon aus, daß diese Problematik in zivilgerichtlichen Verfahren praktische Bedeutung erlangt, wenn ein Verband oder * Erstveröffentlichung (zusammen mit K. Kühl und P. J. Tettinger) in: SpuRt 1995, S. 188 – 191. 1 Die Gutachten sind veröffentlicht in Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Blut und/oder Urin zur Dopinganalytik, Schorndorf 1996.

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Verein das Analyseergebnis oder die Verweigerung einer Blutentnahme zur wirksamen Grundlage einer Entscheidung machen will. Im Einzelnen werden erörtert zum einen die Voraussetzungen einer Bindung der Athleten an Dopingbestimmungen der Verbände und Vereine sowie zum anderen der Umfang der gerichtlichen Nachprüfung – konkret: der Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle – der Verbands- und Vereinsentscheidungen. Ergebnisse 1.

Für die Bindung der Athleten an Dopingbestimmungen ist die gewählte Bindungskonstruktion entscheidend. Alternativ stehen ein satzungsrechtliches und – in drei Unterformen – ein vertragsrechtliches Lösungsmodell zur Verfügung.

2.

Die verbandsrechtliche Verbindlichkeit von Dopingregelungen begegnet zwei gravierenden praktischen Problemen: dem Satzungserfordernis und der Satzungskorrespondenz. Zum einen gehört die Lösung des Dopingproblems zu den das Vereinsleben prägenden Grundentscheidungen. Dopingregelungen sind deshalb gem. § 25 BGB in der Satzung zu verankern. Dabei ist fraglich, wie konkret die Satzungsregelungen erfolgen müssen und welche Dopingregelungen einer (Neben-)Ordnung – z. B. einer Sport- oder Wettkampfordnung – überlassen bleiben dürfen. Eine gute Orientierung geben insofern die detaillierten Empfehlungen der DSB-Juristen-Kommission, in der der Gutachter mitgewirkt hat. Darüber hinausgehend wird hier eine Ergänzung der DSBRahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings empfohlen. Zum anderen besteht insbesondere in „Verbandspyramiden“ das Problem der personellen Reichweite der satzungsmäßigen Regelungsmacht. Da die Athleten in aller Regel nur mittelbare Mitglieder der betreffenden Sportverbände sind, bedarf es einer Absicherung ihrer Bindung durch ein lückenloses System korrespondierender Satzungsbestimmungen. Nach der derzeitigen Verbands- und Vereinspraxis ist davon auszugehen, daß eine derartig lückenlose Satzungsabsicherung häufig noch nicht erreicht ist. Dies hat zur Folge, daß die Athleten in vielen Fällen verbandsnormativ nicht an die Dopingbestimmungen „ihres“ deutschen Sportverbandes gebunden sind. Aufgrund Dopingverstoßes ausgesprochene Verbandsstrafen halten in diesen Fällen schon aus formalen Gründen einer gerichtlichen Kontrolle nicht stand.

3.

Die Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung der Athleten an die Dopingregelungen entsprechen denen sonstiger Verträge. Die in der Satzung, der Wettkampfordnung usw. enthaltenen Verbandsnormen können insbesondere auf dreierlei Weise verbindlich werden: erstens durch individuell ausgehandelten Vertrag, zweitens durch auf Meldung und Zulassung zu einem konkreten sportlichen Wettkampf beruhenden Teilnahmevertrag und drittens durch eine auf Antrag und Lizenzerteilung basierende generelle Teilnahmeberechtigung. Bei den letzten beiden Varianten vertraglicher Bindung handelt es sich um Unterwerfungen in Form rechtsgeschäftlicher Einzelakte. Empfohlen wird eine

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Ergänzung der Wettkampf-/Sportordnung sowie der Zulassungsbestimmungen zu den Wettkämpfen. Bereits umgesetzt wurde die Empfehlung einer vom Athleten zu unterzeichnenden Bescheinigung. 4.

Ihrer Art nach handelt es sich bei der Bindung der Athleten – sei es auf verbandsnormativer, sei es auf vertraglicher Grundlage – um eine vorläufige Bindung, die unter dem Vorbehalt der Kontrolle und Korrektur durch staatliche Gerichte steht.

5.

Kernstück der gerichtlichen Nachprüfung sowohl bei der verbandsrechtlichen als auch bei der vertraglichen Bindung ist die Inhaltskontrolle der verbandsrechtlichen Regelungen. Sie ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Vereine mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich – damit auch bei den Sportverbänden – gem. § 242 BGB vorzunehmen. Kontrollmaßstab ist der Grundsatz von Treu und Glauben. Er beinhaltet das Gebot verantwortungsvoller Abwägung der Interessen aller an dem Rechtsverhältnis Beteiligten und bietet einen optimalen Ansatz für die – verfassungsrechtlich gebotene – mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. In die Abwägung einzubringen sind auch verbandsspezifische Wertungen wie die Mißbilligung des Dopings.

6.

Bei der umfassenden Abwägung der Interessen ist zu berücksichtigen, daß sowohl auf Seiten des Verbandes als auch auf Seiten der Athleten Grundrechte tangiert sind. Die so entstehenden Grundrechtskollisionen – einerseits Art. 9 I GG, andererseits Art. 2 II 1, 2. Alt. GG, Art. 12 I GG, Art. 2 I i.V. m. Art. 1 I GG, Art. 2 I GG, Art. 4 I GG und Art. 9 I GG – lassen sich im Wege der Güterabwägung lösen. Im Ergebnis führt dies zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.

7.

Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen der Inhaltskontrolle von Dopingregelungen bedeutet, daß Dopingregelungen zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und – unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs – erforderlich sowie für den Betroffenen zumutbar sein müssen. Weiterhin müssen sie hinreichend konkret sein. Schließlich ergibt sich als rechtliche Anforderung eine konkrete Zweckbindung der Dopinganalytik. Nur solche Analyseverfahren dürfen herangezogen werden, die für den genannten Zweck geeignet und unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs erforderlich und zumutbar sind. Für die drei insofern relevanten Phasen der Dopingkontrolle – Entnahme der Blutprobe, Probenanalyse und Bekanntmachung der Analyseergebnisse – ergeben sich Anforderungen an die Dopingregelungen, die von den DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings bisher nicht erfüllt sind.

8.

Die nach neuerer Rechtsprechung des BGH gem. § 242 BGB, nach anderer Auffassung gem. § 9 I AGBG vorzunehmende Inhaltskontrolle bei vertraglicher Bindung der Athleten führt hier zu denselben Ergebnissen.

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9.

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Im Rahmen der vollständigen Tatsachenkontrolle hat das Gericht – vor allem, wenn ein Dopingverstoß bestritten wird – sich selbst eine Überzeugung zu bilden, ob die vom Verband zugrunde gelegte Tatsache – insbesondere ein Dopingverstoß – für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Problematisch ist die Einbringung von Beweisangeboten, die aus der Analyse unzulässigerweise abgenommener Blutproben oder zwar zulässigerweise abgenommener, aber zweckwidrig analysierter Blutproben entstammen. Problematisch kann schließlich der Beweis durch Sachverständige sein, die schon im Rahmen des Verbandsverfahrens tätig geworden sind.

10. Im monopolartig strukturierten Sportbereich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer uneingeschränkten Subsumtionskontrolle auszugehen. Dies bedeutet, daß nicht in die Dopingliste aufgenommene Substanzen und Methoden nicht im Wege einer fehlerhaften Subsumtion zur Grundlage von Verbandsentscheidungen gemacht werden dürfen. 11. Ob sich ein Verband zulässigerweise weigern darf, einen Athleten als Teilnehmer zu akzeptieren, der seinerseits nicht bereit ist, sich Blut zum Zwecke der Dopingkontrolle entnehmen zu lassen oder bei dem ein Dopingverstoß auf Grund der Analyse einer Blutprobe festgestellt worden ist, beurteilt sich nach den Grundsätzen zum sog. Kontrahierungszwang. Auch hier kommt es auf eine umfassende Interessenabwägung an. Deshalb können die hinsichtlich der Inhaltskontrolle von Verbandsnormen gefundenen Ergebnisse insofern übertragen werden. Konsequenz ist, daß Verbände Athleten dann zu ihren Veranstaltungen als Teilnehmer zulassen müssen, wenn die Dopingregelungen zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht geeignet oder – unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs – nicht erforderlich oder für den Betroffenen unzumutbar sind. Das gleiche gilt, wenn der konkreten Zweckbindung der Dopinganalytik nicht entsprochen wird.

II. Strafrechtliche Aspekte (Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl) Das Gutachten behandelt vor allem Fragen der strafprozessualen und strafrechtlichen Zulässigkeit von Blutentnahmen bei Sportlern zum Zwecke der Dopingkontrolle. Im Rahmen einer Strafbarkeitsprüfung derjenigen Person, die eine Blutentnahme am Sportler vornimmt, werden die Anforderungen dargestellt, die aus strafrechtlicher Sicht an eine solche Blutentnahme zu stellen sind. Die Schwerpunkte hierbei sind @ die Regelung über die Entnahme von Blutproben in der Strafprozeßordnung sowie deren Auswirkungen;

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@ die Frage nach der tatbestandsausschließenden/rechtfertigenden Kraft einer Einwilligung in die Körperverletzung, die in der Blutentnahme möglicherweise zu sehen ist. Eine direkte oder analoge Anwendung der strafprozessualen Regelungen über eine Blutentnahme entfällt aufgrund des Fehlens einer hierzu notwendigen gesetzlichen Regelung. Hinzu kommt, daß Blutproben nur bei denjenigen Personen zulässig wären, gegen die bereits ein begründeter Verdacht vorliegt, woraus sich ergibt, daß selbst bei Vorliegen eines entsprechenden Gesetzes keine umfassenden, allgemeinen Blutdoping-Tests nach den Vorschriften der StPO durchgeführt werden könnten. Jedoch ergibt sich aus der Strafprozeßordnung wesentliches über die rechtliche Qualität von Blutprobenentnahmen und die notwendigen gesundheitsschützenden Vorkehrungen. Eine Strafbarkeit des die Blutentnahme Durchführenden wegen Körperverletzung scheitert letztlich an der Einwilligung der Sportler. Zwar liegt in der Blutentnahme eine tatbestandliche Körperverletzung; die für die Straflosigkeit notwendige Einwilligung der Sportler ist jedoch trotz des auf ihnen lastenden Druckes freiwillig, da dieser geringfügige Körpereingriff keinesfalls verwerflich i. S. d. § 240 StGB ist, sondern zur Erreichung sportethischer Zwecke dient. Demnach darf aus strafrechtlicher Sicht die Berechtigung der Sportler zur Teilnahme an Sportveranstaltungen der Verbände von der Bereitschaft der Sportler zur Duldung der Entnahme von Blutproben in Wettkampf und Training abhängig gemacht werden. Ergebnisse 1.

Die für den Dopingtest vorgesehene Blutentnahme ist ein geringfügiger, ungefährlicher Körpereingriff.

2.

Der Blut-Dopingtest ist für die Gesundheit des betroffenen Sportlers unbedenklich.

3.

Die Menge des entnommenen Blutes darf die für den Test erforderliche Menge nicht überschreiten.

4.

Der Blut-Dopingtest sollte möglichst von einem Arzt vorgenommen werden.

5.

Die Venenpunktion ist eine körperliche Mißhandlung i. S. v. § 223 StGB.

6.

Die Spritze in der Hand des Arztes ist kein gefährliches Werkzeug i. S. v. § 223a StGB.

7.

Die Körperverletzung i. S. v. § 223 StGB ist bei Einwilligung des Sportlers in die Blutentnahme straflos.

8.

Der Sportler ist auf einem Merkblatt über den Zweck des Testes sowie über Art, Verlauf und Risiken der Venenpunktion zu informieren.

9.

Der Sportler kann auf weitere Informationen verzichten.

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10. Die Einwilligung des Sportlers in den Blut-Dopingtest ist trotz des auf ihm lastenden Druckes freiwillig, da einem geringfügigen Körpereingriff zur Erreichung sportethischer Zwecke (Chancengleichheit durch Dopingkontrolle) zugestimmt wird. 11. Die Zustimmung des Sportlers in den Urin-Dopingtest ist „erst recht“ freiwillig, da das Zurverfügungstellen einer Urinprobe den gleichen Zwecken dient, aber nicht einmal einen geringfügigen Körpereingriff darstellt.

III. Verfassungsrechtliche Aspekte (Prof. Dr. Peter J. Tettinger) Das Gutachten widmet sich den nationalen, dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu entnehmenden verfassungsrechtlichen Direktiven, die zu beachten sind, wenn hierzulande an eine Blutabnahme bei Leistungssportlern zum Nachweis von Dopingsubstanzen gedacht wird. Erörtert werden dabei zunächst grundsätzliche Fragen, nämlich, ob etwa gar von einer staatlichen Eingriffspflicht zur Effektuierung der Dopingbekämpfung die Rede sein kann und wie weit staatliche Handlungsmöglichkeiten zur Dopingbekämpfung bei Respektierung der Autonomie des Sports reichen. Im Zentrum der sich anschließenden konkreten grundrechtlichen Überlegungen stehen formelle (Notwendigkeit eines Gesetzes?) und materielle Legitimationsanforderungen an eine Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle in Ansehen des hier zentral im Blick stehenden Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Daneben werden die sich aus dem Schutz der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), der Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und der Sicherung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ergebenden Anforderungen behandelt. Ergebnisse 1. Das Bestehen einer staatlichen Eingriffspflicht zum Zwecke der Dopingbekämpfung im Sport ist sowohl unter dem Blickwinkel des Schutzes der Menschenwürde als auch unter dem des Schutzes der Gesundheit der Sportler abzulehnen. 2. Unbeschadet dessen bestehen vor dem Hintergrund umfassender Gemeinwohlverantwortlichkeit des Staates auch auf diesem Felde durchaus diverse Handlungsmöglichkeiten, wobei der verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 1 GG gesicherten Autonomie des Sports in angemessener Weise Rechnung zu tragen ist. 3. Durch eine Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle wird der Schutzbereich des Grundrechts der betroffenen Sportler auf körperliche Unversehrtheit im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG tangiert. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG

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darf in das Recht auf körperliche Unversehrtheit nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Diese formelle Legitimationsvoraussetzung besteht jedoch grundsätzlich nur dann, wenn ein staatlicherseits veranlaßter Eingriff in Rede steht. Angesichts der zurückhaltenden Formulierungen im Doping-Übereinkommen der Mitgliedstaaten des Europarats vom 16. 11. 1989, zu dem inzwischen das notwendige deutsche Zustimmungsgesetz vorliegt, und der verfügbaren parlamentarischen Bekundungen zur Frage seiner Umsetzung kann von einem solchen staatlichen Eingriff nicht ausgegangen werden, wenn eine solche Maßnahme eigenverantwortlich durch Sportverbände veranlaßt würde. 4. Selbst wenn man aber – wenig realitätsnah – von einer staatlicherseits faktisch veranlaßten Blutentnahme ausginge, böte die individuelle Einwilligung des betroffenen Sportlers in die Verletzung des Rechtsgutes der körperlichen Unversehrtheit eine relevante Legitimationsgrundlage. 5. Im Lichte der grundrechtlichen Gewährleistungen, deren materielle Wirkungen über staatliche Eingriffe hinausreichen und auch auf die Sportverbandsrechtsebene durchschlagen, müssen unbeschadet dessen hinreichend gewichtige Gemeinwohlgründe für ein solches Blutabnahme-Postulat bestehen. Unverhältnismäßige Belastungen der betroffenen Sportler sind zu vermeiden, was insbesondere bei entsprechenden Risikogruppen (Blutern) relevant wird. 6. Das Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) verlangt die Respektierung von Glaubensüberzeugungen. Wenn unter Berufung hierauf einzelne Sportler ihre Einwilligung in eine Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle verweigern, ist anzuraten, auf zumutbare Alternativlösungen zurückzugreifen. 7. Da Ausstrahlungswirkungen grundrechtlicher Wertentscheidungen auf das Privatrecht und auch auf das autonome Sportverbandsrecht durchschlagen, kommt bei Berufssportlern den Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG zusätzlich Wirkkraft zu. Regelungen, welche die Berufsausübung betreffen, sind jedoch materiell gerechtfertigt, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen. Solche sind hier allein schon mit Blick auf den Gesundheitsschutz der Athleten in reichem Maße verfügbar. 8. Das Sportverbandsrecht enthält für den Berufssportler zugleich freiheitseröffnende, freiheitordnende und freiheitsbeschränkende Regelungen, indem es ihm überhaupt erst die Möglichkeit zur Wettbewerbsteilnahme und damit zur dem Lebensunterhalt dienenden sportlichen Berufsausübung bietet, zugleich aber auch die Modalitäten dieser Teilnahme festlegt und in diesem Kontext zulässigerweise auf die materiellen Anforderungen der Wettbewerbsfairneß und des Gesundheitsschutzes sowie deren verbandsrechtlich näher ausgeformte Kontrolle verpflichtet.

Disziplinargewalt und Inhaltskontrolle Zum „Reiter-Urteil“ des Bundesgerichtshofs* I. II. III. IV.

Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Disziplinargewalt der Sportverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltskontrolle sportverbandsrechtlicher Regelwerke nach § 242 BGB . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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In einem Grundsatzurteil hat der II. Zivilsenat des BGH am 28. 11. 19941 zu wichtigen, seit Jahren kontrovers diskutierten Fragen des Sportrechts Stellung bezogen. Die Revision war vom OLG Frankfurt2 wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zugelassen worden, da die Frage der Unterwerfung unter die Verbandsordnung oder ein Regelwerk eines Verbands durch Nichtmitglieder in einem korporationsrechtlichen Einzelakt bisher höchstrichterlich nicht entschieden war. Erfreulich ist, daß der BGH die aufgeworfene Frage in einer Weise beantwortet hat, die einerseits den Anforderungen des staatlichen Rechts und andererseits den praktischen Bedürfnissen des organisierten Sports Rechnung trägt. Unverkennbar ist, daß der BGH die Autonomie des Sports für unverzichtbar hält, zugleich aber für eine Einbindung in die Rechtsordnung sorgen will. Der BGH beschäftigt sich im „Reiter-Fall“ (dazu I.) insbesondere mit zwei Problemen: der Disziplinargewalt von Sportverbänden (dazu II.) und der Inhaltskontrolle sportverbandsrechtlicher Regelwerke (dazu III.).

I. Sachverhalt Der klagende Reiter und sechs weitere Reiter, die ihm mittlerweile ihre Ansprüche abgetreten haben, qualifizierten sich mit ihren Pferden bei einem Reitturnier für das Stechen. Da der Veranstalter über Lautsprecher mitteilte, er wolle weniger Pferde placieren als eigentlich für die Teilnahme am Stechen qualifiziert waren, kam es zum Streit zwischen den Reitern einerseits und dem Veranstalter und den Turnierrichtern andererseits. Der Kläger und die sechs Zedenten nahmen daraufhin zwar am Stechen teil, schlugen aber ausnahmslos einen falschen Parcours ein und wurden deshalb disqualifiziert. Die zuständige Kommission für Pferdeleistungsprüfungen in Hessen (LKH), ein Organ des beklagten Hessischen Dachver* Erstveröffentlichung in SpuRt 1995, 97 – 101. 1 Das Urteil ist abgedruckt in SpuRt 1995, 43 ff. 2 Das Urteil des OLG Frankfurt/M. vom 19. 11. 1993 ist abgedruckt in SpuRt 1994, 87 ff.

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bands der Reit- und Fahrvereine, verhängte wegen dieses Verhaltens Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 450,00 DM. Das Schiedsgericht des LKH bestätigte, nachdem seine Zuständigkeit durch Entscheidung des Großen Schiedsgerichts der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e. V. (Fédération Equestre National – FN) festgestellt worden war, die Entscheidung des LKH und erlegte dem Kläger und den Zedenten die Verfahrenskosten auf. Der Kläger und die Zedenten legten gegen diese Entscheidung kein verbandsinternes Rechtsmittel mehr ein. Um die drohenden Sperren zu vermeiden, zahlte der Kläger die Bußgelder und die Verfahrenskosten unter ausdrücklichem Hinweis, daß er eine Rechtspflicht zur Zahlung nicht anerkenne und die Rückzahlung auf dem Rechtsweg fordern werde.

II. Disziplinargewalt der Sportverbände Viele Sportverbände nehmen Disziplinargewalt nicht nur gegenüber ihren Mitgliedern, sondern auch gegenüber Nichtmitgliedern in Anspruch, soweit diese an Veranstaltungen teilnehmen wollen, die in den Organisations- und Verantwortungsbereich des Sportverbands fallen. Die vorgesehenen Strafen reichen dabei von Verwarnungen und Verweisen über Geldstrafen bis hin zu Sperren auf Zeit oder auf Dauer. Insbesondere die Vielfalt der Sanktionen unterscheidet die Sportverbände von sonstigen Verbänden, beispielsweise von denen des Wirtschaftslebens. Dies liegt nicht zuletzt an den Eigenarten des regelgebundenen, organisierten Sportbetriebs. Kennzeichen des Sportverbandswesens3 ist grundsätzlich ein pyramidenförmiger Aufbau von Sportvereinen und -verbänden sowie das sog. Ein-Platz-Prinzip. Hierdurch werden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene fachlich-räumliche Monopolstellungen der Sportverbände ermöglicht. Typisch ist weiterhin, daß die einzelnen Sportler im Regelfall nicht Mitglieder der Sportverbände sind. Man kann sie als Nichtmiglieder oder – wegen ihrer Einbindung in die Sportverbandspyramide – als mittelbare Mitglieder bezeichnen. Bisher nur vereinzelt ist die für die Spitzensportveranstaltungen „zuständige” Einrichtung organisatorisch verselbständigt. So wird der Deutsche Eishockeymeister in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ausgespielt. Bei der DEL handelt sich sich um eine GmbH, mit der die von den Eishockey-Vereinen getragenen Gesellschaften durch ein Franchisingsystem verbunden sind.4 Die Sportregeln werden in mehr oder weniger umfangreichen Regelwerken vom betreffenden nationalen oder internationalen Sportverband aufgestellt. Sie haben verschiedene, einander ergänzende Funktionen. Diese reichen von der Definition und Typisierung der Sportart über die Ermöglichung von Wettbewerb und Chan-

3 4

Näher dazu K. Vieweg, JuS 1993, 825 (826 f.). Vgl. M. Hoffmann, SpuRt 1994, 24 f.

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cengleichheit bis hin zu Streitvermeidung und -entscheidung.5 Insbesondere haben sie auch eine Disziplinierungsfunktion. Wie der BGH zutreffend erkennt, umfaßt die Befugnis zur Setzung einer Regel notwendigerweise das Recht zur Anordnung von Sanktionen und zu deren Vollzug im Falle der Regelverletzung.6 Die Disziplinargewalt erweist sich als zentrales Steuerungselement. Sie ist Voraussetzung dafür, daß die Verbände die Einhaltung des in ihrem Organisationsund Verantwortungsbereich liegenden Sportbetriebs sicherstellen können. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch das Risiko, daß die Sportverbände über das Ziel, einen regelgerechten Sportbetrieb zu gewährleisten, „hinausschießen“. Dieses Risiko ergibt sich nicht zuletzt aufgrund des in aller Regel bestehenden Machtgefälles zwischen den Sportverbänden einerseits und den Athleten andererseits. Damit die Grenzen der Verbandsautonomie nicht überschritten werden, muß der Staat bereit sein, durch seine Gerichte Verbandsdisziplinarmaßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Das folgt aus der verfassungsrechtlichen Justizgewährungspflicht.7 Die gerichtliche Prüfung umfaßt insbesondere zwei Fragen: Ist der Sportler überhaupt an die Regeln des Sportverbands gebunden? Konkret: Ist er dessen Disziplinarmaßnahmen unterworfen? Und bejahendenfalls: Hält die konkret verhängte Disziplinarmaßnahme dem gerichtlichen Kontrollmaßstab stand? In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Schiedssprüche von Schiedsgerichten i. S. d. §§ 1025 ff. ZPO in geringerem Umfang einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen als die von Verbandsorganen verhängten Disziplinarmaßnahmen. Dies darf jedoch nicht zu der Fehlannahme verleiten, als „Schiedsgerichte“ bezeichnete Verbandsorgane seien Schiedsgerichte i. S. d. §§ 1025 ff. ZPO. Die klärenden Ausführungen des BGH8 zu den Schiedsgerichten der Leistungsprüfungsordnung (LPO) sollten auch in anderen Verbänden aufmerksam gelesen werden. Die Frage der Bindung der Athleten, die nicht unmittelbare Mitglieder der Sportverbände sind, an deren Regelungen ist ein Uraltproblem des Sportrechts. Zwei Lösungsansätze werden diskutiert: eine satzungsrechtliche und eine „individualrechtliche“, d. h. vertragliche Lösung.9 Die satzungsrechtliche Lösung verlangt – nicht zuletzt aus Gründen des Mitgliederschutzes – zum einen die Aufnahme der Grundentscheidungen des Verbands in die Satzung (§ 25 BGB), zum andern ein System korrespondierender Satzungsbestimmungen vom Spitzenverband über alle 5

Näher K. Vieweg, JuS 1983, 825 (826 f.). BGH, SpuRt 1995, 43 (45) unter Bezugnahme auf R. Lukes, in: W. Hefermehl/R. Gmür/ H. Brox (Hrsg.), Festschrift für Harry Westermann, 1974, S. 325 (327 ff.). 7 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 162 f. u. 234 f. 8 BGH, SpuRt 1995, 43 (50). 9 Dazu zuletzt eingehend V. Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 ff. 6

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Verbandsebenen bis hin zum Sportverein, dessen Mitglied der Athlet ist. Der BGH10 analysiert zutreffend die praktischen Probleme, die insbesondere bei Spartenvereinen mit diesem Lösungsansatz verbunden sind. Diese Probleme sind nicht neu. Sie werden seit gut zwanzig Jahren in der sportrechtlichen Wissenschaft und Praxis diskutiert.11 Zuletzt wurden sie intensiv von einer vom Deutschen Sportbund eingesetzten Juristen-Kommission12 sowie in einem Akademiegespräch der Führungsund Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes13 erörtert. Besonders anschaulich traten dabei die Probleme des Deutschen Leichtathletik-Verbands bei der Durchsetzung von Sanktionen nach Dopingverstößen hervor.14 Die Ergebnisse dieses Akademie-Gespräches hat der BGH aufgegriffen und damit den Gegebenheiten und Möglichkeiten der Praxis Rechnung getragen. Die vom BGH nun in den Vordergrund gestellte vertragliche Bindung begegnet nicht den Schwierigkeiten des Satzungserfordernisses und der Satzungskorrespondenz. Allerdings kann auf Verbandsseite ein höherer Aufwand anfallen. In der Praxis können insbesondere drei vertragliche Abschlußformen Bedeutung erlangen: (1) der individuell ausgehandelte Vertrag (z. B. Boris Becker – Deutscher Tennisbund), (2) der auf Meldung und Zulassung zu einem konkreten – nach den Regeln des Verbands ausgeschriebenen – sportlichen Wettkampf beruhende (konkrete) Teilnahmevertrag und (3) die auf Antrag und Lizenzerteilung oder dergleichen basierende – gegebenenfalls zeitlich befristete – generelle Teilnahmeberechtigung für Sportler innerhalb des Organisations- und Verantwortungsbereichs des betreffenden Sportverbands. Bei den letzten beiden Varianten vertraglicher Bindung handelt es sich um Unterwerfungen in Form rechtsgeschäftlicher Einzelakte.15 Der BGH erkennt die prinzipielle Zweispurigkeit der Bindung nach dem satzungsrechtlichen und dem 10

BGH, SpuRt 1995, 43 (45 f.). Vgl. schon R. Lukes, (Fn. 6), S. 327 ff.; M. Meinberg/D. Olzen/S. Neumann, Gutachten über die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung des Doping-Mißbrauchs, in: W. Schild (Hrsg.), Rechtliche Fragen des Dopings, 1986, S. 63 ff. 12 Die im März 1992 als Empfehlungen vorgelegten „Formulierungsvorschläge für einen Sanktionskatalog zur Bekämpfung des Dopings“ sind abgedruckt in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, Anlage I, S. 1 ff. Näher dazu V. Röhricht (Fn. 9). 13 Die Dokumentation des Akademie-Gesprächs vom 25.02.–28. 02. 1994 ist abgedruckt in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994. 14 Vgl. dazu den eindrucksvollen Beitrag von C. Prokop, Probleme des Deutschen Leichtathletik-Verbands bei der Durchsetzung von Sanktionen nach Dopingverstößen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 28 ff. 15 BGH, SpuRt 1995, 43 (47 f.). 11

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sog. „individualrechtlichen“ Modell an. Klarstellend ist insofern allerdings zu ergänzen, daß sich das Wort „nur“ in Leitsatz 2 auf die in Leitsatz 1 erwähnten Nichtmitglieder bezieht und nicht generell die satzungsrechtliche Lösung für nicht mehr anwendbar erklärt werden soll. Der BGH läßt damit Raum für Lösungen, die den individuellen Möglichkeiten der Verbände Rechnung tragen. Als Patentrezept kann das Vertragsmodell aber nicht angesehen werden. Einige Probleme sollen im folgenden stichwortartig angesprochen werden. Zum einen ist Vorsicht geboten, damit nicht Bindungslücken entstehen. So sind beispielsweise Vereinssportler, die nicht an Wettkämpfen teilnehmen, nicht durch rechtsgeschäftlichen Einzelakt an Dopingbestimmungen gebunden. Insoweit könnte die satzungsrechtliche Lösung helfen. Hinsichtlich der Wettkampfsportler erscheint mir eine Kombination der verschiedenen Ansätze empfehlenswert. Insbesondere bietet das System der jährlichen Lizenzen den Vorteil, daß es veranstalterunabhängig ist und schon bei verhältnismäßig geringem Leistungsstandard die heute zur Dopingbekämpfung unverzichtbaren Trainingskontrollen ermöglicht. Empfehlenswert ist weiter, daß die betreffenden deutschen Sportverbände die in ihrem Bereich tätigen Veranstalter an ihre Regeln binden und sie verpflichten, alle Teilnehmer – auch die nicht vereinsgebundenen Sportler – ihrerseits den betreffenden Verbandsregelungen zu unterwerfen. Zum andern sollte auch die praktische Handhabung der rechtsgeschäftlichen Unterwerfung unter die Verbandsregelungen durch Meldung zu einem Wettkampf näher untersucht werden. Die Meldung dürfte in der Praxis häufig durch Trainer oder Funktionäre erfolgen. Hier tun sich Vertreter-, Boten- und Minderjährigenprobleme auf. Zum dritten sollte die Frage der dynamischen Verweisung zum Beispiel auf die Regelwerke der internationalen Sportverbände im Auge behalten werden. Der BGH16 erklärt sie für unzulässig. Bei konkreten Teilnahmeverträgen läßt sich – rechtzeitige Information vorausgesetzt – dieses Problem durch eine entsprechende Ausschreibung lösen. Bei turnusmäßiger Lizenzerteilung stellt sich das Problem der Änderung internationaler Sportregelwerke allenfalls für relativ kurze Übergangszeiten. Hier sollte versucht werden, das Inkrafttreten der neuen Regelungen so weit hinauszuschieben, bis eine zeitliche Harmonisierung von Verträgen und Regelwerken möglich ist. Zum vierten ist der erforderliche Kenntnisstand problematisch. Der BGH17 verlangt eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Regelwerks und konkretisiert diese Anforderung, indem er einen Vergleich zu den Anforderungen zieht, die er hinsichtlich der Satzungen aufgestellt hat. Danach müssen die wesentlichen Bestimmungen in großen Zügen aus der dem Beitretenden zugänglichen Satzung ersichtlich sein. Im entschiedenen Fall konnte der BGH – da nicht 16 17

BGH, SpuRt 1995, 43 (46). BGH, SpuRt 1995, 43 (48).

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bestritten – davon ausgehen, daß dem Reiter die vollständige LPO zusammen mit der ersten Lizenz (Reiterausweis) zugesandt worden war. Zweifelhaft ist, ob in der Praxis gerade größerer Verbände ein derartiger Aufwand betrieben wird oder betrieben werden könnte. Eine angemessene Lösung ließe sich durch Orientierung an den Anforderungen des § 2 AGBG erzielen.

III. Inhaltskontrolle sportverbandsrechtlicher Regelwerke nach § 242 BGB Nach Auffassung des BGH18 sind sportliche Regelwerke auch im Verhältnis zu Nichtmitgliedern des regelaufstellenden Verbands keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen i. S. d. AGBG. Sie sollen vielmehr der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB unterliegen. Die Ausführungen des BGH sind insofern als obiter dictum anzusehen, da der Kläger sich nicht gegen die Wirksamkeit der angewandten Strafvorschrift oder die Unbilligkeit der Strafe gewandt hatte. Für die Auffassung des BGH spricht aus praktischer Sicht, daß sowohl im Verhältnis zu den Mitgliedern19 als auch zu den Nichtmitgliedern ein einheitlicher Kontrollmaßstab bezüglich der inhaltlichen Angemessenheit der Verbandsnormen zugrunde gelegt werden soll. Der BGH stellt sich hiermit gegen die ganz überwiegende Meinung in der Literatur.20 Die Frage, ob im Verhältnis zu Nichtmitgliedern Verbandsregelungen AGB darstellen oder nicht, soll hier aus Raumgründen nicht weiter vertieft werden. Die praktischen Konsequenzen dürften sich hinsichtlich der Inhaltskontrolle in Grenzen halten, da der Kontrollmaßstab nach § 242 BGB und der nach § 9 I AGBG gleich sind. Wichtig ist die Feststellung, daß die Inhaltskontrolle der Verbandsnormen auf ihre Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu erfolgen hat. Der BGH behandelt damit die Sportverbände zu Recht als sog. sozialmächtige Verbände, deren Normen nicht unbillig sein dürfen, also durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein müssen.21 Sie sind nicht nur auf grobe Unbilligkeit oder Willkür zu überprüfen.22 Eine wichtige Konsequenz des Urteils des BGH ist, daß Streitigkeiten zwischen Verband und Sportlern auf ihren sachlichen Kern zurückgeführt werden und die formellen Voraussetzungen der Bindung in den Hintergrund treten. Dies dürfte auf lange Sicht dazu führen, daß manche Verbandsnormen in eine Fassung gebracht werden, die gewährleistet, daß sie einer Inhaltskontrolle standhalten. Verhältnis18

BGH, SpuRt 1995, 43 (46 f.). Vgl. BGHZ 105, 306 (316 ff.). 20 Zuletzt V. Röhricht (Fn. 9), S. 18 f. 21 BGH, SpuRt 1995, 43 (51); vgl. zum Kontrollmaßstab schon BGHZ 102, 265 (276). 22 Völlig verkannt wird der Umfang der gerichtlichen Kontrolle der Entscheidungen sog. Sportschiedsgerichte von H. Lindemann, SpuRt 1994, 17 (22 f.). 19

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mäßigkeitsprinzip und Interessenabwägung rücken in den Mittelpunkt.23 In diesem Zusammenhang dürfte auch die Frage Bedeutung erlangen, wie zu verfahren ist, wenn einzelne Normen der Inhaltskontrolle nicht standhalten. Das Problem der geltungserhaltenden Reduktion ist aus dem AGB-Recht hinlänglich bekannt.24 Weiterhin bedarf der Maßstab des § 242 BGB für die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen einer Konkretisierung. Einzelne Aspekte – wie die Einhaltung eines elementaren, rechtsstaatlichen Normen entsprechenden Verfahrens – hat der BGH bereits hervorgehoben. Demgemäß ist ihm zuzustimmen, daß das verbandsrechtliche Verbot jeglicher Inanspruchnahme der ordentlichen Gerichtsbarkeit unwirksam ist. Der „Reiter-Fall“ läßt erkennen, daß der BGH keine prinzipiellen Bedenken gegen die Disziplinargewalt der Sportverbände hat. Dies hat beispielsweise auch zur Konsequenz, daß Sportverbände solchen Athleten die Teilnahme verweigern dürfen, die nicht bereit sind, sich der Disziplinargewalt des Verbands zu unterwerfen. Die zu erwartende Konzentration zukünftiger Verbandsstreitigkeiten auf die Inhaltskontrolle führt weiterhin dazu, daß dem Tatsachenkern eines Konflikts wieder mehr Beachtung geschenkt werden wird. Damit gewinnt auch die nicht immer leicht von der Inhaltskontrolle zu trennende Subsumtionskontrolle an Bedeutung. So hätte im „Reiter-Fall“ zunächst geprüft werden müssen, ob die den Disziplinarmaßnahmen zugrunde gelegten Formulierungen in § 120 LPO – Verstoß gegen die sportlich-faire Haltung und gegen die reiterliche Disziplin, Schädigung des Ansehens des Leistungsprüfungswesens, Störung der ordnungsgemäßen Durchführung einer Pferdeleistungsschau, Erregung von Ärgernis durch ungebührliches Benehmen, Nichteinhaltung der durch die Nennung eingegangenen Verpflichtungen, Treffen einer Verabredung zum Zweck, den Ausgang eines Wettbewerbs zu beeinflussen – einer Inhaltskontrolle standhalten. Zwar ist jede Verbandsrechtsordnung auch auf derartige konkretisierungsbedürftige Regelungen angewiesen. Zugleich ist aber zu berücksichtigen, daß auch im Verbandsrecht der Bestimmtheitsgrundsatz25 gilt und daß die (analoge) Anwendung der Unklarheitenregel des § 5 AGBG zumindest in Erwägung zu ziehen ist. Im Rahmen der erforderlichen Normenkonkretisierung und Subsumtion hätte hier weiterhin in Betracht gezogen werden müssen, daß die LPO zwar Teilnahmeberechtigung und -beschränkungen regelt (§§ 21, 63 – 66 LPO), aber keine Teilnahmepflicht normiert. Insbesondere sehen die Bestimmungen für das Stechen (§ 502 LPO) lediglich vor, daß Teilnehmer, die zum Stechen nicht antreten oder 23 K. Vieweg, Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 36 (39 ff.). 24 Vgl. zur geltungserhaltenden Reduktion von Verbandsnormen K. Vieweg, (Fn. 23), S. 36 (41 f.). 25 B. Reichert/F. J. Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 1993, Rdnr. 1589 m. w. N.

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während des Stechens aufgeben, nicht als Sieger placiert werden dürfen. Vorgesehen ist vielmehr, daß sie gleichplaciert werden auf dem letzten Platz der für das Stechen qualifizierten Teilnehmer. Ebenso sprechen die ausdrückliche Definition des Verreitens (§ 515 LPO) und die Regelung der Konsequenzen – Disqualifikation (§ 519 Nr. 10 LPO) – dafür, das „bewußte Verreiten“ nicht unter die o. a. unbestimmten Verbandsrechtsbegriffe zu subsumieren. Im Rahmen der Subsumtion wären weiterhin die im verbandsrechtlichen Verfahren vorgebrachten außerordentlich schlechten, die Pferde gefährdenden Bodenverhältnisse und die falsche Auskunft des Turnierrichters mit Blick auf die wertenden Elemente der der Disziplinierung zugrunde gelegten Formulierungen in § 920 LPO zu berücksichtigen gewesen. Nach alledem ist zweifelhaft, ob ein staatliches Gericht, das mit dem sachlichen Kern des Streits befaßt wäre, zu demselben Ergebnis wie das als Verbandsinstanz anzusehende Schiedsgericht des beklagten Verbands gekommen wäre.

IV. Ausblick Das „Reiter-Urteil“ des BGH trägt den praktischen Bedürfnissen des organisierten Sports Rechnung. Es ist deshalb in Verbandskreisen weitgehend positiv aufgenommen worden. Hauptkonsequenz der Entscheidung wird sein, daß Streitigkeiten auf ihren sachlichen Kern zurückgeführt werden können und nicht mehr formelle Bindungsprobleme im Vordergrund stehen. Auf lange Sicht wird die lnhaltskontrolle nach § 242 BGB im Zusammenspiel mit der vollen Tatsachenkontrolle26 und der Subsumtionskontrolle27 dafür sorgen, daß Verbandsregelungen vorab auf ihre inhaltliche Angemessenheit überprüft werden und daß Verbandsentscheidungen – auch solche sog. Sportgerichte – sich mehr an dem orientieren, was als Entscheidungsergebnis eines zur Kontrolle angerufenen staatlichen Gerichts zu erwarten wäre.

26 27

Vgl. BGHZ 87, 337 sowie BGHZ 93, 151 (154). BGHZ 102, 265 (276).

Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband im Hinblick auf Werberechte* A. Rechtstatsächlicher Befund I. Kommerzialisierung und Professionalisierung II. Organisationsstruktur des Bob- und Schlittensports III. Organisation und Durchführung der FIBT-Wettbewerbe IV. Werbung 1. Abkehr vom Amateurstatut und generelle Zulassung der Werbung 2. Der Beschluß des FIBT-Kongresses in Treviso vom 27. 05. 1995 3. Reaktion der Athleten und der überstimmten nationalen Verbände 4. Durchsetzungsabsicht der FIBT B. Fragestellung und Gang der Untersuchung C. Rechtsschutz der Athleten gegenüber der FIBT in Deutschland I. Grundlagen 1. Konfliktbeteiligte und Interessenlage 2. Materiell-rechtliche Grundlagen a) Kontrolle verbandsautonomer Regelungen durch das aufgrund Internationalen Privatrechts ermittelte staatliche Recht b) Zuordnung der durch die Werbebestimmungen der FIBT tangierten Rechte 3. Prozeßrechtliche Grundlagen II. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte 1. Klageziele und Prüfungsfolge 2. Auslandsbezug des Rechtsstreits 3. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der lex fori 4. Anwendbarkeit des EuGVÜ 5. Kein ausschließlicher Gerichtsstand gem. Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ 6. Besonderer Gerichtsstand für kartellrechtliche Deliktsklagen gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ 7. Sonstige besondere Gerichtsstände a) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ b) Besonderer Gerichtsstand für nichtkartellrechtliche Deliktsklagen gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ c) Besonderer Gerichtsstand der Niederlassung oder Agentur gem. Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ 8. Einstweiliger Rechtsschutz 9. Ergebnis zu II. * Unter Mitarbeit von Isolde Hannamann 1996 für den Deutschen Bob- und Schlittensportverband (DBSV) erstattetes Rechtsgutachten.

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Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband III.

Anwendbarkeit deutschen Rechts 1. Gesellschaftsstatut 2. Vertragsstatut 3. Deliktsstatut 4. Kartellstatut 5. Zusammenfassung zu III. IV. Zuordnung der für die Werbung bei FIBT-Wettbewerben relevanten Rechte und Rechtsgüter 1. Originäre Zuordnung a) Eigentum an den Sportgeräten b) Eigentum an der Sportkleidung c) Persönlichkeitsrecht der Athleten d) Eigentum an Sportstätten e) Veranstaltungsrechte f) Zwischenergebnis 2. Derivative Zuordnung aufgrund Rechteübertragung und Einräumung von Nutzungsbefugnissen a) Rechtliche Grundlagen b) Rechteübertragung und Einräumung von Nutzungsbefugnissen an die FIBT c) Verbindlichkeitsprüfung gem. §§ 25 und 242 BGB d) Interessenanalyse und -abwägung V. Teilnahme an FIBT-Wettbewerben und Werbung 1. Teilnahmerecht der Athleten an FIBT-Wettbewerben ohne fremdbestimmte Werbepflicht a) Verbandsrechtliche Grundlage b) Vertragsrechtliche Grundlage c) Interessenabwägung d) Ergebnis zu 1. 2. Teilnahmerecht der Athleten an FIBT-Wettbewerben mit Recht zur selbstbestimmten Werbung a) Rechtsgrundlagen b) Interessenabwägung c) Ergebnis zu 2. 3. Ergebnis zu V. VI. Pflicht zur Kooperation VII. Schadensersatzpflicht der FIBT VIII. Ausgleichs- und Herausgabepflicht der FIBT 1. Bereicherungsrechtliche Ausgleichspflicht 2. Herausgabepflicht gem. §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB (angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag) 3. Herausgabepflicht analog § 743 BGB (Gemeinschaft) D. Ergebnisse E. Hinweise zum Rechtsschutz der Athleten gegenüber der FIBT in Italien sowie zum Rechtsschutz durch das Internationale Sportschiedsgericht (CAS/TAS) I. Zum Rechtsschutz der Athleten gegenüber der FIBT in Italien II. Rechtsschutz durch das Internationale Sportschiedsgericht (CAS/TAS)

Athleteninteresse und mögliche Konflikte in Verein und Verband Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion sog. Athletenvereinbarungen* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Methode der Qualitätskontrolle und Konfliktfelder in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodischer Ansatz: Interessenanalyse als Instrument der Qualitätskontrolle von Athletenverträgen und athletenbezogenen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiele aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtlicher Qualitätsmaßstab: Fairer Interessenausgleich i. S. v. § 242 BGB bzw. § 9 I AGBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Originäre Zuordnung der Sportrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Analyse und Abwägung der Interessen von Athlet und Verein bzw. Verband in Konfliktfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Konfliktsituationen im Zusammenhang mit der Vermarktung . . . . . . . a) Auswahl: Vermarktungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konflikte anläßlich einzelner Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Konflikte anläßlich von Auftritten der Nationalmannschaft . . . . . . . . . . . . . . f) Kriterien eines fairen Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Monetäre Leistungsbewertungen zur Konfliktsteuerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Die Athleten stehen im Zentrum des Sports, sollten es zumindest. Daher verwundert es nicht, daß sie vielfach zu Konfliktbeteiligten werden. Konfliktpotiential und Bereitschaft zur gerichtlichen Auseinandersetzung sind mit der Kommerzialisierung und Professionalisierung vieler Sportarten in den letzten Jahren gewachsen.

* Erstveröffentlichung (zusammen mit Isolde Hannamann) in Führungs- und VerwaltungsAkademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Akademieschrift 49: Rechte der Athleten, Frankfurt/M. 1997, S. 43 – 56.

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Athleteninteresse und mögliche Konflikte in Verein und Verband

Athletenvereinbarungen1 – wie insbesondere die DSB-Muster-Athletenvereinbarung2 – lassen sich als Reaktionen auf diese Entwicklung und als Versuche begreifen, Konflikte rechtzeitig zu erkennen und schon im Ansatz zu lösen. Ihr praktischer Nutzen und ihre Qualität bemessen sich danach, ob sie gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden helfen, und – falls doch geklagt werden sollte – ob sie „gerichtsfest“ sind, also von den Gerichten als wirksam anerkannt würden. Dies führt zu der Frage nach dem methodischen Ansatz einer Qualitätskontrolle von Athletenvereinbarungen sowie nach den Konflikten in der Praxis, die einen entsprechenden Regelungsbedarf dokumentieren (dazu II.). Der rechtliche Qualitätsmaßstab, der § 242 BGB bzw. § 9 I AGBG zu entnehmen ist (dazu III.), sowie die originäre Zuordnung von Sportrechten (dazu IV.) sind Grundlage für die – insbesondere im Rahmen der Vermarktungsproblematik – vorzunehmende Analyse und Abwägung der Interessen von Athlet und Verband (dazu V.). Abschließend soll der aktuelle Gedanke einer monetären Bewertung der Leistungen von Athlet und Verband Gegenstand einer kritischen Würdigung sein (dazu VI.).

II. Methode der Qualitätskontrolle und Konfliktfelder in der Praxis 1. Methodischer Ansatz: Interessenanalyse als Instrument der Qualitätskontrolle von Athletenverträgen und athletenbezogenen Regelungen Der Ernstfall einer gerichtlichen Auseinandersetzung legt als methodischen Ansatz nahe, gedanklich durchzuspielen, ob die zur Lösung eines Konflikts mit Athletenbeteiligung formulierten Verträge und Regelungen einer gerichtlichen Prüfung standhalten. Insofern kommt es nach deutscher Rechtslage letztlich darauf an, ob in ihnen ein fairer Interessenausgleich erreicht wird.3 Um dieses beurteilen zu können, bedarf es – quasi als Instrument der Qualitätskontrolle – einer entsprechenden (Konflikt- und) Interessenanalyse. Eine derartige Analyse vermag zudem etwaige Regelungslücken und weiteren Regelungsbedarf aufzuzeigen. Der hier gewählte methodische Ansatz geht also vom Tatsächlichen – von der Interessenlage – aus und präzisiert damit zugleich in rechtlicher Hinsicht das Instrument der Qualitätskontrolle.

1 Die erste Athletenvereinbarung wurde – soweit ersichtlich – im Deutschen Skiverband geschlossen, nachdem Armin Bittner vor dem LG München I am 06. 09. 1991 eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte. 2 Abgedruckt als Anhang (falls in der Akademieschrift) ansonsten: in SpuRt 1996, 189 ff.; dazu Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 ff. u. 187 ff. 3 Siehe im einzelnen III.

Athleteninteresse und mögliche Konflikte in Verein und Verband

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2. Beispiele aus der Praxis Konflikte mit Athletenbeteiligung sind in (Sport-)Vereinen und Verbänden Legion. Ein regelmäßiger Blick in die Tagespresse genügt, um sich dessen zu vergewissern. Die Praxis erweist sich insofern als wahre „Fundgrube“ konfliktträchtig berührter Athleteninteressen. Einige Beispiele aus der letzten Zeit mögen dies verdeutlichen: @ Anfang 1996 protestierten die deutschen Schwimmer gegen den vom Verband auferlegten Zwang, Wettkampfkleidung des neuen Verbandssponsors Speedo zu tragen. Die Sportler waren entweder mit anderen Ausrüstern vertraglich verbunden und/oder jedenfalls an andere Kleidung gewöhnt.4 @ Kritik am Verbandspräsidenten führte Ende 1996 zum Ausschluß einiger deutscher Schwimmer aus der Nationalmannschaft. Sie versuchten, ihr Startrecht mit einstweiliger Verfügung zu erstreiten.5 @ Eine Athletenvereinbarung konnte im deutschen Schwimmen Ende 1996 nur unter der von den Athleten aufgestellten Bedingung zustande kommen, daß bis zum 30. 6. 1997 eine – von den Athleten geforderte – Vereinbarung über ihre finanzielle Partizipation an den Einnahmen der DSV-Rechteverwerter-Wirtschaftsdienst-GmbH unterzeichnet wird.6 @ Im Januar 1997 wurde dann eine Vereinbarung getroffen, die den deutschen Schwimmern auch Werbung für den eigenen Sponsor auf der Wettkampfkleidung gestattet.7 @ Die deutschen Dressurreiter lehnten Ende 1996 den neuen Kadertrainer als Championatstrainer ab.8 @ Die deutschen Triathleten protestierten Ende 1996/Anfang 1997 dagegen, beim Weltcup im Trikot des Verbandssponsors auftreten zu müssen. Der beschränkte Werberaum für Einzelsponsoren auf den Fahrradhelmen genügte ihnen nicht.9 @ Matthias Sammer konnte seinen Werbevertrag mit Adidas beibehalten, obwohl sein Arbeitgeber Borussia Dortmund einen Ausrüstervertrag mit Nike hat. Das Problem wurde im Einverständnis von Nike und Adidas durch Überkleben der Herkunftszeichen gelöst.10 @ Leichtathleten wechseln bisweilen allein aus Werbe- und Sponsoringgründen ihren Verein. Gut zahlende Sponsoren fordern aber ihren Tribut. So müssen 4

FAZ v. 06. 02. 1996, S. 28, und FAZ v. 07. 02. 1996, S 30. FAZ v. 31. 10. 1996, S. 33, und FAZ v. 15. 01. 1997, S. 29. 6 FAZ v. 13. 12. 1996, S. 34, und FAZ v. 19. 11. 1996, S. 40. 7 FAZ v. 15. 01. 1997, S. 29. 8 FAZ v. 12. 10. 1996, S. 30. 9 FAZ v. 28. 12. 1996, S. 21, und FAZ v. 18. 01. 1997, S. 25. 10 FAZ v. 19. 01. 1996, S. 29.

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einige Athleten von der LAC Quelle Fürth dem sponsernden Versandhaus als Models zur Verfügung stehen.11 @ Wegen Spiritismus wurde Mitte 1996 der Skilangläufer Mühlegg vom DSV für 15 Monate gesperrt.12 @ Der US-Basketballspieler Mahmoud Abdul-Rauf (Denver Nuggets) wurde im Frühjahr 1996 gesperrt, weil er sich aus religiösen Gründen geweigert hatte, die amerikanische Hymne mitzusingen.13 @ Andreas Goldberger wurde vor kurzem vom österreichischen Skiverband für sechs Monate gesperrt, weil er in der Öffentlichkeit reuig eingestanden hatte, in der Vergangenheit einmal Kokain konsumiert zu haben.14 Zunächst hatte der Verband den Ausschluß aus der österreichischen Nationalmannschaft angekündigt. Sponsoren drohten daraufhin mit ihrem Rückzug.15

3. Systematisierung Die Systematisierung der beispielhaft erwähnten Konflikte kann auf dreierlei Weise – nach den betroffenen Lebensbereichen, nach den Konfliktpartnern und nach den Konfliktinhalten – erfolgen. Zunächst läßt sich unterscheiden zwischen den folgenden Lebensbereichen: @ Training, @ Wettkampf, @ Ausbildung/Beruf, @ Freizeit. Dabei berühren die Konflikte häufig nicht nur einen Lebensbereich. Greift man das Beispiel des Kokainkonsums Andreas Goldbergers auf, so ist nicht nur der Freizeitbereich betroffen. Tangiert sind durch den zunächst verhängten Ausschluß aus dem österreichischen Nationalteam16 sowohl der Wettkampfbereich, als auch – mittelbar – das Training. Schließlich ist auch die eigene freiberufliche Werbetätigkeit durch die konfliktbedingte Imageveränderung berührt. Grafisch läßt sich die Systematisierung nach Lebensbereichen wie folgt darstellen (Abb. 1): 11

FAZ v. 10. 12. 1995, S. 33, und FAZ v. 24. 02. 1996, S. 31. FAZ v. 15. 08. 1996, S. 25. 13 FAZ v. 15. 03. 1996, S. 38 mit dem Hinweis, daß Muhammed Ali seinerzeit wegen Wehrdienstverweigerung vom Boxen ausgeschlossen wurde. 14 FAZ v. 23. 05. 1997, S. 39. 15 FAZ v. 22. 04. 1997, S. 36. 16 FAZ v. 23. 05. 1997, S. 39. 12

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Abbildung 1

Weiterhin können die Konflikte nach den Konfliktpartnern systematisiert werden. Sieht man den Athleten im Zentrum, so ergeben sich zumindest 23 potentielle Konfliktpartner. Die folgende Grafik soll das veranschaulichen (Abb. 2).

Abbildung 2

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Inhaltlich ergeben sich – abhängig vom Grad der Professionalisierung und Kommerzialisierung – insbesondere folgende Konflikte: @ Nominierung (für Kader-, für Nationalmannschaft), @ Training (Recht, Pflicht, Bedingungen), @ sportmedizinische Betreuung (auch freie Arztwahl), @ physiotherapeutische Betreuung, @ Ausrüstung (Benutzungsrecht/-pflicht, -bedingungen), @ Werbung (Recht, Pflicht, Recht auf Werbefreiheit), @ Dopingverbot (Einverständnis mit Kontrollmaßnahmen), @ Erstattung von Kosten (z. B. Fahrtkosten, allgemeine Lebensführung, Versicherung), @ Informationspflichten (Transparenz) und Informationsverbote, @ Teilnahmerechte und -pflichten am Wettkampf, @ finanzielle Teilhabe an den Veranstaltungserlösen (Startgeld, Prämien).

III. Rechtlicher Qualitätsmaßstab: Fairer Interessenausgleich i. S. v. § 242 BGB bzw. § 9 I AGBG Der rechtliche Qualitätsmaßstab für Athletenverträge und athletenbezogene Regelungen ergibt sich aus dem „Ernstfall“ der gerichtlichen Überprüfung. Insofern ist zu berücksichtigen, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den letzten Jahren bei sozial und/oder wirtschaftlich mächtigen Verbänden – wie es die Sportverbände sind17 – zu einer sehr weitgehenden gerichtlichen Kontrolle gelangt ist. Diese umfaßt neben der Korrektheit der Tatsachenfeststellung18 und der Subsumtion19 insbesondere die Inhaltskontrolle20. Der Norminhalt wird nicht mehr nur auf grobe Unbilligkeiten oder Willkür, sondern auf Billigkeit, d. h. auf seine sachliche Rechtfertigung bzw. Angemessenheit hin überprüft. Man kann deshalb von 17 Vgl. nur Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 (13 u. 19). 18 Seit 1984: BGHZ 87, 337 (344) = NJW 1984, 918 (919) = JZ 1984, 186 (187); dazu Vieweg, JZ 1984, 167 ff. sowie ders., Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Sportverbände, Berlin 1990, S. 235 f.: Belassung von Beurteilungs- und Entscheidungsspielräumen für konkrete Detailwertungen. 19 Seit 1988: BGHZ 102, 263 (276) = NJW 1988, 552 (555). 20 Seit 1989: BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726).

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einer vollumfänglichen Inhaltskontrolle sprechen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat diese Inhaltskontrolle nunmehr auch auf vertragliche bzw. individualrechtliche Vereinbarungen zwischen Verbänden und Sportlern erstreckt, die den Sportler an Satzungs- und Ordnungsbestimmungen eines sozial und/oder wirtschaftlich mächtigen Verbands binden21. Gleiches muß für Athletenvereinbarungen gelten, die – auch ohne explizit auf die Satzungen und Ordnungen des Verbands zu verweisen – anstelle dieser Bestimmungen das Verhältnis zwischen Verband und Athlet regeln. Nach der zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bei der Inhaltskontrolle von Verbandsnormen – gleiches gilt für Verträge zwischen Verband und Athlet – Prüfstein der in § 242 BGB niedergelegte Grundsatz von Treu und Glauben22. Dessen Anwendung führt im Endergebnis zur Berücksichtigung und Abwägung der beiderseitigen Interessen, die – vermittelt – auch Drittinteressen einschließen23. Dabei entsprechen Analyse und Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, das – dem Grundsatz der praktischen Konkordanz folgend – das Spannungsverhältnis konkurrierender Grundrechtspositionen des Verbands einerseits und des Athleten andererseits auflöst24. Abgesehen vom generell feststehenden Umfang der gerichtlichen Inhaltskontrolle wird die Prognose konkreter Ergebnisse durch drei Aspekte relativiert: Zum einen sind Wertungsentscheidungen naturgemäß im Ergebnis offener; zum anderen ist die konkret verwertbare Rechtsprechungsbasis, die sich erst im Anschluß an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 198925 zur umfassenden Inhaltskontrolle bilden konnte, noch äußerst schmal. Denkbar ist zum dritten, daß die Rechtsprechung die Anforderungen an den fairen Interessenausgleich i. S. v. § 242 BGB nicht nur inhaltlich bestimmt, sondern auch verfahrensrechtliche Aspekte heranzieht, die für einen fairen Interessenausgleich sprechen26. Insofern ließe sich in

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BGHZ 128, 93 (101) = NJW 1995, 583 (585) = SpuRt 1995, 43 (46) – Reitsport. Vgl. auch Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: Großfeld/Leßmann/ Vollmer, Festschrift für Rudolf Lukes, 1989, S. 809 (815). 23 Ähnliches würde bei der alternativ in Betracht zu ziehenden Anwendung des § 9 I AGBG gelten. Vgl. Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99 f.) m. w. N.; vgl. auch Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 (18 ff.). 24 Vieweg, Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 36 ff. 25 BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726). 26 Vgl. allgemein zur Bedeutung rechtsstaatlicher Grundsätze für verbandsrechtliche Entscheidungen Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 (24 f.) sowie Buchberger, SpuRt 1995, 122 ff. u. 157 ff. 22

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Analogie zur wechselseitigen vereinsrechtlichen Förderpflicht27 auch im Verhältnis zwischen Athlet und Verband ein entsprechender Fördergedanke annehmen, der dogmatisch als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben i. S. v. § 242 BGB einzuordnen wäre. Aus diesem Fördergedanken könnte – quasi als Ersatz der im Rahmen einer Mitgliedschaft bestehenden vereinsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten – ein verfahrensrechtliches Gebot für den Verband abgeleitet werden, den Athleten bei Gestaltung und Anwendung der Athletenvereinbarungen Mitwirkungsrechte einzuräumen. Als deren Inhalt kämen die Verhandlungsparität, die frühzeitige Mitwirkung an der Gestaltung sowie die begleitende Kontrolle der (korrekten) Anwendung der Athletenvereinbarung in Betracht. Für eine dahingehende Einbeziehung verfahrensrechtlicher Aspekte spricht nicht zuletzt, daß auch in tatsächlicher Hinsicht mit gleichberechtigter Mitwirkung der Athleten die Wahrscheinlichkeit wächst, einen fairen und als solchen auch „gerichtsfesten“ Interessenausgleich als Verhandlungsergebnis zu erzielen.

IV. Originäre Zuordnung der Sportrechte Große Bedeutung für die rechtliche Bewertung des Athleteninteresses sowie generell für Konflikte im Sport haben die sog. Sportrechte. Mit ihnen können rechtlich erfaßbare Positionen im Bereich des Sports umschrieben werden, die dem Inhaber Befugnisse zur Nutzung – einschließlich der Vermarktung – und zum Ausschluß Dritter verleihen. Relativ problemlos sind die Rechte am Sportgerät und an der Sportstätte zuzuordnen. Sie stehen gem. § 903 BGB originär dem jeweiligen Eigentümer zu. Komplizierter sind die Konsequenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das insbesondere den Athleten spezielle Abwehr- und entsprechende Vermarktungsrechte gibt. Zu den hiervon erfaßten, unmittelbar mit der Person des Athleten verbundenen Aspekten, gehören sein Bild, seine Stimme, sein Name, seine sportlichen Leistungen und Erfolge, seine Aussagen sowie andere Ausdrucks- und Erscheinungsformen seiner Persönlichkeit. Der rechtliche Schutz ergibt sich aus Art. 1 I i. V. m. 2 I, 12 I GG, §§ 823 I, 1004, 812 I 2 1. Alt. BGB. Da es sich beim Persönlichkeitsrecht lediglich um ein Rahmenrecht handelt, ist die Konkretisierung seines Schutzbereichs – soweit nicht bereits wie in §§ 22 – 24 KUG gesetzlich erfolgt – im Einzelfall durch eine Güterabwägung mit den tangierten Rechten und Rechtsgütern Dritter erforderlich28. Rein wirtschaftliche Drittinteressen – wie die des Sponsors an der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsaspekten – können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Athleten nicht rechtfertigen29. Denkbar ist 27 Vgl. Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl. 1995, Rdnr. 608 ff. 28 BGHZ 24, 72 (80); 45, 296 (307). 29 So zutreffend auch Netzle, Sponsoring von Sportverbänden, 1987, S. 107.

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hingegen, daß die Pressefreiheit gem. Art. 5 I 2 GG und das öffentliche Informationsinteresse30 sowie das Verbandsinteresse31 im Einzelfall ein Zurücktreten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigen. Das Verbandsinteresse überwiegt das Individualinteresse aber nicht schon deshalb, weil es kollektiv ist. Originäre Rechte einzelner Vereine und Verbände sind z. B. das Namensrecht i. S. v. § 12 BGB und die weiteren aus dem Persönlichkeitsrecht32 erwachsenden Rechte und Rechtsgüter sowie das Eigentum z. B. an Werbeflächen und Organisationsmitteln. Zudem umfaßt die Vereins- bzw. Verbandsautonomie die Befugnis, durch Normsetzung und -anwendung die Vereins- bzw. Verbandstätigkeiten kommerziell zu verwerten. Dabei sind die Befugnisbereiche von internationalem Verband, nationalem Verband, Verein und Athleten klar voneinander abzugrenzen. So ist es zunächst einmal Sache des Vereins bzw. Verbands, ob und in welchem Umfang er bei den von ihm durchgeführten Veranstaltungen Werbung betreibt. Hingegen ist es Sache der Athleten, in welchem Umfang sie ihre Persönlichkeit vermarkten. Besondere Rechte stehen dem Veranstalter, also dem zu, in dessen Händen die organisatorische Vorbereitung und Durchführung der Sportveranstaltung und die Übernahme ihres finanziellen Risikos liegen33. Häufig sind demnach Vereine und Verbände Veranstalter. Abgesehen von vereinzeltem spezialgesetzlich konkretisierten Rechtsschutz34 können die Veranstalterrechte aus dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 12 I, 14 I GG i. V. m. §§ 823 I, 1004 BGB analog) und – falls ein Verein oder Verband als Veranstalter auftritt – aus der Vereins- bzw. Verbandsautonomie einschließlich der Persönlichkeitsrechte des Vereins bzw. Verbands erwachsen. Im Ergebnis stehen dem Veranstalter alle veranstaltungsbezogenen verwertungsfähigen Rechte zu, soweit es sich nicht um originäre Rechte der Athleten, Sportstätten- und Sportgeräteeigentümer oder teilnehmender Vereine handelt. Insbesondere der Titel der Veranstaltung sowie die Befugnis, Sponsorenzusätze (wie z. B. „VELTINS Basketball Bundesliga“) und Prädikate („Offizieller Sponsor“ der Xy-Veranstaltung) zu vergeben, stehen originär dem Veranstalter zu. 30 Siegfried, Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, 1990, S. 58 f. weist darauf hin, daß Eingriffe durch Fernsehsender nicht nur durch die Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse gerechtfertigt sind, sondern regelmäßig auch im Interesse des Athleten an der Popularität der Veranstaltung und seiner Leistungen stehen. 31 Vgl. Netzle, Sponsoring von Sportverbänden, 1987, S. 108 f., und Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 53 (78 u. 83 f.). 32 Vgl. zum Persönlichkeitsrecht juristischer Personen BGH NJW 1975, 1882 (1883). 33 BGH GRUR 1956, 515 (516); 1960, 253 (255), KG WuW/E OLG 5565 (5573) = SpuRt 1996, 199 (200) – UEFA-Cup-Heimspiele. 34 Einschlägig können das Namensrecht gem. § 12 BGB und in Teilbereichen auch der Markenschutz sein: So kann man bei dem FIFA- oder UEFA-Logo davon ausgehen, daß der Markenschutz durch die i. S. v. Art. 6bis der Pariser Übereinkunft zum Schutz gewerblichen Eigentums geforderte notorische Bekanntheit vorliegt.

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Insgesamt zeigt sich, daß im Sport zahlreiche Rechte und Rechtsgüter der Beteiligten miteinander in Konflikt geraten können. Hieraus resultieren zwei Risiken: Zum einen sind Übergriffe in Rechtspositionen der Athleten – z. B. durch ungefragte Einbeziehung in Vermarktungsverträge – an der Tagesordnung. Zum andern sind wechselseitige Blockaden leicht möglich. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es demgemäß naheliegend, daß einzelne Beteiligte ihre Rechte auf andere übertragen oder ihnen zumindest eine Nutzungsbefugnis einräumen. Eine solche Rechteübertragung oder Nutzungsgestattung muß aber gewisse Anforderungen erfüllen, um rechtswirksam zu sein. Neben der Freiwilligkeit ist stets erforderlich, daß die vorgenommene Zuordnungsverschiebung fair ist. Ist sie in Verbandsregeln oder Athletenvereinbarungen vorgesehen, so muß sie, um „gerichtsfest“ zu sein, der oben dargestellten Interessenabwägung nach § 242 BGB standhalten.

V. Analyse und Abwägung der Interessen von Athlet und Verein bzw. Verband in Konfliktfällen 1. Grundsituation Die Grundsituation der Athleten- sowie Vereins- und Verbandsinteressen ist sowohl durch einen partiellen Interessengleichlauf35 als auch durch partielle Interessendivergenzen gekennzeichnet. Die Interessen decken sich etwa im Bereich der allgemeinen Förderung der jeweiligen Sportart. Verband, Verein und Athlet sitzen – bildlich – „in einem Boot“. Die Interessen divergieren hingegen nicht selten im Bereich der Vermarktung: Vor allem erfolgreiche Sportler wollen sich selbst vermarkten, während der Verband regelmäßig eine weitgehende Gesamtvermarktung der in „seiner“ Sportart entfalteten Aktivitäten anstrebt. Eine Überbetonung entweder des Verbandszwecks oder aber des Athleteninteresses schon vom Grundsatz her läßt deshalb nicht erwarten, daß die konkreten Konfliktregelungen einem fairen Interessenausgleich entsprechen. Problematisch ist deshalb im dritten Absatz der Präambel der DSB- und DLV-Muster-Athletenvereinbarung36 der Satzteil, der die gemeinsame Erreichung des Verbandszwecks als Ziel festschreibt.37 35 Nach BGHZ 128, 93 (101 ff.) = NJW 1995, 583 (585) = SpuRt 1995, 43 (46 f.) soll das AGBG wegen der grundsätzlich gleichgerichteten Interessenlage von Athlet und Verband auf Unterwerfungserklärungen keine Anwendung finden. 36 SpuRt 1996, 189 ff.; dazu Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 ff. u. 187 ff. 37 Daß der Verbandszweck und die zu seiner Konkretisierung in der Satzung genannten Aufgaben des Verbands und das Athleteninteresse divergieren können, zeigt sich z. B. in § 2 lit b), 1. Spiegelstrich Satzung des Deutschen Skiverbands e. V. (Stand: 23. 06. 1996), wonach der DSV „den Skisport (…) gegenüber den Medien, der Wirtschaft und Industrie vertritt“, und in § 2 Abs. 2, 3. Spiegelstrich Satzung des Deutschen Basketball Bundes e. V. (Stand: 1996), wonach zu den Aufgaben des DBB auch die „Wahrnehmung der Rechte zur Medienwiedergabe von Basketball-Veranstaltungen“ gehört.

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Ebenso würde eine Pauschalakzeptanz der von Verbandsseite erstellten Regelungen ohne einen Vorbehalt hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Wertungen des staatlichen Rechts (§ 242 BGB) einen fairen Interessenausgleich nicht ohne weiteres nahelegen38. Insofern ist die nur höchst mittelbare – gegen Null tendierende – Mitwirkungsmöglichkeit der Athleten beim Zustandekommen von Verbandsregelungen zu berücksichtigen. Ein fairer Interessenausgleich fordert zudem – wie oben bereits erläutert – verfahrensrechtlich eine Mitwirkung der Athleten, die aus § 242 BGB als verfahrensrechtliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben in Analogie zur Förderpflicht und zu den Mitwirkungsmöglichkeiten des Vereinsmitgliedes abzuleiten ist. Insofern lassen einige Regelungen der Muster-Athletenvereinbarung des DSB bzw. des DLV noch Fragen offen. Punkt 3.3.1 spricht nur von der Ermöglichung eines Mitspracherechts in allen den Leistungssport betreffenden Fragen. Dies ist unscharf, weil – wie dargestellt – das Mitspracherecht auch ohne eine Ermöglichung durch den Verband besteht, und macht nicht deutlich genug, daß die Athleten in allen von der Athletenvereinbarung betroffenen Punkten ein gleichberechtigtes Mitwirkungs- und Kontrollrecht haben. Auf dieser Grundlage verwundert es nicht, daß auch die Regelung zu 3. über das Bemühen des Verbands, die Leistungen Dritter (z. B. von Sponsoren) zu ermöglichen, eine Athletenmitwirkung z. B. bei der Wahl von Sponsoren oder Ausrüstern nicht vorsieht. Ebensowenig ist eine Mitgestaltung des Verteilungsschlüssels für Vermarktungserlöse in 3.4 vorgesehen. Die in 4.2.2 vorgesehene Möglichkeit, die Athleten gegen Entgelt zu weiteren publizitätsfördernden Maßnahmen zu verpflichten, negiert Mitwirkungsrechte der Athleten in dieser Beziehung. 2. Konkrete Konfliktsituationen im Zusammenhang mit der Vermarktung a) Auswahl: Vermarktungsproblematik Von den oben aufgeführten Konfliktinhalten39 steht die Vermarktungsproblematik angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports heute im Zentrum der Differenzen zwischen Verbänden und Athleten40. Sie ist deshalb im folgenden Gegenstand der Interessenanalyse und -abwägung. Anschließend werden die Konfliktsituationen bei einzelnen Veranstaltungen und bei Auftritten der Nationalmannschaft separat untersucht. Zusammenfassend werden schließlich die gefundenen Kriterien eines fairen Interessenausgleichs dargestellt. 38

Insofern zu weitgehend Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 (111). Siehe oben II. 3. 40 Man muß insofern auch von einem Austauschverhältnis ausgehen. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 (110 ff.) favorisieren, müßte ausführlicher und mit anderem Inhalt ausfallen. 39

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b) Interessenanalyse Das Interesse des Verbands besteht bei der Vermarktung darin, hohe bzw. maximale Erträge aus der kommerziellen Verwertung des Sports – sei es aus sportlichen Auftritten des Verbands, sei es in der vom Verband vertretenen Sportart oder aus eigenen Sportveranstaltungen – zu erzielen. Mittelbarer Zweck ist die Finanzierung der Verbandstätigkeit und des Veranstaltungsetats sowie eine Umverteilung der Erlöse, um sportlich und/oder finanziell schwächere Regionen, Landesverbände, Vereine und Sportler zu fördern. Dabei ist generell von einem gestiegenen Finanzierungsbedarf zur Deckung z. B. der Materialkosten und des kostenintensiven Trainingsaufwands auszugehen. Das Interesse des Sportlers geht dahin, Art und Umfang, „Ob“ und „Wie“ der wirtschaftlichen Nutzung seiner sportlichen Leistungen zumindest dann selbst zu bestimmen, wenn er einen eigenen Marktwert hat. Des weiteren ist er regelmäßig daran interessiert, neben seiner sportlichen Leistung auch die Erlöse aus Werbeund Sponsoringverträgen zu optimieren bzw. maximieren. Erfolgreiche Sportler mit hohem eigenen Vermarktungswert haben insbesondere das Interesse, die Früchte der eigenen Leistung auch selbst – jedenfalls zu einem großen Teil – zu ernten. Weniger vermarktungsattraktive bzw. -geschickte Sportler werden demgegenüber nach einer hohen Beteiligung an den Werbe- und Sponsoringerlösen anderer Sportler bzw. an einer zentralen Vermarktung z. B. durch den Verband streben. Dementsprechend läßt sich zwischen Verbands- und Athleteninteressen im Bereich der Vermarktung partiell auch ein gewisser Gleichlauf beobachten. Für eine zentrale Vermarktung der Persönlichkeitsaspekte vieler teilnehmender Sportler sprechen Praktikabilitätsgründe: Nicht jeder Athlet findet einen Sponsor. Unabgestimmtes Einzelsponsoring relativiert möglicherweise auf Grund der Konkurrenzkonflikte den Werbewert und führt damit zu geringeren Erlösen. Ebenfalls liegt ein Interessengleichklang vor, soweit die durch die Erlöse finanzierte Verbandstätigkeit – wie die Durchführung von Kaderlehrgängen – auch im Interesse des Athleten liegt. c) Interessenabwägung Die Abwägung der konträren Interessen von Verband und Athleten wird häufig ergeben, daß weder die einen noch die anderen so im Vordergrund stehen, daß sie die Gegenseite verdrängen können. Die kollidierenden rechtlich geschützten Interessen müssen vielmehr im Wege der praktischen Konkordanz41 zum Ausgleich gebracht werden. Maßgeblich wird damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit den folgenden entscheidenden Aspekten: Intensität und Art des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Sportlers, Zweck des Eingriffs sowie finanzielle Beteiligung des Sportlers am Erlös. Dabei kommt es hinsichtlich der Intensität und der Art 41 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.); 39, 111 (143); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnrn. 72 u. 317 f.

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des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Sportlers z. B. darauf an, ob sein Name oder Bild durch Verbindung mit dem Produkt eines Sponsors gezielt verwertet werden soll oder ob es sich um die bloße Sportausübung vor Banden- oder Reiterwerbung handelt. Generell wird man sagen können: Je personenbezogener die Verwendung erfolgen soll, desto weniger läßt sie sich durch Verbandsinteressen rechtfertigen. Hinsichtlich des Zwecks des Eingriffs kann man danach differenzieren, ob lediglich ein Veranstaltungsetat gedeckt werden soll oder ob der Verband seine sonstigen Kosten decken und durch ein Verbot individuellen Sponsorings sein Eigensponsoring absichern will. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist im kommerzialisierten und professionalisierten Sport letztlich die organisatorische und finanzielle Beteiligung der Athleten entscheidend. Eine Einbindung der Athleten bzw. ihrer Vertreter vor Abschluß der Sponsoringverträge sowie die Vereinbarung von Vertragstransparenz und wechselseitiger Information sprechen ebenso wie die angemessene finanzielle Beteiligung der Athleten am Sponsoringerlös für die Wirksamkeit der entsprechenden Verbandsregelungen bzw. Vertragsklauseln. Insofern kann das Konzept der DSB- und DLV-Muster-Athletenvereinbarung noch nicht vollständig überzeugen. Eine frühzeitige gleichberechtigte Mitwirkung der Athleten an den Vermarktungsregeln ist nicht vorgesehen. d) Konflikte anläßlich einzelner Veranstaltungen Betrachtet man einzelne Veranstaltungen, so dürfte die notwendige Zusammenarbeit für das im Interesse aller liegende „Gesamtprodukt“ Veranstaltung im kommerzialisierten und professionalisierten Sport auch die Pflicht zur Kooperation hinsichtlich der Verwertung sponsoringrelevanter Rechte und Rechtsgüter beinhalten, um den Veranstaltungsetat zu decken. Übersteigt der durch Sponsoring erzielbare Erlös die Veranstaltungskosten, erhalten die wechselseitigen Förder-, Rücksichtnahme- und Informationspflichten besondere Bedeutung. Die Erfüllung dieser Pflichten gewährleistet den rechtlich erforderlichen angemessenen Ausgleich der beteiligten Interessen. Verstöße gegen diese wechselseitigen Pflichten können zu Schadensersatzansprüchen auf beiden Seiten führen.42

42 Als Anspruchsgrundlagen kommen dabei in Betracht: pVV, pMV, §§ 325, 326 BGB, § 823 I BGB (Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Mitgliedschaftsrecht, evtl. Vereinsrecht [vgl. BGHZ 52, 393 (397) und BGH NJW 1970, 378 (381)]), § 826 BGB (Knebelung, Behinderung, evtl. auch Verleitung zum Vertragsbruch), § 1 UWG (Behinderung, Marktstörung, Verleitung zum Vertragsbruch), § 26 II i. V. m. § 35 GWB sowie § 823 II BGB i. V. m. Art. 86 EGV. Dazu näher Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 53 (84 f.).

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e) Konflikte anläßlich von Auftritten der Nationalmannschaft Bei den Auftritten der Nationalmannschaft kommt das Interesse des Verbands an einer einheitlichen Erscheinung hinzu. Bedeutung kann insofern auch die Finanzierung von Sportmitteln (Sportgerät, Sportkleidung) durch den Verband erlangen. Beide Aspekte können ein Entgegenkommen der Athleten fordern. Doch darf der Verband mit dem Argument einer einheitlichen Erscheinung nicht mehr als das hierzu Erforderliche verlangen. Einheitliche Farben und einheitliches Design der Sportkleidung und evtl. des Sportgeräts dürften genügen. Eine gewisse Anzahl von Aufdrucken eigener Werbepartner oder Sponsoren der einzelnen Sportler dürfte dem nicht entgegenstehen, solange der einheitliche Eindruck dadurch nicht verloren geht. Insofern gehen die Regelungen in Punkt 4.2.1 der DSBund DLV-Muster-Athletenvereinbarungen über die Werbung bei Auftritten der Nationalmannschaft zu weit. Werden Sportmittel – wie es häufig der Fall ist – kostenlos von Ausrüstern bereitgestellt, die sich damit einen Werbevorteil erhoffen, so greift das Verbandsfinanzierungsargument nicht. Gerade dann ist die Rücksichtnahme auf Athleteninteressen von besonderer Bedeutung, da die sportliche Leistungsfähigkeit der Athleten durch die Ausrüstung betroffen sein kann. Schon aus diesem Grund empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung aller Beteiligten. Damit werden zudem Konflikte vermieden, die sich daraus ergeben, daß Vereinbarungen des Verbands mit Ausrüstern leicht zu Verträgen zu Lasten Dritter – der Athleten – werden. Solchen Verträgen versagt die Rechtsordnung bekanntermaßen die Wirksamkeit. Zu denken ist auch – freilich unter dem Vorbehalt der Praktikabilität43 – an Öffnungsklauseln, die es jedem Sportler auf Wunsch ermöglichen, in den Schranken der Anforderungen an einen einheitlichen Mannschaftsauftritt in eigener Ausrüstung zu erscheinen. Gleiches gilt im Bereich der Werbung und des Sponsoring44, wo eine Kombination von gemeinsamer und eigener Vermarktung bzw. das Bestehen einer Option hierauf zu insgesamt höheren Einnahmen und zu einer besseren Akzeptanz durch die Athleten führen dürfte. Ein solcher Wunsch muß dann aber frühzeitig geäußert werden, damit sich alle Seiten darauf einstellen können und Fehlplanungen oder -investitionen vermieden werden.

43 Probleme entstehen vor allem dadurch, daß eine „Teamausrüstung“ durch den Verband in der Regel nur möglich ist, wenn die Leistungsträger des Teams beteiligt sind. Gerade die Leistungsträger sind aber die Hauptinteressenten für Öffnungsklauseln. Es kann deshalb schwierig sein, einen Ausrüster zu finden, der Verträge mit Öffnungsklauseln akzeptiert. 44 Vgl. zur erforderlichen Einwilligung des Sportlers zu Werbemaßnahmen im Rahmen eines Sponsoring-Vertrags Reichert, Sponsoring und nationales Sportverbandsrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 31 (45 ff.).

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f) Kriterien eines fairen Interessenausgleichs Es ergeben sich somit als Eckpunkte eines „idealen“, d. h. fairen Interessenausgleichs im Bereich der Vermarktung folgende Kriterien: @ frühzeitige Abstimmung gemeinsamer und individueller Vermarktung; @ keine „vollendeten Tatsachen“ durch Verträge zu Lasten Dritter, insbesondere zu Lasten der Athleten; @ frühzeitige Mitwirkung, begleitende Kontrolle und angemessene finanzielle Beteiligung – nach einem Schlüssel entsprechend den sportlichen Leistungen – im Bereich der gemeinsamen bzw. Gesamtvermarktung (insbesondere jedenfalls annähernde Kompensation der Mindereinnahmen wegen unterlassener Eigenwerbung); @ Öffnungsklauseln (soweit praktikabel) unter der Bedingung frühzeitiger Information und mit der Konsequenz des Ausschlusses einer finanziellen Teilhabe an Erlösen aus der gemeinsamen Vermarktung; @ Kombination von gemeinsamer Werbung und Eigenvermarktung (soweit praktikabel). Vergleicht man diese Kriterien mit den Regelungen in der DSB-und DLV-Muster-Athletenvereinbarung, so vermag diese noch nicht vollständig zu überzeugen. So läßt das in Punkt 3. postulierte „Bemühen“ des Verbands um zahlende Dritte sowohl eine frühzeitige gleichberechtigte Mitwirkung der Athleten als auch eine Abstimmung mit ihnen vermissen. Das einseitige Beanspruchen der Vermarktungsbefugnis ist auch insofern unangemessen, als der Verband im Gegenzug keine Pflicht zur Vermarktungsoptimierung übernimmt, um Mindereinnahmen der Athleten auszugleichen. Ähnliche Bedenken weckt die Regelung in Punkt 3.3.3 über die gesamtsportliche Interessenvertretung der Sportart durch den Verband gegenüber der Wirtschaft. In Punkt 3.3.1 wird den Athleten ein Mitspracherecht für sportliche Belange eingeräumt. Es ist nicht ersichtlich, ob damit auch – wie rechtlich geboten – die Vermarktung gemeint ist. Das Verbot der Teilnahme an nicht verbandsorientierten Wettkämpfen in Punkt 4.1.2 vereitelt neben einer verbandsunabhängigen Sportausübung auch das verbandsunabhängige eigene Sponsoring. Es ist daher rechtlich höchst zweifelhaft. Die Regelung in Punkt 4.2.1 hinsichtlich der Ausrüstung mit und der Werbung auf der Kleidung im Rahmen von Einsätzen der Nationalmannschaft dürfte zu weit gehen.

VI. Monetäre Leistungsbewertungen zur Konfliktsteuerung? Im Zusammenhang mit der Kommerzialisierung läßt sich überlegen, ob durch eine umfassende monetäre Bewertung der einzelnen Leistungen von Athlet und Verband insbesondere mit der Vermarktung auftretende Konflikte vermieden, ge-

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mildert oder besser gelöst werden können. Auf den ersten Blick mag die Idee faszinieren, einen fairen Interessenausgleich dadurch zu erzielen, daß man die in der Athletenvereinbarung erwähnten Leistungen von Verband und Athlet in Geldbeträgen ausdrückt. An eine monetären Bewertung könnte etwa bei vorzeitiger Beendigung einer sportlichen Karriere und damit der Zusammenarbeit zwischen dem Athleten und dem Verein oder Verband gedacht werden. Daß mit einer solchen Entscheidung des Athleten für seinen Verein und/oder Verband möglicherweise erhebliche negative wirtschaftliche Folgen ausgelöst werden, liegt auf der Hand.45 Monetäre Leistungsbewertungen könnten auch dann eine Rolle spielen, wenn Amateurvereine und -verbände einen finanziellen Ausgleich für die „Ausbildung“ von Spitzensportlern bzw. eine angemessene Beteiligung an den von den Spitzensportlern später erwirtschafteten Beträgen einfordern. Eine monetäre Bewertung der beiderseitigen Leistungen könnte hier vielleicht als Geschäftsgrundlage angesehen werden. Bei vorzeitiger Beendigung des Leistungsaustausches wäre je nach dem, in wessen Risikosphäre der Beendigungsgrund zu sehen ist, ein finanzieller Ausgleich herbeizuführen. Im Ergebnis bestünde eine gewisse Nähe zur Vertragsstrafe. Nützlicher Begleiteffekt einer monetären Bewertung wäre, daß sich die Konfliktbeteiligten klar darüber würden, um welche Leistungen es geht, daß diese einen wirtschaftlichen Wert haben und – auf der Gegenseite – mit Kosten bzw. Einbußen von persönlicher Freiheit usw. verbunden sind. Fraglich ist allerdings, ob eine umfassende monetäre Bewertung der einzelnen Leistungen von Athlet und Verein bzw. Verband als Grundlage einer Bilanzierung in praktischer Hinsicht überhaupt möglich und zweckmäßig ist. Zahlreiche Probleme treten auf. Zu erwähnen ist zunächst das Problem von Prognoseentscheidungen, z. B. der Prognose des „Marktwerts“ eines erfolgversprechenden Jugendlichen und der zur Realisierung des Erfolgs nötigen „Investitionskosten“ des Verbands. Dabei bleibt noch unberücksichtigt, ob die Erhöhung von Ruhm und Anerkennung und die Verbesserung des Images eines Sportverbands bzw. der von ihm repräsentierten Sportart durch einen populären Athleten – z. B. Boris Becker für den Deutschen Tennis-Bund – überhaupt in Geld meßbar sind. Auch stünde in diesem Zusammenhang angesichts des ideellen Vereins- bzw. Verbandzwecks zu befürchten, daß die monetäre Leistungsbewertung einseitig zu Lasten der Athleten erfolgen würde, um nicht das Risiko einzugehen, die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Nicht auszuschließen wäre schließlich, daß angesichts der Monopolstellung des Verbands die Bewertung von vornherein verzerrt würde und dem Maßstab der Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB nicht stand hielte. Im Ergebnis sind monetäre Leistungsbewertungen daher kritisch zu sehen und dies ganz besonders – aber nicht nur – bei jungen Athleten im noch nicht kom45 Beispielsweise ließ das kurzfristige Ausscheiden des Profi-Fußballspielers Cantona aus dem englischen Klub Manchester United dessen Börsenkurs an einem Tag um rund 25 Mio. DM fallen. Vgl. FAZ v. 22. 05. 1997, S. 34.

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merziell nutzbaren Bereich. Die Vereinbarung einer monetären Leistungsbewertung quasi als Geschäftsgrundlage mit der Konsequenz eines finanziellen Ausgleichs bei vorzeitigem Ausscheiden dürfte nach dem oben entwickelten Maßstab des fairen Interessenausgleichs allenfalls bei kurzfristiger Bindung rechtlich zulässig sein. So scheint es beispielsweise rechtlich nicht angreifbar, wenn Kaderathleten für eine Saison an den das Training, die Sportmittel und die Wettkampfteilnahme finanzierenden Verband derart gebunden werden, daß sie bei vorzeitigem Ausscheiden ohne wichtigen Grund die deshalb vergeblichen Aufwendungen und mögliche Schäden des Verbands ersetzen müssen. Verträge mit langer Geltungsdauer und der Option für die Athleten, sich durch Zahlung erheblicher Beträge „freizukaufen“ – wie dies zur Vermeidung der Konsequenzen des Bosman-Urteils im Fußball diskutiert wird – dürften hingegen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalten. Insgesamt dürfte eine Konfliktbewältigung durch monetäre Leistungsbewertungen nur in einem sehr begrenzten Rahmen praktisch tauglich und rechtlich zulässig sein. Dieser Ansatz birgt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eher mehr Konflikt- als Befriedungspotential.

VII. Zusammenfassung Der methodische Ansatz einer Interessenanalyse als Instrument der Qualitätskontrolle von Athletenverträgen und athletenbezogenen Regelungen ermöglicht die Überprüfung dieser Verträge und Regelungen auf ihre Gerichtsfestigkeit und zeigt Regelungsbedarf und -lücken auf. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis geben Aufschluß über Athleteninteressen und mögliche Konflikte in Vereinen und Verbänden. Systematisch kann insofern nach den verschiedenen tangierten Lebensbereichen, nach den jeweiligen Konfliktpartnern und nach den konkreten Konfliktinhalten differenziert werden. Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung der Qualität von Athletenverträgen und athletenbezogenen Regelungen ist – vom Ernstfall der gerichtlichen Überprüfung ausgehend – eine vollumfängliche Inhaltskontrolle nach § 242 BGB bzw. § 9 I AGBG. Verträge und Regelungen halten danach der gerichtlichen Inhaltskontrolle nur stand, wenn sie angemessen sind. Dies führt – orientiert am Grundsatz der praktischen Konkordanz – zu einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen von Athlet einerseits und Verein bzw. Verband andererseits. Der Interessenausgleich erweist sich dann als fair, wenn sowohl inhaltliche als auch verfahrensrechtliche Anforderungen – insbesondere in Form der Athletenmitwirkung – erfüllt sind. Besonders konfliktträchtig ist die Vermarktung im Sport. Sie berührt die Interessen aller, die Sportrechte für sich in Anspruch nehmen. Die – konfliktsteuernde – Zuordnung der Sportrechte muß differenziert erfolgen. Neben das Eigentum an Sportgerät und -stätte tritt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Athleten, das

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ihnen hinsichtlich aller Ausdrucks- und Erscheinungsformen ihrer Person Abwehrund Vermarktungsbefugnisse verleiht. Der konkrete Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergibt sich dabei erst im Einzelfall aufgrund einer Güterabwägung mit Rechten Dritter. Insofern kommt auch ein Zurücktreten gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse oder dem Verbandsinteresse in Betracht. Vereinen und Verbänden stehen das Namensrecht, weitere aus der Persönlichkeit erwachsende Rechte, das Eigentum und die aus der Vereins- bzw. Verbandsautonomie abzuleitende Befugnis zur kommerziellen Verwertung ihrer Tätigkeit zu. Besondere Befugnisse hat der Sportveranstalter, d. h. der organisatorisch und finanziell für eine Veranstaltung Verantwortliche. Ihm stehen alle veranstaltungsbezogenen verwertungsfähigen Rechte zu, die – wie das Recht auf den Titel und die Befugnis zur Vergabe von Prädikaten – nicht ausschließlich anderen Beteiligten zustehen. Die Vielfalt der betroffenen Rechte birgt zwei Risiken: zum einen, daß Verträge geschlossen werden, die die Rechte Dritter – insbesondere der Athleten – verletzen; zum andern daß es bei der Vermarktung zu einer wechselseitigen Blockade kommt. Diese Problematik kann durch Rechteübertragungen und Nutzungsgestattungen gelöst werden. Deren Wirksamkeit setzt allerdings voraus, daß sie freiwillig erfolgen und inhaltlich fair sind. Die für eine Analyse und Abwägung der Interessen von Athlet und Verein bzw. Verband maßgebliche Grundsituation zeigt sowohl einen Interessengleichlauf als auch eine Interessendivergenz. Schon deshalb verbietet sich in Verträgen und athletenbezogenen Regelungen sowohl eine Überbetonung der Interessen oder Ziele des Vereins bzw. Verbands als auch die pauschale Akzeptanz des Verbandsregelwerks durch die Athleten. Auch bei der heute im Zentrum zahlreicher Differenzen stehenden Vermarktungsproblematik zeigt sich naturgemäß nur partiell ein Interessengleichlauf. Die Abwägung der konträren Interessen – Eigenvermarktung gegen Zentralvermarktung – führt zum Postulat der organisatorischen und finanziellen Beteiligung der Athleten als zentralem Aspekt eines fairen Interessenausgleichs, der auch die wechselseitigen Förder-, Rücksichtnahme- und Informationspflichten widerspiegelt. Eckpunkte sind insofern eine frühzeitige Abstimmung gemeinsamer und individueller Vermarktung, frühzeitige Mitwirkung, begleitende Kontrollen und angemessene finanzielle Partizipation im Falle gemeinsamer Vermarktung, Öffnungsklauseln sowie eine Kombination von Einzel- und Zentralvermarktung – beide allerdings unter dem Vorbehalt der Praktikabilität. Der Ansatz einer monetären Leistungsbewertung im Verhältnis zwischen Athlet und Verein bzw. Verband ist zur Konfliktsteuerung nur bedingt geeignet. Er führt zwar zu einer sorgfältigeren Betrachtung der wechselseitigen Interessen, birgt aber – von wenigen Ausnahmen abgesehen – sowohl faktisch als auch rechtlich eher mehr Konflikt- als Befriedungspotential.

Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte Das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbeziehungen der Sponsoringbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Sponsorings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligte am Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundlagen der Rechtsbeziehungen: Verbandsregelungen und Verträge . . . . . . . a) Verbandsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bindungswirkung und gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gerichtliche Kontrolle, insbesondere Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dilemma von Rechteinnehabung und -durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fall Christoph Langen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innehabung der sponsoringrelevanten Rechte und Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . a) Originäre Rechteinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigentum an Sportgeräten und Sportkleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlichkeitsrecht der Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Veranstalterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Derivative Rechteinhaberschaft aufgrund von Rechteübertragung und Einräumung von Nutzungsbefugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechteanmaßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktische Möglichkeiten der Durchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtliche Entscheidungen im Fall Christoph Langen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Athletenvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitbestimmungsmodell: Interessenvertretung der Athleten . . . . . . . . . . . . . . . d) Verwertungsgesellschaft oder Pool für Sportrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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* Erstveröffentlichung in Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart 1997, S. 22 – 55. Isolde Hannamann danke ich für ständige Diskussionsbereitschaft und tatkräftige Unterstützung.

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I. Einleitung Die wirtschaftliche Bedeutung des Sponsorings im kommerzialisierten und professionalisierten Sport steht außer Frage. Sponsoring läßt sich – quasi in Anwendung der Äquivalenztheorie – nicht hinwegdenken, ohne daß der (sportliche) Erfolg entfiele. Man mag z. B. wegen des während der Fußballweltmeisterschaft 19941 und der Olympischen Spiele 19962 in Atlanta zu beobachtenden WerbungsOverkills der weiteren Entwicklung des Sportsponsoring skeptisch gegenüberstehen. Unabhängig davon muß man jedoch anerkennen, daß Sponsoring zu einer festen Größe auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Sports geworden ist. Das gilt insbesondere für den fernsehrelevanten Sport3. Ist die Fernsehübertragung sichergestellt, schnellen die Sponsorenzahlungen in die Höhe. Sponsoring und Fernsehübertragung hängen insofern beinahe wie siamesische Zwillinge zusammen. Folge der unterschiedlichen Fernsehpräsenz der Sportarten ist, daß durch Sponsoring die finanziellen Möglichkeiten auch sportartspezifisch auseinanderdriften. Das gilt nicht nur für die Verbände und Vereine, sondern auch für die Athleten. Die rechtliche Erfassung folgt der wirtschaftlichen Entwicklung üblicherweise mit gehörigem zeitlichen Abstand nach. Man kann dieses Phänomen als „legal lag“ bezeichnen. Rechtliche Relevanz zeigt sich häufig eben erst dann, wenn sich nicht nur das entsprechende Problembewußtsein entwickelt, sondern auch forensisch manifestiert hat. Die Bereitschaft, Prozesse zu führen und das Prozeßrisiko zu tragen – man kann von „juristischen Selbstversuchen“ sprechen – indiziert gerade in Sportrechtsfällen häufig ein erhebliches Konfliktpotential und komplexe Rechtsfragen. Judikate fordern ihrerseits die Rechtswissenschaft heraus. Beide fördern – gewollt oder ungewollt – wiederum die Klagefreudigkeit. Ich möchte im folgenden von einem – vorerst fehlgeschlagenen – „juristischen Selbstversuch“ berichten, der einige Aspekte der Sponsoringproblematik4 ein1

Es gab 11 „Official Sponsors“, 8 „Marketing Partners“, 8 Unternehmen der Kategorie „Official Broadcasts/Services of Worldcup USA 1994“, 18 „Equipment Suppliers to Worldcup USA 1994“ und 22 „Regional Supporters“. Vgl. im einzelnen Klooz, Sportsponsoring – ein etabliertes Instrument der Unternehmenskommunikation, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 15 (22 f.). 2 Besonders bemerkenswert war die Werbung „We are not Sponsors of the Olympic Games“. 3 Der Werbeeffekt richtet sich auch nach der Exklusivität und Einprägsamkeit der Verbindung, die etwa zwischen dem Namen eines Sportlers oder einer Vereinsmannschaft und einem Produkt hergestellt werden kann. Entscheidend ist, wie lange und wie oft die Werbebotschaft jeweils an den Verbraucher herangetragen werden kann und ob dieser mit dem Produkt Positives verbindet. Eine zentrale Rolle kommt im Hinblick auf Zuschauerzahl, Zeitpunkt, Dauer und Art der Übertragungen dem Medium Fernsehen zu. Siehe hierzu Vieweg, Sponsoring und Sportrecht (Teil I), SpuRt 1994, 6 (7). 4 Vgl. zu dem Versuch einer rechtstatsächlichen Fallgruppenbildung Vieweg, Sponsoring und Internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 53 (55 ff.).

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drucksvoll belegt und in mehrfacher Weise juristisches Neuland betritt: der Fall des Bobweltmeisters Christoph Langen.5 Das Spektrum der in den beiden einstweiligen Verfügungsverfahren aufgetretenen Probleme ist breit: @ Eilbedürftigkeit und deren Ursachen; @ psychologische Situation eines Topathleten vor den für seine Eigenvermarktung wichtigen Wettkämpfen; @ hochkomplexe Zuständigkeitsfragen und das Problem der Verfahrensdauer bei einer Klage in Italien, dem Sitzstaat der FIBT;6 @ Zuordnung und Anmaßung sponsoringrelevanter Rechte; @ Ausübung von Funktionärsmacht und wirtschaftlichen Drucks aufgrund Monopolstellung; @ Kontrahierungszwang; @ fehlende Bereitschaft zur schiedsgerichtlichen Konfliktlösung; @ qualitativ verbesserungswürdige Verbandsnormen. Wir werden im folgenden also einiges Neuland betreten und vielleicht einen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts leisten. Dabei werden Grenzen deutlich werden, die uns nach neuen Lösungswegen suchen lassen. Doch zuvor einige Grundinformationen, die zum Verständnis der Gesamtproblematik unverzichtbar sind. Lassen Sie mich also kurz auf die Rechtsbeziehungen der Sponsoringbeteiligten (dazu II.) eingehen, bevor ich auf das Dilemma von Rechteinnehabung und -durchsetzung (dazu III.) zu sprechen komme.

II. Rechtsbeziehungen der Sponsoringbeteiligten7 1. Begriff des Sponsorings Beim Sponsoring8 geht es der Sache nach darum, daß der Gesponserte von seinem Vertragspartner – dem Sponsor – eine Zuwendung von Finanz-, Sach- und/oder 5

Siehe dazu im einzelnen unten III. Vgl. auch LG München I SpuRt 1995, 161 ff. (Katrin Krabbe). 7 Ausgeklammert werden die arbeitsrechtlichen Beziehungen, die für die Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte eine Rolle spielen können, wenn die betroffenen Athleten als Arbeitnehmer anzusehen sind. 8 Vgl. auch die Definition von Sponsoring in § 7 (1) des Rundfunkstaatsvertrages vom 31. 08. 1991: „Sponsoring ist der Beitrag einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an Rundfunktätigkeiten oder an der Produktion audiovisueller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person, ihre Tätigkeit oder ihre Leistung zu fördern.“ 6

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Dienstleistungen erhält und ihm dafür im Gegenzug die kommunikative – vor allem medienwirksame – Nutzung von Rechten gestattet.9 Im Unterschied zum traditionellen uneigennützig fördernden Mäzen verfolgt der Sponsor unternehmerische Marketing- und/oder Kommunikationsziele, und zwar in der Regel durch Mitgestaltung der gesponserten Aktivitäten im Hinblick auf die Medienpräsenz und die öffentliche Selbstdarstellung des Sponsors. Man spricht von Image-Transfer: Das Image, das die gesponserte Aktivität in der Öffentlichkeit genießt, soll sich mit dem Sponsor und dessen Unternehmungen verbinden. 2. Beteiligte am Sponsoring Am Sponsoring können all diejenigen beteiligt sein, die mit dem Sport – aktiv oder passiv –, der jeweiligen Veranstaltung und deren medialer Aufbereitung zu tun haben: Sponsoren, gesponserte Athleten oder Teams und mit ihnen vertraglich oder organisatorisch verbundene Vereine und Verbände, Trainer, Manager und Funktionäre, Eigentümer von Sportanlagen und Sportgeräten, Veranstalter, Zuschauer, Agenturen und Medien. Die Vielfalt der beteiligten Personen und Organisationen kommt in der Diamant-Graphik (S. 159) zum Ausdruck. 3. Interessenkonflikte Angesichts der Vielzahl der Sponsoringbeteiligten und ihrer unterschiedlichen individuellen Zielsetzungen gibt es trotz des gemeinsamen Interesses am Gelingen einer gesponserten Sportveranstaltung und am hohen Niveau der gezeigten sportlichen Leistungen eine Fülle von Interessenkonflikten zwischen den am Sponsoring Beteiligten. Interessenkonflikte lassen Rechtsprobleme erwarten. Betrachtet man die Diamant-Graphik, so werden schon 28 mögliche Konfliktkonstellationen dargestellt. Auf die für die vorliegende Problematik wichtigsten Interessenkonflikte10 soll kurz exemplarisch eingegangen werden: Das Konfliktspektrum im Verhältnis des Gesponserten (Athlet, Mannschaft, Verein, Verband) zum Sponsor entspricht dem sonstiger Vertragsverhältnisse. Es reicht von der Nichtzahlung des Sponsors über Nichterfüllung vereinbarter Leistungen durch den Gesponserten bis hin zu Fragen der Vertragsauslegung und -anpassung sowie der Inhaltskontrolle formularmäßiger Sponsoringverträge. Von dem

9 Hermanns/Püttmann, Grundlagen, Wirkungen und Management des Sponsorings, DBW 1992, S. 185 ff.; zu den Arten und zur wirtschaftlichen Bedeutung des Sponsoring vgl. näher: Vieweg, Sponsoring und Sportrecht (Teil I), SpuRt 1994, 6 (7 f.). 10 Vgl. im einzelnen Vieweg, Sponsoring und Sportrecht (Teil I), SpuRt 1994, 6 (8 ff.). Außer Betracht bleiben hier aus Raumgründen insbesondere die folgenden (potentiellen) Konfliktbeteiligten: Medien, Sportanlageneigentümer, Veranstalter, Agenturen und Zuschauer sowie die Konkurrenzsituationen z. B. zwischen Ko-Sponsoren oder Fernsehgesellschaften.

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Verhältnis zwischen Gesponsertem und Sponsor sind mittelbar die Beziehungen des Gesponserten zu den anderen am Sponsoring Beteiligen betroffen. Interessenkonflikte zwischen dem Gesponserten und den mit ihm organisatorisch oder vertraglich Verbundenen betreffen insbesondere die in einer „Sportverbandspyramide“ zusammengeschlossenen internationalen und nationalen Verbände, Vereine, Mannschaften und Athleten. Gegenstand der Konflikte können hier sein: die Art und das Maß der Mitwirkung beim Zustandekommen des Sponsoringvertrages, das Verbot individueller Sponsoringverträge, das Einsichtsrecht in geschlossene Verträge, die finanzielle Beteiligung an den Einnahmen aus dem Sponsoringvertrag, die Mitwirkung bei der Vertragserfüllung (Teilnahme-, Werbe-, sonstige Präsentationspflicht, Unterlassung schädigenden Verhaltens) sowie der Anspruch auf Teilnahme an Veranstaltungen des Gesponserten auch ohne Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Vertragserfüllung. Hierher gehört ebenfalls die klassische Konfliktkonstellation zwischen Athlet und internationalem oder nationalem Verband, die auch im Fall Langen zum Tragen gekommen ist. Stichworthaft läßt sie sich mit Zulassungs- und Sanktionsproblematik umschreiben. Sie gewinnt ihre Schärfe durch das soziale und wirtschaftliche Machtgefälle, das im Regelfall zwischen internationalem oder nationalem Verband und Athlet besteht. Während das Interesse des Verbandes dahin geht, die uneingeschränkte Entscheidungskompetenz über „Ob“ und „Wie“ der wettkampfmäßigen Sportausübung allein in Händen zu halten und auch über die kommerzielle Verwertung einschließlich der Verwendung der Erlöse allein zu bestimmen, sind die Athleten daran interessiert, den Sport ohne Vorgaben nach ihren Vorstellungen wirtschaftlich optimal auszuüben. Aus der Sicht der Eigentümer von Sportgeräten11 treten Interessenkonflikte mit den Gesponserten sowie mit den mit ihnen in der „Verbandspyramide“ Verbundenen über den Zustand des Sportgeräts und über die Zulassung von Werbung auf. Auch hier kann es zur Problematik konkurrierender Werbung oder konkurrierenden Sponsorings kommen. 4. Grundlagen der Rechtsbeziehungen: Verbandsregelungen und Verträge Die konfliktträchtigen Rechtsbeziehungen im Sponsoring werden – häufig sachlich und rechtlich unzureichend – durch Verbandsbestimmungen [dazu a)] und Verträge [dazu b)] geregelt. Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Kontrahierungszwang [dazu c)] zu, der dem Vertragswilligen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Vertragsabschluß gibt.

11 Entsprechendes gilt für die Eigentümer der Sportanlagen, vgl. hierzu Vieweg, Sponsoring und Sportrecht (Teil I), SpuRt 1994, 6 (9).

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a) Verbandsregelungen Bei Durchsicht der Satzungen und Ordnungen der für die olympischen Sportarten „zuständigen“ deutschen und internationalen Sportverbände fällt oft ein Mangel an verbindlichen Regelungen für das Sponsoring auf. Dieser Mangel erklärt sich daraus, daß Professionalisierung und Kommerzialisierung in vielen Sportarten kurzerhand realisiert worden sind, ohne auf die anderen Beteiligten Rücksicht zu nehmen. Ein Grund mag auch darin zu sehen sein, daß die Verbände die Rechtslage verkannt und die Stärke ihrer eigenen Rechtsposition überschätzt haben. Verkannt wurde insbesondere, daß die schlichte Ausblendung eines Teils der – auch finanziellen – Interessen Drittbeteiligter oft nicht mit staatlichem Recht in Einklang zu bringen ist. Satzungen und Ordnungen deutscher und internationaler Sportverbände enthalten teilweise Regelungen über die Verwertung sog. Fernseh- und Werberechte einschließlich der Verteilung der daraus erzielten Einnahmen. Kennzeichnend für diese Regelungen ist, daß pauschalierte Quoten für Mannschaften, Ausrichter und Verbände vorgegeben werden, eine finanzielle Beteiligung einzelner Athleten hingegen – soweit ersichtlich – nicht vorgesehen ist.12 b) Verträge Im Vergleich zu den Verbandsregelungen haben Verträge den Vorteil, daß sie individuell und flexibel auf die konkreten Verhältnisse zugeschnitten werden können.13 Sponsoringverträge sind „atypische Verträge“, die nicht immer von Juristen formuliert werden. Dieser Umstand, die Schwierigkeit der Materie sowie die verengte Sicht auf die Interessen der Vertragspartner führen insbesondere zu folgenden Problemen: lückenhafte Beschreibung der beiderseits geschuldeten Leistungen, unzureichende Regelung etwaiger Leistungsstörungen, faktische Einbeziehung Dritter – insbesondere der Athleten – ohne deren Zustimmung, Verleitung des Gesponserten zum Bruch bestehender Verpflichtungen gegenüber Dritten14.

12 Soweit eine finanzielle Beteiligung der Athleten erfolgen soll, wird dies in sog. Athletenverträge aufgenommen. Vgl. z. B. die DLV-Athletenvereinbarung, abgedruckt in SpuRt 1996, 189 ff., die in ihrem Punkt 3.4 eine Beteiligung der Athleten an Sponsoreneinnahmen vorsieht. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, daß inzwischen viele Verbände die Eigenwerbung durch Athleten nicht mehr verbieten, oft allerdings erheblich einschränken. 13 Zum typischen und zum idealen Inhalt von Sponsoring- und Veranstalterverträgen vgl. Weiand, Kultur- und Sportsponsoring im deutschen Recht, 1993, S. 53 ff.; ders., Der Sponsoringvertrag, 1995, passim; Vieweg, Sponsoring und Sportrecht (Teil II), SpuRt 1994, 73 (73 f.). 14 Wertvolle Hinweise aus Sicht der Praxis gibt Schimke in seinem Vortrag „Ausgestaltung von Sponsoringverträgen“, gehalten anläßlich des 5. Symposiums der Deutschen Olympischen Gesellschaft, „Sponsored by …“ am 18./19. 04. 1997 in Hamburg; vgl. auch Weiand, Form, Inhalt und Abschluß von Sportsponsoringverträgen, SpuRt 1997, 90 ff.

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c) Kontrahierungszwang Fehlt es an einer rechtlichen Grundlage der Beziehungen, so kann unter bestimmten Voraussetzungen – als Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit – ein Kontrahierungszwang bestehen. In Anlehnung an die Behandlung von Aufnahmestreitigkeiten kommt insbesondere § 826 BGB i. V. m. Tatbestandselementen des Diskriminierungsverbotes des § 26 GWB, zum Teil auch § 26 GWB direkt15, als Anspruchsgrundlage in Betracht16. Hiernach unterliegen marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen sowie sonstige Personen mit wirtschaftlich oder sozial mächtiger Stellung einem Abschlußzwang, wenn die Ablehnung eines Vertragsschlusses eine unbillige Behinderung des Interessenten bzw. eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Interessenten gegenüber anderen – berücksichtigten – Bewerbern darstellt. Dies ist z. B. dann entscheidend, wenn einem Sportler, der kein Mitglied des Verbandes ist, die Teilnahme an einem Wettkampf verweigert wird, nur weil er kein Verbandsmitglied ist. Ob ein Abschlußzwang besteht, hängt – wie bei den klassischen Aufnahmestreitigkeiten – von einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall ab. Hierfür spielt eine Rolle, ob sich die Teilnahme in der beanspruchten Form ohne Nachteil für die bestehende Wettkampforganisation überhaupt realisieren läßt. So kann z. B. die Teilnahme ohne Mitgliedschaft im maßgeblichen Verband zweifelhaft sein bei einem Ligensystem oder bei Qualifikationssystemen, die die Einhaltung einheitlicher Wettkampfbedingungen gewährleisten sollen. Auch die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Teilnahmemöglichkeit für den Athleten ist insbesondere im professionalisierten und kommerzialisierten Sport zu berücksichtigen. Schließlich ist auch zu beachten, daß eine Aushöhlung der spezifischen – in den Bereich der Verbandsautonomie fallenden – Verbandswerte vermieden wird. Führt die Interessenabwägung zum Ergebnis, daß die Interessen des Bewerbers an der konkret begehrten Teilnahme Vorrang haben, so muß der veranstaltende Verband den Abschluß eines Teilnahmevertrages zu den üblichen – nicht diskriminierenden – Bedingungen17 anbieten.

15 Entscheidend hierfür ist allein, ob die Kommerzialisierung so weit fortgeschritten ist, daß das Kartellrecht zur Anwendung kommt. Im Ergebnis bestehen aber keine Unterschiede. 16 Vgl. zur Aufnahmeproblematik im einzelnen Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, 1993, S. 23 ff. BGHZ 63, 282 (287) = BGH NJW 1975, 271 (273) führt – ohne Nennung einer Anspruchsgrundlage – in einem obiter dictum aus, ein Monopolverband, dessen Leistungspotential weitgehend aus öffentlichen Mitteln finanziert ist, werde im allgemeinen auch Nichtverbandsangehörige an seinen Veranstaltungen teilnehmen lassen müssen. 17 Siehe zu den Teilnahmemodalitäten Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg, S. 23 (42 ff.).

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Ähnlich dem Kontrahierungszwang im Vertragsrecht kann sich auch im Bereich der verbandsrechtlichen Regelungen ein konkreter Teilnahmeanspruch aus dem allgemeinen vereinsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung18 ergeben. 5. Bindungswirkung und gerichtliche Kontrolle a) Bindungswirkung Die Frage nach der Bindung der Athleten, die regelmäßig keine unmittelbaren Mitglieder der Sportverbände sind, an deren Regelungen betrifft ein Uraltproblem des Sportrechts. Zwei Ansätze werden diskutiert: eine satzungsrechtliche und eine „individualrechtliche“, d. h. vertragliche Lösung.19 Die satzungsrechtliche Lösung verlangt – nicht zuletzt aus Gründen des Mitgliederschutzes – ein System korrespondierender Satzungsbestimmungen vom Spitzenverband über alle Verbandsebenen bis hin zum Sportverein, dessen Mitglied der Athlet ist. An einer solchen lückenlosen Satzungsabsicherung fehlt es häufig. Die vom BGH in seinem Reiterurteil20 nun in den Vordergrund gestellte vertragliche Bindung21 begegnet diesen Schwierigkeiten nicht. Allerdings kann auf Verbandsseite ein höherer Aufwand anfallen. In der Praxis können insbesondere drei vertragliche Abschlußformen Bedeutung erlangen: @ der individuell ausgehandelte Vertrag (z. B. Boris Becker – Deutscher Tennisbund), @ der konkrete Teilnahmevertrag, der auf Meldung und Zulassung zu einem konkreten – nach den Regeln des Verbandes ausgeschriebenen – sportlichen Wettkampf beruht, und @ die generelle Teilnahmeberechtigung, die auf Antrag und Lizenzerteilung oder dergleichen basiert, gegebenenfalls zeitlich befristet ist und für Sportler innerhalb des Organisations- und Verantwortungsbereichs des betreffenden Sportverbandes gilt.

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Vgl. Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 1995, Rdnr. 543. Dazu eingehend Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungsund Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 ff. Vgl. schon H.-P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 41 ff. 20 BGHZ 128, 93 ff. = SpuRt 1995, 43 ff.; vgl. hierzu Vieweg, Disziplinargewalt und Inhaltskontrolle – Zum „Reiterurteil“ des Bundesgerichtshofes, SpuRt 1995, 97 ff. 21 Der BGH erkennt aber die prinzipielle Zweispurigkeit der Bindung nach dem satzungsrechtlichen und dem sogenannten „individualrechtlichen“ Modell an. Vgl. zum Verständnis des Reiterurteils Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff. 19

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Bei den letzten beiden Varianten vertraglicher Bindung handelt es sich um Unterwerfungen durch rechtsgeschäftlichen Einzelakt.22 b) Gerichtliche Kontrolle, insbesondere Inhaltskontrolle Zwar sind die Regelungen der Verbände auf nationaler und internationaler Ebene Ausdruck ihrer Verbandsautonomie.23 Sie unterliegen aber dem Kontroll- und Korrekturvorbehalt staatlichen Rechts.24 Im deutschen Recht findet für sozial oder wirtschaftlich mächtige Verbände eine am Maßstab des § 242 BGB orientierte vollumfängliche Inhaltskontrolle der von ihnen aufgestellten Regelungen statt.25 Als sozial und wirtschaftlich mächtig werden vom BGH26 auch Sportverbände behandelt. Ihre Normen dürfen nicht unbillig, müssen also durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Ebenso unterliegen nach der neueren Rechtsprechung des BGH27 Individualvereinbarungen, die den Sportler an Satzungsbestimmungen eines solchen Verbandes binden, einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Sportliche Regelwerke der Verbände sind damit auch gegenüber Nichtmitgliedern Gegenstand der Inhaltskontrolle. Maßstab einer Inhaltskontrolle der Verbandsnormen ist § 242 BGB und damit der Grundsatz von Treu und Glauben. Er beinhaltet das Gebot verantwortungsvoller Abwägung der Interessen aller an dem Rechtsverhältnis Beteiligten.28 Im praktischen Ergebnis läuft die Inhaltskontrolle folglich auf eine umfassende Abwägung der Interessen von Verband und (mittelbaren) Mitgliedern hinaus. Mit dem Gebot der Interessenabwägung steht ein optimaler Ansatz für die Drittwirkung der Grundrechte29 sowie die – verfassungsrechtlich gebotene – angemessen abgestufte gerichtliche Kontrollintensität zur Verfügung. In die Abwägung fließen auch verbandsspezifische Wertungen als Ausdruck der durch Art. 9 I GG geschützten Verbandsautonomie und – wegen der Orientierung des § 242 BGB am Ziel der Sachangemessenheit – sportspezifische Besonderheiten ein.30

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BGHZ 128, 93 (103 f.) = SpuRt 1995, 43 (47 f.). Siehe hierzu im einzelnen Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 154 ff. 24 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 159 ff. 25 BGHZ 87, 337 (344) = NJW 1984, 918; BGHZ 102, 265 (276) = NJW 1988, 552 (555); BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726). 26 BGHZ 128, 93 (101) = SpuRt 1995, 43 (46) (Reiterurteil). 27 BGHZ 128, 93 (101 ff.) = SpuRt 1995, 43 (46 f.) (Reiterurteil). 28 Münchener Kommentar – Roth, § 242, Rdnr. 32 m. w. N. 29 Vgl. zum Meinungsstand Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1995, Art. 1, Rdnr. 24. 30 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 235 ff. 23

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Die Sicherheit der Prognose, ob eine Verbandsnorm der Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB standhält, wird hierbei durch zwei Aspekte relativiert: Zum einen sind Wertungsentscheidungen naturgemäß im Ergebnis offener; zum anderen ist die konkret verwertbare Rechtsprechungsbasis, die sich erst im Anschluß an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 198931 zur umfassenden Inhaltskontrolle bilden konnte, noch äußerst schmal.

III. Dilemma von Rechteinnehabung und -durchsetzung Im November/Dezember 1995 scheiterte der amtierende Weltmeister im Zweierbob Christoph Langen mit dem Versuch, den Erlaß einstweiliger Verfügungen32 zu erstreiten, die ihm erlauben sollten, an Weltcup-Veranstaltungen in Winterberg (Sauerland) und Königsee/Berchtesgaden teilzunehmen, ohne an die Werbevorgaben des Internationalen Bobverbandes FIBT33 gebunden zu sein. Zugrunde lag ein – geradezu „klassisches“ – Problem des Sportsponsorings: konkurrierendes Sponsoring durch den Verband und den Athleten. Ein solches kann den Athleten in das Dilemma bringen, einen angesichts der Professionalisierung des Sports nicht nur für die sportliche, sondern auch für die berufliche Zukunft existentiellen Sponsoringvertrag brechen zu müssen, um an einem Wettkampf teilnehmen zu können. Dies erweist sich dann als besondere Härte, wenn die Befugnisse für die vom Verband vorgenommene Vermarktung eigentlich beim Athleten liegen. Die Durchsetzung der eigenen Rechte wird angesichts des Zeitdrucks, der psychischen Anspannung vor dem Wettkampf und der Macht des Verbandes schwierig. Für Christoph Langen wollten auch die staatlichen Gerichte die Rolle der Feuerwehr – bislang34 – nicht übernehmen. Ausgehend von der Darstellung des Sachverhalts, der einen guten Einblick in die Konfliktentwicklung gibt (dazu 1.), werden die Innehabung sponsoringrelevanter Rechte und Rechtsgüter sowohl allgemein als auch am konkreten Beispiel der streitgegenständlichen Weltcup-Rennen erörtert (dazu 2.). Sodann wird die Rechtsprechung im Fall Langen auf der Grundlage dieser rechtlichen Betrachtungen und als Beispiel für die sich bei der Durchsetzung sponsoringrelevanter

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BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726). Beschluß des LG Arnsberg v. 27. 11. 1995, Az.: 4 O 376/95; Beschluß des OLG Hamm v. 01. 12. 1995, Az.: 8 W 52/95; Beschluß des LG München I v. 05. 02. 1996, Az.: 21 O 23306/95 (alle unveröffentlicht). Der Verfasser hat vorbereitend ein Rechtsgutachten zur Klärung der Ansprüche der Athleten gegen die FIBT hinsichtlich deren Werbebestimmungen und deren Durchsetzung erstattet. Dieses wurde später unter dem Titel „Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband im Hinblick auf Werberechte“ in Vieweg (Hrsg.), Vermarktungsrechte im Sport, Berlin 2000, S. 95 – 180 veröffentlicht. 33 Fédération Internationale de Bobsleigh et de Tobogganing. 34 Ein Schadensersatzprozeß ist bisher nicht angestrengt. Die Möglichkeit der Schadensersatzklage haben das LG Arnsberg und das OLG Hamm (o. Fn. 32) ausdrücklich als Argument verwendet, um den Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzulehnen. 32

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Rechte und Rechtsgüter ergebenden Probleme dargestellt und kritisch beleuchtet (dazu 3.). Abschließend sollen weitere Lösungsansätze aufgezeigt werden (dazu 4.).

1. Fall Christoph Langen Christoph Langen ist Mitglied der Nationalmannschaft des Deutschen Bob- und Schlittensportverbandes (DBSV), Vereinsmitglied des Bob- und Rodelclubs Unterhaching und Mannschaftssprecher der Deutschen Bobathleten. Den Bobsport betreibt er professionell. Die von ihm entwickelten und gebauten Zweier- und Viererbobs stehen in seinem Eigentum, ebenso die von ihm bei Bobsportveranstaltungen getragene Kleidung. Der DBSV nominierte Christoph Langen für den Zweier- und Viererbob-Weltcup am 02./03. 12. 1995 in Winterberg und am 09./10. 12. 1995 in Königsee/Berchtesgaden. Diese Weltcup-Rennen waren – entsprechend der Praxis der FIBT – an den DBSV als nationalen Bobsportverband vergeben worden, der sie seinerseits an örtliche Veranstalter übertragen hatte. Gem. Art. I 3.5. und I 3.6. ihrer Satzungen behielt sich die FIBT die Kontrolle vor. Ein finanzielles Risiko trug sie allerdings nicht. Am 27. 05. 1995 faßte die FIBT – unter Protest des DBSV und anderer nationaler Verbände – in Treviso einen Beschluß, demzufolge jeder an den Weltcup-Rennen teilnehmende Athlet der FIBT für den FIBT-Sponsor @ auf beiden Seiten des Schutzhelms jeweils 50 cm2, @ auf beiden Oberarmen jeweils 100 cm2 und @ auf seinem Bob eine Gesamtfläche von 2.500 cm2 zur Verfügung stellen muß. Gegenüber den in den Vorjahren bestehenden Werbemöglichkeiten bedeutete der „Treviso-Beschluß“ für die Athleten eine deutliche Verschlechterung. So war für die Saison 1994/95 durch Verhandlungen des DBSV mit der FIBT ein Kompromiß erzielt worden, der den Athleten die Einhaltung ihrer Sponsoringverträge ermöglichte, indem sie von den Werbepflichten für den FIBT-Sponsor befreit waren. Diese Vorjahresregelung der FIBT war in das Pflichtenheft des DBSV aufgenommen worden und Grundlage der Verträge geworden, mit denen Christoph Langen seine Eigenvermarktung betrieb. Nachdem sich die deutschen Bobathleten ausnahmslos gegen die neuen Werbevorgaben der FIBT ausgesprochen hatten, versuchte der DBSV in der Folgezeit vergeblich, die FIBT zum Einlenken zu bewegen. Mit Schreiben vom 18. und 25. 09. 1995 erklärte diese definitiv, die für sich reklamierten Werberechte zu beanspruchen. Daraufhin nahm am 04. 10. 1995 Christoph Langen persönlich Kontakt zum FIBT-Präsidenten auf und wies in seinem Schreiben nachdrücklich auf seine Persönlichkeits- und Eigentumsrechte hin. Zur Lösung des Konflikts schlug er vor, das Sportschiedsgericht des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne

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zur Entscheidung anzurufen. Der FIBT-Präsident teilte ihm jedoch mit Schreiben vom 07. 10. 1995 mit, er (Langen) werde nicht zu Veranstaltungen der FIBT zugelassen, wenn er deren Werberegeln nicht erfülle. Mit Schreiben vom 30. 10. 1995 setzte der FIBT-Präsident ihn in Kenntnis, die FIBT sei nicht bereit, die Streitigkeit vom IOC-Sportschiedsgericht entscheiden zu lassen. Am selben Tag ging ein Schreiben des FIBT-Präsidenten an die Vorsitzenden und Mitglieder der Jurys 1995/ 96, demzufolge die betroffenen Sportler bei Nichteinhaltung der Werberegeln nicht an den Weltcup-Rennen teilnehmen dürften. Damit sah sich Christoph Langen in einer Zwangslage. Einerseits war er vertraglich mit einer Marketing-Gesellschaft verbunden, die ihrerseits – leistungsbezogene – Verträge mit Sponsoren abgeschlossen hatte. Bestand des Vertrages und die Erzielung von Einnahmen aus dem Vertrag hingen davon ab, daß er seinen als exklusiv vereinbarten Werbepflichten nachkam, insbesondere an allen internationalen Bobsportveranstaltungen teilnahm, für die er durch den DBSV nominiert worden war. Andererseits wollte ihm die FIBT den Start in Winterberg und Königsee nur erlauben, wenn er ihr die im „Treviso-Beschluß“ festgelegten Werbeflächen auf seiner Kleidung und auf seinem Bob zur Verfügung stellte. Da die FIBT die durch den Sponsoringvertrag mit der Corel Corporation erzielten Einnahmen von 275.000 US-Dollar/Jahr nach dem „Gießkannenprinzip“ auf die nationalen Bobsportverbände verteilte,35 bestand für Christoph Langen keine Aussicht, den Einnahmeausfall aus seinem Vertrag mit der Marketing-Gesellschaft auch nur ansatzweise durch ihm anteilig vom DBSV weitergeleitete Sponsoringeinnahmen der FIBT auszugleichen.36 Die Diskrepanz zu den vom Athleten durch Eigenvermarktung erzielbaren Erlösen in Höhe erheblicher sechsstelliger Beträge37 lag auf der Hand. 2. Innehabung der sponsoringrelevanten Rechte und Rechtsgüter Die kommerzielle Durchführung von Sportveranstaltungen wie Bobrennen ist ein Gesamtprodukt aus Veranstaltungsidee (wettkampfmäßige Umsetzung der Sportart) und -organisation (einschließlich der Information durch Plakate, Broschüren, Titel und Logo), Leistung und Persönlichkeit der Athleten, Sportstätte und Organisationsmitteln, Sportgeräten und -kleidung sowie Medienpräsenz. Die kom35

Es wird vermutet, daß die Differenz zu der ursprünglich in Aussicht gestellten Einnahme von 1,5 Mio. US-Dollar/Jahr denjenigen nationalen Bobsportverbänden vom Sponsor Corel zur Verfügung gestellt wird, die er ebenfalls sponsert und die den Beschluß der FIBT vom 27. 05. 1995 bezüglich der Werbepflichten der Athleten mitgetragen und zur Abwahl des deutschen FIBT-Präsidenten Kotter geführt haben. Vgl. FAZ v. 03. 02. 1997, S. 22. 36 Nach Auskunft des DBSV-Geschäftsführers G. Gscheidlinger erhielt Christoph Langen für die vorherige Saison 1994 – 95 insgesamt 2.102,50 DM, die sich – neben Siegprämien – aus 35 US-Dollar je Start bei einem Weltcup-Rennen berechneten. 37 Ein Topathlet des Bobsports kann nach Auskunft des Geschäftsführers des DBSV, G. Gscheidlinger, durch eigenständige Vermarktung bis zu 300.000 DM/Jahr erzielen.

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merzielle Verwertung wirft in rechtlicher Hinsicht das Problem auf, wem die Vermarktungsbefugnisse zustehen. Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, daß in tatsächlicher Hinsicht als Werbeträger die Sportstätte, die Organisationsmittel (z. B. Startnummern), die Veranstaltungsinformationen (Plakate, Broschüren, Medien mit Titel der Veranstaltung und ggf. FIBT-Logo) sowie die Sportgeräte (Bobs), die Kleidung und die Athleten in Betracht kommen. Andererseits ist – entscheidend – zu beachten, daß die Rechtsordnung zur Streitvermeidung und Konfliktlösung Rechte und Rechtsgüter bestimmten Trägern originär unter Ausschluß anderer zuordnet und ihre Übertragung oder Nutzungsüberlassung an bestimmte Voraussetzungen knüpft. Dementsprechend ist – differenzierend für die verschiedenen Werbeträger – zwischen originärer Rechteinhaberschaft [dazu a)], derivativer Rechteinhaberschaft aufgrund – wirksamer – Übertragung von Rechten bzw. – wirksamer – Einräumung von Nutzungsbefugnissen [dazu b)] und der – unwirksamen – Rechteanmaßung [dazu c)] zu unterscheiden. a) Originäre Rechteinhaberschaft aa) Eigentum an Sportgeräten und Sportkleidung38 Eigentümer der Sportgeräte (Bobs) sind in Deutschland die Vereine oder Athleten, Eigentümer der Sportkleidung (Anzug, Helm, Stirnband, Schuhe, Handschuhe, Brille) sind die Athleten39. Dies hat zur Konsequenz, daß gem. § 903 BGB sämtliche Nutzungsbefugnisse einschließlich der Vermietung insb. zu Werbezwecken sowie die Befugnis, andere von der Nutzung auszuschließen und Eingriffe nach § 1004 BGB abzuwehren, originär bei den Vereinen bzw. Athleten liegen. bb) Persönlichkeitsrecht der Athleten Der vom Sponsor erstrebte Werbeeffekt wird auch und gerade durch das Herausstellen der Verbindung seines Produkts, seiner Dienstleistung oder seines Namens mit dem (erfolgreichen) Sportler erzeugt. Hierbei werden insbesondere folgende unmittelbar mit der Person des Athleten verbundenen Aspekte genutzt: sein Bild, sein Name, seine sportlichen Leistungen und Erfolge, seine Stimme, seine Aussagen und/oder andere Ausdrucks- und Erscheinungsformen seiner Persönlichkeit. Diese Ausdrucks- und Erscheinungsformen der Persönlichkeit sind untrennbar mit ihrem Träger verbunden und – als Rechtsgüter – unveräußerlich.40 Ihre 38 Auf das Eigentum an der Sportstätte wird mangels Relevanz für den Fall Langen nicht eingegangen. 39 Auskunft des Geschäftsführers des DBSV, G. Gscheidlinger. 40 Im einzelnen ist umstritten – für die Rechtsanwendung jedoch ohne Belang –, ob die Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herauszuarbeiten oder ob aus dem Rahmenrecht Einzeltatbestände abzuleiten sind, die als anerkannte Schutzgüter gelten dürfen. Siehe hierzu Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., 1994, S. 123 ff.

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wirtschaftliche Verwertung ist hingegen zumindest in Teilbereichen41 durch die Einräumung von Nutzungsrechten, z. B. durch Gestattung der Namensnennung in Verbindung mit einem Produkt des Sponsors, rechtlich zulässig,42 setzt aber voraus, daß sich der Sportler gegen die unkonsentierte Verwendung überhaupt rechtlich zur Wehr setzen könnte, ihm also ein Abwehrrecht zur Seite steht. Der Schutz des Namensrechts ergibt sich aus § 12 BGB, der des Rechts am eigenen Bild wird aus Art. 1 I i. V. m. 2 I GG abgeleitet und durch §§ 22 ff. KUG konkretisiert. Aus § 23 II KUG läßt sich entnehmen, daß selbst Personen der Zeitgeschichte i. S. v. § 23 I Nr. 1 KUG – wie populäre Sportler43 – die Ausnutzung ihres Bildnisses zu Werbezwecken nicht hinnehmen müssen.44 Die übrigen Aspekte der Persönlichkeit werden durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das seine Grundlage in Art. 1 I und 2 I GG findet,45 als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB deliktisch geschützt.46 Seine Verletzung kann einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld begründen. Zudem kommt – auch vorbeugend – analog § 1004 BGB ein Anspruch auf Unterlassung einer Beeinträchtigung in Betracht.47 Schließlich kann eine Eingriffskondiktion i. S. d. § 812 I 1 2. Alt. BGB vorliegen.48 Ebenfalls aus Art. 1 I und 2 I GG ist das Recht auf autonome Entscheidung über die Verwertung der eigenen Persönlichkeitsaspekte und das Recht auf eigene wirtschaftliche Entfaltung abzuleiten.49 Beide Rechte finden für Profisportler in der 41

BGHZ 15, 249 (260). Vgl. statt vieler Reichert, Sponsoring und nationales Sportverbandsrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, S. 31 (47 f.). 43 Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, 1990, S. 7 m. w. N. Weitergehend Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeitsrechte der Sportler, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Medien, Recht und Sport, 1986, S. 107 (114), der alle Berufssportler als Personen des öffentlichen Lebens ansieht. 44 BGH NJW 1961, 558; NJW 1968, 1091; NJW 1979, 2203 (2204 ff.). 45 BVerfGE 34, 269 (281) = NJW 1973, 1221 (1223) (Soraya); BVerfGE 54, 148 (153); BGHZ 13, 334 (338) (Leserbrief). Siehe ferner v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 3. Aufl., 1991, S. 99, und Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, S. 124, Rdnr. 5.3. 46 Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 13, 334 ff. (Leserbrief); BGHZ 26, 349 (335); 33, 20 (24, 28); von BVerfG NJW 1973, 1221 (1223) (Soraya) bestätigt. BVerfG NJW 1980, 2070 erkennt das Recht am eigenen Bild, BVerfGE 34, 238 (246) das Recht am gesprochenen Wort als geschützte Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts an. 47 BGHZ 26, 349 (335); 33, 20 (24, 28). 48 Vgl. BGH NJW 1992, 2084 (2085). 49 Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, S. 27; Seemann, Prominenz als Eigentum, 1996, S. 124 f. m. w. N. Nach a. A. (Freitag, Die Kommerzialisierung von Darbietung und Persönlichkeit des ausübenden Künstlers, 1993, S. 54 f. m. w. N.) wird die wirtschaftliche Verwertbarkeit auch der Persönlichkeit von Art. 14 GG geschützt. Insgesamt ist in diesem Bereich vieles umstritten. Zur Frage, ob eine Mischform aus Persönlichkeits- und Vermögensrechten oder ein Immaterialgüterrecht vorliegt, Seemann, a. a. O., S. 127 m. w. N. Ein Leistungsschutzrecht für die materielle Verwertung sportlicher Leistungen analog §§ 73 ff. UrhG befürworten Siegfried, a. a. O., S. 26 ff., und Dickmann, Zur Mitwirkung der Lizenzfußballspieler bei der Vergabe von Fernsehrechten, in: Württembergischer 42

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Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG ihre spezielle Ausprägung, da die sich aus der Prominenz ergebenden Werbemöglichkeiten ebenso zur Berufsausübung gehören wie die Sportausübung selbst.50 Dieses Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Darstellung und Benutzung der eigenen Person bildet eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ist mit ihm einfachgesetzlich durch §§ 823 I, 1004 I BGB analog geschützt.51 Steht dem Sportler damit grundsätzlich ein Abwehrrecht zur Seite, so bleibt aber zu berücksichtigen, daß das Persönlichkeitsrecht lediglich ein Rahmenrecht ist: Es kann Schutz nur im Rahmen der Sozialgebundenheit der Persönlichkeit gewähren.52 Demgemäß ist – soweit nicht bereits gesetzlich wie durch §§ 22 – 24 KUG erfolgt – die Konkretisierung seines Schutzbereichs im konkreten Konfliktfall durch eine Güter- und Pflichtenabwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Persönlichkeit und den tangierten Rechten und Rechtsgütern Dritter erforderlich.53 Rein wirtschaftliche Drittinteressen – wie die des Sponsors an der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsaspekten zu Werbezwecken – können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Athleten nicht rechtfertigen. Vielmehr verstößt es gegen die Würde und das Recht auf freie Entfaltung der Person, wenn sie für fremde materielle Interessen ausgenutzt wird. Denkbar ist allerdings, daß die durch Art. 5 I 2 GG geschützte Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse54 sowie das Verbandsinteresse im Einzelfall ein Zurücktreten der EigenverFußballverband e. V. (Hrsg.), Fußballspieler als Arbeitnehmer, 1994, S. 59 (67 ff.). Demgegenüber stellt Heinze, Die rechtliche Stellung des Sportlers bei der Vermarktung, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sponsoring im Sport (Stuttgart 1997), S. 56 ff. auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ab. Einen Überblick zum aktuellen Streitstand gibt Seemann, a. a. O., S. 150 ff.; vgl. auch Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995, S. 41 ff. 50 Bruhn/Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring, Bd. II: Spezieller Teil, 1992, S. 12. 51 BVerfGE 35, 202 (220); BGH NJW 1965, 685 (686) (Soraya); Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, S. 128 ff., insb. Rdnr. 5.16 ff. Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkennt, wer dem Athleten eine Berufung auf das Persönlichkeitsrecht schon deshalb verweigert, weil dieser zur (Eigen-)Vermarktung seiner Persönlichkeit prinzipiell bereit sei. So ohne Begründung v. Westerholt, Übertragung von Sportveranstaltungen im Fernsehen, ZIP 1996, 264. Daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerade auch die Entscheidung über die Art der Werbung am eigenen Körper umfaßt, wird nicht gesehen. 52 Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, S. 126, Rdnr. 5.8. 53 BGHZ 24, 72 (80); 45, 296 (307); Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, S. 271 ff.; vgl. zur Entwicklung der Diskussion und zum derzeitigen Streitstand ebenda, S. 127 m. w. N. 54 Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, S. 133, Rdnr. 5.23 und S. 296 ff., Rdnr. 6.60. Siegfried, Fernsehberichterstattung, S. 58 f., weist zutreffend darauf hin, daß Eingriffe durch Fernsehsender nicht nur durch die Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse gerechtfertigt sind, sondern regelmäßig auch im Interesse des Athleten an der Popularität der Veranstaltung und seiner Leistungen stehen. Gegenüber dem öffentlichen Informationsbedürfnis stets vorrangig ist aber das Interesse des Sportlers an der Nichtveröffentlichung entstellender Bildnisse (BGH GRUR 1968, 652 (653) [Ligaspieler]), ruf-

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wertung von Persönlichkeitsaspekten rechtfertigen können. An der originären Zuordnung der Persönlichkeitsrechte änderte dies aber nichts. Für eine etwaige Rechtfertigung des Zurücktretens der Persönlichkeitsrechte ist eine Interessenabwägung erforderlich.55 cc) Veranstalterrechte In organisatorischer Hinsicht sind an der Veranstaltung der Weltcup-Rennen im Bobsport die FIBT, die nationalen Bobsportverbände und die vor Ort den jeweiligen Wettbewerb ausrichtenden Vereine oder Unternehmen beteiligt. Aus dieser Beteiligung können Rechte an der kommerziellen Verwertung der Veranstaltung entstehen. Hierbei geht es für die Frage der originären Rechtezuordnung allein um die Befugnisse, den Titel der Veranstaltung zu bestimmen, Sponsorenzusätze zu vergeben, Plakate und Broschüren zu bewerben und ähnliches. Nach ständiger Rechtsprechung56 steht die kommerzielle Verwertung einer Veranstaltung dem Veranstalter im rechtlichen Sinne zu. Veranstalter im Rechtssinne ist, in wessen Händen die organisatorische Vorbereitung und Durchführung der Sportveranstaltung sowie die Übernahme ihres finanziellen Risikos liegen,57 mit anderen Worten: Veranstalter ist der in organisatorischer und finanzieller Hinsicht Verantwortliche. Die gängige Terminologie im Sport stimmt mit der rechtlichen Qualifikation häufig nicht überein. So bezeichnet sich die FIBT für die Weltcup-Rennen im Zweier- und Viererbob als Veranstalterin, obwohl sie lediglich einen – kleinen – Teil des organisatorischen Aufwands trägt und sich die sportliche Kontrolle vorbehält. Träger des organisatorischen Aufwandes sind überwiegend neben den nationalen Bobsportverbänden die vor Ort das Rennen ausrichtenden Vereine oder Unternehmen. Letztere tragen auch allein das gesamte finanzielle Risiko der Veranstaltung. Deshalb können in rechtlicher Hinsicht nur sie als Veranstalter angesehen werden. Die originären Verwertungsbefugnisse an der Veranstaltung stehen damit prinzipiell den ausrichtenden Vereinen oder Unternehmen zu. Rechtliche Positionen der die Weltcup-Rennen ausrichtenden Vereine und Unternehmen – aber auch der beteiligten Verbände, insb. der FIBT – ergeben sich nicht aus dem Urheberrecht, insbesondere nicht aus § 81 UrhG. Die sportartspezifischen Regeln und

schädigender oder -gefährdender Bildveröffentlichungen (BGH GRUR 1979, 425 (426) [Fußballspieler]), von Abbildungen aus seinem Privatbereich (BGH GRUR 1968, 652 (653) [Ligaspieler]) sowie besonders schwerwiegender Eingriffe in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (OLG Hamburg ArchPR 1972, 150 [zerrissene Hose]). 55 Die Interessenabwägung entspricht derjenigen, nach der sich die Wirksamkeit der Rechteübertragung im Int. Regl. FIBT beurteilt. Siehe dazu im einzelnen unten III. 2. c). 56 BGH GRUR 1956, 515 (516) (Tanzkurse); BGHZ 27, 264 (265 f.) (Box-Programmheft); BGHZ 39, 352 (354 ff.) (Vortragsabend); BKartA Beschluß v. 02. 09. 1994 SpuRt 1995, 118 (120 f.); KG SpuRt 1996, 199 (200) (UEFA-Cup-Heimspiele). 57 BGH GRUR 1956, 515 (516); 1960, 253 (255).

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Grundideen sind ebensowenig Schutzgegenstand58 wie die Organisation einer Sportveranstaltung oder der Modus einer Veranstaltungsserie (Weltcup)59. Rechtspositionen lassen sich aber aus dem Namensrecht i. S. v. § 12 BGB und in Teilbereichen dem Markenrecht60, dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie – bei Vereinen und Verbänden – aus der Vereins- bzw. Verbandsautonomie ableiten. Die Vereins- bzw. Verbandsautonomie bildet die rechtliche Grundlage des Selbstverwaltungsrechts,61 das auch die – originäre – Befugnis zur Eigenfinanzierung62 beinhaltet. Hieraus folgt, daß auch dem internationalen Verband veranstaltungsbezogene verwertungsfähige Rechte insoweit originär zustehen können, als es sich nicht um originäre Rechte der Athleten, Sportstätten- und Sportgeräteeigentümer handelt. Die Vermarktungsbefugnisse des internationalen Verbandes sind jedoch im Verhältnis zu denen des ausrichtenden Vereins oder Unternehmens stark eingeschränkt, soweit er keinerlei finanzielles Risiko trägt. Jedenfalls hat er kein Alleinentscheidungsrecht bezüglich „Ob“ und „Wie“ der Vermarktung. b) Derivative Rechteinhaberschaft aufgrund von Rechteübertragung und Einräumung von Nutzungsbefugnissen Unproblematisch sind die Übertragung des Eigentums und die Einräumung von Nutzungsbefugnissen durch den Eigentümer. Sie folgen allgemeinen sachenrechtlichen Regeln. Die Rechteübertragung und die Einräumung von Nutzungsbefugnissen gestalten sich ungleich komplizierter, wenn es um die Persönlichkeitsrechte der Athleten geht. Hierbei handelt es sich nämlich um die Gestattung von Eingriffen.63 58 Vgl. Fromm/Nordemann – Fink, Urheberrecht, 8. Aufl., 1994, § 2, Rdnr. 26; vgl. auch Appelationshof Bern, Richteramt III, SpuRt 1995, 30 (36). 59 Vgl. Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, S. 31. 60 So ist bei dem FIBT-Logo nicht auszuschließen, daß der Markenschutz durch die i. S. v. Art. 6bis der Pariser Übereinkunft zum Schutz gewerblichen Eigentums geforderte notorische Bekanntheit vorliegt. Für „Verbandssignete“ im schweizerischen Recht lehnt Netzle, Sponsoring von Sportverbänden, S. 89 f. einen Markenschutz mit der Begründung ab, das Signé sei zwar als Attribut der Person dem Schutz der Persönlichkeit unterworfen (Art. 28 ZGB), jedoch keine Marke, da es weder die Ware noch die wirtschaftliche Tätigkeit des Verbands kennzeichne. Abweichendes könne bei Verwendung des Signés zu Merchandisingzwecken gelten. 61 Vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 147 ff. Grundlegend schon Lukes, Erstreckung der Vereinsgewalt auf Nichtmitglieder durch Rechtsgeschäft, in: Hefermehl/Gmür/Brox (Hrsg.), Festschrift für Harry Westermann zum 65. Geburtstag, 1974, S. 327. 62 Grunsky, Die Befugnis der Sportverbände zur Regelung der Werbetätigkeit durch die Mitgliedsvereine, in: ders. (Hrsg.), Werbetätigkeit und Sportvermarktung, 1985, S. 14 f. 63 Reichert, Sponsoring und nationales Sportverbandsrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 31 (48); Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, S. 52, geht von einer Abtretung der Verwertungsrechte aus. Die Befugnis zur Verwertung einzelner Persönlichkeitsaspekte begreift er als Leistungsschutzrecht. Der Begriff der Abtre-

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Hinsichtlich ihrer rechtlichen Grundlagen sind die Rechteübertragung und die Einräumung von Nutzungsbefugnissen im Zusammenhang mit dem generellen Problem der Bindung an Verbandsregelungen zu sehen.64 Dabei stellt sich – gleich ob eine satzungs- oder individualrechtliche Bindungskonstruktion gewählt wird – die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem (internationalen) Sportverband Verwertungsbefugnisse an Persönlichkeitsrechten der Athleten überhaupt eingeräumt werden können. Da es sich um die Gestattung von Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht handelt, ist die Einwilligung des Athleten notwendig. Auch wenn Verbandsstatuten vorsehen, daß dem Verband bestimmte Verwertungsbefugnisse zustehen, so handelt es sich hierbei rechtlich lediglich um ein Gestattungsverlangen,65 das noch eine positive Reaktion des Athleten erfordert. Unerläßlich ist hierbei, daß der Athlet Art und Umfang des konkreten Eingriffs im wesentlichen kennt.66 Eine stillschweigende Zustimmung erfolgt weder allein durch den Vereins- oder Verbandsbeitritt noch durch die Teilnahme an einer bestimmten Veranstaltung. Erforderlich ist vielmehr, daß der Athlet die wesentliche Bedeutung und die Folgen seiner Erklärung erfaßt. Weiterhin muß die Einwilligung freiwillig, also ohne Zwang zustande kommen.67 Im übrigen müssen die Verbandsbestimmungen, die eine Rechteübertragung oder eine Nutzungsüberlassung regeln, der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhalten68 und dürfen auch ansonsten nicht gegen die Rechtsordnung, insbes. nicht gegen §§ 1, 26 II GWB, 1 UWG, 823 I BGB, 826 BGB, Art. 85 und 86 EGV, verstoßen. Maßgeblich wird damit regelmäßig eine Interessenabwägung. Bei dieser stehen sich im allgemeinen das Interesse des Veranstalters bzw. Verbands an der kommerziellen Verwertung seiner Veranstaltung zur Deckung des Veranstaltungsetats sowie der Kosten der Verbandstätigkeit insgesamt und das Selbstbestimmungsrecht des Sportlers hinsichtlich der Art und des Umfangs der wirtschaftlichen Nutzung seiner sportlichen Leistungen gegenüber. Zugleich läßt sich ein gewisser Interessengleichlauf beobachten. Für eine zentrale Vermarktung der Persönlichkeitsaspekte der teilnehmenden Sportler sprechen Praktikabilitätsgründe: Nicht jeder Athlet findet einen Sponsor. Unabgestimmtes Einzelsponsoring relativiert möglicherweise auf Grund der Konkurrenzkonflikte den Werbewert und führt damit tung ist insofern zwar gängig, aber ungenau. Rechtlich exakt handelt es sich um die Gestattung der Verwertung. 64 Siehe oben II. 4. a). 65 Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, S. 52. 66 Vgl. BGHSt 4, 88 (90); OLG Celle, NJW 1964, 736; vgl. für das schweizerische Recht Netzle, Sponsoring von Sportverbänden, S. 102 ff. 67 Vgl. BGH NJW 1964, 1177 (1178); BGH NJW 1987, 1034 (1035). 68 Vgl. dazu im einzelnen Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: Großfeld/ Leßmann/Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes, 1989, S. 809 ff.; sowie ders., Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, S. 36 ff.

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zu geringeren Erlösen. Ebenfalls liegt ein Interessengleichklang vor, soweit die durch die Erlöse finanzierte Verbandstätigkeit – wie bei der Durchführung von Kaderlehrgängen – auch im Interesse des Athleten liegt. Allerdings läßt sich im kommerzialisierten und professionalisierten Sport keine Parallelität der Interessen in solchem Maße feststellen, daß eine Abwägung der verbleibenden konträren Interessen entbehrlich wäre. Auch wird die Abwägung der konträren Interessen von Veranstalter bzw. Verband und Athleten im allgemeinen – losgelöst vom Fall Langen – ergeben, daß weder die einen noch die anderen so im Vordergrund stehen, daß sie die der Gegenseite völlig verdrängen können. Die kollidierenden rechtlich geschützten Interessen müssen vielmehr im Wege der praktischen Konkordanz69 zum Ausgleich gebracht werden. Maßgeblich wird damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit den folgenden entscheidenden Aspekten: der Intensität sowie der Art des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Sportlers, dem Zweck des Eingriffs und der finanziellen Beteiligung des Sportlers am Erlös. Hinsichtlich der Intensität und der Art des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Sportlers kommt es z. B. darauf an, ob sein Name oder Bild durch Verbindung mit dem Produkt eines Sponsors gezielt verwertet werden soll oder ob es sich um die bloße Sportausübung vor Banden- oder Reiterwerbung handelt. Generell wird man sagen können: Je personenbezogener die Verwendung erfolgen soll, desto weniger läßt sie sich durch Veranstalter- bzw. Verbandsinteressen rechtfertigen. Hinsichtlich des Zwecks des Eingriffs kann man danach differenzieren, ob lediglich der Veranstaltungsetat gedeckt werden soll oder ob der Veranstalter bzw. Verband seine sonstigen Kosten decken und durch ein Verbot individuellen Sponsorings das Eigensponsoring absichern will. Letztlich entscheidend ist im kommerzialisierten und professionalisierten Sport die finanzielle und organisatorische Beteiligung der Athleten. Ihre Einbindung vor Abschluß der Sponsoringverträge spricht ebenso wie ihre angemessene finanzielle Beteiligung am Sponsoringerlös – bei Beachtung etwaiger sich aus § 1 GWB ergebender Grenzen – für die Wirksamkeit der entsprechenden Verbandsregelungen bzw. Vertragsklauseln. Die im Rahmen von §§ 242 BGB und 138 BGB sowie von § 26 II GWB und Art. 86 EGV vorzunehmende Interessenabwägung spiegelt die zwischen Veranstalter bzw. Verband und Athleten bestehenden wechselseitigen Förder-, Rücksichtnahme- und Informationspflichten wider. Die notwendige Zusammenarbeit für das im Interesse aller liegende „Gesamtprodukt“ Veranstaltung beinhaltet im kommerzialisierten und professionalisierten Sport auch die Pflicht zur Kooperation70 hinsichtlich der Verwertung sponsoringrelevanter Rechte und Rechtsgüter, um den Veranstaltungsetat zu decken. Übersteigt der durch Sponsoring erzielbare Erlös die Veranstaltungskosten, erhalten die wechselseitigen Förder-, Rücksichtnahme69

Vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.); BVerfG NJW 1994, 36 (38); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1995, Rdnr. 72 u. 317 f. 70 Vgl. Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, S. 53 (90).

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und Informationspflichten besondere Bedeutung. Die Erfüllung dieser Pflichten gewährleistet den rechtlich erforderlichen angemessenen Ausgleich der beteiligten Interessen. Verstöße gegen diese wechselseitigen Pflichten können zu Schadensersatzansprüchen auf beiden Seiten führen. Als Anspruchsgrundlagen kommen dabei in Betracht: pVV, pMV71, §§ 325, 326 BGB, § 823 I BGB (Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Mitgliedschaftsrecht, Vereinsrecht72), § 826 BGB (Knebelung, Behinderung, evtl. auch Verleitung zum Vertragsbruch), § 1 UWG (Behinderung, Marktstörung, Verleitung zum Vertragsbruch), § 26 II i. V. m. § 35 GWB sowie § 823 II BGB i. V. m. Art. 86 EGV. c) Rechteanmaßung Die Kollision betroffener Rechte und Rechtsgüter beim Sponsoring bewältigt der (internationale) Sportverband nach den bisher erzielten Ergebnissen am besten, wenn er bereits im Vorfeld die Athleten einbezieht und eine einvernehmliche Lösung über eine angemessene Erlösbeteiligung erreicht. Ein anderer Weg ist verbreiteter: Der internationale Sportverband nimmt schlichtweg sämtliche Rechte aller Beteiligten für sich in Anspruch und sichert diesen Anspruch im Veranstaltungsreglement ab. Wer nicht einverstanden ist, kommt als Ausrichter nicht in Frage oder darf als Sportler nicht teilnehmen. So setzt sich die Macht des Faktischen durch. Konflikte werden kurzfristig unterdrückt, langfristig hingegen geschürt. Auch die FIBT nimmt in ihrem durch den „Treviso-Beschluß“ geänderten Reglement Rechte und Nutzungsbefugnisse in Anspruch, die über die oben73 beschriebenen Veranstaltungsbefugnisse hinausgehen. Demgemäß kommt es darauf an, ob die FIBT sie wirksam derivativ erworben hat. Dies ist unter mehreren Aspekten zweifelhaft. Da die Athleten selbst keine unmittelbaren Mitglieder des Verbandes sind, setzt die satzungsrechtliche Verbindlichkeit für die Athleten voraus, daß die maßgeblichen Bestimmungen durch ein lückenloses System korrespondierender Satzungsbestimmungen74 vom internationalen Verband FIBT über den nationalen Verband DBSV und die jeweiligen Landesverbände an den Verein vermittelt werden, deren Mitglieder die Athleten sind. Eine solche lückenlose Satzungsabsicherung ist für die in Treviso beschlossenen neuen Werbebestimmungen der FIBT nicht erfolgt. Die deutschen Athleten sind daher aus dem Blickwinkel satzungsrechtlicher Anknüpfung schon personell nicht an die Regelung gebunden. 71 Vgl. zur „positiven Mitgliedschaftsverletzung“ BGHZ 110, 323 (330) = NJW 1990, 2877 (2879). 72 Ob das Recht des Vereins auf Bestand und Achtung seiner Autonomie als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I verstanden werden kann, wurde von BGHZ 52, 393 (397) = NJW 1970, 243 (244) und BGH NJW 1970, 378 (381) bislang offengelassen. 73 Siehe oben III. 2. a) cc). 74 BGHZ 128, 93 (100 f.) = SpuRt 1995, 43 ff. (Reiterurteil).

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Auf der Basis einer individualrechtlich erzeugten Verbindlichkeit ist zentrales Wirksamkeitsproblem, ob die Bestimmungen einer Inhaltskontrolle standhalten. Auf Seiten der FIBT mag neben eigenen finanziellen Ambitionen ein Interesse daran bestehen, im Wege der Umverteilung auch schwächere nationale Bobsportverbände zu unterstützen. Ein Interesse, etwaige Kosten durch die Erlöse aus der Veräußerung des Sponsoringpakets zu decken, besteht hingegen nicht, da die FIBT bei Weltcup-Rennen selbst keinerlei finanzielles Risiko75 eingeht. Hinzu kommt aus rechtlicher Sicht, daß das Interesse an der Zentralvermarktung der im Zusammenhang mit internationalen Bobsportveranstaltungen stehenden sponsoringrelevanten Rechte – selbst wenn sie im Einverständnis mit den Rechteinhabern erfolgte – nicht schutzwürdig ist. Dies läßt sich aus dem – mittlerweile vom Kammergericht76 bestätigten – Beschluß des Bundeskartellamtes vom 02. 09. 199477 folgern, demzufolge die zentrale Vergabe der Vermarktungsrechte an UEFA-Cup-Spielen durch den DFB gegen § 1 GWB verstößt. Ein Anlaß, die Zentralvermarktung der sponsoringrelevanten Rechte durch die FIBT anders zu beurteilen, besteht nicht, zumal gemäß § 98 II 1 GWB das Auswirkungsprinzip gilt. Da das Recht keine Interessen schützt, die nur unter Verletzung von Gesetzen durchgesetzt werden können, läßt sich im Ergebnis allenfalls der Umverteilungs- und Förderaspekt als rechtlich geschütztes Interesse der FIBT in die Abwägung einbeziehen. Auf Seiten der Athleten sind mit dem Eigentum und dem Persönlichkeitsrecht hingegen rechtlich geschützte Interessen von erheblichem Rang in die Abwägung einzubeziehen. Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob die Sponsoringattraktivität des Sports vorrangig auf den Persönlichkeiten der Athleten beruht. Das Ergebnis der Abwägung fällt eindeutig zugunsten der Athleten aus. Der FIBT war diese Situation erkennbar. Ebenso wußten ihre Verantwortlichen, daß die für ihre Sportund auch Berufsausübung auf die Zulassung durch die FIBT angewiesenen Athleten hierdurch in das bereits eingangs skizzierte Dilemma zwischen Wettkampfteilnahme und Vertragsverletzung gebracht wurden. Die einseitige Beanspruchung der Vermarktungsbefugnisse durch die FIBT entspricht daher – unter Beachtung der wechselseitigen Förder-, Rücksichtnahme- und Informationspflichten – keinem ausgewogenen Interessenausgleich und hält einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht stand. Damit ist eine wirksame Übertragung der Vermarktungsbefugnisse an den Persönlichkeitsrechten der Athleten auf die FIBT nicht erfolgt. Die FIBT maßt sich diese Vermarktungsbefugnisse lediglich an. Nichts anderes gilt für die Übertragung der Nutzung des Eigentums an der Kleidung und den Bobs.

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Mitteilung des Geschäftsführers des DBSV, G. Gscheidlinger. KG SpuRt 1996, 199 ff.; vgl. nunmehr auch LG Frankfurt a.M. SpuRt 1997, 129 (130 f.) betreffend Art. 85 I EGV. 77 BKartA, SpuRt 1995, 118 ff. 76

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3. Praktische Möglichkeiten der Durchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren a) Gerichtliche Entscheidungen im Fall Christoph Langen Die fehlende Kompromißbereitschaft der FIBT und ihre Weigerung, den Streit durch das TAS/CAS – das Sportschiedsgericht des IOC – entscheiden zu lassen, ließen Christoph Langen keinen anderen Weg, als die staatlichen Gerichte anzurufen. Diese Versuche, einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, scheiterten. Den drei Wochen nach dem Ablehnungsschreiben des FIBT-Präsidenten gestellten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wies das Landgericht Arnsberg78 zurück. Es bejahte zwar die Zulässigkeit des Antrags, insbesondere die Zuständigkeit der Kammer,79 hielt den Antrag indes für unbegründet. Es fehle an der besonderen Dringlichkeit. Da dem Antragsteller der „Treviso-Beschluß“ mit den neuen Werbebestimmungen spätestens Anfang bis Mitte September 1995 zur Kenntnis gelangt sei und für ihn hiernach kein Zweifel an dessen Hinderlichkeit für seine eigene Vermarktung bestehen konnte, habe er zu lange zugewartet, ohne gegen den Beschluß anzugehen und die Frage seiner Rechtmäßigkeit einer Überprüfung durch die zuständigen Stellen zuzuführen. Auch führe die beantragte positive Entscheidung bereits zur Befriedigung. Eine Existenzgefährdung durch vorübergehende Befolgung der Verbandsbestimmungen sei nicht ersichtlich, da ein Schadensersatzprozeß im nachhinein unbenommen bleibe. Die gegen den Beschluß des LG Arnsberg eingelegte Beschwerde wies der 8. Zivilsenat des OLG Hamm80 als zulässig, aber nicht begründet zurück. Es könne dahin stehen, ob das Landgericht zu Recht die Dringlichkeit der begehrten Entscheidung unter Hinweis auf die dem Antragsteller bereits seit längerem bekannte Beschlußfassung des FIBT-Kongresses vom 27. 05. 1995 abgelehnt habe. Denn es fehle am Verfügungsanspruch. Der Antragsteller sei selbst nicht Mitglied der Antragsgegnerin und habe gegen sie schon keine aus einer unmittelbaren verbandsrechtlichen Zugehörigkeit herzuleitenden Rechte. Soweit im übrigen einstweiliger Rechtsschutz im vorliegenden Fall zur Verhinderung der Durchsetzung von Beschlüssen eines internationalen Verbandes begehrt werde, sei zu verlangen, daß die Wirksamkeit des beanstandeten Beschlusses bzw. seiner Verbindlichkeit für den Antragsteller als davon mittelbar Betroffenem in 78

LG Arnsberg, Beschluß vom 27. 11. 1995 – 4 O 376/95 (unveröffentlicht). Die internationale Zuständigkeit ergab sich aus Art. 24 des Brüsseler Übereinkommens v. 27. 09. 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), § 937 I ZPO i. V. m. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, i. V. m. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, i. V. m. § 29 oder i. V. m. § 32 ZPO (besondere Gerichtsstände des Erfüllungsortes und der Deliktsstreitigkeit). Auf die komplizierten Fragen der internationalen Zuständigkeit soll hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 53 (60 ff.). 80 OLG Hamm, Beschluß v. 01. 12. 1995 – 8 W 52/95 (unveröffentlicht). 79

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einem Hauptsacheverfahren bereits zur Überprüfung gestellt sei.81 Für die Parteien und die mittelbar Betroffenen sei ein Beschluß wie die auf dem Kongreß der FIBT mehrheitlich gefaßte Entschließung zunächst vorläufig verbindlich, solange nicht seine Rechtsunwirksamkeit bzw. Unverbindlichkeit für von seiner Durchsetzung mittelbar Betroffene, die sich dem Reglement der Antragsgegnerin unterstellt hätten, festgestellt sei. Eine Ausnahme sei nur für offenkundige Nichtigkeit zu machen. Davon könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Auch sei es nicht die Aufgabe einer summarischen Prüfung im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, Entscheidungen über die Wirksamkeit von Beschlußfassungen zu treffen, wenn sie – wie hier – internationales Recht berührten und über den Einzelfall hinausgehend weitreichende Bedeutung hätten. Der Antragsteller habe vorliegend nicht dargetan, daß der auf dem Kongreß der Antragsgegnerin vom 27. 05. 1995 gefaßte und von ihm beanstandete Beschluß von einem der Mitgliedsverbände, die der Beschlußfassung nicht zugestimmt haben (wie etwa dem DBSV), in einem gerichtlichen, schiedsgerichtlichen oder verbandsgerichtlichen Verfahren angegriffen worden sei. Es sei derzeit offenkundig auch kein Verfahren zur Feststellung der Unverbindlichkeit der Beschlußfassung für den Antragsteller anhängig und auch nicht ersichtlich, daß er ein solches Verfahren gleichzeitig mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung anhängig gemacht habe oder einzuleiten beabsichtige. Schließlich erscheine der Erlaß einer einstweiligen Verfügung aber auch nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller geboten. Bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen beider Parteien überwiege das Interesse des Antragstellers, die Werberegeln nicht einhalten zu müssen, das Interesse der Antragsgegnerin an der Durchsetzung ihrer Beschlußfassung vom 27. 05. 1995 nicht. Beide Parteien hätten Werbeverträge abgeschlossen, zu deren Einhaltung sie sich jeweils verpflichtet hätten. Auf beide Parteien könnten bei Vertragsbruch Schadensersatzforderungen zukommen. Der Antragsteller sei jedoch bei der Einhaltung der Werberegeln der Antragsgegnerin nicht an eigener Werbung auf Kleidung und Bob gehindert. Sowohl auf dem Bob als auch auf der Kleidung stünden noch hinreichend große Flächen für eigene Werbung des Antragstellers zur Verfügung, die auch im – insbesondere bei Fernsehübertragungen – sichtbaren Bereich plaziert werden könne. Die sichtbaren Flächen würden keineswegs durch die von der Antragsgegnerin beanspruchten Flächen ausgeschöpft. Das Landgericht habe im übrigen zu Recht darauf hingewiesen, daß dem Antragsteller auch deshalb keine unwiderbringlichen Nachteile entstünden, weil er die Antragsgegnerin auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könnte, sollte er in einem noch gegen sie anzustrengenden Hauptsacheprozeß obsiegen. Daß etwaige An-

81 Das OLG Hamm verweist insofern allgemein, aber unzutreffend, auf Reichert/Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrecht, 5. Aufl., Rdnr. 1860. Siehe hierzu im einzelnen unten III. 3.

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sprüche des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin nicht durchgesetzt werden könnten, sei nicht ersichtlich. Das LG Traunstein82, bei dem Christoph Langen den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragte, kam nicht zu einer Sachentscheidung. Es verwies die Sache, die sich auf das Weltcup-Rennen in Königsee bezog, an die nach einer bayerischen Landesregelung83 zuständige Kartellkammer des LG München I. Dort gingen die Akten erst nach dem Weltcup-Rennen ein. Demgemäß erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. b) Kritik Die vom LG Arnsberg und OLG Hamm gelieferten Begründungen vermögen nicht zu überzeugen; sie erwecken vielmehr den Eindruck, daß man eine positive Eilentscheidung vermeiden wollte.84 Zweifelhaft ist die Begründung, der Antragsteller könne sich nicht auf eine besondere Dringlichkeit der Angelegenheit berufen, da ihm der Beschluß der FIBT bereits mindestens zwei Monate bekannt gewesen sei und er die Frage seiner Rechtmäßigkeit einer Überprüfung durch die zuständigen Stellen hätte zuführen können. Verkannt wird insofern, daß in der Vorjahressaison die Verhandlungen des DBSV mit der FIBT zu einem für die Athleten tragbaren Kompromiß geführt hatten. Zudem bleibt unberücksichtigt, daß es angesichts der Besonderheiten im Sport keine nachteiligen Auswirkungen haben darf, wenn Kompromisse und eine sportschiedsgerichtliche Lösung gesucht werden. Ebenso wird verkannt, daß das letztlich ablehnende Schreiben des FIBT-Präsidenten drei Wochen vor der Antragstellung datiert. Angesichts der höchst komplizierten Zuständigkeitsfragen scheint eine dreiwöchige Vorbereitungszeit für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung jedenfalls noch angemessen zu sein. Auch die Antragsgegnerin benötigte diesen Zeitraum, um eine Schutzschrift einzureichen. Mit der rechtzeitigen Einreichung der Schutzschrift wird auch das Argument des LG Arnsberg widerlegt, der Antragsgegnerin sei es praktisch unmöglich gemacht, sich rechtzeitig zum Vorbringen des Antragstellers zu äußern und hiergegen zur Wehr zu setzen. Der Hinweis sowohl des LG Arnsberg als auch des OLG Hamm, der Antragsteller hätte die Rechtmäßigkeit des „Treviso-Beschlusses“ der FIBT „einer Überprüfung durch die zuständigen Stellen zuführen“ bzw. „als davon mittelbar Betroffener in einem Hauptsacheverfahren bereits zur Überprüfung“ stellen müssen, verkennt die rechtlichen Möglichkeiten eines Athleten innerhalb der Sportverbandspyramide. Christoph Langen hätte seinen Verein, dieser wieder den bayeri82

LG Traunstein, Beschluß v. 07. 12. 1995 – Geschäfts-Nr.: 3 0 4434/95 (unveröffentlicht). § 16 Bayer. Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz v. 02. 02. 1988, BayGVBl, S. 6. 84 Dabei hatte es sich das OLG Hamm ersichtlich nicht ganz leicht gemacht. Die Beratungen des Senats an einem Freitagnachmittag dauerten immerhin vier Stunden. 83

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schen Landesverband, dieser sodann den DBSV und dieser wiederum die FIBT verklagen müssen. Eine rechtzeitige Entscheidung wäre hier m. E. ebenso illusorisch wie für den Fall, daß Christoph Langen seinen Teilnahmeanspruch gegenüber der FIBT in einem „normalen“ Verfahren85 geltend gemacht hätte. Eine landgerichtliche Entscheidung dürfte in aller Regel nicht innerhalb von zwei Monaten zu erwarten sein. Den Athleten im Rechtsschutz auf Klagemöglichkeiten seines Vereins und dessen übergeordneten Verbands zu verweisen, stellt keine überzeugende Antwort staatlicher Gerichtsbarkeit auf ein ernsthaftes Rechtsschutzgesuch dar. Eine eigene Feststellungsklage des Athleten gegen die FIBT stünde angesichts des erforderlichen Feststellungsinteresses – Christoph Langen ist nicht Mitglied der FIBT – auf tönernen Füßen. Zum einen ist trotz des „Reiterurteils“ des BGH nicht sicher, ob die lediglich individualrechtlichen Beziehungen zwischen Verband und außenstehendem Athleten ein Interesse an der Feststellung der auch und gerade verbandsintern wirkenden Nichtigkeit von Verbandsregelungen begründen können. Zum anderen würde sich auch hier die Frage stellen, ob nicht analog Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ ausschließlich italienische Gerichte zuständig wären. Zum dritten wäre mit der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit noch nicht über das Teilnahmerecht entschieden. Es müßten die Gerichte also zweimal bemüht werden – eine angesichts der Überlastung der Justiz zweifelhafte Rechtsschutzvoraussetzung. Aus welchen Gründen bei der vom OLG Hamm unter Verweis auf Reichert/ Dannecker86 vorgenommenen Unterscheidung in nichtige und nur fehlerhafte Verbandsbeschlüsse der Treviso-Beschluß keinen nichtigen Beschluß darstellen soll, bleibt im Dunkeln. Gerade im vorerwähnten Handbuch werden Verbandsbeschlüsse als nichtig angesehen, die gegen Kartellbestimmungen verstoßen – also auch der hier gegebene Verstoß gegen § 1 GWB wegen Zentralvermarktung der sponsoringrelevanten Rechte – bzw. die in nicht gerechtfertigter Weise in die Rechte Dritter eingreifen.87 Demgegenüber wird das Rügeerfordernis bei fehlerhaften Verbandsbeschlüssen auf Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder die vereinsrechtliche Treuepflicht im Verhältnis zwischen dem Verein/Verband und einem oder wenigen Mitgliedern beschränkt. Daß Christoph Langen kein Mitglied der FIBT ist, wird hier übersehen, an anderer Stelle – insofern widersprüchlich – aber zur Begründung der Abweisung eines Anspruchs gegen die FIBT verwertet. Die Hemmung des OLG Hamm, in der Sache positiv zu entscheiden, wird besonders deutlich, wenn der Senat auf die Funktion des einstweiligen Verfügungs85 Eine solche Klage hätte auch zu einem erheblichen Zuständigkeitsproblem geführt: Da Streitgegenstand Vereinsverfassungsrecht wäre, bestünde – jedenfalls für die Klage gegen die FIBT – nach Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ ein ausschließlicher Gerichtsstand am Verbandssitz, d. h. in Mailand. Hieran würde als nächstes Problem anknüpfen, welches Recht das italienische Gericht nach dem italienischen Sachstatut auf den Rechtsstreit für anwendbar hielte und ob dieses anwendbare Recht die Rechte des Athleten ebenso schützt wie deutsches Recht. 86 Reichert/Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 5. Aufl., 1993. 87 Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., 1996, Rdnr. 1141 u. 1145.

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verfahrens abstellt und ausführt, es könne nicht in einem summarischen Prüfungsverfahren über die Wirksamkeit von Beschlüssen entschieden werden, wenn sie internationales Recht berührten und über den Einzelfall hinausgehend weitreichende Bedeutung hätten. Daß im einzelnen – selbst nur vorläufiger – Rechtsschutz mit der Begründung versagt wird, die Sache habe über den Einzelfall hinausgehende weitreichende Bedeutung und berühre internationales Recht, ist bemerkenswert. Nach meinem Eindruck handelt es sich hierbei um eine Kernaussage, die vielleicht sogar verallgemeinerungsfähig ist. So hat Grunsky in seinem Vortrag „Einstweiliger Rechtsschutz und Verbandsautonomie“, den er 1985 hier in Wangen gehalten hat, mit einigen Beispielsfällen dargelegt, daß im Sport die Chancen auf positive Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren recht schlecht sind. In eine ähnliche Richtung geht die aktuelle Analyse von Röhricht.88 Daß sowohl das LG Arnsberg als auch das OLG Hamm im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen beider Parteien nicht zu einem Vorrang der Interessen des Antragstellers gekommen sind, liegt auf der soeben gezeichneten Linie: So schlimm sei es für den Antragsteller doch nicht, er könne schließlich die Antragsgegnerin auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Insoweit ist teilweise der Vortrag des Antragstellers nicht berücksichtigt worden, er müsse seinen Beruf Bobsportler aufgeben, wenn er gehalten sei, die von der FIBT oktroyierten Werbepflichten einzuhalten. Zudem wird in tatsächlicher Hinsicht die Relativierung des Werbewerts durch die Werbung für verschiedene Sponsoren auf derselben Sportkleidung oder demselben Sportgerät verkannt, wenn auf die vom „Treviso-Beschluß“ verschonten Werbeflächen abgestellt wird. Der vom LG Arnsberg und vom OLG Hamm gewählte Ansatz, den Antragsteller auf nachträglich erst entstehende Schadensersatzansprüche zu vertrösten, sollte durch Anerkennung der vorbeugenden Unterlassungsklage, die im Zivilprozeß wegen der Dringlichkeit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erheben ist, gerade vermieden werden. Nur so kann sichergestellt werden, daß die knappe Ressource Rechtsprechung nicht unnötig in Anspruch genommen wird. Im Ergebnis läßt sich im Fall Langen, tendenziell aber wohl allgemein, eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Rechteinnehabung einerseits und den praktischen Möglichkeiten der Rechtedurchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren andererseits feststellen. Die Athleten – gleiches gilt für die Veranstalter von Sportwettbewerben – befinden sich in einem Dilemma, das durch staatlich-gerichtliche Entscheidungen offenbar nur schwer zu lösen ist. 4. Weitere Lösungsansätze Die Unsicherheit, ob staatliche Gerichte einstweiligen Rechtsschutz zur Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte gewähren, lenkt den Blick auf andere Lö88 Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19 (36 ff.).

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sungsansätze. In Betracht kommen die folgenden vier teils bewährten, teils neuen Modelle: @ Schiedsgerichte [dazu a)], @ Athletenvereinbarungen zwischen Verband und Athlet [dazu b)], @ Mitbestimmungsmodelle zur Interessenvertretung der Athleten [dazu c)], @ Gründung einer Verwertungsgesellschaft oder eines Pools für Sportrechte [dazu d)]. a) Schiedsgerichte Die schiedsgerichtliche Streitentscheidung findet im Sport zunehmend Resonanz.89 Dabei dürfen echte Schiedsgerichte nicht mit den in die Verbände integrierten Rechtsorganen verwechselt werden, die zwar verbreitet als Schiedsgerichte bezeichnet werden, bei denen es sich aber um Verbandsorgane handelt.90 Ein echtes Schiedsgericht i. S. d. §§ 1025 ff. ZPO muß überparteilich und neutral organisiert,91 seine Schiedsprüche müssen für die Parteien endgültig und bindend sein.92 Voraussetzung ist eine Schiedsvereinbarung der Parteien oder eine entsprechende Satzungsregelung.93 Seit langem existieren auf nationaler Ebene einige sportartspezifische Schiedsgerichte. Die Bemühungen um ein disziplinübergreifendes Sportschiedsgericht,94 das beim Deutschen Sportbund anzusiedeln wäre, sind hingegen vorerst gescheitert. Auf internationaler Ebene besteht seit 1983 das CAS/TAS.95 Stichwortartig lassen sich die Vorteile der Schiedsgerichte gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit wie folgt skizzieren: Schnelligkeit der Entscheidungsfin89 Vgl. aktuell Haas, Die Sport(schieds-)gerichtsbarkeit der Athleten, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Rechte der Athleten, 1997, S. 57 ff. m. w. N. 90 Vgl. statt vieler Schauhoff, Was ist eigentlich ein Schiedsgericht?, SpuRt 1995, S. 24 f. 91 Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21.Aufl., 1994, § 1025, Rdnr. 8; vgl. BGH NJW 1995, 583 (587) = SpuRt 1995, S. 43 (50); BGHZ 51, 255 (258). 92 Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., 1995, Rdnr. 2532; vgl. BGH NJW 1995, 583 (587) = SpuRt 1995, S. 43 (50). 93 Vgl. Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., 1995, Rdnr. 2536 ff.; Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970, passim. 94 Vgl. Kühl, Möglichkeiten und Grenzen eines echten Schiedsgerichts bei Spitzenverbänden oder beim DSB, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, S. 50 f. 95 Das Internationale Sportschiedsgericht (Court of Arbitration for Sport) ist im März 1983 vom Internationalen Olympischen Komitee „zur Erleichterung der Klärung von privaten Streitfällen, die sich aus dem Betreiben und der Entwicklung des Sport und allgemein allen mit dem Sport in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten ergeben“ (Art. 1 Statut des Schiedsgerichts für den Sport) gegründet worden. Vgl. allgemein Schwaar, Tribunal Arbitral du Sport, in: Etudes et Recherches du GISS, Groupe Interfacultaire des Sciences du Sport, 1993, S. 59 ff.; Netzle, Das Internationale Sportschiedsgericht in Lausanne – Le Tribunal Arbitral du Sport (TAS), SpuRt 1995, 89 ff.

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dung, Sachkunde der von den Parteien benannten Schiedsrichter, zumeist niedrigere Verfahrenskosten und höhere Akzeptanz bei den Parteien. Dem steht als Nachteil gegenüber, daß die maßgebenden Schiedsgerichtsordnungen oft kein einstweiliges Verfahren vorsehen und vor allem bei manchen Verbänden – wie im Fall Langen – die Bereitschaft zur Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit (noch) fehlt. Nachteilig ist weiterhin, daß der Konflikt nicht bereits im Voraus vermieden wird. Dies belastet regelmäßig die künftigen Beziehungen zwischen den Parteien. Außerdem werden nur Einzelfallösungen mit begrenzter Wirkung (inter partes) gefunden. b) Athletenvereinbarungen Demgegenüber setzen die vom Deutschen Sportbund und von einigen Spitzenfachverbänden formulierten (Muster-)Athletenvereinbarungen96 früher bei der Konfliktvermeidung zwischen Verbänden und Spitzenathleten an. Ziel der Vereinbarungen ist es, das konfliktträchtige Rechtsverhältnis – auch vor dem Hintergrund seiner rechtlich noch nicht abschließend geklärten Qualifikation97 – im Sinne eines fairen Ausgleichs von Athleten- und Verbandsinteressen sowie der Chancengleichheit, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu konkretisieren und Vorgaben zur Streitschlichtung zur Verfügung zu stellen. Dieses Modell bietet folgende Vorteile: Konflikte – wie beim konkurrierenden Sponsoring – können weitgehend im Voraus vermieden werden, wenn die Athleten im Vorfeld von Sportveranstaltungen an den sie interessierenden Entscheidungen beteiligt werden. Darüber hinaus ließe sich daran denken, die wichtigsten Rahmenbedingungen sportartübergreifend zu vereinheitlichen. Dies ermöglichte die Schaffung von Standards, die nicht zuletzt der sportinteressierten Wirtschaft und den Medien eine hilfreiche Orientierung böten. Diese Vorteile kämen aber nur zum Tragen, wenn auch die internationalen Verbände einbezogen würden. Denn die Bestimmungen nationaler Verbände und die Startbedingungen für internationale, aber auch für nationale Sportveranstaltungen werden gerade in den besonders streitigen Punkten weitgehend von den internationalen Sportverbänden geregelt. Problematisch ist zudem, daß beim Zustandekommen der Vereinbarung regelmäßig nicht – wie für einen fairen Interessenausgleich eigentlich unerläßlich – auf beiden Verhandlungsseiten ebenbürtige Parteien stehen. Denn das Verhältnis zwischen Verbänden und Athleten ist in der Regel durch ein soziales und finanzielles 96

Hierzu Haas/Prokop, Die Athletenvereinbarung – Der Athlet als stilles Mitglied des Verbands – 1. Teil, SpuRt 1996, 109 ff.; Die Athletenvereinbarung – Neue Wege der Konfliktlösung – 2. Teil, SpuRt 1996, 187 ff. Das Muster einer Athletenvereinbarung – erarbeitet auf der Grundlage des DSB-Entwurfs am Beispiel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes – ist in SpuRt 1996, 189 ff. abgedruckt. Bislang haben z. B. der Deutsche Leichtathletik-Verband, der Deutsche Schwimm-Verband und der Bund Deutscher Radfahrer entsprechende Vereinbarungen getroffen oder jedenfalls entworfen. 97 Es wird davon ausgegangen, daß das komplexe Rechtsverhältnis zwischen Verband und Athlet von gegenseitigen Treue- und Fürsorgepflichten geprägt ist.

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Machtgefälle gekennzeichnet. Noch ungeklärt ist insofern, ob Athleten zur Unterzeichung der Athletenvereinbarungen verpflichtet werden können. Bisher haben sich diese Fragen in der Sportpraxis nicht selten durch faktische Zwänge erledigt. Unabhängig von der rechtlichen Problematik einer Unterzeichnungspflicht kommt es aber in zweierlei Hinsicht zu praktischen Problemen: Zum einen kann das Ziel der Einheitlichkeit der rechtlichen Beziehungsgestaltung nicht erreicht werden, wenn nicht alle betroffenen Athleten unterzeichnen. Zum anderen schriebe die Unterzeichnungspflicht möglicherweise Ungerechtigkeiten fort, die bereits durch ein Ungleichgewicht bei den Verhandlungen bestanden haben. Der Konfliktausbruch wäre damit nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. c) Mitbestimmungsmodell: Interessenvertretung der Athleten Durch die vorstehenden Erläuterungen ist der Nutzen einer Interessenvertretung der Athleten und der Mitbestimmung in allen die Athleten betreffenden Fragen bereits deutlich geworden. Das Mitbestimmungsmodell könnte dazu beitragen, das traditionelle Ungleichgewicht zwischen Verbänden und Athleten aufzuheben, doch setzte dies voraus, daß die Interessenvertretung der Athleten von den Verbänden akzeptiert würde oder aufgrund solidarischen Athletenverhaltens anerkannt werden müßte. Hierin dürfte in praktischer Hinsicht das Hauptproblem liegen. Zudem kann wegen des nur beschränkten Interessengleichlaufs der Athleten, die intern angesichts der sporttypischen Konkurrenzstellung und der Leistungsunterschiede widerstrebende Positionen einnehmen, bezweifelt werden, ob es zum „Sprechen mit einer Stimme“ kommt. Schließlich müßte eine effiziente Mitbestimmung angesichts der Struktur des Sports international wirken. Insofern dürften sich die schon auf nationaler Ebene bestehenden Probleme einer Interessenbündelung der Athleten noch potenzieren. d) Verwertungsgesellschaft oder Pool für Sportrechte In Anlehnung an Verwertungsgesellschaften wie die GEMA läßt sich die Gründung einer Verwertungsgesellschaft speziell für Sportrechte in Betracht ziehen. Auf diese Weise wäre den Sportlern als Rechteinhabern und den Verbänden, Medien und sonstigen Unternehmen als Rechtenutzern die konfliktträchtige Sportrechteverwertung erleichtert. Doch dürfen auch bei diesem Lösungsmodell die Schwierigkeiten nicht verkannt werden: Einerseits ist die – bislang vielfach fehlende – Konkretisierbarkeit des Schutzgutes Voraussetzung. Andererseits ergibt sich ein verfahrenstechnisches Manko, solange eine gesetzliche Regelung, wie für die GEMA im Wahrnehmungsgesetz (WahrnG) geschehen, fehlt.

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Unabhängig von der praktischen Frage der Vermarktbarkeit – dem Pay- und insb. dem Online-TV dürfte insofern zukünftig eine große Bedeutung zukommen98 – liegen die zentralen Schwierigkeiten für dieses Lösungsmodell bei der Konkretisierung und Beschreibung des Schutzgutes. Zu berücksichtigen ist, daß die dingliche Verkehrsfähigkeit der betroffenen Persönlichkeitsaspekte sogar für die weitgehend konkretisierten Rechte am Bild und am Namen überwiegend abgelehnt wird.99 Aus dieser Konkretisierungs- und Definitionsproblematik ergeben sich Schranken für die Verwertungsfähigkeit aber nur insofern, als eine exakte Beschreibung des gestatteten Eingriffs erforderlich ist und dann, wenn eine solche Beschreibung nicht möglich ist, die Verwertung eben ausbleiben muß. Ungewollten Auswirkungen der Gestattung könnte dabei durch eine spezifische Begrenzung, die nicht nur an Art und Intensität des Eingriffs, sondern insbesondere an die Eingriffsauswirkungen anknüpft, Rechnung getragen werden. Zwar können mangels Verkehrsfähigkeit die betroffenen Sportrechte nicht mit Exklusivwirkung übertragen werden. Auch schützt die nur schuldrechtlich wirkende Gestattung des Eingriffs – formal häufig in Lizenzverträge gefaßt – den Lizenznehmer, d. h. den Rechtewahrnehmer, nicht mit originären Abwehr-, Entschädigungs- und Schadensersatzrechten gegen Dritteingriffe. Durch die antizipierte Abtretung künftiger Ansprüche des Rechteinhabers gegen Dritteingriffe im Lizenzvertrag können diese Schwierigkeiten aber überwunden werden. Auf diese Weise könnte die auch unter dem verfahrenstechnischen Aspekt erforderliche Stärkung der Rechtsposition einer Verwertungsgesellschaft – gleichwohl weniger als es die dingliche Exklusivwirkung vermöchte – annähernd verwirklicht werden. De lege lata fehlt es aber an der – im WahrnG z. B. für die GEMA erfolgten – gesetzlichen Absicherung einer Monopolverwertungsgesellschaft und an einem internationalen Vertragsnetz, das die Sportrechteverwertung auch im internationalen Geschäft ermöglicht. Eine gesetzlich gesicherte Monopolstellung ist für die effektive Aufgabenerfüllung einer Verwertungsgesellschaft – d. h. für die Gewährleistung der Ermittlungs-, Kontroll- und Informationsfunktion – ebenso notwendig wie ein wirksames Instrumentarium, z. B. die Einwilligungseinholungspflicht nach § 13 lit. a WahrnG und die gesetzliche Vermutung der Aktivle98 Beliebtheit könnten sich insbesondere die seit Jahren wiederholt im Fernsehen gezeigten außergewöhnlichen Sequenzen wie die Rasenrolle des Fußball-Schiedsrichters Walter Eschweiler erfreuen. 99 BGHZ 119, 237 (239) = NJW 1993, 918 (919); Palandt – Heinrichs, BGB, 56. Aufl., 1997, § 12, Rdnr. 17; Münchener Kommentar – Schwerdtner, § 12, Rdnr. 74; Poll, Sportübertragungsrechte in der Europäischen Union aus urheberrechtlicher Sicht, in: Schimke (Hrsg.), Sport in der Europäischen Union, 1996, S. 13 (28); differenzierend: Freitag, Die Kommerzialisierung von Darbietung und Persönlichkeit des ausübenden Künstlers, 1993, S. 165 ff. und 176 ff. Demgegenüber nehmen Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, S. 26, und Dickmann, Zur Mitwirkung der Lizenzfußballspieler bei der Vergabe von Fernsehrechten, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Fußballspieler als Arbeitnehmer, S. 59 (67 ff.), Leistungsschutzrechte der Sportler hinsichtlich der Verwertung ihrer sportlichen Leistung an.

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gitimation nach § 13 lit. b WahrnG. Ohne solche gesetzlich verliehenen Befugnisse – rein privatrechtlich organisiert und ohne Rechtssicherheit im internationalen Geschäft – kann einer funktionierende Verwertungsgesellschaft nach dem Vorbild der GEMA weder verfahrenstechnisch noch wirtschaftlich Erfolg beschieden sein. Demgegenüber kann auf der Grundlage des Ski-Pool-Modells100 des deutschen Skiverbandes und des Athletenfonds der Fördergesellschaft Deutsche Sporthilfe GmbH (FDSH)101 an eine Poolung der Sportrechte in einem bestimmten Rahmen, z. B. im Verein, in einer Sportart oder sportartübergreifend auf eine bestimmte Veranstaltung(sreihe) bezogen, gedacht werden. Probleme können hier die – faire – Verteilung der Einnahmen, die Akzeptanz der im Pool gewählten Vermarktung bei den Athleten und insbesondere eine Verpflichtung zur Poolung bereiten. Denn einerseits werden die erfolgreichsten Sportler nicht ohne weiteres dazu bereit sein, ihren erheblich über dem Durchschnitt liegenden Vermarktungswert „neutralisiert“ zu sehen. Andererseits ist die Gestattung von Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur auf freiwilliger Basis möglich.

IV. Zusammenfassung Sponsoring ist im – fernsehrelevanten – kommerzialisierten und professionalisierten Sport zu einem zentralen Faktor geworden. Konflikte zwischen den verschiedenen Sponsoringbeteiligten sind zwar an der Tagesordnung, rechtlich aber noch keineswegs endgültig gelöst. Maßgeblich ist insofern, ob die Verbandsregelungen und/oder Verträge, die die konfliktträchtigen Rechtsbeziehungen im Sponsoring regeln, überhaupt zu einer Bindung der Athleten führen und ob sie insbesondere der gerichtlichen Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB standhalten. Um ein geradezu „klassisches“ Problem des Sportsponsoring handelt es sich beim konkurrierenden Sponsoring durch Verband und Athlet. Aus Sicht des Athleten besteht insofern das Dilemma, entweder seinen eigenen Sponsoringvertrag brechen zu müssen oder an Wettkämpfen des Verbandes nicht teilnehmen zu können. Am Fall des Bobweltmeisters Christoph Langen wird deutlich, daß die Durchsetzung der eigenen Rechte angesichts des Zeitdrucks, der psychischen Anspannung vor dem Wettkampf und der Macht des internationalen Verbandes schwierig ist. Die an die tatsächlichen Werbeträger – Sportstätte, Organisationsmittel, Veranstaltungsinformationen, Sportgeräte, Kleidung und Athleten – anknüpfende originäre rechtliche Zuordnung der sponsoringrelevanten Rechte und Rechtsgüter erfolgt im Ergebnis weitgehend zu Gunsten der Athleten. Eine wirksame derivative Rechteinnehabung des (internationalen) Verbandes aufgrund der Übertragung von Rechten oder der Einräumung von Nutzungsbefugnissen ist im kommerzialisierten und professiona100

Abgedruckt in: Reschke (Hrsg.), Handbuch des Sportrechts, Band 1, Stand: Dez. 1991, Nr. 05.41.1. 101 Die Formular-Vereinbarung zwischen der FDSH und den Athleten ist abgedruckt in: Reschke (Hrsg.), Handbuch des Sportrechts, Band 1, Nr. 05.00.1.

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lisierten Sport nur bei einer angemessenen finanziellen Beteiligung der Athleten am Sponsoringerlös möglich. Prüfstein bei der im Rahmen von §§ 242 und 138 BGB sowie von § 26 II GWB und Art. 86 EGV vorzunehmenden Interessenabwägung ist, ob die wechselseitigen Förder-, Rücksichtnahme- und Informationspflichten von Verband und Athlet erfüllt worden sind. Im Fall Langen – tendenziell wohl aber allgemein – läßt sich im Ergebnis eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Rechteinnehabung einerseits und der praktischen Möglichkeit der Rechtedurchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren andererseits feststellen. Die Athleten befinden sich in einem Dilemma, das durch staatlich-gerichtliche Entscheidungen offenbar nur schwer zu lösen ist. Die alternativ in Betracht gezogenen weiteren Lösungsansätze – Schiedsgerichte, Athletenvereinbarungen zwischen Verband und Athlet, Mitbestimmungsmodelle zur Interessenvertretung der Athleten sowie die Gründung einer Verwertungsgesellschaft oder eines Pools für Sportrechte – weisen sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Auch wenn im einzelnen noch erheblicher Diskussionsbedarf besteht, so werden doch Möglichkeiten aufgezeigt, die zu einer außergerichtlichen Konfliktbewältigung beitragen können.

Inline-Skating Rechtstatsachen, Rechtslage und Reformbedarf* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtstatsächliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung des Inline-Skating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewegungstypizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezifische Unfallrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffe und Regelungskonzept der StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundeinordnung: Inline-Skates als Fahrzeuge i. S. v. § 2 ff. StVO . . . . . . . . . . . 3. Modifizierende Einordnung in Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Das Massenphänomen Inline-Skating hat bislang nur vereinzelt zu Reaktionen in Rechtswissenschaft und Praxis geführt. Der Beitrag vergleicht die rechtstatsächliche Situation mit der Rechtslage und kommt zu dem Ergebnis, daß eine umgehende Spezialregelung für Inline-Skates in der StVO erforderlich ist. Es besteht für den Verordnungsgeber kein Anlaß, die Beobachtungsphase weiter auszudehnen.

I. Einleitung Das Straßenbild hat sich in den letzten Jahren durch Inline-Skater gewandelt. Handelte es sich anfangs um einzelne Skater, die bei anderen Verkehrsteilnehmern Verwunderung und Irritationen auslösten, so sind die Inline-Skater mittlerweile zu einer Alltagserscheinung geworden. Nur spektakuläre Ereignisse – wie die Ausrüstung von Polizeistreifen mit Inline-Skates oder die Öffnung der Stadtmarathonläufe für Inline-Skater – fallen noch auf. Trotz der allmählichen Gewöhnung stellen sich nicht nur für den juristisch vorgebildeten Verkehrsteilnehmer manche Fragen:

* Erstveröffentlichung in NZV 1998, S. 1 – 7. Ich widme den Beitrag Frau Richterin am BGH a. D. Erika Scheffen, der Ehrenpräsidentin des Konstanzer Arbeitskreises für Sportrecht e. V. Meinen studentischen Hilfskräften Gritt Osmann (Deutsche Meisterin 1992 im 5.000-mund 10.000-m-Speed-Skaten, lizensierte Instruktorin für Inline-Skating) und Ralf Tschauner danke ich herzlich für Materialsammlung und Diskussionsbereitschaft.

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@ Handelt es sich beim Inline-Skating wirklich um eine Dauererscheinung, oder wird es wieder aus dem Straßenbild verschwinden? @ Was kennzeichnet die Fortbewegung mit Inline-Skates? @ Welche Risiken bestehen für die Inline-Skater selbst und welche für andere Verkehrsteilnehmer? Wie sehen die Unfallzahlen aus? @ Welche Verkehrsflächen dürfen die Inline-Skater benutzen, welche nicht? Deckt sich dies mit ihren eigenen Bedürfnissen und Zielen? @ Gibt es spezielle Verhaltensanforderungen an Inline-Skater? Oder müssen die anderen Verkehrsteilnehmer ihr Verhalten ändern? @ Reichen die bisherigen allgemeinen Regelungen aus, oder sind Spezialregelungen für Inline-Skater erforderlich? @ Wie sieht es mit der Haftung aus? Die rechtliche Erfassung folgt der tatsächlichen Entwicklung vielfach mit gehörigem Zeitabstand nach.1 So ist es wohl auch beim Inline-Skating. Die juristische Literatur2 hat dieses Massenphänomen bislang nur vereinzelt aufgegriffen. Im politischen Raum hat es zwar einige – zurückhaltende – Äußerungen der Bundesregierung3 und des Bundesverkehrsministeriums4 gegeben. Auch haben Interessenverbände Stellung bezogen. Eine erste tiefergehende Auseinandersetzung ist in Deutschland aber erst anläßlich des Verkehrsgerichtstags 1998 in Goslar zu erwarten. Im folgenden soll zunächst ein systematischer Überblick über die rechtstatsächliche Situation (dazu II.) gegeben werden. Daran anschließend wird die straßenverkehrsrechtliche Rechtslage (dazu III.) erörtert, die ihrerseits Ausgangspunkt für Reformüberlegungen (dazu IV.) ist.

1 K. Vieweg, Reaktionen des Rechts auf Entwicklungen der Technik, in: M. Schulte (Hrsg.), Technische Innovation und Recht, 1996, S. 35 (36) m. w. N. 2 K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 ff.; H.A. Grams, NZV 1997, 65 ff.; Kuratorium für Verkehrssicherheit, Institut für Verkehrstechnik und Unfallstatistik (Hrsg.), Inline-Skaten – Erhebungen, Analyse und Maßnahmenvorschläge, Wien 1996, S. 2 u. 33 ff.; aus Sicht der Polizeipraxis B. Lange, PVT 1997, 19 f.; vgl. zu den Rollschuh-, Roller- und Skateboardfahrern auch E. Scheffen, NZV 1992, 385 (386 f.). 3 Antwort der Bundesregierung v. 18. 11. 1996, BT-Drs.13/6169 (= Verkehrsnachrichten 12/96, S. 10) auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. W. Wolf und der Gruppe der PDS v. 24. 10. 1996, BT-Drs.13/5914. 4 D. Grupe (Leiter der Abteilung Straßenverkehr im Bundesverkehrsministerium), Focus 44/1996 v. 28. 10. 1996, S. 64.

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II. Rechtstatsächliche Situation Rechtliche Untersuchungen, die die Realität ausblenden, sind von zweifelhaftem Nutzen.5 In besonderem Maße gilt das für die rechtliche Behandlung konfliktträchtiger Neuerungen, also für Bereiche, in denen Gewohntes und Neues aufeinanderprallen und sich – wie beim Inline-Skating – die Interessen der betroffenen Menschen nur schwer zur Deckung bringen lassen. Unverzichtbar für die rechtliche Erörterung sind deshalb Informationen zur bisherigen und absehbaren weiteren Entwicklung des Inline-Skating, zu den Kennzeichen der Bewegung und – damit zusammenhängend – zu der spezifischen Eigen- und Fremdgefährdung. 1. Entwicklung des Inline-Skating Die Erfindung der Inline-Skates – noch mit Holzrollen, aber bereits einreihig – dürfte zeitlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts einzuordnen sein. Rollschuhe mit vier Rädern in zwei Spuren wurden erst 1863 in den USA erfunden und bis in die 1970er Jahre mit geringfügigen Modifizierungen – insbesondere der Verwendung von Kugellagern – benutzt.6 Anfang der 1980er Jahre erlebten die Rollschuhe zusammen mit den Skateboards, ausgelöst vor allem durch technisch deutlich verbesserte Kunststoffrollen, einen ersten kurzen „Boom“. Inline-Skates, d. h. Rollschuhe mit vier oder fünf High-Tech-Rollen in einer Reihe und gelenkstützenden Schalenschuhen, wurden zwar schon in den 1960er und 1970er Jahren erfunden und vereinzelt genutzt. Den Sportmarkt7 eroberten sie in den USA aber erst Mitte der 1980er Jahre und in Deutschland Anfang der 1990er Jahre. 1996 wurden in Deutschland bereits vier Millionen Inline-Skates verkauft. Ähnliche Verkaufszahlen werden für 1997 erwartet.8 Bereits dies läßt vermuten, daß es sich beim Inline-Skating nicht lediglich um eine vorübergehende Mode, sondern um ein langfristiges Massenphänomen handelt. Hierfür spricht auch die Prognose, daß sich die Zahl der Inline-Skater in Deutschland von derzeit geschätzten neun Millionen tendenziell weiter erhöhen wird.9 Entscheidend dürften letztlich aber 5 Die bisherige Literatur stützt sich offenbar auf persönliche Eindrücke ohne wissenschaftliche Absicherung. Vgl. H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67), der lediglich auf Geschwindigkeit, Körpergewicht und (Un-)Geschicklichkeit abstellt und zudem – insofern jedenfalls mißverständlich – den Begriff „Skater“ anstelle von „Skates“ verwendet. Unter „Skater“ werden herkömmlicherweise die Personen verstanden, die „Skates“ benutzen. 6 U. Sauter, In-Line-Skating – Ausübung, Techniken, Fahrpraxis, 1996, S. 8 – 12; T. Delfs, Als Inline in war, in: Die Zeit v. 04. 04. 1997, S. 35 mit Verweis auf eine Untersuchung des Schweizer Sportmuseums. 7 Das Modell eines Schweinfurter Maschinenbauers führte Mitte der 1970er Jahre nicht zu Markterfolgen; vgl. FAZ v. 16. 08. 1997, S. 8. In der UdSSR erfolgte die Nutzung der sog. „Einspurrollen“ ab ca. 1960; vgl. U. Sauter (Fn. 6), S. 10. 8 FAZ v. 07. 08. 1997, S. 12. 9 Die Pressenotiz in der FAZ v. 07. 08. 1997, S. 12, geht von 9 Mio. Inline-Skatern aus. Nach Auskunft des Geschäftsführers des Deutschen Inline-Skate Verbandes e. V. (D.I.V.),

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die sich hinter diesen Zahlen verbergenden Motive der Nutzer und der Wirtschaft sein. Daß mit Inline-Skates die individuelle Mobilität im innerstädtischen Bereich deutlich verbessert wird, steht angesichts der Parkprobleme und Staus sowie der Diebstahlrisiken bei Fahrrädern außer Frage. Neben dem Aspekt der Zeitersparnis dürfte auch dem bisher weitgehend unterschätzten Gesundheitsaspekt10 eine langfristige Bedeutung zukommen. Beide Aspekte führen dazu, daß man das Inline-Skating auf eine Stufe mit dem Radfahren und Joggen stellen kann.11 Die der technischen Entwicklung folgende Ausdifferenzierung neuer Wettkampfdisziplinen12, die Einbeziehung in den Schulunterricht und die Sportlehrerausbildung13 sowie die Gründung – konkurrierender – Fachverbände im Herbst 1995 und deren Fusion im November 199614 indizieren einen Konsolidierungsgrad, der gegen die Annahme spricht, beim Inline-Skating handele es sich lediglich um eine vorübergehende Modeerscheinung. In dieselbe Richtung weist der Umstand, daß mit der Formulierung „Goldener Regeln“15 für die Inline-Skater von Verbandsseite B. Schicker, v. 22. 09. 1997 beläuft sich seine Schätzung auf ca. 11 Mio. Inline-Skater. Die in der Kleinen Anfrage (Fn. 3) zitierte Schätzung der Deutschen Verkehrswacht geht von 4 Mio. aus. 10 Inline-Skating hat positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Vgl. J. Jerosch/J. Heidjan/L. Thorwesten, TW Sport + Medizin 1997, 118. Noch unveröffentlicht sind die Ergebnisse einer vom Institut für Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln durchgeführten Studie zu den physiologischen Belastungen beim Inline-Skating im Vergleich zum Joggen und Radfahren (Schreiben B. Schaar v. 29. 10. 1997 an den Verfasser). Vgl. zu den biomechanischen und orthopädischen Aspekten des Inline-Skating K.-H. Kristen/K. Berger/ P. Wagner/J. Kastner, TW Sport + Medizin 1997, 124. 11 Bezweifelt werden mag das Umfrageergebnis, daß mehr als 50 % ihre Inline-Skates als Fitneßgeräte nutzen (vgl. FAZ v. 07. 08. 1997, S. 12). 12 Hierbei handelt es sich um: Speed (Slalom, Downhill, Distance-Speed, Cross-Speed), Aggressive (Halfpipe-Stunt, Vert-Street, High-Jump), Inline-Street-Hockey und Inline-Hokkey. Eine Inline-Hockey-Profiliga betreibt der Deutsche Eishockey-Bund – wohl auf Druck des Internationalen Eishockey-Verbandes IIHF – von Mai bis Juli. Vgl. FAZ v. 03. 05. 1996, S. 38 und SZ v. 15. 07. 1997, S. 48. 13 FAZ v. 12. 08. 1997, Beilage „Technik und Motor“, S. 2; Schreiben B. Schaar (Institut für Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln) v. 29. 10. 1997 an den Verfasser. 14 FAZ v. 16. 09. 1996, S. 34. Bemerkenswerterweise wurden beide Verbände durch Sportartikelhersteller gegründet: die German In-Line Skating Association (GISA) von „Rollerblade“, die namensgleiche G.I.S.A. unter der Federführung anderer Unternehmen. Vgl. U. Sauter (Fn. 6), S. 12. 15 „Goldene Regeln“: (1) Trage immer die vollständige Schutzausrüstung (Knee & Elbow Pads, Wrist Guards, Helm)! (2) Lerne sicher, schnell und rechtzeitig zu bremsen! (3) Bleibe immer achtsam und zuvorkommend! (4) Skate stets so, daß Du die Situation unter Kontrolle hast! (5) Skate auf Wegen immer auf der rechten Seite! (6) Fußgänger, Radfahrer oder andere Skater immer links überholen! (7) Meide Flächen mit starkem Fußgänger- oder Radverkehr! (8) Achte auf Fußgänger und Radfahrer und lasse ihnen immer den Vorrang! (9) Fahre nicht auf öffentlichen Straßen oder Radwegen!

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Standards gesetzt worden sind. Schließlich ist das massive Interesse der Sportartikelindustrie und des -handels an der Erhaltung und Erweiterung des InlineSkating-Markts zu berücksichtigen. Dieser umfaßt nicht nur die Erstausstattung, sondern auch „Aufrüstungen“ und Ersatzbedarf von Verschleißteilen – insbesondere Kugellager und Rollen. Ein weiteres Marktpotential bilden Innovationen wie Scheibenbremsen und luftgefüllte, geländetaugliche Rollen, mit denen unbefestigte Wege befahren werden können.16 Der Stellenwert des Interesses der Wirtschaft wird daran deutlich, daß – wohl erstmals in Deutschland – Gründung und Fusion von Sportverbänden auf industrielle Einflußnahme zurückzuführen sind,17 daß Wettkämpfe – sog. „events“ – durch die Wirtschaft initiiert oder gesponsert werden und daß – wie beispielsweise im schon seit langer Zeit professionalisierten Radsport – „Firmenteams“18 gebildet werden. Insgesamt dürfte damit feststehen, daß es sich beim Inline-Skating nicht um eine vorübergehende Mode, sondern um eine Dauererscheinung handelt. 2. Bewegungstypizität Aus rechtlichem Blickwinkel drängt sich der Vergleich der Inline-Skater mit Fußgängern, Rollschuhfahrern und Radfahrern auf. Rechtstatsächlich sind demgemäß die Besonderheiten der Bewegung sowie die daraus resultierenden Risiken und etwaige Schäden von Interesse. Wohl überwiegend werden die Inline-Skates zur zielgerichteten Fortbewegung verwendet, daneben werden sie aber auch – von den sog. „Aggressives“ – zu virtuosen Bewegungsformen (sog. „coole moves“ wie z. B. „Kamikaze-Joe“19) benutzt. Die Bewegungen des „normalen“ Skaters gleichen von Körperhaltung, Dynamik und Technik her denen der Eisläufer. Im Vergleich zu den traditionellen zweireihigen Rollschuhen (Rollerskates) ermöglichen die Inline-Skates insbesondere deutlich höhere Geschwindigkeiten und besseres Kurvenverhalten. Zudem werden Bewegungsstabilität und Gleichgewicht – hierin liegt ein weiterer wesentlicher Unterschied zu den Rollerskates – erst bei höherer als Schrittgeschwindigkeit erreicht. Auch dieser Umstand ist für die rechtliche Einordnung im Auge zu behalten.

(10) Beim Fahren auf dem Bürgersteig: Geschwindigkeit reduzieren, stets bremsbereit sein, vorausschauend skaten – Fußgänger haben Vorfahrt! (11) Meide nasse, ölige, sandige oder staubige Wege sowie Unebenheiten und Schotter! 16 Vgl. FAZ v. 12. 08. 1997, Beilage „Technik und Motor“, S. 2. 17 FAZ v. 16. 09. 1996, S. 34. 18 So vom französischen Sportartikelhersteller Salomon; vgl. FAZ v. 29. 09. 1997, S. 37. 19 Beim „Kamikaze-Joe“ handelt es sich um das einbeinige Fahren und Greifen an die Schuhspitze des nach vorne gestreckten anderen Fußes. Vgl. die Bildfolge in INLINE skating 4/97, 46 f.

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Geht es aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht um die Zuordnung der InlineSkater bzw. -Skates zu bestimmten Verkehrsflächen, so sind in rechtstatsächlicher Hinsicht drei Aspekte ausschlaggebend: Geschwindigkeit, Bremsweg und Breitenbedarf. Vor allem wegen der unterschiedlichen Bewegungserfahrung, der Bandbreite der technischen Qualität der Inline-Skates sowie der Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Verkehrsfläche ergeben sich insofern nicht unerhebliche Unterschiede. Untersuchungsergebnisse hinsichtlich dieser aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht maßgebenden Aspekte hat – soweit ersichtlich – bisher lediglich das Institut für Verkehrstechnik und Unfallstatistik des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit vorgelegt.20 Die methodischen Ansätze und wesentlichen Ergebnisse dieser Studie werden im folgenden referiert. Geschwindigkeiten, Breitenbedarf und Bremswege wurden auf der Donauinsel in Wien und in einer Skaterhalle gemessen. Die Meßergebnisse wurden vier nach ihrer unterschiedlichen Fahrpraxis gebildeten Gruppen sowie der Sondergruppe der Kinder unter 12 Jahren zugeordnet21. Die – von Benutzungszweck und Fahrpraxis abhängige – durchschnittliche Geschwindigkeit der meisten Inline-Skater über 12 Jahren lag zwischen 12 und 18 km/h, die der Kinder unter 12 Jahren meist im Bereich zwischen 10 und 12 km/h. Das Geschwindigkeitsniveau der männlichen Skater lag lediglich um 1 – 2 km/h über dem der weiblichen. Nach Fahrpraxis differenziert ergaben sich folgende Durchschnittsgeschwindigkeiten: Anfänger (12 km/h), mittelmäßige bis gute Inline-Skater22 (ca. 16 km/h), sehr gute Inline-Skater23 (knapp über 20 km/h). Selbst sehr gute Inline-Skater erreichten nur selten (ca. 1 %) Höchstgeschwindigkeiten über 30 km/h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von Inline-Skatern war damit einerseits um ca. 2 km/h niedriger als die von Radfahrern.24 Andererseits bewegten sich Anfänger und Kinder bereits mehr als doppelt so schnell wie Fußgänger und ähnlich schnell wie Jogger (ca. 12 km/h). Dies dürfte seinen 20

Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), passim. An der Deutschen Sporthochschule Köln (Institut für Rehabilitation) durchgeführte Untersuchungen sind bislang nicht veröffentlicht (Schreiben B. Schaar v. 29. 10. 1997 an den Verfasser). 21 Insgesamt wurden ca. 500 Geschwindigkeitsmessungen, 250 Messungen der Breitenverteilung des Bewegungsraums, 250 Messungen der Spurbreite, 500 Messungen des Bremswegs und ca. 200 Messungen des Anhaltewegs durchgeführt. Siehe im einzelnen Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 4. 22 Als mittelmäßige Skater wurden Personen eingestuft, die zwei- bis zehnmal geskatet waren. Als guter Skater wurde angesehen, wer gelegentlich mit Inline-Skates unterwegs oder ein ausgezeichneter Eisläufer mit mittelmäßiger Skate-Erfahrung war. Vgl. Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 4. 23 Hierzu wurden Testpersonen gezählt, die regelmäßig mit den Inline-Skates unterwegs und/oder Mitglieder eines Skate-Vereins waren. Vgl. Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 4. 24 Vgl. im einzelnen Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 5 – 11 u. 30.

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Grund nicht zuletzt darin haben, daß das Gleichgewicht beim Inline-Skating erst bei höherer als Schrittgeschwindigkeit gehalten werden kann.25 Die Messungen ergaben weiter, daß 85 % der Inline-Skater bei mittlerer Geschwindigkeit einen Breitenbedarf des Bewegungsraums für Oberkörper- und Armbewegungen und eine Spurbreite von ca. 1,30 m haben. Der Bewegungsraum von Inline-Skatern ist damit nicht nur größer als bei Fußgängern, sondern auch größer als bei Radfahrern, bei denen 85 % mit 1,24 m auskommen.26 Eigen- und Fremdgefährdung durch Inline-Skating hängen wesentlich vom Bremsweg ab, der seinerseits durch Reaktionszeit, Bremsmethode, Erfahrung, technischen Stand der Inline-Skates sowie Fahrbahnbelag bestimmt wird. Die durchschnittliche Reaktionszeit der Inline-Skater entsprach bei der Wiener Studie mit 0,6 Sekunden etwa der der Auto- und Radfahrer. Auf ebener Strecke27 wird beim Inline-Skaten vorwiegend durch den sog. Heel-Stop (Vorbringen des Beines und Fersendruck auf den hinter den Rollen angebrachten Stopper), den sog. T-Stop (ein Fuß wird hinter dem anderen quergestellt), den sog. Stop-Turn (das belastete Bein bleibt stehen, das andere beschreibt einen Kreis; der Oberkörper wird nach vorne gebeugt und leicht gedreht) oder durch Fersendruck, der das jeweilige Bremssystem aktiviert,28 gebremst. Daneben sind – keineswegs nur als Notbremse – das „Festhalten an Elementen des Straßenraums“, insbesondere an Verkehrszeichen und Laternenmasten (sog. „Klammerstop“ oder „Laternenstop“), sowie der „Rasenstop“ verbreitet. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km/h zeigte sich, daß 85 % der Inline-Skater unabhängig von der Bremsmethode einen Bremsweg von 0,5 bis 4,0 m benötigen. Ein ähnlicher Bremsweg wurde – allerdings bei geringerer Bremsgeschwindigkeit – für Kinder unter zwölf Jahren gemessen. Bei den Bremsmethoden ergaben sich insofern Unterschiede, als die T-Stop und StopTurn-Bremsungen – wohl aufgrund der längeren Fahrpraxis – zu kürzeren Bremswegen führten. Vergleicht man den durchschnittlichen Bremsweg der Inline-Skater

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Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), Tabelle 2 auf S. 7 belegt eindrucksvoll, daß sowohl die lokale als auch die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit immer über die Schrittgeschwindigkeit von ca. 4 – 7 km/h hinausgehen, vgl. dazu H. Jagusch/P. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl. (1997), § 42 StVO, Rdnr. 181 (zu Z 325/326) m. w. N. Nach der amtlichen Begründung zu Z 325/326 (abgedruckt in H. Jagusch/P. Hentschel, ebd., § 42 StVO, Rdnr. 160 – 162) ist unter Schrittgeschwindigkeit eine „sehr langsame Geschwindigkeit, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht“ zu verstehen, die „jedenfalls wesentlich unter 20 km/h“ liegen muß. 26 Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 21 – 26 u. 30. 27 Bei Gefälle wird durch den sog. A-Stop, Schneepflugbogen oder Slalom gebremst. Vgl. INLINE skating 4/97, S. 6 f. 28 Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 12, bezeichnet das Active-BrakeTechnology-System (A.B.T.) und das Power-Braking-System (P.B.S.) zusammenfassend als Bremshebelsysteme. Weitere neuentwickelte Bremssysteme wie die Handbremse (vgl. INLINE skating 4/97, 7) und die Scheibenbremse (vgl. Mindener Tageblatt v. 25. 08. 1997, S. 6) haben bislang noch keine praktische Relevanz erlangt.

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mit jenem der Rad- und Autofahrer, so weisen die Inline-Skater in allen Geschwindigkeitsklassen durchweg den längsten Bremsweg auf.29 Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die Vergleichskriterien Breitenbedarf, Geschwindigkeit und Bremsweg ergaben in der Wiener Studie, daß InlineSkating dem Radfahren am nächsten kommt. Grundsätzliche methodische Bedenken gegen die Studie des Instituts für Verkehrstechnik und Unfallstatistik des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, die ihren Aussagewert in Frage stellen, sind nicht ersichtlich. Wünschenswert wären allerdings ergänzende Untersuchungen, die das Verhalten von Testgruppen in Fußgängerzonen, auf Geh- und Radwegen sowie auf innerörtlichen Straßen, insbesondere in verkehrsberuhigten Zonen messen. Diese Untersuchungen müßten unter realen Bedingungen – dazu gehören auch unterschiedliche Breite und Oberflächenbeschaffenheit der Verkehrsflächen sowie Anzahl und Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer – erfolgen. 3. Spezifische Unfallrisiken Eine rechtstatsächliche Erfassung der Unfallrisiken – konkret: der Verletzungsund Haftpflichtrisiken – hat zum einen vom Risikobegriff auszugehen, hat also Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß zu berücksichtigen. Zum anderen muß sie nach den in Betracht kommenden Schadenskategorien differenzieren: den Eigenschäden, insbesondere den Verletzungen der Inline-Skater selbst, den Fremdpersonenschäden, die andere Verkehrsteilnehmer betreffen, und den Fremdsachschäden, insbesondere an parkenden Kraftfahrzeugen. Die verfügbare Datenbasis ist leider noch schwach.30 Sie erlaubt nur vorsichtige Rückschlüsse. Soweit ersichtlich, werden Inline-Skater-Unfälle nur in den USA statistisch in brauchbarer Weise gesondert erfaßt.31 So verletzten sich von Juli 1992 bis Juni 1993 insgesamt 30.863 Inline-Skater. Auf jede Verletzung bei den InlineSkatern kamen 3,3 Verletzungen von Rollerskatern und 1,2 bei Skateboardern.32 Eine USA-weite Befragung von 16.000 Skatern ergab für 1992, daß im Jahresdurchschnitt die Skates an 22,5 Tagen benutzt wurden. Bei Zugrundelegung von 29 Siehe im einzelnen Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 12 – 21 u. 30 f. sowie insbesondere Tabelle 8 auf S. 17. 30 Vgl. J. Jerosch/J. Heidjan/L. Thorwesten, TW Sport + Medizin, 1997, 118 ff. m. w. N. Nach der Presseinformation des Deutschen Verkehrssicherheitsrats v. 30. 07. 1997 gehen – einer Untersuchung der Hamburger Universitätsklinik zufolge – 1/5 aller Sportverletzungen auf Inline-Skating zurück. 31 Im zentralen Register der NEISS (National Electronic Injury Surveillance System) der Consumer Product Safety Commission (CPSC) ist seit 1987 eine dramatische Zunahme der Inline-Skating-Verletzungen verzeichnet worden. Vgl. J. Jerosch/J. Heidjan/L. Thorwesten, TW Sport + Medizin, 1997, 118. Spezielle Schlüsselzahlen für Unfälle und Haftpflichtfälle mit Beteiligung von Inline-Skatern gibt es bislang in der Versicherungswirtschaft nach Auskunft des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 04. 11. 1997 nicht. 32 Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 28.

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9,4 Mio. Inline-Skatern ergab dies für die USA im Jahre 1992 211,5 Mio. InlineSkate-Tage. Hieraus resultierte ein Verletzungsrisiko von 0,33 % pro Jahr.33 Plausibel ist die Aussage des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit, daß die meisten Unfälle mit Beteiligung von Inline-Skatern darauf zurückzuführen sind, daß sie die Kontrolle über ihre Skates verlieren.34 Demgemäß ist die Unfallwahrscheinlichkeit bei Anfängern am höchsten. Ebenfalls erscheint es plausibel, daß Art und Schwere der Verletzung der Skater – schwerpunktmäßig sind dies Handgelenkverletzungen35 – von folgenden Faktoren abhängen: Inline-Skating-Erfahrung36, Fahrbahnbelag, Art und Qualität der Skates, Qualität und Gebrauch der Schutzausrüstung. Gerade dem letzten Faktor dürfte entscheidende Bedeutung zukommen. Nach Erhebungen eines führenden Herstellers tragen nur ca. 17 % der Inline-Skater eine komplette Schutzausrüstung.37

III. Rechtslage Welche Verkehrsflächen die Inline-Skater benutzen dürfen, welche nicht und welche Verhaltensanforderungen an sie zu stellen sind, entscheidet sich nach der StVO,38 die allerdings – wie auch die StVZO – bislang keine Spezialregelungen für Inline-Skates bzw. -Skater enthält. Zentral ist damit die Frage, ob es sich wegen der teilweise unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen bei den Inline-Skates um 33 Andere Angaben gehen von 12,4 Mio Skatern in den U.S.A. aus und kommen deshalb zu einer Unfallhäufigkeit von 0,25 % pro Jahr. Vgl. dpa-Meldung, in: Mindener Tageblatt v. 18. 12. 1995, S. 11. 34 Die von J. Jerosch/J.Heidjan/L. Thorwesten, TW Sport + Medizin 1997, 118 (120) durchgeführte Befragung von ca. 1.400 Inline-Skatern ergab, daß 14 % nicht bremsen konnten und deshalb auf den „Klammerstop“ bzw. „Laternenstop“ angewiesen waren. 35 Vgl. Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), das in Tabelle 16 (S. 29) im einzelnen nach der Art der Verletzung wie folgt differenziert: Handgelenk: 37 %; Ellbogen: 9 %; Knöchel: 7 %; Gesicht: 8 %; Kopf, Bein (unten), Knie oder Schulter: jeweils 5 %; Finger oder Hand: jeweils 4 %; Unterleib: 3 %, Rumpf (oben), Bein (oben) oder mehr als 25 % des Körpers: jeweils 2 %; Mund, Fuß oder Zehe: jeweils 1 %. Vgl. auch J. Jerosch/J. Heidjan/ L. Thorwesten, TW Sport + Medizin, 1997, 120 f. 36 Die mangelnde Erfahrung als Risikofaktor könnte in der Zukunft an Bedeutung verlieren, wenn Pilotprojekte in Schulen (z. B. das K2-Projekt „Safer Skating“, vgl. FAZ v. 12. 08. 1997, Beilage „Technik und Motor“, 2) erfolgreich verlaufen und zum Standard werden, die Schulungen durch – verbandsseitig ausgebildete und anerkannte Instruktoren und Lizenzinhaber – in höherem Maße in Anspruch genommen und Sicherheitstechnik sowie Schutzausrüstung verbessert und tatsächlich auch benutzt werden. 37 FAZ v. 12. 08. 1997, Beilage „Technik und Motor“, 2. Vgl. auch J. Jerosch/J. Heidjan/ L. Thorwesten, TW Sport + Medizin, 1997, 120. 38 Die Frage, ob das straßenrechtliche Instrumentarium dazu eingesetzt werden kann, Inline-Skater von bestimmten Verkehrsflächen – insbesondere Fußgängerzonen – auszuschließen, wird hier aus Raumgründen nicht erörtert. Vgl. allgemein zum Verhältnis von Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht U. Steiner, JuS 1984, 1 ff.; K. Kodal/H. Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl. (1995), Kap. 10, Rdnr. 17 ff.

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„Fahrzeuge“ i. S. v. § 2 ff. StVO, um „ähnliche Fortbewegungsmittel“ i. S. v. § 24 I StVO oder um „Sport- und Spielgeräte“ i. S. v. § 31 StVO handelt.39 1. Begriffe und Regelungskonzept der StVO Die StVO enthält keine Legaldefinition des Fahrzeugbegriffs. In Rechtsprechung und Schrifttum werden unter Fahrzeugen solche Gegenstände gefaßt, die zur Fortbewegung auf dem Boden bestimmt und geeignet sind40. Entscheidende rechtliche Konsequenz ist, daß Fahrzeuge gem. § 2 I StVO die Fahrbahn benutzen müssen und Gehwege nicht benutzen dürfen, damit diese gefahrlos Fußgängern zur Verfügung stehen.41 Von der Fahrzeugdefinition und dieser Rechtsfolge nimmt die StVO selbst in § 24 I StVO42 ausdrücklich die dort aufgeführten Fortbewegungsmittel (Schiebeund Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder) sowie – um zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen43 – „ähnliche Fortbewegungsmittel“ aus und behandelt die sie einsetzenden Verkehrsteilnehmer als Fußgänger. Mit dieser Zuordnung zum Gehwegverkehr44 trägt der Verordnungsgeber einerseits dem Umstand Rechnung, daß diese „Nichtfahrzeuge“45 und „ähnlichen Fortbewegungsmittel“ nach Größe, Eigengewicht sowie bau- und benutzungsbedingter Fahrgeschwindigkeit keine wesentliche Gefährdung des Fußgängerverkehrs herbeiführen.46 Konkret wird deshalb aus § 24 I StVO das Abgrenzungskriterium der Schrittgeschwindigkeit abgeleitet.47 Andererseits bezweckt der Verordnungs39

Motorbetriebene Inline-Skates (vgl. hierzu die dpa-Meldung in: Mindener Tageblatt v. 12. 07. 1997, S. 22) bleiben hier außer Betracht. Vgl. zu motorbetriebenen Skateboards H.A. Grams, NZV 1994, 172 ff.; W. Bouska, VD 1977, 109. 40 H. Mühlhaus/H. Janiszewski, StVO, 14. Aufl. 1995, § 2, Rdnr. 2; K. Haag, in: R. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl. (1997), 27. Kap., Rdnr. 65 definiert Fahrzeuge als „Fortbewegungsmittel zu Lande“, H.A. Grams, NZV 1997, 65 (66) als „Gegenstände, die willentlich durch Personen gesteuert werden und als Fortbewegungs- oder Transportmittel im Straßenverkehr dienen“; H. Booß, StVO, 3. Aufl. (1980) versteht unter Fahrzeugen „alles, was auf der Straße fährt“. 41 H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 2 StVO, Rdnr. 29. 42 Eine wortgleiche Regelung enthält § 16 II StVZO. 43 K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105). 44 H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 24 StVO, Rdnr. 6 m. w. N. 45 H. Booß (Fn. 40), § 2, Anm. 1. 46 H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 24 StVO, Rdnr. 6; K. Haag, in: R. Geigel (Fn. 40), 27. Kap., Rdnr. 587; K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (106): „Fernhaltung typischer Fahrzeuggefahren von den Gehwegen“. 47 H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 24 StVO, Rdnr. 6: „Schrittgeschwindigkeit oder wenig darüber“; K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105); H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67): „relativ geringe Fahrgeschwindigkeit“; vgl. auch das Regelungskonzept des Verordnungsgebers zur Vermeidung von Kollisionen bei zugleich zugelassenem Fahrzeug- und Fußgängerverkehr: In diesen Fällen dürfen sich Fahrzeuge stets nicht schneller als Schrittgeschwindig-

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geber mit der Regelung des § 24 StVO, den Straßenverkehr von Behinderungen zu entlasten.48 Hinsichtlich der Benutzung von Sport- und Spielgeräten regelt § 31 StVO, daß Sport und Spiel auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen verboten sind, es sei denn, es handelt es sich um mit Zeichen 250 und Zusatzschild gekennzeichnete Spielstraßen. Zweck dieser Regelung ist es, den notwendigen Ausgleich zwischen den Gefahren des wachsenden Verkehrs und der Spielplatznot der Jugend zu schaffen.49 Die Zusammenschau der Regelungen aus §§ 2 ff., 24 und 31 StVO läßt ein Regelungskonzept erkennen, in dem nach der Gefährlichkeit der Verkehrsmittel und der Schutzbedürftigkeit der Verkehrsteilnehmer differenziert wird. Die Einordnung von Inline-Skatern in dieses Regelungskonzept50 wirft Fragen auf. Bei deren Beantwortung ist zu bedenken, daß Inline-Skates von vornherein unterschiedlichen Nutzungsbedürfnissen der Verkehrsteilnehmer – Fortbewegung, Fitneß, Freizeitgestaltung sowie Einsatz als Trainings- und Wettkampfgerät – gerecht werden sollen. 2. Grundeinordnung: Inline-Skates als Fahrzeuge i. S. v. § 2 ff. StVO Inline-Skates sind zur Fortbewegung auf dem Boden bestimmte und geeignete Gegenstände und unterfallen somit ohne weiteres dem Fahrzeugbegriff.51 Die damit anwendbaren allgemeinen Regelungen der StVO für Fahrzeuge – insbesondere die Pflicht gem. § 2 I StVO, die Fahrbahn zu benutzen – erweisen sich allerdings nicht für alle Nutzungsweisen der Inline-Skates als sachgerecht.52 Eigen- und Fremdgefährdung würden – gerade bei der Vielzahl ungeübter Inline-Skater – trotz der Geschwindigkeitsvorgabe des § 3 I 1 u. 2 StVO ein schwer zu akzeptierendes Ausmaß erreichen. Diese Konsequenzen vermeidet, wer Inline-Skates als „ähnliche keit fortbewegen, vgl. § 24 II StVO (Krankenfahrstühle), § 41 II Nr. 5 lit. e StVO (zu Z 239) (Gehwege), § 41 II Nr. 5 (2.) StVO (zu Z 242/243) (Fußgängerzonen), § 42 IVa Nr. 2 StVO (zu Z 325/326) (Verkehrsberuhigte Bereiche). Deutlich in diesem Sinne K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (106): „Mit höheren Geschwindigkeiten (als Schrittgeschwindigkeit) brauchen Fußgänger auf dem Gehweg nicht zu rechnen. Auch aus § 24 Abs. 2 StVO … folgt, daß es dem Verordnungsgeber entscheidend auf die Fernhaltung typischer Fahrzeuggefahren von den Gehwegen angekommen ist.“ 48 H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67). 49 H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 31 StVO, Rdnr. 4. 50 Zu Recht weist H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67) darauf hin, daß „Inline-Skater (richtig: Inline-Skates) nur mit einigem juristischen Aufwand in die Systematik des Straßenverkehrsrechts passen.“ 51 So auch K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105): „diese Eigenschaften wird man den Inline-Skates kaum absprechen können“; im Ergebnis ebenfalls H.A. Grams, NZV 1997, 65 (66): „ohne weiteres als Fahrzeuge anzusehen“. 52 Zutreffend K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105).

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Fortbewegungsmittel“ i. S. v. § 24 I StVO53 oder als „Sport-/Spielgeräte“ i. S. v. § 31 StVO54 einordnet.55 Der Wortsinn steht einer rechtlichen Einordnung der Inline-Skates als „ähnliche Fortbewegungsmittel“ oder als „Sport-/Spielgeräte“ nicht entgegen, vermag aber angesichts ihrer Mehrfachfunktion keine abschließende Klarheit zu verschaffen. Genauso wenig vermag die Überlegung, die rechtliche Qualifizierung der Rollerskates56 und Skateboards57 quasi auf die Inline-Skates zu übertragen,58 zu überzeugen, will man die wesentlichen Unterschiede, die sich hinsichtlich Funktion, Geschwindigkeit und Gefährdungspotential ergeben, nicht ignorieren. Als hilfreich erweist sich hingegen der in der bisherigen Diskussion übersehene systematische Aspekt der Auslegung. Insofern ist zu berücksichtigen, daß die §§ 2 ff. StVO einerseits und die §§ 24, 31 StVO andererseits zueinander in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen und Ausnahmevorschriften generell eng aus-

53 So K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105) sowie die Antwort der Bundesregierung (Fn. 3) auf Frage 1 und auch das Bundesverkehrsministerium am 30. 05. 1996 in einer Antwort an die German In-Line-Skating Association (Gz. StV 12/36.42.24/23 G 96). Dem entspricht wohl auch die Rechtsauffassung des Polizeipräsidiums Mittelfranken, das in einem von ihm herausgegebenen Handzettel Inline-Skates auf Gehwege oder in Fußgänger- und verkehrsberuhigte Bereiche verweist. Vgl. auch B. Lange, PVT 1997, 19. 54 So K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (106) für spielerisches Hin- und Herfahren; BundLänder-Fachausschuß für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei, zitiert in der Antwort der Bundesregierung (Fn. 3) sowie die Antwort der Bundesregierung selbst (Fn. 3): „… sind …. dem Sport/Spiel zuzurechnen“ (Antwort auf Frage 3); „… dienen …. dem Freizeitsport“ (Antwort auf Frage 5); vgl. auch D. Grupe, Focus 44/1996 v. 28. 10. 1996, S. 64; B. Lange, PVT 1997, 19. 55 Nicht abschließend geklärt ist bislang das Verhältnis zwischen § 31 StVO und § 24 I StVO. Zumeist werden beide Vorschriften wie selbstverständlich nebeneinander angewendet. Vgl. K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105); H.A. Grams, NZV 1997, 65 (66) mit dem Argument, daß § 31 StVO keine Definition eines weiteren Fortbewegungsmittels (neben den Fahrzeugen und „Nichtfahrzeugen“) enthält, sondern lediglich eine Nutzungsform auf bestimmte Verkehrsflächen beschränkt. Andere gehen demgegenüber davon aus, daß sich § 31 StVO und § 24 I StVO gegenseitig ausschließen, weil Sportgeräte keine „Beförderungsmittel“ sind und deshalb nicht dem Fahrzeugbegriff der §§ 2 ff., 24 I StVO unterfallen. Vgl. etwa die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 3 und 5 der Kleinen Anfrage (Fn. 3) sowie H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 31 StVO, Rdnr. 6 (über Skateboards: „dienen nicht der Ortsveränderung“). 56 H.A. Grams, NZV 1997, 65 (66); H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 24 StVO, Rdnr. 6; K. Haag, in: R. Geigel (Fn. 40), 27. Kap., Rdnr. 588. 57 W. Bouska, VD 1977, 109: „ähnliche Fortbewegungsmittel“; vgl. auch E. Scheffen, NZV 1992, 385 (386 f.); H.A. Grams, NZV 1994, 172 (173); D. Jung, PVT 1993, 78; a. A.: H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 24 StVO, Rdnr. 6 mit der Begründung, daß „Rollbretter (= Skateboards) bei zweckentsprechender Verwendung regelmäßig nicht mit Schrittgeschwindigkeit bewegt werden“ und ihnen deshalb die von § 24 I StVO vorausgesetzte Ungefährlichkeit für Fußgänger fehlt. 58 K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105).

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zulegen59 sind. Das hat zur Konsequenz, daß eine generelle Qualifizierung der Inline-Skates als „ähnliche Fortbewegungsmittel“ oder als „Sport-/Spielgeräte“ nur dann in Betracht kommt, wenn die tatsächliche Nutzung der Inline-Skates in dieser oder jener Weise überwiegt. Eine nicht überwiegende Nutzung darf nicht einordnungsprägend werden.60 Zu dieser Frage liegt eine hinreichend aussagekräftige Analyse des Massenphänomens Inline-Skating zwar bisher noch nicht vor.61 Ein Gebrauch als „ähnliche Fortbewegungsmittel“ i. S. v. § 24 StVO62 dürfte aber schon deshalb als überwiegende Nutzungsform auszuschließen sein, weil typischerweise eine höhere als Schrittgeschwindigkeit erreicht wird.63 Aber auch eine überwiegende Nutzung als „Sport-/Spielgeräte“ i. S. v. § 31 StVO dürfte – nicht nur in Universitätsstädten, sondern mittlerweile allgemein – nicht mehr der Alltagsrealität entsprechen.64 Fahrräder und Inline-Skates werden vielmehr zunehmend als funktionell austauschbare Fortbewegungsmittel genutzt. Die Gesetzessystematik spricht demgemäß dafür, Inline-Skates als Fahrzeuge i. S. v. §§ 2 ff. StVO zu behandeln. 3. Modifizierende Einordnung in Fallgruppen Die systematische Auslegung und das Abstellen auf die überwiegende Nutzung ermöglichen zwar eine einheitliche Einordnung der Inline-Skates als Fahrzeuge, führen aber zwangsläufig zu teilweise sachfremden, dem Zweck der StVO widersprechenden Ergebnissen, weil die untergeordneten Nutzungsvarianten und der besondere Grad der Eigengefährdung völlig ausgeblendet werden. Damit werden sie nicht der herkömmlichen Auslegung der StVO, die stark von einer natürlichen Betrachtungsweise geprägt ist, gerecht. Die Auslegung soll die praktischen Verkehrsbedürfnisse berücksichtigen, elastisch, lebensnah und nicht kleinlich-be-

59 K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 175; BGHSt 23, 108 (111) bezüglich Straßenverkehrsrecht. 60 Nicht stichhaltig ist die Argumentation K. Seidenstechers, DAR 1997, 104 (105), die mögliche rechtswidrige Benutzungsform – Benutzung von Gehwegen mit hoher Geschwindigkeit und erheblicher Bewegungsenergie – sei nur dann für die rechtliche Einordnung ausschlaggebend, wenn sie die einzig denkbare Verwendung dieser Geräte sei. 61 Das in der FAZ v. 07. 08. 1997, S. 12 erwähnte Umfrageergebnis, daß mehr als 50 % ihre Inline-Skates als Fitneßgeräte nutzen, ist in dieser Allgemeinheit hierfür nicht verwertbar. 62 Siehe oben Fn. 53. 63 Siehe im einzelnen oben II. 2. 64 Wenig lebensnah mutet die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Fn. 3) an. In der Antwort zu Frage 5 heißt es lapidar: „Inline-Skates zählen nicht zu den Verkehrsmitteln. Sie dienen vielmehr … dem Freizeitsport.“ Bezweifelt werden mag, ob Polizeibeamte, die ihren Dienst auf Inline-Skates versehen (vgl. FAZ v. 09. 09. 1997, S. 15) dies als Freizeitsport begreifen. Vgl. auch die offenbar von der Antwort der Bundesregierung abweichende Auffassung des Bundesverkehrsministeriums (Fn. 53), für Inline-Skates sei § 24 StVO maßgeblich.

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griffsverhalten erfolgen,65 so daß Verkehrsprobleme vernünftig und zweckmäßig gelöst werden.66 Diese pragmatisch-zweckorientierte Sichtweise führt dazu, daß einerseits Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zum zentralen Auslegungskriterium werden,67 andererseits realitätsnah der Mehrfachnutzung der Inline-Skates Rechnung zu tragen ist. Dies entspricht der – objektiv zu verstehenden – natürlichen Betrachtungsweise, die ihrerseits Ausgangspunkt der typischen Reaktionen und Verhaltenserwartungen der Verkehrsteilnehmer – der maßgeblichen Grundlage für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs – ist. Aufgrund des Verzichts auf eine Spezialregelung und die Verwendung konkretisierungsbedürftiger Begriffe entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Rechtsklarheit und Realitätsbezug. Dies ist keine Besonderheit des Straßenverkehrsrechts. Ein solches Spannungsverhältnis findet sich vielmehr immer dort, wo sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln bedient.68 Deren Konkretisierung kann durch die Bildung von Fallgruppen69 erfolgen. Dabei gehen Auslegung und Subsumtion ununterscheidbar ineinander über.70 Der Blick des Rechtsanwenders muß zwischen Norm und Lebenssachverhalt hin und her pendeln.71 Läßt sich somit das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsklarheit und Realitätsbezug durch die Bildung von Fallgruppen lösen, die die pauschal-einheitliche Einordnung als Fahrzeug modifizieren, so gilt es, die gruppenprägenden Kriterien zu ermitteln. Insofern ist sowohl der rechtstatsächlichen Situation als auch dem Regelungskonzept der StVO Rechnung zu tragen. Demgemäß hat die Fallgruppenbildung unter Berücksichtigung des erkennbaren Nutzungszwecks, des Nutzerkreises und der in Anspruch genommenen Verkehrsfläche zu erfolgen. Hieraus ergibt sich ein konkreter Anhalt, der die Einordnung als „Sport-/Spielgerät“, „ähnliches Fortbewegungsmittel“ oder „Fahrzeug“ erlaubt.72 Daß hiermit die formalistisch-einheitliche Einordnung der Inline-Skates durch eine nach den Verkehrsbedürfnissen und der natürlichen Betrachtungsweise 65 Vgl. BGHSt 23, 195; BGH, VRS 25, 457; OLG Düsseldorf, VersR 1977, 139; H. Jagusch/P. Hentschel, (Fn. 25) Einl., Rdnr. 59. 66 K. Haag, in: R. Geigel (Fn. 40), 27. Kap., Vorbem., Rdnr. 8. 67 Vgl. BGHZ 56, 146 (152); OLG Düsseldorf, VersR 1977, 139. 68 Vgl. allg. K. Larenz/C.-W. Canaris (Fn. 59), S. 109; vgl. speziell zum Technikrecht K. Vieweg, JuS 1993, 894 (896). 69 K. Larenz/C.-W. Canaris (Fn. 59), S. 44 u. 109 ff.; vgl. zur Fallgruppenbildung als Methode der Normkonkretisierung D. Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, 3. Aufl. (1992), Rdnrn. 293 ff. 70 D. Schmalz (Fn. 69), Rdnr. 295. 71 J. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970, S. 79 ff.; K. Larenz/C.-W. Canaris, (Fn. 59), S. 104 ff. 72 Einen ähnlichen Ansatz wählt H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67), der eine nach dem Nutzerkreis differenzierende Einordnung der Inline-Skates vornimmt: Fahren von Kindern ) „ähnliches Fortbewegungsmittel“, Fahren von Heranwachsenden und Erwachsenen ) „Fahrzeug“; vgl. auch schon zu den Skateboards W. Bouska, VD 1977, 109, der nach der Nutzung als Sport- oder als Spielgerät unterscheidet.

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differenzierende Qualifizierung modifiziert wird, ist kein dem Straßenverkehrsrecht fremder Ansatz. So sieht § 24 II StVO für Krankenfahrstühle und die nicht von Abs. 1 erfaßten Rollstühle eine Differenzierung nach dem Kriterium der Schrittgeschwindigkeit vor. § 2 IV 4 StVO bestimmt, daß die Regeln für die Radwegbenutzung auch für Mofas, die durch Treten fortbewegt werden, gelten. Ähnlich trifft § 2 V StVO Sonderregelungen für radfahrende Kinder. Der bisherige Verzicht des Verordnungsgebers auf klare, den Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragende Sonderregelungen für Inline-Skater steht deshalb einer konkreten Betrachtung, die die grundsätzliche Einordnung als Fahrzeug durch besondere Fallgruppen modifiziert, nicht entgegen. Eine solche Fallgruppenbildung hat die in der StVO verwendeten Kriterien – Art der Verkehrsfläche, Nutzerkreis, Bewegungsart (Sport/Spiel oder zielgerichtete Fortbewegung), Geschwindigkeit (mit oder über Schrittgeschwindigkeit) – als Risikofaktoren aufzugreifen. Dabei entsteht folgendes Einordnungsraster: (1) Hin und Herfahren, Streethockey oder „Coole moves“ in Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen, auf Treppen(geländern) und Gehwegen sowie in Spielstraßen: Sport-/Spielgerät ) zulässig; (2) Hin- und Herfahren, Streethockey oder „Coole moves“ auf Straßen (ausgenommen Spielstraßen): Sport-/Spielgerät ) unzulässig;73 (3) Zielgerichtetes Fahren mit Schrittgeschwindigkeit (sowie Fahren von Kindern) in Fußgängerzonen, in verkehrsberuhigten Bereichen, auf Gehwegen: ähnliches Fortbewegungsmittel ) zulässig, aber praktisch weitgehend irrelevant, da die Schrittgeschwindigkeit normalerweise nicht ausreicht, um das Gleichgewicht zu halten;74 (4) Zielgerichtetes Fahren mit höherer als Schrittgeschwindigkeit in Fußgängerzonen, in verkehrsberuhigten Bereichen, auf Gehwegen: Fahrzeug ) unzulässig;75 (5) Zielgerichtetes Fahren mit Schrittgeschwindigkeit auf Straßen (ausgenommen Spielstraßen): ähnliches Fortbewegungsmittel ) nur bei Fehlen eines Gehwegs zulässig (außerhalb geschlossener Ortschaften auf der linken Seite), aber

73 II. 3. der VwV zu § 31 (abgedruckt bei H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 31 StVO, Rdnr. 2) sieht allerdings in „Wohnstraßen“ und „anderen Straßen ohne Verkehrsbedeutung“ ausdrücklich eine Duldung der Nutzung von Spielgeräten durch Kinder vor. 74 Siehe oben II. 2. und Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), Tabelle 2 auf S. 7. 75 Wenn man demgegenüber die Inline-Skates als Sport-/Spielgeräte oder ähnliche Fortbewegungsmittel einordnet, wäre die Nutzung zwar grundsätzlich zulässig, aber zugleich durch § 1 II StVO eingeschränkt; hier stellt sich die Frage, ob bei höherer als Schrittgeschwindigkeit überhaupt ein i. S. v. § 1 II StVO nicht gefährdendes Verhalten denkbar ist, vgl. K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (106). Vgl. zu den entsprechenden Bedenken gegen die Einordnung von Skateboards als ähnliche Fortbewegungsmittel H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), § 24 StVO, Rdnr. 6.

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praktisch weitgehend irrelevant, da die Schrittgeschwindigkeit normalerweise nicht ausreicht, um das Gleichgewicht zu halten;76 (6) Zielgerichtetes Fahren mit höherer als Schrittgeschwindigkeit auf Straßen (ausgenommen Spielstraßen): Fahrzeug ) zulässig; auch außerhalb geschlossener Ortschaften auf der rechten Seite; (7) Zielgerichtetes Fahren mit höherer als Schrittgeschwindigkeit auf Radwegen: Fahrzeug ) unzulässig (ebenso unzulässig bei Einordnung als Sport-/Spielgerät oder ähnliches Fortbewegungsmittel). Eine derartig ausdifferenzierte Fallgruppenbildung greift zwar das Regelungskonzept der StVO auf, setzt sich aber in dreierlei Richtung Kritik aus: Zum einen führt die Behandlung als „Fahrzeug“ bzw. „ähnliches Fortbewegungsmittel“ bei zielgerichtetem Fahren auf Straßen zu einem erheblichen Risiko- und Konfliktpotential. Zum anderen erweist sich das Kriterium der Schrittgeschwindigkeit als realitätsfern, weil es den fahrpraktischen Erfordernissen nicht gerecht wird. Zum dritten ergibt sich schließlich – wie bei der analogen Anwendung der für Radfahrer geltenden Vorschriften77 – eine Einbuße an Rechtssicherheit, die ihrerseits Vollzugsprobleme zur Folge hat.

IV. Reformbedarf Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß es sich beim Inline-Skating aller Voraussicht nach um ein dauerhaftes Massenphänomen handelt. Zugleich ist deutlich geworden, daß die rechtliche Einordnung der Skates als „Fahrzeuge“, „ähnliche Fortbewegungsmittel“ oder „Sport-/Spielgeräte“ nicht unstreitig ist. Wer sie einheitlich als „ähnliche Fortbewegungsmittel“ oder „Sport-/Spielgeräte“ mit der Konsequenz qualifiziert, daß Schrittgeschwindigkeit eingehalten werden muß, vermeidet zwar theoretisch besonders konflikt- und gefahrenträchtige Situationen. Zugleich spricht er sich aber mit dieser unrealistischen Geschwindigkeitsvorgabe für ein de facto-Verbot der Inline-Skates aus oder nimmt von vornherein rechtswidriges Verhalten in Kauf.78 Zugleich müßte er sich vorhalten lassen, seine Überlegungen seien „am grünen Tisch“ entstanden und „ließen sich dem Verkehr nicht einmal widerwillig aufzwingen“.79 Ansätze, die am Regelungskonzept der StVO orientiert sind, führen zwar durch Analogie-80 oder Fallgruppenbildung zu differenzierenden Lösungen, wären aber selbst bei gesetzlicher Klarstellung wohl zu kompliziert. Unabhängig von der streitigen rechtlichen 76

Siehe oben II. 2. und Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), Tabelle 2 auf S. 7. Vgl. H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67). 78 So im Ergebnis K. Seidenstecher, DAR 1997, 104 (105). 79 Vgl. die Begründung des Bundesverkehrsministers zur StVO (VkBl. 1970, 797), abgedruckt bei H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), S. 283, Rdnr. 13. 80 Vgl. hierzu H.A. Grams, NZV 1997, 65 (67). 77

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Einordnung werden Akzeptanz- und Vollzugsprobleme offenbar. Das tatsächliche Verhalten der Inline-Skater im Straßenverkehr und die Anregungen der Deutschen Verkehrswacht81 schließen z. B. die Benutzung der Radwege ein. Die insbesondere im Fußgängerinteresse beklagte Untätigkeit der Polizei82 dürfte ihren Grund nicht zuletzt in der unklaren Rechtslage und dem schwer zu führenden Verschuldensnachweis haben. Unabhängig davon, ob Umfrageergebnisse zutreffen, denen zufolge die Mehrheit der Bevölkerung für ein Verbot des Inline-Skating votiert,83 klaffen die Wünsche der Verkehrsteilnehmer und die derzeitige Rechtslage auseinander. Sowohl die Regelungs- und Vollzugsdefizite als auch die Notwendigkeit, bei Unfällen mit Beteiligung von Inline-Skatern über den Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil entscheiden zu müssen, belegen, daß es für den Verordnungsgeber an der Zeit ist, klarstellend tätig zu werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Risikopotential bereits eine solche Größenordnung angenommen hat, die legislatorisches Tun gemäß Art. 2 II GG erfordert.84 Die aus guten Gründen für Novellierungen des Straßenverkehrsrechts praktizierte Beobachtungsphase darf hinsichtlich des Inline-Skating nicht ad infinitum ausgedehnt werden, bis sich Verkehrsregeln gebildet haben, die „bereits allgemein praktiziert werden und im Verkehr solche Anerkennung gefunden haben, daß jeder, der sich nicht an sie hält, allgemein als Störenfried empfunden wird“.85 Die Beobachtungsphase muß vielmehr durch eine spezielle Regelung abgeschlossen werden. Eine generelle Regelung in Form einer bloßen Fiktion der Gleichstellung mit den in §§ 2 ff., 24 und 31 StVO erwähnten Verkehrsmitteln wäre nicht risiko- und verhaltensadäquat. Hinsichtlich des „Wie“ einer speziellen Regelung für Inline-Skates bzw. -Skater müssen im folgenden einige Hinweise genügen. Die Regelung muß einerseits vom 81

Die Deutsche Verkehrswacht, Information Nr. 16/96, S. 2 hat angeregt, bestimmte Radwege für die Benutzung durch Skater zu öffnen, wenn die Radwege breit genug sind und deutlich getrennt von den Straßen verlaufen. Vgl. hierzu die Antwort der Bundesregierung (Fn. 3) auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage v. 24. 10. 1996. 82 Vgl. H.A. Grams, NZV 1997, 65 (66). In der polizeilichen Ausbildung hat das InlineSkating noch keine besondere Bedeutung. Nach Auskunft von Polizeidirektor Rosenberger (Polizeiführungsakademie Münster/Hiltrup) v. 03. 11. 1997 haben die mit dem Inline-Skating zusammenhängenden Probleme noch keine Aufnahme in den Studienplan gefunden, werden aber im Rahmen von Seminararbeiten behandelt. Nach Auskunft von Polizeidirektor Albat (Polizeipräsidium München) v. 24. 10. 1997 wird in der bayerischen Polizeiausbildung lediglich die Information gegeben, daß es sich bei den Inline-Skates um „ähnliche Fortbewegungsmittel“ i. S. v. § 24 StVO handelt. 83 Eine Umfrage des Wickert-Instituts unter fast 1.300 Erwachsenen führte nach einer dpaMeldung zu diesem Ergebnis. Vgl. Mindener Tageblatt v. 18. 12. 1995, S. 11. 84 Vgl. allgemein zur Regelungspflicht des Gesetzgebers BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 49, 24 (53); G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 211 u. 268 ff. m. w. N. 85 So die allgemeine Begründung für die Zurückhaltung des Verkehrsgesetzgebers. Vgl. die Begründung des Bundesverkehrsministers zur StVO (VBl. 70, 797), abgedruckt bei H. Jagusch/P. Hentschel (Fn. 25), S. 283, Rdnr. 13.

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übergreifenden Ziel, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten, ausgehen, andererseits darf sie die Realität nicht ausblenden. Erforderlich sind demgemäß umgehende Untersuchungen, die über das vom österreichischen Kuratorium für Verkehrssicherheit durchgeführte Programm hinausgehen,86 sich insbesondere an den in Deutschland typischen Gegebenheiten des Straßenverkehrs orientieren, um den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Als hilfreich dürften sich auch repräsentative Befragungen der verschiedenen Gruppen von Verkehrsteilnehmern erweisen, ebenso der bisher erstaunlicherweise nicht erfolgte rechtsvergleichende Blick über die Grenzen. Im konkreten Regelungsinhalt ist mit hinreichender Differenzierung festzulegen, welche Verkehrsflächen zulässigerweise von Inline-Skatern genutzt werden dürfen.87 Weiterhin müßte die Regelung darüber informieren, welche Verhaltensanforderungen insbesondere hinsichtlich Geschwindigkeit, Fahrrichtung sowie Überholvorgängen von den InlineSkatern zu erfüllen und ob konkrete Sicherheitsanforderungen – Bremsen, Reflektoren, Warnzeichen – an die Inline-Skates zu stellen sind.

V. Zusammenfassung Inline-Skating erweist sich als ein langfristiges, vermutlich dauerhaftes Massenphänomen. Es stellt eine neue Mobilitätsvariante im innerstädtischen Verkehr dar, die neben das Radfahren treten kann. Auch hinsichtlich Geschwindigkeit, Raumbedarf und Bremsweg kommt das Inline-Skating dem Radfahren am nächsten, während es sich aber deutlich vom Gebrauch von Skateboards und „normalen“ Rollschuhen (Rollerskates) unterscheidet. Das mit dem Inline-Skating verbundene Unfall- und Haftpflichtrisiko läßt sich für Deutschland nicht exakt quantifizieren. Die Rechtslage wird – selbst innerhalb der Bundesregierung – nicht einheitlich beurteilt. Nach dem hier vertretenen Ansatz handelt es sich nach der Gesetzessystematik bei den Inline-Skates von der Grundeinordnung her solange um Fahrzeuge i. S. v. §§ 2 ff. StVO, wie eine überwiegende Nutzung als „ähnliche Fortbewegungsmittel“ i. S. v. § 24 StVO oder „Sport-/Spielgeräte“ i. S. v. § 31 StVO nicht festgestellt werden kann. Diese Grundeinordnung wird durch eine nach den Verkehrsbedürfnissen und der natürlichen Betrachtungsweise differenzierende Qualifizierung in Fallgruppen modifiziert, die unter Berücksichtigung der Art der Verkehrsfläche, des Nutzerkreises, der Bewegungsart und der Geschwindigkeit als maßgeblichen Risikofaktoren gebildet werden. Angesichts der nicht einheitlich beurteilten Rechtslage und der daraus resultierenden 86

Siehe im einzelnen oben II. 2. und Kuratorium für Verkehrssicherheit (Fn. 2), S. 4. Naheliegend ist z. B. wegen des hohen Risikopotentials das Verbot der Benutzung überörtlicher Straßen. Sowohl die Gleichstellung mit Fußgängern – der Inline-Skater würde zu einer Art „Geisterfahrer“ – als auch mit Fahrzeugen ist nicht sachgerecht. Hingegen wäre die Benutzung zu überörtlichen Straßen parallel verlaufender Radwege adäquat, da sie in der Regel kaum frequentiert sind. 87

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Vollzugsprobleme ist es an der Zeit, daß der Verordnungsgeber seine Beobachtungsphase durch eine spezielle – hinreichend differenzierende – Regelung für Inline-Skates bzw. Skater abschließt.88

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Die österreichische StVO-Novelle (Vorblatt der Regierungsvorlage v. 10. 6. 1997, Nr. 713 der Beilage zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats XX.GP S. 10) sieht vor, Rollschuhfahren auf Radfahranlagen zu erlauben und flankierend neue Bestimmungen über das Verhalten von und gegenüber Rollschuhfahrern zu schaffen. Zur Begründung wird insbesondere angeführt, daß die mit Inline-Skates erreichten Durchschnittsgeschwindigkeiten denen von Radfahrern gleichen. Zentral ist die geplante Einfügung des § 88a mit folgendem Wortlaut: „(1) Das Rollschuhfahren ist auf Gehsteigen, Gehwegen und Schutzwegen erlaubt. Das Befahren der Fahrbahn mit Rollschuhen in der Längsrichtung ist verboten; ausgenommen von diesem Verbot sind: 1. Radfahranlagen, nicht jedoch Radfahrstreifen außerhalb des Ortsgebietes, 2. Wohnstraßen und Fußgängerzonen und 3. Fahrbahnen, die gemäß § 88 Abs. 1 vom Verbot des Spielens auf der Fahrbahn ausgenommen wurden. (2) Bei der Benützung von Radfahranlagen haben Rollschuhfahrer die gemäß § 8a vorgeschriebene Fahrtrichtung einzuhalten und die für Radfahrer geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten. (3) Rollschuhfahrer haben sich so zu verhalten, daß andere Verkehrsteilnehmer weder gefährdet noch behindert werden; insbesondere haben sie ihre Geschwindigkeit auf Gehsteigen, Gehwegen, Schutzwegen, in Fußgängerzonen und in Wohnstraßen dem Fußgängerverkehr anzupassen. Abgesehen von Abs. 2 haben Rollschuhfahrer die für Fußgänger geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten. (4) Kinder unter zwölf Jahren dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, außer in Wohnstraßen, nur unter Aufsicht einer Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, rollschuhfahren, wenn sie nicht Inhaber eines Radfahrausweises gemäß § 65 sind.“

Grundinformationen zur Dopingproblematik* I. II. III. IV.

Begriff, Definitions- und Abgrenzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwecke des Dopingverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittel der Dopingverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Mit den folgenden Informationen zum Dopingbegriff, zu den Zwecken des Dopingverbots und zu den Mitteln der Dopingverhinderung, insbesondere der Sanktionierung, sowie zum Rechtsschutz soll der Einstieg in die äußerst komplexe Dopingproblematik erleichtert werden.

I. Begriff, Definitions- und Abgrenzungsprobleme Das Wort Doping leitet sich aus der Burensprache ab. „Dope“ bezeichnete im 19. Jahrhundert eine Mischung aus starkem Schnaps und Alkaloiden.1 Verwendet wird der Begriff Doping seit fast 100 Jahren, um bestimmte – als unzulässig bewertete – Formen der Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit zu erfassen. Nicht zuletzt die dynamische Entwicklung sowohl der Manipulationsmethoden als auch der Nachweisverfahren hat dazu beigetragen, daß der Dopingbegriff einer Reihe von Definitions- und Abgrenzungsproblemen begegnet.2 Die in den letzten Jahren zu beobachtende Entwicklung der Dopingproblematik zur Rechtsproblematik hat den Dopingbegriff zum Rechtsbegriff werden lassen, auch wenn Doping in den meisten Ländern3 kein legaldefinierter Begriff des staatlichen Rechts ist. Vielmehr muß auf die Regelungen der Sportverbände zurückgegriffen werden.

* Erstveröffentlichung in K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, Berlin 1998, S. 21 – 35. 1 M. Donike, Stichwort Doping, in: H. Eberspächer (Hrsg.), Handlexikon Sportwissenschaft, 1987. 2 K. Vieweg, Doping und Verbandsrecht, NJW 1991, 1511. 3 Durch staatliches Gesetz ist Doping beispielsweise in Griechenland verboten und unter Strafe gestellt. Vgl. näher M. R. Will, Rechtsgrundlagen der Bindung nationaler Verbände an internationale Sportverbandsregeln, in: D. Reuter (Hrsg.), Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, Heidelberg 1987, S. 29 (45). Vgl. zur Rechtslage in Belgien sowie zur Anti-Doping-Konvention des Europarats v. 16. 11. 1989 den Beitrag von L. Silance, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, S. 219 ff.

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Nach der Definition des Deutschen Sportbundes (DSB)4 ist Doping der Versuch der Leistungssteigerung durch die Anwendung (Einnahme, Injektion oder Verabreichung) von Substanzen der verbotenen Wirkstoffgruppen (z. B. Stimulantien, Narkotika, anabole Substanzen, Diuretika, Peptidhormone und Verbindungen, die chemisch, pharmakologisch oder von der angestrebten Wirkung her verwandt sind) oder durch die Anwendung verbotener Methoden (z. B. Blutdoping). Daneben können sportartspezifisch weitere Substanzen und Wirkstoffgruppen – z. B. Alkohol, Sedativa, Psychopharmaka, Beta-Blocker – unter den Dopingsubstanzen aufgeführt werden. Ergänzend verweisen die DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings auf die Dopingdefinition der Medizinischen Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).5 Das IOC6 definiert Doping als Verwendung von den im Medical Code verbotenen Substanzen oder Methoden sowie die diesbezügliche Beratung, Erlaubnis oder Befürwortung.7 Verbotene Wirkstoffgruppen sind danach Stimulantien, Narkotika, anabole Wirkstoffe, Diuretika, Peptidhormone und Glykoproteinhormone sowie Analoge; zu den verbotenen Methoden zählen Blutdoping und pharmakologische, chemische und physikalische Manipulationen. Der Deutsche Leichtathletikverband (DLV)8 hat die Regel 55 der International Amateur Athletic Federation (IAAF) übernommen. Danach liegt ein Dopingverstoß vor, „wenn @ eine verbotene Substanz im Körpergewebe oder in der Körperflüssigkeit eines Athleten gefunden wird; @ ein Athlet eine verbotene Technik gebraucht oder Vorteil aus ihr zieht; @ ein Athlet gesteht, eine verbotene Substanz oder verbotene Technik gebraucht oder Vorteil daraus gezogen zu haben.“

Die verbotenen Substanzen werden nicht abschließend in Liste 1 zu den Verfahrensrichtlinien für Dopingkontrollen9 aufgeführt; sie umfassen auch ihre Metaboliten. Der Begriff der verbotenen Technik beinhaltet nach Regel 55 Ziff. 710 so4 § 2 DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings v. 26. 09. 1970, zuletzt geändert am 30. 11. 1996. 5 § 2 Ziff. 5 i. V. m. Anlage 1 der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings. 6 IOC Medical Code v. 31. 01. 1997. 7 Ch. I, Art. III des Medical Code des IOC lautet: „Use of, counselling of the use of, permitting the use of or condoning the use of any substance or method in the IOC Medical Code is prohibited.“ 8 § 2 lit. a) der Satzung des DLV (Januar 1996). 9 Schedule 1 to the Procedural Guidelines for Doping Control of the IAAF. 10 Rule 55 para. 7 lautet: „The expression ,prohibited technique‘ shall include: (a) blood doping; (b) use of substances and methods which alter the integrity and validity of urine samples used in doping control. However, a fuller, non exhaustive, list of such techniques is to be found in Schedule 2 of the ,Procedural Guidelines for Doping Control.‘“

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wohl Blutdoping als auch den Gebrauch von Substanzen und Methoden, die eine Veränderung der Unversehrtheit und der Rechtsgültigkeit (gemeint: des Beweiswerts) der für Dopingkontrollen verwendeten Urinproben herbeiführen. Eine ausführliche, jedoch ebenfalls nicht vollständige Auflistung verbotener Techniken ergibt sich aus Liste 2 zu den Verfahrensrichtlinien für Dopingkontrollen. Die exemplarisch aufgeführten Dopingdefinitionen wichtiger Sportorganisationen lassen verschiedene Probleme erkennen: Wie das Beispiel der IAAF und des DLV zeigt, ist zwar eine Verzahnung internationaler und nationaler Verbandsnormsetzung festzustellen. Sie ist Folge des hierarchischen Aufbaus des Sportverbandswesens und der weitgehend möglichen Durchsetzung der Normen der internationalen Sportverbände auch innerhalb der betreffenden nationalen Sportverbände.11 Im sportartübergreifenden Vergleich12 ergeben sich aber nicht unerhebliche Divergenzen. Wünschenswert wäre insofern eine Harmonisierung. Sie könnte sportartübergreifend nur vom IOC13 oder – auf nationaler Ebene – vom DSB ausgehen. Hierzu bedürfte es aber neben einer entsprechenden Machtposition auch eines dahingehenden Durchsetzungswillens. Weiterhin ist erkennbar, daß die Konkretisierung des Dopingverbots inhaltlich in der Weise erfolgt, daß auf bestimmte Wirkstoffe, Wirkstoffgruppen und Methoden abgestellt wird. Mit dieser Definition ist allerdings lediglich der „Begriffskern“ erfaßt. Begriffliche Erweiterungen sind demgemäß unumgänglich. Sie erfolgen insbesondere dadurch, daß auf „ähnliche Substanzen“ verwiesen wird. Damit soll der dynamischen Entwicklung und Anwendung neuer Dopingsubstanzen (z. B. sog. Designerdrogen) Rechnung getragen werden. Daß dennoch Unklarheiten nicht zu vermeiden sind, wenn eine Substanz nicht ausdrücklich auf der (für die Sportart) maßgeblichen Liste aufgeführt ist, haben die Bromantan-Fälle bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta deutlich gezeigt. Gleiches gilt für den Konsum nicht auf der Liste aufgeführter Drogen wie Marihuana. Hinzukommen kann weiterhin eine sportartspezifische Begriffserweiterung. Dabei wird berücksichtigt, daß nicht jede Wirkstoffgruppe in jeder Sportart leistungsfördernd wirkt. Beispielsweise kann die Einnahme sog. Beta-Blocker, die sich in einigen Sportarten leistungssteigernd 11 Vgl. zum Ein-Platz-Prinzip K. Vieweg, Zur Einführung: Sport und Recht, JuS 1983, 825 (826), dens., Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 61 ff.; BGHZ 128, 93 (101) = SpuRt 1995, 43 (45) = NJW 1995, 583 (585) (Reitsport). 12 Vgl. M. Geistlinger, Berücksichtigung sportartenspezifischer Unterschiede (Justification of Different Sanctions in Different Sports), in: D. C. Umbach/C. Vedder (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit und Sanktionen, Heidelberg/New York 1998 (im Druck); K. Vieweg, Divergence and Harmony in Sports Law – The Example of Anti-Doping Regulations, ebenda. Vgl. hierzu hinsichtlich der internationalen Ebene auch den Beitrag von E. N. Vrijman, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 177 ff. 13 Ch. I, Art. V Medical Code des IOC sieht vor: „It is a condition for recognition of any international federation and any national Olympic committee that its Statutes incorporate the IOC Medical Code by express reference and that its provisions apply, mutatis mutandis, to all persons and competitions under their Jurisdiction.“

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auswirken kann, umgekehrt sogar zu einer Beeinträchtigung von Athleten in solchen Sportarten führen, die Anforderungen an die Dynamik stellen. Auch die zur Dopingdefinition gehörende Anwendung verbotener Methoden oder Techniken ist nur im Kem durch das Beispiel des Blutdopings konkretisiert. Außerdem werden pharmakologische, chemische und physikalische Manipulationen, die zu Veränderungen der Urin- bzw. Blutprobe führen können, erfaßt. Schließlich wird die Verweigerung der Dopingkontrolle dem nachgewiesenen Dopingverstoß gleichgestellt.14 Dies kann als Erweiterung des Dopingbegriffs im Wege der Fiktion angesehen werden. Es liegt zudem auf der Hand, daß schon vom gewählten Definitionsansatz her – Auflistung verbotener Substanzen und Methoden und dynamische Inbezugnahme weiterer Substanzen und Methoden – Abgrenzungsprobleme nicht zu vermeiden sind. Als geradezu klassisches Problem taucht z. B. immer wieder die Abgrenzung zwischen (erlaubter) Substitution körpereigener Substanzen, die durch Wettkampfoder Trainingsbelastung vermindert worden sind, einerseits und (unerlaubten) Dopings andererseits auf.15 Gleiches gilt für die Einnahme von Medikamenten. Hier ist zu überlegen, ob durch Aufstellung von Listen solcher Medikamente und Inhaltsstoffe, deren Einnahme nicht als Doping angesehen werden soll, den Athleten und Verbandsärzten hinreichend Klarheit verschafft werden kann. Weiterhin stellt sich bei körpereigenen Substanzen – z. B. beim Wachstumshormon Erythropoietin (EPO) und dem Geschlechtshormon Testosteron16 – die Frage von Grenzwerten und Quotienten, die den selbstverständlich erlaubten natürlichen Zustand von der verbotenen Manipulation begrifflich voneinander unterscheiden. Gleiches gilt für die Grenzziehung zwischen sozialadäquatem Koffein- und Alkoholkonsum und verbotener – da vermutet leistungssteigemder – Einnahme. Hier stellt sich das Mengen- bzw. Dosisproblem. Die Frage ist, ob durch die Einführung von Bagatellschwellen, wie sie zur Zeit bereits für Koffein17 existieren, die Grenze zwischen Doping und Nichtdoping gezogen werden soll.18 Einerseits könnte so dem Ursache14

§ 9 Ziff. 2 der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings. K. Vieweg, Doping und Verbandsrecht, NJW 1991, 1511 f.; vgl. auch den Beitrag von W. Hollmann, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 37 ff. 16 Ch. II, Art. I C 1 IOC Medical Code sieht vor, daß bei einem Testosteron/EpitestosteronQuotienten größer als 6 von einem Dopingverstoß grundsätzlich auszugehen ist, es sei denn, es wird der Nachweis geführt, daß das Verhältnis auf physiologischen oder pathologischen Gründen (z. B. geringe Epitestosteron-Ausschüttung, Androgenproduktion durch Tumore, Enzymschwächen) beruht. Vgl. hierzu und zum Hämoglobin-Grenzwert zur Feststellung von EPO- und Eigenblut-Doping näher den Beitrag von W. Schänzer, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 51 ff. 17 Vgl. zu den mit dem Koffeingrenzwert zusammenhängenden Bewertungsproblemen eindrucksvoll die unterschiedlichen Darstellungen von M. Donike/S. Rauth, Dopingkontrollen, in der 1. Aufl. 1993, S. 34 f. und der 2. Aufl. 1996, S. 34 f. Ch. II Art. I A IOC Medical Code sieht einen Koffeingrenzwert von 12 Mikrogramm/ml Urin vor. Vgl. auch den Beitrag von W. Schänzer, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 51 (61 ff.). 18 Gemäß Ch. II Art. IV IOC Medical Code ist die Menge der entdeckten Substanz unerheblich für die endgültige Annahme eines Dopingfalls. 15

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Wirkungs-Zusammenhang sachgerechter Rechnung getragen werden, auch wenn es wohl kaum möglich sein dürfte, den wettbewerbsbezogenen Vorteil exakt zu quantifizieren. Andererseits würden sich die Nachweisprobleme verschärfen, da ein Rückschluß von der gefundenen auf die tatsächlich eingenommene Menge der Substanz nicht ohne weiteres möglich ist. Auch die Zeitdimension des Dopingbegriffs erweist sich als problematisch. Hier stellt sich die Frage, ob es Langzeitwirkungen durch Doping im Kindes- und Jugendalter gibt19 und ob diese beim erwachsenen Athleten eine entsprechende Erweiterung der Dopingdefinition rechtfertigen. In eine ähnliche Richtung weist die aktuelle Frage, ob die medizinisch indizierte und ärztlich verordnete Einnahme von Medikamenten, die auch auf der Dopingliste stehen, nach Ablauf einer bestimmten Zeit nach der Einnahme nicht mehr dem Dopingbegriff unterfallen sollen. Weiterhin werden Bewertungs- und Akzeptanzprobleme deutlich, wenn es im Rahmen der Dopingdefinition um die Anwendung von Medikamenten geht, denen zugleich eine leistungsfördernde Wirkung zugesprochen wird. Hier stellt sich die Frage, ob Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in dem Sinne berücksichtigt werden sollen, daß von Doping nur dann gesprochen wird, wenn die applizierte Substanz einen positiven Effekt hat, der über den Ausgleich krankheitsbedingter Leistungsdefizite hinausgeht. In den vorgegebenen Dopingdefinitionen ist nicht völlig klar, ob subjektive Elemente – Verschulden, Absicht oder zumindest Kenntnis der Umstände – ankommt. Zum Teil wird etwas unscharf von „strict liability“20 gesprochen. Der Athlet wird als gedopt behandelt, wenn er bestimmte Substanzen in seinem Körper hat, ohne daß es darauf ankäme, auf welchem Wege und ob mit seinem Willen und/ oder mit seiner Kenntnis die fragliche Substanz in seinen Körper gelangt ist.21 Wenn in der Dopingdefinition des DSB vom „Versuch der Leistungssteigerung“ die Rede ist, kann daraus das Erfordernis von Tatentschluß und Vorsatz abgeleitet werden.22 Ähnlich unterschiedliche Sichtweisen bestehen hinsichtlich der Sanktionierung von Dopingverstößen.23 Der verbreitete Verzicht auf subjektive Begriffselemente erfolgt nicht nur aus pragmatischen Gründen, um die Beweisprobleme in Grenzen zu halten. Dahinter steht auch die Wertung, daß sich – gleich wie verursachte – Vorteile durch leistungsfördernde Substanzen nicht in Wettkampfresultaten auswirken dürfen sollen. 19 Vgl. hierzu aus biomechanischer Sicht den Beitrag von G.-P. Brüggemann, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 67 ff. 20 Vgl. hierzu die Nachweise bei E. N. Vrijman, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 177 (182) sowie den Beitrag von V. Netzle, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 197 (206 ff.). 21 Vgl. die Nachweise zur Dopingdefinition der IAAF und des DLV in Fn. 8. 22 So DSV-Schiedsgericht, SpuRt 1994, 210 (211). 23 So sind gemäß Anlage 2 Ziff. 1 a. E. DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings bei der Festlegung der Wettkampfsperre der „individuelle Grad des Verschuldens sowie die mögliche Dauer weiterer wettkampfsportlicher Tätigkeit zu berücksichtigen.“

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II. Zwecke des Dopingverbots Herkömmlicherweise werden drei Zwecke des Dopingverbots genannt:24 @ Vermeidung von Ergebnisverzerrungen bzw. Förderung der Chancengleichheit im Wettkampf; @ Gesundheitsschutz der Athleten; @ Förderung des Ansehens der Sportart in der Öffentlichkeit und Demonstration der Einhaltung ethischer Standards. Analysiert man die Dopingregelungen der internationalen Sportverbände, die für die olympischen Sportarten verantwortlich zeichnen, hinsichtlich der Zwecke des Dopingverbots, so stellt man überrascht fest, daß auf entsprechende klarstellende Vorgaben zumeist verzichtet wird.25 Lediglich wenige Verbände begründen ihr Dopingverbot. Sie berufen sich dabei in erster Linie auf den Gesundheitsschutz der Sportler und den Gedanken des Fair Play. So heißt es in der Präambel des IOC Medical Code: „…intended to safeguard the health of athletes and to ensure respect for the ethical concepts implicit in Fair Play, the Olympic Spirit and medical practice.“ Ähnlich formuliert der Internationale Bob- und Schlittensportverband (FIBT), der auf die mögliche Gesundheitsschädigung der Athleten und die Gefährdung während des Wettkampfes abstellt.26 Auch die Zweckbestimmung durch den Internationalen Radsport-Verband (UCI) geht in diese Richtung: „The purpose of thus combating drug abuse is to avoid all possible negative repercussions that such abuse may have on the normal running of cycling races and on the physical or psychic well-being of the riders especially by their trying artificially to increase their performance.“27 Auch in Deutschland haben nur wenige Sportverbände den Zweck des Dopingverbots ausdrücklich genannt. So formuliert der Deutsche Schwimmverband: „Doping verstößt gegen das Fairneßgebot im Sport und kann die Gesundheit des Schwimmers akut, chronisch und lebensgefährlich beeinträchtigen.“28 Im Reitsport 24

K. Vieweg, Doping und Verbandsrecht, NJW 1991, 1511; U. Steiner, Verfassungsfragen des Sports, NJW 1991, 2729 (2736). 25 K. Vieweg, Divergence and Harmony in Sports Law – The Example of Anti-Doping Regulations, in: D. C. Umbach/C. Vedder (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit und Sanktionen, Heidelberg/New York 1998 (im Druck). 26 FIBT-Dopingkontrollordnung Punkt 1. Einige internationale Sportverbände sehen in ihren Regelungen automatische „Schutzsperren“ vor, wenn ein Athlet einen bestimmten Hämatokrit-Grenzwert überschreitet. 27 UCI-Antidoping Examination Regulations, Introduction. 28 § 3 (2) DSV-Antidopingbestimmungen. Vgl. auch § 2 (1) Anti-Dopingbestimmungen des Deutschen Kanu-Verbands: „Doping verstößt gegen das sportliche Gebot der Fairneß im Wettkampf. Darüber hinaus kann durch die Anwendung von Dopingsubstanzen die Gesundheit der Sportler in nicht unerheblicher Weise beeinträchtigt werden.“ Ähnlich formuliert § 19 der Satzung des Deutschen Verbands für Modernen Fünfkampf: „Doping ist ein Verstoß gegen die Regeln des Fair Play.“

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ist das Pferd der Athlet. Entsprechend formuliert die Deutsche Reiterliche Vereinigung: „Die Nutzung des Pferdes … muß sich an … seinem Leistungsvermögen und seiner Leistungsbereitschaft orientieren. Die Beeinflussung des Leistungsvermögens durch medikamentöse sowie nicht pferdgerechte Einwirkung des Menschen ist abzulehnen…“29 Die Gründe für den verbreiteten Verzicht auf die Angabe von Zwecken des Dopingverbots lassen sich nur vermuten. So wird wohl übersehen, daß es zweckmäßig, wenn nicht sogar erforderlich ist, für die Art und den Umfang der Dopingkontrolle – einschließlich einer sich gegebenenfalls anschließenden Sanktionierung – auf den Zweck des Dopingverbots zurückzugreifen.30 Im Rahmen einer staatlichgerichtlichen Kontrolle wäre dann eine klare Aussage möglich, ob diese Ziele akzeptiert werden würden. Dies ist hinsichtlich des Gesundheitsschutzes nicht zuletzt deshalb fraglich, weil Selbstgefährdungen dem Bereich der Eigenverantwortung zuzurechnen sind.31 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich insofern – wie oben bereits ausgeführt – dann, wenn als Dopingmittel aufgelistete Substanzen ärztlich zur Verkürzung der Verletzungsphase verordnet und eingesetzt werden. Weiterhin kann es im Rahmen einer staatlich-gerichtlichen Kontrolle von Verbandssanktionen hinsichtlich der dadurch bezweckten Förderung der Chancengleichheit darauf ankommen, ob Doping die Ausnahme und nicht die Regel in einer Sportart darstellt.

III. Mittel der Dopingverhinderung Doping setzt menschliches Verhalten des Athleten selbst und/oder ihm nahestehender Personen (insb. Ärzte, Trainer, Funktionäre) voraus. Dopingverhinderung ist deshalb in erster Linie eine Frage der Verhaltenssteuerung. Hierzu kommen zahlreiche – unterschiedlich effiziente – Mittel in Betracht. Aufklärung und Appelle einerseits sowie Sanktionen und Schadensersatzverpflichtungen kombiniert mit einer strikten Kontrolle andererseits bilden das Spektrum möglicher Maßnahmen. Eine Systematisierung erweist sich hier als schwierig, zeigt aber die Notwendigkeit interdisziplinärer Kommunikation auf, insbesondere wenn es darum geht, soziale Kontrolle32, wirtschaftlichen Druck33 und rechtliche Steuerung effizient miteinan29

Ethische Grundsätze 8 der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Vgl. zur strikten Zweckbindung der Dopinganalytik und zum Problem der sog. „Überschußinformation“ K. Vieweg, Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 36 (43). 31 Vgl. generell zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Selbstgefährdungsbefugnis BVerfGE 59, 275 (278 f.) (Motorradhelm). 32 Vgl. hierzu die Beiträge von K.-H. Bette/U. Schimank sowie von G. u. L. Lüschen, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 357 ff. u. 249 ff. 33 Vgl, hierzu den Beitrag von G. Wagner, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 391 ff. 30

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der zu kombinieren. Hilfreich ist zunächst die idealtypische Unterscheidung zwischen der Eigenregulierung durch den Sport selbst, d. h. durch seine Verbände und sonstigen Organisationen, und der Fremdregulierung durch den Staat. Hierher gehören die immer wieder gestellte Frage nach einem speziellen Anti-Doping-Gesetz34 sowie die Frage, ob die Sportverbände überhaupt ein Interesse an einer effektiven Dopingbekämpfung haben. Weiter ist daran zu erinnern, daß zwischen den beiden Polen der Eigen- und Fremdregulierung – je nach Ausgestaltung der Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsordnung – vielfältige Zwischenformen möglich und im internationalen Vergleich auch real sind. Im Mittelpunkt des Steuerungsinstrumentariums der Sportverbände stehen traditionell die von den Sportverbänden ausgesprochenen Sanktionen, insbesondere Disqualifikationen und Sperren. Sie setzen eine wirksame Dopingkontrolle voraus, die ihrerseits aus acht Phasen besteht: (1) Auswahl der Athleten, (2) Benachrichtigung, (3) Probennahme, (4) Probentransport und -lagerung, (5) Probenanalyse, (6) Probendokumentation und -konservierung, (7) verbandsinterne und externe Bekanntmachung des Analyseergebnisses sowie (8) Sanktionsverhängung. Die eigentlich erforderliche kontinuierliche und flächendeckende Dopingkontrolle stößt an praktische und rechtliche Grenzen: Neben den Wettkampfkontrollen sind – weltweit – Trainingskontrollen in hinreichender Zahl sicherzustellen. Die „Vorwarnzeiten“ sind angesichts möglicher Manipulationen möglichst kurz zu bemessen. Dies setzt ständig aktualisierte Informationen der Athleten über ihren Aufenthaltsort und ständige Erreichbarkeit z. B. über Mobiltelefon voraus. Eine dahingehende Verpflichtung ist – wie generell die Bindung der Athleten an ein Dopingreglement – rechtlich keineswegs unproblematisch.35 Die Voraussetzungen variieren von (staatlicher) Rechtsordnung zu (staatlicher) Rechtsordnung. Vollzugsdefizite sind dann zu erwarten, wenn die „zuständigen“ Sportverbände – z. B. aus Vermarktungsgründen – ein geringes Interesse an der Aufdeckung und Sanktionierung von Dopingverstößen haben. Ein Steuerungsversagen kann ebenfalls daraus resultieren, daß die „zuständige“ staatliche Rechtsordnung die Anforderungen an die Wirksamkeit von Verbandssanktionen überspannt. Der Wettlauf zwischen Doping und Dopingnachweis ist ein altbekanntes Problem. Insbesondere kann verfeinerten Dopingmethoden nur mit einer verbesserten Dopinganalytik begegnet werden. Dabei sollte auch über neue Analysemethoden –

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Vgl. z. B. G. Turner, Ist ein Anti-Doping-Gesetz erforderlich?, ZRP 1992, 121 f. M. Meinberg/D. Olzen/S. Neumann, Gutachten über die rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung des Doping-Mißbrauchs, in: W. Schild (Hrsg.), Rechtliche Fragen des Dopings, Heidelberg 1986, S. 63 ff.; V. Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 12 ff.; K. Vieweg, Zivilrechtliche Beurteilung der Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle, in: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Blut und/oder Urin zur Dopingkontrolle, Schorndorf 1996, S. 89 (93 ff.). 35

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Haaranalytik36 und Stimmvergleich37 – nachgedacht werden. Daß die verbesserte Dopinganalytik eher unbeabsichtigt zu neuen Problemen fuhren kann, zeigt der aktuelle Fall des Zehnkämpfers Stefan Schmid.38 Moderne Analysemethoden ermöglichen, Dopingmittel über einen vergleichsweise langen Zeitraum nachzuweisen, während mit herkömmlicher Technik die Nachweisgrenze bereits nach deutlich kürzerer Zeit erreicht wurde. So kann auch der Hinweis zu einem handelsüblichen Medikament, der dopingrelevante, aber für die Therapie nötige Wirkstoff sei „nach 3 Tagen ausgeschieden“, sich folgenreich als falsch erweisen, wenn die Substanz noch einige Zeit länger nachgewiesen werden kann. Neben der bereits angesprochenen Frage, ob die Dopingdefinition auf diese neue Situation reagieren sollte, stellt sich in diesem Zusammenhang – insbesondere mit Blick auf die Sanktionierung – auch die Verschuldensfrage mit besonderer Deutlichkeit. Hierbei ist wiederum zu berücksichtigen, inwieweit der Verzicht auf die Einnahme von Medikamenten zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führt. Im Mittelpunkt des Interesses der Athleten wie auch der Öffentlichkeit steht die nach einem Dopingverstoß ausgesprochene Sanktion. Irritationen können sich insofern ergeben, wenn in einer Sportart der internationale Verband andere Sanktionen als der nationale Verband vorsieht. Besonders deutlich wurde dies im KrabbeFall. Während die IAAF bereits beim ersten Dopingverstoß eine vierjährige Sperre verhängte, hielt der DLV-Rechtsausschuß eine Sperre von höchstens zwei Jahren für angemessen.39 Er berücksichtigte dabei die verfassungsrechtlichen Vorgaben und entsprach damit den Empfehlungen in den DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings.40 Ebenfalls auf Unverständnis stößt die unterschiedliche Sanktionspraxis in verschiedenen Sportarten. Radfahren einerseits und Leichtathletik andererseits bilden beispielhaft die Endpunkte eines Spektrums nicht harmonisierter Sanktionsrahmen.41 Sieht man die Sanktionierung im Zusammenhang mit den Zwecken des Dopingverbots, so ergibt sich: Die Disqualifikation eines gedopten Athleten ist zur Wahrung der Chancengleichheit unverzichtbar; ebenso entspricht eine Sperre für den Zeitraum des nachweisbaren oder zumindest naheliegenden Vorteils dem Postulat der Chancengleichheit. Soll hingegen die Dauer der Sperre über den Zeitraum des Dopingvorteils hinausgehen, so kommt ihr neben der Disziplinierungsfunktion auch eine Präventivfunktion zu. 36

Vgl. dazu den Beitrag von W. Schänzer, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 51 (64 f.). R. G. Williams/S. H. Richards/R. G. Mills/R. Eccles, Voice Changes in Acromegaly, Laryngoscope 104 (April 1994), S. 484 ff.; A. Obrebowski/A. Pruszewicz, Bemerkungen zur Prophylaxe und Therapie der exogen bedingten Stimmvirilisation, Sprache – Stimme – Gehör 14 (1990), S. 103 ff. 38 Vgl. FAZ v. 03. 01. 1997, S. 21. 39 DLV-Rechtsausschuß NJW 1992, 2588 (2592); dazu K. Vieweg, NJW 1992, 2539 (2540). 40 Vgl. Anlage 2 der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings. 41 M. Geistlinger (Fn. 12) und K. Vieweg (Fn. 12). 37

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IV. Rechtsschutz Fragen des Rechtsschutzes haben im Zusammenhang mit Dopingfällen in den letzten Jahren zunehmend Bedeutung erlangt. Das liegt hauptsächlich an der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports.42 Insbesondere Sperren haben für den Athleten de facto die Wirkung eines zeitlich begrenzten Berufsverbots oder – bei lebenslanger Sperre – eines Berufsverbots auf Dauer. Damit einher geht die Relativierung des „vermarktbaren“ Werbewerts eines gedopten Athleten vor allem für dessen Sponsoren. Umgekehrt haben ungedopte Athleten nicht zuletzt auch deshalb, um ihre eigenen Vermarktungschancen zu verbessern, ein Interesse daran, daß ihre gedopten Konkurrenten aus den Siegerlisten gestrichen werden. Ebenso entspricht es dem Interesse eines „sauberen“ Athleten, nicht grundlos öffentlich einem Dopingverdacht ausgesetzt zu werden. Nur zu verständlich ist, wenn die Betroffenen versuchen, alle Rechtsschutzmöglichkeiten auszuschöpfen, um berufliche und wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden bzw. sich im umgekehrten Fall entsprechende Vorteile zu sichern. Es kann deshalb nicht verwundern, daß sowohl auf Seiten der staatlichen Gerichte als auch bei den verbandsinternen Kontrollinstanzen die Bereitschaft gewachsen ist, sich näher mit Dopingstreitigkeiten zu befassen, zumal derartigen Entscheidungen eine breite Medienpräsenz sicher ist. Die mit dem Rechtsschutz in Dopingangelegenheiten zusammenhängenden Fragen sind kompliziert, Mißverständnisse und Informationsdefizite deshalb vorprogrammiert und verbreitet. Für einen betroffenen Athleten stellt sich beispielsweise zunächst die Frage, durch wen und unter welchen Voraussetzungen er die gegen ihn von einem Verbandsorgan verhängte Sperre überprüfen lassen kann. In Betracht kommen Rechtsschutzorgane des nationalen und des internationalen Sportverbands, Schiedsgerichte wie das Sportschiedsgericht (TAS/ CAS) in Lausanne sowie staatliche Gerichte in möglicherweise verschiedenen Staaten.43 Weiterhin stellt sich die Frage, welches Recht der Überprüfung zugrundegelegt werden soll: die Regelungen des nationalen Sportverbands, die des internationalen Sportverbands oder das Recht eines – welches? – Staates?44 Insofern ist ein internationales Rechtsschutzgefälle festzustellen, das rechtsvergleichende Überlegungen unverzichtbar macht. Schließlich ist mit Blick auf die Eilbedürftigkeit der Überprüfung der Sanktion zu fragen, ob die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes Erfolg verspricht.45 42 Vgl. aber auch Art. 7 Ziff. 2 lit. d iii der Anti-Doping Konvention des Europarats v. 16. 11. 1989. Danach sind zur Gewährleistung der Grundrechte der Athleten „clear and enforceable provisions for appealing against any judgement made“ erforderlich. 43 Vgl. zu den Fragen des Internationalen Zivilprozeßrechts in Sportstreitsachen K. Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 1996, S. 53 (60 ff.). 44 Vgl. zu den Fragen des Internationalen Privatrechts in Sportstreitsachen K. Vieweg (Fn. 43), S. 70 ff. 45 Vgl. hierzu V. Röhricht, Chancen und Grenzen der Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/

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Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist es hilfreich, einige Unterscheidungen und Systematisierungen vorzunehmen. Eine erste Unterscheidung betrifft die verbandsrechtlichen Verfahren, in denen Sanktionen verhängt werden, einerseits und die Strafverfahren vor staatlichen Gerichten andererseits. Geht es bei den Verbandsverfahren in erster Linie um Sanktionen – insbesondere Disqualifikationen und Sperren – gegenüber gedopten Athleten, so geht es in den Strafverfahren vor allem um die Ahndung von Körperverletzungen durch Dopingmaßnahmen von Trainern, Funktionären und Ärzten. Eine Strafbarkeit des sich dopenden Athleten selbst sehen hingegen die meisten Rechtsordnungen nicht vor. Handelt es sich um die Sanktionierung von Dopingverstößen durch nationale und/oder internationale Sportverbände, so kann weiter zwischen dem verbandsinternen Rechtsschutz durch „Verbandsgerichte“ und dergleichen einerseits und dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte sowie Schiedsgerichte andererseits unterschieden werden. Insofern entsteht in der Öffentlichkeit nicht selten dadurch Verwirrung, daß verbandsinterne Kontrollinstanzen von den Verbänden selbst als „Schiedsgericht“ oder „Gericht“ bezeichnet werden.46 Die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Rechtsschutzmöglichkeiten dürfen aber insbesondere mit Blick auf die Bindungswirkung der Sanktion nicht verkannt werden. Solange noch die Möglichkeit staatlich-gerichtlichen Rechtsschutzes besteht, ist die durch den Verband verhängte Sanktion nur vorläufiger Art. Die somit erforderliche Abgrenzung zwischen dem verbandsinternen Rechtsschutz und dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte sowie durch Schiedsgerichte ist nach staatlichem Recht und der Praxis der staatlichen Gerichte vorzunehmen. Sie kann demgemäß von Land zu Land unterschiedlich ausfallen.47 Das Spektrum reicht dabei vom Absehen staatlich-gerichtlicher Kontrolle bis hin zu einer vollständigen Überprüfung. Von einem Agieren-Können im rechtsfreien Raum kann nicht mehr die Rede sein. Diese Erkenntnis beginnt sich insbesondere in Kreisen der Funktionäre internationaler Sportverbände erst allmählich durchzusetzen. Nach deutschem Recht kann der staatlich-gerichtliche Rechtsschutz nicht durch Verbandsnormen ausgeschlossen werden.48 Möglich ist lediglich, das vorherige Durchlaufen des verbandsinternen Rechtsschutzverfahrens als Voraussetzung staatlich-gerichtlicher Kontrolle festzuschreiben.49 Eine weitgehende ZurückdränWeimar/Dresden 1997, S. 19 (36 ff.); K. Vieweg, Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte – Das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart 1997, S. 22 (39 ff.). 46 Vgl. K. Vieweg (Fn. 11), S. 119 f.; U. Haas, Die Sport(-schieds-)gerichtsbarkeit der Athleten, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Rechte der Athleten, Frankfurt/M. 1997, S. 57; vgl. zur Abgrenzung zwischen Vereinsgericht und echtem Schiedsgericht BGH NJW 1995, 583 (586). 47 Vgl. die Beiträge in M. R. Will (Hrsg.), Sportrecht in Europa, Heidelberg 1993. 48 B. Reichert/F. v. Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., Neuwied/ Kriftel/Berlin 1995, Rdnr. 1699; a. A. U. Haas/C. Prokop, SpuRt 1996, 113. 49 B. Reichert/F. v. Look (Fn. 48), Rdnr. 1704 m. w. N.

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gung staatlich-gerichtlichen Rechtsschutzes ist allerdings durch echte Schiedsgerichte möglich, die unabhängig vom Sportverband bestellt werden müssen.50 Der Umfang der staatlich-gerichtlichen Kontrolle von Verbandssanktionen variiert von Rechtsordnung zu Rechtsordnung.51 Idealtypisch ist dabei zwischen der Tatsachenkontrolle, der Inhaltskontrolle und der Subsumtionskontrolle zu unterscheiden. Bei der Tatsachenkontrolle geht es darum, ob die Tatsachenfeststellung des Verbandes richtig ist. Im Rahmen der Inhaltskontrolle wird geprüft, ob die Verbandsnormsetzung nicht gegen staatliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht, verstößt. Die Subsumtionskontrolle bezieht sich darauf, ob die vom Verbandsorgan bejahte Übereinstimmung von festgestellten Tatsachen und einschlägiger Verbandsnorm richtig ist.

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Vgl. hierzu im einzelnen B. Reichert/F. v. Look (Fn. 48), Rdnr. 2531 m. w. N.; K. Vieweg (Fn. 11), S. 271 ff.; U. Haas (Fn. 46), S. 65 ff. 51 Vgl. zum deutschen Recht z. B. V. Röhricht (Fn. 45), S. 19 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung; K. Vieweg (Fn. 30), S. 39 ff; vgl. zum englischen Recht den Beitrag von D. Bailey, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 331 ff., und zum schweizerischen Recht Fn. 28 im Beitrag von M. Baddeley, in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 3), S. 307 ff.

Dopingvermeidung und Verbandsrecht Regelkreismodell, Ergebnisse und Analyse einer explorativen Erhebung* I. Regelkreismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fragebogen Dopingvermeidungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Das Verbandsrecht kann einen entscheidenden Beitrag zur Dopingvermeidung leisten. Um dies deutlich zu machen, habe ich zum einen versucht, den gesamten komplexen Zusammenhang vereinfacht in einem Regelkreismodell (siehe Abbildung auf der nächsten Seite) darzustellen (dazu I.). Zum andern habe ich einen Fragebogen entwickelt, um die Einschätzung insbesondere der betroffenen Athleten, aber auch der Trainer und Funktionäre explorativ zu erheben (dazu II.).

I. Regelkreismodell Geht man – quasi als Ausgangspunkt der Rundreise im Regelkreis – vom Doping als Faktum aus, so sind Definitions- und Abgrenzungsprobleme nicht zu übersehen. Stichworthaft möchte ich nur erwähnen: körpereigene Substanzen, Substitution und therapeutische Maßnahmen. Auch stellt sich die Frage, ob ursprüngliche Dopingmaßnahmen nach Ablauf einer bestimmten Zeit generell aus der Dopingdefinition herausfallen sollen oder ob in diesem Zusammenhang vielleicht darauf abzustellen ist, ob sich noch positive Langzeitwirkungen ergeben.1 Es folgen im Regelkreismodell dann der dynamische Bereich der Entwicklung neuer Dopingsubstanzen und -verfahren („Know-how“) sowie eine verbesserte Kontrolle, insbesondere Analytik. Sowohl die aktuelle Dopingpraxis als auch die erwarteten Entwicklungen sind Basis für die Bewertung des Dopings durch alle interessierten und betroffenen Kreise – die Athleten, Trainer, Ärzte, Funktionäre, * Erstveröffentlichung in K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, Berlin 1998, S. 113 – 133. 1 Näher dazu K. Vieweg, Grundinformationen zur Dopingproblematik, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, S. 21 (26).

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Sportorganisationen, Sponsoren, Vertreter der Medien und der Politik sowie die Sachverständigen. Ergebnis dieser Dopingbewertung sind definitive und nur vermutete Folgen des Dopings. Zu erwähnen sind insofern Chancenungleichheit, Intransparenz der Leistungen, Gesundheitsgefahren, Imageverlust und verschlechterte Vermarktungsmöglichkeiten, aber auch Leistungssteigerung und verbesserte Vermarktungsmöglichkeiten sowie Verkürzung der Verletzungsphase. Insgesamt kön-

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nen diese rechtlich relevanten Informationen über die Realität als Rechtstatsachen bezeichnet werden. Nächste Akteure auf unserer Rundreise im Regelkreis sind – in der Sprache der Kybernetik – die Regler, das sind die EU und der Bund als staatliche bzw. überstaatliche Rechtsetzer sowie die deutschen, europäischen und internationalen Sportverbände als private Normsetzer. Dopingregelung und -kontrolle können also zweispurig verlaufen – durch staatliche und überstaatliche Rechtsetzung und -anwendung einerseits sowie durch privatautonome Normsetzung und -anwendung seitens der Sportverbände andererseits. Mischformen durch Kooperation von Staat und Verbänden sind dabei möglich. Die Ergebnisse der Recht- bzw. Normsetzung lassen sich als Hebel oder Stellgröße bezeichnen. Ergebnis der Rechtsanwendung durch staatliche Gerichte ist eine Bestrafung – z. B. wegen Körperverletzung – oder die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz. Ergebnis der Normanwendung durch Verbandsinstanzen ist insbesondere der Ausspruch von Sanktionen wie Disqualifikationen und Sperren. Deren Rechtmäßigkeit wird zunächst im Rahmen des verbandsinternen Rechtsschutzes und dann – zumindest in Deutschland – durch eine nachgeschaltete staatlich-gerichtliche Kontrolle überprüft. Möglich ist allerdings auch eine schiedsgerichtliche Kontrolle, die die staatlich-gerichtliche Kontrolle weitgehend ersetzt. Werden Strafe, Schadensersatzverpflichtung und Verbandssanktion rechtskräftig, so beeinflussen sie – in der Sprache der Kybernetik als Regelstrecke – das Verhalten ihrer Adressaten: der Athleten, Trainer, Funktionäre und Ärzte. Deren Verhaltensänderung insbesondere bezüglich des Einsatzes von Dopingmitteln im Wettkampf und/oder Training schließt als sog. Rückkoppelung den Regelkreis.

II. Fragebogen Dopingvermeidungsmaßnahmen 1. Vorbemerkungen Mit dem Fragebogen „Dopingvermeidungsmaßnahmen“ habe ich mich zugegebenermaßen auf sozialwissenschaftliches – also fremdes – Terrain begeben.2

2 Bei der Gestaltung des Fragebogens wurde ich von Prof. Dr. Gert Wagner (EuropaUniversität Viadrina, Frankfurt/Oder) unterstützt. Seine Erfahrungen als Leiter des „Soziooekonomischen Panels (SOEP)“ mit Umfragen haben sich als hilfreich erwiesen. Von G. Wagner stammen Teile der Fragen 14 und 15 des Fragebogens, vgl. dazu seinen Beitrag in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 1), S. 391 ff. Für die Einbringung der Athletensicht danke ich meinen studentischen Hilfskräften Gritt Osmann (Deutsche Meisterin 1992 im 5.000-m- und 10.000m-Speed-Skaten) und Eva Trmal (Deutsche Jugendmeisterin 1990 und 1991 im 400-m-Hürdenlauf). Prof. Dr. Franz Streng (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und Clemens Prokop (DLV-Vizepräsident Recht) danke ich für ihre kritische Durchsicht, meinen Mitarbeitern Christian Paul und Simon Weiler für die Aufbereitung der Daten. Wegen der Sensitivität der Fragen sind die Mikrodaten nicht beim „Zentralarchiv für Empirische Sozi-

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Anlaß für den Fragebogen war zunächst die schlichte Neugier, ob sich das, was wir als Juristenkommission3 des Deutschen Sportbundes im Frühjahr 1992 in unseren Empfehlungen ausgesprochen hatten4 und was später dann in den DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings umgesetzt wurde, mit der Einschätzung der Hauptbetroffenen deckt. Weiterhin habe ich einige juristische Probleme in der Behandlung von Dopingfällen in den Fragebogen aufgenommen, um die Problemsicht und Normakzeptanz der Betroffenen zu ermitteln. Überraschend war für mich, daß ein so interessanter Grauzonenbereich wie das Doping offenbar bisher empirisch nicht erforscht worden ist. Methodisch bin ich so vorgegangen, daß ich mit einem unproblematischen Dopingfall begonnen habe, um anschließend die Meinung zur Angemessenheit der Sanktion und Zweckmäßigkeit von Differenzierungen nach der Sportart, nach der unterschiedlich möglichen Dauer von Spitzenleistungen sowie nach der Leistungsebene – international, national, Landesebene, Freizeitsport – zu erfragen. Den Ausgangsfall habe ich im Fragebogen – jeweils in Fallform – dann so variiert, daß folgende Problemkonstellationen abgefragt werden konnten: @ Zweit- und Drittverstoß, @ lückenhafte Liste (Bromantan-Fall), @ Unklarheit der Dopingwirkung (Clenbuterol-Fall), @ Dosisproblem (Leistungssteigerung erst bei größerer Menge), @ Einnahme der Substanz aufgrund einer Empfehlung des Verbandsarztes, um die Verletzungsphase zu verkürzen, @ schuldlose Einnahme der Substanz, da keine Kenntnis der durch Verbandsarzt, Trainer und/oder einen Konkurrenten erfolgten Manipulation, @ Rechtfertigung der Sanktionierung des „ertappten Dopingsünders“, wenn alle Athleten einer Sportart dopen, @ Zumutbarkeit der Abgabe von Urin und/oder Blut, @ Beurteilung der Verweigerung der Dopingkontrolle, alforschung“ archiviert. In den Vorbemerkungen zum Fragebogen wurde den Befragten Anonymität zugesichert. 3 Dieser Kommission gehörten neben den beiden Justitiaren des DSB, den Herren Jochen Kühl und Hermann Latz, Herr Karl-Friedrich Brodeßer als sachverständiger Verbandsvertreter, Herr Volker Röhricht als Richter des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, zuständig für das Vereinsrecht, mein Kollege George Turner, der schon in der Reiter-Kommission mitgewirkt hatte, und ich an. 4 J. Kühl, Die Entstehung des DSB-Sanktions-Kataloges als Empfehlung an die Spitzenverbände, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 5 ff; V. Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, ebenda, S. 12 ff.

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@ Medikamentenpaß und Information der Öffentlichkeit (auch über sensible Fragen wie die Einnahme der „Pille“), @ Zumutbarkeit der Information über Ortsabwesenheit, @ Durchführung der Analyse der A- und B-Probe in demselben Labor oder in verschiedenen Laboren, @ Schadensersatz bei Dopingverstoß, @ Angemessenheit folgender Teilnahmevoraussetzungen: @ Akzeptieren der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings, der Dopingregelungen des DLV und der IAAF, @ Einverständnis mit der Urinabgabe nach dem Wettkampf, @ Einverständnis mit der Entnahme einer Blutprobe nach dem Wettkampf, @ Einverständnis mit sog. (unangekündigten) Trainingskontrollen, @ Führen eines Medikamentenpasses, in dem alle Medikamente und sonstigen Substanzen, die außerhalb des normalen Essens eingenommen werden, aufgeführt sind, @ Startberechtigung nach Ablauf der Sperre automatisch oder erst nach Trainingskontrollen, @ Anti-Dopinggesetz. Angeschrieben wurden insgesamt 449 Athleten (78 A-Kader, 199 B-Kader, 172 C-Kader), 24 Funktionäre und 38 Trainer im Bereich des Deutschen LeichtathletikVerbandes (DLV). Die Rücklaufquote war insgesamt – ausgenommen die der DLVFunktionäre und der C-Kader-Athleten – sehr erfreulich. 37,4 % aller angeschriebenen Athleten, Funktionäre und Trainer haben die Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt.5 Im einzelnen betrug die Rücklaufquote: Athleten insgesamt: 31,8 %, A-Kader-Athleten: 51,2 %, B-Kader-Athleten: 41,2 %, C-Kader-Athleten: 11,6 %; Trainer: 89,5 %, Funktionäre: 29,1 %. Die folgende Analyse beruht auf der Auswertung von 191 Fragebögen, die bis Ende Mai 1997 zurückgekommen waren. Auswertbar waren die Fragebögen von 184 Respondenten, darunter 143 Athleten, 34 Trainer und 7 Funktionäre. Die Analyse stützt sich auf einfache Kreuztabellen, vermag aber schon interessante Tendenzen wiederzugeben. Die Ergebnisse lassen sich im einzelnen wie folgt formulieren:

5 Ich darf in diesem Zusammenhang dem DLV (den Herren Prokop und Hemel) für die Unterstützung der Fragebogenaktion danken. Ohne dieses Engagement wäre die Rücklaufquote sicher nicht so vorzüglich gewesen.

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2. Ergebnisse 1. Zu den Fragen 1 – 3: Frage 1: Was ist Ihrer Ansicht nach in folgenden Fällen vernünftig und fair? Ein Sportler (S) nimmt auf eigene Faust zum ersten Mal eine in allen Dopinglisten aufgeführte Substanz ein, die nachweislich die Leistungsfähigkeit erheblich steigert. Er gewinnt den Wettkampf. Die ordnungsgemäß vorgenommene Dopingkontrolle bringt den Verstoß ans Licht. a) Soll S disqualifiziert, ihm also der Sieg aberkannt werden? Ja & nein & b) Soll S über den Wettkampf hinaus durch Verwarnung, Geldstrafe oder Sperre bestraft werden? Ja & nein & Falls ja: Wie? Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM& 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & c) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, um welche Sportart es geht? Ja & nein & d) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, wie lange – bezogen auf die Lebenszeit – in dieser Sportart Spitzenleistungen überhaupt möglich sind (z. B. einerseits Sprints, andererseits Dressurreiten)? Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung bei kürzerer Zeit der Spitzenleistung (z. B. Sprint) schwerer & oder leichter & ausfallen? e) Soll die Leistungsebene – international, national. Landesebene, Freizeitsport – eine Rolle spielen? Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung schwerer sein auf höheren Leistungsebenen? Ja & nein & Frage 2: S hat seit Jahren immer wieder eine Substanz eingenommen, die in allen Dopinglisten aufgefuhrt ist und die nachweislich die Leistungsfähigkeit erheblich steigert. Wie soll verfahren werden, wenn er zum zweiten Mal „positiv getestet“ wird? a) Soll S – neben der Disqualifikation – durch Verwarnung, Geldstrafe oder Sperre bestraft werden? Ja & nein & Falls ja: Wie sollte die Bestrafung erfolgen? Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & b) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, um welche Sportart es geht? Ja & nein &

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c) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, wie lange – bezogen auf die Lebenszeit – in dieser Sportart Spitzenleistungen überhaupt möglich sind (z. B. einerseits Sprints, andererseits Dressurreiten) Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung bei kürzerer Zeit der Spitzenleistung (z. B. Sprint) schwerer & oder leichter & ausfallen? d) Soll die Leistungsebene – international, national, Landesebene, Freizeitsport – eine Rolle spielen? Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung schwerer sein auf höheren Leistungsebenen? Ja & nein & Frage 3: S hat seit Jahren immer wieder eine Substanz eingenommen, die in allen Dopinglisten aufgeführt ist und die nachweislich die Leistungsfähigkeit erheblich steigert. Wie soll verfahren werden, wenn er zum dritten Mal „positiv getestet“ wird? a) Soll S – neben der Disqualifikation – durch Verwarnung, Geldstrafe oder Sperre bestraft werden? Ja & nein & Falls ja: Wie soll die Bestrafung erfolgen? Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & b) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, um welche Sportart es geht? Ja & nein & c) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, wie lange – bezogen auf die Lebenszeit – in dieser Sportart Spitzenleistungen überhaupt möglich sind (z. B. einerseits Sprints, andererseits Dressurreiten) Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung bei kürzerer Zeit der Spitzenleistung (z. B. Sprint) schwerer oder leichter & ausfallen? d) Soll die Leistungsebene – international, national, Landesebene, Freizeitsport – eine Rolle spielen?

&

Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung schwerer sein auf höheren Leistungsebenen? Ja & nein & Die Auswertung der Fragebögen hat zu den Fragen 1 – 3 die folgenden wesentlichen Ergebnisse erbracht: @ Für alle Respondenten steht die Berechtigung der Disqualifikation außer Frage. @ 90 % sind beim ersten Dopingverstoß für eine Sperre, wobei der Schwerpunkt zwischen ein und drei Jahren Dauer liegt. Nur ca. 22 % der Befürworter der Sperre halten eine Dauer von bis zu einem Jahr – wie es die DSB-Rahmen-Richtlinien vorsehen – für angemessen. 78 % befürworten eine längere Sperre.

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@ Konsequenterweise befürworten beim zweiten Dopingverstoß ebenfalls ca. 78 % eine Sperre, die über die in den DSB-Rahmen-Richtlinien vorgesehene Dauer von 1 1/2 Jahren hinausgeht. 66 % sind sogar für eine Sperre auf Lebenszeit. @ Beim dritten Dopingverstoß entsprechen 88 % der Befragten mit ihrer Einschätzung der DSB-Empfehlung der Rahmen-Richtlinien von 2 1/2 Jahren bis Lebenszeit. Dabei sprechen sich 76 % für die strengste Sanktion, die Sperre auf Lebenszeit, aus. @ Eine Geldstrafe als Sanktion wird von 70 % abgelehnt. Soweit sie gewählt wird – vor allem von den Athleten des A-Kaders -, fällt sie zumeist hoch aus (ca. 5.000 – 10.000 DM). @ Die Differenzierung, die die Juristenkommission6 seinerzeit als vernünftige Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ansah und die dann in die Empfehlungen der DSBRahmen-Richtlinien7 aufgenommen wurde, entspricht überraschenderweise nicht der Meinung der Antwortenden. Sie wollen eher eine einheitliche Sanktionierung. Eine Differenzierung der Sanktionen nach der Sportart lehnen über 90 %, nach der Leistungsstufe etwa 80 % ab. Immerhin halten es etwa 15 % für vernünftig und fair, bei der Bemessung der Sanktion zu berücksichtigen, wie lange – auf die Lebenszeit bezogen – in dieser Sportart überhaupt Spitzenleistungen möglich sind. 2. Zu Frage 4 (Bromantan-Fall, Clenbuterol-Fall): Frage 4: S nimmt eine Substanz ein, von der er gehört hat, daß sie leistungssteigemd wirkt. Die Substanz steht noch nicht ausdrücklich in den Dopinglisten. Es stellt sich später heraus, daß sie auch tatsächlich leistungssteigemd wirkt. Bei einer Wettkampfkontrolle wird nebenbei festgestellt, daß S diese Substanz genommen hat. a) Soll S überhaupt bestraft werden? Ja & nein & b) Falls ja: Sollte er anders bestraft werden, weil die Substanz nicht aufgelistet ist? Ja & nein & c) Falls ja: Wie sollte S bestraft werden? Disqualifikation & Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & d) Wie wäre es, wenn selbst Wissenschaftler sich nicht einig sind, ob die eingenommene Substanz auch wirklich leistungssteigernd wirkt, es sich also um eine Dopingsubstanz handelt? aa) Soll auch hier eine Bestrafung erfolgen? Ja & nein & bb) Falls ja: Wie sollte S bestraft werden? Disqualifikation & Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000DM & 6

Siehe Fn. 3. Vgl. Anlage 2 der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings (Empfehlung für Zulassungssperren aufgrund der Veranstalterrechte). 7

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Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & cc) Ist es fair, hier von einem Dopingverstoß zu sprechen oder handelt es sich um einen Medikamentenmißbrauch oder um keines von beiden? Dopingverstoß & Medikamentenmißbrauch & keines von beiden & Die Auswertung der Fragebögen hat zu Frage 4 die folgenden wesentlichen Ergebnisse erbracht: @ Etwas mehr als die Hälfte der Antwortenden befürwortet im Bromantan-Fall (Frage 4 a)–c)) eine Bestrafung, wobei die Tendenz von den A- bis zu den C-Kader-Mitgliedern deutlich abnimmt. Über 70 % der Funktionäre wollen eine Bestrafung. @ 11 % wollen eine identische Bestrafung, auch wenn die Substanz nicht aufgelistet ist. @ Selbst wenn die Wissenschaft sich nicht über die leistungssteigemde Wirkung einig ist (Clenbuterol-Fall, Frage 4 d)), befürworten noch 22,5 % eine Bestrafung. Von einem Dopingverstoß sprechen in dieser Konstellation immerhin 16,8 % der Antwortenden; etwa doppelt so viele (37,2 %) betrachten diesen Fall als Medikamentenmißbrauch; ebenso viele (38,7 %) sehen darin weder einen Dopingverstoß noch einen Medikamentenmißbrauch. 3. Zu Frage 5 (Dosisproblem): Frage 5: S nimmt in geringer Menge eine Substanz ein, die zwar – ohne Angabe einer Mindestmenge – in den Dopinglisten steht, die aber erst dann eine Leistungssteigerung bewirken kann, wenn sie in größerer Menge eingenommen wird. Dies weiß S jedoch nicht und geht deshalb fälschlicherweise von einer leistungssteigemden Wirkung aus. Bei einer Wettkampfkontrolle stellt sich heraus, daß er die Substanz in geringer Menge eingenommen hat. a) Soll S überhaupt bestraft werden? Ja & nein & b) Falls ja: Sollte er anders bestraft werden? Ja & nein & c) Falls ja: Wie sollte S bestraft werden? Disqualifikation & Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & Steht eine Substanz auf der Dopingliste und nimmt ein Sportler diese in dem Glauben an eine Leistungssteigerung zu sich, so fordern 90 % der Antwortenden eine Bestrafung, selbst wenn die eingenommene Menge zu gering war, um tatsächlich eine leistungssteigemde Wirkung hervorzurufen. Interessant ist insofern die formale Sichtweise. Die Dopingliste wird gar nicht hinterfragt. Allein der Umstand der Normverletzung wird als Anlaß für eine Bestrafung gesehen. Ob die Norm selbst einer gerichtlichen Inhaltskontrolle standhielte, mag immerhin bezweifelt werden. Insofern wären Grundrechtsabwägungen vorzunehmen.8 Diese können

8 Näher dazu K. Vieweg, Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akade-

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zum Ergebnis haben, daß die Freiheit des Athleten, die Substanz in geringer, definitiv nicht leistungssteigernder Dosis einzunehmen, verletzt ist. Dabei sind in die maßgebliche Interessenabwägung selbstverständlich auch die Schwierigkeiten einzubeziehen, die hinsichtlich des Nachweises der ursprünglich eingenommenen Menge bestehen. 4. Zu Frage 6 (Verkürzung der Verletzungsphase): Frage 6: S nimmt auf Empfehlung des Vereinsarztes eine in den Dopinglisten aufgeführte Substanz ein, um die Dauer einer Verletzungsphase zu verkürzen. Es steht fest, daß die Substanz in der Wettkampfsaison keinerlei Wirkung mehr haben wird. S nimmt vorzeitig das Training wieder auf. Eine ordnungsgemäß durchgeführte Trainingskontrolle (Kontrolle außerhalb des Wettkampfs) bringt ans Licht, daß S eine auf den Dopinglisten aufgeführte Substanz eingenommen hat. a) Soll S überhaupt bestraft werden? Ja & nein & b) Falls ja: Wie sollte S hier bestraft werden? Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & Eine ähnlich formale Sicht wie bei Frage 5 spiegelt sich auch in den Antworten zu Frage 6 wider, die die Situation in einigen professionell betriebenen Sportarten beschreiben dürfte. Konkret plädieren ca. 78 % der Antwortenden für eine Bestrafung. Speziell für eine Sperre sprechen sich knapp die Hälfte aus, eine Geldstrafe präferieren hingegen nur ca. 15 %. 5. Zu den Fragen 7 und 8 (schuldlose Einnahme der Substanz): Frage 7: Der Vereinsarzt oder der Trainer gibt dem S die Dopingsubstanz so, daß dieser das überhaupt nicht merkt. S wird bei einem Wettkampf „positiv getestet“. a) Soll S überhaupt bestraft werden? Ja & nein & b) Falls ja: Wie sollte S bestraft werden? Disqualifikation & Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & Frage 8: In einem gemeinsamen Trainingslager gibt ein Konkurrent dem S die Dopingsubstanz so, daß dieser überhaupt nichts merkt. S wird bei einem Wettkampf „positiv getestet“. a) Soll S überhaupt bestraft werden? Ja & nein & b) Falls ja: Wie sollte S bestraft werden? Disqualifikation & Verwarnung & mie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 36 (40 f).

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Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & Der Vergleich der Antworten zu Frage 7 und 8 ist insofern erhellend, als im ersten Fall des schuldlosen Dopings (Zuführung vom Vereinsarzt oder Trainer ohne Wissen des Athleten) ca. 60 % eine Bestrafung fordern, im zweiten Fall (unbemerkte Zuführung durch einen Konkurrenten) hingegen nur, aber immerhin noch 44 %, bei den Athleten des A-Kaders sogar 62 %. Die DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings stellen hingegen auf den Grad des Verschuldens ab. Damit dürfte in diesem Fall keine Bestrafung erfolgen. 6. Zu den Fragen 9 und 10 (flächendeckendes Doping): Frage 9: S kann zu Recht davon ausgehen, daß fast alle Sportler seiner Disziplin „etwas nehmen“. Um selbst in der Spitze mithalten zu können, bleibt ihm nichts anderes übrig, als auch selbst zu dopen. Bei einer Wettkampfkontrolle kommt der Dopingverstoß ans Licht. a) Soll S überhaupt bestraft werden? Ja & nein & b) Falls ja: Wie sollte S bestraft werden? Disqualifikation & Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit & c) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, um welche Sportart es geht? Ja & nein & d) Soll es für die Bestrafung eine Rolle spielen, wie lange – bezogen auf die Lebenszeit – in dieser Sportart Spitzenleistungen überhaupt möglich sind (z. B. einerseits Sprints, andererseits Dressurreiten)? Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung bei kürzerer Zeit der Spitzenleistung (z. B. Sprint) schwerer & oder leichter & ausfallen? e) Soll die Leistungsebene – international, national. Landesebene, Freizeitsport – eine Rolle spielen? Ja & nein & Falls ja: Sollte die Bestrafung schwerer sein auf höheren Leistungsebenen? Ja & nein & Frage 10: Stellen Sie sich die Situation wie in Frage 9 vor, aber mit dem Unterschied, daß der Dopingverstoß bei einer Trainingskontrolle (Kontrolle außerhalb des Wettkampfs) ans Licht kommt. Soll ein Unterschied gemacht werden zu 9 b)? Ja & nein & Falls ja: Welcher? Verwarnung & Geldstrafe: 100 DM & 500 DM & 1.000 DM & 5.000 DM & 10.000 DM & Sperre: 3 Mon. & 6 Mon. & 1 Jahr & 2 Jahre & 3 Jahre & auf Lebenszeit &

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Soll es darauf ankommen, daß in allen Ländern in gleicher Weise Trainingskontrollen (Kontrollen außerhalb des Wettkampfs) vorgenommen werden? Ja & nein & Im Fall des flächendeckenden Dopings (Fragen 9 und 10) ist es nach der Auffassung fast aller Antwortenden (98 % bzw. 93 %) nicht gerechtfertigt, daß ein Athlet sich dopt. Die Sanktionierung soll deshalb praktisch in gleicher Weise erfolgen wie in dem Fall, in dem Doping die Ausnahme ist. Hierin mag man einen hohen Grad an – geäußerter – Normloyalität der Respondenten sehen. 7. Zu den Fragen 11 und 12 (Zumutbarkeit der Abgabe von Blut/Urin): Frage 11: Ist die bisher übliche Dopingkontrolle (Urinabgabe unter Kontrolle) zumutbar? Ja & nein & Ja, aber mit folgenden Einschränkungen/unter folgenden Voraussetzungen &: Frage 12: Wäre eine Dopingkontrolle zumutbar, wenn ca. 20 ml Blut aus der Armvene entnommen werden müßten? Ja & nein & Ja, aber mit folgenden Einschränkungen/unter folgenden Voraussetzungen &: Die im Auftrag des Bundesinstituts für Sportwissenschaft gutachtlich interdisziplinär untersuchte Frage „Blut und/oder Urin zur Dopingkontrolle“9 wird – zumindest der Tendenz nach – von der ganz überwiegenden Mehrheit der Antwortenden (96 % bzgl. Urin bzw. 84 % bzgl. Blut) dahin beantwortet, daß sie zumutbar sind. Die Kommentare und Vorbehalte insbesondere der Athleten betreffen dabei zumeist Selbstverständlichkeiten (wie Sichtkontrolle durch gleichgeschlechtliche Kontrollperson, Blutentnahme durch Fachpersonal und nicht vor dem Wettkampf). Daneben werden Rücksichtnahme vor allem in zeitlicher Hinsicht und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingefordert. 8. Zu Frage 13 (Verweigerung der Dopingkontrolle): Frage 13: Die Verweigerung der Dopingkontrolle (die Abgabe von Urin) wird wie ein nachgewiesener Dopingverstoß behandelt. Ist das richtig und fair? Ja & nein & Falls nein: Welche vernünftigen Gründen kann es für einen Sportler geben, die Dopingkontrolle zu verweigern? Daß die Verweigerung der Kontrolle wie ein nachgewiesener Dopingverstoß behandelt wird, halten 95,3 % für richtig und fair. Inwieweit die noch anhaltende Diskussion um den Fall der griechischen Leichtathleten in Dortmund10 die Antworten beeinflußt hat, kann ich natürlich nicht sagen. Als triftiger Grund für die Verweigerung der Dopingkontrolle (Urinabgabe) wird mehrfach von Athletinnen die Verletzung des Schamgefühls genannt.

9 Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.): Blut und/oder Urin zur Dopingkontrolle. Mit Gutachten von Manfred Donike, Kristian Kühl, Heinrich H. D. Meyer, Klaus Müller, Michael Staak, Wilhelm Stoffel, Peter J. Tettinger, Klaus Vieweg, Schorndorf 1996. 10 Vgl. FAZ v. 10. 03. 1997, S. 27 und 12. 03. 1997, S. 36. Mehrere Respondenten sprechen in ihrer Antwort auf die offen formulierte Frage 23 ausdrücklich diesen Fall an.

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9. Zu den Fragen 14 und 15 (Medikamentenpaß und Information der Öffentlichkeit): Frage 14: Es wird immer mal wieder vorgeschlagen, daß alle Sportler einen sog. Medikamentenpaß erhalten, in dem sie alle Medikamente und sonstigen Substanzen, die sie außerhalb des normalen Essens einnehmen, eintragen müssen. Der Sportler soll dann bestraft werden können, wenn bei der Dopinganalytik ein Stoff nachgewiesen wird, den er nicht in seinen Medikamentenpaß eingetragen hat, selbst wenn diese Substanz nicht ausdrücklich in den Dopinglisten steht (und sich die Wissenschaftler nicht einig sind, ob es sich überhaupt um eine Dopingsubstanz handelt). Ist das fair? Ja & nein & Frage 15: Im Medikamentenpaß würden – wie jetzt schon für die 48 Stunden vor der Dopingkontrolle – vertrauliche Informationen (z. B. Einnahme der „Pille“) aufgeführt werden. a) Sollte ein Spitzensportler akzeptieren, daß solche Informationen veröffentlicht werden, um der interessierten Öffentlichkeit zu zeigen, welcher Athlet „clean“ ist? Ja & nein & Ja, aber unter folgenden Voraussetzungen: & b) Ist es fair, wenn solche Informationen bei einem nachgewiesenen Dopingverstoß veröffentlicht werden? Ja & nein & Ja, aber unter folgenden Voraussetzungen: & Die ganz überwiegende Mehrheit (78,5 %) halten es für nicht fair, wenn – unabhängig von bestehenden Dopinglisten – ein Dopingverstoß bei Nachweis einer nicht in den Medikamentenpaß11 eingetragenen Substanz angenommen wird. Auffallend sind jedoch die Unterschiede in der Einschätzung der Athleten und der Funktionäre. Während 84 % der Athleten die Sanktion in diesem Fall für nicht fair halten, sind es auf Seiten der Funktionäre nur 57 %. Hinsichtlich der Veröffentlichung vertraulicher Informationen aus einem solchen Medikamentenpaß zeigt sich folgendes Bild: Insgesamt 39 % halten es für akzeptabel, derartige Informationen zu veröffentlichen, um zu zeigen, welcher Sportler „clean“ ist. Dabei ergibt sich eine deutliche geschlechtsspezifische Unterscheidung: 44 % der männlichen und lediglich 30 % der weiblichen Respondenten befürworten eine Veröffentlichung. Bei einem nachgewiesenen Dopingverstoß erhöht sich die Befürworterquote: Insgesamt sind 49 % für eine Veröffentlichung (54 % der männlichen und 44 % der weiblichen Respondenten). In beiden Teilfragen knüpft ein Teil der Respondenten (17 % bzw. 11 %) dies jedoch an eine Bedingung. Insbesondere wird die Zustimmung des Sportlers und die Wahrung seiner Privatsphäre gefordert. Auch erfolgt eine Einschränkung dahin, daß nur sport- und leistungsbezogene Substanzen veröffentlicht werden sollten. 10. Zu den Fragen 16 und 17 (Trainingskontrollen): Frage 16: Sind Trainingskontrollen (Kontrollen außerhalb des Wettkampfs) zumutbar, auch wenn sie überraschend erfolgen? Ja & nein & Falls nein: Gründe für die Unzumutbarkeit? 11 Eine detaillierte Bewertung der empirischen Evidenz eines Medikamentenpasses nimmt G. Wagner vor, vgl. dazu seinen Beitrag in: K. Vieweg (Hrsg.) (Fn. 1), S. 391 (398 f.).

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Frage 17: Sollte ein Sportler bereit sein, den Verband über den jeweiligen Aufenthalt so zu informieren, daß praktisch immer überraschende Trainingskontrollen (Kontrollen außerhalb des Wettkampfs) möglich sind? Ja & nein & Falls nein: Gründe? Trainingskontrollen (Kontrollen außerhalb des Wettkampfs) werden fast einstimmig für zumutbar gehalten (98,4 %). Erstaunlich ist, daß in Zeiten hoher Mobilität und der Betonung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die fast einhellige Auffassung besteht, daß der Sportler bereit sein sollte, den Verein jederzeit über den eigenen Aufenthaltsort zu informieren, um überraschende Trainingskontrollen zu ermöglichen. Dabei wird jedoch vereinzelt auf die praktischen Schwierigkeiten sowie auf die erforderliche Rücksichtnahme auf die Nachtruhe der Athleten und auf die Anwesenheit von Erziehungsberechtigten bei minderjährigen Athleten hingewiesen. 11. Zu Frage 18 (Analyse der A- und B-Probe): Frage 18: Es werden – um Analysefehler auszuschließen – sog. A- und B-Proben erstellt. Falls die A-Probe positiv ist, d. h. eine Dopingsubstanz festgestellt wird, kann der Sportler verlangen, daß die B-Probe analysiert wird. Ist es in Ordnung, daß die B-Probe in demselben Labor analysiert wird, das auch schon die A-Probe analysiert hat? Ja & nein & Falls nein: Warum? Die Analyse der A- und B-Probe in demselben Labor halten 41,4 % der Befragten für unbedenklich. Die Mehrzahl (57,1 %) befürwortet aber eine Trennung, vor allem um technische Fehler auszuschließen (18 %) und eine objektive sowie vorurteilsfreie Untersuchung zu gewährleisten (12 %), aber auch, um bewußte Manipulationen zu vermeiden (8 %). Die getrennte Untersuchung führt nach Auffassung einiger Respondenten zudem zu einer höheren Glaubwürdigkeit des Ergebnisses für die betroffenen Athleten (3 %). Interessant, aber für die Zwecke der Fragebogenbefragung zu differenziert, wäre insofern die Anschlußfrage, welche Anforderungen an das Beweismaß im verbandsgerichtlichen Verfahren und der möglicherweise folgenden staatlich-zivilgerichtlichen Kontrolle zu stellen sind. Zudem könnte die Frage nach der Tragung der Zusatzkosten für die Analyse der B-Probe gestellt werden. 12 12. Zu Frage 19 (Schadensersatz bei Dopingverstoß): Frage 19: Doping verschlechtert nicht nur das Image des entdeckten „Dopingsünders“. Es kann auch das Ansehen aller Sportler, die diese Sportart betreiben, sowie der für die Sportart „zuständigen Verbände“ geschädigt werden. Hierdurch können finanzielle Schäden (z. B. aufgrund Sponsorenverträgen) entstehen. a) Wäre es in Ordnung, wenn der gedopte und deshalb disqualifizierte Sportler seinem Konkurrenten, der erst längere Zeit später zum Sieger erklärt wird und dem hierdurch z. B. lukrative Werbeverträge entgangen sind, Schadensersatz zahlen muß? Ja & nein & b) Wäre es in Ordnung, wenn der gedopte Sportler seinem Verein oder Verband Schadensersatz zahlen muß? Ja & nein &

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c) Ab und zu gerät ein Sportler in Verdacht, gedopt zu haben, ohne daß dies ihm letztlich bewiesen werden kann. Wäre es dann in Ordnung, wenn der Verband, der diese Information z. B. an die Presse weitergegeben hat, dem betroffenen Sportler Schadensersatz zahlen muß? Ja & nein & Man kann davon ausgehen, daß manche Leute erst dann zu denken anfangen und bereit sind, ihr Verhalten zu ändern, wenn es teuer wird. Schadensersatzverpflichtungen bzw. -risiken wirken demnach in besonderem Maße verhaltenssteuernd. Daß sowohl Schadensersatzansprüche der Verbände, Vereine, Sponsoren und Konkurrenten gegenüber einem sich dopenden Sportler bestehen12 als auch umgekehrt des Athleten gegenüber dem Verein bzw. Verband bei ungerechtfertigter Sperre oder unbefugter Weitergabe des sich nicht erhärtenden Dopingverdachts, dürfte mittlerweile außer Frage stehen. Vor diesem Hintergrund ist höchst interessant, daß ca. 53 % aller Respondenten und fast 72 % der A-Kader-Athleten die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz eines „Dopingsünders“ an seine Konkurrenten ablehnen, während die Mehrzahl der Trainer (ca. 56 %) eine solche Schadensersatz-Verpflichtung befürwortet. Die Zahlung von Schadenersatz des „Dopingsünders“ an den Verein wird insgesamt mit knapper Mehrheit befürwortet (52,9 %). Die Ablehnung der A-Kader-Athleten ist hier weniger stark (56,4 %). Breite Zustimmung findet dagegen die Verpflichtung des Vereins zur Zahlung von Schadenersatz an den Sportler. 77,5 % der Befragten sprechen sich dafür aus, von den befragten Sportlern befürworten dies sogar 85,3 %. 13. Zu Frage 20 (Teilnahmevoraussetzungen): Frage 20: Halten Sie es für richtig, wenn ein Sportler an einem Wettkampf nur dann teilnehmen darf, wenn er vorher verbindlich erklärt hat, a) daß er die DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings, die Dopingregelungen des DLV und die Dopingregelungen der LAAF akzeptiert? Ja & nein& b) daß er mit der Urinabgabe nach dem Wettkampf einverstanden ist? Ja & nein& c) daß er mit der Entnahme einer Blutprobe von ca. 20 ml Blut aus der Armvene nach dem Wettkampf einverstanden ist? Ja & nein& d) daß er über einen längeren Zeitraum vor dem Wettkampf mit sog. Trainingskontrollen (unangekündigt) einverstanden ist? Ja & nein& e) daß er einen Medikamentenpaß führt, in dem er alle Medikamente und sonstigen Substanzen, die er außerhalb des normalen Essens einnimmt, eintragen muß? Ja & nein& Die Teilnahme am Wettkampf soll nach fast einhelliger Ansicht nur zugelassen werden, wenn die DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings, die Dopingregelungen des 12 Vgl. z. B. M. Sievers, Die zivilrechtliche Haftung des Sportlers wegen Doping, Clausthal-Zellerfeld 1996, passim.

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DLV und die Dopingregelungen der IAAF vom Sportler vor dem Wettkampf verbindlich akzeptiert wurden. Konkret halten 91,6 % der Antwortenden dies für richtig. Das Einverständnis mit der Urinabgabe nach dem Wettkampf als Teilnahmevoraussetzung anzusehen, findet breite Zustimmung (96,9 %). Das Einverständnis mit der Entnahme einer Blutprobe wird dagegen nur von 67,5 % der Antwortenden als akzeptable Teilnahmevoraussetzung gesehen. Fast einstimmig (97,9 %) wird gefordert, die Teilnahme an das Einverständnis mit Trainingskontrollen zu knüpfen. Die geringste Zustimmung (47,6 %) als Teilnahmevoraussetzung würde ein Medikamentenpaß finden. Vor allem Frauen stehen ihm ablehnend gegenüber (65,4 %). Mit höherem Kader steigt auch die Ablehnung: A-Kader-Athleten lehnen den Medikamentenpaß am stärksten ab (75 %). Hingegen befürwortet ihn die ganz überwiegende Zahl der Trainer und Funktionäre (73,5 % bzw. 71,4 %). 14. Zu Frage 21 (Startberechtigung): Frage 21: Sollte ein wegen Dopings gesperrter Sportler nach Ablauf der Sperre automatisch startberechtigt sein oder sollte die Startberechtigung davon abhängig sein, daß er über einen längeren Zeitraum vor dem Wettkampf – ggf. noch während der Sperre – mit sog. Trainingskontrollen (unangekündigt) einverstanden war. Automatische Startberechtigung

&

Startberechtigung nur bei Einverständnis mit Trainingskontrollen & Nach Ablauf einer Dopingsperre wird eine Startberechtigung nur bei Einverständnis mit Trainingskontrollen für angemessen gehalten (96,9 %). Eine automatische Startberechtigung wird klar abgelehnt (0 %). 15. Zu Frage 22 (Anti-Doping-Gesetz): Frage 22: Bei den vorherigen Fragen ging es immer um Dopingvermeidungsmaßnahmen der Sportverbände selbst. Dies entspricht der bisherigen Praxis. Würde es nach Ihrer Meinung etwas bringen, wenn darüber hinaus der Staat Doping der Athleten unter Strafe stellen und versuchen würde, die Dopingproblematik durch Strafverfolgungsorgane (Polizei, Staatsanwaltschaft) und Gerichte in den Griff zu bekommen? Ja & nein & Ganz überwiegend (73,8 %; A-Kader: 85,0 %) wird abgelehnt, Doping unter staatliche Strafe zu stellen. Befürwortet wird diese Maßnahme dabei vor allem von Trainern und Funktionären (36,4 % bzw. 42,9 %). 16. Zu Frage 23 (Anregungen, Hinweise und Kommentare zur Dopingverhinderung): Frage 23: Möchten Sie zusätzliche Anregungen, Hinweise oder Kommentare zur Dopingverhinderung geben ? Die offen formulierte Frage zielte in erster Linie darauf ab, zusätzliche Informationen von den unmittelbar Betroffenen zu erhalten. Ihre Erfahrungen und Meinungen spiegeln das spezifische „Know-How“ derjenigen wider, die der Dopingproblemation am nächsten stehen. Etwa ein Viertel (24,2 %) der Respondenten hat von dieser Möglichkeit einer persönlichen Stellungnahme Gebrauch gemacht. Dabei haben sich keine signifikanten Unterschiede zwi-

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schen den verschiedenen Gruppen (A-Kader: 27,5 %; B-Kader: 26,2 %; C-Kader: 20,0 %; Trainer: 23,5 %; Funktionäre: 28,5 %, weibliche Respondenten: 28,0 %; männliche Respondenten: 27,8 %) ergeben. Kritik und Vorschläge beziehen sich vorrangig auf das Problem der internationalen Chancengleichheit (8,1 % der Respondenten), der Sanktionierung (8,1 %), der organisatorischen und finanziellen Verbesserung der Dopingkontrolle (7,0 %), der verbesserten Information der Athleten und der Öffentlichkeit (3,8 %) sowie der verbesserten Analytik und Forschung (0,2 %). So werden die Frage der Haaranalytik sowie das Problem der Wachstumshormone angesprochen. Bemerkenswert war insofern der Hinweis eines Trainers auf die „auseinanderstehenden Schneidezähne etlicher Olympiasieger und Weltmeister“. Die Stellungnahmen zum Fragebogen selbst (7,5 %) betreffen fast ausschließlich Beweisprobleme.

III. Zusammenfassung und Ausblick Dem Verbandsrecht als Summe der Verbandsnormsetzung einerseits und des sich mit Verbänden befassenden staatlichen Rechts andererseits kommt bei der Dopingvermeidung eine Schlüsselrolle zu. Es läßt sich idealtypisch als Hebel bzw. Stellgröße in einem kybernetischen Regelkreismodell begreifen. Mit dem Fragebogen „Dopingvermeidungsmaßnahmen“ wurde die Beurteilung der Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Verbandsnormsetzung und -anwendung aus Sicht der unmittelbar betroffenen Athleten, Trainer und Funktionäre anhand unterschiedlicher Fallkonstellationen erfragt. Bei der explorativen Erhebung ergibt sich insgesamt ein sehr hohes Maß an geäußerter Normloyalität mit einer Tendenz zur Befürwortung schärferer Sanktionen. Die Bereitschaft zu Differenzierungen, insbesondere nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, ist eher als gering einzustufen. Umgekehrt wird die Zumutbarkeit von Mitwirkungshandlungen der Athleten überwiegend auch dann bejaht, wenn Einschränkungen der Lebensweise damit verbunden sind. Die Einstellung zur Schadensersatzverpflichtung als Dopingvermeidungsinstrument erweist sich (noch?) als relativ indifferent. Ein staatliches Anti-Doping-Gesetz wird hingegen überwiegend abgelehnt. Die Kommentare und Anregungen beziehen sich in erster Linie auf die Forderung, die internationale Chancengleichheit sicherzustellen, sowie auf eine angemessene Sanktionierung und auf Einzelaspekte der organisatorischen und finanziellen Verbesserung der Dopingkontrolle. Die explorative Erhebung der Meinung der Normadressaten kann Ausgangspunkt vergleichbarer Untersuchungen sowohl im nationalen als auch im internationalen Rahmen sein. Diese ihrerseits könnten eine wesentliche Grundlage für die wünschenswerte internationale Harmonisierung der Dopingregelungen bilden.

Soziale und wirtschaftliche Machtpositionen im Sport Rechtstatsächliche Situation und (kartell)rechtliche Grenzen* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtstatsächliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sportverbandsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiele für Machtverschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Machtverschiebungen vom Fachverband auf die Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Machtverschiebungen vom Fachverband auf einzelne Athleten . . . . . . . . . . . . c) Machtverschiebungen von den Vereinen auf die Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . d) Machtverschiebungen auf Externe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche, insbes. kartellrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sportverbände und staatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sportverbände und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übersicht über die Typen denkbarer Wettbewerbsbeschränkungen im Sport und die wesentlichen Schwierigkeiten der Kartellrechtsanwendung auf den Sport . . . a) Übersicht über die Typen denkbarer Wettbewerbsbeschränkungen im Sport . . aa) Kartell (§§ 1, 25 I GWB; Art. 85 I EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konditionen- und Abschlußbindungen (§§ 15, 18 GWB) . . . . . . . . . . . . . cc) Mißbrauch von Marktbeherrschung oder Marktmacht (§ 22 GWB; Art. 86 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unbillige Behinderung und Diskriminierung durch marktmächtige Unternehmen (§ 26 II–IV GWB; Art. 86 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übersicht über die wesentlichen Schwierigkeiten der Kartellrechtsanwendung auf den Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Märkte und der Wettbewerb im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Märkte im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Waren, gewerbliche Leistungen und wirtschaftlicher Wettbewerb im Sport bb) Typisierende Annäherung an die relevanten Märkte im Sport . . . . . . . . . . cc) Konkrete Märkte im Sport – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wettbewerbsbeschränkungen und Arbeitsgemeinschaftsgedanke im Sport . . . 4. Bestimmung der Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Drittmarktproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. „Rechtfertigung“ der Machtausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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* Erstveröffentlichung in Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Sport, Kommerz und Wettbewerb, Stuttgart 1998, S. 49 – 83. Die Teile I. und II. wurden von Klaus Vieweg, die Teile III. und IV. von Isolde Hannamann verfasst.

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a) Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 2 – 8 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Güterabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Immanenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Freistellung (Art. 85 III EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Tatbestandsrestriktion des Art. 85 I EGV – „rule of reason“ . . . . . . . . . . . b) Diskriminierung und unbillige Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Das Verhältnis von Macht und Recht ist spannungsreich1 und Ausdruck der Rechtskultur. Macht im Sport ist mit dessen zunehmender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz national wie international auch ein rechtliches Thema geworden. Insbesondere im Zusammenhang mit der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports standen Machtfragen häufig am Anfang juristischer Auseinandersetzungen, die ihrerseits sukzessive zur Ausformung des Sportrechts geführt haben. Verbandsmacht im Sport – sei sie verbandsintern, sei sie verbandsextern gerichtet – wurde zum vielfältig modifizierten Gegenstand der sportjuristischen Diskussion. Machtbegrenzung erwies und erweist sich als Aufgabe des (Sport-)Rechts, und zwar sowohl des materiellen als auch des Prozeßrechts. In rechtstatsächlicher Hinsicht fragt sich, ob die These der Verbandsmacht im Sport noch zutrifft oder Differenzierungen herausfordert. Nach Darstellung der rechtstatsächlichen Situation (dazu II.) ist auf die rechtlichen Instrumente einzugehen, die zur Eindämmung sozialer und wirtschaftlicher Machtpositionen im Sport zur Verfügung stehen. Insofern ist zwischen den allgemeinen zivilrechtlichen Grenzen, die hier nicht näher dargestellt werden sollen, und den kartellrechtlichen Grenzen (dazu III.) zu unterscheiden. Nachdem sich Sportrechtler lange Zeit zurückhielten, das Kartellrecht zu bemühen und Kartellrechtler den Sport noch nicht so recht in den Blick nahmen, hat sich die Situation mit den Beschlüssen des Bundeskartellamts, des Kammergerichts sowie des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs zur Zentralvermarktung der UEFA-Pokal-Heimspiele2 grundlegend geändert. Die aktuelle politische Diskussion um die Schaffung eines kartellrechtlichen Ausnahmebereichs für den Sport3 zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die Problematik mittlerweile in das allgemeine Bewußtsein gelangt ist. Gleiches gilt für die mit der Fernsehkurzberichterstattung4 und der sogenannten Schutzliste für sportliche 1 Vgl. nur den Streit zwischen Otto von Bismarck und Maximilian Graf von Schwerin, der Bismarck die Äußerung „Macht geht vor Recht“ 1863 im preußischen Abgeordnetenhaus untergeschoben hatte. 2 BKartA Spurt 1995, 118 ff.; KG Spurt 1996, 199 ff.; BGH Spurt 1998, 28 ff. 3 Vgl. FAZ v. 13. 12. 1997, S. 32; FAZ v. 20. 12. 1997, S. 30; FAZ v. 29. 12. 1997, S. 13; FAZ v. 22. 01. 1998, S. 15. 4 BVerfG Urt. v. 17. 02. 1998 – 1 BvF 1/91 (später veröffentlicht in NJW 1998, 1627).

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Großereignisse, die nicht dem Pay-TV vorbehalten werden dürfen,5 verbundenen rechtlichen Probleme.

II. Rechtstatsächliche Situation Konflikte im Sport sind häufig Ausdruck der Machtverhältnisse. Die Beispiele sind Legion. Sie reichen von der Entscheidung des Trainers, wer aufgestellt wird oder auf die Ersatzbank muß, über Aufnahmestreitigkeiten bis hin zum Millionenpoker um Fernseh- und Werberechte.6 Die Gründe für die Entstehung sozialer und wirtschaftlicher Machtpositionen im Sport liegen auf der Hand. Zum einen handelt es sich um strukturell-organisatorische Faktoren, die insbesondere zu exklusiven Entscheidungskompetenzen und entsprechenden Abhängigkeiten führen. Zum anderen sind es die sportlichen Leistungen, die bei entsprechendem „Marktwert“ Machtpositionen begründen können. Markt und Macht gehören im kommerzialisierten Sport zusammen. 1. Sportverbandsmacht Die Macht der Sportverbände hat jahrzehntelang die sportrechtliche Diskussion geprägt.7 Mit guten Gründen, denn die klassischen Konflikte der Aufnahme als Mitglied,8 der Zulassung und Nominierung als Teilnehmer,9 der Vergabe von Veranstaltungen,10 der Verhängung von Verbandsstrafen11 und des Ausschlusses von Mitgliedern12 finden in der Verbandsmacht – umgekehrt gewendet: im Angewiesensein auf den Verband – ihre Grundlage.

5

Beschluß der Ministerpräsidenten v. 18. 03. 1998, FAZ v. 17. 03. 1998, S. 18. Ein systematischer Überblick über die Konflikte mit internationalen Sportverbänden findet sich bei Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 43 ff. 7 Vgl. schon Stern, Grundrechte der Sportler in: Schroeder/Kauffmann (Hrsg.), Sport und Recht, Berlin/New York 1972, S. 142 (147 f.). 8 BGHZ 63, 282 ff. = NJW 1975, 771 ff. (Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität e. V.). Der in der Arbeitersportbewegung wurzelnde RKB Solidarität war vor 1933 der größte Radsportverband der Welt. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründet und bemühte sich seit 1964 um die Mitgliedschaft im Deutschen Sportbund (DSB). 9 Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, Bayreuth 1992, passim; Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg 1993, S. 23 ff. 10 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 105 ff. 11 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 82 ff. 12 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 82 ff. 6

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Begründung und Ausformung der Verbandsmacht lassen sich im Sport auf das weltweit fast durchgängig13 eingeführte Ein-Platz-Prinzip oder Ein-Verbands-Prinzip zurückführen. Es besagt in seiner fachlichen Komponente, daß nur jeweils ein Verband für eine Sportart ausschließlich „zuständig“ ist. Damit werden Kompetenzüberschneidungen und -lücken vermieden. In seiner geographischen Komponente bedeutet das Ein-Platz-Prinzip eine exklusive Zuständigkeit für das Gebiet eines Staates, eines Kontinents, aber auch eines Bundeslands. Wer also als Sportler, Verein oder Verband etwas erreichen will, spürt nur zu leicht und zu oft die Abhängigkeit von dem für ihn „zuständigen“ nationalen oder internationalen Sportverband. Für die Ausbildung und weitgehend kritiklose Anerkennung des Ein-PlatzPrinzips waren und sind in erster Linie Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausschlaggebend. Aufstellung, Anwendung und Durchsetzung der die Sportart prägenden Regeln müssen einheitlich erfolgen. Erleichtert wird dies durch eine hierarchische Organisationsstruktur, die üblicherweise als „Verbandspyramide“ bezeichnet wird, sowie durch verbandsnormative Absicherungen. Diese erfolgen insbesondere durch die Aufstellung von Aufnahmekriterien, die die Pflicht zur Anerkennung und Durchsetzung der Verbandsnormen einschließen.14 Die organisatorisch-strukturelle und verbandsnormative Bündelung der Macht schafft ein entsprechendes Gewicht sowohl nach außen als auch nach innen. Wer mit einer Stimme spricht, verschafft sich eher Gehör.15 Konsequenz des Ein-Platz-Prinzip ist insbesondere eine klare, exklusive Zuständigkeitszuordnung, die Macht und Abhängigkeiten begründet. Im kommerziellen Bereich besteht für die Geschäftspartner Klarheit, daß der Verband der richtige Ansprechpartner ist, der erforderlichenfalls die ihm in seiner „Verbandspyramide“ untergeordneten Mitglieder „auf Linie bringt“. So gingen beispielsweise Sportverbände und Fernsehanstalten bis in die jüngste Vergangenheit wie selbstverständlich davon aus, daß der jeweilige deutsche Sportfachverband Inhaber der Fernsehrechte, zumindest aber der richtige Vertragspartner ist.16 13 Konkurrierende Verbände bilden die Ausnahme. Insbesondere der faktische Druck durch das Internationale Olympische Komitee führt in diesen Fällen zumeist zu Fusionen. Vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 63, Fn. 93. 14 Vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 65 u. 67 ff. 15 Diese Überlegungen waren nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland ausschlaggebend für den Gedanken des Einheitssports und die Gründung des DSB. Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik, als miteinander ca. 300 Sportverbände, die sich politisch, weltanschaulich oder konfessionell deutlich voneinander abgrenzten, sowie aus der Zeit des Dritten Reiches, als mit dem Deutschen Reichsbund für Leibesübungen eine Einheitsorganisation geschaffen wurde, standen dabei Pate. Vgl. dazu im einzelnen Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip – Zur Organisation des Sports im Dritten Reich, in: Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 24 ff. 16 Besonders eindrucksvoll ist die Situation im Eishockey. Vgl. DEL-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 07. 02. 1997, SpuRt 1997, S. 165 ff. Näher dazu II. 2. a).

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Die durch das Ein-Platz-Prinzip begründete, verbandsnormativ abgesicherte, soziale und wirtschaftliche Machtposition der Sportverbände führt verbandsintern und -extern zu Abhängigkeiten. Nicht verwunderlich ist, daß durch Verbandsentscheidungen negativ Betroffene Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Dieser Rechtsschutz kann in einer verbandsinternen Überprüfung der Entscheidung durch ein anderes Verbandsorgan bestehen. Er kann aber auch durch staatliche Gerichte gewährt werden.17 Insbesondere dem staatlich-gerichtlichen Rechtsschutz kommt die Funktion der Begrenzung der Verbandsmacht zu. Soweit Rechtspositionen der „Verbandsabhängigen“ durch die Gerichte anerkannt werden, werden zugleich (Gegen-)Machtpositionen begründet. Recht und Rechtstatsachen stehen insofern in einer Wechselbeziehung. 2. Beispiele für Machtverschiebungen Daß die verbreitete These der Verbandsmacht im Sport relativiert und differenziert werden muß, soll mit einigen Beispielen verdeutlicht werden. a) Machtverschiebungen vom Fachverband auf die Vereine Der Profi-Eishockeysport wurde bis Frühjahr 1994 unter Verantwortung des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in den Bundesligen I und II durchgeführt. Diese Ligen wurden im Frühjahr 1994 aufgelöst, weil nicht mehr genügend Teilnehmer die erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachweisen konnten. Der DEB gründete die DEL (Deutsche Eishockeyliga GmbH). Ein Teil der bisher in den Bundesligen I oder II spielenden Vereine errichtete GmbHs oder KGs. Die DEL schloß mit den sogenannten „Clubs“ am 16. 05. 1994 einen sogenannten „Franchise-Vertrag“, der in § 7 die Übertragung der Fernseh- und sonstigen Vermarktungsrechte von den „Clubs“ auf die DEL GmbH vorsah. Bereits 1993 hatte der DEB den in der ARD vereinten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie dem ZDF die Fernsehrechte übertragen. Mit Schiedsspruch vom 07. 02. 199718 wurde festgestellt, daß die ursprünglichen Vermarktungsrechte der einzelnen Spiele bei den „Clubs“ liegen, weil diese wegen der finanziellen Risikotragung jeweils als Veranstalter anzusehen sind. Die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser rechtlichen Zuordnung der Fernseh- und sonstigen Vermarktungsrechte sind gravierend. Sie haben quasi zu einem Umkippen der Machtverhältnisse geführt, da 70 % des Haushalts des DEB von den „Clubs“ bestritten werden.19 17 Vgl. z. B. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportsgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart usw. 1997, S. 19 ff.; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 229 ff.; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1995, Rdnr. 1792 ff. 18 DEL-Schiedsgericht, Schiedsspruch v. 07. 02. 1997, SpuRt 1997, S. 165 ff. 19 DEB-Schiedsgericht, Teilschiedsspruch v. 06. 11. 1997, SpuRt 1997, 163 (165).

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Ähnliche Problemlagen gibt es in anderen Sportarten. Sollte zum Beispiel die von Bundeskartellamt verfolgte Praxis bezüglich der UEFA-Cup-Heimspiele auf die Fußball-Bundesliga übertragen und die Zentralvermarktung untersagt werden, so kann wohl davon ausgegangen werden, daß die Top-Vereine im Wege der Einzelvermarktung höhere Einnahmen erzielen, während die weniger renommierten Vereine mit erheblichen Einnahmeeinbußen zu rechnen hätten.20 b) Machtverschiebungen vom Fachverband auf einzelne Athleten Vor allem in Individualsportarten wie in der Leichtathletik oder im Tennis hängt der Marktwert der Fernseh- und Vermarktungsrechte wesentlich von der sportlichen Leistung der Top-Athleten ab. Deshalb verwundert es nicht, daß diese teilweise die Bedingungen der Zusammenarbeit, insbesondere des Starts bei für den Verband wichtigen Veranstaltungen diktieren können. Die Verträge des Deutschen Tennisbundes mit Boris Becker und Michael Stich sind hierfür instruktive Beispiele. Daß Boris Becker mit seinem industriellen Partner ein Junior-Team präsentiert21 und damit partiell Verbandsfunktionen wahrnimmt, wirft ein besonderes Schlaglicht auf die Situation. Ebenso bezeichnend sind die Versuche des Deutschen LeichtathletikVerbandes, seine Spitzenathleten durch sogenannte „Athletenvereinbarungen“22 an die Verbandsinteressen zu binden. c) Machtverschiebungen von den Vereinen auf die Athleten Konsequenz der Bosman-Entscheidung des EuGH vom 15. 12. 199623 ist aus Spielersicht unter anderem ein Gewinn an Handlungsfreiheit, aus Vereinssicht ein entsprechendes Anwachsen der Abhängigkeit. Die stärkere Verhandlungsposition der Spieler hat ihren Niederschlag in höheren Gehältern gefunden. Daß § 11 der Lizenzspieler-Musterarbeitsverträge vor allem dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Vereine dienen soll, dürfte außer Frage stehen. Ob die Regelung wirksam ist, mag dabei immerhin bezweifelt werden.24

20

Vgl. zu der kartellrechtlichen Problematik im einzelnen unten III. FAZ v. 06. 08. 1997, S. 27; vgl. auch das Interview im Mercedes-Magazin 4/97, S. 88 (89). 22 Vgl. Prokop, Die Athletenvereinbarung am Beispiel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Rechte der Athleten, Frankfurt/M 1997, S. 19 ff.; kritisch hierzu Vieweg/Hannamann, Athleteninteresse und mögliche Konflikte in Verein und Verband, ebd., S. 43 (50). 23 EuGH, Slg. 1995 I, 4921 ff. = NJW 1996, 505 ff.; vgl. hierzu aus der umfangreichen Literatur Reichold, EWR 1997, 439 ff.; Hilpert, RdA 1997, 92 ff.; Hilf/Pache, NJW 1996, 1169 ff. und das Urteil des BAG v. 20. 11. 1996, SpuRt 1997, 94 ff. 24 Arens/Jaques, SpuRt 1997, 41 ff.; Nasse, SpuRt 1997, 45 ff.; vgl. auch LAG Köln Spurt 1997, 62 f. und aktuell den Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch das ArbG Dortmund (FAZ v. 11. 03. 1998, S. 38). 21

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d) Machtverschiebungen auf Externe Geld bestimmt – auch und gerade im kommerziellen Sport. Die Abhängigkeit von Fernseh- und Sponsorengeldern ist signifikant, soll hier aber nicht problematisiert werden. Erwähnt werden soll hingegen ein Beispiel institutionalisierter Abhängigkeit. So sieht die Satzung des Deutschen Inline-Skate Verbandes e. V. (D.I.V.) vor, daß in der Mitgliederversammlung die Mitglieder des Vorstandes je eine Stimme haben und daß die restlichen Stimmen zu je 50 % auf die aktiven und fördernden Mitglieder aufgeteilt werden.25 Als fördernde Mitglieder haben der Einzelhandel, die Inline-Skateanlagenbetreiber, Inline-Skateschulen, die InlineSkatemagazine, die Inline-Skateanlagenhersteller und die Agenturen je eine Stimme.26 Die Inline-Skating-Industrie und Kaufhauskonzerne sowie Einkaufsverbände haben je Unternehmen eine Stimme; für jede weitere angemeldete Marke gibt es zusätzlich 1/2 Stimme, maximal darf ein Unternehmen aber nicht mehr als zwei Stimmen auf sich vereinigen.

III. Rechtliche, insbes. kartellrechtliche Grenzen 1. Grundlagen a) Sportverbände und staatliches Recht Der sozialen und wirtschaftlichen Macht(ausübung) sind durch die Rechtsordnung Grenzen gesetzt. Dies gilt auch im Sport. Überholt ist die These, Sportverbände stünden außer- oder oberhalb staatlicher Rechtsordnungen. Rechtlich ist es völlig unproblematisch, daß Sportverbände staatlichem Recht unterworfen sind.27 Sie unterliegen der kollisionsrechtlichen Kompetenz-Kompetenz der Staaten,28 d. h. die Staaten entscheiden über die Verteilung der Entscheidungsbefugnis. In Deutschland ist den Sportverbänden mit der Verbandsautonomie die Befugnis zur Regelung der eigenen Angelegenheiten und zur Durchsetzung der getroffenen Regelungen verliehen. Diese Befugnis steht aber schon wegen der Justizgewährungspflicht des Staates unter dem Vorbehalt staatlicher Kontrolle.29

25

§ 10 Nr. 10 Satzung des Deutschen Inline-Skate Verbandes e. V. (D.I.V.) v. 07. 11. 1996. § 10 Nr. 11 Satzung des Deutschen Inline-Skate Verbandes e. V. (D.I.V.) v. 07. 11. 1996. 27 Vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 24; Reichert/van Look, Rdnr. 2715. 28 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 138 ff. m. w. N. 29 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 159 ff. m. w. N. 26

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Die deutschen Gerichte überprüfen Maßnahmen von Verbänden mit sozialer und/oder wirtschaftlicher Macht – hierzu gehören die Sportverbände30 – in weitem Umfang.31 Die Maßnahmen solcher Verbände werden grundsätzlich untersucht auf die Richtigkeit der Tatsachenfeststellung32 und auf die Richtigkeit der Subsumtion unter die angewendeten Normen.33 Bei der Subsumtion bahnt sich jedoch eine Einschränkung an, die letztlich damit zusammenhängt, daß man den Verbänden – vor dem Hintergrund der Verbandsautonomie nach Art. 9 I GG durchaus zu Recht – einen Spielraum sowohl bei der Auslegung ihrer Normen als auch bei der Beweiswürdigung einräumen möchte,34 wobei allerdings begrifflich nicht immer ausreichend differenziert wird. Zudem wird geprüft, ob die Verbandsnormen die materiell-rechtlichen Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und der gesetzlichen Verbote (§ 134 BGB) einhalten. Bei Erfüllung der gesetzlichen Tatbestände können Verbandsmaßnahmen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche hervorrufen wie das Verhalten jeder anderen Privatperson. Eine Besonderheit stellt der Aufnahmeanspruch nach § 826 BGB (evtl. i. V. m. § 27 GWB oder nur aus § 27 GWB) dar. Hiernach ist ein Monopolverband und/oder eine Vereinigung mit erheblicher wirtschaftlicher oder sozialer Machtstellung zur Aufnahme eines Bewerbers verpflichtet, wenn er zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist.35 Der Anspruch kann sich unter entsprechenden Voraussetzungen auch auf Zulassung zu einer Veranstaltung richten.36 Verbandsintern müssen die vereinsrechtlichen Schranken wie der vereinsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung37 und die vereinsrechtliche Förderpflicht38 beachtet werden. Die gerichtliche Kontrolle von Sportverbandsnormen geht aber noch weiter. Sie 30

Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart 1997, S. 19 (32); BGHZ 128, 93 (101) = SpuRt 1995, 43 (45) = NJW 1995, 583 (585) – Reitsport. 31 So auch Grunsky, Überprüfung der Sportrechtsprechung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Sportrechtsprechung, Stuttgart 1997, S. 15 (19). 32 BGHZ 87, 337 (344) = NJW 1984, 918 (919) für den Bereich des vereinsrechtlichen Disziplinar-(Bestrafungs-)Verfahrens. Einschränkend jetzt Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart 1997, S. 19 (31 ff.). 33 BGHZ 102, 265 (276) = NJW 1988, 552 (555). 34 Vgl. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart 1997, S. 19 (31 ff.). 35 BGHZ 63, 282 ff. = NJW 1975, 771 ff. 36 Vieweg, Teilnahmerechten und Pflichten der Vereine und Verbände, in: Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg 1993, S. 23 (35). 37 BGHZ 47, 381 (385 f.); ZIP 1997, 1591; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., Neuwied u. a. 1995, Rdnr. 543 ff. 38 Grundlegend Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1984), S. 84 (102 ff.). Siehe auch Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., Neuwied u. a. 1995, Rdnr. 608 ff. und BGH Beschluß v. 11. 12. 1997, KVR 7/1996, S. 20 (nicht veröffentlicht): „die mitgliedschaftliche Förder- und Rücksichtnahmepflicht“.

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werden zusätzlich einer Angemessenheitskontrolle nach § 242 BGB unterzogen: Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben müssen die Normen sozial und/ oder wirtschaftlich mächtiger Verbände einen ausgewogenen Interessenausgleich aller am Rechtsverhältnis Beteiligter darstellen.39 Das sind im Bereich der Sportverbände nicht nur die unmittelbaren Verbandsmitglieder, sondern auch mittelbare Mitglieder, insb. Athleten und Vereine, die sich dem Regelwerk individualrechtlich unterworfen haben.40 b) Sportverbände und Kartellrecht Rechtliche Grenzen werden den Sportverbänden auch durch das Kartellrecht gesteckt, das als Teil des Wirtschaftsrechts die Gewährleistung eines freien Wettbewerbs, insbesondere die Offenhaltung der Märkte bezweckt. Mit der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports haben sich die Sportbeteiligten, einschließlich der Sportverbände von ihrer rein ideellen und gemeinnützigen Rolle verabschiedet. Jedenfalls der Spitzensport ist mittlerweile eine Domäne des Wirtschaftsrechts geworden. Betrachtet man die Monopolstruktur und die Vielfalt an Koordination, Kooperation und Verflechtung im Sport, so liegt die Anwendung des Kartellrechts auf der Hand. In den USA – deren Sportsystem und -struktur freilich nur erheblich eingeschränkt mit den unsrigen verglichen werden können – ist der Sport schon seit den 1920er Jahren Gegenstand des Antitrust-Rechts.41 Seit einigen Jahren häufen sich nun auch in Europa kartellrechtliche Entscheidungen nationaler und europäischer Behörden auf dem Sportsektor. Bekannt sind hierzulande die Untersagung des Globalvertrags im Jahr 198742 und die Untersagung der vom DFB betriebenen Zentralvermarktung der Fernsehübertragungsrechte an den Europapokalheimspielen deutscher Vereine,43 beide vom Bundeskartellamt verfügt. Hinzu getreten ist 1997 die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt/Main44, in der die Zentralvermarktung der Film- und Fernsehrechte an FIA-Rennveranstaltungen als Verstoß gegen das Kartellverbot in Art. 85 I EGV qualifiziert wurde. Wiederholt hat die Europäische Kommission die zentrale Vermarktung der Fernsehund Werberechte an der Champions League durch die UEFA als wettbewerbswidrig 39 BGHZ 105, 306 (316 ff.) = NJW 1989, 1724 (1726); vgl. auch Vieweg, Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 36 ff. 40 BGH NJW 1995, 583 (585). 41 Vgl. nur die für den Baseball-Sport sehr wichtige Entscheidung Federal Baseball Club of Baltimore, Inc. v. National League of Professional Baseball Clubs, 259 U.S. 200 (1922) – Baseball Exemption. 42 BKartA WuW/E BKartA 2273, BGH WuW/E BGH 2627 – Sportübertragungen. 43 BKartA WuW/E BKartA 2682, KG WuW/E OLG 5565 = SpuRt 1996, 199 ff. – UEFACup-Heimspiele. 44 LG Frankfurt/Main, SpuRt 1997, 129 (130 f.).

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angemahnt.45 Anfang 1997 hat das DEL-Schiedsgericht46 die sog. Franchise-Verträge zwischen der DEL-GmbH und den Eishockey-Clubs wegen unzulässiger Kartellierung bei der Zentralvermarktung für unwirksam erklärt. Kartellrechtliche Grenzen werden freilich auch der Macht Dritter im Sport gezogen. Ein Beispiel hierfür ist das Verfahren der Europäischen Kommission gegen Abstimmungen innerhalb der Europäischen Rundfunk- und Fernsehunion (EBU) beim Handel mit Sportübertragungsrechten.47 Das Kartellrecht ist im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und in den Artikeln 85 und 86 EGV geregelt. Diese Vorschriften stellen neben verwaltungsrechtliche Befugnisse – insbesondere die Untersagung bestimmter Verhaltensweisen durch die Kartellbehörden – Ordnungswidrigkeitstatbestände, für deren Verfolgung wiederum die Kartellbehörden zuständig sind, sowie zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. 2. Übersicht über die Typen denkbarer Wettbewerbsbeschränkungen im Sport und die wesentlichen Schwierigkeiten der Kartellrechtsanwendung auf den Sport a) Übersicht über die Typen denkbarer Wettbewerbsbeschränkungen im Sport Anknüpfungspunkte des kartellrechtlichen Instrumentariums sind Verhaltensweisen von Unternehmen, die den Wettbewerb beschränken. Im Bereich des Sports und insbesondere der Sportverbände werden vor allem die folgenden Typen von Wettbewerbsbeschränkungen relevant. aa) Kartell (§§ 1, 25 I GWB; Art. 85 I EGV) Das grundsätzlich unwirksame bzw. nichtige Kartell ist eine bewußte Verhaltenskoordination unter auch nur potentiellen wirtschaftlichen Wettbewerbern, die zu einer spürbaren Beeinträchtigung ihres Wettbewerbs führt, führen kann oder eine solche bezweckt.48 Klassische Beispiele aus dem Wirtschaftsleben sind Preis- und Gebietsabsprachen, Kundenaufteilung und Syndizierung. 45

FAZ v. 06. 02. 1996, S. 27; FAZ v. 28. 09. 1996, S. 25. DEL-Schiedsgericht, SpuRt 1997, 165 ff. 47 Vgl. Europäisches Gericht Erster Instanz, ZIP 1996, 42 ff. 48 Vgl. Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., München 1994, § 5.1., S. 53 f. Auf den Streit zwischen Folge- und Zwecktheorie im deutschen Recht (zum Streitstand z. B. Emmerich, Kartellrecht, § 5.7., S. 70 ff.) wird hier aus Platzgründen nicht eingegangen. Schließlich läßt es auch das in den meisten Fällen anwendbare europäische Kartellverbot genügen, daß die Wettbewerbsbeschränkung mögliche Folge der Verhaltenskoordination ist. 46

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Im Sport kann eine Kartellierung beispielsweise in der zentralen Vermarktung, d. h. Syndizierung, von Verwertungsrechten, also Werbe-, Sponsoring-, Marketingund Fernsehrechten, gesehen werden.49 Als wettbewerbsbeschränkende Absprachen könnten aber auch zahlreiche andere Verbandsmaßnahmen und -regelungen betrachtet werden. Sieht man die Verbandsmitglieder und Athleten als wirtschaftliche Wettbewerber an, so müßte stets dort ein Kartell vermutet werden, wo die für alle geltende Verbandsbestimmung den wirtschaftlichen Wettbewerb unter den Gebundenen einschränkt. So könnte etwa die im Verbandsregelwerk niedergelegte Einschränkung von Werbeflächen auf den Sporttrikots bei einer Sportveranstaltung eine Kartellierung sein. Denn hiermit wird jedenfalls der Wettbewerb um Sponsoren zwischen den Athleten, den Veranstaltern und dem Verband eingeschränkt. bb) Konditionen- und Abschlußbindungen (§§ 15, 18 GWB) Im Sport können auch durch § 15 GWB verbotene Konditionenbindungen und durch § 18 GWB unter die Aufsicht der Kartellbehörden gestellte Abschlußbindungen vorliegen. Diese Tatbestände erfassen gegenüber dem Kartellverbot Bindungen in Austauschverträgen, sog. vertikale Wettbewerbsbeschränkungen: In einem Erstvertrag werden mindestens einer Vertragspartei Bindungen für Verträge mit Dritten (sog. Zweitvertrag) auferlegt. Es läßt sich überlegen, ob man die Erteilung der Zulassung zu einem Wettbewerb dann als Konditionen- oder Abschlußbindung qualifizieren kann, wenn sie mit der Auflage verbunden ist, daß keine Werbeverträge mit Dritten oder nur Werbeverträge mit den auferlegten Einschränkungen – z. B. hinsichtlich der Werbeflächen und dem Vorrang des Verbands- oder Veranstaltungssponsors – abgeschlossen werden dürfen. Fraglich ist hierbei insbesondere, ob die Zulassung zu einer Sportveranstaltung als „(Austausch-)Vertrag über Waren oder gewerbliche Leistungen“ qualifiziert werden kann. Dies setzte voraus, daß der Zulassung üblicherweise eine entgeltliche Gegenleistung gegenübersteht. Das wird man bejahen können, wenn erhebliche Antrittsgelder an die Veranstalter oder Verbände gezahlt werden müssen. Im übrigen dürften Wettkampfzulassungen nicht tatbestandsmäßig sein. Entsprechendes gilt für die Vergabe von Ausrichtungsrechten an einer Sportveranstaltung. Auf diese Problematik wird sogleich bei der Marktabgrenzung noch näher eingegangen. cc) Mißbrauch von Marktbeherrschung oder Marktmacht (§ 22 GWB; Art. 86 EGV) Eine weitere wichtige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise ist der Mißbrauch von Marktbeherrschung oder Marktmacht. Demgegenüber sind die Kartell49 Grundlegend zu Kartellen im Profisport Parlasca, Kartelle im Profisport, Berlin 1993, passim.

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behörden nach § 22 GWB und Art. 86 EGV eingriffsbefugt. Klassische Fälle des Mißbrauchs sind Koppelungspraktiken, Preis- und Konditionenmißbrauch. Im Sport könnte als Marktmachtmißbrauch z. B. die Praxis von Ausrüster-Pools bei manchen Sportverbänden angesehen werden. Aus Dänemark und aus der Schweiz sind Pools mit besonders restriktiven Bedingungen bekannt: Der Sportverband ordnet an, daß bei offiziellen Veranstaltungen in seiner Sportart nur noch Ausrüstung von den Herstellern verwendet werden darf, die sich in einem vom Verband eingerichteten Pool befinden. Für die Aufnahme und den Verbleib im Pool müssen die Hersteller erhebliche Beträge zahlen. Es bestehen keine für die Sportausübung relevanten technischen Unterschiede zwischen den Produkten der Hersteller im Pool und denjenigen der ausgeschlossenen Hersteller. Manche solcher Pools sind von vornherein kontingentiert, nehmen also nur eine begrenzte Anzahl von Herstellern auf. Der „Marktzutritt“ ist dann nicht nur durch ein hohes Eintrittsgeld erschwert, sondern einigen insb. neuen Anbietern ganz verschlossen. Ein weiteres Beispiel von möglichem Marktmachtmißbrauch im Sport ist eine in vielen Sportarten gängige „Koppelungs“-Praxis50 : Der Verband erteilt einem Veranstalter die Erlaubnis für die Durchführung einer Veranstaltung nur unter der Bedingung, daß ein Teil der Einnahmen aus dem Verkauf der Verwertungsrechte an den Verband abgeführt wird oder – noch weitergehend – daß die Verwertung der Veranstaltung jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil dem Verband überlassen wird. Diese „Koppelung“ ist dem Verband vor allem deshalb leicht möglich, weil er in seinem Regelwerk den nachgeordneten Athleten, Vereinen und Verbänden strafbewehrt verbietet, an nicht genehmigten Veranstaltungen teilzunehmen. Der Veranstalter findet also ohne Verbandserlaubnis keine Teilnehmer für seine Veranstaltung. dd) Unbillige Behinderung und Diskriminierung durch marktmächtige Unternehmen (§ 26 II–IV GWB; Art. 86 EGV) Dem Mißbrauchstatbestand sehr ähnlich ist der zivilrechtliche Behinderungsund Diskriminierungstatbestand des § 26 II GWB und des Art. 86 EGV. Zweck ist auch hier der Schutz der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit aller Dritter im Einflußbereich des mächtigen Unternehmens, insb. die allseitige Öffnung bzw. Offenhaltung der Märkte, wobei aber mehr auf die Situation des beeinträchtigten Unternehmens abgestellt wird. Bei unbilliger Behinderung oder sachlich nicht gerecht-

50 Explizit angesprochen werden Koppelungspraktiken in Art. 85 I lit. e) und 86 lit d) EGV. Zur Erfassung von Koppelungspraktiken durch § 26 II GWB: Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., München 1994, § 17.13.c), S. 266. Von einer „Koppelung“ im kartellrechtlichen Sinne kann exakt aber nur gesprochen werden, wenn man die Vergabe von Ausrichtungsrechten an Sportveranstaltungen durch den Sportverband an den Ausrichter vor Ort als gewerbliche Leistung betrachtet. Hierzu im einzelnen unten 3. a) aa).

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fertigter Ungleichbehandlung stehen diesem hiernach Schadensersatz- und/oder Unterlassungsansprüche zu. Klassische Beispiele sind Liefer- und Bezugssperren. Im Sport können als Beispiele die soeben genannten Pool- und Koppelungspraktiken dienen. Weitere Beispiele sind sachlich nicht gerechtfertigte Zulassungsverweigerungen insbesondere im Zusammenhang mit Werbeverboten oder -beschränkungen.51 So wird ein Athlet diskriminiert, wenn ihm die Teilnahme an einer Sportveranstaltung untersagt wird, weil er Werbebeschränkungen nicht eingehalten hat oder nicht einhalten will, die ihrerseits im Widerspruch zum geltenden Recht stehen.52 Denkbar ist etwa ein Verstoß gegen § 1 GWB wegen Zentralvermarktung oder ein rechtswidriger Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Athleten. Auch ein örtlicher Verein, der sich für die Austragung einer internationalen Sportveranstaltung bewirbt, wird diskriminiert, wenn seine Bewerbung vom vergebenden internationalen Verband von vornherein unbeachtet bleibt, nur weil der Verein die Werbeauflagen des Verbandes nicht beachtet, sofern diese Werbeauflagen sachlich nicht gerechtfertigt sind.53 Sachlich nicht gerechtfertigte Werbebeschränkungen können auch werbeinteressierte Wirtschaftsunternehmen diskriminieren. Auf die Frage der sachlichen Rechtfertigung wird noch näher eingegangen.54 b) Übersicht über die wesentlichen Schwierigkeiten der Kartellrechtsanwendung auf den Sport Längst ist anerkannt ist, daß Athleten, Klubs, Sportvereine und Sportverbände ganz unabhängig von ihrer Rechtsform Unternehmen im Sinne des Kartellrechts55 51 Zur Anwendung des § 26 II GWB auf Werbeverbote und -beschränkungen durch Sportverbände siehe auch Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., Neuwied u. a. 1995, Rdnr. 2729d. 52 Vgl. Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., Neuwied u. a. 1995, Rdnr. 2729d; Grunsky, Die Befugnis der Sportverbände zur Regelung der Werbetätigkeit durch die Mitgliedsvereine, in: ders. (Hrsg.), Werbetätigkeit und Sportrecht, Heidelberg 1985, 13 (17 f.). 53 Sieht man die Zulassungs- und Vergabeproblematik auch als Problem des § 18 GWB, so stellt sich die Frage nach der Konkurrenz. Der Tendenz in der neueren Rechtsprechung zufolge sind § 18 GWB und § 26 II GWB nebeneinander anwendbar; insbesondere ergibt sich für ein Verhalten im Rahmen des § 26 II GWB keine automatische Rechtfertigung, wenn bei seiner Beurteilung nach § 18 GWB die Aufgreifvoraussetzungen verneint wurden (BGHZ 81, 322 [326 f.] = NJW 1982, 46 – VW-Ersatzteile II; OLG Düsseldorf WuW/E OLG 4056 [4058 f.]; OLG Koblenz GRUR 1990, 64 [65]). 54 Siehe unten III. 6. 55 Nach dem GWB für Sportvereine und -verbände: BGHZ 101, 100 = NJW 1987, 3007 = WuW/E BGH 2406 (2408) – Inter-Mailand-Spiel; KG WuW/E OLG 1429 (1431) – DFB; OLG Hamburg WuW/E OLG 2775 (2776) – Trabrennverein; OLG Frankfurt/Main WuW/E OLG 3015 (3016) = GRUR 1983, 517 (518) – Motorsportverein; Immenga/MestmäckerImmenga, GWB, § 1 Rdnr. 79, Emmerich, Kartellrecht, § 19.8.f.; für Profisportler: BKartA WuW/E BKartA 357 (359) – Berufsboxer = BB 1961, 657 f.; OLG Ffm. WuW/E OLG 3015

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sind, sofern sie in einzelnen Beziehungen im wirtschaftlichen Verkehr mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten. Problematisch wird die Kartellrechtsanwendung demgegenüber in den folgenden vier Punkten: @ Abgrenzung des relevanten Marktes – ein zentrales Problem des Kartellrechts überhaupt und bei der Vielzahl der Sportmärkte besonders delikat (hierzu 3.); @ Bestimmung der Marktmacht – sie ist abhängig von der Marktabgrenzung; das Auffinden tauglicher Kriterien ist im Sport problematisch (hierzu 4.); @ die Drittmarktproblematik (hierzu 5.); @ und für die Entscheidung letztlich von größter Wichtigkeit die Möglichkeit der Rechtfertigung der „Machtausübung“ bzw. der Rechtfertigung des tatbestandlichen Marktverhaltens – je nach betroffenem Grundtatbestand kann hier eine Abwägung der betroffenen Interessen der Wettbewerber erfolgen, können sportspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden und ähnliches (hierzu 6.). Ganz allgemein muß die Kartellrechtsanwendung auf den Sport stets die herausragende Besonderheit des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Sport berücksichtigen, die als assoziative Konkurrenz56 bezeichnet werden kann. Im Gegensatz zum normalen Wirtschaftsleben setzt die Erstellung eines vermarktungsfähigen Guts im Sport stets den Verbund mehrerer selbständiger Wirtschaftseinheiten voraus, die sportlich miteinander konkurrieren. Gleich starke Konkurrenz ist geschäftsförderlich, eine Monopolstellung nicht erstrebenswert. Denn das Gleichgewicht der sportlich konkurrierenden Einheiten erhöht die Ungewißheit des Wettkampfausgangs, welche das Publikumsinteresse und damit wiederum die Vermarktungsmöglichkeiten steigert. Anders verhält es sich freilich in den Beziehungen zwischen verschiedenen Sportsystemen. 3. Die Märkte und der Wettbewerb im Sport Die Bestimmung des relevanten Marktes ist unerläßlich, um die tatbestandserforderliche Wettbewerbsbeschränkung beim Kartell und die Marktbeherrschung oder Marktmacht für die Mißbrauchs- und Diskriminierungstatbestände festzustellen.

(3016) = GRUR 1983, 517 (518). Nach Art. 85 u. 86 EGV: Kommission, Entscheidung v. 27. 10. 1992 (ABl. Nr. L 326/31 [35 f.]) für Fußballvereine und -verbände. 56 Lüschen, Kooperation und Assoziation im sportlichen Wettkampf, in: Hammerich/Heinemann (Hrsg.), Texte zur Soziologie des Sports, Schorndorf 1975, S. 225 ff.

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a) Märkte im Sport Zu den Besonderheiten des Sports gehört die Vielzahl der Märkte. Ein Markt umfaßt all diejenigen Waren und Leistungen, die nach ihren Eigenschaften, dem Verwendungszweck und der Preislage derart vergleichbar und austauschbar sind, daß der verständige Abnehmer sie als geeignet für die Deckung eines bestimmten Bedarfs ansieht.57 In Abb. 1 wird versucht, einen vereinfachten, typisierten Überblick über die Situation im Sport zu geben, der ohne Anspruch auf Vollständigkeit als Ausgangspunkt für die Bestimmung einzelner Märkte dienen kann.

Abbildung 1

Im Mittelpunkt steht der sportliche Wettkampf, um den sich auch das Wirtschaften im Sport hauptsächlich dreht. Da es auch Sportvermarktungen ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einem sportlichen Wettkampf gibt, sind die insofern vernachlässigten Austauschbeziehungen mit einer gepunkteten Linie markiert. Bei dem im Zentrum stehenden Wettkampf kann es sich z. B. um ein Tennisspiel, ein Tennisturnier, einen Turnwettbewerb oder um ein Freundschaftsspiel im Fußball handeln. Links sind die benötigten Güter mit ihren Anbietern dargestellt: die Beschaffungsmärkte. Nachfrager ist der Veranstalter des sportlichen Wettkampfs. Rechts finden sich die Verwertungsformen des sportlichen Wettkampfs: die Absatzmärkte. 57 Sog. Bedarfsmarkt-Konzept, EuGH Slg. I 1991, 3359 (3439 ff.) – Akzo; EuGH EuZW 1994, 316 (317) – Hilti; BGH WuW/E BGH 2150 (2153) – Edelstahlbestecke; Immenga/ Mestmäcker-Möschel, GWB, Kommentar, 2. Aufl., München 1992, § 22 Rdnr. 18 ff.; Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 17.5.a), S. 234, und § 35.2., S. 559.

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aa) Waren, gewerbliche Leistungen und wirtschaftlicher Wettbewerb im Sport Ein spezifisches Problem der Kartellrechtsanwendung auf den Sport rankt um die Begriffe „Ware“, „gewerbliche Leistungen“ und „wirtschaftlicher Wettbewerb“. So ist im Rahmen des Kartellrechts nur der wirtschaftliche Wettbewerb maßgeblich. Märkte i.S.d. Kartellrechts sind Märkte für Waren oder gewerbliche Leistungen. Diese Begriffe werden heute zwar im denkbar weitesten Sinn ausgelegt, so daß im Grunde der gesamte wirtschaftliche Verkehr erfaßt ist.58 Waren sind alle Gegenstände, die im Geschäftsverkehr veräußert werden können,59 z. B. Eintrittskarten oder Tennisbälle. Gewerbliche Leistungen sind Tätigkeiten, die jemand als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinn einer anderen Person erbringt,60 z. B. die Gestattung der Aufnahme und Übertragung durch das Fernsehen – üblicherweise ungenau als Übertragung der Fernsehrechte bezeichnet – oder die Werbung. Problematisch wird aber die Einordnung von Leistungen im Bereich der Verbands- bzw. Wettkampforganisation, die eigentlich sportinterner, jedenfalls ursprünglich außerwirtschaftlicher Natur sind. Beispielsweise machen Sportverbände die Vergabe der Ausrichtungsrechte an einer Sportveranstaltung oft von finanziellen Abgaben abhängig. Ähnliches gilt für die Zulassung eines Athleten zu einer Sportveranstaltung. Sie setzt neben sportlichen Erfordernissen immer öfter auch die Zahlung eines Startgeldes an den Veranstalter oder an den Verband voraus. Umgekehrt fordern aber auch immer mehr populäre Sportler die Zahlung einer Startprämie, um an einem Wettbewerb teilzunehmen. In all diesen Fällen sind ursprünglich rein sportinterne Entscheidungen aus dem nicht-wirtschaftlichen Bereich kommerzialisiert worden. Ob es sich deshalb um gewerbliche Leistungen handelt und ob insofern die Grenze zwischen dem sportinternen privativen Tätigkeitsbereich und dem wirtschaftlichen Sektor überschritten ist, ist zweifelhaft. Betrachtet man einerseits den Zweck der kartellrechtlichen Normen – die Offenhaltung der Märkte – und andererseits die Wettbewerbsfunktion von Zulassung und Vergabe im Sport – Marktzugangsvoraussetzungen –, so liegt es nahe, den gewerblichen Charakter dieser Leistungen zu bejahen. Entscheidend für die Einordnung als gewerbliche Leistung soll allerdings nicht sein, ob ein Entgelt erhoben wird,61 sondern ob es erhoben werden könnte, d. h. ob die Leistung Gegenstand eines freien Marktes sein kann.62 Hiernach käme es nicht darauf an, ob nachweislich bloße Unkostenbeteiligungen am Gemeinschaftswerk „Sportveranstaltung“ erhoben werden oder ob die Beträge – wie häufig – darüber 58

Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 5.8.a)aa), S. 74 m. w. N. Langen/Bunte-Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 1 Rdnr. 40. 60 Langen/Bunte-Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 1 Rdnr. 40. 61 Vgl. BGHZ 56, 328 – Feld und Wald I. 62 BGH WuW/E BGH 605 (609) = NJW 1964, 2343 – Flußspat. 59

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hinausgehen. Auch die Frage, ob eine Gegenleistung für Verbandsorganisationsleistungen in den pauschalen Mitgliedsbeiträgen zu sehen sein könnte,63 würde sich damit erübrigen. Muß aber die Leistung Gegenstand eines freien Marktes sein können, so ergeben sich angesichts der Monopolstruktur im Sport zwangsläufig Grenzen für die Qualifikation der Verbandsleistungen als gewerbliche Leistungen. Da es z. B. nur einen Deutschen Fußballbund und nur eine Fußball-Bundesliga gibt, werden Lizenzen für die Fußball-Bundesliga ausschließlich vom DFB vergeben. Einen freien Markt für solche Lizenzen gibt es nicht und kann es solange nicht geben, wie die bestehende Struktur im bundesdeutschen Fußball aufrechterhalten wird. Wegen der Besonderheiten im Sport, die für die Möglichkeit nationaler und internationaler Leistungsvergleiche eine Monopolstruktur bedingen, kann man insofern auch nicht auf einen potentiellen Wettbewerb verweisen oder auf die Argumentation, das Kartellrecht dürfe Monopolstrukturen nicht bevorzugen oder gar zementieren. Freilich muß sorgfältig geprüft werden, inwieweit die Monopolstruktur und ihre Folgeerscheinungen wirklich von den Besonderheiten des Sports verlangt werden. Dabei ist den Sportverbänden aber schon von Verfassungs wegen auch ein gewisser Gestaltungsspielraum einzuräumen. Andererseits dürfen Sportverbände nicht unter dem Deckmantel sportspezifischer Verbandsleistungen monopolistisch einen Markt kontrollieren, d. h. als Alleinanbieter entgeltlicher Leistungen auftreten, die weder sportnotwendig sind noch sportnotwendig innerhalb der Monopolstruktur stehen. Hierzu kommt man auch, wenn man die Frage nach dem Vorliegen von gewerblichen Leistungen in den Hintergrund rückt und beachtet, daß man sich an der Schnittstelle zwischen außerwirtschaftlichem, privativem bzw. hier sportinternem Bereich und dem wirtschaftlichen Sektor bewegt. Zur Abgrenzung kann nicht allein darauf abgestellt werden, ob die Leistung Gegenstand eines freien Marktes sein, ob man also ein (echtes) Entgelt für sie verlangen könnte. Denn sonst gäbe es angesichts der Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft und der fortschreitenden Kommerzialisierung aller Lebensbereiche keinen privaten Tätigkeitsbereich mehr. Letztlich entscheidend ist deshalb, ob tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit und ein wirtschaftlicher Wettbewerb vorliegt. Der potentielle wirtschaftliche Wettbewerb darf hierbei nur dann berücksichtigt werden, wenn er nicht durch sportspezifische Besonderheiten – wobei den Sportverbänden wieder gewisse Gestaltungsspielräume eingeräumt werden müssen – ausgeschlossen ist. Insofern muß der Kartellrechtsanwender die bestehende Sportstruktur akzeptieren. Mag man die Lizenzen im Fußball auch als gewerbliche Leistungen qualifizieren, so ist doch für ihren Erwerb der sportliche Wettbewerb maßgeblich und nicht der wirtschaftliche Wettbewerb unter den Clubs um Zuschauer, Fans, etc. Es gibt im Regelfall keinen 63

In der Literatur wurde etwa die Lizenzerteilung für die Teilnahme an den FußballBundesligen schon deshalb als gewerbliche Verbandsleistung qualifiziert, weil der kandidierende Verein von vornherein ausgeschlossen wäre, wenn er seinen Mitgliedsbeitrag nicht bezahlt hätte; deshalb handle es sich um ein marktfähiges individuelles Wirtschaftsgut: Herrmann, WuW 1979, 149 (154).

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wirtschaftlichen, sondern nur einen sportlichen Wettbewerb um die Lizenzen oder um sonstige Wettkampfzulassungen. Sie sind lediglich bei Vorliegen der sportlichen Voraussetzungen noch zusätzlich an wirtschaftliche Voraussetzungen geknüpft. Nur ausnahmsweise konkurrieren Sportler auch wirtschaftlich um die Teilnahme an Sportwettkämpfen, wenn z. B. nur diejenigen zugelassen werden, die am meisten zahlen bzw. die zahlungskräftigsten Sponsoren einbringen können. Auch der Wettbewerb um den Erhalt einer Veranstaltung ist für die Bewerber nur dann auch ein wirtschaftlicher, wenn es letztlich mitentscheidend darauf ankommt, wer dem vergebenden Verband den höchsten Betrag zahlt bzw. garantieren kann oder die zahlungskräftigsten Sponsoren einbringt.64 Es herrscht auch ein wirtschaftlicher Wettbewerb zwischen Veranstaltern um die Teilnahme von Sportlern, wenn letztere die Wahl des Wettkampfs (mit-)entscheidend davon abhängig machen, wieviel ihnen dafür bezahlt wird bzw. welche Prämien locken. Aus diesem Grund dürfte z. B. im Profitennis, -golf, -boxen und -rennsport durchaus ein wirtschaftlicher Wettbewerb der Veranstalter um die Teilnahme von Sportgrößen an ihren Turnieren herrschen. Wird dann ein Profisportler vom Verband gesperrt, so stellt das aus Sicht des Sportlers nichts anderes dar als den kollektiven Boykott durch die Marktgegenseite. In all diesen Fällen handelt es sich freilich um wirtschaftlichen Wettbewerb um gewerbliche Leistungen, auf den das Kartellrecht mit allen Konsequenzen zur Anwendung gelangt. Aus alledem folgt, daß im Bereich der Verbands- bzw. Veranstalter-Organisationsleistungen zum einen genau überprüft werden muß, ob wirtschaftlicher Wettbewerb tangiert ist, und zum anderen, ob potentieller wirtschaftlicher Wettbewerb im Regelfall – angesichts der den Sportnotwendigkeiten entsprechenden herrschenden Sportstruktur – für die Anwendbarkeit des Kartellrechts nicht ausreicht. bb) Typisierende Annäherung an die relevanten Märkte im Sport Auf der typisierenden Grafik (Abb. 2) finden sich zur Linken die Beschaffungsmärkte. Den genannten Anbietern steht als Nachfrager der Veranstalter des Wettkampfs gegenüber. Das kann ein Verband, ein Verein, ein Sportler, ein Wirtschaftsunternehmen oder jede beliebige andere Person sein. Auf der Absatzseite finden sich zahlreiche Verwertungsformen des sportlichen Wettkampfes, der in diesen Ausprägungen vermarktbar ist: Eintrittskarten, Film- und Fernsehübertragungsrechte, Werbe- und Sponsoringrechte, Merchandisingrechte, Marketingrechte, Lizenz- und Konzessionsrechte, usw.65 Oft treten sowohl beschaffungs- als auch absatzseitig Agenturen und Vermittler zwischen. 64

Die entsprechenden Gerüchte um die Jahrhundert-Olympiade in der Coca-Cola-Stadt Atlanta sind allgemein bekannt. 65 Bei diesen Verwertungsrechten handelt es sich – jedenfalls de lege lata – nicht um Leistungsschutzrechte, sondern um die Gestattung von Eingriffen. Hierzu Vieweg, Sponsoring

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Abbildung 2

Greift man einzelne Beschaffungs- oder Absatzmärkte heraus, so ergibt sich z. B. ein typisierter Markt für Sportausrüstung, ein typisierter Markt für Sportwerbe- und -sponsoringrechte (siehe exemplarisch Abb. 2), ein typisierter Markt für Fernsehübertragungsrechte, etc. cc) Konkrete Märkte im Sport – Beispiele Für den konkreten Markt muß weitergehend je nach Sachlage aus Sicht der Marktgegenseite differenziert werden. Trotz zahlreicher Agenturen als zwischengeschaltete Marktstufen schlägt auf den Absatzmärkten – z. B. für Fernsehübertragungsrechte oder für Sponsoringrechte – regelmäßig die Sicht der Endabnehmer – z. B. Fernsehzuschauer, Sponsor – durch.66 Wichtige Kriterien können sein die Sportart, die Art der Veranstaltung und vieles andere.

und internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart u. a. 1996, S. 53 (81). 66 Zwar ist wegen des Zwecks der Marktabgrenzung, die wirtschaftliche Macht des betreffenden Unternehmens zu erfassen, grundsätzlich die Sicht der unmittelbaren Marktgegenseite ausschlaggebend (KG WuW/E OLG 4167 [4168] – Kampffmeyer ./. Plange; BKartA WuW/E BKartA 3270 [3272] Melitta ./. Kraft; offengelassen: BGH WuW/E BGH 2575 [2576] – Kampffmeyer ./. Plange; Langen/Bunte-Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 22 Rdnr. 12.). Gleichwohl ist die Sicht des Endabnehmers zumindest dann einzubeziehen, wenn diese auf die Entscheidung der Zwischenstufe durchschlägt (BGH WuW/E BGH 2575 [2576] – Kampffmeyer ./. Plange; Langen/Bunte-Ruppelt, a. a. O., § 22 Rdnr. 12.).

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Im einzelnen ergeben sich z. B. bei den Eintrittskarten oft Märkte, die nur eine bestimmte Veranstaltung betreffen, etwa ein Fußballspiel.67 Im Bereich der Fernsehrechte indizieren bereits die großen Preisunterschiede, daß bestimmte Sportarten aus Sicht der Zuschauer interessanter sind als andere, und deshalb mit anderen nicht austauschbar sind, so daß insofern separate Märkte angenommen werden müssen.68 So könnte beispielsweise der Markt für Fernsehübertragungsrechte an hochrangigen Fußballspielen mit Beteiligung deutscher Mannschaften als eigener Markt angesehen werden, möglicherweise begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum.69 Das Landgericht Frankfurt/Main70 hat in der einstweiligen Verfügung gegen die FIA einen eigenen Markt für Film- und Fernsehrechte an Motorsportveranstaltungen angenommen. Andererseits wird es wohl keinen separaten Markt für Fernsehrechte an z. B. Billard- oder Badminton-Veranstaltungen geben. Teilweise sind es gar die Verbände und Vereine, die den Sendern ein Entgelt für die Übertragung zahlen.71 Der Markt für Fernsehrechte an weniger publikumsattraktiven Sportveranstaltungen wird daher in der Regel mehrere Sportarten umfassen. Fraglich ist im Bereich der Fernsehrechte auch, ob nach Erst-, Zweit- und weiteren Verwertungsrechten differenziert werden muß. Jedenfalls die Erstverwertungsrechte, insbesondere die Rechte zur Live-Übertragung sind wohl aus Sicht der Medien nicht funktional austauschbar mit nachrangigen Verwertungsrechten, da auch der Zuschauer eine Live-Berichterstattung nicht als ohne weiteres mit der zeitversetzten Übertragung austauschbar ansieht. Bei den Sponsoringrechten ist die Marktabgrenzung schon deshalb besonders schwierig, weil die Marktdaten zu einem Großteil nur schwer zugänglich sind. Zudem sind an diesem Geschäft einerseits eine Vielzahl von sportbeteiligten Personen mit ganz unterschiedlichen Funktionen im Sport als Anbieter und andererseits ganz unterschiedliche privatwirtschaftliche Unternehmen mit spezifischen kommunikativen Zielsetzungen als Nachfrager beteiligt. Angebots- und insbesondere Nachfrageverhalten sind dementsprechend sehr heterogen. So werden wegen der großen Publikumswirksamkeit sicherlich viele Unternehmen bestrebt sein, in den populärsten Sportarten wie Fußball und Tennis vertreten zu sein. Die Imageund Zielgruppen-Orientierung der Unternehmen führt aber oft dazu, daß nur eine begrenzte Anzahl von Sportarten in Frage kommt. So wird ein Produzent von Lu67 BGHZ 101, 100 (102 f.) = WuW/E BGH 2406 (2408 f.) – Inter-Mailand-Spiel m. Anm. Tetzlaff, WuW 1988, 93 (94), die u. a. die Abgrenzung vom Fernsehkonsum kritisiert. 68 Van Miert, Der Sport und das Gemeinschaftsrecht, Vortrag v. 05. 05. 1997, anläßlich der Konferenz der Spitzenverbände DSB und NOK in Brüssel, S. 13. Schriftliche Fassung – soweit ersichtlich, noch nicht veröffentlicht – liegt der Verf. vor. 69 Vgl. zur Marktabgrenzung im Bereich der Fernsehrechte an Fußballspielen BGH WuW/ E BGH 2406 – Inter-Mailand-Spiel und die kritische Anmerkung von Tetzlaff, WuW 1988, 93 (94 ff.). 70 LG Frankfurt/Main SpuRt 1997, 129 (131). 71 Zur Situation im deutschen Basketball: Der Spiegel, Heft 7/1996, S. 194 (197); zur Situation im deutschen Tischtennis: Nürnberger Nachrichten v. 13. 10. 1997, S. 25.

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xusartikeln rein image- und zielgruppenbedingt Sportarten wie Golf, Polo oder Tennis dem Boxen oder Eishockey vorziehen. Bei Veranstaltungswerbung oder -sponsoring muß sicher nach der Bedeutung, dem Niveau und der Fernsehwirksamkeit der Veranstaltung unterschieden werden. Andererseits kann die Sportart vernachlässigt werden, wenn mit der Persönlichkeit eines bekannten Sportlers geworben wird (Testimonialwerbung). Hier sind Popularität, Erfolg und Glaubwürdigkeit wichtiger als die Sportart. Im Einzelfall muß möglicherweise auch auf das beworbene Produkt abgestellt werden. So hat das Kammergericht einen eigenen Markt der Werbung für Fußballstiefel durch Vereinsmannschaften und Spitzenspieler angenommen.72 Im Bereich der Sportausrüstung wird sich die Marktabgrenzung in der Tat wohl auch nach dem beworbenen Produkt vollziehen, denn ein Hersteller von Tennisbällen wird – jedenfalls für dieses Produkt – nicht im Fußballsport werben. Die aus Sicht der Nachfrager relevanten Kriterien für die funktionelle Austauschbarkeit ihrer Werbeträger oder ihrer Sponsoringgestaltung sind daher so diversifiziert, daß die Sicht des Durchschnittsnachfragers sicher nicht weiterhilft. Es zeigen sich Parallelen zu Märkten, in denen zwischen Produkten verschiedener Art an sich funktionelle Austauschbarkeit besteht, die Nachfrager diese Wahlmöglichkeit aber aus subjektiven Gründen nicht nutzen, z. B. die – getrennten – Märkte von Trocken- und Naßrasierern. Beachtung müssen auch die schon wiederholt von der Praxis für die Marktabgrenzung herangezogenen unterschiedlichen Preisklassen – z. B. bei den Automärkten und den Märkten für Kosmetika – finden. Im Ergebnis wird man Teilmärkte annehmen müssen, insofern als sich auf den „Hauptmärkten“ auch Sponsoring- oder Werbemaßnahmen befinden, die in Einzelbereichen nicht mit allen anderen Produkten auf diesem Markt austauschbar sind.73 Sieht man die Zulassung zu Sportwettkämpfen im Falle ihrer (potentiellen) Entgeltlichkeit als gewerbliche Leistung an, so sind die Märkte klar nach Sportarten zu trennen – der Sportler hat sich mit der Wahl seiner Sportart festgelegt. Regelmäßig müßte man wohl die Veranstaltung bzw. Veranstaltungsserie als eigenen Markt begreifen.74 Auf ihm hätte der Veranstalter bzw. der über die Zulassung wachende Sportverband eine beherrschende Stellung. b) Wettbewerbsbeschränkungen und Arbeitsgemeinschaftsgedanke im Sport Ist der Markt abgegrenzt, so kann regelmäßig leicht festgestellt werden, ob eine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Kartellverbots vorliegt. Anbieter und Nachfrager 72

KG WuW/E OLG 1429 (1431 ff.). Vgl. zu den Voraussetzungen für die Annahme von Teilmärkten Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 17.5.b)bb), S. 236. 74 Dementsprechend sieht Herrmann, WuW 1979, 149 (156) die mit der Teilnahme und Zulassung zu den Fußballbundesligen verbundenen Organisationsmaßnahmen des DFB als Gegenstand eines abgegrenzten Marktes an. 73

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konkurrieren jeweils untereinander. Wettbewerb i.S.d Kartellrechts ist insofern nichts anderes als die Summe aller selbständig feststellbaren Strategien, die von Unternehmen eingesetzt werden, um Waren oder Dienstleistungen zu verkaufen oder zu erwerben. Man bezeichnet diese Strategien als Wettbewerbsparameter. Klassische Wettbewerbsparameter sind z. B. der Preis und die Qualität einer Ware oder Dienstleistung. Wird die Freiheit zu ihrem Einsatz ausgeschlossen oder eingeschränkt – d. h. die Strategien verschiedener Unternehmen werden einander angenähert oder vereinheitlicht –, so liegt eine Wettbewerbsbeschränkung, die künstliche Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit vor. Ist diese bewußt koordiniert, so handelt es sich um ein Kartell. Bewußt koordinierte künstliche Beschränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit sind im (Verbands-)Sport üblich. Greift man aus den Sportmärkten den Markt für Fernsehrechte an hochrangigen Fußballspielen heraus, so sind im Nachfragewettbewerb unter den Medienunternehmen Wettbewerbsparameter z. B. die Zahlungsbereitschaft, die Qualität der Übertragungen, die Garantie einer tatsächlichen Übertragung, die Reichweite der Übertragung. Im Anbieterwettbewerb sind Parameter die Popularität der Veranstaltung, die Popularität der Sportart und der Teilnehmer, das Niveau, die Zeit der Ausrichtung (Datum, Tageszeit), der Preis für die Rechte, der Umfang der Rechte (zugelassene Reichweite der Ausstrahlung, Erst-, Zweit-, etc.-Verwertung), usw. Angebotsseitig finden z. B. oft Koordinierungen der Sportbeteiligten hinsichtlich der Ausrichtungszeit und der Reichweite der Ausstrahlung statt. Im Fall der Zentralvermarktung wird der Wettbewerb unter den am Syndikat Beteiligten gänzlich aufgehoben. Auch nachfrageseitig kann es zur Aufhebung von Wettbewerb kommen, z. B. in der Einkaufsgemeinschaft EBU. Beim Sponsoring sind im Wettbewerb zwischen den Sponsoringnachfragern, also den Sportlern, Vereinen und Verbänden als (potentiell) Gesponserten z. B. die Größe, die Dauer und die Reichweite von Werbung auf den bereitgestellten Werbeflächen wesentliche Wettbewerbsparameter. Die Regelwerke der Sportverbände enthalten insofern aber zahlreiche Vereinheitlichungen. Gegen die Qualifikation solcher Verbandsregelungen als Kartelle wird oft der sog. Arbeitsgemeinschaftsgedanke75 angeführt. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Tatsache, daß gewisse Verhaltenskoordinationen nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern wettbewerbsfördernd sind. Es handelt sich um Fallgestaltungen, in denen mehrere Unternehmen, die hierzu für sich allein – z. B. aufgrund ihrer Kapazitäten, ihres technischen Know hows oder ihrer Kapitalkraft – nicht in der Lage wären, gemeinsam auf dem Markt auftreten.76 Diese Gemeinschaften schaffen zusätzlichen Wettbewerb, beleben den Wettbewerb, anstatt ihn einzuschränken. Das ist einleuchtend, wenn die beteiligten Unternehmen anderweitig wirtschaftlich 75

Hierzu BGH WuW/E BGH 2050 f. = BB 1984, 364 – Bietergemeinschaft Schramberg; Kommission, Entscheidung v. 24. 10. 1988 (ABl. Nr. L 311/36 [38]) – Eurotunnel. 76 KG WuW/E OLG 3737 (3745) – Selex Tania; KG SpuRt 1996, 199 (201) – UEFA-CupHeimspiele.

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nicht dazu in der Lage wären, am Wettbewerb teilzunehmen.77 Ob das in all den Sportbereichen, die sich auf den Arbeitsgemeinschaftsgedanken berufen, tatsächlich der Fall ist, muß man bezweifeln. So würden die Fußballvereine der Bundesliga die Fernsehrechte für ihre Heimspiele sicherlich auch alleine auf dem Fernsehrechtemarkt anbieten.78 Allerdings hat es der Bundesgerichtshof in einer umstrittenen79 auf den Einzelfall bezogenen80 Entscheidung81 ausreichen lassen, daß die getrennte Wettbewerbsteilnahme aus Unternehmenssicht wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig erschien. Damit sind zwar Schutzbehauptungen Tür und Tor geöffnet.82 Doch kann einer solchen Argumentation ohnehin nur gefolgt werden, wenn sie im Einzelfall stichhaltig ist. Bloße Kartellvorteile können eine Arbeitsgemeinschaft nicht rechtfertigen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß der Arbeitsgemeinschaftsgedanke typischerweise verschiedene Beiträge von Unternehmen erfaßt, die keine eigenständigen Teilleistungen bilden.83 Sie könnten unabhängig voneinander gar nicht am Markt angeboten werden. Bei der Vermarktung von Fernsehrechten an Heimspielen im Rahmen eines Pokal- oder Ligawettbewerbs bilden aber die einzelnen Spiele bzw. die Fernsehrechte hieran jedenfalls dann eigenständige „Leistungen“ mit eigenem Marktwert, wenn eine Nachfrage besteht. Neuerdings fordert der BGH84 für die Anwendung des Arbeitsgemeinschaftsgedankens offenbar, daß alle die sich darauf berufen, auch tatsächlich die natürlichen Marktteilnehmer sind: Weil – so im entschiedenen Fall – jedenfalls der DFB an der Entstehung des marktfähigen Gutes nicht in einer Weise beteiligt sei, die ihn neben den am Wettbewerb teilnehmenden Vereinen als natürlichen Marktteilnehmer ausweise, könne er sich für die Zentralvermarktung von Fernsehrechten an den Heimspielen deutscher Mannschaften in den Europawettkämpfen nicht auf den Arbeitsgemeinschaftsgedanken berufen. Dieser Aspekt würde – denkt man die Argumentation des BGH konsequent fort – immer dann relevant, wenn der Verband selbst z. B. im Rahmen der Zentralvermarktung Vermarktungsbefugnisse beansprucht, die ihm jedenfalls nicht im beanspruchten Umfang zustehen. Er ist dann insoweit nicht der natürliche Marktteilnehmer. Der BGH übersieht mit diesem Argumentationsansatz aber, daß es für die kartellrechtliche Beurteilung im Rahmen 77

Vgl. OLG Stuttgart WuW/E OLG 3108 (3109); KG WuW/E OLG 3115; 3737 (3745). So auch KG SpuRt 1996, 199 (201) – UEFA-Cup-Heimspiele. 79 Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994,§ 5.10.a), S. 79. 80 Daß es sich um einen Sonderfall aus der Baubranche handelte, betont auch das KG SpuRt 1996, 199 (201) – UEFA-Cup-Heimspiele. 81 BGH WuW/E BGH 2050 = BB 1984, 364 – Bietergemeinschaft Schramberg. 82 Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 5.10.a), S. 79. 83 KG SpuRt 1996, 199 (202) – UEFA-Cup-Heimspiele. 84 BGH Beschluß v. 11. 12. 1997, KVR 7/96, S. 21 (später veröffentlicht in NJW 1998, 756). 78

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des § 1 GWB – nicht zuletzt im Hinblick auf die tatbestandliche Einbeziehung der Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen – keinen Unterschied machen darf, ob die Verbandsuntergliederungen – also die natürlichen Marktteilnehmer – als Inhaber der Vermarktungsbefugnisse im Arbeitsgemeinschaftsverbund auftreten oder ob sie das gemeinsame Auftreten dem übergeordneten Verband überlassen. An der hinter dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken stehenden materiellen Rechtfertigung, nämlich daß der Wettbewerb gefördert wird, weil ein alleiniges Auftreten nicht möglich wäre, kann sich hierdurch nichts ändern. Wichtig ist für die Anwendung des Arbeitsgemeinschaftsgedankens, daß sich die rechtfertigende und daher notwendige Wettbewerbsförderung nur dann ergibt, wenn einerseits diejenigen von der Arbeitsgemeinschaft ausgeschlossen sind, die sich auch alleine kaufmännisch sinnvoll am Wettbewerb beteiligen können, und andererseits die Arbeitsgemeinschaften nicht den zur Wettbewerbsteilnahme notwendigen Umfang überschreiten. Man wird den Arbeitsgemeinschaftsgedanken in weniger fernseh- und werbeattraktiven Sportarten bzw. auf weniger fernseh- und werbeattraktivem Niveau für eine Gesamtvermarktung von Werbe- und Sponsoringrechten z. B. im Rahmen einer Sportveranstaltung zur Anwendung bringen können. Abgesehen von vereinzelten Starpersönlichkeiten oder -mannschaften würde in solchen Fällen der einzelne Sportler mangels ausreichenden Werbewerts gar keinen individuellen Sponsor finden. Ähnlich können auch die Fernsehrechte an Ligaspielen einer weniger populären Sportart oder auf niedrigerem Niveau möglicherweise nur im Paket verkauft werden, weil in der Tat für das einzelne Spiel keine Nachfrage besteht. In diesen Fällen ist die Zusammenarbeit in den Arbeitsgemeinschaften wohl auch von den im Sport geltenden wechselseitigen Rücksichtnahme- und Förderpflichten gefordert, auf die weiter unten noch kurz eingegangen wird. Freilich muß aber auch in solchen Fällen sorgfältig geprüft werden, inwieweit die Gesamtvermarktung „notwendig“ ist, um ein kaufmännisch vernünftiges Auftreten im Wettbewerb zu ermöglichen. Es genügt nicht, sich darauf zu berufen, daß die Kartellierung oder Syndizierung kaufmännisch sinnvoller sei als eine Individualvermarktung. Denn das ist ja gerade die typische Situation, der klassische Anreiz von Kartellen. Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke jedenfalls vermag hierfür keine Rechtfertigung zu bieten. Schließlich darf in diesem Zusammenhang auch die gesetzliche Möglichkeit von Rationalisierungskartellen nach § 5 GWB nicht übersehen werden. 4. Bestimmung der Marktmacht Ein weiterer für den Mißbrauchs- und den Diskriminierungs- bzw. Behinderungstatbestand sehr wichtiger Punkt ist die Bestimmung der Marktmacht. Für den Sport relevante Formen der Marktmacht, der die Beschränkungen der §§ 22 und 26 GWB wie auch des Art. 86 EGV auferlegt werden, sind das Monopol, das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs und die überragende Marktstellung.

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Bei der Zulassung zu Sportveranstaltungen und der Vergabe von Ausrichtungsrechten an Sportveranstaltungen haben Sportverbände nach dem Ein-Platz-Prinzip regelmäßig das Monopol auf ihrer fachlichen und geographischen Ebene. Die dem Verband dementsprechend aus § 22 und § 26 II GWB gesetzten Grenzen folgen im Verhältnis zu seinen unmittelbaren und mittelbaren Mitgliedern aber regelmäßig bereits aus dem allgemeinen Aufnahme- bzw. Teilnahmeanspruch nach § 826 BGB und aus dem vereinsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung.85 Auf Sponsoringmärkten können Verbände sicherlich im Einzelfall marktbeherrschende Positionen einnehmen. Dies wird man z. B. im Hinblick auf die Ausrüster- oder Sponsorenpools bestimmter Verbände annehmen müssen. Im übrigen ist schon wegen der zahlreichen Werbe- und Sponsoringreglementierungen durch Verbände und ihre – nicht unbedingt rechtlich abgesicherte – Möglichkeit zum faktischen Druck durch Zulassungsverweigerung stets eine Position gegeben, die den anderen Wettbewerbern gegenüber zahlreiche Einflußmöglichkeiten eröffnet. Die Verbände beanspruchen mit ihren Werbe- und Sponsoringregelungen oft die Kontrolle über den Marktzugang, über die „Produktion“ und nicht zuletzt über die Verteilung. Diese Kontrolle üben sie faktisch auch aus. Selbst wenn der Verband kein eigenes Sponsoring betreibt, nimmt er also eine wichtige Funktion auf dem Sponsoringmarkt wahr, die mit Marktschaffung und -steuerung oder mit der Position eines Angebotsdisponenten umschrieben werden kann. Die Sportverbandspyramide wandelt sich insofern zum Trichter. Meines Erachtens muß man deshalb in Betracht ziehen, die Sportverbände auf den Sportsponsoringmärkten ihres Einflußbereichs als marktbeherrschend anzusehen, auch wenn sie im Einzelfall selbst gar nicht oder nur sehr eingeschränkt als Gesponserte am Markt in Erscheinung treten.86 Hierüber läßt sich sicher streiten. Jedenfalls die zur Anwendung des § 26 II 2 bis IV GWB genügende relative Marktmacht der Verbände wird man auf vielen Sportmärkten bejahen müssen. 5. Drittmarktproblematik Mit der erläuterten Marktschaffungs- bzw. Marktsteuerungsfrage steht die sog. Drittmarktproblematik in Zusammenhang. Da die kartellrechtlich relevante Marktmacht stets marktbezogen sein muß, genügt eine reine Größenmacht nicht, um gegen mächtige Sportbeteiligte vorzugehen. Der erforderliche Marktbezug kann im Sport ein besonderes Problem darstellen, wenn eine Diskriminierung oder Behinderung nicht auf dem beherrschten oder vermachteten Markt stattfindet, sondern 85

So auch Grunsky, Die Befugnis der Sportverbände zur Regelung der Werbetätigkeit durch die Mitgliedsvereine, in: ders. (Hrsg.), Werbetätigkeit und Sportvermarktung, Heidelberg 1985, S. 13 (18). 86 Ebenso für das neue schweizerische Kartellgesetz Tercier, Le matériel sportif officiel et le sponsoring – aspects de droit de la concurrence, S. 9, schriftliche Fassung eines Vortrags v. 14. 05. 1997 vor der Association Suisse de Droit du Sport in Bern liegt der Verf. vor.

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auf einem anderen Markt, einem sog. Drittmarkt. Von § 22 GWB sind solche Fälle regelmäßig erfaßt. Auch im Rahmen des § 26 II GWB besteht dann kein Problem, wenn das behinderte bzw. diskriminierte Unternehmen auch auf dem beherrschten oder vermachteten Markt tätig ist. Man spricht von mittelbarer Behinderung. Schwierig sind aber die Fälle, in denen das auf einem Drittmarkt gestörte Unternehmen nicht zugleich auf dem beherrschten bzw. vermachteten Markt tätig ist. Eine verbreitete Meinung will jedenfalls § 26 II GWB dann nicht anwenden.87 Als Beispiel kann der Fall dienen, dass ein Verband, der selbst weder als Anbieter noch als Nachfrager auf dem Markt für Fernsehrechte tätig ist, die Fernsehrechteverwertung eines Vereins – z. B. durch zeitliche Vorgaben, Beschränkungen der Reichweite, Abstimmungsgebote, das Vorschreiben eines Mindestpreises – erheblich einschränkt. Muß hier die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs nach § 26 II GWB von vornherein ausgeschlossen sein, weil Verband und Fernsehsender nicht auf demselben, insb. nicht auf dem beherrschten Markt z. B. für die Vergabe von Veranstaltungen tätig sind? Möglicherweise kann auch hier der Gedanke der Marktschaffung bzw. Steuerung oder des Angebotsdisponenten weiterhelfen.88 6. „Rechtfertigung“ der Machtausübung Mit der untechnischen Formulierung „Rechtfertigung“ der Machtausübung sind hier alle einschlägigen rechtlichen Möglichkeiten gemeint, die ein eigentlich tatbestandsmäßig wettbewerbsbeschränkendes Verhalten doch zulassen. Die Möglichkeiten solcher „Rechtfertigungen“ differieren je nach dem einschlägigen Grundtatbestand. a) Kartelle Für Kartelle kommen die folgenden Ausnahmegründe in Betracht: aa) §§ 2 – 8 GWB §§ 2 – 8 GWB regeln Fälle von ausnahmsweise zulässigen Kartellen. Im Sport kann v. a. an Rationalisierungs- und an Spezialisierungskartelle gedacht werden. Es ist aber jeweils erforderlich, daß bei jedem beteiligten Unternehmen während der ganzen Vertragsdauer der betriebliche Aufwand für wirtschaftliche Vorgänge – wie Finanzierung, Investitionen, Einkauf, Produktion und Absatz – umgerechnet auf die Produktionseinheit verringert wird,89 lediglich allgemeine Verbesserungen der Er87 BGH NJW-RR 1988, 1069 (1070 f.); Langen/Bunte-Schultz, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 26 Rdnr. 154. 88 Im Ergebnis ebenso Tercier, Le matériel sportif officiel et le sponsoring – aspects de droit de la concurrence, S. 9, schriftliche Fassung eines Vortrags v. 14. 05. 1997 vor der Association Suisse de Droit du Sport in Bern liegt der Verf. vor. 89 BGH NJW 1983, 2383 (2384); BKartA WuW/E BKartA 2617 (2620); BGHZ 50, 357 (362 f.) – ZVN.

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tragssituation des Unternehmens, z. B. durch eine Erhöhung der Preise oder eine Einschränkung der Leistungen, reichen nicht aus.90 Zudem muß eine wesentliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit oder der Wirtschaftlichkeit der beteiligten Unternehmen eintreten. Nicht zuletzt muß die Befriedigung des Bedarfs verbessert werden. Kollektive Rationalisierung ist also nur zulässig, wenn die damit verbundenen Vorteile an die Verbraucher weitergegeben werden.91 Gerade hieran dürfte es bei den Kartellen im Bereich der wirtschaftlichen Sportverwertung oft fehlen. Denkbar ist schon eher die Erlaubnis von Kooperationskartellen unter „kleinen und mittleren“ Sportunternehmern nach § 5b GWB. Große und mächtige Sportunternehmen wie die Verbände und erfolgreiche, umsatzstarke Vereine oder Sportler dürften sich hieran aber nicht beteiligen. Letzter Rettungsanker ist die Ministererlaubnis nach § 8 GWB. bb) Güterabwägung Sehr umstritten92 ist die Theorie einer Güterabwägung93 i.R.d. § 1 GWB, die der Wettbewerbsfreiheit vor allem Güter wie die Volksgesundheit und den Umweltschutz gegenüberstellt und beim Überwiegen dieser Allgemeinanliegen ein Kartell für zulässig erachtet. Zu beachten ist insofern aber, daß das Kartell zur Erreichung des außerwirtschaftlichen Ziels geeignet und v. a. erforderlich sein muß.94 Eine Rechtfertigung scheidet folglich aus, wenn das Ziel auch auf kartellneutralem Wege erreichbar ist. Viele Kartellierungen, insb. Syndikate im Sport wollen sich durch einen erforderlichen finanziellen Ausgleich unter den sportlichen Konkurrenten rechtfertigen. Dieses Ziel kann aber ebenso kartellneutral durch die Bildung eines Finanzfonds erreicht werden, in den die sportlichen Konkurrenten der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend einzahlen und aus dem sie der Bedürftigkeit entsprechend Zuwendungen erhalten. Der finanzielle Ausgleich fände auf diese Weise nicht auf Kosten der Marktgegenseite statt. Die Theorie der Güterabwägung sollte allerdings gar nicht erst herangezogen werden. Gegenüber der geschützten Wettbewerbsfreiheit können nur gewichtige öffentliche Interessen und grundgesetzliche Wertentscheidungen eine Rolle spielen. Diese sollten aber nicht vom Rechtsanwender über eine mehr oder weniger beliebige und Rechtsunsicherheit stiftende Abwägung erfolgen, sondern – auch im Hinblick auf die zahlreichen ausdrücklich geregelten Ausnahmen in den §§ 2 – 8 und §§ 99 ff. GWB – dem 90

Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 7.1.b), S. 105. KG WuW/E OLG 1117 (1121); Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 7.1.d), S. 106. 92 Ablehnend z. B. BKartA WuW/E BKartA 1125 f.; Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1994, § 5.12.d), S. 87 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Köln u. a. 1983, Rdnr. 212 f. 93 BKartA WuW/E BKartA 145 (149); 370; Langen/Bunte-Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 1 Rdnr. 83 ff. 94 Langen/Bunte-Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 1 Rdnr. 86. 91

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Gesetzgeber obliegen. Zu Recht weist der BGH95 neuerdings darauf hin, daß „die Verletzung dieser Ziele“ des GWB „nicht dadurch gerechtfertigt werden“ kann, „daß mit den auf diese Weise auf Kosten von Marktteilnehmern erzielten höheren Gewinnen sozial erwünschte Verhaltensweisen finanziert werden“. cc) Immanenztheorie Allgemein anerkannt ist demgegenüber die sog. Immanenztheorie96. Hiernach ist unabhängig von den Fällen der §§ 2 – 8 GWB jedes eigentlich den Tatbestand eines Kartells erfüllende Verhalten dann zulässig, wenn es einem Rechtsverhältnis oder einem Rechtsinstitut typischerweise immanent ist, das im übrigen kartellrechtsneutral ist: Soweit es für Bestand, Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit eines solchen Rechtsverhältnisses oder -instituts erforderlich ist, tritt § 1 GWB zurück.97 Im einzelnen ist hier einiges umstritten. Paradebeispiel, anhand dessen die Immanenztheorie vom BGH erstmals angewandt wurde, ist § 112 HGB, das Wettbewerbsverbot unter den Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft. Im Bereich der Gesellschaften nimmt der BGH eine Wettbewerbsbeschränkung dann vom Kartellverbot aus, wenn sie bei einer der gesetzlichen Regelform entsprechenden Gesellschaft dem Bestand und der Erhaltung des Unternehmens dient und auch nicht über das Maß dessen hinaus geht, was zum Schutze der Gesellschaft notwendig und von der Treuepflicht gefordert wird.98 Im Bereich der Genossenschaften fordert er, daß es sich um eine für den Zweck und/oder die Funktionsfähigkeit einer Genossenschaft typischerweise erforderliche Wettbewerbsbeschränkung handelt, wobei im Rahmen einer generalisierenden Betrachtungsweise der Geschäftsgegenstand und die Struktur der Genossenschaft zu berücksichtigen seien.99 Dem genossenschaftlichen Förderzweck seien aber nicht schon per se Wettbewerbsbeschränkungen immanent.100 Ein großer Teil der gesellschaftsrechtlichen Literatur hat sich damit nicht begnügt und fordert, daß alle von der gesellschafts-

95

756).

BGH Beschluß v. 11. 12. 1997, KVR 7/96, S. 22 (später veröffentlicht in NJW 1998,

96 Mit den jüngsten Entscheidungen des BGH zum Verhältnis von § 1 GWB und § 18 GWB, das er nunmehr ohne einen Rückgriff auf den Immanenzgedanken definiert, ist ein kartellrechtliches Spezialproblem in seiner rechtlichen Behandlung revidiert, nicht aber die Immanenztheorie als solche abgeschafft worden. Vgl. BGH NJWE-WettbR 1997, 211 (212 f.) – Bedside-Testkarten; WRP 1997, 768 (769 ff.) – Druckgußteile; WuW/E BGH 3137 ff. – Sole. 97 BGH NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter; Immenga/Mestmäcker-Immenga, GWB, Kommentar, 2. Aufl., München 1992, § 1 Rdnr. 351. 98 BGH WuW/E BGH 2047 (2048 f.) = BGHZ 89, 162 (169). 99 BGH GRUR 1993, 505 (503 f.) – Taxigenossenschaft II. 100 BGH WuW/E BGH 1313 (1315) = BB 1974, 1221 – Stromversorgungsgenossenschaft; BGH ZIP 1986, 1008 (1009 f.) – Taxigenossenschaft I; WuW/E BGH 2341 (2342 f.) – Taxizentrale Essen.

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rechtlichen Treuepflicht in der konkreten Gesellschaft geforderten Wettbewerbsbeschränkungen vom Kartellverbot freigestellt werden.101 Überträgt man die Grundsätze des BGH auf Kartellierungen im Sport, so kann man sicher nicht vom – überholten – gesetzlichen Leitbild des Idealvereins ausgehen. Vielmehr müßten in einer generalisierenden Betrachtung „Geschäftsgegenstand“ bzw. Zweck und Struktur des Verbands oder Vereins berücksichtigt werden. Was zur Erreichung seines kartellneutralen Zwecks und seiner kartellneutralen Funktionsfähigkeit erforderlich ist, das muß auch vor dem Kartellverbot bestehen. Dabei wird man die Immanenztheorie im Sport nicht pauschal ablehnen können, weil es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Verhaltenskoordinationen im Sport gibt.102 Denn regelmäßig geht es im Sport nicht nur um tatsächliche Veranstaltungen, sondern auch und gerade um die Verfolgung ideeller Verbands- und Vereinszwecke. Hierzu gibt es im Vereins- und Verbandsrecht auch ein der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht entsprechendes Rechtsinstitut, die vereinsrechtliche Förderpflicht.103 Zuzugeben ist allerdings, daß der Bezugspunkt der Erforderlichkeit von Wettbewerbsbeschränkungen im Sportverbandswesen sich häufig auf Bestand, Erhalt und Funktionsfähigkeit der jeweiligen Sportwettbewerbe konkretisieren wird. Hinzu treten aber Zwecke der Nachwuchsausbildung und -förderung, der Förderung des Breitensports, etc. Selbst im kommerzialisierten Sport dürfen Verbände und Vereine nicht auf ihre Marktteilnahme reduziert werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die Finanzierung der nichtkommerzialisierten Abteilungen und Funktionen mittlerweile ohne die Einnahmen im kommerzialisierten Bereich nicht mehr denkbar ist. Damit können andererseits freilich keine Kartellierungen zur Einnahmesteigerung gerechtfertigt werden. Sicher kann man mit der Rechtsfigur der vereins- oder verbandsrechtlichen Förderpflicht auch nicht jede Form von Kooperation und Verhaltenskoordination in Vereinen und Verbänden auf dem Gebiet des kommerzialisierten Sports rechtfertigen. Vielmehr muß das wettbewerbsbeschränkende Mittel für die – vor dem Hintergrund der vereinsrechtlichen Förderpflicht sowie dem Bestand, dem Erhalt und der Funktionsfähigkeit des Sportverbandswesens einschließlich der Sportwettbewerbe – anerkennenswerten Ziele stets objektiv erforderlich sein. Wo die Grenze im Einzelfall zu ziehen ist, ist freilich schwierig. 101 Gleiss/Hootz, NJW 1963, 1338 (133); Beuthien, ZHR 142, 259 (284); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, München 1980, S. 735; Müller-Henneberg/Schwartz-Müller-Henneberg, GWB und europäisches Kartellrecht, Gemeinschaftskommentar, 4. Aufl., seit 1980, § 1 Anm. 104; Müller/Giessler/Scholz-Müller, Wirtschaftskommentar – Kommentar zum GWB, Bd. I, 4. Aufl., Frankfurt/Main 1981, § 1 Rdnr. 147 f.; Staub/Canaris-Ulmer, HGB, Großkommentar, Band 12, 4. Aufl., München 1989, § 112 Rdnr. 47. 102 So aber tendenziell KG SpuRt 1996, 199 (202) – UEFA-Cup-Heimspiele. 103 Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl. 1995, Rdnr. 608 ff.; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1984), S. 84 (102 ff.); BGH Beschluß v. 11. 12. 1997, KVR 7/1996, S. 20: „die mitgliedschaftliche Förder- und Rücksichtnahmepflicht“.

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Jedenfalls dann, wenn das „immanente“, das kartellneutrale Ziel auch mit wettbewerbskonformen Mitteln erreicht werden kann, ist die zulässige Grenze überschritten. Soweit das Ziel in einem Finanzausgleich besteht, ist es regelmäßig auch durch ein spezielles Abgabe- und Zuwendungssystem (Fondslösung) erreichbar und geht auf diese Weise nicht zu Lasten der Marktgegenseite. Van Miert hat kürzlich geäußert, daß ein auf der Solidarität zwischen den Vereinen beruhendes Ausgleichssystem nach Art. 85 III EGV freigestellt werden könne104, soweit es die beteiligten Interessen in korrekter Weise berücksichtigt, indem es die Solidarität innerhalb der Liga und die Finanzierung des Ausbildung junger Spieler auf nationaler und internationaler Ebene sicherstellt und die Zuschauerinteressen beachtet.105 Im übrigen sind zweifellos diejenigen Vereinheitlichungen vom Kartellverbot auszunehmen, die durch Spielregeln, Chancengleichheit und Sicherheit bedingt sind. Insofern wird man den Verbänden aufgrund der Verbandsautonomie einen gewissen Beurteilungsspielraum einräumen müssen.106 Der BGH107 hat in seiner jüngsten Entscheidung zur Zentralvermarktung auch die Anwendung der Immanenztheorie mit der Argumentation abgelehnt, der zentral vermarktende Verband sei im entschiedenen Fall kein natürlicher Marktteilnehmer. Auch insofern ist Kritik angebracht. Denn wieder kann es keinen Unterschied machen, ob die natürlichen Marktteilnehmer, nämlich die dem Verband als der Unternehmensvereinigung Angeschlossenen im Kartell agieren oder ob sie die koordinierte Aktion gleich dem übergeordneten Verband – als nicht natürlichem Marktteilnehmer – überlassen. Denn ebenso hätten sie ja jeden Dritten mit der koordinierten Aktion beauftragen können. An diesem formalen „Rollenspiel“ darf die Immanenzbeurteilung (noch) nicht scheitern. Vielmehr ist materiell zu prüfen, ob die oben dargelegten Voraussetzungen für eine dem Verband in seiner typisierten Form immanente Wettbewerbsbeschränkung vorliegen. Zu den „Rechtfertigungsmöglichkeiten“ des GWB gesellen sich noch „europäische“108 : dd) Freistellung (Art. 85 III EGV) Die Freistellung durch die Kommission nach Art. 85 III EGV ist an enge Voraussetzungen geknüpft. Sie wird das Kartell im Ergebnis auch für den deutschen Rechtsanwender und auch hinsichtlich § 1 GWB freistellen. Auch hier wird u. a. vorausgesetzt, daß die Wettbewerbsbeschränkungen zur Erreichung ihrer Zielset104 Van Miert, Der Sport und das Gemeinschaftsrecht, Vortrag v. 05. 05. 1997, anläßlich der Konferenz der Spitzenverbände DSB und NOK in Brüssel, S. 23. Schriftliche Fassung – soweit ersichtlich, noch nicht veröffentlicht – liegt der Verf. vor. 105 Siehe vorhergehende Anm., S. 16 f. 106 So auch Fleischer, WuW 1996, 473 (482 f.). 107 BGH Beschluß v. 11. 12. 1997, KVR 7/96, S. 21 (später veröffentlicht in NJW 1998, 756). 108 Eine Zusammenstellung der aktuellen „Bereichsausnahmen“ von Art. 85 I EGV findet sich bei Fritzsche, ZHR 160 (1996), 31 ff.

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zung unerläßlich sind und daß die Verbraucher an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden. ee) Tatbestandsrestriktion des Art. 85 I EGV – „rule of reason“ Auch im europäischen Kartellrecht wird eine Tatbestandsrestriktion – angelehnt an die Rule-of-reason-Doktrin im amerikanischen Antitrust-Recht – befürwortet.109 Eine einheitliche Praxis besteht insofern noch nicht; die Kommission, EuG und EuGH haben den Gedanken aber schon wiederholt aufgegriffen.110 Hierbei werden die Vor- und Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung gegeneinander abgewogen; bei Überwiegen der Vorteile wird das Kartellverbot nicht angewendet. Betroffen sind vor allem Bereiche, die im deutschen Kartellrecht schon gesetzlich oder durch die Immanenztheorie ausgenommen sind. Auf offenkundige Verstöße gegen Art. 85 I EGV ist diese Doktrin jedenfalls nicht anwendbar.111 b) Diskriminierung und unbillige Behinderung Im Bereich der Diskriminierung bzw. Behinderung (§ 26 II GWB, Art. 86 EGV) entscheidet letztlich eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts112 darüber, ob ein Verhalten als Mißbrauch oder als sachlich nicht gerechtfertigt bzw. unbillig qualifiziert werden kann. Sachliche Rechtfertigungen für die Verweigerung der Zulassung eines Sportlers zum Wettkampf sind sicherlich die sportlichen Anforderungen, wenn sie inhaltlich diskriminierungsfrei sind und diskriminierungsfrei gehandhabt werden. Gesetzwidrige Zwecke113 wie eine im konkreten Fall gegen § 1 GWB verstoßende Zentralvermarktung oder Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von Athleten114 können die Startverweigerung freilich nicht rechtfertigen. Vereinbar mit § 26 II GWB und Art. 86 EGV sind Beschränkungen und Vereinheitlichungen aus Sicherheitsgründen (Gesundheit und Leben der Beteiligten), zur Gewährleistung eines ungestörten Spielablaufs oder einer störungsfreien Ligasaison, zur Sicherstellung der Chancengleichheit, zur Unterscheidbarkeit der geg109 Ausführlich zur „rule of reason“ und zu einer Tatbestandsrestriktion des Art. 85 I EGV: Fleischer, WuW 1996, 473 (478 ff.). 110 EuGH Slg. I 1991, 977 (983 ff.) = EuZW 1991, 376 (377 f.); Slg. 1989, 2565 (2575). 111 EuG Slg. II 1992, 1155 (1249 ff.) – Montedipe. 112 BGHZ 52, 65 (71) – Sportartikelmesse II; BGHZ 56, 327 (336) – Feld und Wald I; BGHZ 78, 190 (196 ff.) – Rote Liste; Langen/Bunte-Schultz, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 7. Aufl., Neuwied u. a. 1994, § 26 Rdnr. 48. 113 Vgl. BGH WuW/E BGH 2828 = WM 1993, 917; BGHZ 83, 238 (241 ff.) = NJW 1982, 1759 – Meiereizentrale. 114 Zur erforderlichen Einwilligung siehe Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl., München 1995, Rdnr. 2732 ff.; Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: ders. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart u. a. 1996, S. 53 (82).

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nerischen Mannschaften. Hier muß man den Verbänden wegen der Verbandsautonomie gewisse Spielräume belassen.115 Möglicherweise können auch Beschränkungen mit Finanzierungszwecken im einzelnen gerechtfertigt sein, z. B. Werbebeschränkungen, soweit sie dem Veranstalter eines Sportwettkampfes die Deckung des Veranstaltungsetats sichern. Sie dürfen aber nicht darüber hinausgehen. Mit Einhaltung dieser Werbebeschränkungen erfüllen dann die Sportler nur die im Sport allgemein geltenden wechselseitige Förder- und Rücksichtnahmepflichten, denn die Veranstaltung kommt ja auch den Sportlern zugute. Ein allgemeines Finanzierungsinteresse hingegen kann Beschränkungen nicht rechtfertigen.

IV. Schlußbetrachtung Den sozialen und wirtschaftlichen Machtpositionen im Sport sind rechtliche und insbesondere kartellrechtliche Grenzen gezogen. Der exakte Verlauf dieser Grenzen ist lange nicht gesteckt. Hier besteht noch erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf, nicht zuletzt weil einerseits der Umgang mit der auch wirtschaftlichen Macht im Sport wettbewerbspolitisch noch nicht ausdiskutiert ist und weil sich andererseits im gewandelten Sport auch Rechtsformprobleme stellen. Es gibt gleichwohl zahlreiche auch vom Kartellrecht zu berücksichtigende Aspekte, die dafür sorgen, daß das „scharfe Schwert“ des Kartellrechts im Ergebnis doch etwas stumpfer sein wird als von seiten des Sports oft befürchtet.

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So auch Fleischer, WuW 1996, 473 (482 f.).

Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Bosman-Urteil des EuGH vom 15. 12. 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundlagen der Vereins- und Verbandsautonomie im deutschen und europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematisierung aktueller Konflikte zwischen der Vereins- bzw. Verbandsautonomie und dem Europarecht, insbesondere den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freizügigkeit (Art. 48 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Niederlassungsfreiheit (Art. 52 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 67 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wettbewerbsrecht (Art. 85 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Subventionsverbot (Art. 92 I EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konfliktlösungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung „Sportvereine in Europa zwischen Markt und Staat“ ist das Thema der 4. Sommer-Universität in Münster. Es ist hervorragend ausgewählt, zeigt es doch eine höchst interessante Spannungssituation auf. Das selbstgesetzte Recht der Sportverbände, das manches Mal den Vereinen und Athleten Probleme bereitet hat (z. B. Doping), hat in den letzten Jahren vielfältige Anpassungen durchgemacht, deren Ursachen sich stichworthaft mit Professionalisierung und Kommerzialisierung beschreiben lassen. Insbesondere das Sponsoring hat in seinem Variationsreichtum auf allen Ebenen den Sport ergriffen. Die frühere Scheu vor Kontakt mit der Wirtschaft ist aufgegeben worden. Sportvereine konkurrieren nicht mehr allein um Mitglieder und Zuschauer, sondern auch um Sponsoren. Sie sind – gleich ob gewollt oder nicht gewollt, bewußt oder nicht bewußt – zu Marktteilnehmern geworden. Ein ähnlicher Szenenwechsel ist durch die Professionalisierung (Trainer, Athleten, * Erstveröffentlichung in D.H. Jütting (Hrsg.), Sportvereine in Europa zwischen Staat und Markt, Münster 1999, S. 114 – 133. Die Vortragsfassung wurde im wesentlichen beibehalten, jedoch um die Fußnoten ergänzt.

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Funktionäre) eingetreten. Mit dem Wechsel vom Amateur zum Profi und vom ehrenamtlichen Funktionär zum Manager ist der Weg in den Arbeitsmarkt eröffnet. Mit dieser Entwicklung ist nicht nur eine Unterwerfung unter die Marktgesetze, sondern auch eine stärkere Integration in die Rechtsordnung einhergegangen. Die prinzipiell von der deutschen Rechtsordnung anerkannte Autonomie der Vereine und Verbände – ich werde später im einzelnen darauf zurückkommen – gerät zunehmend auf den Prüfstand der Kritik und in die Mühlen der Justiz. Das – von Juristen kaum gestörte – Vereinsleben im „rechtsfreien Raum“ fand in der Bundesrepublik Deutschland sein Ende mit dem sog. Bundesliga-Skandal der Saison 1970/71.1 Daß der damalige „Chefankläger“ des Deutschen Fußballbundes, Herr Kindermann, allen Ernstes betonte, Sportrecht gehe staatlichem Recht vor, mutet heute als lebensfremder Anachronismus an. Auf europäischer Ebene bedeutete das Bosman-Urteil des EuGH vom 15. 12. 19952 einen ähnlichen Paukenschlag wie seinerzeit der Bundesliga-Skandal. Für die juristische Fachwelt waren dabei die bei den Sportverbänden ausgelösten Irritationen überraschend. Offenbar hatte man in den Sportorganisationen zu wenig über den „nationalen Tellerrand“ hinausgesehen. Deshalb ist es wichtig, sich auch über die Folgewirkungen des Bosman-Urteils Klarheit zu verschaffen. Schließlich dürfte manchem noch die erbitterte Diskussion in der Erinnerung sein, die das Urteil des BGH vom 11. 12. 19973 zur kartellrechtlichen Unzulässigkeit der Zentralvermarktung der UEFA-Cup-Heimspiele deutscher Fußballvereine hervorrief. Deutlich wurde, daß sich der Sport in seiner ökonomischen Dimension dem Wirtschaftsrecht, insbesondere dem Kartellrecht, nicht entziehen kann. Die mit der Kartellrechtsnovelle vorgesehene Bereichsausnahme für den Sport ist politisch motiviert und in ihrer Wirkung angesichts europäischer Sportmärkte begrenzt. Die Äußerungen des zuständigen Wettbewerbs-Kommissars van Miert4 machen jedenfalls deutlich, daß die EU-Kommission nicht bereit ist, den Sport generell aus dem Anwendungsbereich der Art. 85 und 86 EGV herauszunehmen. Ich werde im folgenden zunächst auf das Bosman-Urteil eingehen, das sich als Initialzündung für neue Rechtsentwicklungen begreifen läßt (dazu II.). Danach werde ich die Grundlagen der Vereins- und Verbandsautonomie nach deutschem und europäischem Recht darstellen (dazu III.) und eine Folgeprognose versuchen. Dazu werde ich die bereits jetzt erkennbaren Konflikte zwischen der Vereins- bzw. Verbandsautonomie einerseits und dem europäischen Recht andererseits systema1

Vgl. dazu die Dokumentation von R. Rauball, Bundesliga-Skandal, Berlin/New York 1972, passim sowie FAZ v. 05. 06. 1996, S. 40. 2 EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman) Slg. 1995 I, 4921 ff. = NJW 1996, 505 ff. = SpuRt 1996, 59 ff., vgl. hierzu W. Arens, SpuRt 1996, 39 ff.; M. Hilf/E. Pache, NJW 1996, 1169 ff.; H. P. Westermann, Die Entwicklung im bezahlten Fußballsport nach dem Bosman-Urteil, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Sport, Kommerz und Wettbewerb, Stuttgart 1998, S. 27 ff. 3 BGHZ 137, 297 ff. = SpuRt 1998, 28 ff. = NJW 1998, 756 ff. 4 Vgl. FAZ v. 14. 07. 1998, S. 35.

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tisieren, indem ich auf die europarechtlichen Vorgaben der Grundfreiheiten, der wesentlichen kartellrechtlichen Bestimmungen und des Subventionsverbots zurückgreife (dazu IV.). Abschließend möchte ich mögliche Konfliktlösungen vorstellen (dazu V.).

II. Das Bosman-Urteil des EuGH vom 15. 12. 1995 1. Sachverhalt Der belgische Profifußballer Jean-Marc Bosman schloß mit dem französischen Zweitligisten US Dünkirchen nach Ablauf seines Vertrages mit dem belgischen Erstligisten RC Lüttich im Jahre 1990 einen Arbeitsvertrag. Der Transfer scheiterte, da der RC Lüttich aufgrund von Zweifeln, ob US Dünkirchen die vereinbarte Transferentschädigung bezahlen könne, die Freigabe durch den belgischen Fußballverband (URBSFA) verhinderte, indem er es unterließ, die Übermittlung des Freigabescheins an den französischen Fußballverband (FFF) zu beantragen. In seiner vor einem belgischen Gericht gegen den RC Lüttich und die URBSFA, später auch gegen die UEFA erhobenen Klage beantragte Bosman, die Transferregeln und die Ausländerklauseln für auf ihn nicht anwendbar zu erklären und verlangte, den ihm durch die Anwendung dieser Vorschriften entstandenen Schaden zu ersetzen. 2. Entscheidungsgründe In dem Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 177 EGV kommt der EuGH zu dem Ergebnis, daß die in Verbandsregelungen vorgesehene Transferentschädigung einen Berufsfußballer aus einem EU-Mitgliedstaat dann in unzulässiger Weise in seiner Freizügigkeit gem. Art. 48 EGV beeinträchtigt, wenn er nach Ablauf seines Vertrages zu einem Verein in einem anderen EU-Mitgliedstaat wechseln will. Ein Fußballprofi sei als Arbeitnehmer i.S.d. Art. 48 EGV einzustufen. Zwar liege keine Verletzung des Diskriminierungsverbots aus Art. 48 II EGV vor, da für einheimische Berufsfußballer dieselben Transferregeln gälten. Art. 48 EGV enthalte darüber hinaus jedoch ein umfassendes Beschränkungsverbot. Verboten seien solche Bestimmungen, welche die Inanspruchnahme des Rechts auf Freizügigkeit erschweren oder verhindern.5 Die Transferregeln hinderten in diesem Sinne einen Spieler daran, zu einem Verein in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu wechseln, wenn dieser keine Transferentschädigung6 zahle. Ein Verstoß gegen das Beschränkungsverbot 5

EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I, 4921 (5069) (Tz. 96) = NJW 1996, 505 (510) = SpuRt 1996, 59 (61). 6 Der Urteilstenor lautet hinsichtlich der Transferentschädigung: „Art. 48 EWGV steht der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen ein Berufsfußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, bei Ablauf des Vertrages, der ihn an einen Verein bindet, nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedstaats be-

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sei nur zulässig, wenn die Transferregeln einen mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarenden berechtigten Zweck verfolgen würden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wären und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren würden. Sowohl unter dem Aspekt der Wahrung eines sportlichen und finanziellen Gleichgewichts zwischen den Vereinen als auch unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung für die Ausbildung und Förderung der Spieler verneint der EuGH im Fall Bosman, daß ausnahmsweise der Verstoß gegen das Beschränkungsverbot zulässig ist. Ebenso erklärt der EuGH die Beschränkung des Einsatzes von ausländischen Spielern aus EU-Mitgliedstaaten für unvereinbar mit Art. 48 EGV. Zwar dürfe ein Verein beliebig viele EU-Ausländer unter Vertrag nehmen. Er werde hierauf jedoch in der Praxis insoweit verzichten, als er solche Spieler aufgrund von Ausländerklauseln nicht mehr im Spiel einsetzen dürfe. Hierin liege eine Diskriminierung der Spieler gegenüber inländischen Fußballprofis.7 Auch hinsichtlich der Ausländerklauseln läßt der EuGH keinen Rechtfertigungsgrund gelten. Die Ausländerklauseln beträfen den Kernbereich der Tätigkeit eines Fußballprofis und könnten somit nicht als sportspezifische Ausnahme verstanden werden. Weder unter dem Gesichtspunkt des nationalen Charakters der Profiligen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten noch als Grundlage für eine Versorgung der Nationalmannschaft mit einheimischen Spielern ließen sich Ausländerklauseln rechtfertigen.8 Die Frage, ob die Ausländerklauseln und die Transferregelung gegen das Kartellverbot des Art. 85 EGV verstoßen, läßt der EuGH offen. Nach Ansicht des Generalanwalts Lenz9 und der wohl herrschenden Auffassung in der juristischen Literatur10 ist ein solcher Verstoß zu bejahen. Für Fachleute war das Bosman-Urteil des EuGH keine Überraschung. Bereits frühere Entscheidungen – Donà11, Walrave12 – wiesen in diese Richtung. Die faktischen Auswirkungen – z. B. der teilweise starke zahlenmäßige Rückgang deutschäftigt werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung gezahlt hat.“ 7 EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I, 4921 (5074) (Tz. 120) = NJW 1996, 505 (511) = SpuRt 1996, 59 (62). Hinsichtlich der Ausländerklauseln lautet der Urteilstenor: „Art. 48 EWGV steht der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen die Fußballvereine bei den Spielen der von diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur eine begrenzte Anzahl von Berufsspielern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen können.“ 8 EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I, 4921 (5077) (Tz. 131 ff.) = NJW 1996, 505 (511) = SpuRt 1996, 59 (62); vgl. schon EuGH, Rs. 13/76 (Donà ./. Mantero), Slg. 1976, 1333 (1340 f.). 9 Vgl. Generalanwalt C.O. Lenz, Schlußantrag zu Rs. C-415/93 (Bosman), EuGRZ 1995, 459 ff. 10 R. Streinz, SpuRt 1998, 89 (92 f.) m. w. N. 11 EuGH, Rs. 13/76 (Donà ./. Mantero), Slg. 1976, 1333 (1338 ff.). 12 EuGH, Rs. 36/74 (Walrave und Koch ./. Union Cycliste Internationale), Slg. 1974, 1405 (1418 ff.) = NJW 1975, 1093 (1094).

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scher Nachwuchssportler in den obersten Ligen13 – waren als Marktreaktionen ebenfalls vorhersehbar.

III. Grundlagen der Vereins- und Verbandsautonomie im deutschen und europäischen Recht 1. Deutsches Recht Unter Vereins- und Verbandsautonomie wird die vom Staat abgeleitete Kompetenz der Vereine und Verbände verstanden, in eigenen Angelegenheiten Normen zu setzen, anzuwenden und ggf. auch durchzusetzen, also z. B. Doping zu verbieten und Sperren zu verhängen. Die Grundlagen dieser Autonomie unterscheiden sich nach dem Vereins- bzw. Verbandstyp. Die durch Inlandssitz und dominierenden Einfluß deutscher Mitglieder gekennzeichneten deutschen Sportvereine und -verbände sind durch Art. 9 I GG geschützt.14 Danach haben alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Geschützt ist der Bestand der Vereinigung und ihre funktionsgerechte Betätigung.15 Auf einfachgesetzlicher Ebene bildet § 25 BGB die zentrale Grundlage der Vereins- und Verbandsautonomie. § 25 BGB lautet: „Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt.“ Vor allem in den Fällen faktischer Zwangsmitgliedschaft – wie sie beispielsweise im monopolartig strukturierten Sportverbandswesen gegeben ist – bedarf die Vereinsund Verbandsautonomie der Konkretisierung durch die Rechtsprechung. Diese hat in den letzten Jahren tendenziell den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Vereins- und Verbandsentscheidungen ausgedehnt. Kontrollmaßstab ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).16 2. Europäisches Recht Das EU-Recht kennt keinen eigenen „Sport-Artikel“. Zwar war ein solcher für die Reformkonferenz „Maastricht II“ in der Diskussion,17 wurde aber nicht realisiert. Ohne eine ausdrückliche Überführung in das Gemeinschaftsrecht wurde hin13 Ein besonders drastisches Beispiel stellt der Judoclub Saar dar. Die Mannschaft des Damen-Bundesligaclubs besteht ausschließlich aus englischen Kämpferinnen. Vgl. FAZ v. 16. 09. 1997, S. 39. 14 Vgl. zur Verbandsautonomie der deutschem sowie ausländischem Recht unterstellten internationalen Sportverbände K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 154 ff. 15 K. Vieweg (Fn. 14), S. 151 ff. m. w. N. 16 Vgl. hierzu im einzelnen V. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart u. a. 1997, S. 19 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung. 17 Vgl. hierzu auch M. Hilf/E. Pache, NJW 1996, 1169 (1170) m. w. N.

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gegen in der Erklärung Nr. 29 zum Amsterdamer Vertrag die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, insbesondere die Rolle, die ihm bei der Identitätsfindung und der Begegnung der Menschen zukommt, unterstrichen. Verbunden war damit der Appell an die Gremien der Europäischen Union, bei wichtigen den Sport betreffenden Fragen die Sportverbände anzuhören, wobei die Besonderheiten des Amateursports besonders berücksichtigt werden sollen.18 Der europäische Gesetzgeber hat bislang auf eine spezielle Regelung der Vereins- bzw. Verbandsautonomie verzichtet, setzt sie aber im Entwurf einer Verordnung des Rates über das Statut des Europäischen Vereins19 voraus. Hiermit sollen die Schwierigkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Vereine dadurch beseitigt werden, daß angemessene rechtliche Instrumente zur Verfügung gestellt werden. Art. 1 Nr. 2 des Entwurfs des Statuts des Europäischen Vereins lautet: „Vorbehaltlich der Anwendung der rechtlichen und administrativen Vorschriften für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit oder eines Berufs auf einzelstaatlicher Ebene kann der Europäische Verein seine für die Verwirklichung seines Zwecks notwendigen Tätigkeiten frei bestimmen, sofern diese mit den Zielen der Gemeinschaft sowie mit der öffentlichen Ordnung in der Gemeinschaft und in den Mitgliedstaaten vereinbar sind. Er verfolgt diese Tätigkeiten unter Wahrung der Grundsätze, die sich aus seiner Eigenschaft als Personenvereinigung und aus der Tatsache herleiten, daß er keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hat.“ Der EuGH hat die Vereinigungsfreiheit in zwei Entscheidungen als Grundrecht anerkannt.20 Zur Begründung hat er zum einen auf Art. 11 EMRK zurückgegriffen, der im Rahmen der Vereinigungsfreiheit den Zusammenschluß und die Tätigkeit zum Zwecke der Vereinigung schützt.21 Weiterhin stützt der EuGH die Vereinigungsfreiheit – mangels eines europäischen Grundrechtskatalogs – auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, die gem. Art. F II EUV auch durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.22 Zur Verei18 ABl. 1997 Nr. C 340, S. 136; vgl. zum Schutz des Sports im Gemeinschaftsrecht auch R. Streinz, SpuRt 1998, 96. 19 Entwurf einer Verordnung des Rates über das Statut des Europäischen Vereins, KOM (91) 273 endg. – SYN 386 (05. 03. 1992)/ABl. C 99 v. 21. 04. 1992; Ergänzungsvorschläge COM (93) 252 endg. – COD 93386 und COD 93387, ABl. C 236 vom 31. 08. 1993. 20 EuGH, Rs. 175/73, Slg. 1974, 917 (925) (Gewerkschaftsbund); EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I, 4921 (5065) (Tz. 79) = NJW 1996, 505 (509) = SpuRt 1996, 59 (60). 21 Vgl. J. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Straßburg 1996, Art. 11, Rdnr. 6 ff. 22 EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I, 4921 (5065) (Tz. 79) = NJW 1996, 505 (509) = SpuRt 1996, 59 (60); vgl. hierzu Art. 9 GG sowie Art. 27 Belgische Verfassung; § 78 Dänische Verfassung; Art. 12 Griechische Verfassung; Art. 40 VI c Irische Verfassung; Art. 18 Italienische Verfassung; Art. 26 Luxemburgische Verfassung; Art. 8 Niederländische Verfassung; Art. 46 Portugiesische Verfassung; § 1 Nr. 5 Schwedische Verfassung u. Art. 22 Spanische Verfassung (l.c. P. Tettinger, Die Dopingproblematik im Lichte der europäischen Grundrechtediskussion, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, Berlin 1998, S. 93 f.).

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nigungsfreiheit im gemeinschaftsrechtlichen Sinne gehört die interne Normsetzungsbefugnis der Vereine.23 Geschützt sind der Bestand und die funktionsgerechte Betätigung der Vereine. Die kollektive Vereinigungsfreiheit umfaßt die Bestimmungen des Vereinigungszwecks, das Verfahren der internen Willensbildung und die Festlegung der Art und Weise, wie der Vereinigungszweck umgesetzt wird.24

IV. Systematisierung aktueller Konflikte zwischen der Vereins- bzw. Verbandsautonomie und dem Europarecht, insbesondere den Grundfreiheiten Die sportrechtliche Dimension der Problematik wird anschaulich, wenn man einige aktuelle, bereits praktisch gewordene Konfliktfälle um noch theoretische Fälle ergänzt und anschließend mit Blick auf das Europarecht, insbesondere die Grundfreiheiten, systematisiert. Insofern erweist es sich als großer Vorteil, daß Konflikte im Sport häufig öffentlich über die Medien ausgetragen werden. 1. Freizügigkeit (Art. 48 ff. EGV) Art. 48 I EGV begründet als eine der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Jeder Arbeitnehmer kann zum Zweck unselbständiger Erwerbstätigkeit in jeden Mitgliedstaat der EU einreisen und sich dort dauerhaft aufhalten. Gem. Art. 48 II EGV genießt er hierbei die gleichen Rechte wie die Arbeitnehmer des Aufnahmestaates; jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung eines Arbeitnehmers hinsichtlich Beschäftigung, Entlohnung und sonstiger Arbeitsbedingungen ist innerhalb der EU zwischen Unionsangehörigen verboten. Mit diesem Gebot der Inländergleichbehandlung, das auch in Privatrechtsverhältnissen wirkt (sog. Drittwirkung)25, wird das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV konkretisiert. Eine weitere Konkretisierung erfolgt durch Art. 4 VO 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft26 dahin, daß nationale Vorschriften, die die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer zahlen- oder anteilsmäßig beschränken, nicht auf Unionsbürger angewendet werden.27

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EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I,.4921 (5065) (Tz. 81) = NJW 1996, 505 (511) = SpuRt 1996, 59 (62).; M. Krogmann, Grundrechte im Sport, Berlin 1998, S. 196. 24 L. Gramlich, DÖV 1996, 801 (807). 25 Vgl. H. Jarass/B. Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 1995, Art. 1, Rdnr. 24 m. w. N. 26 ABl. 1968 L 257/2. 27 Vgl. M. Hilf/E. Pache, NJW 1996, 1169 (1172).

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Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa

Die strikte Anwendung der Freizügigkeit würde zu ungewollten Ergebnissen führen.28 Deshalb nennt Art. 48 III u. IV EGV als Ausnahmen insbesondere Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Außerdem können Beschränkungen aus „zwingenden Gründen des Gemeinwohls“ gerechtfertigt sein. Diese setzen dreierlei voraus: unterschiedslos geltende Maßnahmen, legitimiertes Allgemeininteresse und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.29 Neben den bereits im Bosman-Urteil des EuGH relevanten Ausländerklauseln und Transferregelungen30 machen folgende Fälle die Problematik deutlich: (1) Einsatz eines national wegen Dopings gesperrten Spielers in einem anderen Mitgliedstaat Dem Handball-Bundesligaclub SG-Hameln wurden vier Punkte abgezogen, weil er den in seinem Heimatland Island wegen Dopings bis zum 09. 09. 1998 gesperrten Spieler Finur Johannsson bereits Ende Januar eingesetzt hatte. Der europäische Verband hatte mitgeteilt, daß die Spielgenehmigung für Johannsson, der 1996 als Leichtathlet Kokain konsumiert haben soll, mit Stichtag 22. 01. 1998 aufgehoben sei.31 Hier stellen sich die interessanten Fragen, ob die unterschiedliche Anwendung von Verbands-Dopingregelungen als Beschränkung der Freizügigkeit angesehen werden kann und ob Dopingregelungen überhaupt zur Rechtfertigung von Freizügigkeitsbeschränkungen herangezogen werden können. (2) Verhandlungsverbot während laufenden Vertrages Ajax Amsterdam beschuldigt FC Barcelona, gegen die FIFA-Statuten zu verstoßen, nach denen Spieler, die noch bei einem anderen Club unter Vertrag stehen, nicht zu einem Wechsel bewegt werden dürfen. Barcelona will die Zwillingsbrüder Frank und Ronald de Boer, die in Amsterdam noch einen Vertrag bis 2004 haben, für umgerechnet etwa 35 Mio. DM „kaufen“.32

2. Niederlassungsfreiheit (Art. 52 ff. EGV) Die Niederlassungsfreiheit gewährleistet die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, bei der in dem anderen 28

So ist fraglich, ob es gewollt ist, daß auch eine nur aus Ausländerinnen bestehende Mannschaft deutscher Meister werden kann, vgl. Fn. 13. 29 EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I, 4921 (5071) (Tz. 104) = NJW 1996, 505 (510) = SpuRt 1996, 59 (61); vgl. zu Art. 30 EGV R. Geiger, EG-Vertrag, Kommentar, 2. Aufl., München 1995, Art. 30, Rdnr. 19. 30 Anhängig ist vor dem EuGH noch das Verfahren Lehtonen Rs. C-51/96, in dem es um die Anwendbarkeit des Bosman-Urteils auf Spielerwechsel innerhalb der Transferperiode des belgischen Basketball-Verbands geht. 31 FAZ v. 22. 01. 1998, S. 34; FAZ v. 24. 01. 1998, S. 33; FAZ v. 07. 03. 1998, S. 33. 32 FAZ v. 15. 08. 1998, S. 30 u. FAZ v. 12. 09. 1998, S. 31.

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Mitgliedstaat ein ständiger Geschäftssitz begründet wird.33 Insofern handelt es sich ebenfalls um einen Ausfluß des Grundsatzes der Inländergleichbehandlung. Ob im konkreten Fall ein Verstoß gegen Art. 52 EGV vorliegt, beurteilt sich nach den in Art. 55 und 56 EGV genannten bzw. vom EuGH anerkannten Ausnahmen34: @ Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 55 EGV), @ Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 56 EGV), @ Anwendung der behindernden nationalen Maßnahmen in nichtdiskriminierender Weise, Rechtfertigung der Maßnahme aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls sowie Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecks.35 Die Anwendung der Niederlassungsfreiheit kommt beispielsweise in folgenden, noch theoretischen Fallgestaltungen in Betracht: @ Gründung einer Vermarktungsgesellschaft zum Zwecke besseren Merchandisings und / oder einer Fernsehgesellschaft36 durch einen Verein, der in einem anderen Mitgliedstaat seinen Sitz hat; @ Gründung oder Übernahme einer Football Club Ltd. in Großbritannien durch einen deutschen Bundesligaverein, um z. B. langfristig Talente für den deutschen Mutterverein zu fördern und an sich zu binden.

3. Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 ff. EGV) Die Dienstleistungsfreiheit gewährleistet, daß der Leistungserbringer seine entgeltlichen Leistungen zeitlich begrenzt, d. h. vorübergehend, grenzüberschreitend in einem anderen Mitgliedstaat erbringen darf, als in demjenigen, in dem er ansässig ist, ohne daß es zur Gründung einer selbständigen gewerblichen Niederlassung kommt.37 Insofern handelt es sich ebenfalls um einen Ausfluß des Grundsatzes der Inländergleichbehandlung. Ob im konkreten Fall ein Verstoß gegen Art. 59 EGV vorliegt, beurteilt sich wegen des Verweises in Art. 66 EGV auf Art. 55 und 56 EGV nach den für die Niederlassungsfreiheit geltenden Grenzen. Daneben können 33 Vgl. G. Nikolaysen, Europarecht II, Baden-Baden 1996, S. 185 ff; C.O. Lenz, EG-Vertrag, Kommentar, Köln 1994, Art. 52, Rdnr. 2. 34 Vgl. zur Diskussion, ob Art. 52 EGV nur „versteckte Diskriminierungen“ verbietet oder darüber hinaus ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält, P. Troberg, in: v.d. Groeben/ Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Bd. I, 5. Aufl., Baden-Baden 1997, Art. 52, Rdnr. 46 ff.; G. Nikolaysen, (Fn. 33), S. 185 ff. 35 Vgl. EuGH, Rs. C-19/92, Slg. 1993 I, 1689 (1697) (Tz. 32) (Kraus); EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995, 4165 (4197) (Tz. 37) (Gebhard). 36 Nach der Pressemitteilung in der FAZ v. 11. 08. 1998, S. 27, hat Manchester United als erster Fußballclub der Welt einen eigenen Fernsehsender installiert. 37 A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1997, Rdnr. 1672.

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auch hier zwingende Gründe des Allgemeinwohls beachtlich sein.38 Die Praxis ist insofern noch nicht genau absehbar.39 Eine Reihe aktueller Fälle belegt die praktische Bedeutung der „mobilen Dienstleister“ im Sportbereich:40 (1)

Geplante Europaliga der europäischen Spitzenfußballclubs Die UEFA kritisiert die Pläne europäischer Spitzenclubs, vom Jahr 2000 an in einer eigenen Superliga zu spielen, und droht den Vereinen mit einem Ausschluß aus der UEFA.41 Hinter diesen Plänen dürften Überlegungen stehen, die von der UEFA veranstaltete Champions-League durch ein Veranstaltungsmodell zu ersetzen, das unmittelbar den Vereinen durch Sponsoring und Verkauf von Fernsehrechten größere Einnahmen sichert.42

(2)

Austragung der Heimspiele in einem Stadion, das in einem anderen Mitgliedstaat liegt Der FC Wimbledon, Verein der englischen Premier League, verfügt seit über sechs Jahren nicht über ein eigenes Stadion. Seitdem spielt man im benachbarten Selhurst Park, das Crystal Palace gehört. Der Verein wird vom Libanesen Sam Hammam geführt. Die Mehrheitsanteile hatte Hammam im vergangenen Jahr an zwei norwegische Geschäftsleute für umgerechnet 75 Mio. DM verkauft. Unterstützt vom Bosman-Anwalt Jean-Louis Dupont strebt Wimbledon an, die Heimspiele in Dublin auszutragen. Wimbledon will in Dublin knapp 300 Mio. DM in ein neues Stadion investieren.43 Man erwartet, dort in einem vollen Stadion zu spielen, da Dublin die größte Stadt Europas ohne einen erstklassigen Fußballclub ist. Mit dem Wunsch, in die Stadt Dublin umzuziehen, stößt der FC Wimbledon auf massiven Widerstand der FIFA, der UEFA und des irischen Fußballverbands FAI.44

(3)

Unterlassene Nominierung eines Sportlers zu internationalen Veranstaltungen Die belgische Judoka Christelle Deliège klagt vor dem EuGH gegen die nationalen Sportverbände Ligue Francophone de Judo sowie Ligue Belge de Judo, weil diese sie nicht zu einem internationalen Qualifikationsturnier für

38 39

V.

Vgl. EuGH, Rs.C-288/89, Slg. 1991, 4035 (4040 f.) (Tz. 13 f.) (Stichting Gouda). Vgl. zu den Ausführungen des Wettbewerbskommissars K. van Miert im einzelnen unten

40 Vgl. zur Drittwirkung der Art. 59 ff EGV R. Streinz, SpuRt 1998, 45 m. w. N. aus der Rechtsprechung des EuGH. 41 FAZ v. 24. 07. 1998, S. 31. 42 Mittlerweile haben sich die Vereine mit der UEFA auf eine Neugestaltung der Champions-League geeinigt, die zu höheren Einnahmen der Vereine führen soll. Vgl. FAZ v. 03. 12. 1998, S. 39 u. FAZ v. 15. 12. 1998, S. 32. 43 FAZ v. 13. 02. 1998, S. 31. 44 FAZ v. 11. 02. 1998, S. 25.

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die Olympischen Spiele 1996 nominiert hatten.45 Deliège war Amateurin, jedoch Anwärterin auf den Profi- bzw. Halbprofi-Status, weil sie eine Vergütung für ihre Aktivitäten erhielt. Das belgische erstinstanzliche Gericht Namur hat dem EuGH folgende Fragen gem. Art. 177 EGV vorgelegt: Ist die Regelung eines internationalen Sportverbands, die für die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb eine Erlaubnis oder eine Auswahl durch den nationalen Verband verlangt, mit Art. 59 – 65, 85 und 86 EGV vereinbar? Ist es insbesondere mit dem EGV vereinbar, daß nur eine bestimmte Anzahl von Athleten der gleichen Nationalität an internationalen Ereignissen teilnehmen dürfen? (4)

Vergabe der WM-Tickets durch das Organisationskomitee Der Wettbewerbskommissar der EU-Kommission, Karel van Miert, sah in dem Verkauf von Eintrittskarten überwiegend an die Fußballverbände der 32 teilnehmenden Mannschaften und an französische Zuschauer eine Diskriminierung der nicht organisierten Zuschauer außerhalb Frankreichs. Neben dem von van Miert herangezogenen Art. 86 EGV46 ist auch der Aspekt zu berücksichtigen, daß es aus Sicht der ausländischen Zuschauer um den Empfang von Dienstleistungen geht.

(5)

Teilnahme ausländischer Vereinsmannschaften in den Ligen eines anderen Mitgliedstaats Es ist geplant, daß österreichische Eishockeymannschaften in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ab der Saison 1999/2000 spielen.47

(6)

Einsatz ausländischer Profi-Schiedsrichter in den Ligen eines anderen Mitgliedstaates Es liegt ein Grundsatzbeschluß der DEL-Clubs vor, daß im Eishockey ausländische Profischiedsrichter eingesetzt werden können.48

(7)

Einsatz eines mobilen Dopinglabors und von Dopingkontrolleuren aus einem anderen Mitgliedstaat

(8)

Genehmigungserfordernis für die Veranstaltung eines internationalen Wettbewerbs Verbreitet sehen die betreffenden nationalen sowie internationalen Sportverbände vor, daß internationale Sportveranstaltungen, also Dienstleistungen, nur

45

Der Fall Deliège Rs. C-176/96 ist vor dem EuGH anhängig. FAZ v. 25. 03. 1998, S. 19; FAZ v. 14. 07. 1998, S. 35. 47 Auskunft des Treuhänders der DEL-Clubs und Geschäftsführers der Ligagesellschaft, Rechtsanwalt Bernd Schäfer III. 48 Auskunft des Treuhänders der DEL-Clubs und Geschäftsführers der Ligagesellschaft, Rechtsanwalt Bernd Schäfer III. 46

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Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa

dann stattfinden dürfen, wenn sie vorher auf Antrag des Veranstalters von ihnen genehmigt worden sind.49 (9)

Zertifizierung und sonstige Prüfung von Sportgeräten durch Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat

(10) Ausschluß eines nationalen Sportverbands und seiner Vereine von Wettbewerben des internationalen Verbands Ausschluß des polnischen Fußballverbands und seiner Vereine von internationalen Wettbewerben wegen des von den UEFA-Regelungen verbotenen Einflusses des polnischen Staates.50 (11) Trainerlizensierung51 Probleme entstehen für Trainer, Sportlehrer, Betreuer usw., wenn ihre durch ihre nationalen Verbände ausgestellten Diplome und Befähigungsnachweise in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht anerkannt werden.52

4. Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 ff. EGV) Der EU-Vertrag sieht die völlige Aufhebung aller einzelstaatlichen Maßnahmen vor, die den innergemeinschaftlichen Handel behindern. Gewährleistet werden soll der freie Warenverkehr insbesondere durch das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 30 – 36 EGV).

49 Genehmigung von Vereinsveranstaltungen: Art. 50 III FIFA-Statuten (Internationale Wettbewerbe zwischen Vereinen sind grundsätzlich vom Exekutivkomitee zu genehmigen); Art. 9 V FIFA-Reglement sowie Art. 28 IV IHF-Satzung (Internationale Vereinsspiele bedürfen der Genehmigung der austragenden nationalen Verbände). Vgl. auch Art. 10 I FIFA-Reglement (Zustimmung der FIFA zu Turnieren mit mehr als zwei Nationalmannschaften). 50 FAZ v. 10. 08. 1998, S. 28 u. FAZ v. 01. 12. 1998, S. 46. 51 Siehe dazu GD X der Europäischen Kommission (Hrsg.), Studie über den Einfluß der Tätigkeit der Europäischen Union auf den Sport – Ausgabe 1995 –, erarbeitet von Coopers & Lybrand, S. 36 ff. 52 Nach einer Pressemitteilung in der FAZ v. 14. 11. 1996 unterzeichneten die Sportminister und -präsidenten aus Luxemburg, Lothringen, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, dem Saarland und Rheinland-Pfalz eine Charta des europäischen Sportpools. Darin werden die gemeinsame Ausbildung von Trainern und Übungsleitern sowie die gegenseitige Anerkennung der Diplome festgelegt und der Wille geäußert, den Leistungssport zu fördern, indem sie Trainer austauschen oder Leistungszentren miteinander arbeiten lassen. Die Finanzierung der Kooperation erfolgt durch das europäische Programm „EURATLON“ sowie aus Mitteln der Landessportbünde. (l.c. J. Fritzweiler/B. Pfister/T. Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, München 1998, S. 488). Vgl. näher zum EURATLON-Programm GD X der Europäischen Kommission (Hrsg.) (Fn. 51), S. 109 ff. Einen Überblick über die aktuelle Situation gibt F. Kreiß, Mitarbeitsstrukturen im Sport in Deutschland und Europa, in: Europäische Akademie des Sports (Hrsg.), Lokale und kommunale Sportstrukturen in Europa, Velen 1998, S. 68 ff.

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Ausnahmen vom Verbot des Art. 30 EGV regelt Art. 36 EGV. Danach können sich u. a. zulässige Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit ergeben aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, dem Schutz der Gesundheit, des nationalen Kulturguts und des gewerblichen Eigentums. Zudem ist von der Rechtsprechung des EuGH53 anerkannt, daß „zwingende Erfordernisse“ – z. B. der Umweltschutz und der Verbraucherschutz – Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen können. Folgende Fallgestaltungen könnten beispielsweise zu Konflikten führen: (1) Zulassung von Sportgerät nach den technischen Bestimmungen der internationalen bzw. nationalen Sportverbände, eventuell unter Verweis auf nationale technische Normen So dürfen nur Fußbälle mit dem FIFA-Gütesiegel, für das ein Entgelt in Höhe von 1 SFR verlangt wird, im offiziellen Spielbetrieb eingesetzt werden.54 Der Internationale Basketball-Verband FIBA schreibt in seinen Regulations den ausschließlichen Einsatz von Ausrüstungsgegenständen (insbesondere Körben, Anzeigetafeln und Bällen) vor, die von der FIBA „approved“, d. h. homologisiert worden sind.55 Wenn ein Verein Produkte der Hersteller verwenden will, die allgemein von der FIBA bereits zugelassen sind, braucht er kein weiteres Homologationsverfahren durchzuführen. Will er Produkte anderer Hersteller verwenden, muß er diese – gegen Zahlung einer Homologationsgebühr – einzeln zulassen. Bei diesen Konstellationen ergeben sich weitere Probleme aus der wettbewerbsrechtlichen Regelung des Art. 86 EGV.56 (2) Genehmigungserfordernis hinsichtlich des Verkaufs von Artikeln bei internationalen Sportveranstaltungen Der Verkauf von Artikeln (Videos, Bücher) zur Fußball-WM bedurfte der Genehmigung der FIFA.57 Nicht auszuschließen ist, daß hierdurch der freie Warenverkehr beeinträchtigt wurde, um auf die wirtschaftlichen Interessen des Ausrichters in Frankreich Rücksicht zu nehmen.

53

EuGH, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649 (662) (Tz. 8); EuGH, Rs. 302/86 (Kommission ./. Dänemark), Slg. 1988, 4607 (4630) (Tz. 6 ff.). 54 FAZ v. 06. 03. 1996, S. 39. Auf Druck der Europäischen Kommission erfolgt eine Einschränkung des FIFA-Reglements dahin, daß für internationale Spiele auch Fußbälle mit dem kostenfreien Aufdruck „International Matchball Standards“ zugelassen sind. Vgl. Sportartikel-Zeitung (SAZ) v. 11. 03. 1996. 55 Vgl. 128.2, 130.2, 131.3 u. 132 FIBA-Regulations 1995. 56 Vgl. auch GD X der Europäischen Kommmission (Hrsg.) (Fn. 51), Rdnr. 4063 ff. (vom Dänischen Tennisverband als „offiziell“ anerkannte Tennisbälle); zudem ist auch die Dienstleistungsfreiheit insofern betroffen, als das Verbot von Konkurrenzprodukten bei der Vergabe von Veranstaltungen relevant ist. 57 FAZ v. 14. 07. 1998, S. 35.

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Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa

5. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 67 ff. EGV) Insbesondere Art. 73 b EGV verbürgt die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs als Grundfreiheit des Gemeinsamen Marktes.58 Verboten sind Beschränkungen des Kapitalverkehrs, d. h. alle unmittelbaren oder mittelbaren, aktuellen oder potentiellen Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den Zu-, Ab- oder Durchfluß von Kapital.59 Beschränkungen müssen durch zwingende Gründe oder das Allgemeininteresse gerechtfertigt sein.60 Folgende Konflikte haben sich in letzter Zeit gezeigt: (1) Regelung der Beteiligung an ausländischen Sportkapitalgesellschaften Trotz geglückter Qualifikation darf der griechische Club AEK Athen in der Saison 1998/99 nicht am UEFA-Cup teilnehmen. Die UEFA hatte im Mai die Regel eingeführt, wonach pro Eigentümer nur ein Verein pro Europa-CupWettbewerb teilnehmen darf.61 AEK Athen wird, wie Slavia Prag, von der britischen Investmentgruppe English National Investment Company (ENIC) kontrolliert. Diese vergab den Platz im UEFA-Pokal an den 2. der tschechischen Meisterschaft.62 Nach dem polnischen Gesetz über die Körperkultur von 1996 darf ein Kapitalgeber an einer zweiten Sportkapitalgesellschaft nur in Höhe von 1 % beteiligt sein.63 (2) Werbeverbot für ausländische Sponsoren der Vereine Der Deutsche Fußballbund hat mit der Mehrheit der Vereine der 1. und 2. Bundesliga eine Vereinbarung geschlossen, derzufolge vereinseigene Sponsoren bei den live-übertragenen Heimspielen nicht werben dürfen.64 Bei ausländischen Sponsoren wäre die Kapitalverkehrsfreiheit betroffen.

58 Der Begriff des Kapitalverkehrs ist im EGV nicht definiert. In der Rechtsetzungspraxis des Rates ist er weit gefaßt worden und umfaßt alle finanziellen Transaktionen, die nicht direkt durch den Waren- und Dienstleistungsverkehr bedingt sind. Vgl. R. Geiger, (Fn. 29) § 73 b, Anm. 3. 59 G. Ress/J. Ukrow, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, München, Stand: Mai 1998, Art. 73 b, Rdnr. 11. 60 C.O. Lenz, EG-Vertrag, Kommentar, Köln 1994, Art. 73 b, Rdnr. 10; vgl. EuGH, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649 (662) (Tz. 8); EuGH, Rs. 302/86 (Kommission ./. Dänemark), Slg. 1988, 4607 (4630) (Tz. 6 ff.). 61 Schreiben der UEFA an die Mitgliedsverbände vom 26. 05. 1998 bzgl. der Integrität der UEFA-Clubwettbewerbe. 62 FAZ v. 29. 06. 1998, S. 40; vgl. auch Spiegel 43/1997, S. 165 f. 63 Art. 32, Ziff. 5 des Gesetzes vom 18. 01. 1996 über die Körperkultur ist abgedruckt bei A. Scwarz, in: U. Scherrer (Hrsg.), Sportkapitalgesellschaften, Stuttgart u. a. 1998, S. 94. 64 Vgl. zum Rechtsstreit zwischen dem Sponsor Gerry Weber und Arminia Bielefeld FAZ v. 14. 08. 1998, S. 34.

Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa

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6. Wettbewerbsrecht (Art. 85 ff. EGV) Von außerordentlicher praktischer Bedeutung ist für den kommerzialisierten – und wegen des Ein-Platz-Prinzips weitgehend monopolisierten – Sport das in den Art. 85 ff. EGV geregelte Wettbewerbsrecht der EG. Es berücksichtigt, daß der Binnenmarkt sich nur verwirklichen läßt, wenn der Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaft vor Verfälschung, Behinderung und Ausschaltung geschützt wird.65 Art. 85 EGV verbietet deshalb wettbewerbsbehindernde, -einschränkende und -verfälschende Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Art. 86 EGV untersagt den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die wettbewerbsrechtlichen Verbote der Art. 85, 86 EGV bestehen allerdings nicht ausnahmslos. Angelehnt an die rule-of-reason-Doktrin im US-amerikanischen Antitrust-Recht wird auch im europäischen Kartellrecht eine Tatbestandsrestriktion befürwortet.66 Eine einheitliche Praxis besteht insofern zwar noch nicht. Kommission und EuGH haben den Gedanken aber schon verschiedentlich aufgegriffen und bei Überwiegen der Vorteile gegenüber den Nachteilen der Wettbewerbsbeschränkungen das Kartellverbot nicht angewendet.67 Zudem ist eine Einzel- oder Gruppenfreistellung durch die Kommission nach Art. 85 III EGV in Betracht zu ziehen.68 Eine Freistellung setzt allerdings voraus, daß die Wettbewerbsbeschränkung zur Erreichung ihrer Zielsetzung unerläßlich ist. Ob ein Verhalten als Mißbrauch i. S. v. Art. 86 EGV oder als sachlich gerechtfertigt einzuordnen ist, ist letztlich aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts zu beurteilen.69

65 EuGH, Rs. 6/72 (Europemballage & Continental Can ./. Kommission.), Slg. 1973, 215 (244 f.). 66 Vgl. H. Fleischer, WuW 1996, 473 (478 ff.). 67 EuGH, Rs. C 234/89 Slg. 1991 II, 977 (983 ff.); EuGH, Rs. 395/87, Slg. 1989, 2565 (2575); I. Hannamann/K. Vieweg, Soziale und wirtschaftliche Machtpositionen im Sport – Rechtstatsächliche Situation und (kartell-)rechtliche Grenzen, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Sport, Kommerz und Wettbewerb, Stuttgart 1998, S. 49 (75). 68 Auch in seinem am 05. 05. 1997 gehaltenen Vortrag „Der Sport und das Gemeinschaftsrecht“ hat der EU-Wettbewerbskommissar K. van Miert geäußert, daß eine auf der Solidarität zwischen den Vereinen bestehendes Ausgleichssystem nach Art. 85 III EGV freigestellt werden könne. Konkret denkt er dabei wohl an eine Freistellung unter Auflagen, insbesondere der Nutzung der Einkünfte zur Förderung des Nachwuchses. Vgl. FAZ v. 14. 07. 1998, S. 35. Nach einer Notiz in der FAZ v. 05. 08. 1998, S. 32 hat die Europäische Kommission beim DFB angemahnt, endlich das Vermarktungsmodell für die Fernsehrechte der Bundesligaspiele anzumelden. 69 I. Hannamann/K. Vieweg (Fn. 67), S. 49 (75) mit Hinweisen zum Sportbereich.

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Als Beispiele möchte ich die folgenden Problembereiche ansprechen (1) Transferregeln und Ausländerklauseln70 (2) Beschränkungen der Vermarktung in Verbandsregelungen Als aktuelle Beispiele können die Zentralvermarktung der Fernsehübertragungsrechte für die UEFA-Cup-Heimspiele durch den DFB71 und von Motorsportveranstaltungen durch die FIA72 erwähnt werden. (3) Inanspruchnahme fremder Werberechte und Einbindung in ein Gesamtsponsoringkonzept Der Internationale Bob- und Schlittensportverband FIBT hat mit dem sog. Treviso-Beschluß vom 27. 05. 1995 Werbeflächen auf Bob und Bekleidung ohne entsprechende Abstimmung mit den Eigentümern und Athleten in Anspruch genommen.73 Die EU-Wettbewerbskommission hat Vertretern des Deutschland-Achters, des französischen und des deutschen Ruderverbands aufgetragen, eine Beschwerde gegen den Internationalen Ruderverband (FISA) einzureichen. Nach Auffassung der Ruderer nutzt die FISA ihre Monopolstellung ungebührlich aus. Auf Ihrem Kongreß 1997 sei der Beschluß gefaßt worden, bei FISA-Veranstaltungen den ersten Meter der Boote und die Ärmel der Athletentrikos – bei weitem die medienwirksamsten Flächen – für die Logos ihrer eigenen Sponsoren zu beanspruchen.74 (4) Pflichtbezug von Ausrüstungen bei bestimmten Herstellern oder Händlern75 (5) Exklusivvertrieb von Eintrittskarten (z. B. Fußball-WM)76

7. Subventionsverbot (Art. 92 I EGV) Art. 92 I EGV untersagt staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb im Handel zwischen den Mitgliedstaaten durch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder 70 Vgl. Generalanwalt C.O. Lenz, Schlußantrag zu Rs. C-415/93 (Bosman), EuGRZ 1995, 459 ff.; vgl. auch die Stellungnahme des Wettbewerbskommissars K. van Miert vom 27. 11. 1997, abrufbar unter http://www.europa.eu.int/seach97cgi/s97_cgi?action. 71 Für das deutsche Wettbewerbsrecht entschieden von BGHZ 137, 297 ff. = SpuRt 1998, 28 ff. = NJW 1998, 756 ff. (Zentralvermarktung UEFA-Cup-Heimspiele). 72 FAZ v. 19. 03. 1998, S. 34; FAZ v. 20. 03. 1998, S. 40; FAZ v. 29. 07. 1998, S. 26; LG Frankfurt, SpuRt 1997, 129 ff. = WRP 1997, 1108 ff. mit Anm. von H. Hohmann, WRP 1997, 1011 ff. 73 Vgl. im einzelnen K. Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: K. Vieweg (Hrsg.) Sponsoring im Sport, Stuttgart u. a. 1996, S. 53 (58). 74 FAZ v. 17. 07. 1998, S. 33. 75 Vgl. H. Fleischer, WuW 1996, 482. 76 T. Summerer, in: J. Fritzweiler/B Pfister/T. Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, München 1998, S. 510 f.; FAZ v. 14. 07. 1998, S. 35.

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Produktionszweige verfälschen, es sei denn, sie lassen sich aus besonderen sozialen oder sonstigen Gründen rechtfertigen.77 Ein problematischer Fall ging durch die Presse: Die Stadt München verlangt für die Nutzung eines Grundstücks, das einen Verkehrswert von über 100 Mio. DM haben dürfte, vom FC Bayern München lediglich einen Pachtzins von 6.079,50 DM pro Jahr.78 8. Zwischenergebnis Die systematische Erfassung der vorhandenen bzw. erkennbaren Konflikte läßt ein Spannungsverhältnis zwischen der Vereins- bzw. Verbandsautonomie einerseits und dem Europarecht, insbesondere den Grundfreiheiten, andererseits deutlich werden, das nicht einfach aufzulösen ist. Jedenfalls ist nicht von vornherein klar, wem der Vorrang gebührt. Hieraus resultieren erhebliche Unsicherheiten. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Besonderheiten des Sports zu einer vom übrigen Wirtschaftsrecht abweichenden Praxis Anlaß geben.

V. Konfliktlösungen und Ausblick Nach dem Konzept der Veranstaltung werden wir nachher im Workshop die aufgezeigten Konflikte zwischen der Vereins- bzw. der Verbandsautonomie einerseits und dem Europarecht andererseits näher diskutieren und insbesondere erörtern, welche Konfliktlösungen in Betracht kommen. Ich möchte mich an dieser Stelle auf die Information beschränken, daß im Grunde drei Wege offenstehen. Ein erster Ansatz wäre, die Normen der nationalen und internationalen Sportverbände unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten und der Wettbewerbsbestimmungen einer Revision zu unterziehen. Insofern ist teilweise mit einem erheblichen Anpassungsbedarf zu rechnen. Ein zweiter Weg besteht darin, in Verhandlungen mit der EG-Kommission sogenannte Einzel- oder Gruppenfreistellungen zu erreichen. Der dritte – traditionelle – Ansatz besteht darin, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, insbesondere Klagen vor dem EuGH abzuwarten und sich – selbst wenn ein negativer Ausgang absehbar ist – zu gegebener Zeit überrascht zu zeigen. Deutlich wird wieder einmal die ambivalente Situation, in der sich Juristen häufig befinden. Analysieren sie die rechtliche Situation und prognostizieren Probleme, so gelten sie leicht als Bedenkenträger. Machen sie ihre Problemsicht nicht transparent, so trifft 77

R. Geiger (Fn. 29), Art. 92, Rz. 10. Vgl. FAZ v. 29. 01. 1997, S. 13. Vgl. zur rechtlichen Lage im einzelnen K. Vieweg, Auswirkungen des Europarechts auf den Sport – Europaweite Ausschreibung und Vergabe von Bau- und Architektenleistungen sowie Zulässigkeitsgrenzen kommunaler Subventionierung, in: Europäische Akademie des Sports (Hrsg.), Lokale und kommunale Sportstrukturen in Europa, Velen 1998, S. 110 (116 ff.). 78

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Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa

sie später ggf. der Vorwurf, trotz Kenntnis der Problematik nicht rechtzeitig gewarnt zu haben. Zu gewissen Hoffnungen, daß die Belange des Sports bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Vereins- bzw. Verbandsautonomie und europarechtlichen Vorgaben angemessen Berücksichtigung finden, berechtigen die Ausführungen des Wettbewerbskommissars van Miert.79 Er sagt: „Zum Sport gehören aber auch Aspekte, die nichts mit einer Wirtschaftstätigkeit zu tun haben. Hierbei denke ich an seine soziale, integrative und kulturelle Bedeutung. Auch die Regeln der Sportorganisationen verfolgen keine wirtschaftlichen, sondern rein sportliche Ziele. Aufgrund der Besonderheiten dieses Bereichs gibt es Beschränkungen bei der Durchführung und Organisation von Sportveranstaltungen, die in anderen Industrieoder Dienstleistungsbereichen nicht zulässig sind. Diese Besonderheiten rechtfertigen allerdings nicht die Beeinträchtigung der im Vertrag vorgesehenen Grundfreiheiten, sofern durch weniger restriktive Mittel die gleichen legitimen Ziele ebenso wirksam erreicht werden können. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist einer der Ecksteine bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts.“

79 Vgl. auch die Stellungnahme des Wettbewerbskommissars K. van Miert vom 27. 11. 1997, abrufbar unter http://www.europa.eu.int/seach97cgi/s97_cgi?action.

Europaweite Ausschreibung und Vergabe beim Sportstättenbau Zur Neukodifikation des Vergaberechts in den §§ 97 ff. GWB* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliche Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliche (Bau-)Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergabeentscheidung (Zuschlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nachprüfung und Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachprüfung fehlerhafter Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatz bei fehlerhafter Vergabe und Mißbrauch der Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Das Europarecht hat in fast alle Lebensbereiche Einzug gehalten. Auch im Sport ist der Einfluß unverkennbar.1 Der Sportstättenbau ist derzeit vorwiegend durch Umbau- und Sanierungsmaßnahmen geprägt.2 Neubauten treten nicht zuletzt aus Kostengründen und wegen planungsrechtlicher Schwierigkeiten in den Hintergrund. Für die Eigentümer3 der Sportstätten – zumeist die Kommunen oder Ge* Erstveröffentlichung (zusammen mit F. Oschütz) in SpuRt 1999, 45 – 49. 1 Vgl. nur R. Streinz, SpuRt 1998, 1 ff., 45 ff. und 89 ff. 2 Vor allem die Fußballstadien finden derzeit öffentliches Interesse. Die Umbaukosten des Hamburger Volksparkstadions beliefen sich auf 137 Mio. DM (Die Zeit v. 10. 12. 1998, S. 75). Beim Frankfurter Waldstadion wird mit 125 – 160 Mio. DM gerechnet (FAZ v. 19. 12. 1998, S. 31). Weitere Stadienumbauten sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung für die Fußball-WM. 3 Aktuelle Statistiken sind nicht verfügbar. Einen brauchbaren Anhalt dürfte aber die länderübergreifende Sportstättenanalyse des Ministeriums des Inneren und für Sport RheinlandPfalz (Stichtag 01. 07. 1988) geben. Danach sind in den alten Bundesländern nur rund ein Viertel der Sportplätze in der Hand von Vereinen. Sporthallen stehen zu mehr als 90 % im Eigentum der öffentlichen Hand, Hallen- und Freibäder fast gänzlich. Dabei entfällt der Lö-

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sellschaften in kommunaler Trägerschaft, daneben aber auch den Bund, die Länder und private Unternehmen – stellt sich insofern die Frage, wie Architekten- und Bauleistungen auszuschreiben und zu vergeben sind. Gute Erfahrungen mit Architekten und Unternehmen aus der Region sowie Aspekte der Arbeitsplatzsicherung und der Steuereinnahmen mögen eine eher örtlich begrenzte Sicht bei Ausschreibungen nahelegen. Die Anforderungen des europäischen Binnenmarktes4 verlangen hingegen möglicherweise eine andere Perspektive. Für die Entscheidungsträger sind deshalb Unsicherheiten kaum zu vermeiden, zumal die Probleme des nationalen Gesetz- und Verordnungsgebers bei der Umsetzung der einschlägigen EGRichtlinien nicht zu verkennen sind. Bis Ende 1998 regelte das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) die Anforderungen an die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher (Bau-)Aufträge. Ergänzt wurden die gesetzlichen Vorgaben durch zwei Rechtsverordnungen: die VergabeVO5 und die NachprüfungsVO6. Die Umsetzung für die Praxis erfolgte durch Festlegungen innerhalb der „a-Paragraphen“ der VOB/A7 bzw. ihren Entsprechungen in den VOL/A8 und VOF9. Mit Wirkung vom 01. 01. 1999 ist das Recht zur Vergabe öffentlicher Aufträge aus dem Haushaltsrecht ausgegliedert10 und als Vierter Teil in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen11 (§§ 97 ff. GWB) integriert worden. Hiermit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß es sich bei der Ausschreibung um einen Wettbewerb verschiedener privater Anbieter um öffentliche Aufträge handelt. Anlaß für die Neukodifizierung waren sowohl eine Reihe jüngerer EG-Richtlinien (Dienstleistungsrichtlinie,12 neue Liefer-13 und Baukoorwenanteil auf die Kommunen (Sportplätze 74 %, Sporthallen 86 %, Hallenbäder 81 %, Freibäder 90 %). 4 Das öffentliche Auftragswesen in der EU hat ein Volumen von ca. 720 Mrd. ECU, dies entspricht etwa 11 % des EU-Bruttoinlandprodukts. Vgl. KOM (98) 143 endg. v. 11. 03. 1998. 5 VO über die Vergabebestimmungen für öffentliche Aufträge v. 22. 02. 1994 (BGBl I S. 321) i. d. F. v. 29. 09. 1997 (BGBl. I S. 2384), in Kraft getreten am 01. 11. 1997. 6 VO über das Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge v. 22. 02. 1994 (BGBl. I S. 324). 7 Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen i. d. F. der Bekanntmachung v. 12. 11. 1992 (BAnz Nr. 223a v. 27. 11. 1992). 8 Verdingungsordnung für Leistungen (ausgenommen Bauleistungen), Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen i. d. F. der Bekanntmachung v. 12. 05. 1997 (BAnz Nr. 163a v. 02. 09. 1997). 9 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen i. d. F. der Bekanntmachung v. 12. 05. 1997 (BAnz Nr. 164a v. 03. 09. 1997). 10 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge v. 02. 09. 1998 (BGBl. I S. 2512 ff.) 11 I. d. F. der Neubekanntmachung v. 02. 09. 1998, BGBl. I, S. 2547. 12 Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG v. 18. 06. 1992 (ABl. EG L 209 v. 24. 07. 1992, S. 1); geändert durch Richtlinie 97/52/EG v. 13. 10. 1997 (ABl. EG L 328 v. 28. 11. 1997, S. 1).

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dinierungsrichtlinie14, Sektorenrichtlinie15) als auch Umsetzungsprobleme16 mit einigen älteren EG-Richtlinien17. Für die Frage, ob beim Sportstättenbau Ausschreibung und Vergabe europaweit erfolgen müssen, kommt es darauf an, auf welche Vorhaben die Vorschriften des Vergaberechts überhaupt Anwendung finden (dazu II.) und welche wesentlichen Verfahrensschritte einzuhalten sind (dazu III.). Weiterhin interessiert, welche Sanktionen bei einer fehlerhaften Durchführung des Vergabeverfahrens drohen (dazu IV.). Die Neukodifikation bringt insofern eine Reihe von Änderungen mit sich, auf die sich die Praxis wird einstellen müssen.

II. Anwendungsbereich Eine europaweite Ausschreibung und Vergabe ist nur dann erforderlich, wenn ein öffentlicher Auftraggeber öffentliche (Bau-)Aufträge vergeben will, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten. 1. Öffentliche Auftraggeber § 98 GWB enthält insgesamt sechs Kategorien von zur Ausschreibung verpflichteten Auftraggebern. Bereits der Großteil der potentiellen Auftraggeber beim Sportstättenbau wird durch Nr. 1 abgedeckt, die alle Gebietskörperschaften – also Bund, Länder und Gemeinden – und deren Sondervermögen erfaßt. Nr. 2 bestimmt, daß auch juristische Personen sowohl des öffentlichen als auch des Privatrechts zur Einhaltung des Vergabeverfahrens verpflichtet sein können, falls sie nicht-gewerbliche Aufgaben von Allgemeininteresse zu erfüllen haben, zu diesem besonderen Zweck gegründet wurden18 sowie der Kontrolle durch die oben genannten Auf13 Lieferkoordinierungsrichtlinie 93/36/EWG v. 14. 06. 1993 (ABl. EG L 199 v. 09. 08. 1994, S. 1); geändert durch Richtlinie 97/52/EG v. 13. 10. 1997 (ABl. EG L 328 v. 28. 11. 1997, S. 1). 14 Baukoordinierungsrichtlinie 93/37/EWG v. 14. 06. 1993 (ABl. EG L 199 v. 09. 08. 1993, S.54); geändert durch Richtlinie 97/52/EG v. 13. 10. 1997 (ABl. EG L 328 v. 28. 11. 1997, S. 1). 15 Sektorenrichtlinie 93/38/EWG v. 14. 06. 1993 (ABl. EG L 199 v. 09. 08. 1993, S. 84), geändert durch Richtlinie 98/4/EG (ABl. EG L 101 v. 01. 04. 1998, S. 1). 16 Zuletzt im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, EuGH Urt. v. 16. 12. 1997 Rs. C 341/95 Slg. 1997 I-7277 (Kommission ./. Deutschland). 17 Überwachungsrichtlinie 89/665/EWG v. 21. 12. 1989 (ABl. EG L 395 v. 30. 12. 1989, S. 33), geändert durch Richtlinie 92/50/EWG v. 18. 06. 1992 (ABl. EG L 209 v. 24. 07. 1992, S. 1); Sektorenüberwachungsrichtlinie v. 25. 02. 1992 (ABl EG L 76 v. 23. 03. 1992, S. 14). 18 Der EuGH hat in einer neueren Entscheidung betont, daß es für die Definition des öffentlichen Auftraggebers ausschließlich darauf ankommt, ob die juristische Person insgesamt zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht-gewerblicher Art zu erfüllen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der einzelne zu

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traggeber unterliegen oder überwiegend – also zu mehr als 50 % – von ihnen finanziert werden. Auch zur Erfüllung der eben beschriebenen Aufgaben gegründete Tochtergesellschaften unterfallen – wie Nr. 2 Satz 2 ergänzend klarstellt – dem Begriff des öffentlichen Auftraggebers. Die von den Gemeinden gegründeten GmbHs, die sich mit dem Bau und der Bewirtschaftung von Sportstätten beschäftigen, sind insoweit ausschreibungspflichtig; eine „Flucht ins Zivilrecht“ schützt davor nicht. Ebensowenig führt die Einschaltung von „Strohauftraggebern“ – ein Sponsor beschränkt sich nicht nur auf die Finanzierung, sondern übernimmt selbst die Auftragsvergabe – dazu, daß nicht mehr der auf diese Weise gesponsorte kommunale Eigentümer als öffentlicher Auftraggeber i. S. v. § 98 GWB anzusehen ist. Für den umgekehrten Fall – ein Sportverein wird beim Bau einer Sportanlage zu mehr als 50 % von der öffentlichen Hand gefördert – regelt § 98 Nr. 5 GWB ausdrücklich, daß der Verein als öffentlicher Auftraggeber anzusehen ist. Im Ergebnis ist davon auszugehen, daß beim Sportstättenbau in weitem Umfang öffentliche Auftraggeber agieren. Lediglich vereinsgetragene und überwiegend privat finanzierte Vorhaben – wie z. B. Fitneßstudios – müssen nicht ausgeschrieben werden. 2. Öffentliche (Bau-)Aufträge In den Anwendungsbereich des Vergaberechts fallen öffentliche (Bau-)Aufträge i. S. v. § 99 (Abs. 3) GWB. Auch Auslobungsverfahren und Wettbewerbe, die erst zu einer Auftragsvergabe führen, sollen – so die Begründung19 - von der Vorschrift erfaßt werden. Normalerweise werden öffentliche (Bau-)Aufträge in privatrechtlicher Form abgeschlossen. Ob daneben auch öffentlich-rechtliche Verträge i.S.d. §§ 54 ff. VwVfG und komplexere Modelle – wie Public-Private-Partnerships, Aufgabenprivatisierungen und Konzessionsvergaben – erfaßt sind, ist noch nicht abschließend geklärt.20 Die Auslegung der Vorschriften unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Auslegungskriteriums des éffet utile21 spricht allerdings dafür, auch öffentlich-rechtliche Verträge sowie komplexere Vertragsgestaltungen unter den Anwendungsbereich zu fassen.22 Für den Bereich der Baukonzessionen ist dies sogar ausdrücklich vorgesehen, § 98 Nr. 6 GWB. vergebende Auftrag in den Bereich der Wahrnehmung einer Aufgabe im Allgemeininteresse liegt, vgl. EuGH Urt. v. 15. 01. 1998, Rs. C 44/96 (Mannesmann Austria ./. Strohal Rotationsdruck), Slg. 1998, I-73 (Tz. 35 u. 39, 41). Ferner sei das Vorliegen von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht-gewerblicher Art allein objektiv zu beurteilen. Unerheblich sei auch, ob die jeweilige Aufgabe von Privatunternehmen erfüllt werden könne; EuGH Rs. C 360/96 (Gemeente Arnhem, Gemeente Rheden ./. BFI Holding BV), EuZW 1999, S. 16 (18) (Tz. 38 ff). 19 Begründung Gesetzentwurf: BT-Drs. 13/9340, S. 15. 20 Begründung Gesetzentwurf zu § 108 GWB, BT-Drs. 13/9340 S. 15. 21 Vgl. zu diesem Gedanken A. Boesen, EuZW 1998, S. 551 (552). 22 Vgl. auch J. Byok, NJW 1998, 2774 (2777 f.), der auf Sinn und Zweck der Richtlinien sowie das Verbot von Umgehungstatbeständen abstellt; vgl. auch die Mitteilung der Kommission, KOM (98) 143 endg. v. 11. 03. 1998.

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Die verschiedenen Auftragsarten – das Gesetz unterscheidet zwischen Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen sowie Auslobungsverfahren – werden in § 99 GWB im einzelnen definiert. Damit ist klargestellt, daß die Erbringung jeglicher Bauleistungen auszuschreiben ist.23 Hierzu gehören auch Architektenleistungen, falls sie zusammen mit der Bauleistung vergeben werden sollen, § 99 Abs. 3 GWB. Auf derartige Vorhaben ist dann die VOB/A anzuwenden. Finden jedoch – wie im Regelfall – vor der Auftragsvergabe der konkreten Bauleistung selbständige Auslobungsverfahren oder Architektenwettbewerbe statt, so sind diese ebenfalls als öffentliche Aufträge anzusehen, § 99 Abs. 4 GWB. Die selbständige freiberufliche Leistung ist in der Praxis entsprechend der VOF auszuschreiben und zu vergeben. 3. Schwellenwerte Da beim Sportstättenbau in aller Regel die Voraussetzungen sowohl eines öffentlichen Auftraggebers als auch die der öffentlichen (Bau-)Verträge unproblematisch gegeben sind, kommt den Schwellenwerten entscheidende Bedeutung für die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung zu. Diese ist nur dann erforderlich, wenn die durch die EG-Richtlinien festgelegten und in der Vergabeverordnung umgesetzten Auftragswerte (Schwellenwerte) überschritten werden. Diese betragen für Bauaufträge 5 Mio. ECU sowie für Liefer- und Dienstleistungsaufträge – wie die Architektenleistungen – generell 200.000 ECU.24 Die dabei für selbständige Ausschreibungen oder Auslobungsverfahren maßgeblichen Werte entsprechen denen für Dienstleistungen. Maßgeblich ist jeweils der zu erwartende Gesamtauftragswert25 als Summe der Auftragswerte aller zur Verwirklichung des Projekts erforderlichen Aufträge (ohne Umsatzsteuer).26 Für öffentliche Aufträge, deren Umfang diese Werte nicht übersteigen, bleibt es bei der auch schon bisher geltenden Pflicht zur Beachtung haushaltsrechtlicher Grundsätze, insbesondere also der Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 Abs. 1 HGrG) sowie des Vorrangs 23

Vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen sind lediglich die in einem abschließenden Katalog des § 100 Abs. 2 GWB aufgeführten Verträge. Zu nennen ist hier insbesondere Buchstabe g), der die Auftragsvergabe an Unternehmen, die selbst öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 98 Nrn. 1 – 3 sind, ausnimmt. Damit ist der Übertragunsakt der Sportstättenplflege selbst nicht auszuschreiben, vgl. dazu auch EuGH EuZW 1999, S. 16 (Gemeente Arnhem, Gemeente Rheden ./. BFI Holding BV). 24 Bislang sind die Schwellenwerte lediglich in den Verdingungsordnungen festgeschrieben, auf die durch die §§ 1 – 3 VergabeVO (Fn. 5) statisch vewiesen wird. Vgl. aber auch § 3 Abs. 1 lit. d)–g) des Vorentwurfs einer neuen VergabeVO, BT-Drs. 13/9340 S. 29. 25 Vgl. zur dessen Ermittlung Heiermann/Riedel/Rusam, Handkommentar zur VOB 8. Aufl. 1997 , A § 1a Rndrn. 10 ff. 26 § 97 Abs. 3 GWB stellt klar, daß es sich nicht um eine Umgehung handelt, wenn Fachund Teillose in einem angemessenem Umfang ausgewiesen werden, um kleineren und spezialisierten Unternehmen zu ermöglichen, an aussichtsreicher Stelle mitzubieten. Anderenfalls könnten teilnehmende Großkonzerne aufgrund ihrer Möglichkeit zur Mischkalkulation häufig kleinere Mitbewerber bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots verdrängen.

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der öffentlichen Ausschreibung (§ 30 HGrG). Zudem ist das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot zu beachten. Mit der endgültigen Festschreibung der Wechselkurse zum 01. 01. 1999 (1 EURO = 1,95583 DM) ergeben sich Schwellenwerte von 9.779.150 DM für Bauleistungen und 391.166 DM insbesondere für Architektenleistungen. Legt man die aktuellen Durchschnittskosten für die weitverbreiteten Dreifach-Sporthallen27 als Orientierung zugrunde, so zeigt sich, daß die Schwellenwerte schon jetzt annähernd erreicht werden. Bei dem zu erwartenden weiteren Anstieg der Baukosten können sie leicht überschritten werden. Dies hat zur praktischen Konsequenz, daß Ausschreibung und Vergabe europaweit zu erfolgen haben.

III. Das Vergabeverfahren 1. Allgemeine Anforderungen § 97 GWB enthält in den ersten beiden Absätzen die – europarechtlich vorgegebenen – Leitgedanken, an denen sich das gesamte Vergabeverfahren zu orientieren hat. Damit die Chancengleichheit gewahrt ist, soll die Vergabe „im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren“ erfolgen. 2. Verfahrensablauf Die Vergabe des öffentlichen Auftrags erfolgt im offenen, nicht offenen oder Verhandlungsverfahren, § 101 Abs. 1 GWB. Öffentliche Auftraggeber haben dabei grundsätzlich das offene Verfahren anzuwenden, § 101 Abs. 5 GWB. Dieses gewährleistet ein Höchstmaß an Transparenz und entspricht am besten dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Die einzelnen einzuhaltenden Verfahrensschritte sind in den drei Verdingungsordnungen näher ausgestaltet. Von zentraler Bedeutung ist bei Überschreitung der Schwellenwerte dabei die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung des Vorhabens durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.28 Daneben ist es allerdings weiterhin erforderlich, die übliche inländische Bekanntmachung (z. B. in Tageszeitungen, amtlichen Veröffentlichungsblättern oder Fachzeitschriften) vorzunehmen.29 Erfolgt dann die Auftragserteilung, muß das Ergebnis des 27 BKI Baukosteninformationszentrum (Hrsg.), BKI Baukosten 1998, Teil 1, Stuttgart 1998, S. 72 führt anhand von Objektbeispielen die Kostenkennwerte für Sporthallen (Typ 27/ 45) für Bruttorauminhalt, Bruttogeschoßfläche und Nutzfläche auf. Die Architektenkosten ergeben sich in Abhängigkeit von den Baukosten dann aus der HOAI. 28 Vgl. § 17a VOB/A; § 17a VOL/A; § 9 VOF. 29 Vgl. § 17a Nr. 2 Abs. 5 VOB/A; im Bereich der VOL/A ist klargestellt, daß die „a-Paragraphen“ zusätzlich zu den Basisparagraphen Anwendung finden (§ 1a Nr. 1 Abs. 1 S. 1

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Verfahrens in gleicher Weise wie die Ausschreibung im EG-Amtsblatt veröffentlicht werden.30 Neben diese, die Transparenz sichernden Gebote treten die Verpflichtung zur Übermittlung wesentlicher Daten des Vergabeverfahrens an die EU-Kommission und die Aufbewahrung der Daten auch nach Abschluß des Vergabeverfahrens.31 Dies soll die Kommission in die Lage versetzen, ihrer Überwachungsfunktion gerecht zu werden – nicht zuletzt, um gegebenenfalls Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.32 3. Vergabeentscheidung (Zuschlag) Die Vergabeentscheidung (der Zuschlag) gem. § 97 Abs. 4 u. 5 GWB erfolgt zugunsten des Unternehmens, das unter Berücksichtigung aller im konkreten Fall wesentlichen und zuvor angegebenen Aspekte33 das beste Preis-Leistungs-Verhältnis anbietet.34 Die EG-Vergaberichtlinien nennen als derartige Vergabekritierien etwa Lieferfrist, Ausführungsdauer, Betriebskosten, Rentabilität, Qualität, Ästhetik und Zweckmäßigkeit, technischer Wert, Kundendienst und technische Hilfe, Verpflichtungen hinsichtlich der Ersatzteile, Versorgungssicherheit und Preis.35

IV. Nachprüfung und Schadensersatz 1. Nachprüfung fehlerhafter Vergabeverfahren Als absolutes Novum wird – den Forderungen den Überwachungsrichtlinien entsprechend – den betroffenen Unternehmen ein Anspruch auf Einhaltung der

VOL/A. Damit bleibt es bei der Veröffentlichungsverpflichtung des § 17 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A Die VOF gilt ohnehin nur für Aufträge über dem Schwellenwert (§ 2 Abs. 2 VOF). 30 Vgl. § 28a VOB/A; § 28a VOL/A, § 17 VOF. 31 Nach §§ 30a, 30b VOB/A, §§ 30a, 30b VOL/A, §§ 19, 20 VOF. 32 Der Mitgliedstaat muß sich Vertragsverstöße, die direkt oder indirekt auf ein Verhalten seiner Organe zurückgehen, zurechnen lassen. Grabitz/Hilf-Karpenstein, EGV Art. 169, Rdnr. 12; v. d. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Krück, EU/EG-Vertrag, Art.169, Rdnr. 4; M. Dreher EuZW 1998, 197 (201). 33 Die Bestimmung des § 97 Abs. 4 Hs. 2 GWB enthält zusätzlich eine Öffnungsklausel zugunsten von Bundes- oder Landesgesetzen, die weitere Aspekte einer Vergabe bestimmen können. Im Gesetzgebungsprozeß war umstritten, wie leicht es möglich sein soll, vergabefremde Erwägungen – z. B. Tariftreue oder Frauenförderung – in eine Entscheidung einzubeziehen. 34 Begründung Gesetzentwurf: BT-Drs. 13/9340, S. 14; § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOB/A stellt auf das „annehmbarste Angebot“ ab. 35 Vgl. Art. 36 Abs. 1 Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG v. 18. 06. 1992; Art. 26 Abs. 1 Lieferkoordinierungsrichtlinie 92/36/EWG v. 14. 06. 1993; Baukoordinierungsrichtlinie 93/ 37/EWG v. 14. 06. 1993.

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Vorschriften des Vergaberechts gewährt, § 97 Abs. 7 GWB.36 Aufgrund dieses Rechts besitzen die Unternehmen die Möglichkeit, die Einhaltung der Verfahrensvorschriften noch während des laufenden Vergabeverfahrens durch eine unabhängig besetzte Vergabekammer überprüfen zu lassen, § 104 GWB.37 Anders als bisher setzt die Nachprüfung des Vergabeverfahrens den Antrag eines Beteiligten voraus, der geltend machen kann, daß ihm aus der Nichtbeachtung einer Vergabevorschrift ein Schaden zu erwachsen droht, § 107 Abs. 2 GWB. Eine Einleitung des Verfahrens von Amts wegen ist nicht mehr möglich. Das novellierte GWB ist insofern also enger und schließt z. B. Lieferanten und Subunternehmer, die nicht direkt als Anbieter am Verfahren teilnehmen, aus.38 In praktischer Hinsicht ist die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 GWB von entscheidender Bedeutung. Danach kann sich ein Unternehmen nicht mehr auf die Verletzung von Vergabevorschriften berufen, wenn es den Verstoß nicht schon im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich selbst gerügt hat. Soweit Fehler bereits in der Ausschreibung aufgetreten sind, müssen derartige Verstöße spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden. Die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 GWB ist allerdings bereits auf Kritik gestoßen.39 Eine derart strenge Verknüpfung der Rügeobliegenheit mit der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags sei in den Richtlinien in dieser Absolutheit nicht vorgesehen. Damit bestehe die Möglichkeit, daß die Bieterrechte in der Praxis mit unhaltbaren Begründungen quasi „durch die Hintertür“ wieder eingeschränkt würden.40 Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens kann die Vergabeentscheidung selbst nicht aufgehoben werden, auch wenn sie fehlerhaft gewesen sein sollte, § 114 Abs. 2 S. 1 GWB.41 Dies liefe sonst auf die Aufhebung eines zwischen dem Auftraggeber und einem Dritten geschlossenen Vertrages hinaus. Bei einem zwischenzeitlichen Abschluß des Verfahrens besteht aber die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der Vergabeentscheidung – etwa für ein späteres Schadenersatzverlangen – feststellen zu lassen, § 114 Abs. 2 S. 2 GWB. 36 Die objektive Formulierung der Vorschrift und ihr Sinn und Zweck deuten darauf hin, daß der Anspruch nicht davon abhängig sein kann, ob die jeweils verletzte Vergabevorschrift als Schutzvorschrift für die jeweiligen Teilnehmer ausgestaltet ist. So zutreffend A. Boesen, EuZW 1998 S. 551 (554); a. A. J. Byok NJW 1998, S. 2774 (2778); kritisch aus europarechtlicher Sicht zum Erfordernis einer subjektiven Rechtsverletzung M. Dreher, EuZW 1997, 522 (523). 37 Diese Kammern sind Teil der öffentlichen Verwaltung und wurden vom EuGH auch als nach Art. 177 EGV vorlageberechtigt anerkannt, EuGH Urt. vom 17. 09. 1997 Rs. C 54/96, Slg. I-496 (Dorsch Consult ./. Bundesbaugesellschaft Berlin), Tz. 38. Die Kammern knüpfen organisatorisch an die bereits bestehenden Vergabeüberwachungsausschüsse (vgl. § 57c HGrG) an. 38 J. Byok, NJW 1998, 2774 (2778). 39 A. Boesen, EuZW 1998, S. 551 (555); J. Byok NJW 1998, 2774 (2778). 40 So A. Boesen, EuZW 1998, S. 551 (555). 41 Kritisch zur Europarechtskonformität A. Boesen, EuZW 1998, S. 551 (553) m. w. N.

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Gegen die innerhalb von fünf Wochen zu treffende Entscheidung der Vergabekammer steht den Unternehmen schließlich die sofortige Beschwerde zu, über die ein spezieller Vergabesenat des OLG entscheidet, § 116 GWB. Entsprechend der Eingliederung der Materie in die Vorschriften des Wettbewerbsrechts wird von nun an auch für den Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge Rechtsschutz letztlich durch die Gerichte gewährt.42 2. Schadensersatz bei fehlerhafter Vergabe und Mißbrauch der Rechtsschutzmöglichkeiten Bei Verletzung von Vergabevorschriften, die dem Schutz des klagenden Unternehmens dienen, gewährt § 126 S. 1 GWB einen Schadensersatzanspruch unter Erleichterung des Kausalitätsnachweises.43 Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren) besteht schon dann, wenn das klagende Unternehmen beweisen kann, daß es im Falle der Einhaltung der Vorschriften bei der Vergabe eine „echte Chance“ auf den Zuschlag gehabt hätte. Der Begriff der „echten Chance“ entspricht – so die Gesetzesbegründung – dem „in die engere Wahl kommen“ i. S. v. des § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A.44 Das Unternehmen muß also einerseits nicht beweisen, daß es den Zuschlag tatsächlich erhalten hätte. Andererseits kann sich so auch nicht jeder Teilnehmer des Vergabeverfahrens erfolgreich auf Mängel berufen. Die Zukunft wird zeigen, ob tatsächlich Schadensersatzansprüche vermehrt geltend gemacht werden. Darüber hinaus sind gem. § 126 S. 2 GWB weitergehende Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen. Insbesondere kommen Ansprüche aus c.i.c.45 sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den Vorschriften der Verdingungsordnungen46 in Betracht. Diese können auf das positive Interesse gerichtet sein, wenn der Bewerber nachweist, daß gerade er bei einer Einhaltung der Verfahrensvorschriften zum Zuge

42 Zusätzlich sieht § 15 des Vorentwurfs zur neuen Vergabeverordnung. (BT-Drs. 13/9340, S. 33) noch die Möglichkeit eines fakultativen Schlichtungsverfahrens für den Fall der nicht korrekten Anwendung von Gemeinschaftsrecht vor. Das Verfahren soll unter Vermittlung der Europäischen Kommission stattfinden. 43 Hiermit wird eine Vorgabe der Sektorenüberwachungsrichtlinie (vgl. oben Fn. 17) in das deutsche Schadensersatzrecht umgesetzt. Vgl. Begründung Gesetzentwurf: BT-Drs. 13/9340, S. 22 f. 44 Begründung Gesetzentwurf: BT-Drs. 13/9340, S. 22 f. 45 Vgl. dazu BGH NJW 1993, S. 520 (521); BGH NJW 1998, S. 3636 (3636 f.); NJW 1998, S. 3640; NJW 1998, S. 3644 (3645). 46 Während früher der Schutzgesetzcharakter der Vorschriften der Verdingungsordnungen generell verneint wurde (vgl. z. B. BGH VersR 1965, 764, 765; KG NVwZ 1996, 415), wird nunmehr wegen § 97 Abs. 7 GWB, der einen Anspruch auf ihre Einhaltung gewährt, von einem Schutzgesetzcharakter auszugehen sein.

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gekommen wäre.47 Ergänzt wird die Vereinfachung der Geltendmachung von Schadensersatz durch die Regelung des § 124 Abs. 1 GWB. Danach ist das zur Entscheidung zuständige Zivilgericht an die bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer sowie an die Entscheidungen des Beschwerdegerichts gebunden. Quasi im Gegenzug gibt die Regelung des § 125 GWB dem öffentlichen Auftraggeber das Recht, Ersatz für die Folgen eines von Anfang an ungerechtfertigten Antrags auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nach § 107 GWB oder einer sofortigen Beschwerde nach § 116 GWB zu verlangen. § 125 GWB soll einem Mißbrauch der neuen Rechtsschutzmöglichkeiten entgegenwirken, indem neben dem Kostenrisiko noch das Risiko einer Schadensersatzklage besteht.48 Die Formulierung der Beispielstatbestände des § 125 Abs. 2 GWB deutet darauf hin, daß von den Voraussetzungen her ähnliche Maßstäbe wie bei der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) oder dem Prozeßbetrug (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) anzulegen sein werden. Zumindest muß ein negativ zu wertendes, über die berechtigte Wahrnehmung der eigenen Interessen hinausgehendes subjektives Element im Vorgehen des Antragstellers nachgewiesen werden können.

V. Zusammenfassung und Ausblick Mit der Neukodifikation des Vergaberechts und seiner Einbettung in die §§ 97 ff. GWB hat der Gesetzgeber einen ersten wichtigen Schritt zur Umsetzung einer Reihe von EG-Richtlinien getan. Gemeinsames Ziel dieser EG-Richtlinien ist es, das öffentliche Auftragswesen für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb zu öffnen. Deshalb ist konsequenterweise beim Sportstättenbau eine europaweite Ausschreibung und Vergabe der Architekten- und Bauleistungen dann erforderlich, wenn ein öffentlicher Auftraggeber öffentliche Aufträge vergeben will, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Die Schwellenwerte von knapp 10 Mio. DM für Bauleistungen und 400.000 DM für Architektenleistungen können bereits jetzt schon bei der Neuerrichtung einer normalen Dreifach-Sporthalle erreicht werden. Auch die Anwendung moderner Formen der Projektierung und Finanzierung unter Beteiligung Privater beim Bau von Stadien, Sporthallen und Schwimmbädern entbindet regelmäßig nicht von der Einhaltung der Vergabevorschriften. Drei inländische Stellen und ggf. die Europäische Kommission gewährleisten die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts. Sie wird ferner dadurch gesichert, daß für Konkurrenten gerichtlicher Rechtsschutz eröffnet wird und in größerem Umfang Schadensersatzansprüche bestehen. Das Hauptproblem, welches sich weiterhin für die Praxis stellen wird, ist die korrekte Ermittlung des Auftragswertes zum Zeit47

Vgl. auch M. Dreher, EuZW 1998, 197 (199), der eine Beweislastumkehr dahingehend anregt, daß die Vergabestelle den Nachweis führen muß, daß der Antragsteller den Auftrag auch bei rechtmäßigem Vergabeverfahren nicht erhalten hätte. 48 Begründung Gesetzentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 22.

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punkt des Ausschreibungsbeginns, weil damit die Weichen für das folgende Ausschreibungsverfahren gestellt werden - ein Aspekt, auf den die Vergabepraxis mit höchster Aufmerksamkeit wird reagieren müssen. Ob die Neuregelung dauerhaften Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Die Kommission hat bereits ein Grünbuch zum öffentlichen Auftragswesen49 sowie eine Mitteilung50 über weitere Maßnahmen auf diesem Gebiet herausgegeben. Darin zeichnen sich Regelungen ab, die unter dem Banner der Klarstellung und Flexibilisierung den gesamten Bereich umfassend neu normieren.

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KOM (96) 583 endg. v. 27. 11. 1996. KOM (98) 143 endg. v. 11. 03. 1998, http.//www.europa.eu.int/comm/dg15/en/publproc/ comm/pubde/pdf. 50

Zur Einführung: Aktuelle Rechtsprobleme des Dopings* Mit dem heutigen Doping-Forum reagiert der Konstanzer Arbeitskreis als Vereinigung für deutsches und internationales Sportrecht auf Diskussionen und Erklärungen des Jahres 1999. Es geht uns darum, diese Diskussionen – auch interdisziplinär – fortzuführen und den uns möglichen Beitrag zur Lösung der Dopingproblematik zu leisten. Ich darf in Erinnerung rufen: @ Die Lausanner Erklärung zum Doping im Sport vom 04. 02. 19991 hat zweierlei auf den Weg gebracht: die internationale Anti-Doping-Agentur (WADA) und den am 01. 01. 2000 in Kraft getretenen Anti-Doping-Code der Olympischen Bewegung2, der u. a. eine Zweijahresregelstrafe beim ersten Dopingverstoß mit einer Modifizierungsoption vorsieht. @ Die Beschlüsse der EU-Sportminister Anfang Juni 1999 in Paderborn sehen u. a. eine verschuldensunabhängige Mindestsperre von zwei Jahren beim Erstverstoß und die Koordinierung der nationalen Dopingbekämpfung durch die Europäische Kommission vor. @ Äußerungen hochrangiger deutscher Sportfunktionäre und Politiker, die Zweijahressperre ohne Verschulden sei Standard in Deutschland, haben in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, die Zweijahressperre sei nicht nur ein Aspekt unter vielen, sondern das entscheidende Instrument der Dopingbekämpfung, und zwar unabhängig vom individuellen Verschulden.3 Weitgehend unbeachtet blieb in der in Deutschland geführten Diskussion, daß die von den meisten deutschen Sportverbänden4 umgesetzten DSB-Rahmen-Richt* Erstveröffentlichung in K. Vieweg/V. Röhricht (Hrsg.), Doping-Forum – Aktuelle rechtliche und medizinische Aspekte, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2000, S. 13 – 16. 1 Abgedruckt in SpuRt 1999, 103. 2 Abgedruckt im Anhang dieses Bandes; die englische Originalfassung ist abgedruckt in: R. Siekmann/J. Soek/A. Bellani (ed.), Doping Rules of International Sports Organisations, 1999, S. 599 ff.; die englische und die französische Fassung sind abrufbar unter http://www.no doping.org. 3 Vgl. nur FAZ vom 26. 05. 1999, S. 48 sowie Bundesinnenminister Schily im FAZ-Sportgespräch, FAZ vom 02. 06. 1999 S. 47, dem zufolge ein ohne sein Wissen gedopter Minderjähriger halt „Pech gehabt“ habe. 4 Nach einer vom Deutschen Sportbund Anfang 1996 und Anfang 1998 durchgeführten Umfrage haben lediglich vier der angeschlossenen Spitzenverbände die Dopingbestimmungen nicht in der Satzung verankert; etwa ein Drittel der Spitzenverbände weicht hinsichtlich der

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linien zur Bekämpfung des Dopings seit 19925 folgende Empfehlung als Zulassungssperre aussprechen: „Sportler/innen sollen bei nachgewiesenem Doping a) im ersten Fall mit einer Wettkampfsperre bis zu zwölf Monaten … belegt werden. Bei der Festlegung der Wettkampfsperre ist der individuelle Grad des Verschuldens sowie die mögliche Dauer weiterer wettkampfsportlicher Tätigkeit zu berücksichtigen.“

Um die Diskussion offenzuhalten, haben Vorstand und Beirat des Konstanzer Arbeitskreises in einer Eilaktion eine eigene Erklärung zur Lausanner Erklärung abgegeben6 und damit Reaktionen hervorgerufen, die letztlich der Anlaß für das heutige Doping-Forum sind. Wir wollen uns in einer konzentrierten Veranstaltung mit einem übervollen Programm insbesondere über den aktuellen Stand zu folgenden Themenkreisen informieren: Erstens geht es um die Rollen- und Verantwortungsverteilung zwischen Staat bzw. Politik einerseits und Sportorganisationen andererseits sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Zu fragen ist: Wie sieht es mit der Autonomie der Sportverbände in Dopingangelegenheiten aus? Welche Kompetenzen haben die Staaten, welche die Europäische Union? Haben die Verbände ihre „Chance zur Selbstregulierung“ verspielt? Zu welchen Hoffnungen berechtigen Doping-Agenturen auf nationaler und internationaler Ebene? Zweitens geht es um das Uraltproblem der Harmonisierung und Koordinierung der Dopingregelungen. Die Regelungsvielfalt der Sportverbände auf nationaler und internationaler Ebene stößt verbreitet auf Unverständnis. Bisweilen wird sogar der Verdacht geäußert, die Dopingregelungen einzelner Verbände spiegelten wider, daß es ihnen im Grunde nicht um eine ernsthafte Dopingbekämpfung gehe. Im Rahmen der Gesamtdiskussion verspricht ein Vergleich der Verbandsregelungen zum Verschuldensprinzip, zur Beweislast und zur Sanktionshöhe besonderen Aufschluß. Dasselbe gilt für den Rechtsvergleich straf- und arzneimittelrechtlicher Dopingvorschriften. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang die Frage einer ein-

Sanktionen von den Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings ab (Auskunft DSBJustitiariat vom 25. 04. 2000). 5 Vgl. zur Entstehung J. Kühl, Die Entstehung des DSB-Sanktionskatalogs als Empfehlung der Spitzenverbände sowie V. Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, beide in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 7 ff. bzw. 12 ff. Die aktuelle Fassung der DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings wird ab Herbst 2000 auf der Homepage des Deutschen Sportbundes abrufbar sein (Auskunft DSB-Justitiariat vom 25. 04. 2000). 6 Abgedruckt in SpuRt 1999, 132.

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heitlichen Dopingdefinition, die mit dem neuen Anti-Doping-Code der Olympischen Bewegung wieder auf den Prüfstand geraten ist.7 Drittens geht es um den medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand, der auch für die rechtlichen Überlegungen zur Dopingbekämpfung zentral ist. Insofern sind die medizinisch-naturwissenschaftliche Fundierung von Dopinglisten, insbesondere Art und Ausmaß der Leistungssteigerung für die Athleten, die Festsetzung von Grenzwerten und die Verbesserung der Dopinganalytik von Interesse. Die verbesserte Dopinganalytik führt beispielsweise dazu, daß mit Dopingsubstanzen versetzte Nahrungsergänzungsmittel sowie abgesetzte Medikamente zu positiven Dopingbefunden führen, die in der Sache deshalb fraglich sind, weil angesichts der Geringfügigkeit der Dosis ein leistungssteigernder Effekt nicht plausibel ist. Hier ist zu überlegen, ob aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit für die Athleten nach Einbeziehung des besten verfügbaren Sachverstandes Grenzwerte festzulegen sind. Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn Dopingsubstanzen in geringen – analytisch nachweisbaren – Mengen endogen produziert werden. Die Abgrenzung von natürlicher endogener Produktion und verbotener exogener Zufuhr erweist sich dabei als höchst problematisch. Dies zeigt die aktuelle Diskussion der Nandrolon-Grenzwerte. Sie darf jedoch ebensowenig wie die Problematik des „Herandopens“ an einen Grenzwert – wie den Hämatokritwert im Radsport – generell dazu führen, auf die Festlegung von Grenzwerten überhaupt zu verzichten. Viertens schließlich geht es uns um die Praxistauglichkeit der Anti-DopingRegelungen. Sie erweist sich vor allem in der Beweissituation. Der Nachweis des Vorhandenseins der Dopingsubstanz im Körper bzw. der Anwendung unzulässiger Methoden (z. B. Blutdoping) verschafft insbesondere noch keine endgültige Klarheit hinsichtlich des Verschuldens. Insofern stellt sich die Frage, ob eine Beweiserleichterung in Form eines Anscheinsbeweises eingreift,8 ob also von einem feststehenden Dopingbefund auf einen schuldhaften Dopingverstoß des Athleten geschlossen werden kann. Hierzu müßte ein typischer Geschehensablauf zu bejahen sein, demzufolge nach der Lebenserfahrung derjenige, bei dem die verbotene Substanz nachgewiesen wurde, diese jedenfalls aufgrund fahrlässiger Unkenntnis, also verschuldet, angewendet hat. Aus praktischer Sicht sind die Anforderungen an die Erschütterung des Anscheinsbeweises zentral. Hier kommt es darauf an, ob der Athlet nachweisen kann, daß in seinem speziellen Fall die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs besteht.9 Mit dem Anscheinsbeweis hat die deutsche Zivilprozeßrechtsdogmatik im übrigen einen Ansatz entwickelt, der in

7

Kritisch zu Recht U. Haas/C. Prokop, SpuRt 2000, 5 f. Vgl. hierzu im einzelnen W. Walker, Beweisrechtliche und arbeitsrechtliche Probleme des Dopings, in K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, Berlin 1998, S. 135 (143 ff.). 9 Vgl. zu den Anforderungen an die Erschütterung des Anscheinsbeweises BGH NJW 1991, 230 (231). 8

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anderen Ländern – z. B. in der Schweiz – nicht bekannt ist – ein Umstand, der für die internationalen Harmonisierungsbestrebungen im Blick behalten werden sollte. Nicht immer zutreffend erkannt wird das Verhältnis von Anscheinsbeweis, Vermutung und Beweislast(umkehr). Zum Teil wird hinsichtlich des Verschuldens eine echte Beweislastumkehr nach richterrechtlichen Grundsätzen befürwortet, zum Teil wird das Verschulden des Sportlers vermutet, wenn bei ihm Dopingsubstanzen festgestellt worden sind und er zuvor nicht auf etwa bestehende medizinische Indikationen hingewiesen hat.10 Insofern ist klarzustellen, daß sich überhaupt erst dann, wenn der (Anscheins-)Beweis nicht erbracht werden kann – also eine sog. non-liquet-Situation vorliegt – die Frage der Beweislastverteilung und einer etwaigen Beweislastumkehr stellt. Dabei ist festzuhalten, daß es sich auch bei einer Verschuldensvermutung um eine Regelung der Beweislast handelt.11 Normalerweise trägt jeder die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihm nützlichen Rechtsnorm. Mit anderen Worten tragen die Verbände das Risiko der Nichterweisbarkeit einer für die Sanktion wesentlichen Tatsache (insbes. des Verschuldens). Hier stellt sich dann die Frage, ob den Athleten – im Wege der Umkehr der Beweislast – die Last des Nachweises ihres fehlenden Verschuldens, also ihrer Unschuld aufgebürtet werden darf. Interesse und Bemühungen aller sollten dahin gehen, den non-liquet-Bereich möglichst klein zu halten, um undankbare Beweislastentscheidungen zu vermeiden. Die Berücksichtigung des medizinisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes und die Festlegung von Grenzwerten im Zusammenspiel mit ihrer paßgerechten Einbindung in das juristische Instrumentarium leisten hierzu möglicherweise einen wesentlichen Beitrag. Ich wünsche uns allen spannende Vorträge, anregende Diskussionen und dem Doping-Forum insgesamt einen guten Verlauf.

10

Vgl. U. Haas,/J. Adolphsen, NJW 1996, 2351 (2352); M. Meinberg/D. Olzen/S. Neumann, Gutachten über die rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung des Doping-Mißbrauchs, in: W. Schild (Hrsg.), Rechtliche Fragen des Dopings, Heidelberg 1986, S. 63 (84). 11 Zutreffend W. Walker (Fn. 8), S. 150 m. w. N.

Verbandsautonomie und Grundfreiheiten* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtstatsächlicher Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundlagen, Ausprägungen und Grenzen der Verbandsautonomie im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grenzen der Verbandsautonomie auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . VI. Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten auf Verbandsnormsetzung und -anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbandsnormsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dogmatische Grundlage der unmittelbaren Drittwirkung und Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Garantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite der unmittelbaren Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfassende Drittwirkung sämtlicher Grundfreiheiten? . . . . . . . . . . . . . bb) Drittwirkung und wirtschaftlich-soziale Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbandsnormanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verhältnis von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten . . . . . . . . 1. Gemeinschaftsgrundrechte als immanente Schranken drittwirkender Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Maßstab wechselseitiger Begrenzung von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten . . . . . . . . . . 3. Schrankensystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbehalt der Verbandsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwiegende Gründe des Verbandsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Gründe des Verbandsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtwirtschaftlich begründete Verbandsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Gesellschaftliche Selbstregulierung, insbesondere durch Vereine und Verbände,1 führt idealiter zu einer Optimierung rechtlicher Steuerung. Fachkompetenz und persönlicher Kontakt lassen sach- und interessengerechte Regelungen und Ent* Erstveröffentlichung (zusammen mit A. Röthel) in ZHR 2002, 6 – 34. 1 Vgl. statt vieler H. Leßmann, Die öffentlichen Aufgaben und Funktionen privatrechtlicher Wirtschaftsverbände, 1976; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987; G. Teubner, Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, 1978; K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990; O. Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände – zugleich ein Beitrag zum Spannungsverhältnis zwischen privater Macht und Privatautonomie, unveröffentlichte Habilitationsschrift Göttingen 1982.

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scheidungen erwarten und tragen dadurch zur Staatsentlastung bei. Klassische Felder gesellschaftlicher Selbstregulierung sind die Arbeitsbedingungen2, der Sport3 und die technische Normung4. Daß die Vorzüge gesellschaftlicher Selbstregulierung vor allem bei Verbänden mit wirtschaftlich-sozialer Macht in das Gegenteil umschlagen und zu Fehlsteuerungen führen können, ist in Deutschland ein seit langem bekanntes Phänomen, das zu entsprechenden Reaktionen geführt hat. Beispielhaft seien nur die Bemühungen um ein Verbändegesetz5, die Ausweitung der Überprüfung von Vereins- und Verbandsentscheidungen durch staatliche Gerichte6 und der Normenvertrag der Bundesrepublik Deutschland mit dem Deutschen Institut für Normung7 genannt. Hinzu kommen offenkundige Regelungsdivergenzen, die sich insbesondere beim Vergleich z. B. mit den Grundrechten sowie dem Kartellrecht (§§ 1, 19 f. GWB) herausstellen. Sie werfen ebenfalls die Frage nach der Integration der Verbände in die Rechtsordnung auf. Mit zeitlicher Verzögerung lassen sich auf europäischer Ebene ähnliche Entwicklungen beobachten. Diese sind teilweise – wie die „neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung“8 und die Institutionalisierung des sozialen Dialogs9 – ohne große öffentliche Resonanz vonstatten gegangen. Teilweise haben sie aber auch lebhafte Reaktionen ausgelöst. Erinnert sei an das Bosman-Urteil des EuGH10, das für die Betroffenen wie ein Paukenschlag 2

Das beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geführte Tarifregister (einzusehen unter http://www.bma.de) verzeichnete zum 31. 12. 2000 insgesamt 54.940 gültige Tarifverträge. 3 Das Regelwerk des Deutschen Fußballbundes umfaßt z. B. 437 Seiten. Die vom T.M.C. Asser Instituut in Den Haag veröffentlichten Dopingregelungen der internationalen Sportorganisationen füllen 624 Druckseiten; vgl. R. Siekmann/J. Soek/R. Bellamy (ed.), Doping Rules of International Sportsorganisations, 1999. 4 Allein das DIN-Normenwerk umfaßt ca. 110.000 Druckseiten; vgl. K. Vieweg, JuS 1993, 894 (897). 5 Vgl. statt vieler G. Teubner, JZ 1978, 545 ff.; R. Wimmer, DVBl. 1977, 401 ff. 6 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 229 ff.; ders., SpuRt 1995, 97 ff.; V. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19 (25 ff.). 7 Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN Deutsches Institut für Normung e. V. vom 05. 06. 1975 ist abgedruckt in der Beilage zum BAnz Nr. 114 v. 27. 06. 1975 sowie in: DIN-Mitt 1975, 359 ff. Die am 22. 10. 1992 zwischen dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem DIN geschlossene Vereinbarung ist abgedruckt in: Umwelt Nr. 1/1993, S. 8 f. 8 Entschließung des Rates vom 07. 05. 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung, ABl. Nr. C 136 v. 04. 06. 1987, S. 1 ff. 9 Hierzu A. Röthel, NZA 2000, 65 ff. 10 EuGH, Urt. v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995 I-4921 ff. = NJW 1996, 505 ff. = EuZW 1996, 82 ff. m. Anm. J. Wertenbruch = JZ 1996, 248 m. Anm. W. Schroeder – Bosman; hierzu aus der umfangreichen Literatur etwa W. Arens, SpuRt 1996, 39 ff.; L. Gramlich, DÖV 1996, 801 ff.; M. Hilf/E. Pache, NJW 1996, 1169 ff.; S. Hobe/Ch. Tietje, JuS 1996, 486 ff.; Ch. Palme, JZ 1996, 238 ff.; K.-U. Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball, 1999; H. Reichold, ZEuP 1998, 434 ff.; R. Scholz/J. Aulehner, SpuRt 1996, 44 ff.;

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wirkte, sowie an die Kontroversen der Wettbewerbskommissare van Miert und Monti mit dem Europäischen Fußballverband UEFA11. In rechtstatsächlicher Hinsicht ist für den Bereich des Sports die Kollisionslage zwischen der Verbandsautonomie einerseits und den Grundfreiheiten andererseits am eingehendsten untersucht worden (dazu II.). Die daran anknüpfende rechtliche Untersuchung hat zunächst die Verbandsautonomie – ihre Grundlagen, Ausprägungen und Grenzen – auf nationaler Ebene in den Blick zu nehmen (dazu III.), bevor die gemeinschaftsrechtliche Dimension analysiert wird. Hier sind die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen der Verbandsautonomie (dazu IV.) Ausgangspunkt für die Konzeption ihrer Grenzen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene (dazu V.). Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten auf Verbandsnormen (dazu VI.) leitet über zu der Frage des Verhältnisses von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten (dazu VII.).

II. Rechtstatsächlicher Befund Im Bereich des Sports ist die rechtstatsächliche Kollisionslage zwischen der Verbandsautonomie und den Grundfreiheiten nicht zuletzt aufgrund der grenzüberschreitenden Kommerzialisierung und Professionalisierung besonders virulent. Sie ist bereits mehrfach Gegenstand von Untersuchungen gewesen.12 Hierbei erweist es sich als Vorteil, daß Konflikte im Sport häufig öffentlich über die Medien ausgetragen werden. Zur Veranschaulichung seien einige Fallgestaltungen erwähnt: Die Kollisionslage zwischen der Verbandsautonomie und der Freizügigkeit (Art. 39 ff. EG) zeigte sich bereits im Bosman-Urteil13, in dem der EuGH über Ausländerklauseln und Transfermodalitäten zu entscheiden hatte. Derartige Klauseln haben in fast allen Sportarten eine lange Tradition und prägen dessen Erscheinungsbild und Funktionsweise. Auch der mittlerweile vom EuGH entschiedene Fall Lehtonen14, in dem es um Regelungen des belgischen Basketballverbandes zu Transferfristen ging, spiegelt diese Kollisionslage wider. Daß auch DopingH.-R. Trommer, Die Transferregelungen im Profisport im Lichte des „Bosman-Urteils“, 1999; Ch. Weber, RdA 1996, 107 ff. 11 Die Konfliktlage ist geprägt von wechselseitigen Verständnisproblemen und geringer Kompromißbereitschaft; vgl. dazu im einzelnen R. Streinz, SpuRt 2000, 221 m. w. N. 12 Europäische Kommission (Hrsg.), Der Einfluß der Tätigkeiten der Europäischen Union auf den Sport, Studie erarbeitet von Coopers & Lybrand, 1995, S. 25 ff.; K. Vieweg, Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa, in: D. H. Jütting (Hrsg.), Sportvereine in Europa zwischen Staat und Markt, 1999, S. 114 (120 ff.); ders., The Legal Autonomy of Sport Organisations and the Restrictions of European Law, in: A. Gaiger/ S. Gardener (eds.), Professional Sport in the European Union: Regulation and Re-regulation, The Hague 2001, p. 83 (92 et seq.). 13 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 ff. – Bosman. 14 EuGH, Urt. v. 13. 04. 2000, Rs. C-176/96, EuZW 2000, 375 ff. m. Anm. A. Röthel – Jyri Lehtonen, Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL/Fédération royale belge des sociétés de basket-ball ASBL (FRBSB).

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regelungen dann, wenn sie hinsichtlich der Dauer der bei Verstößen vorgesehenen Sperre von nationalem Sportverband zu nationalem Sportverband divergieren, die Freizügigkeit tangieren können, zeigt der Fall des isländischen Handballspielers Finur Johannsen15. Kollisionen zwischen der Verbandsautonomie und der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG) sind bisher nicht praktisch geworden, lassen sich aber ohne Mühe konstruieren. So ließe sich beispielsweise an die Gründung von Vermarktungsgesellschaften durch ausländische Verbände und Vereine denken, die dem durch inländische Verbandsregelungen formulierten Anspruch des nationalen Verbandes, seine Sportart im eigenen Land umfassend – einschließlich der Vermarktung – zu kontrollieren,16 zuwiderliefe. Bei selbständiger Tätigkeit und dauerhafter Ansässigkeit eines Athleten im Ausland – man könnte an Boris Becker denken – sind ebenfalls Kollisionen zwischen der Niederlassungsfreiheit und der Verbandsautonomie vorstellbar. Eine Reihe aktueller Fälle belegt die praktische Bedeutung der „mobilen Dienstleister“ im Sportbereich, die zu Kollisionen zwischen der Verbandsautonomie und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG) führen: Die unterlassene Nominierung einer Sportlerin zu internationalen Veranstaltungen ist im Fall Deliège17 bereits vom EuGH zu entscheiden gewesen. Zu klären waren zwei Fragen: Ist die Regelung eines internationalen Sportverbandes, die für die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb eine Erlaubnis oder eine Auswahl durch den nationalen Verband verlangt, mit der Dienstleistungsfreiheit der Art. 59 – 65 EGV (jetzt: Art. 49 – 55 EG) vereinbar? Ist es insbesondere mit dem EG-Vertrag vereinbar, daß nur eine bestimmte Anzahl von Athleten der gleichen Nationalität an internationalen Ereignissen teilnehmen darf? Nationale und internationale Verbandsregelungen verbieten die Austragung der Heimspiele in einem Stadion, das in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Wirtschaftliche Gründe können in eine andere Richtung weisen. So beabsichtigte der FC Wimbledon, Verein der englischen Premier League, die Heimspiele im irischen Dublin auszutragen, weil man erwartete, dort in einem vollen Stadion spielen zu können. Auch bei Investitionen in Höhe von knapp 300 Mio. DM für ein neues Stadion in Dublin sollte sich dieses Vorhaben rechnen.18 15

FAZ v. 22. 01. 1998, S. 34; FAZ v. 24. 01. 1998, S. 33; FAZ v. 07. 03. 1998, S. 33. So heißt es z. B. in § 4 Ziff. 1 der Satzung des Deutschen Schützenbundes (DSB): „Der DSB ist zuständig für … die mit der öffentlichen Präsentation des Sportschießens zusammenhängenden Grundsatzfragen der Werbung, des Sponsoring und des Merchandising sowie der Medien-, insbesondere der Fernsehrechte.“ 17 EuGH, Urt. v. 11. 04. 2000, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97, EuZW 2000, 371 m. Anm. A. Röthel = NJW 2000, 2011 = JuS 2000, 1015 (R. Streinz) – Christelle Deliège/Ligue francophone de judo et disciplines associées ASBL, Ligue belge de judo ASBL, Union européene de judo und Christelle Deliège/Ligue belge de judo et disciplines associées ASBL, Ligue belge de judo ASBL, François Pacquée. 18 FAZ v. 11. 02. 1998, S. 25; FAZ v. 13. 12. 1998, S. 31. 16

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Verbreitet sehen die Regelungen nationaler und internationaler Sportverbände vor, daß internationale Sportveranstaltungen, also Dienstleistungen, nur dann stattfinden dürfen, wenn sie vorher auf Antrag des Veranstalters von ihnen genehmigt worden sind.19 So standen die Bestrebungen einiger europäischer Spitzenclubs, im Fußball eine europäische Superliga zu konstituieren, in Widerspruch zu den Regelungen des europäischen Fußballverbandes, der UEFA, mit denen nicht zuletzt eine Konkurrenz zu der von der UEFA veranstalteten Champions League verhindert werden soll.20 Für die Kollision von Verbandsautonomie und Warenverkehrsfreiheit (Art. 25 ff. EG) mag als Beispiel die verbreitete Praxis genügen, daß die Zulassung von Sportgeräten zu Verbandswettkämpfen nach den technischen Bestimmungen und etwaigen Homologisierungsvorschriften der internationalen bzw. nationalen Sportverbände erfolgt.21 Nicht zugelassene Produkte haben praktisch keine Vermarktungschance. Die Kollision der Verbandsautonomie mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EG) – zugleich mit der Dienstleistungsfreiheit – zeigt die Problematik der sog. multiclub ownerships. So durfte trotz geglückter Qualifikation der griechische Club AEK Athen in der Saison 1998/99 nicht am UEFA-Cup teilnehmen. Die UEFA hatte kurz zuvor die Regelung eingeführt, wonach pro Eigentümer nur ein Verein am Europa-Cup-Wettbewerb teilnehmen darf.22 AEK Athen wird, wie Slavia Prag, von der britischen Investmentgruppe English National Investment Company (ENIC) kontrolliert. Diese vergab den Platz im UEFA-Pokal an den Zweitplazierten der tschechischen Meisterschaft. Mittlerweile hat in dieser Sache der internationale Sportschiedsgerichtshof CAS23 entschieden und die Wirksamkeit der Regelung bejaht. Wie schon die Fälle Bosman und Deliège gezeigt haben, hat das Konfliktfeld zwischen Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten häufig auch eine

19 Die Regelungen des Internationalen Fußballverbandes, der FIFA, sehen folgende Genehmigungserfordernisse für Vereinsveranstaltungen vor: Art. 50 III FIFA-Statuten (internationale Wettbewerbe zwischen Vereinen sind grundsätzlich vom Exekutivkomitee zu genehmigen); Art. 9 V FIFA-Reglement (internationale Vereinsspiele bedürfen der Genehmigung der austragenden nationalen Verbände). Vgl. auch Art. 10 I FIFA-Reglement (Erforderlichkeit der Zustimmung der FIFA zu Turnieren mit mehr als zwei Nationalmannschaften). 20 Vgl. K. Vieweg, The Legal Autonomy of Sport Organisations (Fn. 12), p. 83 (95) sowie EU-Büro des Deutschen Sports, Monatsbericht Juli 2001, S. 11. 21 Vgl. z. B. die Regelungen des Internationalen Basketballverbandes, der FIBA: Appendix to the Official Basketball Rules 2000, einzusehen unter http://www.fiba.com. 22 Schreiben der UEFA v. 26. 05. 1998 an ihre Mitglieder hinsichtlich der Integrität der europäischen Vereinswettbewerbe. 23 CAS 98/2000, Yearbook Comm. Arbitration XXV (2000), 393 ff.; D. Schwarz, SpuRt 2000, 83.

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kartellrechtliche Dimension.24 Sie muß hier aus Raumgründen ausgeblendet werden.25

III. Grundlagen, Ausprägungen und Grenzen der Verbandsautonomie im deutschen Recht Verbandsnormen sind abstrakt-generelle Verhaltens- oder Beschaffenheitsfestsetzungen, mit denen der Verband einseitig mögliche Interessen- und Wertungskonflikte mit Anspruch auf Verbindlichkeit in demjenigen Bereich regelt, den er kompetentiell für sich in Anspruch nimmt.26 Beispielhaft seien nur die Transferregelungen im Berufsfußball27, die Festlegung der Beschaffenheit von Diesel-Kraftstoff28 sowie die Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsnormen der DIN EN ISO 9000-Normenreihe29 erwähnt. Verbandliche Normsetzung sowie deren damit in funktionalem Zusammenhang stehende Anwendung und Durchsetzung sind Ausprägungen der Verbandsautonomie, die im deutschen Recht ihre Grundlage in Art. 9 Abs. 1 GG und einfachgesetzlich in §§ 21 ff. BGB findet. Einen Freibrief bildet die Verbandsautonomie allerdings nicht: Soweit die Verbände in Anspruch nehmen, in ihrem Bereich letztverbindliche Normen zu setzen und Entscheidungen zu treffen, stellt sich – da hiermit zwangsläufig rechtliche Positionen der Mitglieder tangiert werden – vielmehr die Legitimationsfrage: Darf der Staat den Verbänden vorbehaltlos die Befugnis zur Normsetzung und -anwendung überlassen oder muß er sich selbst die Möglichkeit der Konkretisierung sowie der Kontrolle und Korrektur der Verbandsnormsetzung sowie der Verbandsentscheidungen durch Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung vorbehalten?30 Für die deutsche Rechtslage ist davon auszugehen, daß es dem grundrechtsgebundenen Privatrechtsgesetzgeber obliegt, grundrechtlich verbürgte Positionen Privater gegeneinander abzugrenzen31 und ihnen zu größtmöglicher Effektivität zu 24 In den Fällen Bosman und Deliège hat der EuGH jedoch auf eine Entscheidung der kartellrechtlichen Fragen verzichtet; vgl. A. Röthel, EuZW 2000, 379 (380). 25 Dazu eingehend I. Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, 2001, passim. Vgl. schon den Überblick bei Europäische Kommission (Hrsg.), Der Einfluß der Tätigkeiten der Europäischen Union auf den Sport (Fn. 12), S. 69 ff. 26 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 31. 27 Grundsätze für die Änderung des FIFA-Reglements betreffend internationale Transfers vom 06. 03. 2001, einzusehen unter http://www.fifa2.com. 28 DIN 51061. 29 Einen Überblick geben z. B. B. Heussen/M. Schmidt, CR 1995, 321 ff.; E. Kohtes, AnwBl. 1996, 369 ff. 30 Vgl. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 159 ff. 31 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. (Neudruck) 1999, Rdnr. 355. Zur Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers siehe auch A. Röthel, JuS 2001, 424 (425 f.).

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verhelfen.32 Zudem kann ihn – wenn auch unter den engen Voraussetzungen einer staatlichen Schutzpflicht33 – die Pflicht treffen, einen Sachverhalt selbst zu regeln. Schon aus diesen Gründen kann der Staat die Verbände nicht vorbehaltlos gewähren lassen, sondern muß die Verbandsautonomie unter den Vorbehalt der Konkretisierung durch den Gesetzgeber – ergänzend durch die Rechtsprechung – stellen. Eine durch die Verbände selbstdefinierte Verbandsautonomie kann es demgemäß nicht geben.34 Praktisch wichtiger ist der sich auf die Entscheidungspraxis der Verbände, also deren Normanwendung und -durchsetzung beziehende staatliche Kontroll- und Korrekturvorbehalt. Dieser ergibt sich im deutschen Recht aus der allgemeinen staatlichen Justizgewährungspflicht als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips.35 Die Rechtsprechung hat bei Anrufung durch Betroffene sicherzustellen, daß die Entscheidungspraxis der Verbände sich in den von der Rechtsordnung gesetzten Rahmen einfügt. Insbesondere darf die Inanspruchnahme der Verbandsautonomie nicht zu Fehlabgrenzungen grundrechtlich geschützter Positionen führen. Hiermit würde eine Maximalgrenze der Verbandsautonomie überschritten, die auch nicht durch die prinzipielle Legitimation zur richterlichen Selbstbeschränkung (judicial self-restraint) verschoben werden darf. Ergänzend ergibt sich aus der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG eine verfassungsrechtliche Minimalgrenze der auf Art. 9 Abs. 2 GG gestützten Verbandsautonomie. Sie wird dann überschritten, wenn die organisatorische Funktionsfähigkeit der Verbände und/oder deren Selbstbestimmung – auch gerade durch Normsetzung und -anwendung – beseitigt wird.36 Die so im Außenverhältnis zum Staat gewonnenen Maximal- und Minimalgrenzen der Verbandsautonomie markieren einen Zwischenbereich, für den sich die Frage stellt, unter welchen Voraussetzungen der Staat legitimiert ist, von seinem Konkretisierungs-, Kontroll- und Korrekturvorbehalt Gebrauch zu machen. Diese Frage läßt sich im deutschen Recht mit Hilfe der negativen Variante des Subsidiaritätsprinzips – der Funktionssperre – und damit anhand des Rechtsstaatsprinzips beantworten.37 Die hieraus ableitbare Formel, daß der Staat den Verbänden die

32 BVerfGE 6, 55 (72); 32, 54 (71); 39, 1 (38); K. Stern, Staatsrecht Bd. III/1, 1988, S. 1548; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung (Fn. 1) S. 512. 33 Vgl. zur staatlichen Schutzpflicht G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987; Ch. Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1991; J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 211 ff.; H. Klein, DVBl. 1994, 489 ff.; J. Isensee, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Hdb StR Bd. V, 1992, § 111 insbes. Rdnrn. 86 ff. 34 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 161 f. 35 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 162 f.; a. A. D. Reuter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2001, Bd. 1.Vor § 21 Rdnr. 88 und G. Wagner, Prozeßverträge und Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998, S 476. 36 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 173 ff. 37 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 178 ff.

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„Chance zur endgültigen Selbstregulierung“38 einräumen muß, läßt sich umsetzen, indem der Umfang staatlicher Legitimation, die Verbandsautonomie einfachgesetzlich zu begrenzen, in Korrelation zum Grad der Grundrechtsgefährdung durch verbandliche Normsetzung und -anwendung gesetzt wird. Mit dem Grad der Grundrechtsgefährdung korrelieren ebenfalls die Kontrolldichte durch gerichtlichen Rechtsschutz und die Legitimation zur Ergebniskorrektur. Dabei sind die für die Verbandsnormsetzung und -anwendung typischen Grundrechtskollisionen zwischen Verband und Mitgliedern – man kann von Innengrenzen der Verbandsautonomie sprechen – durch Güterabwägung, letztlich nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen.39

IV. Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen der Verbandsautonomie Der europäische Gesetzgeber hat bislang auf eine spezielle Regelung der Vereins- bzw. Verbandsautonomie verzichtet, setzt sie aber im Entwurf einer Verordnung des Rates über das Statut des Europäischen Vereins40 voraus. Der EuGH hatte sich vor dem Bosman-Urteil allein mit der Koalitionsfreiheit zu befassen.41 In seiner Judikatur hat er – im Einklang mit der Literatur42 – die Vereinigungsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt43 und zur Begründung zum einen auf Art. 11 EMRK zurückgegriffen, der im Rahmen der Vereinigungsfreiheit den Zusammen38

K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 182 ff. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 189 ff. 40 Entwurf einer Verordnung des Rates über das Statut des Europäischen Vereins, KOM (91) 273 endg. – SYN 386 (05. 03. 1992), ABl. C 99 v. 21. 04. 1992; Ergänzungsvorschläge KOM (93) 252 endg. – COD 93386 und COD 93387, ABl. C 236 v. 31. 08. 1993. Art. 1 Nr. 2 des Entwurfs des Statuts des Europäischen Vereins lautet: „Vorbehaltlich der Anwendung der rechtlichen und administrativen Vorschriften für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit oder eines Berufs auf einzelstaatlicher Ebene kann der Europäische Verein seine für die Verwirklichung seines Zwecks notwendigen Tätigkeiten frei bestimmen, sofern diese mit den Zielen der Gemeinschaft sowie mit der öffentlichen Ordnung in der Gemeinschaft und in den Mitgliedstaaten vereinbar sind. Er verfolgt diese Tätigkeiten unter Wahrung der Grundsätze, die sich aus seiner Eigenschaft als Personenvereinigung und aus der Tatsache herleiten, daß er keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hat.“ 41 EuGH, Urt. v. 08. 10. 1974, Rs. 175/73, Slg. 1974, 917 (925, Tz. 14, 16) – Gewerkschaftsbund; Urt. v. 08. 10. 1974, Rs. 18/74, Slg. 1974, 933 (944 Tz. 10, 12) – Allgemeine Gewerkschaft / Kommission; Urt. v. 18. 01. 1990, verb. Rs. C-193/87 und C-194/87, Slg. 1990, 95 (118 Tz. 13 ff., 21) – Maurissen und Gewerkschaftsbund / Rechnungshof. 42 Zu den Rechtsermittlungsquellen für den gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutz etwa J. Kokott, AöR 121 (1996), 599 (601 ff.); E. Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, S. 47 ff. Zum Schutz der Vereinigungsfreiheit auf Gemeinschaftsebene H. W. Rengeling, Grundrechtsschutz in den Europäischen Gemeinschaften, 1993, S. 58 ff.; L. Gramlich, DÖV 1986, 801 (807 ff.). 43 Vgl. zum Stand der EuGH-Rechtsprechung zum Grundrecht der Vereinigungsfreiheit Th. Kingreen, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, Kommentar zum EG-Vertrag und EU-Vertrag, 1999, Art. 6 EUV Rdnr. 133. 39

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schluß und die Tätigkeit zum Zwecke der Vereinigung schützt.44 Zum anderen hat der EuGH die Vereinigungsfreiheit auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gestützt, die gem. Art. F Abs. 2 EUV (jetzt Art. 6 Abs. 2 EU) auch durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.45

V. Grenzen der Verbandsautonomie auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene Der für das deutsche Recht entwickelte differenzierende Ansatz der Betrachtung der Grenzen der Verbandsautonomie ist auch für die gemeinschaftsrechtliche Problematik der Auslotung des Verhältnisses von Verbandsautonomie und Grundfreiheiten hilfreich. Insofern ist zwischen den das Außenverhältnis zwischen Verbänden und den europäischen Organen bestimmenden Minimal- und Maximalgrenzen der Verbandsautonomie zu unterscheiden. Daß es dabei aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu einer Vervielfältigung der Außengrenzen (Gemeinschaft – Verbände, Mitgliedstaaten – Verbände) kommt, soll hier nicht weiter verfolgt werden. Etwaige Kollisionen sind nach allgemeinen Regeln zu lösen. Auch im europarechtlichen Konfliktfeld wird die Minimalgrenze, hinter die die Verbandsautonomie keineswegs zurückgedrängt werden darf, durch die Wesensgehaltsgarantie bestimmt. Der Wesensgehalt der Verbandsautonomie wird dabei ähnlich wie im nationalen Recht46 damit umschrieben, daß die Funktionsfähigkeit der Vereinigung, insbesondere ihrer Organe, gewährleistet sowie das Prinzip freier Assoziation und Selbstbestimmung gewahrt bleiben muß.47 Man kann insofern von einem „kontroll- und korrekturfreien“ Raum sprechen. Ein Anklang hiervon findet sich auch in der Bosman-Entscheidung, wenn der EuGH prüft, ob die angegriffenen Verbandsregeln eine „unausweichliche Folge der Vereinigungsfreiheit darstellen“48. Wo die Anwendung der Grundfreiheiten dazu führen würde, daß der Bestand oder die Selbstbestimmung von Vereinen und Verbänden aufgehoben oder ausgehöhlt 44 Vgl. J. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 11 Rdnr. 6 ff. 45 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5065 Tz. 79) – Bosman. Vgl. hierzu Art. 9 GG sowie Art. 27 Belgische Verfassung; § 78 Dänische Verfassung; Art. 12 Griechische Verfassung; Art. 40 VI c) Irische Verfassung; Art. 18 Italienische Verfassung; Art. 26 Luxemburgische Verfassung; Art. 8 Niederländische Verfassung; Art. 46 Portugiesische Verfassung; § 1 Nr. 5 Schwedische Verfassung und Art. 22 Spanische Verfassung (l.c. P. J. Tettinger, Die Dopingproblematik im Lichte der europäischen Grundrechtediskussion, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, 1998, S. 93 f.). 46 Vgl. BVerfGE 50, 290 (354 f.), R. Scholz, in: Th. Maunz/G. Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 35. Lfg. Februar 1999, Art. 9 Rdnr 69. 47 R. Scholz/J. Aulehner, SpuRt 1996, 44 (56). 48 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5065 Tz. 80) – Bosman; so deutet auch L. Gramlich, DÖV 1996, 801 (810) diese Ausführungen.

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würde, vermag daher auch das Allgemeininteresse an der Verwirklichung des Binnenmarktes eine Überlagerung von Verbandsregeln durch die Grundfreiheiten nicht zu rechtfertigen.49 Auf dieser Linie liegt auch die Deliège-Entscheidung50, wenn dort von der „natürlichen Aufgabe“ der Sportverbände die Rede ist.51 Die Maximalgrenzen der Verbandsautonomie sind da zu ziehen, wo eine Regelungs- und Entscheidungspflicht der Gemeinschaftsorgane besteht. Gemäß Art. 211 EG ist die Kommission als Hüterin des Gemeinschaftsrechts zur Überwachung der Einhaltung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet.52 Damit muß sie insbesondere auch die Beachtung der Gemeinschaftsgrundrechte sicherstellen, und zwar auch gegenüber drittwirkenden Grundfreiheiten. Etwaige Fehlabgrenzungen53 im Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten – konkret: der Verbandsautonomie – und drittwirkenden Grundfreiheiten muß die Kommission notfalls dem EuGH zur Entscheidung vorlegen. Einem „judicial self-restraint“ des EuGH sind insoweit durch die Justizgewährungspflicht, die auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene zu bejahen ist, enge Grenzen gezogen. Institutionelle Grundlage der Justizgewährungspflicht ist Art. 220 EG. Der Gerichtshof kann und darf sich seiner Aufgabe, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages zu sichern, im Rahmen der bei ihm zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreitigkeiten nicht entziehen, will er sich nicht dem Vorwurf der Rechtsverweigerung aussetzen.54 Daneben läßt sich die Justizgewährungspflicht auch aus dem Rechtsstaatsprinzip55 ableiten. Die Rechtsstaatlichkeit56 verlangt u. a. die Ausrichtung des hoheitlichen Handelns auf Förderung und Schutz der Grundfreiheiten, die Einschränkung der Staatsgewalt durch Unabhängigkeit der drei Gewalten, insbesondere ein die Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistendes Rechtssystem, das wirksame und zugängliche Formen des Rechtsbehelfs – auch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes57 – vorzusehen hat.58 Als 49 Hierfür nachdrücklich R. Scholz/J. Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45), die allerdings der Auffassung sind, durch das Bosman-Urteil sei der Kernbereich der Verbandsautonomie verletzt worden. 50 EuGH (Fn. 17), EuZW 2000, 371 (375 Tz. 67) – Deliège. 51 So der Hinweis von R. Streinz, SpuRt 2000, 221 (227). 52 So M. Ruffert, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 43), Art. 211 EG Rdnr. 2. 53 Siehe hierzu im einzelnen unten, VII. 2. 54 U. Everling, RabelsZ 1986, 193 ff. 55 Mit der ausdrücklichen Aufnahme des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit in Art. 6 Abs. 1 EU dürfte trotz der fehlenden eigenen Staatlichkeit der Union auch formal die wesentliche Grundlage hierfür gelegt sein, nachdem schon der EuGH inhaltlich das Rechtsstaatsprinzip weitgehend ausformuliert hatte und das Sekundärrecht sie voraussetzt. 56 Der EuGH verwendet den Begriff Rechtstaat(lichkeit) nur selten. Vgl. EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Rs. 101/78 Slg. 1979, 623 Tz. 5 – Granaria/Hoofdproduktschap foor Akkerbouwprodukte; EuGH, Urt. v. 23. 04. 1986, Rs. 294/83, Slg. 1986, 1339 Tz. 23 – Les Verts/ Parlament (Rechtsgemeinschaft); Gutachten 1/91 v. 14. 12. 1991, Slg. 1991, I-6079 Tz. 21. 57 K.-D. Borchardt, in: C. O. Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag. Kommentar, 2. Aufl. 1999, Art. 243 Rdnr. 1.

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allgemeiner Rechtsgrundsatz ist der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz anerkannt.59 Das in den Art. 220 ff. EG normierte System umfassenden Rechtsschutzes60 genügt diesen Anforderungen insbesondere deshalb, weil es die Effektuierung drittwirkender Grundfreiheiten und der Grundrechte des Gemeinschaftsrechts sicherstellt. Die Frage, ob und inwieweit die Gemeinschaft im Zwischenbereich zwischen Minimal- und Maximalgrenzen der Verbandsautonomie zu Kontrolle und Korrektur von Verbandsregelungen und -entscheidungen legitimiert ist, läßt sich nicht anhand des nur im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten geltenden Subisidiaritätsprinzips61 beantworten.62 Maßgeblich gegenüber Privaten ist vielmehr das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EG. Es bestimmt die zulässige Intensität, Reichweite und materielle Regelungsdichte63 von Maßnahmen – auch etwaiger Eingriffe in Grundrechte wie die Vereinigungsfreiheit – anhand der Kriterien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit i. e. S. Damit kann die ebenfalls auf dem Verhältnismäßigkeitsprinzip beruhende Formel der „Chance zur endgültigen Selbstregulierung“64 auf die gemeinschaftsrechtlichen Außengrenzen, denen die Verbandsautonomie im Verhältnis zu den europäischen Organen unterliegt, übertragen werden. Auch liegt eine Korrelation zwischen dem Grad der Gefährdung grundrechtlich geschützter Positionen sowie drittwirkender Grundfreiheiten der Mitglieder durch Verbandsnormsetzung und -anwendung einerseits mit dem Umfang der Kontrolldichte durch gerichtlichen Rechtsschutz und der Legitimation zur Ergebniskorrektur andererseits nahe. Ähnliches gilt für die das Innenverhältnis zwischen Verband und Mitgliedern prägenden Innengrenzen der Verbandsautonomie. Diese resultieren auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene nicht allein aus einer Fehlabgrenzung grundrechtlich geschützter Positionen, insbesondere der Verbandsautonomie, sondern müssen vielmehr auch das komplexe Zusammenspiel mit den drittwirkenden Grundfreiheiten aufgreifen und dem effet utile Rechnung tragen. Damit wirken auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene die Außengrenzen verbandsintern und werden insofern zugleich zu Innengrenzen der Verbandsautonomie.65

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A. Hecker, in: C. O. Lenz (Fn. 57), Art. 177 Rdnr 12. Vgl. EuGH, Rs. 222/84, Slg. 1986, 1651 (1682 Tz. 18) – Johnston; K.-D. Borchardt, in: C. O. Lenz (Fn. 57), Art. 220 Rdnr. 62. 60 J. Schwarze, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 220 EGV Rdnr. 3. 61 Allgemein zum europäischen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EG) als Kompetenzausübungsschranke R. Streinz, SpuRt 1998, 1 (5) und G. Langguth, in: C. O. Lenz (Fn. 57), Art. 5 Rdnr. 22; zum Verhältnis von Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgebot näher E. Pache, NVwZ 1999, 1033 (1039). 62 A. A. wohl R. Scholz/J. Aulehner, SpuRt 1996, 44 (46). 63 Ch. Calliess, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 43), Art. 5 EGV Rdnr. 45. 64 Dazu oben III. 65 Vgl. zur deutschen Rechtslage K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 190. 59

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VI. Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten auf Verbandsnormsetzung und -anwendung Mit der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten66, verstanden als Verpflichtung privater Rechtssubjekte, auch ohne Vermittlung staatlichen Rechts die Grundfreiheiten zu beachten, wird dann ein wesentlicher Beitrag zur Effektuierung der Grundfreiheiten geleistet, wenn und soweit Rechtsschutz besteht. In diesem Zusammenhang stellen sich die Fragen nach den dogmatischen Grundlagen der unmittelbaren Drittwirkung, nach ihrem Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Garantenpflicht sowie nach ihrer Reichweite. Diese Fragen ergeben sich sowohl für die Verbandsnormsetzung als auch für deren Anwendung, wie die Analyse der rechtstatsächlich dargestellten Kollisionslagen67 zwischen der Verbandsautonomie und den Grundfreiheiten nahelegt. 1. Verbandsnormsetzung a) Dogmatische Grundlage der unmittelbaren Drittwirkung und Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Garantenpflicht Dogmatische Grundlage der unmittelbaren Drittwirkung ist im wesentlichen der Gedanke des effet utile. Die praktische Wirksamkeit der Grundfreiheiten wäre gefährdet, so der vom EuGH68 bereits in seiner Walrave-Entscheidung geäußerte Gedanke, wenn privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen mit ihren kraft ihrer rechtlichen Autonomie formulierten Normen wirksame Binnenmarkthindernisse aufstellen könnten. Mit diesem Argument hat der EuGH die unmittelbare Drittwirkung inzwischen auch für die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Beschränkungsverbote bekräftigt: Mit dem Bosman-Urteil69 aus dem Jahr 1995 hat der EuGH nicht nur die in den Urteilen Walrave und Donà bereits ausgesprochene Bindung der Verbände an die Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages bestätigt, 66 Näher zur unmittelbaren Drittwirkung M. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997; T. O. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000; W. Kluth, AöR 122 (1997), 557 ff.; W.-H. Roth, Drittwirkung der Grundfreiheiten?, in: FS für U. Everling, 1995, S. 1231 ff.; D. Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbotes der nichttarifären Handelshemmnisse (Art. 30 EWGV) in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten, 1987; D. Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001, E. Steindorff, Drittwirkung der Grundfreiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, in: FS für P. Lerche, 1993, S. 575 ff.; R. Streinz/S. Leible, EuZW 2000, 459 ff. 67 Siehe dazu im einzelnen bereits oben II. 68 EuGH, Urt. v. 12. 12. 1974, Rs. 36/74, Slg. 1974, 1405 (1419 Tz. 16 ff.) – Walrave; EuGH, Urt. v. 14. 07. 1976, Rs. 13/76, Slg. 1976, 1333 (1341 Tz. 17 f.) – Donà; EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5063) – Bosman; genauso nun auch EuGH (Fn. 17), EuZW 2000, 371 (374 Tz. 47) – Deliège; vgl. i. ü. R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rdnr. 707; ders./ S. Leible, EuZW 2000, 459 (461). 69 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 ff. – Bosman.

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sondern darüber hinaus ausgesprochen,70 daß die Freizügigkeitsgarantien in ihrer Funktion als Beschränkungsverbote auch für privat gesetzte „kollektive Regelungen“ wie die im Verfahren streitige Verbandsregelung der Union royale belge des sociétés de football association (URBSFA) gelten.71 Allerdings ist das Urteil des EuGH72 aus dem Jahr 1997 zu den französischen Bauernprotesten als Ankündigung einer Kehrtwende in der Drittwirkungsfrage gedeutet worden.73 Der EuGH hat darin ausgesprochen, daß Art. 28 EG den Mitgliedstaaten nicht nur eigene Handlungen oder Verhaltensweisen verbietet, die zu einem Handelshemmnis führen könnten, sondern sie in Verbindung mit Art. 10 EG auch dazu verpflichtet, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit der freie Warenverkehr nicht durch Handlungen von Privatpersonen beeinträchtigt wird.74 Diese neu entdeckte Schutzpflichtdimension75 habe den Weg bereitet, sämtliche Fallgestaltungen, die bisher als Problem der Drittwirkung diskutiert worden seien, nunmehr über die mitgliedstaatliche Schutzpflicht zu erfassen, so daß die Grundpflichten – entsprechend ihrer eigentlichen Zielrichtung – wieder allein die Mitgliedstaaten in die Pflicht nähmen und nicht Private.76

70 Dies ist das eigentliche Novum des Urteils; so auch M. Burgi, EWS 1999, 327 (328); W. Kluth, AöR 122 (1997), 557 (566 f.) und H. Reichold, ZEuP 1998, 434 (444); überholt daher die Vermutung von W.-H. Roth (Fn. 66), S. 1231 (1239), Drittwirkung könnten allenfalls die Diskriminierungsverbote entfalten. 71 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5065 f. Tz. 82) – Bosman. Damit hat die Freizügigkeitsgarantie – unabhängig von der Frage der Drittwirkung – in Bezug auf ihre Schutzwirkung mit der Dienstleistungsfreiheit und vor allem der Warenverkehrsfreiheit aufgeschlossen, da für diese Garantien schon seit langem anerkannt war, daß sie nicht nur Diskriminierungs-, sondern auch Beschränkungsverbote enthalten; hierzu statt aller S. Hobe/Ch. Tietje, JuS 1996, 486 (489). 72 EuGH, Urt. v. 09. 12. 1997, Rs. C-265/95, Slg. 1997 I-6959 ff. – Kommission/Frankreich; hierzu M. Burgi, EWS 1999, 327 ff.; A. Epiney, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 43), Art. 28 EG Rdnrn. 47 ff.; G. Meier, EuZW 1998, 87 f.; Th. Meurer, EWS 1998, 196 ff.; W.-G. Schaerf, EuZW 1998, 617 f.; J. Schwarze, EuR 1998, 53 ff.; P. Szczekalla, DVBl. 1998, 219 ff. 73 Besonders deutlich P. Szczekalla, DVBl. 1998, 219 (220 Fn. 9): „Im übrigen folgt aus der Entscheidung, daß die sog. Drittwirkung (der Grundfreiheiten) ein Scheinproblem darstellen dürfte“; siehe auch M. Burgi, EWS 1999, 327 (330 ff.), der sich anlässlich der Entscheidung zu den französischen Bauernprotesten insgesamt gegen die Drittwirkungskonstruktion ausspricht; genauso Th. Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1998, S. 195 ff., 198 ff. Für einen Vorrang der Schutzpflicht vor der Drittwirkung auch R. Streinz/S. Leible, EuZW 2000, 459 (464 ff.). 74 EuGH (Fn. 72), Slg. 1997 I-6959 (6998 f. Tz. 30 ff.) – Kommission/Frankreich. 75 P. Szczekalla, DVBl. 1998, 219 ff. Siehe aber schon H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (211): „Überdies gilt es zu beachten, daß die Grundfreiheiten auch einen Auftrag an die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten [!] enthalten, für die Beachtung der Grundfreiheiten unter Privaten zu sorgen.“ 76 M. Burgi, EWS 1999, 327 (330 ff.).

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Die zwischenzeitlich ergangenen Urteile Deliège77 und Lehtonen78 haben die unmittelbare Drittwirkung der Marktfreiheiten gegenüber Verbandsnormen allerdings nicht in Frage gestellt.79 Vielmehr läßt sich sagen, daß der EuGH an der mit der Bosman-Entscheidung begonnenen Judikaturlinie festgehalten hat.80 Dies kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden. Zunächst darf nicht übersehen werden, daß Anlaß des Verfahrens zu den französischen Bauernprotesten nicht Verbandsnormen, sondern faktische Binnenmarkt-Beeinträchtigungen waren. Auch handelte es sich um ein gegen einen Mitgliedstaat gerichtetes Vertragsverletzungsverfahren (Art. 227 f. EG), so daß von vornherein nicht die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, sondern allein die Verantwortlichkeit eines Mitgliedstaates für privat-faktische Binnenmarkt-Beeinträchtigungen auf dem Prüfstand stand.81 In die gleiche Richtung weist der Blick auf die in Deutschland geführte Diskussion um die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Auch hier hat der Schutzpflichtgedanke die mittelbare Grundrechtswirkung nicht abgelöst, sondern ihr die dogmatische Begründung nachgeliefert:82 Die Einsicht in die Schutzverpflichtung des Staates legitimiert gerade die private Grundrechtsbindung. Wenn der EuGH inzwischen auch eine Schutzpflicht der Mitgliedstaaten bejaht, setzt er sich damit nicht in Widerspruch zu seiner Drittwirkungsjudikatur. Unabhängig von einer mitgliedstaatlichen Garantenpflicht für das Funktionieren des Binnenmarktes können Private daher nach wie vor auch einer unmittelbaren Bindung an die Binnenmarktgarantien unterliegen. Für eine solche Kumulation von mitgliedstaatlicher Garantenpflicht und privater Grundfreiheitenbindung, die je nach Adressat und Fallkon-

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EuGH (Fn. 17), EuZW 2000, 371 ff. – Deliège. EuGH (Fn. 14), EuZW 2000, 375 f. – Lehtonen. 79 Siehe bereits A. Röthel, EuZW 2000, 379 (380); genauso R. Streinz, SpuRt 2000, 221 (225). 80 A. Röthel, EuZW 2000, 379; R. Streinz, JuS 2000, 1015, 1016. 81 Insoweit liegt hier die gleiche Fallkonstellation vor wie in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 24. 11. 1982, Rs. 249/81, Slg. 1982, 4005 – „buy Irish“, in der es ebenfalls um ein von der Kommission gegen einen Mitgliedstaat angestrengtes Vertragsverletzungsverfahren ging; so auch GA C. O. Lenz in seinen Schlußanträgen, Slg. 1997 I-6959 (6969 Tz. 9) – Bosman. Über die Frage der unmittelbaren Drittwirkung hätte der EuGH nur in der – wenig wahrscheinlichen – Klagekonstellation entscheiden müssen, daß sich die betroffenen spanischen Bauern unmittelbar an bestimmte französische Akteure mit einer Schadensersatz- oder Unterlassungsklage gewandt hätten und dieses Verfahren im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG (ex-Art. 177 EGV) zum EuGH gelangt wäre. 82 C.-W. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225 ff.); J. Hager, JZ 1994, 373 (378 ff.); Ch. Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (73 ff.); W. Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 52 ff.; H. D. Jarass, AöR 110 (1985), 363 (378 ff.) „gewisse Parallele“; noch deutlicher später ders., AöR 120 (1995), 345 (352 f.); J. Pietzker, FS für G. Dürig, 1990, S. 345 ff. Kritisch zur Schutzpflichtkonstruktion aber etwa U. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (248 ff.) und J. Isensee, FS für B. Großfeld, 1999, 485 (500 ff.). 78

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stellation wahlweise ins Spiel gebracht werden können, spricht nicht zuletzt der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung angeführte Grundsatz des effet utile83. b) Reichweite der unmittelbaren Drittwirkung aa) Umfassende Drittwirkung sämtlicher Grundfreiheiten? Mit dem Bosman-Urteil hat der EuGH außer Streit gestellt, daß Verbandsregelungen nicht nur an die Freizügigkeitsgarantien in ihrer Form als Diskriminierungsverbote gebunden sind,84 sondern auch das aus Art. 39 EG folgende Beschränkungsverbot zu beachten haben.85 Genauso hat der EuGH inzwischen für die Dienstleistungsfreiheit entschieden.86 Damit spricht vieles für eine umfassende Drittwirkung sämtlicher Grundfreiheiten einschließlich der Niederlassungsfreiheit87 und der Kapitalverkehrsfreiheit88. Zweifelhafter mag die unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit erscheinen.89 Die bislang zur Warenverkehrsfreiheit ergangenen Entscheidungen – Dansk Supermarked90, van de Haar91, Haug-Adrion92,

83 Siehe EuGH (Fn. 72), Slg. 1997, I-6959 (6999 Tz. 32) – Kommission/Frankreich; auch EuGH (Fn. 68), Slg. 1974, 1405 (1419 Tz. 16 ff.) – Walrave; EuGH (Fn. 10). Slg. 1995 I-4921 (5066 Tz. 83) – Bosman. Vgl. ebenfalls M. Burgi, EWS 1999, 327 (330); krit. aber W. Kluth, AöR 122 (1997), 557 (571 ff.). 84 So bereits die wesentliche Aussage der Urteile Walrave und Donà (Fn. 68). Zur Drittwirkung der Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages D. Martiny, ZEuP 2001, 563 (572 ff.). 85 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5065 f. Tz. 82) – Bosman. 86 EuGH (Fn. 17), EuZW 2000, 371 (374 Tz. 47 ff.) – Deliège; hierzu auch A. Röthel, EuZW 2000, 379. 87 Für Art. 43 EG (ex-Art. 52 EGV) fehlt zwar einschlägige Rechtsprechung, doch wird man in Entsprechung zur Freizügigkeits- und Dienstleistungsfreiheit auch hier eine Drittwirkung annehmen können; siehe auch R. Geiger, EUV/EGV, 3. Aufl. 2000, Art. 43 EGV Rdnr. 9; Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73), S. 193 f.; M. Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 201 f.; P. Troberg, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1997, Art. 52 EGV Rdnr. 69. Zur Drittwirkung der Niederlassungsfreiheit auf Versicherungsbedingungen EuGH v. 13. 12. 1984, Rs. 251/83, Slg. 1984, 4277 (4289 Tz. 14 ff.) – Haug-Adrion; vgl. hierzu auch W.-H. Roth (Fn. 66), S. 1231 (1238 f.). 88 Vgl. K. Vieweg, The Legal Autonomy (Fn. 12), p. 83 (98 et seq.). 89 Gegen eine Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit etwa R. Streinz, SpuRt 2000, 221 (225); ders., Europarecht (Fn. 68), Rdnr. 708; S. Leible, in: E. Grabitz/M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 28 EGV (Stand: Januar 2000) Rdnr. 44. Anders aber für „nichtstaatliches Kollektivverhalten“ durch intermediär befähigten Entscheidungsträger P.-Ch. Müller-Graff, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 87), Art. 30 EGV Rdnr. 305; ihm folgend A. Epiney, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 43), Art. 28 EG Rdnr. 46 in Fn. 84. 90 EuGH, Urt. v. 22. 01. 1981, Rs. 58/80, Slg. 1981, 181 – Dansk Supermarked. 91 EuGH, Urt. v. 05. 04. 1984, verb. Rs. 177/82 und 178/82, Slg. 1984, 1797 – van de Haar. 92 EuGH (Fn. 87), Slg. 1984, 4277 – Haug-Adrion.

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Vlaamse Reisbureaus93, Bayer/Süllhöfer94 – betrafen nicht Verbandsregelungen, sondern Individualvereinbarungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen.95 Anders als bei den Freizügigkeitsgarantien existieren mit den Art. 81, 82 EG allerdings ausdrückliche Regelungen für die Bindung Privater an die Warenverkehrsfreiheit. Man wird also jedenfalls von einem Vorrang der Art. 81 und 82 EG ausgehen müssen.96 Im übrigen liegt es angesichts des deutlichen Bemühens des EuGH um Konvergenz der Grundfreiheiten97 nahe, auch für die Warenverkehrsfreiheit die Drittwirkung zu bejahen und damit den inzwischen erzielten Gleichklang der Grundfreiheiten auch in der Frage der Drittwirkung fortzuschreiben.98 bb) Drittwirkung und wirtschaftlich-soziale Macht Im Zusammenhang mit der Reichweite der Drittwirkung klingt an, nicht jede Verbandsregelung solle den Geboten der Grundfreiheiten unterfallen, sondern nur solche, denen „eine rechtliche oder faktische Monopolstellung“ zukommt.99 Hier deutet sich ein Gedanke an, der bereits aus der in Deutschland geführten Diskussion der Drittwirkung der Grundrechte sowie des Umfangs der gerichtlichen Überprüfung von Verbandsentscheidungen100 bekannt ist: die Problematik der „sozialen

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EuGH, Urt. v. 01. 10. 1987, Rs. 133/85, Slg. 1987, 3801 – Vlaamse Reisbureaus. EuGH, Urt. v. 27. 09. 1988, Rs. 65/86, Slg. 1988, 5249 – Bayer/Süllhöfer. 95 Siehe im einzelnen den Rechtsprechungsüberblick bei T. O. Ganten, Drittwirkung (Fn. 66), S. 34 ff. 96 Siehe P.-Ch. Müller-Graff, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 87), Art. 30 EGV Rdnrn. 307 f.; W.-H. Roth (Fn. 66), S. 1231, 1242 ff. Für Gleichrangigkeit von Drittwirkung und Wettbewerbsregeln aber T. O. Ganten, Drittwirkung (Fn. 66), S. 147 ff.; E. Steindorff, in: FS Lerche (Fn. 66), S. 575 (586 ff.); ders., EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 291 ff. 97 Hierzu etwa Behrens, EuR 1992, 145 ff.; C. D. Classen, EWS 1995, 97 ff.; M. Eberhartinger, EWS 1997, 43 ff.; M. Hilf/E. Pache, NJW 1996, 1169 (1176); J. Kühling, NJW 1999, 404 ff.; für eine einheitliche Grundpflichtendogmatik auch H. D. Jarass, EuR 1995, 202 ff. sowie die Untersuchung von Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73). Krit. zu diesem Argument im Hinblick auf Individualvereinbarungen R. Streinz, SpuRt 2000, 221 (225). 98 Hierfür etwa T. O. Ganten, Drittwirkung (Fn. 66), S. 103 ff., 119; D. Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse (Fn. 66). 99 W.-H. Roth (Fn. 66), S. 1231 (1247); andeutungsweise auch bei P.-Ch. Müller-Graff, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 89), Art. 30 EGV Rdnr. 305 („Maßnahmen rechtlich oder faktisch bindenden Charakters“ [Hervorhebung nicht im Original]); R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnr. 707 („Ungleichgewicht durch Verbandsmacht“); F. Kainer, JuS 2000, 431 (432): private Organisationen mit „marktbeherrschendem Einfluß“. 100 Vgl. zum Streitstand K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 229 ff. sowie ders., SpuRt 1995, 97 ff. Eine ähnliche Problematik stellte sich unter der Geltung des § 1025 Abs. 2 a. F. ZPO. Danach war ein Schiedsvertrag unwirksam, wenn eine Partei ihre „wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit“ dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zu seinem Abschluß zu nötigen. 94

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Macht“.101 Zwar enthält die Rechtsprechung des EuGH keine ausdrücklichen Anhaltspunkte dafür, daß die Drittwirkung an die „soziale Mächtigkeit“ eines Verbandes geknüpft sein soll.102 Tatsächlich ging es in den bisher entschiedenen Fällen aber ausnahmslos um Regelungen von Verbänden mit realer sozialer Macht: nämlich Sportverbänden, die aufgrund des Ein-Platz-Prinzips103 eine zumindest faktische Monopolstellung innehaben. Für eine solche Begrenzung der Drittwirkung spricht letztlich der Gedanke des effet utile, aus dem die Drittwirkung ihre innere Berechtigung zieht. Im Hinblick auf den effet utile läßt sich eine Drittwirkung nur dann rechtfertigen, wenn staatliches und verbandliches Recht auch tatsächlich wirkungsgleich sind, so daß der einzelne einer Verbandsregelung ebensowenig ausweichen kann wie einer staatlichen Norm und daher auch genauso schutzbedürftig ist.104 2. Verbandsnormanwendung Im Vergleich zur Verbandsnormsetzung stellt deren konkrete Anwendung für den Betroffenen die praktisch relevantere Ausprägung der Verbandsautonomie dar. Insoweit aktualisiert sich die generelle Konfliktlage im Einzelfall. Für die Frage der unmittelbaren Drittwirkung ist allerdings der enge funktionale Zusammenhang von Normsetzung und -anwendung zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich folgende Differenzierung: Soweit die Anwendung der Verbandsnormen von deren Sinn und Zweck her fehlerfrei ist, ist die dogmatische Grundlage der unmittelbaren Drittwirkung105 dieselbe wie bei der Verbandsnormsetzung, nämlich der effet utile. Dies hat zur Folge, daß auch die Frage der Reichweite106 in gleicher Weise zu beantworten ist. Möglich ist allerdings auch, daß Verbandsnormen insbesondere aufgrund von Subsumtions- oder Konkretisierungsfehlern normwidrig angewendet werden. Dies war allerdings bisher noch nicht Gegenstand der EuGH-Rechtsprechung Auch insofern erfordert die Justizgewährungspflicht einen Rechtsschutz mit einer Kon-

101 So C.-W. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (206 f.); ähnlich F. Kirchhof, Private Rechtsetzung (Fn. 1), S. 517 ff. 102 Siehe EuGH (Fn. 68), Slg. 1974, 1405 (1419 f. Tz. 16 ff.) – Walrave; EuGH (Fn. 68), Slg. 1976, 1333 (1341 Tz. 18) – Donà; EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5056 f. Tz. 82 ff.) – Bosman; EuGH (Fn. 17), EuZW 2000, 371 (374 Tz. 47 ff.) – Deliège; EuGH (Fn. 14), EuZW 2000, 375 (377 Tz. 32 ff.) – Lehtonen. 103 Vgl. zum Ein-Platz-Prinzip K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 61 ff.; I. Hannamann (Fn. 25), S. 54 ff. 104 So etwa H. Reichold, ZEuP 1998, 434 (449 f.); vgl. weiter zum Argumentationsstand M. Burgi, EWS 1999, 327 (328 f.). 105 Hierzu bereits oben VI. 1. a). 106 Hierzu bereits oben VI. 1. b).

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trolldichte, die dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung trägt. Hierzu bedarf es insbesondere einer umfassenden Tatsachen- und Subsumtionskontrolle.107

VII. Verhältnis von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß Reichweite und Grenzen der Verbandsautonomie im Gemeinschaftsrecht strukturell genauso wie im nationalen Recht zu bestimmen sind: Auch im Gemeinschaftsrecht fungieren Wesensgehalt sowie die Regelungs- und Entscheidungspflichten der Gemeinschaftsorgane als Minimal- bzw. Maximalgrenzen der Verbandsautonomie. In dem dadurch eingegrenzten Zwischenbereich liegt das eigentlich problematische Konfliktfeld, in dem es gilt, das Verhältnis von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten zu bestimmen. Hierzu ist zunächst zu klären, wie die Gemeinschaftsgrundrechte auf die drittwirkenden Grundfreiheiten wirken, ob als Schranken-Schranken oder als immanente Schranken (dazu 1.). Für die Konkretisierung dieser Schranken ist jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsprinzip zentral (dazu 2.). Daran anschließend sind die möglichen Ableitungen für die konkrete Wechselbeziehung zwischen der Verbandsautonomie und den drittwirkenden Grundfreiheiten vorzunehmen (dazu 3.). 1. Gemeinschaftsgrundrechte als immanente Schranken drittwirkender Grundfreiheiten Schon bevor im Bosman-Urteil mit der Drittwirkung der Grundfreiheiten eine Kollision zwischen Grundfreiheiten und Verbandsautonomie greifbar wurde, hatte der EuGH bereits über Fallkonstellationen zu entscheiden, in denen sowohl die Grundfreiheiten als auch die Gemeinschaftsgrundrechte wirksam wurden. Im Jahr 1991 hatte der EuGH108 erstmals die Gemeinschaftsgrundrechte dafür nutzbar gemacht, um die Schrankenvorbehalte der Grundfreiheiten auszuformen und zu begrenzen, indem er die Berufung der Mitgliedstaaten auf „zwingende Erfordernisse“ oder andere Schutzklauseln und Befreiungsmöglichkeiten von den Grundfreiheiten unter den Vorbehalt stellte, daß die von den Mitgliedstaaten verteidigte nationale Regelung ihrerseits auch die Gemeinschaftsgrundrechte wahrt. Der Sache nach fungieren die Gemeinschaftsgrundrechte dabei als Schranken-Schranken. Beruft sich ein Mitgliedstaat auf den Vorbehalt des Art. 46 EG und macht Sonderregeln „aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ geltend, so ist diese „im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Rechtfertigung im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundrechte auszulegen“. Die 107 Vgl. zur Parallelproblematik im deutschen Recht K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 238 ff. 108 EuGH, Urt. v. 18. 06. 1991, Rs. C-260/91, Slg. 1991 I-2925 – ERT AE.

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vorgesehenen Ausnahmen „können daher für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat.“109 In einer weiteren Entscheidung stellte der EuGH110 klar, daß auch die Grundrechte nicht uneingeschränkt gelten, sondern ihrerseits „Beschränkungen“ unterworfen werden können, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zwecken der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.“ Diese Judikatur hat der EuGH inzwischen unter weitgehender Zustimmung des Schrifttums111 für andere Grundfreiheiten bestätigt.112 Diese Funktion der Gemeinschaftsgrundrechte geht aber an der hier interessierenden Drittwirkungs-Konstellation insoweit vorbei, als der betroffene Verband aufgrund der Drittwirkung sowohl Adressat der Grundfreiheiten als auch zugleich Träger des einschlägigen Grundrechts – der Verbandsautonomie – ist. Hier wirken die Grundrechte in entgegengesetzter Richtung zu den Grundfreiheiten. Systematisch bedeutet dies, daß die Grundrechte nicht als Schranken-Schranken zu berücksichtigen sind. Die Einsicht, daß ein von den Grundfreiheiten über die Drittwirkung in die Pflicht genommener privater Rechtsträger seinerseits Gemeinschaftsgrundrechte gegen den Wirkungsanspruch der Grundfreiheiten ins Spiel bringen kann, klingt erstmals im Bosman-Urteil des EuGH an. Dort heißt es: „Jedoch ist nicht davon auszugehen, daß von den Sportverbänden aufgestellten Regeln […] erforderlich sind, um die Ausübung dieser Freiheit [der Vereinigungsfreiheit, Anm. d. Verf.] durch die genannten Verbände, die Vereine oder die Spieler zu gewährleisten, oder daß sie eine unausweichliche Folge dieser Freiheit darstellen.“113 Daraus läßt sich ablesen, daß der EuGH auch in der Drittwirkungskonstellation die gegenläufigen Gemeinschaftsgrundrechte innerhalb der Prüfung der Grundfreiheiten berücksichtigen will und dabei die gewohnte Schrankensystematik der Gemeinschaftsgrund-

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EuGH (Fn. 108), Slg. 1991 I-2925 (2964 Tz. 43) – ERT AE. EuGH, Urt. v. 08. 04. 1992, Rs. C-62/90, Slg. 1992 I-2575 (2609 Tz. 23) – Kommission/ Deutschland. 111 Vgl. J. Kühling, EuGRZ 1997, 296 (299 f.); E. Pache, NVwZ 1999, 1033 (1038); H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz (Fn. 42), S. 191 f.; R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnr. 703; kritisch aber Th. Kingreen, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 43), Art. 6 EUV Rdnrn. 61 f.; vgl. auch dens. (Fn. 73), S. 164 ff. 112 Siehe für die Warenverkehrsfreiheit und Art. 30 EG (ex-Art. 36 EGV) EuGH (Fn. 110), Slg. 1992 I-2575 (2609 Tz. 23) – Kommission/Deutschland; und aus jüngerer Zeit EuGH, Rs. C-368/95, Urt. v. 26. 06. 1997, Slg. 1997 I-3689 (3717 Tz. 24) – Familiapress; hierzu insgesamt Th. Jürgensen/B. Schlünder, AöR 121 (1996), 200 (213 ff., 216). 113 EuGH (Fn. 10), Slg. I-1995 (5065 Tz. 79) – Bosman. 110

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rechte – Verhältnismäßigkeit und Wesensgehalt114 – aufgreift. Unausgesprochen sollen die Grundfreiheiten also nicht grundsätzlich anderen Schranken und Begrenzungen unterliegen, wenn sie kraft ihrer Drittwirkung unmittelbar auf privat gesetzte Regeln durchgreifen. In diesem Sinne postuliert der EuGH auch, daß der hoheitliche oder private Charakter einer Maßnahme „keinen Einfluß auf die Tragweite oder den Inhalt der Rechtfertigungsgründe“ hat.115 Dieses im Schrifttum angemahnte „Durchschlagen“ der Drittwirkung auf die Schrankensystematik116 bedeutet, daß die Gemeinschaftsgrundrechte in der Drittwirkungskonstellation zu immanenten Schranken der Grundfreiheiten avancieren, die die Reichweite der Grundfreiheiten von vornherein auf die Achtung der Verbandsautonomie beschränken.117 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Maßstab wechselseitiger Begrenzung von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten Wie bereits dargestellt,118 ist das entscheidende Richtmaß für die Austarierung der Grenzen der Verbandsautonomie sowohl im mitgliedstaatlichen Recht als auch auf europäischer Ebene der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,119 der auch im Gemeinschaftsrecht als Teil des Rechtsstaatsprinzips anerkannt ist.120 Beschränkungen der Verbandsautonomie durch drittwirkende Grundfreiheiten müssen dem114

Zur Systematik der Grundrechtsschranken auf europäischer Ebene siehe bereits die Nachweise in Fn. 110 sowie B. Beutler, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 8789), Art. F EUV Rdnrn. 77 ff.; K.-D. Borchardt, in: C. O. Lenz (Fn. 57), Art. 220 EGV Rdnr. 37 und Th. Kingreen, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 72), Art. 6 EU Rdnrn. 70 ff. 115 EuGH (Fn. 10), Slg. I-1995 (5066 Tz. 86) – Bosman. 116 Siehe nur S. Hobe/Ch. Tietje, JuS 1996, 486 (490); L. Gramlich, DÖV 1996, 801 (810 f.); W. Schroeder, JZ 1996, 254 (256); H.-R. Trommer, Transferregelungen (Fn. 10), S. 68 ff. 117 Solche immanenten Schranken der Grundfreiheiten kennt das Gemeinschaftsrecht bereits in Gestalt der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung; so ausdrücklich Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 1299 sowie R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnr. 700. Der Sache nach nichts anderes bedeutet es, wenn die Grundrechte als ungeschriebene Schrankenoder Rechtfertigungsvorbehalte der Grundfreiheiten verstanden werden; so etwa H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (226). 118 Siehe oben V. a. E. 119 Hierzu insbes. R. Streinz, SpuRt 2000, 221 (227). 120 Die Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als Schranken-Schranke der Gemeinschaftsgrundrechte ist vom EuGH in ständiger Rspr. anerkannt; siehe nur EuGH, Urt. v. 13. 12. 1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 (3747 Tz. 23) – Hauer sowie eingehend A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EGRechtsetzung, 1999, passim, insbes. S. 96 ff., 338 ff.; B. Beutler, in: H. v.d. Groeben/ J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 87), Art. F EUV Rdnrn. 77 ff.; E. Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz (Fn. 42), S. 81 ff.; Th. Kingreen, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 72), Art. 6 EU Rdnrn. 73 ff.; E. Pache, NVwZ 1999, 1033 (1037); H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz (Fn. 42), S. 213 ff.

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gemäß geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein,121 wollen sie sich nicht als Fehlabgrenzungen122 erweisen, die der EuGH aufgrund seiner Justizgewährungspflicht123 zu beanstanden hätte. Die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangt eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Ausmaß der Beeinträchtigung und dem Gewicht der sie rechtfertigenden sachlichen Interessen.124 Keinesfalls darf die Verbandsautonomie soweit zurückgedrängt werden, daß ihr Wesensgehalt angetastet und damit die Minimalgrenze überschritten würde.125 Diesen Geboten kann um so besser Rechnung getragen werden, je mehr es gelingt, sie in das System der bestehenden geschriebenen und ungeschriebenen Schranken und Rechtfertigungsgründe der Grundfreiheiten zu integrieren. Damit ist aber nicht ohne weiteres vorgegeben, daß Grundfreiheiten und kollidierende Grundrechte auch in „praktische Konkordanz“, d. h. beiderseitig „optimale Wirksamkeit“126 zu bringen sind.127 Mit dieser einseitig auf deutsche Grundrechtsdogmatik gestützten Forderung wird übersehen, daß es sich hierbei nicht um die typische privatrechtliche Drittwirkungskonstellation zweier kollidierender Grundrechte handelt: Prima facie treffen nicht zwei Grundrechte aufeinander, sondern eine Grundfreiheit und ein Grundrecht.128 Zwar kennen auch die Grundfreiheiten inzwischen eine individualschützende Dimension,129 doch besteht ein sachlogischer Vorrang der institutionellen vor der individuellen Gewährleistung.130 Zunächst und 121

Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht siehe nur E. Pache, NVwZ 1999, 1033 (1035 ff.). 122 Für die Parallelproblematik im deutschen Recht kommt es hinsichtlich der Maximalgrenzen der Verbandsautonomie auf die Feststellung und Korrektur von Grundrechtsfehlabgrenzungen an. Vgl. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 170 f. 123 Hierzu näher oben V. 124 So auch das Petitum von L. Gramlich, DÖV 1996, 801 (810). 125 Zur Unantastbarkeit des Wesensgehalts siehe nur EuGH (Fn. 119), 3727 (3747 Tz. 23) – Hauer; E. Pache, NVwZ 1999, 1033 (1037); Th. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Fn. 72), Art. 6 EU Rdnr. 76 m. w. N. 126 Siehe BVerfGE 81, 278 (292): „Ausgleich der gegenläufigen … Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung“; ähnlich BVerfGE 93, 1 (21); vgl. weiter K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (Fn. 31) Rdnr. 317 f.; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 4. Aufl. 1997, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 41; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 1577. 127 So aber S. Hobe/Ch. Tietje, JuS 1996, 486 (490); L. Gramlich, DÖV 1996, 801 (810 f.); M. Krogmann, Grundrechte im Sport (Fn. 87), S. 217; R. Scholz/J. Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45); W. Schroeder, JZ 1996, 254 (256); vgl. auch schon dens., Sport und europäische Integration, 1989, S. 191 ff. sowie H.-R. Trommer, Transferregelungen (Fn. 10), S. 68 ff. Vgl. zur Problematik auch H. Reichold, ZEuP 1998, 434 (449 f.). 128 Allerdings können im Einzelfall hinter den Grundfreiheiten abermals grundrechtliche Interessen stehen. So wird sich der Profisportler nicht nur auf die Freizügigkeit, sondern auch auf die Berufsausübungsfreiheit berufen können; hierzu nur P. J. Tettinger, JZ 2000, 1069 (1074). 129 Vgl. nur Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73), S. 23 ff. 130 W. Kluth, AöR 122 (1997), 557 (574 f.).

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zuerst sind die Grundfreiheiten Garanten der objektiv-institutionellen Ordnung des Binnenmarktes.131 Anders als bei den deutschen Grundrechten, die erst nachträglich den Weg vom Abwehrrecht zur „objektiven Wertentscheidung“ gefunden haben, ist bei den Grundfreiheiten die objektive Dimension die ursprünglichere. Der Funktionswandel der Grundfreiheiten zu subjektiven Rechten diente auch weniger der Aufwertung des Individuums als umgekehrt der Stärkung der im Entstehen begriffenen supranationalen Rechtsordnung.132 Auch in ihrer subjektiven Dimension sind die Grundfreiheiten daher stets ein Vehikel der Gemeinschaftsinteressen geblieben.133 Während die Grundrechte also Individualinteressen verbürgen, repräsentieren die Grundfreiheiten das Allgemeininteresse der Gemeinschaft an einer möglichst umfassenden Verwirklichung des Binnenmarktes. Wo aber Individual- und Allgemeininteressen zusammentreffen, geht es nicht mehr um praktische Konkordanz, sondern um den Schutz des Individualinteresses vor unverhältnismäßiger Zurücksetzung. Die Formel der „praktischen Konkordanz“ mag zwar im Zusammenhang mit der Verbandsautonomie aus deutscher Sicht gebräuchlicher sein,134 auf den Konflikt zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten sollte sie jedoch zur Vermeidung von Mißverständnissen nicht übertragen werden, da die mit dem Gebot der praktischen Konkordanz anklingende Gleichgewichtigkeit von Grundfreiheiten und Grundrechten die grundsätzliche Ausrichtung und Wirkungskraft der Grundfreiheiten übergeht.135 3. Schrankensystematik Grundfreiheiten und Verbandsautonomie begrenzen sich gegenseitig im Sinne immanenter Schranken. Aus der Perspektive der Verbandsautonomie sind insofern 131 Dies ergibt sich schon aus Art. 2 und 3 lit. c EG, wonach die Verwirklichung des Binnenmarktes als Aufgabe und Tätigkeit der Gemeinschaft ausgewiesen ist. 132 Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73), S. 25. Zu den Unterschieden zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten auch E. Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz (Fn. 42), S. 75 f. 133 Durch die Entwicklung der Grundfreiheit zum subjektiven Recht wurde der Bürger für den Binnenmarkt „funktionalisiert“; hierzu treffend J. Masing, Die Funktionalisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997. Ähnlich P.-Ch. Müller-Graff, Europäische Verfassungspolitik für Wirtschaft und Union, in: P.-Ch. Müller-Graff (Hrsg.), Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, 1998, S. 183 (195): „Integrationsprinzip der grenzüberschreitenden Privatinitiative“. 134 Vgl. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 192. 135 So wohl auch GA C. O. Lenz, der im Bosman-Verfahren darauf hingewiesen hat, daß die Grundfreiheiten und die Vereinigungsfreiheit nicht durch „einfache Güterabwägung“ in Ausgleich zu bringen sind, sondern es vielmehr eines „überwiegenden Verbandsinteresses“ bedürfe, um Beschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen; siehe Slg. 1995 I-4921 (5013 Tz. 216); genauso schon M. Hilf, NJW 1984, 517 (522). Überzeugender dürfte es aber sein, aus dem unterschiedlichen materiellen Charakter von Grundfreiheiten und Grundrechten – institutionelle Gewährleistung einerseits, individuelle Gewährleistung andererseits – eine höhere Eingriffsschwelle der Grundfreiheiten zu folgern; so nun D. Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten (Fn. 66), S. 176 ff.

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zunächst die absoluten Grenzlinien in Gestalt der Minimalgrenzen (Wesensgehalt) und der Maximalgrenzen der Verbandsautonomie (Justizgewährungspflicht) im Zusammenhang mit den kollidierenden Grundfreiheiten zu berücksichtigen.136 Im praktisch relevanten Zwischenbereich zwischen diesen absoluten Grenzen sind Verbandsautonomie und kollidierende Grundfreiheiten in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Im Interesse der Transparenz und Akzeptanz von Konfliktentscheidungen zwischen Verbandsautonomie und Marktfreiheiten gilt es, diese beiderseitig formulierten immanenten Schranken durch spezifische topoi in der bestehenden Schrankensystematik sichtbar zu machen.137 Dabei ist nach ihrer Wirkung zwischen diskriminierenden [hierzu unten a)] und beschränkenden Verbandsnormen [hierzu unten b)] zu unterscheiden. a) Vorbehalt der Verbandsordnung Genauso wie staatliche Maßnahmen können sich auch Verbandsnormen als Diskriminierungen darstellen, also als Regelungen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen und im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Behandlung von In- und Ausländern führen.138 Hier verlangen die Verbandsautonomie sowie das Verhältnismäßigkeitsgebot, daß sich im Einzelfall auch solche diskriminierenden Verbandsregelungen durch überwiegende Interessen rechtfertigen lassen und sich damit gegen den Geltungsanspruch der Grundfreiheiten durchsetzen. Für staatliche Regelungen ist das Verhältnismäßigkeitsgebot durch den Schrankenvorbehalt der „öffentlichen Ordnung“ verwirklicht, wie er für die Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 EG), die Freizügigkeit (Art. 46 Abs. 1 EG) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 55 i. V. mit Art. 46 Abs. 1 EG) normiert ist. Dementsprechend müssen sich Verbände auf Gründe ihrer „Verbandsordnung“ berufen können, um im Einzelfall eine Diskriminierung rechtfertigen zu können.139 Versteht der EuGH unter der „öffentlichen 136

Hierzu bereits oben V. Für einen Nachvollzug der Drittwirkung auf der Schrankenebene insbes. L. Gramlich, DÖV 1996, 810 f.; A. Röthel, EuZW 2000, 379 (380). 138 Gemeint ist hier eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wie sie allgemein in Art. 12 EGV untersagt ist; zum Begriff der Diskriminierung s. nur M. Holoubek, in: J. Schwarze (Fn. 60), Art. 12 EGV Rdnrn. 38 ff. sowie D. Martiny, ZeuP 2001, 563 (566 ff.). 139 Vgl. hierzu auch M. Schweitzer, in: D. Reuter (Hrsg.), Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, 1987, S. 71 (84 f.). Für diese Übertragung der Ordrepublic-Schranke auf die spezifische Verbandssituation spricht auch, daß – wie im Schrifttum vielfach angenommen – Private den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ nicht zu definieren vermögen; so nachdrücklich M. Krogmann, Grundrechte im Sport (Fn. 87), S. 207; auch W. Thöny, SpuRt 1999, 177 (179); anders aber beispielsweise Palme, JZ 1996, 238 (239), der an der Rspr. des EuGH gerade die mangelnde Auseinandersetzung mit dem staatsbezogenen Ordre-public-Vorbehalt vermisst. Der EuGH scheint hingegen dazu zu tendieren, die staatengerichteten Rechtfertigungsgründe ohne entsprechende Umformungen Privaten zukommen zu lassen; siehe zu Art. 39 Abs. 3 EG (ex-Art. 48 Abs. 3 EGV) EuGH, Urt. v. 07. 05. 1998, Rs. C-250/96, Slg. 1998, 2521 (2545 f. Tz. 24) – clean car autoservice. 137

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Ordnung“ hoheitlich festgelegte „Grundregeln, die wesentliche Interessen des Staates berühren“,140 so wird man dementsprechend unter die „öffentliche Verbandsordnung“ die für den betreffenden Verband wesentlichen Grundregeln subsumieren können, wie beispielsweise die Grundstrukturen seiner inneren Organisation.141 Bei der Frage, was im einzelnen den wesentlichen Grundregeln zuzuzählen ist, wird man den Verbänden – genauso wie auch sonst bei der Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips den Mitgliedstaaten und dem Gemeinschaftsgesetzgeber142 – Beurteilungs- und Bewertungsspielräume einräumen müssen.143 Damit kann auch den praktischen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. b) Überwiegende Gründe des Verbandsinteresses Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet weiterhin, daß Verbandsregelungen, die auf Gründe zurückgeführt werden können, die das Allgemeininteresse an der Verwirklichung des Binnenmarktes überwiegen, auch gegen den Geltungsanspruch der Grundfreiheiten verteidigt werden können. aa) Zwingende Gründe des Verbandsinteresses Genauso wie die Mitgliedstaaten hoheitliche Beschränkungen144 des Binnenmarktes mit „zwingenden Erfordernissen“145 oder „zwingenden Gründen des All140

So etwa zu Art. 39 Abs. 3 EG (ex-Art. 48 Abs. 3 EGV) EuGH, Urt. v. 27. 10. 1977, Rs. 30/77, Slg. 1977, 1999 (2013 Tz. 33 ff.) – Bouchereau; näher zum Begriff der „öffentlichen Ordnung“ W. Brechmann, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 72), Art. 39 EG Rdnr. 90; Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73), S. 156 ff.; P.-Ch. Müller-Graff, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 89), Art. 36 EGV Rdnr. 50; Th. Oppermann, Europarecht (Fn. 117), Rdnrn. 1531, 1302; R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnrn. 734 und 703 f. 141 Vgl. auch M. Schweitzer (Fn. 139), S. 71 (85). 142 Der EuGH ist im allgemeinen recht großzügig mit der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch der Grundrechtskontrolle; siehe nur E. Pache, NVwZ 1999, 1033 (1038 ff.). 143 Für einen Bewertungsspielraum im Zusammenhang mit dem Rechtfertigungsgrund der „öffentlichen Ordnung“ W. Brechmann, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 72), Art. 39 EG Rdnr. 90; R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnr. 703; ders., SpuRt 1998, 89 (90); siehe auch M. Schweitzer (Fn. 139), S. 71 (85) und Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73), S. 159. Für einen entsprechenden Bewertungsspielraum der Verbände R. Streinz/S. Leible, EuZW 2000, 459 (463 f.); R. Streinz, SpuRt 2000, 221 (227) sowie U. Steiner, Richterliche Grundrechtsverantwortung, S. 14 (Manuskript eines Beitrages für die FS H. Maurer). In den Entscheidungen Deliège und Lehtonen deutet sich jedenfalls ein Kontrollrückzug des EuGH zugunsten der nationalen Gerichte an; s. A. Röthel, EuZW 2000, 379 (380). 144 Siehe zu der schrittweisen Entwicklung der Grundfreiheiten von Diskriminierungs- zu Beschränkungsverboten nur P. Behrens, EuR 1992, 145 (148 ff.); M. Eberhartinger, EWS 1997, 43 (44 ff.); Th. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (Fn. 73), S. 38 ff.; M. Nettesheim, NVwZ 1996, 342 f.; H. Reichold, ZEuP 1998, 434 (444 ff.); R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnrn. 671 ff.

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gemeininteresses“146 rechtfertigen können, müssen Verbände die Möglichkeit haben, sich auf „zwingende Gründe des Verbandsinteresses“ zu berufen, um im Einzelfall den hinter solchen Verbandsregelungen stehenden Interessen gegenüber dem allgemeinen Binnenmarktinteresse zum Durchbruch zu verhelfen. Der EuGH hat sich im Bosman-Urteil damit beholfen, daß er verbandlichen Regelungen genauso wie staatlichen Regelungen die Berufung auf „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ gestattete.147 Hierfür hatte auch schon Generalanwalt Lenz plädiert und vorgeschlagen, die zugunsten von Verbandsregelungen einzubringenden „überwiegenden Verbandsinteressen“ unter den Begriff der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ zu subsumieren.148 – Mag auch auf den ersten Blick kein großer Unterschied zwischen Verbands- und Allgemeininteressen bestehen, so spricht doch einiges dafür, im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von Verbandsnormen einen eigenen Rechtfertigungsgrund der „zwingenden Verbandsinteressen“ anzuerkennen. Zum einen würde dadurch nochmals verdeutlicht, daß es sich hierbei eben nicht um staatliche, sondern um Verbandsnormen handelt. Mit dem Rechtfertigungsgrund der „zwingenden Verbandsinteressen“ bekäme diese besondere Konfliktsituation ein eigenes sprachliches Sinnbild. Zum anderen – und dies ist entscheidender – würde klargestellt, daß es einem Verband auch möglich sein muß, eine Verbandsregelung mit Interessen zu rechtfertigen, die nicht der Allgemeinheit, sondern lediglich dem besonderen Verband zuzurechnen sind. Die Verbandsautonomie verlangt gerade die Berücksichtigung solcher Gruppeninteressen.149 Wenn über die Drittwirkung der Grundfreiheiten auch die lediglich für einen Verband, also einen Ausschnitt der Allgemeinheit geltenden Regelungen rechtfertigungsbedürftig sind, so muß es dem Verband auch möglich sein, sich zur Recht145 So die „Cassis-Formel“ des EuGH, Urt. v. 20. 02. 1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 (662 Tz. 8) – Rewe; hierzu nur P.-Ch. Müller-Graff, in: H. v.d. Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Fn. 89), Art. 30 EGV Rdnrn. 188 ff.; Th. Oppermann, Europarecht (Fn. 117), Rdnr. 1299 und R. Streinz, Europarecht (Fn. 68), Rdnr. 700. 146 Diese Formel verwendet der EuGH, soweit Beschränkungen der Freizügigkeit, der Niederlassungs- oder der Dienstleistungsfreiheit in Rede stehen; für die Freizügigkeit grundlegend EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5069 Tz. 96, 5971 Tz. 104) – Bosman; für die Niederlassungsfreiheit EuGH, Urt. v. 30. 11. 1995, Rs. C 55/94, Slg. 1995 I-4165 (Tz. 37) – Gebhard; für die Dienstleistungsfreiheit siehe schon EuGH, Rs. 33/74, Urt. v. 03. 12. 1974, Slg. 1974, 1299 (1309 Tz. 10 ff.) – van Binsbergen. Zur dogmatischen Einordnung dieser Rechtfertigung durch Allgemeininteressen H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (223 ff.). 147 EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5071 Tz. 104) – Bosman: „Die Transferregeln stellen folglich Beeinträchtigungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar, die grundsätzlich nach Art. 48 des Vertrages verboten sind. Anders wäre es nur dann, wenn diese Regeln einen mit dem Vertrag zu vereinbarenden berechtigten Zweck verfolgen würden und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wären.“ 148 Plädoyer des GA C. O. Lenz im Bosman-Verfahren (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5013 Tz. 216). 149 Vgl. V. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren (Fn. 6), S. 19 (32 ff.) im Hinblick auf die besonderen Wertvorstellungen und Maßstäbe der Verbände im Zusammenhang mit der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen von Sportverbänden.

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fertigung auf spezifische Gruppeninteressen zu berufen – und zwar auch dann, wenn diese keine Allgemeininteressen sind.150 bb) Nichtwirtschaftlich begründete Verbandsregelungen Im Sinne der Achtung überwiegender verbandlicher Interessen ist es ebenfalls zwingendes Gebot der Verbandsautonomie und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Verbandsregelungen aus „nicht-wirtschaftlichen Gründen“, die also ausschließlich einem ideellen, nichtwirtschaftlichen Verbandszweck verpflichtet sind, grundsätzlich anzuerkennen.151 Die wirtschaftlich und monetär ausgerichteten Interessen des Binnenmarktes haben hinter solche ideell begründeten Verbandsregelungen dann zurückzutreten, wenn und soweit sie die Grundfreiheiten nicht weiter beschränken, als es ihr Zweck erfordert. Dies ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgebots im Sinne einer „Chance zur endgültigen Selbstregulierung“.152 Für Verbandsnormen im Bereich des Sports zählt diese prinzipielle Anerkennung „nicht-wirtschaftlicher Verbandsregelungen“ bereits zur ständigen Rechtsprechung des EuGH: Die Grundfreiheiten stehen solchen Verbandsregelungen nicht entgegen, die auf „nichtwirtschaftliche Gründe“ zurückzuführen sind und deshalb ausschließlich den Sport als solchen betreffen.153 Dahinter steht der verallgemeinerungsfähige Gedanke, daß im Konflikt zwischen den Grundfreiheiten und der Verbandsautonomie solche Regelungen gerechtfertigt 150

Der Sache nach dürfte dies auch vom EuGH anerkannt sein. So hat der EuGH im Bosman-Urteil (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5071 ff. Tz. 105 ff.) bei der Frage der Rechtfertigung der streitigen Verbandsregelungen bei keinem der von den Verbänden vorgetragenen verbandsspezifischen Gegengründe – Aufrechterhaltung des finanziellen und sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen, Unterstützung der Ausbildung der jungen Spieler, Schutz der weltweiten Organisation des Fußballs – eingewendet, es handele sich nicht um Allgemeininteressen. Gleichwohl wird man diese Interessen kaum als Allgemeininteressen, sondern lediglich als spezifische Interessen des betroffenen Verbands, also Gruppeninteressen verstehen müssen; so auch W. Schroeder, JZ 1996, 254 (256). A. A. wohl M. Krogmann, Grundrechte im Sport (Fn. 87), S. 207, der Privaten generell die Berufung auf Allgemeininteressen versagen will. 151 Auch wenn die mit der „öffentlichen Verbandsordnung“ angesprochenen Grundregeln regelmäßig auf nicht-wirtschaftlichen Gründen beruhen, ist hiermit ein anderer Gedanke angesprochen, da „nicht-wirtschaftlich“ begründete Verbandsregeln nicht notwendig auch „Grundregeln“ sein müssen; zu eng daher M. Schweitzer (Fn. 139), S. 71 (85). 152 Hierzu K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung (Fn. 1), S. 182 ff. 153 EuGH (Fn. 68), Slg. 1976, 1333 (1341 Tz. 14 ff., 19) – Donà; EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5064 Tz. 76) – Bosman; EuGH (Fn. 14), EuZW 2000, 375 (378 Tz. 52) – Lehtonen; genauso W. Brechmann, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Fn. 72), Art. 39 EG Rdnr. 14; M. Hilf, NJW 1984, 517 (520 f.); ders./E. Pache, NJW 1996, 1169 (1171); S. Hobe/Ch. Tietje, JuS 1996, 486 (488); M. Krogmann, Grundrechte im Sport (Fn. 87), S. 208 ff.; M. Schweitzer (Fn. 139), S. 71 (83 ff.); W. Thöny, SpuRt 1999, 177 ff. Zu eng H. Reichold, ZEuP 1998, 434 (442 f.), der solche per se gerechtfertigten Verbandsregelungen nur bei „sportart-typischen Spielregeln“ wie der Länge der Spielzeit oder der Größe des Spielfeldes annehmen will, während Verhaltens- oder Organisationsregeln wie z. B. Zulassungs- oder Strafregeln nicht darunter zu fassen sein sollen.

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sind, die ausschließlich auf nicht-wirtschaftliche, also ideelle und verbandszweckbezogene Gründe zurückgeführt werden können.154 Dies gilt nicht nur für sportspezifische Regelungen, sondern auch für andere nicht-wirtschaftliche Regelungen von Idealvereinen.

VIII. Zusammenfassung und Ausblick Auch in der Europäischen Gemeinschaft spielt gesellschaftliche Selbstregulierung durch Verbände eine immer bedeutendere Rolle. Die Effizienz dieser Selbstregulierung ist in der Regel mit einer gewissen Sozialmächtigkeit, häufig sogar mit einer Monopolstellung der Verbände verbunden. Schutz vor inadäquat ausgeübter Verbandsautonomie ergibt sich zum einen aus der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsordnung (Art. 81 f. EG), zum anderen aus den Grundfreiheiten. Die Kollisionslage zwischen Verbandsautonomie und Grundfreiheiten wird besonders anschaulich im Bereich des Sports. Nicht von ungefähr sind hier die relevanten EuGH-Entscheidungen (zuletzt Bosman, Deliège, Lehtonen) ergangen. Die Verbandsautonomie findet ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 11 EMRK sowie in den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten; sie garantiert den Verbänden die Setzung und Anwendung verbandlicher Normen. Die Adressaten der Normsetzung und -anwendung sozialmächtiger Verbände, also insbesondere deren Mitglieder, können durch unmittelbar drittwirkende Grundfreiheiten geschützt sein. Hierfür bildet der effet utile die dogmatische Grundlage. Im Interesse der Konvergenz der Grundfreiheiten erstreckt sich diese unmittelbare Drittwirkung auf sämtliche Grundfreiheiten einschließlich der Warenverkehrsfreiheit. Auch im Gemeinschaftsrecht bilden die Wesensgehaltsgarantie sowie die Regelungs- und Entscheidungspflichten der Gemeinschaftsorgane die Minimal- bzw. Maximalgrenzen der Verbandsautonomie. In dem durch sie eingegrenzten Zwischenbereich liegt das eigentlich problematische Konfliktfeld, in dem es gilt, das Verhältnis von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten auszuloten. Die Untersuchung hat gezeigt, daß es sich bei der Verbandsautonomie als Gemeinschaftsgrundrecht um eine immanente Schranke der Grundfreiheiten handelt. Für deren Konkretisierung erweist sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip als zentral. Es bestimmt die zulässige Intensität, Reichweite und materielle Regelungsdichte 154

Die dogmatische Einordnung dieser Berufung auf „nichtwirtschaftliche Gründe“ ist im einzelnen noch unklar. Im Schrifttum wird darin vielfach eine „begrenzte Bereichsausnahme“ gesehen, die solche Regeln von vornherein von der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ausschließt; so etwa M. Schweitzer (Fn. 139), S. 71 (83 ff.); vgl. auch M. Hilf, NJW 1984, 517 (520) und H. Kahlenberg, EWS 1994, 423 (426 f.). Der EuGH hat sich hier aber für einen Rechtfertigungsgrund ausgesprochen; siehe EuGH (Fn. 10), Slg. 1995 I-4921 (5064 Tz. 76) – Bosman: „… hat der Gerichtshof … anerkannt, daß die Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr Regelungen oder Praktiken nicht entgegenstehen, die aus nichtwirtschaftlichen Gründen … gerechtfertigt sind.“ [Hervorhebung nicht im Original]. Vgl. hierzu auch M. Krogmann, Grundrechte im Sport (Fn. 87), S. 208.

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von Maßnahmen anhand der Kriterien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit i. e. S. Hieraus folgt insbesondere, daß den Verbänden auch auf Gemeinschaftsebene die „Chance zur endgültigen Selbstregulierung“ verbleiben muß. Für die Umsetzung dieser Formel ist die Erfüllung der Justizgewährungspflicht entscheidend; sie ergibt sich aus Art. 220 EG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip. Im gerichtlichen Rechtsschutz korreliert die Kontrolldichte mit dem Grad der Gefährdung grundrechtlich bzw. grundfreiheitlich geschützter Positionen. Dabei erweist sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Maßstab wechselseitiger Begrenzung von Verbandsautonomie und unmittelbar drittwirkenden Grundfreiheiten. Die Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hat auf der Ebene der Rechtfertigungsgründe zu erfolgen. Entsprechend den staatengerichteten Rechtfertigungsgründen der Grundfreiheiten werden, um den bereichsspezifischen Interessen und Wertungen adäquat Rechnung tragen zu können, folgende verbandsspezifische Rechtfertigungsgründe vorgeschlagen: Vorbehalt der öffentlichen Verbandsordnung, zwingende Gründe des Verbandsinteresses und nichtwirtschaftlich begründete Verbandsregelungen. Die hier entwickelte dogmatische Ordnung des komplexen Gefüges von Verbandsautonomie und Grundfreiheiten wird sich in der Praxis noch zu bewähren haben. Insbesondere die vorgeschlagenen verbandsspezifischen Rechtfertigungsgründe lassen aber hoffen, daß sie die Brücke von den tatsächlichen Konflikten einschließlich der dahinterstehenden Wertungen zu den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu schlagen vermögen. Daß diese in der Verbandspraxis nicht immer in ihrer gesamten Dimension wahrgenommen werden, haben nicht zuletzt die Reaktionen auf das Bosman-Urteil deutlich gezeigt. Umgekehrt dürften sich auf diese Weise auch die Unsicherheiten der Rechtsprechung im Umgang mit verbandsspezifischen Wertungen reduzieren und damit sichergestellt sein, daß die Grenze des gemeinschaftsrechtlich zulässigen „judicial self-restraint“ eingehalten werden kann.

Unfallrisiken im Sport und Versicherung* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sportunfallrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Statistische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schulsport einschließlich Hochschulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinssport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht organisierter Freizeitsport (außerhalb von Vereinen) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erhebungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sportunfälle und Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schul- und Hochschulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinssport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abhängig beschäftigte Berufssportler und Trainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Sportausübung, insbesondere „Breitensport“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht organisierter Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosten-Nutzen-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präventionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadensausgleich, insbes. Regress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Im Alter von 50 Jahren entschied sich Helmut Kollhosser, seine langjährige aktive Teilnahme am Münsteraner „Dozentenfußball“1 zu beenden. Die Begründung war knapp und für die Mitspieler durchaus überraschend. Es werde zu gefährlich. Gemeint war das Eigenrisiko2 für die körperliche Unversehrtheit. Die subjektive Nut* Erstveröffentlichung in P. Bork, T. Hoeren, P. Pohlmann (Hrsg.), Recht und Risiko – Festschrift für Helmut Kollhosser zum 70. Geburtstag, Band I Versicherungsrecht, Karlsruhe 2004, S. 377 – 389. Anne Müller danke ich für konstruktive Unterstützung und Diskussion. 1 Eine Dokumentation dieser traditionsreichen Samstagsnachmittagsbeschäftigung Münsteraner Juraprofessoren, Professorensöhne und Assistenten steht noch aus. Die Frage, ob es sich um Fußball im engeren Sinne oder um „Bolzen“ im Sinne der Rspr. des OVG Münster NVwZ 1984, 530 handelte, ist ebenfalls noch unbeantwortet. Maßgeblich wäre danach, ob die Regeln des Deutschen Fußball-Bundes, mit denen eine „Disziplinierung … der Spieler verbunden ist“, Beachtung fanden. 2 Dass mit höherem Lebensalter auch das Risiko steigen kann, Mitspieler zu verletzen, ist ebenfalls eine Erfahrungstatsache. Zweifelhaft ist allerdings, ob die seinerzeit in Münster vereinzelt vertretene Auffassung zutrifft, der zufolge der Umstand, dass man nicht mehr so schnell wie in jungen Jahren sei, einen Rechtfertigungsgrund begründe, Mitspieler regelwidrig zu foulen. Noch weitergehend U. Steiner, Das Grundgesetz für Fußballdeutschland, in:

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zen-Risiko-Abwägung führte vom „grünen Bereich“ (bis 50 Jahre) in den „roten Bereich“ (über 50 Jahre). Die individuelle Entscheidung des (versicherungs-)rechtlich versierten Freizeitfußballers Helmut Kollhosser gehört in den Rahmen der spannungsreichen übergreifenden Problematik, wer die Kosten letztlich tragen muss, die aus den über 2 Mio. statistisch erfassten Sportverletzungen/Jahr in Deutschland entstehen. Auf der einen Seite sind der gesundheitliche Nutzen des Sports und die mit der Sportausübung verbundene Lebensfreude zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite geraten Sportunfälle sowie die daraus entstehenden Kosten in den Blick. Unabhängig davon steht außer Frage, dass der Sport eine erhebliche wirtschaftliche Dimension erreicht hat. Er macht mittlerweile 1,4 % des Bruttosozialprodukts (= 17 Mrd. E) aus und hat damit eine gleich große ökonomische Bedeutung wie die Landwirtschaft und die Mineralölindustrie.3 Die mit der Realisierung des Risikos sportlicher Tätigkeiten entstehenden Kosten führen immer wieder zu Überlegungen, ob es gerechtfertigt ist, die Solidargemeinschaft der Versicherten mit diesen individuell verursachten Kosten zu belasten.4 So plante die Bundesregierung im Frühjahr 2003 kurzzeitig, die Behandlung von Sportunfällen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung zu streichen.5 Die sich anschließende Diskussion zeigte erneut, dass die rechtstatsächlichen Grundlagen nicht immer klar sind. Medienwirksam verbreitete Informationen über die sechsstelligen Prämien der Versicherung von Top-Athleten wie des Basketballstars Dirk Nowitzki mögen zur Verunsicherung beitragen.6 Im Folgenden sollen zunächst die Unfallrisiken sportlicher Aktivitäten differenziert beleuchtet werden (dazu II.), bevor in einem Überblick die Versicherung von Sportunfallrisiken für die Bereiche Schulsport/Hochschulsport, Vereinssport und nicht organisierter Freizeitsport dargestellt wird (dazu III.). Weiterhin werden die Konsequenzen – insbesondere ein Kosten-Nutzen-Vergleich und die Maßnahmen P. Tettinger/K. Vieweg (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Sportrechts, S. 255 ff. In dessen Artikel 2 (2) heißt es: „Das Recht des Spielers auf körperliche Unversehrtheit ist auf dem Spielfeld eingeschränkt.“ Enger hingegen LG Münster (Az. 10 O 586/02), das einen Spieler einer Altherrenmannschaft wegen Überschreitung der Grenze zwischen „noch erlaubter und gebotener Härte“ zu unzulässiger Unfairness zur Zahlung von 4.500 E Schmerzensgeld verurteilte. Vgl. ddp-Meldung v. 08. 01. 2003. 3 Forschungsbericht der Universität Paderborn im Auftrag des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Vgl. FAZ v. 31. 03. 1994, S. 17. 4 Vgl. den Beschluss des Deutschen Ärztetages vom Mai 1993, das „Gesundheitsschadensrisiko aus den Bereichen Sport, Extremsport, Berufssport und Freizeitsport außerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern“. Zu der Problematik vgl. statt vieler K. Mihm, SpuRt 1995, 18 ff; M. Fuchs, SpuRt 1999, 133 ff. 5 FAZ v. 21. 01. 2003, S. 1 und v. 22. 01. 2003, S. 1. 6 Der Deutsche Basketball-Bund zahlt 190.000 US-Dollar Versicherungsprämie, um die Freigabe Nowitzkis für die Europameisterschaft zu erreichen. Versichert ist sein Jahresgehalt bei den Dallas Mavericks. Vgl. FAZ v. 14. 08. 2003, S. 28.

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zur Prävention von Sportunfällen – erörtert (dazu IV.). Zusammenfassung und Ausblick schließen den Beitrag ab (dazu V.).

II. Sportunfallrisiken Die Diskussion um die Streichung der Behandlung von Sportunfällen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung entstand nicht zuletzt deshalb, weil Sportrisiken weder hinreichend differenziert dargestellt noch von ihrer Kostendimension her entsprechend quantifiziert beurteilt worden waren. 1. Eigenarten Risiko wird definiert als Produkt von Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit.7 Sportrisiken bestehen also darin, durch die sportliche Betätigung mit gewisser Wahrscheinlichkeit einen Körperschaden zu erleiden. Bei Sportunfallrisiken erfolgt der hypothetische Schadenseintritt durch einen Unfall8. Das bedeutet, dass der Sportler durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleiden muss. Nicht immer wird hinreichend beachtet, dass Risiken, einen Sportunfall zu erleiden, multifaktorell sind. Es kommt – mit Blick auf die sportartspezifischen Anforderungen – auf die allgemeine, auch altersbedingte körperliche Konstitution (insbes. Kraft und Beweglichkeit), auf die sportartspezifischen motorischen Fertigkeiten (z. B. Schwimmen9) und auf die mentale Disposition (insbes. Konzentrationsfähigkeit, Risikoantizipation) an. Diese sind nicht unveränderlich vorgegeben, sondern werden durch Training erworben bzw. verbessert. Insofern spielen Bewegungserfahrung, insbesondere auch die verhaltenssteuernde Erfahrung erlebter kleinerer Blessuren, eine erhebliche Rolle. Sie führen zu erhöhter Geschicklichkeit und größerer Vorsicht.10 Weiterhin kommt es darauf an, ob die Sportart – wie z. B. Skispringen 7 Zum Risikobegriff vgl. nur K. Vieweg, Recht und Risiko, in: GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (Hrsg.), mensch+umwelt, 1993, S. 47 ff.; U. Hübner, Haftungs- und Versicherungsrecht bei Risikosportveranstaltungen, in: Th. Würtenberger (Hrsg.), Risikosportarten, 1991, S. 1 f. Dieser Risikobegriff wird herkömmlicherweise vom Gefahrenbegriff abgegrenzt, der die Wertung enthält, dass das Risiko so groß ist, dass Maßnahmen erforderlich werden oder im umgekehrten Fall, dass das Risiko so gering ist, dass es akzeptiert werden kann (z. B. Schulsport als Pflichtfach). 8 Sportunfallrisiken sind abzugrenzen von den Risiken, Belastungsschäden (insbes. am Skelettapparat) zu erleiden. 9 Beim Schwimmen lassen sich in einem ersten Schritt – quasi einer Plus-Minus-Differenzierung – Schwimmer und Nichtschwimmer voneinander unterscheiden. Die Ausprägung der sportartspezifischen motorischen Fähigkeit entscheidet in einem zweiten Schritt darüber, ob es sich um einen guten oder weniger guten Schwimmer handelt. 10 Die vielfach beklagte Bewegungsarmut der „Fernseh- und Computerkinder“ wird vermutlich dazu führen, dass die Risikoschwelle für Unfälle sinkt. Zu dem interessanten Ergeb-

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oder Kunstturnen – individuell und unabhängig von anderen Sportlern oder – wie etwa Freizeitskifahren – parallel in räumlicher Nähe zueinander oder – wie insbesondere die Ballsportarten oder Boxen – im kämpferischen Einsatz gegeneinander ausgeübt wird.11 Mit der Sportart zusammenhängend wird das Risiko zudem dadurch bestimmt, ob Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Hilfestellung beim Trampolin, Aufsicht beim Schwimmen) und persönliche Schutzausrüstung (z. B. Helm für Radfahrer oder Inline-Skater) genutzt werden und wie die Sportstätten und Sportgeräte beschaffen sein müssen, namentlich ob sie den technischen Normen (insbes. DIN-Normen12, z. B. Aufprallschutz an Hallenwänden für Ballspiele) und Vorgaben der Sportverbände entsprechen. Schließlich ist die subjektive Risikoeinschätzung des Sportlers wichtig, die nicht nur allgemein durch Sozialisation, sondern auch durch sportspezifische Erfahrung und Information sowie durch den Grad der Freiwilligkeit der Sportausübung, den Unternehmungsdrang und gruppendynamische Prozesse geprägt wird. 2. Statistische Auswertung Unabhängig von ihren vielfältigen Ursachen lassen sich Sportrisiken mit zweierlei Zielrichtung quantifizieren: Zum einen können sie Grundlage für einen Risikovergleich sein, der seinerseits darüber informiert, in welchen Bereichen welche Art von Präventionsmaßnahmen besonders effektiv eingesetzt werden kann, um Kosten zu reduzieren. Zum anderen kann ein Kosten-Nutzen-Vergleich Grundlage für die Beantwortung der Frage sein, ob bestimmte Risiken nicht mehr von der Gesetzlichen Krankenversicherung erfasst werden sollen.13 Die statistische Erfassung von Sportunfällen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert.14 So liegen Untersuchungen zum Unfallgeschehen im Schulsport15 nis, dass die Einführung der täglichen Sportstunde zu einer Verringerung der Anzahl von Sportunfällen führt, kommt die Studie von K. Bös (Universität Karlsruhe), Chancen und Wirkungen des Sports für Kinder – Modellprojekt „Täglicher Sportunterricht“, abrufbar unter http://www.ifss.uni-karlsruhe.de. 11 Diese Differenzierung ist auch für die Haftung relevant. Vgl. E. Scheffen, Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Haftung bei Sportunfällen, in: dies., Haftung und Nachbarschutz im Sport, 1985, S. 1. 12 R. Tschauner, Sportgeräte und Normung, in: K. Vieweg (Hrsg.), Spektrum des Technikrechts, 2002, S. 313 ff. 13 Bedeutung kann die Risikobewertung auch für die Formulierung von Ausschlusstatbeständen privater Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen erlangen. 14 Die Erstellung aussagekräftiger Statistiken von angemahnt von K. Vieweg, Sportunterricht 1980, 17 (19). 15 H. Hübner/A. Mirbach, Das Unfallgeschehen im Schulsport allgemeinbildender Schulen in Westfalen-Lippe, hrsg. von Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe, 1991; H. Hübner/H. Hundeloh (Hrsg.), Mehr Sicherheit im Schulsport – Bilanz und Perspektiven, 1997. Aktuelle Informationen sind abrufbar bei der Forschungsstelle „Mehr Sicherheit im Schulsport“ der Bergischen Universität – Gesamthochschule Wuppertal (Prof. Dr. H. Hübner) unter http://www.verwaltung.uni-wuppertal.de/forschung/1999/fb03/huebner.htm.

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sowie zu Häufigkeit und Kosten von Sportunfällen, die dem jeweiligen Landessportbund gemeldet worden sind,16 vor. Entsprechende Statistiken der Gesetzlichen und der Privaten Krankenkassen sind nicht verfügbar.17 Unfälle beim Betriebssport bleiben im Folgenden aus Raumgründen außer Betracht. a) Schulsport einschließlich Hochschulsport Für den Schulsport einschließlich Hochschulsport zeigt sich Folgendes:18 @ Im Jahr 2002 (11,65 Mio. Versicherte) ereigneten sich von den insgesamt ca. 1,6 Mio. Schulunfällen19 675.477 beim Sport (42,2 %), davon 60,3 % beim Ballspiel, 14,1 % beim Geräteturnen und 7,6 % bei der Leichtathletik sowie – nach Unfallorten differenziert – 71 % in Sporthallen.20 Informationen über den zeitlichen Umfang der Ausübung einer Sportart fehlen, so dass eine Aussage über deren Gefährlichkeit nur sehr beschränkt möglich ist. @ Die Zahl der Sportunfälle nahm von 1980 (ca. 407.600) bis 2002 (ca. 675.477) um 65,7 % zu; bezogen auf die Schülerzahl ergab sich immerhin eine Zunahme von 34,5 %. @ Eine konkrete Zurechnung der stationären und ambulanten Behandlungskosten (76,8 Mio. E bzw. 157,2 Mio. E) auf Sportunfälle erfolgt bisher nicht. b) Vereinssport Für den in Vereinen organisierten Freizeitsport ergibt sich folgendes Bild:21 @ Von den ca. 23 Mio. mehrmals in der Woche sportlich aktiven Bundesbürgern sind 13 Mio. (= 56,5 %) in Vereinen organisiert. 16 H. Gläser (ARAG Auswertungsstelle für Sportunfälle)/Th. Henke (Lehrstuhl für Sportmedizin, Ruhr-Universität Bochum), Sportunfälle – Häufigkeit, Kosten, Prävention, abgerufen am 14. 08. 2003 unter http://www.arag-sportversicherung.de/de/. Die Studie beruht auf der Auswertung von 125.000 Fragebögen in einem Zeitraum von 14 Jahren. Nahezu 60 % der nach einem Stichprobenplan ausgewählten Sportler haben den Fragebogen ausgefüllt zurückgesandt. 17 Telefonische Auskunft J. Steffens (AOK-Bundesverband) v. 20. 08. 2003. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen versichern ca. 30 Mio. Personen. 18 K. Scherer (Bundesverband der Unfallkassen) schriftl. Auskunft v. 19. 08. 2003; Telefonat v. 21. 08. 2003. 19 Die Statistik schließt die 15.526 von Hochschülern gemeldeten Unfälle (einschließlich Wegeunfälle) mit ein. 20 Die Zahlen haben sich gegenüber dem Vorjahr nur unerheblich verändert. Vgl. Bundesverband der Unfallkassen (BUK), Statistik-Info zum Schülerunfallgeschehen 2001, September 2002, S. 12. 21 Die dem Stand von 1995 entsprechenden Informationen der Publikation von H. Gläser/ Th. Henke (Fn. 16) sind auf den Stand 2000 aktualisiert (Telefonat v. 15. 08. 2003 mit H. Gläser, ARAG-Auswertungsstelle für Sportunfälle).

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@ Im Vereinssport ergeben sich ca. 705.000 ärztlich behandelte Unfälle/Jahr, das entspricht 53 % der insgesamt 1,33 Mio. Freizeit-Sportunfälle. 9 % der Vereinssportunfälle erfordern eine stationäre Behandlung. Als Durchschnittswert werden bei ambulanter Behandlung sieben Arztbesuche angegeben.22 @ Nach Sportarten differenziert ereignen sich beim Fußballspiel die meisten Unfälle (45 %; bezogen auf Männer sogar 58 %). Damit ist aber nur ein bedingter Schluss auf die Gefährlichkeit des Fußballspiels möglich. Diese Zahl muss vielmehr im Zusammenhang mit der Popularität des Fußballspiels gesehen werden. 6,3 Mio. Fußballer sind im Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisiert.23 Auf Personen und Stunden der Sportausübung bezogene Zahlen, die einen höheren Aussagewert zur Gefährlichkeit der Sportart hätten, liegen weder zum Fußballspiel noch zu anderen Sportarten vor.24 c) Nicht organisierter Freizeitsport (außerhalb von Vereinen) Für den Freizeitsport außerhalb von Vereinen stellen sich die Zahlen wie folgt dar: @ 10 Mio. Bundesbürger (= 43 % der sportlich aktiven Bevölkerung) treiben unorganisiert Sport. @ Im nicht organisierten Sport ereignen sich ca. 625.000 ärztlich behandelte Unfälle/Jahr,25 das entspricht 47 % der Freizeit-Sportunfälle insgesamt. @ Erhebungen über die beim Unfall ausgeübte Sportart (z. B. Jogging, Inline-Skating, Training in Fitness-Centern) fehlen.

3. Erhebungsdefizite Ausgehend von der Zielsetzung der Kostenreduzierung ergeben die vorliegenden Zahlen zwar einen ersten Eindruck, lassen aber noch wesentliche Fragen offen: Die Beschränkung auf Sportunfälle bringt mit sich, dass nur unfall-, nicht aber belastungsbedingte (Spät-)Schäden am Skelett-, Sehnen-, Band- und Muskelapparat (z. B. Kniegelenkschäden durch Jogging; Schäden durch nicht fachgerecht angelei22

H. Gläser/Th. Henke/A. Henter/H. de Marées/H. Heck, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 1994, 317 (319). 23 Dass Statistiken merkwürdige Schlüsse erlauben, zeigt der Vergleich von Schach und Judo. Schach ist – bei Einbeziehung der Wegeunfälle – deutlich gefährlicher als Judo. Vgl. Mindener Tageblatt v. 19. 03. 2003, S. 14. 24 U. Hübner, Haftung- und Versicherungsrecht bei Risikosportveranstaltungen, in: Th. Würtenberger (Hrsg.), Risikosportarten, 1991, S. 1 ff. nennt für einige Sportarten Risikozahlen, die sich jeweils auf ein Jahr beziehen. Nicht quantifiziert wird die Dauer der sportlichen Tätigkeit/Jahr. 25 Vgl. zur Ermittlungsmethode H. Gläser/Th. Henke/A. Henter/H. de Marées/H. Heck (Fn. 22), 317 (318 f.).

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tetes Training in Fitnesscentern) statistisch erfasst werden und damit in die Kostenkalkulation einbezogen werden können. Ein umfassender Kosten-Nutzen-Vergleich müsste diese Zahlen ebenfalls einbeziehen. Der Nutzen der Sportausübung wird allgemein durch Hinweis auf die Gesundheit der Bevölkerung umschrieben. Eine monetäre Bewertung erfolgt aber nicht, obwohl sie zumindest ansatzweise für definierte Sportlerkollektive leistbar wäre. So ließen sich die Kosten durch sonstige Heilbehandlungen und die Häufigkeit, in andere Unfälle, insbesondere im sonstigen Freizeitbereich, verwickelt zu werden, durchaus ermitteln. Die Zahl der sich im nicht organisierten Sport ereignenden Unfälle beruht auf Hochrechnungen.26 Statistiken der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherer mit Differenzierung zwischen Sportunfällen in Schulen/Hochschulen, beim Vereinssport und beim nicht organisierten Freizeitsport fehlen.27 Allerdings ist davon auszugehen, dass die ärztliche Unfallmeldungspflicht gem. § 14 Abkommen Ärzte-Unfallversicherungsträger zu einer recht exakten Eingrenzung der von der gesetzlichen Unfallversicherung erfassten Sportunfälle führt.28 Selbst die Zahl der (den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern sowie den Sportversicherungen der Landessportbünde) gemeldeten Sportunfälle ist wegen der Dunkelziffer zu relativieren. Insofern ist davon auszugehen, dass allein schon wegen des Aufwands, nicht immer sofort verfügbare Formulare ausfüllen zu müssen, und der Befürchtung von Folgeaufwand aufgrund von Nachfragen manche Meldung unterbleibt.29 Insbesondere wenn eine ärztliche Versorgung (zunächst) nicht nötig ist und dem Aufwand kein persönlicher Nutzen gegenüber steht, dürfte häufig eine Meldung unterbleiben. Es fehlen Statistiken, die das individuelle Unfallrisiko und den zeitlichen Aufwand der Sportausübung zueinander in Beziehung setzen. Erste Studien für den Schulsport30 erlauben die Prognose, dass ein Mehr an Sport zu einer Verringerung der Zahl an Sportunfällen führt. Noch nicht untersucht ist, ob hierdurch auch die Unfallhäufigkeit in anderen Lebensbereichen zurückgeht. Hinsichtlich des Risikos, Knochenbrüche zu erleiden, ergeben aktuelle Studien, dass die körperliche Bewegung zu einer Erhöhung der Knochenmasse führt, die ihrerseits ein geringeres Bruchrisiko zur Folge hat.31 26

Vgl. H. Gläser/Th. Henke/A. Henter/H. de Marées/H. Heck (Fn. 22), 317 (318 f.). Siehe Fn. 17. 28 In § 14 Abkommen Ärzte-Unfallversicherungsträger ist die Einleitung des sog. Durchgangsarztverfahrens mit höherem Leitungsumfang vorgesehen, wenn die Unfallverletzung über den Unfalltag hinaus zur Arbeitsunfähigkeit führt oder die Behandlungsbedürftigkeit mehr als eine Woche beträgt. 29 Nach telefonischer Auskunft von K. Scherer (BUK) v. 18. 08. 2003 werden nur ca. 50 % der Schulunfälle von der Schulleitung gemeldet. 30 Siehe Fn. 10. 31 FAZ v. 20. 08. 2003, N 1. Vgl. zu den biomechanischen Funktionen des Skelettmuskels G.-P. Brüggemann, Mögliche Langzeiteffekte des Dopings aus biomechanischer Sicht, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, 1998, S. 67 ff. 27

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Zweifelhaft ist ebenfalls, ob die Angaben über den Unfallhergang, insbesondere über eine etwaige Fremdverursachung der Unfälle, immer präzise sind. Naheliegend ist die Vermutung, dass man bei Kostendeckung durch die Versicherung zufrieden ist und Sportkameraden und Trainer nicht Nachfragen und Regressrisiken aussetzen möchte.

III. Sportunfälle und Versicherung Die Tragung der durch Sportunfälle verursachten Kosten (Heilbehandlungskosten, Rehabilitationskosten, Rentenzahlungen, Einkommensausfälle) erfolgt durch verschiedene Versicherungsträger, je nach dem, ob es sich um Schul- und Hochschulsport, Vereinssport oder unorganisierte Sportausübung handelt. Dabei sind vier Risiken voneinander zu unterscheiden: Krankheit, Invalidität, Einkommensausfall und Haftung. Möglichkeit und Realisierung von Regressen oder der Abschluss von Teilungsabkommen entscheiden darüber, wer letztlich diese Kosten zu tragen hat. 1. Schul- und Hochschulsport Seit 1971 sind Schüler an allgemeinbildenden Schulen sowie Studierende an Hochschulen von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst.32 Speziell auf Sportunfälle zugeschnittene Spezialregelungen existieren nicht. Vielmehr finden die allgemeinen Regeln des SGB VII Anwendung. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII ein innerer Zurechnungszusammenhang zwischen unfallbringender und versicherter Tätigkeit.33 Wichtig ist dabei vor allem die Abgrenzung zum in Eigenverantwortung betriebenen Freizeitsport. Diese Abgrenzung kann nur nach formalen Kriterien erfolgen. Für die Schüler kommt es darauf an, ob die sportliche Betätigung im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule liegt.34 Das ist insbesondere beim lehrplanmäßigen Sportunterricht,35 aber auch bei sportlichen Betätigungen in Pausen und Freistunden der Fall.36 Für die Studierenden ist Voraussetzung des Versicherungsschutzes, dass es sich um eine offizielle Veranstaltung des Hochschulsports handelt.37 32

Zweck der Einbeziehung in die gesetzliche Unfallversicherung war es, in Schulen und Hochschulen – ähnlich wie in Betrieben – durch direkte Ansprüche gegen die Unfallversicherungsträger unter weitgehendem Ausschluss von Ansprüchen der Versicherten gegeneinander zum „Betriebsfrieden“ beizutragen. Vgl. K. Vollmar, VersR 1973, 298. Träger der Versicherung sind die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zusammengeschlossenen gesetzlichen Unfallversicherungsträger. Vgl. BUK, Die gesetzliche Unfallversicherung der öffentlichen Hand, 1999, S. 9. 33 Hierzu allgemein C. Rolfs, VersR 1996, 1194; ders., Sport und Sozialversicherung, 2001, S. 55 ff. 34 BSGE 35, 207 (211). 35 W. Gitter, SGb, 1990, 393 (397). 36 C. Rolfs, Sport und Sozialversicherung, 2001, S. 55 ff mit weiteren Nachweisen.

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Vom Versicherungsschutz erfasst sind gemäß §§ 26 ff. SGB VII die Kosten der Heilbehandlung und Rehabilitation sowie im Fall der Invalidität eine nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit gestaffelte Unfallrente. Ein Rentenanspruch setzt gemäß § 56 SGB VII voraus, dass die Erwerbsfähigkeit zumindest um 20 % gemindert ist.38 Das weniger relevante Risiko des Einkommensausfalls wird in Form von Verletztengeld und Übergangsgeld gedeckt. Das Haftpflichtrisiko ist bei Schulunfällen durch das sog. Haftungsprivileg der §§ 104 bis 106 SGB VII auf ein Minimum reduziert. Bei Personenschäden haften die (Hoch-)Schulangehörigen einander nur bei Vorsatz (§§ 104 Abs. 1 SGB VII). Um in Regress genommen werden zu können, müssen sie zumindest grobfahrlässig gehandelt haben (§ 110 SGB VII). 2. Vereinssport Beim Vereinssport ist versicherungsrechtlich danach zu unterscheiden, ob es sich bei den Verletzen um Beschäftigte des Vereins mit einem monatlichen Verdienst über 100 E39 oder um sonstige Sportausübende, insbes. um sog. Breitensportler handelt. a) Abhängig beschäftigte Berufssportler und Trainer Dieser Personenkreis ist in der gesetzlichen Unfallversicherung (Verwaltungsberufsgenossenschaft – VBG) pflichtversichert. Damit sind das Krankheits-, Invaliditäts-, und teilweise auch das Einkommensausfallrisiko auf die VBG verlagert. Für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit trägt der Verein als Arbeitgeber selbst das Einkommensausfallrisiko. Das Haftungsrisiko ist durch das Haftungsprivileg, das gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII gegenüber anderen Betriebsangehörigen (Vereinsmitgliedern) besteht, deutlich reduziert. Regress setzt auch hier grobe Fahrlässigkeit voraus. Nach dem Konzept der Gesetzlichen Unfallversicherung, das insbes. einen umfassenden Präventionsauftrag enthält (vgl. §§ 14 ff. SGB VII), müssen die Prämien risikogerecht gestaltet werden. Das hat dazu geführt, dass die Vereine als Sportunter-

37 Vgl. zu den Anforderungen an den Versicherungsschutz von Arbeitern, Angestellten und Beamte bei offiziellen Veranstaltungen des Hochschulsports http://ifs.sport.uni-goettingen.de/ zhs/info/versicherung.html. 38 Beispiele der Erwerbsminderung sowie der Berechnung der Rente zeigt das VersicherungsJournal v. 20. 02. 2003 auf, abgerufen am 19. 08. 2003 unter http://www.versicherungsjour nal.de. 39 Bis zur 100-Euro-Grenze werden geleistete Zahlungen als Aufwendungsersatz behandelt.

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nehmen seit 1996 in drei verschiedene Gefahrklassen (§ 157 SGB VII) eingeteilt werden.40 b) Sonstige Sportausübung, insbesondere „Breitensport“ Bei Unfällen von „Breitensportlern“ und Leistungssportlern ohne Beschäftigungsverhältnis greift die gesetzliche Unfallversicherung nicht ein. Das Risiko Krankheit ist durch die Gesetzliche Krankenversicherung oder eine private Krankenkasse gedeckt. Übernommen werden insbes. die Behandlungskosten. Das Entschädigungssystem ist final, nicht kausal angelegt. Es kommt nicht auf die Ursache der Krankheit – Sportverletzung – an.41 Das Invaliditätsrisiko kann abgedeckt werden durch eine private Unfallversicherung, deren Leistungsspektrum von der Ausgestaltung des jeweiligen Versicherungsvertrages abhängig ist. Für Arbeitnehmer ist das Invaliditätsrisiko über die Rentenversicherung abgesichert. Das Risiko Einkommensausfall wird vom Arbeitgeber in den ersten sechs Wochen, danach von der Krankenkasse getragen. Nur vereinzelt hat die Rechtsprechung die Ausübung von Sport (Motocrossfahren, Drachenfliegen, Kickboxen) als Verschuldenstatbestand i.S.v. § 3 EFZG angesehen, der eine Entgeltfortzahlung ausschließt.42 Ergänzend und um dem sportspezifischen Gefährdungspotential Rechnung zu tragen, schließen die Sportvereine über ihre Landessportbünde (Versicherungsnehmer) für ihre Mitglieder eine sog. Sportversicherung als Gruppenversicherung ab.43 Diese Sportversicherung bietet einen standardisierten Versicherungsschutz ohne Berücksichtigung individueller oder sportartspezifischer Risikoverhältnisse44 unter Einschluss der minderjährigen Vereinsmitglieder, deren gesetzliche Vertreter bei individuellen Verträgen hätten mitwirken müssen.45 Das Leistungspaket der Sportversicherung deckt in erster Linie das Invaliditätsrisiko ab.46 Die Versicherungsprämie in Höhe von 1 bis 2 E/Person/Jahr wird im Regelfall über den jährlichen Mitgliedsbeitrag umgelegt.

40 Die Gefahrklassen spiegeln das Gefährdungsrisiko der jeweiligen Gefahrengemeinschaft wider. Bezahlte Sportler aus der Ersten oder Zweiten Fußballbundesliga oder der Fußballregionalliga: 47,75; sonstige bezahlte Sportler: 22,52; übrige Versicherte 1,98. Vgl. http://www. vbg.de/download/gefahrtarif2001.pdf. 41 M. Fuchs, SpuRt 1999, 134 mit dem Hinweis auf den Äquivalenzgedanken, dass Prämie und Risiko sich entsprechen müssen. 42 Vgl. J. Schwede, SpuRt 1996, 145 (146) m. w. N. 43 Versicherer sind die ARAG Allgemeine Versicherungs-AG und die EUROPA-Krankenversicherung AG. 44 U. Hübner (Fn. 7), S. 13. 45 M. Fuchs, SpuRt 1999, 136. 46 Einen guten Überblick über die Versicherungsleistungen der Sportversicherer gibt – differenziert nach Landessportbünden – das VersicherungsJournal v. 20. 02. 2003, abgerufen am 19. 08. 2003 unter http://www.versicherungsjournal.de.

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Das Haftungsrisiko der Sportler untereinander beurteilt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung47 bei Sportverletzungen, die vom sportlichen Gegner bei sog. Kampfsportarten (insbes. bei den Ballspielen) verursacht worden sind, eine praktisch äußerst relevante Haftungsbeschränkung vorgenommen worden ist. Beim Fußball und bei den anderen Kampfsportarten sind selbst bei regelgerechtem Spiel Verletzungen unvermeidbar. Mit ihnen rechnet jeder Spieler und geht davon aus, dass auch der Gegner diese in Kauf nimmt. Die Haftung beginnt deshalb erst bei regelwidrigem Verhalten.48 Bei den übrigen Sportarten, also beim Sport „miteinander“ („parallele Sportausübung“) gilt diese pragmatische Privilegierung nicht. Besteht ein Schadensersatzanspruch des verletzten Sportlers gegenüber einem anderen und ist der Schaden bereits durch die Versicherung ersetzt worden, gehen die Ansprüche des Verletzten gemäß § 116 SGB X bzw. § 67 Abs. 1 VVG über. Das Haftungsrisiko lässt sich durch eine private Haftpflichtversicherung abdecken. Gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 4 AHB („Sportklausel“) ist allerdings die Haftpflicht für Schäden aus Kfz-, Pferde- und Radrennen sowie aus Box- und Ringkämpfen ausgeschlossen. 3. Nicht organisierter Sport Das Risiko Krankheit wird durch gesetzliche oder private Krankenversicherungen abgedeckt. Das Risiko des Einkommensausfalls trägt der Arbeitgeber bzw. die Krankenkasse (nach sechs Wochen). Das Invaliditätsrisiko lässt sich durch eine private Unfallversicherung49 abdecken, die an feste Invaliditätsgrade und die vereinbarte Versicherungssumme anknüpft. Für bestimmte als zu gefährlich eingestufte Sportarten (Skisurfen, Freeclimbing und Bungee-Springen) erfolgt ein Risikoausschluss bzw. müssen Risikozuschläge gezahlt werden.50

47 BGHZ 63, 140 (148); einen Überblick über die BGH-Rechtsprechung zur Haftung bei Sportunfällen gibt E. Scheffen, Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Haftung bei Sportunfällen, in: dies., Haftung und Nachbarschutz im Sport, 1985, S. 1. Die dogmatische Einordnung der Leitentscheidung BGHZ 63, 140 ist umstritten; vgl. nur W. Grunsky, Haftungsrechtliche Probleme der Sportregeln, 1979, S. 12 ff.; ders., JZ 1975, 109; MünchKomm-Mertens, § 823, Rn. 318 ff.; Staudinger-J. Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff., Rn. 50 ff. 48 Vgl. zur Funktion und rechtlichen Bedeutung der Sportregeln K. Vieweg, JuS 1983, 825 (828 ff.). 49 Die Einzelheiten ergeben sich aus den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB). 50 VersicherungsJournal v. 20. 02. 2003, abgerufen am 19. 08. 2003 unter http://www.versi cherungsjournal.de.

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IV. Konsequenzen 1. Kosten-Nutzen-Vergleich Ein Kosten-Nutzen-Vergleich begegnet der Schwierigkeit der Quantifizierung und monetären Bewertung der positiven Effekte der Sportausübung. Feststeht jedoch, dass der gesundheitliche Nutzen des Sports nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt wird.51 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass für die Behandlung von Sportunfällen ein Gesamtbetrag von 1,6 Mrd. E/Jahr (850 Mio. E für den nicht organisierten Sport und 750 Mio. E für den Vereinssport) aufzuwenden ist. Dies entspricht einem Anteil von 0,73 % der Gesamtkosten im Gesundheitswesen in Höhe von 218 Mrd. E im Jahr 2000.52 Im Vergleich hierzu verursachen ernährungsbedingte Krankheiten ca. ein Drittel der Gesamtkosten.53 Deutlich wird, dass die Streichung der Behandlung von Sportunfällen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung allenfalls ein irrelevanter „Tropfen auf den heißen Stein“ wäre. 2. Präventionsmaßnahmen Die statistische Erfassung und wissenschaftliche Aufbereitung der Sportunfälle hat in den letzten Jahren zu vielfältigen Präventionsmaßnahmen, insbes. zu Informationsbroschüren der Gesetzlichen Unfallversicherer54 sowie der Sportversicherer55 mit der Zielsetzung Unfallverhütung geführt. Dies mag mitursächlich für die erfreuliche Entwicklung sein, dass die Zahl der Sportunfälle eine abnehmende Tendenz aufweist. Noch weiter auszuloten ist, ob und wieweit ein Mehr an Sport durch die verbesserte Bewegungserfahrung der Unfallprävention dienen kann. Von der Prävention im Sinne von Unfallverhütung sind die Aktivitäten der Krankenversicherer zu unterscheiden, die die Gesundheitsvorsorge durch Sport bezwecken, insbes. HerzKreislaufschäden vermeiden sollen. Hier dürfte ein noch größeres Einsparpotential liegen.

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Vgl. nur H. Gläser/Th. Henke (Fn. 16), S. 4. H. Gläser (ARAG-Auswertungsstelle für Sportunfälle), Mitteilung v. 20. 01. 2004. H. Gläser/Th. Henke/A. Henter/H. de Marées/H. Heck (Fn. 22), 317 weisen zu Recht darauf hin, dass für den unorganisierten Sport eine Überprüfung des Unfallhergangs und damit eine Einordnung als Sportunfall kaum möglich sei. Bei realistischer Beschränkung auf die Unfälle im organisierten Sport ergebe sich eine potentielle Kostenreduzierung von 0,5 %. 53 Vgl. H. Gläser/Th. Henke (Fn. 16), S. 5 (Zahlen aus 1995). 54 Vgl. z. B. Bundesverband der Unfallkassen (BUK): Checklisten zur Sicherheit im Sportunterricht (08.2000), Sicherheit von Sportgeräten und Einrichtungen in Sporthallen (04.1993 in Überarbeitung), Springen mit dem Minitrampolin (07.1994); vgl. schon G. Kliemt/K.H. Diekershoff, Lernprozeß Sicherheit, hrsg. von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (BAGUV), o. J. 55 H. Gläser/Th. Henke (Fn. 16), S. 3, S. 9 ff.; vgl. auch die unter http://www.arag-sportver sicherung.de/de/ abrufbaren Infobroschüren. 52

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3. Schadensausgleich, insbes. Regress Die Gesetzlichen Unfallversicherer differenzieren – entsprechend der Rechtslage – zwischen dem Regress gem. § 110 SGB VII gegenüber Betriebsangehörigen sowie gegenüber Drittschädigern, der bei Sportunfällen praktisch nicht in Betracht kommt. Aber auch der Regress gegenüber Mitschülern, Kommilitonen und Lehrpersonal spielt praktisch keine Rolle, da der Nachweis einer zumindest grobfahrlässigen Verursachung nur sehr schwer zu führen ist.56 Im Bereich der Sportversicherungen der Vereine gibt es keinen Regress, da es sich um eine schadensunabhängige Summenversicherung handelt. Die Gesetzlichen Krankenkassen haben die Problematik des Regresses gegenüber etwaigen Schadensverursachern – wohl aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung – im Wesentlichen gem. § 116 Abs. 9 SGB X durch den Abschluss von Teilungsabkommen mit den großen privaten Haftpflichtversicherern gelöst.57

V. Zusammenfassung und Ausblick Die vorhandenen Statistiken belegen, dass die Streichung der Heilbehandlung von Sportunfällen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung kein taugliches Mittel der Kostenreduzierung wäre. Überlegungen zur Kostenreduzierung sollten vielmehr den Präventionsgedanken, wie er insbes. in § 1 Nr. 1 SGB VII zum Ausdruck kommt, vertiefen. Die Verhütung von Sportunfällen durch Ermittlung der genaueren Unfallursachen und durch Entwicklung probater Gegenmaßnahmen (Information, Verbesserung der Ausbildung der Lehrer und Übungsleiter, sicherheitsfördernde Ausstattung von Sportstätten und Gestaltung von Sportgeräten und Schutzausrüstung) ist ein erster wichtiger Schritt. Näher zu untersuchen ist der Effekt der Unfallprävention durch Sport. Die Steigerung des Reaktionsvermögens und der Geschicklichkeit sind in einer Zeit, in der die Bewegungsarmut vieler Kinder beklagt wird, nicht zu unterschätzen. Noch weitgehend ungeklärt sind die Kosten durch nicht unfallbedingt sondern durch „Verschleiß“ entstehende Schäden vor allem am Skelettapparat. Auch hier sind Forschungen – differenziert nach Art der Sportausübung (z. B. Freizeitfußball, Krafttraining in Fitness-Centern) – und die Entwicklung von Risikovermeidungsstrategien angezeigt. Schließlich ist die Frage noch nicht beantwortet, ob und inwieweit Sportler – sei es insgesamt, sei es als definierte Teilgruppe – generell durch ihre Lebensführung zu einem geringeren Kostenrisiko beitragen. Die Versicherer haben es insofern selbst in der Hand, durch Unterstützung entsprechender Forschung zur Kostenreduzierung beizutragen. 56 Vgl. zur Praxis des Gemeinunfallversicherungsverbandes Westfalen-Lippe, auf Regressnahmen weitestgehend zu verzichten, K. Vieweg, Sportunterricht, 1980, 17 (19). 57 Die Quotelung beruht nicht auf statistischen Erhebungen der Krankenversicherer, sondern entspricht deren Erfahrungen. Telefonische Auskunft J. Brust (Stabsbereich Recht des AOK-Bundesverbands) v. 20. 08. 2003.

Staatliches Anti-Doping-Gesetz oder Selbstregulierung des Sports?* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einige Empfehlungen der Studie „Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Udo Steiner hat die konsequente Dopingbekämpfung als „sportpolitischen ElchTest“1 bezeichnet und sich mit dem Blick des sportkundigen Verfassungsrechtlers2 immer wieder mit der Dopingproblematik befasst.3 Erinnert sei nur an das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der lebenslangen Sperre bei erstmaligem Dopingverstoß verbunden mit der Begrenzung auf eine höchstzulässige Sperre von zwei Jahren,4 die Ausführungen zum Verschuldenserfordernis5 und generell zum Verhältnismäßigkeitsprinzip6, zu den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verfahren7 sowie zu den Beweisanforderungen8. Udo Steiners Stellungnahmen waren und sind wegweisend. Sie haben Eingang in die entsprechenden Verbandsregelungen und deren praktische Umsetzung gefunden.9 Auch auf internationaler Ebene sind die verfassungs* Erstveröffentlichung in SpuRt 2004, 194 – 197. 1 U. Steiner, Doping aus verfassungsrechtlicher Sicht, in V. Röhricht/K. Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, S. 125 (137). 2 Die sportrechtlichen Schriften Udo Steiners werden aus Anlass seines 65. Geburtstages unter dem Titel „Gegenwartsfragen des Sportrechts“ als Band 17 der Schriftenreihe „Beiträge zum Sportrecht“ von P. J. Tettinger und K. Vieweg herausgegeben. 3 Vgl. nur U. Steiner, Verfassungsrechtliche Probleme des Dopings, in: Württembergischer Fußballverband e. V., Doping und Sport, 1990, S. 50 ff; ders., NJW 1991, 2729 (2733 ff.); ders., (Fn. 1) S. 125 ff. 4 U. Steiner, NJW 1991, 2729 (2736); ders., (Fn. 1) S. 136 f. 5 U. Steiner (Fn. 1), S. 133. 6 U. Steiner (Fn. 1), S. 131 u. 136. 7 U. Steiner (Fn. 1), S. 130 u. 132 f. 8 U. Steiner (Fn. 1), S. 134 ff.; teilweise a. A. W. Walker, Beweisrechtliche und arbeitsrechtliche Probleme des Dopings, in K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, 1998, S. 143 ff.; T. Summerer, in Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 1998, S. 160 ff. 9 Vgl. nur die DSB-Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings, Anlage 2 (Empfehlungen für Zulassungssperren aufgrund der Veranstalterrechte), abgedruckt in V. Röhricht/

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rechtlichen Grenzen verbandlicher Selbstregulierung nicht ungehört verhallt. Der WADA-Code hat in seiner Endfassung das Strict-liablity-Prinzip relativiert.10 Zu der Grundsatzfrage, ob der Staat auf die Dopingproblematik mit einem AntiDoping-Gesetz reagieren soll oder gar reagieren muss,11 hat Udo Steiner verschiedentlich Position bezogen. In seinem Vortrag anlässlich des Doping-Forums des Konstanzer Arbeitskreises erklärte er: „Freilich bleibt der Staat auch in der Dopingfrage auf Subsidiaritätskurs. Er überlässt nach wie vor grundsätzlich den Sportverbänden und den Sportlern die Bewältigung des Problems, beschränkt sich auf politischen Druck, auch durch Androhung des Mittelentzugs, und hält sich – von der Frage der Dauer der Wettkampfsperre bei nachgewiesenem Dopingverstoß abgesehen – in organisatorischen und inhaltlichen Fragen eher zurück. Zu Recht besteht gegenwärtig keine ernsthafte politische Absicht, außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 6a, 95 AMG und außerhalb des Dopingmissbrauchs im nichtorganisierten Sport, außerhalb originärer Felder der Staatstätigkeit also, Dopingermittlung und Dopingahndung an sich zu ziehen. Er ist damit gut beraten.“ Für die Fachwelt überraschend hat in einer Klausurtagung am 22. März 2004 „der Sport in Sachen Doping nach der Hilfe des Staates gerufen“12. Einhellig sei die Überzeugung gewesen, Besitz, Einfuhr und Verbreitung von im Sport verbotenen Substanzen in einem Anti-Doping-Gesetz oder Gesetz zum Schutz des Sports unter Strafe zu stellen.13 Mittlerweile ist mit der Bezeichnung „Rechtskommission des Sports gegen Doping“ eine neunköpfige Expertengruppe gebildet worden, „um einen Forderungskatalog des Sports zur härteren Bekämpfung der Dopingseuche zu erarbeiten“14. Ob die Zusammensetzung der Kommission – beteiligt sind Funktionsträger des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und des Deutschen Hockey-Bundes15 – den Sport in Deutschland zu repräsentieren K. Vieweg (Fn. 1), S. 205 (211); hierzu J. Kühl u. V. Röhricht in Führungs- und VerwaltungsAkademie des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, S. 7 ff. u. 12 ff. 10 Hierzu K. Vieweg, Vortrag anlässlich des 9. Kongresses der International Association of Sports Law am 26. 09. 2003 in Milwaukee/USA (später abgedruckt in Marquette Sports Law Review, Vol. 15 (Fall 2004) No. 1, 37 – 48). 11 Vgl. hierzu J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 30 ff.; J. Fritzweiler, SpuRt 1998, 234 ff.; M. Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport – Ein Beitrag zur normativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft, 2004, S. 591 ff.; D. Rössner, Rechtssoziologische Aspekte des Dopings, in: H. Digel (Hrsg.), Spitzensport, Chancen und Probleme, 2000, S. 43 (55); P. J. Tettinger, Das Dopingproblem ist staatsfern zu lösen, in: NZZ v. 29. 02. 2000, S. 44; BT-Drucksache 14/1032 v. 05. 04. 1999, 14/1867 v. 27. 10. 1999, 14/2769 vom 22. 02. 2000, 14/2918 v. 15. 03. 2000. 12 FAZ v. 24. 03. 2004, S. 41. 13 FAZ v. 24. 03. 2004, S. 41. 14 DSB-Presse Nr. 25 v. 15. 06. 2004, S. 15. 15 Die vier größten deutschen Sportverbände – Deutscher Fußballbund, Deutscher Turnerbund, Deutscher Tennisbund und Deutscher Schützenbund – sind nicht beteiligt. Dasselbe gilt für die Verbände aus dem Bodybuilding- und Fitnessbereich.

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vermag, mag dahinstehen. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Einbindung der Deutschen Vereinigung für Sportrecht (Konstanzer Arbeitskreis) Qualität und vor allem Gewicht der mit Spannung zu erwartenden Arbeitsergebnisse der Kommission erhöhen würde. Diese Arbeitsergebnisse sollen immerhin den Präsidien des DSB und des NOK sowie dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages und der Sportministerkonferenz der Länder vorgelegt werden. Dass Udo Steiner als Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (sog. „Sportsenat“)16 sich selbst für die Mitarbeit in der Kommission nicht hat zur Verfügung stellen können, ist bedauerlich, aber aus Rechtsgründen unvermeidbar gewesen. Im Folgenden werden exemplarisch Fragen formuliert, die sich im Zusammenhang mit einem staatlichen Anti-Doping-Gesetz stellen (dazu II.). Davon ausgehend, dass es sich beim Doping um ein staatenübergreifendes Problem handelt, das nicht durch isoliertes Handeln einzelner Staaten überwunden werden kann,17 werden schließlich – auch zur Vermeidung unnötiger Doppelarbeit – einige Empfehlungen der für die Europäische Kommission erstellten Studie „Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules“18 erwähnt, soweit sie für die gestellten Fragen relevant sind (dazu III.).

II. Fragen Das Für und Wider eines staatlichen Anti-Doping-Gesetzes wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien nur die folgenden gestellt:19 @ In welchen Bereichen ist die Dopingsituation so dramatisch, dass der Subsidiaritätsgedanke20 nicht mehr greift und der Staat aufgrund seiner Schutzpflicht21

16 Vgl. U. Steiner, Art. 30, S. 4, Grundgesetz für Fußballdeutschland, abgedruckt in P. J. Tettinger/K. Vieweg (Fn. 2), S. 255 ff. 17 Europäisches Parlament, Bericht vom 17. 07. 2000, Erwägung J, Sitzungsdokument A5 – 0203/2000, S. 6/21. 18 Die Studie (Projekt-Nr. C 116 – 15) wurde unter der wissenschaftlichen Leitung des Verfassers vom Institut für Recht und Technik (Erlangen), dem Asser Instituut (Den Haag), dem Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht (Freiburg i.B.) und der Anglia Polytechnic University (Chelmsford) erstellt. Die Veröffentlichung der von K. Vieweg und R. Siekmann herausgegebenen Studie erfolgte 2007. 19 Für die kritische Durchsicht und Anregungen danke ich Staatsanwältin Dr. I. Hannamann, Priv.-Doz. Dr. H.-G. Koch (Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht, Freiburg) sowie Prof. Dr. F. Streng (Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie, Erlangen). 20 U. Steiner, DÖV 1983, 176, spricht von dem „von allen Seiten akzeptierten Konstitutionsprinzip der Staatssubsidiarität“; ders. (Fn. 1), S. 128 f.; vgl. auch J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, passim; R. Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, 1968, passim; K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 178 ff.

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handeln muss? Hat der Sport definitiv seine „Chance zur endgültigen Selbstregulierung“22 vertan? @ In welchen Bereichen ist die Dopingsituation zumindest so gravierend, dass der Staat handeln kann, also der Bereich gesetzgeberischen Ermessens eröffnet ist? @ Ist der gesamte Sport betroffen oder sind es nur einzelne Sportarten? Rechtfertigt die tatsächliche Situation eine Regelung für den gesamten Sport? Werden hierzu die dem Deutschen Sportbund angeschlossenen Verbände um ihre Stellungnahme gebeten? @ Welche Handlungsvarianten bestehen neben einem Anti-Doping-Gesetz für den Staat? Empfiehlt sich z. B. die gesetzliche Regelung spezieller Schadensersatzansprüche? @ Rechtfertigt die „Berufskrankheit Doping“23 eine gesetzliche Sonderregelung, wenn Leistungssteigerung mit künstlichen Mitteln in vielen Berufen und gesellschaftlichen Kreisen ein kaum zu unterschätzendes Massenphänomen sind? @ Rechtfertigt der Besitz von Dopingmitteln mit der Zielsetzung, durch deren Konsum sein Äußeres zu verändern, staatliches Handeln, insbesondere eine strafrechtliche Sanktionierung, wenn dem „Schönheitswahn“ in anderen Bereichen (z. B. sog. „Schönheitsoperationen“) freier Lauf gelassen wird? @ Wie kann gesetzestechnisch der Dynamik der Entwicklung von Dopingsubstanzen und -verfahren sowie den damit verbundenen Abgrenzungsproblemen zu erlaubten Substanzen und Verfahren in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Rechnung getragen werden? @ Wie kann eine staatsentlastende Rezeption der von privaten Sportorganisationen erstellten Dopinglisten in verfassungsrechtlich zulässiger Weise erfolgen? @ Ist insbesondere eine strafrechtliche Regelung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Sozialschädlichkeit der Auswirkungen und dem Ultimaratio-Gedanken des Strafrechts zu vereinbaren? @ Wie ist der Täterkreis einzugrenzen? – Soll er (im Gegensatz zum geltenden Recht des AMG) auf „Berufssportler“ beschränkt werden? Wenn ja: Wie kann das (verfassungs-)gerichtsfest definiert werden? Wie kann die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit legitimiert werden? Wie sollen „Hintermänner“ erfasst werden?

21 Vgl. G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 222 ff.; C. Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, passim; L. Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, passim; P. Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, passim. 22 K. Vieweg (Fn. 20), S. 182 ff. 23 U. Steiner (Fn. 1), S. 130.

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@ Bedarf es der Einführung von Mindestmengen und Grenzwerten, um Bagatellfälle nicht zu kriminalisieren (Kasten-Cola- und Hausapotheken-Problem)? @ Cui bono? – Nützt dem Sport eine parallele staatliche Zuständigkeit? In welchen Bereichen? Können die Sportverbände die Verantwortung und etwaige Haftungsrisiken auf den Staat verschieben? @ Wie soll die Zusammenarbeit von Staat und Verbänden ausgestaltet werden? Sollen die Verbände verpflichtet sein, die staatlichen Ermittlungsorgane bei der Tataufklärung zu unterstützen? Wie wäre eine solche Ermittlungshilfe Privater verfassungsrechtlich zu beurteilen? Soll es einen zeitlichen Vorrang des staatlichen Verfahrens vor dem Verbandsverfahren geben oder umgekehrt? Sollen die Verfahren zusammengefasst werden und soll den Sportverbänden die Möglichkeit gegeben werden, als Nebenkläger aufzutreten? Sollen die Verbandssanktionen auf die staatliche Strafe angerechnet werden? Wie soll der Staat sich der einer effizienten Kooperation der Sportverbände und der Sportler versichern? @ Wie können Friktionen vermieden werden, wenn ein Anti-Doping-Gesetz und dessen Vollzug das Schuldprinzip beachten müssen, während nach dem WADA-Code ein relativiertes Strict-liability-Prinzip gilt? @ Wie soll dem verfassungsrechtlichen Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung entsprochen werden? @ Soll eine Kronzeugenregelung eingeführt werden, namentlich um die „Mauer des Schweigens“ zu brechen? @ Wie soll der Austausch von Informationen ausgestaltet werden, damit sichergestellt wird, dass er nicht in Konflikt mit den datenschutzrechtlichen Bestimmungen gerät? @ Welche Chancen bestehen angesichts der knappen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden (in der Praxis vielfach Einstellungs-, nicht Anklagebehörden), unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Grundsatzes in dubio pro reo einen effizienten und damit glaubwürdigen Vollzug eines Anti-Doping-Gesetzes zu gewährleisten? Hilft die Einrichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften? @ Soll das Legalitätsprinzip uneingeschränkt gelten oder durch das Opportunitätsprinzip beschränkt werden? Wie soll ein etwaiges Einschreitensermessen zugleich gerecht und praktikabel ausgeübt werden? @ Wie sollen Auslandstaten eines (Berufs-)Sportlers verfolgt und geahndet werden? @ Wie soll in diesem Fall die erforderliche internationale Zusammenarbeit sichergestellt werden? Soll Europol auch bei Dopingvergehen tätig werden? @ Welche Auswirkungen sind durch ein Anti-Doping-Gesetz auf die Vergabe von und die Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen sowie auf die Vertragsgestaltung unter anderem mit Medien und Sponsoren zu erwarten?

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@ Ist ein nationaler Alleingang sinnvoll oder ist eine internationale Harmonisierung erstrebenswert, wie sie der WADA-Code bereits erreicht hat und das Europäische Parlament sie fordert? Wie kann erreicht werden, dass ein Anti-Doping-Gesetz der internationalen Harmonisierung nicht widerspricht und Durchsetzungsprobleme aufgrund internationaler Rechtszersplitterung vermieden werden? @ Soll ein Anti-Doping-Gesetz als Zeitgesetz mit „eingebautem Verfallsdatum“ konzipiert werden, um den Gesetzgeber zu einer Effizienzkontrolle und zu einem Überdenken zu veranlassen?

III. Einige Empfehlungen der Studie „Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules“ Die in Zusammenarbeit von vier europäischen Wissenschaftsinstitutionen für die Europäische Kommission erstellte Studie „Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules“24 kennzeichnet eine übergreifende Zielsetzung. Die hier anstehende Frage nationaler Anti-Doping-Gesetze sind jedoch mitbehandelt worden. Die auf umfangreichen rechtsvergleichenden Vorarbeiten basierenden Empfehlungen sind im Ergebnis zurückhaltend ausgefallen. Deshalb musste nicht auf alle oben formulierten Fragen eingegangen werden. Die Studie ist in englischer Sprache verfasst und wird ebenso veröffentlicht werden. Zur leichteren Lesbarkeit werden die für das Thema relevanten Empfehlungen25 im Folgenden auf deutsch wiedergegeben26 : @ Die Notwendigkeit von Harmonisierungen ist nicht allein im Hinblick auf die Effizienz der Dopingbekämpfung zu sehen, sondern auch unter dem Aspekt der internationalen Chancengleichheit bei der Vergabe von Sport-Großveranstaltungen, um zu vermeiden, dass bestehende nationale Unterschiede in Rechtslage und Politik der Doping-Bekämpfung entsprechende Entscheidungen beeinflussen. @ Es dürfte heute außer Frage stehen, dass es sich im Hinblick auf Doping um ein staatenübergreifendes Problem handelt, das nicht durch isoliertes Handeln einzelner Staaten überwunden werden kann. Überlegungen zur Harmonisierung sollten alle Regelungsebenen einschließen. @ Vorschläge zur Harmonisierung müssen die gewachsenen Strukturen der jeweiligen Rechtsordnungen berücksichtigen. Von vornherein wird man daher bedenken müssen, dass die jeweiligen Anti-Doping-Regelungen im größeren Kontext 24

Siehe Fn. 18. K. Vieweg/R. Siekmann, Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules (Project No. C 116 – 15), p. 150 et seq, 665 et seq. (Fn. 18). 26 Dieser Teil der Studie wurde im Wesentlichen von Priv.-Doz. Dr. H.-G. Koch (MaxPlanck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht, Freiburg) erstellt. Auf seinen deutschen Text wird im Folgenden weitgehend zurückgegriffen. 25

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der einzelnen Gesamtrechtsordnungen stehen, deren Angleichung nicht gleichsam nebenbei erwartet werden kann. So sollen hier beispielsweise nicht das jeweilige generelle Verhältnis zwischen Staat und Sport, das jeweilige Sanktionensystem (einschließlich der Höhe angedrohter Strafen) oder die generellen Vorgaben an die Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane (Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip) in Frage gestellt werden. @ Es erscheint von eher nachrangiger Bedeutung, ob gegen Doping gerichtete Strafbestimmungen im Strafgesetzbuch oder in einem Spezialgesetz niedergelegt sind; entscheidend ist vielmehr ihre personelle und sachliche Reichweite. @ Es ist jedenfalls sachgerecht, den auf die Verwendung bei Dritten gerichteten Besitz von Dopingmitteln und deren Anwendung bei Dritten unter Kriminalstrafe zu stellen. Soweit die Täter den sportdisziplinarrechtlichen Sanktionen unterliegen, sollten beide Sanktionsebenen nebeneinander anwendbar sein. @ Erhöhte Strafdrohungen sollten in Betracht gezogen werden jedenfalls für Tatbegehung @ gegenüber Minderjährigen, @ gegen eine Vielzahl von Sportausübenden, @ gegen den Willen des Sportlers, @ zur Erlangung beträchtlicher wirtschaftlicher Vorteile, @ durch eine für das Ansehen des Sports besonders verantwortliche Person sowie @ bei Bewirkung des Todes oder schwerer gesundheitlicher Schäden. @ Strafrechtliche Sanktionsdrohungen gegen den sich dopenden, in ein DopingKontrollsystem eingebundenen (Leistungs-)Sportler sind nicht zu empfehlen. Sie würden eher ein Opfer als einen Täter treffen, dürften Ermittlungen gegen „Hintermänner“ erschweren und müssten auf rechtsstaatliche Bedenken stoßen: Ihnen steht zwar nicht das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) entgegen, wohl aber das Prinzip, dass sich der Täter nicht selbst bezichtigen oder gar überführen muss. Ein effizientes Doping-Kontrollsystem verlangt die Mitwirkung des Sportlers bei der Durchführung der (angemeldeten und unangemeldeten) Kontrollen. Dabei wird – vom (noch) nicht Tatverdächtigen – ein Maß an Kooperation verlangt, das erheblich über in anderen Bereichen etablierte Kontrollmechanismen hinausgeht, etwa die Pflicht des Kaufmanns zur ordnungsgemäßen Buchführung. Eine solche Mitwirkung ist im Rahmen sportdisziplinarrechtlicher Dopingkontrolle legitimierbar, schwerlich jedoch bei drohender strafrechtlicher Sanktionierung. Zwar wird das Ergebnis einer Dopingkontrolle allein noch nicht zum Beweis einer schuldhaft begangenen Straftat ausreichen, jedoch immerhin ein wesentliches Ermittlungsergebnis darstellen. Da der Sportler faktisch gezwungen ist, sich dem Doping-Kontrollregime zu unterwerfen, würde eine spätere Verwertung als Beweismittel im Strafverfahren einer Verletzung des Verbots der Anwen-

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dung von Zwang zur Herbeiführung einer selbstbelastenden Aussage27 gleichkommen. Stehen Dopingprobe und im Zuge des sportinternen Doping-Überwachungsregimes zu machende Angaben aber zu Zwecken der Strafverfolgung nicht zur Verfügung, wird sich in aller Regel eine schuldhafte Täterschaft des Athleten nicht nachweisen lassen (andernfalls wären die für den Athleten strengen sportdisziplinarrechtlichen Beweisregeln unnötig). @ Eine größere Strenge des Sportverbandsrechts (insbesondere hinsichtlich der Erfassung des Konsums durch den Athleten) lässt sich auch zwanglos mit dem ultima-ratio-Gedanken des Strafrechts vereinbaren. In diesem Kontext wird man vor allem die besondere „Strafempfindlichkeit“ des Sportlers gegenüber SportDisziplinarmaßnahmen in Rechnung zu stellen haben, den ein Wettkampfverbot mit all seinen Folgen in der Regel härter zu treffen vermag als eine vom Staat verhängte Geldstrafe oder zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe. @ Bei Realisierung eines Nebeneinanders von Straf- und Sport-Disziplinarverfahren dürfte sich aus Praktikabilitätsgründen ein zeitlicher Vorrang des sportrechtlichen Verfahrens empfehlen, doch erscheint auch eine Zusammenfassung in ein und demselben (Straf-)Verfahren denkbar, bei dem gegebenenfalls den zuständigen Organen des Sport-Disziplinarrechts die Funktion eines Nebenklägers eingeräumt werden sollte. Verhängte sport-disziplinarrechtliche Sanktionen sollten bei der Bemessung einer Kriminalstrafe berücksichtigt werden. @ Näher zu untersuchen wäre, ob sich – wechselseitig in den jeweils anderen Bereich hineinwirkende – Kronzeugenregelungen (Reduzierung oder Erlass von Sportsanktionen bzw. Kriminalstrafen) empfehlen, wie sie im Bereich der Bekämpfung der Drogenkriminalität in verschiedenen Ländern vorgesehen sind.28 @ Die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen des Sports und den Strafverfolgungsorganen sowie der Strafverfolgungsorgane untereinander, auch und insbesondere über Ländergrenzen hinweg, sollte verbessert werden. Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zuständige Strafverfolgungsorgane wie Europol sollten über bestehende Ansätze hinaus in die Lage versetzt werden, auch bei Dopingvergehen tätig zu werden. @ Soweit Dopingvergehen durch Ärzte oder Angehörige anderer qualifizierter Gesundheitsberufe verübt werden, sollten auch die gegebenen speziellen berufsständischen Sanktionen zur Anwendung kommen. @ Obwohl strafrechtlichen Instrumentarien neben ihrer repressiven Funktion auch eine präventive Wirkung zugeschrieben wird, sollten diese durch geeignete außerstrafrechtliche Anstrengungen zur Doping-Vorbeugung flankiert werden.

27

Art. 14 Abs. 3 lit. g) Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte v. 19. 12. 1966. 28 Vgl. J. Meyer, Rechtsvergleichender Querschnitt, in: J. Meyer (Hrsg.), Betäubungsmittelstrafrecht in Westeuropa, Freiburg 1987, S. 729 (765 f.).

Staatliches Anti-Doping-Gesetz oder Selbstregulierung des Sports?

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@ Die Anti-Doping-Rechtspolitik sollte so schnell wie möglich und aufeinander abgestimmt auf künftige medizinische Entwicklungen reagieren, die sich im Bereich der künstlichen Leistungssteigerung im Sport ergeben.

IV. Zusammenfassung Im Juni 2004 ist die „Rechtskommission des Sports gegen Doping“ gebildet worden. Sie hat die (Herakles-)Aufgabe, unter anderem die Forderung nach einem AntiDoping-Gesetz zu prüfen. Um ihrer Bezeichnung und Aufgabe zu entsprechen, sollte die Kommission sich darum bemühen, den gesamten Sport in Deutschland zu repräsentieren. Hierzu könnten z. B. die zur Diskussion stehenden Handlungsvarianten (namentlich traditionelle Selbststeuerung oder staatliches Gesetz und staatlicher Gesetzesvollzug) und deren praktische Auswirkungen transparent gemacht werden. Etwa durch Fragebogenrecherchen bei allen dem DSB angeschlossenen Verbänden sowie den Verbänden aus dem Bodybuilding- und Fitnesssbereich könnte ein – evtl. nach Mitgliederzahl und Dopinghäufigkeit zu gewichtendes – Meinungsbild erstellt werden. Die Kommission selbst sollte in Erwägung ziehen, ihre Kompetenzlücken (insbesondere im internationalen Strafrecht und im Sportverfassungsrecht) durch eine personelle Erweiterung zu schließen. Die Kommission sollte schließlich den Nachweis führen, dass sie sich intensiv mit den bereits vorliegenden wissenschaftlichen Diskussionen der Dopingproblematik auseinander setzt. Dies gilt insbesondere für die Literatur zum Verfassungsrecht und zum internationalen Strafrecht. Dabei sollten die Erfahrungen aus anderen Ländern rechtsvergleichend herangezogen werden. Dasselbe gilt für die in anderen Bereichen gesammelten Erfahrungen zur Gesetzeseffizienz. Ansonsten könnte der Eindruck entstehen, es solle ein politischer Aktionismus gefördert und ein Alibigesetz geschaffen werden. Die Probleme, die § 31 GWB aufwirft – Verfassungswidrigkeit29 oder Leerlaufen30 – sollten jedenfalls vermieden werden.

29

A. Weihs, Zentrale Vermarktung von Sportübertragungsrechten, 2004, S. 220 ff. I. Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, 2001, S. 456 ff., insbes. 468; R. Streinz, SpuRt 2001, 176. 30

Fairness und Sportregeln Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entscheidungen des Court of Arbitration for Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tatsachenentscheidungen im System der Sportregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Funktion der Sportregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsachenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tatsachenentscheidungen und Fairness-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Konturierung des Fairness-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlage und Geltung des Fairness-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen im Hinblick auf Tatsachenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Dem Sportrechtler Volker Röhricht ist der Fair-Play-Gedanke immer ein großes Anliegen gewesen. Erwähnt seien zunächst nur seine Aktivitäten bei der rechtlichen Lösung der Dopingproblematik. Gern hat er 1991 – 1993 bei der Neuformulierung der „Rahmen-Richtlinien des Deutschen Sportbundes zur Bekämpfung des Dopings“1 mitgewirkt, wohl wissend, dass Dopingfälle letztlich in die Zuständigkeit „seines“ II. Zivilsenats fallen und nach der senatsinternen Aufgabenverteilung bei ihm auf dem Berichterstatter-Schreibtisch landen würden. Nicht zuletzt aufgrund des von ihm eingebrachten höchstrichterlichen Sachverstandes ist mit den „DSBRahmen-Richtlinien“ ein Meisterstück der Kautelarjurisprudenz entstanden. Dies mag man daran erkennen, dass der II. Zivilsenat sich lediglich einmal mit einem Dopingfall beschäftigen musste und sich in diesem Fall die Nichtzulassung der Revision auf den Fair-Play-Gedanken stützen konnte. Auch bei der Neubestimmung des Um* Erstveröffentlichung in G. Crezelius/H. Hirte/K. Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag – Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Sportrecht, Köln 2005, S. 1255 – 1275. Eine Kurzfassung ist unter dem Titel „Tatsachenentscheidungen im Sport – Konzeption und Korrektur“ veröffentlicht in: in Chr. Krähe/K. Vieweg (Hrsg.), Schiedsrichter und Wettkampfrichter im Sport, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2008, S. 53 – 67. 1 Vgl. hierzu V. Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungsund Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 ff.; J. Kühl, Die Entstehung des DSB-Sanktionskatalogs als Empfehlung an die Spitzenverbände, ebd., S. 7 ff.

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fangs der gerichtlichen Nachprüfung von Vereinsentscheidungen, namentlich bei sozialmächtigen Verbänden, hat Volker Röhricht nachdrücklich die Einhaltung elementarer rechtsstaatlicher Regeln hervorgehoben,2 zugleich aber – ebenso nachdrücklich – für eine richterliche Zurückhaltung gegenüber den besonderen Wertvorstellungen und Maßstäben der Vereine und Verbände plädiert.3 Die im Wesentlichen aus seiner Feder stammende „Karlsruher Erklärung zum Fair Play“4 aus dem Jahre 1998 beschränkt sich nicht auf die Darstellung hehrer Prinzipien, sondern richtet sich an alle am Sport Beteiligten mit konkreten, wohlformulierten Forderungen. Im Mai 2005 stellt sich die Frage: Wird Volker Röhricht nach seiner Pensionierung die neugewonnene Freiheit von Nebentätigkeitsverboten nutzen und sich auch im Sport als höchst kompetenter Schiedsrichter zur Verfügung stellen? Fairness und Unfairness im Sport sind thematisch ein Dauerbrenner. Das haben wieder einmal die Olympischen Spiele in Athen gezeigt. Häufig, manchmal vorschnell oder auch gedankenlos wird mit dem Fair-Play-Gedanken argumentiert, um ein gewolltes Ergebnis zu rechtfertigen. So wurde die Anrufung des Court of Arbitration for Sport (CAS) durch die Nationalen Olympischen Komitees Frankreichs, Großbritanniens und der USA mit dem Ziel, die Platzierung in der Vielseitigkeitsreiterei zu ändern, teilweise als unfair bezeichnet, weil damit bezweckt würde, aus formalen Gründen die sportlich am besten Qualifizierten um die verdiente Goldmedaille zu bringen.5 Der Präsident des Internationalen Turnerbundes (FIG), Bruno Grandi, appellierte an die Fairness des Olympiasiegers im Mehrkampf der Kunstturner, Paul Hamm, und forderte ihn auf, seine Goldmedaille an den Südkoreaner Yang Tae Young weiterzugeben, da dieser aufgrund eines Kampfrichterfehlers nicht Erster, sondern Dritter geworden sei.6 Die – mögliche – Korrektur der Wertung hatte die FIG nicht vorgenommen. Beim 200-Meter-Rücken-Finale der Männer erhielt Aaron Peirsol die Goldmedaille, obwohl er wegen eines Wendefehlers zunächst disqualifiziert worden war. Später wurde die Disqualifikation aufgrund eines Formfehlers zurückgenommen. Der zweitplatzierte Markus Rogan akzeptierte diese Entscheidung und stellte ausdrücklich die Freundschaft zu Aaron Peirsol über den Gewinn der 2

V. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19 (26) mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, insb. BGH, NJW 1994, 2610 (2611) und BGHZ 128, 93 (110) = NJW 1995, 583 (587); ders., Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 75 (86). 3 V. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht (Fn. 2), S. 32 f. m. w. N. 4 Konstanzer Arbeitskreis für Sportrecht e. V. (jetzt: Deutsche Vereinigung für Sportrecht), Karlsruher Erklärung zum Fair Play, o. J. (1998). 5 NOK-Vizepräsident D. Graf Landsberg-Velen: „Wo bleibt das Fairplay?“, Spiegel online, 22. 08. 2004: „Uns wurden die Medaillen vom Hals gerissen.“, http://www.spiegel.de/sport/ sonst/0,1518,31446400.html. 6 http://www.fig-gymnastics.com/cache/html/9124 - 8151 - 10001.html (abgerufen am 04. 10. 2004).

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Goldmedaille. Auf dem 10. Fair-Play-Kongress in Wien erhielt er daraufhin den europäischen „Fair Play Award“.7 Die Frage nach dem Umfang der Nachprüfung sog. Tatsachenentscheidungen durch ein Gericht8 oder Schiedsgericht ist auf internationaler sportrechtlicher Ebene noch nicht abschließend geklärt. Die Entscheidung des Court of Arbitration for Sport (CAS) im Fall Young/KOC v. FIG befasst sich eingehend und grundsätzlich mit dieser Frage (dazu II.). Sie gibt allerdings auch Anlass, nach Zweck und Berechtigung sog. Tatsachenentscheidungen zu fragen. Insofern spielen die Funktion und das System der Sportregeln (dazu III.) sowie das Fairness-Prinzip eine vom CAS noch nicht vollständig gewürdigte Rolle. Dies zeigt das Beispiel der Regelungen im Kunstturnen besonders anschaulich (dazu IV.).

II. Die Entscheidungen des Court of Arbitration for Sport In seiner Leitentscheidung Young/KOC v. FIG9 geht es um folgenden Sachverhalt: Im Mehrkampffinale der Kunstturner erhielt bei den Olympischen Spielen in Athen der Südkoreaner Yang Tae Young am Barren die Wertung 9,712 Punkte. Der Schwierigkeitsgrad der Übung wurde aufgrund eines Kampfrichterfehlers (ein „Belle“ wurde als „Morisue“ notiert) um 0,1 Punkte zu gering berechnet. Bei einer Erhöhung der Note um 0,1 Punkte hätte Young mit 57,874 Punkten ein besseres Gesamtergebnis als Paul Hamm (57,823 Punkte) erzielt und wäre Olympiasieger geworden. Die FIG suspendierte die betreffenden Kampfrichter, beließ es aber bei der Wertung und damit bei der ursprünglichen Platzierung. In der „Begründung seiner Entscheidung formuliert der CAS die Problematik“ der Tatsachenentscheidungen („field of play“ decisions) wie folgt: „3.13 The extent to which, if at all, a Court including CAS can interfere with an official’s decision is not wholly clear. An absolute refusal to recognize such a decision as justiciable and to designate the field of play as ,a domain into which the King’s writ does not seek to run‘ in Lord Atkin’s famous phrase (Balfour v Balfour 1919 2 KB at p. 919) would have a defensible purpose and philosophy. It would recognize that there are areas of human activity which elude the grasp of the law, and where the solution to disputes is better found, if at all, by agreement. It would contribute to finality. It would uphold, critically, the authority of the umpire, judge or referee, whose power to control competition, already eroded by the growing use of technology such as video replays, would be fatally undermined if every decision taken could be judicially reviewed. And, to the extent that the matter is capable of analysis in 7 http://derstandard.at/?id=1767374 (abgerufen am 30. 08. 2004) und http://sport.austria.gv. at/DesktopDefault.aspx?TabID=4146&Alias=sport&cob=7635 (abgerufen am 04. 10. 2004). 8 Vgl. zum deutschen Recht statt vieler W. Grunsky, Tatsachenfeststellungen im Sportrecht zwischen staatlichen Gerichten und Verbandsgerichten, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 63 ff. 9 CAS 2004/A/704 Yang Tae Young v/FIG (http://www.tas-cas.org/en/juris/frmjur.htm, abgerufen am 22. 10. 2004).

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conventional legal terms, it could rest on the premise that any contract that the player has made in entering into a competition is that he or she should have the benefit of honest ,field of play‘ decisions, not necessarily correct ones.“

Danach stellt er fest: „Sports Law does not, however, have a policy of complete abstention“ (3.14) und referiert die einschlägigen früheren CAS-Entscheidungen10, die er wie folgt zusammenfasst: „3.17 In short Courts may interfere only if an official’s field of play decision is tainted by fraud or arbitrariness or corruption; otherwise although a Court may have jurisdiction it will abstain as a matter of policy from exercising it.“

Im Ergebnis bejaht der CAS also seine Überprüfungskompetenz, hält sich aber in der Sache aus Zweckmäßigkeitserwägungen zurück (judicial self restraint). Hinsichtlich des „concept of arbitrariness“ zitiert der CAS die Entscheidung KOC v. ISU: „5.1 The jurisprudence of CAS in regard to the issue raised by this application is clear, although the language used to explain that jurisprudence is not always consistent and can be confusing. Thus, different phrases, such as ,arbitrary‘, ,bad faith‘, ,breach of duty‘, ,malicious intent‘, ,committed a wrong‘ and ,other actionable wrongs‘ are used, apparently interchangeably, to express the same test (M. v/AIBA, CAS OG 96/006 and Segura v/IAAF, CAS OG 00/013). 5.2 In the Panel’s view, each of those phrases means more than that the decision is wrong or one that no sensible person could have reached. If it were otherwise, every field of play decision would be open to review on its merits. Before a CAS Panel will review a field of play decision, there must be evidence, which generally must be direct evidence, of bad faith. If viewed in this light, each of those phrases means that there must be some evidence of preference for, or prejudice against, a particular team or individual. The best example of such preference or prejudice was referred to by the Panel in Segura, where they stated that one circumstance where a CAS Panel could review a field of play decision would be if a decision were made in bad faith, eg. as a consequence of corruption. The Panel accepts that this places a high hurdle that must be cleared by any Applicant seeking to review a field of play decision. However, if the hurdle were to be lower, the flood-gates would be opened and any dissatisfied participant would be able to seek the review of a field of play decision. 5.3 Accordingly, the onus is on the Applicant who challenges that decision, to prove that in making the decision on technical matters specific to short track speed skating, the Respondent, by its appointed referees acted in bad faith in the sense described above.“

Sodann weist der CAS auf die Sondersituation hin, dass es um die Konsequenzen eines zugegebenen Funktionärsfehlers geht und die „field of play“-Rechtsprechung des CAS nicht direkt anwendbar ist. „4.7… we consider that we should nonetheless abstain from correcting the results by reliance of an admitted error. An error identified with the benefit of hindsight, whether admitted or not, cannot be a ground for reversing a result of a competition. We can all recall occasions 10 Mendy v. AIBA (CAS OG 96/06); Segura v. IAAF (CAS OG 00/013) und Korean Olympic Committee (KOC) v. International Skating Union (ISU) (CAS OG 02/007).

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where a video replay of a football match, studied at leisure, can show that a goal was given, when it should have been disallowed (the Germans may still hold that view about England’s critical third goal in the World Cup Final in 1966), or vice versa or where in a tennis match a critical line call was mistaken. However, quite apart from the consideration, which we develop below, that no one can be certain how the competition in question would have turned out had the official’s decision been different, for a Court to change the result would on this basis still involve interfering with a field of play decision. Each sport may have within it a mechanism for utilising modern technology to ensure a correct decision is made in the first place (e. g. cricket with run-outs) or for immediately subjecting a controversial decision to a process of review (e. g. gymnastics;) but the solution for error, either way, lies within the framework of the sport’s own rules; it does not licence judicial or arbitral interference thereafter. If this represents an extension of the field of play doctrine, we tolerate it with equanimity. Finality is in this area all important: rough justice may be all that sport can tolerate. As the CAS Panel said in KOC v IOC: ,There is a more fundamental reason for not permitting trial, by television or otherwise, of technical, judgmental decisions by referees. Every participant in a sport in which referees have to make decisions about events on the field of play must accept that the referee sees an incident from a particular position, and makes his decision on the basis of what he or she sees. Sometimes mistakes are made by referees, as they are players. That is an inevitable fact of life and one that all participants in sporting events must accept. But not every mistake can be reviewed. It is for that reason that CAS jurisprudence makes it clear that it is not open to a player to complain about a ‘field of play’ decision simply because he or she disagrees with that decision.‘“

Bei seiner Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall geht der CAS auf die Kausalität ein, da die Startreihenfolge der betroffenen Turner am letzten Gerät anders gewesen wäre. „4.8 … So it needs to be clearly stated that while the error may have cost Yang a gold medal, it did not necessarily do so.“

Weiterhin weist der CAS darauf hin, dass die FIG „in entire good faith“ drei Fehler gemacht habe: „4.9 … Firstly, they publicly accepted without qualification that there was an error in the judging of their own officials. True it is that there was an error in the start value identifiable when Yang’s performance was analysed with the aid of the Technical Video. However, an error identified only after a competition is complete is immaterial to the result of the competition under FIG’s rules: only an error identified during it, and successfully appealed, can affect such a result. Secondly, they publicly said that, but for such error, Yang would have won the event. This, for reasons we have already discussed, is something in realm of speculation, not of certainty. Thirdly, they sought to persuade Hamm to surrender his gold medal to Yang when there was no reason for him to do so.“

Interessant sind die Überlegungen des CAS zum Fair-Play-Gedanken: „4.10 There was an instance drawn to our attention where in the World Trampoline Championship of 2001 an error in judging was made and the beneficiary of it, Ms Ka Aaeva gave her gold medal ,in the spirit of friendship and fair play‘ to the runner up Ms Dogonadze. She did so because there was, as was perceived, no way other than by an act of grace that the

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consequences of the error could be corrected. Hamm was invited to do the same by FIG. He declined to do so. He is, in our view, not to be criticized for this. He was not responsible for the judges’ error; and, as we have already observed, he can be no more certain than we as to what the outcome would have been had the judges not made the mistake.“

Abschließend erklärt der CAS, sowohl Hamm als auch Young seien Opfer dieser außergewöhnlichen Abfolge von Ereignissen, er – der CAS – sei aber nicht Salomon: „4.11… nor can it mediate a solution acceptable to both gymnasts or their respective NOCs. CAS must give a verdict based on its findings of fact viewed in the context of the relevant law.“

III. Tatsachenentscheidungen im System der Sportregeln 1. Begriff und Funktion der Sportregeln Unter dem Begriff Sportregeln werden im Folgenden die von den betreffenden internationalen Sportverbänden aufgestellten Regelungen zusammengefasst, die die Sportart definieren, die Wettkampfmodalitäten festlegen und bestimmen, wie diese Regeln angewendet und durchgesetzt werden. Sportregeln haben demgemäß als Grundfunktion die Definition der Sportart und die Konzeption ihrer – vor allem – wettkampfmäßigen Ausübung (Typisierungsfunktion11). So sind Fußball, American Football und Rugby sowie die verschiedenen Formen asiatischer Kampfsportarten durch Beschreibung der Spielidee (z. B. Ball hinter die Linie eines Tores platzieren) und der charakteristischen und verbotenen Bewegungsabläufe festzulegen und voneinander abzugrenzen.12 Zur Konzeption gehören die Frage des „Ob“ und des „Wie“ der wettkampfmäßigen Ausübung. Hier haben Abgrenzungen zur bloßen körperlichen Ertüchtigung (Wandern, Nordic Walking, Fitnessgymnastik u. s. w.) und zur Show (Artistik, Catchen u. s. w.) zu erfolgen. Die Sportregeln dienen insofern der Ermöglichung des Wettkampfs sowie der Führung von Rekordlisten (Aspekt der Einheitlichkeit, Vergleichbarkeit). Zur Konzeption sind weiterhin zu zählen die Umsetzung sportethischer Prinzipien wie des der Chancengleichheit als Zentralaspekt des Fair-Play-Gedankens. Zur Verwirklichung der Konzeption einer definierten Sportart bedarf es vielfältiger Sportregeln mit unterschiedlicher Funktion. Festzulegen sind die technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des Wettkampfs unter Berücksichtigung der sportethischen Prinzipien. Hierzu zählen Vorschriften zur Gestaltung der Sportstätte, des Sportgeräts, der Messinstrumente (z. B. elektronische Zeitmessung), der Ausrüstung (insbesondere Aspekt der Sicherheit), der Kleidung (Un-

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K. Vieweg, JuS 1983, 825 (829). Besonders anschaulich sind die nach den Regeln des Internationalen Schwimmverbandes (FINA) durchgeführten Wettkämpfe im Kunstspringen einerseits und die sog. „Arschbomben“-Wettkämpfe andererseits. 12

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terscheidbarkeit, Werbeträger, Attraktivität13), zum Einsatz von Personal (z. B. Kampfrichter, Schiedsrichter, Balljungen u. s. w.), dessen Ausstattung mit Technik (Telefon, Computer, Videogeräte u. s. w.). Beispiele für die Ausgestaltung der Chancengleichheit sind die Einteilung von Gewichthebern und Boxern in Gewichtsklassen, das Dopingverbot, die Zulassung von Sportgeräten und -materialien sowie das Verbot bestimmter Bewegungstechniken (z. B. beidbeiniger Absprung beim Hochsprung), Transferregelungen, Ausgleich des „Heimvorteils“ durch Heim- und Auswärtsspiele. Zu den wirtschaftlichen Modalitäten des Wettkampfs gehören insbesondere Werbe- und Vermarktungsvorschriften, ggf. zeitliche Vorgaben für Werbeunterbrechungen, sowie Wirtschaftlichkeitsprüfungen als Lizenzvoraussetzungen. Schließlich bedarf es Regelungen, die festlegen, wer die Regeln anwendet und ggf. durchsetzt (Zuständigkeit), wie Regelverletzungen festgestellt und ggf. sanktioniert werden. Insofern kommt den Sportregeln Streitvermeidungs- und Entscheidungsfunktion14 zu. 2. Tatsachenentscheidung Von den unterschiedlichen Konzepten, die im Laufe der Zeit entwickelt worden sind, um die gerichtliche Überprüfung von Verbandsentscheidungen einzuschränken bzw. auszuschließen,15 soll eines hervorgehoben werden: die Differenzierung zwischen Tatsachenentscheidungen und Regelverstößen.16 Nach dem Konzept der Tatsachenentscheidung sollen Tatsachenfeststellungen endgültig auf dem Spielfeld getroffen und nicht nachträglich am „grünen Tisch“ korrigiert werden. Der Begriff der „Tatsachenentscheidung“ wird allerdings nicht einheitlich definiert. Im Kern geht es darum, solche Entscheidungen von Schiedsrichtern und Kampfrichtern, die sich unmittelbar aus einer Spiel- bzw. Wettkampfsituation ergeben und die im Nachhinein so nicht wiederholbar sind, als endgültig zu akzeptieren. Auf diese Weise soll der reibungslose Ablauf des Wettkampfs gewährleistet und die Autorität des Schiedsrich-

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Besondere Kleidungsvorschriften bestehen nach den Regeln des Internationalen Volleyballverbandes (FIVB) z. B. für Beach-Volleyball der Damen. 14 Vgl. K. Vieweg, JuS 1983, 825 (829). 15 Nach M. Kummer, Spielregel und Rechtsregel, Bern 1973, passim fallen Sport- bzw. Spielregeln in den „Zuständigkeitsbereich“ der Sportverbände und unterliegen prinzipiell nicht der gerichtlichen Kontrolle. Anders soll es bei Rechtsregeln sein. Das Kummer’sche Konzept hat sich im Wesentlichen nur in der Schweiz durchsetzen können; vgl. auch B. Pfister, SpuRt 1998, 221 f. 16 Vgl. statt vieler W. Hennes, Regelverstoß, Tatsachenfeststellung und Überprüfung durch das Sportgericht, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Der Schiedsrichter und das Recht, 1989, S. 40 ff.; G. Eilers, SpuRt 1994, 79 f.; T.K. Waske, SpuRt 1994, 189 f.; T. Lenz/ A. Imping, SpuRt 1994, 225 ff.; T. Summerer in: J. Fritzweiler/B. Pfister/T. Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 1998, Zweiter Teil, Rz. 334 ff.; H. Hilpert, SpuRt 1999, 49 ff., S. Götze/K. Lauterbach, SpuRt 2003, 95 ff. u. 145 ff.

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ters bzw. Kampfrichters17 nicht untergraben werden. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass sich vier Arten von Tatsachenentscheidungen voneinander unterscheiden lassen: Eine „Tatsachenentscheidung“ im eigentlichen Sinne betrifft ein einmaliges, im Nachhinein nicht wiederholbares Ereignis im Wettkampf. Sie ist keine Frage der Regelauslegung oder der Subsumtion. Die Entscheidung erfolgt endgültig durch den Schiedsrichter/Kampfrichter aufgrund der von ihm selbst getroffenen Tatsachenfeststellungen. Er ist „allein verantwortlich“. Eine Abstimmung mit Assistenten („VierAugen-Prinzip“) und/oder die Unterstützung durch technische Hilfsmittel (Videoaufzeichnung, elektronische Startblockkontrolle, Spiellinienkontrolle, Ball mit eingebautem Chip18 u. s. w.) ist nicht vorgesehen. Ebensowenig wird die Möglichkeit eines Protestes beim Schiedsrichter bzw. Kampfrichter oder bei einem Wettkampfgericht eingeräumt. Der Zielkonflikt zwischen einer richtigen und damit gerechten Entscheidung einerseits und einer sofortigen, endgültigen Entscheidung andererseits wird aufgrund des Wettkampfkonzepts, der technischen und organisatorischen Möglichkeiten sowie der Zielsetzung, die Autorität des Schiedsrichters bzw. Kampfrichters zu schützen, zugunsten der sofortigen, endgültigen Entscheidung gelöst. Ausnahmen bestehen allerdings bei willkürlichen, grob fehlerhaften, offenkundig unrichtigen Entscheidungen eines Schiedsrichters bzw. Kampfrichters.19 In diesen Sonderfällen – auch z. B. bei zielgerichteter, bewusster Manipulation des Ergebnisses eines Fußballspiels durch Fehlentscheidungen20 wäre es verfehlt, die Autorität des Schiedsrichters auch im Nachhinein noch schützen zu wollen. Ob die Tatsachenentscheidung sich in diesem Fall auf das Spielergebnis beschränkt21 oder ob nicht Spielwiederholungen angemessen wären, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des Gesamtablaufs des Wettbewerbs entscheiden.

17 Gerade diesen Aspekt betont H. Hilpert, SpuRt 1999, 49 ff. Dem kann allerdings nicht pauschal gefolgt werden. Auf lange Sicht fördern Tatsachenfehlentscheidungen, die durch das Fernsehen kritisch beleuchtet werden, wohl kaum die Autorität des Schiedsrichters bzw. Kampfrichters. 18 Der Weltfußballverband (FIFA) will am 23. 02. 2005 beim englischen Liga-Cup-Finale einen von Adidas entwickelten Spielball mit eingebautem Mikrochip testen, der dem Schiedsrichter anzeigt, wenn sich der Ball komplett hinter der Torlinie befindet. Vgl. The Independent, online edition v. 06. 01. 2005 sowie The Independent v. 06. 01. 2005, S. 60 f.; FAZ v. 06. 01. 2005, S. 30. 19 Nach W. Hennes (Fn. 16), S. 42, werden von dem Anwendungsbereich der Regel V allerdings nicht Fälle erfasst, in denen der Schiedsrichter bewusst einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt oder grob fehlerhaft eine offenkundig unrichtige Entscheidung getroffen hat. Ausgeklammert werden sollen reine Willkürentscheidungen, die die allgemein anerkannten Wertmaßstäbe missachten und die sich so weit von den Tatsachen entfernen, dass sie nicht mehr hinnehmbar sind. 20 Vgl. zum Fall R. Hoyzer insbesondere FAZ v. 28. 01. 2005, S. 32. 21 So W. Hennes (Fn. 16), S. 42, dem zufolge die Endgültigkeit der Tatsachenentscheidung nicht absolut, sondern nur relativ sei, soweit sie das Spielergebnis betreffe. Einen ähnlichen Ansatz vertritt der CAS mit dem „concept of arbitrariness“; vgl. oben II.

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Die Tatsachenentscheidung nach Abstimmung bzw. technischer Entscheidungsunterstützung unterscheidet sich von der ersten Art nur dadurch, dass der Schiedsrichter bzw. Kampfrichter sich vergewissert, wie sein Assistent das Ereignis beobachtet hat (so z. B. im Fußball) oder sich die Videoaufzeichnung der zu entscheidenden Spielsituation am Spielfeldrand ansieht (so im Eishockey). Der erwähnte Zielkonflikt wird in derselben Weise entschieden. Die Verbesserung der Entscheidungsgrundlage überwiegt dabei den Nachteil der kurzfristigen Spielunterbrechung. So sieht z. B. Regel V Abs. 2 Satz 2 der FIFA-Fußballregeln eine Bindungswirkung in der Weise vor, dass die Sportgerichte negative und positive Tatsachenentscheidungen der Schiedsrichter insoweit hinzunehmen haben, als sie das Spielergebnis betreffen, auch dann, wenn der Schiedsrichter von einem objektiv unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.22 Eine Tatsachenentscheidung mit der Möglichkeit anschließender verbandsinterner Überprüfung und ggf. Korrektur während des Wettkampfs (d. h. bis zur Siegerehrung) ist anzunehmen, wenn die Wettkampfregeln einen Protest beim Schiedsrichter bzw. Kampfrichter selbst oder bei einem Wettkampfgericht vorsehen.23 Möglicherweise kommen erst bei einem Protest technische Entscheidungshilfen (z. B. Videoaufzeichnung) zum Einsatz.

22 Regel V FIFA-Fußballregeln lautet: „Entscheidungen des Schiedsrichters: Seine Entscheidungen über Tatsachen, die mit dem Spiel zusammenhängen, sind endgültig. Er darf eine Entscheidung nur ändern, wenn er festgestellt hat, dass diese falsch war, oder falls er es für nötig hält, auch auf einen Hinweis eines Schiedsrichter-Assistenten. Voraussetzung hierfür ist, dass das Spiel noch nicht fortgesetzt war.“ Vgl. hierzu auch W. Hennes (Fn. 16), S. 42. 23 Vgl. z. B. die ab 01. 01. 2003 geltende Leichtathletik-Fehlstartregel 162.7 Internationale Wettkampfbestimmungen, Ausgabe 2002, die nach der Interpretation von K. Schneider (Leiter DLV-Kampfrichterwesen) bedeutet, dass „der Wettkämpfer das Recht [hat], gegen die Fehlstartentscheidung einen sachlich begründeten Einspruch einzulegen. Dabei gelten grundsätzlich die in der IWB-Regel festgelegten Regularien, soweit sie sinnvoll und ohne Nachteil für andere Beteiligte sind.“ Der Einspruch sei in erster Instanz beim Schiedsrichter Bahn, hilfsweise beim Starter einzulegen. Diese könnten die Fehlstartentscheidung zurücknehmen, wenn durch die Aussage des Wettkämpfers oder anderer unmittelbar Beteiligter (z. B. Rückstarter) dies geboten erscheine. … In jedem Fall müsse die Entscheidung sehr rasch erfolgen, um den Fortgang des Wettbewerbs nicht zum Nachteil der anderen Wettkämpfer zu behindern. Im Normalfall werde der Schiedsrichter die Entscheidung des Starters nicht abändern, weil die exakte und eindeutige Beurteilung eines Starts nur möglich sei, wenn man in unmittelbarer Nähe des Starts stehe und alle Wettkämpfer im Blickwinkel habe. Werde der Einspruch vom Schiedsrichter bzw. Starter abgelehnt, dürfe der betreffende Wettkämpfer in diesem Lauf nicht mehr starten… Der Wettkämpfer oder sein Betreuer könnten anschließend Einspruch beim Schiedsgericht einlegen (IWB-Regel 146). Die frühere Fehlstartregel 128.1 lautete: „Der Starter hat die uneingeschränkte Kontrolle über die am Start befindlichen Wettkämpfer; er ist für die mit dem Start in Verbindung stehenden Vorgänge allein verantwortlich.“ Nach Auskunft des Technischen Komitees der IAAF bedeutet die Neuregelung, dass der Starter bei der Beurteilung des Startvorgangs keine sog. Tatsachenentscheidungen mehr treffe (http://www. leichtathletik.de/dokumente/pressemitteilungen_view.asp?id=2290, abgerufen am 18. 11. 2004). Nach der hier vorgenommenen Systematisierung handelt es sich um eine Tatsachenentscheidung der dritten Kategorie.

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Schließlich können Tatsachenfeststellungen, die erst nach Ende des Wettkampfs erfolgen (können), allerdings auch zu Ergebnisänderungen führen. Hier sind die Fälle positiver Dopingbefunde sowie der erst nach Spielende bemerkte Einsatz nicht spielberechtigter Spieler einzuordnen. Die Disqualifikation des betroffenen Sportlers sowie der nachträgliche Spielverlust sind in diesen Fällen die Konsequenzen, die von einer verbandsinternen Rechtsinstanz ausgesprochen werden. Ähnlich einzuordnen sind die bereits als Ausnahmen erwähnten willkürlichen, grob fehlerhaften, offenkundig unrichtigen Entscheidungen eines Schiedsrichters bzw. Kampfrichters. Der Zielkonflikt wird hier anders als in den drei vorgenannten Fällen gelöst. Zum Teil erfolgt eine Ergebniskorrektur (Disqualifikation, Spielverlust) deshalb, weil die Sanktionierung des Regelverstoßes als wichtiger angesehen wird als eine endgültige Entscheidung bis zum Wettkampfende. Zum anderen wird das Wettkampf-/Spielergebnis selbst nicht korrigiert, nicht zuletzt weil die alternativen Kausalverläufe bei einer „richtigen“ Entscheidung des Schiedsrichters/Kampfrichters kaum feststellbar wären. Zugleich werden aber z. B. im Nachhinein Sanktionen verhängt (z. B. die Sperre eines Fußballspielers aufgrund einer nach dem Spiel festgestellten „Schwalbe“, die zu einem – als Tatsachenentscheidung nicht anfechtbaren – Strafstoß und zum Siegtor in der letzten Spielminute geführt hat). Der Sonderfall der Manipulation des Spielergebnisses durch einen Schiedsrichter lässt sich – wie bereits erwähnt – nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des weiteren Ablaufs des Wettbewerbs entscheiden. 3. Probleme Das Konzept der Tatsachenentscheidung bewertet die rasche Endgültigkeit der Entscheidung generell als wichtiger als ihre Richtigkeitsgewähr. Hieraus resultieren Probleme: Erstens divergiert die Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei der Tatsachenfeststellung von Sportart zu Sportart. Weniger schwierig und damit weniger fehleranfällig ist z. B. die Feststellung von Zeitüberschreitungsfehlern beim Reiten oder Bodenturnen. Hingegen fordert die Beobachtung komplizierter, in bestimmter Weise definierter Bewegungsabläufe (z. B. wettkampfmäßiges Gehen, Kunstturnen) die (Wett-)Kampfrichter in besonderem Maße. Eine höhere Fehlerquote ist geradezu vorprogrammiert und damit regelimmanent. Zweitens bereitet die Abgrenzung von Tatsachenentscheidung und Regelauslegung Schwierigkeiten.24 Fehlerhafte Entscheidungen können auf einer Verkennung der Tatsachen oder auf einer fehlerhaften Regelauslegung, aber auch auf einer fehlerhaften Anwendung einer eigentlich richtig verstandenen Regel auf eigentlich richtig festgestellte Tatsachen – juristisch: auf Subsumtionsfehlern – beruhen. Mit diesen Abgrenzungsproblemen sind sprachliche Ungenauigkeiten verbunden. Vorzugswürdig erscheint daher die im englischen Sprachraum eingebürgerte Bezeichnung „field of play decision“. Drittens haben organisatorische Maßnahmen – wie der zweite Schiedsrichter im Handball und die 24 Besonders anschaulich ist die unterschiedliche Einstufung des Nürnberger „PhantomTors“. Vgl. dazu G. Eilers, SpuRt 1994, 79 f.; T.K. Waske, SpuRt 1994, 189 f.; T. Lenz/ A. Imping, SpuRt 1994, 225 ff.; H. Hilpert, SpuRt 1999, 49 (53).

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Aufgabenverteilung auf zwei Kampfgerichte im Kunstturnen – sowie vor allem technische Entwicklungen – wie Videoaufzeichnungen und elektronische Zeitmessungen – eine zeitnahe Verbesserung der Richtigkeitswahrscheinlichkeit von Tatsachenfeststellungen ermöglicht, die die Lösung des genannten Zielkonflikts im Sinne von Tatsachenentscheidungen fraglich werden lässt.25 Zu fragen ist: Wie weit sollen die Bedingungen für die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen optimiert werden? In welchem Maße darf der sportarttypische Ablauf durch Unterbrechungen und Verzögerungen gestört werden? Viertens ist zu fragen: Wie kann eine „Flucht in Tatsachenentscheidungen“ verhindert werden, die bezweckt, Kontrollen und Korrekturen jeder Art zu verhindern? Wem soll die endgültige Regelungs- und Entscheidungskompetenz zustehen? Wer soll die Voraussetzungen des Tatsachenentscheidungskonzepts definieren dürfen? Fünftens schließlich und damit zusammenhängend stellt sich die Frage, ob das Konzept der Tatsachenentscheidung nicht Ausnahmen formulieren muss, um höherrangigen Werten (z. B. der Durchsetzung des Dopingverbots) zu entsprechen oder nicht akzeptable Fehler korrigieren zu können?26

IV. Tatsachenentscheidungen und Fairness-Prinzip Der Tatsachenentscheidung ist als Kompromissformel zur Lösung des Zielkonflikts zwischen richtiger und rascher Entscheidung das Fairness-Prinzip immanent. Zu überlegen ist, ob es zur Lösung der aufgezeigten Probleme beitragen kann. Dies setzt zunächst seine inhaltliche Konturierung voraus (dazu 1.), die sich namentlich aus Entwicklung und Verwendung ergibt. Danach sind Grundlage und Geltung zu erörtern (dazu 2.), bevor konkrete Konsequenzen für die die Tatsachenentscheidungen betreffenden Verbandsregelungen und das Verhalten der Sportler entwickelt werden (dazu 3.). 1. Inhaltliche Konturierung des Fairness-Prinzips Fairness ist zur beliebten Argumentationsfigur, zum häufig verwendeten Entscheidungskriterium geworden. Sowohl im Sport als auch im rechtlichen Bereich lässt sich geradezu eine Verwendungseutrophie27 beobachten, der Definitions- und

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H.P. Westermann, Fairness als Rechtsbegriff, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Fairnessgebot, Sportregeln und Rechtsnormen, 2004, S. 79 (91 f.); S. Götze/ K. Lauterbach, SpuRt 2003, 95 ff. u. 145 ff.; G. Wagner/A. Bücker, Haftung des Deutschen Fußball-Bundes für Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, Bremen, 2001, S. 14 ff. bejahen eine Rechtspflicht zur Videoauswertung (abrufbar unter http://www.wagner-ohrt.de/0_frame. htm). 26 Siehe Fn. 19. 27 Eine juris-Abfrage ergab am 02. 11. 2004, dass in der Rechtsprechung das Wort „fair“ 2.574 mal, das Wort „fairness“ 343 mal sowie in der Literatur das Wort „fair“ 1.174 mal, das Wort „fairness“ 216 mal verwendet wurde.

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Konkretisierungsbemühungen allerdings nur z. T. Rechnung tragen. Wie lässt sich also der Fairnessbegriff konkretisieren? Wenig hilfreich ist die schlichte Übersetzung, die unter Fairness Anständigkeit, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit versteht.28 Auch etwas differenziertere Definitionen führen nicht viel weiter. Danach soll im allgemeinen Sprachgebrauch mit Fairness das vernünftige, den ungeschriebenen moralischen Gesetzen entsprechende Handeln gemeint sein. Im Sport – insbesondere als Fair Play – sei darunter ein den Regeln entsprechendes, anständiges und kameradschaftliches Verhalten zu verstehen.29 Dieses Verständnis ist gewiss zu eng. Gerade der nicht von den Regeln geforderte Verzicht auf Vorteile bildet ein wesentliches Element des Fair-Play-Begriffs im Sport.30 Interessant – wenn auch nur beschränkt weiterführend – sind sprach- und sportwissenschaftliche Forschungsergebnisse. Das englische Wort „fair“ hat eine indogermanische Verbalwurzel. Sein gotischer Vorläufer „fagrs“ bedeutete passend, nützlich. Altnordisch und altdeutsch wurde es i. S. v. schön und freundlich verwendet. Im 13. Jahrhundert trat dann eine ethische Bedeutungsvariante hinzu: „Fair“ entsprach dem Guten. Goeffrey Chaucer (ca. 1340 – 1400) verwendete „fairnesse“ i. S. v. innerer Schönheit, d. h. von Tugend.31 Erste Verbindungen zu Wettkampf und Wettbewerb lassen sich der Robin Hood Ballad des Jahres 1510 entnehmen. Der Sheriff von Nottingham lud die besten Bogenschützen der Gegend zu einem Preisschießen ein. Im Originaltext heißt es: „… how the proud Sheriff of Nottingham did cry a full fair Play, that all the best archers of the North should come upon a day …“ Zuvor hatten schon die Ritterregeln des Lord Tiptofte, Earl of Worcester (1467) mit den Begriffen „fayre attaynt“ (fairer Stoß/ Schlag) und „foule play“ (Nichteinhaltung der Regeln) einen gewissen Bezug zum Wettkampf.32 Im 16. Jahrhundert entwickelte sich „fair play“ im Zusammenhang mit Glücksspielen zu einem geläufigen Begriff. Es wurde ein Kontrapunkt zu den damals üblichen Begleiterscheinungen des Glücksspiels – Betrügereien, Lügen und Messerstechereien – gesetzt. Ein „nobleman“ durfte nur dann an einem Glücksspiel teilnehmen, wenn er und seine Mitspieler das „fair play“ einhielten.33 Eine entscheidende Ausweitung des Anwendungsbereichs des Begriffs „fair play“ über das Glücksspiel hinaus verdanken wir Shakespeare (1564 – 1616). In seinen Königsdramen verwendet er diesen Begriff mehrfach, jeweils im Zusammenhang mit Wettkampfsituationen zweier oder mehrerer Personen. Er verzichtet auf 28

Langenscheidts Fremdwörterbuch Englisch, 3. Aufl., 1991. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 7, 19. Aufl., 1988. 30 Karlsruher Erklärung zum Fair Play (Fn. 4), S. 1 „… mehr als nur die durch Androhung von Sanktionen erzwungene Beachtung der sportartspezifischen Regeln.“ 31 E. Jost, Die Fairness – Untersuchung ihres Ursprungs und Wesensgehalts und ihrer Bestimmung als ein pädagogischer Wertbegriff, 1970, S. 15 f. 32 E. Jost (Fn. 31), S. 18 f. 33 E. Jost (Fn. 31), S. 23. 29

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eine Definition und setzt voraus, dass man auch so versteht, was „fair play“ ist. Insofern entspricht die damalige Situation durchaus der heutigen. Mit der Shakespeare’schen Ausweitung des Begriffsverständnisses über das Glücksspiel hinaus wird eine Popularisierung erreicht. „Fair play“ wird zum festen Bestandteil des volkstümlichen Sprachschatzes vor allem im Bereich des Sports. Diese Rezeption des Fair-Play-Begriffs im Sportbereich erfolgte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.34 Hinsichtlich der weiteren Entwicklung sei nur stichworthaft erwähnt, dass der Begriff „fair“ unter dem Aspekt der Gleichheit der Wettkampfbedingungen im 18. Jahrhundert Eingang in die Regeln des Fechtens und Boxens fand.35 Hier liegt der Ursprung für den rechtlichen Gesichtspunkt der Waffengleichheit, der heute ein wesentliches Element des juristischen Fairnessbegriffs ist. Das sportwissenschaftliche Schrifttum zu Fairness und Fair Play ist unübersehbar. Stellvertretend soll hier nur auf die Schriften des Philosophen und Olympiasiegers Hans Lenk36 verwiesen werden. Er unterscheidet zwischen formeller und informeller Fairness. Zur „formellen Fairness“ zählt er die Einhaltung der wesentlichen – konstitutiven und regulativen – Spiel- und Wettkampfregeln, die strikte Beachtung der Schiedsrichterentscheidung und die formale Gleichheit der Startchancen. Zur „informellen Fairness“ gehört nach seiner Auffassung die Achtung und Beachtung des Gegners als Spielpartner. In Anlehnung an die „goldene Regel“37 formuliert er: „Behandle und achte den Partner und Gegner, wie Du selbst von diesem behandelt und geachtet werden willst und wie Du willst, dass allgemeine Konkurrenzregeln eingehalten werden sollten.“ Der interdisziplinäre Exkurs zeigt, dass das Wort Fairness mit zweierlei Bedeutung verwendet wird: einerseits als Verfahrensvorgabe und andererseits als Verhaltensmaßstab38. Als Verfahrensvorgabe soll es der Gleichheit der Wettkampfbedingungen – allgemeiner: der Chancengleichheit und dem Abbau von Machtgefälle – dienen. Dieses Prozeduralelement ist nicht Selbstzweck. Letztlich soll es die Erzielung gerechter Ergebnisse fördern. Als Verhaltensmaßstab soll Fairness im Sport auf die Einhaltung der Regeln drängen und ggf. eine Bindung an eine darin enthaltene Sondermoral herstellen. Darüber hinausgehend sollen der tugendsame Verzicht auf (unverdiente) Vorteile und die Inkaufnahme von Nachteilen, um der Spielidee Geltung zu verschaffen – also die freiwillige Erfolgseinbuße –, als ethischer Wert positiv herausgestellt werden. Man kann dies als Fair Play im engeren Sinne bezeichnen. 34

E. Jost (Fn. 31), S. 26 m. w. N. E. Jost (Fn. 31), S. 41. 36 H. Lenk, Fairness in der Siegergesellschaft?, Statement zur Preisverleihungsfeier 2001 der Fairness-Stiftung http://www.fairness-stiftung.de/FairPreisStatement.asp?Statement=Lenk Statement (abgerufen am 09. 09. 2004); H. Lenk/G. Pilz, Das Prinzip Fairness, Osnabrück/ Zürich 1989; weitere Nachweise bei P.J. Tettinger, Der Staat 1997, 575 (591 Fn. 61). 37 Konfuzius, Lunyu XII: 2, Matthäusevangelium 7,12; Lukasevangelium 6, 31. 38 Ähnlich H.P. Westermann (Fn. 25), S. 90. 35

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Auch als Rechtsbegriff hat Fairness in England und in anderen Common-LawLändern eine jahrhundertelange Tradition. Neben „fair trial“ und „fair hearing“ seien nur z. B. „fair trade“ und „fair comment“39, „true and fair view“ sowie die Unterscheidung zwischen „fair and unfair dismissal“ erwähnt. Im deutschen Recht findet der Fairnessgedanke seinen verfassungsrechtlichen Niederschlag in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses artikuliert seit 1969 das Gebot eines „fairen Verfahrens“40 und befindet sich dabei im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK – der Fair-Trial-Garantie. Ein faires Verfahren vor staatlichen Instanzen setzt eine Selbstbeschränkung staatlicher Mittel gegenüber den beschränkten Möglichkeiten des Einzelnen im staatlich reglementierten Verfahren voraus. Berechenbarkeit, Missbrauchs- und Schikaneverbot sowie Rücksicht gegenüber den Parteien gehören dazu. Der Einzelne darf nicht zum Objekt des Verfahrens werden, sondern muss die Möglichkeit haben, seine Rechte zu wahren und auf Gang und Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen, insbesondere an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken. Waffengleichheit, Gewährleistung rechtlichen Gehörs, Wahrung des gesetzlichen Richters und der Neutralität des Gerichts gehören dazu ebenso wie ein entsprechender äußerer Verfahrensablauf. Auch auf einfachgesetzlicher Ebene, z. B. auf der des Deliktsrechts, wird auf den Fairnessgedanken abgestellt, wenn der VI. Zivilsenat des BGH in seinem berühmten Komposthäcksler-Urteil41 ein faires Testverfahren von Seiten der Stiftung Warentest verlangt. Eine faire Beurteilung der in den Warenvergleich einbezogenen Geräte verbiete nicht, Geräte als „mangelhaft“ zu bewerten, auch wenn es noch schlechtere Geräte gebe, die nicht einmal in das Testverfahren aufgenommen worden seien. Übergreifend kann man auch hier von Fairness als Verfahrensmaßstab sprechen. Verfahrensfairness erweist sich insofern als übergreifende Argumentationsfigur, die ihrerseits konkretisiert werden muss. Entsprechend dem Prozesszweck – Durchsetzung des materiellen Rechts – dient das Gebot des fairen Verfahrens mittelbar der Erzielung materiell-rechtlich richtiger Ergebnisse. Fairness wird auch im deutschen Recht als Verhaltensmaßstab verwendet, namentlich im Wettbewerbsrecht42, im Bilanzrecht43 und im Medienrecht44. Wird Fair39 Lord Justice Scott führt in der Entscheidung Lyon v. The Daily Telegraph Ltd., 1943, K.B. 746, 753 (C.A.) aus: „The right of fair comment is one of the fundamental rights of free speach and writing, which are so dear to the British nation and it is of vital importance to the rule of law on which we depend for our national freedom.“ Ähnlich Lord Denning M.R. in Slim v. Daily Telegraph Ltd., 1968, All E.R. 497, 503 (C.A.). 40 P.J. Tettinger, Der Staat 1997, 575 (577) m. w. N. 41 BGH, NJW 1987, 2222 (2223) mit Besprechung von K. Vieweg, NJW 1987, 2726 f. 42 F. Henning-Bodewig, GRURInt 2002, 389; H.P. Westermann (Fn. 25), S. 90. 43 H.P. Westermann (Fn. 25), S. 87 ff. 44 Vgl. z. B. § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk v. 17./18. 12. 1991. Darin heißt es, der NDR habe sicherzustellen, dass „in seiner Berichterstattung die Auffassungen der wesentlich betroffenen Personen … fair berücksichtigt

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ness als Verhaltensmaßstab verwendet, so geschieht das – wie bei der „journalistischen Fairness“ – zumeist in Form eines unbestimmten Rechtsbegriffes. Zudem wird Fairness als Begründungselement bei komplexen wertenden Entscheidungen herangezogen (z. B. unfaire Mitgliederabwerbung durch Gewerkschaften; Gebot fairen Verhaltens beim Arbeitskampf45). Insgesamt kennzeichnen Respekt des Gegners und Rücksichtnahme auf dessen Interessen sowie die Förderung der Chancengleichheit diese Bedeutungsvariante. Der freiwillige Verzicht auf Vorteile und die Inkaufnahme von Nachteilen, die zum Fair-Play-Gedanken des Sports gehören, ist hingegen kein Bestandteil des juristischen Fairnessbegriffs.46 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ein Endpunkt der Konkretisierung des Fairnessbegriffs ist noch nicht erreicht. Zu vielfältig ist seine Verwendung. Fairness fasziniert – auch und gerade wegen ihrer begrifflichen Unschärfe. Soweit eine inhaltliche Konturierung möglich ist, ergeben sich zwei juristische Bedeutungskomponenten. Als Verfahrensmaßstab schützt die Fairness den Einzelnen gegenüber der übergeordneten Macht in einer hierarchischen Organisationsstruktur durch Einräumung der Möglichkeit, seine Rechte zu wahren sowie auf Gang und Ergebnis des Verfahrens insbesondere durch Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung Einfluss zu nehmen. Als Verhaltensmaßstab kennzeichnen die Respektierung des Gegners, die Rücksichtnahme auf dessen Interessen und die Förderung der Chancengleichheit sowie generell die Beachtung der Regeln (einschließlich der Respektierung ihrer Anwendung) die Fairness als Rechtsbegriff. Die darüber hinausgehende Denkweise – freiwilliger Verzicht auf unverdiente Vorteile und Inkaufnahme von Nachteilen – prägen die Fairness als sportethisches Prinzip. Sie ist – da überobligatorisch – nicht Element des Rechtsbegriffs. Die Nichtbeachtung dieser Denkweise sollte nicht als „unfair“ bezeichnet werden. Unfair sind nur Regelverstöße. 2. Grundlage und Geltung des Fairness-Prinzips Ein universal verwendeter Rechtsbegriff wie der der Fairness kann nicht nur eine Grundlage haben. Exemplarisch sollen hier vier Rechtsgrundlagen mit ihren jeweiligen Geltungsansprüchen Erwähnung finden. Art. 6 EMRK normiert ausdrücklich das Recht auf ein faires Verfahren. Erfasst sind nicht nur Strafverfahren, sondern auch zivilgerichtliche Verfahren. Die inhaltliche Aufschlüsselung betrifft mit der Unschuldsvermutung und der effektiven Verteidigung nur die Strafverfahren. Das Recht auf eigene Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts und auf Verhandlung vor einem unabhängigen und neutralen, werden. Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairness … zu entsprechen.“ 45 BVerfG, NJW 1993, 1379 (1380). 46 Vgl. H.P. Westermann (Fn. 25), S. 90. Er sieht Fairness als Gewährleistung von Chancengleichheit durch eine übergeordnete Instanz und zugleich eines Verhaltens der Wettbewerber, den anderen ihre Chance zu lassen.

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gesetzlich vorgesehenen Gericht betrifft hingegen alle gerichtlichen Verfahren.47 Geltung und Wirkung von Art. 6 EMRK ergeben sich aus seiner rechtlichen Qualität. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der z. B. in Deutschland die Wirkung eines einfachen Gesetzes hat.48 § 242 BGB normiert den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zieht § 242 BGB als einheitlichen Kontrollmaßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit vereinsrechtlicher Entscheidungen heran.49 Als „Einbruchstelle“ für die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte eröffnet § 242 BGB unter dem Blickwinkel der praktischen Konkordanz, letztlich also nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, einen fairen50 Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen.51 Zugleich verschafft § 242 BGB den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren Geltung. Dies ist Volker Röhricht immer ein besonderes Anliegen gewesen.52 Drittens findet sich der Fairnessbegriff in Satzungen und Regelungen der Sportverbände sowie in internationalen Resolutionen und Deklarationen.53 So verlangen die Fundamental Principles der Olympic Charter „mutual understanding with the spirit of friendship, solidarity and fair play“.54 Im Ethik-Code des Internationalen Turnerbundes (FIG) heißt es: „The FIG representatives …. demonstrate fairness in all sport activities and decisions which might affect the reputation of the FIG.“55 Bisher fehlt eine systematische Untersuchung, die die Häufigkeit der Inkorporation des Fairnessbegriffs in Sportverbandsregelungen klärt.56 Die ausdrückliche Erwähnung der 47

Vgl. zur Relevanz im Sport J. Soek, Die prozessualen Garantien des Athleten in einem Dopingverfahren, in: V. Röhricht/K. Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, S. 35 ff. 48 BVerfGE 19, 342 (347); 82, 106 (115); BVerfG NJW 2004, 3407 (3408). 49 BGHZ 128, 93 ff. (Reiterliche Vereinigung); dazu K. Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff.; BGHZ 105, 306 (316 ff.); BGHZ 87, 337 (344); dazu K. Vieweg, JZ 1984, 167 ff.; BGHZ 102, 265 (276); V. Röhricht, ACP 189 (1989), 386 (391); ders., Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen. Bestandsaufnahme und Ausblick, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 75 ff.; ders., Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19 ff.; ders. (Fn. 1), S. 12 ff. 50 Der Nichtannahmebeschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. 06. 1997 (Krabbe) wurde damit begründet, dass angesichts des vom Oberlandesgericht festgestellten bewussten groben Verstoßes gegen die Regeln der sportlichen Fairness die formalen Gesichtspunkte zurückzutreten hätten. 51 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 190 m. w. N. 52 Siehe Fn. 2. 53 UNESCO Declaration on Fair Play (1976), Council of Europe, Declaration on Sport, Tolerance and Fair Play (1996). 54 § 6 Fundamental Principles, Olympic Charter. 55 B.V Code of Ethics, approved by the FIG Executive Committee, November 30th, 2001. 56 Die stichprobenhafte Durchsicht deutscher Sportverbandssatzungen erwies sich nach P.J. Tettinger, Der Staat 1997, 575 (592 ff.), als wenig ergiebig.

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Fairness oder des Fair Plays hat aber jedenfalls die rechtliche Bedeutung einer Selbstbindung der Verbände und – bei entsprechender Regelung oder vertraglicher Gestaltung – der Bindung der den Regelungen Unterworfenen, insbesondere der Sportler. Schließlich, viertens, kommt in Betracht, Fairness als Prinzip der sog. „lex sportiva“ zu begreifen. Hierbei handelt es sich um ein Pendant zu dem im internationalen Handel herausgebildeten transnationalen Handelsrechts, der lex mercatoria. Derzeit dürfte es verfrüht sein, von der Geltung einer lex sportiva57 zu sprechen. Der WADACode, dessen Zustandekommen Volker Röhricht durch Mitwirkung bei der Formulierung der deutschen Position begleitet hat, könnte sich allerdings als wichtiger Schritt auf diesem Weg erweisen.58 Schon jetzt ist es zulässig, dass die Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens dem Schiedsgericht private, transnationale Rechtsregeln wie die lex mercatoria zuweisen. Für eine lex sportiva würde dasselbe gelten.59 Zu klären wäre dann, ob die Fairness zur lex sportiva zu zählen wäre.60 Unabhängig davon können die Parteien dem Schiedsgericht die Fairness sowohl als Verfahrens- als auch als Verhaltensmaßstab vorgeben. Auch ohne eine derartige ausdrückliche Vorgabe hat der CAS bereits vereinzelt auf den Fairnessaspekt61 sowie auf die damit in Zusammenhang stehenden allgemeinen Rechtsprinzipien des Gleichheitsgrundsatzes (principle of equality), des Prinzips der Chancengleichheit der Wettkämpfer (principle of equality of chances between competitors) und des Verhältnismäßigkeitsprinzips (principle of proportionality) abgestellt.62 3. Konsequenzen im Hinblick auf Tatsachenentscheidungen Hat das Fairnessprinzip – insbesondere aufgrund Verbandsregelung – Geltung, so ist zu fragen, welche Konsequenzen dies für die Regelung und Verbindlichkeit sog. Tatsachenentscheidungen hat. Hierzu ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass mit 57 Hierzu zuletzt grundlegend J. Adolphsen, Eine lex sportiva für den internationalen Sport?, in: C.-H. Witt u. a. (Hrsg.), Jahrbuch der Gesellschaft junger Zivilrechtswissenschaftler, 2002, S. 281 ff.; ders., Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 628 ff.; ders., SchiedsVZ 2004, 169 (172 ff.); J. Nafziger, International Sports Law, 2. Aufl., 2004, S. 61; F. Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2005, S. 351 ff.; T. Summerer, Internationales Sportrecht – eine dritte Rechtsordnung? in: E. Aderhold (Hrsg.), Festschrift H. Hanisch, 1994, S. 267; B. Heß, Voraussetzungen und Grenzen eines autonomen Sportrechts unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Spitzensports, in: B. Heß/W.-D. Dressler, Aktuelle Rechtsfragen des Sports, 1999, S. 39 ff. 58 Ebenso F. Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit (Fn. 57), S. 359. 59 J. Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 164 (174). 60 Förderlich wäre, wenn die grundlegenden Anforderungen an ein faires Verfahren vom Court of Arbitration for Sport (CAS) präzisiert würden. Dahin geht die Empfehlung der für die Europäische Kommission erstellten und von K. Vieweg/R. Siekman herausgegebenen Studie „Legal Comparison and Harmonisation of Doping Rules“, 2007, p. 674. 61 CAS 2000/C/267 AOC, Advisory opinion at the request of the Australian Olympic Committee, at 19 – 21; F. Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Fn. 1760. 62 Nachweise bei F. Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Fn. 1756 – 1758.

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dem Konzept der Tatsachenentscheidung der Zielkonflikt zwischen richtiger und rascher Entscheidung gelöst werden soll. Es geht bei Geltung des Fairnessprinzips also darum, wie dieser Zielkonflikt fair gelöst werden kann. Weiterhin ist zu bedenken, dass eine Entscheidung im Sport dann als richtig anzusehen ist, wenn sie den drei elementaren Prinzipien des Sports63 entspricht: dem Leistungsprinzip, dem Konkurrenzprinzip und insbesondere dem Gleichheitsprinzip. Deshalb kommt es darauf an festzustellen, wer unter gleichen Wettkampfbedingungen die bessere Leistung erbracht hat. Hieraus folgt: Die Formulierung eines Konzepts der Tatsachenentscheidung entspricht dann dem Fairnessprinzip, wenn die Regelung sicherstellt, dass innerhalb der vorgegebenen Zeit – z. B. bis zum Abschluss eines Spielzugs oder bis zum Ende des Wettkampfs – die Entscheidung mit der höchstmöglichen Richtigkeitsgewähr – mit anderen Worten: einer möglichst geringen Fehlerquote – getroffen wird. Die hierzu erforderlichen technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen divergieren von Sportart zu Sportart. Sie befinden sich in einem dynamischen Prozess des Wandels in Technik, Wirtschaft und Medien. Betrachtet man eine höchstkomplexe Sportart wie das Kunstturnen, so ist zunächst zwingend, dass das Wertungssystem die über mehrere hundert Elemente in ihren Schwierigkeitsgraden und die Ausführungsfehler mit adäquaten Abzügen festlegt.64 Weiterhin sind das Kampfgericht und das Verfahren so zu organisieren, dass die sportartimmanent recht hohe Bewertungsfehlerquote auf ein Minimum reduziert wird. Die Aufgabenverteilung auf zwei Kampfgerichte65 – zuständig für den Ausgangswert durch Addition der Schwierigkeitswerte der gezeigten Elemente sowie für die Addition der Abzüge aufgrund von Ausführungsfehlern – ist zweckmäßig. Insbesondere verhindert sie eine Überforderung der Kampfrichter, die bei einer Zuständigkeit für beide Komponenten der Bewertung zu besorgen wäre. Die aus Fairnessgesichtspunkten anzustrebende Minimierung der Fehlerquote erfordert allerdings darüber hinaus technisch-organisatorische Maßnahmen, die eine für nötig oder wünschenswert gehaltene Eigenkontrolle der Beobachtung der gezeigten Übung sowie eine optimierende Fremdkontrolle ermöglichen. Ansonsten können – dies zeigt gerade der Fall Young/Hamm sehr deutlich – selbst kleinste Berechnungsfehler gravierende Auswirkungen haben. Um Fehler zeitnah aufdecken und korrigieren zu können, ist zum einen eine technische Unterstützung der Kampfrichter durch Videoaufzeichnungen erforderlich.66 Zum anderen ist eine Fremdkontrolle durch die Superior Jury67 zweckmäßig. Zum Dritten erfordert der Fairnessgedanke, dass den von einer möglicherweise fehlerhaften Bewertung Betroffenen – das sind 63

Hierzu J. Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 164 (170). Siehe im Einzelnen FIG, Code of Points. 65 Reg. 7.8.2 Technical Regulations FIG 2002. 66 Reg. 4.11.4: Judging Requirements: „… The following video equipment must be provided for the recording and showing of each gymnast’s exercise: 6 for Men’s competitions …“ 67 Reg. 7.8.1 para 2 – 4 Technical Regulations FIG. 64

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nicht nur der konkret betroffene Athlet selbst, sondern auch seine Konkurrenten – die Möglichkeit des Protestes gegeben wird. Insofern sind Detailregelungen erforderlich, die Protestberechtigung, Anlass, Form, Frist und Adressat angeben. Als Beispiele können insofern die Regelungen anderer Verbände herangezogen werden.68 Der CAS hat zu Recht die lückenhafte und völlig unklare Regelung der FIG kritisiert. Seine Entscheidung hat er darauf gestützt, dass der Trainer Youngs den Protest hätte einlegen können und müssen. Dabei blieb allerdings unberücksichtigt, dass weder Turner69 noch Trainer70 während des Wettkampfs mit dem Kampfrichter sprechen bzw. Diskussionen führen dürfen.71 Wie hätten sie protestieren sollen? – Wenn die FIG ankündigt, ihre Regeln überarbeiten zu wollen,72 so sollte sie bedenken, dass sie für sich selbst das Fairnessprinzip in ihrem Ethik-Code73 festgeschrieben hat. Für die betroffenen Sportler Young und Hamm ergibt der Fairnessgedanke Folgendes: Young muss die Tatsachenentscheidung akzeptieren, da sie den aktuellen Regeln entspricht. Hamm hat sich im rechtlichen Sinne nicht unfair verhalten, als er den Vorschlag des FIG-Präsidenten Grandi ablehnte, seine Goldmedaille an Young weiterzugeben. Der Verzicht auf nicht leistungsgerecht, aber regelgerecht erlangte Vorteile ist nicht vom rechtlichen Fairnessbegriff gefordert. Aber auch nach dem ethischen Fairnessbegriff hätte er seine Goldmedaille behalten können. Young war zwar aufgrund des Kampfrichterfehlers ein um 0,10 Punkte zu geringer Ausgangswert berechnet worden. Ein anderer Kampfrichterfehler – die Nichtberücksichtigung des regelwidrigen vierten Halts in der Barrenübung – hätte allerdings zu einer genau um 0,1 Punkte niedrigeren Wertung führen müssen.

V. Zusammenfassung und Ausblick Bei den Olympischen Spielen in Athen hat sich die Frage der Fairness insbesondere im Zusammenhang mit den sog. Tatsachenentscheidungen mehrfach gestellt. Instruktiv ist die Entscheidung des Court of Arbitration for Sport (CAS) im Fall Young/KOC v. FIG, in der der CAS zwar eine Reihe von Fehlern aufführt, die Entscheidung der FIG über die Goldmedaille im Mehrkampf der Turner aber bestätigt. 68 Vgl. z. B. die ab 01. 01. 2003 geltende Leichtathletik-Fehlstartregel 162.7 Internationale Wettkampfbestimmungen, Ausgabe 2002 (siehe Fn. 23). 69 Art. 2 Ziff. 2 g) der FIG-Vorschriften für Wettkampfteilnehmer. 70 Art. 3 Ziff. f) der FIG-Vorschriften für Wettkampfteilnehmer. 71 Reg. 5.4 General Observations on Conduct: „… During the entire competition, the gymnasts, judges and coaches are absolutely prohibited from using cellular phones and other electronic communications device.“ 72 FAZ v. 25. 09. 2004, S. 28. 73 B.V Code of Ethics, approved by the FIG Executive Committee, November 30th, 2001; vgl. auch Art. 10 Ziff. 1i) der FIG-Vorschriften für Wettkampfteilnehmer: Der Vorsitzende des Kampfgerichts an einem Gerät hat unter anderem folgende Funktionen: „die Kampfrichterregeln hinsichtlich der Kontrolle der Kampfrichter mit Fairness … anzuwenden“.

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Der Beitrag unterscheidet vier Formen der Tatsachenentscheidungen, ordnet sie in das System der Sportregeln ein und beschreibt die Probleme, die das Konzept der Tatsachenentscheidung mit sich bringt. Dieses Konzept besteht darin, den Konflikt zwischen einer raschen und einer richtigen Entscheidung zugunsten einer raschen, unanfechtbaren Entscheidung zu lösen. Weiter stellt der Beitrag einen Zusammenhang zwischen dem Konzept der Tatsachenentscheidung und der Fairness her. Fairness wird dabei als Verfahrens- und Verhaltensmaßstab verstanden, der seine rechtliche Verbindlichkeit aus verschiedenen Grundlagen herleitet. Das Konzept der Tatsachenentscheidung und das Fairnessprinzip lassen sich in Einklang bringen, wenn die Regeln des betreffenden Sportverbandes sicherstellen, dass innerhalb der vorgegebenen Zeit – z. B. bis Wettkampfende – mit dem höchsten Gewissheitsgrad das Ergebnis richtig festgestellt wird, d. h. dass derjenige besser platziert wird, der unter gleichen Wettkampfbedingungen die bessere sportliche Leistung erbringt. Zur Beachtung des Fairnessprinzips ist es u. a. erforderlich, die verfügbaren technischen Hilfsmittel einzusetzen und eine Fremdkontrolle in Form von Protesten der Betroffenen zuzulassen sowie im Einzelnen zu regeln. Hiermit wird eine „Flucht in die Tatsachenentscheidung“ vermieden und die Akzeptanz der „bestmöglichen“ Tatsachenentscheidung gesteigert. Die Befürchtung des CAS im Fall KOC v. ISU, dass „the flood-gates would be opened“, schätzt die Situation vermutlich zu pessimistisch ein. Der Vorteil des Fairnessgewinns überwiegt die befürchteten Nachteile. Fairness geht vor!

Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufnahme und Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sporthistorischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freizeit-Sport-Club Dynamo Windrad Kassel e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bogensportverband Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Teilnahmemodalitäten – „Wie“ der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Differenzierungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Differenzierungsgebote aus Gründen der Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierungsgebote aus sonstigen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Differenzierungen sind im Sport verbreitet: nach Geschlecht, Alter, Gewicht. Unterschieden werden Damen- und Herrenfußball, Jugend- und Seniorenwettkämpfe, Leicht- und Schwergewichtsboxen. Die Gründe für die Differenzierungen liegen auf der Hand: Es geht um die Ermöglichung fairer, chancengleicher Wettkämpfe. Diskriminierungen aufgrund von Rasse oder Religion sind im Sport – in Deutschland nicht zuletzt als Reaktion auf die Situation im Dritten Reich und das Gemeinnützigkeitsrecht – verpönt. Selbst religiös geprägte Verbände, wie die Deutsche Jugendkraft und der CVJM-Gesamtverband in Deutschland, halten ihre parteipolitische, religiöse und rassische Neutralität in ihrer Satzung hoch.1 Auch in den ihnen angeschlossenen Vereinen kann „jede natürliche Person Mitglied des Vereins werden“.2 Ist die Situation im Sport also unproblematisch, was die Diskriminierung betrifft? – Auf den ersten Blick scheint es so zu sein. Bei näherem Nachdenken fallen einem * Erstveröffentlichung in Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Baden-Baden 2005, S. 71 – 89. Andreas Krause danke ich für die tatkräftige Unterstützung bei der Überarbeitung der Vortragsfassung. 1 Vgl. § 1 Nrn. 1 und 3 der Satzung des DJK-Sportverbands und § 2 Abs. 2 der Satzung des CVJM-Gesamtverbands in Deutschland. 2 Vgl. stellvertretend § 5 Abs. 1 der Satzung der DJK Marathon Münster e. V. bzw. § 3 Nr. 1 Satz 1 der Satzung des CVJM Ludwigsburg.

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aber eine ganze Reihe von Fällen ein, die sich unter das Stichwort „Diskriminierung“ subsumieren lassen: @ die Fälle Casey Martin und Bill May;3 @ der Fall des 12-jährigen englischen Mädchens, das in einer Jungenmannschaft Fußball spielen wollte und hierzu die Gerichte bemühen musste;4 @ die Aufregung unter den Fans des protestantisch geprägten Fußballclubs Glasgow Rangers wegen der Überzahl katholischer Spieler im Kader, insbesondere angesichts der Tatsache, dass es in Glasgow mit Celtic auch einen katholisch geprägten Club gibt;5 @ der Fall Yvonne Pioch, der zu heftigen Diskussionen über die vom Deutschen Turnerbund eingeführte Mindestaltersgrenze im Kunstturnen (16 Jahre) führte. Dies hatte zur Konsequenz, dass die 15-jährige fünffache deutsche Meisterin sich nicht für internationale Wettbewerbe, für die vom Internationalen Turnerbund ein niedrigeres Mindestalter festgelegt war, qualifizieren konnte;6 @ unterschiedliche Preisgelder für Männer und Frauen z. B. im Bahnradrennsport7; @ die Einführung eines Höchstalters von 70 Jahren für Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees8, für DFB-Funktionäre9 und für IOC-Mitglieder10; @ Aufnahmestreitigkeiten zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität11, zwischen dem Landessportbund Hessen und dem

3 Vgl. dazu S. Zinger, Gleichbehandlung im Sport, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Baden-Baden 2005, S. 23 ff. sowie umfassend dies., Diskriminierungsverbot und Sportautonomie, 2003, S. 193 ff. und dies., Gleichbehandlung im Sport – unter besonderer Berücksichtigung US-amerikanischer Rechtsprechung, in: K. Vieweg (Hrsg.), Spektrum des Sportrechts, 2003, S. 1 (3 ff.). 4 The Guardian v. 15. 06. 1978; Daily Mail v. 16. 06. 1978, S. 15. 5 Vgl. FAZ v. 05. 11. 1998, S. 42: „Katholiken bekennen sich zu Protestantenklub“. Celtic lockerte allerdings schon vor längerer Zeit mit der Einstellung protestantischer Spieler die „konfessionellen Scheuklappen“. 6 FAZ v. 31. 07. 1995, S. 23; FAZ v. 09. 08. 1995, S. 25; FAZ v. 28. 08. 1995, S. 26. 7 Bund deutscher Radfahrer, Anhang B der Wettkampfbestimmungen für den Bahnrennsport, Ausgabe 06/2002, http://www.rad-net.de/html/verwaltung/reglements/02_wb-bahn 020705.pdf (abgerufen am 24. 05. 2005). 8 Art. 36 Abs. 2 UEFA-Statut v. 24. 09. 1997 i. d. F. vom 23. 04. 2004; die Altersgrenze wirkt sich erst ab der Wahlperiode 2006 – 2008 aus, da sie nur Wahl und Wiederwahl erfasst. 9 § 19 Nr. 9 DFB-Satzung i. d. F. vom 30. 09. 2000, zuletzt geändert am 28. 04. 2005. 10 Rule 16.3.3 Olympic Charter i. d. F. vom 01. 09. 2004; nach Bye-law 2.7.1 zu Rule 16.3.3 liegt die Altersgrenze für Mitglieder, die bereits vor dem 11. 12. 1999 aufgenommen wurden, bei 80 Jahren. Nach derselben Bye-law existiert für vor 1966 gewählte Mitglieder kein Höchstalter. 11 BGHZ 63, 282 ff. = BGH NJW 1975, 771 ff.

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Freizeit-Sport-Club Dynamo Windrad Kassel e. V.12 sowie dem Landessportbund Baden-Württemberg und dem Bogensportverband Baden-Württemberg e. V.13 ; @ die Weigerung des 17.500 männliche Mitglieder zählenden Marylebone Cricket Club im Jahr 1991, die Kapitänin der englischen Kricketnationalmannschaft als Mitglied aufzunehmen;14 @ der für die besten Snowboarder der Welt, die sich zu einem Verband zusammengeschlossen hatten, bestehende faktische Zwang, für die Olympiateilnahme zu ihren nationalen Skiverbänden wechseln zu müssen, da nur der Internationale Skiverband, nicht aber die International Snowboard Federation vom IOC anerkannt war;15 @ die Zulassung von Damenhockey als olympische Sportart erst nach Zusammenschluss der seit den 1920er Jahren miteinander konkurrierenden internationalen Verbände Federation International de Hockey (FIH) und International Federation of Women’s Hockey Associations (IFWH);16 @ Vereinsausschlüsse wie z. B. der des Golfspielers, der sich als Pornodarsteller „außergolfsportliche“ Meriten erworben hatte;17 @ berufliche Diskriminierungen wie im Bosman-Fall.18 Das Verlierenmüssen – auch aufgrund von Fehlentscheidungen im Sinne falscher Regelanwendung – gehört zum Sport dazu. Derartige Benachteiligungen sollen hier nicht weiter interessieren.19 Im Blick sind vielmehr benachteiligende systemgerechte Entscheidungen.

II. Fragestellung Unter verbandsrechtlichem Blickwinkel sind zwei Fragenkreise von besonderem Interesse: einerseits die klassische Materie des Aufnahmezwangs bzw. -anspruchs, in dessen Zusammenhang auch Ausschlussprobleme verortet werden können (dazu III.); andererseits die Frage der Teilnahmemodalitäten (dazu IV.). Ausblenden 12

OLG Frankfurt, Urteil v. 10. 05. 1985 – 2U23/85 (nicht veröffentlicht). OLG Stuttgart, NZG 2001, 997; vgl. dazu auch die Besprechung von M. Nolte/C. Polzin, NZG 2001, 980. 14 Vgl. FAZ v. 10. 03. 1998, S. 13: „Der Geist des Weiblichen auf den Zinnen des Palastes.“ 15 Vgl. FAZ v. 11. 11. 1997, S. 38: „Zwangsehe der rivalisierenden Snowboard-Verbände für Olympia.“ 16 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände (1990), S. 63, Fn. 93. 17 Der Spiegel, Ausg. 50/1996 v. 09. 12. 1996, S. 148: „Granate in Socken“; Der Spiegel, Ausg. 42/2000 v. 16. 10. 2000, S. 156: „Geiler Frosch“. 18 EuGH v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93 = NJW 1996, 505 ff. = SpuRt 1996, 59 ff. 19 Vgl. hierzu K. Vieweg, Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: FS V. Röhricht (2005), S. 1255 (1265 f.). 13

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möchte ich arbeitsrechtliche Diskriminierungsprobleme. Ebenfalls möchte ich nicht eingehen auf die europarechtlichen Fragen, die sich im Anschluss an den BosmanFall ergeben haben und zu denen ich bereits ausführlich Stellung genommen habe.20 Abschließend ist auf die Frage einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen verbandsrechtliche Differenzierungsgebote bestehen (dazu V.).

III. Aufnahme und Ausschluss 1. Sporthistorischer Abriss In der Endphase der Weimarer Republik21 gab es im Reichsgebiet ca. 300 Sportverbände, in denen etwa 40.000 Vereine mit insgesamt mehreren Millionen Mitgliedern zusammengeschlossen waren. In den Vordergrund des zersplitterten Sportverbandswesens rückten Differenzierungen nach parteipolitischen, konfessionellen und ideologischen Gesichtspunkten. Diese Aufsplitterung in Arbeitersportverbände, die entweder der SPD oder der KPD nahe standen, in parteipolitisch neutrale, bürgerlichnational eingestellte Sportverbände – wie die Deutsche Turnerschaft, den Deutschen Ruderverband und den Deutschen Fußballbund – und in konfessionell geprägte Sportverbände – wie die Deutsche Jugendkraft, das Eichenkreuz, den Sportverband katholischer Handlungsgehilfen und die jüdischen Sportverbände – lässt sich in erster Linie auf Diskriminierungen der Arbeiter und Juden seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts zurückführen. Die Zersplitterung des Sportverbandswesens führte zu Abschottungsmechanismen – gegenseitiger Boykott des Sportverkehrs, Verbot von Doppelmitgliedschaften – sowie zu fachlichen Kompetenzstreitigkeiten. So stritten vier Verbände um die Regelhoheit im Handball. In der Endphase der Weimarer Republik bestanden zwei große Sportdachverbände: der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen und die Zentralkommission für Sport und Körperpflege. Das Jahr 1933 brachte den Prozess der Gleichschaltung des Sportverbandswesens, der durch drei Vorgänge gekennzeichnet war: erstens durch die Einsetzung eines staatlichen Reichssportkommissars (später Reichssportführer), zweitens durch das Verbot der Arbeitersportbewegung und der konfessionellen Sportvereine und -verbände sowie die Diskriminierung jüdischer Sportvereine und -verbände und schließlich drittens durch die Umstrukturierung des verbliebenen Sportverbandswesens. Diese war geprägt durch die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts als Ausfluss des vom Staat in Anspruch genommenen Regelungsmonopols 20 K. Vieweg/A. Röthel, Verbandsautonomie und Grundfreiheiten, ZHR 166 (2002), S. 7 ff.; vgl. R. Streinz, Die Rechtsprechung des EuGH nach dem Bosman-Urteil, in: P.J. Tettinger (Hrsg.), Sport im Schnittfeld zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht (2001), S. 27 ff. 21 Vgl. zum Folgenden im Einzelnen K. Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip – zum rechtlichen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich, in: P. Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus (1985), S. 245 (249) m. w. N.

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auch für den Sportbereich. Ein besonders wesentliches Gleichschaltungsinstrument war die Einführung des Führerprinzips und die Besetzung der Führerposten mit nationalsozialistischen Persönlichkeiten. Das liberale BGB stand dieser Entwicklung nicht im Wege. Bei der Neuordnung des deutschen Sports in den Anfangsjahren der Bundesrepublik wurde mit der Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) im Jahr 1950 die hierarchisch-monolithische Struktur mit dem sie kennzeichnenden Ein-Platz-Prinzip beibehalten. Hierbei mag insbesondere eine Rolle gespielt haben, dass von einem als Einheit auftretenden Sport eine größere Außenwirkung erwartet wurde.22 2. Rechtsprechungsfälle Die Frage des Anspruchs auf Aufnahme von Sportvereinen in die zuständigen Dachorganisationen hat die (Sport-)Gerichtsbarkeit seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland mehrfach beschäftigt. Exemplarisch seien die Fälle der Vereine „RKB Solidarität“, „Dynamo Windrad“ Kassel und des Bogensportverbands Baden-Württemberg e. V. skizziert. a) Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität Der Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität bildete bis zu seiner Auflösung in der Zeit des Dritten Reiches mit ca. 350.000 Mitgliedern den größten Radsportverband der Welt. Eine Neugründung erfolgte im April 1949, die aber in Widerspruch zur Einheitssportbewegung geriet. Unter Hinweis auf sein satzungsmäßiges Ein-Platz-Prinzip lehnte der DSB die in den Jahren 1954 – 1960 gestellten Aufnahmeanträge des RKB Solidarität jeweils ab. Den Radsportplatz hatte seit der Gründung des DSB im Jahre 1950 der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) inne. Als sein erneut im April 1968 gestellter Aufnahmeantrag vom DSB abgelehnt wurde, ging der RKB Solidarität den Weg durch die Gerichtsinstanzen. In seiner Leitentscheidung vom 02. 12. 1974 stellte der II. Zivilsenat des BGH23 hinsichtlich des Aufnahmezwangs aufgrund nichtiger oder nur eingeschränkt anwendbarer satzungsmäßiger Aufnahmebeschränkungen auf § 826 BGB und auf Tatbestandselemente des die Aufnahme in Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen regelnden § 20 Abs. 6 GWB (§ 27 GBW a. F.) ab. Gestützt auf diese Vorschriften entwickelte er die Formel, dass die vom Text der Satzung gedeckte Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen dürfe. Dies sei anhand einer Interessenabwägung zu bestimmen. In deren Rahmen komme es einerseits 22 So setzte sich Hans Wildung (Vater von Annemarie Renger), eine führende Persönlichkeit im Arbeitersport, für den Einheitssport ein. 23 BGHZ 63, 282 ff. = BGH NJW 1975, 771 ff.; vgl. auch BGH NJW 1999, 1326 (1327).

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auf die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen – ihm vorenthaltenen – Rechte und Vorteile an, andererseits aber auch auf eine Bewertung und Berücksichtigung des Interesses des Monopolverbands an der Geltung der Aufnahmebeschränkungen. Im Einzelfall müsse geprüft werden, ob der Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die vom Monopolverband aufgestellten Aufnahmevoraussetzungen zu erfüllen. Aber auch dem Monopolverband müsse ggf. angesonnen werden, den mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck durch eine andere, mildere Ausgestaltung der Satzung zu erreichen und dem Bewerber auf diese Weise den Zugang zu den Verbandsvorteilen zu eröffnen. Der weitere Verfahrensablauf wirft ein Schlaglicht auf die – damaligen – Schwierigkeiten der praktischen Behandlung der Aufnahmepflicht. Kehrseite der flexiblen Interessenabwägung ist zwangsläufig eine gewisse Rechtsunsicherheit durch mögliche Bewertungsdivergenzen. Bis zur Aufnahme des RKB Solidarität als „Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung“24 in den DSB verstrichen dann nochmals über drei Jahre. b) Freizeit-Sport-Club Dynamo Windrad Kassel e. V. Der Fall des Freizeit-Sport-Clubs Dynamo Windrad Kassel e. V. führte gar bis zum Bundesverfassungsgericht. 1982 lehnte der Landessportbund Hessen die Aufnahme ab. Der Begriff „Dynamo“ ähnele zu sehr den Gepflogenheiten der Sportvereine in der DDR bzw. in den Ostblockstaaten.25 Die gegen die Ablehnung der Aufnahme gerichtete Klage wies das OLG Frankfurt26 mit der Begründung ab, eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB liege nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht27 nahm die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht nicht an. Es stellte zu Recht heraus, dass sowohl der LSB Hessen als auch der FSC Dynamo Windrad sich auf das Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG berufen könnten, so dass eine Abwägung zwischen beiden Grundrechtspositionen erforderlich werde. Konkret könne der Vereinsname des Bewerbers keinen absoluten Vorrang gegenüber dem Interesse des monopolartigen Verbands beanspruchen, sein in der Satzung normiertes parteipolitisches Neutralitätsgebot durchzuhalten. Zudem wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass das OLG Frankfurt die Frage des Aufnahmezwangs in Anwendung der hierzu in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretenen Grundsätze entschieden habe. Ob man heute angesichts von Traditionsvereinen wie Dynamo Dresden noch einen Verstoß gegen ein parteipolitisches Neutralitätsverbot bejahen müsste, mag hier dahinstehen. 24

§ 5 Nr. 1 lit. c) der Satzung des DSB i. d. F. vom 28. 11. 1998, zuletzt geändert am 04. 12. 2004. 25 Der Spiegel, Ausg. 13/87 v. 23. 03. 1987, S. 94 f. schildert die Eigeneinschätzung als „ein bißchen links“, „ein bißchen alternativ“. 26 OLG Frankfurt, Urteil v. 10. 05. 1985 – 2 U 23/85 (nicht veröffentlicht). 27 BVerfG (Erste Kammer des Ersten Senats), NJW-RR 1989, 636.

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c) Bogensportverband Baden-Württemberg Im Aufnahmestreit zwischen dem Bogensportverband Baden-Württemberg und dem Württembergischen Landessportbund stellte das OLG Stuttgart28 zwar zunächst die sachliche Rechtfertigung des Ein-Platz-Prinzips heraus, das dazu diene, innerhalb einer Sparte eine einheitliche Willensbildung sicherzustellen.29 Ein überfachlicher Sportverband sei für die eigene effektive Arbeit darauf angewiesen, dass aus dem jeweiligen fachlichen Bereich nicht widerstreitende und miteinander unvereinbare Beschlüsse hineingetragen würden. Allerdings sei – so das OLG Stuttgart – auch bei Berücksichtigung dieses grundsätzlich gerechtfertigten Interesses an der Aufrechterhaltung des Ein-Platz-Prinzips letztlich das Interesse des die Aufnahme begehrenden Bogensportverbands Baden-Württemberg an der Erlangung der mit der Mitgliedschaft im Württembergischen Landessportbund verbundenen Vorteile als vorrangig einzustufen. Nur dadurch eröffne sich eine reelle Chance, die bisherige Außenseiterrolle im nationalen und internationalen Sportgeschehen zu überwinden. Der Bogensportverband Baden-Württemberg dürfe auch nicht darauf verwiesen werden, sich dem Württembergischen Schützenverband anzuschließen. Dies würde auf eine nicht zulässige einseitige Bevorzugung des Schützenverbands als des zuerst gekommenen hinauslaufen und eine unzumutbare Selbstauflösung des Bogensportverbands Baden-Württemberg bedeuten.30 Ebenfalls müsse sich der Bogensportverband Baden-Württemberg nicht auf die Möglichkeit verweisen lassen, mit dem Württembergischen Schützenverband, der bereits Mitglied des Landessportbundes sei, ein Abkommen zu schließen. In den bereits geführten Verhandlungen seien der Deutsche Schützenbund und die ihm angehörigen Untergliederungen der Auffassung, die Bogenschützen seien bei ihnen bereits bestens aufgehoben und deshalb bestehe für eine eigenständige verbandsmäßige Organisation der Bogenschützen kein Bedarf.31 Offenbar war durch den Mangel an Verhandlungsbereitschaft des „Platzinhabers“ ein Einigungsversuch schon im Ansatz gescheitert. Demgegenüber habe der Landessportbund – so das OLG Stuttgart32 – die Möglichkeit, das mit dem Ein-Platz-Prinzip verfolgte Interesse durch eine „nichtdiskriminierende Ausgestaltung dieses Systems oder eine satzungsgemäße, nichtdiskriminierende Zusammenfassung sportartgleicher Fachverbände zu verwirklichen“. Damit verwies das Gericht letztlich auf den Vorschlag des BGH33, konkurrierenden Fachsportverbänden satzungsmäßig unter der Voraussetzung der Bildung einer ge28 OLG Stuttgart, NZG 2001, 997; vgl. dazu auch die Besprechung. von M. Nolte/C. Polzin, NZG 2001, 980. 29 So auch BGH NJW 1975, 771 (774). 30 OLG Stuttgart, NZG 2001, 997 (998) unter Hinweis auf BGH, NJW-RR 1986, 583 (584) (Aikido-Verband). 31 OLG Stuttgart, NZG 2001, 997 (998). 32 OLG Stuttgart, NZG 2001, 997 (998) unter Hinweis auf BGH, NJW 1975, 771 (775) u. BGH, NJW-RR 1986, 583 (584). 33 BGHZ 63, 282 (293 f.).

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meinsamen Dachorganisation Aufnahme in den LSB zu gewähren (sog. Dachverbandsklausel). Die Erzielung einer Einigung zwischen dem „Platzinhaber“ und dem Neubewerber könne dabei dadurch forciert werden, dass dem Neubewerber bei grundloser Verweigerung der Zusammenarbeit seitens des „Platzinhabers“ ein Anspruch auf die alleinige Mitgliedschaft eingeräumt werde.34 Im Ergebnis überwiege damit das Interesse des Bogensportverbands Baden-Württemberg, Mitglied im beklagten Württembergischen Landessportbund zu werden, dessen Interesse an einer Beibehaltung des Ein-Platz-Prinzips. Dem Vorschlag des BGH ist beispielsweise der LSB NRW in §§ 6 Abs. 2 und 3, 10 Abs. 2 seiner Satzung35 in abgewandelter Form36 gefolgt. Die Wirksamkeit der Regelung des LSB NRW hat in einem Urteil des OLG Düsseldorf37 Bestätigung gefunden. d) Würdigung In der Tat gibt es von den Grundpositionen her keine Unterschiede.38 Anerkannt ist in Literatur und Rechtsprechung, dass Aufnahmestreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden können und dass die Entscheidung letztlich auf einer – auch verfassungsrechtlich gebotenen – Interessenabwägung beruht. Dabei werden die Aufnahmebedingungen – die Mitgliedschaft quasi antizipierend – einer Inhaltskontrolle unterzogen. Dass die Aufnahmepflicht dogmatisch unterschiedlich begründet wird, soll hier nur am Rande Erwähnung finden. Praktische Konsequenzen haben die unterschiedlichen Ansätze – Selbstbindung des Vereins durch Satzung,39 §§ 826, 249 Abs. 1 BGB,40 § 1004 BGB,41 Rechtsgedanken aus § 20 Abs. 6 GWB, § 826 BGB,42 offene Gesetzesanalogie zu § 20 Abs. 6 GWB i. V. m. §§ 33 GWB, 823 Abs. 2, 1004 BGB,43 Gleichbehandlungsgebot44 – nicht.

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BGHZ 63, 282 (293 f.). http://www.wir-im-sport.de/templates/dokukategorien/dokumanagement/psdoc/file/91/ Satzung_or4083c31a849bd.pdf (abgerufen am 25. 05. 2005). 36 Danach entscheidet der LSB über einen Zusammenschluss der konkurrierenden Verbände zu einem Dachverband. Weigert sich ein von der Entscheidung betroffener Verband (nach dem Wortlaut der bisherige Platzinhaber), wird er gem. § 10 II 2 der Satzung ausgeschlossen. 37 OLG Düsseldorf, Urteil v. 12. 12. 1991, 13 U 129/90 (Ju-Jutsu-Verband NRW ./. LSB NRW – nicht veröffentlicht). 38 Vgl. zum Folgenden schon K. Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: E. Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem (1993), S. 23 (28). 39 B. Grunewald, AcP 182 (1982), 181, 184. 40 D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Aufl. (2002), Rn. 1114; W. Kilian, AcP 180 (1980), 47, 82. 41 K. Schmidt, DRiZ 1977, 97 (98). 42 DEB-Schiedsgericht, Teilschiedsspruch vom 06. 11. 1996, S 440/96, SpuRt 1997, 162 (164). 43 F .v. Look, Anm. zu BGHZ 101, 193, in: WuW II L. § 38 BGB 1.88. 35

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Unabhängig von der dogmatischen Verankerung im Zivilrecht wird der Abwägungsprozess letztendlich durch die mittelbare Drittwirkung der berührten Grundrechte determiniert. Grundrechtskollisionen sind hier insofern im Wege praktischer Konkordanz45 aufzulösen. Auf der einen Seite kann sich der aufnahmeunwillige Verband auf seine nach Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Organisationsautonomie stützen. Dazu gehört grundsätzlich auch die Entscheidung für das Ein-Platz-Prinzip, mit dem u. a. in legitimer Weise eine gewisse Einheitlichkeit erreicht werden soll. Auf der anderen Seite kann sich auch der aufzunehmende Verein/Verband auf seine aus Art. 9 Abs. 1 GG fließende Vereinsautonomie stützen. Insbesondere spielen auf der Seite des aufzunehmenden Vereins bzw. Verbands die mit der Mitgliedschaft verbundenen Vorteile – materieller und immaterieller Natur – eine Rolle, die ihm ansonsten entgehen würden. Die Vorteilhaftigkeit wird man dabei anhand des Vereinszwecks feststellen müssen. Können diese Vorteile auch auf anderem Wege als durch Aufnahme – z. B. durch unproblematische Absprache mit dem Konkurrenzverband – erreicht werden, so ist in der Regel dieser Weg vorzuziehen. Mit anderen Worten kann das Pendel angesichts der mit einem Aufnahmezwang verbundenen hohen Intensität der Beeinträchtigung der Organisationshoheit nur dann zugunsten des aufzunehmenden Vereins/Verbands ausschlagen, wenn wegen der monopolartigen Stellung des aufnehmenden Verbands die Verfolgung des Vereinszwecks ohne eine Aufnahme kaum oder nur unter schweren Einbußen möglich wäre. Allerdings bedarf es dennoch immer einer konkreten Abwägung im Einzelfall, in die alle grundrechtlich fundierten Interessen einzustellen sind. In diesem Zusammenhang sei die Neufassung der erstmals 1981 beschlossenen Aufnahme-Richtlinien des Deutschen Sportbundes in der aktuellen Fassung vom 04. 12. 2004 erwähnt.46 Mit der Neufassung entfällt § 5 a. F. (Verfahren bei konkurrierenden Verbänden) und mithin insbesondere dessen Nr. 1, in dem das Ein-PlatzPrinzip förmlich festgeschrieben war.47 Mittelbar soll sich dies offenbar über den Begriff des Spitzenverbands nach § 4 Nr. 2 lit. c) n. F. regeln. Danach sind als Spitzenverbände nur diejenigen Verbände anzusehen, die über eine internationale Anbindung verfügen. Dies bedeutet namentlich (lit. c n. F.), dass deren internationaler Spitzenverband vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) oder vom Weltverband der Internationalen Sportverbände (AGFIS/GAISF) anerkannt sein muss. Somit schlägt sich das auf internationaler Ebene herrschende Ein-Platz-Prinzip (besser: Ein-Verbands-Prinzip)48 letztlich faktisch auf die Aufnahme nationaler Spitzenverbände in den DSB nieder. Neben Spitzenverband und Sportverbänden mit beson44 O. Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände, unveröffentlichte Habilitationsschrift, Göttingen 1982, S. 606 ff.; W. Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen (1985), S. 74 ff. 45 Dazu K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudr. der 20. Aufl. (1999), Rn. 317. 46 Aufnahmerichtlinien des DSB i. d. F. vom 13. 06. 1981, zuletzt geändert am 04. 12. 2004. 47 Kritisch hierzu K. Vieweg (Fn. 38), S. 37 ff. 48 Vgl. dazu K. Vieweg (Fn. 16), S. 61 ff.

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derer Aufgabenstellung wird mit § 4 Nr. 4 n. F. eine Kategorie der Sportverbände ohne internationale Anbindung geschaffen. Im Ergebnis wird damit das Ein-PlatzPrinzip zwar nicht gänzlich aufgegeben, aber dennoch auf ein international erforderliches Mindestmaß reduziert. Der DSB wird sich damit gegenüber einem die Aufnahme beantragenden Verband zwar nicht mehr auf das Ein-Platz-Prinzip an sich stützen können. Doch wird er die Zurückweisung der Aufnahme des Verbands als Spitzenverband bei fehlender internationaler Anbindung sachlich rechtfertigen können, wenn nicht schon die Möglichkeit der Aufnahme als Sportverband ohne internationale Anbindung genutzt wird. Ob darin im Einzelfall eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung zu sehen ist, muss gesondert anhand der Satzung beurteilt werden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Neufassung das die Aufnahme beschränkende Ein-Platz-Prinzip ganz im Sinne einer schonenden Ausnutzung der monopolartigen Stellung auf ein Mindestmaß reduziert und weiter über die Schaffung der Kategorie der Sportverbände ohne internationale Anbindung etwaige Nachteile abzufedern versucht. Damit wird es auch zukünftig nicht zu unlösbaren Streitigkeiten49 kommen. 3. Ausschluss Gegenstück zur Aufnahme ist der Ausschluss. Aus Verbandssicht sind die mit der Verweigerung der Aufnahme und die mit dem Ausschluss verbundenen Wirkungen identisch. Ist die Mitgliedschaft Grundvoraussetzung der Teilnahme oder anderer Vorteile (z. B. Hallenzeiten eines Vereins nur bei Mitgliedschaft im Kreis- oder Stadtsportbund), so führt der Ausschluss zum Verlust der Teilnahmemöglichkeit. Ausschlüsse von Verbänden und Vereinen waren – anders als im Dritten Reich im Rahmen der Gleichschaltung – im bundesdeutschen Sport bisher äußerst selten. Dennoch sollen sie kurz angesprochen werden. Die dogmatische Einordnung des Ausschlusses aus einem Verein bzw. Verband ist streitig. Während die ganz h.L. bis Mitte der 1980er Jahre50 im Ausschluss eine Form der Vereinsstrafe sah, qualifiziert mittlerweile ein größerer Teil der Literatur den Ausschluss als Kündigung aus wichtigem Grund seitens des Verbands gegenüber einem Mitglied.51 Die Kontroverse ist quasi ein Spiegelbild des traditionsreichen Streits zwischen der modifizierten Normentheorie und der Vertragstheorie hinsichtlich des Rechtscharakters der Satzung. Auch wenn man den Ausschluss in der Regel 49

Nach Auskunft von H. Latz (Justitiar des DSB) v. 22. 09. 2004 ist in den letzten Jahren lediglich vom Deutschen Bogensport-Verband 1959 e. V. ein Aufnahmeantrag gestellt worden. Dieser könne schon deshalb nicht positiv beschieden werden, weil der Verband noch nicht genügend Mitglieder und noch keine acht Landesverbände habe. 50 MünchKomm-Reuter, 4. Aufl. (2001), § 25 Rn. 42 m. w. N.; Staudinger-Coing, 11. Aufl. (1957), § 25, Rn. 10; Palandt-Heinrichs, 45. Aufl. (1986), § 25, Rn. 4 g. 51 W. Flume, in: Festschrift für E. Bötticher (1969), S. 122; W. Hadding, in: Festschrift für R. Fischer (1979), S. 194; Soergel/Hadding, 13. Aufl. (2000), § 39, Rn. 10; B. Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 39 ff.; F. v. Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen (1990), S. 131 ff.

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in Anlehnung an das Recht der Personenverbände im Allgemeinen als Kündigung qualifizieren wird, muss dem (Ideal-)Verein/Verband dennoch die Option belassen werden, verhaltensbedingte Verstöße gegen seine sozialethischen Vorstellungen mit dem Ausschluss per Vereinsstrafe zu ahnden.52 Denn gerade in der möglichen Verankerung und Durchsetzung sozialethischer Vorstellungen53 zeigt sich der Unterschied des Idealvereins zu anderen, wirtschaftlich ausgerichteten Personenverbänden. Die praktische Relevanz dieses dogmatischen Streits ist indes mit Blick auf die Kontrolldichte der gerichtlichen Nachprüfung des Straf- bzw. Kündigungsausschlusses mittlerweile recht gering geworden.54 Zumindest bei Monopolverbänden wird der Kontrollumfang ähnlich weit gezogen. Der prinzipiellen Anerkennung eines den spezifischen Wertungen und Zielsetzungen des Verbands Rechnung tragenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums werden dann von der Rechtsprechung enge Grenzen gesetzt, wenn die Mitgliedschaft für den Betroffenen besonders wichtig ist.55 Auch hier läuft die Prüfung letztlich auf eine Interessenabwägung hinaus.56

IV. Teilnahmemodalitäten – „Wie“ der Teilnahme Ist die erste Hürde des „Ob“ der Teilnahme für den Verein oder Verband übersprungen, naht die zweite: das „Wie“ der Teilnahme – d. h. deren Modalitäten.57 Diskriminierungen können sich einerseits daraus ergeben, dass der teilnehmende Verein bzw. Sportler auf die einseitig vom veranstaltenden Verband festgesetzten Normen keinen entscheidenden Einfluss nehmen kann. Dabei spielen häufig faktische Machtverhältnisse eine große Rolle. Das Spektrum an möglichen Streitpunkten reicht dabei von der Werbung über das Ausländerkontingent, das Verbot bestimmten Materials oder Sportgeräts bis hin zu Qualifikationsmodi und zum Verteilungsschlüssel für die veräußerten Fernseh- und Werberechte. Andererseits beruht das Konfliktpotential auf einem mit der Kommerzialisierung und Professionalisierung einhergehenden Entwicklungsprozess, der neue Fragen entstehen lässt und dazu führt, dass hergebrachte Regelungen nicht mehr passen. Sportrechtlich sind damit drei Probleme verbunden: @ Erstens ist die Zulässigkeit staatlich-gerichtlichen Rechtsschutzes fraglich. Hierzu soll die Feststellung reichen, dass ein vollständiger Ausschluss des Rechtswegs durch Satzung und/oder Vertrag nicht möglich ist. Die Möglichkeit der 52

So im Erg. auch MünchKomm-Reuter, 4. Aufl. 2001, § 25 Rn. 42. Vgl. V. Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit (1997), S. 19 (20 f., 28 f., 32 f.). 54 K. Vieweg, WM 1991, 211. 55 BGHZ 102, 265 (276) gleich BGH NJW 1988, 552 (555). 56 Zu den Einzelheiten vgl. K. Vieweg (Fn. 16), S. 230 ff. m. w. N. 57 Vgl. hierzu schon K. Vieweg (Fn. 38), S. 42. 53

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Überprüfung eines Schiedsspruchs gem. §§ 1040 f. ZPO bliebt in jedem Fall erhalten. @ Ein zweites Problem ist die staatlich-gerichtliche Inhaltskontrolle von Verbandsnormen. @ Schließlich müssen trotz Normenmangels Entscheidungen des Verbands bzw. der Mitglieder getroffen werden. Nicht zu verkennen ist dabei die Gefahr, dass die andere Seite mit der Entscheidung im Nachhinein nicht einverstanden ist. Die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen gem. § 242 BGB ist seit dem Urteil des BGH58 vom 24. 10. 1988 der neuralgische Punkt im Verhältnis von Verbandsautonomie und staatlich-gerichtlicher Kontrollkompetenz.59 Sie erfasst jedenfalls Verbände, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich über eine überragende Machtstellung verfügen.60 Meines Erachtens sollte sie ohne diese Einschränkung Gültigkeit haben, und zwar aus folgenden Gründen:61 Die Inhaltskontrolle ermöglicht eine optimale mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, die Einbeziehung der Interessen des Verbands, der Mitgliedermehrheit und -minderheit sowie gegebenenfalls der mittelbaren Mitglieder. In die Abwägung einzubringen sind nicht nur solche Interessen, die einen unmittelbaren Bezug zur konkret in Frage stehenden Austauschbeziehung zwischen Verband und Mitglied haben. Es müssen vielmehr auch solche Interessen einbezogen werden, die aus der Verfolgung des gemeinsamen Vereinszwecks und damit aus dem Umstand resultieren, dass zwischen Verband und typischerweise betroffenen Mitgliedern eine komplexe körperschaftliche Gesamtbeziehung besteht. Soweit Normen internationaler Sportverbände durch Rezeption Normen des deutschen Sportverbands geworden sind, unterliegen sie ebenfalls der Inhaltskontrolle des § 242 BGB. Normenmangel kann diskriminieren. Er führt zu zwei Fragen: Trifft die Bundesund Landesverbände die Pflicht, Regeln aufzustellen, die hinreichend konkret und nicht diskriminierend sind, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Anwendung durch die zuständigen Verbandsorgane als auch für die Perspektiventscheidungen der unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder? Und: Besteht für diese Verbände auch dann die Pflicht zur diskriminierungsfreien Entscheidung, wenn ihre Verbandsnormen solche Entscheidungen nicht ausdrücklich stützen? Wie ich an anderer Stelle62 dargelegt habe, ist Grundlage sowohl einer Regelungsals auch einer Entscheidungspflicht die sich aus § 242 BGB ergebende reziproke63 verbandsrechtliche Förderpflicht. Aus dieser lässt sich inhaltlich eine wechselseitige 58

BGHZ 105, 306 ff. = NJW 1989, 1724 ff. Vgl. im Einzelnen K. Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: FS R. Lukes (1987), S. 809 ff. 60 Für diese Einschränkung BGH NJW 1999, 1326 (1327). 61 Vgl. im Einzelnen K. Vieweg (Fn. 16), S. 229 ff. (insb. 234 ff.). 62 K. Vieweg (Fn. 16), S. 244 ff. 63 BGHZ 110, 323 (330) = BGH NJW 1990, 2877 (2879). 59

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Informationspflicht von Verband und Mitgliedern ableiten. Die generell-abstrakten Regelungen der Verbände müssen so detailliert sein, dass sie für die Mitglieder eine zuverlässige Informationsquelle sind, auf die sie nicht nur ihr aktuelles Verhalten, sondern auch langfristige Entscheidungen stützen können. Ebenso besteht für den Verband eine Pflicht zur Beobachtung der Entwicklung und gegebenenfalls zu einer Anpassung der Verbandsregelungen. Schließlich folgt daraus auch eine verbandsrechtliche Entscheidungspflicht im Einzelfall. In inhaltlicher Hinsicht ergibt sich, dass die Verbandsregelungen dem Kontrollmaßstab des § 242 BGB genügen müssen, insbesondere sachlich nicht ungerechtfertigt diskriminieren dürfen.

V. Differenzierungsgebote Die Problematik unterschiedlicher Behandlung von Sportlern bei der Sportausübung kann auch aus umgekehrter Perspektive betrachtet werden. Zu fragen ist, ob es Situationen gibt, in denen der benachteiligende Verband oder Verein nicht nur ausnahmsweise von einem grundsätzlich bestehenden Diskriminierungsverbot abweichen darf, sondern aufgrund eines Differenzierungsgebotes verschiedene Sportler sogar ungleich behandeln muss. Wie eingangs erwähnt, unterscheidet man mehrheitlich bei Sportwettkämpfen zwischen männlich und weiblich, alt und jung, schwer und leicht. Im Bereich des motorisierten Sports gibt es Klassifizierungen nach Hubraumgröße; beim Skilanglauf und Ringen wird nach der Stilart differenziert. Schließlich erfolgen Einteilungen nach dem Erfolg der sportlichen Leistung (Ligenbildung) und nach dem Kriterium der berufsmäßigen Ausübung in Amateurund Profibereich. Fraglich ist, ob es Fallgestaltungen gibt, in denen ein Verband rechtlich gehalten ist, Wettbewerbe differenzierter auszuschreiben, als er es bisher getan hat. Als Anspruchsteller kommen sowohl Verbandsmitglieder in Betracht, die eine Veränderung herbeiführen wollen, als auch solche, die von etwaigen Veränderungen tangiert wären und sie deshalb vermeiden wollen. Die Gründe für derartige Begehren sind disparat. Sie können zum einen in dem Wunsch nach Gewährleistung von Chancengleichheit liegen (dazu 1.). Beispielsweise könnte ein älterer Sportler in einem Alterswettkampf die Zusammenfassung von fünf kalendarischen Jahrgängen in einem Wettbewerb – üblich z. B. bei den Altersturnern – mit der Begründung monieren, er habe gegen die bis zu fünf Jahre jüngeren Konkurrenten regelmäßig keine Chance. Ähnliches ist für das Differenzierungskriterium Gewicht denkbar. Schließlich ist das Verlangen eines rechtshändigen Boxers oder Fechters denkbar, nicht gegen Linkshänder antreten zu müssen, weil er sich motorisch und psychologisch auf den „Normalfall“ – Gegner ist Rechtshänder – eingestellt habe. Zum anderen könnte die Sorge um die Erhaltung des Charakters einer Sportart zu einer Triebfeder des Anspruchstellers werden (dazu 2.). So könnte – zugegebenermaßen ein recht spektakulärer Fall – ein Eiskunstlaufpaar verhindern wollen, dass der Verband einem gleichgeschlechtlichen Paar die Starterlaubnis im selben Wettbewerb erteilt.

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Schließlich können andere Gründe für den Wunsch nach Differenzierung maßgeblich sein. So könnte das gleichgeschlechtliche Paar es ablehnen, gemeinsam mit „normalen“, d. h. verschiedengeschlechtlichen Paaren anzutreten und seinen eigenen Wettbewerb verlangen. Ob der Verband zu einem bestimmten Vorgehen gezwungen werden kann, ist gleichbedeutend mit der Frage nach der Existenz von Differenzierungsgeboten im Sport. 1. Differenzierungsgebote aus Gründen der Chancengleichheit Differenzierungsgebote sind als solche dem Recht nicht unbekannt. So ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht nur die Pflicht des Gesetzgebers, wesentlich Gleiches gleich, sondern ebenfalls das Gebot, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln.64 Im Vereinsrecht gilt ebenfalls der Gleichbehandlungsgrundsatz.65 Er ergibt sich aus der Treuepflicht des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern.66 Die Bindung des Verbands an das Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich zudem auf Sportler, die sich durch Vertrag den Verbandsnormen unterworfen haben.67 Die Verbände müssen somit ein Auge darauf haben, dass die auf die Einzelmitglieder der Mitgliedsvereine erstreckten Ordnungen dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen.68 Bereits aus seinem Charakter als Gleichheitssatz kann wie aus Art. 3 Abs. 1 GG die Pflicht zur Differenzierung folgen, da es sich dabei im Grunde ebenfalls um Gleichbehandlung handelt.69 Ferner kann speziell im Sport dem Fairnessgebot rechtliche Bedeutung zukommen. Das Fairnessgebot ist zwar aufgrund der vielen Bedeutungen, die dem Wort „fair“ beigelegt werden, kein scharf abgrenzbarer Begriff. Dennoch lassen sich ihm, wie ich an anderer Stelle70 dargelegt habe, einerseits ein Verhaltensmaßstab und andererseits eine Verfahrensvorgabe entnehmen. Während das Fairnessgebot als Verhaltensmaßstab die Einhaltung der Regeln des Sports einfordert,71 dient es als Verfahrensvorgabe der Gewährleistung der Gleichheit der Wettkampfbedingungen,72 welche – dem Leistungsgedanken des Sports folgend – Grundvoraussetzung für gerechte, weil auf vergleichbaren Leistungen beruhende Ergebnisse sind. Ist es 64 Jarass/Pieroth-Jarras, GG, 3. Aufl. (1995), Art. 3 Rn. 5; Sachs-Osterloh, Grundgesetz, 2. Aufl. (1999), Art. 3, Rn. 83; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. (1999), Art. 3, Rn. 13; kritisch Maunz/Dürig-Maunz, Grundgesetz, Stand: Februar 2004, Art. 3, Rn. 321. 65 Vgl. hierzu im Einzelnen B. Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10. Aufl. (2005), Rn. 771 ff. 66 B. Reichert (Fn. 65), Rn. 771. 67 B. Reichert (Fn. 65), Rn. 772. 68 B. Reichert (Fn. 65), Rn. 772. 69 Vgl. Maunz/Dürig-Maunz (Fn. 64), Art. 3, Rn. 321. 70 K. Vieweg (Fn. 19), S. 1270. 71 K. Vieweg (Fn. 19), S. 1270. 72 K. Vieweg (Fn. 19), S. 1268.

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jedoch Inhalt des Fairnessgedankens, dass die für einen Wettkampf maßgeblichen Regeln Chancengleichheit gewährleisten müssen, so kann Adressat des Fairnessgebots in dieser Ausprägung nur der Normgeber, also der jeweilige Spitzenverband sein. Rechtliche Grundlage für die Bindung des Verbands an den Grundsatz der Fairness ist verbreitet eine satzungsmäßige Festlegung.73 Fehlt diese, so kann sich eine Bindung auch aus § 242 BGB ergeben.74 Der hier interessierende Anspruch des Sportlers als Normunterworfenem auf Schaffung fairer, d. h. Chancengleichheit gewährleistender Regeln – die Einhaltung des Differenzierungsgebots – kann jedoch nur dann gegeben sein, wenn der Pflicht des Normgebers ein Recht des Sportlers auf Regelerfüllung entspricht, der Sportler also aktivlegitimiert ist. Als Rechtsposition kommen hier die (mittelbare) Mitgliedschaft des Sportlers im (Spitzen-)Verband sowie ggf. eine vertragliche Beziehung in Betracht.75 Das (verbandsrechtliche) Differenzierungsgebot setzt – geht man von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus – eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem voraus. Erste Voraussetzung eines (verbandsrechtlichen) Differenzierungsanspruchs ist damit die vom Verband praktizierte oder beabsichtigte Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Diese Gleichbehandlung kann z. B. durch die Zusammenfassung von Wettkämpfern in einem Wettbewerb erfolgen, obwohl das objektive Leistungsvermögen der erfassten Wettkämpfergruppen unterschiedlich ist. Die Ungleichheit muss sich daraus ergeben, dass sich die Leistungen der zu vergleichenden Sportlergruppen insbesondere aufgrund unterschiedlicher körperlicher, technischer oder stilistischer Voraussetzungen nicht miteinander vergleichen lassen. Sind Altergruppen zusammengefasst, deren körperliche, für die Ausübung der Sportart wichtige Entwicklung sehr unterschiedlich ist (z. B. 10- bis 14-jährige oder 50- bis 70-jährige Sportler), so liegt hierin die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ungerechtfertigt ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts76 zu den staatsrechtlichen Differenzierungsmöglichkeiten liefert einen methodischen Ansatz auch für das Verbandsrecht. Eine differenzierte Behandlung zweier Sachverhalte ist danach zulässig, wenn das Differenzierungsziel und das Differenzierungskriterium verfassungsgemäß sind und das Verhältnis zwischen dem Ziel und dem Kriterium angemessen ist.77 Für den umgekehrten Fall der Gleichbehandlung

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K. Vieweg (Fn. 19), S. 1271. K. Vieweg (Fn. 19), S. 1271. 75 Vgl. zu den Bindungsmöglichkeiten BGHZ 128, 93 (96 f.; 103 f.) (Reiterliche Vereinigung); dazu K. Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff. 76 BVerfGE 55, 72 (88); 68, 287 (301); 82, 60 (86). 77 Vgl. von Münch/Kunig-Gubelt, Grundgesetzkommentar, Band 1, 4. Aufl. (1992), Art. 3, Rn. 14. 74

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zweier Sachverhalte ließe sich dieses aus der sog. „Neuen Formel“78 resultierende Abwägungserfordernis dahingehend umformulieren, dass eine Gleichbehandlung zweier Sachverhalte dann zulässig ist, wenn das Gleichbehandlungsziel und das Gleichbehandlungskriterium verfassungsgemäß sind und das Verhältnis zwischen dem Ziel und dem Kriterium angemessen ist. Der Fall, dass wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, kommt in der forensischen Praxis selten vor79, so dass das Bundesverfassungsgericht nur vereinzelt Gelegenheit hatte, sich zu dieser Konstellation zu äußern80 und eine Entsprechung der „Neuen Formel“ im Bereich der Gleichbehandlung noch nicht formuliert hat.81 Allerdings wird man sagen können, dass eine Gleichbehandlung zweier Sachverhalte jedenfalls dann unzulässig ist, wenn für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass der Gesetzgeber – analog hier der normgebende Verband – sie bei seiner Regelung beachten muss.82Letztlich läuft es wie im Bereich der Diskriminierungsverbote auf eine Abwägung der Interessen des Verbands einerseits und der Interessen des Sportlers als (mittelbarem) Verbandsmitglied bzw. als durch (Lizenz-)Vertrag Unterworfenem andererseits hinaus. Führt eine Verbandsregelung nach Ansicht eines Sportlers zu einem Mangel an Chancengleichheit, ist zu prüfen, ob die Ziele, die für die betreffende Regelung sprechen, mit dem Interesse des Sportlers an Chancengleichheit zu einem möglichst schonenden Ausgleich gebracht worden sind. Ein sachlicher Grund kann beispielsweise darin bestehen, dass bei einer nicht ausreichenden Zahl von Wettkämpfern in einer Altersgruppe die Zusammenfassung mehrerer Altersjahrgänge einen sportlichen Wettbewerb überhaupt erst ermöglicht. Im Rahmen der Rechtfertigungsbetrachtung könnten auch Alternativlösungen des Verbands einbezogen werden. So ließe sich daran denken, zwar mehrere Altersjahrgänge in einem Wettkampf zusammenzufassen, zugleich jedoch die Bewertung der Leistung – quasi als milderes Mittel – differenziert-abgestuft vorzunehmen. Beispielsweise könnte beim Hoch- oder Weitsprung im Rahmen eines Leichtathletikmehrkampfs älterer Sportler die Höhe bzw. Weite – nach Altersjahrgängen gestaffelt – mit einer differenzierenden Punktewertung in Beziehung gesetzt werden, die dem altersbedingt verschiedenen durchschnittlichen Leistungspotential angemessen Rechnung trägt. Dieser Aspekt leitet über zur Frage eines Gestaltungsfreiraums für den Verband. Mit Blick auf eine mögliche Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB und die Zurückhaltung

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Vgl. dazu Sachs-Osterloh (Fn. 64), Art. 3, Rn. 13. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. (1996), § 24, Rn. 129; Sachs, Staatsrecht II, Grundrechte, 2. Aufl. (2003), S. 225, Rn. 41. 80 BVerfGE 4, 31 (42). 81 Sachs (Fn. 79), S. 226, Rn. 46. 82 Schmidt-Bleibtreu/Klein (Fn. 64), Art. 3, Rn. 13c. 79

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staatlicher Gerichte hinsichtlich verbandsspezifischer Wertungen83 ist dem Verband – entsprechend der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers84 – ein Gestaltungsfreiraum zuzugestehen. Dessen Grenzen ergeben sich aus § 242 BGB. 2. Differenzierungsgebote aus sonstigen Gründen Das Interesse an Differenzierung kann nicht nur durch das Ziel der Chancengleichheit, sondern auch durch andere Gründe motiviert sein. In Betracht kommt hierbei insbesondere der Wunsch nach Erhaltung des Charakters der bisher praktizierten Sportart. So könnten im Fall des gleichgeschlechtlichen Eiskunstlaufpaares konservative Mitglieder des Verbands die Ansicht vertreten, der Paarlauf sei definitionsgemäß verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten. In einem solchen Fall könnten die Chancen, den Wettkampf als sportlich bestes Paar zu beenden, gleich sein, so dass nicht von einer Benachteiligung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG sowie des vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes oder des Fairnessgebots die Rede sein kann. Da es primär Aufgabe des Verbands sein muss, den Charakter einer Sportart festzulegen, ist in diesen Fällen die Aktivlegitimation des Sportlers problematisch. Eine Aktivlegitimation in Form eines vereinsrechtlichen Anspruchs des Sportlers, die satzungsmäßig zum Förderziel ernannte Sportart zu fördern, könnte jedoch dann gegeben sein, wenn es einen objektiven, von den Vorstellungen des Verbands losgelösten Charakter der jeweiligen Sportart gäbe und der Verband von diesem abweichen wollte. In diesem Fall wäre für die Einführung des neuen, charakterändernden Elements eine Änderung des Vereinszwecks durch die Mitgliederversammlung erforderlich. Bis zu deren Beschlussfassung dürfte eine Aktivlegitimation des einzelnen Mitglieds auch zum reinen Schutz des Charakters der Sportart gegeben sein. Bleibt die durch das neu eingebrachte Element bewirkte Änderung des Erscheinungsbildes der Sportart unterhalb der Schwelle der Charakterveränderung, ist der Verband – zumindest gegenüber dem Einzelmitglied – frei, diese einzuführen, solange die Chancengleichheit nicht tangiert ist. Eine weitere Triebfeder des Wunsches nach Differenzierung könnte das Streben nach sozialer Anerkennung von Sondergruppen sein. Zu sprechen komme ich damit wiederum auf den Fall des gleichgeschlechtlichen Tanzpaares. Wenn sich dieses z. B. aus Gründen des „gay pride“ gerade nicht zusammen mit den verschiedengeschlechtlichen Paaren präsentieren, sondern einen eigenen Wettbewerb austragen möchte, geht es in der Tat nicht um Gleichbehandlung, sondern um materielle Gleichstellung.85 Der Unterschied zu positiven Maßnahmen gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG liegt darin, dass Gleichstellung (hier bezogen auf die o. g. Außenwirkung 83

K. Vieweg (Fn. 16), S. 235 f. Von Münch/Kunig-Gubelt (Fn. 77), Art. 3, Rn. 23; Schmidt-Bleibtreu/Klein (Fn. 64), Art. 3, Rn. 13b. 85 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Gleichbehandlung und Gleichstellung L. Fastrich, RdA 2000, 65 (68 f.). 84

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der Sportausübung) nicht durch Gleich-, sondern durch Ungleichbehandlung erreicht werden soll. Fraglich ist jedoch, ob ein Verband als private Organisation verpflichtet sein kann, die tatsächliche Gleichstellung von Sondergruppen zu fördern. Dies könnte allenfalls unter den Voraussetzungen der §§ 826 BGB, 20 Abs. 6 GWB in Betracht kommen. In die Abwägung wären einerseits die Schwierigkeiten einzustellen, die der Sondergruppe wegen der Besetzung der Infrastrukturen (Hallen, Plätze) und des „Platzes“ durch den Verband im Rahmen des DSB zu gewärtigen hätte. Andererseits wäre zu fragen, inwieweit sich der Charakter der Sportart bei Ausübung durch die Sondergruppe ändert, ob sich der Verband bei Anerkennung der „neuen Sparte“ z. B. der Gefahr der Streichung einer anderen olympischen Disziplin aussetzt und ob der Sondergruppe die Teilnahme im Rahmen des herkömmlichen Wettbewerbs angeboten wurde. Insbesondere im letzten Fall dürfte ein Anspruch auf einen eigenen Wettbewerb regelmäßig ausgeschlossen sein.

VI. Zusammenfassung Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote sind ein großes Thema. Die „klassische“Aufnahme- und Ausschlussproblematik, die Verbände, Rechtsprechung und Wissenschaft seit Jahrzehnten beschäftigt, resultiert aus dem Ein-Platz-Prinzip. Die Zustimmung verdienende Rechtsprechung des BGH läuft letztlich auf eine Abwägung der Interessen von Verband und Aufnahmeinteressent hinaus. Die Umsetzung in Verbandssatzungen ist weitgehend erfolgreich gewesen, so dass es im letzten Jahrzehnt nur noch wenige Streitfälle gegeben hat. Die anstehenden Änderungen der DSB-Aufnahme-Richtlinien werden das Konfliktpotenzial noch weiter verringern. Dennoch sind die Aufnahmeproblematik und das EinPlatz-Prinzip kein akademisches Problem. Im Blick sind zu halten mögliche verbandsorganisatorische Abspaltungen neuerer von traditionellen Sportarten (z. B. Trampolin und Kunstturnen) sowie die Bemühungen religiös geprägter Gruppen, die unter dem Deckmantel des Sports Fördermittel und Hallenzeiten zugewiesen bekommen möchten. Diskriminierende Teilnahmemodalitäten können sich aus Verbandsnormen ergeben. Korrektiv ist insofern die Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB, die eine optimale mittelbare Drittwirkung der Grundrechte unter Einbeziehung der berührten Interessen ermöglicht. Einem Normenmangel mit Diskriminierungseffekt ist aufgrund der sich aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht ergebenden Regelungs- und Entscheidungspflicht im Zusammenspiel mit der Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB zu begegnen. Verbandsrechtliche Differenzierungsgebote finden ihre Grundlage im verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot sowie im Fairnessgebot. Ein Differenzierungsanspruch der betroffenen Sportler setzt die ungerechtfertigte Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem voraus. Den Verbänden ist insofern ein angemessener Gestaltungsfreiraum für verbands- und sportartspezifische Wertungen zuzubilligen.

Sachverständigenanhörung in der Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages am 27. 09. 2006* I. II. III. IV.

Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dopingkontrollen, Dopinganalytik und Anti-Doping-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtspolitisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Allgemeiner Teil 1. Wie sehen Sie die aktuelle Situation (national und international) des Doping im Spitzen- und Breitensport? Auch wenn keine aussagekräftigen Statistiken verfügbar sind, ist davon auszugehen, dass es sich beim Doping im Spitzensport und im Breitensport (im Sinne von Wettkampfsport) um ein Dauerproblem handelt. In dem von mir beobachteten Zeitraum von knapp 3 Jahrzehnten haben sich Mittel, Methoden und Marktgegebenheiten gewandelt, nicht zuletzt aufgrund einer deutlichen Verbesserung der Dopinganalytik und des Dopingkontrollsystems. Bildlich kann man von einem Hase-Igel-Wettlauf sprechen. Die Dopinghäufigkeit dürfte insbesondere von der Sportart, dem Grad der Kommerzialisierung und Professionalisierung, der damit verbundenen Leistungserwartung sowie der Beurteilung des Konkurrentenverhaltens („Dopt die Konkurrenz?“) abhängen. Bedauerlich ist, dass aussagekräftige Daten nicht vorliegen und dass das Bild in der Öffentlichkeit durch spektakuläre Fälle (Johnson, Krabbe, Baumann, Armstrong, Ullrich) geprägt wird. Die Statistiken der NADA und die offenkundige Diskrepanz zwischen der Produktion dopinggeeigneter Substanzen und dem therapeutisch indizierten Bedarf vermögen nur Schlaglichter auf die Situation zu werfen. 2. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die aktuell angeprangerte Verwendung von dopinggeeigneten Substanzen im Freizeit- und Fitnessbereich? Der Freizeit- und Fitnessbereich ist m. E. nicht als „Gegenwelt“ zum beruflichen Alltag zu sehen. Auch dort ist der Gebrauch dopinggeeigneter Substanzen (insbesondere Stimulanzien und Narkotika) verbreitet. Eine „gespaltene Mentalität“ zwischen * Erstveröffentlichung als Ausschussdrucksache Nr. 62 des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, vert. am 26. 09. 2006 – Antworten zu dem Fragenkatalog des Sportausschusses.

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Beruf einerseits und Freizeit-/Fitnessbereich andererseits ist wenig plausibel. Nach einer Untersuchung von H. Striegel (Antidoping-Beauftragter des LSB Baden-Württemberg/Universität Tübingen) nehmen 13,5 % der ca. 4,5 Mio. Nutzer deutscher Fitnessstudios Anabolika (98,5 %) oder andere leistungssteigernde Substanzen ein. Der finanzielle Aufwand für den jährlichen Bedarf an dopinggeeigneten Substanzen wird auf ca. 500 E/Doper geschätzt. Hieraus resultiert ein deutsches Marktvolumen von über 300 Mio. E/Jahr. Dabei sollen ca. 50 % der Beschaffungen aus Apotheken sowohl mit als auch ohne Rezept erfolgen. 3. Welche Bestandteile müsste Ihrer Auffassung nach eine Präventionsstrategie gegen das Doping beinhalten und welche Trägereinrichtungen (Bund, Länder, Sportorganisationen, Gesundheitswesen) sollten diese Präventionsstrategie ausführen? Eine Präventionsstrategie knüpft zweckmäßigerweise an die Dopingmentalität an. Insofern sind m. E. wissenschaftliche Studien z. B. durch Befragungen der relevanten Gruppen unter strikter Beachtung der Vertraulichkeit erforderlich. Die Information über die gesundheitlichen Risiken und die sportethischen Aspekte sollte dann nach dem Näheprinzip durch alle in Betracht kommenden Trägereinrichtungen in geeigneter Form (Schriften, Fernsehspots, elektronische Diskussionsforen usw.) erfolgen. Dabei sollte – schon aus Gründen der Überzeugungskraft – zwischen den gesundheitlichen Risiken für die verschiedenen Gruppen von Dopingsubstanzen differenziert werden. Weitere strategische Überlegungen – Konzessionierung der Fitness-Studios, Ausweitung der Kontrollen, Bildung unabhängiger Medizinerkommissionen bezüglich des therapeutischen Einsatzes von Dopingsubstanzen und Verbesserung der Ausbildung der Zollfahnder, Polizisten und Staatsanwälte – werden bei den betreffenden Fragepunkten näher erläutert.

II. Dopingkontrollen, Dopinganalytik und Anti-Doping-Forschung 4. Ist das Dopingkontrollsystem effektiv genug, um auch schwer nachweisbare Dopingmethoden wie z. B. Blutdoping oder andere Dopingsubstanzen (z. B. Designersteroide) festzustellen? Durch welche Maßnahmen müssen Lücken geschlossen werden? Die Frage kann am besten durch die Labore beantwortet werden. 5. Welche Erkenntnisse gibt es über den Umfang der Bestellungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel wie auch anderer Mittel zum Zwecke des Dopings über das Internet? Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesen Missbrauch zu unterbinden? Erscheint Ihnen z. B. eine die Einführung einer Kennzeichnungspflicht oder die Einschränkung des freien Warenverkehrs sinnvoll und durchsetzbar?

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Die Bestellung über Internet ist eine Marktentwicklung der letzten Jahre. Die allgemeine Problematik der Zulassung von Internet-Apotheken bekommt insofern einen zusätzlichen speziellen Aspekt. Angesichts der offenkundigen – z. T. erheblichen – Diskrepanz zwischen der Produktion dopinggeeigneter Substanzen und dem therapeutisch indizierten Bedarf ist eine Transparenz der Betriebswege wünschenswert. Nachdenkenswert ist eine Kennzeichnungspflicht der Produzenten und sind Dokumentationspflichten des Handels, die allerdings nicht im nationalen Alleingang erfolgen sollten. Nach meiner Einschätzung wäre eine Einschränkung des freien Warenverkehrs in Form eines Verbots des Internethandels anaboler Steroide europarechtskonform. Problembewusstsein und Engagement im Anti-Doping-Kampf sind bei der Europäischen Kommission durchaus vorhanden.1 Der Regelungsvorschlag der Rechtskommission des Sports gegen Doping (ReSpoDo)2 ist eine gute Basis für das weitere Vorgehen. Zweifelhaft ist allerdings die Effizienz derartiger Maßnahmen. Nicht unwahrscheinlich ist, dass in der Praxis solche Beschränkungen umgangen werden und ein Ausweichen auf den „grauen Markt“ erfolgt. 6. Wie beurteilen Sie die Qualität und Quantität der Dopingkontrollen (je nach Sportart national und international), um Doping effektiv nachweisen zu können? Trotz signifikanter Verbesserungen in den letzten Jahren besteht sowohl national als auch international ein Effizienzgefälle, das sich v. a. aus dem Maß der Ernsthaftigkeit der Anti-Doping-Bemühungen, den finanziellen Möglichkeiten und der Infrastruktur erklärt. Insbesondere die zeitnahe Realisierung unangekündigter Trainingskontrollen ist – trotz sehr weitgehender Informationspflichten der Athleten hinsichtlich ihres Aufenthaltsortes – in der Praxis ein signifikantes Problem. 7. Welche Gefahren gibt es durch Gendoping und wie verbreitet ist diese Dopingmethode bzw. welche Entwicklung zeichnet sich ab? Die Gendoping-Problematik muss m. E. im Auge behalten werden. Erforderlich sind intensive interdisziplinäre Diskussionen sowohl auf nationaler Ebene („Runder Tisch Gendoping“ des DOSB) als auch international. Insofern sei nur auf die Studie des Netherlands Centre For Doping Affairs (NeCeDo) aus dem Jahre 2004 hingewiesen.

1 Andreu, Plan für den Beitrag der Gemeinschaft zur Dopingbekämpfung in: Röhricht/ Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, S. 99 ff. 2 Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping v. 15. 06. 2005, S. 23 f., abrufbar unter https://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/downloads/dosb/endfassung_ abschlussbericht.pdf.

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III. Rechtspolitisch 8. Welches Rechtsgut bzw. welche Rechtsgüter können bei Besitz oder durch die Einnahme von Dopingmitteln berührt sein? Bedarf es zum Schutz dieses Rechtsgutes bzw. dieser Rechtsgüter eines Anti-Doping-Gesetzes? Herkömmlicherweise werden drei Zwecke des sportrechtlichen Dopingverbots genannt: die Gesundheit der Athleten, die Chancengleichheit im Wettbewerb und das Ansehen des Sports generell bzw. der betreffenden Sportart. Der Schutz finanzieller Interessen anderer (Zuschauer, Konkurrenten, Sponsoren usw.) ist bisher kein Zweck des sportrechtlichen Dopingverbots. Dasselbe gilt für die „Volksgesundheit“. Der bloße Besitz von Dopingmitteln wird von den Sportverbänden nicht sanktioniert. Der Frage, ob es eines Anti-Doping-Gesetzes bedarf, ist vorgelagert die verfassungsrechtliche Problematik der Zulässigkeit des Schutzes dieser Rechtsgüter durch ein solches Gesetz, das jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit und gegebenenfalls in die Berufsfreiheit sowie in die körperliche Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung eingreifen würde. Insofern ist nach den drei genannten Zwecken zu differenzieren: Hinsichtlich des Dopingverbotszwecks der Gesundheit des Athleten ist unstreitig, dass es „keine Pflicht zur gesundheitsgemäßen Lebensführung“ gibt.3 Die aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Schutzpflicht des Staates greift bei den mit dem Doping verbundenen Gesundheitsrisiken für die Athleten noch nicht ein. Dies hat in überzeugender Klarheit der Richter des Bundesverfassungsgerichts U. Steiner wie folgt4 formuliert: „Die Frage der staatlichen Duldung von Gesundheitsrisiken im Sport und durch den Sport lässt sich eben nicht trennen von der allgemeinen Einsicht, dass der Gedanke der gesetzlichen Untersagung oder Unterbindung einer vermeidbaren gesundheitlichen Selbstgefährdung oder Selbstschädigung nicht zu Ende gedacht werden kann, ohne dass das freiheitliche Lebensgefühl einer Gesellschaft wesentlich beeinträchtigt würde. Anders formuliert: Das Recht auf Selbstschädigung – der Schädigung des Vermögens, des Ansehens und eben auch des eigenen Körpers – ist eine zentrale Freiheitsdimension. Der Gesetzgeber, der interveniert, um die Gesundheit des einzelnen gegen dessen Willen und gegen den augenblicklichen Vorteil der gesundheitlichen Selbstschädigung zu schützen, steht vor einer schwierigen Abwägung mit verfassungsrechtlich offenem Ausgang. Zu Recht nimmt das geltende Strafrecht deshalb die Eigenanwendung von Dopingmitteln von der Strafdrohung aus (§ 6 a AMG).“

Erhellend ist insofern der Vergleich mit anderen Gesundheitsrisiken, auf die der Gesetzgeber nicht mit Verboten reagiert hat. Für Deutschland ist von ca. 110.000 – 3

Tettinger, Die Dopingproblematik im Lichte der europäischen Grundrechtediskussion, in: Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, 1998, S. 90, 98 m. w. N. 4 Steiner, Doping aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), DopingForum, 2000, S. 125, 128.

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140.000 tabakbedingten Todesfällen/Jahr (Drogen- und Suchtbericht 2006) sowie von ca. 14.400 Toten durch Folgen des Passivrauchens (Angabe der Europäischen Kommission) auszugehen. Bei 1,6 Mio. Alkoholabhängigen (Drogen- und Suchtbericht 2006) sind ca. 40.000 alkoholbedingte Todesfälle/Jahr zu beklagen. Die Zahl der Medikamentenabhängigen wird auf 1,5 – 1,9 Mio. geschätzt (Drogen- und Suchtbericht 2006). Durch den Konsum illegaler Drogen gab es 2005 1.326 Todesfälle (Drogen- und Suchtbericht 2006). Wenig beachtet ist bisher, dass Krankenhausinfektionen schätzungsweise 30.000 Todesfälle/Jahr in Deutschland verursachen (htttp:// www.medizin.de/Gesundheit/deutsch/1183.htm). In den Fokus der Öffentlichkeit ist bisher ebenfalls nicht die erstaunliche Zahl von 4.000 Todesfällen aufgrund von Verkehrslärm gelangt (Umweltbundesamt, Pressemitteilung Nr. 25/2006). Zentraler Zweck des sportrechtlichen Dopingverbots ist die Chancengleichheit. Hierbei darf nicht verkannt werden, dass es sich um ein Idealziel handelt, das nur annäherungsweise erreicht werden kann. Sportinfrastruktur, finanzielle und berufliche Absicherung sowie wissenschaftliche Unterstützung mögen insofern als Stichworte für strukturelle, kaum vermeidbare Chancenungleichheiten genügen. Hinzu kommt eine Bewertungsabhängigkeit: So wurde z. B. das Eigenblutdoping durch den Olympiasieger von 1972 und 1976 Lasse Viren seinerzeit als funktional gegenüber einem Höhentraining austauschbare Maßnahme angesehen. Blutdoping wurde durch das IOC erst in den 1980er Jahren verboten. Jetzt ist streitig, ob die Benutzung einer Unterdruckkammer auf die Liste der verbotenen Methoden genommen werden soll. Die WADA spricht sich im Moment noch dagegen aus. Vertretbar wäre die Auffassung, die Nutzung einer Unterdruckkammer als kostengünstigeren Ersatz im Vergleich zum Höhentraining und damit als Maßnahme zur Gewährleistung der Chancengleichheit zu bewerten. Falls Aussagen zutreffen sollten, dass z. B. bei der Tour de France mit ihren extremen Belastungen für den menschlichen Körper die weit überwiegende Zahl der Athleten nicht ohne Dopingunterstützung ihre Leistungen erbringen können, wäre für die Argumentation mit dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit kein Raum. Unter praktischen Gesichtspunkten ist zu bedenken, dass eine bestmögliche Chancengleichheit nur durch einen personalaufwändigen und damit kostenintensiven Vollzug – gleich ob durch den Sport oder den Staat – erreicht werden kann. Das „Ansehen der Sportart“ bzw. „des Sports insgesamt“ leidet durch Doping. Damit kann er einer ihm zugedachten Vorbildfunktion seiner Akteure nicht im gewünschten Maße gerecht werden. Sehr zweifelhaft ist allerdings, ob dieser Zweck so gewichtig ist, dass er einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Berufsfreiheit durch eine staatliche Anti-Doping-Gesetzgebung rechtfertigen kann. Insofern ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Gesamtsozialisation junger Menschen durch Eltern, Lehrer, Freundeskreis usw. Spitzensportlern üblicherweise nicht die zentrale Rolle zukommt. Eine größere Bedeutung mag ihnen im Zusammenhang mit der Sportsozialisation zukommen. Aber auch insofern sollte der Einfluss des Verhaltens von Spitzensportlern auf Breitensportler nicht überschätzt werden. Davon unabhängig bietet der Aspekt des Ansehens der Sportart bzw. des

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Sports keinen Anlass zur Pönalisierung. Athleten dürfen nicht zu Zwecken der Generalprävention instrumentalisiert werden. Ihre herausgehobene Stellung in der Öffentlichkeit darf nach hergebrachter und zutreffender Praxis z. B. kein verschärfender Aspekt bei der Strafzumessung sein. Der Gesetzgeber sollte von diesem Grundsatz nicht dadurch abweichen, dass er dopende Spitzensportler pönalisiert. Einer Pönalisierung sämtlicher Sportler sowohl im Spitzen- als auch im Breitensportbereich lässt sich ohnehin nicht mit dem Vorbildaspekt begründen. Eine umfassende Aufklärung über die Dopingproblematik ist im Übrigen für junge Menschen gut geeignet, Realitätssinn zu entwickeln sowie die beteiligten Interessen zu erkennen und kritisch zu bewerten. Dabei dürfte insbes. deutlich werden, dass der Sport als Teil des Wirtschaftslebens Schwierigkeiten hat, sich als Insel hehrer Werte zu behaupten. Im Ergebnis lässt sich verfassungsrechtlich ein Anti-Doping-Gesetz zum Schutz der Sportlergesundheit, der Chancengleichheit und des Ansehens der Sportart bzw. des Sports nicht rechtfertigen, da es in unzulässiger Weise in die allgemeine Handlungsfreiheit und gegebenenfalls in die Berufsfreiheit eingreift. Damit steht fest, dass dem Sport seine auf dem Subsidiaritätsprinzip basierende „Chance zur Selbstregulierung“5 verbleibt. Die Strafbarkeit eines sog. Sportbetrugs halte ich für so verfehlt, dass ich darauf nicht näher eingehen möchte. Unabhängig von der Frage, ob der informierte Zuschauer überhaupt getäuscht werden kann, und vermeidbaren Abgrenzungsfragen („Ist Wrestling Sport?“), sei folgende Bemerkung gestattet: Vertragliche Regelungen – auch mit etwaigen Beweiserleichterungen und Vertragsstrafen – sind deutlich probatere Mittel, die im Übrigen – insbes. was die Sponsoren betrifft – nach meinem Kenntnisstand noch nicht hinreichend ausgeschöpft sind. Die Regelungsinitiativen, die der Deutsche Fußball-Bund im Anschluss an den sog. Wettskandal im Jahre 2005 ergriffen hat, belegen, dass Verbandsregelungen differenziert, mit gutem Gespür für die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Praxis, den im professionalisierten und kommerzialisierten Sport kaum vermeidbaren Manipulationsproblemen effektiv entgegentreten können. In praktischer Hinsicht habe ich erhebliche Zweifel, ob eine staatliche Gesetzgebung und der damit verbundene personalaufwändige Vollzug angesichts knapper staatlicher Ressourcen auch und gerade bei der Strafverfolgung effizienter wären. In diesem Zusammenhang sei an die erhebliche Staatsentlastung erinnert, die die Praxis der Vereinsstrafen im deutschen Sport mit sich bringt. Nach den Berechnungen von Hilpert6 war im Bereich der „alten Bundesrepublik“ von einer Zahl von ca. 420.000 Disziplinarverfahren vor Sportgerichten auszugehen. Diese Zahl überstieg die Größenordnung der in der gesamten Arbeitsgerichtsbarkeit anhängigen Verfahren (unter 400.000) und war dreimal höher als die bei der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit eingegangenen Verfahren. Angesichts der bekannt starken Belastung 5 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 182 ff. 6 Hilpert, BayVBl. 1988, S. 161.

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der Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) ist nicht damit zu rechnen, dass in relevantem Umfang zusätzliche zeitliche Kapazitäten für Anti-Doping-Maßnahmen freigemacht werden können. Die Schaffung zusätzlicher Stellen dürfte in der gegenwärtigen Haushaltslage wenig realistisch sein. Naheliegend ist deshalb die Prognose, dass aus pragmatischen Gründen die Staatsanwaltschaften in Dopingsachen die verschiedenen Formen einer Verfahrenseinstellung nutzen werden, um aus ihrer Sicht die Prioritäten richtig zu setzen. 9. Sehen Sie mögliche Konflikte zwischen der ordentlichen und der sportlichen Gerichtsbarkeit? Aus verschiedenen Gründen sind gravierende Konflikte zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Strafgerichtsbarkeit) und der Sport(schieds)gerichtsbarkeit bei Verabschiedung eines Anti-Doping-Gesetzes, das den Besitz von Dopingsubstanzen unter Strafe stellt, zu erwarten. a) Die Doppelspurigkeit der Regelung würde hinsichtlich der erfassten Dopingsubstanzen möglicherweise zu Divergenzen führen. Die WADA-Liste verbotener Substanzen wird im Jahresturnus aktualisiert. Sie ist – sportrechtlich überwiegend als zulässig erachtet – als offene Liste formuliert, die auch „other substances with a similar chemical structure or similar biological effect(s)“ erfasst, damit insbes. die Einnahme sog. Designer-Drogen als Doping qualifiziert werden kann. Da dynamische Verweisungen generell und speziell auf Regelungen ausländischer nichtstaatlicher Organisationen wie die WADA nach einhelliger Auffassung als Verstoß gegen das Demokratieprinzip verfassungsrechtlich unzulässig sind, müsste die Aktualisierung der in einem Anti-Doping-Gesetz aufgeführten Substanzen zeitnah z. B. in Form einer Rechtsverordnung erfolgen. Damit würde der für das Sportrecht kennzeichnende Ansatz der Staatsentlastung zunichte gemacht. Hinzu kommt, dass zweifelhaft ist, ob die sportrechtlich akzeptierte offene Liste dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG) entsprechen würde oder ob gerade der Besitz dopinggeeigneter Designer-Substanzen nicht erfasst wäre. Insofern bedürfte es näherer Untersuchung, ob das durch Transformationsgesetz 1994 umgesetzte Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Doping einschließlich der Aktualisierungsmöglichkeit durch den Begleitenden Ausschuss dem Bestimmtheitsgebot des deutschen Verfassungsrechts und des Art. 7 Abs. 1 EMRK genügt. Diese Bedenken gelten entsprechend für § 6 a AMG. Nach den vorliegenden Erfahrungen kann nicht ohne weiteres damit gerechnet werden, dass staatlicherseits zeitnah Anpassungen erfolgen. Die nach § 6 a Abs. 3 AMG mögliche Festlegung zusätzlicher Stoffe durch Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit ist im Zeitraum von 1998 bis 2006 nicht erfolgt. Auf europäischer Ebene erfolgte Aktualisierungen durch den Begleitenden Ausschuss sind damit bisher nicht in den Willen des Bundesgesetzgebers aufgenommen worden. b) Zu Recht wird in der aktuellen Diskussion die Frage des Verschuldenserfordernisses und der unterschiedlichen Beweisgrundsätze hervorgehoben, so dass hier ein

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kurzer Hinweis genügt. Der Grundsatz der strict liability in Verbindung mit der Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises einerseits sowie das Verschuldenserfordernis, der rechtsstaatliche nemo tenetur-Grundsatz und das Verfassungsprinzip „in dubio pro reo“ andererseits lassen als sicher divergierende Entscheidungen erwarten, die aus general- und spezialpräventiver Sicht unbedingt vermieden werden sollten. c) Nach den mir berichteten Erfahrungen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene erfolgt die Ahndung von Dopingverstößen durch Sport (schieds)gerichte schon deshalb signifikant zügiger als durch staatliche Strafverfolgungsbehörden, um die Frage der Startberechtigung bzw. Sperre zeitnah zu klären. d) Angesichts der knappen Ressource Strafverfolgung und Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass in der Praxis von den gesetzlichen Einstellungsmöglichkeiten in großzügiger Weise Gebrauch gemacht wird, um eine weitere Steigerung der schon jetzt kaum zu bewältigenden Überlastung zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Prognose realistisch sein, dass es – wie wohl im Springstein-Prozess – zu „Deals“ kommt. Diese zu erwartende Praxis würde hinsichtlich der Aufklärung von Dopingtaten demotivierend wirken. e) Die Schaffung eines Doping-Straftatbestandes würde möglicherweise zur Konsequenz haben, dass die Bereitschaft der Sportverbände, die Dopingbekämpfung als eigene Aufgabe zu begreifen und diese ernsthaft zu erfüllen, abnimmt und ihnen das Argument geliefert wird, dass „der Staat es auch nicht besser kann“. Nicht unwahrscheinlich ist, dass einzelne Sportverbände die Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden abwarten, um die eigenen Haftungsrisiken aufgrund etwaiger Fehlentscheidungen zu reduzieren. Die Insolvenz des britischen Leichtathletikverbandes als Konsequenz von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit Dopingentscheidungen dürfte in lebhafter Erinnerung sein. 10. Wie beurteilen Sie das Vorhaben einer Strafbarkeit des Besitzes von Dopingmitteln, auch vor dem Hintergrund der Selbstgefährdung und einer möglichen Einschränkung der individuellen Handlungsfreiheit? Ergänzend zu den Ausführungen oben unter III. 8. und 9. sei Folgendes ausgeführt: Den bloßen Besitz von Dopingmitteln strafrechtlich zu sanktionieren, stößt auf tiefgreifende (verfassungs-)rechtliche Bedenken und praktische Probleme. Zunächst wird sich die Frage, ob ein Sportler überhaupt Besitz an den fraglichen Substanzen erlangt hat, in der Praxis vielfach nicht befriedigend beantworten lassen. Eindeutige Fälle, in denen Sportler die Dopingmittel bei sich zu Hause bzw. in ihnen zurechenbaren Gewahrsamssphären (Pkw, Spinde) aufbewahren, stellen praktisch den Ausnahmefall dar. Lässt sich der Sportler das Mittel unmittelbar von einem Dritten (Arzt, Trainer etc.) verabreichen, hat er daran zu keiner Zeit den Besitz im Rechtssinne erlangt. Denn mit der Verabreichung des Mittels geht dessen Sachqualität ver-

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loren. Diese Konstellation dürfte praktisch die größte Relevanz haben. Eine Strafandrohung liefe damit in einer Vielzahl von Fällen leer. In allen anderen Fällen, in denen der Sportler die Substanz selbst aktiv einnimmt, muss die Frage eines vorangegangen Besitzes geklärt werden. Besitz wird definiert als die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft.7 Nur schwierig beurteilt sich danach etwa die Besitzlage bei Dopingmitteln, die sich in allgemein zugänglichen Räumen der Sportstätten insbes. der Vereine und Kommunen befinden. Ist allein der Verein Besitzer (Stichwort: Organbesitz)? Haben alle Vereinsmitglieder (Sportler) gleichstufigen Mitbesitz? Oder ist eine Besitzposition der Sportler stets oder in aller Regel abzulehnen? Die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen bei gemeinsamen Hotelaufenthalten, in Sportinternaten etc. Den Besitz großzügig zu bejahen, würde in der Praxis lediglich Ausweicherscheinungen hervorrufen – Dopingsubstanzen würden noch weiter als bisher auf Dritte (insbes. Ärzte) ausgelagert werden; den Besitz hätte dann zweifelsfrei allein der Dritte inne. Insgesamt sind erhebliche Beweisführungsprobleme (vor allem auch bei der Vorsatz- und Schuldfrage) vorprogrammiert. Schutzbehauptungen des Sportlers dürften in vielen Fällen eine effektive Sanktionierung wesentlich erschweren. Problematisch erscheint überdies der Strafgrund für eine Sanktionierung des bloßen Besitzes von Dopingmitteln. Zieht man eine Parallele zu AMG und BtMG, so scheint die Antwort auf den ersten Blick klar zu sein. Der Besitz bestimmter Substanzen stellt eine Gefahr für die Volksgesundheit dar, droht doch jederzeit ein weiteres Inverkehrbringen der schädlichen Mittel. Während jedoch die Gesundheitsgefahren von Arznei- und Betäubungsmitteln wissenschaftlich belegt sind, fehlen substantiierte Erkenntnisse über mögliche gesundheitliche Folgen des Dopings (siehe oben). Wissenschaftliche (Langzeit-)Studien fehlen in diesem Zusammenhang noch. Eine Gefahr für die Volksgesundheit lässt sich damit in dieser Allgemeinheit nicht begründen.8 Verfassungsrechtliche Relevanz gewinnt die Frage der Verhältnismäßigkeit einer entsprechenden Strafandrohung. Das Übermaßverbot verbietet es dem Staat, die Grundrechte über das zur Erreichung eines legitimen Ziels Erforderliche hinaus einzuschränken. Nur als ultima ratio darf der Staat strafrechtliche Sanktionen anordnen. Das Verbot eigenverantwortlichen Dopings berührt den Sportler jedenfalls in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und angesichts der Haftandrohung letztlich auch in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG. Bereits 1994 hat das Bundesverfassungsgericht9 im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 7 Vgl. zu der Definition und den zahlreichen Abgrenzungsproblemen Vieweg/Werner, Sachenrecht, 2. Aufl., 2005, S. 13 ff. 8 Jahn, ZIS 2006, 57, 58; nach Steiner (Fn. 4), S. 125, 127 bedarf es zur Annahme einer Gefahr für die Volksgesundheit jedenfalls einer „Kumulierung individueller Risikoentscheidungen“. 9 BVerfGE 90, 145 – Cannabis.

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entschieden, dass bei einem Besitz geringer Mengen sog. weicher Drogen zum Eigenverbrauch die konkrete Gefahr einer Weitergabe an Dritte derart gering sei, dass in aller Regel ein öffentliches Interesses an einer Bestrafung zu verneinen sei. Sanktionen seien hier unangemessen und führten spezialpräventiv eher zu nachteiligen Ergebnissen (Abdrängung in die „Szene“ und Solidarisierung mit dieser). Das Gericht statuierte damit ausdrücklich eine Bagatellgrenze für den Betäubungsmittelbereich. Eine solche wäre jedenfalls auch für den Besitz geringer Mengen an Dopingmittel zwingend erforderlich. Praktisch birgt dies wiederum enorme Schwierigkeiten. Angesichts der fast unübersehbaren, sich stetig fortentwickelnden Vielzahl möglicher Dopingmittel und -methoden erscheinen einheitliche, feste Grenzen kaum praktikabel. Die Diskussion um die Grenzwerte im Doping10 müsste wegen der im Vergleich zum Verbandsrecht besonderen Anforderungen sehr intensiv weitergeführt werden. Gerade im Bereich des Eigenblutdopings lässt sich eine Bagatellgrenze kaum sinnvoll festlegen. Dasselbe gilt für leistungssteigernde Stoffe in Nahrungs(ergänzungs)mitteln. So dürfte die rechtliche Behandlung des „Dopings durch Cola“ u. Ä. enorme Schwierigkeiten bereiten. Nur wenige Dopingsubstanzen (Anabolika) dürften in ihrer Schädlichkeit (z. B. Abhängigkeit) den Betäubungsmitteln gleichgestellt werden können. Hinsichtlich der übrigen Dopingmittel wäre eine Besitzstrafbarkeit ein eklatanter Verstoß gegen das Übermaßverbot. Für therapeutische Zwecke müssten Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, die in der Praxis viele „Hintertüren“ öffnen würden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungswidrigkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG (Strafbarkeit des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln) letztlich vor allem wegen der umfassenden Einstellungsmöglichkeiten durch das Gericht (§ 29 Abs. 5 BtMG) bzw. durch die Staatsanwaltschaft (§ 31a BtMG) verneint. Derartige ermessensgeleitete Einstellungsmöglichkeiten wären auch im Rahmen eines Dopingtatbestands unumgänglich. Dies wiederum lässt erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden angesichts knapper Ressourcen vorschnell von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würden und eine Besitzstrafbarkeit weitgehend leer laufen würde. 11. Halten Sie es (verfassungs)rechtlich für problematisch, den dopenden Sportler mit staatlicher Strafverfolgung zu bedrohen? Welcher Personenkreis wäre davon betroffen? Auch hier wieder ergänzend zu den Ausführungen oben unter III. 8. und 9. sei Folgendes bemerkt: Die Bestrafung des den Wettkampf mittels Doping manipulierenden Sportlers erscheint weiterhin vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich problematisch.

10 Hierzu umfassend Paul, Grenzwerte im Doping – Naturwissenschaftliche Grundlagen und rechtliche Bedeutung, 2004, 358 S.

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Das Grundgesetz verbietet es, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Bedenklich erscheint es, den sich selbst manipulierenden Sportler staatlich zu sanktionieren, den sein Sportgerät manipulierenden Sportler dagegen straffrei zu lassen. Rein praktisch macht es keinen Unterschied, ob ein Skispringer, Radfahrer, Segler, Rennfahrer etc. eine bessere Leistung dadurch erreicht, dass er seinen Körper dopt oder dadurch, dass er sein Sportgerät manipuliert. Damit würde wesentlich Gleiches (Manipulation des Wettkampfs zur Erreichung eines sportlichen Vorteils) ungleich behandelt. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung dürfte sich kaum finden lassen. Im Ergebnis dürfte der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eine gleichartige Erfassung aller Sportmanipulationen erfordern. Eine Beschränkung auf das Doping ist verfassungsrechtlich bedenklich.11 Auch im Zusammenhang mit dem vom Dopingverbot betroffenen Personenkreis muss Art. 3 Abs. 1 GG Beachtung finden. Nur schwer realisierbar erscheint dabei eine trennscharfe, verfassungsrechtlich unbedenkliche Differenzierung. Auf den ersten Blick böte sich eine Unterscheidung Amateur – Profi an. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich bereits diese grobe Differenzierung als nicht trennscharf. Die Übergänge vom Amateur- zum Profibereich sind fließend. Mit guten Gründen ist deshalb bereits 1971 der sog. „Amateurbegriff“ durch die Zulassungsregel der Olympic Charter ersetzt und später auch inhaltlich völlig aufgegeben worden. Bei Einführung dieser Differenzierung würde in den Fällen „gestern noch Amateur, heute schon Profi“ die Strafandrohung quasi „über Nacht“ einsetzen. Zudem treten weitreichende Probleme mit einer Fernwirkung bestimmter Dopingmittel auf, die mitunter noch nach Monaten ihre leistungssteigernde Wirkung entfalten. Betroffene Sportler müssten nach dem Aufstieg in den Profibereich unter Umständen erst einmal für längere Zeit pausieren, um danach „clean“ am sportlichen Wettbewerb teilnehmen zu können. Praktisch würde dies enorme Schwierigkeiten aufwerfen. Weiterhin müsste – um Wertungsdivergenzen zu vermeiden – präzisiert werden, unter welchen Voraussetzungen im Pferdesport eine Strafbarkeit wegen Dopings erfolgen soll. Eine zu enge Grenzziehung des betroffenen Personenkreises hätte unweigerlich Strafbarkeitslücken zur Folge. Dagegen ließe eine weite Fassung den Personenkreis unüberschaubar werden. Dabei wäre unter Umständen auch nicht strafwürdiges Verhalten vom Tatbestand erfasst. Letztlich erscheint allenfalls eine Differenzierung auf subjektiver Ebene möglich. Denkbar wäre eine Strafbarkeit des Dopings „zum Zwecke der Leistungssteigerung im Sport“. Unproblematisch ist freilich auch dies nicht. Naturgemäß bergen subjektive Elemente die Gefahr von Schutzbehauptungen und damit von Beweisproblemen. Der Heuchelei auf Seiten beschuldigter Sportler dürfte durch eine solche Formulierung – schon wegen des Grundsatzes in dubio pro reo – Vorschub geleistet werden.

11

Zutreffend Jahn, ZIS 2006, 57, 62.

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Im Ergebnis sprechen damit – wie schon oben ausgeführt – erhebliche verfassungsrechtliche und praktische Bedenken gegen eine staatliche Sanktionierung des eigenverantwortlichen Dopings. Zu demselben Ergebnis kommt die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Studie „Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules“, die unter meiner wissenschaftlichen Leitung u. a. in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht (Freiburg i. B.) erstellt wurde (ebd. S. 675 der derzeit im Druck befindlichen Untersuchung.12 Auch meine 1997 durchgeführte repräsentative Befragung von DLV-Athleten ergab, dass deren ganz überwiegende Zahl (73,8 %; A-Kader: 85 %) ein Anti-Doping-Gesetz ablehnte.13 12. Wie beurteilen Sie die rechtlichen Grundlagen auf nationaler und auf EUEbene zur Dopingbekämpfung? Die Rechtsgrundlagen der Dopingbekämpfung auf nationaler Ebene bilden m. E. eine gute Basis und reichen im Wesentlichen aus. Die Regelungsvorschläge der ReSpoDo zum „Anti-Doping-Beauftragten“, zur Durchführung von Doping-Kontrollen, zur gesetzlichen Verpflichtung zum Erlass von Anti-Doping-Bestimmungen, zu den Aufklärungspflichten der Sportverbände, zur gesetzlichen Verankerung der NADA und zur Festlegung von Ausbildungsinhalten sind konstruktiv und zielführend. Aus meiner Sicht sollten zusätzlich verbandsunabhängige Ärztekommissionen eingerichtet werden, die vor dem therapeutischen Einsatz von Dopingmitteln (insbes. bei der erstaunlich hohen Anzahl von diagnostizierten Asthmatikern in einigen Sportarten) ihr Placet geben müssen. Ebenfalls zielführend sind – gerade mit Blick auf die Problematik der Fitness-Studios – die Ausführungen der ReSpoDo zu den Maßnahmen im allgemeinen Wirtschaftsverwaltungsrecht. Die m. E. äußerst wünschenswerte Regelüberwachung wäre – zusammen mit einer entsprechenden Fortbildung der zuständigen Kontrollpersonen – ein effizientes Instrument, den Anabolikahandel und -gebrauch im Fitnessbereich einzudämmen. Neben der vorgeschlagenen Ergänzung des § 64 Abs. 1 AMG um einen Satz 4 kommt m. E. eine gesetzliche Einführung eines dem Gaststättenrecht entsprechenden Konzessionssystems für Fitness-Studios in Betracht. Insofern könnte neben dem Dopingaspekt der leider verbreiteten unzureichenden Fachkunde der Betreiber entgegengewirkt werden, die langfristig – insbes. durch fehlerhafte Trainingsanleitung – zu gesundheitlichen Schäden und entsprechenden Kosten in erheblichem Umfang führen dürfte. Eine Änderung des UWG empfiehlt sich auch aus meiner Sicht nicht. 12 Vgl. auch Vieweg, Staatliches Anti-Doping-Gesetz oder Selbstregulierung des Sports, SpuRt 2004, 194, 197 f. 13 Vieweg, Dopingvermeidung und Verbandsrecht – Regelkreismodell, Ergebnisse und Analyse einer explorativen Erhebung, in: Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, 1998, S. 113, 132.

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Hinsichtlich der EU-Ebene möchte ich verweisen auf die Beiträge von Röthel14 sowie Andreu15. 13. Welche Rolle hat der dopende Sportler in der Konstellation Trainer, Manager, Mediziner, etc. (Mittäter, Teilnehmer oder Werkzeug?) Eine generelle Aussage über die Rolle des dopenden Sportlers im Verhältnis zu den Personen seines Umfelds ist nur schwer möglich. Regelmäßig dürfte aber von einem geschlossenen Interessenkreis auszugehen sein, mit dem häufig eine „Mauer des Schweigens“ verbunden ist. Für die sportrechtliche Sanktionierung von Dopingverstößen ist die Differenzierung nach Mittäter, Anstifter, Gehilfe oder Werkzeug weitgehend irrelevant. 14. Würde die Aufnahme der Strafbarkeit des Sportlers im Arzneimittelgesetz (bisher nur Trainer, Ärzte usw.) ein Anti-Doping-Gesetz überflüssig machen? Die Aufnahme der Strafbarkeit des Sportlers ist sowohl in einem Anti-DopingGesetz als auch im AMG kontraproduktiv und nicht nur überflüssig. 15. Welche konkreten Maßnahmen der Dopingbekämpfung sollten auf der Ebene der Bundesländer durchgeführt werden und was halten Sie in diesem Zusammenhang von der Errichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft? Als konkrete Maßnahmen der Dopingbekämpfung auf der Ebene der Bundesländer kommen in Betracht: @ Informationsveranstaltungen in Schulen. @ Schulung und Fortbildung der in der Strafverfolgung und in der Gewerbeaufsicht (hinsichtlich Fitness-Studios) tätigen Personen; überlegenswert ist die Einführung einer von Fachkundenachweisen abhängigen Konzession für die Betreiber von Fitness-Studios, da von diesen Gesundheitsrisiken ausgehen, die die von Gaststätten deutlich übersteigen (s. o. III. 12.). @ Die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften ist insbes. im Hinblick auf den internationalen Handel mit Dopingsubstanzen überlegenswert. Im Übrigen dürfte die Zuordnung zu den für BtM-Sachen zuständigen Abteilungen, die über Erfahrungen in einem wichtigen Parallelbereich verfügen, in Verbindung mit der o. a. Fortbildung ausreichend sein.

14 Röthel, Kompetenzen der Europäischen Union zur Dopingbekämpfung, in: Röhricht/ Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, S. 109 ff. 15 Andreu (Fn. 1), S. 99 ff.

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16. Welche Verbesserungen würde eine Novellierung der Zivilprozessordnung (ZPO) im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit im Vergleich zur bestehenden Regelung bringen? Die Frage ist im Zusammenhang mit § 101 Abs. 2, 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zu sehen, der die private Schiedsgerichtsbarkeit als Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit nur unter engen Voraussetzungen zulässt. Hieraus ergibt sich als Problem, dass bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten, die insbesondere bei professionalisierten Mannschaftssportarten zu besorgen sind, Schiedsgerichte auch dann nicht zuständig sind, wenn es sich um Dopingstreitigkeiten handelt. Da eine einheitliche Entscheidungsfindung in Dopingsachen sehr erstrebenswert ist, ist zu überlegen, ob zumindest für Dopingstreitigkeiten, besser noch für sämtliche sportarbeitsrechtliche Streitigkeiten der Ausnahmenkatalog des § 101 Abs. 2 ArbGG ergänzt werden sollte. Dem Formulierungsvorschlag der ReSpoDo (Abschlussbericht, S. 15) für die Einführung eines Abs. 3 schließe ich mich an. Einer Änderung der ZPO bedarf es unter dieser Voraussetzung nicht. Im Übrigen ist nach der Neufassung des Schiedsverfahrensrechts in der ZPO von einer Gleichwertigkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit auszugehen, da § 1025 Abs. 2 ZPO in der bis 31. 12. 1997 geltenden Fassung aufgehoben wurde. Der von der ReSpoDo vorgeschlagenen Ergänzung von § 1030 ZPO um einen neuen Abs. 2 bedarf es m. E. nicht. Hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes sollte es – zumindest vorerst – bei der grundsätzlichen Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit bleiben. 17. Welche Möglichkeiten der europäischen und internationalen Zusammenarbeit im Anti-Doping-Kampf wurden bis heute nicht ausreichend genutzt? Wie könnte die Arbeit der WADA verstärkt unterstützt werden? Könnten dabei die Sponsoren selber eine primäre Rolle spielen? Positiv kann zunächst festgestellt werden, dass in den letzten Jahren ein erfreulich hohes Maß der Harmonisierung des Regelwerks erreicht worden ist, so dass teilweise schon von einer international verbindlichen Lex sportiva gesprochen wird. Dies darf jedoch nicht den Blick darauf versperren, dass im praktischen Vollzug noch ganz erhebliche Effizienzgefälle festzustellen sind. Wünschenswert wäre eine erhebliche Erhöhung der Kontrolldichte insbes. „out of competition“. Die Zahl der bei unangekündigten Kontrollen nicht auffindbaren Athleten ist m. E. insbes. in einigen Staaten viel zu hoch. Hier müsste ggf. das Sanktionsinstrumentarium angepasst werden. Weiter ist aus meiner Sicht die konsequente Einhaltung der Verfahrensvorschriften unter Beachtung rechtsstaatlicher Anforderungen wichtig, so dass dopenden Athleten vermeidbare Verfahrensfehler nicht zugute kommen können. Auch international ergibt sich dabei unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes eine schwierige Konfliktlage, die einer intensiveren Untersuchung

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bedarf. Auch durch entsprechende Vertragsgestaltung mit den „Hauptfinanciers“ der großen internationalen Sportevents – das sind nicht nur die Sponsoren, sondern auch die Fernsehgesellschaften – könnte vermutlich ein Beitrag zur Dopingbekämpfung geleistet und damit die Arbeit der WADA unterstützt werden. Ich könnte mir insofern insbes. vorstellen, dass eine Zusammenarbeit mit der International Association of Sports Law (IASL), die sich auf ihren jährlichen Konferenzen immer wieder mit der Dopingproblematik befasst, förderlich wäre.

IV. Schlussbemerkung Dankenswerterweise hat die Bayerische Staatsregierung – quasi als „Lackmustest“ – den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes in den Bundesrat eingebracht. Dieser Entwurf ist durch das ernsthafte Bemühen um gute handwerklich-juristische Formulierung gekennzeichnet. Er weist aber zugleich so viele „Sollbruchstellen“ auf, dass er nicht als effizienter Beitrag zur Dopingbekämpfung verstanden werden kann, sondern eher als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen angesehen werden muss. Zu Recht hat die damalige Staatssekretärin B. Zypries bei ihrer Beschreibung der Anti-Doping-Politik des Bundes anlässlich des Doping-Forums 2000 in Köln ausgeführt, die Dopingbekämpfung sei „eine Daueraufgabe, die Augenmaß, Beharrlichkeit und Phantasie erfordert“. Ein Gesetzgeber mit Augenmaß nimmt von einem Vorhaben wie dem der Bayerischen Staatsregierung Abstand, selbst wenn er haushaltsrechtliche Möglichkeiten zu einer für den Gesetzesvollzug zwingend erforderlichen erheblichen Personalaufstockung sähe. Ansonsten ist einem solchen Gesetzesvorhaben voraussichtlich ein Schicksal beschieden, wie es § 31 GWB erfahren hat. Der 1998 – gegen massive Kritik der Wissenschaft – eingeführte § 31 GWB (Zentralvermarktung von Fernsehrechten) lief – wie vorherzusehen war – in der Praxis leer und wurde zum 30. 06. 2005 aufgehoben.

Zur Einführung: Probleme und Tendenzen des Lizenzierungsverfahrens* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Paradebeispiel: Der Fall Gummersbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausgewählte Aspekte der Lizenzierung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweckwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsprobleme auf Ligaebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen der Lizenzerteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsqualität der Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausgewählte Probleme der Wirtschaftlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemfeld „Spielerwerte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problemfeld „Sonstige immaterielle Vermögenswerte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abstellen auf die Liquidität: das prognostische Element . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Lizenz in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Haftung für Fehler bei der Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rechtsschutz im Lizenzierungs- bzw. Lizenzentziehungsverfahren . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Die Deutsche Vereinigung für Sportrecht – Konstanzer Arbeitskreis – organisiert in diesem Jahr zwei Tagungen, die sich mit Lizenzierungsaspekten befassen. Angesichts der Fülle der Probleme war es erforderlich, einige besonders relevante Einzelthemen auszuwählen und andere zwangsläufig auszublenden. Ziel dieses einführenden Überblicksreferates ist es, einen Gesamteindruck von den Lizenzierungsproblemen zu vermitteln. Man kann dann die einzelnen Referate aus der Praxis, der Ökonomie und der Rechtswissenschaft besser „verorten“. Auch werden die Zusammenhänge deutlicher und wird dem Ziel unserer Tagungen, Juristen in Rechtswissenschaft und Praxis sowie Ökonomen „zusammenzubringen“ besser entsprochen. Die bestehenden Probleme können besser analysiert, in ihren Interdependenzen erkannt und Lösungen zugeführt werden. Im Folgenden wird zunächst anhand des geradezu klassischen Falls Gummersbach die Problematik insbesondere aus Sicht der Vereine aufgezeigt (dazu II.). Es folgt eine überblicksmäßige Darstellung ausgewählter Aspekte der Lizenzierung, angefangen vom Zweckwandel über Organisationsprobleme und die Voraussetzungen der Lizenzerteilung bis hin zu der Frage der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeu* Erstveröffentlichung (zusammen mit A. Neumann) in K. Vieweg (Hrsg.), Lizenzerteilung und -versagung im Sport, Stuttgart 2006, S. 9 – 24.

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tung der Lizenz, den Problemen der Wirtschaftlichkeitsprüfung, der Insolvenz, der Haftung sowie des Rechtsschutzes im Lizenzierungs- bzw. Lizenzentziehungsverfahren (dazu III.)

II. Das Paradebeispiel: Der Fall Gummersbach Im Jahre 2000 erlangte der „Fall Gummersbach“ erhebliches Medieninteresse. Der Traditionshandballverein aus dem Bergischen Land musste Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Daraufhin wurde ihm die Lizenz aufgrund fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für die Erste und Zweite Bundesliga verweigert mit der Konsequenz, dass der Verein in die Regionalliga abstieg. Im verbandsinternen Rechtsschutzverfahren erreichte der VfL Gummersbach später durch Entscheidung des DHB-Präsidiums die Lizenzerteilung unter Auflagen. Dies hatte zur Konsequenz, dass der VfL Gummersbach in der Ersten Bundesliga verblieb. Mittlerweile hatten aufgrund der Auf-/Abstiegsregelung des DHB (§ 63 SpielO)1 Relegationsspiele stattgefunden. Auch standen mit den Erstplatzierten aus der Zweiten Bundesliga Süd sowie der Zweiten Bundesliga Nord bereits die Aufsteiger in die Erste Bundesliga fest. Ebenso war klar, dass die CSG Erlangen von der Zweiten Bundesliga Süd in die Regionalliga Süd absteigen musste. Aufgrund der Lizenzerteilung unter Auflagen und des Verbleibs des VfL Gummersbach in der Ersten Bundesliga musste nunmehr der HC Wuppertal zu den Relegationsspielen zugelassen werden, während der TV Willstätt in die Zweite Bundesliga Süd und die CSG Erlangen in die Regionalliga Süd abgestiegen waren. Das Chaos erreichte seinen Höhepunkt, als 52 Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga an das ständige Schiedsgericht des DHB den Eilantrag stellten, die Entscheidung des Präsidiums, die Lizenz an den VfL Gummersbach unter Auflagen zu erteilen, aufzuheben und als die am direktesten betroffenen Vereine HC Wuppertal, TV Willstätt und CSG Erlangen beim Landgericht Dortmund gerichtlichen Rechtsschutz beantragten. Die Einzelheiten lassen sich den Abbildungen 1 – 6 entnehmen.

1 1. In die Bundesliga steigen die Staffelsieger der Zweiten Bundesligen auf. In die Bundesliga wird eine weitere Mannschaft aufgenommen bzw. verbleibt in ihr, die wie folgt ermittelt wird: Die Staffelzweiten der Zweiten Bundesligen ermitteln in Entscheidungsspielen eine Mannschaft, die nach weiteren Entscheidungsspielen gegen den Tabellensechzehnten der Bundesliga Männer (Frauen) in die betreffende Bundesliga aufgenommen wird bzw. in ihr verbleibt. Bei der Ermittlung der Rangfolge zählen diejenigen Mannschaften nicht, die für die folgende Spielsaison auf den Aufstieg bzw. die Teilnahme verzichten oder keine Lizenz erhalten. 2. In die Zweite Bundesliga Männer und Frauen werden die Absteiger aus der Bundesliga und je Regionalverband ein Vertreter aufgenommen. 3. – 7. … 8. Erhalten Mannschaften der Bundesligen nicht die Bundesligalizenz, ist eine Mannschaft der Bundesliga in die Regionalliga, eine Mannschaft der Zweiten Bundesliga in die Oberliga der zuständigen Verbände einzugliedern.

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Abbildung 1: Abschlusstabellen Saison 1999/2000

Abbildung 2: Teilnehmer Saison 2000/2001 aufgrund sportlicher Qualifikation

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Abbildung 3: Teilnehmer Saison 2000/2001 nach Lizenzverweigerung VfL Gummersbach (Stand: 16. 5. 2000)

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Abbildung 4: Teilnehmer Saison 2000/2001 nach Relegationsspielen (Stand: 28. 5. 2000)

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Abbildung 5: Teilnehmer Saison 2000/2001 wie ursprünglich (Stand: 31. 5. 2000)

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Abbildung 6: Endgültige Teilnehmer Saison 2000/2001 (Beginn: 12. 8. 2000)

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Versucht man, die sich aus Sicht der Vereine ergebenden Probleme zusammenzufassen, so ergibt sich Folgendes: Die erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich des Auf- bzw. Abstiegs schlugen auf andere Entscheidungsbereiche durch, so z. B. auf den Abschluss und den Inhalt von Spielerverträgen und Sponsorenverträgen, den Verkauf von Dauerkarten, die Terminplanung usw. Zeit- und Konkurrenzdruck erhöhten dabei die Problematik. Auch die letztlich getroffene Entscheidung, durch Erhöhung der Anzahl der Mannschaften die Liga zu vergrößern, blieb nicht ohne Folgeprobleme. So wirkte sich insbesondere die Verlängerung der Saison um vier Spiele auf die Aktivitäten der Nationalmannschaft aus.

III. Ausgewählte Aspekte der Lizenzierung im Überblick Der Fall Gummersbach hat schon deutlich gemacht, dass neben den Vereinen eine ganz Reihe anderer Personen, Unternehmen und Organisationen von Lizenzierungsentscheidungen positiver wie negativer Art betroffen sind. Einen Eindruck vermittelt Abb. 7:

Abbildung 7: Betroffene von Lizenzierunggsentscheidungen

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Mit der Systematisierung der – namentlich rechtlich interessanten – Aspekte der Lizenzierung (Abb. 8) sollen Schlaglichter auf die Gesamtproblematik geworfen werden. Entsprechend dem Anliegen dieses Beitrags geht es im Folgenden darum, einführend einige Problemfelder vorzustellen, die entweder bereits in der Vergangenheit für besondere Schwierigkeiten gesorgt haben oder doch erhebliches rechtliches und/oder wirtschaftliches Konfliktpotenzial in sich bergen und damit zukünftig Probleme erwarten lassen.

Abbildung 8: Aspekte der Lizenzierung

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1. Zweckwandel Ursprünglich ging es bei der Erteilung von Lizenzen um die allein nach sportlichen Kriterien bestimmte Startberechtigung. Aufgrund der Professionalisierung und Kommerzialisierung stehen nunmehr zunehmend wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Sichergestellt werden soll insbesondere die Liquidität der Vereine während der gesamten Saison und damit der reibungslose Spielbetrieb. Mit der Kommerzialisierung und Professionalisierung einhergehend ist es zu einer Verrechtlichung der materiellen Voraussetzungen der Lizenzerteilung bzw. -versagung und des Lizenzentzuges sowie – in formeller Hinsicht – der Lizenzierungsverfahren gekommen. Dabei ist deutlich geworden, dass die Frage der Startberechtigung zunehmend von Beurteilungen und Prognosen abhängig geworden ist. Mit der Komplizierung der Voraussetzungen und der Verfahren war es in organisatorischer Hinsicht nötig, Entscheidungsinstanzen vorzusehen.

2. Organisationsprobleme auf Ligaebene Sachgerechte Entscheidungen, die von den Betroffenen akzeptiert werden können, erfordern fachspezifischen Sachverstand, die Unabhängigkeit von Liga/Verband und Clubs sowie die Neutralität der Entscheidungsträger. Auch dies hat der Fall Gummersbach deutlich gemacht. Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Neutralität kann namentlich durch geeignete rechtliche Strukturen erreicht werden. Insofern mag die Deutsche FußballLiga als Vorbild dienen. Die organisatorische Trennung von Verband/Liga und Geschäftsführung der Liga erweist sich dabei als Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Lizenzierungssystem. Die Kumulation der drei erwähnten Anforderungen – Sachverstand, Unabhängigkeit und Neutralität – ist nicht immer einfach zu realisieren. Sachverstand kann interessengeprägt oder aufgrund engerer Verbindungen entstanden sein. Hieraus resultieren möglicherweise Probleme der Geheimhaltung der Informationen, die für das Lizenzierungsverfahren zur Verfügung gestellt werden müssen, z. B. über die Finanzlage oder Details der Spielerverträge.

3. Voraussetzungen der Lizenzerteilung Die materiellen Voraussetzungen der Lizenzerteilung haben sich – entsprechend dem Wandel ihrer Zwecke – im Laufe der Zeit geändert. Ursprünglich ging es allein um die sportliche Qualifikation. Sie war für den Aufstieg bzw. Verbleib in einer Liga entscheidend. Die für jede Saison erneut durch Auf- und Abstiegsregelung festgestellte sportliche Qualifikation steht immer noch im Mittelpunkt. Sie entspricht dem traditionellen europäischen Verständnis des sportlichen Wettbewerbsprinzips

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– einem der drei zentralen Prinzipien des Sportrechts.2 Bei einer „geschlossenen Liga“ – wie man sie im professionellen Bereich aus den USA kennt – muss – mangels Auf- und Abstiegsregelung – die Sicherstellung der sportlichen Mindestqualifikation auf andere Weise erfolgen. Neben die sportliche Qualifikation sind rechtliche und organisatorische sowie technische und wirtschaftliche Voraussetzungen der Lizenzerteilung getreten. So werden z. B. Vorgaben bezüglich der Rechtsform oder der Mehrheitsbeteiligung bei Kapitalgesellschaften3 gemacht. Auch die Multiclub-Ownership-Problematik4 gehört hierhin. Zu den technischen Faktoren zählen nicht nur Vorgaben hinsichtlich der Sportstätten, die zur Verfügung stehen müssen, sondern auch hinsichtlich des „sportlichen Unterbaus“ sowie der Bemühungen um Jugendförderung. Ziel der wirtschaftlichen Faktoren – der Wirtschaftlichkeitsprüfung5 – ist es vor allem, durch eine Präventivkontrolle sicherzustellen, dass der Sportbetrieb während der ganzen Saison ungestört – insbesondere unbeeinflusst von Insolvenzen – vonstatten gehen kann. Maßgeblich sind insofern Liquidität und ggf. die Vermögensverhältnisse. Grundlage der Überprüfung sind die Jahresabschlüsse und der Haushaltsplan, ergänzt durch Aufstellungen über die Spieler (Ablöse, Gehalt usw.). 4. Rechtsqualität der Lizenz Die Rechtsqualität der Lizenz ist nicht rein theoretischer oder wissenschaftlicher Natur, sondern erhält ernorme praktische Bedeutung unter anderem über Fragen des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen im Lizenzierungsverfahren6, der Haftung im Zusammenhang mit der Lizenzierung7 und der insolvenzrechtlichen Behandlung der Lizenz8. Stets ist entscheidend, ob die Lizenz als rein schuldrechtlicher Vertrag ausgestaltet ist, einen Teil der Mitgliedschaft in einem Verband oder einer Liga ausmacht, oder ob eine Kombination beider Möglichkeiten vorliegt. Während Spielerund Trainerlizenzen hierbei relativ unproblematisch auf rein schuldrechtlicher Grundlage erteilt werden, muss für Clublizenzen wegen der körperschaftlichen Organisationsstrukturen jeweils die wechselseitige Abhängigkeit von Lizenz und Mitgliedschaft geklärt werden. Dabei ist in den Profiligen der großen Teamsportarten überwiegend eine schuldrechtliche Lizenzerteilung vorgesehen, welche die Mitgliedschaft in der Liga mit sich bringt. 2

Vgl. hierzu Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170). Vgl. z. B. § 8 Ziff. 2 Satzung Die Liga-Fußballverband e. V. (Ligaverband). 4 Arbitration CAS 98/200, AEK Athens and SK Slavia Prague ./. Union of European Football Associations (UEFA),award of 20 August 1999, in: Reeb (ed.), Digest of CAS Awards II, 1998 – 2000, 2002, p. 38 et seq. 5 Siehe hierzu im Einzelnen auch unter 6. 6 Vgl. dazu unten 9. 7 Vgl. dazu unten 8. 8 Vgl. dazu unten 7. sowie Adolphsen, Lizenz und Insolvenz von Sportvereinen, in: Heermann (Hrsg.), Lizenzentzug und Haftungsfragen im Sport, 2005, S. 65 ff. 3

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5. Rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der Lizenz Die praktische Bedeutung der Lizenz wurde beispielhaft – auch in ihren Drittwirkungen und ihren Einzelaspekten – bereits anhand des „Falles Gummersbach“ aufgezeigt. Die Entscheidung über die Lizenzerteilung bzw. -versagung oder -entziehung ist auf Seiten des Clubs nicht nur Voraussetzung für den Abschluss von Spieler-, Trainer- und Sponsorenverträgen. Vielmehr kann und wird eine vollständige Versagung oder Entziehung der Lizenz in der Regel für den in diesem Fall wirtschaftlich ohnehin auf sehr dünnem Eis stehenden Club praktisch das „Aus“ bedeuten.9 Darüber hinaus hat die Lizenz als Qualitätssiegel auch entscheidende Bedeutung für das gesamte Ligagefüge, da die Liga nur durch den Wettbewerb annähernd gleichwertiger Clubs auf Dauer funktionieren kann, so dass letztlich alle Lizenznehmer auf ein funktionierendes Lizenzierungsverfahren angewiesen sind. 6. Ausgewählte Probleme der Wirtschaftlichkeitsprüfung Kernstück der Lizenzierung in ihrer heutigen Form ist aufgrund des oben bereits angesprochenen Zweckwandels die sog. Wirtschaftlichkeitsprüfung, d. h. die Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Lizenznehmer. Die Problemfelder sind hier so zahlreich, dass sie im Rahmen dieses Überblicksbeitrags unmöglich abschließend angesprochen werden können.10 Es sollen jedoch exemplarisch einzelne Aspekte herausgegriffen werden, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung Anlass zum Nachdenken geben oder geben sollten. Dabei sei jedoch schon vorweg darauf hingewiesen, dass bei allen Fragen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vor allem auch die zeitlichen und finanziellen Kapazitäten der Liga und der Clubs entscheidend zu bedenken sind, so dass Theorie und Praxis hier durchaus auseinanderfallen können. a) Problemfeld „Spielerwerte“ Bereits 1992 hat der BFH11 entschieden, dass die „Spielerwerte“ eines Vereins zu den Anschaffungskosten des Spielers, d. h. der gezahlten Transfersumme zu aktivieren und linear über die Vertragsdauer abzuschreiben sind. Dieser Vorgabe folgt die Praxis bis heute. War die Angemessenheit eines solchen Vorgehens jedoch schon für die steuer- und handelsrechtliche Rechnungslegung stark umstritten12, so stellt sich 9

Vgl. dazu die Beiträge von Rauball in: K. Vieweg (Hrsg.), Lizenzerteilung und -versagung im Sport, Stuttgart 2006, S. 61 ff., sowie von Walker, Arbeitsrechtliche Folgen des Lizenzentzugs, in: Heermann (Hrsg.), Lizenzentzug und Haftungsfragen im Sport, 2005, S. 47 ff. 10 Vgl. im Einzelnen die Beiträge von Schellhaaß und Behrbohm in K. Vieweg (Hrsg.), Lizenzerteilung und -versagung im Sport, Stuttgart 2006, S. 25 ff. und 55 ff. 11 BFH, BStBl II 1992, 977 ff. 12 Vgl. die detaillierte Darstellung bei Galli, Das Rechnungswesen im Berufsfußball, 1997, S. 261 ff.

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diese Frage umso mehr, wenn es um Zwecke der Lizenzierung geht. Eine realistische Erfassung des „Spielervermögens“ eines Clubs kann jedenfalls allein durch die Bilanzierung nicht erfolgen. Erwähnt sei hier z. B., dass Spieler, für die keine Transfersumme gezahlt werden musste, mangels Anschaffungskosten nicht erfasst werden. Umgekehrt haben hohe Ablösesummen nicht unbedingt auch tatsächlich einen positiven Einfluss auf das Spielervermögen des Clubs – etwa bei Verletzung oder Krankheit des Spielers. Schließlich muss zwar der z. B. im Fußball zu verzeichnende generelle Einbruch der Transfersummen bilanziell berücksichtigt werden, unklar ist aber, wie eine Bewertung in diesem Fall vorzunehmen ist, da Marktwerte weitgehend fehlen dürften. Umgekehrt finden Marktwertsteigerungen eines Spielers aufgrund dauerhafter oder zumindest momentaner Leistungssteigerung keinen Eingang in die Bilanz. Der Jahresabschluss kann daher nur sehr beschränkt Auskunft über das wirkliche Spielerpotential eines Clubs geben. Für die Lizenzierung müssen insofern andere Wege beschritten werden, die hier jedoch aus Raumgründen nicht näher dargestellt werden können. b) Problemfeld „Sonstige immaterielle Vermögenswerte“ Eine weitere Besonderheit der wirtschaftlichen Bewertung von Sportvereinen liegt in der besonderen Bedeutung von Markenwerten bzw. good will für deren Unternehmenswert. Traditionelle Fanbindung, vergangene sportliche Erfolge oder das Image von Topstars wirken mit vielen anderen sportspezifischen Wertfaktoren zusammen und generieren einen eigenständigen Wert unabhängig von den gegenwärtigen Erfolgen des Clubs, welcher allein durch eine kurzfristige Liquiditätsbeurteilung, die unmittelbar auf dem laufenden sportlichen Ergebnis basiert, nicht zureichend erfasst werden kann. Da diese überwiegend originären immateriellen Vermögenswerte auch im Jahresabschluss nicht erfasst werden, ist insofern zu überlegen, ob andere Bewertungsmethoden wie etwa Marktanalysen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung herangezogen werden könnten. c) Abstellen auf die Liquidität: das prognostische Element Grundlegende Problematik der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die jeweils bevorstehende Saison ist das einer solchen Beurteilung zukünftiger Umstände immanente Prognoserisiko. Die Prognose über zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen beruht insbesondere direkt auf der Einschätzung des zukünftigen sportlichen Erfolges, die zumindest auf Seiten des Clubs im Allgemeinen eher überoptimistisch ausfallen dürfte. Andererseits ergeben sich Unsicherheiten schon aus der Tatsache, dass bei der Bewerbung um die Lizenz Verträge mit Spielern, Sponsoren usw. häufig noch nicht feststehen. Die standardmäßige Anwendung von Risikoplänen oder best-/ worst-case-Szenarien könnte insofern zumindest zur Erhöhung der objektiven Nachvollziehbarkeit und damit der Akzeptanz von Lizenzierungsentscheidungen führen.

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7. Die Lizenz in der Insolvenz Verstärkt in das Zentrum der Aufmerksamkeit ist in den letzten Jahren die Praxis der Verwendung von sog. Insolvenzklauseln in den jeweiligen Lizenzstatuten gelangt.13 Die jeweilige Liga trifft durch ihre Insolvenzklausel Vorkehrungen für den Fall der Krise bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Lizenznehmers. Dabei finden sich in der Praxis verschiedenartige Insolvenzklauseln, die von einem automatischen Erlöschen der Lizenz in der Insolvenz über Zwangsabstieg bis hin zur Möglichkeit der Lizenzentziehung durch die Liga reichen. Von Seiten der Liga rechtfertigt sich die grundsätzliche Verwendung von Insolvenzklauseln vor allem aus der Problematik der Wettbewerbsverzerrung, welche sich daraus ergibt, dass ein in der Insolvenz sanierter Club, der vorher unsolide gewirtschaftet und z. B. zu teure Spieler eingekauft hat, gegenüber sparsam wirtschaftenden Konkurrenzvereinen einen sportlichen (und letztlich auch wirtschaftlichen) Vorteil erlangen würde, wenn er die Lizenz behält. Diese ligaspezifische Interessenlage steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Grundanliegen des Insolvenzrechts nach bestmöglicher Gläubigerbefriedigung, die regelmäßig nur über einen Erhalt der Lizenz zu erreichen ist. Die rechtliche Zulässigkeit von Insolvenzklauseln ist daher zu hinterfragen. 8. Die Haftung für Fehler bei der Lizenzierung Vielfältige Haftungsfragen14 stellen sich, wenn die Erteilung der Lizenz aufgrund einer fehlerhaften Entscheidung zu Unrecht verweigert wird oder insbesondere aufgrund falscher Angaben zu Unrecht erfolgt. Als „Fehler“ auf Seiten der Bewerber kommen insbesondere unkorrekte Angaben zur aktuellen und erwarteten wirtschaftlichen Situation in Betracht. Hier ist abzugrenzen zu der Unsicherheit, der einer Prognose über die zukünftige Entwicklung notwendigerweise anhaftet.15 Auf Seiten der verselbstständigten Liga oder des Sportverbandes kommt als Lizenzierungsfehler insbesondere die fehlerhafte Beurteilung der eingereichten Unterlagen in Betracht. Auch hier stellt sich die Frage der Abgrenzung zum Prognoserisiko. Weiterhin können Regelungslücken in den Lizenzierungsbestimmungen Schlupflöcher öffnen, deren Ausnutzung später zu Schäden führt. Hier stellt sich die Frage eines normativen Unterlassens. Die Komplexität der Probleme führt im Zusammenspiel mit der wirtschaftlichen Relevanz der Entscheidung und dem entstehenden Zeitdruck bisweilen zu Widersprüchen. So wurde z. B. seitens der Basketball-Bundesliga

13 Dazu im Einzelnen Adolphsen (Fn. 8); Rang, Lizenzentzug und Insolvenz – Zur Wirksamkeit sog. Lösungsklauseln in Sportverbandslizenzen aus insolvenzrechtlicher Sicht, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 251 ff. 14 Vgl. im Einzelnen Heermann, Haftungsfragen bei Lizenzierungsverfahren im Ligasport, in: ders. (Hrsg.), Lizenzentzug und Haftungsfragen im Sport, 2005, S. 9 ff. 15 Siehe oben 6. c).

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(BBL) dem Mitteldeutschen Basketball-Club (MBC) zunächst der Verbleib in der Liga zugesichert, dann jedoch die sofortige Kündigung ausgesprochen.16 Die Vielzahl möglicher Haftungskonstellationen ist sowohl eine Konsequenz daraus, dass eine Reihe von Akteuren als Haftende in Betracht kommen, als auch daraus, dass durch fehlerhafte Lizenzierungen Schäden bei vielen Betroffenen entstehen können. Als Haftende kommen nicht nur die Sportliga oder der Sportverband sowie deren Leitungsorgane sowie das Mitglied bzw. der Gesellschafter einer Sportliga, sondern auch die in den Lizenzierungsprozess eingeschalteten Wirtschaftsprüfer in Betracht. Der Kreis der möglichen Anspruchsberechtigten reicht über die unmittelbar am Lizenzierungsverfahren Beteiligten weit hinaus (s. Abb. 7). Ein kurzer Aufriss der Haftungsgrundlagen zeigt, dass neben der Verletzung verbandsrechtlicher Förderpflichten, die zu Schadensersatzansprüchen aus § 280 Abs. 1 BGB führen, deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht kommen, wenn man die Mitgliedschaft als sonstiges Recht im Sinne dieser Vorschrift begreift. Weiterhin sind kartellrechtliche Schadensersatzansprüche nach §§ 19 f. i. V. m. § 33 GWB zu prüfen. Haftungsfragen führen zu der Anschlussfrage der Haftungsbegrenzung und deren Zulässigkeit. Schon dieser kurze Überblick zeigt, dass die rechtliche Problematik der Haftung für Fehler bei der Lizenzierung durchaus anspruchsvoll ist. Hinzu kommen naturgemäß Beweisprobleme. 9. Rechtsschutz im Lizenzierungs- bzw. Lizenzentziehungsverfahren Bereits der eingangs geschilderte Fall Gummersbach hat gezeigt, dass dem Rechtsschutz im Lizenzierungsverfahren17 eine entscheidende Bedeutung zukommt. Sowohl in sportlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist die Lizenzerteilung bzw. -versagung zu wichtig, als dass die Betroffenen eine für sie ungünstige Entscheidung des zuständigen Verbandsorgans einfach auf sich beruhen lassen könnten. Damit stellt sich die Frage des verbandsinternen bzw. -externen Rechtsschutzes. Hingegen kommt eine Mediation nicht in Betracht. Sowohl der verbandsinterne Rechtsschutz, z. B. durch Sportgerichte, als auch der verbandsexterne Rechtsschutz durch echte Schiedsgerichte oder staatliche Gerichte sind konfrontiert mit einem zumeist äußerst engen Zeitfenster zwischen dem Abschluss des Lizenzierungsverfahrens und dem Beginn der neuen Saison. Damit rücken die effektiven Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes in den Blickpunkt. Diese bringen ihrerseits das Problem mit sich, dass die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorweg genommen werden muss und dass Änderungen in der neuen Saison kaum realisierbar sind. So blieb im Fall Gummersbach als einzige halberlei praktikable Lösung die Aufstockung der 16

FAZ v. 30. 03. 2004, S. 36. Vgl. Tripcke, Die Club-Lizenzprüfung in der Deutschen Eishockey Liga, in: K. Vieweg (Hrsg.), Lizenzerteilung und -versagung im Sport, Stuttgart 2006, S. 41 ff. 17

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1. Bundesliga um zwei Mannschaften. Im Übrigen stellen sich natürlich beim Rechtsschutz in Lizenzierungs- und Lizenzentzugsverfahren die allgemeinen Fragen des Rechtsschutzes im Sport.

Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations Pilot Study for the European Commission* Part I The Institutional Framework A. International Co-Operation I. The Council of Europe’s Anti-Doping Convention 1. The Council of Europe and the Anti-Doping Convention 2. Aim of the Convention 3. Main Provisions a) Definition and Scope b) Domestic Co-Ordination c) Measures to Restrict the Availability and Use of Doping Agents and Methods d) Laboratories e) Education f) Co-Operation with the Sports Organisations g) International Co-Operation h) Information i) Monitoring Group 4. Monitoring Group a) The Monitoring Group and its Competences b) Composition c) Monitoring Compliance d) Compliance and the Compliance with Commitments’ Project II. The European Union (EU) 1. A Common Approach to Doping 2. The Basis for a Future Community Anti-Doping Policy a) Public Health, Culture, Consumer Protection and Education, Development and Youth Policy b) Research and Technological Development c) Harmonisation of Legislation d) Social and Employment Policy e) Third Pillar of the EU 3. Current Anti-Doping Activities and Legal Basis a) Opinion of the European Group for Ethics and New Technology b) EU Participation in the WADA * Hrsg. zusammen mit Robert Siekmann, Berlin 2007, 705 Seiten.

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c) Applying Community Instruments III. World Anti-Doping Agency (WADA) 1. The Establishment of the WADA 2. The Objective of the WADA 3. The Composition of the WADA 4. The Functions of the WADA 5. The WADA Anti-Doping Code IV. International Anti-Doping Arrangement (IADA) 1. Objective 2. The IADA Quality Project B. Sports Organisations I. The Organisation of Sport II. International (Global and Regional) Organisations 1. The Olympic Movement a) Organisational Structure b) IOC c) NOCs 2. Olympic Movement and the Fight against Doping 3. Obligations of the NOCs 4. International Federations III. National Federations, Clubs and/or Athletes IV. Court of Arbitration for Sport (ICAS/CAS) 1. Introduction 2. The Legal Framework for CAS Decisions a) Origin and History of the CAS b) Appellate Jurisdiction of the CAS aa) Arbitration Agreement bb) Time Limits and Exhaustion of Internal Remedies cc) Procedure and Award

Part II Public Law A. Autonomy of Associations – A European Legal Comparison of Anti-Doping Rules in Sport I. Introduction 1. The European Sport Model 2. The Council of Europe’s Anti-Doping Convention II. Factual Outlines of European Sport Associations III. The Relationship between Sport and Politics IV. Law Relating to the Freedom of Association – Constitutional Provisions 1. Citizen or Human Right 2. Sport as a Constitutional Topic 3. Implementing Statutes V. Individual Guarantees of the Freedom of Association 1. Freedom to Form Associations/Freedom of Membership 2. The Autonomous Establishment of an Internal Organisation 3. Formation of Internal Codes of Conduct

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a) Statutes and By-Laws b) The Effectiveness of Association Rules for Individual Athletes c) Administrative Supervision 4. Judicial Review of Association Measures a) Competence of Public Courts b) Balance of Interests VI. Recent Governmental Activities in the Fight against Doping VII. Conclusions Appendix (1): Public Subsidies to Sport Appendix (2): Definitions of Association Appendix (3): Sport Policy Appendix (4): Freedom of Association Appendix (5): Law Relating to Associations and Sports Acts Appendix (6): Competences for Doping Controls and Sanctions Appendix (7): Legal Protection Before Public Courts B. A Comparative Legal Analysis of Anti-Doping Activities – General Framework and Criminal Law Aspects I. Preliminary Remarks on Organisation and Methods of the Project II. General Topics/Basic Information 1. Prominent Doping Cases 2. ‘Catalysts’ in the Discussion on Doping 3. General Objectives of Anti-Doping Policies/Protected Legal Values 4. On the History of Anti-Doping Activities from the Legal Perspective 5. General Legal Framework 6. Doping Definitions in (State) Legislation 7. Establishment of Doping Controls in (Competitive) Sports a) The Division of Responsibilities between ‘State’ and ‘Sport’ b) Implementation of a Doping Ban and Doping Controls 8. Anti-Doping Activities in Popular Sports III. Combating Doping by Means of Criminal Law 1. Special Anti-Doping Provisions in Criminal Law a) Occurrence and Place of Regulation b) Sphere of Potential Offenders – Is the Doping Athlete also Punishable? c) Prohibited Acts in Criminal Doping Provisions aa) Elements of Distribution-Related Offences bb) Elements of Doping Offences Related to the Application of Doping Agents cc) Application of Masking Methods by Third Parties d) Substances/Objects Covered in the Offence e) Exceptions from Prohibition for Therapeutic Purposes f) Must the Offence Bring about a Particular Result? g) Subjective Element of the Offence h) Punishability of Attempted Doping i) Parties to Crime j) Aggravating Elements aa) More General Formulations bb) Special Formulations cc) Mitigating Elements k) ‘Preliminary’ Offences/Flanking Offences

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l) Further Prerequisites for Punishability? (e. g., Lodging of a Complaint) m) Relation of the Special Criminal Doping Offences to Disciplinary Measures of the Sport Associations – with Particular Reference to the Criminalisation of Personal Use by the Athlete n) Threatened Sanctions aa) Basic Doping Offence, Third Party Offender bb) Basic Elements of the Offence, Athlete as Offender (‘Personal Use’) cc) Aggravated Forms of Commission dd) Mitigated, ‘Preliminary’ and Negligent Offences ee) Supplementary Punishments and Consequences ff) Disciplinary Measures 2. Drug Offences and Doping 3. Importance of General Criminal Offences such as Bodily Harm in the Doping Context a) Offences Protecting Intangible Individual Legal Interests b) Offences Protecting Financial Interests c) Miscellaneous Offences, Including Those outside of Central Criminal Law, with Significance for Anti-Doping Activities 4. Special Offences Applying to Physicians and Pharmacists; Physicians’ Professional Law 5. Punishment of Clubs 6. Aspects of International Criminal Law a) Foreign Citizens/Domestic Offence b) Domestic Citizens/Foreign Offence c) Internet 7. Procedural Issues/Prosecution Regulations a) Investigative Measures b) Cooperation of the Investigative Law Enforcement Agencies with Sports Institutions c) Relationship Between Criminal Proceedings and Disciplinary Proceedings Anchored in Sports Organisations 8. Law Enforcement Practice IV. Anti-Doping Measures outside of Criminal Law 1. State and State-Sponsored Anti-Doping Measures outside of Criminal Law 2. ‘Supplementary’ Measures of Organized Sports to Combat Doping in Top-Level Sports 3. International Cooperation a) IOC b) Council of Europe c) European Union d) United Nations e) Additional Forms of Cooperation at the State Level V. Outlook VI. Results and Conclusions 1. Results 2. Conclusions/Recommendations

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Part III Sport Rules and Regulations A. Introduction B. Aspects Researched I. Definition of Doping (Description of the Doping Offence) 1. Introduction and Points of Departure 2. The Offence of the Use of Doping a) The Description of the Offence of the Use of Doping aa) Doping is the Use of Substances and Methods for a Specific Purpose bb) Doping is the Use of Certain, Specified Substances and Methods cc) Doping is the Use of Certain, Specified Substances and Methods for a Specific Purpose dd) Doping is the Presence of a Prohibited Substance in the Body of an Athlete ee) Intentional Doping ff) Masking Agents and Methods gg) The Aim of the Use of a Prohibited Substance: Doping or Medical Care? hh) Possession of a Prohibited Substance ii) Criminal Conviction jj) No Change of Address kk) Elastic Provisions b) Ancillary Doping Infractions (Concerning the Use of Doping) aa) The Failure to Report to Doping Control and the Refusal to Submit to Doping Control bb) The Admission to Having Used a Prohibited Substance or Method 3. Offences other than the Use of Doping a) Third-Party Assistance in the Use of Doping b) The Doping of Horses c) The Illegal Trade in Prohibited Doping Substances 4. The Doping Substances and Methods a) The Doping Substances aa) Doping Substances which are Prohibited Unconditionally bb) Doping Substances which are Prohibited Conditionally b) Doping Methods II. The Purpose of the Ban on Doping (Arguments against the Use of Doping) 1. Introduction 2. The Use of Doping Leads to an Unfair Advantage a) Thesis 1: Doping Enhances the Sport Performance b) Thesis 2: Athletes Using Doping Gain an Unfair Advantage 3. The Use of Doping Endangers the Athletes’ Health 4. The Use of Doping is Contrary to Fairness 5. The Use of Doping is Contrary to Ethics 6. The Use of Doping is Contrary to the Rules of Sport 7. Conclusion III. List of Prohibited Substances and Methods 1. Introduction 2. List of Substances in the Olympic Movement Anti-Doping Code 3. Substances Occurring on Lists other than that of the IOC

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Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations Doping Control outside of a Competition Context 1. Introduction 2. Competence to Conduct Out-of-Competition Controls a) The Division of Powers within the International Federations – Controls by International Federations aa) Powers of the Internal Organs bb) Selection of National Federations by International Federations cc) The Duty of the National Federations to Co-Operate dd) The Duty of Individual Athletes to Co-Operate ee) Applicable Rules ff) Out-of-Competition Controls by Third Parties gg) The Co-Operation Between the International Federations and the WADA b) The Division of Powers in the International Context – Controls by National Federations. aa) Appointment by an International Federation bb) Own Initiative of a National Federation cc) Request to another National Federation for Controls dd) Applicable Rules ee) Duty to Inform the International Federation 3. Doping Substances and Methods subject to Controls 4. Cost of Out-of-Competition Doping Controls 5. The Organisation of the Out-of-Competition Controls a) General b) The Selection of the Athletes aa) Athletes who Wish to Resume Competing after their Sanction Period bb) Athletes who Wish to Resume Competing after Retirement cc) Other Selection Criteria dd) The Selection Is Confidential ee) The Doping Control Officers ff) Appointment of Doping Control Officers c) The Whereabouts of the Athlete d) Contact with the Athlete aa) Two Options: an Appointment or an Unannounced Visit bb) Another Possibility for Making an Appointment cc) After an Appointment has been Made dd) Involvement of the National Federation ee) The Athlete’s Whereabouts cannot be Traced e) The Actual Out-of-Competition Control aa) The Athlete is not Present at the Address Supplied bb) Identification of the Doping Control Officer cc) Identification of the Athlete dd) Respect for the Athlete’s Privacy ee) The Refusal to Submit to a Doping Control ff) Supplying a Urine Sample gg) Supplying a Blood Sample hh) Storage and Dispatch of the Samples ii) Analysis of the Samples jj) Recapitulation

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6. Sanctions 7. Deviation from the Rules V. Fundamental Rights of the Athlete and Procedural Mental Guarantees 1. Introduction 2. Human Rights Treaties 3. Disciplinary Law in Sport 4. The Various Fundamental Rights a) The Right to be Informed of the Charges aa) At International Level bb) At National Level b) Open Court c) Confidentiality d) The Right to Inspection of the File e) The Right to Appear in Person/The Right to be Heard aa) At International Level bb) At National Level f) Impartiality of the Tribunal g) The Right to Representation aa) At International Level bb) At National Level h) The Right to be Assisted by an Interpreter i) The Right to Submit Evidence aa) Reversal of the Burden of Proof bb) Distribution of the Burden of Proof with regard to Strict Liability j) The Right to Call Witnesses and/or Experts aa) At International Level bb) At National Level k) The Right to Conduct the Doping Trial in Writing aa) At International Level bb) At National Level cc) Last Word l) Reasoned and Public Decision m) Remedies at Law aa) Opposing a Judgment bb) Right of Appeal cc) Cassation dd) Appeal to the Court of Arbitration for Sport (CAS) 5. The Anti-Doping Convention of the Council of Europe and Fundamental Rights 6. The CAS and Fundamental Rights VI. System of Sanctions 1. Sanctions and the World Doping Conference 2. Sanctions for Individual Athletes in Cases of ‘Hard Doping’ a) Introduction b) The Various Types of Sanctions aa) 1st Offence: Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Life-Long Ban – FISA, ICF, FIE, IWF, IJF, FILA, IBU, ITTF, FITA, FIVB, FIBT, WCF, IIHF and FIL

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Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations bb) 1st Offence: Suspension of 1 Year, 2nd Offence: Life-Long Ban – ITF, ATP, WTA cc) 1st Offence: Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Minimum Suspension of 3 Years –ISU dd) 1st Offence: Maximum Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Life-Long Ban – AIBA, FIG, FINA and ITU ee) 1st Offence: Maximum Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Suspension of 4 Years – IHF ff) 1st Offence: Minimum Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Life-Long Ban – IAAF, FIBA and WTF gg) 1st Offence: Minimum Suspension of 4 Years, 2nd Offence: Life-Long Ban – IPC and FINA hh) 1st Offence: Flexible Ban, 2nd Offence: Flexible Ban, 3rd Offence: LifeLong Ban – UCI and ISF ii) 1st Offence: Flexible Ban, 2nd Offence: Flexible Ban, 3rd Offence: Flexible Ban – FIH jj) 1st Offence: Maximum Life-Long Ban – FISA, FIFA and FIS kk) No Malice: Suspension of 1 to 3 Months + Fine, Malice: Suspension of 3 Months to 2 Years + Fine – FEI ll) 1st Offence: Ban on Participation in One or Several Competitions; Fine up to US-$ ,; Suspension from all Competitions for at least Two Years, 2nd Offence: Ban on Participation in any Competition; Fine up to US-$ 1,,; Suspension from all Competitions for 4 Years to Life – IOC c) Summary 3. Sanctions for Individual Athletes in Cases of ‘Soft Doping’ a) Introduction b) The Various Types of Sanctions aa) 1st Offence: Advice, 2nd Offence: Suspension of 3 Months, 3rd Offence: Suspension of 1 Year – ITF bb) 1st Offence: Public Warning, 2nd Offence: Minimum Suspension of 2 Years, 3rd Offence: Life-Long Ban – IAAF cc) 1st Offence: Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Suspension of 1 Year, 3rd Offence: Life-Long Ban – ITF dd) 1st Offence: Maximum Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Maximum Suspension of 2 Years, 3rd Offence: Possible Life-Long Ban – FIG and FINA ee) 1st Offence: Maximum Suspension of 90 Days, 2nd Offence: Suspension of 2 Years – ITU ff) 1st Offence: Maximum Suspension of 3 Months + Fine, 2nd Offence: Suspension of 6 Months to 1 Year + Fine, 3rd Offence: Life-Long Ban + Fine – UCI gg) 1st Offence: Maximum Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Suspension of 2 Years, 3rd Offence: Minimum Suspension of 3 Years – ISU hh) 1st Offence: Maximum Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Suspension of 2 Years (Possibly Longer), 3rd Offence: Ban of 5 Years to Life – FIH ii) 1st Offence: Maximum Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Suspension of 2 Years, 3rd Offence: Life-Long Ban – IOC, IBF, FISA, IBA, FIBA, ICF, UIPM, WTF, ITTF, FITA, FIVB, ISAF, WCF, IIHF and FIL

Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations jj)

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1st Offence: Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Suspension of 2 Years, 3rd Offence: Life-Long Ban – FIE, IJF, FIBT and IBU kk) 1st Offence: Suspension of 6 Months, 2nd Offence: Suspension of 2 Years, 3rd Offence: Life-Long Ban – IWF ll) 1st Offence: Maximum Suspension of 3 Months, 2nd Offence: inimum Suspension of 3 Years, 3rd Offence: Life-Long Ban – ISF mm) 1st Offence: Suspension of 3 Months, 2nd Offence: Suspension of 4 Years, 3rd Offence: Life-Long Ban – IPC nn) 1st Offence: Possible Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Possible Disqualification for Life – AIBA oo) Malice: Suspension of 3 Months to 2 Years + Fine, No Malice: Suspension of 1 Month and 3 Months + Fine – FEI pp) Discretionary Determination of the Sanction – FIFA, ISSF and FIS qq) 1st Offence: Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Suspension of 4 Years – IHF rr) 1st Offence: Suspension of 2 Years, 2nd Offence: Life-Long Ban – FILA ss) Doping: Warning + Ban + Fine + Suspension of 1 to 3 Months, Intentional Doping: Ban + Fine + Suspension of 2 to 8 Years – IOC c) Summary 4. Primary and Secondary Team Sanctions a) Primary Team Sanctions b) Secondary Team Sanctions aa) The Match is Declared Lost bb) Disqualification of the Entire Team cc) Other Sport Sanctions for the Entire Team dd) Lack of Sanctions for the Entire Team 5. Proportionality and Restraint of Trade a) Proportionality b) Restraint of Trade. 6. Sport Sanctions a) Disqualification b) Return of Prizes, Medals, etc. 7. Sanctions at the National Level a) Extreme Varieties aa) First Offence bb) Second Offence cc) Third Offence b) ‘Exotic’ Varieties aa) Suspension from Membership bb) Ban from Representation cc) Termination of Funding dd) Suspension in Specified Areas ee) Sanctions according to Category c) Discretionary Powers and Flexible Sanctions aa) Full Discretionary Powers bb) Flexible Sanctions VII. Adoption and Mutual Recognition of Doping Sanctions 1. Introduction

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Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Olympic Movement Lausanne Agreement 1994 The Olympic Movement Anti-Doping Code 2000 IOC Olympic Charter The IOC Medical Code World Anti-Doping Agency (WADA) Newest National Anti-Doping Legislation The Relevant Regulations of the 34 IFs (1) International Amateur Athletic Federation (IAAF) (2) International Rowing Federation (Fisa) (3) International Badminton Federation (IBF) (4) International Baseball Association (IBA) (5) International Basketball Federation (FIBA) (6) International Amateur Boxing Association/ International Canoe Federation (ICF) (7) International Cycling Union (UCI) (8) International Equestrian Federation (FEI) (9) International Fencing Federation (FIE) (10) International Association Football Federation (FIFA) (11) International Gymnastics Federation (FIG) (12) International Weightlifting Federation (IWF) (13) International Handball Federation (IHF) (14) International Hockey Federation (FIH) (15) International Judo Federation (IJF) (16) International Wrestling Federation (FILA) (17) International Amateur Swimming Federation (FINA) (18) International Union for Modern Pentathlon (UIPM) (19) International Biathlon Union (IBU) (20) International Softball Federation (ISF) (21) International Taekwondo Federation (WTF) (22) International Tennis Federation (ITF) (23) International Table Tennis Federation (ITTF) (24) International Sport Shooting Federation (ISSF-UIT) (25) International Archery Federation (FITA) (26) International Triathlon Union (ITU) (27) International Volleyball Federation (FIVB) (28) International Sailing Federation (ISAF) (29) International Bobsleigh and Tobogganing Federation (FIBT) (30) World Curling Federation (WCF) (31) International Ice Hockey Federation (IIHF) (32) International Luge Federation (FIL) (33) International Skating Union (ISU) (34) International Ski Federation (FIS) 9. Summary C. Results of a Case Study on Doping in Sport I. Introduction II. Results III. Summary IV. Conclusions

Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations Appendix: Questionaire D. Medical Limits (Cut-Off Limits in Doping Control) I. Introduction II. Medical and Scientific Background 1. Drugs and the Human Body 2. Doping Substances With Cut-Off Limits a) Caffeine b) Ephedrine c) Cannabis d) Morphine e) Testosterone-Epitestosterone (T/E) Ratio f) Epitestosterone g) Salbutamol h) Nandrolone i) Hematocrit and Haemoglobin j) Conclusions 3. Contamination by Forbidden Substances a) Nutritional Supplements b) Other Sources aa) Meat bb) Hemp Products 4. Analytical Background 5. Conclusions III. Legal Analysis 1. The Use of Limits in Other Fields of Law a) Environmental Law aa) Procedure of Setting up Cut-Off Limits bb) Advantages and Disadvantages of Cut-Off Limits b) Food Law c) Road Traffic Law d) Conclusions 2. The Use of Limits in Doping Control a) Analysis of Current Cut-Off Limits b) Possible Limits for Forbidden Substances c) Suitability of Substance Classes for Cut-Off Limits aa) Exogenous Substances (1) Substances With Short Effect (2) Substances With Long-Lasting Effect bb) Endogenous Substances cc) Body Parameters 3. Conclusions IV. Legal Review 1. Standard of Control 2. Suitability of the Current Cut-Off Limits a) Evidential Value of a Positive Doping Sample b) Consequences of the Suitability of Cut-Off Limits aa) Endogenous Production bb) Therapeutical Application

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cc) Contaminations c) Conclusions 3. Implementation of Effect-Related Limits a) Equal Opportunities b) Protection of Health c) Image of Sport d) Conclusions 4. Reasonableness of the Current Cut-Off Limits 5. Formal Aspects Concerning Cut-Off Limits 6. Conclusions V. Outlook and Alternatives 1. Expected Problems with Cut-Off Limits 2. Alternative Approaches a) Individual Limits b) Steroid Profile c) Drug Diary d) Health Rules 3. Conclusions VI. General Conclusions E. Summary and Conclusions I. The Definitions of Doping and the Description of the Doping Offence 1. ‘Use’-Infractions 2. ‘Non-Use’-Infractions II. Why Combat Doping? The Arguments III. List of Prohibited Substances and Methods IV. Out-of-Competition Testing V. The Fundamental Rights of Athletes in Doping Trials VI. System of Sanctions 1. Sanctions for Individual Athletes in Cases of ‘Hard Doping’ 2. Sanctions for Individual Athletes in Cases of ‘Soft Doping’ VII. Mutual Recognition of Sanctions VIII. Inquiry into the Application and Interpretation of the Sports Rules on Doping IX. Cut-Off Limits

Part IV Analysis of Doping Cases of the Court of Arbitration for Sport A. Introduction I. Historical Introduction and the CAS Today 1. How Does the CAS Function? 2. Ordinary Cases 3. Appeal Cases 4. General Procedure 5. Ad Hoc Division Cases 6. Legal Status of CAS Awards 7. Challenges to CAS Awards II. Preliminary Matters Concerning this Study of the Appellate Jurisdiction of the CAS

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1. Methodology 2. Practical Matters a) Sources b) Translations III. A Note on the List of the Court of Arbitration for Sport’s Doping Appellate Awards and Opinions Considered in the Course of this Study B. Aspects of the CAS Jurisprudence Researched I. Introduction II. The Doping Awards and Opinions in ‘Digested’ Form C. Summary and Conclusions I. Summary 1. Definition of Doping (The Description of the Doping Offence) 2. The Purpose of the Ban on Doping (Arguments Against the Use of Doping) 3. List of Prohibited Substances and Methods a) Exceptional Cases b) Cases of Inadvertent Ingestion c) Masking Cases d) General Doping Cases e) Horse Cases 4. Doping Control and Testing in and out of Competition 5. Evidential Rules 6. Fundamental Rights of the Athlete and Procedural Guarantees a) Basic Procedural Failure b) Benefit of the Doubt c) Proportionality d) Due Process and De Novo Cases 7. System of Sanctions a) Holding to the Rules b) The Lex Mitior c) Proportionality 8. Competence to Impose Sanctions 9. Mutual Recognition of Sanctions II. Conclusions

Part V General Conclusions and Recommendations A. Statutory Law (Constitutional Issues, National Legislation) I. Conclusions 1. Constitutional Issues: Autonomy of Associations 2. National Legislation: Country Reports II. Recommenolations 1. Constitutional Issues: Autonomy of Associations 2. National Legislation: Country Reports B. Sports Law (Law of the Sports Associations) I. Conclusions 1. The Description of the Doping Offence

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Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

The Purposes of the Ban on Doping (Arguments Against the Use of Doping) List of Prohibited Substances and Methods Doping Control Outside of a Competition Context Fundamental Rights of the Athlete and Procedural Guarantees System of Sanctions Adoption and Mutual Recognition of Doping Sanctions Application and Interpretation of the Sports Rules on Doping (Case Medical Limits [Cut-off Limits in Doping Control]) II. Recommendations 1. The Description of the Doping Offence 2. The Purpose of the Ban on Doping 3. List of Prohibited Substances and Methods 4. Doping Control Outside of a Competition Context 5. Fundamental Rights of the Athlete and Procedural Guarantees 6. System of Sanctions 7. Adoption and Mutual Recognition of Doping Sanctions 8. Application and Interpretation of the Sports Rules and Regulations on Medical Limits (Cut-off-Limits in Doping Control) C. Court of Arbitration for Sport (CAS) I. Conclusions II. Recommendations D. Main Recommendations Concerning Harmonisation I. Statutory Law II. Sports Law and CAS Literature and Documents E. Literature F. Documents

Gleichbehandlung im Sport Grundlagen und Grenzen* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechte im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung der Grundrechte im Verhältnis Sportler – Staat . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 2 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Art. 9 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Grundrechte im Innenverhältnis der am Sportgeschehen Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gleichbehandlung im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Die Beziehungen Udo Steiners zum Sport sind vielfältig, z. T. sind sie legendär. Insbesondere der Fußball stand und steht im Mittelpunkt seiner eigenen sportlichen Aktivitäten und seiner breit gefächerten wissenschaftlichen Kompetenz. Wie auch bei sonstigen Spitzenleistungen sind allerdings Konfliktsituationen nicht immer ganz zu vermeiden.1 Seine – zumindest als qualifizierter Erfahrungssatz zu wertende – Äußerung, dass mit der zu begrüßenden zahlenmäßigen Zunahme von Richterinnen in der Justiz die Qualität der Justizfußballmannschaften gelitten habe, belegt – eine vereinzelt gebliebene Kritik kann vernachlässigt werden – das wissenschaftliche Gespür des Jubilars auch für Zielkonflikte rein theoretischer Art. Die Praxisorientierung * Erstveröffentlichung (zusammen mit A. Müller) in G. Manssen/M. Jachmann/C. Gröpl (Hrsg.), Nach geltendem Verfassungsrecht, Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, Stuttgart u. a. 2009, S. 888 – 908. 1 So mag mancher den Mittelstürmer Steiner lieber als Mitspieler in der eigenen Mannschaft denn als Gegenspieler in der gegnerischen Mannschaft gesehen haben. Die Unterstellung des VI. Zivilsenats des BGH (BGHZ 154, 316), alle beteiligten Sportler nähmen solche Schäden in Kauf, die typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln nicht zu vermeiden seien, beruht vermutlich auf einer anderen Lebenserfahrung. Vgl. hierzu auch Steiner, Art. 2 (2) Grundgesetz für Fußballdeutschland (FuGG): „Das Recht des Spielers auf körperliche Unversehrtheit ist auf dem Spielfeld eingeschränkt.“

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seiner wissenschaftlichen Leistungen im Allgemeinen und speziell im Sportrecht steht sowieso außer Frage. Das Spektrum seines sportrechtlichen Œuvres ist breit. Es reicht von grundrechtlichen Fragen zum Amateurfußball über verfassungsrechtliche Probleme des Dopings und der Sportmedien bis hin zu verfassungsrechtlichen Fragen des Kindersports sowie zur Grundsatzproblematik der Autonomie des Sports.2 Neben wissenschaftlichem Tiefgang kennzeichnen Anschaulichkeit und launige Formulierungen seine Veröffentlichungen, vor allem die seiner Vorträge. Einen Höhepunkt bildet das „Grundgesetz für Fußballdeutschland“3, dessen Urfassung im Juli 1999 zwei Expertenzirkeln präsentiert wurde.4 Die hier zu untersuchende Problematik der Gleichbehandlung im Sport betrifft zum einen manche in der Praxis aufgetretene und z. T. gerichtlich ausgetragene Konflikte; zum anderen wirft sie theoretische Fragen auf, die in der kommerzialisierten und professionalisierten (Medien-)Welt nicht nur, aber auch des Fußballs durchaus das Potenzial haben, Juristen verstärkt auf den Plan zu rufen. Der Frage der Gleichbehandlung im Sport (dazu III.) ist vorgelagert die allgemeine Frage der Geltung und Bedeutung der Grundrechte im Sport. Insofern ist zu differenzieren zwischen dem Verhältnis Sportler – Staat und dem Innenverhältnis der am Sportgeschehen Beteiligten (dazu II.)

II. Grundrechte im Sport Der Sport als solcher findet im Grundgesetz keine Erwähnung. Weder existiert eine die Sportförderung betreffende Staatszielbestimmung5, noch enthält die Verfas2 Einen Überblick über das sportrechtliche Œuvre gibt folgendes aus Anlass seines 65. Geburtstags erschienene Buch: Tettinger/Vieweg (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Sportrechts – Ausgewählte Schriften von Udo Steiner, 2004. Noch unveröffentlicht ist der anlässlich des DOSB-Symposiums „EU-Weißbuch des Sports“ gehaltene Vortrag über die verfassungsrechtlichen Grenzen des gemeinschafts- und nationalstaatlichen Handelns im Sport; vgl. DOSB-Presse Nr. 45 v. 04. 11. 2008, S. 12 f. 3 Das FuGG ist unter anderem abgedruckt in Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 255 ff.; eine ältere Version ist abgedruckt in SpuRt 2004, 178 ff. Vgl. eingehend zum Fußballgrundgesetz: „Das Grundgesetz für Fußballdeutschland“, Kommentar, herausgegeben zum 65. Geburtstag des Fußballgrundgesetzgebers Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Udo Steiner, bearbeitet von (ehemaligen) Lehrstuhlmitgliedern, Fußballern und Doktoranden, Regensburg 2004; instruktiv hierzu mit interessanten Überlegungen de constitutione ferenda die Besprechung von Ronellenfitsch, VBlBW 2005, 367. 4 Nach Manssen, Erläuterungen zum Grundgesetz für Fußballdeutschland, SpuRt 2004, 180 ist das Entstehungsdatum nicht mehr mit letzter Sicherheit feststellbar. Nach seiner Erinnerung stammt es aus dem Jahr 1999. Eine Recherche des Verfassers bestätigt dies. Ausweislich eines Schreibens Udo Steiners v. 06. 07. 1999 an Klaus Vieweg hatte die beigelegte „kleine sportrechtliche Spielerei“ einen „Sperrvermerk“ bis zum 22.07. desselben Jahres (Abend des Dieter-Schwab-Fußballfestes). Die Erlanger „Uraufführung“ fand dann beim traditionellen Grillen des Instituts für Recht und Technik in „Röhrichts Eck“ (Biergarten in Bräuningshof) am 23. 07. 1999 statt. 5 Vgl. zur Diskussion z. B. Danckert (Vorsitzender des Sportausschusses des Bundestages) in der Plenarsitzung am 05. 06. 2008 (Plenarprotokoll 16/166, S. 17493) sowie Gehb

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sung ein speziell die Sportausübung schützendes Grundrecht. Eine gewisse Sonderstellung nimmt insoweit nur der Fußballsport ein. Dieser ist Gegenstand des nach Auffassung renommierter Rechtswissenschaftler mit Verfassungsrang ausgestatteten „Grundgesetzes für Fußballdeutschland“ aus dem Jahre 1999 in der Fassung der Veröffentlichung aus dem Jahre 2004.6 Die hiermit aufgeworfenen verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Fragen – etwa zum Verhältnis von Grundgesetz und Fußballgrundgesetz in der Normenhierarchie sowie zur Gewaltenteilung mit Blick auf die Mitgliedschaft des Jubilars und Fußballgrundgesetzgebers im sog. Sportsenat des Bundesverfassungsgerichts von Oktober 1995 bis September 2007 – sollen hier allerdings außer Betracht bleiben. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich – ausgehend von dem vorstehenden verfassungsrechtlichen Befund – überblicksartig mit der Frage, inwieweit das Grundgesetz dem Sportler – auch dem nicht Fußball spielenden Athleten – Grundrechtsschutz „aus zweiter Hand“7 garantiert. Die Frage nach der Bedeutung der Grundrechte für das Sportwesen stellt sich in zweierlei Hinsicht. Zum einen im „Außenverhältnis“ des Sportlers zum Staat (dazu 1.) und zum anderen im „Innenverhältnis“ der mittelbar und unmittelbar am Sportgeschehen Beteiligten (dazu 2.). Dabei soll der Blick im Folgenden nur auf solche Grundrechte gerichtet werden, die unmittelbar die Sportausübung und ihre organisatorischen Rahmenbedingungen betreffen. Hiermit nur mittelbar in Zusammenhang stehende verfassungs- und grundrechtliche Problemstellungen – etwa im Hinblick auf Art. 5 GG und das Recht der Medien zur Kurzberichterstattung8 – bleiben dagegen außer Betracht. 1. Die Bedeutung der Grundrechte im Verhältnis Sportler – Staat Im Verhältnis des Sportlers zum Staat erschließt sich die Antwort auf die vorstehend aufgeworfene Frage im Wesentlichen aus einer Betrachtung der Schutzbereiche und Funktionen der einschlägigen Grundrechte. a) Art. 2 Abs. 1 GG Die Sportausübung fällt als solche zunächst in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG, der in seiner Bedeutung als allgemeine Handlungsfreiheit bekanntermaßen jedes menschliche Tun und Unterlassen ohne Rücksicht darauf schützt, welches

(Rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Protokoll Nr. 44 v. 29. 01. 2007, S. 24 ff.; vgl. auch unten II. 1. c) und Fn. 21. 6 Vgl. Fn. 3. 7 Vgl. Steiner, Staat, Sport und Verfassung, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 27 (29). 8 Vgl. hierzu BVerfGE 97, 228; Steiner, Sport und Medien aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 71; Tettinger, Kurzberichterstattung über Sportereignisse im Fernsehen, SpuRt 1998, 109.

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Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt.9 Staatliche Beschränkungen müssen sich daher ungeachtet des Grades der Professionalität der Sportausübung und ungeachtet der sportlichen Fähigkeiten des Grundrechtsträgers an der Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen. Auch die Sportausübung findet ihre Grenzen demzufolge (nur) in der „verfassungsmäßigen Ordnung“, zu der alle formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetze gehören.10 b) Art. 12 Abs. 1 GG Berufssportler können sich auf das im Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 GG speziellere Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Dies gilt unstreitig etwa für die Lizenzspieler der Fußball-Bundesliga und Top-Verdiener wie Steffi Graf, Boris Becker oder Michael Schumacher.11 Weniger eindeutig ist die Situation demgegenüber im Amateurbereich. Als Amateur wurde ursprünglich ein Sportler bezeichnet, der allein aus Freude Sport treibt, ohne daraus unmittelbar oder mittelbar einen Gewinn zu erzielen, und der zur Sportausübung in der Regel weder vertraglich noch satzungsrechtlich verpflichtet ist.12 Mangels (erwerbs-) wirtschaftlichen Bezuges der ausgeübten Tätigkeit ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG im „echten“ Amateursport im vorgenannten Sinne nicht eröffnet. In der Praxis sind die Übergänge zwischen Amateur- und Berufssport aufgrund der wachsenden Professionalisierung auch im Amateurbereich inzwischen allerdings fließend. Auch die nicht im engeren Sinne berufliche Sportausübung kann für einen Amateursportler mittlerweile eine erhebliche wirtschaftliche Dimension erreichen, sei es durch Entgelte für die sportliche Leistung oder durch die Eröffnung weiterer Einnahmequellen im Zusammenhang mit der Sportausübung, etwa in Form von Werbe- oder Sponsoringverträgen. Als – allerdings nicht alle Zweifelsfragen ausräumendes – Abgrenzungskriterium ist das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelte Begriffsmerkmal heranzuziehen, demzufolge die Berufsausübung zur Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dienen müsse.13 So erachteten die Verbandsinstanzen und Gerichte in den Doping-Fällen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Silke Möller, die offiziell den Amateurstatus innehatten, mit Blick insbesondere auf die „Sportför-

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Vgl. BVerfGE 80, 137 (152 f.); 113, 29 (45). Vgl. BVerfGE 96, 10 (21); 90, 145 (172); 103, 197 (215). 11 Vgl. Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 36. 12 Vgl. Pfister/Steiner, Sportrecht von A bis Z, o. J., S. 1. Vgl. zur Aufgabe der Amateurregel Tröger/Vedder, Rechtsqualität der IOC-Zulassungsregel – Anspruch und Wirklichkeit, in: Reuter (Hrsg.), Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, 1987, S. 1 (5 ff.). 13 Vgl. insoweit zum Begriff des Berufs im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG BVerfGE 102, 197 (212); 110, 304 (321). 10

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derung“ durch den Deutschen Leichtathletikverband Art. 12 Abs. 1 GG als anwendbar.14 Die Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 1 GG kommt überdies noch unter einem anderen Aspekt in Frage. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 12 Abs. 1 GG ein „Abwehrrecht gegen Freiheitsbeschränkungen im Ausbildungsbereich“.15 Soweit daher die Sportausübung in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung nach der sozialen Anschauung als Ausbildungs- und Lernvorgang im Hinblick auf eine spätere berufsmäßige Sportausübung anzusehen ist, greift auch der grundrechtliche Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG ein.16 c) Art. 2 Abs. 2 GG Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG spielt im sportrechtlichen Zusammenhang insbesondere im Rahmen der Dopingproblematik und dort für die Frage eine Rolle, ob Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG den Erlass eines staatlichen Anti-Dopinggesetzes fordert bzw. ein solches zumindest verfassungsrechtlich legitimieren könnte.17 Dies vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Pflicht des Staates ableitet, sich schützend und fördernd vor das Leben und die Gesundheit des Einzelnen zu stellen, d. h. diese Rechtsgüter auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren.18 Dabei ist der Staat grundsätzlich auch berechtigt, aus gewichtigen Gründen zum Schutz des Menschen vor sich selbst dessen individuelle (Entscheidungs-)Freiheit zu beschränken.19 Dagegen verneint die herrschende Auffassung zu Recht eine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Pflicht des Staates, den Einzelnen vor ihrerseits in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fallenden Selbstgefährdungen und Selbstschädigungen – sei es durch

14 Vgl. Beschluss des Rechtsauschusses des DLV (DLV-RA) v. 04. und 05. 04. 1992, NJW 1992, 2588 (2591 f.); Beschluss des DLV-RA v. 26. 03. 1993, SpuRt 1996, 66; LG München, Urt. v. 17. 05. 1995, SpuRt 1995, 162 ff.; hierzu Vieweg, Doping und Verbandsrecht – zum Beschluss des DLV-Rechtsausschusses im Fall Breuer, Krabbe, Möller, NJW 1992, 2539 ff. 15 Vgl. BVerfGE 7, 377 (401, 406); 33, 303 (330); 37, 342 (352 f.); 41, 251 (261); Jarass/ Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 70. 16 Vgl. Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 43; Steiner, Amateurfußball und Grundrechte, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 23. 17 Vgl. zur Problematik eines Anti-Dopinggesetzes insbesondere Steiner, Doping aus verfassungsrechtlicher Sicht; ders., Verfassungsfragen des Sports, jeweils in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 177 (178 ff.) und S. 98 (110 ff.); Grunsky, Persönlichkeitsrecht und Verbandsautonomie bei der Dopingbekämpfung, SpuRt 2007, 188; Vieweg, Staatliches Anti-Doping-Gesetz oder Selbstregulierung des Sports, SpuRt 2004, 194 ff. 18 Vgl. BVerfGE 46, 160 (164); 45, 187 (254 f); 56, 54 (78); 85, 191 (212). 19 Vgl. BVerfGE 58, 208 (225 f.); Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 100.

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eine „ungesunde“ Lebensweise im Allgemeinen, sei es durch die Ausübung per se gefährlicher Sportarten oder die Einnahme von Dopingmitteln – zu bewahren.20 Im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sei schließlich noch angemerkt, dass sich aus dieser Bestimmung für die derzeit kontrovers diskutierte Frage nach der Aufnahme einer Staatszielbestimmung Sportförderung in das Grundgesetz21 im Ergebnis nichts herleiten lässt. Die (in vernünftigem Maße betriebene) Ausübung von Sport hat zwar unbestritten gesundheitsfördernde und -erhaltende Wirkung, so dass Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich auch für die Sportförderung in ihrer Bedeutung als „Dienst an der Volksgesundheit“22 streitet.23 Eine Grundrechtsverletzung kann angesichts des weiten Spielraums des Staates bei der Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten jedoch erst dann angenommen werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffene Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder wenn sie erheblich dahinter zurückbleiben.24 Eine „Verdichtung“ der staatlichen Schutzpflicht zu einer konkreten Handlungspflicht wird daher in den seltensten Fällen vorliegen. Hiervon ausgehend ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG jedenfalls keine staatliche Pflicht zur Sportförderung. d) Art. 9 Abs. 1 GG Von zentraler Bedeutung sowohl für die Sportausübung des Einzelnen als auch für die Organisation des Sportwesens insgesamt ist die in Art. 9 Abs. 1 GG verbürgte Vereinigungsfreiheit. Art. 9 Abs. 1 GG schützt das Recht, sich – zu beliebigen Zwecken – mit anderen in Vereinen, Verbänden und Assoziationen aller Art zusammenzuschließen.25 Der organisierte Sport in Deutschland hat demnach die Befugnis, frei von staatlicher Einwirkung Sportvereine und -verbände zu gründen und aufzulösen, über deren Organisation zu bestimmen und im Bereich des vereins- und verbandsorganisierten Sports eigene sportbezogene Werte zu bilden und diese im Wege privater 20 Vgl. Steiner, Verfassungsfragen des Sports, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 98 (112 ff.); Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 100; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Rn. 234. 21 Vgl. hierzu Steiner, Von den Grundrechten im Sport zur Staatszielbestimmung „Sportförderung“, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 136; Streinz, Deutschland als Sportstaat, Gegenseitige Erwartungen von Sport und Verfassung, in: Pitschas/Uhle (Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, Festschrift für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, 2007, S. 355 (356); Dreher, Staatsziele im Bundesstaat am Beispiel des Sports, 2005, passim. 22 Vgl. Häberle, „Sport“ als Thema neuerer verfassungsstaatlicher Verfassungen, in: Becker/Bull/Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme, 1993, S. 25 (47). 23 In diese Richtung Segerer, Wirkung der Grundrechte zwischen Sportlern, Sportvereinigungen und Staat, 1999, S. 96. 24 Vgl. BVerfGE 92, 26 (46); 56, 54 (80 f.); 77, 170 (215); 79, 174 (202). 25 Vgl. BVerfGE 38, 281 (303).

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Normsetzung und -anwendung zur Geltung zu bringen.26 Art. 9 Abs. 1 GG definiert ausgehend hiervon die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Organisation des Sportwesens. Die (internationalen und nationalen) Sportverbände nehmen für sich in Anspruch, „ihren“ Sport im Einzelnen selbst zu regeln, diese Regelungen anzuwenden und gegebenenfalls durchzusetzen.27 Die einheitliche Anwendung und gegebenenfalls Durchsetzung der Regelungen wird ermöglicht durch eine Monopolstruktur (das sog. Ein-Platz-Prinzip) und die Organisation von Sportgerichten mit dem Anspruch auf endgültige Entscheidung. Das Sportrecht ist ausgehend hiervon gekennzeichnet durch eine Zweispurigkeit in Gestalt des Nebeneinanders von Verbandsregelungen und Regelungen staatlichen sowie überstaatlichen Rechts.28 Diese – hier nur kurz umrissene – Organisation des Sportwesens bildet zugleich den Rahmen für die im Folgenden schwerpunktmäßig zu behandelnde Frage der Gleichbehandlung im Sport und ihrer Grenzen. Vollzieht sich die organisierte Sportausübung in einem im Wesentlichen staatsfreien und privatrechtlich organisierten Bereich, so wirft dies die Frage nach der Bedeutung der Grundrechte im Innenverhältnis der am Sportgeschehen Beteiligten und damit die Frage nach der Geltung der Grundrechte zwischen Privaten und insbesondere die der mittelbaren Drittwirkung auf (hierzu 2.). e) Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 GG Davon ausgehend, dass die Sportausübung und ihr organisatorischer Rahmen im Wesentlichen durch privatrechtlich organisierte Vereine und Verbände normiert werden, stellt sich die Frage der Gleichbehandlung und ihrer grundrechtlichen Verankerung in erster Linie im Verhältnis der unmittelbar am Sportgeschehen Beteiligten (Sportler, Vereine, Verbände). Sportspezifische Probleme der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung sind – soweit ersichtlich – in Zusammenhang mit der staatlichen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung bislang nur vereinzelt Gegenstand rechtswissenschaftlicher Abhandlungen oder von Entscheidungen staatlicher Gerichte gewesen.29 Im Zusammenhang mit den bereits behandelten Schutzbereichsfragen anderer Grundrechte sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 3 GG für den (staatlichen) Gesetzgeber von Interesse, da auch sie im Rahmen der Frage nach Grundlage und Grenzen der Gleichbehandlung im Verhältnis der unmittelbar am Sportgeschehen Beteiligten von Bedeutung sind. 26

Vgl. Pfister/Steiner, Sportrecht von A bis Z, o. J., S. 72.; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 145. 27 Vgl. hierzu Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 149. 28 Vgl. zum Ganzen Vieweg, Faszination Sportrecht, Online-Version 2007, S. 4. 29 Vgl. insbes. Zinger, Diskriminierungsverbote und Sportautonomie, S. 81 ff. m. w. N.; dies., Gleichbehandlung im Sport – Der Anspruch eines Sportlers auf Teilnahme am Wettkampf im US-amerikanischen und im deutschen Recht, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, 2005, S. 23 ff. m. w. N.

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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.30 Die Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte kann allerdings durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden.31 Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis hin zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.32 Werden verschiedene Personengruppen ungleich behandelt, ist eine strenge Prüfung erforderlich,33 während bei einer Ungleichbehandlung lediglich von Sachverhalten eine großzügigere Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht angezeigt ist.34 Die speziellen Gleichheitssätze des Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisten in Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichberechtigung von Mann und Frau.35 Die Abgrenzung zwischen beiden Bestimmungen ist allerdings im Einzelnen unklar. Erfasst werden sowohl „direkte“ Ungleichbehandlungen, bei denen an das männliche oder weibliche Geschlecht als Differenzierungskriterium angeknüpft wird, als auch „indirekte“ Ungleichbehandlungen, bei denen eine an sich geschlechtsneutrale Regelung überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche und gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist.36 Der Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 2 GG geht dabei insoweit über denjenigen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG hinaus, als Art. 3 Abs. 2 GG ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt.37 Dieser vom Bundesverfassungsgericht der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 GG seit jeher im Wege der (erweiternden) Auslegung entnommene Inhalt ist seit der Aufnahme des Förderungsgebotes in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG38 ausdrücklich grundgesetzlich verankert. Die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 Abs. 2 GG und des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sind im Grundsatz schranken30

Vgl. BVerfGE 84, 133 (158); 90, 226 (239); 98, 365 (385); 103, 310 (318). Vgl. BVerfGE 100, 138 (174); Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 14. 32 Sog. Neue Formel, vgl. beispielsweise BVerfGE 88, 87 (96 f.); 110, 274 (291); 117, 1 (30). 33 Vgl. BVerfGE 75, 348 (357); 78, 232 (247); 88, 87 (96 f.); 100, 195 (205). Das Bundesverfassungsgericht prüft dann, ob für die vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und mit solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 88, 97). 34 Vgl. BVerfGE 55, 72 (89); 60, 329 (346). 35 Vgl. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rn. 51. 36 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 85 f.; BVerfGE 89, 276 (288 f.); 97, 35 (43); 104, 373 (393); 113, 1 (15 f.). 37 Vgl. BVerfGE 85, 191 (207); 87, 234 (258); 92, 91 (109). 38 Das Fördergebot wurde durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27. 10. 1994 (BGBl I S. 3146) in Art. 3 aufgenommen. 31

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los gewährleistet. An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verfassung nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen zwingend erforderlich sind, die ihrer Natur nach entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können. Fehlt es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese nur im Wege der Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren.39 Eine „indirekte“ Ungleichbehandlung kann zulässig sein, wenn sie auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht.40 Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Der ebenfalls später in das Grundgesetz eingefügte Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG41 dient mit seinem Diskriminierungsverbot42 zugunsten Behinderter dem Ziel, deren Stellung in Recht und Gesellschaft zu stärken.43 In den Schutzbereich der Vorschrift fallen nur behinderungsbezogene Benachteiligungen, d. h. die Ungleichbehandlung muss gerade mit Blick auf die Behinderung des Grundrechtsträgers erfolgen.44 Unter einer Behinderung ist dabei die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung zu verstehen, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht.45 Ein Nachteil im Sinne der Vorschrift tritt ein, wenn Regelungen oder sonstige Maßnahmen die Situation des Behinderten wegen seiner Behinderung verschlechtern, indem ihm etwa der tatsächlich mögliche Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen verwehrt wird oder ihm Leistungen verweigert werden, die grundsätzlich jedermann zustehen. Ein Nachteil kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird.46 Eine Schlechterstellung Behinderter im Vergleich zu Nichtbehinderten wird allerdings nicht ausnahmslos ausgeschlossen. Sie ist etwa zulässig, wenn einem behinderten Menschen gerade aufgrund seiner Behinderung bestimmte geistige oder körperliche Fähigkeiten fehlen, die unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung eines an sich jedermann zustehenden Rechts sind. Die Benachteiligung muss zwingend erforderlich und unerlässlich sein, um behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung zu tragen.47 39

Vgl. BVerfGE 85, 191 (207 ff.); 92, 91 (109); 117, 357 (364). Vgl. BVerfGE 113, 1 (20). 41 Vgl. Fn. 38. 42 Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3, Rn. 173 (Bearbeitungsstand Oktober 1996); Zinger, Gleichbehandlung im Sport (Fn. 29), S. 36 f. 43 Vgl. BTDrucks 12/8165, S. 29. 44 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 143. 45 Vgl. BVerfGE 96, 288 (301); 99, 341 (356 f.). 46 Vgl. BVerfGE 96, 288 (303); 99, 341 (357). 47 Vgl. BVerfGE 99, 341 (357); BVerfG, NJW 2004, S. 2151. 40

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2. Die Bedeutung der Grundrechte im Innenverhältnis der am Sportgeschehen Beteiligten Wie bereits dargestellt,48 gewährleistet Art. 9 Abs. 1 GG im Grundsatz das Recht der Sportvereinigungen und Verbände, „ihren“ Sport durch selbst gesetzte Normen zu regeln, diese Regelungen anzuwenden und gegebenenfalls durchzusetzen. Entscheidungen, die die Sportausübung und damit grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des einzelnen Sportlers nachteilig betreffen können – zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die Nominierung für einen Wettkampf, die Aufnahme in einen Verein oder Verband bzw. den Ausschluss aus demselben, die Verhängung von (Verbands- oder Vereins-) Strafen etc. –, werden in erster Linie auf der Grundlage autonom gesetzter Normen von dem zuständigen Verband bzw. Verein getroffen. Hieraus resultierende Konflikte sind daher in der Regel zivilrechtlicher Natur und spielen sich zwischen Privatrechtssubjekten ab. Die Frage nach der Bedeutung der Grundrechte im Innenverhältnis der am Sportgeschehen Beteiligten wirft daher die Frage nach der Bedeutung der Grundrechte im Privatrecht auf, die allgemeine verfassungsdogmatische Relevanz aufweist und bereits Gegenstand vielfältiger Abhandlungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur gewesen ist.49 Eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Privatrechtssubjekte in ihrem Verhältnis untereinander und ein hieraus resultierender deliktischer Schutz der Grundrechte als sonstige Rechte im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (so die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung50) wird von der Rechtsprechung und der heute ganz herrschenden Meinung zu Recht abgelehnt. Gegen sie spricht zum einen der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 3 GG. Zum anderen würden Schutzgehalt und Schutzrichtung der Grundrechte durch die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung im Ergebnis in ihr Gegenteil verkehrt: Die ursprünglich primär als Abwehrrechte gegenüber der öffentlichen Gewalt konzipierten Grundrechte würden zu Pflichtenpositionen gegenüber anderen Bürgern, wodurch die Ausübung individueller Freiheiten durch die gleichzeitige Auferlegung der Grundrechtsbindung wesentlich eingeschränkt würde.51 Diese Überlegung wird verstärkt durch den Gedanken der „Waffengleichheit“ im weiteren Sinne. Ginge man von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht aus, würden die Privatrechtssubjekte zu Grundrechts48

Vgl. oben II. 1. d). Vgl. beispielsweise Dürig, Festschrift für Nawiasky 1956, S. 157 f.; Stern, Staatsrecht Band III/1, 1988, S. 1509 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201; ders., Grundrechte und Privatrecht – Eine Zwischenbilanz, 1999; Medicus, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht, AcP 192 (1992), 35; J. Hager, Grundrechte und Privatrecht, JZ 1984, 373; Bleckmann, Neue Aspekte der Drittwirkung der Grundrechte, DVBl 1988, 938; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts für die Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 349 ff. 50 So noch BAGE 1, 185 (193 f.); 4, 274 (276); 13, 168 (174); Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1, 1. Halbband, 15. Aufl. 1959, S. 93; vgl. auch J. Hager, Grundrechte und Privatrecht, JZ 1994, 373. 51 Vgl. etwa Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 22. Aufl. 2006, Rn. 175. 49

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adressaten, ohne gleichzeitig über das Regelungsinstrumentarium zur Normierung von Eingriffsgrundlagen – etwa in Form formeller Gesetze – zu verfügen.52 Ein derartiges Ungleichgewicht der Kräfte würde jedoch den jedem Privatrechtssubjekt zustehenden eigenen – in der Regel zu den (Grund-)Rechten des Konfliktpartners in Widerstreit stehenden – Grundrechtspositionen nicht gerecht. Die herrschende Auffassung geht daher von einer nur mittelbaren Drittwirkung aus und berücksichtigt die von den Grundrechten festgelegte objektive Wertordnung bei Auslegung und Anwendung des Zivilrechts, wobei insbesondere die zivilrechtlichen Generalklauseln als „Einfallstore“ der Grundrechte in das Bürgerliche Recht von Bedeutung sind.53 Nach einer in der Literatur verbreiteten Konzeption der durch Schutzpflichten des Staates vermittelten Drittwirkung sind die staatlichen Gewalten durch Art. 1 Abs. 3 GG auch in ihrer den Privatrechtsverkehr regelnden Tätigkeit unmittelbar an die Grundrechte gebunden.54 Entscheidende Grundlage für die Einwirkung der Grundrechte auf das Verhalten der Privatrechtssubjekte ist dabei die allgemein anerkannte Funktion der Grundrechte als Schutzgebote an den Staat: Dieser ist auch zum Schutz der Grundrechte eines Bürgers, insbesondere vor Eingriffen anderer Privatrechtssubjekte verpflichtet.55 Die Grundrechte wirken nach dieser Auffassung zwar unmittelbar auf das Privatrecht ein, sie entfalten aber keine unmittelbare Wirkung gegen Privatrechtssubjekte.56 Beide letztgenannten Auffassungen kommen ausgehend von unterschiedlichen dogmatischen Ausgangspunkten zu Recht zu dem Ergebnis, dass auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der ihrerseits selbst nicht grundrechtsgebundenen Konfliktparteien widerstreiten können und sich daher Grundrechtskollisionen im Privatrecht ergeben, die unter Beachtung sowohl der Schutz- als auch der Abwehrfunktion der Grundrechte im Wege einer Abwägung der konfligierenden Grundrechtspositionen aufzulösen sind.57 Es kann in diesem Zusammenhang heute als allgemein anerkannt gelten, dass es dabei in der Sache auf die 52 Vgl. Steiner, Amateurfußball und Grundrechte, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.) (Fn. 2), S. 15; anders v. Münch/Rauball, Gutachtliche Stellungnahme zu verfassungsrechtlichen Fragen des Lizenzfußballs, in: Rauball (Hrsg.), Bundesligaskandal, 1972, S. 271 (283 ff.), die von einer unmittelbaren Geltung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG im Verhältnis von Lizenzfußballer und Deutschem Fußball-Bund ausgehen. 53 So die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa BVerfGE 7, 198 (205 ff.); 58, 358 (396); 73, 261 (269); 81, 242 (256); 84, 192 (194 f.); 112, 332 (358). 54 Vgl. etwa Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201 (225 ff.); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (54 f.). 55 Vgl. oben II. 1. c). 56 So die griffige Formel von Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 1997, S. 22. 57 Vgl. BVerfGE 39, 1 (47); Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des BVerfG, AöR 110, 363 (382); Klein, Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, NJW 1989, 1633 (1636).

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Angemessenheit des Ausgleichs bzw. auf die Erzielung praktischer Konkordanz ankommt.58 Die gebotene Abwägung ist daher nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vorzunehmen, wobei grundsätzlich keines der widerstreitenden Grundrechte vollständig verdrängt werden darf, sondern allen zu größtmöglicher Verwirklichung und Effektivität zu verhelfen ist.59 Im Bereich des Sportrechts wird dabei typischerweise die in Art. 9 Abs. 1 GG verbürgte Autonomie der Sportverbände bzw. -vereine auf der einen Seite mit einem der oben genannten Freiheits- oder Gleichheitsrechte des einzelnen Sportlers, der von einer für ihn nachteiligen Verbands- oder Vereinsentscheidung betroffen ist, auf der anderen Seite in Widerstreit stehen. Angesichts der Erforderlichkeit einer Abwägung nach den Maßstäben praktischer Konkordanz kann es für die Frage, ob bei Auseinandersetzungen zwischen Sportler und Verein oder Verband auch die Grundrechte des Sportlers zu berücksichtigen sind, im Grundsatz nicht auf die Frage der sozialen Macht des Verbandes mit Blick insbesondere auf eine etwaige Monopolstellung ankommen. Denn des Vorliegens einer gleichsam „staatsgleichen“ (Regelungs-)Macht des Verbands oder Vereins, die die Annahme dessen unmittelbarer Grundrechtsbindung legitimieren könnte, bedarf es nicht. Vielmehr ist die soziale Macht bzw. eine Monopolstellung des Vereins oder Verbands erst im Rahmen der Abwägung zur Erzielung praktischer Konkordanz zu berücksichtigen.60 Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die Gleichheitssätze des Art. 3 Abs. 1 bis 3 GG.61 Steht etwa die Aufnahme eines Sportlers in einen Verein oder seine Teilnahme an einem bestimmtem Wettkampf – gegebenenfalls in einer bestimmten Konkurrenz oder Wettkampfklasse – in Streit, werden die Vertragsfreiheit und das freie Auswahlermessen des Vereins oder Verbands umso eingeschränkter sein, je mehr der Sportler für die Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheiten auf die Aufnahme in den Verein oder Verband bzw. auf die Teilnahme an einem bestimmten Wettkampf angewiesen ist.

58 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 72, 317 ff.; Canaris, Grundrechtswirkungen und Verhältnismäßigkeitsprinzip in der richterlichen Anwendung und Fortbildung des Privatrechts, JuS 1989, 161 (163); Isensee, Kunstfreiheit im Streit mit Persönlichkeitsschutz, AfP 1993, 619 (626); Hillgruber/Schemmer, Darf Satire wirklich alles?, JZ 1992, 946 (948); Starck, JuS 1981, 237 (245); Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 192. 59 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72, 317 ff. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 192. 60 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 234 f. Auf europäischer Ebene spricht für eine Begrenzung der Drittwirkung auf sozialmächtige Verbände der Gedanke des effet utile. Vgl. Vieweg/Röthel, Verbandsautonomie und Grundfreiheiten, ZHR 166 (2002), 6 (22) m. w. N. 61 Eine abweichende Literaturansicht stellt die mittelbare Drittwirkung des Gleichheitssatzes in Frage, da dieser einen anderen Inhalt und eine andere Funktion habe als die Freiheitsgrundrechte, auf deren Grundlage die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung entwickelt worden sei. Eine Geltung des Gleichheitssatzes komme daher nur bei Bestehen einer Monopol- oder (sozialen) Machtstellung in Betracht. Vgl. hierzu die Nachweise bei Zinger, Diskriminierungsverbote und Sportautonomie, 2003, S. 80, Fn. 291 – 295.

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III. Gleichbehandlung im Sport 1. Grundlagen Die verfassungsrechtlichen62 Vorüberlegungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass die Grundrechte – insbesondere Art. 3 GG – mittelbar auch in den vereinsund verbandsrechtlichen Beziehungen gelten und dass bei Grundrechtskollisionen – insbes. mit Art. 9 Abs. 1 GG – die Grenzen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz – letztlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – zu ziehen sind. Damit sind (Interessen-)Abwägungen vorprogrammiert. Deren Ergebnisse können nicht nur Gleichbehandlungs-, sondern auch Differenzierungsgebote sein. Fraglich ist, wann Sachverhalte im Wesentlichen gleich und wann sie im Wesentlichen ungleich sind. Pointiert: Wie gleich ist gleich genug? Und: Haben die Vereine und Verbände eine Art Entscheidungsprärogative, einen Wertungs- und Formulierungsfreiraum, den sie in ihren Satzungen und Sportordnungen nutzen dürfen? Kann man den von der Sportwelt in den Alltag gewanderten und dort geradezu eutrophierten Begriff der Fairness als sportartspezifische Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes verstehen und anwenden? Gibt es eine Selbstbindung der Vereine und Verbände an ihre Satzungen und Sportordnungen? Seinen Niederschlag findet die Auflösung von Grundrechtskollisionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz auf einfachgesetzlicher Ebene in § 242 BGB, dem Grundsatz von Treu und Glauben.63 In ihm wurzelt die Förderpflicht des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern, die herkömmlich zur Begründung der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herangezogen wird.64 Weiterhin kann speziell im Sport das Fairnessgebot in Form der Verfahrensvorgabe als Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angesehen werden.65 Nach dem Inhalt des Fairnessgedankens müssen die Wettkampfregeln Chancengleichheit gewährleisten, da die Gleichheit der Wettkampfbedingungen – dem Leistungsgedanken des Sports entsprechend – Grundvoraussetzung für gerechte und auf vergleichbaren Leistungen beruhende Ergebnisse ist. Rechtliche Grundlage für eine Bindung des Verbandes an den Grund62

Zum europarechtlichen Spannungsverhältnis zwischen der Verbandsautonomie und den Grundfreiheiten vgl. Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 ff. 63 Ob auch Verbandsnormen einer AGG-Kontrolle unterliegen, soll hier nicht untersucht werden. Vgl. dazu grundlegend Gutzeit, Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Facetten des Sportrechts, 2008, S. 55 ff., der insbes. die Frage einer relativen Unwirksamkeit der dem AGG widersprechenden Verbandsnormen gegenüber Verbandsmitgliedern mit Arbeitnehmerstatus aufwirft. 64 Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 11. Aufl. 2007, Rn. 771: Treuepflicht des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern. Für Nichtmitglieder kann sich bei vertraglicher Unterwerfung unter die Vereinsordnung ein Anspruch auf gleichmäßige Behandlung mit den Vereinsmitgliedern ergeben; vgl. Reichert, ebd., Rn. 772. 65 Vieweg, Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag – Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Sportrecht, 2005, S. 1255 (1268 ff.).

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satz der Fairness ist – neben der verbreiteten satzungsmäßigen Festlegung – wiederum § 242 BGB.66 Auch die staatlich-gerichtliche Inhaltskontrolle von Verbandsnormen – quasi der „Lackmus-Test“, ob die grundgesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Gleichbehandlung in den Verbandsregelungen korrekt Beachtung gefunden haben – hat ihre Grundlage in § 242 BGB. Die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen gem. § 242 BGB ist seit dem Urteil des BGH67 vom 24. 10. 1988 der neuralgische Punkt im Verhältnis von Verbandsautonomie und staatlich-gerichtlicher Kontrollkompetenz.68 Sie erfasst jedenfalls Verbände, die im wirtschaftlichen und sozialen Bereich über eine überragende Machtposition verfügen.69 Vieles spricht dafür, dass sie ohne diese Einschränkung zur Anwendung kommen sollte, und zwar insbesondere aus folgendem Grund70 : Die Inhaltskontrolle ermöglicht eine optimale mittelbare Drittwirkung der Grundrechte unter Einbeziehung der Interessen des Verbandes, der Mitgliedermehrheit und -minderheit sowie ggf. der mittelbaren Mitglieder. In die Abwägung einzubringen sind nicht nur solche Interessen, die einen unmittelbaren Bezug zur konkret in Frage stehenden Austauschbeziehung zwischen Verband und Mitglied haben. Es müssen vielmehr auch solche Interessen einbezogen werden, die aus der Verfolgung des gemeinsamen Vereinszwecks und damit aus dem Umstand resultieren, dass zwischen Verband und typischerweise betroffenen Mitgliedern eine komplexe körperschaftliche Gesamtbeziehung besteht. Soweit Normen internationaler Sportverbände durch Rezeption Normen des deutschen Sportverbandes geworden sind, unterliegen sie ebenfalls der Inhaltskontrolle des § 242 BGB. Im Rahmen der staatlich-gerichtlichen Inhaltskontrolle ist zu fragen, ob die Verbände einen Gestaltungsfreiraum – konkret: einen Wertungs- und Formulierungsfreiraum – für sich reklamieren können. Berücksichtigt man die Zurückhaltung staatlicher Gerichte, verbandsspezifische Wertungen durch eigene zu ersetzen, so ist dem Verband – entsprechend der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers – ein Gestaltungsfreiraum zuzugestehen. Dessen Grenzen ergeben sich wiederum aus § 242 BGB.71 Dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende Fehlentscheidungen können ihre Ursache auch in einem Normenmangel haben. Insofern trifft die Verbände eine Pflicht zur diskriminierungsfreien Entscheidung, falls ihre Verbandsnormen solche Entscheidungen nicht ausdrücklich stützen. Grundlage einer Entscheidungspflicht 66

Vieweg, Fairness und Sportregeln (Fn. 65), S. 1271. BGHZ 105, 306 ff. = NJW 1989, 1724 ff. 68 Vgl. im Einzelnen Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: Großfeld/ Leßmann/Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes zum 65. Geburtstag, 1989, S. 809 ff. 69 Für diese Einschränkung BGH NJW 1999, 1326 (1327). 70 Vgl. im Einzelnen Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 229 ff. (insbes. 234 ff.). 71 Vieweg, Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, 2005, S. 71 (87). 67

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im Einzelfall ist jedenfalls die sich aus § 242 BGB ergebende verbandsrechtliche Förderpflicht.72 Methodisch ist jeweils in zwei Schritten vorzugehen: Erstens sind die Sachverhalte zu bestimmen, die wesentlich gleich bzw. wesentlich ungleich sind. Zweitens sind die selbst gesetzten Regelungen und die Einzelfallentscheidungen daraufhin zu überprüfen, ob sie den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten und die Grenzen des Gestaltungsfreiraums des Verbandsnormgebers bzw. des Ermessens des Entscheiders nicht überschritten haben. Der Sport bietet geradezu „klassische“ Konfliktfelder der Gleichbehandlungsproblematik. So betreffen z. B. die Wettkampfbedingungen u. a. das Lebensalter, das Geschlecht, das Körpergewicht, die Nationalität sowie Art und Grad von Behinderungen.73 Gerade die Frage, ob ein Behinderter – unterstützt durch Prothesen – an Wettbewerben nichtbehinderter Sportler teilnehmen darf, ist im Fall des Südafrikaners Oscar Pistorius virulent geworden. Die für Pistorius positive Entscheidung des Court of Arbitration for Sport (CAS)74 in Lausanne ist teilweise auf heftige Kritik gestoßen.75 Die folgende Untersuchung beschränkt sich aus Raumgründen auf die Aspekte des Lebensalters und des Geschlechts.

2. Lebensalter Der Sport kennt – zumeist aus guten Gründen – Mindest- und Höchstaltersvorgaben sowie für Wettkämpfe die Zusammenfassung zu Jahrgangskohorten. Mit der Fixierung eines Mindestalters für die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen tragen die Sportverbände Kinder- und Jugendschutzaspekten Rechnung. Die physische und psychische Belastung im Wettkampf wird bei Unterschreiten dieses Mindestalters als zu hoch angesehen.76 Derartige – auf den ersten Blick einleuchtende – Regelungen werfen durchaus Fragen auf: Ist das Mindestalter wissenschaftlich begründet oder beruht es auf Tradition? – So war in Zeiten des deutschen Kaiserreiches die Mitgliedschaft in Turnvereinen erst für „Zöglinge“, also mindestens Vierzehnjährige, möglich. Damit schied auch eine vorherige Wettkampftätigkeit 72 Vieweg, Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote (Fn. 71), S. 82 f. m. w. N. 73 Vgl. das Interview mit Marianne Buggenhagen, der neunmaligen Goldmedaillengewinnerin bei den Paralympics: „Wenn es endlich gerecht zugeht, komme ich wieder.“, FAZ v. 07. 11. 2008, S. 31. 74 CAS 2008/A/1480 Pistorius v/IAAF, Arbitral Award of 16. 05. 2008, SpuRt 2008, 152 ff. 75 Krähe, Techno Doping und der Fall Pistorius, SpuRt 2008, 149. 76 Der Aspekt, dass vorpuberal insbesondere beim Mädchenturnen günstigere körperliche Voraussetzungen bestehen und deshalb aus Gründen der Chancengleichheit diese Altersgruppe noch nicht startberechtigt sein soll, wird nicht zur Begründung der Voraussetzung eines Mindestalters angeführt.

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aus.77 Ist es nicht widersprüchlich, für die häufig höhere Trainingsbelastung78 kein Mindestalter vorzugeben? Hält das Mindestalter einen Vergleich mit den staatlichen Arbeitsschutzbedingungen für Kinder aus? Udo Steiner hat sich intensiv mit der Frage der staatlichen Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit des Kindes im Leistungssport befasst.79 Sein – Zustimmung verdienendes – Fazit lautet: „Wir können uns bis auf weiteres den Kinder(hoch)leistungssport verfassungsrechtlich leisten. Für die körperliche und seelische Entwicklung unserer Kinder ist eine verstärkte Bewegungsverantwortung des Staates – besonders im Schulsportbereich – eine sehr viel gewichtigere Aktualisierung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Schutzpflicht für die Gesundheit der künftigen Generation als seine oft geforderte Wächterrolle im gesellschaftlich nicht zentral verorteten Leistungssport von Kindern.“80 Im Hinblick auf die hier interessierende Gleichbehandlungsproblematik bereitet schon die wissenschaftliche Begründung eines konkreten Mindestalters aus Gesundheitsschutzgründen81 Schwierigkeiten: Ist das Mindestalter von 16 Jahren für einen Start auf internationaler Ebene im Mädchen/Frauenkunstturnen nicht eher ein willkürlicher Griff auf einer gleitenden Skala? Hinzu kommt eine erhebliche – biologisch bedingte – „Streubreite“. Kalendarisches Alter und biologisches Alter sind keineswegs immer identisch. Schon aus praktischen Gründen kann allerdings nur das kalendarische Alter maßgeblich sein. Wird damit derjenige ungleich behandelt, der von seinem biologischen Alter her das Mindestalter bereits erreicht hat und damit teilnahmeberechtigt wäre? – Den bezweckten Gesundheitsschutz als „Grundrechtsschutz vor sich selbst“ benötigt er jedenfalls nicht mehr. Schließlich sind Vollzugsprobleme nicht von der Hand zu weisen. Das Gleichbehandlungsgebot verlangt eine strikte und korrekte Umsetzung. Inwieweit den offiziellen Dokumenten mehr Glauben geschenkt werden kann als journalistischen Recherchen – man denke an einige der chinesischen Turnerinnen bei den Olympischen Spielen in Peking82 – mag hier dahinstehen. Die Einführung eines Höchstalters für Boxer aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Vermeidung negativer Schlagzeilen aufgrund peinlicher Prügeleien wird 77 Diese Tradition bestand bis in die 1960er Jahre fort, als erstmals Wettkämpfe für 13- und 14-jährige Schüler eingeführt wurden. 78 Vgl. Schenck, Zauberwort Belastungsmanagement, FAZ v. 14. 11. 2008, S. 32. 79 Steiner, Verfassungsrechtliche Probleme des Kindersports, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Sportrechts (Fn. 2), S. 160 (172 ff.). 80 Steiner, Verfassungsrechtliche Probleme des Kindersports (Fn. 79), S. 160 (176). 81 Im Mädchen-/Frauenkunstturnen erfolgt die Heranführung an Titelkämpfe bis zum 12. Lebensjahr, die auf nationaler Ebene ab dem 13. Lebensjahr und auf internationaler Ebene ab dem 16. Lebensjahr. 82 Spiegel online v. 15. 08. 2008; FAZ v. 11. 08. 2008, S. 25, und v. 23. 08. 2008, S. 36; skeptisch bereits Steiner, Verfassungsrechtliche Probleme des Kindersports (Fn. 79), S. 160 (165) zur internationalen Startberechtigung ab dem 16. Lebensjahr: „auf der Grundlage hoffentlich korrekter Pässe!“

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immer wieder gefordert.83 Realisiert sind derartige Vorgaben für Fußballschiedsrichter und für Funktionsträger in einigen Verbänden.84 Die Gründe – ordnungsgemäße Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben – dürften diese Ungleichbehandlung im Ergebnis tragen, auch wenn sich wiederum die Problematik der „richtigen“ Altersgrenze sowie die der Abweichung vom kalendarischen und biologischen Alter stellt. Subjektive Sichtweisen („Hauptsache, man fühlt sich jung“) oder ein haptischer Ansatz („Hauptsache, man fühlt sich jung an“) dürften schon an den Schwierigkeiten scheitern, den Beweis zu führen, dass wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Eine derartige „Best-before-Lösung“ – ein sportrechtliches Haltbarkeitsdatum – dürfte im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Verbände als Normgeber liegen. Traditionell werden in vielen Wettkampfsportarten im Jugend- und Seniorenbereich sowie beim Erwerb des Sportabzeichens mehrere Jahrgänge zu Alterskohorten zusammengefasst. Diese Vorgehensweise ist häufig schon pragmatisch geboten, um überhaupt eine hinreichende Anzahl von Wettkämpfern zu bekommen. Jedenfalls dürfte sie vom Gestaltungsfreiraum der betreffenden Verbände gedeckt sein. Zwar ließe sich daran denken, die Bewertung der Leistung – quasi als milderes Mittel – differenziert-abgestuft nach dem konkreten Lebensalter vorzunehmen. Beispielsweise könnte beim Hoch- oder Weitsprung älterer Sportler die Höhe bzw. Weite – nach Altersjahrgängen gestaffelt – mit einer differenzierenden Punktewertung in Beziehung gesetzt werden, die dem altersbedingt verschiedenen durchschnittlichen Leistungspotenzial Rechnung trägt. Ein derartiges Vorgehen würde aber nicht nur der angesprochenen Problematik des kalendarischen oder biologischen Alters sowie eines schwer kalkulierbaren Aufwands begegnen. Es würde auch zu einer Pseudo-Exaktheit führen, die vom Gleichbehandlungsgebot nicht gefordert wird. 3. Geschlecht Im Sport wird in den meisten Wettkampfdisziplinen zwischen Männern und Frauen differenziert, um der aus der unterschiedlichen Konstitution resultierenden unterschiedlichen Leistung stärker Rechnung zu tragen. Allerdings schafft die häufig gleiche Art der sportlichen Betätigung nach einem in den Grundzügen identischen Regelwerk gemeinsame Elemente, die eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte innerhalb einer Sportdisziplin zulassen.85 Wie gezeigt, sind die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 Abs. 2 GG und des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im Grundsatz schrankenlos gewährleistet. Geschlechtsspezifische 83

Vgl. Scherzer, Ein Kampf zuviel?, FAZ v. 10. 10. 2008, S. 34. Art. 36 Abs. 2 UEFA-Statut v. 24. 09. 1997 i. d. F. vom 23. 4. 2004 (70 Jahre für Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees); § 19 Nr. 9 DFB-Satzung i. d. F. vom 30. 09. 2000, zuletzt geändert am 28. 04. 2005 (70 Jahre für DFB-Funktionäre). Rule 16.3.3 Olympic Charta i. d. F. vom 01. 09. 2004 (80 Jahre für IOC-Mitglieder). 85 Zinger, Gleichbehandlung im Sport (Fn. 29), S. 23 (41); dies., Diskriminierungsverbote und Sportautonomie (Fn. 29), S. 221 ff. 84

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Differenzierungen müssen zwingend erforderlich sein. Ansonsten können sie – auch im Rahmen einer mittelbaren Drittwirkung – nur im Wege der Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimiert werden. Wenn im Schachsport zwischen Damen- und Herrenturnieren differenziert wird86, so lässt sich dies nicht auf biologische Unterschiede stützen. Die Weltranglistenerste Judith Pongar ist danach – entsprechend deutscher Rechtslage – völlig im Recht, wenn sie nicht an Damenturnieren teilnimmt und darauf besteht, nur an Herrenturnieren teilzunehmen.87 Zum selben Ergebnis müsste man bei Sportarten kommen, bei denen die körperlichen Voraussetzungen nachrangig sind (z. B. Segelflug, Motorsport). Schwieriger sind die Konstellationen, in denen zwar die unterschiedliche körperliche Konstitution grundsätzlich die Trennung in Männer- und Frauenwettkämpfe rechtfertigt. Bedeutet dies aber auch, dass physisch ähnlich starke Frauen – so sie es wollen – in Männerwettbewerben zugelassen werden müssen? Hat z. B. Birgit Prinz einen Anspruch darauf, in einem Männerteam mitspielen zu dürfen? – Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen ihrer Autonomie den Verbänden die Befugnis zukommt, ihre Sportdisziplinen zu definieren, d. h. ihre prägende Eigenart und ihre Ausübungsmodalitäten festzulegen.88 Diese Definitionsbefugnis dürfen die Sportverbände nicht willkürlich ausüben.89 Insofern ist die Wertentscheidung des Art. 3 Abs. 3 GG zu berücksichtigen. Zweifelhaft ist, ob Beweglichkeit oder Grazie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können.90 Die motorischen Anforderungen an einen Fußballspieler bzw. an eine Fußballspielerin sind jedenfalls geschlechtsneutral, so dass einiges dafür spricht, die starre Trennung zwischen der Herren- und Damenwelt im Fußball zumindest in der Richtung aufzuheben, dass Fußballerinnen im Einzelfall ihrem Leistungsvermögen entsprechend – dies reguliert der Markt – Männermannschaften bereichern dürfen.91 Den eingangs erwähnten Justizfußballmannschaften könnte insofern eine Pilotfunktion zukommen. In umgekehrter Richtung dürften mit Blick auf das grundsätzlich

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Nachweise bei Zinger, Gleichbehandlung im Sport (Fn. 29), S. 23 (42), Fn. 84. FAZ v. 19. 09. 2008, S. 30. 88 Vgl. zur Definitionsfunktion der Sportregeln Vieweg, Faszination Sportrecht, OnlineVersion 2007, III. 2. b). 89 Zinger Gleichbehandlung im Sport (Fn. 29), S. 23 (44). 90 Ablehnend Zinger, Gleichbehandlung im Sport (Fn. 29), S. 23 (44) hinsichtlich Synchronschwimmen. 91 Dies führt u. a. zu dem juristischen Folgeproblem, ob die Sportkleidung innerhalb einer gemischten Mannschaft identisch sein muss. So haben etwa Spielerinnen des FC de Rakt aus Uden vom niederländischen Fußballverband KNVB die Ausnahmegenehmigung erhalten, über den kurzen Hosen Röcke tragen zu dürfen, die allerdings faltenlos sein müssen. Vgl. FAZ v. 11. 09. 2008, S. 30. Eine dänische Fußballerin palästinensischer Abstammung hat vom dänischen Fußballverband DBU die Erlaubnis bekommen, mit Kopftuch spielen zu dürfen. Vgl. SZ v. 04. 06. 2008, S. 11. 87

Gleichbehandlung im Sport

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unterschiedliche körperliche Leistungsvermögen die Wechselhürden ungleich höher sein. Ob eine derartige Entwicklung wünschenswert ist – Boxkämpfe zwischen gleichgewichtigen Männern und Frauen nicht mehr als Medienspektakel92, sondern als übliche Regelfall-Konstellation –, steht auf einem anderen Blatt. Die langjährigen Diskussionen um gemischte Fußballmannschaften in den unteren Altersklassen belegt das Konfliktpotenzial, das sich hier verbirgt.

IV. Zusammenfassung und Ausblick Die Problematik der Gleichbehandlung im Sport berührt zunächst die Frage der Geltung und Bedeutung der Grundrechte im Sport. Im Verhältnis Sportler – Staat kommt neben Art. 2 Abs. 1 GG insbes. Artt. 12 Abs. 1, 2 Abs. 2, 9 Abs. 1 und 3 Abs. 1 – 3 GG praktische Bedeutung zu. Im Innenverhältnis der am Sportgeschehen Beteiligten ist von einer mittelbaren oder einer durch die Schutzpflichten des Staates vermittelten Drittwirkung der Grundrechte auszugehen. Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 3 GG haben insofern besonderes Gewicht. Auf einfachgesetzlicher Ebene findet die Auflösung von Grundrechtskollisionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz ihren Niederschlag in § 242 BGB, dem Grundsatz von Treu und Glauben. In ihm wurzelt die Förderpflicht des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern, die herkömmlich – neben dem spezifischen sportrechtlichen Fairnessgebot – zur Begründung der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herangezogen wird. Prüfstein der korrekten Verbandsnormsetzung und -anwendung ist die staatlich-gerichtliche Kontrolle, die ihre Grundlage ebenfalls in § 242 BGB hat. Die Gleichbehandlung im Sport birgt ein erhebliches Konfliktpotenzial. Dies wird schon an den Beispielen des Lebensalters und des Geschlechts deutlich. Insofern sind durchaus erfreuliche Entwicklungen – wie die Einführung von Damen-Wettkämpfen im Skispringen – zu beobachten. Die Probleme des Behindertensports werden in der sportrechtlichen Diskussion der nächsten Jahre in den Fokus rücken.

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Vgl. zum Boxkampf Regina Halmich gegen Stefan Raab das Interview mit der Boxerin in der FAZ v. 24. 11. 2007, S. 34. Hinsichtlich der Vermarktung der Fernsehrechte war es unproblematisch, dass ihr Abschiedskampf in der Karlsruher dM-Arena am 30. 11. 2007 zeitgleich mit dem Festakt zur Verabschiedung Udo Steiners als Richter des Bundesverfassungsgerichts stattfand.

Zur Europäisierung des Vereins- und Verbandsrechts* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Europäische Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die gerichtliche Kontrolle von Verbandsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konfliktträchtige Verbandsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbandsautonomie – Grundlagen und Grenzen im deutschen Recht . . . . . . . . . . 3. Verbandsautonomie – gemeinschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbandsautonomie und Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kollisionslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auflösung der Kollisionslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . . bb) Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten auf Verbandsnormsetzung und -anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verbandsautonomie und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Das Vereins- und Verbandsrechts steht seit den 1970er Jahren im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Insbesondere die aus der Verbandsmacht resultierenden Probleme gaben und geben Anlass für rechtswissenschaftliche Untersuchungen. Auch Olaf Werner hat schon in seiner 1981 vorgelegten Göttinger Habilitationsschrift „Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände – zugleich ein Beitrag zum Spannungsverhältnis zwischen privater Macht und Privatautonomie“ grundlegende Forschungen auf diesem Gebiet geleistet. Dass das Vereinsund Verbandsrecht nach wie vor sein Interesse findet, belegen die kürzlich auf seine Initiative hin gegründeten und von ihm mitherausgegebenen „Schriften zum Vereins- und Stiftungswesen“. Das Vereins- und Verbandswesen hat in den fast drei Jahrzehnten, die seit der Habilitationsschrift von Olaf Werner verstrichen sind, wichtige Entwicklungen erfahren. Vor allem die mit der Schaffung des europäischen Binnenmarktes verbundenen Konsequenzen haben auch das Verbandswesen erfasst. Lobbyismus in Brüssel, der Sport, zahlreiche Berufsgruppenvereinigungen und die technische Normung stehen * Erstveröffentlichung in I. Saenger/W. Bayer/E. Koch/T. Körber (Hrsg.), Gründen und Stiften, Festschrift zum 70. Geburtstag des Jenaer Gründungsdekans und Stiftungsrechtlers Olaf Werner, Baden-Baden 2009, S. 275 – 287.

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exemplarisch für eine Europäisierung des Verbandswesens. Diese Entwicklung wirft nicht nur die Frage auf, ob sich eine spezielle Rechtsform für grenzüberschreitend tätige Vereine empfiehlt. Auch die „klassischen“ vereinsrechtlichen Fragen nach der Vereins- bzw. Verbandsautonomie und ihren Grenzen stellen sich auf der gemeinschaftsrechtlichen Ebene in neuer Form. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung einher geht die Frage der Marktmacht und damit die Frage der Anwendbarkeit des nationalen und europäischen Kartellrechts. Die folgenden Überlegungen widmen sich zwei Fragenkreisen: dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen, aber nicht weiterverfolgten Europäischen Verein (dazu II.) und der gerichtlichen Kontrolle von Verbandsentscheidungen (dazu III.).

II. Der Europäische Verein Die Rechtsform des gemeinnützigen Vereins ist kein Spezifikum des deutschen Rechts; sie findet sich vielmehr auch in den meisten anderen Mitgliedstaaten1 als Ausdruck gemeinsamer Zweckverfolgung im nicht-wirtschaftlichen Bereich. Grenzüberschreitende Zwecke und ein mehrstaatiger Mitgliederbestand nach nationalem Recht gegründeter Vereine veranlassten 1992 die EG-Kommission, auf Grundlage des Art. 95 EG (ex-Art. 100a EGV) einen Verordnungsentwurf für das Statut eines Europäischen Vereins2 vorzuschlagen. Sie wollte damit eine supranationale Rechtsform für Mitglieder aus verschiedenen Mitgliedstaaten anbieten sowie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Tätigkeit von Vereinen und Stiftungen fördern. Nach dem Entwurf des EUV-Statuts (EUV-VOE) muss der Europäische Verein – als Idealverein – gemeinnützige Zwecke verfolgen. Er soll aber auch wirtschaftliche Zwecke verfolgen können, dabei jedoch nicht berechtigt sein, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu haben (Art. 1 EUV-VOE). Die Gewinne aus der zulässigen umfangreichen wirtschaftlichen Tätigkeit müssen dem ideellen Hauptzweck zugutekommen. Damit kommt der Europäische Verein als Organisationsform für Wirtschafts-, Berufsgruppen- und sonstige Interessenverbände in Betracht. Sein Vereinszweck bestimmt den Umfang seiner Rechtsfähigkeit. Die Haftung des Europäischen Vereins bleibt auf das Vereinsvermögen beschränkt (Art. 2 EUV-VOE). Die Gründung erfolgt nach den vereinsrechtlichen Regelungen des Sitzstaates – der Mindestinhalt der Satzung und deren Form wird allerdings durch den Verordnungsentwurf 1 Vgl. Weisbrod, Europäisches Vereinsrecht – Eine rechtsvergleichende Studie, 1994, S. 5 ff.; J. Wagner, Der Europäische Verein – Eine Gesellschaftsform europäischen oder mitgliedstaatlichen Rechts?, 2000, S. 69 ff.; Röthel, SpuRt 2001, 89 ff. 2 Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über das Statut des Europäischen Vereins, KOM (91) 273 endg. SYN 386; AblEG Nr. C 99 vom 21. 04. 1992, S. 1 ff. geändert durch den Vorschlag vom 06. 07. 1993 KOM (93) 252 endg. – SYN 386; AblEG Nr. C 236 vom 31. 08. 1993, S. 1 ff.

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vorgegeben. Während die Eintragung in ein Register des Sitzstaates erfolgt, ergeben sich die Publizitätspflichten aus Artt. 7 – 10 EUV-VOE. Neben der Gründung ist es auch möglich, dass sich ein bereits in einem Mitgliedstaat bestehender Verein bzw. eine Stiftung in einen Europäischen Verein umwandelt. Voraussetzung dafür ist, dass der Verein bzw. die Stiftung länderübergreifend tätig ist und über Niederlassungen in mehr als einem Mitgliedstaat verfügt. Nach Art. 6 EUV-VOE führt die Sitzverlegung innerhalb der Europäischen Union zu einer Änderung des anwendbaren mitgliedstaatlichen Rechts. Als Vereinsorgane sind die Generalversammlung (Art. 11 – 21 EUV-VOE) und das aus zwei Mitgliedern bestehende Verwaltungsorgan (Art. 22 – 35 EUV-VOE) vorgesehen. Die Generalversammlung beschließt über die ihr im EUV-Statut übertragenen Angelegenheiten sowie über solche, für die nicht ausschließlich das Verwaltungsorgan zuständig ist (Art. 11 EUV-VOE). Mitglied des Verwaltungsorgans kann auch ein Verein oder eine Stiftung sein. In diesem Fall muss gem. Art. 26 EUV-VOE eine natürliche Person als Vertreter bestellt werden. Die dogmatische Einordnung des Europäischen Vereins fällt nicht leicht. Einerseits soll er die vergleichbaren mitgliedstaatlichen Rechtsformen aufgreifen. Andererseits soll er der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeit dienen. Diese darf durchaus umfangreich ausfallen, soweit die Gewinne dem nicht-wirtschaftlichen Hauptzweck zugute kommen. Seinen Niederschlag findet dieser Aspekt in den Regelungen zur Leitung, zur externen Rechnungslegung und zur Mitbestimmung, die sich an aktienrechtlichen Organisationsstrukturen orientieren.3 Man kann deshalb sagen, dass der Europäische Verein dogmatisch eine Position zwischen dem Idealverein des BGB und den Handelsgesellschaften einnimmt.4 Er ist ein „janusköpfiges Gebilde“ aus Idealverein und Kapitalgesellschaft.5 Diese Zwitterstellung ist verschiedentlich insbesondere deshalb auf Kritik gestoßen, weil die vereinsuntypischen kapitalgesellschaftlichen Strukturelemente zu großen Organisationsund Folgelasten sowie zu Schutzdefiziten führen könnten.6 Die Europäische Kommission selbst hat zwischenzeitlich den Europäischen Verein als zurückzuziehendes Vorhaben bezeichnet.7 Ungeachtet dieser Kritik und Entwicklung ist der Vorschlag eines Europäischen Vereins nicht ohne Faszination. Statt ihn unbeachtet in der Versenkung verschwinden zu lassen, sollte eine aktuelle Bedarfsanalyse Klarheit verschaffen, ob es die gesetzgeberischen Vorstöße der Europäischen Kommission wert sind, wieder aufgegriffen

3

Siehe hierzu im Einzelnen J. Wagner (Fn. 1), S. 36. G.C. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2000, Rn. 1255; J. Wagner (Fn. 1), S. 36 ff. 5 Vollmer, ZHR 157 (1993), 373 (376). 6 Vollmer (Fn. 5), 399. 7 Kommission KOM (2005) 462, S. 8. 4

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zu werden.8 Neben dem aktuellen Bedarf sollten auch rechtspolitische Überlegungen Raum erhalten. So könnte der Europäische Verein den Kanon der europäischen Organisationsformen – Europäische Gesellschaft (SE), Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWiV), Europäische Genossenschaft (SCE) und Europäische Privatgesellschaft (SPE) – komplettieren. Mit Blick auf die von Art. 11 EMRK garantierte Vereinigungsfreiheit, die als grundrechtlicher Ausdruck der europäischen Unionsbürgerschaft unabdingbar ist,9 könnte eine adäquate Rechtsform ins Leben gerufen werden. Auf den Prüfstand gestellt werden sollte allerdings die Beschränkung der „juristischen Einheiten“ als Gründungsmitglieder auf Vereine und Stiftungen (Art. 3 Ziff. 1 i. V. m. Anhang EUV-VOE). Insbesondere für die europäischen Interessenverbände wäre die Mitgliedschaft z. B. von Unternehmen erwägenswert, die in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften organisiert sind. De lege ferenda wäre Gelegenheit, die Problematik grenzüberschreitender Sitzverlegung zukunftsweisend und den praktischen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten.10

III. Die gerichtliche Kontrolle von Verbandsentscheidungen 1. Konfliktträchtige Verbandsentscheidungen Das Spannungsfeld zwischen privater Macht und Privatautonomie hat Olaf Werner in seiner Habilitationsschrift am Beispiel der Aufnahmeproblematik ausgelotet. Die Frage der Aufnahmepflicht – das zeigt der Fall RKB Solidarität vs. Deutscher Sportbund11 besonders anschaulich – zielt auf eine angemessene Partizipation an den Vorteilen, die die Mitgliedschaft in einem wirtschaftlich- und/oder sozialmächtigen Verband mit sich bringt. „Gegenstück“ zur Aufnahme ist der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Verband.12 Die Interessenlage ist insofern vergleichbar. Soweit der Verband mit seinen Entscheidungen auch ohne unmittelbare Mitgliedschaft, d. h. auch gegenüber sog. mittelbaren Mitgliedern oder Externen, Vorteile zu verschaffen vermag – beispielsweise durch Erteilung von Lizenzen, Berechtigungen und Erlaubnissen –, kann die Versagung dieser Vorteile Konflikte begründen. Ähnlich ist die Interessenlage, wenn der Verband Sanktionen, z. B. Startsperren, verhängt. Die vor-

8 Mit der Argumentation der Schaffung von Bürgernähe in der EU und dem Abbau von Hemmnissen in der länderübergreifenden Vereinsarbeit in diesem Sinne auch Terner, ZEuP 2007, 96 (104 ff.). 9 Wirtschafts- und Sozialausschuss der EG ABl. EG 92/ C 223, S. 52. 10 De lege lata lassen sich Auflösung und Liquidation im „alten“ Sitzstaat und Neugründung im „neuen“ Sitzstaat nicht vermeiden; vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2006, 42 ff.; dazu A. Arnold GPR 2007, 235 ff.; Behrens, ZEuP 2007, 327 ff.; Terner (Fn. 8), 106 f. 11 BGHZ 63, 282 ff. = NJW 1975, 771 ff. 12 Grundlegend Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, passim.

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bezeichneten Konfliktlagen unterscheiden sich im Grundsatz nicht danach, ob die Verbände auf nationaler Ebene oder grenzüberschreitend agieren.13 2. Verbandsautonomie – Grundlagen und Grenzen im deutschen Recht Verbandsnormen sind abstrakt-generelle Verhaltens- oder Beschaffenheitsfestsetzungen, mit denen der Verband einseitig mögliche Interessen- und Wertungskonflikte mit Anspruch auf Verbindlichkeit in demjenigen Bereich regelt, den er kompetenziell für sich in Anspruch nimmt.14 Verbandliche Normsetzung sowie deren damit in funktionalem Zusammenhang stehende Anwendung und Durchsetzung sind Ausprägungen der Verbandsautonomie, die im deutschen Recht ihre Grundlage in Art. 9 Abs. 1 GG und einfachgesetzlich in §§ 21 ff. BGB findet. Soweit die Verbände für sich in Anspruch nehmen, in ihrem Bereich letztverbindliche Normen zu setzen und Entscheidungen zu treffen, stellt sich die Frage, ob der Staat den Verbänden diese Machtposition einräumen darf oder ob er sich selbst die Möglichkeit der Konkretisierung sowie der Kontrolle und Korrektur der Verbandsnormsetzung sowie der Verbandsentscheidungen durch Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung vorbehalten muss.15 Dem grundrechtsgebundenen Privatrechtsgeber obliegt es, grundrechtlich verbürgte Positionen Privater gegeneinander abzugrenzen16 und ihnen zu größtmöglicher Effektivität zu verhelfen.17 Demgemäß gibt es keine durch die Verbände selbst definierte Verbandsautonomie.18 Vielmehr besteht ein staatlicher Kontroll- und Korrekturvorbehalt, der letztlich auf der staatlichen Justizgewährungspflicht beruht.19 Im Ergebnis kann der Staat den Verbänden damit lediglich die „Chance zur endgültigen Selbstregulierung“20 einräumen. Er muss eine mit dem Grad der Grundrechtsgefährdung korrelierende Kontrolldichte durch gerichtlichen Rechtsschutz vorsehen. Die Gerichte sind insofern zur Ergebniskorrektur legitimiert. Durch eine entsprechende Ausgestaltung der Tatsachen-, Inhalts- und Subsumtionskontrolle muss sichergestellt werden, dass die für die Verbandsnormsetzung und -anwendung typischen Grundrechtskollisionen zwischen Verband und Mitgliedern sowie etwaigen anderen Betroffenen durch Güterabwägung, letztlich nach dem Grundsatz der praktischen

13 Einen rechtstatsächlichen Überblick über die Konfliktsituation findet sich bei Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 81 ff. 14 Vieweg (Fn. 13), S. 31. 15 Vieweg (Fn. 13), S. 159 ff. 16 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1999, Rn. 355. 17 BVerfGE 6, 55, 72; 32,54,71; 39, 1, 38. 18 Vieweg (Fn. 13), S. 161 f. 19 Vieweg (Fn. 13), S. 162 f.; a. A. MünchKomm BGB/Reuter, 5. Aufl. 2006, Bd. 1, vor § 21 Rn. 93 und G. Wagner, Prozessverträge und Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998, S. 476. 20 Vieweg (Fn. 13), S. 182 ff.

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Konkordanz, gelöst werden.21 Auf einfachgesetzlicher Ebene bildet § 242 BGB hierfür den Kontrollmaßstab.22 3. Verbandsautonomie – gemeinschaftsrechtliche Grundlagen Im Entwurf einer Verordnung des Rates über das Statut des Europäischen Vereins23 setzt der europäische Gesetzgeber die Vereins- bzw. Verbandsautonomie voraus, wenn er in Art. 1 Nr. 2 EUV-VOE folgende Regelung vorsieht: „Vorbehaltlich der Anwendung der rechtlichen und administrativen Vorschriften für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit oder eines Berufs auf einzelstaatlicher Ebene kann der Europäische Verein seine für die Verwirklichung seines Zwecks notwendigen Tätigkeiten frei bestimmen, sofern diese mit den Zielen der Gemeinschaft sowie mit der öffentlichen Ordnung in der Gemeinschaft und in den Mitgliedstaaten vereinbar sind. Er verfolgt diese Tätigkeiten unter Wahrung der Grundsätze, die sich aus seiner Eigenschaft als Personenvereinigung und aus der Tatsache herleiten, dass er keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hat.“

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung verschiedentlich die Vereinigungsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt.24 Dabei hat er zum einen auf den bereits erwähnten Art. 11 EMRK zurückgegriffen, der im Rahmen der Vereinigungsfreiheit den Zusammenschluss und die Tätigkeit zum Zwecke der Vereinigung schützt.25 Weiterhin hat der EuGH die Vereinigungsfreiheit auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gestützt, die gemäß Art. 6 Abs. 2 EU auch durch die Gemeinschaftsordnung geschützt werden.26

21

Vieweg (Fn. 13), S. 189 ff. BGHZ 128, 93 ff. = SpuRt 1995, 43 ff. (Reiter-Urteil); dazu Vieweg, SpuRt, 1995, 97 ff.; generell Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19 ff. 23 Siehe oben II. 24 Vgl. zum Stand der EuGH-Rechtsprechung im Hinblick auf die Vereinigungsfreiheit Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Kommentar zum EG-Vertrag und EU-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 6 EU Rn. 32 mit Hinweis auf die Vorauflage (dort Rn. 93 ff.); Beutler, in: von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Aufl. 2003, Art. 6 EU Rn. 85. Vgl. zur Herleitung der Verbandsautonomie nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordination im Sport, 2001, S. 77 ff.; Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (13 f.). 25 Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 11 Rn. 6 ff. 26 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995 I-4921 ff. = NJW 1996, 505 ff. (Bosman). Eine Auflistung der einschlägigen Verfassungsnormen findet sich in Vieweg/Röthel (Fn. 24), 14, Fn. 45. 22

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4. Verbandsautonomie und Grundfreiheiten a) Kollisionslagen Insbesondere im Bereich des Sports sind Kollisionen zwischen der Verbandsautonomie und den Grundfreiheiten, nicht zuletzt aufgrund grenzüberschreitender Professionalisierung, Kommerzialisierung und Medialisierung, beinahe an der Tagesordnung.27 Die Kollisionslage zwischen der Verbandsautonomie und der Freizügigkeit (Artt. 39 ff. EG) zeigte sich besonders anschaulich im Bosman-Urteil28, in dem es für den EuGH um die Geltung von Ausländerklauseln und Transfermodalitäten ging. Eine vergleichbare Problematik war im Lehtonen-Fall29 zu entscheiden, der Regelungen des belgischen Basketballverbandes zu Transferfristen betraf. Als aktuelles Beispiel kann die Diskussion um die sog. 6+5-Regel herangezogen werden, deren Umsetzung vom FIFA-Kongress im Mai 2008 auf Vorschlag ihres Präsidenten Blatter beschlossen wurde. Die Regel besagt, dass in der Anfangsformation einer Vereinsmannschaft mindestens 6 Spieler stehen müssen, die berechtigt sind, für die Nationalmannschaft des betreffenden Landes zu spielen. Sie soll schrittweise bis zur Saison 2012/2013 umgesetzt werden.30 Kollisionen zwischen der Verbandsautonomie und der Dienstleistungsfreiheit (Artt. 49 ff. EG) waren z. B. Gegenstand des Deliège-Urteils31. Hier war zu klären, ob die Regelung eines internationalen Sportverbandes, die für die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb eine Erlaubnis oder eine Auswahl durch den nationalen Verband verlangt, mit der Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren ist, insbesondere ob geregelt werden darf, dass nur eine bestimmte Anzahl von Athleten derselben Nationalität an internationalen Ereignissen teilnehmen darf. Kollisionen von Verbandsautonomie und Warenverkehrsfreiheit (Artt. 25 ff. EG) ergeben sich beispielsweise, wenn Verbände nur ausdrücklich von ihnen zugelassene

27

Ein Überblick findet sich bei Vieweg/Röthel (Fn. 24), 8 ff. Siehe Fn. 26. 29 EuGH, Rs. C-176/96, Slg. 2000, I-2681 ff. = EuZW 2000, 375 ff. mit Anm. Röthel. 30 Die 6+5-Regel knüpft unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an und stellt insofern eine Diskriminierung dar, die allgemein gem. Art. 12 EG und speziell hinsichtlich der Berufsfußballer als Arbeitnehmer gem. Art. 39 Abs. 2 EG verboten ist. Sowohl die Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament haben die 6+5-Regel sofort für europarechtswidrig erklärt. Einen Verstoß gegen EU-Recht nimmt auch Streinz, SpuRt 2008, 224 ff. an. Zu einem anderen Ergebnis kommt das im Auftrag der FIFA gefertigte und am 24. 10. 2008 vorgelegte Rechtsgutachten des Institute for European Affairs (http://de.fifa.com/mm/docu ment/affederation/federation/01/03/27/08/inea_media_release_d.pdf). 31 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97, Slg. 2000, I-2549 ff. = EuZW 2000, 371 mit Anm. Röthel. 28

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Sportgeräte zu Verbandswettbewerben erlauben und damit erreichen, dass nicht zugelassene Produkte praktisch keine Vermarktungschance haben.32 Die Kollision der Verbandsautonomie mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Artt. 56 ff. EG) hat sich besonders eindrucksvoll bei der Problematik der sog. Multiclub Ownerships gezeigt. Aufgrund einer kurz zuvor eingeführten Regelung des europäischen Fußballverbandes UEFA, der zufolge pro Eigentümer nur ein Verein an europäischen Wettbewerben teilnehmen darf, wurde dem griechischen Club AEK Athen in der Saison 1998/99 die Teilnahme am UEFA-Cup versagt, weil dieser Club wie Slavia Prag von der britischen Investmentgruppe English National Investment Company (INIC) kontrolliert wurde. Der Court of Arbitration for Sports (CAS)33 hat diese Regelung mittlerweile für wirksam erklärt. Schließlich lassen sich auch Kollisionen zwischen der Verbandsautonomie und der Niederlassungsfreiheit (Artt. 43 ff. EG) mühelos konstruieren, obwohl sie bisher nicht praktisch geworden sind. b) Auflösung der Kollisionslagen aa) Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Verbandsautonomie Die Auflösung der zwischen der Verbandsautonomie und den Grundfreiheiten bestehenden Kollisionslage kann in der Weise erfolgen, dass der Verbandsautonomie auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene Grenzen gezogen werden.34 Hier zeigt sich – ähnlich der Situation im deutschen Recht – zum einen ein durch Minimalgrenzen fixierter kontrollfreier Kernbereich der Verbandsautonomie, der im Wesentlichen durch die Wesensgehaltsgarantie bestimmt wird. Zum Wesensgehalt der Verbandsautonomie gehört, dass die Funktionsfähigkeit der Vereinigung, insbesondere ihrer Organe, gewährleistet ist und dass das Prinzip freier Assoziation und Selbstbestimmung gewahrt bleibt.35 Diese Wesensgehaltsgarantie findet bereits in der BosmanEntscheidung Anklang, wenn der EuGH dort prüft, ob die angegriffenen Verbandsregeln eine „unausweichliche Folge der Vereinigungsfreiheit darstellen“.36 Auf derselben Linie liegt die Deliège-Entscheidung37, wenn dort von der „natürlichen Aufgabe“ der Sportverbände die Rede ist.38 Innerhalb dieses von den Minimalgrenzen umschlossenen Kernbereichs vermag daher auch das Allgemeininteresse an der Ver32

Zur kartellrechtlichen Problematik vgl. die Mitteilung der Kommission gem. Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates, Sache Nr. IV/F-1/33.055 – Dänischer Tennisbund, Amtsblatt Nr. C 138 vom 09/05/1996, S. 6 f. 33 CAS 98/2000, Yearbook Comm. Arbitration XXV (2000), 393 ff.; generell zu dieser Problematik Weiler, Mehrfachbeteiligungen an Sportkapitalgesellschaften, 2006, passim. 34 Vieweg/Röthel (Fn. 24), 14 ff. 35 Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (56). 36 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995 I-4921, Tz. 80. 37 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97, Slg. 2000, I-2549, Tz. 67. 38 So der Hinweis von Streinz, SpuRt 2000, 221 (227).

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wirklichung des Binnenmarktes eine Überlagerung von Verbandsregeln durch die Grundfreiheiten nicht zu rechtfertigen.39 Die Maximalgrenzen der Verbandsautonomie sind da zu ziehen, wo eine Regelungs- und Entscheidungspflicht der Gemeinschaftsorgane besteht. Die Kommission muss gemäß Art. 211 EG – als Hüterin des Gemeinschaftsrechts – insbesondere auch die Beachtung der Grundfreiheiten sicherstellen, und zwar auch gegenüber den Gemeinschaftsgrundrechten. Hinsichtlich eines „judicial self restraint“ sind dem EuGH durch die Justizgewährungspflicht, deren institutionelle Grundlage Art. 220 EG ist, Grenzen gezogen. Das eigentlich problematische und praktisch relevante Konfliktfeld liegt im Zwischenbereich zwischen Minimal- und Maximalgrenzen der Verbandsautonomie. Die Frage, ob und inwieweit die Gemeinschaft in diesem Bereich zu Kontrolle und Korrektur von Verbandsregelungen und -entscheidungen legitimiert ist, ist anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips des Art. 5 Abs. 3 EG zu beantworten. Mit anderen Worten: Die Kontrolldichte muss dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen.40 bb) Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten auf Verbandsnormsetzung und -anwendung Unter unmittelbarer Drittwirkung der Grundfreiheiten wird die Verpflichtung privater Rechtssubjekte verstanden, auch ohne Vermittlung staatlichen Rechts die Grundfreiheiten zu beachten. Wenn und soweit Rechtsschutz besteht, wird hierdurch ein wesentlicher Beitrag zur Effektuierung der Grundfreiheiten geleistet. Damit ist auch die dogmatische Grundlage der unmittelbaren Drittwirkung angesprochen: Im Wesentlichen ist dies der Gedanke des effet utile. Gerade in den Entscheidungen, die Sportverbände betreffen, hat der EuGH verschiedentlich die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten anerkannt. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die Urteile Walrawe41, Doná42, Bosman43, Deliège44 und Lehtonen45. Bezeichnenderweise handelt es sich in allen Fällen um Verbände mit einer besonderen wirtschaftlich-sozialen Machtposition.46 Diese rechtfertigt die unmittelbare Drittwirkung – auch im Hinblick auf den effet utile –, weil staatliche und verbandliche Regelsetzung in diesen Fällen wirkungsgleich sind, so dass der einzelne einer Ver-

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Vieweg/Röthel (Fn. 24), 15. Siehe hierzu im Einzelnen Vieweg/Röthel (Fn. 24), 16 f. 41 EuGH, Rs. C-36/74, Slg. 1974, 1405, Tz. 16 ff. 42 EuGH, Rs. C-13/76, Slg. 1976, 1333, Tz. 17 f. 43 EuGH (Fn. 26). 44 EuGH (Fn. 31). 45 EuGH (Fn. 29). 46 Vgl. zur faktischen Monopolstellung der Sportverbände aufgrund des Ein-Platz-Prinzips Vieweg (Fn. 13), S. 61 ff.; Hannamann (Fn. 24), S. 54 ff. 40

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bandsregelung ebenso wenig ausweichen kann wie einer staatlichen Norm und demgemäß ebenso schutzbedürftig ist.47 Das Verhältnis von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten ist komplex und bereits an anderer Stelle detailliert untersucht worden.48 Hier genügt es deshalb, die erzielten Ergebnisse mitzuteilen. Danach wirken die Gemeinschaftsgrundrechte als immanente Schranken drittwirkender Grundfreiheiten. Mit anderen Worten: Die Reichweite der Grundfreiheiten wird von vornherein auf die Achtung der Verbandsautonomie beschränkt. cc) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Des Weiteren erweist sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als wechselseitiger Maßstab von Verbandsautonomie und drittwirkenden Grundfreiheiten. Die Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hat auf der Ebene der Rechtfertigungsgründe zu erfolgen. Entsprechend den staatengerichteten Rechtfertigungsgründen der Grundfreiheiten sind bereits an anderer Stelle49 folgende verbandsspezifische Rechtfertigungsgründe vorgeschlagen worden, um den bereichsspezifischen Interessen und Wertungen adäquat Rechnung tragen zu können: Vorbehalt der öffentlichen Verbandsordnung, zwingende Gründe des Verbandsinteresses und nicht-wirtschaftlich begründete Verbandsregelungen. 5. Verbandsautonomie und Kartellrecht Im „Spannungsverhältnis zwischen Kommerzialisierung und ideeller Zwecksetzung“50 ist das Kartellrecht nicht zuletzt wegen der durch das Ein-Platz-Prinzip51 bedingten faktischen Monopolsituation im Sportverbandswesen zunehmend in den Blick gerückt.52 Zunächst ging es um Aufnahmestreitigkeiten. Zu Recht stützte Olaf Werner den Aufnahmeanspruch bei Berufs- und Wirtschaftsverbänden auf §§ 27, 35 GWB und generell auf das Gleichbehandlungsgebot53 und griff damit

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So zutreffend Reichholt, ZEuP 1998, 434, 449 f.; Vieweg/Röthel (Fn. 24), 22. Vgl. im Einzelnen Vieweg/Röthel (Fn. 24), 23 ff. 49 Vieweg/Röthel (Fn. 24), 29 ff. 50 Schürnbrand, ZWeR 2005, 396 (398). 51 Vgl. Fn. 45. 52 Grundlegend Hannamann (Fn. 24); ein informativer Überblick über Entwicklung und Meinungsstand findet sich bei Heermann, Causa Sport, 2006, 345 ff.; instruktiv ebenfalls Schürnbrand (Fn. 50), 396 ff. 53 O. Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände – zugleich ein Beitrag zum Spannungsverhältnis zwischen privater Macht und Privatautonomie (unveröffentlichte Göttinger Habilitationsschrift 1981), S. 587 ff. und 606 ff. 48

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die BGH-Rechtsprechung im Fall RKB Solidarität54 auf, der zufolge hinsichtlich des Aufnahmezwanges aufgrund nichtiger oder nur eingeschränkt anwendbarer satzungsmäßiger Aufnahmebeschränkungen auf § 826 BGB und auf Tatbestandselemente des die Aufnahme in Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen regelnden § 27 GWB abzustellen ist. Die vom Text der Satzung gedeckte Ablehnung der Aufnahme dürfe nicht zu einer – im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen. Später ist neben Lizenzierungsstreitigkeiten55 insbesondere die Zentralvermarktung der Fernsehrechte Gegenstand langjähriger kontroverser kartellrechtlicher Diskussionen geworden, die auch mit der Entscheidung des BGH56 kein Ende gefunden haben. Vielmehr bemühte sich der Bundesgesetzgeber – bezeichnenderweise im Jahr der Fußballweltmeisterschaft 1998 – die Zentralvermarktung der Fernsehrechte durch die Sportvereine der kartellrechtlichen Prüfung durch Einführung von § 31 GWB i. d. F. der 6. Novelle zu entziehen. Diesen – eher untauglichen – Versuch57 beendete er bereits 2005 mit der 7. Novelle, durch die die Vorschrift ersatzlos gestrichen wurde. Aktuell ist vor allem die Einordnung von zwei Entscheidungen des EuGH: Die Urteile Meca-Medina und Majcen58 sowie MOTOE59 stehen im Fokus der Diskussion, wie und wo die Grenzen zwischen der Verbandsautonomie und dem (europäischen) Kartellrecht zu ziehen sind.60 Im Fall Meca-Medina und Majcen hat der EuGH ausdrücklich und dezidiert zu der Frage Stellung bezogen, ob und inwieweit Artt. 81 f. EG auf Verbandsregelungen Anwendung finden. In der Sache ging es um die Feststellung der Unvereinbarkeit von Regelungen des Internationalen Schwimm54

BGHZ 63, 282 ff. = BGH NJW 1975, 771 ff.; dazu Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, 1992, S. 23 (26 ff.); vgl. auch DEB-Schiedsgericht, SpuRt 1997, 162 ff. 55 DEL-Schiedsgericht, SpuRt 1997, 165 ff.; Vieweg, Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte – das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1997, S. 22 ff. 56 BGHZ 137, 297 = BGH NJW 1998, 756 ff. (UEFA-Cup-Heimspiele); dazu Heermann, SpuRt 1999, 11 ff.; aktuell K. Westermann, Vermarktung von Fernseh- und Internetrechten im Fußball (nicht veröffentlichter, anlässlich der Frühjahrstagung 2009 der Deutschen Vereinigung für Sportrecht am 08. 05. 2009 gehaltener Vortrag). 57 Weihs, Die zentrale Vermarktung von Fußballübertragungsrechten aus kartellrechtlicher Sicht, in Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 149 (167 ff.), sprach sich für eine Streichung der Vorschrift aus; nach Hannamann (Fn. 24), S. 458 f. lief sie aus Gründen des Vorrangs des europäischen Kartellrechts leer; vgl. im Einzelnen auch Möschel/Weihs, Die zentrale Vermarktung von Sportübertragungsrechten und das Kartellrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Das Sportereignis, 2000, S. 23 (32 ff.). 58 EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991 ff. 59 EuGH, Rs. C-49/07, WuW/E EU-R 1457 ff. = SpuRt 2008, 193 ff.; dazu Heermann, WuW 2009, 489 (490 ff.) sowie Mourniakis, WRP 2009, 562 ff. 60 Instruktiv Heermann, WuW 2009, 394 (398 ff.).

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verbandes (FINA) und des Internationalen Olympischen Komittees (IOC) bezüglich Dopingkontrollpraktiken mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregelungen. Bei den beiden Klägern handelte es sich um professionelle Langstreckenschwimmer, die aufgrund positiver Dopingproben bei der Weltmeisterschaft 1999 zunächst für vier Jahre gesperrt worden waren. Ihre Beschwerde beim Sportschiedsgerichtshof CAS in Lausanne blieb erfolglos. Sie erreichten jedoch eine Reduzierung der Sperre auf zwei Jahre. Hiergegen legten sie Beschwerde bei der Europäischen Kommission mit der Begründung ein, die Doping-Kontrollregelungen griffen in unzulässiger Weise in ihre wirtschaftliche Handlungsfreiheit ein. Die Kommission wies die Beschwerde mit der Begründung zurück, die Doping-Kontrollregelungen beträfen allein sportliche Fragen, auf die der EG-Vertrag keine Anwendung finde. Auch das anschließend angerufene EuG verneinte – quasi mit derselben Begründung – die Anwendbarkeit der Artt. 81 und 82 EG. Aufgrund der eingelegten Revision wurde dann der EuGH mit der Sache befasst. Dieser verwarf die Argumentation des EuG und hob das Urteil auf. Er folgte insofern nicht dem Generalanwalt Léger, der der Auffassung war, ein wirtschaftlicher Aspekt der Regeln sei gegenüber dem sportlichen Aspekt eindeutig nebensächlich. Wörtlich führt der EuGH aus: „Nach alledem führt der bloße Umstand, dass eine Regelung rein sportlichen Charakters ist, nicht dazu, dass derjenige, der die dieser Regelung unterliegende sportliche Tätigkeit ausübt, oder die Institution, die diese Regelung erlassen hat, nicht in den Geltungsbereich des EG-Vertrags fällt (Rn. 27). Fällt die sportliche Tätigkeit also in den Geltungsbereich des EG-Vertrags, so unterliegen die Bedingungen ihrer Ausübung sämtlichen sich aus den einzelnen Vorschriften des EGVertrags ergebenden Verpflichtungen. Daraus folgt, dass die für diese Tätigkeit geltenden Regeln die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschriften erfüllen müssen, die insbesondere die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und den Wettbewerb gewährleisten sollen (Rn. 28). Bei der Beurteilung der Ausübung der genannten Tätigkeit im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags ist … zu prüfen, ob die Regeln für diese Tätigkeit unter Berücksichtigung des Tatbestands der Artt. 81 und 82 EG von einem Unternehmen aufgestellt wurden, ob dieses den Wettbewerb beschränkt oder seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und ob diese Beschränkung oder dieser Missbrauch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt (Rn. 30).“

Im Folgenden erkennt der EuGH zwar den Zweck der Dopingregelungen an, einen fairen Ablauf der Sportwettkämpfe, die Chancengleichheit der Sportler, ihre Gesundheit, die Ehrlichkeit und Objektivität des Wettkampfes sowie die ethischen Werte des Sports zu gewährleisten (Rn. 43). Die den Athleten mit dem Regelwerk auferlegten Beschränkungen fielen jedoch nur dann nicht unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn sie auf das zum ordnungsgemäßen Funktionieren des sportlichen Wettkampfs Notwendige begrenzt seien (Rn. 47). Ein solches Regelwerk könne überzogen sein, zum einen hinsichtlich der Grenze zwischen Fällen von unter Sanktionsandrohung stehendem Doping, zum anderen hinsichtlich der Schärfe

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dieser Sanktionen (Rn. 48). Im konkreten Fall hätten die Kläger die Unverhältnismäßigkeit der fraglichen Anti-Doping-Regelung nicht geltend gemacht, so dass sie nicht erwiesen sei. Der EuGH gibt damit 3 Prüfungsschritte vor: (1) Ist die sportliche Tätigkeit so weit professionalisiert und kommerzialisiert, dass sie in den Geltungsbereich des EG-Vertrages fällt? (2) Falls ja: Unterliegen die Bedingungen der Ausübung der sportlichen Tätigkeit dem EG-Vertrag (insbesondere Grundfreiheiten, Diskriminierungsverbot, Verbot der Wettbewerbsbeschränkung und des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung)? (3) Beurteilung im Einzelfall, ob die Voraussetzungen der Artt. 81 f. EGV (Unternehmen, Wettbewerbsbeschränkung oder Missbrauch marktbeherrschender Stellung, Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten) vorliegen. Auf eine knappe Formel gebracht, hat der EuGH im Fall Meca-Medina und Majcen eine sehr weitgehende Kontrolle auch der auf den ersten Blick rein sportspezifischen Regelungen anerkannt. Die Entscheidung erfolgt im Einzelfall. Kontrollmaßstab ist letztlich das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das zu einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall führt. Insofern zeigt sich eine Parallele zum deutschen Recht, wo die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen nach § 242 BGB – dem Grundsatz von Treu und Glauben – erfolgt. Konsequenz ist damit eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. Über vielen Regelungen der Verbände hängt ein Damokles-Schwert. Die Verbände sind zur kritischen Überprüfung ihrer eigenen Regelungen aufgerufen, wenn sie die „Chance zur Selbstregulierung“ verantwortungsbewusst wahrnehmen wollen. Die rechtswissenschaftliche Diskussion61 wird sich mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob eine europäische „rule of reason“ entwickelt werden kann.62

IV. Zusammenfassung und Ausblick Die Europäisierung des Vereins- und Verbandsrechts schreitet voran. Zwar wird der Vorschlag der EG-Kommission aus dem Jahre 1992, die Rechtsform eines Europäischen Vereins zu schaffen, derzeit nicht weiterverfolgt. Diese Rechtsform wäre aber für grenzüberschreitend tätige Vereine und Verbände mit Mitgliedern in meh61

Vgl. Hess, Vom Konflikt zur Konkordanz, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, 2006, S. 1 (15 ff.); Orth, SpuRt 2006, 198 f.; Infantino, SpuRt 2007, 12 ff.; Pfister, SpuRt 2007, 58 f.; Heermann (Fn. 52), 345 ff.; Schürnbrand (Fn. 50), 398 ff. 62 Vgl. hierzu schon Hannamann (Fn. 24) S. 367, 451; Emmerich KartellR, 10. Aufl. 2006, § 4 Rn. 50 ff; ders., in: Immenga/Mesmäcker, KartellR I, 2006, Art. 81 I Rn. 178, 246 ff.; ders., JuS 2006, 1123 (1125).

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reren Mitgliedstaaten (z. B. Verbände der Berufsgruppen, des Sports und der technischen Normung) bei entsprechender Ausgestaltung der Verordnung eine attraktive Alternative zur bisherigen Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins nach nationalem Recht. Die Verbandsautonomie ist sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene nicht unbeschränkt. Die Verbände können demgemäß deren Umfang nicht selbst definieren, sondern haben nur die „Chance zur Selbstregulierung“. Ihre Entscheidungen unterliegen insbesondere der gerichtlichen Kontrolle, die ihre Grundlage in § 242 BGB bzw. Art. 220 EG findet. Die Grenzen der Verbandsautonomie ergeben sich letztendlich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dieses haben Gesetzgeber und Rechtsprechung zu beachten. Für die Rechtsprechung bedeutet dies im Hinblick auf Verbandsentscheidungen, dass ein Kontroll- und Korrekturvorbehalt besteht, der im Rahmen der Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle wahrzunehmen ist. Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips führt beim gerichtlichen Rechtsschutz zu einer Kontrolldichte, die mit dem Grad der Gefährdung grundrechtlich bzw. grundfreiheitlich geschützter Positionen korreliert. In diesem Zusammenhang sind verbandsspezifische Interessen, Wertungen und Beurteilungen, insbesondere solche nicht-wirtschaftlicher, d. h. ideeller Art, zu berücksichtigen. Vorgeschlagen wird, das Verhältnismäßigkeitsprinzip europarechtlich auf der Ebene folgender verbandsspezifischer Rechtfertigungsgründe umzusetzen: Vorbehalt der öffentlichen Verbandsordnung, zwingende Gründe des Verbandsinteresses und nicht-wirtschaftlich begründete Verbandsregelungen. Das Spannungsverhältnis zwischen Kommerzialisierung und ideeller Zwecksetzung ruft zunehmend das Kartellrecht auf den Plan. Mit seinem Meca-Medina- und Majcen-Urteil hat der EuGH deutlich gemacht, dass prinzipiell eine sehr weitgehende Kontrolle von Verbandsnormen gegeben ist. Die Verbände tun deshalb in ihrem eigenen Interesse gut daran, ihre Regelungen kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Abzuwarten bleibt, zu welchen Ergebnissen die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und die etwaige Entwicklung einer „rule of reason“ auf lange Sicht führen werden.

Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen aus rechtlicher Sicht* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Urteile des OLG Karlsruhe und des LG Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verbandssanktionen – Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Online-Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Herkömmliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . a) Bindung an die Regelwerke der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arten und Umfang gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezifika von Online-Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezifische Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Herstellung praktischer Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Sport und Internet – eine mittlerweile untrennbare Symbiose. Wie kaum ein anderes Medium erlaubt das World Wide Web, Sportcontent jeglicher Art ohne größeren Aufwand und in kürzester Zeit weltweit verfügbar zu machen. Damit eröffnen sich für alle Sportbeteiligten – von den Vereinen und Verbänden über die Unternehmen und Medien bis zu den Sportlern und Fans – fast grenzenlose Möglichkeiten der Kommunikation. Dies birgt allerdings auch Risiken, z. B. wenn es um herabwürdigende Details aus dem eigenen Berufs- oder Privatleben geht. Damit rücken neuartige persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Aspekte in den Fokus des Sportrechts, das auch insofern an einer allgemeinen Entwicklung1 teilnimmt, deren Konsequenzen bislang nur ansatzweise erkennbar sind. Konkret zeigt sich am Beispiel der Online-Veröffentlichung von Verbandsstrafen ein Spannungsverhältnis zwischen der Verbandsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) der Verbände einerseits sowie den individuellen Rechtspositionen der (mittelbaren) Mitglieder, insb. deren allgemeinem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), andererseits. Die jüngst ergangenen Urteile des OLG Karlsruhe und des LG Hamburg (dazu II.) geben Anlass, die spezifischen Rechtmä1

* Erstveröffentlichung (zusammen mit Christoph Röhl) in SpuRt 2009, 192 – 195. Zu erwähnen sind beispielhaft die Problemkreise Schuldnerspiegel, Pressearchiv, Namensliste STASI-Mitarbeiter, Spickmich sowie die Google-Suche „rotten neighbour“.

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ßigkeitsvoraussetzungen der Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen zu konkretisieren, die im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung heranzuziehen wären (dazu III.).

II. Die Urteile des OLG Karlsruhe und des LG Hamburg In jeweils knapp begründeten Urteilen vertreten sowohl das OLG Karlsruhe2 als auch das LG Hamburg3 den Standpunkt, gegen die in den betreffenden Verbandsregelungen vorgesehene Veröffentlichung verbandsinterner Sanktionen auf der Homepage eines Sportverbands sei im Ergebnis nichts einzuwenden. Das OLG Karlsruhe sieht zwar durchaus die Gefahr, dass die Online-Veröffentlichung der Sanktion für den Betroffenen nachteilige Wirkungen haben kann, einen „erheblichen Persönlichkeitsschaden“ will es jedoch nicht erkennen. Ein solcher sei allerdings erforderlich, um – wie im vorliegenden Fall – die Verbreitung einer wahren Tatsache zu unterbinden. Zu berücksichtigen sei das gesteigerte Interesse aller am Ligabetrieb Beteiligten an einer schnellen und zuverlässigen Mitteilung kürzlich verhängter Verbandssanktionen. Eine Online-Veröffentlichung entfalte keine besondere Breitenwirkung, da nur solche Personen Informationen über den Betroffenen erhielten, die von sich aus aktiv würden, die Website aufriefen und sich über mehrere Links zu den Spielsperren „durchklickten“. Auch der Umstand, dass einmal in das Internet eingestellte Einträge zumeist dauerhaft abrufbar bleiben und dann über die Suchmaschine Google leicht aufgefunden werden können, ändere an der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung nichts. Eine öffentliche Stigmatisierung oder Prangerwirkung sei durch sie nicht zu befürchten. In ähnlicher Weise urteilt auch das LG Hamburg. Eine öffentliche Verwarnung im Internet greife zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Sportlers ein; dieser Eingriff sei allerdings nicht rechtswidrig, da eine solche Vorgehensweise von den Verbandsstatuten gedeckt sei und der Kläger durch seinen Verbandsbeitritt wirksam in eine Beschränkung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingewilligt habe. Insbesondere stehe § 4a Abs. 1 BDSG der Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung nicht im Wege, da die Einwilligung auf einer freien Entscheidung beruhe und weder eine Zwangsmitgliedschaft noch eine sonstige Druckausübung im Raum stehe. Weiterhin hielten die maßgeblichen Satzungsbestimmungen einer Inhaltskontrolle stand.

III. Verbandssanktionen – Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Online-Veröffentlichung Beide Gerichte halten es im Ergebnis für rechtlich unbedenklich, wenn Verbandssanktionen der jeweiligen Verbandsregelungen entsprechend uneingeschränkt und 2 3

OLG Karlsruhe, Urt. v. 30. 01. 2009 – Az. 14 U 131/08 = SpuRt 2009, 204. LG Hamburg, Urt. v. 29. 05. 2009 – Az. 324 O 1002/08 = SpuRt 2009, 205.

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personalisiert im Internet veröffentlicht werden. Diese Auffassung ist daraufhin zu würdigen, ob sie neben den herkömmlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Verbandssanktionen (dazu 1.) die Spezifika von Online-Publikationen (dazu 2.) berücksichtigt. Diesen kommt im Rahmen der spezifischen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen – insb. bei dem letztlich vorzunehmenden Abwägungsprozess – maßgebliche Bedeutung zu (dazu 3.). 1. Ausgangspunkt: Herkömmliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Die Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verbandssanktionen ist eines der geradezu klassischen Probleme des Sportrechts.4 Im Wesentlichen sind dabei zwei Problembereiche zu unterscheiden: Zum einen geht es um die Bindung der (mittelbaren) Mitglieder an die Regelungen „ihrer“ Verbände. Zum anderen sind die Kontrollformen sowie deren jeweiliger Umfang zu konkretisieren, anhand derer die Rechtmäßigkeit von Verbandssanktionen gerichtlich überprüft wird. a) Bindung an die Regelwerke der Verbände Um einen fairen Wettkampf zu ermöglichen, müssen alle Beteiligten einer bestimmten Sportart an dieselben Regeln gebunden werden. Hierzu haben die internationalen und nationalen Sportverbände in Ausübung ihrer Verbandsautonomie komplexe Regelwerke geschaffen, denen sich jeder Beitrittswillige unterwerfen muss. Die dogmatische Begründung der Bindung variiert.5 Zum einen kann eine Bindungswirkung über eine satzungsrechtliche Lösung6 begründet werden. Danach erlässt der Bundessportfachverband Regeln, an die die Landesfachverbände als dessen Mitglieder und mittelbar die einzelnen Vereine über die Satzung ihres Landesfachverbands gebunden werden. Damit werden letztlich die Regelungen des nationalen Sportfachverbands in den Satzungen der Vereine verankert. An diese sind die Sportler durch ihren Vereinsbeitritt gebunden. Zum anderen kann eine Bindungswirkung über eine sog. „individualrechtliche“, d. h. vertragliche Lösung7 erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine Unterwerfung durch rechtsgeschäftlichen Einzelakt.8 Mit dem Teilnahmevertrag bzw. der Teilnahmeberechtigung wird dokumentiert, dass der Sportler die jeweils geltenden Regelungen ausdrücklich oder jedenfalls schlüssig anerkennt. Ob hierin – wie das LG Hamburg meint – eine wirksame Einwilligung z. B. in Eingriffe in Persönlichkeitsrechte gesehen werden kann, erweist sich angesichts eines etwaigen faktischen Zustimmungszwangs als problematisch – auch und gerade im Hin4

Vgl. Vieweg, Faszination Sportrecht, Online-Version 2007, S. 12 ff. Zum Ganzen PHBSportR-Summerer, 2. Aufl. 2007, 2. Teil, Rdnrn. 148 ff.; BGHZ 128, 93 ff. = SpuRt 1995, 43 ff.; dazu Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff. und Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 ff. 6 BGHZ 128, 93 (100); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (98 f.). 7 BGHZ 128, 93 (96 ff.); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99). 8 BGHZ 128, 93 (103 f.). 5

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blick auf § 4a Abs. 1 BDSG.9 Auf diese generelle sportrechtliche Problematik (z. B. Beteiligung an Werbemaßnahmen als Zulassungsvoraussetzung, Ersetzung staatlich-gerichtlichen Rechtsschutzes durch Schiedsgerichte) kann hier aus Raumgründen nicht weiter eingegangen werden. Die Bindung an die Regelwerke beinhaltet stets auch die Unterwerfung unter die jeweilige Sanktionsgewalt der Verbände. Auch diese lässt sich satzungs-10 oder aber vertragsrechtlich11 begründen. Die Verbandsstrafen erweisen sich als konsequente Fortsetzung der mit der Verbandsautonomie eingeräumten „Chance zur Selbstregulierung“12 eines vom Satzungszweck erfassten gesellschaftlichen Bereichs. b) Arten und Umfang gerichtlicher Kontrolle Methodisch sind drei Arten gerichtlicher Kontrolle von Verbandsentscheidungen, insb. von Verbandssanktionen, zu unterscheiden: Inhalts-, Tatsachen- und Subsumtionskontrolle. Jedenfalls für die wirtschaftlich und sozial mächtigen Verbände – wie sie wegen des Ein-Platz-Prinzips für den Sport typisch sind – ist in ständiger Rechtsprechung des BGH13 eine Überprüfung am Maßstab des § 242 BGB anerkannt. Damit kommt es im Rahmen der Inhaltskontrolle auf eine Abwägung der tangierten Güter und Interessen an. Diese ist auch verfassungsrechtlich nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz14 geboten, da auf beiden Seiten grundgesetzlich geschütze Positionen betroffen sind. Maßgeblich werden damit letztlich Verhältnismäßigkeitsüberlegungen. Als vergleichbar erweist sich die europäische Rechtslage. So hat sich der EuGH15 in der Rechtssache Meca-Medina für eine recht weitgehende Überprüfung von Verbandsregelungen am Maßstab des EG-Wettbewerbsrechts (Art. 81 f. EG) ausgesprochen. Es sei insb. eine Frage der Verhältnismäßigkeit, ob Beeinträchtigungen des Gemeinschaftsrechts im Einzelfall gerechtfertigt sein können. Die praktischen Konsequenzen dieser EuGH-Rechtsprechung sind noch nicht vollends absehbar.16 Es ist aber davon auszugehen, dass sich nach den Vorgaben des EuGH 9

Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl. 2007, § 4a Rdnr. 6. So die wohl noch h. M., vgl. etwa BGHZ 128, 93 (99); Pfister, Autonomie des Sports, sporttypisches Verhalten und staatliches Recht, in: ders. (Hrsg.), Festschrift für Werner Lorenz, 1991, S. 171 (180 ff.); differenzierend Vieweg, Normsetzung und Anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 147 ff. 11 Hierfür plädiert z. B. van Look, Vereinsstrafen als Verbandsstrafen, 1990, S. 107 ff. 12 Vieweg (Fn. 10), S. 182 ff. 13 BGHZ 128, 93 ff.; BGH NJW 2004, 2226 ff. 14 Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rdnr. 318. 15 EuGH EuZW 2006, 593 ff. = SpuRt 2006, 195 ff. – Meca-Medina. Bestätigt durch EuGH EuZW 2008, 605 ff. = SpuRt 2008, 193 ff. – MOTOE. Vgl. dazu Mournianakis, WRP 2009, 562 ff. 16 Vgl. die Diskussion bei Infantino, SpuRt 2007, 12 ff.; Pfister, SpuRt 2007, 58 f.; Stein, SpuRt 2008, 46 ff.; Vieweg, Zur Europäisierung des Vereins- und Verbandsrechts, in: Saenger u. a. (Hrsg.), Festschrift Olaf Werner, 2009, S. 275 (285 ff.). 10

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wohl künftig ein Großteil der Sportregelwerke nicht mehr nur am nationalen, sondern auch und insbesondere am Gemeinschaftsrecht wird messen lassen müssen. 2. Spezifika von Online-Publikationen Die – technisch bedingten – Spezifika von Online-Publikationen ergeben sich aus einem Vergleich mit den traditionellen Veröffentlichungsformen über Verbandszeitungen, (Tages-)Presse, Hörfunk und Fernsehen. So kann jedermann – auch anonym – jederzeit an jedem Ort digitale Informationen eingeben, abrufen und speichern. Internet-Foren, Blogs, Podcasts, soziale Netzwerke und Tauschbörsen mögen insoweit als Schlagworte genügen. Weitere Kennzeichen sind die Dauerhaftigkeit der Informationsbereithaltung sowie die fast grenzenlose Menge der verarbeitbaren Informationen. So können ohne größere Probleme umfangreiche Dokumentationen, Fotos und Videos ins Netz gestellt werden. Durch das Setzen von Links können fremdgenerierte Inhalte in der jeweils aktuellen Version in die eigene Online-Publikation integriert werden. Die Existenz zunehmend leistungsstärkerer Suchmaschinen wie insbesondere Google hat dazu geführt, dass die Recherchemöglichkeiten im Vergleich zur Auswertung z. B. von Pressearchiven in Papierform extrem vereinfacht, ausgeweitet und beschleunigt worden sind. Die Entwicklung sog. semantischer Suchmaschinen17 wird diesen Prozess weiter optimieren. Im Vergleich zu den klassischen Publikationen ergeben sich damit zahlreiche Vorteile und Chancen von Online-Veröffentlichungen, die sich bereits klar in der veränderten Mediennutzung – einer deutlich gesteigerten Nutzung des Internets – widerspiegeln. Diesen Vorzügen stehen allerdings auch nicht unerhebliche Risiken gegenüber. So können die eingestellten Informationen fehlerhaft, verzerrt oder veraltet sein oder andere Personen betreffen, die mit einer Informationspreisgabe im Internet nicht einverstanden sind. Überfülle und Detailreichtum können ein Ausmaß erreichen, das nicht mehr sachgerecht verarbeitet werden kann. Die Möglichkeit anonymer Eingaben senkt die Hemmschwelle für Beleidigungen und Verleumdungen. Als verstärkender Faktor kommt hinzu, dass das Internet nichts „vergisst“ und einmal eingestellte Informationen auch nach (vermeintlicher) Löschung in aller Regel auf Dauer abrufbar bleiben, da sie etwa von Suchmaschinen erfasst und mit Hilfe sog. Applikationen kopiert werden. Schon diese kurzen, keineswegs abschließenden Hinweise zeigen, dass die Eingriffsintensität durch Online-Publikationen im Vergleich zu den traditionellen Veröffentlichungen im Einzelfall erheblich erhöht sein kann.

17 Vgl. Wahlster, Von Suchmaschinen zu Antwortmaschinen, in: Mattern (Hrsg.), acatech diskutiert: Wie arbeiten die Suchmaschinen von morgen?, 2008, S. 59 ff. sowie Handelsblatt v. 11. 08. 2009, S. 15.

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3. Spezifische Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Die Frage, ob die Verbände die rechtlichen Grenzen bei der Veröffentlichung von Verbandssanktionen einhalten, beinhaltet drei Problembereiche: Erstens bedarf der Klärung, ob die Sanktion sich auf eine – gem. § 25 BGB erforderliche – Satzungsgrundlage stützen kann.18 Dies ist in den Ausgangsfällen unproblematisch gewesen und soll hier nicht weiter vertieft werden. Zweitens – und hierauf fokussiert sich der Blick – stellt sich die Frage, ob eine Verbandsregelung, die die Veröffentlichung einer Sanktion auf der Verbands-Homepage – sei es ohne, sei es mit Einwilligung des Betroffenen – gestattet, einer Inhaltskontrolle standhält. Drittens ist – bei Rechtmäßigkeit der Verbandsnorm – zu fragen, ob diese und die Verfahrensvorschriften im Einzelfall richtig angewendet worden sind oder ob Subsumtions- und/oder Verfahrensfehler erkennbar sind. Auf diese Problematik kann hier aus Raumgründen nicht eingegangen werden.19 a) Inhaltskontrolle Eine Verbandsregelung hält dann der Inhaltskontrolle stand und ist rechtmäßig, wenn die Kollision der einander gegenüberstehenden Grundrechte nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, letztlich also nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, aufgelöst werden kann. aa) Grundrechtkollisionen Zutreffend gehen das OLG Karlsruhe und das LG Hamburg davon aus, dass sich die Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und allgemeinem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) bewegt. Ergänzend wäre noch die durch Art. 9 GG gewährte Verbandsautonomie zu erwähnen, die hier allerdings in den Hintergrund tritt. Problematisch ist, dass der Begriff der Meinung definiert wird als jedes Werturteil, das einem Beweis nicht zugänglich ist.20 Bei der Verhängung einer Verbandssanktion handelt es sich indes um eine dem Beweis ohne weiteres zugängliche Tatsachenbehauptung. Als solche wäre sie streng zu trennen von einer Meinung. Mittlerweile ist jedoch anerkannt, dass auch wahre Tatsachenbehauptungen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen können.21 Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die geäußerten Tatsachen Dritten zur Meinungsbildung dienen können sowie dann, wenn sich Tatsachen und Meinungen derart vermengen, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt 18

Dazu im Einzelnen BGHZ 29, 352 (357); 47, 172 (177). Zur Subsumtionskontrolle vgl. Vieweg (Fn. 10), S. 238 ff.; BGHZ 102, 265 (276). 20 BVerfG NJW 2008, 358 (359); NJW 2003, 1109 (1110). Vgl. auch Herzog, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, 53. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 50 ff. 21 BVerfG NJW 2000, 2413 (2414); BGH NJW 2009, 1872 (1873); NJW 2008, 2262 (2263). 19

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wird. Auch die wahre Tatsachenbehauptung, ein bestimmtes Verbandsmitglied sei mit einer Sanktion belegt worden, nimmt damit grundsätzlich am Schutz des Art. 5 GG teil. bb) Herstellung praktischer Konkordanz Entscheidend ist damit die Frage, wie die kollidierenden Verfassungsgüter der Meinungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – insb. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden können. Das BVerfG22 hat dabei die Prämisse aufgestellt, dass wahre Tatsachenbehauptungen regelmäßig den Vorrang vor kollidierenden Rechtsgütern genießen. Dies gelte jedenfalls für Äußerungen, die – wie hier – lediglich die (berufliche) Sozialsphäre des Betroffenen berühren, da sich die persönliche Entfaltung des Einzelnen in diesem Bereich von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollziehe. Auch Äußerungen, die für den Betroffenen nachteilige Auswirkungen haben können, seien grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gelte allerdings dann, wenn mit der Äußerung schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht verbunden seien. Insbesondere müsse eine öffentliche Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung sowie das Entstehen einer Prangerwirkung nicht hingenommen werden.23 Voraussetzung eines auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten Abwehranspruchs sei aber auch dann, dass eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit deren Zurücktreten ergebe. Für die herkömmlichen Fälle der Veröffentlichung von Vereinsstrafen in Vereinszeitschriften differenziert Reichert24 wie folgt: Eine uneingeschränkte Veröffentlichung sei allenfalls bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen zulässig. Unzulässig sei die Veröffentlichung, wenn die Vereinszeitschrift nicht nur den Vereinsmitgliedern, sondern einer unbestimmten Zahl von Lesern zur Kenntnis gelangen könne. Unzulässig sei die Veröffentlichung ebenfalls, solange die vereinsinterne Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen sei. Schließlich könne die Veröffentlichung wegen des Verstoßes gegen das Übermaßverbot unzulässig sein, wenn sie für das betroffene Mitglied besonders einschneidende Wirkungen hinsichtlich des Ansehens oder der sozialen Stellung haben könne oder wenn wirtschaftliche Nachteile die möglichen Folgen seien. Diese Überlegungen sind im Ausgangspunkt zutreffend, bedürfen aber mit Blick auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz der weiteren Differenzierung. So ist z. B. auch zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Betroffenen um eine Person handelt, die im öffentlichen Leben steht, und ob dem durch Art. 5 GG geschützten öffentlichen Informationsinteresse (der Allgemeinheit oder einzelner Gruppen) Rechnung zu tragen ist. Weiterhin ist zu fragen, ob der sanktionierte Vorgang bereits anderweitig publik gemacht worden ist. Schließlich dürfte eine Rolle 22

BVerfGE 97, 391 (403). Vgl. BVerfG NJW 2000, 2413 (2414); NJW 2003, 1109 (1110 f.). 24 Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 11. Aufl. 2007, Rdnrn. 2875 ff. m. w. N. 23

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spielen, ob – wie in Fällen von Doping-Verstößen – der Verein bzw. Verband aus Image- und Präventionsgründen ein schutzwürdiges gesteigertes Interesse an der Veröffentlichung hat. Alle diesen Aspekte sind in den einzelfallbezogenen Abwägungsprozess einzubeziehen. Mit Blick auf die Online-Publikationen sind deren oben beschriebene Vorteile und Risiken in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Ohne Zugriffsbeschränkung sind Verbandssanktionen nach dem Einstellen ins Netz jederzeit und für jedermann frei und anonym abruf- und speicherbar. Auch außenstehende Personen, die kein anerkennenswertes Informationsinteresse für sich beanspruchen können, erhalten die Möglichkeit, sich ungehindert über die gegen ein bestimmtes Mitglied verhängten Sanktionen zu unterrichten. Auch das private und sonstige berufliche Umfeld kann sich so Informationen verschaffen, die geeignet sind, den Betroffenen in ein schlechtes Licht zu rücken und beispielsweise als „Schläger“ oder „Doper“ darzustellen. Jedenfalls unbekanntere Sportbeteiligte werden für den Internetnutzer aus dem Bereich der Anonymität in den einer persönlichen Bekanntheit gerückt, was nicht zuletzt die Wahrscheinlichkeit einer potenzierenden Wirkung durch (mündliche) Weitergabe des jeweiligen Namens erhöht.25 Nun mag die drohende Stigmatisierung bei Verbandssanktionen geringer sein als bei staatlichen Strafurteilen; eine nicht nur unerhebliche Prangerwirkung ist jedoch auch hier zu befürchten. Der Betroffene wird für alle Welt identifizierbar. Hinzu kommt, dass einmal in das Internet eingestellte Informationen regelmäßig auch noch Jahre, nachdem sie vom Einstellenden wieder gelöscht wurden, auffindbar bleiben. So können Internetnutzer auch dann noch auf länger zurückliegende Sanktionen stoßen, wenn diese schon längst „erledigt“ sind. Ein Informationsinteresse der Allgemeinheit ist in diesen Fällen – wenn überhaupt – nur noch stark eingeschränkt anzuerkennen.26 Die drohenden negativen Auswirkungen auf das (Privat-)Leben des Betroffenen bleiben dagegen unvermindert erhalten.27

25

Vgl. BGH GRUR 1994, 913 (914), zur Prangerwirkung der Veröffentlichung einer Namensliste von (angeblichen) Stasi-Mitarbeitern. 26 Vgl. hierzu auch OLG Hamburg ZUM 2008, 66. 27 Zur vergleichbar gelagerten Problematik der Veröffentlichung eines Schuldnerspiegels im Internet vgl. BVerfG NJW 2002, 741 (742). Es sei verfassungsrechtlich problematisch, dass mit dem Schuldnerspiegel eine Kommunikation an eine unbestimmte und grundsätzlich unbegrenzte Öffentlichkeit erreicht werde. Die Information könnten für einen langen oder gar unbegrenzten Zeitraum für alle verfügbar bereitgehalten werden. Es müsse daher von den Zivilgerichten genau geprüft werden, „ob die mit der im Internet erfolgenden öffentlichen Anprangerung einer Person als Schuldner verbundenen nachteiligen Wirkungen Besonderheiten bei der rechtlichen Würdigung, insbesondere bei der Abwägung mit den ebenfalls grundrechtlich geschützten Kommunikationsinteressen der Domain-Inhaber, bewirken“. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat daraufhin überwiegend nur anonymisierte Schuldnerspiegel zugelassen, vgl. LG Köln, Urt. v. 24. 06. 2009 – Az. 28 O 116/09; LG Koblenz MMR 2009, 144.

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b) Lösungsansatz Wie also könnte eine adäquate Lösung des Interessenkonflikts aussehen? Insofern ist zunächst nach den einzelnen Verfahrensschritten zu differenzieren. Im Regelfall genießt das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens den Vorrang vor dem durch die Meinungsfreiheit gedeckten Publikationsinteresse des Vereins bzw. Verbands. Besonderheiten dürften allenfalls bei schwerwiegenden Verfehlungen wie insb. Doping-Verstößen gelten. Denkbar erscheint weiterhin – vergleichbar der umstrittenen Situation bei Online-Pressearchiven28 – die Bejahung einer Löschungspflicht des Verbands nach einer gewissen Zeitspanne, insb. nach Ablauf einer einer Sperre. Abgesehen von den beschriebenen tatsächlichen – technischen – Problemen bei der Umsetzung dieser Löschungspflicht bleibt die grundsätzliche Problematik erhalten, dass die betreffende Information zumindest zeitweise für jedermann beliebig abrufbar ist und zwar unabhängig vom Bestehen eines anerkennenswerten Informationsinteresses. Deshalb dürfte sich daneben in der Regel eine Beschränkung der Zugriffsrechte auf Vereins- bzw. Verbandsmitglieder als erforderlich erweisen. Zwar handelt es sich bei der Veröffentlichung der Verbandssanktionen um eine zutreffende Darstellung von Tatsachen in nicht reißerischer Form; auch ist die bloß briefliche Information der interessierten Sportbeteiligten kein milderes, da nicht gleich geeignetes Mittel. Das Internet als schnelles, aktuelles und kostengünstiges Medium hat gegenüber der Übermittlung von Informationen mittels Briefform insoweit zahlreiche Vorteile. Als Ausfluss der Verhältnismäßigkeit i. e. S. (= Angemessenheit) dürfte allerdings die Möglichkeit eines nur passwortgeschützten Abrufs der verhängten Sanktionen zumindest dann vorzuziehen sein, wenn es sich bei dem Sanktionierten nicht um einen im Blick der Öffentlichkeit stehenden Spitzensportler handelt und das geahndete Vergehen keine außergewöhnliche Schwere aufweist. Durch diese differenzierte Betrachtung werden die Vorteile des Internets sowie die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Betroffenen gleichermaßen berücksichtigt. Jede Stelle, die ein berechtigtes Interesse an einer Mitteilung der Sanktion hat, erhält ein Passwort, das den Zugriff auf den entsprechenden Bereich der Verbands-Homepage erlaubt. Unbefugte Dritte dagegen können die Information auch dann nicht aufrufen, wenn sie den Namen des Sanktionierten in eine Suchmaschine im Internet eingeben. Damit werden „Zufallstreffer“ mit möglicherweise nachteiligen Auswirkungen vermieden. Eine Stigmatisierung oder öffentliche Prangerwirkung ist dann nicht mehr zu befürchten. Insgesamt gesehen kommt es – wie bei der Veröffentlichung in Vereinszeitschriften – für die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, die die Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen vorsehen, auf eine einzelfallbezogene Gesamtabwägung an. Verbandsnormen, die ohne Einschränkung eine Online-Veröffentlichung zulassen, halten damit einer Inhaltskontrolle – entgegen der Ansicht des OLG Karlsruhe und des LG Hamburg – nicht stand. Sie müssen vielmehr im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden. 28 Vgl. OLG Hamburg MMR 2007, 377; OLG Frankfurt a.M. MMR 2008, 182 ff.; LG Frankfurt a.M. MMR 2007, 57 f.

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IV. Zusammenfassung Die Auffassung des OLG Karlsruhe und des LG Hamburg, eine auf Grundlage von Verbandsregelungen vorgenommene Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen sei rechtlich nicht zu beanstanden, erweist sich als zu pauschal. Ein „Freibrief“ für einen „virtuellen (Verbands-)Pranger“ existiert nicht. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der praktischen Konkordanz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordern vielmehr eine Differenzierung. Eine Verbandsnorm hält nur dann einer Inhaltskontrolle stand, wenn sie insb. die Spezifika von Online-Publikationen, Art und Schwere der Verfehlung, Bedeutung der Online-Veröffentlichung für Image und Präventionsarbeit des Verbands sowie Ansehen, soziale Stellung und Bekanntheitsgrad des Sanktionierten angemessen berücksichtigt. Weiterhin wird dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen vielfach – insb. bei Verfehlungen ohne Außenwirkung – dadurch Rechnung zu tragen sein, dass durch Einrichtung eines passwortgeschützten Bereichs auf der Verbands-Homepage nur solchen Personen der Zugriff auf die verhängten Sanktionen gestattet wird, die ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an diesen Informationen haben.

„Neue Medien“ und Sportrecht* Sport ist zunehmend zu einem elementaren Teil der Mediengesellschaft geworden. Die Medialisierung des Sports verstärkt den seit Jahrzehnten zu beobachtenden Prozess der Kommerzialisierung, Professionalisierung und Internationalisierung. Der technische Fortschritt erweist sich dabei als treibende Kraft in der Medienlandschaft. Neben das Fernsehen sind die „Neuen Medien“, insbesondere Internet und Kamera-Handys getreten. Die Wechselwirkungen zwischen den Medien und dem Sport sind traditionell vielfältig. Sie haben mit den „Neuen Medien“ eine neue Qualität bekommen. So können über das Internet Wort-, Bild- und Toninformationen einfach, schnell, kostengünstig und weltweit versendet bzw. abgerufen werden. Derartige Wechselwirkungen zwischen Sport und Internet haben nicht nur eine positive Seite. Neben Nutzen und Chancen treten vielmehr auch neuartige Risiken auf und stellen sich vielfältige Rechtsfragen. So sind auf der einen Seite jetzt elektronische Anmeldungen zum Vereinsregister möglich. Weiterhin erlauben die Web-Seiten der Verbände und Vereine – nicht zuletzt für die Fans – den Zugriff auf ein breites Informationsangebot. Neue Vermarktungsmöglichkeiten – z. B. über das vereinseigene Internet-Fernsehen – schaffen zusätzliche Einnahmequellen. Auf der anderen Seite ergeben sich zugleich jedoch neue Konfliktlagen mit entsprechenden rechtlichen Fragestellungen. So ist insbesondere umstritten, ob die Verbände die Verbreitungsrechte an Video-Clips von Amateur-Fußballspielen haben („Hartplatzhelden“ – OLG Stuttgart SpuRt 2009, 252 ff.) und ob sie über ihre Homepage Sanktionen auch ohne technische Einschränkung (z. B. durch Passwortschutz) veröffentlichen dürfen („elektronischer Pranger“ – OLG Karlsruhe SpuRt 2009, 204 f.; LG Hamburg SpuRt 2009, 205 ff.). Umgekehrt ermöglicht das Internet, Kritik an Verbänden, Vereinen, Funktionären, Trainern, Athleten und Schiedsrichtern etwa in Form von Blogs und Foren zu äußern. Ein erster Fall eines „Hass-Forums“ ist Gegenstand einer verbandsgerichtlichen Entscheidung (Landesspruchausschuss des Handballverbands Westfalen SpuRt 2009, 262 f.) geworden. Im Zusammenhang mit Online-Plattformen wie YouTube stellen sich Fragen des Urheberrechts. Die Querschnittsmaterie des Sportrechts hat durch diese Entwicklungen im Spannungsfeld von Technik, Wirtschaft und Recht neue faszinierende Facetten erhalten, die die Sportrechtler noch länger beschäftigen werden.

* Erstveröffentlichung als Editorial für SpuRt, Heft 6, 2009.

Zur zivilrechtlichen Haftung der Veranstalter und Ausrichter satzungsgemäßer Sportwettkämpfe* I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsumfang und Verteilung der Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast und Beweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versicherbarkeit der Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Immer wieder sorgen schwere Unfälle bei Sportveranstaltungen mit teils tödlichem Ausgang für großes Aufsehen. So starb Anfang Januar 2010 eine Zuschauerin bei der Rallye Dakar, als der deutsche Fahrer Mirco Schultis in einer ungesicherten Kurve in eine Menschengruppe raste. Beim sog. Zugspitzlauf 2008 verloren zwei Läufer ihr Leben. Sie waren trotz widriger Wetterverhältnisse nur unzureichend bekleidet gewesen und starben kurz vor dem Ziel an Unterkühlung und Erschöpfung.1 Der zum C-Kader gehörende Turner Fabian Lotz2 stürzte bei den Hessischen Kunstturnmeisterschaften 2006 bei seiner Übung an den Ringen und zog sich dabei – dies blieb über anderthalb Jahre unerkannt (!) – einen Halswirbelbruch zu. Alle diese exemplarisch genannten Fälle haben eines gemeinsam: die Frage nach der Haftung des jeweiligen Veranstalters und/oder Ausrichters der Sportwettkämpfe. Der vorliegende Beitrag greift aus dem vielgestaltigen Konglomerat möglicher Haftungskonstellationen3 den besonders virulenten Bereich der Verantwortlichkeit der Veranstalter und Ausrichter gegenüber den an einem satzungsgemäßen Wettbewerb teilnehmenden Sportlern heraus. Die hohe Brisanz dieses Problemkreises wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Sportverbände zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Pflicht, * Erstveröffentlichung (zusammen mit Christoph Röhl) in SpuRt 2010, 56 – 60. 1 Das AG Garmisch-Partenkirchen hat den Veranstalter vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) freigesprochen. Vgl. FAZ v. 02. 12. 2009, S. 9. 2 Vgl. hierzu LG Gießen, Grundurt. v. 09. 07. 2009 – Az. 2 O 106/07 = SpuRt 2010, 81 ff. 3 Vgl. die Überblicke bei Scheffen, NJW 1990, 2658 ff.; PHB SportR-Fritzweiler, 2. Aufl. 2007, 5. Teil Rn. 7 ff.; Vieweg, Haftungsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg), Handbuch Sportrecht, 2009, S. 121 (128 ff.).

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Meisterschaften zu veranstalten, auf die Mitwirkung örtlicher Ausrichter angewiesen sind. Deren Bereitschaft, sich entsprechend zu engagieren, korreliert mit dem sie treffenden Haftungsrisiko. Je größer dieses ist – auch und gerade im Verhältnis zum jeweiligen Sportverband –, desto schwieriger wird es für die Verbände, einen Ausrichter zu finden und so ihren satzungsmäßigen Pflichten nachzukommen. Im Folgenden werden nach einem eingehenden Blick auf die praktische Problematik (II.) die sich stellenden spezifischen haftungsrechtlichen Fragen aufgegriffen (III.) und mögliche Lösungsansätze vorgestellt (IV.).

II. Problematik Nahezu alle Sportverbandssatzungen statuieren die Pflicht, Meisterschaften und sonstige Wettbewerbe zu veranstalten. Diese satzungsgemäße Pflicht trifft Sportverbände aller Ebenen. Sie ist einerseits Ausprägung des dem Sport innewohnenden Wettkampfgedankens, andererseits resultiert sie daraus, dass eine Plattform für die Qualifikation für höherrangige nationale und internationale Wettkämpfe geschaffen werden muss. So obliegt dem Deutschen Volleyball-Verband (DVV) gemäß § 3 lit. f) seiner Satzung die Veranstaltung der Spiele um die Deutschen Volleyball-Meisterschaften sowie anderer offizieller nationaler Wettbewerbe. Nach § 1 Ziff. 1.5 der Satzung des Deutschen Turner-Bundes (DTB) ist „die Planung und Organisation eines umfangreichen Veranstaltungs- und Wettkampfprogramms“ eine der zentralen Aufgaben des Verbands. Die einzelnen Mitgliedsverbände des DTB sind gemäß § 4 Ziff. 4.2 a) der Satzung verpflichtet, an der Erfüllung dieser Aufgabe aktiv mitzuwirken. Die Sportverbände selbst verfügen jedoch in aller Regel nicht über geeignete Wettkampfstätten. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, dass sich lokale Vereine als Ausrichter zur Verfügung stellen und die mit der Durchführung des Wettkampfes vor Ort verbundenen vielfältigen Aufgaben sicherstellen. Für den einzelnen Ausrichter steht der Entschluss, sich entsprechend einzubringen, am Ende eines Abwägungsprozesses. Eine bedeutende Rolle spielen dabei insbesondere das Prestige und die Werbewirkung der konkreten Veranstaltung, die Verfügbarkeit von Sportstätten, Sportgeräten und (ehrenamtlichem) Personal sowie die konkrete Kostensituation. In diesem Zusammenhang ist auch – nicht immer bedacht – das zu erwartende Haftungsrisiko für den jeweiligen Ausrichter zu berücksichtigen. Diesen treffen – ebenso wie den Veranstalter – im Rahmen der Organisation und Durchführung eines Wettbewerbs spezifische Sorgfalts- und Sicherungspflichten auch und insbesondere gegenüber den teilnehmenden Sportlern.4 Rückt das Haftungsrisiko – insbesondere aufgrund der Berichterstattung in den Medien wie im Fall Fabian Lotz5 – stärker in das Bewusstsein, könnte dies potentielle Ausrichter abschrecken. Konsequenz für die 4

Allgemein Heermann, Haftung im Sport, 2008, S. 154 ff.; Scheffen, NJW 1990, 2658 (2660 f.); Fellmer, MDR 1995, 541 ff. 5 Vgl. etwa FAZ v. 13. 08. 2009, S. 23 sowie die umfassende Berichterstattung im RTLMagazin SternTV am 13. 05. 2009.

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Sportverbände wäre dann, dass die Erfüllung der satzungsgemäßen Pflicht zur Veranstaltung von Sportwettkämpfen dadurch ernstlich in Gefahr geriete. Gerade der Haftungsaspekt dürfte auch im Fall des Turners Fabian Lotz eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Das LG Gießen6 gab der Klage des Sportlers auf Schmerzensgeld gegen den veranstaltenden Hessischen Turnverband sowie den örtlichen Ausrichter dem Grunde nach statt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Unfall auf einen fehlerhaften Aufbau bzw. eine fehlerhafte Kontrolle des Ringegerüsts zurückzuführen ist. Hierfür müssten die Beklagten als Verkehrssicherungspflichtige vollumfänglich einstehen. Als Konsequenz auf dieses Urteil wurde Fabian Lotz vom Trainingsbetrieb des Hessischen Landesverbandes ausgeschlossen. Begründet wurde dies mit dem nunmehr altersbedingt nicht mehr vorhandenen Kaderstatus des Turners und mit der Furcht vor einer weiteren Klage bei einem neuerlichen Unfall.7 Zudem beruht die Reaktion des beklagten Verbands8 offenbar auf dessen Sorge, zukünftig keine Ausrichter für seine Meisterschaften zu finden und deshalb seinen satzungsgemäßen Pflichten nicht mehr nachkommen zu können.

III. Haftungsrechtliche Fragestellungen Das aufgezeigte Konfliktfeld ist geprägt von einer Fülle unterschiedlichster Fragestellungen, die bislang nur teilweise befriedigend beantwortet werden konnten. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass sich die Haftung der Veranstalter und Ausrichter grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften – insbesondere den §§ 280 ff., 823 ff. BGB – richtet.9 Große Probleme bereitet aber bereits die grundlegende Frage, welche Verkehrssicherungspflichten die Organisatoren von Sportwettkämpfen im Einzelfall treffen. Dass angesichts der Vielfalt der Sportwettkämpfe nicht an jeden Veranstalter und Ausrichter dieselben Anforderungen gestellt werden können, liegt dabei auf der Hand. Die Frage nach den maßgeblichen Differenzierungskriterien ist indes keinesfalls hinreichend geklärt und sorgt daher in der Praxis für entsprechende Rechtsunsicherheit. Gleiches gilt auch für die vieldiskutierte Frage des Haftungsmaßstabs. Die Grundnorm des § 276 BGB sieht allgemein eine Haftung bereits für leichte Fahrlässigkeit vor. Dies wird auch und gerade im Bereich der 6 LG Gießen SpuRt 2010, 81 ff.. Der Präsident des Hessischen Turnverbandes bewertet in seiner Stellungnahme an die Sportkreisvorsitzenden vom 24. 08. 2009 das Urteil als eine „existenzielle Bedrohung für den gesamten organisierten Sport“. Zu besorgen sei, dass aufgrund der Haftung der Wettkampfbetrieb mit kooperierenden Vereinen nicht aufrecht erhalten werden könne. 7 Vgl. dazu http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/aktuell/?em_cnt=1876771& (11. 02. 2010). 8 In seiner Stellungnahme an die Sportkreisvorsitzenden vom 24. 08. 2009 teilte der Präsident des Hessischen Turnverbandes mit, es handele sich keineswegs um einen „Racheakt auf niedrigstem Niveau“. 9 BGH NJW-RR 1986, 1029 ff.; OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 1165 ff.; Heermann (Fn. 4), S. 32 ff.; Fellmer, MDR 1995, 541 ff.

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Sportausübung vielfach als wenig sachgerecht erachtet. Unterschiedliche dogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur sind zur Begründung der als geboten erscheinenden Haftungsbegrenzung vorgeschlagen worden. Auch der Gesetzgeber hat mit der Einfügung von § 31a BGB reagiert.10 Darüber hinaus erscheint fraglich, ob und in welchem Umfang weitergehende Beschränkungen der Haftung durch entsprechende Regelungen in Vereins- und Verbandssatzungen, Wettkampfordnungen oder Teilnehmerverträgen rechtlich zulässig sein können. Allgemein gilt es in diesem Zusammenhang, die Verteilung der Risiken und damit letztlich der Verantwortlichkeit zwischen Veranstalter, Ausrichter und Sportler zu klären. Die Beherrschbarkeit von Gefahrenquellen ist dabei ins Verhältnis zu setzen mit der jeden Sportler in gewissem Umfang treffenden Eigenverantwortlichkeit. Rein praktisch stellen sich Fragen der Beweislast, der zulässigen Beweisführung und der Dokumentation durchgeführter Aufklärungs- und Sicherungsmaßnahmen. Schließlich ist der Aspekt der Versicherbarkeit von Sportunfällen in den Blick zu nehmen.

IV. Lösungsansätze Aufgrund der Vielgestaltigkeit denkbarer Haftungskonstellationen können sich mögliche Lösungsansätze nicht in Einzelfallaspekten verlieren, sondern müssen stets den Blick auf das große Ganze behalten. Ausgehend von dieser Prämisse werden nachfolgend Antworten auf die aufgezeigten Fragestellungen gesucht. Aus Raumgründen kann es sich dabei nur um Lösungsansätze handeln. 1. Haftungsbegründung Für die Frage der Haftung gelten zunächst die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze. Bestehen vertragliche Beziehungen gegenüber den Sportlern, tritt bei noch zu konkretisierenden schuldhaften Pflichtverletzungen eine Verantwortlichkeit des Veranstalters bzw. Ausrichters nach den §§ 280 ff. BGB ein.11 Handelt es sich um einen Verband oder Verein, so muss sich dieser das pflichtwidrige Verhalten seines Vorstands über § 31 BGB sowie sonstiger Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB zurechnen lassen.12 Die Verbands- und Vereinsvorstände selbst profitieren – sofern sie ehrenamtlich tätig sind – seit der Vereinsrechtsreform 2009 von der in § 31a BGB geregelten vereinsinternen Haftungsfreistellung für bloß einfache Fahrlässigkeit. Im Außenverhältnis etwa gegenüber den an einem Wettkampf teilnehmenden Sportlern bleibt die Haftung zwar grundsätzlich unberührt. Das Vorstandsmitglied

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Dazu noch unter IV. 1. Vgl. hierzu Heermann (Fn. 4), S. 155 f. 12 Näher dazu Vieweg, Faszination Sportrecht, Online-Version 2007, S. 41 m. w. N. 11

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hat jedoch gegen den Verband bzw. Verein einen Freistellungsanspruch, sofern es nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.13 In der Praxis bereitet oftmals die Frage nach der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB große Schwierigkeiten. Dem Veranstalter obliegen im Rahmen des Trainings- und Wettkampfbetriebs spezifische Sorgfaltspflichten gegenüber allen, die mit der Sportausübung in Berührung kommen. Die jeweiligen Verkehrssicherungspflichten variieren je nach Sportart, Professionalität der Strukturen und Größe der Wettkampfveranstaltungen. Typische, sich aus der sportlichen Betätigung ergebende Gefahren nimmt der Sportler dabei bewusst in Kauf (Prinzip der Eigenverantwortlichkeit).14 Sich hierbei realisierende Schäden liegen auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung außerhalb des Verantwortungsbereichs der Veranstalter und Ausrichter. In Rechtsprechung und Literatur divergieren die dogmatischen Begründungsansätze für diese Haftungsbeschränkung. Teilweise15 wird auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB zurückgegriffen und ein entsprechendes Mitverschulden für solche Fälle angenommen, in denen sich der Geschädigte eigenverantwortlich in eine gefährliche Situation begibt (sog. Handeln auf eigene Gefahr). Vorgeschlagen wird weiterhin eine Modifikation des Verschuldensmaßstabs aus § 276 Abs. 1 BGB.16 Aufgrund einer „sportgerechten Interpretation“17 des Verschuldenserfordernisses seien im Bereich des Sports bestimmte Verhaltensweisen nicht als fahrlässig in diesem Sinne anzusehen. Einige Autoren18 wollen die sportspezifischen Besonderheiten bereits auf der Ebene der Rechtswidrigkeit berücksichtigen und in den relevanten Fallgestaltungen das Handlungsunrecht verneinen. Die Rechtsprechung19 geht dagegen regelmäßig den Weg über § 242 BGB und versagt dem Geschädigten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mit der Begründung, der Sportler handele widersprüchlich, wenn er sich zunächst freiwillig in Gefahr begebe und später versuche, eingetretene Schäden auf einen anderen abzuwälzen (sog. venire contra factum proprium). Etwas gänzlich anderes gilt dagegen für verdeckte und aty-

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Vgl. dazu Unger, NJW 2009, 3269 ff.; Orth, SpuRt 2010, 2 ff. Einen praktischen Nutzen hat dieser Freistellungsanspruch freilich nur, wenn und solange der Verband bzw. Verein solvent oder entsprechend versichert ist. 14 BGHZ 63, 140 ff.; BGH VersR 1984, 164 (165). Ausnahmen gelten evtl. für solche typischen Gefahren, die vom Sportler zwangsläufig eingegangen werden müssen und gegen die er sich nicht selbst schützen kann. So ist etwa beim Handball für ausreichend „Wischer“ zu sorgen, die die Rutschfestigkeit des Spielfeldes gewährleisten sollen (vgl. z. B. Ziff. 11.6. der Durchführungsbestimmungen für Meisterschafts- und Pokalmeisterschaftsspiele des Handball-Verbands Brandenburg [HVB]). 15 OLG Köln NJW 1962, 1110 f.; Friedrich, NJW 1966, 755 (760 f.). 16 Deutsch, VersR 1974, 1045 (1048 ff.); Fritzweiler, Die Haftung des Sportlers bei Sportunfällen, 1978, S. 140 f. 17 So Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, § 10 XV 4, S. 651. 18 Heermann (Fn. 4), S. 58 f., 160; Fleischer, VersR 1999, 785 (787). 19 Grundlegend BGHZ 63, 140 (144 ff.); ebenso Füllgraf, VersR 1983, 705 (710).

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pische Gefahren.20 Hier hat der Veranstalter bzw. Ausrichter für die Sicherheit aller Beteiligten jedenfalls im Rahmen des Zumutbaren zu sorgen.21 Die Konkretisierung der Verkehrssicherungspflichten bereitet Schwierigkeiten. Neben gesetzlichen Vorgaben22 finden sich Anhaltspunkte insbesondere in den einschlägigen Sportregelwerken23, in Pflichtenheften und Manuals der Verbände24, in technischen Normen25 oder aber auch allgemein in den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG)26. Diese enthalten jedoch regelmäßig nur Mindestanforderungen und schließen es daher nicht aus, dass Veranstalter und Ausrichter selbst bei deren Einhaltung doch zivilrechtlich in Anspruch genommen werden können.27 Zur Vermeidung ggf. hoher Schadensersatzforderungen sind die Betroffenen daher angehalten, ihre Pflicht zur Verkehrssicherung ernst zu nehmen. Zwar kann gerade bei größeren Veranstaltungen unklar sein, wer – Veranstalter, Ausrichter, Trainer, Sportler etc. – für welche Maßnahmen – z. B. Zurverfügungstellung, Aufbau und Kontrolle funktionstauglicher und sicherer Sportgeräte – verantwortlich ist. Durch eine entsprechende Organisation des Sportbetriebs mit detaillierter Aufgabenbeschreibung lässt sich jedoch auch hier zumindest eine gewisse Klarheit schaffen. In diesem Zusammenhang ist die generell für zulässig erachtete Delegierung von Verkehrssicherungspflichten auf Dritte – zu denken ist insbesondere an eine Übertragung der den Veranstalter treffenden Sorgfaltspflichten auf den lokalen Ausrichter – in den Blick zu nehmen. Eine derartige Delegierung wird grundsätzlich für zulässig erachtet.28 Erforderlich ist insofern stets eine eindeutige und unmissverständliche Absprache mit demjenigen, der künftig die alleinige Verantwortung für die Verkehrssicherung tragen soll. Für den Delegierenden bedeutet eine Übertragung von Sorgfaltspflichten indes keine völlige Aufhe20 Anschauliches Beispiel: Bruch eines Sprungbretts beim Kunstturnen (Video abrufbar unter http://www.youtube.com/watch?v=GJKHzXy6Fy8; Stand: 11. 02. 2010). 21 BGH VersR 1984, 164 (165); ausführlich Heermann (Fn. 4), S. 156 ff. 22 Zu denken ist vor allem an baurechtliche Vorschriften sowie an die Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen. 23 Überblick bei PHB SportR-Fritzweiler (Fn. 3), 5. Teil Rn. 13 ff. 24 So gibt etwa die FIFA zu jeder Weltmeisterschaft umfassende Pflichtenhefte heraus, die insbesondere konkrete Anforderungen an die von den Ausrichtern zu treffenden (Sicherungs-) Maßnahmen – z. B. die Stadien betreffend – enthalten. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ (http://www.dfb. de/uploads/media/Richtlinien-Verbesserung-Sicherheit-Bundesspielen-27 - 11 - 09.pdf) erlassen, die für die jeweiligen Vereine genaue Pflichten bzgl. des Zustands der Anlagen und des organisatorischen Ablaufs der Spiele festschreiben. 25 Z. B. die DIN-Normen 18032 ff. „Sporthallen, Sportplätze, Eissportanlagen, Sportstättenbeleuchtung“ (vgl. DIN-Taschenbuch 134: Sporthallen, Sportplätze, Spielplätze, 8. Aufl. 2007). 26 Diese gelten jedoch nur für den internen Bereich und sind daher zur Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichten nur bedingt geeignet, vgl. PHB SportR-Fritzweiler (Fn. 3), 5. Teil Rn. 69 a. E. 27 PHB SportR-Fritzweiler (Fn. 3), 5. Teil Rn. 75. 28 Ausführlich Martin, DS 2007, 130 (131 f.).

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bung der Verantwortung. Vielmehr wandeln sich die Verkehrssicherungspflichten in Auswahl- und Überwachungspflichten um. Der Dritte muss sorgfältig ausgewählt und in zumutbarem Rahmen laufend dahingehend überwacht werden, ob er seiner Pflicht zur Verkehrssicherung auch nachkommt.29 Unter Beachtung der (normativen) Vorgaben ist es im Streitfall letztlich Aufgabe der Rechtsprechung, die sportartspezifischen Verhaltens- und Sorgfaltspflichten der Veranstalter und Ausrichter gegenüber den beteiligten Sportlern näher zu konkretisieren. Maßgebliche Kriterien für Art und Umfang der zu treffenden Vorkehrungen sind insbesondere die Nähe der Gefahr, das Ausmaß des drohenden Schadens, die Erkennbarkeit des Risikos für die Wettkampfteilnehmer sowie deren legitime Sicherungserwartungen und der Sicherungsaufwand. Hiervon ausgehend muss beispielsweise nach Ansicht der Gerichte dafür gesorgt werden, dass (Rad-)Rennstrecken im öffentlichen Verkehrsraum ordnungsgemäß abgesichert werden, um Verletzungen der Fahrer bei Stürzen zu verhindern.30 Auch im Ski-31, Fußball-32, Handball-33 oder Tennissport34 müssen (metallene) Begrenzungspfosten und ähnlich gefährliche Gegenstände grundsätzlich abgepolstert werden, um das Verletzungsrisiko der Sportler zu minimieren.35 Zudem sind die Sportler im Rahmen der Zumutbarkeit und Vorhersehbarkeit vor Eingriffen „von außen“ – insbesondere von Seiten der Zuschauer – zu schützen. Dies hat in aller Regel durch das Aufstellen von Absperrgittern36, u. U. aber auch durch das Bereithalten von Personenschützern37 zu erfolgen. 2. Haftungsumfang und Verteilung der Verantwortlichkeit Steht danach die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten fest, stellt sich die Anschlussfrage, in welchem Umfang Veranstalter und Ausrichter – ggf. als Gesamtschuldner – gegenüber dem verletzten Sportler haften. Dabei ist ein etwaiges Mitverschulden des Verletzten zu beachten. Ein solches liegt insbesondere nahe, wenn der betreffende Sportler die Gefahr hätte erkennen und sein Verhalten hätte entsprechend 29

Etwa OLG Hamm SpuRt 1997, 24 (29). BGH NJW-RR 1986, 1029 f.: Pflicht, an ungewöhnlich gefährlichen Stellen Leitplanken abzupolstern. Ebenso die Vorinstanz OLG Karlsruhe VersR 1986, 662 ff. 31 OLG Frankfurt SpuRt 2009, 35 f. m. krit. Anm. Fritzweiler. 32 OLG Nürnberg VersR 1977, 1134 f.; LG Baden-Baden SpuRt 1996, 174 (175). 33 Vgl. OLG Düsseldorf VersR 1983, 274; LG Heidelberg VersR 1980, 367 f. 34 Dazu OLG Bamberg VersR 2004, 484 f.; OLG Hamm SpuRt 1998, 125 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 856 (857); OLG München NJW-RR 1987, 18 f. 35 Weitere Beispiele – auch zu anderen Sportarten – finden sich etwa bei Fellmer, MDR 1995, 541 (544 ff.), und Heermann, Die Haftung des Sportveranstalters für die Verletzung von Verkehrs(sicherungs)pflichten, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, 2008, S. 189 (193 ff.). 36 Beim Radsport etwa OLG Stuttgart VersR 1984, 1098. 37 Wegweisend ist das Urteil des LG Hamburg NJW 1997, 2606 ff. im Fall der Tennisspielerin Monica Seles; dazu Mohr, SpuRt 1997, 191 ff. 30

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ausrichten können.38 Weiterhin können die Beteiligten für den Bereich der vertraglichen Ansprüche grundsätzlich bis zur Grenze der §§ 276 Abs. 3, 242, 138 Abs. 1 BGB Haftungsausschlüsse auch für schuldhaftes Verhalten vereinbaren. Gegenstand vertiefter Diskussionen39 sind in diesem Zusammenhang vor allem sog. Athletenvereinbarungen, also vorformulierte Haftungsausschlüsse z. B. in Anmeldeformularen zu Wettkämpfen. Hier stellt sich die Frage, ob derartige Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhalten, ob also insbesondere die Klauselverbote aus § 309 Nr. 7 a) und b) BGB beachtet werden und eine umfassende Interessenabwägung keine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB ergibt. Werden derartige Haftungsausschlüsse bereits in Vereins- oder Verbandssatzungen inkorporiert, findet eine Inhaltskontrolle gemäß § 310 Abs. 4 BGB nicht nach den §§ 307 ff. BGB statt;40 die Wirksamkeit der Vereinbarung richtet sich in diesem Fall vielmehr allein nach § 242 BGB.41 Haben nach alledem der Veranstalter und/oder Ausrichter für die einem Sportler entstandenen Schäden einzustehen, können sich in Einzelfällen Regressmöglichkeiten ergeben, wenn der Schaden unmittelbar durch einen Dritten – etwa einen Zuschauer – verursacht worden ist.42 Bei einer Gesamtschuldnerstellung von Veranstalter und Ausrichter43 richtet sich die Innenhaftung nach § 426 BGB. Ausnahmen vom danach grundsätzlich geltenden Kopfteilregress können sich in erster Linie bei entsprechenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen44, aber auch aus den Umständen des jeweiligen Falls ergeben.45 Maßgeblich sind dabei insbesondere die jeweiligen Verursachungsbeiträge, die Pflichtenverteilung in Fällen der Delegierung sowie die jeweils zugeflossenen Vorteile.

38 OLG Köln SpuRt 1994, 30 ff.; OLG München NJW-RR 1987, 18 f.; OLG Karlsruhe VersR 1980, 777 f.; LG Wiesbaden VersR 1982, 659. 39 Eingehend Heermann (Fn. 4), S. 162 ff. 40 BGHZ 128, 93 ff. – Reiterliche Vereinigung; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 231, 264, 327 m. w. N.; Heermann (Fn. 4), S. 164. A. A. PHB SportR-Summerer, 2. Aufl. 2007, 2. Teil Rn. 312 ff. 41 Vgl. BGHZ 128, 93 (103) – Reiterliche Vereinigung; OLG Koblenz VersR 1984, 1053 f.; OLG Hamm VersR 1995, 309 ff. Danach ist ein Haftungsausschluss für lediglich fahrlässiges Verhalten regelmäßig als zulässig zu erachten. 42 Verletzt etwa ein Zuschauer einen Sportler durch ein Wurfgeschoss und wird der ausrichtende Verein daraufhin wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Anspruch genommen, so kann sich der Verein grundsätzlich bei dem Zuschauer schadlos halten. Zur ähnlich gelagerten Problematik einer Schiedsrichterverletzung durch einen „Becherwerfer“ vgl. ein Urteil des LG Stuttgart, FAZ v. 16. 09. 2009, S. 27. 43 So im Fall des LG Gießen SpuRt 2010, 81 ff. 44 Zu denken ist z. B. an eine Vereinbarung dergestalt, dass der Veranstalter den Ausrichter für nur leicht fahrlässig verursachte Schäden im Innenverhältnis freistellt. 45 Vgl. MüKo-Bydlinski, BGB, 5. Aufl. 2006, § 426 Rn. 14.

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3. Beweislast und Beweisführung Kommt es nach einem Sportunfall zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, ist es für den Ausgang des Verfahrens von entscheidender Bedeutung, welche Partei für welche Tatbestandsmerkmale die Beweislast trägt. Auch in Sporthaftungsfällen ist von dem Grundsatz auszugehen, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen darlegen und ggf. beweisen muss.46 Dies bedeutet, dass es Sache des verletzten Sportlers ist, die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Veranstalter bzw. Ausrichter nachzuweisen. Für den Bereich der deliktischen Haftung ist zudem regelmäßig auch der Verschuldensnachweis zu erbringen. Dies wird den verletzten Sportler als Kläger in der Praxis häufig vor große Schwierigkeiten stellen. Beispielhaft kann hierfür der Schadensersatzprozess des Turners Fabian Lotz herangezogen werden. Diesem oblag der Nachweis, dass das fragliche Turngerät von den Verantwortlichen fehlerhaft aufgebaut bzw. kontrolliert worden war. Ein entsprechender Beweis hätte sich mit den „herkömmlichen“ Beweismitteln (Zeugen, Inaugenscheinnahme des Sportgeräts) nachträglich kaum führen lassen. Entscheidend für den Erfolg des Klägers waren drei (Amateur-)Videoaufnahmen des Unfallgeschehens und die darauf aufbauenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen. Allein aufgrund der hierdurch ermöglichten Beweisführung konnte sich das Gericht die Überzeugung (§ 286 ZPO) bilden, dass der Unfall tatsächlich auf einem mangelhaften Aufbau des Ringegerüsts und nicht etwa auf sonstigen Umständen (z. B. einem Turnfehler des Klägers) beruhte. Das Urteil des LG Gießen zeichnet sich insoweit durch eine umfassende und präzise, geradezu vorbildliche Würdigung des Sachverständigenbeweises aus.47 Insbesondere hat die zeitsynchrone Zuordnung von Bild- und Tonfrequenz48 einen Beweiswert, der nicht nur das Gericht zu Recht überzeugen konnte. Auch jeder mit den Bedingungen des Kunstturnens Vertraute49 kann keinen ernstlichen Zweifel daran haben, dass der gerichtliche Sachverständige den tragischen Unglücksfall zutreffend analysiert hat. Deutlich wird, welchen Stellenwert die verfügbaren Beweismittel in der gerichtlichen Praxis einnehmen. Sie sind es, die nur allzu häufig – unabhängig von allen rechtlichen Überlegungen – über Erfolg oder Misserfolg einer Schadensersatzklage nach einem Sportunfall entscheiden. Insbesondere von der Möglichkeit einer audio-visuellen Dokumentation der Sportausübung sollte aus Sicht der teilnehmenden Sportler – dies zeigt der Fall des LG Gießen deutlich – verstärkt Gebrauch gemacht werden. Aber auch die Veranstalter und Ausrichter können ihre Beweissituation durch eine lückenlose Dokumentation deutlich verbessern. Ihnen kann daher nur angeraten werden, sämtliche getroffenen Vorkehrungen – vom ordnungsgemäßen Aufbau der Sportgeräte über die ggf. erforderliche Instruktion der 46 Allgemein zu dieser Grundregel BGH NJW 1999, 2887 (2887); MüKo-Prütting, ZPO, 3. Aufl. 2008, § 286 Rn. 110 f. 47 LG Gießen SpuRt 2010, 81 (82 f.). 48 Der Anhang zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ist abgedruckt in SpuRt 2010, 83. 49 Der Mitverfasser K. Vieweg ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz für das Kunstturnen männlich.

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Sportler bis hin zur nachsorgenden Kontrolle und Überwachung – möglichst detailliert schriftlich festzuhalten, um in einem Prozess einen u. U. notwendig werdenden Gegenbeweis führen zu können. 4. Versicherbarkeit der Risiken Organisation und Durchführung von Sportwettkämpfen bringen in unterschiedlichem Maße Haftungsrisiken sowohl für den Veranstalter als auch für den lokalen Ausrichter mit sich. Diese Risiken werden sich – nicht zuletzt aufgrund der in elementaren Fragen nach wie vor bestehenden Rechtsunsicherheit in Bezug auf Art und Umfang der konkret zu treffenden Vorkehrungen – praktisch kaum vollends ausschließen lassen. Hinreichenden Schutz jedenfalls vor den finanziellen Folgen von Sportunfällen bietet insoweit der Abschluss spezieller Sporthaftpflichtversicherungen. Mit ihnen lassen sich – jedenfalls in gewissem Umfang und bis zu einem bestimmten Höchstbetrag – die aufgezeigten Haftungsrisiken der Veranstalter und Ausrichter abdecken. Die skizzierte Sorge, dass Vereine angesichts des sie als örtliche Ausrichter treffenden Haftungsrisikos davon abgehalten werden könnten, die Verbände bei deren satzungsgemäßer Pflicht zur Veranstaltung nationaler Wettbewerbe zu unterstützen, lässt sich durch den Abschluss einer entsprechenden Versicherung zumindest beträchtlich minimieren.

V. Zusammenfassung Sportverbände sind in aller Regel satzungsgemäß verpflichtet, Meisterschaften und weitere Wettkämpfe zu veranstalten. Mangels eigener Sportstätten und -geräte sind sie meist darauf angewiesen, dass lokale Ausrichter die Organisation und Durchführung der Wettbewerbe vor Ort übernehmen. Die mit der Veranstaltung und Ausrichtung eines Sportevents verbundenen spezifischen haftungsrechtlichen Fragen sind für die Praxis noch nicht alle zufriedenstellend beantwortet. Entsprechend ihrer gängigen Spruchpraxis zu den Verkehrssicherungspflichten stellen die Gerichte strenge Anforderungen an die von Veranstalter und Ausrichter zu treffenden Vorkehrungen zum Schutz der Sportler und sonstigen Beteiligten. In erster Linie sind es die verdeckten oder atypischen Gefahren der Sportausübung, vor denen wirksam geschützt werden muss. Dagegen sind typische, sich aus der sportlichen Betätigung erkennbar ergebende Gefahren nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit regelmäßig in Kauf zu nehmen. Einen wichtigen Anhaltspunkt für die einzuhaltenden Verkehrssicherungspflichten liefern neben den gesetzlichen Vorschriften die Vorgaben der Verbände sowie die einschlägigen technischen Normen (z. B. DIN-Normen). Letztere enthalten jedoch regelmäßig nur Mindestanforderungen. Maßgeblich für Art und Umfang der konkret zu treffenden Vorkehrungen sind insbesondere die Nähe der Gefahr, das Ausmaß des drohenden Schadens, die Erkennbarkeit des Risikos für die Teilnehmer sowie deren legitime Sicherungserwartungen und der Siche-

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rungsaufwand. Satzungsgemäße oder vertragliche Haftungsausschlüsse unterliegen der richterlichen Inhaltskontrolle. Im Hinblick auf etwaige gerichtliche Auseinandersetzungen sollten alle Beteiligten auf eine klare und transparente Pflichtenverteilung sowie auf eine sorgfältige Dokumentation der Erfüllung dieser Pflichten achten. Zusammen mit dem Abschluss einer Sporthaftpflichtversicherung sollte damit die Sorge der Veranstalter, keine örtlichen Ausrichter für die satzungsgemäß durchzuführenden Wettkämpfe mehr zu finden, erheblich abgemildert werden können.

Vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. BGH, Urteil vom 02. 12. 1974 (Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität) . . . . . . . . . 2. OLG Frankfurt, Urteil vom 10. 05. 1985 (Freizeit-Sport-Club Dynamo Windrad Kassel e. V.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. AG Nürnberg, Urteil vom 03. 09. 2009 (Waffensachkundeprüfung eines Sportschützen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallkonstellationen und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Vereinsbeitritt durch Abschluss eines Aufnahmevertrags . . . . . . 2. Aufnahmefreiheit und Aufnahmezwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erste Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vormitgliedschaftliche Förderpflichten, insbesondere Informationspflichten . . . . 5. Rechtsfolgen der Verletzung vormitgliedschaftlicher Förderpflichten . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Das Vereinsrecht hat in den letzten Jahrzehnten insbesondere aufgrund der Entwicklungen im Sport erheblich an Bedeutung gewonnen. Das angesichts der Kommerzialisierung, Professionalisierung und Medialisierung massiv gestiegene Konfliktpotential hat zu einer Fülle von Rechtsstreitigkeiten mit vereinsrechtlichen Bezügen geführt. Dabei reicht das Spektrum von Nominierungsproblemen und Sanktionen über Sponsoringkonflikte bis hin zu Veröffentlichungen von Verbandsentscheidungen im Internet. Die Gesetzeslage ist relativ statisch. Der Gesetzgeber hat nur wenige Änderungen vorgenommen. So können nunmehr die erforderlichen Registeranmeldungen online erfolgen (§ 55a BGB). Der Bedeutung des Ehrenamts ist durch eine Haftungsbegrenzung

* Erstveröffentlichung in M. Martinek/P. Rawert/B. Weitemeyer (Hrsg.), Festschrift für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 2010, 2010, S. 395 – 411. Der Verfasser erinnert sich gern an den Beginn seines Jurastudiums in Bielefeld und an die vom wiss. Assistenten Dr. Dieter Reuter geleitete Arbeitsgemeinschaft zum Bürgerlichen Recht. Christoph Röhl und Paul Staschik haben mich bei der Erstellung dieses Beitrags tatkräftig unterstützt. Ihnen gebührt mein herzlicher Dank.

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in § 31a BGB Rechnung getragen worden.1 Im Übrigen hat sich das BGB-Vereinsrecht im Großen und Ganzen bewährt. Seine Offenheit für Satzungsgestaltungen und die Wahrnehmung der Wächterfunktion durch die Rechtsprechung haben maßgeblich zum Erfolgsmodell BGB-Vereinsrecht beigetragen. Die Fortentwicklung des Vereinsrechts erfolgte im Wesentlichen durch die Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch Vereinsgerichte, Schiedsgerichte und staatliche Gerichte gegenüber der Normsetzung und -anwendung der Vereine und Verbände. Einen erheblichen Beitrag zur Fortentwicklung des Vereinsrechts hat auch die Literatur geliefert. Dieter Reuter – der Doyen der Vereinsrechtler – hat mit zahlreichen Beiträgen und insbesondere mit seiner Kommentierung im Münchener Kommentar, die inzwischen in 5. Auflage vorliegt, insofern Maßstäbe gesetzt. Im Folgenden sollen – angeregt durch Gerichtsentscheidungen (dazu II.) – die Fallkonstellationen und Probleme systematisiert werden, die sich unter dem Topos vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine zusammenfassen lassen (dazu III.). Überlegungen zu Lösungsansätzen (dazu IV.) und eine Zusammenfassung (dazu V.) schließen den Beitrag ab.

II. Gerichtsentscheidungen Exemplarisch sollen drei Urteile vorgestellt werden, die den Verfasser angeregt haben, über vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine nachzudenken. 1. BGH, Urteil vom 02. 12. 1974 (Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität) Der Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität bildete bis zu seiner Auflösung in der Zeit des Dritten Reiches mit ca. 350.000 Mitgliedern den größten Radsportverband der Welt.2 Eine Neugründung erfolgte im April 1949, die aber in Widerspruch zur Einheitssportbewegung geriet. Unter Hinweis auf sein satzungsmäßiges Ein-PlatzPrinzip lehnte der Deutsche Sportbund (DSB) die in den Jahren 1954 – 1960 gestellten Aufnahmeanträge des RKB Solidarität jeweils ab. Den Radsportplatz hatte seit der Gründung des DSB im Jahre 1950 der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) inne. Als sein erneut im April 1968 gestellter Aufnahmeantrag vom DSB abgelehnt wurde, ging der RKB Solidarität den Weg durch die Gerichtsinstanzen.

1

Zur Vereinsrechtsreform 2009 vgl. Reuter, NZG 2009, 1368; Unger, NJW 2009, 3269. Zum Referentenentwurf aus dem Jahr 2004 vgl. Reuter, NZG 2005, 738; Damas, ZRP 2005, 3; Arnold, DB 2004, 2143; Segna, NZG 2002, 1048; Beuthien, NZG 2005, 493. 2 Vgl. zum rechtlichen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip, in: Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, 1985, S. 244 ff.

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In seiner Leitentscheidung vom 02. 12. 1974 stellte der II. Zivilsenat des BGH3 hinsichtlich des Aufnahmezwangs aufgrund nichtiger oder nur eingeschränkt anwendbarer satzungsmäßiger Aufnahmebeschränkungen auf § 826 BGB und auf Tatbestandselemente des die Aufnahme in Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen regelnden § 20 Abs. 6 GWB (§ 27 GBW a. F.) ab. Gestützt auf diese Vorschriften entwickelte er die Formel, dass die vom Text der Satzung gedeckte Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen dürfe. Dies sei anhand einer Interessenabwägung zu bestimmen. In deren Rahmen komme es einerseits auf die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen – ihm vorenthaltenen – Rechte und Vorteile an, andererseits aber auch auf eine Bewertung und Berücksichtigung des Interesses des Monopolverbandes an der Geltung der Aufnahmebeschränkungen. Im Einzelfall müsse geprüft werden, ob der Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die vom Monopolverband aufgestellten Aufnahmevoraussetzungen zu erfüllen. Aber auch dem Monopolverband müsse ggf. angesonnen werden, den mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck durch eine andere, mildere Ausgestaltung der Satzung zu erreichen und dem Bewerber auf diese Weise den Zugang zu den Verbandsvorteilen zu eröffnen. Der weitere Verfahrensablauf wirft ein Schlaglicht auf die – damaligen – Schwierigkeiten der praktischen Behandlung der Aufnahmepflicht. Kehrseite der flexiblen Interessenabwägung war und ist zwangsläufig eine gewisse Rechtsunsicherheit durch mögliche Bewertungsdivergenzen. Bis zur Aufnahme des RKB Solidarität als „Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung“4 in den DSB verstrichen seinerzeit nochmals über zwei Jahre. 2. OLG Frankfurt, Urteil vom 10. 05. 1985 (Freizeit-Sport-Club Dynamo Windrad Kassel e. V.) Der Fall des Freizeit-Sport-Clubs Dynamo Windrad Kassel e. V. führte gar bis zum Bundesverfassungsgericht. 1982 lehnte der Landessportbund Hessen die Aufnahme ab. Der Begriff „Dynamo“ ähnele zu sehr den Gepflogenheiten der Sportvereine in der DDR bzw. in den Ostblockstaaten.5 Die gegen die Ablehnung der Aufnahme gerichtete Klage wies das OLG Frankfurt6 mit der Begründung ab, eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB liege nicht vor. Das Bundesverfassungs3 BGHZ 63, 282 = BGH NJW 1975, 771; vgl. auch BGH NJW 1999, 1326 (1326); MünchKomm-Reuter, BGB, 5. Aufl. 2006, Vor § 21 Rn. 108 ff. 4 § 5 Nr. 1 lit. c) der Satzung des DSB i. d. F. v. 28. 11. 1998, zuletzt geändert am 04. 12. 2004. 5 Der Spiegel, Ausg. 13/87 v. 23. 03. 1987, S. 94 f. schildert die Eigeneinschätzung als „ein bißchen links“, „ein bißchen alternativ“. 6 OLG Frankfurt, Urt. v. 10. 05. 1985 – 2 U 23/85 (nicht veröffentlicht).

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gericht7 nahm die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht nicht an. Es stellte zu Recht heraus, dass sowohl der LSB Hessen als auch der FSC Dynamo Windrad sich auf das Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG berufen könnten, so dass eine Abwägung zwischen beiden Grundrechtspositionen erforderlich werde. Konkret könne der Vereinsname des Bewerbers keinen absoluten Vorrang gegenüber dem Interesse des monopolartigen Verbandes beanspruchen, sein in der Satzung normiertes parteipolitisches Neutralitätsgebot durchzuhalten. Zudem wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass das OLG Frankfurt die Frage des Aufnahmezwangs in Anwendung der hierzu in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretenen Grundsätze entschieden habe. 3. AG Nürnberg, Urteil vom 03. 09. 2009 (Waffensachkundeprüfung eines Sportschützen) Dem kürzlich vom AG Nürnberg8 entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war zunächst Mitglied in einem anderen Schützenverein. Dieser kündigte die Mitgliedschaft im November 2008. Daraufhin trat der Kläger beim beklagten Verein ein. Bei der Beantragung der Mitgliedschaft äußerte er gegenüber dem Vorstand des Beklagten, dass er nicht wisse, warum ihm vom anderen Schützenverein gekündigt worden sei. Während seiner Mitgliedschaft im anderen Verein bestand der Kläger die Sachkundeprüfung für den Umgang mit Waffen gem. § 7 WaffG zweimal nicht. Unbestritten blieb, dass der Vorstand des Beklagten bei Kenntnis des Nichtbestehens der Sachkundeprüfung für den Umgang mit Waffen den Kläger nicht als Mitglied aufgenommen hätte. Nach Erlangung dieser Kenntnis wurde ein Vereinsausschlussverfahren eingeleitet und in der Vorstandssitzung vom 24. 06. 2009 hierüber Beschluss gefasst. Dem Kläger wurde daraufhin der Ausschluss mitgeteilt. Zugleich wurde ihm die Anfechtung der Aufnahme wegen arglistiger Täuschung erklärt. Mit seinem Antrag verfolgte der Beklagte drei Ziele: Zum einen sollte der beklagte Verein verurteilt werden, dem Kläger auf dem Formular des Bayerischen Sportschützenbundes „Bestätigung des anerkannten Dachverbandes/angegliederten Teilverbandes über das Bedürfnis zum Erwerb einer Waffe“ mit Vereinsstempel und Unterschrift des Ersten Vorsitzenden Folgendes zu bestätigen: (1) die Mitgliedschaft des Klägers im beklagten Verein, (2) die regelmäßige Ausübung des Schießsports im Verein seit mindestens vier Monaten und (3) die Verfügbarkeit der notwendigen Standanlagen für die Disziplinen DK-Pistole 9 mm und DK-Revolver 357 mag. Zum anderen beantragte der Kläger die Verurteilung des beklagten Vereins, ihm auf dem Formular „Nachweis der Sportschützeneigenschaften“ seine Übungseinheiten im Zeitraum Dezember 2008 bis März 2009 mit Vereinsstempel und Unterschrift des Ersten Vorsitzenden zu bestätigen. Zum Dritten schließlich beantragte er die 7

BVerfG (Erste Kammer des Ersten Senats), NJW-RR 1989, 636. AG Nürnberg, Urt. v. 03. 09. 2009 – 23 C 3479/09 (noch nicht veröffentlicht). Gegen das Urteil ist Berufung beim LG Nürnberg-Fürth (5 S 8522/09) eingelegt. 8

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Feststellung, dass er noch Mitglied des beklagten Vereins mit allen satzungsmäßigen Rechten und Pflichten ist. Das Amtsgericht Nürnberg hat sowohl die Leistungsklage als auch die Zwischenfeststellungsklage als unbegründet abgewiesen. Die Zwischenfeststellungsklage sei unbegründet, da der Kläger nicht Mitglied beim Beklagten mit allen satzungsmäßigen Rechten und Pflichten sei. Der Vorstand des Beklagten habe die Aufnahme des Klägers nach § 123 Abs. 1 BGB wirksam angefochten, so dass das Mitgliedschaftsverhältnis nach § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend auf den Aufnahmezeitpunkt erloschen sei. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten habe eine vormitgliedschaftliche wechselseitige Förderpflicht bestanden. Aus dieser wechselseitigen Förderpflicht zwischen dem potentiellen Mitglied und dem Verein ergebe sich für den Kläger die Informationsobliegenheit, alle für die Aufnahme in den Verein entscheidungserheblichen Gesichtspunkte mitzuteilen. Den Beklagten habe keine Aufnahmepflicht getroffen, da dieser keine Monopolstellung innehabe. Daher sei es der freien Entscheidung des Vorstands des Beklagten überlassen geblieben, ob er den Kläger aufnehme oder nicht. Der Kläger hätte ungefragt gegenüber dem Vorstand des Beklagten den ihm bekannten Umstand offenlegen müssen, dass er bereits zweimal die Sachkundeprüfung für den Umgang mit Waffen nicht bestanden habe. Bei dem zweimaligen Nichtbestehen der Sachkundeprüfung für den Umgang mit Waffen handele es sich um ein spezifisches sicherheitsrelevantes Risiko. Angesichts der Verschärfung des Waffenrechts sowie des Renommees der Vereine in der Öffentlichkeit – nicht zuletzt aufgrund der Vorfälle in jüngster Zeit – sei das erstmalige Bestehen der Sachkundeprüfung für den Umgang mit Waffen ein für die Schützenvereine entscheidungserhebliches Kriterium. Hätte der Vorstand des Beklagten gewusst, dass der Kläger zweimal die Sachkundeprüfung nicht bestanden hatte, so hätte er den Kläger nicht als Mitglied aufgenommen. Maßgeblicher Zeitpunkt sei der vom Kläger gestellte Aufnahmeantrag. Es komme daher nicht darauf an, dass der Kläger später die Sachkundeprüfung doch noch bestanden habe. Auch die Leistungsklage sei unbegründet. Dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf die beantragten Bestätigungen aus der zwischen Vereinsmitglied und Verein bestehenden wechselseitigen Förderpflicht zu. Die Mitgliedschaft des Klägers beim Beklagten sei gem. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend erloschen. Ein Bedürfnis bestehe als Sportschütze gem. § 8 Ziff. 1 WaffG nur dann, wenn der Antragsteller Mitglied eines schießsportlichen Vereins sei. Auch § 14 Abs. 2 WaffG spreche von den „Mitgliedern eines Schießsportvereins“. Der Kläger sei aber niemals Mitglied bei dem Beklagten gewesen. Folglich stehe ihm kein dahin gehender Anspruch zu, dass der Beklagte die Mitgliedschaft des Klägers bestätige. Er habe auch keinen Anspruch auf die anderen beantragten Bestätigungen. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus der wechselseitigen Förderpflicht.

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III. Fallkonstellationen und Probleme 1. Fallkonstellationen Betrachtet man die genannten Urteile unter dem Blickwinkel vormitgliedschaftlicher Rechtsverhältnisse, so lassen sich im Grunde vier Fallkonstellationen voneinander unterscheiden. Die erste Konstellation betrifft Fälle unrechtmäßiger Aufnahmeverweigerungen. In zeitlicher Hinsicht lassen sich insofern noch kurzfristige von verzögerten Ablehnungsentscheidungen unterscheiden. So lehnte der Deutsche Sportbund die in den Jahren 1954 – 1960 gestellten Aufnahmeanträge des RKB Solidarität jeweils ab. Der der Leitentscheidung des BGH vom 02. 12. 1974 zugrundeliegende Antrag des RKB Solidarität datierte vom April 1968. Das OLG Frankfurt, an das der BGH zurückverwiesen hatte, verpflichtete mit Urteil vom 27. 11. 1975 den DSB zur Aufnahme des RKB Solidarität. Bis zur Aufnahme als „Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung“ in den DSB verstrichen dann nochmals über zwei Jahre.9 Die zweite Konstellation betrifft Fälle unrechtmäßiger Aufnahme. Auch hier lassen sich anhand des Zeitmoments weitere Differenzierungen vornehmen, insbesondere dann, wenn die Aufnahmeentscheidung sich später als ex tunc nichtig erweist. Eine dritte Konstellation betrifft im Ergebnis erfolglose Aufnahmeverhandlungen von ebenfalls unterschiedlicher Dauer. Insofern ist z. B. an Fälle zu denken, in denen Mitgliedschaftsinteressenten probeweise am Trainingsbetrieb eines Sportvereins teilnehmen oder zum Zwecke gegenseitigen Sichkennenlernens Veranstaltungen wissenschaftlicher und/oder geselliger Art des Vereins besuchen. Eine vierte Konstellation – in der Praxis dürfte dies die weitaus häufigste Fallgestaltung sein – betrifft die Fälle, in denen dem Aufnahmeantrag des Interessenten durch den Verein entsprochen wird, es aber in dieser Zwischenphase zwischen Antragstellung und Aufnahme bereits zu einer Teilnahme am Trainingsbetrieb oder an Veranstaltungen des Vereins kommt.

2. Probleme Eine Auflistung und Systematisierung der Probleme, die sich in den vorgenannten Fallkonstellationen ergeben können, knüpft zweckmäßigerweise an die Vorteile an, die die Mitgliedschaft in einem Verein mit sich bringen kann. Neben den üblichen Mitgliedschaftsrechten wie dem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung und dem Recht, an Vereinsveranstaltungen teilnehmen zu dürfen, können sich auch mittelbare Vorteile ergeben. So werden z. B. Fördermittel nur solchen Sportvereinen und -verbänden zugewiesen, die einen Mitgliedstatus im Rahmen der Verbandspyramide des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) haben. Ebenso können nur solche 9 R. Horsch, in: Festschrift und Dokumentation 90 Jahre Rad- und Kraftfahrbund Solidarität 1896 e. V., 1986, S. 73.

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Schießsportvereine die Waffensachkundeprüfung für ihre Mitglieder nach § 7 WaffG abnehmen, die einem nach § 15 Abs. 3 WaffG anerkannten Schießsportverband angehören.10 Weiterhin kann es sein, dass nur Mitglieder eines Vereins Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen (z. B. geringere Prämien bei der Gruppenversicherung etc.) haben. Hiervon ausgehend ergeben sich zunächst – je nach Fallkonstellation – unterschiedliche Anspruchsziele. Es kann um Schadensersatzforderungen aufgrund entgangener Vorteile gehen. Unrechtmäßig genutzte Vorteile können Gegenstand von Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen sein. Sind Mitgliedsbeiträge oder von den Mitgliedern zu erfüllende Dienste bei ex tunc beendeter Mitgliedschaft geleistet worden, ist ebenfalls die Rückforderung insbesondere aufgrund von Bereicherungsansprüchen zu diskutieren. Ziel kann es sein, Mehrheitsentscheidungen der Mitgliederversammlung bei fehlendem bzw. nicht zugebilligtem Stimmrecht zu korrigieren. Hinsichtlich etwaiger Förderpflichten – auch Treue- und Solidaritätspflichten genannt – können Anspruchsziele deren Erfüllung bzw. die Unterlassung von Förderpflichtverletzungen sein. Zu fragen ist, nach welcher rechtlichen Grundlage diese Anspruchsziele, die sich im Rahmen einer vormitgliedschaftlichen Beziehung ergeben können, zu beurteilen sind. In Betracht kommen neben den §§ 21 ff. BGB auch § 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) und § 823 Abs. 1 BGB sowie bei sozial und/oder wirtschaftlich mächtigen Vereinen und Verbänden § 20 Abs. 6 GWB. Daneben könnte als allgemeiner Grundsatz § 242 BGB Anwendung finden. Weiterhin geht es um die Frage, ob der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bereits für vormitgliedschaftliche Beziehungen gilt und ob die wechselseitigen Förder- bzw. Treuepflichten von Verein und Mitgliedern ebenfalls schon in einem vormitgliedschaftlichen Verhältnis Geltung beanspruchen können. Zu überlegen ist schließlich, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hinsichtlich der fehlerhaften Gesellschaft auf Vereine Anwendung finden und die hier in Frage stehenden Probleme erfassen. Aus Raumgründen werden Drittwirkungen innerhalb und außerhalb der Verbandspyramide nicht erörtert.

10 Die – strengen – Voraussetzungen der Anerkennung sind in § 15 Abs. 1 WaffG geregelt. Beispielsweise muss der Verband mindestens über 10.000 Mitglieder verfügen, den Schießsport als Breitensport und Leistungssport betreiben sowie regelmäßig überregionale Wettbewerbe organisieren oder daran teilnehmen.

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IV. Lösungsansätze 1. Ausgangspunkt: Vereinsbeitritt durch Abschluss eines Aufnahmevertrags Ausgangspunkt für die Lösung der erwähnten Probleme ist der Vereinsbeitritt. Gemäß § 58 Nr. 1 BGB gehören zum Sollinhalt der Vereinssatzung Bestimmungen über den Eintritt und Austritt der Mitglieder. Wird die Sollvorschrift des § 58 BGB nicht beachtet, weist das Registergericht die Anmeldung gem. § 60 BGB zurück. Insbesondere muss die Satzung bestimmen, ob sich der Eintritt durch ein Beitrittsangebot und dessen Annahme vollzieht oder ob ein besonderes Aufnahmeverfahren ablaufen soll.11 Die Mitgliedschaft in einem bestehenden Verein wird also durch Abschluss eines Aufnahmevertrags zwischen dem Beitrittswilligen und dem Verein begründet.12 Eine einseitige Begründung der Mitgliedschaft z. B. durch eine Satzungsbestimmung, dass die Mitgliedschaft auf den Funktionsnachfolger eines Mitglieds übergeht, ist damit ausgeschlossen.13 Ebenso ist ausgeschlossen, dass der Bewerber selbst die Mitgliedschaft einseitig durch Erklärung gegenüber dem Verein begründen kann.14 Der Abschluss des Aufnahmevertrags kommt nach §§ 145 ff. BGB durch Angebot und Annahme zustande. Zumeist gibt der Eintrittswillige mit seinem Aufnahmeantrag oder -gesuch das Angebot ab. Möglich ist aber auch, dass – z. B. im Rahmen einer Mitgliederwerbeaktion – das Angebot vom Verein ausgeht.15 In Ausnahmefällen kann schon die Satzung einen bindenden Antrag i. S. v. § 145 BGB auf Abschluss eines Aufnahmevertrags (ad incertas personas) enthalten, dessen Annahme der Bewerber nur noch gegenüber dem Verein zu erklären braucht.16 In der Regel wird die Annahme ausdrücklich durch eine Aufnahmeerklärung seitens des Vereins erklärt. Zuständig ist der Vorstand des Vereins (§ 26 Abs. 2 S. 1 BGB). Verbreitet sehen Vereinssatzungen spezielle Aufnahmeverfahren vor. Diese können darin bestehen, dass bestimmte Vereinsorgane – z. B. die Mitgliederversammlung17 oder ein Ausschuss – ihre Zustimmung erteilen müssen, dass der Aufnahmeantrag von einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern unterstützt werden muss (Vorschlagsrecht) oder dass Einzelnen oder einer bestimmten Anzahl oder Gruppe von Mitgliedern ein Vetorecht gegen die Aufnahme zusteht. Auch kann die Ableistung einer „Probezeit“ in der Satzung vorgesehen sein.18 Weiterhin kann der Verein in 11

PWW-Schöpflin (Fn. 11), § 58 Rn. 1; LG Münster MDR 1974, 309. BGHZ 101, 193 (196) = NJW 1987, 2503 = IWiR § 25 BGB 1/87 Reuter. 13 BGH WM 1980, 1286; dazu Reuter, ZHR 145 (1981), 273 (279 ff.). 14 A.A. Schopp, RPfl. 1959, 335 (337). 15 Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 12. Aufl. 2010, Rn. 1008. 16 Jauernig-Jauernig, BGB, 13. Aufl. 2009, § 38 Rn. 2; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl. 1995, Rn. 624. 17 Vgl. etwa Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 38 Rn. 7a. 18 Reichert (Fn. 15), Rn. 1024. 12

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der Satzung die materiellen Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Rahmen seiner Satzungsautonomie festlegen. Grenzen ergeben sich insofern aus den allgemeinen im Privatrecht geltenden Vorschriften, namentlich aus §§ 134, 138, 242 und 826 BGB sowie aus den Vorschriften des AGG19. So kann die Satzung festlegen, dass nur natürliche Personen Mitglied werden können und dass diese bestimmte Merkmale (Alter, Geschlecht, Konfession, Staatsangehörigkeit, Beruf, Wohnsitz, Herkunft etc.) aufweisen müssen.20 Schließlich kann die Satzung formelle Aufnahmevoraussetzungen festlegen. Hierzu gehört die Zahlung eines Aufnahmebeitrags („Eintrittsgeld“) oder – bei Verbänden – dass die beitrittswilligen Vereine steuerlich als gemeinnützig anerkannt sind und den Nachweis ihrer Eintragung im Vereinsregister erbringen können. Die Rechtsnatur der Satzung wird nach wie vor nicht einheitlich beurteilt. Die Vertragstheorie sieht in der Satzung einerseits einen Organisationsvertrag, der die Organe des Vereins näher regelt und andererseits einen schuldrechtlichen Vertrag, soweit z. B. die Mitglieder zu Beiträgen verpflichtet werden.21 Die Normentheorie sieht hingegen die Gründung des Vereins als einen schöpferischen sozialen Gesamtakt an, der objektives Recht setzt, das für die Mitglieder vom Erwerb ihrer Mitgliedschaft an gilt.22 Nach der modifizierten Normentheorie verobjektiviert sich die Satzung nach ihrer Feststellung. Sie wird dadurch zur objektiven Vereinsnorm.23 Ungeachtet dieses traditionellen Streits besteht Einigkeit, dass der Beitritt durch einen Aufnahmevertrag erfolgt. 2. Aufnahmefreiheit und Aufnahmezwang Die Entscheidung von Verein und Mitglied über Ein- und Austritt bzw. Aufnahme ist grundsätzlich frei. Dies gehört zu den Grundprinzipien des Vereinsrechts und ist Voraussetzung eines funktionierenden Wettbewerbs im Bereich des Vereinswesens.24 Demgemäß besteht kein Aufnahmezwang der Vereine. Grundsätzlich genießen Vereine aufgrund der grundrechtlich geschützten Verbandsautonomie gem. Art. 9 Abs. 1 GG Aufnahmefreiheit. Ein Verein ist selbst dann nicht zur Aufnahme verpflichtet, wenn der Bewerber die satzungsmäßigen Aufnahmevoraussetzungen erfüllt.25 Ein Aufnahmezwang kommt nur dann in Betracht, wenn es keinen funktionierenden

19 Gutzeit, Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Facetten des Sportrechts, 2009, S. 55 ff. 20 Friedrich, DStR 1994, 61 (65); Reichert (Fn. 15), Rn. 1021. 21 Soergel/Hadding (Fn. 17), § 25 Rn. 11, 17; Hadding/van Look, ZGR 1988, 270 (274). 22 MünchKomm-Reuter (Fn. 3), § 25 Rn. 17 f.; PWW-Schöpflin (Fn. 11), § 25 Rn. 4. 23 BGHZ 21, 370 (373 ff.) = NJW 1956, 1793; BGHZ 47, 172 (179 f.) = NJW 1967, 1268; BGHZ 105, 306 = NJW 1989, 1724; Reichert (Fn. 15), Rn. 428 f. 24 PWW-Schöpflin (Fn. 11), § 25 Rn. 10. 25 BGHZ 101, 193 (200) = NJW 1987, 2503; hierzu Reuter, IWiR 1987, 959.

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Wettbewerb gibt.26 Ein kartellrechtlicher Aufnahmeanspruch kann sich gegenüber Wirtschafts- und Berufsvereinigungen aus § 20 Abs. 6 GWB (§ 27 Abs. 1 GWB a. F.) ergeben.27 Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und dadurch bewirkte unbillige Benachteiligung (des Unternehmens) im Wettbewerb i. S. v. § 20 Abs. 6 GWB ist anhand einer umfassenden Abwägung der Interessen des Verbandes an seiner freien Entscheidung über die Zusammensetzung seines Mitgliederkreises einerseits und des Interesses des Bewerbers an der Teilhabe an der Verbandstätigkeit andererseits zu entscheiden.28 Über diesen speziellen kartellrechtlichen Aufnahmeanspruch gegenüber Wirtschafts- und Berufsvereinigungen hinaus hat die Rechtsprechung einen allgemeinen Aufnahmeanspruch aus den Rechtsgedanken aus § 20 Abs. 6 GWB (§ 27 Abs. 1 GWB a. F.) und § 826 BGB abgeleitet. Dieser Anspruch besteht gegenüber Monopolverbänden sowie solchen Vereinen, die in einem wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung haben.29 Eine dahin gehende überragende Machtstellung in einem wirtschaftlichen oder sozialen Bereich kann auch ein Verein auf örtlicher Ebene haben, der regional einzigartig ist.30 Eine Aufnahmepflicht ist dann zu bejahen, wenn die Ablehnung der Aufnahme zu einer – im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen würde. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen muss die Zurückweisung des Bewerbers als unbillig erscheinen lassen.31 Zu berücksichtigen ist, dass sowohl auf Seiten des Vereins als auch auf Seiten des Bewerbers um die Mitgliedschaft grundrechtlich geschützte Positionen stehen. Derartige Grundrechtskollisionen sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz letztlich nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu lösen.32 3. Erste Konsequenzen Da die Aufnahme für den Bewerber und den Verein ein Rechtsgeschäft darstellt, ergibt sich als Konsequenz, dass auf beiden Seiten die Nichtigkeitstatbestände für Willenserklärungen, die sich etwa aus §§ 117, 118, 134 und 138 BGB ergeben, gel26

Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin, BGB, 2. Aufl. 2007, § 25 Rn. 34. Diese Vorschrift begründet analog § 1004 einen verschuldensunabhängigen Aufnahmeanspruch. BGHZ 29, 344 (351) = NJW 1959, 880. 28 Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 25 Rn. 34 mit Verweis auf BGH NJWRR 1986, 339 (340). 29 BGHZ 63, 282 (286) = NJW 1975, 771. 30 BGH NJW 1999, 1326 (regional tätiger Amateurverein); BGH NJW 1980, 186 (Hamburgischer Anwaltsverein). 31 BHGZ 63, 282 (285) = NJW 1975, 771; BGHZ 93, 151 (153 f.) = NJW 1985, 1216; Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 25 Rn. 34; Jauernig-Jauernig (Fn. 16), § 38 Rn. 2. 32 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 72; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 192. 27

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ten. Auf Seiten des Bewerbers kann weiterhin die Geschäftsfähigkeit fehlen oder beschränkt sein, so dass es auf die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters ankommt. Für beide Vertragspartner können Anfechtungsgründe wegen Irrtums, Drohung oder arglistiger Täuschung relevant werden.33 Fraglich ist, ob die Wirkungen des Vereinsbeitritts rückwirkend wieder beseitigt werden können. § 142 Abs. 1 BGB ordnet grundsätzlich die Nichtigkeit ex tunc an. Ausnahmen gelten nach herrschender Auffassung für vollzogene Arbeits- und Gesellschaftsverträge. Insofern ist, um untunliche Rückabwicklungen zu vermeiden, von einer ex nunc-Unwirksamkeit oder -Nichtigkeit auszugehen.34 Von der wohl herrschenden Auffassung werden die Grundsätze für den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft auf den fehlerhaften Beitritt zu einem Verein entsprechend angewendet.35 Grund für diese Abweichung von § 142 Abs. 1 BGB ist es, dass auf diese Weise vermieden wird, die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte und Pflichten mit Wirkung für die Vergangenheit in Frage zu stellen.36 Zutreffend ist insofern, dass unmögliche oder untunliche Rückabwicklungen vermieden werden sollten. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft eine Ausnahme von der Grundsatzregelung des § 142 Abs. 1 BGB darstellen, die eng gefasst werden muss. Aus Raumgründen kann die Frage der ex tunc- oder ex nunc-Nichtigkeit hier nicht vertieft behandelt werden. Neben praktischen Erwägungen dürfen m. E. aber grundrechtsrelevante Wertungsaspekte und übergeordnete öffentliche Interessen nicht ausgeblendet werden. So ist jedenfalls von einer ex tunc-Nichtigkeit auszugehen, wenn es sich um einen Vereinsbeitritt eines Geschäftsunfähigen oder eines Minderjährigen handelt und der gesetzliche Vertreter nicht mitgewirkt hat.37 Auch kommt eine ex tunc-Nichtigkeit in Fällen arglistiger Täuschung in Betracht. Weiterhin ergibt sich als Konsequenz des Vereinsbeitritts durch Abschluss eines Aufnahmevertrags, dass § 311 Abs. 2 BGB anwendbar ist. Diese Norm kodifiziert die verschiedenen Fälle, die als Rechtsinstitut der culpa in contrahendo zusammengefasst wurden. Die Vorschrift nennt die allgemeinen Voraussetzungen für die Begründung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses, während Inhalt und Umfang der einzelnen Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB folgen. Dies sind vor allem Schutz-

33

Vgl. zu den Beitrittsmängeln Reichert (Fn. 15), Rn. 1036 ff. Umfassend zu den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 6, S. 136 ff., 160 ff. 35 MünchKomm-Reuter (Fn. 3), § 38 Rn. 34; Palandt-Heinrichs, BGB, 69. Aufl. 2010, § 38 Rn. 4; Soergel/Hadding (Fn. 17), § 38 Rn. 10; Walter, NJW 1975, 1033; Reichert (Fn. 15), Rn. 1037; KG OLG-NL 2004, 101 (106). 36 Reichert (Fn. 15), Rn. 1037. 37 Reichert (Fn. 15), Rn. 1038 ff. Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 6. Aufl. 1995, Rn. 637, gehen m. E. zu Recht von einer ex tunc-Nichtigkeit bei überwiegendem öffentlichen Interesse aus. Hierzu zählt – neben Fällen des § 134 und 138 BGB – möglicherweise auch der Fall der erschlichenen Teilnahme an der Sachkundeprüfung, die das Waffengesetz u. a. auf die Schießsportvereine delegiert hat (§ 7 Abs. 2 WaffG i. V. m. § 3 Abs. 5 AWaffV). 34

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pflichten, Treuepflichten und Aufklärungspflichten.38 So ist anerkannt, dass sich bereits im vorvertraglichen Bereich beide Teile – unabhängig von etwaigen deliktischen Verkehrssicherungspflichten – so zu verhalten haben, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter (einschließlich des Vermögens) des anderen Teils nicht beeinträchtigt werden. Unter Umständen muss zudem auf einen beabsichtigten Abbruch der Vertragsverhandlungen hingewiesen werden, wenn der andere Teil erkennbar bereits auf einen Vertragsschluss vertraut.39 Von eminenter Bedeutung sind schließlich etwaige Auskunfts- und Informationspflichten der Beteiligten, insbesondere wenn und soweit es um Umstände geht, die für den Verhandlungspartner erkennbar für den Vertragsschluss entscheidungserheblich sind. 4. Vormitgliedschaftliche Förderpflichten, insbesondere Informationspflichten Durch seinen Beitritt zum Verein erklärt sich das Mitglied mit dem Vereinszweck einverstanden und bewirkt die Begründung eines mitgliedschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Damit einher geht für beide Seiten eine gewisse Einwirkungsmacht. So kann der Verein in meist nicht unerheblichem Umfang Einfluss auf das Mitglied und dessen Mitgliedschaftsrecht ausüben. Das Mitglied hingegen kann durch Stimm- und Gestaltungsrechte die Geschicke des Vereins mitbestimmen. Mit dieser gewonnenen Rechtsmacht korreliert ein beachtliches Maß an Verantwortung, das in speziellen Förder- bzw. Treuepflichten seinen Ausdruck findet. Diese wechselseitigen Förderpflichten40 gehen weiter als das zwischen allen Beteiligten im Rechtsverkehr ohnehin einzuhaltende Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB).41 Das Mitglied ist verpflichtet, sich gegenüber dem Verein loyal zu verhalten, seine Zwecke aktiv zu fördern und alles zu unterlassen, was dem Vereinszweck schadet. Umgekehrt muss der Verein auf die schutzwürdigen Interessen seiner Mitglieder Rücksicht nehmen.42 Auch im Vorfeld eines Vereinsbeitritts sind wechselseitige Förderpflichten anzuerkennen.43 Der Mitgliedschaftserwerb ist ein zeitlich gestreckter Prozess. Nicht zu38 Bamberger/Roth-Gehrlein/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl. 2007, § 311 Rn. 37; PWW-Medicus, BGB, 4. Aufl. 2009, § 311 Rn. 35, mit Fallgruppenbildung. 39 BGH NJW 1980, 1683; NJW 1996, 1884 (1885). 40 Vgl. Vieweg, Sponsoring und internationale Sportverbände, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 53 (83 ff.). 41 Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 38 Rn. 27. 42 BGH WM 1977, 1166; BGH ZIP 1988, 1118; Reichert (Fn. 15), Rn. 961 ff.; Bamberger/ Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 38 Rn. 27. 43 Vgl. jüngst Dembski, Gesellschaftsrechtliche Treubindungen von Nichtmitgliedern, insbesondere nachmitgliedschaftliche Treupflichten, 2009, S. 130 ff.; A.A. Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (460); ders., ZHR 162 (1998), 164 (174); Claussen, ZHR 154 (1990), 488 (491), mit der Begründung, dass Treuepflichten Bestandteil des Mitgliedschaftsverhältnisses seien und es sie daher erst dann und nur so lange geben könne, wie die Mitgliedschaft dauere.

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letzt daraus ergibt sich die „funktionelle Notwendigkeit“ einer partiellen Gleichstellung von Mitgliedern und Beitrittswilligen.44 So können beispielsweise bereits im Stadium der Anbahnung einer Mitgliedschaft auf beiden Seiten hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten gegeben sein.45 Als rechtliche Grundlage für die Anerkennung vormitgliedschaftlicher Förderpflichten dient nach h. M.46 auch im Gesellschaftsrecht § 311 Abs. 2 BGB i. V. m. den Grundsätzen der culpa in contrahendo. In Parallele zu den gesetzlich anerkannten Schutz- und Loyalitätspflichten im Anbahnungszeitraum von Schuldverhältnissen ergäbe sich auch im Vorfeld einer Mitgliedschaft eine entsprechende Treue- und Förderpflicht der Beteiligten. Nach anderer – erstmals von Weber47 vertretener – Auffassung resultieren spezielle vormitgliedschaftliche Treuebindungen als Vorwirkung aus den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten. Im praktischen Ergebnis dürften diese beiden unterschiedlichen dogmatischen Ansätze kaum zu abweichenden Resultaten führen. Dies gilt selbst dann, wenn man insoweit die Stukturunterschiede schuldvertraglicher und gesellschaftsrechtlicher Pflichten besonders hervorheben möchte. Auch bei Zugrundelegung eines vorvertraglichen Begründungsansatzes wird man die gesellschaftsrechtlichen (hier: vereinsrechtlichen) Grundsätze und Wertungen beachten und zur Konkretisierung von Inhalt und Umfang der vormitgliedschaftlichen Förderpflichten heranziehen müssen. Für die Bejahung vormitgliedschaftlicher Förderpflichten spricht m. E. entscheidend, dass bereits vor dem konkreten Aufnahmezeitpunkt – quasi vorwirkend – sowohl auf Seiten des Mitgliedschaftsaspiranten als auch auf der des Vereins Art. 19 Abs. 1 GG Geltung zukommt. Damit findet der Grundsatz der praktischen Konkordanz Anwendung. Der danach vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dürfte am besten mit der Anerkennung wechselseitiger vormitgliedschaftlicher Förderpflichten – insbesondere Informationspflichten – Rechnung getragen werden. Damit lässt sich festhalten: Sowohl dem Verein als auch dem potentiellen Mitglied erwachsen bereits mit dem Beginn erster Aufnahmeverhandlungen Förderund Fürsorgepflichten insbesondere in Gestalt von Rücksichtnahme-, Loyalitätsund Informationspflichten als Basis für eine vertrauensvolle Beziehung. Noch nichts gesagt ist damit über Umfang und Grenzen dieser Pflichten. Allgemeingültige Aussagen lassen sich hierzu kaum treffen. Vielmehr sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Berücksichtigt werden muss beispielsweise, ob es sich in concreto um einen sozial und/oder wirtschaftlich mächtigen Verein handelt, auf dessen Mitgliedschaft der Einzelne faktisch angewiesen ist. Weiter kommt es entscheidend auf die jeweilige Mitgliederstruktur des Vereins an. Ist 44

Vgl. Korte, ZHR 164 (2000), 444 (451). Beispiel: Probetraining in einem Sportverein. 46 Etwa Fleischer, NZG 2000, 561 (562 f.); Wittkowski, GmbHR 1990, 544 (549); Korte, ZHR 164 (2000), 444 (446 ff.). 47 Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 178 ff. 45

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diese gekennzeichnet durch eine enge persönliche Verbundenheit der einzelnen Mitglieder untereinander, so werden auch im Verhältnis von Verein und künftigen Mitgliedern erhöhte Rücksichtnahme- und Informationspflichten anzunehmen sein. Schließlich stellt die konkrete Zweckrichtung des Vereins einen bedeutenden Aspekt dar. Vor allem für die Frage, über welche Umstände ein Beitrittswilliger auch ohne entsprechende Nachfrage aufzuklären hat, kommt es maßgeblich darauf an, welche Gesichtspunkte den Vorstand eines Vereins bei einer Aufnahmeentscheidung konkret leiten. Nur über die entscheidungserheblichen Aspekte muss aufgeklärt werden. Diese werden jedoch bei einem Schießsportverein gänzlich anders gelagert sein als beispielsweise bei einem Kleingärtnerverein. Durch diese Überlegungen wird deutlich, dass sich Art und Umfang der vormitgliedschaftlichen Förderpflichten erst bei einer Gesamtbetrachtung aller Einzelfallumstände unter Berücksichtung der vereinsrechtlichen Besonderheiten ermitteln lassen. Ebenfalls in diesen Kontext einzuordnen ist die Frage, ob und in welchem Umfang die Vereine bereits vor der Aufnahme insbesondere bei der Auswahl ihrer Mitglieder an den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind. Ausdrückliche Stellungnahmen hierzu sind – soweit ersichtlich – noch nicht erfolgt. Diskutiert wurde die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bislang nur im bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis.48 Weitgehend anerkannt ist seine Funktion als Auslegungsmaxime.49 Gleiche Sachverhalte sind grundsätzlich gleich und ungleiche dementsprechend ungleich zu behandeln. Abweichendes gilt bei Vorliegen sachlich gerechtfertigter Gründe, da hier das benachteiligte Mitglied nicht willkürlich schlechter gestellt wird als andere Mitglieder.50 Die dogmatische Begründung dieses Gleichbehandlungsgebots variiert. So finden sich Stimmen, die einerseits an einen entsprechenden (fingierten) Willen der Parteien51, andererseits an das Vorhandensein eines Gemeinschaftsverhältnisses52, die Übertragung von Verteilungsmacht53 oder aber die notwendige Beschränkung der Ausübung von Verbandsmacht54 anknüpfen wollen. Die h. M.55 vertritt den Standpunkt, der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Vereinsmitglieder sei ein allgemeiner Rechtssatz für privatrechtliche Personenzusammenschlüsse und folge in erster Linie aus der gesellschaftsrechtli48

Vgl. im Einzelnen Vieweg/Müller, Gleichbehandlung im Sport – Grundlagen und Grenzen, in: Manssen/Jachmann/Gröpl (Hrsg.), Nach geltendem Verfassungsrecht, Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, 2009, S. 888 ff. 49 MünchKomm-Reuter (Fn. 3), § 34 Rn. 20; Staudinger-Weick (2005), BGB, § 35 Rn. 13. 50 Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 38 Rn. 21; Soergel/Hadding (Fn. 17), § 38 Rn. 19. 51 Cohn, AcP 132 (1930), 129 (154 ff.). 52 Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 151 ff.; Wüst, Die Interessengemeinschaft, 1958, S. 60. 53 Raiser, ZHR 111 (1948), 75 (90 ff.). 54 K. Schmidt (Fn. 34), § 16 II. 4. 55 BGHZ 55, 381 (385); BGH NJW 1960, 2142 (2143); BGH NZG 2010, 37 (37 f.); Reichert (Fn. 15), Rn. 838.

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chen Treuepflicht. Erkennt man jedoch derartige Förder- bzw. Treuepflichten – wie oben ausgeführt – richtigerweise auch bereits im vormitgliedschaftlichen Verhältnis an, folgt hieraus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls entsprechende Vorwirkungen entfalten muss. Jedenfalls bei Fehlen ausdrücklicher anderslautender Satzungsbestimmungen kann der Verein daher auch im Rahmen einer Aufnahmeentscheidung an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sein. Fraglich erscheint allenfalls, ob Vereinssatzungen oder -beschlüsse zulässigerweise eine völlig freie – auch an unsachlichen Gründen – orientierte Aufnahmeentscheidung vorsehen können. Hierzu wird einerseits vertreten, eine generelle Pflicht zur Gleichbehandlung bestehe nur bei Vereinen mit Monopolstellung, da diese einem weitgehenden Aufnahmezwang unterlägen. Im Übrigen bestehe aus Gründen der Privatautonomie völlige Aufnahmefreiheit. Der Verein könne daher – bis zur Grenze des § 138 BGB – auch unsachliche Differenzierungskriterien festlegen.56 Andererseits findet sich die Auffassung, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei auf alle Vereine gleichermaßen anzuwenden mit der Folge, dass unsachliche Entscheidungskriterien unzulässig und entsprechende Satzungen und Beschlüsse nichtig seien.57 Auch hier dürfte die Anwendung des Grundsatzes der praktischen Konkordanz zu zutreffenden Ergebnissen führen. 5. Rechtsfolgen der Verletzung vormitgliedschaftlicher Förderpflichten Für den Fall der Verletzung einer vormitgliedschaftlichen Förderpflicht stellt sich in den oben herausgearbeiteten vier Fallgruppen58 die Anschlussfrage nach den konkreten Rechtsfolgen des Pflichtverstoßes. Angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Förderpflichtverletzungen und aufgrund der dargestellten Unbestimmtheit von Inhalt und Umfang des Pflichtenkatalogs erscheint eine allgemeine Typenbildung kaum möglich.59 Allenfalls grob lässt sich unterscheiden zwischen Erfüllungs-, Unterlassungs-, Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen. Ausnahmsweise kommt als ultima ratio auch ein Ausschluss des Mitglieds aus dem Verein in Betracht.60 Soweit ein Mitglied seiner Pflicht zur Offenlegung entscheidungserheblicher Umstände nicht nachkommt, ist im Einzelfall an einen dahin gehenden Erfüllungsanspruch des Vereins zu denken. Unterlassungsansprüche können insbesondere in Fällen drohender Pflichtverletzungen bestehen. Bei schuldhaften Förderpflichtverletzungen kommen regelmäßig Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 311 56

MünchKomm-Reuter (Fn. 3), § 34 Rn. 19; Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 38 Rn. 21. 57 Staudinger-Weick (2005), BGB, § 35 Rn. 16; wohl auch Reichert (Fn. 15) Rn. 838 ff. 58 Oben III. 1. 59 Vgl. auch Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 38 Rn. 28. 60 Dazu umfassend Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, passim; Lutter, AcP 180 (1980), 84 (117 ff.).

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Abs. 2 BGB in Betracht. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass eine Vereinsmitgliedschaft meist nicht auf hohe Vermögensrisiken angelegt ist. Unter Umständen trifft den Verein daher eine Pflicht zur Risikoabwendung bzw. -minderung etwa in Form einer Warnpflicht.61 Zudem wird diskutiert, ob in bestimmten Fällen der Verschuldensmaßstab bei der Haftung wegen Förderpflichtverletzungen auf Vorsatz zu beschränken ist.62 Mit § 31a BGB hat dies einen ersten gesetzlichen Niederschlag gefunden. Bereicherungsansprüche werden schließlich relevant, wenn trotz Fehlens einer wirksam begründeten Mitgliedschaft wechselseitig Leistungen (z. B. Mitgliedsbeiträge, Arbeitsleistungen, Vergünstigungen) erbracht worden sind. Besonders virulent wird dieser Problemkreis in Fällen einer nachträglichen Geltendmachung von Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründen. Hier stellt sich die oben aufgeworfene Frage der ex nunc- bzw. ex tunc-Nichtigkeit mit den im Einzelfall möglicherweise höchst komplexen Rückabwicklungsproblemen.

V. Zusammenfassung Der Aufnahmevertrag begründet die Vereinsmitgliedschaft mit allen Rechten und Pflichten. Hierzu gehören auch die wechselseitigen Förderpflichten (Treue-, Loyalitätspflichten) von Verein und Mitglied. Deren Geltung bereits in vormitgliedschaftlichen Rechtsverhältnissen kann ihre Grundlage finden in § 311 Abs. 2 BGB i. V. m. den Grundsätzen der culpa in contrahendo, in der Parallele zum Gesellschaftsrecht und in den Vorwirkungen des Art. 9 Abs. 1 GG im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der praktischen Konkordanz. Der Umfang der vormitgliedschaftlichen Förderpflichten richtet sich nach dem Charakter des Vereins, wie er insbesondere in der Gestaltung der Satzung und in der gelebten Vereinspraxis (Observanz) zum Ausdruck kommt. Verletzungen der vormitgliedschaftlichen Förder-, insbesondere Informationspflicht können Grundlage einer Anfechtung der Aufnahmeentscheidung aufgrund arglistiger Täuschung sein. Weiterhin kommen – je nach Fallkonstellation und Umständen des konkreten Falles – Unterlassungs-, Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche in Betracht.

61 62

Vgl. etwa Lutter, AcP 180 (1980), 84 (119). BGH NJW 1995, 1739; Bamberger/Roth-Schwarz/Schöpflin (Fn. 26), § 38 Rn. 28.

Sportunfälle und zivilrechtliche Haftung* I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsszenarien – Versuch einer Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen des (Sport-)Haftungsrechts – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typische Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung der Sportler untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung des Sportstätteneigentümers, des Veranstalters und des Ausrichters . . . . V. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Die Rechtsfragen, die der Sport in zunehmendem Maße mit sich bringt, sind weltweit vergleichbar. Deshalb ist die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene von großer wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung. Die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China im Bereich des Sports ist nicht zuletzt deshalb erfreulich und interessant, weil sich vergleichbare Probleme am besten unter Berücksichtigung der kulturellen und rechtlichen Besonderheiten der jeweiligen Staaten lösen lassen. Die so gewonnenen Erkenntnisse können Ausgangspunkt für ein harmonisiertes Sportrecht1 sein. Erwähnenswert ist, dass die Erwartung intensiver internationaler Zusammenarbeit kürzlich ihren Ausdruck gefunden hat in der „Declaration on Lex Sportiva“, die führende internationale Sportrechtler am 22. 09. 2010 in Djakarta der Öffentlichkeit vorgestellt haben.2 Haftungsfragen sind in Deutschland vor über 70 Jahren der Startpunkt des Sportrechts gewesen, da sie unabhängig von Professionalisierung, Kommerzialisierung, Medienpräsenz und Internationalisierung Besonderheiten des Sports3 zu berücksichtigen haben. Zu den haftungsrelevanten Besonderheiten gehören unter anderem: @ die Sportregeln der internationalen und nationalen Verbände; sie definieren das erlaubte und verbotene Verhalten der Sportler; * Erstveröffentlichung in K.-H. Schneider/S. Luzeng (Hrsg.), Tagungsband Deutsch-Chinesischer Sportrechtskongress 15. bis 20. Oktober 2010 in Bonn, Berlin 2011, S. 15 – 24. Die Vortragsfassung wurde beibehalten und um einige Nachweise in den Fußnoten ergänzt. Christine Schneider danke ich für die technische Unterstützung der Präsentation. 1 Vgl. hierzu den Beitrag von J. Adolphsen, ebenda, S. 99 ff. 2 The International Sports Law Journal 2010/3 – 4, S. 2 und 18 f. 3 Vgl. hierzu K. Vieweg, Faszination Sportrecht, S. 4 ff., abrufbar unter http://www.irut.ju ra.uni-erlangen.de/Forschung/Veroeffentlichungen/OnlineVersionFaszinationSportrecht/Faszina tionSportrecht.pdf

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@ die – kostenträchtigen4 – organisatorischen Vorgaben der Sportverbände für die Veranstalter und Ausrichter von Wettkämpfen (z. B. FIFA Safety Regulations); @ die technischen Bestimmungen der Sportverbände hinsichtlich der Sportgeräte, der persönlichen Schutzausrüstung (z. B. Kopfschutz beim Boxen) und der Gestaltung der Sportstätten (z. B. Sicherheitskäfig für Hammerwurf). Außer diesen Besonderheiten des Sports sind die Anforderungen der staatlichen Gesetzgebung und der Rechtsprechung für die zivilrechtliche Haftung relevant. Sehen wir uns einige Beispiele als Videos an: @ den Tod des georgischen Rennrodlers Nodar Kumaritschavili am Eröffnungstag der Olympischen Winterspiele von Vancouver 2010 im Eiskanal von Whistler, @ den Bruch eines Sprungbretts beim Pferdsprung (Springboard Break), @ die Verletzung des französischen Weitspringers Salim Sdiri bei der Golden League in Rom durch den Speerwurf des Finnen Tiero Pitkemäkis (2007), @ den Halswirbelbruch des Turners Fabian Lotz bei den Hessischen Turnverbandsmeisterschaften (2006). Das Thema ist komplex, wie die Mind Map (Abb. 1) zeigt.

Abbildung 1: Mind Map

4 So werden z. B. die Kosten für die Sicherheit der Olympischen Spiele 2012 in London auf 600 Mio. E geschätzt.

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Es bedarf deshalb der Eingrenzung. Ich möchte im Folgenden drei Schwerpunkte herausgreifen. Zunächst möchte ich den Versuch unternehmen, die Vielfalt der Sportunfälle und Haftungssituationen in einem Raster zu systematisieren, das aus den verschiedenen Ursachen und Rechtsverhältnissen gebildet wird (dazu II.). Danach möchte ich im Überblick auf die Grundlagen der Haftung eingehen (dazu III.) und abschließend an einigen Fällen die praktischen Probleme schildern, die sich für alle Beteiligten sowie für die zur Entscheidung angerufenen Gerichte stellen (dazu IV.).

II. Haftungsszenarien – Versuch einer Systematisierung Für die Rechtsvergleichung ist es hilfreich, wenn man – soweit möglich – identische oder zumindest vergleichbare Ausgangssituationen in den Blick nimmt. Bezogen auf die Haftungsproblematik ist ein wesentliches Unterscheidungskriterium die Ursache des Sportunfalls und damit des Schadens. Neben dem Sportler selbst kommen andere Personen – Mitsportler, Trainer, Lehrer, Zuschauer –, die Ausrüstung, das Sportgerät, die Sportstätte und schließlich die Organisation in Betracht. Ort und Anlass der Sportausübung und die damit verbundenen unterschiedlichen Rechtsverhältnisse sind weitere wichtige Aspekte für die Bildung eines Rasters. Hier begegnet uns eine erste wichtige Unterscheidung im deutschen Recht. Neben öffentlichrechtlichen Beziehungen, die für Schule, Hochschule, Bundeswehr und Bundespolizei gelten, treten mitgliedschaftliche Beziehungen zu Vereinen und Verbänden sowie vertragliche Regelungen insbesondere im professionalisierten Leistungssport und im kommerzialisierten Fitnesssport hinzu. Das Deliktsrecht findet bei allen Konstellationen Anwendung. Die im Video gezeigten Beispiele lassen sich auf diesem Haftungsraster (Abb. 2) konkret verorten. Im Fall Fabian Lotz kommen in Betracht: Verband (Wettkampf), Sportler selbst, Sportgerät, Sportstätte, Organisation.

III. Grundlagen des (Sport-)Haftungsrechts – Überblick Haftung5 wird definiert als das Einstehenmüssen für eine aus einem vertraglichen oder gesetzlichen (außervertraglichen) Schuldverhältnis herrührende Schuld. In der Sache geht es um den Ersatz von Schäden, insbesondere durch Zahlung von Geldbeträgen (Schadensersatz). Daneben kann der Schädiger verpflichtet sein, einen sog. immateriellen Schaden auszugleichen (vor allem: Schmerzensgeld). Die zivilrechtliche Haftung darf nicht mit der strafrechtlichen oder disziplinarischen Verantwortung (Strafbarkeit) verwechselt werden, auch wenn diese ebenfalls zu finanziellen Belastungen (Geldstrafe) führen kann. Auch bei den verschiedentlich in Ver5

K. Vieweg, in: Staudinger/Eckpfeiler (2011), Schadensersatzrecht, Rn. 2.

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Abbildung 2: Haftungsszenarien

bandsregelungen (Satzungen etc.) vorgesehenen Geldstrafen bei Fehlverhalten von Mitgliedern handelt es sich nicht um Haftung, sondern um Verbandssanktionen. Diese sind ihrerseits von den sog. Vertragsstrafen zu unterscheiden (z. B. Vereinbarung der Zahlung eines bestimmten Geldbetrages bei Verstößen gegen den Sponsoringvertrag). Dem gesetzlich geregelten Haftungsrecht kommen zwei maßgebliche Funktionen zu: zum einen die Verhaltenssteuerung zur Schadensprävention (Vermeidung von Schäden), zum anderen der Schadensausgleich (die Wiedergutmachung eines bereits entstandenen Schadens). Vorrangiges Ziel des Haftungsrechts ist die Schadensprävention. Durch die drohende finanzielle Belastung soll der Schädiger dazu angehalten werden, sein Verhalten so zu steuern, dass das durch ihn beherrschbare Schadensrisiko minimiert wird und es im besten Fall gar nicht zu einem Schaden kommt. Tritt dennoch ein Schaden ein, so kommt die zweite Funktion des Haftungsrechts – der Schadensausgleich – zum Tragen. Die Einbußen sollen ausgeglichen werden und es soll – soweit möglich – der Zustand wiederhergestellt werden, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Der Schadensersatz kann in Form der sog. Natural-

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restitution (§ 249 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) oder im Wege der Schadenskompensation (§ 251 BGB) erfolgen, außerdem im Rahmen des § 253 BGB auch durch Zahlung eines Schmerzensgeldes. Das Haftungsrecht weist eine zweigliedrige Struktur auf. Es besteht aus der Haftungsbegründung und der Haftungsausfüllung. Die Voraussetzungen der Haftung bilden die sog. Haftungsbegründung. Dabei kann die Haftung sowohl auf Vertrag (insbes. §§ 280 ff. BGB) als auch auf Gesetz (insbes. §§ 823 ff. BGB) beruhen. Eine große Bedeutung haben die sog. Verkehrssicherungspflichten. Wenn – wie meist – ein Verschulden des Schädigers verlangt wird, muss dieses in der Regel nachgewiesen werden. Hier stellen sich Fragen des Beweisrechts (z. B. Beweislast). Die Folgen der Haftung werden in der sog. Haftungsausfüllung beschrieben. Zu den Folgen der Haftung gehört insbes. der Schadensersatz. Dieser umfasst den Ausgleich von Personen- und Sachschäden, reinen Vermögensschäden und immateriellen Einbußen. Für den Haftungsumfang spielt in der Praxis häufig eine Rolle, ob den Geschädigten ein Mitverschulden trifft, das bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes zu berücksichtigen ist (§ 254 BGB). Bei den haftungsrechtlichen Besonderheiten des Sports6 sind hervorzuheben: @ das System der Selbstregulierung, das in den Regelungen der internationalen und nationalen Sportverbände eine Vielzahl von Verhaltens- und Beschaffenheitsanforderungen enthält; @ die Internationalität des Sports, die – entgegen den Regelungen des Internationalen Privatrechts der Staaten – eine einheitliche Haftungspraxis nahelegt; @ die Unterschiede zwischen einer ehrenamtlichen und gemeinnützigen sowie einer professionalisierten und kommerzialisierten Organisation des Sports.

IV. Typische Fallkonstellationen An drei typischen Fallkonstellationen möchte ich die rechtliche Behandlung von Sporthaftungsfällen7 in Deutschland darstellen. Zum einen handelt es sich um die Haftung der Sportler untereinander, zum anderen um die des Sportstätteneigentümers, des Veranstalters und des Ausrichters. 1. Haftung der Sportler untereinander Fälle, in denen ein beteiligter Sportler durch das Verhalten eines anderen zu Schaden gekommen ist, haben die Rechtsprechung in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach beschäftigt. Dabei steht im Mittelpunkt die Frage, welche Sorgfaltspflichten die 6

Vgl. schon oben I. P. Heermann, Haftung im Sport, Stuttgart 2008, passim; K. Vieweg, Haftungsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg), Handbuch Sportrecht, Schorndorf 2009, S. 121 ff. 7

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Sportler einander gegenüber haben. Der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB (Haftung für jede Form der Fahrlässigkeit) wird den spezifischen Eigenarten des Sports nicht immer gerecht. Eine kampfbetonte Sportausübung würde von vornherein durch das Haftungsrisiko verhindert werden. Jedenfalls bei Einhaltung der einschlägigen Wettkampfregeln erscheint es nicht sachgerecht, den Schadensverursacher für alle entstandenen Verletzungen einstehen zu lassen. Im Ergebnis besteht deshalb Einigkeit, dass die jeweiligen Sportregeln eine Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs im Sport bewirken.8 So wird bei nur geringfügigen Regelverstößen in wettbewerbstypischen Risikolagen – etwa bei verständlichem übereifrigen Spieleinsatz, bei bloßer Unüberlegtheit oder bei wettkampfbedingter Übermüdung – eine eingeschränkte Haftung des Sportlers angenommen. Die dogmatische Begründung variiert. Der Bundesgerichtshof (BGH)9 lehnt eine rechtfertigende Einwilligung als „künstliche Unterstellung“ ab und favorisiert – gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben – den Ansatz, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen treuwidrig wäre. Mit dem Eintritt von unvermeidbaren Verletzungen rechne jeder Spieler und er gehe davon aus, dass auch der andere diese Gefahr in Kauf nehme und daher etwaige Haftungsansprüche nicht erheben werde. In einer neueren Entscheidung10 führt der BGH ergänzend aus, dass sich die Sorgfaltsanforderungen an die Teilnehmer eines Wettkampfs nach den besonderen Gegebenheiten des Sports, bei dem sich der Unfall ereignet habe, bestimmten. Sie seien an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfs auszurichten und würden durch das beim jeweiligen Wettkampf geltende Regelwerk konkretisiert. Bei einem groben Regelverstoß wird eine Haftung des Mitsportlers allerdings bejaht.11 Wann ein solcher grober Regelverstoß anzunehmen ist, lässt sich jedoch nicht generell bestimmen, sondern ist – abhängig von der jeweiligen Sportart – im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln. Es liegt auf der Hand, dass im Boxsport andere Sorgfaltsanforderungen als etwa beim Tennis gegeben sind. 2. Haftung des Sportstätteneigentümers, des Veranstalters und des Ausrichters Auch bei der Haftung des Sportstätteneigentümers, des Veranstalters und des Ausrichters handelt es sich um „klassische“ Haftungsfälle im Sport. Hier stellt sich insbes. die Frage, welche Verkehrssicherungspflichten gegenüber den Sportlern, aber auch gegenüber den Zuschauern bestehen. Welche Maßnahmen im Einzelnen insbes. vom Veranstalter zu treffen sind, um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen, be8

E. Scheffen, Zivilrechtliche Haftung im Sport, NJW 1990, 2658, 2659. BGHZ 63, 140; 154, 316. 10 BGH NJW 2010, 537. 11 Vgl. AG Düsseldorf SpuRt 2007, 38; OLG Hamm SpuRt 2006, 38; LG Freiburg SpuRt 2006, 39; OLG Hamburg SpuRt 2006, 41. 9

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stimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung12 nach den jeweiligen Umständen der Veranstaltung. Maßgeblich sind vor allem die Intensität und Häufigkeit der sich für die Zuschauer ergebenden Gefährdung, wobei auch der finanziellen Belastbarkeit des Veranstalters (bzw. des Eigentümers der Sportanlage) bei Abwägung der Zumutbarkeit eine gewisse, wenn auch untergeordnete Bedeutung zukommt.13 Zwar muss nicht jeder nur denkbaren Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Eine Gefahr begründet vielmehr erst dann eine Haftung, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Verletzung fremder Rechtsgüter ergibt. So geht beim Eishockeyspiel auch von einem Puck, der über die Längsseiten des Spielfeldes hinausgeschleudert wird, eine Gefahr für die Zuschauer aus, der vom Verkehrssicherungspflichtigen zu begegnen ist.14 Fraglich ist, welche rechtliche Bedeutung die Beschaffenheitsanforderungen von Verbandsregelungen sowie etwaige technische Standards in diesem Zusammenhang haben. Im Fall des abgeirrten Eishockey-Pucks war es so, dass die einschlägige DINNorm15 nur an den Stirnseiten und an den Längsseiten bis zur verlängerten Torlinie einen Schutz für Zuschauer vorsah. Ebenso stellte der Internationale Eishockey-Verband nur für Europa- und Weltmeisterschaften die Anforderung, dass die Zuschauer durch eine Plexiglaswand geschützt werden müssen. Der BGH stellte zu Recht in seiner Entscheidung klar, dass die Regeln der Technik zwar zur Konkretisierung der Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden können und oft – da sie von Experten-Kommissionen erarbeitet sind – einen brauchbaren Maßstab für die zu fordernde Sorgfalt darstellen. Sie entließen den Richter aber nicht aus der Pflicht, das Integritätsinteresse des potentiellen Geschädigten selbst zu bewerten. Dies gelte insbesondere, wenn die Regeln – wie beim Eishockey – unterschiedliche Anforderungen für die Spiele auf nationaler und internationaler Ebene aufstellen. Der Sorgfaltsmaßstab richte sich nicht stets nach dem, was üblich sei. Maßgeblich seien vielmehr die Sicherheitserwartungen, die einer besonnenen und gewissenhaften Beurteilung entsprächen. Da die Zuschauer sich wegen der hohen Geschwindigkeit des kleinen Pucks nicht selbst gegen die Gefahr einer Verletzung durch einen abirrenden Puck schützen könnten, müsse der Verkehrssicherungspflichtige dieser Gefahr begegnen. Als aktuelles Beispiel für die Haftung eines Sportstätteneigentümers kann eine Entscheidung des OLG Jena vom 10. 02. 2010 dienen. Das OLG Jena16 hatte über die Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde zu entscheiden, die als Grundstückseigentümerin und Betreiberin eines sog. „Bolzplatzes“ für diesen verantwortlich ist. 12

BGH NJW 1984, 801. BGH a. a. O. 14 BGH a. a. O. 15 DIN-Norm 18086 („Hallen für Eissport“ Teil 1, 8.1.4.3); vgl. allgemein zu den technischen Normen des Deutschen Instituts für Normung (DIN), http://www.din.de/de/ueber-nor men-und-standards/din-norm. 16 OLG Jena MDR 2010, 867. 13

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Das Gericht nimmt Bezug auf die Entscheidung des BGH vom 20. 09. 1994.17 Darin heißt es: „Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richtet sich insbes. danach, welcher Grad an Sicherheit bei der Art des Spiel- bzw. Sportgeräts und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden kann.“ Das OLG Jena folgert aus diesen Grundsätzen, dass sich auch eine Sportanlage in einem technisch einwandfreien Zustand befinden muss. Der Betreiber einer Sportanlage sei verpflichtet, bei Planung, Konstruktion, Bau und Betrieb alle technisch und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen auszuschöpfen, um den Benutzern den höchstmöglichen Sicherheitsstandard zu bieten. Besonders instruktiv ist in haftungsrechtlicher Hinsicht der Unfall des Turners Fabian Lotz, den wir vorhin schon im Video gesehen haben. Dieser Unfall war Gegenstand von Urteilen des LG Gießen18 und des OLG Frankfurt19. Bei der Hessischen Kunstturnmeisterschaft stürzte Fabian Lotz am 11. 06. 2006 von den Ringen und brach sich – was erst im Dezember 2007 festgestellt wurde – einen Halswirbel. Das für den Wettkampf erforderliche Ringegerüst war fabrikneu und entsprach den Anforderungen des Internationalen Turnerbunds, der sog. „FIG-Norm“. Es wurde von Aktiven und vom Wettkampfverantwortlichen der beklagten Verbände in Augenschein genommen und abgenommen. Am zweiten Wettkampftag ereignete sich der gezeigte Unfall beim Abgang (Tsukahara – Doppelsalto rückwärts mit Schraube). Das Landgericht Gießen20 gab der Klage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes mit der Begründung statt, dass die beklagten Turnverbände ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hätten. Das Gericht war nach Einholung eines Sachverständigengutachtens überzeugt, dass der Sturz des Klägers nicht etwa auf einem Turnfehler beruhte, sondern auf einem Absacken der rechten Aufhängung des Ringegerüsts in Folge eines fahrlässigen fehlerhaften Aufbaus des Ringegerüsts bzw. einer fehlerhaften Kontrolle durch die Wettkampfverantwortlichen der beiden Beklagten. Als Organisatoren – Veranstalter bzw. Ausrichter – seien die Beklagten verkehrssicherungspflichtig gewesen. Sie hätten alle Vorkehrungen zu treffen gehabt, die zum Schutze Dritter notwendig gewesen seien. Sie hätten solche Maßnahmen treffen müssen, die nach den Gesamtumständen zumutbar seien und die ein verständiger, umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch

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BGH NJW 1994, 3348. LG Gießen SpuRt 2010, 80; vgl. hierzu K. Vieweg/C. Röhl, Zur zivilrechtlichen Haftung der Veranstalter und Ausrichter satzungsgemäßer Sportveranstaltungen, SpuRt 2010, 56 ff. 19 OLG Frankfurt SpuRt 2011, 31. 20 LG Gießen SpuRt 2010, 80. 18

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für notwendig halten dürfte, um andere vor Schäden zu bewahren.21 Die Schutzpflicht gegenüber den am Wettkampf teilnehmenden Sportlern sei jedoch im Vergleich zu der gegenüber Zuschauern eingeschränkt. Sie beziehe sich grundsätzlich nicht darauf, die Sportler vor solchen Gefahren zu schützen, die mit ihrer Beteiligung typischerweise verbunden seien. Mit einem durch die Eigenart des Sports erhöhten Gefahrenniveau müsse der Teilnehmer rechnen; diese gegenüber dem Alltagsleben gesteigerte Gefahr nehme er durch seine Beteiligung bewusst in Kauf. Die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters gegenüber den Sportausübenden bestehe deshalb in erster Linie darin, diese vor verdeckten oder atypischen Gefahren zu schützen. Maßgeblich seien die Nähe der Gefahr, das Ausmaß des drohenden Schadens, die Erkennbarkeit für die Teilnehmer sowie deren legitime Sicherungserwartungen und der Sicherungsaufwand. Beim Kunstturnen gehöre es daher zu den notwendigen Schutzpflichten, für den ordnungsgemäßen Zustand und Aufbau der Turngeräte Sorge zu tragen, denn vorhandene Mängel seien für die teilnehmenden Sportler nicht erkennbar und aus derartigen Mängeln drohten für diese ganz erhebliche Gefahren, während der wirtschaftliche und personelle Aufwand der Organisatoren hierfür sich in einem tragbaren, bereits durch die Organisation der Veranstaltung ohnehin verursachten Kosten- und Personalrahmen bewege. Die sichere Benutzungsmöglichkeit der Geräte durch die teilnehmenden Sportler zu gewährleisten, sei deshalb ein geradezu zwingendes Gebot. Entscheidend war – wie in vielen Haftungsfällen – die Beweissituation. Hierzu zwei Vorbemerkungen: Zum einen trägt im Deliktsrecht der Geschädigte grundsätzlich die Beweislast dafür, dass der Schädiger durch sein Verhalten eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat; zum anderen stellt sich in staatlich-gerichtlichen Verfahren nicht die Frage der Zulässigkeit eines Videobeweises22. Aus Sicht des Klägers war es deshalb ein glücklicher Umstand, dass seine Turnübung von drei Zuschauern mit Video aufgenommen worden ist. Das Gericht stützt sich in seiner Entscheidung auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Peter Brüggemann (Deutsche Sporthochschule Köln – Institut für Biomechanik und Orthopädie). Das Gutachten kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass weder ein technischer Mangel des Ringegerüsts noch ein Turnfehler des Turners unfallursächlich gewesen sei. Vielmehr zeige der Zusammenschnitt von Videobildnummer und Tonspur (Abb. 3 und 4) ein markantes, scharfes metallisches Geräusch unmittelbar vor dem Absacken des rechten Rings um knapp anderthalb Zentimeter. Bei dem metallischen Geräusch sei im Video eine deutliche Lockerung der rechten hinteren Verspannung des Ringegerüstes sichtbar. Das Geräusch lasse sich zwanglos mit dem Nachrutschen einer nicht ordnungsgemäß fixierten Ankerkette in Einklang bringen. 21

LG Gießen a. a. O. verweist auf BGH NJW 1990, 1236. K. Vieweg, Tatsachenentscheidungen im Sport – Konzeption und Korrektur, in: C. Krähe/K. Vieweg (Hrsg.), Schiedsrichter und Wettkampfrichter im Sport, Stuttgart 2008, S. 53 (56 ff.). 22

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Abbildung 3: Tonspur, zugehörige Videobildnummer und Videobild (Ausschnitt)

Abbildung 4: Bildserie Bild 1143 – 1148. Das Ereignis findet zwischen Bild 1145 und 1146 statt. Das Lösen der linken Hand beginnt bei Bild 1147 und ist bei Bild 1148 bereits beendet

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 02. 09. 201023 das Urteil des LG Gießen bestätigt. In rechtlicher Hinsicht hat es ausgeführt, dass der Vertrag zwischen dem Veranstalter und dem Ausrichter ebenfalls eine Schutzwirkung zugunsten der teilnehmenden Sportler beinhalte. Dieser könne deshalb auch eigene vertragliche Rechte geltend machen. Hinsichtlich der Beweissituation schließt sich das OLG Frankfurt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Brüggemann an.

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OLG Frankfurt SpuRt 2011, 31.

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V. Zusammenfassung und Fazit Haftungsfragen sind Dauerprobleme des Sportrechts. Die zu einem Raster zusammengefügten Haftungsszenarien belegen die Komplexität der Problematik, die sich nicht zuletzt daraus ergibt, dass es für einen Sportunfall möglicherweise für einen Sportunfall mehrere Verantwortliche mit unterschiedlichen Ursachenbeiträgen gibt. Das deutsche Sporthaftungsrecht berücksichtigt einige Besonderheiten des Sports, wie sie insbes. in den Sportregeln ihren Ausdruck finden. Bei der Konkretisierung der Sorgfaltsmaßstäbe und der Verkehrssicherungspflichten kann die Rechtsprechung allerdings nicht auf allgemeine Formulierungen wie „berechtigte Sicherheitserwartungen“, „nach den Gesamtumständen zumutbare Maßnahmen“ und „atypische Gefahren“ verzichten. Nimmt man das Präventionsziel des Haftungsrechts in den Blick, so ist die Risikoerkennung zentral, um Haftungssituationen zu vermeiden. Das gilt nicht nur für die gefährdeten Sportler und Zuschauer selbst, sondern auch für alle anderen Beteiligten. Zweckdienlich ist es, Unfälle genauestens zu dokumentieren (schriftlich und durch Video). Dies dient zum einen dazu, den konkreten Haftungsfall sachgerecht entscheiden zu können. Zum anderen werden durch die Summierung von Erfahrungen wertvolle Informationen generiert, die dazu beitragen können, Unfälle zukünftig zu vermeiden. Dies kann geschehen durch Sicherheitshandbücher (Safety Manuals), durch die Anpassung der Sportregeln und der technischen Bestimmungen der Sportverbände, durch Information der zuständigen Normungsorganisationen, durch Anpassung des Baurechts, durch weitsichtige Vertragsgestaltungen und nicht zuletzt durch eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. Da es ein „Nullrisiko“ nicht gibt, empfiehlt sich in finanzieller Hinsicht immer eine versicherungsrechtliche Absicherung.

Sport und Medien Entwicklungen im Spannungsfeld von Technik, Wirtschaft und Recht* I. Technische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ökonomische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Juristische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zentralvermarktung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kurzberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Hartplatzhelden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Veröffentlichung von Dopingfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verwendung ausländischer Decoder-Karten bei territorialer Exklusivität . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sport und Medien – Was kann ein Jurist zu diesem Thema beitragen? – Aktuelle Diskussionen verschaffen einen ersten Eindruck. Im März diesen Jahres mussten ARD und ZDF im Sportausschuss des Deutschen Bundestages rechtfertigen, warum sie auf die Live-Übertragung der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Korea verzichten. Dieser anfängliche Verzicht hatte erhebliche Kritik, insbes. von Dr. Clemens Prokop, dem Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, hervorgerufen.1 Die öffentlich-rechtlichen Sender – so Prokop – konzentrierten sich auf die Fußball-Berichterstattung. Eine klassische Sportart wie die Leichtathletik, die von fast einer Million Sportlern in über 1.500 Vereinen betrieben werde, werde an den Rand gedrängt. Unverständlich sei, warum die ARD hingegen für die Übertragung von Boxveranstaltungen am Samstagabend 54 Mio. E zahle. Die Leichtathletik-Rechte sollten hingegen nur 12 Mio. E kosten. Da – äußerst ungewöhnlich – die Sportausschusssitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, lassen sich die Gründe für die Entscheidung von ARD und ZDF nur mutmaßen: Die Zeit* Erstveröffentlichung in K. Möseneder (Hrsg.), Erlanger Forschungen Reihe A, Geisteswissenschaften, Band 124/125, Klimawandel. Mediengesellschaft, Erlangen 2012, S. 111 – 128. Die Vortragsfassung v. 29. 03. 2011 (Amberg) und 10. 10. 2011 (Ansbach) wurde beibehalten und um einige Fußnotennachweise ergänzt. Einen Überblick über die Quersschnittsmaterie gibt der Beitrag des Verfassers „Faszination Sportrecht“, der im Internet abrufbar ist unter http://www.irut.de/Forschung/Veroeffentlichungen/OnlineVersionFaszinationSportrecht/ FaszinationSportrecht.pdf. 1 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08. 03. 2011, S. 25; siehe zu der Thematik auch Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23. 03. 2011, S. 25.

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verschiebung würde zu einem geringeren Publikumsinteresse und – als Konsequenz – zu einer schlechteren Refinanzierung führen. Hingegen würden abendliche Boxkämpfe hohe Quoten gerade beim jüngeren Zielpublikum, das sonst die privaten Sender bevorzuge, sicherstellen. Das Problem löste sich letztlich dadurch, dass quasi in letzter Sekunde eine Einigung herbeigeführt werden konnte.2 Anfang Oktober 2011 erstritt die englische Pub-Besitzerin Karen Murphy vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen bemerkenswerten Sieg. Das Verbot, ausländische Decoder-Karten zu verwenden, verstoße – so der EuGH – gegen die Dienstleistungsfreiheit.3 Diese aktuellen Diskussionen lassen juristische Fragestellungen erkennen: Was sind Fernsehrechte? Wie lassen sie sich begründen? Welche Verträge müssen mit welchem Inhalt geschlossen werden? Was gehört zum Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender nach dem Rundfunkstaatsvertrag? In wirtschaftlicher Hinsicht wird deutlich, dass es um viel Geld geht. Um den Erwerb der Fernsehrechte an der Champions League für die Jahre 2012 – 2015 gibt es eine harte Konkurrenz mit Angeboten im zweistelligen Millionenbereich. Die Angebote von ZDF und pro7-Sat1 dürften zwischen 45 und 60 Mio. E pro Saison liegen.4 Es ist nicht nur der Markt der sog. Fernsehrechte betroffen. Auch die Sportwerbemärkte einschließlich der Sponsorenmärkte sowie die damit auch letztlich den Verbänden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehenden Finanzmittel sind tangiert. In technischer Hinsicht wird eine – gar nicht mehr diskutierte, weil selbstverständliche – Entwicklung deutlich. Liveübertragungen aus Korea in bester HD-Qualität sind kein Problem mehr. 3D ist im Kommen. Ich möchte zunächst versuchen, quasi in einer historischen Zeitreise die Berichterstattung und die zunehmende Inszenierung des Sports in den Medien zu veranschaulichen. Dazu habe ich eine DVD vorbereitet mit einigen „Meilensteinen“ der Sportmedienentwicklung. Danach gehe ich kurz auf die technische Entwicklung ein, die für die Darstellung des Sports in den Medien grundlegend ist. Es folgen dann einige Informationen zum Wirtschaftsfaktor Sport. Dabei geht es leider nicht ohne Zahlen. Diese sind allerdings äußerst eindrucksvoll. Der Wandel des Sports – so werden wir sehen – spiegelt sich in den Medien wider. Verzahnt mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ist die Entwicklung des Sportrechts, speziell des Sportmedienrechts. Die Sportmedien bewegen sich in einem Spannungsfeld von Technik, Wirtschaft und Recht. Von einem Juristen wollen Sie natürlich über die Rechtsprobleme im Konfliktfeld Sport und Medien informiert werden. Ich kann Ihnen versichern: Davon gibt es mehr 2

Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02. 04. 2011, S. 30. EuGH, Urteil v. 04. 10. 2011 – Rs. C-403/08 und C-429/08; dazu im Einzelnen unten III. 2. e). 4 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24. 03. 2011, S. 35; die 450.000 E Gehalt für Monika Lierhaus, die die Fernsehlotterie moderiert, fügen sich damit in das Gesamtbild ein. 3

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als genug. Das Sportrecht etabliert sich national wie international zu einer eigenständigen Querschnittsmaterie. Indikatoren sind neben wissenschaftlichen Vereinigungen, Fachzeitschriften und einer kaum mehr überschaubaren Zahl von Monographien die Einrichtung des Deutschen Sportschiedsgerichts in Köln und des Court of Arbitration for Sports in Lausanne. Der Deutsche Anwaltverein hat seit einigen Jahren eine Sektion Sportrecht. Inhaltlich geht es im Sportrecht um zahlreiche Aspekte. Zusammen mit dem Asser-Institut in Den Haag hat meine Forschungsstelle für Deutsches und Internationales Sportrecht5 eine Liste von 48 sog. Keywords erstellt. Eines davon betrifft speziell die Medien. Andere wie Doping, Werbung, Vermarktungsrechte haben einen – unterschiedlich engen – Bezug zu der Medienproblematik. Die DVD-Präsentation mit einigen „Meilensteinen“ der Sportmedienentwicklung zeigt Folgendes: @ ein Foto des 100-m-Laufs bei den Olympischen Spielen 1896 in Athen, die seinerzeit auf äußerst geringes Medieninteresse stießen und aus heutiger Sicht mäßige sportliche Leistungen boten; @ die erste Ikone des Sports: den Schwimmolympiasieger Johnny Weißmüller (1928) als Tarzan; @ Johnny Weißmüller mit seiner Ehefrau und einem Affen, der seiner Frau die Perücke vom Kopf reißt, im Aktuellen Sportstudio des ZDF 1971; @ ein Foto und eine Sequenz einer Hörfunkreportage des Boxkampfes zwischen Max Schmeling und Joe Louis am 19. 06. 1936; viele Deutsche stellten den Wecker, um die Live-Reportage nachts im Radio hören zu können; neben der buchstäblich „berauschenden“ Qualität der Reportage werden starke nationalsozialistische Tendenzen deutlich; Sport wurde im Dritten Reich als politisches Propagandainstrument entdeckt und eingesetzt; @ die erste Fernsehpräsentation anlässlich der Olympischen Spiele 1936 in Berlin mit der seinerzeit verwendeten Kamera; @ Filmsequenzen des von Leni Riefenstahl 1938 verantworteten Films „Olympia“ über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin; bemerkenswert sind die Zeitlupenaufnahmen vom Wasserspringen; @ Fernsehaufnahmen vom Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft am 04. 07. 1954 in Bern; der originale Fernsehkommentar ist nicht erhalten; unterlegt ist der Hörfunkkommentar von Herbert Zimmermann; @ den Boxer Peter Müller – in Köln De Aap genannt –, als er am 08. 06. 1952 im Kampf um die Mittelgewichtsmeisterschaft gegen Hans Stretz den Ringrichter Max Pippow nach dessen Ermahnung mit einem rechten Haken ausknockte; nach Ende seiner Boxerkarriere blieb Peter Müller populär als singender Sportler („Ring frei zur ersten Runde, Ring frei, jetzt komme ich …“), wie später andere Sportler (Martin Lauer, Marika Kilius, Hans-Jürgen Bäumler, Franz Beckenbauer); 5

http://www.irut.de/Forschung/ForschungsstelleSportrecht.html.

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@ eine Fernsehaufzeichnung eines Spiels in der ersten Saison der Fußball-Bundesliga 1963/64; aus heutiger Sicht fällt – neben den Schwarz-Weiß-Bildern – insbes. das bescheidene Fußballstadion auf; die noch relativ geringe Medienrelevanz wird deutlich an den wenigen Kameraeinstellungen und auch daran, dass das erste Tor, das Timo Konietzka in der Fußballbundesliga erzielte, nicht gefilmt worden ist; @ das berühmte Wembley-Tor beim Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 1966, das immer noch die Diskussionen beherrscht, wenn es um die sog. „Tatsachenentscheidungen im Sport“ geht; @ die Übertragung des Einmarsches der deutschen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München 1972 und das Hochsprungfinale mit dem Sieg von Ulrike Meyfarth; nicht aufgezeichnet wurde, dass die Latte erst nach längerer Zeit fiel, als ihre Konkurrentin Yordanka Blagojewa (Bulgarien) die Höhe von 1,90 m schon übersprungen hatte; @ den Boxkampf Muhammed Ali gegen Joe Frazier am 01. 10. 1975 (Thrilla in Manila); @ den Wimbledon-Sieg des 17-jährigen Leimeners Boris Becker am 07. 07. 1985; @ die Feier vor dem Brandenburger Tor in Berlin nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland; @ einen kurzen Videoausschnitt eines „Abstaubertores“ auf der Internet-Plattform „Hartplatz-Helden“. Einen ersten Überblick über die juristischen Probleme, die die Thematik Sport und Medien mit sich bringt, verschafft die folgende „Mindmap“.

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I. Technische Entwicklung Neben die Presse- und Filmberichterstattung (Wochenschauen) traten in Deutschland ab 1925 Sportreportagen im Hörfunk (z. B. über die Boxkämpfe von Max Schmeling). 1936 folgte die erste Fernsehübertragung von den Olympischen Spielen in Berlin im Zwischenfilmverfahren. Die Fernsehübertragung der Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern gab in Deutschland für das Fernsehen einen starken Impuls. 1963 nahm das ZDF seinen Sendebetrieb auf. 1967 wurde auf der Funkausstellung in Berlin offiziell das Farbfernsehen durch einen Knopfdruck von Willy Brandt eingeführt. Es folgte eine langjährige Konkurrenz zwischen dem deutschen PALVerfahren und dem – nicht kompatiblen – französischen SECAM-Verfahren. 1968 erfolgte die erste weltweite Farbfernsehübertragung mit Hilfe von Nachrichtensatelliten. Die Olympischen Spiele in Mexiko 1968 wurden bereits in Farbe übertragen. 1978 förderte die Fußballweltmeisterschaft die Verbreitung der Fernsehaufzeichnung durch Videorekorder. 1992 wurde die erste Live-Radiosendung von der Internet Engineering Task Force testweise über das Internet ausgestrahlt. 2006 sind mehr als eine Milliarde Menschen im Internet. Bereits diese Stichworte zeigen, dass Sport zunehmend zu einem elementaren Teil der Mediengesellschaft geworden ist. Die Medialisierung des Sports verstärkt den seit Jahrzehnten zu beobachtenden Prozess der Kommerzialisierung, Professionalisierung und Internationalisierung. Der technische Fortschritt erweist sich dabei als treibende Kraft der Medienlandschaft. Neben das Fernsehen sind die „Neuen Medien“, insbes. Internet und Kamera-Handys, getreten. Die Wechselwirkungen zwischen den Medien und dem Sport sind traditionell vielfältig. Sie haben mit den „Neuen Medien“ eine neue Qualität bekommen. So können über das Internet Wort-, Bild- und Toninformationen einfach, schnell und kostengünstig versendet bzw. abgerufen werden. Derartige Wechselwirkungen zwischen Sport und Internet haben nicht nur eine positive Seite. Neben Nutzen und Chancen treten vielmehr auch neuartige Risiken auf und stellen sich vielfältige Rechtsfragen, auf die ich später zurückkommen werde.

II. Ökonomische Aspekte Die Kommerzialisierung des Sports lässt sich anhand der Beträge, die für die sog. Fernsehrechte aufgewendet werden, gut nachvollziehen. Exemplarisch möchte ich auf die Fußball-Bundesliga und auf die Olympischen Spiele eingehen. Erstmals wurde in der Saison 1965/66 von ARD und ZDF Geld dafür bezahlt, dass sie die Spiele der Bundesliga übertragen durften. Damals handelte es sich um die relativ bescheidene Summe von 640.000 DM. 1980/81 waren es bereits 6,3 Mio. DM, 1991/92, als erstmals die Fernsehrechte an einen privaten Sender (UFA/RTL) gingen, 55 Mio. DM. 2002/2003 zahlte die KirchMedia-Gruppe 290 Mio. E. Aktuell werden für die Fernsehrechte an der Fußball-Bundesliga ca. 500 Mio. E pro Saison gezahlt. Davon entfallen auf die Inlandsvermarktung 440 Mio. E, auf die Auslandsvermark-

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tung 38 Mio. E. Aus kartellrechtlichen Gründen – als Reaktion auf die Marktmacht – werden die Fernsehrechte in verschiedene Pakete aufgeteilt: Exklusiv-, Erstverwertungs-, Zweitverwertungs-, Nachverwertungsrechte, nachrichtliche Berichterstattungsrechte, Archivrechte, Sublizenzrechte, Internetrechte. Im internationalen Vergleich nimmt sich die Bundesliga noch relativ bescheiden aus: So werden für die Fernsehrechte für die Premier League pro Saison mehr als 1 Mrd. E ausgegeben. Eine ähnliche Entwicklung haben die Einnahmen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) durch die Vergabe der Fernsehrechte für die Olympischen Spiele genommen. Erlöste das IOC für die Olympischen Spiele in München 1972 noch 17,8 Mio. US $, so bekam es für die Olympischen Spiele in Los Angeles 1984 bereits 287 Mio. E, für die Olympischen Spiele in Athen 2006 1,5 Mrd. E und für die Olympischen Spiele in Vancouver 2010 und London 2012 zusammen 3,8 Mrd. US $.6

III. Juristische Aspekte 1. Rechtliche Grundlagen Sollen Entscheidungen im Konfliktfeld Sport und Medien getroffen werden, so sind zunächst die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen in den Blick zu nehmen. Hierzu gehören in Deutschland insbes. die Vereins- bzw. Verbandsautonomie der den Sport immer noch tragenden 91.000 Vereine mit ihren 27,5 Mio. Mitgliedern, die ihrerseits in Fachverbänden auf Landes- und Bundesebene pyramidenförmig organisiert sind. Die Vereins- oder Verbandsautonomie7 bezeichnet – als Ausfluss der allgemeinen Privatautonomie – das Recht der Vereine und Verbände zur selbstständigen Regelung ihrer inneren Angelegenheiten. So umfasst sie inhaltlich sowohl das Recht zur eigenen Normsetzung, insbes. durch Satzung, als auch das Recht zur Selbstverwaltung durch Anwendung der selbstgesetzten Normen im Einzelfall. Ihre rechtliche Grundlage findet die Vereins- bzw. Verbandsautonomie in den §§ 21 ff. BGB. Verfassungsrechtlich ist sie als Teilaspekt der Vereinigungsfreiheit durch Art. 9 Abs. 1 GG abgesichert. Als weitere Rechtsgrundlage ist das aus den sachenrechtlichen Vorschriften der §§ 903, 1004 BGB (Eigentum, Eigentumsabwehrrechte) abgeleitete sog. Hausrecht8 zu erwähnen. Da es im deutschen Recht kein eigenständiges Veranstalterrecht in der Urheber- und Wettbewerbsgesetzgebung gibt, bildet es die – relativ schwache – Grundlage für die Veräußerung der sog. Fernsehrechte. Der Veranstalter kann den 6 Vgl. näher zur ökonomischen Bedeutung der Olympischen Spiele K. Vieweg, Sponsoring und Olympische Spiele, in: N. Klamaris/A. Bredimas/A. Malatos (eds.), Olmypic Games and the Law, Athens 2005, p. 255 – 265 (griechische Fassung: p. 267 – 273). 7 Vgl. hierzu im Einzelnen K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, insbes. S. 147 ff. 8 Vgl. hierzu statt vieler C. Röhl, Schutzrechte im Sport – Zum Schutz der Sportbeteiligten vor einer kommerziellen Ausbeutung in elektronischen Datenbanken, Berlin 2012, S. 293 ff.

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Zutritt zu einer Sportveranstaltung – auch im Hinblick auf die Berichterstattung – von der Errichtung eines Entgelts abhängig machen. Aus Athletensicht sind der verfassungsrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und – besonders wichtig im professionalisierten Sport – die Berufsfreiheit des Art. 12 GG von großer Bedeutung. Hinzu kommen spezielle Schutzbestimmungen wie das Namensrecht (§ 12 BGB) sowie der Datenschutz. Im kommerzialisierten Sport spielt selbstverständlich die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG eine große Rolle. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) sowie durch Filme. Mit der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit wird die institutionelle Eigenständigkeit von der Beschaffung der Informationen bis hin zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung geschützt.9 Der Rundfunkstaatsvertrag enthält Vorgaben für die Sportberichterstattung, insbes. hinsichtlich Programm-Sponsoring und Werbung. Der im Januar 2013 in Kraft tretende 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sieht ein Verbot von Programm-Sponsoring nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen vor. Ausnahmen sollen u. a. bei Olympischen Spielen, Fußballwelt- und Europameisterschaften sowie bei Fußballländerspielen der deutschen Nationalmannschaft gelten. Für andere Sportarten – wie die Leichtathletik – sind hingegen keine Ausnahmen vorgesehen. DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach spricht insofern von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft.10 Eine große praktische Bedeutung hat die EG-Fernsehrichtlinie des Jahres 2003 dadurch erlangt, dass sie die Werbung für Tabak verbietet. Dass sich Zigarettenfirmen aus dem Bereich der Sportwerbung zurückgezogen haben, hat hier seine Grundlage. Der pyramidenförmige Aufbau der Sportvereine und -verbände bringt hinsichtlich der Spitzenverbände eine Monopolsituation mit sich, die das Kartellrecht11 auf den Plan ruft. Hier geht es insbes. darum, den Missbrauch der mit der Monopolstellung verbundenen marktbeherrschenden Stellung zu unterbinden. Den Sportverbänden waren die Restriktionen, die sich aus dem Kartellrecht ergeben, lange Zeit nicht bewusst. Gerichte und Schiedsgerichte sowie das Bundeskartellamt haben im Laufe der Jahre dafür gesorgt, dass insofern ein gewisses Problembewusstsein entstanden ist. Eine ähnliche Problematik ergibt sich hinsichtlich des Wettbewerbs-

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Vgl. T. Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht (PHBSportR-Bearbeiter), 2. Aufl., München 2007, S. 341 m. w. N. in Fn. 14. 10 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23. 10. 2010, S. 23. 11 Eine umfassende Darstellung der kartellrechtlichen Probleme finden sich bei I. Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordination im Sport, Berlin 2001.

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rechts, das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt ist, und hinsichtlich des Urheberrechts. Schließlich sind für das Sportrecht allgemein, aber auch für das Sportmedienrecht, die Vorgaben des Europarechts zu beachten. Neben der erwähnten EG-Fernsehrichtlinie sind die Grundfreiheiten sowie auch die Grundrechtscharta wichtige rechtliche Grundlagen. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kürzlich im Fall Max Mosley die Pressefreiheit in Abwägung zum Persönlichkeitsrecht gestärkt.12 2. Entscheidungen Die eben erwähnten rechtlichen Grundlagen sowie die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten machen deutlich, dass Zielkonflikte bestehen, die – falls keine einvernehmliche Lösung erfolgt – letztlich gerichtlich entschieden werden müssen. Aus der Fülle medienrechtlicher Entscheidungen mit Sportbezug möchte ich fünf vorstellen, und zwar die zur: @ sog. Zentralvermarktung, @ Kurzberichterstattung, @ Internetplattform „Hartplatzhelden“, @ Veröffentlichung von Dopingfällen und @ Verwendung ausländischer Decoder-Karten bei territorialer Exklusivität. a) Zentralvermarktung In dem die UEFA-Cup-Heimspiele betreffenden Rechtsstreit, der in letzter Instanz vom Bundesgerichtshof (BGH) am 11. 12. 199713 entschieden wurde, ging es um die Frage, wer dazu befugt ist, die Rechte für die Fernsehübertragung der UEFA-Cup-Heimspiele zu veräußern – der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Rahmen einer Zentralvermarktung oder die einzelnen Vereine. Rechteinhaber ist nach ständiger Rechtsprechung der jeweilige Veranstalter. Der BGH untersagte dem DFB wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot, für den deutschen Markt Verträge über Fernsehübertragungen von Europapokalheimspielen deutscher Vereine auszuhandeln, soweit er damit den Vereinen das Recht nehme, derartige Verträge selbst abzuschließen. Der BGH begründete die Entscheidung damit, dass die Vereine jedenfalls Mitveranstalter der auf ihrem Platz ausgetragenen Heimspiele seien, selbst wenn man deren Einbindung in den Gesamtwettbewerb nicht als nebensächlich ansehe. Zwar könne ein Verband originäre Mitberechtigung an der Vermarktung eines Fußballwettbewerbs erlangen, wenn er die betroffenen Wettbewerbe ins Leben ge12 EGMR, Urt. v. 10. 05. 2011, Mosley gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 48009/08; vgl. hierzu auch Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12. 05. 2011, S. 33. 13 BGH, Zeitschrift für Sport und Recht (SpuRt) 1998, 28 ff.

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rufen, über zahlreiche Einzelmaßnahmen organisiert und geleitet sowie ihnen ein hohes Ansehen bei den Zuschauern verschafft habe. Dies könne bei Europapokalspielen aber allenfalls für die UEFA, nicht jedoch für den DFB angenommen werden. Für die Fußball-Bundesliga hat es bisher keine gerichtlichen Entscheidungen gegeben. Die juristische Diskussion kreist insbes. darum, wer Veranstalter ist. Nach der herkömmlichen Definition ist Veranstalter derjenige, der in organisatorischer und finanzieller Hinsicht für die Veranstaltung verantwortlich ist, wer deren Vorbereitung und Durchführung übernimmt und dabei das unternehmerische Risiko trägt. Die Übernahme wirtschaftlicher Risiken ist dabei unverzichtbare Veranstaltervoraussetzung. Sportorganisatorische Leistungen stehen nicht im Mittelpunkt. Ausgehend von dem erwähnten BGH-Urteil lässt sich vertreten, dass die Deutsche Fußball Liga (DFL)14 und die jeweiligen Bundesligavereine Mitveranstalter sind oder eine Rechtegemeinschaft bilden. Ungeachtet der juristischen Diskussion hat die UEFA beschlossen, alle Medienrechte für die EM- und WM-Qualifikationsspiele zentral zu vermarkten, um auf diese Weise die Erlöse erheblich zu steigern. Die Erlöse sollen mit einigen finanziellen Garantien an die 53 Mitgliedsverbände verteilt werden. Die Marketingrechte sollen hingegen – entgegen der ursprünglichen Planung15 – weiterhin bei den Verbänden verbleiben. Dass alternativ zur Zentralvermarktung auch eine individuelle Vermarktung der Fernsehrechte möglich ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass einzelne Fußballvereine sogar eigene Fernsehkanäle geschaffen haben. So hat Manchester United 1998 das „MUTV“ gegründet.16 2011 startete Borussia Dortmund in Zusammenarbeit mit der Telekom sein Vereinsfernsehen.17

14 Zum Zeitpunkt des BGH-Urteils war der DFB noch Veranstalter der Bundesliga. Inzwischen, mit der Ausgliederung der Bundesliga auf die DFL, ist jedenfalls diese als Veranstalter anzusehen. Daneben könnte man den DFB, der die Rechte zur Austragung der Bundesliga auf die DFL übertragen hat, als Mitveranstalter ansehen. Zur Strukturreform im deutschen Fußball PHBSportR-Summerer, 2. Aufl., München 2007, S. 117 f. 15 Siehe http://www.handelsblatt.com/uefa-exko-beschliesst-mediale-zentralvermarktung/ 3977234.html (Stand 29. 11. 2011). Geplant war ursprünglich eine Auskehrung des Erlöses nach einem Fixbetrag in Höhe von 4 Mio. E an jeden der 53 Mitgliedsverbände und nach einem flexiblen Betrag, der sich nach der Größe des jeweiligen TV-Marktes am Gesamtmarkt bemisst. Für die 6 wichtigsten Fußballverbände – diejenigen in Deutschland, England, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Spanien –, die derzeit rund 60 % der Gesamteinnahmen auf sich vereinen können, hätte die Realisierung zu erheblichen Einbußen geführt. Zudem wären Konflikte vorprogrammiert gewesen, da einige Verbände langfristige (Exklusiv-)Verträge mit Sponsoren geschlossen hatten und auch die UEFA Exklusivität zusichern wollte. 16 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 01. 10. 1997, S. 26. 17 Siehe http://www.hsv.de/fans/meldungen/juli-2011/hsv-total-neues-vereins-fernsehengeht-auf-sendung/ (Stand: 29. 11. 2011).

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b) Kurzberichterstattung TV-Sender haben laut § 5 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) das Recht, über Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind, zu eigenen Sendezwecken zu berichten. Dies betrifft auch Sportveranstaltungen. Verpflichtet wird durch diese Regelung der Veranstalter eines solchen Ereignisses. Ihm wird die Pflicht auferlegt, TV-Sendern zum Zweck der Kurzberichterstattung den Zugang zu dem Event zu gewähren. Ursprünglich war dieser Zugang sogar unentgeltlich vorgesehen. Gegen dieses Recht auf Kurzberichterstattung wurde 1998 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Normenkontrollverfahren wegen Verstoßes gegen die Eigentumsfreiheitsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG eingeleitet. Das BVerfG18 hat allerdings – mit Ausnahme der Unentgeltlichkeit – die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestätigt. Zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht sei der Gesetzgeber aufgerufen, Maßnahmen nicht nur gegen Medienkonzentration, sondern auch gegen Informationsmonopole zu ergreifen. Hingegen verstoße es gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, wenn das Kurzberichterstattungsrecht bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen unentgeltlich ausgestaltet sei. Aufgrund der Entscheidung wurde in den RStV eine Regelung aufgenommen, der zufolge der Veranstalter Anspruch auf ein „dem Charakter der Kurzberichterstattung entsprechendes billiges Entgelt“ hat. Erwähnenswert ist die sog. Schutzliste in § 5a Rundfunkstaatsvertrag. Diese Vorschrift sieht vor, dass bestimmte Großereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung im frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm übertragen werden. Hierzu gehören die Olympischen Sommer- und Winterspiele, die Heim- und Auswärtsspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sowie die Endspiele in der Champions League und in der Europaliga bei deutscher Beteiligung.19 c) „Hartplatzhelden“ Die durch Werbung finanzierte Internet-Plattform „Hartplatzhelden“ bietet an, kostenlos Aufzeichnungen von Amateurspielen einzustellen bzw. anzusehen. Der Württembergische Fußballverband (WFV) wollte die Aktivitäten von „Hartplatzhelden“ als unerlaubte gewerbliche Verwertung gerichtlich untersagen lassen und war davon ausgegangen, dass er als Veranstalter sämtliche Rechte an Fotos und Filmen der Spiele im Bereich des WFV besitzt. Der BGH wies die Klage am 28. 10. 2010 als letzte Instanz ab.20 Zuvor hatten das Landgericht Stuttgart sowie das Oberlandesgericht Stuttgart als Vorinstanzen mit Hinweis auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zu Gunsten des WFV entschieden. Der BGH verneinte hingegen ein ausschließliches Verwertungsrecht des klagenden Verbandes. Entgegen der Ansicht 18

BVerfGE 97, 228 ff. = SpuRt 1998, 116 ff. Vgl. § 5a Abs. 2 RStV. 20 BGH, Urt. v. 28. 10. 2010 – Az. I ZR 60/09 = SpuRt 2010, 158 – Hartplatzhelden.de; vgl. hierzu A. Ohly, CaS 2009, 148 ff. 19

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des Oberlandesgerichts stelle die Veröffentlichung der Filmausschnitte keine unlautere Nachahmung eines geschützten Leistungsergebnisses nach § 4 Nr. 9 UWG dar. Der WFV hatte im Vorfeld argumentiert, dass er den kompletten Spielbetrieb organisiere. Er erstelle die Spielpläne, bilde Schiedsrichter aus und halte den Betrieb mit vielen Ehrenamtlichen am Laufen.21 Daher gebührten ihm auch die ausschließlichen Verwertungsrechte für die Spiele. Der BGH stellte jedoch klar, dass die vom Kläger erbrachte Leistung der Organisation und Durchführung der Fußballspiele keines solchen Schutzes bedürfe. Der WFV könne sich über die ihm angehörigen Vereine eine entsprechende wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht untersagt werden. d) Veröffentlichung von Dopingfällen Doping ist seit der Disqualifikation von Ben Johnson bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul ein zentrales Thema des Sportrechts. In Deutschland ist die Problematik seit Anfang der 1990er Jahre brisant geworden. Im Rahmen der deutschen Vereinigung wurde bekannt, dass es in der DDR ein flächendeckendes systematisches Doping gegeben hatte.22 Wie die Verhältnisse in der „alten Bundesrepublik“ waren, kommt allmählich auch zu Tage.23 Um die von den Verbänden ausgesprochenen Doping-Sanktionen „gerichtsfest“ zu machen, wurden die Rahmenrichtlinien des Deutschen Sportbundes zur Bekämpfung des Dopings 1991/1992 grundlegend überarbeitet. In diese Zeit – vor den Olympischen Spielen in Barcelona – fiel der Fall der Sprintdoppelweltmeisterin Katrin Krabbe, der weltweit höchste Beachtung in den Medien fand.24 Die drei in Stellenbosch (Südafrika) zur Dopingkontrolle aufgeforderten Athletinnen hatten identischen Urin abgegeben. Deshalb lag die Vermutung nahe, dass sie zu Analysezwecken dopingfreien Fremdurin abgegeben hatten. Zur Untermauerung dieses Verdachts wurde im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ seinerzeit in einer Tabelle veröffentlicht, welche Anti-Baby-Pillen Katrin Krabbe in welchen Monaten nach ihren eigenen Angaben genommen hatte. Zu derartigen Angaben waren und sind die Athleten nach den Doping-Regularien verpflichtet. Die Angabe von drei unterschiedlichen Präparaten innerhalb weniger Monate wurde als Indiz dafür gewertet, dass Urin einer anderen Frau abgegeben worden war. Verständlicherweise war der zuständige Spiegel-Redakteur nicht bereit, mir die Quelle seiner 21

Vgl. auch die Stellungnahme des Vizepräsidenten des DFB Dr. R. Koch, Sieg für den Amateurfußball, DFB-Journal 2/2008, S. 33 f. 22 Vgl. hierzu den im Juni 1991 veröffentlichten Bericht des Präsidenten des Bundessozialgerichts H. Reiter, der der unabhängigen Anti-Doping-Kommission von Deutschem Sportbund und Nationalem Olympischem Komitee vorstand. 23 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 01. 10. 2011, S. 1 sowie v. 27. 09. 2011, S. 28. 24 K. Vieweg, Doping and the Krabbe Cases – The Legal Review of „Sports Decisions“ in Germany, in: The Human Rights Training Institute of the Paris Bar Association, Sports and Fundamental Guarantees. Assault – Doping, Paris 2003, p. 571 – 587.

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Information zu nennen. Der journalistische Quellenschutz rechtfertigt die Geheimhaltung des Namens von Informanten. So blieb offen, welche der möglichen 6 Informationsquellen letztlich für die Veröffentlichung verantwortlich war. Unabhängig davon stellte sich die Frage, ob derartige Informationen in die Öffentlichkeit gehören. Einander gegenüber stehen in derartigen Fällen das Interesse der betreffenden Sportverbände und der Öffentlichkeit einerseits sowie das Interesse des Athleten/ der Athletin an der Wahrung seiner bzw. ihrer Persönlichkeitsrechte sowie der Einhaltung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die für personenbezogene Informationen mit Gesundheitsbezug einen besonderen Schutz vorsehen, andererseits. Dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Persönlichkeitsrechten der Athleten hat sich in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in den verschiedensten Facetten gezeigt. Die Berichterstattung in den Medien hat uns über Einzelheiten der Dopingpraktiken – z. B. Einführung von sauberem Fremdurin mittels Katheter und Eigenblutdoping – sowie über die „Behandlungskosten“ durch spezialisierte Ärzte umfassend informiert. Die Interessenlage ist ambivalent. Soweit ein ernsthaftes Interesse der Sportverbände an der Dopingbekämpfung besteht, ist die möglichst detailgetreue Veröffentlichung zweckdienlich, nicht zuletzt aus Gründen der Prävention und der eigenen Imagepflege. Auf Seiten der Athleten werden insbes. in Verdachtssituationen deren Persönlichkeitsrechte und – im professionalisierten und kommerzialisierten Sport – deren wirtschaftliche Interessen tangiert. Auch Drittinteressen sind betroffen. Der mit Sponsoring bezweckte positive Imagetransfer von einem erfolgreichen Athleten auf den Sponsor kehrt sich ins Gegenteil. Im Fall des Radfahrers Jan Ullrich ergab sich noch die besondere Situation, dass die ARD vertraglich mit ihm gegen Zahlung eines sechsstelligen Honorars25 vereinbart hatte, dass er der ARD Exklusivinterviews gab. Auch für sportinteressierte Gebührenzahler ist dies schwer nachvollziehbar. Ebenso fragwürdig ist, dass ARD und ZDF mit 700 Mitarbeitern zu den Olympischen Spielen 2008 nach Peking reisten und Produktionskosten in Höhe von geschätzten 40 Millionen Euro anfielen.26 Eine aktuelle Variante dieser Grundproblematik stellt – geradezu typisch für das Internet-Zeitalter – die Problematik der Online-Veröffentlichung von Doping-Sanktionen durch die Verbände dar. In jeweils knapp begründeten Urteilen vertreten sowohl das OLG Karlsruhe27 als auch das LG Hamburg28 den Standpunkt, gegen die in den betreffenden Verbandsre25 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05. 09. 2006, S. 40: Jan Ullrich sollte gemäß der mit der ARD geschlossenen „Mitwirkendenvereinbarung“ maximal 195.000 E pro Jahr für Exklusivinterviews/Reportagen erhalten. Die Vergütung war teilweise erfolgsabhängig und gestaffelt. So sollten für einen Etappensieg bei der Tour de France 20.000 E gezahlt werden. 26 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 25. 08. 2008, S. 36. 27 OLG Karlsruhe, SpuRt 2009, 204. 28 LG Hamburg, SpuRt 2009, 205.

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gelungen vorgesehene Veröffentlichung verbandsinterner Sanktionen auf der Homepage eines Sportverbands sei im Ergebnis nichts einzuwenden. Das OLG Karlsruhe sieht zwar durchaus die Gefahr, dass die Online-Veröffentlichung der Sanktion für den Betroffenen nachteilige Wirkungen haben kann. Einen „erheblichen Persönlichkeitsschaden“ will es jedoch nicht erkennen. Ein solcher sei allerdings erforderlich, um die Verbreitung einer wahren Tatsache zu unterbinden. Zu berücksichtigen sei das gesteigerte Interesse aller am Ligabetrieb Beteiligten an einer schnellen und zuverlässigen Mitteilung kürzlich verhängter Verbandssanktionen. Eine Online-Veröffentlichung entfalte keine besondere Breitenwirkung, da nur solche Personen Informationen über den Betroffenen erhielten, die von sich aus aktiv würden, die Webseite aufriefen und sich über mehrere Links zu den Spielsperren „durchklickten“. Auch der Umstand, dass einmal in das Internet eingestellte Einträge zumeist dauerhaft abrufbar bleiben und dann über Suchmaschinen wie Google leicht aufgefunden werden können, ändere an der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung nichts. Eine öffentliche Stigmatisierung oder Prangerwirkung sei durch sie nicht zu befürchten. In ähnlicher Weise urteilt auch das LG Hamburg. Die öffentliche Verwarnung greife zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Sportlers ein; dieser Eingriff sei allerdings nicht rechtswidrig, da eine solche Vorgehensweise von den Verbandsstatuten gedeckt sei und der Sportler durch seinen Verbandsbeitritt wirksam in eine Beschränkung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingewilligt habe. Auch stehe § 4 Abs. 1 BDSG der Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung nicht im Wege, da die Einwilligung auf einer freien Entscheidung beruhe und weder eine Zwangsmitgliedschaft noch eine Drucksituation im Raum stehe. Diese Entscheidungen haben mein früherer Mitarbeiter Notarassessor Dr. Christoph Röhl und ich kritisch kommentiert.29 Wir sind der Auffassung, dass die Entscheidungen nicht hinreichend differenzieren. Immer wenn Grundrechtspositionen miteinander kollidieren – hier einerseits die Vereinsautonomie des Art. 9 Abs. 1 GG und andererseits das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – ist diese Kollision durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der praktischen Konkordanz aufzulösen. Danach kommt es letztendlich auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und damit auf eine Abwägung der betroffenen Interessen an. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der Differenzierung. Eine Verbandsnorm, die Online-Publikationen von Verbandssanktionen vorsieht, hält unserer Auffassung nach nur dann einer Inhaltskontrolle stand, wenn sie insbes. die Spezifika von Online-Publikationen, die Art und Schwere der Verfehlung, die Bedeutung der Online-Veröffentlichung für Image und Präventionsarbeit des Verbands sowie das Ansehen, die soziale Stellung und den Bekanntheitsgrad des Sanktionierten angemessen berücksichtigt. Weiterhin muss dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in vielen Fällen – insbes. bei Verfehlungen ohne Außenwirkung – dadurch Rechnung getragen werden, dass durch Einrichtung eines passwortgeschützten Bereichs 29 K. Vieweg/C. Röhl, Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen aus rechtlicher Sicht, SpuRt 2009, 192 ff.

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auf der Verbandshomepage nur solchen Personen der Zugriff auf die verhängten Sanktionen gestattet wird, die ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an diesen Informationen haben. e) Verwendung ausländischer Decoder-Karten bei territorialer Exklusivität Dem am 04. 10. 2011 durch die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs entschiedenen Fall Football Association Premier League (FAPL) gegen QC Leisure und Karen Murphy gegen Media Protection Services30 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die FAPL betreibt die führende Profifußball-Liga in England und vermarktet die Rechte zur Fernsehausstrahlung der Spiele dieser Liga. Sie räumt nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens den Rundfunkanstalten ein ausschließliches Recht für die Live-Ausstrahlung der Spiele der Premier League nach Gebieten ein. Diese Gebiete entsprechen jeweils den Gebieten der Mitgliedstaaten. Dies hat zur Konsequenz, dass Fernsehzuschauer nur die Spiele sehen können, die von den Rundfunkanstalten mit Sitz in dem Mitgliedstaat ausgestrahlt werden, in dem sie wohnen. Um dies sicherzustellen, verpflichten sich die Rundfunkanstalten in deren Lizenzvertrag gegenüber der FAPL, ihr Satellitensignal verschlüsselt nur den Abonnenten zu übermitteln, die in den ihnen zugewiesenen Gebieten wohnen. Damit ist ihnen vertraglich verboten, die Decoder-Karten Personen zur Verfügung zu stellen, die ihre Sendungen außerhalb des Gebiets, für das ihnen die Lizenz erteilt wurde, sehen wollen. Um diese gebietsbezogene Exklusivität zu umgehen, verwendeten in England einige Gastwirtschaften – wie der Pub von Karen Murphy – günstigere Decoder-Karten aus dem Ausland, im konkreten Fall: aus Griechenland. Die FAPL ging zivilrechtlich gegen die Gastwirtschaften, die unter Verwendung griechischer Decoder-Karten Spiele der Premier League gezeigt hatten, und gegen die Händler, die diesen Gastwirtschaften solche Decoder-Karten geliefert hatten, vor. Außerdem wurde gegen die Pub-Besitzerin Karen Murphy, die Spiele der Premier League unter Verwendung ausländischer Decoder-Karten zeigte, auch strafrechtlich vorgegangen. Bereits in ihren Schlussanträgen vom 03. 02. 2011 vertrat die Generalanwältin Kokott die Ansicht, dass Vereinbarungen über die territoriale Exklusivität von Übertragungen von Fußballspielen gegen EU-Recht verstoßen.31 Es sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar, Live-Übertragungen von Premier-League-Fußballspielen in Gaststätten mit Hilfe ausländischer Decoder-Karten zu verbieten. Zu demselben Ergebnis führt die Entscheidung des EuGH. Danach verstoßen nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoder-Karten untersagen, gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56

30 EuGH, Urt. v. 04. 10. 2011, Rs C-403/08 (Football Association Premier League vs. QC Leisure) und C-429/08 (Karen Murphy vs. Media Protection Services). 31 Schlussantrag Generalanwältin J. Kokott, 03. 02. 2011, Rs. C-403/08 und C-429/08.

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AEUV32). Es bestehe keine Rechtfertigung durch das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, noch durch das Ziel, die Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien zu fördern. Die Spiele der Premier League seien keine eigenen geistigen Schöpfungen und stellten daher keine Werke im Sinne des Urheberrechts dar. Die gebietsabhängige Exklusivität führe zu künstlichen Preisunterschieden und zu einer nationalen Marktabschottung, die mit den grundlegenden Zielen des AEUV nicht vereinbar seien. Das System exklusiver Lizenzen verstoße gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Lizenzverträge dürften den Rundfunkanstalten nicht jede grenzüberschreitende Erbringung von Diensten im Zusammenhang mit den betreffenden Sportereignissen untersagen. Ansonsten bestehe die Gefahr, den Wettbewerb zwischen verschiedenen Anstalten auszuschalten, und ein Abschottungseffekt. Ob es sich bei diesem Urteil um ein „Bosman-Urteil im Medienrecht“33 handelt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Die Praxis wird zeigen, wie das Urteil den Verkauf von Übertragungsrechten der Premier League und anderer Sportveranstalter beeinflussen wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Urteil im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangen ist und noch vom zuständigen Gericht in Großbritannien in eine konkrete Entscheidung umgesetzt werden muss.

IV. Zusammenfassung Die technische Entwicklung der Medien – von der Presse über den Film und den Hörfunk bis hin zu 3D-Fernsehen und Internet – hat die Sportberichterstattung begleitet und geprägt. Dasselbe gilt für die wirtschaftliche Entwicklung, die sich stichworthaft durch Professionalisierung, Kommerzialisierung und Internationalisierung beschreiben lässt. Der Wandel des Sports spiegelt sich insofern in den Medien wider. Verzahnt mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ist die Entwicklung des Sportrechts, speziell des Sportmedienrechts. Nicht nur die Sportverbände selbst gestalten die Rechtslage durch medienspezifische Regeln und Verträge. Auch die staatliche Gesetzgebung und die Rechtsprechung nehmen den Sport und seine Medienpräsenz zunehmend in den Fokus. Vermarktung, Sponsoring, Persönlichkeitsund Urheberrechte, Fernseh-, Hörfunk- und Internetrechte sind Schlaglichter dieser Entwicklung.

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Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union erhielt diese Bezeichnung mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 01. 12. 2009. 33 So zumindest die Kommentatoren im englischen Fernsehen, vgl. auch Mindener Tagblatt v. 05. 10. 2011, S. 29 oder unter http://www.an-online.de/artikel/1832185 (Stand: 29. 11. 2011).

Sports Law Germany* General Introduction Chapter 1. General Background: Sport and Sports Law Chapter 2. Development of Sports Law Chapter 3. Sources of Sports Law Part I. Organization of Sport Chapter 1. General Issues Chapter 2. Public Regulation § 1 CONSTITUTIONAL GUARANTIES AND WARRANTIES, PARTICULARLY FREEDOM OF ASSOCIATION I. Constitutional Guarantees for Sports Associations and Federations: Freedom of Association, Article 9(1) GG II. Constitutional Guarantees for Individual Participants Involved in Sporting Activities, in Particular, Athletes 1. General Freedom of Action, Article 2(1) GG 2. Protection of Bodily Integrity, Article 2(2) Sentence 1 GG 3. Professional Freedom, Article 12(1) GG 4. Property, Article 14 GG § 2 GOVERNMENTAL CONDITIONS AND PERMITS I. Law of Associations, §§ 21 et seq. BGB II. The Support and Promotion of Sport 1. Promotion of Sport as a Public Task 2. Allocation of Authority and Appraisal of the Situation a) Promotion of Sport by the Federal Authorities b) Sports Sponsorship by the States c) The Promotion of Sports by Local Authorities § 3 PUBLIC SAFETY I. Public Order Measures 1. Major Sporting Events and Responsibility of Interference 2. Children’s High-Performance Sports II. Public-Law Provisions Relating to Construction and Use * Zusammen mit Andreas Krause, Alphen aan den Rijn 2013, 279 S.

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§ 4 TAX (BY DR ALEX STEINER) I. Introduction II. Taxation of Sports Associations 1. Non-profit Organizations: Exemptions from Taxation (Gemeinnützigkeit) 2. Professional Sports Division in, or in Addition to, an Association 3. Consequences of Being Arranged as a Non-profit Organization (Gemeinnützigkeit) 4. Bookkeeping and Profit Assessment III. Sports and Income Tax 1. The Association as Employer a) The Term ‘Employee’ b) Payment and Expense Allowance c) Benefits-in-Kind d) Procedural Questions 2. Athletes as Operators of Businesses 3. Special Facts Relating to Honorary Offices 4. Business Partnerships (Personengesellschaften) in Sports 5. Hobby (Liebhaberei) IV. Commercial Tax V. The Obligation to Keep Records and Documentation VI. Regulations for Sponsors 1. Sponsoring Order a) Definition of Sponsoring b) Treatment as Regards the Sponsor c) Treatment as Regards the Recipient 2. Assumption of Taxation by Business Associates 3. VIP-Lounges VII. Other Specific Regulations 1. Accounting for Player Permits in Commercial and Professional Sports 2. Naming and Television Rights 3. Player Lending 4. International Sports VIII. Value-Added Tax § 5 DISPUTE SETTLEMENT

Chapter 3. Private Regulation § 1 SPORT ORGANIZATIONS IN GERMANY: STRUCTURAL CHARACTERISTICS OF SPORTS ORGANIZATIONS I. Pyramid Formation II. ‘Ein-Platz-Prinzip’ III. Tasks of the Various Sporting Associations § 2 LEGAL FORMS OF SPORTS ASSOCIATIONS AND ORGANIZATIONS I. The Registered Association (Eingetragener Verein) II. Alternative Legal Forms § 3 STATUES AND SETS OF RULES

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§ 4 RELATIONSHIP TO STATE LAW, IN PARTICULAR THE ABILITY OF STATE COURTS TO REVIEW DECISIONS OF FEDERATIONS § 5 LEGAL RELATIONSHIP BETWEEN THE ASSOCIATION AND ITS MEMBERS I. Types of Membership and Binding Nature of Regulations Enacted by Federations II. Membership Rights and Duties in Concrete Terms 1. Membership Rights 2. The Duties of the Members III. The Right of Admission IV. Licensing Procedure V. Nomination § 6 SANCTIONS IMPOSED BY ASSOCIATIONS AND FEDERATIONS § 7 LEGAL PROTECTION AGAINST DECISIONS REACHED INTERNALLY BY ASSOCIATIONS AND FEDERATIONS § 8 LIABILITY ISSUES I. The Basics of Liability II. Typical Cases 1. Liability of Associations and Association Boards 2. Liability of Organizers 3. Liability of Federations 4. Liability of Athletes 5. Liability of Spectators § 9 REGULATIONS INTENDED TO GUARANTEE (PUBLIC) SAFETY, PARTICULARLY IN RELATION TO HOOLIGANS

Part II. Sport and Employment Chapter 1. General Issues Chapter 2. Public Regulation § 1 CLASSIFICATION OF THE LEGAL CHARACTER OF SPORTS PERFORMANCE CONTRACTS I. Application of German Employment Law in the Area of Sports 1. The Term ‘Employee’ 2. Qualification of Athletes a) Sport as Work b) Private Law Contract c) Personal Dependency d) Summary 3. Classification of Coaches 4. Classification of Referees 5. Persons Similar to Employees 6. Persons Employed for Vocational Training II. Establishment of Freelance Contracts and Employment Relationships 1. Conclusion of a Private Law Contract 2. Information Rights of the Employer

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3. Prohibition of Discrimination III. Termination of the Contractual Relationship 1. Regular Notice of Termination 2. Termination for Cause a) Grounds for Termination b) Form and Period of Notice c) Several Grounds for Termination d) Period for Filing an Action in Employment Relationships 3. General Termination Protection under the KSchG a) Scope of Application b) Requirement of a Social Justification c) Period for Filing an Action in Employment Relationships 4. General Protection against Dismissal outside the KSchG 5. Dismissal Pending Change to Contract 6. Special Termination Protection 7. Stipulation of a Time Limit a) Requirements of Permissible Stipulations of a Time Limit b) Time-Limited Contracts with Athletes c) Coaches 8. Legitimacy of a Long-Term Contractual Obligation of the Athlete by the Club 9. Bankruptcy 10. Transfer 11. Business Transfer § 2 FUNDAMENTAL RIGHTS AND OBLIGATIONS PERTAINING TO THE SPORTS PERFORMANCE RELATIONSHIP I. A General Overview of the Structure of the Working Relationship Obligations II. The Review of Standardized Contracts III. Sports Performance Contracts for Athletes 1. Main Performance Obligations of Athletes a) Sporting Performance b) Public Relations Activities 2. Additional Performance Obligations on the Athlete a) Promotion and Maintenance of Performance b) Exploitation of Athlete’s Personal Rights 3. Secondary Obligations upon the Athlete 4. Main Performance Obligations of the Employer a) Persons Who Come into Consideration as Employer b) Payment c) Employment d) Holidays 5. Additional Performance Obligations of the Employer a) Protection against Damage to Health b) Protection of the Athlete’s Personal Rights 6. Impairments of Performance in the Athlete’s Employment Relationship a) Impairments on the Athlete’s Part b) Impairments on the Employer’s Part c) Rights of Retention of the Contracting Parties d) Contractual Penalties

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IV. Trainer Contracts 1. Performance Obligations of the Trainer 2. Performance Obligations of the Club 3. Impairment of Performance in the Trainer’s Working Relationship V. Referee Contract § 3 LABOUR MARKET REGULATION I. The Employment of Foreign Athletes in Germany 1. National Measures a) Non-EU Citizens b) EU Citizens c) Special Regulations for Professional Sports 2. Measures Taken by the Federations II. Regulations Relating to Sports Agents in Germany 1. National Measures a) Provisions in the SGB III b) Provisions in the Gewerbeordnung (Trade, Commerce and Industry Regulation Act) c) Provisions in the Rechtsdienstleistungsgesetz (Legal Services Act) d) Summary 2. Measures Imposed by the Federations § 4 SOCIAL SECURITY I. Statutory Health Insurance II. Statutory Accident Insurance III. Statutory Pension Insurance IV. Statutory Unemployment Insurance § 5 DISPUTE SETTLEMENT IN SPORTS I. Dealing with Labour Law Disputes before Association Courts and Courts of Arbitration 1. Jurisdiction of the Club and/or Federation 2. Courts of Arbitration 3. Interim Legal Measures II. National Jurisdiction 1. Labour Court Jurisdiction a) Legal Access to the Labour Courts b) Competence c) Local Jurisdiction 2. Ordinary Courts III. Applicable Law

Chapter 3. Private Regulation Through Collective Bargaining § 1 SYSTEMATIZATION § 2 COLLECTIVE LABOUR LAW IN SPORT I. Collective Labour Agreement and Labour Dispute Law II. Right of Co-determination 1. Works Constitution Law (Betriebsverfassungsrecht) 2. Co-determination on Financial Matters

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Part III. Doping §1 §2 §3 §4 §5 §6

THE HISTORY OF DOPING IN GERMANY HARMONIZATION OF THE FIGHT AGAINST DOPING AND CURRENT PROBLEMS THE AIMS OF THE BAN ON DOPING ANTI-DOPING MEASURES SANCTIONS ANTI-DOPING CODE?

Part IV. Sport and Commerce Chapter 1. General Issues Chapter 2. Public and Private Regulation § 1 MEDIA AND TELEVISION RIGHTS I. General II. Television Rights 1. Legal Nature and Basis 2. Holders of Rights 3. Contractual Provisions a) Type of Contract b) Primary Obligations and Subject of the Contract c) Exclusivity Agreements 4. Legal Limitations on the Marketing of Television Rights a) Limitations under Antitrust Law b) Limits Arising Out of the Interstate Broadcasting Agreement c) Legal Consequences of Infringement III. Special Characteristics of Radio Reporting IV. Special Features of Newspaper Reports V. Sport and ‘New Media’ 1. Internet TV 2. The Online Publication of Federation Sanctions and Opinion Portals 3. Live Ticker 4. Social Media Marketing 5. Ticket Sales § 2 SPONSORING I. Term, Forms and Economic Importance II. The Sponsorship Agreement 1. Content of Sponsorship Agreements 2. Main Performance Obligations 3. Non-performance III. Conflicts of Interest 1. Sponsored Party – Federation 2. Sports Association – Federation 3. Other Conflicts of Interests

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IV. The Enforcement of Rights Relevant to Sponsorship V. Naming Rights VI. Ambush Marketing VII. Hospitality § 3 MERCHANDIZING I. Definition, Function, Commercial Importance II. Merchandizing Contracts 1. Types of Contract 2. Subject Matter of Merchandizing Contracts 3. Trademark Rights of Athletes and Coaches a) Image b) Name c) Voice 4. Trademark Rights Applying to the Sports Event Organizer a) Organizer name b) Event Names c) Sport-Related Symbols d) The Act to Protect the Olympic Emblem and Olympic Symbols (Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen – OlympSchG) e) Event Songs and Association Anthems f) Jingles g) Slogans § 4 OWNERSHIP OF CLUBS Selected Bibliography Index

Lex sportiva und Fairness-Prinzip* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definitionen, Quellen, Funktionen und Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lex sportiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionen und Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fairness-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlage und Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Analyse und Kritik der CAS-Spruchpraxis zum Fairness-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensrechtlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materiell-rechtlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung und Anwendung der Sportverbandsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzung der Normsetzungsautonomie der Sportverbände . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Seit einigen Jahren wird die lex sportiva in der sportjuristischen Fachwelt intensiv diskutiert.1 Dies verwundert nicht, da sich mit der Internationalisierung des Sports und dessen Kommerzialisierung und Medialisierung ein gesteigerter Bedarf zeigt, den unvermeidbaren Konflikten weltweit einheitlich zu begegnen, nicht zuletzt, um eine unerwünschte Rechtszersplitterung zu vermeiden. Der zur Dopingbekämpfung geschaffene WADA-Code ist ein gutes Beispiel für das Bemühen um weltweite Harmonisierung.2 Auch Fairness und Unfairness im Sport sind thematisch ein „Dauerbrenner“ sowohl in den Sportregeln als auch – zunehmend – in der Rechtsprechung3 und im juristischen

* Erstveröffentlichung (zusammen mit P. Staschik) in SpuRt 2013, S. 227 – 234. 1 Siekmann/Soek (eds.), Lex Sportiva: What is Sports Law?, 2012; Vieweg/Staschik, Lex Sportiva – Phänomen und Bedeutung in der internationalen Sportwelt, in: Vieweg (Hrsg.), Lex sportiva (Druck in Vorbereitung); Adolphsen, Eine lex sportiva für den internationalen Sport?, in: Witt u. a. (Hrsg.), Jahrbuch der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler e. V. 2002, S. 281 ff.; Nafziger, ISLJ 2004/1 – 2, 3 ff.; Panagiotopoulos, Sports Law – Lex Sportiva and Lex Olympica, 2011. 2 Vgl. die vorbereitende rechtsvergleichende Untersuchung Vieweg/Siekman (eds.), Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules, 2007, passim. 3 Eine juris-Abfrage ergab am 16. 10. 2013, dass in der Rechtsprechung das Wort „fair“ 10.167-mal, das Wort „fairness“ 1.190-mal verwendet wurde.

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Schrifttum4. Welch hoher Stellenwert dem Fairness-Prinzip zukommt, ergibt sich z. B. aus der Olympic Charter, deren Fundamental Principles „mutual understanding with a spirit of friendship, solidarity and fair play“ verlangen.5 Auch hat der Konstanzer Arbeitskreis für Sportrecht (nun: Deutsche Vereinigung für Sportrecht) bereits im Jahre 1998 die „Karlsruher Erklärung zum Fair Play“6 veröffentlicht, die sich nicht nur auf die Darstellung hehrer Prinzipien beschränkt, sondern sich mit konkreten, wohlformulierten Forderungen an alle am Sport Beteiligten richtet. In welchem Zusammenhang stehen die lex sportiva und das Fairness-Prinzip? – Um dies herauszufinden, bedarf es zunächst einer Klärung der Begriffe und der Quellen, verbunden mit einem Blick auf ihren Anwendungsbereich und ihre Funktionsweise. Insofern interessiert insbesondere die Bedeutung für gerichtliche Entscheidungen (dazu II.). Hiervon ausgehend bietet es sich an zu analysieren, inwieweit der Court of Arbitration for Sport (CAS) – das seit 1984 bestehende internationale Sportschiedsgericht – in seinen Entscheidungen auf das Fairness-Prinzip abstellt, ob dieses als wesentlicher Teil der lex sportiva angesehen werden kann und ob die verbandsautonome Normsetzung hierdurch Grenzen findet (dazu III.).

II. Definitionen, Quellen, Funktionen und Wirkungen 1. Lex sportiva a) Begriff und Quellen Die lex sportiva wird mitunter als Grundlage für Entscheidungen genannt oder in rechtlichen Ausführungen erwähnt, obwohl unklar bleibt, was die Entscheidungsträger oder das Schrifttum tatsächlich darunter verstehen. Auch der CAS selbst hat in dieser Frage noch keine einheitliche Linie gefunden. In einer Entscheidung7 hat er die Anwendung einer lex sportiva mit der Begründung ausdrücklich abgelehnt, es handele sich um ein unsicheres Konzept, dessen Inhalt und Reichweite derzeit noch zu vage seien. In anderen Entscheidungen8 hat er das Konzept der lex sportiva hingegen anerkannt. Angesichts des umstrittenen 4

Tettinger, Der Staat 1997, 575 ff.; Vieweg, Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag – Gesellschaftsrecht, Rechnunglegung, Sportrecht, 2005, S. 1255 ff.; Nafziger, ISLJ 2010/3–4, 3 ff.; ders., The Principle of Fairness in the Lex Sportiva of CAS Awards and Beyond, in: Siekmann/Soek (eds.) (Fn. 1), S. 251 ff.; Morgenroth, ZStV 2013, 132 ff. 5 § 4 Fundamental Principles, Olympic Charter. 6 Konstanzer Arbeitskreis für Sportrecht e.V. (jetzt: Deutsche Vereinigung für Sportrecht), Karlsruher Erklärung zum Fair Play, o. J. (1998). 7 FIFA & WADA, CAS 2005/C/976&986, Rn. 124. 8 I. v. FIA, CAS 2010/A/2268, Rn. 75; FCP v. FIRS, CAS 2004/A/776, Rn. 16; COC & Scott v. IOC, CAS 2002/O/373, Rn. 14; AEK Athens & SK Slavia Prague v. UEFA, CAS 1998/200, Digest II, 38 (102 f.); GFA v. UEFA, CAS 2002/O/410, Digest III, 68 (75).

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Begriffsverständnisses und der unterschiedlich gesehenen Wirkungen überrascht die widersprüchliche Handhabung durch den CAS nicht. Vorzugswürdig9 erscheint ein umfassendes Begriffsverständnis, mit dem das Phänomen der Selbstregulierung im Sport vollständig erfasst wird. Es geht um die Regeln, die die beteiligten Akteure des Sports selbst aufstellen, um unabhängig von der Nationalität und sonstigen Umständen weltweit ein einheitliches, von den Staaten gelöstes Sportrecht zu schaffen. Unter dem Begriff lex sportiva werden deshalb im Folgenden zum einen die gesamten selbstgesetzten, nichtstaatlichen Normen des Sports verstanden. Erfasst werden die von den nationalen und internationalen Sportverbänden geschaffenen Regeln in ihrer Gesamtheit. Zum anderen werden die sich aus den Schiedssprüchen des CAS ergebenden allgemeinen Sportrechtsprinzipien einbezogen.10 Das staatliche und überstaatliche Sportrecht bleibt hingegen ausgeklammert. Mit dieser Begriffsbestimmung wird bewusst noch keine Aussage darüber getroffen, ob und ggf. welche rechtlichen Funktionen und Wirkungen der lex sportiva zukommen. b) Funktionen und Wirkungen Die Anwendung der einzelnen nationalen Rechtsordnungen auf internationale Sportrechtsstreitigkeiten würde zu Ungleichheit und Rechtsunsicherheit bei der Überprüfung von Entscheidungen der Sportverbände führen. Dies ist gerade für den Bereich des Sports, für den der Grundsatz der Chancengleichheit als Teil des Fairness-Prinzips herausragende Bedeutung hat, nicht hinnehmbar.11 Daher ist mit der lex sportiva die Erwartung verbunden, dass sie dieses Spannungsfeld auflöst und für den gesamten Sport weltweit ein einheitliches Recht zur Verfügung stellt. Kernproblem hierbei ist die Frage, ob der Sport selbst ein solch einheitliches Sportrecht autonom erschaffen kann und ob dieses von den einzelnen nationalen Rechtsordnungen und Gerichten anerkannt wird. Der Geltungsgrund der lex sportiva liegt in der freiwilligen Selbstbindung der am Sport beteiligten Akteure.12 Den internationalen Sportverbänden kommt dabei keine eigene, selbstständige Rechtsetzungsautonomie zu, sondern nur eine von den jewei9

So das Ergebnis der Untersuchung von Vieweg/Staschik (Fn. 1). Auch Wax versteht unter lex sportiva sowohl die Verbandssatzungen und -regelungen als auch die Schiedssprüche des CAS, ders., Internationales Sportrecht – Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts, 2009, S. 178 ff. Ebenso Casini, ISLJ 2011/3 – 4, 21 (22); ders., The Making of a Lex Sportiva by the Court of Arbitration for Sport, in: Siekmann/ Soek (eds.) (Fn. 1), S. 149 (S. 151 f.); Latty, La lex sportiva: Recherche sur le droit transnational, 2007, S. 41 ff.; Ipsen, Private Normenordnungen als Transnationales Recht?, 2009, S. 136 f.; Schleiter, Die lex sportiva – Ein autonomer Begründungsansatz zur internationalen Rechtsharmonisierung im Sport?, in: Vieweg (Hrsg.), Facetten des Sportrechts, 2009, S. 231 (S. 235). Buck-Heeb/Dieckmann verstehen unter lex sportiva hingegen allein die allgemeinen, sportartübergreifenden Rechtsgrundsätze des Sports, die durch den CAS herausgearbeitet werden, dies., Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 85. 11 Vgl. auch Wax (Fn. 10), S. 135. 12 Röthel, JZ 2007, 755 (757). 10

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ligen Staaten abgeleitete Normsetzungsbefugnis.13 Die von einigen Stimmen in der Literatur vertretene Annahme, die lex sportiva sei eine originäre, anationale Rechtsordnung, ist verfehlt.14 Die Verbandsnormen bedürfen als privates Regelwerk vielmehr staatlicher Anerkennung, um Rechtsqualität und -geltung zu erlangen.15 Sie unterliegen dabei der staatlichen Konkretisierung, Kontrolle und Korrektur.16 Die erforderliche Verbands- und Normsetzungsautonomie der Sportverbände wird in vielen Staaten in gewissem, wenn auch unterschiedlichem Umfang gewährleistet. Somit wird die Geltung der Verbandssatzungen und -regelwerke von den staatlichen Rechtsordnungen in der Regel anerkannt.17 Dem Sport wird vom Staat eine Regelungsbefugnis zuerkannt, so dass er seine eigenen Regeln aufstellen und diese auch anwenden und durchsetzen kann. In Deutschland wird die Satzungsautonomie verfassungsrechtlich in Art. 9 Abs. 1 GG verbürgt. Europarechtlich wird sie durch Art. 12 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union gesichert. Da die Normsetzungsbefugnis der Sportverbände vom staatlichen Recht abgeleitet werden muss, sind der Autonomie der Sportverbände, eine eigene lex sportiva zu schaffen, sowohl durch europäisches als auch durch nationales Recht Grenzen gesetzt. Auf die Regeln der Sportverbände ist das Unionsrecht – die Grundfreiheiten und insbes. das Kartellrecht – direkt anwendbar, sofern die Athleten eine wirtschaftliche Aktivität ausüben. Eine Bereichsausnahme für den Sport lehnt der EuGH18 zu Recht ab. Das europäische Recht setzt sich also im Konfliktfall gegen die lex sportiva durch.19 Bei der Anwendung des Unionsrechts berücksich-

13 Oschütz, Sportschiedgsgerichtsbarkeit – Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts, 2005, S. 353; Summerer, Internationales Sportrecht – eine dritte Rechtsordnung, in: Aderhold u. a. (Hrsg.), Festschrift für Hans Hanisch, 1994, S. 267 (S. 269 ff.). 14 Vgl. im Einzelnen Vieweg/Staschik (Fn. 1); ebenso Pfister, Praxishandbuch Sportrecht, Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), 2. Aufl., 2007, VI 1 Rn. 8; Adolphsen (Fn. 1), S. 281 (S. 287 f.); Wax (Fn. 10), S. 175; Kolev, ISLJ 2008/1 – 2, 57 (62); Latty (Fn. 10), S. 423 ff., 514, 768; Nolte, Vereinbartes Recht am Beispiel der lex sportiva – Wechselwirkungen zwischen „lex sportiva“ und „lex extra sportiva“, in: Bumke/Röthel (Hrsg.), Privates Recht, 2012, S. 107 (S. 116). 15 Wax (Fn. 10), S. 175 ff. 16 Vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 159 ff. 17 Pfister (Fn. 14), VI 1 Rn. 8. 18 Im Einzelnen EuGH Slg. 1974, 1405 – Walrave & Koch; EuGH Slg. 1995, I-4921, NJW 1996, 505 – Bosman; EuGH Slg. 2000, I-2549, SpuRt 2000, 148 – Deliège; EuGH Slg. 2000, I-2681 – Lehtonen; EuGH Slg. 2006, I-6991, SpuRt 2006, 195 – Meca-Medina; EuGH Slg. 2008, I-4863, SpuRt 2008, 193 – MOTOE; EuGH Slg. 2010, I-2177, NJW 2010, 1733 – Bernard. Vgl. auch Siekmann, ISLJ 2011/3 – 4, 75 ff.; Ipsen (Fn. 10), S. 149 ff. 19 Dies erkennt auch der CAS an und prüft zumindest, ob die konkrete Regelanwendung mit Unionsrecht vereinbar ist, vgl. MTK Budapest v. FC Internazionale Milano S.p.A., CAS 2009/A/1757, Rn. 29 ff.; Mutu v. Chelsea Football Club Ltd., CAS 2008/A/1644, Rn. 18, 44 und Midtjylland v. FIFA, CAS 2008/A/1485, Rn. 7.4.

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tigt der EuGH20 allerdings auch die Besonderheiten des Sports, indem er Sportverbandsregeln als europarechtskonform einordnet, wenn die Regeln für die Organisation des Sports und die Sicherung seiner Eigenheiten notwendig sind und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Auch nationales Recht setzt der Satzungsautonomie Grenzen; der Umfang und die Kontrolldichte der Prüfung solcher Regelwerke fallen allerdings von Staat zu Staat unterschiedlich aus.21 In Deutschland prüft der BGH Sportverbandsnormen als das statuarische Recht wirtschaftlich und/ oder sozial mächtiger Vereine am – auch grundrechtsgeprägten – Maßstab des § 242 BGB22 oder der §§ 134, 138 BGB23 auf Angemessenheit ihres Inhalts.24 Die Angemessenheit wird insbes. anhand der Grundrechte bestimmt, etwa der Berufsfreiheit des Sportlers und der Verbandsautonomie, die im Sinne der praktischen Konkordanz in einen gerechten Ausgleich zu bringen sind. Nach anfänglicher Skepsis wird inzwischen durchweg anerkannt, dass statt staatlichem Recht die lex sportiva durch eine Rechtswahlvereinbarung vor Schiedsgerichten25 gewählt werden kann, bspw. in Deutschland nach § 1051 Abs. 1 ZPO oder in der Schweiz nach Art. 187 IPRG, denn das staatliche Recht gewährt – unter dem Vorbehalt des ordre public – nichtstaatlichen Regelungen den Vorzug, wenn dies von den Parteien gewünscht ist.26 Auch in den Verfahrensvorschriften des CAS ist die Anwendung des einschlägigen Verbandsrechts vorgesehen und die Wahl von „Rechtsregeln“ anstelle staatlichen Rechts explizit zugelassen.27 Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, dass zumindest vor dem CAS international auf vergleichbare Sportrechtsstreitigkeiten einheitliches Recht Anwendung findet. Verbandsentscheidungen, also die Anwendung der Verbandsregelungen im Einzelfall, werden dann anhand der lex sportiva auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Die auf Grundlage der lex sportiva getroffenen Entscheidungen des CAS werden in aller Regel von den nationalen Gerich-

20 So ausdrücklich in der Rechtssache Bernard, EuGH Slg. 2010, I-2177, NJW 2010, 1733 (1735). 21 Vgl. Röthel, JZ 2007, 755 (757). 22 BGHZ 105, 306 (316 ff.); Heß, Voraussetzungen und Grenzen eines autonomen Sportrechts unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Spitzensports, in: Heß/Dressler (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen des Sports, 1999, S. 1 (S. 30 ff.). 23 BGHZ 13, 5 (11); 21, 370 (373); 29, 352 (354); 36, 105 (109); 47, 381 (384). 24 Vgl. Vieweg (Fn. 16), S. 227 ff.; Ipsen (Fn. 10), S. 153. 25 Nicht aber vor staatlichen Gerichten, Wax (Fn. 10), S. 184 f. 26 Wax (Fn. 10), S. 184; Heß (Fn. 22), S. 1 (S. 43); Röthel, JZ 2007, 755 (757); Adolphsen (Fn. 1), S. 281 (S. 288); ders., Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 633. Ablehnend Oschütz (Fn. 13), S. 395. 27 Art. R58 CAS-Code. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Rechtsprinzipien der lex sportiva scheidet allerdings wohl aus, wenn sich die Schiedsparteien auf die subsidiäre Anwendung eines staatlichen Rechts neben den Verbandsregeln ausdrücklich verständigen. Ist dies nicht der Fall, steht es dem CAS nach Art. R58 CAS-Code hingegen offen, ob er staatliches Recht oder die Rechtsregeln, die ihm geeignet erscheinen, subsidiär anwendet.

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ten, insbes. dem grundsätzlich zuständigen Schweizer Bundesgericht, anerkannt.28 Als absolute Grenze ist allerdings der Ordre-public-Vorbehalt anzusehen. Schiedssprüche werden durch staatliche Gerichte nur dann anerkannt, wenn nicht gegen den Grundsatz des ordre public verstoßen wird, vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO, Art. 190 Abs. 2e IPRG.29 Ein Verstoß liegt vor, wenn international zwingende Normen nicht beachtet werden. Diese müssen also auch vom Schiedsgericht berücksichtigt werden, damit es der Aufgabe, vollstreckungsfähige Entscheidungen zu treffen, gerecht werden kann.30 Somit ist die lex sportiva keine anationale, vollständig autonome, sondern eine internationale Normenordnung, die grundsätzlich staatlich anerkannt wird und auf deren alleiniger Grundlage Streitigkeiten im Sport vor Schiedsgerichten entschieden werden können.31 Sie wird dabei jedoch erheblich von nationalstaatlichem und europäischem Recht beeinflusst und ist von der Akzeptanz durch die staatlichen Rechtsordnungen abhängig, die aber im Bereich des Sports wohl in der Regel gewährleistet ist. Die lex sportiva ist daher zwar keineswegs ein Allheilmittel, sie bietet aber eine „Chance zur Selbstregulierung“.32 Auf diesem Weg kann sie eine Harmonisierung des internationalen Sportrechts bewirken.

28 Vgl. zuletzt die beiden Entscheidungen des Schweizer Bundesgerichts in der Causa „FC Sion“: In seiner Entscheidung vom 12. 01. 2011, 4 A_392/2010, bestätigte das Schweizer Bundesgericht einen Schiedsspruch des CAS, der u. a. ein Verbot für den FC Sion, neue Spieler zu verpflichten, mit der Begründung aufrechterhielt, dass weder der Anspruch auf rechtliches Gehör noch der ordre public verletzt sei. Das Bundesgericht betonte dabei seine eingeschränkte Prüfungsbefugnis im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Nachdem der FC Sion trotz des Verbots neue Spieler verpflichtet hatte und deswegen von der UEFA für die Saison 2011/2012 von der Europa League ausgeschlossen wurde, verwarf das Schweizer Bundesgericht eine Beschwerde des FC Sion gegen einen Schiedsspruch des CAS, der diesen Ausschluss bestätigt hatte, Entscheid vom 16. 07. 2012, 4 A_134/2012. Nach Ansicht des Schweizer Bundesgerichts fehlte dem FC Sion das erforderliche Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Ausschlusses von der Europa League, da der Wettbewerb zwischenzeitlich beendet war. 29 Vgl. Savic v. PITOs, CAS 2011/A/2621, Rn. 8.5; Grunsky, Überprüfung der Sportrechtsprechung durch staatliche Gerichte, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Sportrechtsprechung, 1995, S. 15 (S. 21 f.); Latty (Fn. 10), S. 514; Heß (Fn. 22), S. 1 (S. 44). 30 Oschütz (Fn. 13), S. 395. Vorbildlich insoweit WADA v. Jobson u. a., CAS 2010/A/2307, Rn. 173 ff. 31 Diese Möglichkeit scheidet hingegen für den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes aus, da nach herrschender Auffassung die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für den vorläufigen Rechtsschutz (in Deutschland § 1033 ZPO) auch durch eine Schiedsvereinbarung nicht ausgeschlossen werden kann, vgl. Wax (Fn. 10), S. 147 f.; Adolphsen (Fn. 26), S. 569 ff.; Oschütz (Fn. 13), S. 399 ff. 32 Vieweg (Fn. 16), S. 195.

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2. Fairness-Prinzip a) Begriff und Anwendung Fairness ist zur beliebten Argumentationsfigur, zum häufig verwendeten Entscheidungskriterium geworden. Sowohl im Sport als auch im rechtlichen Bereich lässt sich geradezu eine Verwendungseutrophie33 beobachten, der Definitions- und Konkretisierungsbemühungen allerdings nur z. T. Rechnung tragen. Wie lässt sich also der Fairnessbegriff konkretisieren? Wenig hilfreich ist die schlichte Übersetzung, die unter Fairness Anständigkeit, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit versteht.34 Auch etwas differenziertere Definitionen führen nicht viel weiter. Danach soll im allgemeinen Sprachgebrauch mit Fairness das vernünftige, den ungeschriebenen moralischen Gesetzen entsprechende Handeln gemeint sein. Im Sport – insbesondere als Fair Play – sei darunter ein den Regeln entsprechendes, anständiges und kameradschaftliches Verhalten zu verstehen.35 Dieses Verständnis ist gewiss zu eng. Gerade der nicht von den Regeln geforderte Verzicht auf Vorteile bildet ein wesentliches Element des Fair-Play-Begriffs im Sport.36 Interessant – wenn auch nur beschränkt weiterführend – sind sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse.37 Das sportwissenschaftliche Schrifttum zu Fairness und Fair Play ist unübersehbar. Stellvertretend soll hier nur auf die Schriften des Philosophen und Olympiasiegers Hans Lenk38 verwiesen werden. Er unterscheidet zwischen formeller und informeller Fairness. Zur „formellen Fairness“ zählt er die Einhaltung der wesentlichen – konstitutiven und regulativen – Spiel- und Wettkampfregeln, die strikte Beachtung der Schiedsrichterentscheidung und die formale Gleichheit der Startchancen. Zur „informellen Fairness“ gehört nach seiner Auffassung die Achtung und Beachtung des Gegners als Spielpartner. In Anlehnung an die „goldene Regel“39 formuliert er: „Behandle und achte den Partner und Gegner, wie Du selbst von diesem behandelt und geachtet werden willst und wie Du willst, dass allgemeine Konkurrenzregeln eingehalten werden sollten.“ Der interdisziplinäre Exkurs zeigt, dass das Wort Fairness mit zweierlei Bedeutung verwendet wird: einerseits als Verfahrensvorgabe und andererseits als Verhal33

Siehe oben Fn. 3 und Fn. 4. Langenscheidts Fremdwörterbuch Englisch, 3. Aufl., 1991. 35 Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 7, 19. Aufl., 1988. 36 Karlsruher Erklärung zum Fair Play (oben Fn. 6), S. 1 „… mehr als nur die durch Androhung von Sanktionen erzwungene Beachtung der sportartspezifischen Regeln.“ 37 Vgl. dazu Jost, Die Fairness – Untersuchung ihres Ursprungs und Wesensgehalts und ihrer Bestimmung als ein pädagogischer Wertbegriff, 1970, S. 15 ff. 38 Lenk, Wenn nur der Sieg zählt, http://www.fairness-stiftung.de/pdf/Lenk.pdf (abgerufen am 16. 10. 2013); Lenk/Pilz, Das Prinzip Fairness, 1989; weitere Nachweise bei Tettinger, Der Staat 1997, 575 (591 Fn. 61). 39 Konfuzius, Lunyu XII: 2; Matthäusevangelium 7, 12; Lukasevangelium 6, 31. 34

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tensmaßstab40. Als Verfahrensvorgabe soll es der Gleichheit der Wettkampfbedingungen – allgemeiner: der Chancengleichheit – dienen. Dieses Prozeduralelement ist nicht Selbstzweck. Letztlich soll es die Erzielung gerechter Ergebnisse fördern. Als Verhaltensmaßstab soll Fairness im Sport auf die Einhaltung der Regeln drängen und ggf. eine Bindung an eine darin enthaltene Sondermoral herstellen. Darüber hinausgehend sollen der tugendsame Verzicht auf (unverdiente) Vorteile und die Inkaufnahme von Nachteilen, um der Spielidee Geltung zu verschaffen – also die freiwillige Erfolgseinbuße –, als ethischer Wert positiv herausgestellt werden. Man kann dies als Fair Play im engeren Sinne bezeichnen. Als Rechtsbegriff hat Fairness in England und in anderen Common-Law-Ländern eine jahrhundertelange Tradition. Auch in Frankreich findet der Fairnessgedanke zunehmend Verwendung im rechtlichen Sprachgebrauch.41 Im deutschen Recht findet der Fairnessgedanke seinen verfassungsrechtlichen Niederschlag in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses artikuliert seit 1969 das Gebot eines „fairen Verfahrens“42 und befindet sich dabei im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK – der Fair-Trial-Garantie. Ein faires Verfahren vor staatlichen Instanzen setzt eine Selbstbeschränkung staatlicher Mittel gegenüber den beschränkten Möglichkeiten des Einzelnen im staatlich reglementierten Verfahren voraus. Berechenbarkeit, Missbrauchs- und Schikaneverbot sowie Rücksicht gegenüber den Parteien gehören dazu. Der Einzelne darf nicht zum Objekt des Verfahrens werden, sondern muss die Möglichkeit haben, seine Rechte zu wahren und auf Gang und Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen, insbesondere an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken. Waffengleichheit, Gewährleistung rechtlichen Gehörs, Wahrung des gesetzlichen Richters und der Neutralität des Gerichts gehören dazu ebenso wie ein entsprechender äußerer Verfahrensablauf.43 Übergreifend kann man auch hier von Fairness als Verfahrensmaßstab (verfahrensrechtlicher Gehalt) sprechen. Verfahrensfairness erweist sich insofern als umfassende Argumentationsfigur, die ihrerseits konkretisiert werden muss. Entsprechend dem Prozesszweck – Durchsetzung des materiellen Rechts – dient das Gebot des fairen Verfahrens mittelbar der Erzielung materiell-rechtlich richtiger Ergebnisse. Fairness wird im deutschen Recht aber auch als Verhaltensmaßstab (materiellrechtlicher Gehalt) verwendet, namentlich im Wettbewerbsrecht44, im Bilanzrecht45 40 Ähnlich Westermann, Fairness als Rechtsbegriff, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Fairnessgebot, Sportregeln und Rechtsnormen, 2004, S. 79 (S. 90). Vgl. auch Morgenroth, ZStV 2013, 132 (134). 41 Vgl. z. B. Cour d’appel de Montpellier (3ème chambre correctionnelle arrêt, 48 répertoire général), 09/09091, 9 février 2010. 42 BVerfG NJW 1969, 1423; näher Tettinger, Der Staat 1997, 575 (577) m. w. N. 43 Vgl. dazu im Einzelnen Rauscher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013, Bd. 1, Einl Rn. 205 ff. 44 Henning-Bodewig, GRURInt 2002, 389; Westermann (Fn. 40), S. 79 (S. 90). 45 Westermann (Fn. 40), S. 79 (S. 87 ff.).

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und im Medienrecht46. Wird Fairness als Verhaltensmaßstab verstanden, so geschieht das – wie bei der „journalistischen Fairness“ – zumeist in Form eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Respekt des Gegners und Rücksichtnahme auf dessen Interessen sowie die Förderung der Chancengleichheit kennzeichnen diese Bedeutungsvariante. Hier wird die inhaltliche Verknüpfung des Fairness-Prinzips mit dem Gleichheitssatz und der bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlichen Interessenabwägung deutlich. Der freiwillige Verzicht auf Vorteile und die Inkaufnahme von Nachteilen, die zum Fair-Play-Gedanken des Sports gehören, sind hingegen keine Bestandteile des juristischen Fairnessbegriffs.47 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ein Endpunkt der Konkretisierung des Fairnessbegriffs ist noch nicht erreicht. Zu vielfältig ist seine Verwendung. Fairness fasziniert – auch und gerade wegen ihrer begrifflichen Unschärfe. Soweit eine inhaltliche Konturierung möglich ist, ergeben sich zwei juristische Bedeutungskomponenten. Als Verfahrensmaßstab schützt die Fairness den Einzelnen gegenüber der übergeordneten Macht in einer hierarchischen Organisationsstruktur durch Einräumung der Möglichkeit, seine Rechte zu wahren sowie auf Gang und Ergebnis des Verfahrens insbesondere durch Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung Einfluss zu nehmen. Als Verhaltensmaßstab kennzeichnen die Respektierung des Gegners, die Rücksichtnahme auf dessen Interessen und die Förderung der Chancengleichheit sowie generell die Beachtung der Regeln (einschließlich der Respektierung ihrer Anwendung) die Fairness als Rechtsbegriff. Das darüber hinausgehende Verständnis – freiwilliger Verzicht auf unverdiente Vorteile und Inkaufnahme von Nachteilen – prägt die Fairness als sportethisches Prinzip. Es ist – da überobligatorisch – nicht Element des Rechtsbegriffs. Die Nichtbeachtung dieses weiteren Verständnisses sollte nicht als „unfair“ bezeichnet werden. Unfair sind nur Regelverstöße. b) Grundlage und Geltung Ein universal verwendeter Rechtsbegriff wie der der Fairness kann nicht nur eine Grundlage haben. Exemplarisch sollen hier vier Rechtsgrundlagen mit ihren jeweiligen Geltungsansprüchen Erwähnung finden. Art. 6 EMRK normiert ausdrücklich das Recht auf ein faires Verfahren. Erfasst sind nicht nur Strafverfahren, sondern auch zivilgerichtliche Verfahren. Die inhaltliche Aufschlüsselung betrifft mit der Unschuldsvermutung und der effektiven Verteidigung nur die Strafverfahren. Das Recht auf eigene Mitwirkung an der Feststel46 Vgl. z. B. § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk v. 17./18. 12. 1991. Darin heißt es, der NDR habe sicherzustellen, dass „in seiner Berichterstattung die Auffassungen der wesentlich betroffenen Personen … fair berücksichtigt werden. Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairness … zu entsprechen.“ 47 Vgl. Westermann (Fn. 40), S. 79 (S. 90). Er sieht Fairness als Gewährleistung von Chancengleichheit durch eine übergeordnete Instanz und zugleich eines Verhaltens der Wettbewerber, den anderen ihre Chance zu lassen.

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lung des Sachverhalts und auf Verhandlung vor einem unabhängigen und neutralen, gesetzlich vorgesehenen Gericht betrifft hingegen alle gerichtlichen Verfahren.48 Geltung und Wirkung von Art. 6 EMRK ergeben sich aus seiner rechtlichen Qualität. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der z. B. in Deutschland die Wirkung eines einfachen Gesetzes hat.49 § 242 BGB normiert den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zieht § 242 BGB als einheitlichen Kontrollmaßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit vereinsrechtlicher Entscheidungen heran.50 Als „Einbruchstelle“ für die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte eröffnet § 242 BGB unter dem Blickwinkel der praktischen Konkordanz, letztlich also nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, einen fairen51 Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen.52 Zugleich verschafft § 242 BGB den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren Geltung. Drittens findet sich der Fairnessbegriff in Satzungen und Regelungen der Sportverbände sowie in internationalen Resolutionen und Deklarationen.53 So verlangen – wie eingangs schon erwähnt – die Fundamental Principles der Olympic Charter „mutual understanding with a spirit of friendship, solidarity and fair play“.54 Im EthikCode des Internationalen Turnerbundes (FIG) heißt es: „The FIG representatives … demonstrate fairness in all sport activities and decisions which might affect the reputation of the FIG.“55 Bisher fehlt eine systematische Untersuchung, die die Häu-

48 Vgl. zur Relevanz im Sport Soek, Die prozessualen Garantien des Athleten in einem Dopingverfahren, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, S. 35 ff. 49 BVerfGE 19, 342 (347); 82, 106 (115); BVerfG NJW 2004, 3407 (3408). 50 BGHZ 128, 93 ff. (Reiterliche Vereinigung); dazu Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff.; BGHZ 105, 306 (316 ff.); 87, 337 (344); dazu Vieweg, JZ 1984, 167 ff.; BGHZ 102, 265 (276); Röhricht, ACP 189 (1989), 386 (391); ders., Inhaltskontrolle verbandsrechtlicher Entscheidungen. Bestandsaufnahme und Ausblick, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Verbandsrechtsprechung und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, S. 75 ff.; ders., Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19 ff.; ders. Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, 1994, S. 12 ff. 51 Der Nichtannahmebeschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. 06. 1997 (Krabbe) wurde damit begründet, dass angesichts des vom Oberlandesgericht festgestellten bewussten groben Verstoßes gegen die Regeln der sportlichen Fairness die formalen Gesichtspunkte zurückzutreten hätten. 52 Vieweg (Fn. 16), S. 189 ff. m. w. N. 53 Fair-Play Code der FIFA (abrufbar unter: http://images.supersport.com/PSL2008_FIFA Fair.pdf); UNESCO Declaration on Fair Play (1976); Council of Europe, Declaration on Sport, Tolerance and Fair Play (1996). 54 § 4 Fundamental Principles, Olympic Charter. 55 B.5. Code of Ethics, approved by the FIG Executive Committee, November 30th, 2001.

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figkeit der Inkorporation des Fairnessbegriffs in Sportverbandsregelungen klärt.56 Die ausdrückliche Erwähnung der Fairness oder des Fair Plays hat jedenfalls die rechtliche Bedeutung einer Selbstbindung der Verbände und – bei entsprechender Regelung oder vertraglicher Gestaltung – der Bindung der den Regelungen Unterworfenen, insbesondere der Sportler.57 Schließlich, viertens, kommt in Betracht, Fairness als Prinzip der lex sportiva zu begreifen. Hier ist insbes. die Spruchpraxis des CAS in den Blick zu nehmen.

III. Analyse und Kritik der CAS-Spruchpraxis zum Fairness-Prinzip Da der CAS nach dem hier zu Grunde gelegten Begriffsverständnis zum einen die von den Sportverbänden geschaffene lex sportiva anwendet, sie zum anderen aber auch selbst weiterentwickelt, indem er allgemeine Rechtsprinzipien aufstellt, die unabhängig von ihrer Verankerung in den Sportverbandsregeln Geltung beanspruchen,58 stellt sich die Frage, wie der CAS dem Fairness-Prinzip in seinen verschiedenen Ausprägungen Rechnung trägt. 1. Verfahrensrechtlicher Gehalt Uneingeschränkt erkennt der CAS das Fairness-Prinzip auf prozessualer Ebene59 an und fordert die Durchführung eines „fairen Verfahrens“60 als Teil des prozessualen Mindeststandards, der auch in den sportverbandsgerichtlichen Verfahren eingehalten werden muss. Er hat bspw. entschieden, dass es der Grundsatz der Fairness gebiete, dass internationale Sportverbände in ihrem Regelwerk ein Beschwerdeverfahren für sofortige Reklamationen von Athleten und sonst betroffenen Parteien bezüglich der fehlerhaften Regelanwendung durch Offizielle vorsehen müssten.61 Ausfluss des verfahrensrechtlichen Fairness-Prinzips sei insbes. der Anspruch auf rechtliches

56 Die stichprobenhafte Durchsicht deutscher Sportverbandssatzungen erwies sich nach Tettinger, Der Staat 1997, 575 (592 ff.), als wenig ergiebig. 57 Vieweg, Faszination Sportrecht, 2. Aufl. 2010, S. 30 (abrufbar unter: http://www.irut.de/ Forschung/Veroeffentlichungen/OnlineVersionFaszinationSportrecht/FaszinationSportrecht. pdf). 58 Vgl. die Übersicht bei Vieweg/Staschik (Fn. 1). AEK Athens & SK Slavia Prague v. UEFA, CAS 1998/200, Digest II, 38 (102 f.). 59 Fusimalohi v. FIFA, CAS 2011/A/2425, Rn. 71; ARcycling AG v. UCI, CAS 2004/A/ 777, Rn. 56; GFA v. UEFA, CAS 2002/O/410, Digest III, 68 (75); AEK Athens & SK Slavia Prague v. UEFA, CAS 1998/200, Digest II, 38 (61, 103). Vgl. auch Ipsen (Fn. 10), S. 143. 60 Vgl. dazu im Einzelnen Soek, The Strict Liability Principle and the Human Rights of the Athlete in Doping Cases, 2006, S. 276 ff. 61 SNOC & Abrahamina v. FILA, CAS OG 08/007, Rn. 11 ff.

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Gehör.62 Dieses sei ein grundlegendes und allgemeines Rechtsprinzip, das sich aus den elementaren Regeln des Naturrechts und der Rechtsstaatlichkeit ableite.63 Der Anspruch auf rechtliches Gehör müsse von den Sportverbänden sowohl im Rahmen der Entscheidungsfindung als auch bei der Durchführung interner verbandsgerichtlicher Verfahren eingehalten werden.64 Aus Fairness-Gesichtspunkten erscheint insoweit die Rechtsprechung des CAS bedenklich, derzufolge Verfahrensverstöße eines Verbandsgerichts durch ein Verfahren vor dem CAS, der die Streitigkeit umfassend erneut prüft und eine sog. De-novo-Entscheidung65 trifft, geheilt werden.66 Dies erscheint nur dann sachgerecht, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung hat. Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidung durch klare rechtliche Vorgaben definiert ist und vom CAS selbst anstelle des Verbandsorgans getroffen werden kann. Eine Heilung muss hingegen ausscheiden, wenn dem zuständigen Verbandsorgan ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum zusteht, der vom CAS nicht überprüft werden kann. Der Zweck des rechtlichen Gehörs – Möglichkeit der Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung – kann in dem Verfahren vor dem CAS dann nämlich nicht in vollem Umfang erreicht werden.67

62 CGF v. EGA, CAS 2010/A/2275, Rn. 29 f.; FINA v. CBDA & G., CAS 2007/A/1373, Rn. 26; FIFA & WADA, CAS 2005/C/976&986, Rn. 126; ARcycling AG v. UCI, CAS 2004/ A/777, Rn. 56; A. v. FILA, CAS 2001/A/317, Rn. 6; A. u. a. v. NOC CV, CAS OG 1996/005, Digest I, 397 (399 ff.); USA Shooting & Q. v. UIT, CAS 1994/129, Digest I, 187 (202 f.). 63 CGF v. EGA, CAS 2010/A/2275, Rn. 29 f. 64 CGF v. EGA, CAS 2010/A/2275, Rn. 30; vgl. sowohl A. v. FILA, CAS 2001/A/317, Rn. 6 als auch G. v. FEI, CAS 91/53, Digest I, 79 (86 f.). 65 Vgl. Art. R57 CAS-Code. 66 Mu-yen Chu & CTOC v. IOC, CAS 2012/A/2913, Rn. 87; Györi ETO v. UEFA, CAS 2012/A/2702, Rn. 122; Bursaspor Kulübü Dernegi v. UEFA, CAS 2012/A/2821, Rn. 85; Asif v. ICC, CAS 2011/A/2362, Rn. 40; Bin Hammam v. FIFA, CAS 2011/A/2625, Rn. 129; Fusimalohi v. FIFA, CAS 2011/A/2425, Rn. 52 ff.; Adamu v. FIFA, CAS 2011/A/2426, Rn. 46 ff.; Namibia FA v. CAF, CAS 2011/A/2654, Rn. 26; D. c. CIO, CAS 2009/A/2018, Rn. 63; FK Siad Most v. Clube Esportivo Bento Gonçalves, CAS 2009/A/1781, Rn. 26; FC Sion v. FIFA & Al-Ahly Sporting Club, CAS 2009/A/1880&1881, Rn. 18; FK Pobeda u. a. v. UEFA, CAS 2009/A/1920, Rn. 88; Anderson u. a. v. IOC, CAS 2008/A/1545, Rn. 77 ff.; D’Arcy v. AOC, CAS 2008/A/1574, Rn. 32; WADA & UCI v. Valverde & RFEC, CAS 2007/ A/1396&1402, Rn. 43; Aston Villa FC v. B.93 Copenhagen, CAS 2006/A/1177, Rn. 16; D. v. International Dance Sport Federation, CAS 2006/A/1175, Rn. 18; A. u. a. v. IOC, CAS 2004/ A/725 Rn. 78; ARcycling AG v. UCI, CAS 2004/A/777, Rn. 56; F. v. IOC, CAS 2004/A/714, Rn. 11; D.B. v. FINA, CAS 1998/211, Digest II, 255 (264). 67 Deswegen verneint der CAS eine Heilung des Verfahrensfehlers durch das schiedsgerichtliche Verfahren in den Entscheidungen CGF v. EGA, CAS 2010/A/2275, Rn. 38 ff. und A. u. a. v. NOC CV, CAS OG 1996/005, Digest I, 397 (401).

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2. Materiell-rechtlicher Gehalt a) Auslegung und Anwendung der Sportverbandsregelungen Auch den materiell-rechtlichen Gehalt des Fairness-Prinzips sieht der CAS als allgemeines Rechtsprinzip der lex sportiva an und stellt in einigen Entscheidungen bei der Anwendung von Verbandsregelungen oder zur Lückenfüllung explizit auf den Grundsatz der Fairness ab.68 Dabei gilt das Fairness-Prinzip zwischen allen am Sport Beteiligten – sowohl zwischen den Athleten und den Sportverbänden und -vereinen untereinander als auch im Verhältnis der Sportverbände zu den einzelnen Athleten. Kein Akteur des Sports soll in willkürlicher und offensichtlich unfairer Art und Weise behandelt werden.69 So verstößt es gegen das Fairness-Prinzip, wenn Fristen, innerhalb derer die für eine Nominierung zu Sportereignissen erforderliche Leistungen erbracht werden müssen, nicht klar definiert sind oder nicht in ausreichendem Maß veröffentlicht werden.70 Eine gegen einen Athleten verhängte Sanktion muss mit in ähnlichen Fällen gegenüber anderen Athleten ausgesprochenen Strafen vergleichbar sein, um dem Fairness-Prinzip und dem mit ihm verknüpften Gleichheitsgrundsatz gerecht zu werden.71 Das Fairness-Prinzip kann unter anderem die Rechtsausübung von Sportakteuren einschränken. Eine Mannschaft kann etwa ein Spielergebnis aufgrund eines Regelverstoßes einer anderen Mannschaft nicht anfechten, wenn sie von dem Verstoß in keiner Weise betroffen ist und von der Ergebniskorrektur in ungerechtfertigter Weise profitieren würde.72 Das Fairness-Prinzip kann auch bei der Interpretation der Sportverbandsregeln von Bedeutung sein und eine Auslegung gebieten, die nicht rein formalistisch erfolgt, sondern dem Zweck der Regelung entspricht.73 Als weitere Ausprägungen des Fairness-Prinzips können die Grundsätze von „Treu und Glauben“, der Rechtsverwirkung und des venire contra factum proprium angesehen werden, die der CAS ebenfalls als allgemeine Rechtsprinzipien anerkannt hat.74 Dem Fairness-Prinzip widerspricht es bspw., wenn ein Sportverband durch sein Verhalten berechtigtes Vertrauen bei einem anderen Sportakteur schafft

68 UCI/WADA v. Contador & RFEC, CAS 2011/A/2384&2386, Rn. 356 f.; MTK Budapest v. FC Internazionale Milano S.p.A., CAS 2009/A/1757, Rn. 31; FCP v. FIRS, CAS 2004/A/ 776, Rn. 16; COC & Scott v. IOC, CAS 2002/O/373, Rn. 14; COC v. IIHF, CAS OG 1998/ 004 – 5, Digest I, 435 (442); W. v. ACF, CAS 1996/153, Digest I, 335 (341, 348). 69 Peternell v. SASCOC & SAEF, CAS 2012/A/2845, Rn. 24. 70 Peternell v. SASCOC & SAEF, CAS 2012/A/2845, Rn. 24. 71 UCI/WADA v. Contador & RFEC, CAS 2011/A/2384&2386, Rn. 356 f. 72 COC v. IIHF, CAS OG 1998/004 – 5, Digest I, 435 (442). 73 Vgl. MTK Budapest v. FC Internazionale Milano S.p.A., CAS 2009/A/1757, Rn. 31. 74 Peternell v. SASCOC & SAEF, CAS OG 12/01, Rn. 41; Murofushi & JOC v. IOC, CAS 2012/A/2912, Rn. 108; BEF v. FEI, CAS 2010/A/2058, Rn. 18; Club Tofta Itróttarfelag B68 v. R, CAS 2009/A/1956, Rn. 16; Simms v. FINA, CAS OG 08/002, Rn. 12; Boxing Australia v. AIBA, CAS 2008/A/1455, Rn. 16; GFA v. UEFA, CAS 2002/O/410, Digest III, 68 (76).

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– etwa hinsichtlich der Nominierung eines Sportlers oder der Aufnahme eines Vereins in einen Sportverband –, dann aber ohne sachlichen Grund hiervon abweicht.75 b) Begrenzung der Normsetzungsautonomie der Sportverbände Noch keine eindeutige Linie hat der CAS hinsichtlich der Frage gefunden, ob das Fairness-Prinzip als Teil der lex sportiva nicht nur bei der Anwendung der Verbandsregelungen und zur Lückenfüllung heranzuziehen ist, sondern ob es darüber hinaus auch die Normsetzungsautonomie der Sportverbände begrenzt und der CAS insofern Verbandsnormen bei einem Verstoß gegen das Fairness-Prinzip verwerfen kann bzw. muss. Insbesondere spielen die mit dem Fairness-Prinzip verknüpften allgemeinen Rechtsprinzipien – der Gleichheitssatz76 (principle of equality) und das Verhältnismäßigkeitsprinzip (principle of proportionality) – für die Überprüfung der Verbandsregelungen eine Rolle. Diese Anforderungen sind auch in den nationalen Rechtsordnungen und dem europäischen Recht verankert und gehören dort unter Umständen zum ordre public, der für die staatliche Anerkennung der Schiedssprüche eingehalten werden muss. Im Rahmen der schiedsgerichtlichen Prüfung einer Verbandsentscheidung würde das Fairness-Prinzip so die sprachliche Brücke bilden für die im Rahmen der Überprüfung der Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit der Verbandsregelung erforderliche Abwägung der jeweils betroffenen Interessen. Im Ausgangspunkt steht auch für den CAS fest, dass das Fairness-Prinzip nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch außerhalb Geltung beansprucht und nicht nur von den Athleten, sondern auch von den sonstigen Sportakteuren, etwa den Sportverbänden gegenüber den Athleten, zu beachten ist.77 Nicht einheitlich beantwortet der CAS aber die Frage, ob er die Regelungen der Sportverbände lediglich anwenden oder diese auch an übergeordnetem Recht – etwa dem Fairness-Prinzip als Teil der allgemeingültigen Rechtsprinzipien oder den zwingenden Bestimmungen des nationalen und europäischen Rechts – messen und ggf. verwerfen kann.78 Als vorbildlich kann in diesem Zusammenhang die Entscheidung des CAS79 hervorgehoben werden, in der er die Gültigkeit der UEFA-Regel, das nicht zwei Vereine mit demselben Eigentümer an Wettbewerben der UEFA teilnehmen dürfen, bestätigt hat. Der 75

GFA v. UEFA, CAS 2002/O/410, Digest III, 68 (76). Hierzu im Einzelnen Vieweg/Müller, Gleichbehandlung im Sport – Grundlagen und Grenzen, in: Manssen/Jachmann/Gröpl (Hrsg.), Nach geltendem Verfassungsrecht – Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, 2009, S. 888 ff. 77 So ausdrücklich SNOC & Abrahamian v. FILA, CAS OG 08/007, Rn. 19. Vgl. auch COC & Scott v. IOC, CAS 2002/O/373, Rn. 32; Chiba v. JASF, CAS 2000/A/278, Rn. 6. Ebenso Vieweg (Fn. 57), S. 30. 78 Zum 01. 01. 2012 wurde die in den Verfahrensvorschriften des CAS vorgesehene Möglichkeit der Sportverbände abgeschafft, ein Gutachten des CAS hinsichtlich der Vereinbarkeit der Verbandsregelungen mit höherrangigem Recht anzufordern, vgl. Art. R60 CAS-Code a.F. (2004). 79 AEK Athens & SK Slavia Prague v. UEFA, CAS 1998/200, Digest II, 38 ff. 76

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CAS prüft in diesem Schiedsspruch umfassend die Vereinbarkeit der UEFA-Statuten mit dem Schweizer Zivil- und Kartellrecht, dem europäischen Recht und den allgemeinen Rechtsprinzipien der lex sportiva, insbesondere dem Fairness-Prinzip. Im Rahmen der Prüfung des europäischen Kartellrechts schenkt er dabei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der objektiven Erforderlichkeit der UEFA-Regel besonderes Augenmerk und stellt fest, dass das Verbot unangemessener Regeln auch Teil der lex sportiva ist. Auch in der Entscheidung COC & Kibunde v. AIBA80 stellt der CAS klar, dass eine Verbandsregel nicht gegen allgemeine Rechtsprinzipien verstoßen darf, zu welchen der Gleichheitssatz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Fairness-Prinzip gehören. Häufig zieht der CAS bei der Überprüfung der Verbandsregeln nicht ausdrücklich das Fairness-Prinzip heran, sondern stellt direkt auf die mit ihm verknüpften Grundsätze der Gleichbehandlung81 und der Verhältnismäßigkeit82 ab. Zwar beansprucht der CAS somit regelmäßig das Recht, Verbandssatzungen an höherrangigem Recht zu prüfen,83 hält sich aber bei der praktischen Umsetzung weitgehend zurück und verwirft nur in seltenen Fällen eine eindeutige Verbandsregel aufgrund entgegenstehender höherrangiger Rechtsprinzipien.84 Vielmehr rügt er fragwürdige Regeln grundsätzlich nur in obiter dicta bzw. beschränkt sich in der Regel darauf, die konkrete Regelanwendung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen.85

80

COC & Kibunde v. AIBA, CAS OG 00/004, Rn. 11. Vgl. z. B. WADA v. Jobson u. a., CAS 2010/A/2307, Rn. 130; Benfica v. UEFA & FC Porto, CAS 2008/A/1583&1584, Rn. 45; Rinaldi v. FINA, CAS 2007/A/1377, Rn. 49; FIFA & WADA, CAS 2005/C/976&986, Rn. 137; COC & Kibunde v. AIBA, CAS OG 00/004, Rn. 12. 82 Vgl. z. B. I. v. FIA, CAS 2010/A/2268, Rn. 132 ff.; WADA v. Jobson u. a., CAS 2010/A/ 2307, Rn. 131, 175 ff.; NADO v. N, CAS 2009/A/2012, Rn. 39 ff.; Benfica v. UEFA & FC Porto, CAS 2008/A/1583&1584, Rn. 45; Rinaldi v. FINA, CAS 2007/A/1377, Rn. 49; FIFA & WADA, CAS 2005/C/976&986, Rn. 124, 138 f.; S. v. FINA, CAS 2005/A/830, Rn. 44; H. v. ATP, CAS 2004/A/690, Rn. 50; COC & Kibunde v. AIBA, CAS OG 00/004, Rn. 12. 83 CAS OG 04/009, Rn. 6.8; COC & Kibunde v. AIBA, CAS OG 00/004, Rn. 11; vgl. auch Savic v. PITOs, CAS 2011/A/2621, Rn. 8.5; Fusimalohi v. FIFA, CAS 2011/A/2425, Rn. 96; UEFA v. Olympique des Alpes SA/ FC Sion, CAS 2011/O/2574, Rn. 328 ff.; FIFA & WADA, CAS 2005/C/976&986, Rn. 123, 173; UCI v. Ullrich & Swiss Olympic, CAS 2010/A/2083, Rn. 34. 84 Vgl. Ipsen (Fn. 10), S. 143 f., 156. In seiner Entscheidung WADA v. Hardy & USADA sieht sich der CAS bspw. an eine in den Dopingregularien der FINA und WADA vorgesehene Mindeststrafe gebunden und stellt unter anderem darauf ab, dass es außerhalb seiner Prüfungskompetenz liege, die Verbandsregularien wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder das Diskriminierungsverbot zu missachten sowie die anwendbaren Regeln komplett umzuschreiben, um ein unfaires Ergebnis zu berichtigen, WADA v. Hardy & USADA, CAS 2009/A/1870, Rn. 61. Eine eindeutige Verbandsregelung außer Acht lässt der CAS hingegen in I. v. FIA, CAS 2010/A/2268, Rn. 132 ff. 85 So ausdrücklich vom CAS klargestellt im Schiedsspruch Mutu v. Chelsea Football Club Ltd., CAS 2008/A/1644, Rn. 18. RIIS v. UCI, CAS 2012/A/3055, Rn. 8.38; Adolphsen (Fn. 26), S. 641 f. 81

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3. Kritik Der CAS erkennt das Fairness-Prinzip in seiner Spruchpraxis als allgemeines Rechtsprinzip der lex sportiva verschiedentlich an.86 Der Grad der Umsetzung des Fairness-Prinzips in der Spruchpraxis variiert jedoch nach dessen unterschiedlichen Dimensionen. Hinreichende Beachtung durch den CAS findet die verfahrensrechtliche Dimension des Fairness-Prinzips. Auf prozessualer Ebene betont das Schiedsgericht zutreffend die Bedeutung eines „fairen Verfahrens“, die sich nicht zuletzt daraus ergibt, dass deren Einhaltung, insbes. die Gewährung rechtlichen Gehörs als Teil des verfahrensrechtlichen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO), Voraussetzung für die Anerkennung der Schiedssprüche vor staatlichen Gerichten sein kann. Bei der Annahme einer Heilung von Verfahrensverstößen eines Verbandsgerichts durch das Verfahren vor dem CAS sollte dieser sich aber zurückhalten und diese nur dann bejahen, wenn ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Ergebnis der Verbandsentscheidung definitiv ausgeschlossen werden kann.87 Auf den materiell-rechtlichen Gehalt des Fairness-Prinzips greift der CAS zumindest bei der Anwendung und Auslegung von Verbandsregeln sowie zur Lückenfüllung umfassend zurück. Er stellt richtigerweise klar, dass das Fairness-Prinzip auch außerhalb des Spielfelds und nicht nur unter Athleten, sondern auch für die übrigen Sportakteure, insbes. die Sportverbände, Geltung beansprucht.88 Wünschenswert für die Entwicklung eines weltweit einheitlichen Sportrechts wäre aber, dass der CAS auch die Bedeutung des Fairness-Prinzips als Begrenzung der Normsetzungsautonomie der Sportverbände klarstellt und die Wirksamkeit der Verbandsregelungen anhand des höherrangigen Rechts und der allgemeingültigen Rechtsprinzipien, insbes. des Fairness-Prinzips und der mit ihm verknüpften Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, überprüft. In der Regel beansprucht er zwar dieses Recht für sich, die Zurückhaltung bei der praktischen Umsetzung sollte er jedoch aufgeben, um nicht den für die Harmonisierung des Sportrechts erforderlichen Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit zu gefährden.89 Nur so kann der Schutz der Athleten vor unvorteilhaften Regelungen der Sportverbände sichergestellt und dem in der Regel bestehenden Machtgefälle zwischen den Sportverbänden und den Athleten entgegengewirkt werden.90 Dies würde Bedenken ausräumen, die Schiedsvereinbarung sei wegen Ungleichgewichts der Schiedsparteien unwirksam.91 86 Vgl. McLaren, The Court of Arbitration for Sport, in: Nafziger/Ross (eds.), Handbook on International Sport Law, 2011, S. 32 (S. 54 f.). 87 Auch McLaren erkennt, dass nicht jeder Verfahrensfehler durch das Verfahren vor dem CAS bereinigt werden kann, ders. (Fn. 86), S. 32 (S. 55). 88 Ebenso Morgenroth, ZStV 2013, 132 (134 f.). 89 Befürwortend auch Adolphsen (Fn. 26), S. 621 ff., der eine Pflicht des Schiedsgerichts zur Inhaltskontrolle der Verbandsregelungen annimmt. Zumindest sollte er die entsprechenden Regelungen in obiter dicta rügen, wie er es in einigen Schiedssprüchen bereits getan hat. 90 Vgl. dazu Pfister (Fn. 14), VI 1 Rn. 8; Wax (Fn. 10), S. 182. 91 Adolphsen (Fn. 26), S. 624 ff.

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Auch würde das Risiko einer Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den Ordre-public-Vorbehalt minimiert.92 Schließlich würde eine Normverwerfungskompetenz des CAS die Ausbildung einer lückenlosen lex sportiva vorantreiben und die Akzeptanz der Schiedssprüche des CAS unter den Beteiligten erhöhen. Insoweit wäre es wünschenswert, wenn die Sportverbände die Zuständigkeit des CAS zur Überprüfung der Wirksamkeit ihrer Verbandsregeln klarstellend regeln würden.

IV. Zusammenfassung und Ergebnis Weder für den Begriff der lex sportiva noch für den der Fairness existieren allgemeingültige Definitionen. Unter lex sportiva werden hier die gesamten selbstgesetzten, nichtstaatlichen Regelungen des internationalen Sports und die vom CAS aufgestellten allgemeinen Sportrechtsprinzipien verstanden. Die lex sportiva stellt keine anationale, vollständig autonome Normenordnung dar, sondern bedarf der staatlichen Anerkennung. Die erforderliche Akzeptanz wird durch die staatlichen Rechtsordnungen im Rahmen der dort jeweils verbürgten Satzungsautonomie in unterschiedlichem Maße gewährleistet. Der Rechtsbegriff der Fairness hat zwei Bedeutungskomponenten: Zum einen hat er einen verfahrensrechtlichen Gehalt und definiert als Verfahrensmaßstab Vorgaben für das einzuhaltende Prozedere. Zum anderen fordert er als Verhaltensmaßstab die Respektierung aller Beteiligten und insbes. die Rücksichtnahme auf deren Interessen sowie die Förderung der Chancengleichheit (materiell-rechtlicher Gehalt). Der Fairnessbegriff wird universal verwendet und findet zunehmend Eingang in die Rechtsordnungen. Die lex sportiva und das Fairness-Prinzip sind auf vielfältige Weise und auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verknüpft. Zum einen wird die für den Sport zentrale Chancengleichheit als Ausprägung des Fairness-Prinzips durch die lex sportiva im rechtlichen Bereich hergestellt, indem sie für den Sport weltweit eine weitgehend harmonisierte Rechtsordnung bereitstellt. Zum anderen ist das Fairness-Prinzip in seinen unterschiedlichen Ausprägungen Teil der lex sportiva und beansprucht als allgemeingültiges Rechtsprinzip unabhängig von einer Verankerung in den jeweiligen Verbandsstatuen Geltung. Auf prozessualer Ebene erkennt der CAS zutreffend in einer großen Anzahl von Entscheidungen die verfahrensrechtliche Dimension des Fairness-Prinzips umfassend an. Der materiell-rechtliche Gehalt des Fairness-Prinzips wird vom CAS vor allem bei der Anwendung und Auslegung der Verbandsstatuten sowie zur Lückenfüllung herangezogen. Stärkerer Betonung durch die CASSpruchpraxis bedarf hingegen die Bedeutung des Fairness-Prinzips als Beschränkung der Normsetzungsautonomie der Sportverbände. Die lex sportiva kann nur dann eine umfassende Harmonisierung des internationalen Sportrechts bewirken, 92 Vgl. dazu Ipsen (Fn. 10), S. 236 ff., der darlegt, dass die Sportverbände die unabdingbaren Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips – u. a. das Recht auf ein faires Verfahren und das Verhältnismäßigkeitsprinzip – beachten müssten, um nicht gegen den Ordre-public-Vorbehalt zu verstoßen.

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wenn der CAS die Verbandsregelungen anhand des höherrangigen Rechts und der allgemeingültigen Rechtsprinzipien, insbes. des Fairness-Prinzips und der mit ihm verknüpften Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.

Sportärztliche Entscheidungen aus rechtlicher Sicht* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Sportarzt im Beziehungsgeflecht insbesondere mit Athlet, Verein und Verband III. Zielkonflikte und daraus resultierende Entscheidungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Untersuchung auf Sporttauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederherstellung und Erhalt der Gesundheit als primärer Zweck ärztlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit und Leistungssteigerung des Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Durchführung medizinisch nicht indizierter Maßnahmen zur Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtliche Anforderungen an sportärztliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Verpflichtungen des Sportarztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlung nach dem medizinischen Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Medizinisch nicht indizierte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtliche Konsequenzen für den Sportarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Die Entwicklungen, die der Sport in den letzten Jahrzehnten genommen hat, sind an der sportärztlichen Tätigkeit nicht ohne Wirkung vorbeigegangen. Professionalisierung, Kommerzialisierung und Medienpräsenz haben die sportärztlichen Entscheidungen und damit letztlich auch deren juristische Beurteilung zunehmend in den Fokus gerückt. Medienberichte verdeutlichen die Problematik: @ Der kroatische Fußballspieler Ivan Klasnic1 spielte bis 2008 bei dem BundesligaClub SV Werder Bremen. Seine Nierenerkrankung blieb von den für den Fußballverein tätigen Sportärzten zunächst längere Zeit unerkannt, bis sich sein Gesundheitszustand verschlimmerte und er sich im Jahre 2007 zwei Nierentransplantationen unterziehen musste. Daraufhin verklagte Klasnic den Träger eines Therapiezentrums und den eines Rehazentrums, die für die Fußballspieler des SV Wer* Vortrag anlässlich des Deutschen Sportärztekongresses „100 Jahre Deutsche Sportmedizin“ am 06. 10. 2012. Erstveröffentlichung in englischer Fassung in D. Panagiotopoulos (ed.), SPORTS LAW, 22 Years I.A.S.L., Lex Sportiva – Lex Olympica and Sports Jurisdiction, Athens 2015, p. 203 – 214. Dr. Sigrid Lorz danke ich für ihre Unterstützung. 1 Vgl. dazu FAZ v. 21. 08. 2010, S. 31; Mindener Tageblatt (MT) v. 21. 08. 2010, S. 34.

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der Bremen tätig waren, sowie zwei dort angestellte Ärzte vor dem Landgericht Bremen auf Schmerzensgeld und Ersatz für entgangenen Gewinn in Höhe von 1,1 Mio. E. Klasnic warf den beklagten Ärzten vor, dass sie seine Nierenerkrankung nicht erkannt hätten. Zudem hätten sie ihm regelmäßig Schmerzmittel verabreicht, was seine Nierenerkrankung noch verschlimmert habe. Infolgedessen habe er sich zwei Nierentransplantationen unterziehen müssen. @ Der niederländische Fußballspieler Arjen Robben2 spielte seit 2010 für den Bundesliga-Club FC Bayern München. Während der Weltmeisterschaft in Südafrika trat er für die niederländische Nationalmannschaft trotz eines zumindest leichten Muskelfaserrisses im linken Oberschenkel an. Nach der Weltmeisterschaft in Südafrika fiel er für zwei Monate aus, so dass er die ersten Bundesliga-Spieltage und den Champions League-Auftakt verpasste. Nach Auffassung des FC Bayern München hätte Robben nicht spielen dürfen, da er sich dadurch eine Folgeverletzung zugezogen habe. Der Entschädigungsforderung des FC Bayern München widersprach der niederländische Fußballverband KNVB mit der Begründung, Robben sei gründlich untersucht worden und habe trotz des Muskelfaserrisses ohne Einschränkungen bei den Spielen eingesetzt werden dürfen. @ Der Handballprofi Holger Glandorf wurde durch eine Schleimbeutelentzündung an der linken Achillessehne geplagt, wie es bei Handballern als Folge einer Überbeanspruchung zu Saisonende recht häufig ist. Ihm wurde durch den deutschen Mannschaftsarzt Cortison gespritzt. Vermutlich durch diese Injektion nistete sich ein Keim ein. In drei Operationen wurden entzündetes Gewebe und Knochensubstanz großflächig entfernt. Vor dem LG Flensburg3 erhob er Klage gegen den Mannschaftsarzt und verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld in sechsstelliger Dimension. Auf eine Klage gegen den DHB verzichtete er. Der Hausarzt der 50-jährigen Kanutin und achtmaligen Olympiasiegerin Birgit Fischer diagnostizierte kurz vor ihrer Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2012 bei einem Routinecheck vor dem Wettkampf im April 2012 in Duisburg Herzrhythmusstörungen. Der Hausarzt sowie der Mannschaftsarzt des Deutschen KanuVerbands stimmten einer Wettkampfteilnahme daher nicht zu. Infolgedessen konnte sich Birgit Fischer nicht für die Olympischen Spiele in London qualifizieren.4 Über den plötzlichen Herztod wird immer wieder in den Medien berichtet. Als einziger Weltverband führt die FIFA ein Register, in dem eine nicht unerhebliche Zahl derartiger Todesfälle aufgeführt sind. Besondere Aufmerksamkeit hat der Herztod des 26-jährigen norwegischen Schwimmweltmeisters Dale Oen erregt. Hier ergab die toxikologische Analyse seines Blutes Spuren von 13 Schmerzmitteln. Oen hatte im Winter über starke Nacken- und Schulterschmerzen geklagt und wahr2

Vgl. dazu FAZ v. 05. 08. 2010, S. 26 und v. 09. 08. 2010, S. 17. LG Flensburg, Az. 3 O 185/12; das Verfahren endete mit einem Vergleich, vgl. Spiegel online v. 11. 02. 2013. 4 Vgl. dazu FAZ v. 07. 04. 2012, S. 26 und v. 20. 04. 2012, S. 29; MT v. 10. 04. 2012, S. 29. 3

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scheinlich aus diesem Grund die Schmerzmittel eingenommen. Die behandelnden Ärzte hatten den lebensbedrohlichen Zustand, der erst bei der Autopsie erkennbar wurde, übersehen. Alle Koronararterien waren hochgradig verkalkt. Die Pathologen diagnostizierten einen durch ein Gerinnsel eingetretenen und bereits teilweise vernarbten Herzinfarkt, den Oen ein bis zwei Monate vor seinem Tod erlitten haben musste. Ein Fachmediziner äußerte hierzu: „Ein EKG hätte vermutlich gereicht, um die richtige Diagnose zu stellen.“5 Die Alltagspraxis der Sportärzte ist weniger spektakulär. Dennoch wirft sie aus juristischer Sicht eine Vielzahl von Fragen auf. Drei Fragenkreise sollen kurz angesprochen werden: @ das Beziehungsgeflecht, in dem sich die Sportärzte befinden (können) und das eine erste Vorstellung von den beteiligten – z. T. divergierenden Interessen – liefert; @ Zielkonflikte und daraus resultierende Entscheidungsprobleme der Sportärzte; @ die rechtlichen Anforderungen an sportärztliche Entscheidungen – auch im Zusammenhang mit denen anderer Entscheidungsträger.

II. Der Sportarzt im Beziehungsgeflecht insbesondere mit Athlet, Verein und Verband Es gibt nicht den Sportarzt mit einer bestimmten Stellung, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen, die insbes. vom Grad der Professionalisierung und Kommerzialisierung abhängen. Ausgangskonstellationen sind entweder eine Zweierbeziehung Sportarzt – Athlet oder eine Dreierbeziehung, bei der entweder noch ein Verein oder ein Verband hinzukommt und aus dem Sportarzt einen Vereins- bzw. Verbandsarzt macht. Diese drei Beteiligten sind ihrerseits mit anderen Personen und Organisationen verbunden, die an der sportärztlichen Entscheidung ebenfalls ein massives Interesse haben können. So ist der Athlet mit seiner Familie und Freunden (bei Minderjährigen sind die Eltern äußerst wichtig), mit Beratern, Sponsoren und Versicherungen verbunden. Vereine und Verbände sind eingebunden in die Verbandspyramide und müssen ihre Geldgeber, die Medien und die interessierte Öffentlichkeit – auch Fans – durch sportliche Erfolge bei Laune halten. Der Sportarzt selbst hat nicht nur mit Athlet, Verein und Verband, sondern auch mit der Ärztekammer und ggf. mit einem Arbeitgeber, den Medien und der Versicherung zu tun. Diese tatsächlichen Beziehungen haben in aller Regel auch eine rechtliche Grundlage, die aus Raumgründen hier nicht näher erörtert werden kann.

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Spiegel online, 17. 06. 2012.

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III. Zielkonflikte und daraus resultierende Entscheidungsprobleme Im Wesentlichen kann man auf allen Leistungsebenen des Sports folgende sportärztliche Tätigkeiten unterscheiden: @ Untersuchung des Athleten auf generelle Sporttauglichkeit oder speziell z. B. auf Tauchsporttauglichkeit; @ Behandlung des kranken oder verletzten Athleten und Entscheidung bezüglich Wettkampftauglichkeit; @ Durchführung medizinisch nicht indizierter Maßnahmen zur Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Dass hierbei die Entscheidungen durch Zielkonflikte und unter Umständen gravierende Interessengegensätze erschwert werden können, liegt auf der Hand. Besonders deutlich wird dies, wenn es um die Sporttauglichkeit von Berufsfußballern geht, die entscheidend für einen Millionentransfer ist. Je nach Grad der Kommerzialisierung und Professionalisierung kann sich für den Sportarzt eine schwierige Drucksituation ergeben, wenn erhebliche finanzielle Summen im Raum stehen. Aber auch das kurzfristige Interesse, an einem Spiel bzw. Wettkampf teilnehmen zu können, und das langfristige Risiko einer Gesundheitsschädigung bei kurzfristig helfenden medizinischen Maßnahmen stellen einen solchen Zielkonflikt dar. 1. Untersuchung auf Sporttauglichkeit Die Untersuchung eines Athleten auf Sporttauglichkeit dient verschiedenen Zwecken. Im professionalisierten Sport dient das Untersuchungsergebnis als Grundlage für die Entscheidung eines – gegebenenfalls millionenschweren – Transfers. Alter

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und neuer Verein sowie der Athlet und sein Umfeld (insbesondere Spielervermittler/berater) haben ein massives Interesse am Untersuchungsergebnis, das Grundlage für den Vertragsschluss sowie etwaige Provisionen ist. Weiterhin kann eine Sporttauglichkeitsuntersuchung mit positivem Ergebnis der Absicherung insbesondere des betreffenden Sportverbandes dienen. Insofern ist an die Aufnahme als Kaderathlet sowie die Teilnahme an Wettkämpfen zu denken. Nach meinem Informationsstand liegt hier manches im Argen. Es gibt keine einheitlichen Richtlinien. Nur ein RuheEKG ist Pflicht. Mit einem Belastungs-EKG könnten angeborene Muskelstörungen entdeckt und das Risiko eines plötzlichen Herztodes signifikant verringert werden. Hintergrund ist vermutlich zum einen ein unzureichendes Problembewusstsein auf Verbandsseite und zum anderen das leidige Kostentragungsproblem. Chapter II Ziff. 9 IOC Medical Code regelt den „medical support“ in perfekter, aber leider praxisferner Form. Die Regelung lautet: „9. Medical Support 9.1. In each sports discipline, appropriate guidelines should be established regarding the necessary medical support, depending on the nature of the sports activities and the level of competition. These guidelines should address, but not be limited to, the following points: @ medical coverage of training and competition venues and how this is organised; @ necessary resources (supplies, premises, vehicles, etc.); @ procedures in case of emergencies; @ system of communication between the medical support services, the organisers and the competent health authorities. 9.2. In case of a serious incident occurring during training or competition, there should be procedures to provide the necessary support to those injured, by evacuating them to the competent medical services when needed. The athletes, coaches and persons associated with the sports activity should be informed of those procedures and receive the necessary training for their implementation. 9.3. To reinforce safety in the practice of sports, a mechanism should be established to allow for data collection with regard to injuries sustained during training or competition. When identifiable, such data should be collected with the consent of those concerned, and be treated confidentially in accordance with the recognised ethical principles of research.“

2. Wiederherstellung und Erhalt der Gesundheit als primärer Zweck ärztlichen Handelns An vorderster Stelle der ärztlichen Tätigkeit steht der Heilauftrag. Die Gesundheit ist nach dem ärztlichen Selbstverständnis Leitmaxime medizinischen Handelns. An ihr soll sich der Arzt ausrichten und sie zu seinem Ziel erklären. Bereits im Eid des Hippokrates als eine der ältesten Quellen ärztlicher Berufsethik heißt es: „Die Verordnung werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meinem Vermögen und Ur-

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teil.“ In der Tradition des hippokratischen Eides steht das vom Weltärztebund 1948 verfasste Genfer Arztgelöbnis, das bestimmt: „The health of my patient will be my first consideration.“6 An diesen ethischen Verhaltensregeln orientiert sich die Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä). Nach § 1 MBO-Ä dient der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. Seine Aufgabe ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern. Die Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit sind damit nach allen Quellen zentrales Leitmotiv ärztlichen Handelns.7 Im IOC Medical Code Chapter I Ziff. 1.2. heißt es: „The health and the welfare of athletes prevail over the sole interest of competition and other economic, legal or political considerations.“

In dieser Konstellation haben wir in aller Regel einen Interessengleichlauf aller Beteiligten und damit keine besonderen juristischen Probleme. 3. Leistungsfähigkeit und Leistungssteigerung des Sportlers Mit der Gesundheit als primären Zweck ärztlichen Handelns kann die sportliche Leistungsfähigkeit oder die Leistungssteigerung des Sportlers aber auch konfligieren. Dem Athleten – und gegebenenfalls auch den mit ihm verbundenen Trainern, Beratern und Sponsoren sowie seinem Verein und Verband – geht es häufig nicht nur um die Wiederherstellung und Erhaltung seiner Gesundheit. Vielmehr ist er – mit kurzfristiger Perspektive – bestrebt, das Optimale aus seinem Körper herauszuholen und sportliche Höchstleistungen zu vollbringen. Diese Leistungsmaxime kann mit der Gesundheit des Sportlers in Einklang stehen (wenn man von der Prämisse ausgeht, dass nur ein gesunder Körper sportliche Höchstleistungen erbringen kann), muss es aber keineswegs. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Sportler, wie der eingangs erwähnte Fall Arjen Robbens zeigt, zu einem Wettkampf eingesetzt wird und damit aufgrund von Vorschäden das Risiko einer weiteren gesundheitlichen Schädigung eingeht. Der Arzt ist in einer solchen Situation mit einem Zielkonflikt konfrontiert, der zwischen Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit einerseits und den sportlichen und ökonomischen Interessen des Athleten und Vereins bzw. Verbands sowie von Trainern, Beratern und Sponsoren andererseits besteht. Häufig steht der kurzfristige sportliche Nutzen mit dem langfristigen gesundheitlichen Nutzen in einem nur schwer lösbaren Konflikt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Sportarzt über die Frage der Wettkampftauglichkeit eines Sportlers entscheiden muss und in dem konkreten 6

Bundesärztekammer (Hrsg.), Handbuch der Deklarationen des Weltärztebundes, Köln 1995, Dokument 17 (deutsche Fassung). 7 http://www.bundesaerztekammer.de/recht/berufsrecht/muster-berufsordnung-aerzte/mus ter-berufsordnung/; S. Lorz, Arzthaftung bei Schönheitsoperationen, Berlin 2007, S. 171 f.

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Wettkampf zwar keine akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu befürchten sind, aber langfristige gesundheitliche Schädigungen – z. B. aufgrund sog. Fitspritzen – nicht auszuschließen oder gar zu erwarten sind. In diesen Situationen obliegt es dem Arzt, eine Prognoseentscheidung sowie eine Vertretbarkeitsentscheidung zu treffen. Er muss den kurzfristigen sportlichen und ökonomischen Nutzen gegen die langfristigen gesundheitlichen Risiken in seine medizinische Entscheidungsfindung einstellen. Die ärztliche Entscheidung ist dann als Empfehlung an den Athleten sowie – bei der Entbindung von der Schweigepflicht – gegenüber Verein, Verband, Trainer etc. zu kommunizieren. Inwieweit sich hieraus ein Dialog ergeben sollte, was mir insbesondere dann zweckmäßig erscheint, wenn es sich um eine sportliche Tätigkeit handelt, die der Sportarzt nicht näher kennt, ist im Einzelfall zu entscheiden. 4. Durchführung medizinisch nicht indizierter Maßnahmen zur Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit Besondere Probleme ergeben sich, wenn der Sportler bzw. der dahinter stehende Verein vom Sportarzt leistungsfördernde medizinische Maßnahmen verlangt. Dies kann von der Verabreichung von Schmerzmitteln über die Vergabe von Dopingsubstanzen bis hin zur Durchführung medizinisch nicht indizierter Operationen reichen. Beispiele hierfür sind die Brustverkleinerung bei Hochspringerinnen sowie die Verstärkung von Sehnen und Bändern durch operative Einfügung von Tissues.8 Die ethischen Probleme liegen auf der Hand.

IV. Rechtliche Anforderungen an sportärztliche Entscheidungen Wie soll der Sportarzt diesen Zielkonflikt lösen und wie verhält er sich in der konkreten Situation richtig? Das Recht gibt dem Sportarzt bestimmte Verhaltensanforderungen an die Hand, die im Grunde für alle drei Tätigkeitsvarianten gelten. Neben speziellen vertraglichen Pflichten ist die Einhaltung des medizinischen Standards wesentlich. 1. Vertragliche Verpflichtungen des Sportarztes Zunächst ist der Sportarzt verpflichtet, seinen mit dem Athleten und/oder dem Verein bzw. Verband geschlossenen Behandlungs- und Betreuungsvertrag einzuhalten. Es gilt der lateinische Grundsatz pacta sunt servanda oder zu deutsch: Verträge sind einzuhalten. Maßgeblich sind zunächst die im konkreten Vertrag – z. B. bei der Untersuchung auf Sporttauglichkeit – festgelegten Pflichten und Verhaltensanforde8 Zu Einzelheiten vgl. G.-P. Brüggemann in: K. Vieweg (Hrsg.), „Techno-Doping“, S. 9 (24 ff.).

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rungen. Bei dem Behandlungsvertrag handelt es sich in aller Regel um einen Dienstvertrag i. S. v. § 611 BGB. Ist vertraglich nichts anderweitig vereinbart, so schuldet der Arzt nur eine sorgfaltsgerechte Behandlung, nicht aber einen bestimmten gesundheitlichen oder auch sportlichen Erfolg. Meines Erachtens muss er aber auf unzureichende Vorgaben (z. B. kein Belastungs-EKG) hinweisen. Den Sportarzt trifft regelmäßig auch die vertragliche Pflicht, etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Risiken des Sportlers seinem Vertragspartner mitzuteilen. Eine Mitteilung an den Verein oder Verband setzt allerdings voraus, dass der Sportler den Arzt vorher von seiner Schweigepflicht entbunden hat. Ist der Sportarzt aufgrund eines Arbeitsvertrags bei einem Verein oder Verband angestellt, so ist er zunächst an die Weisungen des Vereins bzw. Verbands als Arbeitgeber gebunden. Er ist also im Grundsatz verpflichtet, deren Weisungen Folge zu leisten. 2. Behandlung nach dem medizinischen Standard Der Sportarzt schuldet – soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist – eine Behandlung nach dem medizinischen Standard. Mit anderen Worten: Die ärztliche Behandlung muss dem anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung entsprechen. Der Begriff des medizinischen Standards setzt sich aus drei Komponenten zusammen: wissenschaftliche Erkenntnis, praktische Erfahrung und Akzeptanz in der Profession. Ärztliches Handeln ist dann standardgemäß, wenn es nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlicher Erfahrung innerhalb der Profession akzeptiert ist.9 Das Maß der erforderlichen Sorgfalt bestimmt sich nach objektiv-typisierenden Kriterien. Der Arzt schuldet die objektiv im jeweiligen Kreis gewissenhafter und aufmerksamer Fachärzte vorausgesetzten Fertigkeiten und Kenntnisse, und nicht lediglich dahinter zurückbleibende subjektiv-individuelle Fähigkeiten.10 Gelangt ein Sportarzt an die Grenzen seiner Wissens- und Leistungsfähigkeit, muss er einen Konsiliarius zu Rate ziehen, als Internist insbesondere einen Orthopäden und umgekehrt. Instruktiv ist insofern der Fall Klasnic. Gegebenenfalls muss der Sportarzt den Athleten in ein Krankenhaus verbringen lassen.11 Unterschreitet der Arzt den medizinischen Standard, so begeht er in der Regel einen Behandlungsfehler. Dieser Haftungsmaßstab gilt nicht nur für Sportärzte, die für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten, sondern auch für unentgeltlich tätige Sportärzte. Obwohl sie ehrenamtlich tätig werden und keinen schriftlichen Vertrag geschlossen haben, unterliegen sie dem gleichen Haftungsmaßstab wie ihre Kollegen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn ein zufällig vor Ort anwesender Arzt, der nicht bereits aufgrund eines Vertrags zum Tätigwerden verpflichtet ist, in einer akuten Notsituation tätig wird. In die9

S. Lorz, Arzthaftung bei Schönheitsoperationen, S. 162. S. Lorz, Arzthaftung bei Schönheitsoperationen, S. 163. 11 G.H. Schlund, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 52 (2001), 258 (259).

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sem Fall haftet er nach § 680 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, also einem offenkundig sorgfaltswidrigen Verhalten, das die Grenzen des ärztlich Vertretbaren weit überschreitet. 3. Medizinisch nicht indizierte Maßnahmen Wie ist nun die Rechtslage, wenn der Athlet oder sein Verein eine Behandlung verlangt, die nicht dem medizinischen Standard entspricht, wenn also ein ärztlicher Eingriff gefordert wird, der – kurzfristig – der sportlichen Leistungsfähigkeit des Athleten nützt, aber – langfristig – Risiken für seine Gesundheit bringt oder dieser sogar schadet? Wie vorhin aufgezeigt, ist die Gesundheit primärer Zweck ärztlichen Handelns. Der Heilauftrag des Arztes als Leitmaxime impliziert aber nicht, dass er die einzige Legitimation ärztlichen Handelns sein darf und jede Behandlung mit anderer Zwecksetzung a priori fehlerhaft ist.12 Hier ist das verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht des Sportlers zu berücksichtigen. Der Sportler hat das alleinige Recht, über seinen Körper eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen.13 Hieraus ergibt sich zum einen, dass ungeachtet etwaiger entgegenstehender vertraglicher Verpflichtungen des Sportlers bzw. des Sportarztes gegenüber dem Verein bzw. Verband oder deren Weisungen der Sportarzt nicht verpflichtet und nicht einmal berechtigt ist, ärztliche Eingriffe ohne oder entgegen dem Willen des Sportlers vorzunehmen. Nimmt der Arzt gleichwohl einen Eingriff vor, so begeht er eine ärztliche Eigenmacht und haftet dem Sportler und gegebenenfalls dem Verein bzw. Verband für etwaige Schäden. Zum anderen folgt daraus, dass der Sportarzt medizinisch nicht indizierte Maßnahmen durchführen darf, wenn der Athlet dies wünscht. Die Parallele zu den Schönheitsoperationen wird deutlich am Beispiel der Brustverkleinerung bei Sportlerinnen. Gemeinsame Voraussetzung für jeden ärztlichen Eingriff ist also, dass der Sportler in die Behandlung eingewilligt hat. Die wirksame Einwilligung setzt wiederum voraus, dass der Arzt diesen vorher hinreichend über Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung aufgeklärt hat. Selbst wenn die Behandlung sorgfaltsgemäß und damit dem medizinischen Standard entsprechend durchgeführt wurde, so führt eine unzureichende oder gar fehlende Aufklärung zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Sportlers und damit zur Rechtwidrigkeit der Behandlung.14 Die Rechtmäßigkeit ärztlichen Handelns findet ihre Grenze erst bei der Sittenwidrigkeit, genauer bei der Sittenwidrigkeit der Einwilligung des Sportlers. Widerspricht insbesondere eine ärztliche leistungssteigernde Maßnahme dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, so ist die Einwilligung des Sportlers unwirk12

S. Lorz, Arzthaftung bei Schönheitsoperationen, S. 172. Vgl. S. Lorz, Arzthaftung bei Schönheitsoperationen, S. 91 m. w. N. 14 S. Lorz, Arzthaftung bei Schönheitsoperationen, S. 91 m. w. N. 13

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sam und die Maßnahme muss unterbleiben. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

V. Rechtliche Konsequenzen für den Sportarzt Missachtet der Sportarzt die soeben aufgezeigten Verhaltensanforderungen, so kann er zivilrechtlich im Verhältnis zu Sportler, Verein bzw. Verband in Haftung genommen werden. Denkbar ist auch, dass er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. 1. Zivilrechtliche Haftung Begeht der Sportarzt einen Behandlungsfehler, indem er den medizinischen Standard unterschreitet, oder handelt er in ärztlicher Eigenmacht, weil keine hinreichende Einwilligung des Sportlers vorliegt, so haftet er dem Sportler aus Vertragsrecht (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) bzw. Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) für die dadurch verursachten Schäden. Dies könnte der Fall sein, wenn im Fall Ivan Klasnic die behandelnden Sportärzte eine Nierenerkrankung des Fußballspielers übersehen haben sollten. Eine vertragliche Haftung kann sich gegenüber dem Sportler auch dann ergeben, wenn der Behandlungsvertrag nur mit dem Verein bzw. Verband besteht und der Sportler Begünstigter des Vertrags ist. Der Sportler ist auch dann in den vertraglichen Schutzbereich eingezogen, wenn der Sportarzt eine Einstellungsuntersuchung im Auftrag des Vereins vornimmt, dabei fälschlicherweise die Sporttauglichkeit des Athleten bescheinigt und dieser daraufhin durch seine sportliche Tätigkeit bei dem Verein gesundheitliche Schäden erleidet. Haftet der Sportarzt dem Grunde nach, so schuldet er dem Sportler insbesondere nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die erforderlichen Kosten einer Nachbehandlung, nach § 252 BGB etwaige Erwerbs- und Fortkommenseinbußen sowie nach § 253 Abs. 2 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld. Der Sportarzt kann sich auch gegenüber dem Verein bzw. Verband nach §§ 280 ff. BGB haftbar machen, wenn er seine diesem gegenüber bestehenden vertraglichen Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur sorgfaltsgerechten Behandlung des Sportlers, verletzt. Von der Haftung umfasst sind vor allem Gewinneinbußen des Vereins nach § 252 BGB, wenn ein Spieler ausfällt und damit nicht an einem Wettkampf teilnehmen kann. Kommt der Arzt seinen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Verein bzw. Verband nur deshalb nicht nach, um dem Selbstbestimmungsrecht des Sportlers Rechnung zu tragen, so ist er allerdings von der Haftung befreit. Kann der Arzt seiner vertraglichen Pflicht gegenüber Verein bzw. Verband und seiner Pflicht, keine ärztliche Behandlung ohne Einwilligung des Sportlers vorzunehmen, nicht gleichzeitig Rechnung tragen, weil sie zueinander in einem unauflösbaren Widerspruch stehen, so hat, wie vorhin aufgezeigt, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten Vorrang. Es gilt der lateinische Grundsatz impossibilium nulla obligatio, zu deutsch: Für Unmögliches besteht keine Pflicht.

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2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Der Arzt kann schließlich auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er gegenüber dem Sportler eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB bzw. eine vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB begeht. Die Gründe für eine strafrechtliche Verantwortung entsprechen weitgehend den zivilrechtlichen Haftungsgründen: Ein Arzt kann zum einen eine Körperverletzung begehen, wenn er den medizinischen Standard unterschreitet und sorgfaltswidrig handelt. Zum anderen liegt dann eine Körperverletzung vor, wenn ein ärztlicher Eingriff ohne vorherige Aufklärung oder Einwilligung des Sportlers vorgenommen wird. Hat sich der Sportarzt vertraglich gegenüber Verein bzw. Verband verpflichtet, im Notfall auch Zuschauer eines Wettkampfes ärztlich zu behandeln und kommt er dieser Pflicht bewusst nicht nach, so kann er sich gegenüber dem Zuschauer einer Körperverletzung durch Unterlassen schuldig machen. Gegenüber dem Verein bzw. Verband als Vertragspartner muss sich der Arzt hingegen in der Regel nicht strafrechtlich verantworten. Besteht keine derartige vertragliche Pflicht und leistet ein anwesender Arzt bei einem Unglücksfall im Rahmen eines Wettkampfes keine Hilfe, obwohl dies erforderlich und ihm zuzumuten ist, so kommt immerhin noch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB in Betracht.

VI. Fazit 1. Der Sportarzt steht – je nach Ebene der sportlichen Tätigkeit – in einem Beziehungsgeflecht u. a. mit dem Athleten, dem Verein und Verband, dem Trainer, den Beratern, den Sponsoren sowie ferner den Zuschauern. 2. Zielkonflikte bestehen zwischen der obersten Prämisse ärztlichen Handelns – der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Sportlers – auf der einen Seite und sportlichen sowie ökonomischen Interessen auf der anderen Seite. 3. Im Wesentlichen werden drei Grundkonstellationen sportmedizinischer Tätigkeit unterschieden: die Sporttauglichkeitsuntersuchung, die Behandlung bei Verletzung und Krankheit sowie die Vornahme medizinisch nicht indizierter, aber vom Athleten gewollter Maßnahmen. 4. Bei der Lösung des jeweiligen Interessengemenges muss der Sportarzt seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Athlet, Verein bzw. Verband beachten, seine Behandlung nach dem medizinischen Standard ausrichten und vor allem dem Selbstbestimmungsrecht des Athleten Rechnung tragen. Er sollte auf etwaige Lücken im vorgegebenen Untersuchungsprogramm hinweisen und sich mit den Spezifika der sportlichen Betätigung in Training und Wettkampf vertraut machen. Empfohlen wird ein fachlicher Meinungsaustausch mit den Trainern und eigene Beobachtung. So kann das Risiko einer zivil- oder gar strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf das unvermeidliche Maß reduziert werden.

„Techno-Doping“ Regelungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten der Sportverbände* I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliche Annäherung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . Recht und Pflicht der Sportverbände zur Regelung und Entscheidung . . . . . . . . . . . Regelungs- und Entscheidungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Fälle Casey Martin und Oscar Pistorius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Casey Martin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Oscar Pistorius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Citius, altius, fortius – dieses Olympische Motto einerseits – und das Prinzip der Fairness1 und Chancengleichheit2 andererseits geraten im kommerzialisierten und professionalisierten Sport leider nicht nur ausnahmsweise in Konflikt. Doping und „Techno-Doping“ sind Beispiele für eine solche Konfliktlage, in der entschieden werden muss, was erlaubt und was verboten ist. Das juristische Problemspektrum lässt sich eingangs recht gut anhand von einigen Fällen, Fotos und Videosequenzen skizzieren:

* Erstveröffentlichung in K. Vieweg (Hrsg.), „Techno-Doping“ Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2015, S. 47 ff. Die Vortragsform wurde im Wesentlichen beibehalten, jedoch um den Fußnotenapparat ergänzt. Die Internetabrufe erfolgten zuletzt am 18. 04. 2013. Dies entspricht dem Stand der Bearbeitung. 1 K. Vieweg, Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: G. Crezelius/H. Hirte/K. Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag – Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Sportrecht, Köln 2005, S. 1255 (1266 ff.); P. J. Tettinger, Der Staat 1997, S. 575 ff. 2 J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, S. 1; K. Vieweg/A. Müller, Gleichbehandlung im Sport – Grundlagen und Grenzen, in: G. Manssen/M. Jachmann/ C. Gröpl (Hrsg.), Nach geltendem Verfassungsrecht, Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, Stuttgart u. a. 2009, S. 888 (901 ff.).

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@ Das erste Foto zeigt den am sog. Klippel-Trenaumay-Weber-Syndrom leidenden Profigolfer Casey Martin mit seinem verschmächtigten rechten Bein vor seinem Golfwagen3, um dessen Zulassung es in einem Rechtsstreit ging, der bis zum USamerikanischen Supreme Court4 führte. @ Das Video des 200-m-Endlaufs (Startklasse T 44)5 bei den Paralympics in London 2012 zeigt, wie Oscar Pistorius auf den letzten 50 m in rasantem Tempo von Alan Oliveira überholt wird. Nach dem Rennen stellte Pistorius – im Hinblick auf die Länge der von Oliveira benutzten Blades – fest: „Letztes Jahr war er kleiner als ich. Jetzt ist er größer!“6 @ Das Foto vom 100-m-Finale (Startklasse T 42)7 bei den Paralympics in London zeigt Heinrich Popow mit seinem neuen künstlichen Kniegelenk und Wojtek Czyz, der nach dem Rennen kritisierte8, dass dieses neu entwickelte Kniegelenk erst kurz vor den Paralympics auf dem Markt verfügbar gewesen und für ihn eine Nutzung nicht in Frage gekommen sei, da er nicht hinreichend lange damit hätte trainieren können. Popow sei hingegen schon viel früher vom Hersteller versorgt worden, der zugleich sein persönlicher Sponsor – und auch Sponsor der Paralympics – sei. Angesichts des bei den Paralympics in London deutlich gewordenen Trends zur Kommerzialisierung mittels des medienwirksam präsentierten Behindertensports rücken hier neben Fairnessüberlegungen9 auch sportwirtschaftsrechtliche Fragen in den Blick. @ Das nächste Foto (Abb. 1) zeigt den Katapultschuh des russischen Hochspringers Juri Stepanov10, der am 13. 07. 1957 in Leningrad einen neuen Weltrekord im 3 http://t1.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQI1dgbi6KYcYFWtzWTvBXPEL yczd7DtoRp4iOZiYoi8zGzq_Hb. 4 Supreme Court, Entscheidung v. 29. 05. 2001, PGA Tour, Inc. v. Martin, 121 S. Ct 1879. 5 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1721732/Pistorius-verpasst-ParalympicsGold#/beitrag/video/1721732/Pistorius-verpasst-Paralympics-Gold. 6 Spiegel online v. 02. 09. 2012, http://www.spiegel.de/sport/sonst/paralympics-pistoriusholt-silber-ueber-200-meter-a-853490.html. 7 http://www.tagesspiegel.de/sport/nach-den-paralympics-darf-ich-mitmachen/7139170. html. 8 FAZ v. 08. 09. 2012, S. 28; FAZ v. 10. 09. 2012, S. 19. 9 Dass der geschäftsführende Gesellschafter der Otto Bock Firmengruppe, Prof. Hans Georg Näder, Aufsichtsratsvorsitzender der NADA ist, mag in diesem Zusammenhang verwundern. Nach FAZ v. 11. 03. 2013, S. 16 hat sich H. G. Näder mittlerweile dafür ausgesprochen, bei den Paralympics das Prinzip einzuführen, dass alle Athleten das gleiche Material erhalten. 10 http://www.google.de/imgres?q=katapultschuh&um=1&hl=de&client=firefox-a&hs= RNo&rls=org.mozilla:de-DE:official&channel=np&tbm=isch&tbnid=7avXCOmNU zeBGM:&imgrefurl=http://losseveter.nl/blog/de-katapultschoen-de-verboden-spike/&docid= 6Iil3n7hl5GlJM&imgurl=http://losseveter.nl/files/2010/08/katapultschuh.jpg&w=320&h= 240&ei=NYhhUPTqIZHptQbvoIDQDQ&zoom=1&iact=hc&vpx=1384&vpy=200&dur= 2851&hovh=192&hovw=256&tx=40&ty=219&sig=111040595090885279498&page= 1&tbnh=147&tbnw=191&start=0&ndsp=28&ved=1t:429,r:6,s:0,i:91&biw=1680&bih=

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Hochsprung mit 2,16 m aufstellte. Der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) änderte daraufhin seine Regeln und schrieb eine einheitliche Sohlenstärke von höchstens 0,5 inch (= 13 mm) vor. Der Weltrekord wurde jedoch nicht annulliert und am 30. 04. 1960 dann von John Thomas (USA) um 1 cm verbessert.

Abbildung 1

@ Ein weiteres Foto zeigt Alessandro Zanardi, den Sieger im Handbike-Zeitfahren bei den Paralympics in London sowie den Verlierer Norbert Mosandl.11 Dieser wies darauf hin, dass Zanardi, ein früherer Formel-1-Fahrer, der bei einem Unfall beide Beine verloren hatte, 15 kg weniger als er zu bewegen hatte.12 @ Die Reckübungen von Eberhard Gienger bei den Olympischen Spielen 1972 in München sowie von Fabian Hambüchen und Ebke Zonderland bei den Olympischen Spielen 2012 in London13 dokumentieren einen Entwicklungssprung, der insbes. auch auf die Verwendung neuer Reckriemchen zurückzuführen ist. Der konstruktive Unterschied (Abb. 2, s. nächste Seite) – die Einfügung einer kleinen Rolle – führt dazu, dass die bei Schwung- und Flugteilen entstehenden Kräfte nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Schultern bewältigt werden können und auf diese Weise mit „Power-Riesenfelgen“14 eine „Flugschau“ ermöglicht wird, die mit den früheren Reckriemchen nicht hätte realisiert werden können. @ Dem aktuellen Regelwerk des Internationalen Skiverbands (FIS)15 ist die Abbildung der obligatorischen Skisprunganzüge mit den standardisierten Messungs872. Zur biomechanischen Beurteilung des Katapultschuhs vgl. G.-P. Brüggemann, Möglichkeiten und Perspektiven der Leistungssteigerung aus biomechanischer und orthopädischer Sicht, in: K. Vieweg (Hrsg.), „Techno-Doping“, 2015, S. 9 (21). 11 http://www.focus.de/fotos/alessandro-zanardi-jubelt-nach-seinem-sieg-im-handbike-zeit fahren_mid_1137947.html. 12 FAZ v. 08. 09. 2012, S. 30. 13 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1703416/Entscheidung-HambuechensSilber-Uebung#/beitrag/video/1703416/Entscheidung-Hambuechens-Silber-Uebung. 14 Hierzu G.-P. Brüggemann (Fn. 10), S. 9 (23). 15 FIS Specifications for Competition Equipment Edition 2012/13: Ski Jumping Suits for Men.

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Abbildung 2

kontrollpunkten und der Anzahl der Materialteile, aus denen ein Anzug bestehen darf, entnommen (Abb. 3). Die „Materialschlacht“ bei den Schwimmern16 und Radfahrern ist in bester Erinnerung. Dass die Chancengleichheit im Sport auch eine ökonomische Komponente hat, illustriert der maßgeschneiderte, nur einmal verwendbare Rennanzug des britischen Olympiasiegers Chris Hoy, der 6.500,– E kostete.17 @ Dass es sich nicht ausschließlich um ein aktuelles Phänomen handelt, zeigt das Foto der Sprunggewichte (4,63 kg), die im klassischen Olympia des 6. Jahrhunderts v. Chr. der Athlet Akmatidas verwendete, um weiter springen zu können (Abb. 4). Im Folgenden geht es zunächst darum, dem nebulösen Schlagwort „Techno-Doping“ – auch „mechanisches Doping“, „technisches Doping“ oder „textiles Doping“ genannt – etwas mehr Kontur zu geben. Damit verbunden ist die erforderliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes (dazu II.). Im Rahmen der Kernproblematik – den Regelungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten der Sportverbände – stellt sich die Frage, ob die Verbände überhaupt reagieren dürfen bzw. müssen. Betroffen sind insofern das „Ob“ des Regelungsrechts und dessen Voraussetzungen sowie eine etwaige Regelungs-, Entscheidungs- und Durchsetzungspflicht der Verbände einschließlich der Kontrollproblematik, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene (dazu III.). Schließlich ist nach dem „Wie“ der Regelungen zu fragen. Hier geht es im Grunde um die Gerichtsfestigkeit von Verbandsnormen, die Verbote oder die Zulassung unter Bedingungen enthalten, und um die darauf basierenden Entscheidungen – eine geradezu klassische Problematik des Vereinsrechts (dazu IV.). 16 FAZ v. 25. 06. 2008, S. 27; FAZ v. 26. 06. 2008, S. 28; FAZ v. 12. 12. 2008, S. 32, FAZ v. 17. 12. 2008, S. 36. 17 FAZ v. 09. 08. 2012, S. 26.

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Abbildung 3

Abbildung 4

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II. Begriffliche Annäherung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Eine präzise Definition18 von „Techno-Doping“ begegnet ähnlichen Schwierigkeiten, wie sie bei der klassischen Dopingproblematik19 bestehen. Durch die Auflistung von acht Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln – u. a. die Anwesenheit einer verbotenen Substanz, deren Metaboliten oder eines Markers in einer dem Athleten entnommenen Probe – enthalten Artt. 1 und 2 des World Anti-Doping Codes der WADA eine sehr weitgehende Definition. Mit dem Verbotensein ist eine wichtige Begriffskomponente enthalten, die allerdings auch Fragen aufwirft: Wer entscheidet über das Erlaubt- bzw. Verbotensein? Ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist? Und: Ist erlaubt, was alle machen? Eine Beschreibung des Phänomens „Techno-Doping“ muss in den Blick nehmen, dass sportliche Leistungen immer das Ergebnis eines Gesamtsystems sind. Neben den körperlichen und mentalen Fähigkeiten des Athleten spielen insbes. die Ausrüstung, das Sportgerät und die Trainingsmöglichkeiten eine erhebliche Rolle. Die Technik kann insofern vielfältig zu Leistungssteigerungen beitragen. Folgende Fallgruppen lassen sich – jeweils mit einigen stichwortartig aufgeführten Beispielen – bilden: @ Training: Windkanal für Skispringer und Radfahrer, Strömungskanalschwimmen, Unterdruckkammer als Ersatz für Höhentraining, vorzeitige Nutzungsmöglichkeit der Neuentwicklung eines künstlichen Knies (Fall Popow), Videoaufzeichnung und -analyse; @ Wettkampf: Computerunterstützung bei Schachturnieren20, Google-Brille und Handynutzung (GPS) beim Orientierungslauf; @ Ausrüstung: Katapultschuh von Stepanov, Brush Spikes21 von John Carlos und Lee Evans bei den Olympischen Spielen 1968, Gewichtsreduzierung der Spikes der Sprinter auf unter 100 g,22 Reck- und Ringeriemchen ohne und mit Rollen, Ganzkörperanzüge („zweite Haut“) für Schwimmer und Radfahrer, Material und Schnitt der Skianzüge für Skispringer;

18 Nach C. Krähe, SpuRt 2008, 149 ist unter „Techno-Doping“ die Steigerung der Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers durch Verwendung technischer Hilfsmittel zu verstehen. W. Schild, causa sport 2008, 128 ff. definiert „Techno-Doping“ enger, indem er praktisch nur Endo- und Extroprothesen sowie wohl auch Unterdruckkammern erfassen will. 19 Einen guten Überblick über die Dopingdefinitionen gibt das Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln unter http://www.dopinginfo.de. 20 Spiegel online v. 22. 01. 2013, http://www.spiegel.de/netzwelt/games/technische-manipu lationen-bei-schachturnieren-a-878123.html. 21 Regel 143 Nr. 3 Internationale Wettkampfbestimmungen IAAF (Zahl der Spikes): „… bis zu elf Spikes …“ 22 Generell zum Trend zu leichteren Materialien vgl. FAZ v. 24. 07. 2012, T 1.

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@ Sportgerät: Entwicklung der Stäbe im Stabhochsprung (Holz, Bambus, Metall, Glasfiber), Entwicklungen von Fahrrädern, Ruderbooten, Schlitten, Bobs, Klappschlittschuhen, Speeren mit festgelegtem Schwerpunkt, Fahrrädern mit Akku in Lenkstange,23 Software in Formel-1-Boliden; @ Zusatzsportgeräte und -ausrüstung zum Ausgleich körperlicher Defizite: Golfwagen von Casey Martin, Rollstühle; @ Ergänzung fehlender oder schlecht funktionierender Körperteile: Blades von Oscar Pistorius, Brillen für Schützen; @ Verbesserung der Funktionsfähigkeit gesunder Körperteile: Kompressionsstrümpfe, Harzen der Hände im Handball, Einölen des Körpers bei klassischen Ringkämpfen; @ Veränderungen des Körpers durch chirurgische Eingriffe: Lasern der Augenhornhaut, Verstärkung von Sehnen und Bändern durch Tissues, konkret: eine „optimierte“ Achillessehne, Fixierung von Gelenken, Begradigung der Wirbelsäule bei einer Skoliose24, Implantate, auch Miniaturempfangsgeräte25 für Informationen, Brustverkleinerungen bei Hochspringerinnen, im Extremfall Amputationen. Unabhängig davon, ob man den Begriff „Techno-Doping“ überhaupt verwenden will, empfiehlt sich m. E. dennoch, an den klassischen Dopingbegriff anzuknüpfen und insbes. die drei Zwecke des Dopingverbots26 in den Blick zu nehmen: die Vermeidung unfairer Vorteile im Wettkampf, den Schutz der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit des Sportlers und seiner Konkurrenten sowie die Vermeidung von Ansehenseinbußen der Sportart. Der Begriffsbestandteil „Techno“ umfasst nicht nur mechanische, sondern auch elektronische und mechatronische Komponenten. Bei den chirurgischen Eingriffen wäre danach wie folgt zu differenzieren. Werden technische Teile implantiert, so fiele das unter „Techno-Doping“. Die Verstärkung („Optimierung“) von Bändern und Sehnen wäre eher als verbotene Methode im Sinne des klassischen Dopings anzusehen.

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SZ v. 06. 08. 2012, S. 40. Stacey Lewis, der Weltranglistenersten im Golf, wurde die Wirbelsäule mit einem Titanstab und fünf Stiften begradigt, damit sie sich beim Golfschwung besser drehen kann. Vgl. FAZ v. 14. 03. 2013, S. 23. 25 Vgl. z. B. Regel 144 Nr. 2a) Internationale Wettkampfbestimmungen IAAF, der zufolge der Besitz oder das Benutzen von Funkgeräten, Mobiltelefonen und ähnlichen Geräten im Wettkampfbereich nicht erlaubt ist. Ergänzend stellt als nationale Bestimmung der DLV unter Nr. 2d) klar, dass „Geräte, die der Wettkämpfer während des Laufs mitführt und die zur Messung der Herzfrequenz, der Geschwindigkeit oder zum Schrittzählen geeignet sind, sofern diese nicht zur Kommunikation mit einer anderen Person genutzt werden können“ nicht erlaubt sind. 26 K. Vieweg, Faszination Sportrecht, http://www.irut.de/Forschung/Veroeffentlichungen/On lineVersionFaszinationSportrecht/FaszinationSportrecht.pdf, S. 43. 24

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Greift man die drei genannten Verbotszwecke auf, so liegt es nahe, unter dem Schlagwort „Techno-Doping“ das ganze Spektrum technischer (mechanischer, elektronischer, mechatronischer) Unterstützungsmittel, -maßnahmen und -methoden zu erfassen, die geeignet sind, unfaire Vorteile im Wettkampf zu verschaffen, die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Athleten zu gefährden und/oder dem Ansehen der Sportart zu schaden. Mit diesem zugegebenermaßen sehr weiten Verständnis wird m. E. zweierlei ermöglicht: Zum einen werden Lücken und Schlupfwinkel weitestgehend vermieden; zum anderen kann dem Fairnessgebot, das eine Differenzierung ohne Diskriminierung verlangt, sportartspezifisch entsprochen werden, weil ermöglicht wird, in der einen Sportart technische Mittel, Maßnahmen und Methoden zu erlauben und in der anderen eben diese zu verbieten. So kann im Behindertensport geboten und gestattet sein, was in der vergleichbaren Disziplin im Sport Nichtbehinderter verboten ist. Um Irritationen im Behindertensport zu vermeiden, sollte der Begriff „TechnoDoping“ vermieden und durch die Formulierung „verbotene Mittel, Maßnahmen und Methoden technischer Art“ ersetzt werden.

III. Recht und Pflicht der Sportverbände zur Regelung und Entscheidung Mit dem Regelungs- und Entscheidungsrecht sowie der entsprechenden Pflicht der Sportverbände ist eine verbandsrechtliche Grundproblematik angesprochen. Die Parallelproblematik der vertragsmäßigen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Sportverbänden und ihren unmittelbaren und mittelbaren Mitgliedern27 kann im Rahmen dieses Vortrags nicht behandelt werden.28 Dass die deutschen und internationalen Sportverbände aufgrund der ihnen gewährten Verbandsautonomie befugt sind, in eigenen Angelegenheiten Normen zu setzen und anzuwenden, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. So haben die Sportverbände insbesondere das Recht, die Eigenarten ihrer Sportart und Disziplinen zu definieren und bestimmte Bewegungsvarianten auszugrenzen. Beispielsweise ist ein Hochspringer gehalten, mit einem Bein abzuspringen und darf – was für Turner nahe liegen würde – keinen Salto über die Latte ausführen. Ebenso ist das Verbot des Saltoweitsprungs (Bernhard

27 Zur Zweispurigkeit des Sportrechts vgl. K. Vieweg (Fn. 26), S. 18 ff. sowie V. Röhricht , Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt a. M. 1994, S. 12 ff. 28 Vgl. zu den Vertragskonstruktionen z. B. F. Steinle, „Techno-Doping“ – Schutzmechanismen zu Gunsten der Athleten durch Regelwerke im Skisport, in: K. Vieweg (Hrsg.), „Techno-Doping“, 2015, S. 31 (35 ff.); grundlegend BGH, SpuRt 1995, 43 (47 f.).

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Stierle 1974: 7,42 m) durch die IAAF von der Verbandsautonomie gedeckt.29 Dasselbe gilt für die Zulassung der Drehstoßtechnik beim Kugelstoßen und des Fosbury Flop beim Hochsprung sowie für die Zulassung des Skating-Stils im Skilanglauf. Von der Verbandsautonomie ebenfalls gedeckt ist die Entscheidung über die „Definitionshoheit“. So legt nicht die FIFA, sondern der International Football Association Board die Fußballregeln fest. Deren Geltung auch auf nationaler Ebene wird bekanntermaßen von den staatlichen Gerichten akzeptiert.30 Deutlich problematischer ist – auch im Hinblick auf die Gerichtsfestigkeit – die Frage der Regelungs- und Entscheidungspflicht der Sportverbände. Diese Problematik habe ich bereits 1989 in meiner Habilitationsschrift aufgegriffen.31 Grundlegend anderes ist mir zugegebenermaßen jetzt nicht eingefallen. Ich möchte deshalb mit einem Eigenzitat beginnen: „Unbestimmtheit, Lückenhaftigkeit und teilweise sogar das völlige Fehlen von Verbandsnormen sind bei den Sportverbänden durchaus verbreitet. Dies beruht auf verschiedenen Gründen. Neben der Praktikabilitätserwägung, Satzungen und Nebenordnungen nicht mit Detailregelungen zu überfrachten, sind zwei Gründe ausschlaggebend: fehlendes Konfliktbewusstsein und das Bestreben, die eigene Handlungsfähigkeit nicht durch selbstbindende Regelungen von vornherein einzuschränken. … Normenmangel und -unbestimmtheit werfen insbesondere zwei Fragen auf: Trifft die deutschen Sportverbände die Pflicht, Regelungen aufzustellen, die hinreichend konkret sowohl für die Anwendung durch die zuständigen Verbandsorgane als auch für die Perspektiventscheidungen der (mittelbaren) Mitglieder sind? Und: Besteht für die deutschen Sportverbände in Angelegenheiten ihrer (mittelbaren) Mitglieder auch dann die Pflicht, Entscheidungen zu treffen, wenn ihre Verbandsnormen solche Entscheidungen nicht ausdrücklich vorsehen? Im Einzelnen ist zu fragen nach der rechtlichen Grundlage, den Voraussetzungen und Gegenständen einer solchen Regelungs- und Entscheidungspflicht.“ Als Grundlage32 sowohl einer Regelungs- als auch einer Entscheidungspflicht der deutschen Sportverbände habe ich seinerzeit die verbandsrechtliche Förderpflicht identifiziert, die ihre positiv-rechtliche Grundlage in § 242 BGB findet und wegen des Ein-Platz-Prinzips besonders intensiv und weitgehend ist. Aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht habe ich eine Informationspflicht abgeleitet, konkret: eine Pflicht, detaillierte Regelungen in allen Bereichen aufzustellen, die für die Interessenverfolgung der (mittelbaren) Mitglieder wesentlich sind. Im praktischen Ergebnis führt die Erfüllung der Regelungspflicht in Verbindung mit dem verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot zur normativen Schaffung von Anspruchs29 Vgl. zur Diskussion um das Verbot des Barfußfahrens im Triathlon den Schiedsspruch des DIS-Sportschiedsgerichts v. 30. 07. 2011, DIS-SV-SP-05/10 (teilweise veröffentlicht in SpuRt 2013, 164 f.). 30 Das OVG Münster, NVwZ 1984, 530 grenzt fachkundig das Fußballspiel nach den Regeln des Deutschen Fußball-Bundes vom sog. Bolzen ab. 31 K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 244 f. m. w. N. 32 K. Vieweg (Fn. 31), S. 245.

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grundlagen.33 Hinsichtlich der Bestimmtheitsanforderungen und damit der inhaltlichen Ausgestaltung34 ist wesentlich auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen, das letztlich bei kollidierenden Grundrechten nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu einer Interessenabwägung führt.35 Festzuhalten ist, dass die Verbände sich nicht durch eine Flucht in den Normenmangel und einen Verzicht auf Entscheidungen ihrer Förderpflicht in Gestalt der Informationspflicht gegenüber ihren unmittelbaren und mittelbaren Mitgliedern, den Athleten, entziehen können. So hat der Internationale Skiverband vernünftigerweise über die Zulassung des Skating-Stils beim Langlauf und des V-Stils beim Skisprung entschieden und damit für Klarheit gesorgt. Hingegen bedurfte die von Dick Fosbury kreierte Hochsprungvariante keiner ausdrücklichen Entscheidung der IAAF, da sie regelkonform war. Dass bei der Formulierung der Hochsprung-Regel36 niemand den Fosbury-Flop im Sinn hatte, spielt insofern keine Rolle. Auch der Internationale Turnerbund (FIG) hat, nachdem in den Wertungsvorschriften für das Kunstturnen männlich (Ausgabe 1976) die Verwendung von Reck- und Ringeriemchen noch nicht Erwähnung fand, später für hinreichende Klarheit gesorgt.37 Mit der prinzipiellen Gestattung sind beide Varianten – ohne und mit Röllchen – zugelassen.

IV. Regelungs- und Entscheidungsinhalt 1. Konstellationen Die mit dem „Techno-Doping“ zusammenhängenden Rechtsfragen sind bisher – sieht man von den Fällen Casey Martin und Oscar Pistorius einmal ab – noch nicht forensisch geworden. Von daher liegt es nahe, sich zu überlegen, in welchen Konstellationen es zu einem Rechtsschutzbegehren kommen kann. Eine systematische Erfassung muss einerseits die möglichen Beteiligten erfassen. Dies sind als Normsetzer und Entscheider die internationalen und nationalen Verbände und als Betroffene vor allem die Athleten und ggf. die Hersteller insbes. technischer Hilfsmittel. Andererseits ist das Spektrum der möglichen Regelungen und Entscheidungen einzubeziehen. Hier sind drei Varianten zu unterscheiden. Die erste Variante ist ein Verbot und ggf. die Sicherstellung der Einhaltung dieses Verbots durch Kontrollmaßnahmen und Sanktionen. Als zweite Möglichkeit ergibt sich die Zulassung ohne oder unter 33

K. Vieweg (Fn. 31), S. 251 f. Dazu IV. 35 Vgl. K. Vieweg (Fn. 31), S. 235 f., 257 m. w. N. 36 Regel 182 Nr. 1 Internationale Wettkampfbestimmungen IAAF (Hochsprung): „Der Wettkämpfer springt mit einem Fuß ab.“ 37 Art. 9 Wertungsvorschriften für das Kunstturnen männlich FIG (Ausgabe 1997) (Die Rechte und Pflichten der Turner), Ziff. 5: „Die Verwendung von Bandagen und Handleder ist gestattet. Sie müssen in einem einwandfreien Zustand und sicher befestigt sein.“ 34

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bestimmten Bedingungen und ggf. die Kontrolle der Einhaltung dieser Bedingungen. Dritte Variante ist das Absehen von Regelungen und Entscheidungen – der Normenund Entscheidungsmangel. Aus dem Kreis der möglichen Beteiligten sowie den drei Regelungs- und Entscheidungsvarianten lassen sich im Wesentlichen fünf Konstellationen ableiten: In der ersten Konstellation liegt eine Norm des internationalen Sportverbandes (oder eine gleichlautende Norm des nationalen Sportverbandes) vor, die eine Maßnahme als „Techno-Doping“ verbietet. Auf diese Norm gestützt ist eine entsprechende Verbotsentscheidung. Das Rechtsschutzbegehren des betroffenen Athleten – verbandsintern, an ein staatliches Gericht oder Schiedsgericht – wirft neben der Frage der Bindung durch Satzungskonstruktionen und/oder Vertrag insbes. die Frage der Inhaltskontrolle der einschlägigen Verbandsnorm sowie ggf. einer Subsumtionskontrolle, d. h. der richtigen Anwendung der Verbandsnorm auf. Ist nur eine entsprechende Verbandsnorm vorhanden, aber noch keine Verbotsentscheidung im konkreten Fall getroffen, stellt sich die Frage, ob der Athlet eine negative Feststellungsklage erheben kann. Von einer entsprechenden Verbandsnorm und -entscheidung kann auch der Hersteller eines technischen Hilfsmittels massiv betroffen sein. Insofern kommt ein kartellrechtlicher Rechtsschutz unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Betracht. In der zweiten Konstellation liegt eine Norm des internationalen und nationalen Sportverbandes vor, die ein technisches Mittel bzw. eine technische Maßnahme oder Methode ohne oder unter bestimmten Bedingungen zulässt. Entsprechend dieser Zulassungsnorm liegt eine Entscheidung des internationalen bzw. nationalen Sportverbandes vor. Hier kann der betroffene Athlet an einem Rechtsschutz mit dem Ziel interessiert sein, günstigere Zulassungsbedingungen (z. B. längere Blades) zu erhalten. Ein Konkurrent könnte an einem Rechtsschutz mit dem Ziel interessiert sein, das zugelassene technische Hilfsmittel zu verbieten oder nur unter schärferen Bedingungen zuzulassen. Auf Herstellerseite sind beide Varianten – je nach Produktpalette – in Betracht zu ziehen. In der dritten Konstellation gibt es weder Normen noch Entscheidungen des betreffenden internationalen und nationalen Sportverbandes. Das Interesse sowohl der Athleten als auch etwaiger Hersteller geht dahin, möglichst rechtzeitig Klarheit über die Wettkampf- und Trainingsbedingungen bzw. über die Vermarktungsmöglichkeiten zu erhalten. Rechtsschutzziele können insofern zum einen die Zulassung eines konkreten technischen Hilfsmittels oder dessen Verbot bzw. dessen Zulassung unter konkreten Bedingungen sein. Entsprechend ist beim Rechtsschutzziel der Hersteller zu differenzieren. Eine vierte Konstellation kann in der fehlerhaften Kontrolle der Einhaltung der Zulassungsbedingungen gesehen werden. Das Rechtsschutzinteresse von Athlet, Konkurrent und Herstellern auf korrekte Einhaltung der Regeln bzw. Zulassungsent-

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scheidung stellt sozusagen die Fortsetzung der vorbezeichneten Rechtsschutzkonstellation dar. Die fünfte Konstellation betrifft den Kontrollverzicht. Dies dürfte – das haben die Paralympics in London gezeigt – aus Konkurrentensicht ein besonders virulentes Problem sein. Man kann sich vorstellen, welche Manipulationsrisiken bestehen, wenn für 520 Wettbewerbe nur wenige Kontrolleure zur Verfügung stehen. Weitere Konstellationen sind denkbar. Insbesondere ist es natürlich möglich, dass Regelungs- und Entscheidungsdivergenzen zwischen den internationalen und nationalen Verbänden bestehen. 2. Lösungsansätze Für die Lösung der anstehenden Probleme ist zum einen in strategischer Hinsicht entscheidend, ob Rechtsschutz durch die Verbandsinstanzen (Verbandsgerichte), die staatlichen Gerichte oder durch Schiedsgerichte gesucht wird. Unter Zeitaspekt ist insofern die Option einstweiligen Rechtsschutzes zu berücksichtigen [dazu a)]. Zum anderen geht es in materiell-rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen um eine inhaltliche Überprüfung der Normen und Entscheidungen bzw. im Fall des Normenmangels um die Prognose, wie eine „gerichtsfeste“ Entscheidung des Verbandes aussehen müsste [dazu b)]. a) Rechtsschutzmöglichkeiten Wie die betroffenen Athleten und Hersteller ihre Interessen durchsetzen, hängt von den verfahrensmäßigen Möglichkeiten sowie von strategischen Überlegungen ab. Je nach Ausgestaltung in Satzungs- oder Vertragsform kommt Rechtsschutz durch Verbandsinstanzen (Verbandsgerichte), staatliche Gerichte und/oder Schiedsgerichte in Betracht. Unter Zeitaspekt ist an die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zu denken. Insofern ist auch das geringere Beweismaß – es reicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit aus – ins Kalkül zu ziehen. Weitere Überlegungen betreffen den passenden Antrag auf Rechtsschutzgewährung, auf den hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann. b) Inhaltskontrolle Die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen gem. § 242 BGB ist seit dem Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 24. 10. 198838 der neuralgische Punkt im Verhältnis von Verbandsautonomie und staatlich-gerichtlicher Kontrollkompetenz.39 Sie erfasst jedenfalls Verbände, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich über eine überra38

BGHZ 105, 306 ff. = BGH, NJW 1989, 1724 ff. Vgl. im Einzelnen K. Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: H. Leßmann/B. Großfeld/L. Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes, Köln/Berlin/Bonn/München 1989, S. 809 ff.; ders. (Fn. 31), S. 230 ff. 39

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gende Machtstellung verfügen.40 Meines Erachtens sollte sie ohne diese Einschränkung41 Gültigkeit haben, und zwar aus folgenden Gründen:42 Die Inhaltskontrolle ermöglicht eine optimale Drittwirkung der Grundrechte durch die Einbeziehung der Interessen des Verbandes, der Mitgliedermehrheit und -minderheit sowie ggf. der mittelbaren Mitglieder, insbes. der Athleten. In die Abwägung einzubringen sind nicht nur solche Interessen, die einen unmittelbaren Bezug zur konkret in Frage stehenden Austauschbeziehung zwischen Verband und Mitglied haben. Es müssen vielmehr auch solche Interessen einbezogen werden, die aus der Verfolgung des gemeinsamen Vereinszwecks und damit aus dem Umstand resultieren, dass zwischen Verband und typischerweise betroffenen Mitgliedern eine komplexe körperschaftliche Gesamtbeziehung besteht. Soweit Normen internationaler Sportverbände durch Rezeption Normen des deutschen Sportverbandes geworden sind, unterliegen sie ebenfalls der Inhaltskontrolle des § 242 BGB.43 Aus der zunehmend relevanter werdenden gemeinschaftsrechtlichen Perspektive44 handelt es sich bei der Verbandsautonomie um ein Gemeinschaftsgrundrecht und damit um eine immanente Schranke der Grundfreiheiten. Für deren Konkretisierung erweist sich auch auf dieser Ebene das Verhältnismäßigkeitsprinzip als zentral. Es bestimmt die zulässige Intensität, Reichweite und materielle Regelungsdichte von Maßnahmen anhand der Kriterien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Im gerichtlichen Rechtsschutz korreliert die Kontrolldichte mit dem Grad der Gefährdung grundrechtlich bzw. grundfreiheitlich geschützter Positionen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erweist sich insofern als Maßstab wechselseitiger Begrenzung von Verbandsautonomie und unmittelbar drittwirkenden Grundfreiheiten. Seine Umsetzung hat auf der Ebene der Rechtfertigungsgründe zu erfolgen. Um den bereichsspezifischen Interessen und Wertungen adäquat Rechnung tragen zu können, kommen – entsprechend den staatengerichteten Grundfreiheiten – als verbandsspezifische Rechtfertigungsgründe der Vorbehalt der

40

BGH, NJW 1999, 1326 (1327). Zum Meinungsstand vgl. B. Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. 2010, Rn. 3374; Palandt/Ellenberger, 72. Aufl. 2013, § 25 Rn. 9 f. und 19 ff.; umfassender Überblick über die Entwicklung im MünchKomm-Reuter, 6. Aufl. 2012, vor § 21 Rn. 120 ff. und § 25 Rn. 55 ff. 42 Vgl. im Einzelnen K. Vieweg (Fn. 31), S. 229 ff. (insbes. 234 ff.); ders., Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbandszulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt a. M. 1994, S. 36 ff. 43 K. Vieweg (Fn. 31), S. 352 mit dem Hinweis, dass im Rahmen der gerichtlichen Nachprüfung gem. § 242 BGB der rechtliche Gesichtspunkt des Ordre-public-Verstoßes i. S. v. Art. 6 EGBGB heranzuziehen ist. 44 Hierzu K. Vieweg/A. Röthel, Verbandsautonomie und Grundfreiheiten, ZHR 166 (2002), 6 f. 41

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öffentlichen Verbandsordnung, die zwingenden Gründe des Verbandsinteresses und die nicht-wirtschaftlich begründeten Verbandsregelungen in Betracht.45 In praktischer Hinsicht stellt sich natürlich die Frage, wie detailliert die Regelungen sein müssen, um verbandsseitig der Informationspflicht zu entsprechen. – Wie bereits angesprochen, ist Grundlage sowohl einer Regelungs- als auch einer Entscheidungspflicht des Verbandes die sich aus § 242 BGB ergebende reziproke46 verbandsrechtliche Förderpflicht. Aus dieser lässt sich inhaltlich eine wechselseitige Informationspflicht47 von Verband und Mitgliedern ableiten. Die generell-abstrakten Regelungen der Verbände müssen so detailliert sein, dass sie für die Mitglieder eine zuverlässige Informationsquelle sind, auf die sie nicht nur ihr aktuelles Verhalten, sondern auch langfristige Entscheidungen stützen können. Ebenso besteht für den Verband eine Pflicht zur Beobachtung der Entwicklung und ggf. zu einer Anpassung der Verbandsregelungen. Schließlich folgt daraus auch eine verbandsrechtliche Entscheidungspflicht im Einzelfall. In inhaltlicher Hinsicht müssen die Verbandsregelungen dem Kontrollmaßstab des § 242 BGB genügen und dürfen damit insbes. sachlich nicht ungerechtfertigt diskriminieren. Wesentlicher Maßstab der Inhaltskontrolle sind die den sportlichen Wettkampf prägenden verbandsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Differenzierungsgebote.48 Beide finden letztlich ihre Grundlage im verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot sowie im Fairnessgebot.49 Nach dem Inhalt des Fairnessgedankens müssen die Wettkampfregeln Chancengleichheit gewährleisten, da die Gleichheit der Wettkampfbedingungen – dem Leistungsgedanken des Sports entsprechend – Grundvoraussetzung für gerechte und auf vergleichbaren Leistungen beruhende Ergebnisse ist. Rechtliche Grundlage für eine Bindung des Verbands an den Grundsatz der Fairness ist – neben der verbreiteten satzungsmäßigen Festlegung – wiederum § 242 BGB.50 Um dem Fairnessprinzip zu entsprechen, kann es praktikabel sein, den Athleten verbandsseitig Sportgeräte und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen oder Material- und Konstruktionsvorgaben zu machen. Allerdings ist im Rahmen einer Inhaltskontrolle auch das verbandsseitige Interesse an Ermessens- und Beurteilungsspielräumen sowie an den praktischen Realisierungsmöglichkeiten und an der Vermeidung von Überregulierungen in die Abwägung einzubeziehen. Dies sollte für die Normadressaten transparent und nachvollziehbar in den Verbandsregelungen formuliert sein. Eine „Flucht in nichtssagende 45 K. Vieweg/A. Röthel, Verbandsautonomie und Grundfreiheiten, ZHR 166 (2002), 6 (33 f.). 46 BGHZ 110, 323 (330) = BGH, NJW 1990, 2877 (2879). 47 K. Vieweg (Fn. 31), S. 243 f. 48 K. Vieweg, Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote, in: Württembergischer Fußball-Verband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Stuttgart 2005, S. 71 (82 f.). 49 K. Vieweg (oben Fn. 48), S. 84 ff. sowie K. Vieweg/A. Müller (Fn. 2), S. 888 (901 ff.). 50 K. Vieweg/A. Müller (Fn. 2), S. 888 (901 f.).

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Normen“ darf es ebenso wenig geben wie eine „Flucht in den Normenmangel“. Wenn mit Hilfe einer komplizierten Formel für Beinamputierte die „normale“ Körpergröße errechnet werden kann, ist dem Erfordernis der Transparenz zwar entsprochen. Wenn die Anwendung dieser Formel hingegen zum Ergebnis hat, dass die berechnete Körpergröße von der früheren – vor der Amputation bzw. dem Unfall gegebenen – realen Körpergröße nicht unerheblich abweicht,51 ist dies schwerlich nachvollziehbar.52 Auch die generelle Problematik der fairen Klassifizierung im Behindertensport53 unter Berücksichtigung hinreichend großer Wettkampfgruppen ist hier einzuordnen. Die Regelungen, die der Internationale Skiverband (FIS) für das Skispringen getroffen hat, erfüllen in ihrer Detailliertheit das Prüfkriterium der Transparenz. Jeder Athlet kann die für sein Körpergewicht zulässige Skilänge problemlos ermitteln.54 Auch die präzisen Vorgaben für die Skianzüge55 sind – wenn auch auf den ersten Blick mit einer gewissen Tendenz zur Überregulierung – transparent und zumindest der Größenordnung nach plausibel.56 Das Verbot des Katapultschuhs im Hochsprung57, des Bürstenschuhs für Läufe sowie der Saltotechnik im Hoch- und Weitsprung ist m. E. interessengerecht. Die Gewährleistung der Chancengleichheit und die körperliche Unversehrtheit der Athleten sind insofern tragende Gründe. Im Fall Popow/Czyz ist es m. E. nicht ausreichend, unmittelbar vor Beginn des Wettkampfes ein wesentliches „Ersatzteil“ zuzulassen, das gerade auf den Markt gebracht worden ist. Eine angemessene Trainings- und Einübungsphase muss aus Gründen der Chancengleichheit gewährleistet sein. 51 Der deutsche Prothesenläufer David Behre war vor seinem Unfall 1,82 m groß. Der Tagesspiegel v. 04. 09. 2012, S. 19 berichtet, dass er laut Reglement mit Prothesen 1,93 m hoch sein dürfe, aber seine ursprüngliche Größe habe. 52 Möglicherweise findet die Zulassung zu langer Prothesen – Fall Oliveira (Fn. 6) – hier ihre Ursache. 53 Vgl. FAZ v. 08. 09. 2012, S. 3; FAZ v. 04. 09. 2012, S. 4; Spiegel 17/2012 v. 23. 04. 2012, S. 114 f.; vgl. schon FAZ v. 07. 11. 2008, S. 31 (Interview M. Buggenhagen). 54 FIS Specifications for Competition Equipment Edition 2012/13: Measurement table for ski length and weight – BMI 21.0 – Ladies and Men. 55 Vgl. zum Schnittmuster und zur zulässigen Dicke der Unterwäsche von 3 mm Nr. 4.3 FIS Specifications for Competition Equipment and Commercial Markings, http://www.fisski. com/mm/Document/documentlibrary/Marketing/03/38/85/Competitionequipment_1314_30.09. 2013_clean_English.pdf. 56 G.-P. Brüggemann (Fn. 10), S. 14 weist darauf hin, dass ein Kilogramm weniger einer Steigerung der Sprungweite um 1,2 m entspricht. 57 Regel 143 Nr. 2 Internationale Wettkampfbestimmungen IAAF (Schuhe): „Das Schuhwerk darf nicht so beschaffen sein, dass es einem Wettkämpfer irgendeine zusätzliche und unfaire Unterstützung bietet.“ In Nr. 5 (Sohlen und Absatz) heißt es: „Beim Hoch- und Weitsprung dürfen die Sohlen eine maximale Dicke von 13 mm und der Absatz eine solche von maximal 19 mm haben.“ Nr. 6 (Einlagen und Hinzufügungen bei Schuhen) regelt: „Die Wettkämpfer dürfen weder innerhalb noch außerhalb der Schuhe irgendeine Vorrichtung benutzen, die die Sohlendicke über das zulässige Maß erhöht oder dem Träger irgendeinen Vorteil bietet, den er bei der in Nr. 5 beschriebenen Art der Schuhe nicht haben würde.“

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3. Die Fälle Casey Martin und Oscar Pistorius a) Casey Martin Mit Mehrheitsbeschluss ließ der Supreme Court in seiner Entscheidung vom 29. 05. 200158 die Nutzung des Golfwagens von Casey Martin zu. Die Begründung knüpfte im Wesentlichen an den US-amerikanischen Anti Discrimination Act (ADA) an und stützte sich darauf, dass dessen Beachtung nicht zu einer die Sportart Golf grundlegend tangierenden Änderung des Regelwerks zwingen würde. Insbesondere habe der Veranstalter der PGATour die Beweislast, dass ein an den Anti Discrimination Act angepasstes Regelwerk, das die Nutzung eines Golfwagens zulässt, für Casey Martin einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen würde. Hierzu sei nichts vorgetragen. Völlig anderer Auffassung waren zwei Richter, die in ihrer dissenting opinion harsche Kritik übten. Der ADA verlange nur, dass der Veranstalter einem behinderten Sportler die Teilnahme nicht aufgrund seiner Behinderung verweigere. Er sei jedoch nicht verpflichtet, diesem Sportler gegenüber ein abweichendes Regelwerk anzuwenden. Das Gesetz ziele nicht darauf ab, im Rahmen einer Einzelfallprüfung sicherzustellen, dass der behinderte Sportler trotz seiner Behinderung die gleiche Chance habe, den Wettkampf zu gewinnen. Dies widerspreche vielmehr der Eigenart des sportlichen Wettkampfes als eines Leistungsvergleichs unterschiedlich verteilter Talente aufgrund einheitlicher Regelbestimmungen.59 Die Entscheidung des Supreme Court spiegelt den Grundkonflikt gut wider. Sie ist m. E. zumindest vertretbar, da die Abschläge beim Golfspielen ganz im Vordergrund stehen und die körperliche Belastung durch den Gang von Loch zu Loch als nachrangig anzusehen ist. b) Oscar Pistorius Dem Schiedsgerichtsurteil des CAS60 vom 16. 05. 2008 im Fall Pistorius gegen die IAAF lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der internationale Leichtathletikverband entzog dem südafrikanischen Sprinter Oscar Pistorius aufgrund einer biomechanischen Studie von Prof. Dr. Brüggemann (Deutsche Sporthochschule Köln) unter Verweis auf die IAAF-Regel 144.2 (e) am 14. 01. 2008 das Startrecht. Diese Regel verbietet den Gebrauch jeglicher technischer Vorrichtungen, die Federn, Räder oder jedes andere Bauteil enthalten, die dem Benutzer einen Vorteil gegenüber den ande58

Supreme Court, Entscheidung v. 29. 05. 2001, PGA Tour, Inc. v. Martin, 121 S. Ct 1879. Hierzu im Einzelnen S. Zinger, Gleichbehandlung im Sport – Der Anspruch eines Sportlers auf Teilnahme am Wettkampf im US-amerikanischen und im deutschen Recht, in: Württembergischer Fußball-Verband (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Baden-Baden 2005, S. 23 (32 f.); dies., Diskriminierungsverbote und Sportautonomie, Berlin 2003, S. 193 ff.; dies., in: K. Vieweg (Hrsg.), Spektrum des Sportrechts, Berlin 2003, S. 8 ff.; K. Vieweg/S. Lettmaier, Anti-Discrimination Law and Policy, in: J. Nafziger/S. F. Ross (eds.), Handbook on International Sports Law, Cheltenham, UK/Northampton, MA, USA, 2011, p. 258 (273 f.). 60 CAS 2008/A/1480, Pistorius v. IAAF, 28 – 52 = SpuRt 2008, 152 (152 f.). 59

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ren Wettkämpfern ermöglichen, die solche Vorrichtungen nicht benutzen. In seiner Studie stellte Prof. Dr. Brüggemann einige biomechanische Vorteile fest, die mit der Nutzung der Prothesen im Vergleich zu Sprintern mit natürlichen Beinen bestehen.61 Gegen das Startverbot der IAAF klagte Pistorius vor dem Lausanner Court of Arbitration for Sports, welches die IAAF-Entscheidung aufhob. Der CAS stellte zwar fest, dass die IAAF mit dem Startverbot nicht gegen die Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung verstoßen habe. Das Behindertenrecht erfordere lediglich, dass behinderten Athleten gestattet sei, auf derselben Basis wie andere Athleten zu starten. Entscheidende Frage sei, ob die Prothesen einen sportlichen Vorteil mit sich bringen. Insofern stellte der CAS klar, dass es nicht ausreiche, wenn der Athlet mit dem Hilfsmittel irgendeinen Vorteil gegenüber anderen Athleten habe. Es müsse sich vielmehr im Rahmen einer Gesamtschau ein Netto-Vorteil durch die Benutzung der Prothesen ergeben. Das Gutachten von Prof. Dr. Brüggemann behandle allein die Frage, ob Pistorius durch den Gebrauch der Prothesen irgendeinen Vorteil habe. Die Studie habe sich nur auf das Rennen bei hoher Geschwindigkeit auf gerader Strecke bezogen. Die möglichen Nachteile – beim Start und in den Kurven – seien nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Deshalb sei aufgrund der Beweislast, die den Verband treffe, die Entscheidung zugunsten von Pistorius zu treffen. Der Fall Pistorius zeigt, welche Auswirkungen nicht hinreichend klare Verbandsregelungen haben können. Durch eine geschicktere Formulierung der Regel hätte die IAAF eine negative Entscheidung wohl vermeiden können. Sportartprägend ist das Laufen, nicht eine beinahe hüpfähnliche Bewegung, wie sie beim Einsatz der Blades zu beobachten ist. Abzuwarten ist, ob die neue Regelung des Deutschen Leichtathletikverbandes, der zufolge Leistungen, die mit technischen Hilfsmitteln wie Prothesen erbracht werden, getrennt von den Leistungen gewertet werden, die ohne technische Hilfsmittel erbracht werden,62 den „Lackmus-Test“ einer Inhaltskontrolle bestehen wird. Die für den Behindertensport63 zu klärende Grundsatzfrage, ob körperliche Nachteile durch die Zulassung technischer Hilfsmittel ausgeglichen werden dürfen, ist im Grunde eine Parallelproblematik zur Frage des „therapeutischen Gebrauchs“ im Rahmen der klassischen Dopingproblematik. Wie dort wären auch hier Dunkelfelder und Grauzonen vorprogrammiert.

61 Vgl. G.-P. Brüggemann et al., Biomechanics of double transtibial amputee sprinting using dedicated sprinting prostheses, Sport Technology 2008, Nr. 4 – 5, 220 (226 f.). 62 FAZ v. 04. 02. 2013, S. 15; zur Kritik und zur Forderung des Deutschen Behindertensportverbandes, an der Regelsetzung beteiligt zu werden, FAZ v. 20. 11. 2012 und DOSB, http://www.dosb.de/de/leistungssport/spitzensport-news/detail/news/behindertensportverband_ fordert_beteiligung_an_regelwerken/. 63 Vgl. hierzu K. Vieweg/S. Lettmaier (Fn. 59), S. 258 (271 ff.).

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V. Zusammenfassung und Ergebnis Sportliche Leistung ist das Ergebnis eines – vom Training über Ausrüstung und Sportgerät bis hin zum Wettkampf reichenden – Gesamtsystems, dessen einzelne Komponenten in vielfältiger Weise durch technische Mittel, Maßnahmen und Methoden unterstützt werden können. Der Begriff „Techno-Doping“ sollte zur Vermeidung von Missverständnissen nicht mehr verwendet, sondern ersetzt werden durch die Formulierung „verbotene Mittel, Maßnahmen und Methoden technischer Art. Ergänzend sollte klargestellt werden, dass diese Mittel, Maßnahmen und Methoden mechanischer, elektronischer oder mechatronischer Art sein können und geeignet sein müssen, unfaire Vorteile im Wettkampf zu verschaffen, die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Athleten zu gefährden und/oder dem Ansehen der Sportart und des für diesen Verband verantwortlichen Sportverbandes zu schaden. Sportverbände haben nicht nur das Recht, sondern können wegen ihrer verbandsrechtlichen Förderpflicht und der sich daraus ergebenden Informationspflicht auch verpflichtet sein, Regelungen und Entscheidungen zu dieser Problematik zu treffen und diese ggf. durchzusetzen. Mit Blick auf den staatlich-gerichtlichen Rechtsschutz besteht damit allerdings lediglich die „Chance zur Selbstregulierung“64. Um eine gerichtliche Nachprüfung zu bestehen, müssen die Verbandsregelungen so detailliert sein, dass sie für die Verbandsmitglieder – auch die Athleten als mittelbare Mitglieder – eine zuverlässige Informationsquelle für deren eigene Entscheidungen sind. In inhaltlicher Hinsicht müssen sie dem den sportlichen Wettkampf prägenden verbandsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Differenzierungsgebot entsprechen. Insofern kann sportartspezifisch ein breites Regelungs- und Entscheidungsspektrum eröffnet sein. Hierzu gehören Verbote technischer Maßnahmen, Mittel und Methoden, deren Zulassung ohne oder unter bestimmten Bedingungen sowie Materialvorgaben und die Zurverfügungstellung von Ausrüstung und Sportgerät. Kurz gefasst richten sich mit Blick auf den staatlich-gerichtlichen Rechtsschutz „Ob“ und „Wie“ der Regelungen und der sie anwendenden und ggf. durchsetzenden Entscheidungen damit letztlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem den Sport prägenden Fairnessgebot. Insofern sind die Verbandsregelungen, die Unterstützungen technischer Art betreffen, ein Spiegelbild der für den Sport typischen Interessenkonflikte. Die Fälle Casey Martin und Oscar Pistorius zeigen, dass man bei der Gewichtung der Interessen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Im paralympischen Sport zeigt sich generell ein erheblicher Klärungs- und Regelungsbedarf. Dieser betrifft die Klassifizierung, die Voraussetzungen der Zulassung von Mitteln technischer Art (insbes. Beschaffenheit und Prüfungsmodalitäten) und die zeitlichen Anforderungen, insbes. die rechtzeitige Verfügbarkeit neuer Produkte für alle Wettkampfteilnehmer. Klare Formulierungen und die Berücksichtigung naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse können dazu beitragen, unliebsame Beweislastentscheidungen zu vermeiden. 64

K. Vieweg (Fn. 31), S. 182 ff. und 257 f.

Medizinische Probleme im Fußball Pflichten und Maßnahmen der FIFA aus rechtlicher Sicht* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichten der Sportverbände hinsichtlich der Gesundheit ihrer Athleten . . . . . . . . . . 1. Pflichten im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten hinsichtlich der Gesundheit der Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verletzungs- und Gesundheitsrisiken im Fußballsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Plötzlicher Herztod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gehirnerschütterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Maßnahmen der FIFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Plötzlicher Herztod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gehirnerschütterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Bei unserem Kongress im vorigen Jahr in Athen habe ich über die Entscheidungen und die Verantwortung der Sportärzte referiert.1 Nun möchte ich daran anknüpfen und mich der Verantwortung der Sportverbände und speziell der Frage widmen, was die FIFA zur Bewältigung der medizinischen Probleme im Fußball beiträgt. Zwei Probleme sind in besonderem Maße in den Fokus der interessierten Öffentlichkeit gelangt: der plötzliche Herztod und die Gehirnerschütterung. Der Fall des deutschen Fußballnationalspielers Christoph Kramer, der beim Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 2014 nach einem Zusammenstoß minutenlang orientierungslos war, hat das Problem der Gehirnerschütterung deutlich werden lassen. In den USA hat das Thema Concussion nicht nur die Öffentlichkeit2, sondern auch bereits die Gerichte beschäftigt. Der von der National Football League (NFL) mit 4.8003 * Überarbeitete deutsche Übersetzung des anlässlich des 21. Kongresses der International Association of Sports Law (IASL) am 05. 11. 2015 in Marrakesh (Marokko) gehaltenen Vortrags (englische Veröffentlichung in Vorbereitung). Die Internetquellen wurden am 26. 02. 2016 zuletzt abgerufen. Kerstin Ziegler danke ich für ihre tatkräftige Unterstützung. 1 K. Vieweg, The Decisions of Sports Physicians from a Legal Perspective, in: D. Panagiotopoulos (ed.), SPORTS LAW, 22 Years I.A.S.L., Lex Sportiva – Lex Olympica and Sports Jurisdiction, Athens 2015, p. 203 – 214. 2 Der US-amerikanische Kinofilm „Concussion“ wird ab Februar 2016 unter dem deutschen Titel „Erschütternde Wahrheit“ in den deutschen Kinos gezeigt. 3 Mehr als 200 Spieler ließen sich aber nicht auf den Vergleich ein, vgl. http://edition.cnn. com/2015/04/22/us/nfl-concussion-lawsuit-settlement/.

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Spielern am 22. 04. 2015 geschlossene Vergleich4, der die Zahlung von 765 Mio. US $ vorsieht, zeigt die wirtschaftliche Dimension der Problematik.5 Die Sammelklage der Eltern fußballspielender Kinder gegen die FIFA und einige US-amerikanische Fußballverbände vom 27. 08. 20146 verfolgte insbesondere das Ziel, dass die Spielregeln geändert werden. Auch in anderen Kontaktsportarten wie dem Eishockey ist das Gehirnerschütterungsproblem virulent.7 Im Folgenden werden zunächst – als Vorinformation – die generellen Verantwortlichkeiten der Verbände gegenüber ihren Athleten hinsichtlich deren Gesundheit (dazu II.) sowie die rechtstatsächlichen Gegebenheiten des plötzlichen Herztods und der Gehirnerschütterung im Fußball (dazu III.) erörtert. Daran schließt sich die Darstellung und kritische Würdigung der Maßnahmen der FIFA an (dazu IV.).

II. Pflichten der Sportverbände hinsichtlich der Gesundheit ihrer Athleten 1. Pflichten im Allgemeinen Sportverbände genießen weltweit Autonomie, die seitens der Staaten8 und der Olympic Charta9 anerkannt ist. Ihnen wird gestattet, ihre eigenen Regelungen zu erstellen und anzuwenden. Jedoch müssen diese Regelungen mit den Rechten ihrer (mittelbaren) Mitglieder in Einklang zu bringen sein. Kommt es zu einer Kollision von Grundrechten der Verbände einerseits und der Athleten andererseits, so wird diese im deutschen Recht nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, letztlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unter Abwägung der beiderseitigen Interes-

4

Zu den Einzelheiten siehe https://nflconcussionsettlement.com/CourtDocs.aspx. https://www.hon.ch/News/HSN/702276.html; http://www.reuters.com/article/us-usa-nflconcussion-iduskbn0nd2b520150422; http://www.nfl.com/news/story/0ap1000000235494/arti cle/nfl-explayers-agree-to-765m-settlement-in-concussions-suit. 6 Zur Klageschrift vgl.: http://hbsscreative.com/emails/downloads/08 – 27 – 14_FIFA_Comp laint_Filed.pdf. 7 Der frühere Profi Stefan Ustorf leidet unter Spätfolgen von Gehirnerschütterungen; vgl. FAZ v. 20. 02. 2016, S. 32. 8 K. Vieweg/R. Siekmann, General Conclusions and Recommendations, in: K. Vieweg/ R. Siekmann (eds.), Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules, 2007, p. 657. 9 Art. 25 Olympic Charter (Recognition of International Federations) lautet: „In order to develop and promote the Olympic Movement, the IOC may recognise as Ifs international nongovernmental organisations administering one or several sports at world level and encompassing organisations administering such sports at national level. The statutes, practice and activities of the IFs within the Olympic Movement must be in conformity with the Olympic Charter, including the adoption and implementation of the World Anti-Doping Code. Subject to the foregoing, each IF maintains its independence and autonomy in the administrations of its sport.“ 5

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sen gelöst.10 Mit der inhaltlichen Wirksamkeit der Regelungen steht die Frage der Regelungs- und Entscheidungspflicht der Sportverbände im Zusammenhang. Für das deutsche Recht habe ich als Grundlage sowohl einer Regelungs- als auch einer Entscheidungspflicht deutscher Sportverbände die verbandsrechtliche Förderpflicht identifiziert, die ihre positiv-rechtliche Grundlage in § 242 BGB findet und die wegen des Ein-Platz-Prinzips besonders intensiv und weitgehend ist.11 Aus der verbandsrechtlichen Förderpflicht lässt sich eine Informationspflicht ableiten, konkret: eine Pflicht, detaillierte Regelungen in allen Bereichen aufzustellen, die für die Interessenverfolgung der (mittelbaren) Mitglieder wesentlich sind.12 Verbände können sich also nicht durch eine Flucht in einen Normenmangel und einen Verzicht auf Entscheidungen ihrer Förderpflicht in Gestalt der Informationspflicht gegenüber ihren unmittelbaren und mittelbaren Mitgliedern, den Athleten, entziehen. Gleiches muss bei einer vertraglichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen gelten. Ob und inwieweit diese Förder- und Informationspflichten für einen in der Schweiz ansässigen internationalen Sportverband, wie die FIFA, bestehen, bedarf noch näherer Untersuchung. Jedenfalls trifft die FIFA diese Verantwortung aufgrund ihres eigenen Anspruchs, qua ihrer Verbandsautonomie den Fußballsport weltweit und in vollem Umfang regeln zu dürfen.13 2. Pflichten hinsichtlich der Gesundheit der Athleten Ein Hauptinteresse der Sportler ist es, bei der Ausübung ihres Sports nicht verletzt zu werden und/oder gesundheitliche Probleme zu bekommen. Um diesem Interesse zu entsprechen und ihre eigenen Pflichten gegenüber den Athleten zu erfüllen, ergeben sich für die Verbände aus ihrer Förder- und Informationspflicht m. E. folgende spezielle Pflichten: @ Beobachtung von Verletzungen, Unfällen und Gesundheitsproblemen in dem von ihnen geregelten Sport; @ Dokumentation und Auswertung der beobachteten Verletzungen, Unfälle und Gesundheitsprobleme;

10

Vgl. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 192; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1988, Rdnr. 72 u. 317 f. 11 K. Vieweg (Fn. 10), S. 244 ff. 12 K. Vieweg, Vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine, in: M. Martinek/P. Rawert/B. Weitemeyer (Hrsg.), Festschrift für Dieter Reuter, 2010, S. 395 (406 ff. m. w. N). 13 § 2 FIFA Statuten (Fassung April 2015) lautet: „Der Zweck der FIFA ist, den Fußball fortlaufend zu verbessern und weltweit zu verbreiten … das Festlegen von Regeln und Bestimmungen sowie die Sicherstellung ihrer Durchsetzung … die Kontrolle des Association Football in all seinen Formen …“

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@ Ergreifung von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation durch Anpassung des Regelwerks, durch Aus- und Fortbildung sowie durch Forschung. Wie der erwähnte Concussion-Rechtsstreit und eine Sammelklage von Eltern fußballspielender Kinder in den USA14 zeigen, bestehen für die Verbände Risiken, verklagt zu werden, wenn sie diesen Pflichten nicht gerecht werden.

III. Verletzungs- und Gesundheitsrisiken im Fußballsport 1. Plötzlicher Herztod Der plötzliche Herztod im Fußball ereignet sich in der Weise, dass Spieler während des Spiels plötzlich bewusstlos werden, hinfallen und kurz darauf sterben. Die Wahrscheinlichkeit solcher Todesfälle ist bei intensivem Training und bei Profispielen größer als im Amateurbereich.15 Zudem ist die Problematik eher bei jungen Spielern zu beobachten.16 In mehr als 90 % der erfassten Todesfälle war eine kardiologische Vorschädigung ursächlich, die sich erstmals mit dem Tod der jungen Spieler manifestierte.17 2. Gehirnerschütterung Die Problematik der Gehirnerschütterung wurde im Anschluss an den Fall des deutschen Nationalspielers Christoph Kramer im Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien 2014 intensiv diskutiert. Kramer prallte mit seinem Kopf gegen die Schulter des Argentiniers Ezequiel Garay und fiel hin. Seine Armstellung (sog. Fencing Response) war ein klassisches Symptom einer Gehirnerschütterung. Kramer wurde nur kurz behandelt und war noch 15 Minuten auf dem Spielfeld, bevor der Schiedsrichter merkte, dass er benommen war. Daraufhin wurde er mit Unterstützung vom Platz gebracht.18 Glücklicherweise hatte die Kollision für Kramer keine schweren Dauerfolgen. Aber das Risiko schwerer Komplikationen bestand durchaus, insbesondere das sogenannte Second Impact Syndrome19 ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Hier14

Vgl. hierzu im Einzelnen unten IV. 2. K. Bille et al., Sudden cardiac death in athletes: the Lausanne Recommendations, Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2006, 859. 16 K. Bille et al., ebenda. 17 Corrado et al., Pre-Participation Screening of Young Competitive Athletes for Prevention of Sudden Cardiac Death, Journal of the American College of Cardiology 2008, 1981. 18 FAZ v. 07. 08. 2014, S. 28. 19 Uneinigkeit herrscht über die Ursachen des Syndroms: Während einige behaupten, die Koordination des Blutflusses im Gehirn sei durch die erste Erschütterung geschwächt und würde durch eine zweite vollends aus dem Gleichgewicht geraten (so S. Johannes/R. Schaumann-von Stosch, Grundlegende Aspekte der leichten traumatischen Hirnverletzung, Medizinische Mitteilungen 2007, 74 [76]), zweifeln andere die Ursächlichkeit des zweiten Stoßes 15

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bei handelt es sich um eine zwar seltene, aber schwere Komplikation, wenn ein zweiter Schlag mit Wirkung auf den Kopf erfolgt, bevor die Folgen des ersten Schlages völlig ausgeheilt sind.20 Dieser zweite Schlag muss nicht so stark sein wie der erste, um eine weitere Gehirnerschütterung zu verursachen. Sogar ein Schlag auf die Brust kann ausreichen.21 Für den Fußballsport ist insofern zu berücksichtigen, dass die Ballgeschwindigkeit sogar über 100 km/h hinausgehen kann. Weiterhin hat eine wissenschaftliche Studie ergeben, dass 50 % aller Kopfverletzungen im Fußball durch Kopfstöße oder durch den Kontakt im Bereich der oberen Extremitäten verursacht werden.22 Die Gefahren des American Football waren Gegenstand der Sammelklage, die von ehemaligen Spielern gegen die NFL und die NFL Properties erhoben wurde. Sie wurde damit begründet, dass die NFL von den Gefahren des American Football zwar gewusst habe, diese Informationen aber bewusst vor den Spielern verborgen habe, um weiter Profit aus der Härte des Spiels zu schlagen.23 Dieser Vortrag wurde von der NFL bestritten. Über diese Fragen ist jedoch kein Beweis erhoben worden, weil das Verfahren am 22. 04. 2015 mit einem Vergleich endete. Inhaltlich sind in dem Vergleich im Wesentlichen drei Punkte geregelt: Zum einen wird das Recht eines jeden Spielers anerkannt, sich einer Untersuchung auf Schäden, die im Zusammenhang mit der Ausübung der Sportart entstanden sind, auf Kosten der NFL zu unterziehen.24 Zum anderen wird die NFL verpflichtet, Schadensersatz für bereits aufgetretene oder innerhalb von 65 Jahren nach dem Vergleich auftretende neurodegenerative Erkrankungen (ALS, Parkinson, Alzheimer, Demenz, frühe Demenz oder posthum festgestellte chronisch traumatische Enzephalopathie), gestuft nach ihrem Schweregrad, zu zahlen. Ein Kausalitätsnachweis, dass die Krankheit durch die sportliche Aktivität für die NFL hervorgerufen sei, wird insofern nicht gefordert.25 Schließlich verpflichtete sich die NFL zu Investitionen für Präventionsmaßnahmen in Höhe von 10 Mio US $, vor allem für die Aufklärung und Ausbildung der Spieler und des medizinischen Personals.26

an und finden andere Erklärungen für das massive Ödem (so z. B. P. McCrory, Does Second Impact Syndrome Exist?, Clinical Journal of Sport Medicine 11 (3) (2001), 144 ff.). Vgl. zum Eishockey FAZ v. 20. 02. 2016, S. 32. 20 R. Echemendia, Die leichte traumatische Hirnverletzung – ein neuropsychologischer Ausblick, Medizinische Mitteilungen 2007, 82 (87). 21 R. Echemendia, ebenda; T. Zeigler, Second impact Syndrome, abrufbar unter http:// www.sportsmd.com/concussions-head-injuries/second-impact-syndrome/. 22 T. Andersen et al., Mechanisms of head injuries in elite football, Br J Sports Med 2004 (38), 690 – 696. 23 http://www.theguardian.com/sport/2013/aug/29/nfl-concussions-lawsuit-explained. 24 Die Kosten für diese Untersuchung werden von der NFL bis zu einer Höhe von 75 Mio. US $ übernommen, vgl. https://nflconcussionsettlement.com/FAQ.aspx, Fragen 5 und 11 ff. 25 Ebenda, Fragen 5 und 14 ff. 26 Ebenda, Fragen 5 und 24.

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Die Gehirnerschütterungsproblematik betrifft nicht nur den American Football sondern alle Kontaktsportarten.27 Erinnern wir uns an John Wolohan, der seinen anlässlich des Athener Kongresses der IASL 2014 gehaltenen Vortrag mit folgenden Worten schloss: „All contact sports need to take precautions to reduce or eliminate the health risks of concussion to players and create a comprehensive return-to-play protocol.“ Demgemäß stellt sich die Frage, ob die Aktivitäten der FIFA ausreichend waren. Anderenfalls besteht das Risiko einer Schadensersatzpflicht gegenüber den betroffenen Spielern.

IV. Maßnahmen der FIFA 1. Plötzlicher Herztod Die Fälle plötzlichen Herztodes schockieren und geben Anlass zu Maßnahmen, dem Problem zu begegnen. Eine besondere Rolle kommt neben der IOC Medical Commission28 dem FIFA Medical Assessment and Research Centre (F-MARC)29 zu, das 1994 gegründet wurde. Unter der Schirmherrschaft der IOC Medical Commission wurden am 20. 12. 2004 die „Lausanne Recommendations“ formuliert, deren Zweck darin besteht, das Risiko für Spieler so präzise wie möglich zu erfassen und diese entsprechend zu beraten.30 Empfohlen wird darin ein zweistufiges Testverfahren, um kardiovaskuläre Abnormitäten vor dem Beginn intensiver sportlicher Betätigung festzustellen. Die erste Stufe besteht aus folgenden Teilen: einer Anamnese früher Anzeichen, die auf eine kardiovaskuläre Abnormität hindeuten und aus Fragen zu Herzproblemen innerhalb der Familie. Im Anschluss findet ein 12-Kanal-Ruhe-EKG statt. Die zweite Stufe wird nur in den Fällen durchgeführt, in denen die vorherigen Tests zu Auffälligkeiten geführt haben. Ein Spezialist untersucht den Spieler mit Blick auf die Entscheidung, ob dieser für die körperliche Belastung geeignet ist. Diese Tests müssen wenigstens alle zwei Jahre wiederholt werden, sind jedoch völlig freiwillig.31

27

Vgl. zum Eishockey FAZ v. 20. 02. 2016, S. 32. Vgl. zur Tätigkeit des IOC Medical Committees http://www.olympic.org/medical-andscientific-commission?tab=mission. 29 F-MARC wurde ins Leben gerufen, um wissenschaftliche Methoden zur Vorbeugung von Verletzungen im Sport zu entwickeln, vgl. http://de.fifa.com/development/medical/aboutus/f-marc/index.html. 30 Lausanne Recommendations regarding Sudden Cardiovascular Death in Sport, abrufbar unter http://www.olympic.org/Documents/Reports/EN/en_report_886.pdf. 31 Zum Ganzen siehe Fn. 30. 28

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Als Reaktion auf die „Lausanne Recommendations“ wurde 2006 von F-MARC das Pre-competition Medical Assessment (PCMA)32 entwickelt. Dies ist ein umfassender, 15-seitiger Fragebogen, der von jedem Spieler vor dem Wettbewerb33 ausgefüllt werden muss.34 Der Fragebogen deckt die Lausanne Recommendations nicht nur ab, sondern ist weitaus detaillierter. 2013 entwickelte F-MARC einen Notfallrucksack („FIFA Medical Emergency Bag“ – FMEB). Dieser enthält u. a. einen automatischen externen Defibrillator (Automatic Extern Defibrillator – AED). Jedes FIFA-Mitglied hat einen solchen Notfallrucksack erhalten, um sich mit dem Problem vertraut zu machen.35 F-MARC zeichnet verantwortlich für das 2014 eingerichtete FIFA Sudden Death Registry (FIFA SDR), in dem bisher 23 Fälle registriert sind.36 Bereits seit 2012 werden an der Universität des Saarlandes im Sudden Cardiac Death Germany (SCDDeutschland) plötzliche Herztodfälle im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität registriert.37 2. Gehirnerschütterung Die FIFA nahm an vier Konferenzen teil, die sich speziell mit der Gehirnerschütterungsproblematik befassten.38 Aufgabe dieser Kongresse war es, eine konkrete Definition des Begriffs Gehirnerschütterung zu formulieren, die damit verbundenen Probleme zu analysieren und Änderungen vorzuschlagen. Erfasst war nicht nur der Fußball, sondern der Sport insgesamt, gleich ob es sich um Berufs- oder Amateursport handelt. Von der vierten Konferenz wurden Regeländerungen vorgeschlagen, um Kopfverletzungen zu vermeiden.39 Zudem behandelte diese Konferenz eine Studie40, welche darlegt, dass 50 % aller Kopfverletzungen im Fußball durch Kopfstöße oder durch Kontakt im Bereich der oberen Extremitäten verursacht werden. 32 Das PCMA ist abrufbar unter http://www.fifa.com/mm/document/afdeveloping/medical/ 01/07/26/86/fifapcmaform.pdf. 33 DAS PCMA nennt als „Competition Level“: FIFA, Confederation und National. 34 FIFA.com 28. May 2015, http://www.fifa.com/development/news/y=2015/m=5/news= third-medical-conference-focuses-on-prevention-2608795.html. 35 FIFA.com 31. May 2013, http://www.fifa.com/about-fifa/news/y=2013/m=5/news=sud den-cardiac-arrest-emergency-bags-sent-worldwide-2088881.html. 36 J. Scharhag et al., F-MARC: the FIFA Sudden Death Registry (FIFA-SDR), Br J Sports Med 2015 Vol 49 No 9, 563 (565). 37 http://www.uni-saarland.de/page/scd.html. 38 Konsensuserklärungen: erste Konferenz Br J Sports Med 2002 (36), 6 – 7; zweite Konferenz Br J Sports Med 2005 (39), 196 – 204; dritte Konferenz SAJSM 2009 (21), 36 – 46; vierte Konferenz Br J Sports Med 2013 (47), 250 – 258. 39 P. McCrory et al., Consensus statement on concussion in sport: the 4th International Conference on Concussion in Sport held in Zurich, November 2012, Br J Sports Med 2013 (47), 250 (254 f.). 40 T. Andersen et al., Mechanism of head injuries in elite football, Br J Sports Med 2004 (38), 690 – 696.

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Des Weiteren sehen die Konsenserklärungen der Konferenz einen detaillierten Plan vor, welcher als „Sports Concussion Assessment Tool“ (SCAT) bezeichnet wird.41 Dieser Plan beinhaltet Angaben zum Vorgehen bei einer Gehirnerschütterungsdiagnose auf dem Spielfeld und die anschließende Behandlung, um ein Weiterspielen zu ermöglichen. Ergänzend wertete die F-MARC Kopfverletzungen aus, die in 20 FIFA-Wettbewerben von 1994 bis 2014 aufgetreten waren.42 Das Ergebnis war unter anderem, dass Kopfkollisionen und Kollisionen von Kopf und Ellenbogen bzw. Hand eine große Gefahr für Gehirnerschütterungen darstellen.43 Dabei wurde festgestellt, dass der unfaire Einsatz der oberen Extremitäten mit einer größeren Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen führt.44 Zu denken gibt die Tatsache, dass die Schiedsrichter in den meisten Fällen, in denen es zu einer Kopfverletzung oder Gehirnerschütterung gekommen sei, das Verhalten noch als regelkonform gewertet hätten.45 Dies macht deutlich, dass eine Regeländerung vorgenommen werden sollte und die Schiedsrichter angehalten werden sollten, Aktionen, bei denen ein Schlag gegen den Kopf des Gegenspielers bewusst in Kauf genommen wird, strenger zu ahnden. Schutzhelme wurden nur als bedingt hilfreicher Beitrag zur Vermeidung von Gehirnerschütterungen bei Kollisionen mit den Köpfen anderer Spieler angesehen.46 Das FIFA Medical Committee hat 2015 eine Regeländerung47 bei (vermuteten) Gehirnerschütterungen empfohlen. Vorgeschlagen wird eine dreiminütige Unterbrechung des Spiels, um testen zu können, ob eine Gehirnerschütterung vorliegt.48 Experten halten eine solche allerdings für zu kurz. Zudem fordern sie speziell ausgebildetes Personal, um einen solchen Test durchzuführen.49 Auch Briana Scurry, die Torhüterin der US-amerikanischen Weltmeistermannschaft von 1999, spricht eine Empfehlung aus. Sie schlägt den Erlass einer neuen Auswechselregelung vor: Ein Spieler, bei dem der Verdacht auf Gehirnerschütterung besteht, soll ausgewechselt werden

41 Das SCAT wurde erstmals von der zweiten Konsensuskonferenz entwickelt, vgl. McCrory et al., Br J Sports Med 2005 (39), 196 (199) und seither verbessert. Zur aktuellsten Version (SCAT3) http://bjsm.bmj.com/content/47/5/259.full.pdf; zum ChildSCAT3 vgl. http:// bjsm.bmj.com/content/47/5/263.full.pdf. 42 20 Years of F-MARC, http://resources.fifa.com/mm/document/footballdevelopment/medi cal/01/47/88/15/20yearsoff-marc_final_webversion_lowres_neutral.pdf, S. 56 ff. 43 20 Years of F-MARC (Fn. 42), S. 56. 44 20 Years of F-MARC (Fn. 42), S. 56. 45 Vgl. 20 Years of F-MARC (Fn. 42), S. 57. 46 20 Years of F-MARC (Fn. 42), S. 65. 47 Diese Regel ist in den Spielregeln für die FIFA-Weltmeisterschaft in Russland 2018 und für den Teams World Cup 2015 in Japan enthalten. Generell gilt sie noch nicht. 48 FIFA.com, 23. Sep 2014, http://www.fifa.com/development/news/y=2014/m=9/news= fifa-s-medical-committee-proposes-new-protocol-for-the-management-of-c-2443024.html. 49 M. Rogers, USA today, 10. Jun. 2015, http://www.usatoday.com/story/sports/soccer/ 2015/06/10/fifa-concussions-evaluation-breaks-substitution/71000800/.

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können, ohne dass dieser Wechsel zu den insgesamt drei erlaubten Wechseln gezählt werden dürfe.50 In rechtlicher Hinsicht ist zu erwähnen, dass die FIFA wegen unzureichender Vorbeugung von Kopfverletzungen und insbesondere Gehirnerschütterungen in den USA am 27. 08. 2014 mit einer Sammelklage (class action) konfrontiert wurde.51 Mit der Klage, die zu der 2013 gegen die NFL erhobenen Klage einige Parallelen aufweist, verfolgten die Eltern fußballspielender Kinder in erster Linie nicht das Ziel, Entschädigungen von der FIFA und anderen Fußballverbänden zu erhalten. Ihnen ging es vielmehr darum, Regeländerungen und Aufklärungsmaßnahmen zu bewirken. Die 132 Seiten umfassende Klageschrift betrifft bezüglich der FIFA drei übergreifende Aspekte: @ die Kompetenz der FIFA, die Spielregeln zu formulieren und dadurch ihrer Pflicht zu entsprechen, alle ihre Spieler zu schützen;52 @ die tatsächliche Macht der FIFA, ihre Regelungen weltweit durchzusetzen;53 @ das Versäumnis der FIFA, ein adäquates Verfahren vorzusehen, wie mit Gehirnerschütterungsfällen zu verfahren ist.54 Im Einzelnen wird die Klage wie folgt begründet: @ Der FIFA waren die Ergebnisse (insbesondere die „Consensus Best Practices“) bekannt, von denen sie als Teilnehmerin, Organisatorin und Veranstalterin von vier internationalen Konferenzen über Gehirnerschütterung im Sport seit 2001 erfahren hatte;55 @ Die FIFA hat es versäumt, die von diesen internationalen Konferenzen bekanntgemachten „Consensus Guidelines“ zu übernehmen. Hierin ist eine Regelung (Return To Play Protocol) enthalten, das eine schrittweise Rückkehr auf das Spielfeld vorsieht. Diese Rückkehr darf allerdings nicht am selben Tag erfolgen. Voraussetzung ist vielmehr ein symptomfreier Tag. Weiterhin wird eine neuropsychologische Untersuchung der Spieler vor einem Wettbewerb verlangt. Zudem müsse das auf dem Spielfeld eingesetzte medizinische Personal über spezifischen Sachverstand verfügen.56 50

M. Rogers, ebenda. Zur Klageschrift vgl.: http://hbsscreative.com/emails/downloads/08 – 27 – 14_FIFA_ Complaint_Filed.pdf. Weitere Beklagte waren: The United States Soccer Federation (USSF), US Youth Soccer Association (USYSA), American Youth Soccer Association (AYSO), National Association of Competitive Soccer Clubs (US Club Soccer), California Youth Soccer Association (CYSA). 52 Klageschrift (Fn. 51), S. 62. 53 Klageschrift (Fn. 51), S. 70. 54 Klageschrift (Fn. 51), S. 74. 55 Klageschrift (Fn. 51), S. 74. 56 Klageschrift (Fn. 51), S. 77. 51

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Im Großen und Ganzen wird dargelegt, dass die FIFA mit ihren Spielregeln die Spieler schützen muss.57 Die Sammelklage ist am 17. Mai 2015 vom Federal Court in Oakland (Kalifornien) hinsichtlich der FIFA abgewiesen worden. Das Gericht erklärte sich für unzuständig, da die FIFA keine Verbindung zu Kalifornien aufweise und ihren Sitz in der Schweiz habe. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass den Klägern die Klagebefugnis fehle, weil keiner von ihnen tatsächlich Verletzungen habe darlegen können. Zudem sei nicht die FIFA für Regeländerungen zuständig, sondern das International Football Association Board (IFAB). Das Urteil wurde von der FIFA begrüßt, wenngleich auch hinzugefügt wurde, dass sich die FIFA bemühen werde, Gehirnerschütterungen in Zukunft zu vermeiden.58 D’Hooghe, Vorsitzender des FIFA Medical Committee, betonte zudem, dass die vorgeschlagenen Regeländerungen nicht als Folge der Klage anzusehen sind.59 Dass die Klage dennoch nicht erfolglos war, zeigt der Vergleich60, der mit sämtlichen anderen Beklagten geschlossen wurde: Anstatt Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen, fand eine Einigung statt, bei der sich die restlichen Beklagten mit den Klägern darauf einigten, die geforderten Regeländerungen umzusetzen. Unter anderem sind dies geänderte Auswechslungsregelungen, die bei vermuteter Gehirnerschütterung eine Untersuchung des Spielers möglich machen, ein Kopfballverbot für Spieler im Alter von bis zu zehn Jahren und die Beschränkung des Kopfballtrainings für Spieler zwischen elf und 13 Jahren.61

V. Zusammenfassung und Ausblick Sportverbände haben die selbstgesetzte Pflicht, ihre Athleten (mittelbare Mitglieder) bei der Ausübung ihres Sports vor unnötigen Gesundheits- und Verletzungsrisiken zu schützen. Um diese Pflicht zu erfüllen, müssen sie passende Regeln schaffen und für deren Anwendung und Durchsetzung sorgen. Hinsichtlich der Problematik des plötzlichen Herztodes sind die von der FIFA ergriffenen Maßnahmen ein wichtiger erster Schritt. Hinsichtlich der Problematik der Gehirnerschütterungen weisen die Regelungen noch erhebliche Lücken auf. Hieraus und aus der Auslegung und Anwendung der Fußballregeln durch die Schiedsrichter können Schadensersatzpflichten resultieren. Dies zeigt der Blick auf die durch einen Vergleich beendete Sammelklage gegen die NFL. 57

Klageschrift (Fn. 51), S. 62. FIFA.com, 17. Jul. 2015, http://www.fifa.com/development/news/y=2015/m=7/news= fifa-welcomes-us-court-s-decision-on-concussion-lawsuit-2665852.html. 59 The Guardian, 9. Sept. 2014, http://www.theguardian.com/football/2014/sep/09/fifa-con cussion-three-minute-breaks-introduction. 60 Der Vergleich ist abrufbar unter http://www.sportscapp.com/wp-content/uploads/2015/ 11/FIFA_SettlementAgreement-2.pdf. 61 US Soccer, http://www.ussoccer.com/about/recognize-to-recover/concussion-guidelines. 58

Das Ehrenamt unter Verantwortungsdruck Zugleich Besprechung der Entscheidung des AG Detmold vom 21. 02. 2015, 2 Cs_41 Js 489/13 – 439/14* I. Hinführung: Ein augenscheinlich besonderer Fall – und einige Mutmaßungen zur Richterpsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zivilrechtliche Einordnung und strafrechtliche Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweis und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendung auf den konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Hinführung: Ein augenscheinlich besonderer Fall – und einige Mutmaßungen zur Richterpsychologie Die Entscheidung des AG Detmold1 hat in den regionalen Medien große Aufmerksamkeit erregt und ist schon deshalb augenscheinlich ein besonderer Fall, weil er in erster Instanz mit einer sog. Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) geendet ist. Das ist bemerkenswert, da die Rechtspraxis auf dieses Instrument selten zurückgreift, sondern entsprechende Fälle stattdessen regelmäßig über die Einstellungsvorschrift des § 153a StPO löst.2 Fälle, in denen es trotz einer strafrechtlichen Verurteilung nicht einmal zu einer vollstreckbaren Geldstrafe kommt, sind typischerweise dadurch geprägt, dass dem Gericht ein Strafausspruch aus irgendeinem Grund wichtig zu sein scheint, die Berechtigung einer auch nur geringen Sanktion des Angeklagten aber zweifelhaft ist.3 Hier liegt genau eine solche Situation vor: Ein Kind ist in tragischer Weise und mit gravierenden Folgen (die sogar noch schlimmer hätten kommen können) zu Schaden gekommen, und es wird nicht nur ein Verantwortlicher gesucht, sondern es muss auch durch einen Strafausspruch verdeutlicht werden, dass es sich nicht nur um einen „harmlosen Unfall“, sondern um ein schwerwiegendes Er* Erstveröffentlichung (zusammen mit H. Kudlich) in SpuRt 2015, S. 138 – 143. 1 Vgl. AG Detmold SpuRt 2015, 177 ff. 2 Vgl. LK/Hubrach, Bd. 3, 12. Aufl. (2008), vor § 59 Rn. 5. 3 Dies sind selbstverständlich nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 59 StGB und auch nicht die gängigen Obersätze in den Kommentaren – entsprechende Umstände scheinen aber Fälle zu kennzeichnen, in denen es nicht zu einer Einstellung aus Opportunitätsgründen kommt und stattdessen die Verwarnung mit Strafvorbehalt gewählt wird.

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eignis handelt. Zugleich mag aber – nicht zu Unrecht – ein Unwohlsein vorgelegen haben, hier einen ehrenamtlich tätigen Trainer und Jugendfunktionär wegen eines durchaus zweifelhaften Pflichtverstoßes (vgl. auch unten III. und IV.) zu bestrafen.4 Stellt man sich freilich die Frage, warum man meint, nur aufgrund der (ganz unbestrittenen) Tragik des Unfalls auch ein strafrechtliches Signal setzen zu müssen, so zeigt der vorliegende Fall wieder einmal deutlich, dass wir in einer Gesellschaft leben, die verlernt hat, mit Unglücksfällen umzugehen und daher in jedem Fall eine (vielfach auch straf-)rechtliche Verantwortung fordert.5 Dieses Phänomen ist auch in anderen Konstellationen nicht unbekannt, in denen der Weg zur rechtlichen Verantwortung nicht zuletzt bestritten wird, weil der potentielle Schädiger eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat und so der Schaden des Opfers eines Unglücksfalls gewissermaßen „sozialisiert“ werden kann. Menschlich ist dies ohne Weiteres nachvollziehbar, der konstruktiv richtige Weg ginge hier aber über einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz wie er etwa für Schüler in Schulen gilt, so dass für etwaige Ersatzansprüche nicht den aufsichtführenden Lehrern de facto unerfüllbare Aufsichtspflichten aufgebürdet werden müssen.6 Nicht nur nachvollziehbar, sondern auch juristisch korrekt ist eine strafrechtliche Verurteilung allerdings nur, wenn im konkreten Fall tatsächlich auch die Voraussetzungen einer Strafbarkeit bejaht werden können. Dies ist durchaus zweifelhaft. Ebenso zweifelhaft ist die zivilrechtliche Haftung. Hier ist nicht nur der Trainer und Jugendfunktionär, sondern sind auch der Sportstätteneigentümer und dessen Personal sowie die Betreuer des verletzten Jugendlichen in den Blick zu nehmen.

II. Strafrechtliche Einordnung Das AG nimmt vorliegend eine Fahrlässigkeit des Angeklagten an, zitiert aber an keiner Stelle in der Entscheidung § 13 StGB und scheint daher von einer fahrlässigen Körperverletzung durch aktives Tun auszugehen. Dies überrascht zumindest, formuliert das Gericht doch praktisch nur Unterlassungen, nämlich das Dulden eines ge4 Ohne die Fälle in ihrer grundsätzlichen Bedeutung oder ihrer Struktur vergleichen zu wollen: Eine Entscheidung mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, die aufgrund des behandelten Falls für besonderes Aufsehen gesorgt hat, war auch die Verurteilung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner in der Sache Gäfgen/Jakob von Metzler. Die parallele Struktur „Statement – Unwohlsein“ ist deutlich. Auch dort wollte das Gericht augenscheinlich eine strafrechtliche Verurteilung als „Statement“ gegen die Idee einer „Rettungsfolter“ abgeben, es bestand aber gleichwohl ein Unwohlsein, denjenigen mit einer Kriminalstrafe zu überziehen, der in einer Situation der allgemeinen Aporie und Agonie die Zügel in die Hand genommen hat, um ein Kinderleben zu retten. Vgl. zur Entscheidung des LG Frankfurt knapp auch Kudlich, JuS 2005, 476; ausführlich aus der kaum übersehbaren Literatur Wagenländer, Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter, 2006. 5 Lesenswert dazu Fahl, JA 2012, 808 ff. 6 Vieweg, Haftungsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 2009, S. 121 (136 f.).

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fährlichen Zustandes, das Nicht-Hinwirken auf geeignete Maßnahmen und das Nicht-Beseitigen offensichtlicher Gefahren (etwa in Gestalt der Absicherung der Tore oder der Gewährleistung einer zuverlässigen Beaufsichtigung). Explizit erwähnt das Gericht nur Dinge, die „unterblieben“ sind und damit „zu dem unglücklichen Unfall [führten]“. Zwar ist anerkannt, dass das in jeder Fahrlässigkeit steckende „Unterlassungsmoment“ des „Außerachtlassens der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ nicht stets zu einem Unterlassen im strafrechtlichen Sinne führt, gerade weil es auch wesensnotwendige Modalität der Fahrlässigkeit durch aktives Verhalten ist.7 Indes sind vorliegend überhaupt keine spezifisch gefahrschaffenden aktiven Verhaltensweisen des Angeklagten erkennbar, die nicht entweder sozialadäquat oder letztlich viel zu allgemein und damit viel zu „weit entfernt“ von der Rechtsgutsverletzung sind, um als aktives Verhalten in Betracht zu kommen. Der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ liegt damit gewiss auf dem Unterlassen.8 Damit wäre auch auf die – aus der Logik des Gerichts freilich unschwer zu bejahende – Frage einer Garantenstellung des Angeklagten kurz einzugehen gewesen. Die Fahrlässigkeit wird auch im Strafrecht als das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, mithin also als Sorgfaltspflichtverletzung bei Vorhersehbarkeit des Erfolges definiert.9 Soweit keine Sondernormen vorliegen, deren Verletzung eine Sorgfaltspflichtverletzung zumindest indizieren kann,10 ist daher allgemein danach zu fragen, wie sich ein durchschnittlicher (d. h. besonnener und sorgfältiger, aber auch nicht unnatürlich penibler) Dritter in der Situation und in der Rolle des Angeklagten verhalten hätte.11 Letztlich kann dies in der konkreten Situation nur durch eine Abwägung bestimmt werden, in welche auf der einen Seite der Grad der drohenden Gefahr und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts, auf der anderen Seite aber auch die Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit einzustellen ist.12 Zu beachten sind mithin 7 Vgl. nur Satzger/Schluckebier/Widmaier/Kudlich, StGB, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 48; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 15 Rn. 15; Kühl, Strafrecht AT, 7. Aufl. 2012, § 18 Rn. 23 f. 8 Zu diesem – in der Literatur nicht unumstrittenen – Kriterium vgl. aus der Rechtsprechung BGHSt 6, 46 (59); BGH NStZ 1999, 607 f.; 2005, 446 (447); aus der Literatur SSW/ Kudlich (Fn. 7), § 13 Rn. 4 f.; Stree/Bosch in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, Vor § 13 ff. Rn. 158; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 44. Aufl. 2014, Rn. 699; krit. Freund in: Münchener Kommentar StGB, 2. Aufl. 2011, § 13 Rn. 5. 9 Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich, 25. Ed. Stand November 2014, § 15 Rn. 31; Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 8), Rn. 664. 10 Vgl. hierzu (bzw. zum wohl sogar weiter anzunehmenden tatsächlichen Vorliegen eines Sorgfaltspflichtverstoßes durch die Verletzung einer Sondernorm) Sch/Sch/Sternberg-Lieben/ Schuster (Fn. 8), § 15 Rn. 135; MK-StGB/Duttge (Fn. 8), § 15 Rn. 114; Kudlich, Otto-FS, 2007, S. 373 ff. 11 Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 9), § 15 Rn. 42; SSW/Momsen (Fn. 7), § 15 Rn. 62; Lackner/Kühl (Fn. 7), § 15 Rn. 37; aus der Rechtsprechung BGH NJW 2000, 2754. 12 Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 9), § 15 Rn. 43, aufbauend auf Schünemann JA 1975, 149.

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@ die Schadenswahrscheinlichkeit (der das allgemeine Lebensrisiko gegenüberzustellen ist), @ die zumutbaren und möglichen Einwirkungshandlungen auf diese Schadenswahrscheinlichkeit (bei der hier etwa zu berücksichtigen ist, dass der Angeklagte nur Trainer und Jugendwart, nicht aber Hallenverwalter war), @ der Vertrauensgrundsatz als allgemeine Regel zur Konturierung der Sorgfaltspflichten bei arbeitsteiligem Verhalten (hier: andere Mitglieder des Vereins, Verwaltung der Halle, Betreuer der anderen Mannschaften) sowie gerade @ in der Rechtsprechung letztlich zumeist entscheidend die maßgebliche Situation im Moment der potentiellen Verletzungshandlung, bei der ungeachtet aller rechtlichen Regelungen gewissermaßen „laienkognitionspsychologisch“ geprüft wird, ob der Angeklagte sich zu einem besonderen, sorgfältigen Verhalten herausgefordert fühlen musste oder einen „Anlass zum Misstrauen“ haben musste (der über die allgemeine Lebenserfahrung hinausgeht, dass man vor unvorhergesehenen Ereignissen nie völlig sicher sein kann).13 Beide Fragen – sowohl die Garantenstellung (bei der nicht nur ihr „Ob“, sondern auch ihre konkrete Reichweite zu betrachten ist) als auch die erforderliche Sorgfalt, deren Verletzung zu einem Fahrlässigkeitsvorwurf führen könnte14 – laufen letztlich also auf den Gedanken der Zuständigkeit des Angeklagten für den Schadenseintritt15 hinaus, und zwar unter Berücksichtigung @ seiner Funktion und Stellung (durchaus auch einschließlich der Ehrenamtlichkeit derselben, die entgegen der Auffassung des Gerichts auf tatbestandlicher Ebene nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben kann, da die legitimen Verhaltenserwartungen dadurch beeinflusst werden),16 @ der vorhersehbaren Gefährlichkeit, @ der Mitverantwortung auch anderer Beteiligter sowie @ der realistischen Einwirkungsmöglichkeit. 13 Zu dieser überragenden Bedeutung der konkreten Sachverhaltsgestaltungen gegenüber allgemeinen Sorgfaltsnormen in der Rechtspraxis vgl. auch Duttge, Zur Bestimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, 2001, zusammenfassend S. 353, 356. 14 „Könnte“ deshalb, weil die Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Fahrlässigkeitstatbestand noch nicht erschöpft; insbesondere sind auf der Ebene der objektiven Zurechnung insoweit auch von der Rechtsprechung anerkannte Aspekte wie der Pflichtwidrigkeitszusammenhang (Hätte ein Hinweis des Jugendwartes an den Träger der Halle tatsächlich etwas geändert? – Zu entsprechenden Überlegungen vgl. anschaulich etwa die Entscheidung des BGH zum Einsturz der Bad Reichenhaller Eissporthalle BGH NJW 2010, 1087 m. Anm. Kudlich, JA 2010, 552) und der Schutzzweck der verletzten Sorgfaltspflicht zu berücksichtigen. 15 Zur „Zuständigkeit“ als zentrale Metapher der strafrechtlichen Zurechnung vgl. grundlegend Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff., fortgeführt dann auch in dems., AT, 2. Aufl. 1991, Abschn. 24 Rn. 15 ff. 16 So in jüngster Zeit auch OLG Hamburg SpuRt 2015, 172 ff.

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All diese Sachgesichtspunkte dürften zivilrechtlich in der Entscheidung darüber aufgegriffen werden, ob und gegebenenfalls welche Verkehrssicherungspflichten des Angeklagten bestanden haben (vgl. dazu zugleich III.), wobei diese wiederum strafrechtlich sowohl in der Fahrlässigkeits- als auch in der Unterlassungsdogmatik abgebildet werden können (denn Verkehrssicherungspflichten kommen als Quellen für Sorgfalts- wie für Handlungspflichten in Betracht). Dabei würde freilich die Annahme des Bestehens und auch der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht notwendig auch zu einer Strafbarkeit führen müssen (wenngleich eine solche dadurch doch nahegelegt würde); umgekehrt gilt jedoch mit Blick auf die ultima ratio-Funktion und den fragmentarischen Charakter des Strafrechts17, dass eine Haftung hier jedenfalls nicht weitergehen kann als nach zivilrechtlichen Grundsätzen, die im Zusammenhang mit der Haftung für Sportunfälle bereits weiter elaboriert sind als im Strafrecht, da der Geschädigte nachvollziehbarerweise i. d. R. ein stärkeres Interesse am Ersatz seiner Schäden als an einer Bestrafung des Schädigers hat.

III. Zivilrechtliche Einordnung und strafrechtliche Parallelen Die Haftungsszenarien für Sportunfälle sind nicht zuletzt aufgrund der verschiedenartigen Ursachen und der unterschiedlichen Beteiligten vielfältig.18 Demgemäß ergibt sich ein mehr oder weniger großer Kreis potentiell Haftender. Da häufig rechtsgeschäftliche Beziehungen fehlen, liegt der Schwerpunkt bei deliktsrechtlichen Fragestellungen, welche in ihren Haftungsstrukturen und Kriterien dem Strafrecht gerade in besonderer Weise nahe stehen. Insbesondere sind hier die Verkehrssicherungspflichten in ihrer konkreten Ausgestaltung für die Beteiligten und die damit in Zusammenhang stehende Abgrenzung ihrer Verantwortungsbereiche in den Blick zu nehmen. 1. Verkehrssicherungspflichten Voraussetzungen und Ausgestaltung der Verkehrssicherungspflichten lassen sich zunächst im Hinblick auf Sportunfälle allgemein formulieren. In einem zweiten Schritt sind sie dann für die verschiedenen Beteiligten im Einzelfall zu konkretisieren. Nach allgemeinen Grundsätzen muss derjenige, der für eine Gefahrenquelle verantwortlich ist, Dritte vor daraus drohenden Schädigungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren schützen.19 So obliegen beispielsweise dem Sportveranstalter 17

Vgl. Roxin, Strafrecht AT I, 4. Aufl. 2006, § 2 Rn. 1; Hefendehl, JA 2011, 401. Vgl. Vieweg, Sportunfälle und zivilrechtliche Haftung, in: Schneider/Luzeng (Hrsg.), Deutsch-chinesischer Sportrechtskongress 2010 Tagungsband, S. 15 (16 f.). 19 Vgl. nur Staudinger-Hager, 2009, § 823 Rn. E 13 ff.; zur parallelen Möglichkeit einer strafrechtlichen Garantenstellung bei Eröffnung und Beherrschung einer Gefahrenquelle vgl. statt vieler nur SSW/Kudlich (Fn. 7), § 13 Rn. 29 m. w. N. 18

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spezifische Sorgfaltspflichten gegenüber allen, die mit der Sportausübung in Berührung kommen.20 Er muss solche Maßnahmen treffen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger, umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig halten durfte, um andere vor Schäden zu bewahren.21 Welche Maßnahmen im Einzelnen insbes. vom Veranstalter zu treffen sind, bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen der Veranstaltung. Maßgeblich sind @ die Nähe der Gefahr, @ das Ausmaß des drohenden Schadens, @ die Erkennbarkeit für die Teilnehmer, @ deren legitime Sicherheitserwartungen sowie @ der Sicherungsaufwand. Die jeweiligen Verkehrssicherungspflichten variieren nach Sportart, Professionalität der Strukturen und Größe der Wettkampfveranstaltungen. Große Bedeutung erlangt dabei die Intensität und Häufigkeit der sich für die Beteiligten ergebenden Gefährdung. Im Rahmen der Zumutbarkeit kommt der finanziellen Belastbarkeit des Veranstalters eine gewisse, wenn auch untergeordnete Bedeutung zu.22 Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nicht stets nach dem, was üblich ist. Zentral sind insbesondere die Sicherheitserwartungen.23 Sie müssen einer besonnenen und gewissenhaften Beurteilung entsprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sportler typische, sich aus der sportlichen Betätigung ergebende Gefahren bewusst in Kauf nimmt (Prinzip der Eigenverantwortlichkeit).24 Eine Einschränkung ist für minderjährige Sportler zu machen. Bei ihnen ist deren Kenntnisstand und Reife,25 insbesondere deren größere Bereitschaft zur Eingehung von Risiken zu berücksichtigen. 20

Vgl. nur BGH NJW 1962, 1245; VersR 1975, 133; NJW 1975, 533. BGH NJW 1990, 1236; 1994, 3348; ebenso LG Gießen SpuRt 2010, 80. Ähnlich hier die Kriterien zur Bestimmung der strafrechtlichen Fahrlässigkeit, vgl. statt vieler nur BeckOKStGB/Kudlich (Fn. 9), § 15 Rn. 42 ff., was die oben beschriebene Verortung zivilrechtlicher Verkehrssicherungsüberlegungen an verschiedenen Stellen der strafrechtlichen (insb. Fahrlässigkeits- und Unterlassungs-)Dogmatik verdeutlicht. 22 BGH NJW 1984, 801 (802). 23 Vgl. aus strafrechtlicher Sicht zum Kriterium der wechselseitigen Verhaltenserwartung als soziologische Grundlage einer Garantenstellung Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen von Garantenpflichten, 1986, insb. S. 30 ff., 115 ff. 24 BGHZ 63, 140 ff. Zur eigenveranwortlichen Selbstgefährdung als Zurechnungsausschluss auch aus strafrechtlicher Sicht vgl. nur SSW/Kudlich (Fn. 7), vor § 13 Rn. 59 (auch mit Beispiel aus dem Bereich Sport). Ausnahmen gelten evtl. für solche typischen Gefahren, die vom Sportler zwangsläufig eingegangen werden müssen und gegen die er sich nicht selbst schützen kann. So ist etwa beim Handball für ausreichend „Wischer“ zu sorgen, die die Rutschfestigkeit des Spielfeldes gewährleisten sollen (vgl. z. B. Ziff. 11.6. der Durchführungsbestimmungen für Meisterschafts- und Pokalmeisterschaftsspiele des Handball-Verbands Brandenburg [HVB]). 25 So auch OLG Hamburg SpuRt 2015, 172 (173). 21

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Nicht nur die Konkretisierung, sondern auch die Zuordnung der Verkehrssicherungspflichten bereitet Schwierigkeiten. Gerade bei Veranstaltungen kann unklar sein, wer – Sportstätteneigentümer, Veranstalter, Ausrichter, Trainer, Sportler etc. – für welche Maßnahmen verantwortlich ist. Möglich und grundsätzlich zulässig sind Delegierungen.26 Erforderlich ist insofern allerdings stets eine eindeutige und unmissverständliche Absprache mit demjenigen, der künftig die alleinige Verantwortung für die Verkehrssicherung tragen soll. Für den Delegierenden bedeutet eine Übertragung von Sorgfaltspflichten indes keine völlige Aufhebung der Verantwortung. Vielmehr wandeln sich die Verkehrssicherungspflichten in Auswahl- und Überwachungspflichten um. Der Dritte muss sorgfältig ausgewählt und in zumutbarem Rahmen laufend dahingehend überwacht werden, ob er seiner Pflicht zur Verkehrssicherung auch nachkommt.27 2. Verantwortungsverteilung Ereignet sich ein Sportunfall im Rahmen einer Vereins- oder Verbandsveranstaltung in einer der Kommune gehörenden Sportstätte, so stellt sich ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen für die in Betracht kommenden Verkehrspflichtigen die Frage nach der Verantwortungsverteilung. Der Sportstätteneigentümer ist mit seinem Personal verantwortlich für den verkehrssicheren Zustand der Sportanlage zum Zeitpunkt der Überlassung. Dies bedeutet insbesondere: @ Es dürfen keine bautechnischen Mängel mit Sicherheitsrelevanz vorliegen. Die Nutzung der Sportanlagen und -geräte sowie die Zuwegung müssen verkehrssicher möglich sein. Dies setzt unter anderem eine turnusmäßige Kontrolle und Wartung – intern durch Hausmeister, extern z. B. durch den TÜV – sowie ggf. Reparaturmaßnahmen voraus. @ Hinsichtlich sportanlagen- und sportgerätespezifischer Gefahren sowie bei vorhersehbarem Fehlgebrauch der Sportanlage und -geräte sind zumindest Benutzungs- und Warnhinweise, ggf. Abhilfemaßnahmen erforderlich. Der Veranstalter ist mit seinen Funktionsträgern für Folgendes verantwortlich: @ Überprüfung der Sportstätte auf verkehrssicheren Zustand bei Übergabe und ggf. Abhilfemaßnahmen. @ Hinsichtlich sportanlagen- und sportgerätespezifischer Gefahren sowie bei vorhersehbarem Fehlgebrauch der Sportanlage und -geräte sind zumindest Benutzungs- und Warnhinweise, ggf. Abhilfemaßnahmen erforderlich.

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Ausführlich Martin, DS 2007, 130 (131 f.). Etwa OLG Hamm SpuRt 1997, 24 (29). Auch diese Gedanken sind grds. dem Strafrecht nicht fremd, vgl. nur SSW/Kudlich (Fn. 7), § 13 Rn. 30 m. w. N. 27

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@ Identifizierung veranstaltungsspezifischer Gefahrenlagen und Ergreifen der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen organisatorisch-praktischer Art (Funktionszuweisung an Funktionäre und Helfer und ggf. deren Instruktion und Überwachung, Erste Hilfe, Ordnungsdienst etc.). Die Betreuer der Sportler treffen folgende Pflichten: @ Ihnen obliegt die Fürsorgepflicht gegenüber ihren minderjährigen Schützlingen, die sie in erster Linie vor Schäden bewahren müssen (Beschützerfunktion). Hierzu gehört der Schutz vor Gefahren, die von der Sportstätte, der Veranstaltung und von ihnen selbst ausgehen. @ Zudem müssen die Betreuer dafür sorgen, dass von ihren Schützlingen keine Gefahren für Dritte ausgehen (Überwacherfunktion). Die Bestimmung des Haftungssubjekts bedarf insbesondere beim Veranstalter näherer Betrachtung. Handelt es sich um einen eingetragenen Verein, so gilt Folgendes: @ In erster Linie trifft den Verein als Veranstalter die Verkehrssicherungspflicht.28 Er haftet daher bei ihrer Verletzung dem Geschädigten gegenüber nach § 823 Abs. 1 BGB, wobei ihm ein vorwerfbares Verhalten bzw. Unterlassen seines Vorstands und seiner sonstigen Repräsentanten nach § 31 BGB zugerechnet wird. @ Die Rechtsprechung29 legt die den Verein treffende Verkehrssicherungspflicht darüber hinaus regelmäßig auch dessen Funktionsträgern persönlich mit der Folge auf, dass sie im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch neben dem Verein haften. Die generelle Übertragung der Verkehrssicherungspflichten des Vereins auf dessen Funktionsträger kann mit guten Gründen kritisiert werden, ist aber aus Sicht der Betroffenen ernst zu nehmen. @ Die persönliche Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten betrifft Vereinsfunktionäre unabhängig davon, ob sie hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig werden. Eine Privilegierung findet allein gem. § 31a BGB in Bezug auf den Verschuldensmaßstab statt. Nach der gesetzlichen Systematik muss anhand des Geschädigten differenziert werden. Handelt es sich dabei um ein Vereinsmitglied, muss das ehrenamtlich tätige Organmitglied nur für ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten einstehen. Hier besteht ein beachtenswerter Unterschied zum Strafrecht, das in § 229 StGB stets eine einfach fahrlässige Körperverletzung ausreichen lässt (was freilich nicht ausschließt, dass der Umstand der Ehrenamtlichkeit bei der Bestimmung der – zumindest subjektiven – Sorgfaltspflichtverletzung im Strafrecht eine Rolle spielen kann). Wurde ein vereinsfremder Dritter verletzt, greift für ehrenamtlich tätige Vereinsfunktionäre im Außenverhältnis hingegen keine Haftungserleichterung. Sie sind nach den allgemeinen 28

Ein solcher Vorrang der Verantwortlichkeit der juristischen Person ist dem Strafrecht naturgemäß (noch) fremd. 29 Für die GmbH BGH NJW 1990, 976; 1996, 1535 (1537). Vgl. für das Vereinsrecht auch BGH NJW-RR 1991, 668 f.; 1991, 281 (282 f.).

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Maßstäben des § 276 Abs. 1 BGB und damit auch für einfache Fahrlässigkeit verantwortlich. Haben sie sich aber weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zu Schulden kommen lassen, können sie im Fall einer Inanspruchnahme durch den Geschädigten gem. § 31a Abs. 2 BGB Freistellung vom Verein verlangen.

3. Beweis und Beweislast Kommt es nach einem Sportunfall zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, z. B. mit dem Veranstalter, ist es für den Ausgang des Verfahrens von entscheidender Bedeutung, welche Partei für welche Tatbestandsmerkmale die Beweislast trägt.30 Auch in Sporthaftungsfällen ist von dem Grundsatz auszugehen, dass jede Partei die für sie günstigen Tatsachen darlegen und ggf. beweisen muss.31 Dies bedeutet, dass es Sache des verletzten Sportlers ist, die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Veranstalter nachzuweisen. Für den Bereich der deliktischen Haftung ist zudem regelmäßig auch der Verschuldensnachweis zu erbringen. Dies wird den verletzten Sportler in der Praxis häufig vor große Schwierigkeiten stellen. Für ein etwaiges Mitverschulden des Sportlers und die Verletzung z. B. von Aufsichtspflichten seitens der Betreuer trägt hingegen der Veranstalter die Beweislast. Diese Grundsätze sind in das Strafrecht unter Geltung der Prozessmaxime „in dubio pro reo“ jedenfalls formal natürlich nicht übertragbar. Freilich werden in den Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) auch hier die Strafgerichte in solchen Fällen „leichter“ zu einer strafbarkeitsbegründenden Überzeugung kommen, in denen zivilrechtlich mit einer Beweislastumkehr gearbeitet wird. Allerdings ist auch ohne Weiteres vorstellbar, dass die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit im Fall einer maßgeblich durch Grundsätze der Beweislastverteilung begründeten zivilrechtlichen Haftung nicht nachweisbar sind, was angesichts des fragmentarischen Charakters des Strafrechts und seiner Funktion als ultima ratio auch ohne Weiteres sachgerecht sein kann.

IV. Anwendung auf den konkreten Fall Für die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Trainers und Jugendfunktionärs ist die Gesamtsituation zu berücksichtigen. Zentrale Frage ist, ob dieser den Schaden vorhersehen und durch geeignete Maßnahmen verhindern konnte und musste. Hier sind konkret folgende Aspekte zu beachten, die ggf. auch in einer zweiten Instanz noch einmal einer konkretisierenden Aufklärung bzw. Darstellung des Sach30 Vgl. allgemein Lorz, Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten: Beweislast, Beweisnot und Beweiserleichterungen im Zivilprozess, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, 2015, S. 309 ff. 31 Allgemein zu dieser Grundregel BGH NJW 1999, 2887 (2887); Prütting in: Münchener Kommentar ZPO, 3. Aufl. 2008, § 286 Rn. 110 f.

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verhalts bedürfen, wirkt doch der hier zu Grunde gelegte Sachverhalt nicht überall plausibel: @ Die von der Kommune zur Verfügung gestellte Halle wies einen Nebenraum auf, in dem die Kleinfeldtore auf Rollwägen auf der Seite abgestellt waren, ohne miteinander verkettet zu sein.32 Sie befanden sich nicht in dem daneben gelegenen Geräteraum. Diese denkbare Gefahrenquelle hat der Angeklagte aber nicht geschaffen, sondern allenfalls nicht beseitigt bzw. nicht davor gewarnt. Insoweit liegt, wie schon eingangs erwähnt, eher die Prüfung eines Unterlassungsvorwurfs nahe (§§ 229, 13 StGB), bei der etwa die reale Handlungsmöglichkeit des Angeklagten (der kein originäres Hausrecht in der gemeindlichen Halle ausübte) und die Quasikausalität seines Unterlassens (hätte etwa ein Hinweis an die Spieler anderer Mannschaften erwartbar „etwas gebracht“?) zweifelhaft sein können. @ Das Schild an der Eingangstür zur Nebenhalle mit dem Hinweis „Betreten der Halle nur in Begleitung eines Lehrers oder Trainers“ wirft die Frage auf, welchen Einfluss dies auf die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters hat. @ Seitens des Veranstalters wurde kein Ball zum Aufwärmen in der Nebenhalle zur Verfügung gestellt. Ein Aufwärmen kann auch ohne Einsatz der Tore durch Warmlaufen oder Einspielen erfolgen, so bei der eigenen Mannschaft des Angeklagten. Dies sowie der langjährige Erfahrungswert, dass die mobilen Tore entweder nicht benutzt worden sind oder ohne Risiko genutzt wurden, lassen Zweifel an einer hinreichenden (nicht nur theoretischen – „Passieren kann immer etwas“) Vorhersehbarkeit entstehen. @ Bei Anreise einer Jugendmannschaft mit zwei Betreuern mussten der Veranstalter und seine Verantwortlichen davon ausgehen können, dass diese ihre Jugendlichen ordnungsgemäß beaufsichtigen. Hierzu gehört, dass sie diese zum Aufwärmen begleiten und mit entsprechenden Instruktionen dafür sorgen, dass gefährliche Verhaltensweisen unterbleiben. Dies ist eine Selbstverständlichkeit, auf die seitens des Veranstalters und seiner Verantwortlichen nicht ausdrücklich hingewiesen werden musste und die sich aus dem Vertrauensgrundsatz beim Zusammenwirken mehrerer Personen als allgemeine Begrenzung der strafrechtlichen Fahrlässigkeit ergibt.33 Etwas anderes könnte sich nur ergeben haben, wenn der verantwortliche Trainer und Jugendfunktionär beobachtet hätte, dass die Mannschaft des später verletzten Jugendlichen sich ohne Betreuer, aber mit Ball in der Nebenhalle aufwärmen wollte. Erst in dieser Situation hätte der Veranstalter nicht darauf vertrauen dürfen, dass es nicht zu einem Fehlgebrauch der Tore kommt.34 Eine

32 Sicherheitsrelevante Vorgaben für die Befestigung von Handballtoren finden sich in DIN EN 748 und 749. 33 Zum Vertrauensgrundsatz bei arbeitsteiligem Handeln vgl. statt vieler nur BeckOKStGB/Kudlich (Fn. 9), § 15 Rn. 46 ff. 34 Zur fehlenden Einschlägigkeit des Vertrauensgrundsatzes bei „triftigen Anlässen zum Nichtvertrauen“ vgl. BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 9), § 15 Rn. 48.

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Beaufsichtigungspflicht des Veranstalters ist bei Anwesenheit von Mannschaftsbetreuern wenig lebensnah.

V. Fazit Das AG Detmold begründet sein Urteil konkret wie folgt: Der Angeklagte hätte vor Beginn der Turnierveranstaltung offensichtliche Gefahren für die kindlichen Spieler beseitigen müssen. Er hätte die Handballtore gegen die unsichere Verwendung absichern oder eine zuverlässige Beaufsichtigung des freien Spielbetriebs in der kleinen Halle gewährleisten müssen. Diese Nachlässigkeiten begründeten – jedenfalls in ihrer Summe – die strafrechtliche Fahrlässigkeit. Nicht entscheidend sei, dass der Angeklagte ehrenamtlich handelte. Im Rahmen der Strafzumessung führt das Gericht aus, der Angeklagte sei allerdings nicht der Alleinverantwortliche für das Unfallgeschehen. Auch andere für die Verkehrssicherheit in dieser Sporthalle zuständige Personen hätten den Unfall durch die gebotene Sorgfalt verhindern können. Die Berufungsinstanz wird sich mit dem tatsächlichen Hergang des Unfalls und dessen rechtlicher Würdigung nochmals befassen müssen. Dabei wird sie die bisher nicht in den Blick genommene Verantwortlichkeit der Betreuer des verletzten Jugendlichen schon bei der Bestimmung der Sorgfaltspflichten unter dem Gesichtspunkt des sog. Vertrauensgrundsatzes beim arbeitsteiligen Zusammenwirken mehrerer Personen zu berücksichtigen haben. Für die Vorhersehbarkeit des Unfallgeschehens ist entscheidend, ob der Trainer und Jugendvorstand damit rechnen musste, dass sich eine Jugendmannschaft ohne einen verantwortlichen Betreuer in der Halle durch Einspielen auf nicht ordnungsgemäß befestigte Tore aufwärmen würde. Konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Kenntnis oder einen dahingehenden „konkreten Anlass zum Misstrauen“ sind in dem vom Gericht festgestellten und mitgeteilten Sachverhalt nicht dargetan. Eines vorsorglichen Hinweises an die Betreuer des verunfallten Jugendlichen auf deren selbstverständliche Aufsichtspflicht bedurfte es jedenfalls nicht. Darin läge eine lebensfremde Überspannung der Verkehrssicherungspflicht. Falls die Gemeinde als Sportstätteneigentümerin – wie verbreitet – an der Eingangstür der Halle mit Blick auf die eigene Verkehrssicherungspflicht vorsorglich den Hinweis angebracht hat, dass das Betreten der Halle nur in Begleitung eines Lehrers oder Trainers erlaubt ist, würde diese Klarstellung auch den Veranstalter und damit letztlich auch den Angeklagten entlasten. Weiterhin ist – vermutlich nur durch Sachverständigengutachten – zu klären, wie das ungesicherte Tor überhaupt umfallen konnte. Zweifelhaft ist, ob der Schuss eines D-Jugendlichen an die Latte ein Tor derart zum Wanken und letztlich zum Umkippen bringen kann. Hier wäre noch einmal genauer zu prüfen, ob das Tor nicht auf den Rollwagen verblieben war und damit einem höheren Umkipprisiko ausgesetzt war. Bei dieser Fallgestaltung läge ein grober Fehlgebrauch vor, den die aufsichtspflichtigen Betreuer, nicht aber der Angeklagte als Trainer und Jugendvorstand des veranstaltenden Vereins, hätten verhindern müssen.

Faszination Sportrecht* I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kennzeichen des Sportrechts – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strukturmerkmale des Sportverbandswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbandsautonomie und Verbandsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sportregeln – Funktion und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bindung aller Beteiligten an einheitliche Sportregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vereins- und Verbandsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sportgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zweispurigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbandsrecht versus staatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überprüfbarkeit von Verbandsentscheidungen durch staatliche Gerichte . . . . . 3. Anspruch auf Aufnahme in einen Sportverband mit Monopolstellung . . . . . . . V. Internationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis von nationalen zu internationalen Verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Harmonisierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Praxisfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Internationale Schiedsgerichte – der Court of Arbitration for Sport (CAS) . . . . VI. Mehrfachwirkung – Sponsoring als Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Dynamische Querschnittsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Doping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwecke des Doping-Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Instrumente der Doping-Bekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sanktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anti-Doping-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung von Verein und Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung des Sportverbands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Haftung der Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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* Aktualisierte und wesentlich erweiterte – bisher nur online abrufbare – Fassung meines Beitrags „Zur Einführung – Sport und Recht“, JuS 1983, 825 ff. Die erste Auflage hatte den Bearbeitungsstand 09. 08. 2007, die zweite Auflage den Bearbeitungsstand 01. 09. 2010 und die aktuelle dritte Auflage hat den Bearbeitungsstand 01. 09. 2015. Für ihre tatkräftige Unterstützung danke ich Christoph Röhl (1. und 2. Auflage) und Paul Staschik (alle drei Auflagen). Alle zitierten Internetseiten wurden letztmalig am 05. 10. 2015 aufgerufen.

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e) Haftung der Trainer und Übungsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 f) Haftung der Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751 X. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752

I. Einleitung Sport ist zum Massenphänomen geworden. Er bewegt und fasziniert die Menschen. Doch warum Sportrecht? – Soll die „schönste Nebensache der Welt“ nicht besser dem Zugriff der Juristen entzogen sein? Werden Sport und Spiel nicht massiv gestört, wenn Justitia Einzug hält? – Das war jahrzehntelang vorherrschende Meinung und wird von einigen Sportakteuren immer noch so gesehen.1 Doch die Realität ruft nach Recht:2 um Konflikte zu lösen, zu entschärfen und zu vermeiden. Der Prozess der Kommerzialisierung und Professionalisierung – verbunden mit zunehmender Medienpräsenz – hat den Sport nicht nur konfliktträchtig für die aktiv Beteiligten gemacht. Er hat auch dazu geführt, dass die Konflikte in ihrer Vielfalt und Breite immer mehr in den Medien ausgefochten werden.3 Kaum ein Lebensbereich ist für die interessierte Öffentlichkeit so transparent geworden wie der des Sports. Weiterhin hat diese Entwicklung dazu geführt, dass Sport und Recht zum Sportrecht zusammengewachsen sind. Aus studentischer Sicht sind Sport und Sportrecht ein spannendes Lernfeld: um die Wechselwirkungen von Realität und Recht kennen zu lernen, um sich – quasi induktiv – einen ersten motivierenden Einstieg in neue Rechtsgebiete zu verschaffen, um die intradisziplinäre Vernetzung der verschiedenen Rechtsgebiete (als „Aha-Erlebnis“) kennen zu lernen, um den rechtsvergleichenden Blick zu schärfen. Das Sportrecht ist eine Querschnittsmaterie und Querschnittsmaterien faszinieren. Zudem bringen sie einen „Heimvorteil“ der Juristen gegenüber anderen Fachdisziplinen mit sich: den der Fähigkeit der Systematisierung der vielfältigen Konfliktfel1 Exemplarisch war die Äußerung des Chefanklägers des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im sog. Bundesliga-Skandal im Jahre 1971, Kindermann, der seinerzeit aussprach: „Sportrecht geht ordentlichem Recht vor“, vgl. H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, Bielefeld 1972, S. 52. 2 Zutreffend nach wie vor Grunsky, Haftungsrechtliche Probleme der Sportregeln, Karlsruhe 1979, S. 5, der auf die „Zuwachsrate des Sportrechts“ hinweist. 3 Eine zentrale Rolle spielten die Medien etwa bei der Affäre um den ehemaligen Präsidenten des Welt-Automobilverbands FIA Max Mosley. Dieser wurde von einer britischen Boulevardzeitschrift im Zusammenhang mit einer Party, bei der Prostituierte anwesend waren, mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Gegen diese Berichterstattung wehrte sich Mosley mit Erfolg gerichtlich. Zugleich versuchte er gegen Google vorzugehen, da über die Suchmaschine weiterhin Bilder von den Geschehnissen zu finden waren. Vgl. FAZ v. 28. 09. 2012, S. 39. Ein weiteres anschauliches Beispiel für diese Entwicklung bietet die Affäre um die DFBSchiedsrichter Manfred Amerell und Michael Kempter, in deren Rahmen die Beteiligten die Medien instrumentalisierten. Der Schiedsrichter Kempter bezichtigte (mit Unterstützung des DFB) den Schiedsrichterfunktionär Amarell öffentlich der sexuellen Belästigung, woraufhin dieser private Mails und SMS von Kempter an die Öffentlichkeit brachte, um die Vorwürfe zu entkräften. Vgl. FAZ v. 17. 04. 2010, S. 35.

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der, des Erkennens der Zusammenhänge und der Prognose der Ergebnisse, wenn die Konflikte streitig entschieden werden müssen. Aber auch für die „fertigen“ Juristen bietet das Sportrecht spannende und durchaus lukrative Perspektiven. Als Fachorganisationen seien erwähnt die Deutsche Vereinigung für Sportrecht (DVSR)4 sowie die Sektion Sportrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Ab dem Wintersemester 2015/16 wird von der Universität Gießen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln ein Masterstudiengang Sportrecht angeboten.5 Ein ähnliches Angebot besteht seitens der Universität Bayreuth. Einen Eindruck von der Vielfalt der Konflikte und von dem breiten Spektrum der das Sportrecht bildenden Materien vermitteln – allein schon für den deutschsprachigen Raum – die speziellen Schriftenreihen zum Sportrecht „Beiträge zum Sport recht“6 (bisher 45 Bände), „Schriftenreihe des Württembergischen Fußballverbands“ (46 Ausgaben) mit der Nachfolgereihe „Schriften zum Sportrecht“7 (bisher 37 Bände), „Recht und Sport“8 (bisher 44 Bände), „Recht im Sport“9 (bisher 2 Bände), „Schriftenreihe Causa Sport“10 (bisher 11 Bände) und „Kölner Studien zum Sportrecht“11 (bisher 4 Bände) sowie die beiden deutschsprachigen Zeitschriften SpuRt (Zeitschrift für Sport und Recht) und Causa Sport.12 Aus Zeitgründen musste leider das Datenbankprojekt des Verfassers in Zusammenarbeit mit dem Asser-Institut in Den Haag aufgegeben werden.13 Für die Mitglieder der DVSR ist die Datenbank verfügbar, die die Publikationen der Mitglieder unter 26 Stichwörtern erfasst.14 4

Informationen unter http://www.sportrecht-vereinigung.de/. Informationen unter http://www.sportrechtsmaster.de/. 6 Duncker & Humblot. 7 Nomos. 8 Richard Boorberg Verlag. 9 Richard Boorberg Verlag. 10 Richard Boorberg Verlag. 11 Deutsche Sporthochschule Köln. 12 Überblicksdarstellungen zum Sportrecht finden sich bei Schimke, Sportrecht, Frankfurt/M. 1996; Pfister/Steiner, Sportrecht von A bis Z, München 1995; Haas/Haug/Reschke (Stand: 02/ 2012), Handbuch des Sportrechts, Neuwied; Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schorndorf 2009; Adolphsen/Nolter/Lehner/Gerlinger (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2011; Vieweg/Krause, Sports Law – Germany, in: International Encyclopaedia of Laws, 2013 (abrufbar unter http://www.irut.jura.fau.de/Forschung/Veroeffentlichungen/Aufsaetze_KV/IEL_ SportsLaw_Germany.pdf); Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht (PHBSportR-Bearbeiter), 3. Aufl., München 2014. 13 Die Datenbank sollte Rechtsprechung und Literatur in 13 Bereichen mit insgesamt 48 Stichwörtern systematisch erfassen: Die 13 Bereiche lauteten General, International – Regional – National, Associations and Companies, Civil Law, Economical Issues, Labour, Doping and Anti-Doping, Violence, Science and Technology, Constitution and Administration, Environment, Criminal Issues, Litigation and Dispute Regulation. Exemplarisch seien die Stichwörter zu den Bereichen Civil Law (Civil Liability and Damages, Sport-related Contracts in general, Sports Insurance Law, Insolvency, Risk Management) und Economical Issues (Financial Aspects, Sport-related Contracts, Commercial Transactions, 5

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Eine Einführung muss sich zwangsläufig in der Breite und in der Tiefe beschränken. So erfolgt eine Schwerpunktbildung aus der Sicht des Zivilrechts.15 Nach einem Überblick über die Kennzeichen des Sportrechts (dazu II.) werden folgende fünf Charakteristika des Sportrechts näher beleuchtet: Selbstregulierung (III.), Zweispurigkeit (IV.), Internationalität (V.), Mehrfachwirkung (VI.) und dynamische Querschnittsmaterie (VII.). Mit der Doping-Problematik und der Haftung werden anschließend besonders praxisrelevante Spezialmaterien im Überblick erörtert (VIII. und IX.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick (X.).

II. Kennzeichen des Sportrechts – Überblick Erstes – und zentrales – Kennzeichen des Sportrechts ist ein System der Selbstregulierung. Die internationalen und nationalen Sportverbände nehmen für sich in Anspruch, „ihren“ Sport im Einzelnen zu regeln, diese Regelungen anzuwenden und ggf. durchzusetzen. Erstaunlich ist auf den ersten Blick die Regelungsdichte, die nicht zuletzt aus der Funktion der Sportregeln16 resultiert und damit Regelwerke erklärt, die zum Teil mehrere hundert Seiten umfassen.17 Weiterhin prägen sport- und verbandsspezifische Wertungen das System der Selbstregulierung. Fair Play und Doping-Verbot sind hierfür bekannte Beispiele. Die einheitliche Anwendung und ggf. Durchsetzung der Regelungen wird ermöglicht durch eine Monopolstruktur – das sog. Ein-Platz-Prinzip (dazu unter III. 1.) – und die Organisation von Sportgerichten mit dem Anspruch auf endgültige Entscheidung (dazu III. 3.). Zweites – und aus der Sicht des staatlichen Rechts besonders wichtiges – Kennzeichen des Sportrechts ist seine Zweispurigkeit – das Nebeneinander von Verbandsregelungen und Regelungen staatlichen sowie überstaatlichen Rechts. Zahlreiche Sachverhalte – wie die Aufnahme in einen Monopolverband oder der Ausschluss Sports Insurance Law, Anti-Trust Law, Competition Law, Industrial Property Law, Tax Law, Sponsoring, Merchandising, Ambush Marketing, Licensing, Media, Image Rights, Insolvency, Agency, Risk Management, Trade Marks) genannt. 14 Diese lauten: Arbeitsrecht, Doping, Europarecht, Gesellschaftsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Haftungs- und Schadensrecht, Internationales/ausländisches Sportrecht, Kartell- und Wettbewerbsrecht, Lizenzierung, Merchandising, Sponsoring, Prozessrecht, Sozialrecht, Sportethik, Sportgerichtsbarkeit, Sportrecht allgemein, Sportstätten, Steuerrecht, Strafrecht, Umwelt, Vereins- und Verbandsrecht, Verfassungsrecht, Versicherungsrecht, Vertragsrecht, Verwaltungsrecht. 15 Äußerst lesenswert ist die mit öffentlich-rechtlicher Schwerpunktsetzung erfolgte Lehrbuchdarstellung von Nolte, Sport und Recht – Ein Lehrbuch zum internationalen, europäischen und deutschen Sportrecht, Schorndorf 2004. 16 Dazu im Einzelnen unter III. 2. b). 17 Die für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) unter http://www.dfb.de/index.php?id= 11003 abrufbaren Statuten (Satzung, Spielordnung, Rechts- und Verfahrensordnung etc.) umfassen gut 780 Seiten. Ein noch größeres Ausmaß erreichen die aktuellen Regelwerke der UEFA (rund 1.650 Seiten) und der FIFA (rund 3.000 Seiten).

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aus einem Verein, der Transfer von Spielern, die Vergabe von Medienrechten (insbes. Fernsehrechten) – werden auch vom staatlichen bzw. europäischen Recht erfasst. Damit sind Konflikte mit dem Anspruch der Sportverbände auf endgültige Selbstregulierung vorprogrammiert. Problematisch ist insofern, ob und inwieweit staatliche Gerichte Verbandsentscheidungen überprüfen und zu anderen Ergebnissen kommen dürfen. Die Fälle Krabbe, Baumann, Bosman, Webster, Pistorius, Friedek, Pechstein und die Zentralvermarktung der Fernsehrechte der Fußball-Bundesliga18 haben diese Problematik in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Neben diesen spektakulären Fällen darf allerdings die Masse der selbstregulierend erledigten Fälle nicht in Vergessenheit geraten. So hat die Sportgerichtsbarkeit (Verbands- und Schiedsgerichtsbarkeit) des Deutschen Fußball-Bundes einen zahlenmäßigen „Output“ in der Größenordnung der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit.19 Die Sportgerichtsbarkeit trägt insofern – ebenso wie die Schiedsgerichtsbarkeit – erheblich zur Staatsentlastung bei. Ergänzt wird die – quasi vertikale – Zweispurigkeit durch eine horizontale Segmentierung, die insbes. durch unterschiedliche Regelungen auf nationaler und internationaler Ebene bedingt ist. Berücksichtigt man dies und die Vielzahl staatlicher Rechtsordnungen, die mit dem Verbandsrecht in Kollision geraten können, so zeigt sich, dass das Sportrecht ein ausgesprochen komplexes Patchwork ist. Diese Überlegung leitet über zu einem dritten Kennzeichen des Sportrechts: der Internationalität. Sport ist international. Sportrechtsfälle existieren in allen Rechtsordnungen in ähnlicher Weise. Die Lösungen divergieren – gerade im Hinblick auf den Umfang gerichtlicher Überprüfung und den Stellenwert verfassungsrechtlicher Erwägungen – zum Teil allerdings erheblich. Harmonisierungsbestrebungen versuchen dies aufzufangen.20 Ein internationaler Erfahrungsaustausch, z. B. im Rahmen 18 Das Bundeskartellamt hat bspw. einen Exklusivvertrag über die Vermarktung der TVÜbertragungsrechte für die Bundesliga-Spielzeiten 2009 bis 2015 zwischen der DFL und der Sirius Sport Media GmbH verhindert. Die Zentralvermarktung der Fernsehrechte durch die DFL stellt nach Ansicht des Bundeskartellamts eine Kartellvereinbarung dar, die nur dann zulässig wäre, wenn die Verbraucher angemessen an den Vorteilen des Kartells beteiligt würden. Dies sei aus Sicht des Bundeskartellamts nur dann gewährleistet, wenn eine Zusammenfassung der Bundesligaspiele am Samstag vor 20 Uhr im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt wird. Aufgrund dieser Vorgaben kam der Vertrag zwischen der DFL und der Sirius Sport Media GmbH nicht zustande, weswegen die DFL statt 500 Mio. E jährlich nur rund 411 Mio. E an Erlösen aus den Fernsehrechten erzielen konnte. Vgl. FAZ v. 18. 08. 2008, S. 31; FAZ v. 17. 09. 2009, S. 18. Um ein entsprechendes Vorgehen des Bundeskartellamts zukünftig zu verhindern, erhoben Ligaverband und DFL eine vorbeugende Unterlassungsbeschwerde, die allerdings keinen Erfolg hatte, OLG Düsseldorf SpuRt 2009, 258 ff. dazu Stopper, SpuRt 2009, 237 ff. 19 So Hilpert, BayVBl 1988, 161 (161); ders., Das Fußballstrafrecht des Deutschen-Fußballbundes (DFB), Berlin 2009, S. V (Vorwort). 20 Die Harmonisierungsbestrebungen sind ein Grund für die Diskussion um die Bildung einer sog. lex sportiva, siehe Vieweg/Staschik, Lex Sportiva – Phänomen und Bedeutung in der internationalen Sportwelt, in: Vieweg (Hrsg.), Lex Sportiva, Berlin 2015, S. 17 ff. Vgl. z. B. den Anfang 2015 überarbeiteten World Anti-Doping Code der World Anti-Doping Agency (WADA), abrufbar unter https://www.wada-ama.org/en/resources/the-code/world-anti-doping-

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der International Association of Sports Law (IASL)21 und der International Sports Lawyers Association (ISLA)22, erweist sich insofern als förderlich. Dasselbe gilt für die international ausgerichteten Sportrechtszeitungen, insbes. das International Sports Law Journal und die Pandektis, daneben aber auch die Marquette Sports Law Review, die SpuRt, die causa sport und die Desporto & Direito. Zu erwähnen sind weiterhin die internationalen LL.M.-Programme zum Sportrecht, etwa der Griffith University in Australien und der Marquette University in Milwaukee, USA. Ein viertes Kennzeichen des Sportrechts ist, dass wirtschaftlich relevante Regelungen, die der Materie Sport entspringen, direkt und indirekt eine Vielzahl von Personen und Organisationen betreffen, bildlich gesprochen: in Netze von Beziehungen integrieren. Statuarische und vertragliche Regelungen haben häufig eine Mehrfachwirkung, die insbes. im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen ist. Beispielhaft sei hier das Sponsoring erwähnt. Fünftes Kennzeichen ist schließlich, dass es sich beim Sportrecht um eine dynamische Querschnittsmaterie handelt, deren sachgerechte Behandlung intradisziplinäres Verständnis voraussetzt, da häufig zugleich zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Dies wird bei der Betrachtung der oben angegebenen Zeitschriften und speziellen Schriftenreihen zum Sportrecht deutlich. Auch die acht Tagungsbände der 16 Interuniversitären Tagungen Sportrecht – „Spektrum des Sportrechts“ (2003), „Perspektiven des Sportrechts“ (2005), „Prisma des Sportrechts“ (2006), „Facetten des Sportrechts“ (2009), „Akzente des Sportrechts“ (2012), „Lex Sportiva“ (2015) und „Impulse des Sportrechts“ (2015), „Inspirationen des Sportrechts“ (2016) – spiegeln den Querschnittscharakter des Sportrechts anschaulich wider.23

III. Selbstregulierung 1. Strukturmerkmale des Sportverbandswesens Sieht man einmal vom Schul- und Hochschulsport24 sowie vom Sport in Bundeswehr und Bundespolizei ab, so findet die organisierte Sportausübung weitgehend im

code; vgl. weiter zu den Vorarbeiten auf europäischer Ebene Vieweg/Siekmann (eds.), Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules, Berlin 2007. 21 http://iasl.org/. 22 http://www.isla-int.com/. 23 Die Inhaltsverzeichnisse der Tagungsbände finden sich unter http://www.irut.de/For schung/Tagungen/Tagungen.html. 24 Vieweg, Schul- und Universitaetssport in Deutschland – Realitaet und Recht, in: The Journal of Sports & Entertainment Law (Vol. 17 No. 1), 2014.2, edited by The Korean Association of Sports & Entertainment Law Inc., pp. 11 – 28 (abrufbar unter http://www.irut.de/For schung/Veroeffentlichungen/Aufsaetze_KV/Schul-%20und%20Universitaetssport%20in% 20Deutschland_%20Realitaet%20und%20Recht.pdf).

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Rahmen von Vereins- und Verbandsveranstaltungen statt.25 Daher verwundert es nicht, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB)26 – die Dachorganisation des deutschen Sports – mehr als 27 Mio. Mitglieder in über 91.000 Turn- und Sportvereinen zählt, welche wiederum in 98 Mitgliedsorganisationen organisiert sind.27 In den Sportvereinen engagieren sich 8,6 Mio. Ehrenamtliche. 740.000 Personen werden auf der Vorstandsebene und 1 Mio. Personen auf der Ausführungsebene (z. B. Trainer und Übungsleiter) dauerhaft tätig. Hinzu kommen rund 6 Mio. Freiwillige, die unentgeltlich bei Veranstaltungen sowie im Spiel- und Wettkampfbetrieb mithelfen. Das Sportverbandswesen ist zunächst gekennzeichnet durch einen pyramidenförmigen Aufbau von Sportvereinen und -verbänden, die den Status von eingetragenen Vereinen im Sinne von § 21 BGB haben.28 Dabei ist der Aufbau durch eine doppelte Gliederung sowohl in fachlicher als auch in räumlicher Hinsicht gekennzeichnet. Vereinfacht bauen sich die Verbandspyramiden wie folgt auf: Ein Sportverein – ein Zusammenschluss sportinteressierter Mitglieder – ist selbst korporatives Mitglied im örtlichen Bezirks-, Kreis- oder Stadtsportbund sowie in den Bezirksoder Kreisfachverbänden derjenigen Sportarten, die in dem Verein betrieben werden. Die Bezirks- und Kreisfachverbände wiederum sind Mitglieder des jeweiligen Landesfachverbands. Die Landesfachverbände der verschiedenen Sportarten sind wie die Sportvereine selbst29 bzw. die Bezirks-, Kreis- und Stadtsportbünde30 in Landessportbünden zusammengeschlossen, deren Einzugsbereiche sich mit den Grenzen der Bundesländer decken. Die Landesfachverbände sind außerdem Mitglieder ihres jeweiligen Spitzenverbands (z. B. Deutscher Skiverband). Die Spitzenverbände und die 16 Landessportbünde sind schließlich ordentliche Mitgliedsorganisationen des DOSB.31 International32 setzt sich der pyramidenförmige Aufbau fort. Die nationalen Sportfachverbände sind in europäischen Verbänden (z. B. UEFA) und internationalen Verbänden (z. B. FIFA, FIS) zusammengeschlossen. Das Internationale

25

Allerdings entwickelt sich der Freizeit- oder Breitensport zunehmend auch außerhalb von Vereinsstrukturen, vgl. PHBSportR-Summerer (Fn. 12), 2. Teil, Rdnr. 1. 26 Der DOSB wurde zum 20. 05. 2006 gegründet und ist aus der Fusion der beiden bisherigen Dachorganisationen des deutschen Sports – Deutscher Sportbund (DSB) und Nationales Olympisches Komitee für Deutschland (NOK) – hervorgegangen. 27 Vgl. ausführlich zur Situation der Sportvereine in Deutschland den Sportentwicklungsbericht 2013/2014, der unter https://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/arbeitsfelder/wiss-ges/Da teien/2014/Siegel-Bundesbericht_SEB13_final.pdf abrufbar ist. 28 Im professionalisierten Sport ist allerdings vermehrt eine Ausgliederung von Vereinsbereichen auf Kapitalgesellschaften zu beobachten. 2014 wurde etwa die Lizenzspielerabteilung des Hamburger SV e. V. auf eine Aktiengesellschaft ausgegliedert, FAZ v. 27. 05. 2014, S. 32. 29 So z. B. in Bayern, vgl. § 8 Satzung des BLSV. 30 Z. B. in Baden-Württemberg, vgl. § 4 (1) a) Satzung des LSV Baden-Württemberg. 31 § 6 (1) DOSB-Satzung. 32 Siehe zum Verhältnis von nationalen zu internationalen Verbänden im Einzelnen unten V.

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Olympische Komitee (IOC) ist ein Verein nach schweizerischem Recht mit 10033 persönlichen Mitgliedern. Es veranstaltet die Olympischen Spiele und repräsentiert den Weltsport. Weiteres Kennzeichen des Sportverbandswesens ist das sog. Ein-Platz-Prinzip.34 So ergibt sich aus einem Zusammenspiel von § 4 Nr. 2 DOSB-Aufnahmeordnung mit den Regelwerken der internationalen Spitzenverbände und des IOC, dass für jedes Fachgebiet nur ein Spitzenverband in den DOSB aufgenommen werden kann.35 Ähnlich ist das Ein-Platz-Prinzip auch in den Satzungen der Landessportbünde verankert. Dies hat zur Folge, dass die meisten Sportverbände – national wie international – eine räumlich-fachliche Monopolstellung36 haben, die zwar Kompetenzprobleme – z. B. bei der Ausrichtung von Meisterschaften – vermeiden hilft, zugleich aber beispielsweise dazu führt, dass die wenigen außenstehenden Verbände von der Verteilung staatlicher Sportförderungsmittel ausgenommen werden. Bei einer vorgesehenen Gesamtförderleistung des Bundes von rund 155 Mio. E im Jahr 2015 birgt dies in Deutschland ein nicht unerhebliches Konfliktpotential.37 2. Verbandsautonomie und Verbandsmacht a) Rechtliche Grundlagen Die Vereins- oder Verbandsautonomie bezeichnet – als Ausfluss der allgemeinen Privatautonomie – das Recht der Vereine und Verbände zur selbstständigen Regelung 33

Stand Juli 2015. Nicht eingerechnet sind dabei die Ehrenmitglieder. Zum Begriff vgl. auch Scherrer/Ludwig (Hrsg.), Sportrecht – Eine Begriffserläuterung, 2. Aufl., Zürich 2010, S. 101. 35 Ein zweiter Fachverband kann aber unter Umständen als Verband mit besonderen Aufgaben außerordentliche Mitgliedsorganisation des DOSB werden, § 4 Nr. 3 DOSB-Aufnahmeordnung. Siehe IV. 3. 36 Bis 1933 gab es hingegen in Deutschland eine heute schwer vorstellbare Zersplitterung des Sportverbandswesens. Miteinander konkurrierten ca. 300 Sportverbände, die sich politisch, weltanschaulich oder konfessionell deutlich voneinander abgrenzten. Nach 1933 wurden alle Sportvereine in einer Einheitsorganisation – dem Deutschen Reichsbund für Leibesübungen – zusammengeschlossen. Die verlockenden Erinnerungen an die Macht eines Einheitsverbands standen Pate beim Wiederaufbau des Sportverbandsgefüges nach 1945. Vgl. hierzu Lohbeck, Das Recht der Sportverbände, Marburg 1971, S. 68. Zur internationalen Situation vgl. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 57 ff. 37 FAZ v. 14. 11. 2014, S. 27. Angesichts der beträchtlichen Fördersummen erstaunt es nicht, dass der Sport zunehmend in das Visier der EU-Beihilfenkontrolle gerät, Otter/Glavanovits, CaS 2013, 277 ff.; Kreuzer, Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, Berlin 2015, 105 ff. Der Etat für die Spitzensportförderung unterliegt dabei erheblichen Schwankungen. Für nicht wenige, gerade kleinere Sportverbände hat die Förderung durch die öffentliche Hand existenzielle Bedeutung. So finanziert sich bspw. der Deutsche Curling-Verband zu 95 Prozent aus Fördermitteln, sodass der drohende, letztlich aber abgewendete Verlust der kompletten Förderung zu massiven Einschnitten geführt hätte, vgl. FAZ v. 21. 10. 2014, S. 31. 34

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ihrer inneren Angelegenheiten.38 Sie umfasst inhaltlich sowohl das Recht zur eigenen „Rechtsetzung“, insbes. durch Normen in der Satzung und in sonstigen Verbandsregelungen, als auch das Recht zur Selbstverwaltung durch Anwendung des selbstgesetzten „Rechts“ im Einzelfall. Ihre rechtliche Grundlage findet sie in den §§ 21 ff. BGB. Verfassungsrechtlich ist die Verbandsautonomie als Teilaspekt der Vereinigungsfreiheit durch Art. 9 Abs. 1 GG39 und europarechtlich durch Art. 12 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union abgesichert. b) Sportregeln – Funktion und Bedeutung Das Spektrum sportlicher Betätigung reicht vom gelegentlichen Freizeitsport bis hin zur Vollzeitarbeit, die den Lebensunterhalt sicherstellen soll. Zwischen den Beteiligten – das sind nicht nur die Sportler selbst, sondern auch Vereine und Verbände, Funktionäre, Trainer, Sponsoren, Spielervermittler, Vermarktungsgesellschaften, Investoren und Zuschauer – gibt es trotz des prinzipiell gleichgerichteten Interesses am bestmöglichen Ablauf des jeweiligen Sportbetriebs eine Fülle von Konfliktsituationen. Man denke beispielsweise nur an die Doping-Problematik oder an spektakuläre Verletzungen im Fußball. Nicht zuletzt hieraus resultiert ein erhebliches Regelungsbedürfnis. Als praktisch wichtigster Ausfluss der Verbandsautonomie werden daher verbindliche Sportregeln in mehr oder weniger umfangreichen sportartspezifischen Regelwerken – wie den Amtlichen Leichtathletik-Bestimmungen40 oder den Internationalen Hallenhandball-Regeln41 – von dem betreffenden nationalen oder internationalen Sportverband aufgestellt. Sie haben verschiedene, einander ergänzende Funktionen. Zunächst dienen sie der Typisierung der Sportart, indem sie abstrakt-generelle Festlegungen z. B. hinsichtlich der Wettkampfstätte (Spielfläche usw.), des Spielziels, der Spieldauer, der Mannschaftsstärke, des Sportgeräts, der Sportkleidung, des Bewegungsverhaltens bis hin zur äußeren Erscheinung des Sportlers42 treffen. Erst diese 38

Vgl. Scherrer/Ludwig (Fn. 34), S. 45; Vieweg (Fn. 36), S. 147 ff. Vgl. statt vieler Steiner, Staat, Sport und Verfassung, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Sportrechts, Berlin 2004, S. 27 ff. (= DÖV 1983, 173 ff.); Vieweg (Fn. 36), S. 147 ff.; PHBSportR-Summerer (Fn. 12), 2. Teil, Rdnr. 3. 40 http://www.leichtathletik.de/. 41 http://www.ihf.info/TheGame/BylawsandRegulations/tabid/88/Default.aspx. 42 So wurde lange Zeit im Damen-Beach-Volleyball eine körperbetonte Bekleidung (Badeanzug bzw. „Tank Top“) vorgegeben, um die Attraktivität für das Fernsehen zu steigern, vgl. Rule 5. 1. a. F. der Offiziellen Beach-Volleyball-Regeln des Internationalen Volleyball-Verbands (FIVB). Zu nennen ist hier auch der Streit um das Einteiler-Trikot der Nationalmannschaft Kameruns, dessen Einsatz von der FIFA während des Afrika-Cups 2004 als regelwidrig untersagt wurde. Der von Kameruns Sportausrüster angestrengte Schadensersatzprozess endete durch Vergleich, Heermann, WRP 2009, 285 (287). Der Schwimmweltverband FINA hat, aus Gründen der Chancengleichheit und um einer regelrechten Weltrekordflut zu begegnen, detaillierte Regeln für die Schwimmanzüge der 39

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Typisierung und Vereinheitlichung ermöglicht sportliche Wettkämpfe in größerem Rahmen. Können kickende Kinder ihre Spielregeln noch selbst so festlegen, dass sie ihren individuellen Bedürfnissen gerecht werden, so bedarf es für die Ausrichtung eines Ligabetriebes oder die Aufstellung von Rekordlisten einheitlicher Voraussetzungen der sportlichen Betätigung. Insbesondere sind organisatorische Regelungen zur Festlegung des Wettkampfmodus (z. B. Ligenaufteilung und Ligengröße) und der Teilnehmer (z. B. Aufstiegs- und Abstiegsregelungen sowie Nominierungsrichtlinien) erforderlich. Sportregeln, die die Funktion haben, Wettbewerb zu ermöglichen, werden durch solche Regelungen ergänzt, die Chancengleichheit erreichen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern sollen.43 Die Einteilung von Gewichthebern und Boxern in Gewichtsklassen, das Verbot der Einnahme leistungssteigernder Mittel (Doping) und die Reglementierung des Einsatzes technischer Hilfsmittel („Techno-Doping“)44, die Zulassung von Sportgeräten und -materialien sowie das Verbot bestimmter Bewegungstechniken (z. B. beidbeiniger Absprung beim Hochsprung) dienen diesem Zweck. Die Gewährleistung der Chancengleichheit zwischen konkurrierenden Vereinen bezwecken Bestimmungen, die den Vereinswechsel von Sportlern reglementieren und eventuell von Geldzahlungen abhängig machen45 sowie Regelungen, die das finanzielle Gleichgewicht zwischen den Sportakteuren sicherstellen sollen46. Den Sportregeln kommt zudem die Funktion zu, Streitigkeiten zu vermeiden oder doch zumindest einen geordneten Spiel- bzw. Wettkampfverlauf durch spezielle Verfahrensbestimmungen und Ordnungsvorschriften sicherzustellen. Athleten aufgestellt. Während 2009 in der Dubai-Charter zunächst rein materielle Kriterien für zugelassene Schwimmanzüge aufgestellt wurde – z. B. durfte das Material nicht dicker als ein Millimeter sein und maximal einen Auftrieb von einem Newton pro 100 Gramm haben – ist nunmehr in den Regelwerken vorgesehen, dass nur noch von der FINA zugelassene Schwimmanzüge verwendet werden dürfen, Art. 5 FINA General Rules u. Art. 8 FINA By Laws. Die für die Zulassung erforderlichen Voraussetzungen sind dabei ausführlich in den FINA Requirements for Swimwear Approval (FRSA) geregelt. 43 Die Chancengleichheit ist eines der Grundprinzipien des Sports, vgl. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, S. 1; Vieweg/Müller, Gleichbehandlung im Sport – Grundlagen und Grenzen, in: Mannsen/Jachmann/Gröpl (Hrsg.), Festschrift für Udo Steiner, Stuttgart u. a. 2009, S. 889 ff.; Vieweg, Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Baden-Baden 2005, S. 71, 83 ff. Auch die vielfach im Sport vorgenommene Geschlechtertrennung soll eine Chancengleichheit der Beteiligten sicherstellen, kann aber mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Konflikt treten, vgl. dazu Block, SpuRt 2012, 46 ff. und 99 f. 44 Vgl im Einzelnen Fn. 280. 45 Für Aufsehen sorgte die Ausbildungsentschädigung der FIFA für den internationalen Fußball im Fall des SV Wilhelmshaven. Da dieser sich weigerte, an argentinische Vereine die pauschale Ausbildungsentschädigung zu leisten, wurde er letztendlich mit einem Zwangsabstieg bestraft. Während sich der Verein dagegen zunächst vor dem CAS, den DFB-Sportgerichten und dem LG Bremen (SpuRt 2014, 174 f. mit Anm. Heermann, CaS 2014, 181 ff.) erfolglos wehrte, bekam er vom OLG Bremen (SpuRt 2015, 74 ff.) Recht. Siehe auch V. 2. 46 Dazu zählt bspw. das Financial Fairplay Reglement (FFP) der UEFA, das das Ausgabengebahren der europäischen Fußballklubs begrenzen soll, siehe im Einzelnen V. 4.

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Nicht zuletzt sollen Sportregeln die Sportler selbst, aber auch ihre Kontrahenten und die Zuschauer vor Gefahren schützen, die von der sportlichen Betätigung typischerweise ausgehen. Doping-Bestimmungen, Mindest- und Höchstaltervorschriften im Boxen, das Verbot der Drehtechnik beim Speerwurf47 – diese Technik würde stadionweite Würfe bis in die Zuschauerränge ermöglichen –, die Abschaffung von zelluloidfreien Tischtennisbällen zur Eindämmung der Brandgefahr sowie die Fußballregel 12 (verbotenes Spiel und unsportliches Betragen)48 sind hierfür anschauliche Beispiele. Schließlich sollen Regeln der Sportverbände, etwa die Lizenzierungsordnung des Ligaverbands, zum Teil auch die Professionalität des Sportbetriebs sicherstellen. Sportregelwerke erlangen dadurch eine eminent praktische Bedeutung, dass sie gemäß den Verbandsbestimmungen für die gesamte verbandlich organisierte Ausübung dieser Sportart verbindlich sind. Das Netz der Verhaltensanweisungen in der „Nebensache Sport“ ist zum Teil äußerst engmaschig gewoben. Wer beispielsweise in einem Verein Fußball spielen will, ist durch entsprechende Überleitungsbestimmungen49 zur Einhaltung der DFB-Fußballregeln verpflichtet, die ihrerseits wiederum auf den FIFA-Spielregeln beruhen. Will der Fußballer seinen Verein wechseln, so sieht er sich mit einem recht kunstvollen Regelwerk50 konfrontiert, das den Wechsel von der Zustimmung seines alten Vereins bzw. vom Ablauf einer bestimmten Wartefrist51 abhängig macht. Faktisch haben Sportregeln auch wesentlichen Einfluss auf das Maß der der Sportart eigentümlichen Selbstgefährdung der Sportler – man denke nur an die im Kunstturnen geforderte unphysiologische Landung – bzw. auf Art und Umfang der Gefährdung durch Mitspieler und Kontrahenten. Sportregeln kommt immer häufiger auch die Funktion zu, die Attraktivität des Sports für Zuschauer und damit auch für Fernsehanstalten sowie Sponsoren zu steigern, um die Popularität der Sportart und die Erlöse aus Fernsehvermarktung und Sponsoring zu erhöhen. Zu denken ist hierbei etwa an die Regeländerung im Volleyball, dass zum Gewinn eines Satzes nicht mehr 15, sondern 25 Gewinnpunkte erforderlich sind, 47 Die weiterhin bestehende Gefährlichkeit des Speerwerfens zeigte sich im Juli 2007 beim Golden-League-Meeting in Rom. Der Weitspringer Salim Sdiri war an der Weitsprunggrube vom weit abgedrifteten Speer des Finnen Tero Pitkämäki seitlich am Brustkorb getroffen und erheblich verletzt worden. Trotz des Verbots der Drehtechnik war der Speer weit aus dem vorgesehenen Sektor geflogen. Vgl. FAZ v. 16. 07. 2007, S. 26. Daraufhin hat der Leichtathletik-Weltverband IAAF den Ausrichtern seiner Veranstaltungen empfohlen, Speer- und Hammerwurfwettbewerbe nicht mehr zeitgleich zu Wettbewerben innerhalb des LaufbahnRings anzusetzen. 48 Beabsichtigt wird (bzw. zum Teil bereits umgesetzt wurde) im Fußball eine Regelung, dass Spieler mit einer Kopfverletzung den Platz verlassen und von einem Vereinsarzt untersucht werden müssen, vgl. FAZ v. 10. 09. 2014, S. 28. 49 § 3 Nr. 1 und 2 sowie § 14 Nr. 1 DFB-Satzung. 50 §§ 16 ff. DFB-Spielordnung. Nach § 20 DFB-Spielordnung gelten bei einem internationalen Vereinswechsel unmittelbar die Bestimmungen des FIFA-Reglements bzgl. Status und Transfer von Spielern. Vgl. zu den Regelungen Quirling, CaS 2013, 92 ff. 51 §§ 16, 22 f., 29 DFB-Spielordnung. Beim Vereinswechsel von Amateuren kann die Wartefrist unter Umständen wieder entfallen, vgl. § 17 DFB-Spielordnung.

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dafür aber auch die annehmende Mannschaft einen Punkt gewinnen kann (RallyPoint-System), oder an die Satzverkürzung im Tischtennis von 21 auf 11 Gewinnpunkte. Mitunter werden komplett neue, medienwirksame Disziplinen eingeführt, z. B. die Mixed-Staffeln im Biathlon oder der Team-Wettbewerb im Ski Alpin. Bedeutsam sind schließlich die Einwirkungen bestimmter Sportregeln auf den Sportartikel- und Werbemarkt. Sportregeln schaffen Marktpräferenzen für regelgerechte Produkte und schließen nicht regelgerechte Produkte unter Umständen vom Markt aus.52 Diese enorme wirtschaftliche Bedeutung wird beispielsweise im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaften besonders deutlich. Der Weltfußballverband FIFA beauftragt seit 1970 ein einzelnes deutsches Unternehmen mit der Herstellung des Spielballs sowie der Komplettausstattung aller WM-Schiedsrichter und freiwilligen Helfer.53 Dieser Sportartikelhersteller hatte sich seit über 40 Jahren auf die Entwicklung von Sportprodukten spezialisiert, die exakt den Regeln von DFB, FIFA und UEFA entsprechen. Zugleich darf der Sportartikelhersteller exklusiv in den WM-Stadien für sich werben. Dafür sollen pro Jahr angeblich zwischen 40 und 50 Mio. E an die FIFA gezahlt werden.54 Sportregeln können auch einen Markt für neue Produkte schaffen, wie das Beispiel des Freistoß-Sprays anschaulich zeigt. Hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung ist als Ausgangspunkt zum einen wesentlich, dass die Sportregeln Regelungen privatrechtlicher nationaler oder internationaler Sportverbände sind, die im Rang unter den Satzungen stehen.55 Dabei handelt es sich nicht um anationales, autonomes Recht. Vielmehr bedürfen die Sportregeln für ihre Wirksamkeit grundsätzlich der staatlichen Anerkennung.56 Diese wird ihnen im Rahmen der Verbandsautonomie weitgehend gewährt. Zum anderen ist bedeutsam, dass diejenigen Sportregeln, die abstrakt-generelle Verhaltensanweisungen57 an die Sportler beinhalten, insbes. erlaubte oder verbotene Bewegungsabläufe beschreiben,58 häufig weite Formulierungen enthalten, um keine Regelungslücken entstehen zu lassen. So liegt z. B. im Fußball ein „verbotenes Spiel“ bzw. „unsportliches Betragen“ vor, wenn ein Spieler nach Auffassung des Schiedsrichters „gefährlich spielt“.59 Diese Formulierung ist konkretisierungsbedürftig, da nähere Angaben 52 So enthält etwa Regel 2 der DFB-Fußballregeln exakte Vorgaben für Größe, Gewicht, Druck und Material der zu verwendenden Bälle. Fußbälle, die dem Regelwerk der FIFA entsprechen und lizenziert wurden, dürfen als „FIFA-approved“ ausgezeichnet und verkauft werden. Allein diese Kennzeichnung bewirkt – im Vergleich zu nicht gekennzeichneten Bällen – eine enorme Absatzsteigerung. Vgl. zur kartellrechtlichen Problematik Tschauner, Die rechtliche Bedeutung technischer Normen für Sportgeräte und -ausrüstung, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, Berlin 2005, S. 189 (198 ff.). 53 Die Partnerschaft wurde Ende 2013 bis 2030 verlängert, FAZ v. 22. 11. 2013, S. 16. 54 SZ v. 22. 05. 2014, S. 2. 55 Statt vieler Pfister, SpuRt 1998, 221 (222); Lukes, NJW 1972, 125 f. 56 Im Einzelnen Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 (36 ff.). 57 Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, Köln u. a.1979, S. 258 ff. 58 Z. B. Regel 12 der DFB-Fußballregeln; Regel 8 der Internationalen HallenhandballRegeln. 59 Regel 12 DFB-Fußballregeln.

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zum tolerierten Gefährdungsgrad fehlen. Derartige Wendungen lassen sich als „unbestimmte Verbandsrechtsbegriffe“ bezeichnen. Die Konkretisierungskompetenz ist im erwähnten Beispiel aus Gründen der Aufrechterhaltung des Spielflusses verbandsrechtlich dem Schiedsrichter zugewiesen.60 c) Bindung aller Beteiligten an einheitliche Sportregeln Auf der Hand liegt, dass ein Wettkampf nur dann zweckentsprechend stattfinden kann, wenn alle Beteiligten denselben Sportregeln unterworfen sind. So wäre die Durchführung der deutschen Bundesligen faktisch unmöglich, wenn jeder Verein seine eigenen Sportregeln aufstellen und praktizieren würde. Gleiches gilt auf internationaler Ebene für die europäischen Wettbewerbe sowie die Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele. Mit dem Beitritt zu einem Verein bindet sich der Sportler zunächst nur an die Satzung dieses Vereins. Dadurch wird er aber nicht automatisch auch Mitglied des übergeordneten Sportverbands. Fraglich ist deshalb, wie letztlich eine einheitliche Bindung an die Sportregeln der nationalen und internationalen Sportfachverbände bewirkt werden kann.61 Zum einen kann eine Bindungswirkung über eine satzungsrechtliche Lösung62 erreicht werden. Der nationale Sportfachverband erlässt Regeln, an die die Landesfachverbände als dessen Mitglieder gebunden werden. Mittelbar erfolgt eine Bindung der einzelnen Vereine an diese über die Satzung ihres Landesfachverbands. Damit werden letztlich die Sportregeln des nationalen Sportfachverbands in den Satzungen der Vereine verankert.63 An diese ist der Sportler durch seinen Vereinsbeitritt gebunden. Diese Form der Bindung wird anschaulich als „mittelbare Mitgliedschaft“ bezeichnet. Zum anderen kann eine Bindungswirkung über eine sog. „individualrechtliche“, d. h. vertragliche Lösung64 erfolgen, die drei Abschlussformen kennt: den individuell ausgehandelten Vertrag (z. B. 60 Entscheidungshilfen werden den Schiedsrichtern im Rahmen ihrer Ausbildung gegeben (Schiedsrichterlehrfilm). Auch gibt es „Amtliche Entscheidungen“ des Internationalen Fußballverbands FIFA zu den Fußballregeln. 61 Zum Ganzen vgl. Röhricht, Satzungsrechtliche und individualrechtliche Absicherung von Zulassungssperren als wesentlicher Bestandteil des DSB-Sanktionskatalogs, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 12 ff.; PHBSportR-Summerer (Fn. 12), 2. Teil, Rdnrn. 206 ff.; BGHZ 128, 93 ff. = NJW 1995, 583 ff. = SpuRt 1995, 43 ff.; dazu Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff.; Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 ff. und Heermann, ZHR 174 (2010), 250 ff. 62 BGHZ 128, 93 (100); Röhricht (Fn. 61), S. 12 (15 ff.); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (98 f.). 63 Vgl. für den Bereich des Fußballs § 14 Nr. 1 DFB-Satzung und z. B. § 13 Abs. 5 BfVSatzung. Siehe zur Zulässigkeit sog. dynamischer Verweisungen Heermann, ZHR 174 (2010), 250 ff.; Orth/Pommerening, SpuRt 2010, 222 ff. und 2011, 10 ff. 64 BGHZ 128, 93 (96 ff.); Röhricht (Fn. 61), S. 12 (18 ff.); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99). Eine vertragliche Unterwerfung erfolgt bspw. für die Teilnahme an den Olympischen Spielen durch die Unterzeichnung der sog. „Entry Form“ des IOC, dazu Jakob-Milicia, SpuRt 2013, 236 ff.

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Boris Becker – Deutscher Tennisbund), den auf Meldung und Zulassung zu einem konkreten Wettkampf beruhenden Teilnahmevertrag und die auf Antrag und Lizenzerteilung basierende generelle Teilnahmeberechtigung (Lizenz) für Sportler innerhalb des Organisations- und Verantwortungsbereichs des betreffenden Sportverbands. Bei den zuletzt genannten beiden Varianten handelt es sich um Unterwerfungen durch rechtsgeschäftlichen Einzelakt.65 Mit dem Teilnahmevertrag bzw. der Teilnahmeberechtigung wird dokumentiert, dass der Sportler die jeweils geltenden Regeln ausdrücklich oder jedenfalls schlüssig anerkennt. d) Vereins- und Verbandsstrafen Für sportliche Wettkämpfe sind einheitliche Regeln und deren Beachtung zentral. Erforderlich ist deshalb – das macht das Beispiel der Doping-Bekämpfung deutlich – auch die Sanktionierung etwaiger Regelverstöße. Damit ist die „klassische“ Frage der Vereins- und Verbandsstrafen aufgeworfen. Mit der Bindung an die Satzungen der Vereine und Verbände geht stets auch die Unterwerfung unter die jeweilige Vereins- bzw. Verbandsgewalt einher. Diese Unterwerfung wird dogmatisch unterschiedlich begründet: zum einen satzungsrechtlich und zum anderen vertraglich. Die wohl noch h. M.66 geht davon aus, dass einseitig getroffene Entscheidungen – insbes. Verbandsstrafen – ihre Grundlage in der Verbandsautonomie finden (satzungsrechtlicher Begründungsansatz). Sie stellten nicht nur ein zweckmäßiges Instrumentarium zur Lösung verbandsinterner Konflikte zur Verfügung, sondern erwiesen sich zudem als konsequente Fortsetzung der mit der Verbandsautonomie eingeräumten Chance zur Selbstregulierung eines vom Satzungszweck erfassten gesellschaftlichen Bereichs. Nach a. A.67 finden einseitig getroffene Vereins- und Verbandsentscheidungen ihre Grundlage in einer rein vertraglichen Konstruktion (vertraglicher Begründungsansatz). Mit seinem Vereinsbeitritt erkläre das Mitglied sein rechtsgeschäftliches Einverständnis mit der Vereinssatzung. Sehe diese bei bestimmten Verhaltensweisen Sanktionen vor, so handele es sich hierbei um Vertragsstrafen entsprechend der §§ 339 ff. BGB. Die Festsetzung der konkreten Strafe im Einzelfall habe dann gem. § 315 BGB im Zweifel nach billigem Ermessen zu erfolgen. Die Beziehung zwischen Verband und (mittelbarem) Mitglied ist durch ein besonderes Konfliktpotential gekennzeichnet, wenn es sich um einen Verband mit Monopolstellung handelt und das (mittelbare) Mitglied auf dessen Tätigkeiten und Leistungen angewiesen ist. Neuralgische Punkte im Sportverbandsrecht sind insofern 65

BGHZ 128, 93 (103 f.). BGHZ 128, 93 (99); Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Aufl. 2015, § 25 Rdnrn. 13 f.; Pfister, Autonomie des Sports, sporttypisches Verhalten und staatliches Recht, in: ders. (Hrsg.), Festschrift für Werner Lorenz, Tübingen 1991, S. 171 (180 ff.); differenzierend Vieweg (Fn. 36), S. 147 ff. 67 Soergel-Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 25 Rdnrn. 37 f.; van Look, Vereinsstrafen als Verbandsstrafen, Berlin 1990, S. 107 ff; Meier, Dopingsanktion durch Zahlungsversprechen, Berlin 2015, S. 95 ff. 66

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die sog. Verbandsstrafen – beispielsweise eine Disqualifikation oder Sperre wegen Dopings – sowie – damit zusammenhängend – der Umfang der Überprüfung dieser Maßnahmen durch staatliche Gerichte. Von ihrer tatsächlichen Bedeutung her ist diese Problematik kaum zu überschätzen. Die Zahl der jedes Jahr zu klärenden Streitfälle im Sport beläuft sich in Deutschland auf schätzungsweise insgesamt 420.000 und übertrifft damit sogar die Anzahl von Verfahren vor den Arbeitsgerichten.68 Ähnliche Probleme stellen sich, wenn der Sportverband Vorteile versagt, auf die das Mitglied Anspruch zu haben meint, oder Entscheidungen trifft, die – ohne ein Unwerturteil zu enthalten – das Mitglied belasten.69 Die Teilnahme an Verbandslehrgängen, die Nominierung70 oder Zulassung als Teilnehmer oder Trainer71 zu einem sportli68

So Hilpert, Das Fußballstrafrecht des Deutschen-Fußballbundes (DFB), Berlin 2009, S. V (Vorwort); ders., BayVBl 1988, 161 (161). Vgl. auch http://www.123recht.net/article. asp?a=421&f=ratgeber_sportrecht_gerichtsbarkeit&p=4. Bereits 1971 bezifferte Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, München 1972, S. 20, allein die jährlich von der „Sportgerichtsbarkeit“ der bundesdeutschen Fußballverbände verhängten Strafen auf rund 150.000. 69 Überblick bei Vieweg, (Fn. 36), S. 49 ff. 70 Vgl. etwa den Fall des Dreispringers Charles Friedek, der vom DOSB nicht für die Olympischen Spiele 2008 in Peking nominiert wurde. Zwar erfüllte er die geforderte Olympianorm von 17 Metern in zwei Versuchen, hätte diese Leistungen jedoch nach Ansicht des Verbands in zwei unterschiedlichen Veranstaltungen erreichen müssen. Eine einstweilige Verfügung gegen diese Entscheidung hatte keinen Erfolg, vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 2008, 2925 ff. Vgl. zur vorherigen Entscheidung des Deutschen Sportschiedsgerichts gegenüber dem DLV FAZ v. 21. 07. 2008, S. 26. Friedek verlangte aufgrund der Nichtnominierung Schadensersatz in Höhe von mindestens 133.500 E vom DOSB. Während die Schadensersatzklage in der ersten Instanz (LG Frankfurt CaS 2012, 67 ff.) mit der Begründung Erfolg hatte, dass die Nominierungsrichtlinien zugunsten des Athleten auszulegen seien, wurde sie in der Berufungsinstanz abgewiesen, OLG Frankfurt SpuRt 2014, 74 ff. mit Anm. von Lambertz, CaS 2014, 56 ff. und Jakob, npoR 2014, 182 ff. Vgl. allgemein zur Problematik den Tagungsband Walker (Hrsg.), Nominierungsfragen im Sport, Stuttgart 2013, sowie Walker, SpuRt 2014, 46 ff.; Lambertz, Die Nominierung im Sport, Hamburg 2012; Monheim, SpuRt 2009, 1 ff.; Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, Bayreuth 1992, S. 21 ff.; Weiler, Nominierung als Rechtsproblem – Bestandsaufnahme und Perspektiven, in: Vieweg (Hrsg.), Spektrum des Sportrechts, Berlin 2003, S. 105 ff. mit Beispielen aus der Praxis. 71 Anschaulich hierzu der Fall des Eiskunstlauftrainers Ingo Steuer, der wegen seiner früheren Stasi-Tätigkeit vom Nationalen Olympischen Komitee (NOK) nicht für die Olympischen Spiele 2006 in Turin nominiert wurde und sich daraufhin seine Zulassung zu den Spielen mittels einstweiliger Verfügung erkämpfte. Später bezichtigte ihn das NOK beleidigender und ehrverletzender Äußerungen in einem Interview und kündigte die Zusammenarbeit erneut auf. Hiergegen erwirkte Ingo Steuer wiederum eine einstweilige Verfügung, vgl. LG München I SpuRt 2007, 124 ff. Zwischenzeitlich hatten sich die DEU und das Bundesinnenministerium auf eine „Tolerierungspolitik“ verständigt, nach der Ingo Steuer zwar weiterhin als DEU-Trainer arbeiten, jedoch keine direkten oder indirekten staatlichen Fördermittel mehr erhalten darf – die direkte Bezahlung stasibelasteter Übungsleiter war vom Bundesinnenministerium untersagt. Im Dezember 2008 schlossen DEU und Ingo Steuer einen gerichtlichen Vergleich, mit dem der Streit endgültig beigelegt werden sollte. Danach sollte die DEU bis zu den Winterspielen 2010 in Vancouver etwa 250.000 E an Sponsorengeldern eintreiben, mit denen Ingo Steuer dann entlohnt wurde. Mitte 2014 kam es zunächst zu einer Kehrtwende, als

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chen Wettbewerb und die Festlegung der Mannschaftsaufstellung gegen den Willen des betroffenen Vereins sind hierfür plastische Beispiele. 3. Sportgerichtsbarkeit Verbandsstrafen und sonstige Verbandsentscheidungen können – wie gezeigt – Sportler und Vereine in vielfältiger Hinsicht in der Ausübung ihrer Tätigkeit beeinträchtigen. Wird ein Athlet etwa wegen eines ersten Doping-Verstoßes für zwei Jahre gesperrt, sieht er sich hierdurch für diesen Zeitraum seiner Erwerbsgrundlage beraubt. Möglicherweise kommt für ihn eine Rückkehr in den Profisport nach Ablauf der Sperre aufgrund des dann erreichten Alters nicht mehr in Betracht.72 Auch Sportvereine können durch Verbandsentscheidungen in ihrer Existenz bedroht sein oder zumindest erheblichen wirtschaftlichen Schaden erleiden, etwa bei Versagung der Lizenz aufgrund der Nichterfüllung wirtschaftlicher Voraussetzungen.73 Der mit eine neu besetzte Stasikommission des DOSB mit Hinweis auf die „persönliche Entwicklung“ und eine Art Verjährungsbonus zukünftig eine Finanzierung Steuers aus öffentlichen Mitteln empfahl. Allerdings wurde ein entsprechender Antrag durch den DOSB vom Bundesinnenministerium abgelehnt, vgl. FAZ v. 02. 10. 2014, S. 36. Daraufhin kam es zur endgültigen Trennung vom betreuten deutschen Eislaufpaar, FAS v. 16. 11. 2014, S. 19. Vgl. in der causa Steuer auch BGH SpuRt 2012, 251 ff. 72 Vgl. den Fall des Sprinters Justin Gatlin, über den im August 2006 wegen eines wiederholten Doping-Verstoßes eine achtjährige Wettkampfsperre verhängt wurde. Ein US-Gericht verkürzte diese Sperre später auf vier Jahre. Mittels Einspruch vor dem CAS wollte Gatlin daraufhin eine erneute Halbierung seiner Strafe erreichen. Nachdem dies im Juni 2008 scheiterte, zog er vor das Bezirksgericht in Florida und erwirkte dort zunächst per einstweiliger Verfügung eine Starterlaubnis für die bevorstehenden Trials. Als der Richter jedoch merkte, dass nicht er, sondern allein das Schweizer Bundesgericht für Rechtsmittel gegen CAS-Urteile zuständig war, nahm er die einstweilige Verfügung nur vier Tage später wieder zurück. Vgl. FAZ v. 26. 06. 2008, S. 40. Nachdem die Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle aufgrund eines Doping-Verstoßes während der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 zunächst vom Internationalen Biathlonverband für 2 Jahre gesperrt wurde, verkürzte der CAS die Strafe auf 6 Monate. Dennoch beendete die Biathletin im Anschluss ihre Karriere, FAZ v. 01. 12. 2014, S. 31. 73 Vieweg/Neumann, Zur Einführung: Probleme und Tendenzen des Lizenzierungsverfahrens, in: Vieweg (Hrsg.), Lizenzerteilung und -versagung im Sport, Stuttgart u. a. 2005, S. 9 ff.; Scherrer, Probleme der Lizenzierung von Klubs im Ligasport, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Bern 2006, S. 119 ff.; Holzhäuser, Die Vereinslizenzierung in den deutschen Profisportligen, Mainz 2006. Ein weiteres Beispiel bilden auch die Geschehnisse um den Manipulationsskandal im italienischen Fußball. Eingehend Krause, Die rechtliche Bewältigung von Sportmanipulationen in Italien, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, Berlin 2006, S. 123 ff. Nachdem dem Eishockey-Verein Kassel Huskies die Lizenz von der DEL wegen eines laufenden Insolvenzverfahrens entzogen worden war, hat dieser vor dem LG Köln eine einstweilige Verfügung gegen seinen Ausschluss aus der DEL bewirkt. Letztlich wurde der Lizenzentzug aber vom OLG München sowie vom OLG Köln bestätigt, vgl. FAZ v. 02. 07. 2010, S. 31 und v. 27.08.10, S. 30. Während dem Handballverein HSV Hamburg zunächst die Lizenz für die Saison 2014/15 für die erste Handball-Bundesliga in zwei Instanzen verweigert wurde, wurde sie ihm vom Schiedsgericht der HBL letztendlich doch unter erheblichen Auflagen und Bedingungen erteilt. Zugleich hatte der Verein HBW Balingen-

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einem Abstieg einhergehende Verlust insbes. von Fernseh-, Sponsoren- und Merchandisinggeldern kann für den betroffenen Verein den wirtschaftlichen Kollaps bedeuten. Erhebliche finanzielle Nachteile können auch mit bloßen Punktabzügen,74 Transferverboten75 oder dem Ausschluss von der Teilnahme an europäischen Wettbewerben76 verbunden sein. Streitigkeiten in Bezug auf einzelne Verbandsentscheidungen sind damit vorprogrammiert. Die Autonomie des Sports erlaubt es, zur Regelung solcher verbandsinterner Meinungsverschiedenheiten durch Satzung oder Einzelvereinbarung die Zuständigkeit eines – teilweise mehr-instanzlichen – Verbandsgerichts (z. B. DFB-Sportgericht77) festzulegen, dessen Zweck zeitnahe, sach- und fachgerechte Entscheidungen sind.78 Hierdurch soll die Entscheidungskompetenz staatlicher Gerichte zurückgedrängt werden. Die Zubilligung eines Freiraums zur eigenverantwortlichen Regelung sportspezifischer Angelegenheiten kann jedoch nicht grenzenlos erfolgen. Der Sport steht nicht jenseits der elementaren Grundentscheidungen des staatlichen (insbes. Verfassungs-)Rechts. Ein gewisses Maß an externer staatlicher Kontrolle ist daher unverzichtbar. Dies leitet über zu der „klassischen“ Frage, ob und inwieweit verbandsgerichtliche Entscheidungen nach Abschluss des verbandsinternen Verfahrens einer nachgeschalteten Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit unterliegen.79 Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob die staatlich-gerichtliche Kontrollmöglichkeit durch die satzungsmäßige oder vertragliche Einschaltung echter Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO – diese sind von den Verbandsgerichten zu unterscheiden – komplett ausgeschlossen werden kann.80

Weilstetten, der sportlich abgestiegen wäre, eine einstweilige Verfügung für den Verbleib in der Bundesliga erwirkt. Letztendlich entschied sich die HBL dafür, die Liga um einen Startplatz zu erweitern, damit beide Vereine in der Bundesliga verbleiben konnten. Vgl. FAZ v. 02. 07. 2014, S. 31. 74 Vgl. dazu LG Kaiserslautern SpuRt 2006, 79 ff. 75 Z. B. wurde FC Barcelona wegen Unregelmäßigkeiten bei der Verpflichtung minderjähriger Spieler mit einem Transferverbot für zwei Transferperioden bestraft. Ein Einspruch des Vereins dagegen wurde vom CAS abgewiesen, FAZ v. 31. 01. 2015, S. 36. 76 Ein Ausschluss von europäischen Klub-Wettbewerben kommt etwa bei einem Verstoß gegen die Regelungen der UEFA zum Financial Fairplay in Betracht (vgl. Art. 53 ff. UEFAReglement zur Klublizenzierung und zum finanziellen Fairplay und Art. 29 Verfahrensregeln für die UEFA-Finanzkontrollkammer für Klubs); siehe dazu V. 4. 77 §§ 2 f. DFB-Rechts- und Verfahrensordnung. Einen guten Überblick über das Verfahren vor dem DFB-Sportgericht liefert das Schaubild bei Hilpert, Sportrecht und Sportrechtsprechung im In- und Ausland, Berlin 2007, S. 84. 78 BGHZ 87, 337 (345); Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart u. a. 1997, S. 19 (21). 79 Dazu unten IV. 2. Vgl. auch Röhricht (Fn. 78), S. 22 f. 80 Siehe zum CAS V.5. sowie zum Deutschen Sportschiedsgericht Fn. 103.

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IV. Zweispurigkeit 1. Verbandsrecht versus staatliches Recht Aufgabe des Sportrechts ist es, die vielfältigen Erscheinungsformen und Konfliktsituationen im sozialen und wirtschaftlichen Beziehungsgeflecht Sport so zu erfassen, dass sowohl dem gleichgerichteten Interesse der Beteiligten entsprochen wird als auch die konfligierenden Interessen fair gegeneinander abgewogen werden. Das schließt nicht nur ein, dass das Sportrecht sich die innere Ordnungsfähigkeit und Fachkompetenz der Sportorganisationen zunutze zu machen hat, die ihren Ausdruck in sportartspezifischen Verbandsregelungen – insbes. in den Sportregeln – finden.81 Vielmehr bedeutet dies zugleich, dass dann die Lösungsansätze und Maßstäbe des allgemeinen Rechts korrigierend oder ergänzend herangezogen werden müssen, wenn die Selbstregulierungskräfte der Sportorganisationen versagen oder fehlgeleitet werden. Für das Sportrecht kennzeichnend ist demgemäß eine Zweispurigkeit. Es umfasst zwei Normenkomplexe: das privatautonom gesetzte Verbandsrecht der Sportorganisationen einerseits und das in allgemeingültigen Rechtsnormen gesetzte staatliche und überstaatliche Recht andererseits. Die Regelwerke der Sportverbände sind stets in eine nationale Rechtsordnung eingebettet und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der staatlichen Anerkennung. Die Lösung sportspezifischer Rechtsfragen hängt häufig – wie noch zu zeigen sein wird – gerade von der Auslotung des Verhältnisses dieser beiden Normenkomplexe ab.82 Zusammenspiel und Widerstreit von Verbandsrecht und allgemeinem Recht sowie die Vielfalt der Erscheinungsformen des Sports und die Komplexität der dabei berührten Interessen machen die Eigenart dieses Rechtsgebiets aus. Zugleich liegt hier eine wesentliche Ursache für die dynamische Entwicklung des Sportrechts, die sich nicht zuletzt daran zeigt, dass verbandsrechtliche Regelungen dem allgemeinen Recht angepasst werden müssen. 2. Überprüfbarkeit von Verbandsentscheidungen durch staatliche Gerichte Damit wird deutlich, dass Verbandsrecht und staatliches sowie europäisches Recht nicht völlig isoliert nebeneinander stehen. Die Kernfrage dieses Zusammenspiels betrifft dabei den Umfang der Überprüfbarkeit von Verbandsentscheidungen durch staatliche und europäische Gerichte83 und damit zugleich die Grenze der Ver81 Einen Überblick über die wichtigsten Sportverbände bietet das Mitgliederverzeichnis des DOSB, http://www.dosb.de/de/organisation/mitgliedsorganisationen/. Die Satzungsbestimmungen und Wettkampf- bzw. Spielregeln lassen sich teilweise über die dort aufgeführten Verbände abrufen. 82 Das gilt bspw. in vielfacher Hinsicht – unter anderem bei der Zentralvermarktung – für das Verhältnis von Verbandssatzungen und Kartellrecht, vgl. dazu Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, Berlin 2000; Heermann, WRP 2015, 1047 ff. u. 1172 ff.; Stancke, SpuRt 2015, 46 ff. 83 Vgl. zur Rechtsprechung des EuG und des EuGH unten V. 2.

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bandsgewalt. Diese Frage steht nicht zuletzt deshalb im Mittelpunkt, weil von den Entscheidungen staatlicher und europäischer Gerichte Reflexwirkungen hinsichtlich der Normsetzung der Verbände und der Entscheidungspraxis ihrer Organe – hierzu sind auch die sog. Sportgerichte zu zählen – ausgehen. Zu unterscheiden sind drei Kontrollformen: die Inhaltskontrolle des Verbandsrechts, die Tatsachenkontrolle und schließlich die Kontrolle des zur Verbandsentscheidung führenden Subsumtionsvorgangs. Bei Vereinen und Verbänden ohne soziale und wirtschaftliche Machtposition beschränkt sich die Rechtsprechung hinsichtlich Verbandsstrafen auf die Prüfung, ob der Strafbeschluss in der Satzung eine Stütze findet, das vorgeschriebene Verfahren beachtet, die Satzungsvorschrift nicht gesetz- oder sittenwidrig und die Sachverhaltsfeststellung fehlerfrei erfolgt. Die Subsumtion unter die Vereinsnorm und die Bemessung der Bestrafung wird hingegen allein auf Willkür und offenbare Unbilligkeit geprüft.84 Diese Maßstäbe wenden die staatlichen Gerichte mittlerweile auch bei der Kontrolle anderer Verbandsentscheidungen an.85 Bei Vereinen mit einer sozioökonomischen Machtstellung – wie es die Sportverbände sind – stieß die beschränkte Kontrolle der Verbandsstrafen durch die Rechtsprechung seit Ende der 1960er Jahre zunehmend auf Kritik des Schrifttums, das sich vor allem mit dem Problem der Verbandsmacht auseinandersetzte. Die Problematik trat Anfang der 1970er Jahre im sog. Bundesligaskandal86 mit besonderer Schärfe zutage, wurde hier doch deutlich, dass Entscheidungen über Berufsausübung und -chancen durch Verbandsinstanzen – die Sportgerichtsbarkeit des DFB – unter weitgehender Ausblendung allgemein-gesetzlicher Wertungen getroffen wurden.87 Das gemeinsam verfolgte Ziel der Literatur, Verbandsmacht und schutzwürdige Individualinteressen einander näher zu bringen, wurde von der Rechtsprechung daraufhin aufgegriffen. Bei Vereinen mit einer sozialen oder wirtschaftlichen Monopolstellung erweiterte die Rechtsprechung den Prüfungsumfang auf die vollumfängliche Nachprüfung der Rechtfertigung der Strafe durch sachliche Gründe und kontrolliert damit die Subsumtion unter die Vereinsnorm.88 Hält man sowohl die Verbandsstrafen als auch andere Verbandsentscheidungen mit individuell belastender Wirkung nicht nur aus Zweckmäßigkeitsgründen, son84

BGHZ 21, 370 (373); 47, 381 (384 f.); 87, 337 (343); 102, 265 (276); OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1986, 133 (134); OLG München NJWE-VHR 1996, 96 (98 ff.); OLG Karlsruhe SpuRt 2013, 31. 85 So OLG Frankfurt NJW 1992, 2576, LG Berlin causa sport (CaS) 2006, 73 ff.; zudem LG München I SpuRt 2007, 124 ff. im Zusammenhang mit der Nichtnominierung eines Trainers für internationale Wettkämpfe durch das Nationale Olympische Komitee. 86 Vgl. hierzu die informative Dokumentation von Rauball, Bundesliga-Skandal, Berlin 1972, sowie die Darstellung bei Hilpert (Fn. 77), S. 209 f. 87 Ein Überblick über die seinerzeitigen Versuche des Schrifttums, eine gerichtliche Kontrolle der Verbandsstrafen dogmatisch zu begründen, findet sich bei Vieweg, JuS 1983, 825 (827 f.). 88 BGHZ 102, 265 (276 f.).

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dern auch als notwendigen Aspekt der verfassungsrechtlich garantierten Befugnis zur eigenen Normsetzung der Verbände für prinzipiell zulässig, so muss dem mit der Verbandsmacht verbundenen Rechtsschutzrisiko89 begegnet werden. Hierzu bedarf es erstens einer weitgehenden Inhaltskontrolle90 der verbandsrechtlichen Normen, die Grundlage für Sportstrafen und sonstige individuell belastende Entscheidungen sind. Der vom BGH in seiner RKB-Solidaritäts-Entscheidung91 gewählte Ansatz einer Inhaltskontrolle im Wege einer umfassenden Interessenabwägung lässt sich im Erst-Recht-Schluss auf die interne Beziehung von Verband und Mitglied übertragen.92 Die Gesichtspunkte des Monopolverbands einerseits und des Angewiesenseins auf seine Leistungen andererseits haben hier ihren Platz. Mittlerweile unterzieht der BGH sportliche Regelwerke einer Inhaltskontrolle unmittelbar am Maßstab des § 242 BGB.93 Verbandsrechtliche Generalklauseln, die – wie z. B. „unsportliches Verhalten“ – als Grundlage für Sportstrafen nur schwer zu entbehren sind, wären als „unbestimmte Verbandsrechtsbegriffe“ von der Rechtsprechung daraufhin zu überprüfen, ob sie mit dem allgemeinen Recht in Einklang zu bringen sind und ob sie zulässigerweise einen Beurteilungsspielraum enthalten oder nicht.94 Zweitens bedarf es einer gerichtlichen Tatsachenkontrolle.95 So kann verhindert werden, dass durch eine unzutreffende Tatsachenfeststellung der betroffene Sportler – trotz Inhaltskontrolle des Verbandsrechts – rechtlos gestellt wird. Zu berücksichtigen ist dabei, dass im Interesse des Spielflusses bestimmte sog. Tatsachenentscheidungen wie die Bejahung eines Foulspiels beim Fußball ad hoc getroffen werden müssen und wegen der Einmaligkeit des Spielablaufs auch nicht im Nachhinein – auch beim Nachweis durch technische Hilfsmittel, z. B. einen Videobeweis – geändert werden sollen.96 Fraglich ist hingegen, ob die über den sportlichen Wettkampf hin89

Burmeister, DÖV 1978, 1 (2), sieht eine faktische Entrechtung bzw. einen oktroyierten Rechtsverzicht als typisch für das Sportverbandswesen an. 90 BGH NJW 1995, 583 (587); NJW 2004, 2226 (2227). 91 BGHZ 63, 282 ff. = NJW 1975, 771 ff.; näher dazu unter IV. 3. 92 Nicklisch, Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, Heidelberg 1982, S. 29; Reuter, ZGR 1980, 101 (115 f.). 93 BGHZ 128, 93 (101 ff.) = NJW 1995, 583 (585) = SpuRt 1995, 43 (46 f.); dazu Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff. Generell zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen Vieweg (Fn. 36), S. 159 ff; ders., Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes, Köln u. a. 1989, S. 809 ff. 94 So bereits H. P. Westermann (Fn. 1), S. 104 ff. m. w. N. 95 BGH JZ 1984, 180 (187); dazu Vieweg, JZ 1984, 167 (170 f.). 96 Vgl. hierzu Vieweg, Tatsachenentscheidungen im Sport – Konzeption und Korrektur, in: Krähe/Vieweg (Hrsg.), Schiedsrichter und Wettkampfrichter im Sport, Stuttgart u. a. 2008, S. 53 ff.; ders., Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht, Köln 2005, S. 1255 ff.; Hilpert, Die Fehlentscheidungen der Fußballschiedsrichter, Berlin 2010, passim; Deckenbrock, SpuRt 2011, 138 ff. Ein plastisches Beispiel für eine offensichtlich fehlerhafte Tatsachenentscheidung stellt das „Phantomtor“ im Spiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und TSG 1899 Hoffenheim (Saison 2013/2014) dar. Obwohl der Ball nur das Außennetz berührt hatte, entschied der Schiedsrichter auf Tor für Leverkusen, vgl. FAZ v. 21. 10. 2013, S. 11. Der

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ausgehende Wirkung einer Tatsachenentscheidung – z. B. eine längerfristige Sperre – gerichtlich überprüft werden kann.97 Drittens bedarf es schließlich – nicht zuletzt wegen des Umgehungsaspekts – der Subsumtionskontrolle.98 Hierbei spielt es insbes. eine Rolle, ob den Verbänden hinsichtlich der unbestimmten Verbandsrechtsbegriffe ein Beurteilungsspielraum zuerkannt werden kann. Der skizzierte Lösungsansatz trägt dem Umstand Rechnung, dass die Interessen von Sportverband und Mitglied – hiermit sind auch die Mitglieder verbandsangehöriger Vereine gemeint99 – nicht nur gegeneinander gerichtet sind, sondern auch eine gemeinsame Basis haben. Die Chance zur sachnahen und fairen Selbstregulierung der Konflikte durch Verbandsrecht und verbandsrechtliche Entscheidungsmechanismen – beispielsweise Verfahren vor den Sportgerichten – bleibt gewahrt. Die staatlichen Gerichte haben durch Anerkennung von Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräumen die Möglichkeit, Zurückhaltung zu üben, wenn es darum geht, eigene Entscheidungen an die Stelle der Entscheidungen fachkundiger Verbandsorgane zu setzen. Die dennoch drohende „Konkurrenz“ staatlicher und europäischer Gerichte dürfte bereits im verbandsinternen Vorfeld zu Regelungen und Entscheidungen führen, die auch von den betroffenen Sportlern und Vereinen als sachgerecht akzeptiert werden können. Zunehmend versuchen Sportverbände, die staatlich-gerichtliche Kontrollmöglichkeit durch echte Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO komplett auszuschließen.100 Durch Verbandssatzung101 oder Athletenvereinbarung102 wird festgeEinspruch gegen diese Entscheidung wurde vom DFB-Sportgericht unter Verweis auf die Unanfechtbarkeit der Tatsachenentscheidung abgelehnt, DFB-Sportgericht SpuRt 2014, 85 f. mit Anm. Schütz, SpuRt 2014, 53 ff. Um solche krassen Fehlentscheidungen zukünftig zu verhindern, hat sich die Fußball-Bundesliga inzwischen dazu entschlossen, die Tor-Kamera einzuführen, FAZ v. 27. 07. 2015, S. 24. 97 So schon H. P. Westermann (Fn. 1), S. 107 f. 98 BGHZ 102, 265 (276). 99 Eine Bestrafung von Nichtmitgliedern ist allerdings unzulässig. So zutreffend BGHZ 28, 131 (133); 29, 352 (359). Vgl. zu der insbes. für den Bereich des Lizenzfußballs geführten Diskussion der Erstreckung der Verbandsgewalt Lukes, Erstreckung der Vereinsgewalt auf Nichtmitglieder durch Rechtsgeschäft, in: Hefermehl/Gmühl/Brox (Hrsg.), Festschrift für Harry Westermann, Karlsruhe 1974, S. 325 (334 ff.). 100 Vgl. ausführlich Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips – auf dem Weg zu einem Bundessportgericht, München 2006, S. 134 ff.; Steiner, SpuRt 2014, 2 ff. allgemein zu den Anforderungen an Sportschiedsgerichte auch PHBSportR-Summerer (Fn. 12), 2. Teil, Rdnr. 371 ff., sowie Führungs-Akademie des Deutschen Sportbundes e. V. (Hrsg.), Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, Frankfurt/M. 2003, passim. 101 So etwa durch § 34 DOSB-Satzung und §§ 17 f. DFB-Satzung. 102 Vgl. dazu allgemein den Tagungsband Steinle (Hrsg.), Rechtliche Problemstellungen um Athletenvereinbarungen, Stuttgart 2013. Für die Teilnahme an den Olympischen Spielen erfolgt dies bspw. durch die Unterzeichnung der sog. „Entry Form“ des IOC (dazu JakobMilicia, SpuRt 2013, 236 ff.) sowie der DOSB-Athletenvereinbarung (dazu Zuck, SpuRt 2014, 5 ff.).

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legt, dass an die Stelle der staatlichen Gerichtsbarkeit unabhängige Sportschiedsgerichte – etwa das zum 01. 01. 2008 eingerichtete Deutsche Sportschiedsgericht103 – treten sollen. Da deren Schiedssprüche nur bei schwerwiegenden Mängeln (vgl. die enumerative Aufzählung in § 1059 ZPO) von staatlichen Gerichten aufgehoben werden können, bewirkt eine wirksame Schiedsvereinbarung de facto einen vollständigen Ausschluss staatlicher Gerichte.104 Mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG ist dies jedoch nur dann vereinbar, wenn das Schiedsgericht einen der staatlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich vergleichbaren Rechtsschutz gewährleistet. Dies setzt jedenfalls voraus, dass es sich nur aus unabhängigen, unparteiischen und von den Vereinsorganen verschiedenen Entscheidungsträgern zusammensetzt.105 Problematisch kann auch die für eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung erforderliche Freiwilligkeit des Verzichts auf staatlichen Rechtsschutz sein, da Sportler faktisch dazu gezwungen sind, die Bedingungen der Sportverbände zu akzeptieren, um an den sportlichen Wettbewerben teilnehmen zu können.106 3. Anspruch auf Aufnahme in einen Sportverband mit Monopolstellung Die Gewährung der Verbandsautonomie durch das GG und das BGB beruht auf der Prämisse, dass ein Missbrauch von Verbandsmacht durch Selbstregulierungsmechanismen – vor allem durch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft – ausgeschlossen ist.107 Für das Sportverbandswesen ist jedoch – durch das Ein-Platz-Prinzip bedingt – eine weitgehende räumlich-fachliche Monopolisierung kennzeichnend. Als Folge hiervon ergeben sich zahlreiche Konfliktsituationen für diejenigen, die auf die Mitgliedschaft in den Verbänden angewiesen sind. Hat ein Sportverband mit Monopolstellung, der wie der DOSB oder sein Vorgänger – der DSB – als Verteilungsstelle für staatliche Subventionen fungiert,108 in seiner Satzung109 das Ein-Platz-Prinzip verankert und bereits für ein bestimmtes Fachgebiet einen Sportverband als Mitglied aufgenommen, so ist der Konflikt mit etwaigen Konkurrenzverbänden desselben Fachgebiets vorprogrammiert. So war es auch im Fall des Rad- und Kraftfahrerbundes 103 Ausführlich zum Deutschen Sportschiedsgericht Mertens, SpuRt 2008, 140 ff. und 180 ff.; Bredow/Klich, CaS 2008, 45 ff.; Fritzweiler, SpuRt 2008, 175 f.; Martens, SchiedsVZ 2009, 99 ff. 104 Dies setzt indes eine hinreichende Klarheit der Schiedsvereinbarung voraus, vgl. LG Dortmund GRUR-RR 2009, 117 (118). 105 Vgl. beispielhaft § 34 Nr. 3 u. 4 DOSB-Satzung. Zur Frage der Unabhängigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Berlin 2005, S. 98 ff. sowie Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 (50). 106 Vgl. dazu insbesondere den Fall Pechstein, V. 5. 107 MüKo-Reuter, BGB, 7. Aufl. 2015, Vor § 21 Rdnr. 94 ff.; Leßmann, Die öffentlichen Aufgaben und Funktionen privatrechtlicher Wirtschaftsverbände, Köln u. a. 1976, S. 262 ff. 108 Dass die Verteilung der staatlichen Fördermittel maßgeblich vom DOSB beeinflusst wird, kritisiert der Bundesrechnungshof, vgl. SZ v. 20. 02. 2015, S. 27. 109 Siehe oben unter III. 2. c).

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Solidarität e. V. (RKB Solidarität), der der Leitentscheidung des XI. Zivilsenats des BGH110 vom 02. 12. 1974 zugrunde lag. Der DSB hatte die Aufnahme des RKB Solidarität111 unter Berufung auf das satzungsmäßige Ein-Platz-Prinzip abgelehnt, da der Radsport im DSB bereits durch den Bund Deutscher Radfahrer e. V. vertreten war. Der BGH entschied, dass satzungsmäßige Aufnahmebeschränkungen eines Monopolverbands gerichtlich überprüft werden können. Zur Überprüfung zog er eine an § 826 BGB sowie an Tatbestandsmerkmalen des § 20 Abs. 5 GWB (§ 27 GWB a. F.) angelehnte Formel heran, der zufolge die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten Behandlung und unbilligen Benachteiligung des Bewerbers führen dürfe. Maßgeblich sei eine umfassende Abwägung der Interessen des Monopolverbands und des Bewerbers. Der RKB Solidarität habe ein so erhebliches Interesse, an den Rechten und Vorteilen eines Mitglieds des DSB teilzuhaben, dass er unbillig benachteiligt werde, wenn diese ihm vorenthalten würden. Allerdings habe auch der DSB ein berechtigtes Interesse daran, dass – dem Zweck des Ein-Platz-Prinzips entsprechend – bereits innerhalb der Fachgebiete eine einheitliche Rangfolgenentscheidung über Fördermaßnahmen getroffen werde und er, der DSB, selbst nur noch überfachlich koordinieren müsse. Die Satzungsbestimmung des Ein-Platz-Prinzips sei deshalb grundsätzlich sachlich gerechtfertigt. Bei dieser Interessenkonstellation sah sich der BGH veranlasst, den Rechtsstreit zurückzuverweisen, damit mit den Parteien in der Tatsacheninstanz erörtert werden konnte, wie sowohl dem Ein-Platz-Prinzip als auch dem Gebot der Gleichbehandlung sportartgleicher und ähnlich bedeutender Verbände stärker Rechnung getragen werden könne.112 1977 wurde der RKB Solidarität dann als Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung113 außerordentliche Mitgliedsorganisation des DSB. Diese Rechtsprechung hat der BGH seitdem mehrfach bestätigt.114 Die übrige Rechtsprechung115 und das Schrifttum116 sind – was das praktische Ergebnis anbelangt – der RKB-Solidaritäts-Entscheidung des BGH gefolgt. Zur Begründung 110

BGHZ 63, 282 ff. = NJW 1975, 771 ff. Der in der Arbeitersportbewegung wurzelnde RKB Solidarität war vor 1933 der größte Radsportverband der Welt. Er wurde nach dem 2. Weltkrieg neu gegründet und bemühte sich seit 1964 um die Mitgliedschaft im DSB. 112 BGHZ 63, 282 (286, 291 ff.) = NJW 1975, 771 (774 f.). 113 Im Sinne von § 5 Nr. 1 DSB-Satzung (jetzt § 7 Nr. 1c) DOSB-Satzung i. V. m. § 4 Nr. 3 DOSB-Aufnahmeordnung). 114 Vgl. nur BGH NJW 1985, 1216; NJW-RR 1986, 583 f.; NJW 1999, 1326 ff. 115 OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 503 f.; OLG Stuttgart NZG 2001, 997 (998); OLG Frankfurt a.M. CaS 2009, 152 ff. mit krit. Anm. Heermann; OLG München SpuRt 2009, 251 ff.; LG Duisburg SpuRt 2011, 202 ff.; OLG München SpuRt 2014, 110 ff. 116 Nolte/Polzin, NZG 2001, 980; Friedrich, DStR 1994, 61 (65); zusammenfassend Vieweg, Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Baden-Baden 2005, S. 71 (73 ff.); Hauptmann/Theissen, SpuRt 2011, 181 ff. 111

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wird dabei – neben der vom BGH verwendeten Formel, die sich an § 826 BGB und § 20 Abs. 5 GWB (§ 20 Abs. 6 GWB a. F. bzw. § 27 GWB a. F.) anlehnt117 – teilweise direkt auf §§ 19 Abs. 1 u. 2 Nr. 1, 33 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a. F. bzw. §§ 26 Abs. 2, 35 GWB a. F.) verwiesen118, zum Teil wird die sog. Horizontalwirkung der Grundrechte als Grundlage des Aufnahmeanspruchs angesehen.119 Schließlich wird der Aufnahmeanspruch als gewohnheitsrechtliche Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgebotes begriffen120 oder im Wege einer Selbstbindung des Vereins durch Satzung121 begründet.

V. Internationalität Eine rein nationale Betrachtung des Phänomens Sport wird der Realität längst nicht mehr gerecht. Der sportliche Wettkampf lebt heute insbes. auch und gerade durch seine Internationalität. 1. Verhältnis von nationalen zu internationalen Verbänden Die Globalisierung des Sports122 hat dabei alle Bereiche des Sportbetriebs erfasst. Die wenigsten professionell ausgerichteten Sportarten sind heute noch auf die Grenzen eines Landes beschränkt. Sowohl auf Vereinsebene (z. B. Champions-League und Europa-League für den Fußballsport) als auch im Bereich von Nationalmannschaften und Einzelsportlern (etwa Olympische Spiele und Weltmeisterschaften) werden internationale Wettkämpfe als globale Sportereignisse veranstaltet. Zweckmäßigerweise muss auch bei internationalen Wettbewerben die Anwendung eines einheitlichen Regelwerks für alle Beteiligten gewährleistet sein. Zu diesem Zweck wird jeder globale Wettkampf von einem international agierenden Verband (z. B. FIFA) zentral organisiert und vermarktet. Die sich an einem solchen Ereignis betei117 Vgl. vor allem BGH NJW 1999, 1326 ff.; OLG Frankfurt WRP 1983, 35 (37); OLG Stuttgart NZG 2001, 997 (998); OLG Düsseldorf SpuRt 2007, 26 ff.; OLG München SpuRt 2009, 251 (251); 2014, 110 (111); MüKo-Reuter (Fn. 107), Vor § 21 Rdnr. 112. 118 LG Frankfurt, zit. von OLG Frankfurt, WRP 1983, 35 (37). 119 Nicklisch, JZ 1976, 105 (107 ff.); Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Köln, 12. Aufl. 2010, S. 196 Rn. 1070; in diese Richtung tendierend auch BGH NZG 1999, 217 ff. 120 O. Werner, Die Aufnahmepflicht privatrechtlicher Vereine und Verbände (unveröffentlichte Habilitationsschrift), Göttingen 1982, S. 606 ff.; Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen, Berlin 1985, S. 74 ff. 121 Grunewald, AcP 182 (1982), 181 (184). 122 So Adolphsen, Eine lex sportiva für den internationalen Sport?, in: Witt/Casper u. a. (Hrsg.), Die Privatisierung des Privatrechts, Jahrbuch der Gesellschaft junger Zivilrechtswissenschaftler, Heidelberg 2003, S. 281 (282 f.). Vgl. dazu ausführlich Heß, Voraussetzungen und Grenzen eines autonomen Sportrechts unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Spitzensports, in: Heß/Dressler (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen des Sports, Heidelberg 1999, S. 1, 39 ff.; Nafziger, International Sports Law (2nd Edition), Ardsley, N.Y., 2004; sowie insgesamt den Tagungsband Lex Sportiva, Vieweg (Hrsg.), Berlin 2015.

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ligenden Sportler und nationalen Verbände bzw. Vereine unterwerfen sich entweder durch entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen einheitlichen Regeln oder sie sind wegen des pyramidenförmigen Aufbaus des Sportverbandswesens durch Satzungskonstruktionen an die Regeln gebunden.123 Für den internationalen Profi-Fußball ergibt sich folgendes Bild: Mit dem DFB sind aktuell insgesamt 209 Nationalverbände unter dem Dach des Weltverbands FIFA zusammengeschlossen. Alle diese nationalen Verbände müssen zugleich Mitglied einer der sechs Konföderationen (Kontinentalverbände) der FIFA sein. Für den europäischen Bereich ist dies die UEFA. Die Mitgliedschaft in der FIFA bringt den Nationalverbänden einerseits lukrative Vorteile in Form von finanzieller und logistischer Unterstützung, andererseits bestehen aber auch weitreichende Verpflichtungen wie die Respektierung der Statuten, Ideale und Ziele der FIFA. Hauptaufgabe der FIFA ist die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaften. Der UEFA gehören insgesamt 54 europäische Nationalverbände an. Sie organisiert neben den Fußball-Europameisterschaften auch die Vereinswettbewerbe der Champions-League und der Europa-League. 2. Europarechtliche Vorgaben Das Europarecht124 hat maßgeblichen Einfluss auf den professionellen Sportbetrieb – sogar auf die Ausgestaltung der einzelnen Sportregelwerke. Im Mittelpunkt stehen dabei die Entscheidungen des EuGH125 zu sportrelevanten Fragestellungen, die sich inhaltlich insbesondere auf die Grundfreiheiten126 sowie die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften stützen. Dies wird deutlich im Fall der Langstreckenschwimmer Meca-Medina und Majcen. Diese waren während der Weltmeisterschaft 1999 positiv auf Nandrolon getestet und daraufhin vom Internationalen Schwimmverband FINA für vier Jahre gesperrt worden. Trotz späterer Reduzierung der Sperre auf zwei Jahre durch den CAS reichten die Sportler bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie die Unvereinbarkeit der sie betreffenden AntiDoping-Regelungen mit dem europäischen Wettbewerbsrecht und der Dienstleistungsfreiheit rügten. Sowohl die Kommission als auch das Europäische Gericht erster 123

Siehe dazu oben III. 2. c). Grundlegend zu den Auswirkungen auf den Sport Streinz, SpuRt 1998, 1 ff., 45 ff., 89 ff. Zum europäischen Sportmodell vgl. Osmann, SpuRt 1999, 228 ff. und SpuRt 2000, 58 ff. 125 Die erste Entscheidung des EuGH, die sich unmittelbar mit dem Sport befasste, war die Rechtssache Walrave und Koch, EuGH NJW 1975, 1093 f. In ihr stellte der Gerichtshof klar, dass die sportliche Betätigung (nur) insoweit dem Europarecht unterliegt, als sie zum Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EWGV gehört. Dies wurde bestätigt in EuGH SpuRt 1996, 59 ff. (Bosman) und EuGH SpuRt 2000, 151 ff. (Lehtonen). Die Autonomie des Sports in organisatorischen Bereichen wurde in der Rechtssache Deliège betont, EuGH NJW 2000, 2011 ff. 126 Dazu Kronberg, Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die Europäischen Grundfreiheiten, Berlin 2011. 124

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Instanz127 waren der Ansicht, dass die fraglichen Doping-Bestimmungen mangels wirtschaftlicher Relevanz nicht in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags (jetzt: AEUV) fielen. Doping-Verbote dienten allein sportlichen, nichtwirtschaftlichen Zwecken und unterlägen daher keiner Überprüfung durch die europäischen Gerichte. Dies sah der EuGH128 grundlegend anders. Anti-Doping-Regelungen und die darin angedrohten Sanktionen könnten durchaus negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben und daher den EU-Wettbewerbsregeln unterfallen. Im Ergebnis hatte die Klage allerdings dennoch keinen Erfolg, da jedenfalls die hier angegriffenen Bestimmungen nicht über das hinausgingen, was für die Organisation und den ordnungsgemäßen Ablauf sportlicher Wettbewerbe erforderlich sei. Mit dieser Rechtsprechung, die in der Rechtssache MOTOE129 bestätigt wurde, erkennt der EuGH zwar eine gewisse Sonderrolle des Sports an, nimmt ihn aber gleichwohl nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des EU-Rechts aus.130 Der Einfluss des EU-Primärrechts auf Verbandsregelungen zeigt sich eindrucksvoll anhand der Entwicklung der sog. Ausländerklauseln im Profifußball. Bis Mitte der 1990er Jahre sah das Lizenzspielerstatut des DFB vor, dass in einem Bundesligaspiel maximal nur drei Spieler ausländischer Herkunft zeitgleich eingesetzt werden durften. Ähnliche Regelungen waren national und international sehr verbreitet. Sie bezweckten vor allem die Förderung der inländischen Sportler. In dem aufsehenerregenden Bosman-Urteil entschied der EuGH131, dass eine derartige Klausel – betroffen war der belgische Fußballverband – nicht mit Art. 48 EWG-Vertrag (jetzt: Art. 45 AEUV, ex-Art. 39 EG) vereinbar ist. Daraufhin hob auch der DFB seine Regelung für EU-Ausländer zur Saison 1996/1997 auf. Für Nicht-EU-Ausländer blieb es dagegen noch bei einer zahlenmäßigen Beschränkung. Ein weiteres Urteil des EuGH vom 12. 04. 2005132 brachte jedoch schließlich auch derartige Klauseln zu Fall. Der russische Fußballprofi Simutenkov hatte gegen eine Regelung des spanischen Fußballverbands geklagt, nach der Nicht-EU-Ausländer nur begrenzt eingesetzt werden konnten. Der EuGH sah hierin einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, welches in einem zwischen der EU und Russland geschlossenen Partnerschaftsabkommen ausdrücklich enthalten sei. Die Unzulässigkeit der Ausländerklausel wurde damit auf die von einem Assoziierungsabkommen erfassten Nicht127

EuG SpuRt 2005, 20 ff. Vgl. dazu Schwarze/Hetzel, EuR 2005, 581 ff. EuGH SpuRt 2006, 195 ff. Das Urteil wird scharf kritisiert von Infantino, SpuRt 2007, 12 ff. Dieser Beitrag wiederum rief eine kritische Erwiderung von Pfister, SpuRt 2007, 58 f., hervor. 129 EuGH EuZW 2008, 605 (607). Vgl. dazu Mournianakis, WRP 2009, 562 ff. 130 Zur Anwendbarkeit des Unions-(Wettbewerbs-)Rechts auf Sportregeln vgl. auch das Weißbuch der EU-Kommission zum Sport (KOM [2007] 391 endg.). Hierzu instruktiv Stein, SpuRt 2008, 46 ff. 131 EuGH, Urt. v. 15. 12. 1995 – Rs. C-415/93, Slg. 1995 I-4921 ff. = NJW 1996, 505 ff.; die Literatur hat sich sehr intensiv mit diesem Urteil und seinen Folgen auseinander gesetzt. Vgl. statt vieler Arens, SpuRt 1996, 39 ff.; Streinz, SpuRt 1998, 1 (2 f.); Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), S. 6 (8 ff.). 132 EuGH EuZW 2005, 337 ff. (mit Anm. v. Fischer/Groß) = SpuRt 2005, 155 ff. 128

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EU-Ausländer ausgedehnt.133 Mittlerweile hat der deutsche Ligaverband reagiert und die Ausländerklausel zur Saison 2006/2007 komplett abgeschafft.134 Vor diesem europarechtlichen Hintergrund sind die immer wiederkehrenden Bestrebungen der FIFA, die Anzahl ausländischer Spieler etwa im Rahmen der sog. 6+5-Regel zu begrenzen, sehr kritisch zu sehen.135 In der Praxis häufig anzutreffen sind Verbandsregelungen, die für den Fall des Vereinswechsels eines Fußballspielers nach Abschluss seiner Ausbildung eine Entschädigung für den ausbildenden Verein vorsehen. Nach Auffassung der deutschen Rechtsprechung136 bedeutet eine derartige Klausel jedoch einen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG. Der EuGH137 sieht in ihr allerdings prinzipiell keinen Verstoß gegen Europarecht. Eine Ausbildungsentschädigung für Nachwuchsspieler sei grundsätzlich mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 45 AEUV vereinbar, da sie dem legitimen Zweck diene, die Ausbildung und Anwerbung der Nachwuchsfußballer zu fördern. Erforderlich sei aber, dass die Regelung geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zwecks zu gewährleisten, und nicht über das zu seiner Erreichung Erforderliche hinausgeht. Da die streitgegenständliche (französische) Klausel keine Ausbildungsentschädigung, sondern vielmehr eine von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängige Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzung enthielt, kam der EuGH zur Ungeeignetheit und Unverhältnismäßigkeit der konkreten Regelung. Unter Rückgriff auf die vom EuGH aufgestellten Grundsätze hat das OLG Bremen138 entschieden, dass eine im FIFA-Reglement für internationalen Spielerwechsel vorgesehene Ausbildungsentschädigung,139 die nicht nach den beim ausbildenden Verein angefallenen Kosten, sondern nach dem finanziellen Aufwand zu berechnen ist, den der neue Verein gehabt hätte, wenn er den Spieler selbst ausgebildet hätte. nicht mit dem Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV zu vereinbaren ist. 133 In gleicher Weise EuGH SpuRt 2009, 61 ff. Hier ging es um das Assoziierungsabkommen EWG–Türkei, dessen Wortlaut dem des Abkommens EWG–Russland sehr nahe kommt. 134 So der Beschluss des Ligaverbands in einer Sitzung am 21. 12. 2005. Um den heimischen Nachwuchs stärker zu fördern, beschloss die DFL überdies die Einführung der sog. „Local-Player-Regelung“ (§ 5a Lizenzordnung Spieler und § 53a DFB-Spielordnung). Danach muss jeder Verein mindestens zwölf deutsche Lizenzspieler und mindestens acht lokal (davon mindestens vier vom Verein selbst) ausgebildete Spieler unter Vertrag haben. 135 Siehe V. 5. Vgl. zur Zulässigkeit von Ausländerklauseln im Amateursport Streinz, SpuRt 2010, 231 ff. 136 BGH NJW 1999, 3552 ff.; OLG Bremen NJOZ 2009, 3892 ff.; OLG Oldenburg SpuRt 2005, 164 ff. 137 EuGH NJW 2010, 1733 ff. (C-325/08, Olympique Lyonnais SASP/Olivier Bernard, Newcastle UFC). 138 OLG Bremen SpuRt 2015, 74 ff. (SV Wilhelmshaven); zustimmend Meier, GaS 2015, 62 (67 f.); a. A. Orth/Stopper, SpuRt 2015, 51 (54 ff.). 139 Art. 20 i. V. m. Anhang 4 des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (RSTP).

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Große Bedeutung für die Sportwelt haben die Einnahmen aus der TV-Vermarktung. Daher verwundert das enorme Echo auf eine Entscheidung des EuGH140, die die gängige Praxis von Exklusivvereinbarungen hinsichtlich der Fernsehübertragungsrechte für Sportereignisse in Frage stellt, nicht.141 In der Vorabentscheidung im Fall Murphy stellt der EuGH fest, dass ein Vermarktungssystem für TV-Rechte, das auf der Vergabe exklusiver nationaler Rechtepakete beruht und mit dem Verbot verbunden ist, den Zugang zur eigenen Sendung auch im Ausland zu ermöglichen, einer Abschottung der nationalen Märkte gleichkommt. Dies widerspreche dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union. Neben den Entscheidungen des EuGH hat Art. 165 AEUV große Bedeutung für den Sport. Die Vorschrift wurde zum 01. 12. 2009 mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt und beinhaltet die erste rechtliche Grundlage des Sports in den europäischen Verträgen.142 Nach Art. 165 Abs. 1 AEUV trägt die Europäische Union zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion. Auf dieser Zuständigkeitsregelung basiert in zunehmendem Maße eine europäische Sportpolitik, die institutionalisierte Strukturen annimmt.143 3. Harmonisierungsbestrebungen Die Vielzahl nationaler und internationaler Wettkämpfe bringt es unter Umständen mit sich, dass die beteiligten Verbände und Sportler bei unterschiedlichen Sport140

EuGH SpuRt 2011, 245 ff. Vgl. nur Kuhn/Lentze, SpuRt 2011, 222 ff.; Kahlert, CaS 2011, 323 ff.; Poll, SpuRt 2012, 5 ff. Ebenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutsam ist die Entscheidung des EuGH im Fall Football Dataco, der zufolge Spielpläne von Fußballligen grundsätzlich keinen Urheberschutz genießen, EuGH SpuRt 2012, 104 ff. 142 Dazu instruktiv Eichel, Der Sport im Recht der Europäischen Union, Baden-Baden 2013; Muresan, CaS 2010, 99 ff.; Persch, NJW 2010, 1917 ff.; Brost, SpuRt 2010, 178 ff. 143 Bereits vor Einführung des Art. 165 AEUV hat die Europäische Kommission im Juli 2007 ein „Weißbuch Sport“ vorgelegt, das sich mit aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Sports befasste. In einem Aktionsplan wurden konkrete Vorschläge für künftige EU-Maßnahmen erläutert. Zum Weißbuch vgl. insbes. Stein, SpuRt 2008, 46 ff. Vor dem Hintergrund des mit Art. 165 AEUV verbundenen Kompetenzzuwachses der EU in der europäischen Sportpolitik veröffentlichte die Europäische Kommission am 18. 01. 2011 die „Mitteilung über die Entwicklung der europäischen Dimension des Sports“, die weitergehende EU-Initiativen im Bereich Sport für die Zeit bis 2014 beinhaltet. Der EUSportministerrat hat am 21. 05. 2014 für den Zeitraum bis 2017 einen neuen Arbeitsplan für den Sport aufgestellt, der weitere Maßnahmen für die EU-Sportpolitik enthält. Das Weißbuch sowie die dazugehörigen Arbeitspapiere stehen unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/ DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52007DC0391&from=EN, die Mitteilung unter http://eur-lex.eu ropa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0012:FIN:DE:PDF und der Arbeitsplan unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:42014Y0614%2803% 29&from=DE zum Download bereit. Bemerkenswert erscheint auch die Beteiligung der Europäischen Union an der Überarbeitung des WADA-Codes 2015, siehe Fn. 273. 141

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veranstaltungen teilweise divergierenden Regelwerken unterliegen. Dies kann in höchstem Maße unbefriedigend sein.144 So ist es etwa im Bereich sportrechtlicher Sanktionen kaum vermittelbar, bei gleichen Vergehen auf nationaler und internationaler Ebene ein völlig unterschiedliches Strafmaß anzulegen. Das Recht auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit muss jedenfalls innerhalb einer Sportart gewährleistet sein. Anderenfalls verlöre der Sport an Glaubwürdigkeit; Sportler würden geradezu herausgefordert, die gegen sie verhängten Sanktionen als willkürlich zu hinterfragen und abzulehnen. Mit der Internationalisierung gehen deswegen Harmonisierungsbestrebungen einher. Diese verdichten sich unter anderem in der Frage, ob eine einheitliche für den gesamten Sportbereich geltende lex sportiva existiert bzw. geschaffen werden kann.145 In diesem Bereich liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Von der verbindlichen Geltung einer lex sportiva auszugehen, wäre daher noch verfrüht. Im Anti-Doping-Kampf hat sich nach jahrelangen Bemühungen146 ein Harmonisierungsschub durch die Errichtung der World Anti-Doping Agency (WADA) und die Verabschiedung des WADA-Codes147 ergeben. Zentrale Harmonisierungselemente sind das Doping-Kontrollverfahren, die Analysemethoden, die Sanktionierung und die Rechtsschutzmöglichkeiten. Der Harmonisierungsprozess ist noch längst nicht abgeschlossen, erscheint aber umso dringlicher, seitdem in einigen Staaten wie Frankreich oder Italien Doping auch strafrechtlich verfolgt wird. Damit drohen dem einzelnen Sportler je nach Staatsangehörigkeit oder Ort des Wettkampfs neben Verbandsstrafen auch staatliche Geld- oder sogar Haftstrafen. Auch in Deutschland wird seit langer Zeit intensiv über die Einführung eines Straftatbestands des Sportbetrugs diskutiert.148 Während man es lange Zeit bei einer Verschärfung des 144 Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 (19); Schleiter, Globalisierung im Sport, Stuttgart 2009, S. 45 ff., spricht insoweit vom Regelungsdefizit des internationalen Sports. 145 Dazu Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 ff. sowie der gesamte Tagungsband Vieweg (Hrsg.), Lex Sportiva; Adolphsen (Fn. 122), S. 281 ff.; Vieweg (Fn. 96), S. 1255 (1271 f.); Oschütz (Fn. 105), S. 359 ff.; Schleiter (Fn. 144), S. 76 ff.; Röthel, JZ 2007, 755 ff. 146 Exemplarisch Vieweg/Siekmann (Fn. 20). 147 Siehe VIII. Ausführlich Kern, Internationale Dopingbekämpfung, Hamburg 2007, S. 221 ff. Seit dem 01. 01. 2015 gilt der überarbeitete WADA-Code 2015. Das IOC hatte aber bspw. für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 ein eigenes Anti-Doping-Regelwerk herausgegeben, vgl. dazu Krähe, SpuRt 2013, 234 ff. 148 Zur Diskussion Zuck, NJW 2014, 276 ff.; Jahn, SpuRt 2013, 90 ff.; ders., ZIS 2006, 57 ff.; ders., SpuRt 2005, 141 ff.; Prokop, SpuRt 2012, 239; ders., SpuRt 2006, 192 f.; Kudlich, SpuRt 2010, 108 f.; ders., JA 2007, 90 ff.; Wegman, CaS 2010, 242 ff.; König, SpuRt 2010, 106 f.; Greco, GA 2010, 622 ff.; Beukelmann, NJW-Spezial 2010, 56 f.; Vieweg, SpuRt 2004, (194 ff.); Leipold, NJW-Spezial 2006, 423 f.; Heger, SpuRt 2007, 153 ff.; ders., JA 2003, 76 ff., Fritzweiler, SpuRt 1998, 234 f. Vgl. auch den Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping (ReSpoDo) zu möglichen gesetzlichen Initiativen für eine konsequentere Verhinderung, Verfolgung und Ahndung des Dopings im Sport, Frankfurt/ M., den 15. 06. 2005 (Eine Zusammenfassung des Abschlussberichts findet sich unter http:// www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/downloads/dosb/endfassung_abschlussbericht.pdf und bei Hauptmann, SpuRt 2005, 198 ff., 239 ff.).

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geltenden Arzneimittelgesetzes (AMG) beließ, hat die Bundesregierung inzwischen den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport vorgelegt.149 Ein Beispiel aus dem Radsport150 belegt die Problematik der Rechtszersplitterung. Der deutsche Radprofi Danilo Hondo wurde vom Internationalen Sportschiedsgericht CAS wegen Dopings mit einer zweijährigen Sperre belegt. Die spezielle Gesetzeslage in der Schweiz, wo Hondo seinen ständigen Wohnsitz hat, erlaubte es dem eigentlich für die Revision von CAS-Urteilen unzuständigen örtlichen Kantonsgericht, das Urteil des Sportgerichts zu überprüfen. Dies war allein deshalb möglich, weil sich sowohl der Sitz des Internationalen Radsportverbands UCI als auch der Sitz der Welt-Anti-Doping-Agentur in der Schweiz befinden. Damit handelte es sich bei dem Doping-Verfahren um eine rein nationale Auseinandersetzung, sodass statt des Bundesgerichts das örtliche Kantonsgericht für das Rechtsmittel gegen die CAS-Entscheidung zuständig war. Das Kantonsgericht hob das Urteil des CAS zunächst im Wege einer einstweiligen Verfügung auf, da es Zweifel an der Zulässigkeit des Strict-liability-Grundsatzes hatte.151 Diese Entscheidung schien die gesamte Dopingbekämpfung zu gefährden. In der Hauptsache hat das Kantonsgericht die Dopingsperre dann allerdings doch bestätigt. Schließlich hat das Bundesgericht den Einspruch des Radfahrers in letzter Instanz zurückgewiesen.152 Auch die Handhabung des weltweit immer wieder herangezogenen Fair-PlayGrundsatzes verlangt zunehmend nach internationaler Vereinheitlichung. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Fairness existiert bislang nicht.153 Nach der Internationalen Fair-Play-Charta versteht man unter Fair Play „nicht nur das Einhalten der Spielregeln, Fair Play umschreibt vielmehr eine Haltung des Sportlers: den Respekt vor dem sportlichen Gegner und die Wahrung seiner physischen und psychischen Unversehrtheit. Fair verhält sich derjenige Sportler, der vom anderen her denkt.“154 Dieser Ansatz dürfte allerdings insoweit zu kurz greifen, als er lediglich

149

Dazu noch unter VIII. 4. FAZ v. 22. 03. 2006, S. 34. 151 FAZ v. 22. 03. 2006, S. 34. 152 Schweizer Bundesgericht, Entscheid vom 10. 01. 2007 – 4P.148/2006; FAZ v. 16. 01. 2007, S. 30. 153 Zu den einzelnen Definitionsbemühungen vgl. nur Vieweg/Staschik, SpuRt 2013, 227 (229 f.); Vieweg (Fn. 96), S. 1255 (1266 ff.); P. J. Tettinger, Fairneß als Rechtsbegriff im deutschen Recht, in: Scheffen (Hrsg.), Sport, Recht und Ethik, Stuttgart u. a. 1998, S. 33 ff.; Morgenroth ZStV 2014, 129 (130 f.) und ZStV 2013, 132 (133 ff.); allgemein zum Begriff der Fairness H. P. Westermann, Fairness als Rechtsbegriff, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Fairness-Gebot, Sportregeln und Rechtsnormen, Stuttgart 2004, S. 79 (81 ff.); Lenk, Wenn nur der Sieg zählt, http://www.fairness-stiftung.de/pdf/Lenk.pdf; Lenk/Pilz, Das Prinzip Fairness, Osnabrück, Zürich 1989, passim. 154 Siehe dazu http://sport.freepage.de/cgi-bin/feets/freepage_ext/41030x030 A/rewrite/ lksport/fairaggzit.html. Der Konstanzer Arbeitskreis für Sportrecht (nun: Deutsche Vereinigung für Sportrecht) hat bereits im Jahr 1998 die „Karlsruher Erklärung zum Fair Play“ veröffentlicht, die sich nicht nur auf die Darstellung hehrer Prinzipien beschränkt, sondern 150

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das Verhalten der Sportler untereinander erfasst. Das Fairness-Prinzip gilt darüber hinaus auch außerhalb des Spielfeldes und zwischen den sonstigen Sportakteuren.155 In horizontaler Richtung ist er bspw. auch auf das Verhältnis zwischen den Vereinen anwendbar.156 Der Fair-Play-Gedanke kann darüber hinaus ebenfalls in vertikaler Richtung, d. h. zwischen dem einzelnen Sportler bzw. Verein und den übergeordneten Verbänden und auch zwischen Sportler und Zuschauer157 Geltung beanspruchen. Auch Regelwerke, Wettkampfbedingungen und Zulassungsvoraussetzungen dürfen nicht willkürlich festgesetzt werden und müssen sich am Grundsatz der Chancengleichheit messen lassen. Zu berücksichtigen ist, dass nicht jeder Regelverstoß uneingeschränkt als unfaires Verhalten eingestuft werden kann. Verstöße gegen reine Ordnungsregeln, die nicht dem Schutz anderer dienen (wie etwa das Verbot im Fußballsport, sich nach einem Torerfolg das Trikot auszuziehen), dürften wohl nicht als Missachtung des Fair-Play-Ethos anzusehen sein. Zur Begründung der verbindlichen Geltung des Fairness-Prinzips werden unterschiedliche Rechtsgrundlagen herangezogen.158 Neben Art. 6 EMRK159 wird teilweise auch aus der Generalklausel des § 242 BGB160 ein allgemeiner Fairness-Gedanke abgeleitet. Eine Selbstbindung der Verbände und aller an deren Regelwerk Gebundenen kann weiterhin über eine Aufnahme des Fair-Play-Grundsatzes in die Satzungen und sonstigen Regelungen der Sportverbände erreicht werden.161 Denkbar wäre es schließlich, Fairness als private, transnationale Rechtsregel einer sog. lex sportiva zu qualifizieren.162

sich mit konkreten, wohlformulierten Forderungen an alle am Sport Beteiligten richtet. Konstanzer Arbeitskreis für Sportrecht e. V., Karlsruher Erklärung zum Fair Play, o. J. (1998). 155 Vieweg/Staschik, SpuRt 2013, 227 (232). 156 Das von der UEFA eingeführte Financial Fairplay (siehe V. 4.) soll bspw. zur Wahrung des Wettbewerbscharakters Fairness in finanzieller Hinsicht zwischen den Vereinen herstellen. 157 Evident verletzt wurde der Fairplay-Gedanke bspw. durch den berühmten „Stinkefinger“ von Stefan Effenberg bei der Fußball-WM 1994. Daraufhin wurde er vom damaligen Bundestrainer Berti Vogts vom Turnier ausgeschlossen. Einen eklatanten Fairplay-Verstoß beging auch der Wolfsburger Fußballprofi de Bruyne, der einen Balljungen mit den Worten „Give me the ball, Motherfucker!“ beschimpfte, SZ v. 16. 03. 2015, S. 33. 158 Vgl. im Einzelnen Vieweg/Staschik, SpuRt 2013, 227 (230 f.). 159 Allgemein zur Bedeutung im Sport Soek, Die prozessualen Garantien des Athleten in einem Dopingverfahren, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, Stuttgart 2000, S. 35 ff. 160 BGHZ 87, 337 (344); dazu Vieweg, JZ 1984, 167 ff; BGHZ 102, 265 (276); 105, 306 (316 ff.); 128, 93 ff.; dazu Vieweg, SpuRt 1995, 97 ff.; vgl. auch Röhricht, AcP 189 (1989), 386 (391). 161 So etwa in Nr. 4 der Fundamental Principles of Olympism der Olympic Charter; näher zu einer früheren Version Vieweg (Fn. 96), S. 1255 (1271). 162 Ausführlich hierzu Vieweg/Staschik, SpuRt 2013, 227 (231 ff.).

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4. Praxisfälle Einige in Praxis und Wissenschaft kontrovers diskutierte Problemfelder mit europarechtlichem Hintergrund seien an dieser Stelle noch erwähnt.163 Neben der „50+1“- und der „6+5“-Regelung, die beide bereits seit längerem in der Diskussion stehen, werfen das Financial Fair Play der UEFA und das Verbot sog. Third-party Ownerships europarechtliche Fragestellungen auf. Heftig umstritten ist seit einiger Zeit die sog. „50+1“-Regelung der DFL, die ihre rechtliche Grundlage in § 8 Nr. 3 der Satzung des Ligaverbands und § 16 c) Nr. 2 der DFB-Satzung hat. Danach erhalten die auf juristische Personen ausgegliederten Lizenzspielerabteilungen der Vereine der 1. und 2. Fußball-Bundesliga nur dann die für die Teilnahme am Spielbetrieb erforderliche Lizenz, wenn der Verein im Besitz von mindestens 50 % zusätzlich einem der Stimmanteile der juristischen Person ist.164 Zweck der Regelung ist es, den gemeinnützigen Vereinen den entscheidenden Einfluss auf die Entscheidungen zu sichern. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Regelung, die es außenstehenden Investoren unmöglich macht, die Mehrheit an einem deutschen Fußballverein zu übernehmen, ist in Bezug auf europäisches Recht (und auch auf deutsches Recht) höchst umstritten.165 Die Befürworter166 der „50+1“-Regelung stellen auf die Satzungsautonomie der Sportverbände ab. Diese ermögliche eine sportpolitische Grundentscheidung, den Profifußball nicht zum „Spielball der Investoren“ werden zu lassen. Dem widersprechen die Gegner der „50+1“-Regelung vehement. Sie sehen in ihr eine klare Wettbewerbsbehinderung.167 Sie stehen auf dem Standpunkt, die Regelung sei in ihrer jetzigen Fassung nicht verhältnismäßig, da sie von vornherein und ausnahmslos jeden Investor an dem Erwerb einer isolierten Mehrheitsbeteiligung hindere. Sie verstoße daher gegen den europäi163

In der Diskussion stehen darüber hinaus die europarechtliche Zulässigkeit von Abstellpflichten der Vereine gegenüber den Sportverbänden (dazu Fröhlich/Strauf, SpuRt 2011, 102 ff.). 164 Alternativ kann der beherrschende Einfluss des Vereins auf andere Weise sichergestellt werden, vgl. dazu die Regelungen im Einzelnen. 165 Dazu Schaefer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, Berlin 2015, S. 135 ff.; Ouart, SpuRt 2010, 54 ff.; ders., WRP 2010, 85 ff.; Verse, CaS 2010, 28 ff.; Deutscher, SpuRt 2009, 97 ff.; Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 ff.; Stopper, WRP 2009, 413 ff.; Klees, EuZW 2008, 391 ff.; Lammert, SpuRt 2008, 137 ff.; Summerer, SpuRt 2008, 234 ff.; Heermann, CaS 2007, 426 ff. 166 Schaefer (Fn. 165), S. 135 ff.; Summerer, SpuRt 2008, 234 ff.; Verse, CaS 2010, 28 ff. Darüber hinaus wird teilweise eine Abschaffung der „50+1“-Regelung sogar für rechtswidrig gehalten und die Existenz eines gerichtlich durchsetzbaren Anspruchs auf Beibehaltung des status quo befürwortet, Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 ff. 167 Deutscher, SpuRt 2009, 97 ff.; Stopper, WRP 2009, 413 ff.; Klees, EuZW 2008, 391 ff.; Ouart, WRP 2010, 85 ff.; Heermann, CaS 2007, 426 ff. Problematisch ist zudem die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit, vgl. dazu Kronberg, Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeeinträchtigungen durch Regelungen von Sportverbänden – Dargestellt am Beispiel der 50+1-Regel, in: Vieweg (Hrsg.), Akzente des Sportrechts, Berlin 2012, S. 269 ff.

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schen Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit (Art. 101 AEUV). Auf Klage des Bundesligavereins Hannover 96168 entschied das Ständige Schiedsgericht der DFL am 25. 08. 2011169, dass die „50+1“-Regelung bei summarischer Prüfung mit Unionsrecht vereinbar sei und bestätigte die Regelung damit im Kern. Allerdings verstoße es gegen den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit die Ausnahme, die für die beiden Bundesligavereine Bayer 04 Leverkusen mit dem Investor Bayer AG und VFL Wolfsburg AG mit dem Investor Volkswagen gemacht werde, auf andere Vereine keine Anwendung fände. Die „Lex Leverkusen und Wolfsburg“ wurde daher auf alle Vereine ausgeweitet. Damit erhalten zukünftig alle Bundesligisten die Möglichkeit, Investoren oder Mäzenen, die seit mehr als 20 Jahren im Verein aktiv sind, die Kapitalmehrheit und Stimmenmehrheit an der Fußball-Kapitalgesellschaft zu übertragen.170 Damit hat die Diskussion ein – wohl vorläufiges171 – Ende gefunden. Ähnlich kontrovers diskutiert wird die europarechtliche Zulässigkeit der von der FIFA angestrebten sog. „6+5“-Regel, nach der jeder Fußballverein ein Spiel mit mindestens sechs Spielern beginnen muss, die für die Nationalmannschaft des Landes, in dem der betreffende Club seinen Sitz hat, spielberechtigt sind. Nur fünf Spieler in der Startaufstellung müssen diese Voraussetzung nicht erfüllen. Sowohl die Europäische Kommission172 als auch große Teile der juristischen Literatur173 äußern durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die „6+5“-Regel im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG). Die FIFA wollte die Regel nichtsdestotrotz – und gestützt durch vereinzelte Literaturstimmen174 – so bald wie möglich realisieren und zur Saison 2012/13 einführen.175 Inzwischen 168 Ein vorangegangen Antrag auf Abschaffung der „50+1“-Regelung wurde auf der Mitgliederversammlung der DFL am 10. 11. 2009 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt (HB v. 11. 11. 2009, S. 30). 169 DFL-Schiedsgericht SpuRt 2011, 259 ff. mit Anm. Heermann, CaS 2011, 339 ff. 170 Vgl. die entsprechenden Ausnahmeregelungen in § 8 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung des Ligaverbands und § 16 c) Nr. 2 der DFB-Satzung. Diese Ausnahmeregelung wurde bisher von Dietmar Hopp in Anspruch genommen, der nunmehr die Mehrheitsanteile an der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH übernimmt, FAZ v. 11. 02. 2015, S. 28. Zudem plant Martin Kind eine Übernahme der Mehrheitsanteile an der ausgegliederten Profiabteilung von Hannover 96, vgl. FAS v. 15. 03. 2015, S. 16. 171 Kritisch wird auch die Möglichkeit der Umgehung der 50+1-Regel gesehen, indem der am Spielbetrieb teilnehmende Verein (konkret: RB Leipzig) durch entsprechende Satzungsanforderungen ausschließlich Mitglieder hat, die mit dem Investor verbunden sind, vgl. FAS v. 11. 05. 2014, S. 15; Lammert, SpuRt 2014, 98 ff.; Schacherbauer, SpuRt 2014, 143 ff. 172 Vgl. FAZ v. 31. 05. 2008, S. 30. 173 Streinz, SpuRt 2008, 224 ff.; Resch, ZESAR 2007, 354 ff.; Hoppe/Frohn, CaS 2008, 251 ff. 174 Etwa Battis/Ingold/Kuhnert, EuR 2010, 33 ff. sowie zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit europäischem Gemeinschaftsrecht das Rechtsgutachten der INEA, abrufbar unter http:// www.rechthaber.com/wp-content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_ 2008.pdf. 175 Vgl. FAZ v. 05. 06. 2009, S. 29.

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nahm sie allerdings aufgrund der europarechtlichen Bedenken von diesem Vorhaben wieder Abstand. Die UEFA hat sich dagegen mittlerweile für die sog. HomegrownRegel entschieden, nach der in jedem Verein, der an der Champions League oder der Europa League teilnimmt, acht Spieler mindestens drei Jahre im Heimatland des Clubs im Alter von 15 bis 21 Jahren trainiert haben müssen.176 Da diese Regelung nicht an die Staatsangehörigkeit der Spieler anknüpft, hält sie die Europäische Kommission für mit dem Europarecht vereinbar.177 Eine vergleichbare Regelung findet sich in den Regelwerken des DFB.178 Umstritten ist auch die Vereinbarkeit der Regelungen der UEFA zum Financial Fair Play (FFP) mit dem Europarecht.179 Diese könnten sowohl mit den Grundfreiheiten als auch dem europäischen Kartellrecht kollidieren.180 Problematisch erscheint vor allem die sog. Break-even-Regelung, der zufolge die Klubs letztlich eine (weitgehende) Kostendeckung erreichen sollen.181 Die fußballbezogenen Ausgaben der Vereine sollen von den aus dem operativen Fußballgeschäft resultierenden Einnahmen gedeckt werden. Nicht berücksichtigt werden dabei Zuwendungen von sog. verbundenen Parteien – etwa von Investoren –, die einem objektiven Drittvergleich nicht standhalten.182 So soll verhindert werden, dass Investoren den Vereinen ohne Gegenleistung beträchtliche Finanzmittel zur Verfügung stellen. Hierdurch werden die wirtschaftlichen Interessen der Investoren und der Vereine beeinträchtigt. Allerdings erscheint eine Rechtfertigung der damit einhergehenden Wettbewerbsbeschränkungen möglich, da die UEFA das legitime Ziel verfolgt, finanzielle Stabilität innerhalb und zwischen den europäischen Fußballligen herzustellen.183

176 Im Einzelnen Art. 18 Reglement UEFA Champions League und Art. 18 Reglement UEFA Europa League. 177 Vgl. die Meldung in EuZW 2008, 421. Ebenso Streinz, SpuRt 2008, 224 (228). 178 § 53a DFB-Spielordnung, § 5a Lizenzordnung Spieler (LOS). 179 Diese finden sich in Art. 53 ff. UEFA-Reglement zur Klublizenzierung und zum finanziellen Fairplay. Vgl. allgemein zum FFP Galli, SpuRt 2010, 182 ff.; Stopper, SpuRt 2013, 2 ff.; Heermann, CaS 2013, 131 ff. 180 Vgl. im Einzelnen Hirsbrunner/Schnitzler, EuZW 2014, 567 ff.; Stopper, SpuRt 2013, 2 (5 ff.); Heermann, CaS 2013, 263 ff. 181 Art. 58 ff. UEFA-Reglement zur Klublizenzierung und zum finanziellen Fairplay. Rechtlichen Bedenken sehen sich auch die Monitoring-Vorschriften (Art. 64 ff.) ausgesetzt, vgl. Heermann, CaS 2013, 263. Dort ist geregelt, dass die Vereine keine überfälligen Verbindlichkeiten gegenüber anderen Klubs, Arbeitnehmern oder Sozialversicherungsträgern sowie Steuerbehörden entstehen lassen dürfen und dass sie der UEFA bestimmte Finanzinformationen zur Verfügung stellen müssen. 182 Vgl. zu ersten Erfahrungen mit dieser Bestimmung Heermann, CaS 2015, 3 ff. 183 Vgl. Heermann, CaS 2013, 263 (269 ff.); kritischer hingegen Stopper, SpuRt 2013, 2 (5 ff.), der die Einführung eines Salary caps als angemesseneres Mittel ansieht.

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Kontrovers diskutiert wird schließlich das Verbot von TPO-Gestaltungen184 durch die FIFA.185 Danach ist die Beteiligung Dritter an Transferrechten an Fußballspielern untersagt.186 Betroffen sind sowohl Beteiligungen zu Kreditsicherungszwecken (sog. Finanzierungs-TPOs) als auch solche, die eine Gegenleistung für die Finanzierung einzelner Spielerverpflichtungen durch Investoren darstellen (sog. InvestmentTPOs).187 Das Verbot zielt auf die Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität und Wettbewerbsstabilität sowie der Unabhängigkeit der Fußballklubs ab. Die Befürworter rekurrieren in diesem Zusammenhang vor allem auf die Gefahren der Wettmanipulation durch Transferrechteinhaber, der Einflussnahme profitorientierter Investoren auf die (Transfer-)Politik der Fußballklubs sowie des Abflusses von Geld aus dem Fußballsektor.188 Die Gegner halten das TPO-Verbot weder mit den Grundfreiheiten189 noch mit dem europäischen Kartellrecht für vereinbar.190 In diesem Zusammenhang werden Verstöße gegen Art. 101, 102 AEUV diskutiert.191 Das Verbot wirkt sich primär auf dem Markt für Drittinvestitionen in Transferrechte aus, auf dem die Angebotstätigkeit der Fußballklubs vollständig unterbunden und in der Folge die wirtschaftliche Betätigung durch Drittinvestoren ausgeschlossen wird.192 Diese Wettbewerbsbeschränkung wird von den Gegnern als nicht gerechtfertigt angesehen, da es zum Teil bereits an der Geeignetheit des TPO-Verbots zur Zielerrei184 Sog. Third-party ownerships. Hierzu Egger, Third-party ownership of players’ economic rights und Kartellrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Inspirationen des Sportrechts, Berlin 2016, S. 307 ff. 185 Das mit Wirkung zum 01. 05. 2015 in Kraft getretene Verbot ist in Art. 18ter der FIFA Regulations on the Status and Transfer of Players verankert und von den nationalen Verbänden umzusetzen. Bereits seit der Saison 2008/2009 sind in England einzelne TPO-Gestaltungen untersagt (vgl. die Premier League Rules U 39 – 40 und die Third Party Interest in Players Regulations). Restriktive Bestimmungen wurden auch in Frankreich und Polen getroffen; eingehend Bahners/Konermann, KSzW 2013, 224 (225 f.). 186 Rechtsdogmatisch ist die Beteiligung als antizipierte Abtretung eines Entschädigungsanspruchs zu qualifizieren (§§ 398 ff. BGB), der seine Grundlage darin findet, dass Fußballklubs einer vorzeitigen Auflösung der befristeten Arbeitsverträge zustimmen müssen (§ 15 Abs. 3 TzBfG); vgl. Bahners/Konermann, KSzW 2013, 224 (225) und Menke, SpuRt 2013, 67 (68) – Anm. zu öOHG, Beschl. v. 29. 11. 2012 – 2 Ob 157/12w. 187 Der umfassende Regelungswortlaut sowie die Zielsetzung der FIFA, sämtliche TPOGestaltungen zu verbieten, lassen eine Beschränkung auf Investment-TPOs nicht zu; zweifelnd hingegen Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (11) sowie Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (60). 188 Zu den Zielsetzungen: KEA/CDES-Studie, The Economic and Legal Aspects of Transfers of Players, S. 64 ff., 91, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/library/documents/ cons-study-transfers-final-rpt.pdf sowie Heermann, CaS 2013, 21 (22 ff.). 189 Primär wird die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) genannt, eingehend Heermann, CaS 2013, 21 (27) und Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (14 f.). 190 Bspw. Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (12 ff.) und Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (60). 191 Die folgenden Ausführungen beschränken sich gleichwohl auf einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV, da insoweit ein weitgehender Gleichlauf mit dem Verstoß gegen das Missbrauchsverbot besteht, vgl. Heermann, CaS 2013, 21 (29). 192 Hierin liegt eine Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101 AEUV), die wegen der Monopolstellung der Fußballklubs auch spürbar ist.

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chung fehle. Weiterhin gingen von Finanzierungs-TPOs keine der genannten Gefahren aus, mithin sei das Totalverbot nicht erforderlich. Schließlich spreche für die Unverhältnismäßigkeit, dass die wettbewerbsrechtlichen Nachteile sehr schwer wögen und die behaupteten Vorteile für den Sport größtenteils nicht mit belastbaren Daten unterlegt seien.193 5. Internationale Schiedsgerichte – der Court of Arbitration for Sport (CAS) Der 1984 gegründete CAS194 soll insbes. aktuelle und sachkundige Entscheidungen ermöglichen und die staatlich-gerichtliche Kontrolle zurückdrängen.195 Das von internationalen Verbänden (u. a. der FIFA) gesetzte Regelwerk vermag die staatliche Gerichtsbarkeit nämlich nicht vollends auszuschließen. Vielmehr steht nach Erschöpfung der verbandsinternen Kontrollmöglichkeiten dem Betroffenen grundsätzlich der Weg zu den nationalen ordentlichen Gerichten offen. Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich dabei nach allgemeinen Merkmalen wie der Nationalität des Sportlers oder dessen Wohnsitz. Die staatlichen Gerichte wenden dann das jeweils nach dem IPR einschlägige materielle Recht an. Da bei gleichen Sachverhalten je nach einschlägigem materiellen Recht unterschiedliche Ergebnisse die Folge sein können, birgt die Globalisierung des Sports die Gefahr einer Rechtszersplitterung.196 Wünschenswert im Sinne der Chancengleichheit ist insofern eine einheitliche internationale Gerichtszuständigkeit.197 Als Lösung bietet sich die Errichtung internationaler Schiedsgerichte an.198 Denn dies ermöglicht den Parteien nach §§ 1025 ff. ZPO199 bzw. Art. 192 IPRG200, im Rahmen der Schiedsvereinbarung eine Anfechtung der Schiedsentscheide vor staatlichen Gerichten vollständig auszuschließen. Eine entsprechende Klage müsste dann in aller Regel als unzulässig abgewiesen werden. 193 Das Tribunal de première instance de Bruxelles, v. 27. 07. 2015, n 15/67/C hat demgegenüber die fehlende Erforderlichkeit und die Unverhältnismäßigkeit als nicht hinreichend wahrscheinlich angesehen, vgl. die Besprechung von Duval, EU Law is not enough: Why FIFA’s TPO ban survived its first challenge before the Brussels Court, abrufbar unter http:// www.asser.nl/SportsLaw/Blog/post/eu-law-is-not-enough-why-fifa-s-tpo-ban-survived-beforethe-brussels-court1#continue. 194 Die französische Bezeichnung lautet Tribunal Arbitral du Sport (TAS). 195 Eingehend Netzle, Das internationale Sport-Schiedsgericht in Lausanne, in: Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart u. a. 1997, 9 ff., sowie Monheim (Fn. 100), S. 381 ff., Oschütz (Fn. 105), S. 43 ff. und Wittmann, Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber Schiedssprüchen des CAS, in: Vieweg (Hrsg.), Inspirationen des Sportrechts (in Vorbereitung) zur Zusammensetzung, der Zuständigkeit und dem Verfahren des CAS. 196 Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 (18 f.). 197 Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170); Weller, JuS 2006, 497 (499). 198 Ausführlich hierzu Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 ff. 199 Dazu bereits oben IV. 2. 200 Häufig sind Schweizer Gerichte für internationale Sportrechtsstreitigkeiten zuständig, weswegen die Schweizer Rechtslage von besonderem Interesse ist.

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Wie viele andere internationale Sportverbände hat auch die FIFA in ihren Statuten201 festgelegt, dass letztinstanzliche Entscheidungen allein vor dem CAS überprüft werden können. Der CAS wurde ursprünglich vom IOC gegründet, wird aber mittlerweile von der überwiegenden Auffassung als von ihm so unabhängig angesehen, dass man von einem echten Schiedsgericht sprechen kann.202 Zu den besonders hervorzuhebenden Schiedssprüchen des CAS gehören die Entscheidungen Webster203 und Matuzalem204, in denen er sich mit der Frage der Schadensersatzbemessung bei Vertragsbrüchen durch Profisportler auseinandersetzen musste. Die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit für die sportrechtliche Streitbeilegung hängt in erster Linie davon ab, inwieweit die Schiedssprüche von Seiten der staatlichen Gerichte akzeptiert werden.205 Der Prüfungsumfang der staatlichen Gerichtsbarkeit ist dabei sehr weit zurückgenommen. Im Wesentlichen beschränkt er sich darauf, dass eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt (dies bereitet insbesondere unter dem Gesichtspunkt Schwierigkeiten, dass die Sportler faktisch dazu gezwungen sind, entsprechende Klauseln zu akzeptieren), dass bestimmte verfahrensrechtliche Grundanforderungen erfüllt werden und dass der Schiedsspruch nicht gegen den ordre public verstößt.206 Die Letztentscheidungszuständigkeit des CAS ist erstmals durch ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 22. 03. 2007207 erheblich ins Wanken geraten. Erstmals wurde ein Entscheid des CAS durch ein staatliches Gericht aufgehoben. Der CAS hatte den argentinischen Tennisprofi Guillermo Cañas wegen eines Dopingvergehens für 15 Monate gesperrt. Trotz eines im Reglement der Association of Tennis Professionals (ATP) vorgesehenen Ausschlusses des Rekurses gegen Schiedssprüche des CAS rief der Sportler das Schweizer Bundesgericht an. Dieses erachtete die auf Art. 192 IPRG gestützte Verzichtserklärung bei Sportschiedsverfahren als unwirksam und hielt die Klage daher für zulässig. Anders als Vertragspartner im gewöhnlichen Geschäftsleben stünden sich Sportler und Verband nicht horizontal, sondern vertikal gegenüber. Der Sportler habe allein die Wahl zwischen der Anerkennung der 201

Art. 66 ff. FIFA-Statuten. Schweizer Bundesgericht, BGE 129 II, 271; Oschütz (Fn. 105), S. 130. Ein ähnliches Problem stellt sich im Verhältnis zur FIFA, da auch diese den CAS finanziell unterstützt. 203 CAS SpuRt 2008, 114 ff. Dazu kritisch Menke/Räker, SpuRt 2009, 45 ff. 204 CAS SpuRt 2009, 157 ff. 205 Im Einzelnen zum Verhältnis von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit Steiner, SpuRt 2014, 2 ff. Es kann sich auch die Frage stellen, inwiefern Sportverbände Entscheidungen des CAS auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen müssen, bevor sie sie umsetzen. Eine solche Pflicht entnimmt das OLG Bremen für den DFB aus Art. 17a Abs. 2 DFB-Satzung, OLG Bremen SpuRt 2015, 74 (77 f.); a. A. LG Bremen SpuRt 2014, 174 f.; Orth/ Stopper, SpuRt 2015, 51 (53 f.). 206 Vgl. Netzle, SpuRt 2011, 2 ff.; Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 (49, 50). 207 Schw. Bundesgericht SpuRt 2007, 113 ff. = CaS 2007, 145 ff. (bei letzterer Fundstelle französische Textfassung) mit krit. Besprechung von Baddeley, CaS 2007, 155 ff. Ausführlich auch Oschütz, SpuRt 2007, 177 ff. 202

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verbandsrechtlich vorgegebenen Bedingungen einerseits und dem Verzicht auf die Ausübung seines Berufs andererseits. Die Vereinbarung eines wirksamen Anfechtungsverzichts setze jedoch eine gewisse Entscheidungsfreiheit des Sportlers voraus. Nur wenn dieser auch ohne Unterzeichnung der Schiedsklausel am Sportbetrieb teilnehmen dürfe, könne von einer freiwilligen Zustimmung zum Ausschluss des Rekurses gesprochen werden. Da eine solche Situation der Freiwilligkeit im Profisport jedoch realitätsfern erscheint, dürfte – die Auffassung des Bundesgerichts zugrunde gelegt – künftig wohl jeder Anfechtungsverzicht gemäß Art. 192 IPRG im Bereich der Sportschiedsgerichtsbarkeit unzulässig und eine Anfechtung bei Vorliegen eines Grundes nach Art. 190 Abs. 2 IPRG möglich sein.208 Da das Gericht zudem der Auffassung war, dass der CAS das rechtliche Gehör des Tennisspielers verletzt habe, hob es den Schiedsspruch des CAS auf. Auch unter Zugrundelegung der Auffassung des Schweizer Bundesgerichts verhängte der CAS209 in seiner Folgeentscheidung eine Sperre von 15 Monaten gegen Cañas und bestätigte damit seinen ersten Schiedsspruch. Dementsprechend sind in der Folgezeit mehrfach Schiedssprüche des CAS vor dem Schweizer Bundesgericht oder sonstigen nationalen Gerichten angegriffen worden. In weiteren Fällen – unter anderem war der deutsche Eishockey-Spieler Florian Busch betroffen – kassierte das Schweizer Bundesgericht Schiedssprüche aus verfahrensrechtlichen Gründen.210 Der bisher einzige Fall, in dem das Schweizer Bundesgericht eine Entscheidung des CAS aus materiell-rechtlichen Gründen wegen Verstoßes gegen den ordre public aufhob, ist sein Urteil vom 27. März 2012.211 In dem Rechtsstreit zwischen dem Fußballspieler Francelino da Silva Matuzalem und dem Weltfußballverband FIFA sowie FC Shakhtar Donetsk hatte der CAS212 Matuzalem verpflichtet, 11,9 Mio. E an seinen früheren Verein FC Shakhtar Donetsk zu zahlen, da er dort seinen Arbeitsvertrag fristlos und ohne wichtigen Grund aufgelöst hatte. Diese Entscheidung des CAS wurde vom Schweizer Bundesgericht bestätigt.213 Da Matuzalem aber nicht zahlen konnte, verurteilte ihn die FIFA-Disziplinarkommission im August 2010 zu einer Geldbuße und drohte für den Fall der Nichtbezahlung ein unbegrenztes Berufsverbot an. Nachdem Matuzalem dieses Berufsverbot vor dem CAS angefochten hatte, dort aber gescheitert war, verhalf das Schweizer Bundesgericht der Beschwerde des Fußballers zum Erfolg. Das Gericht sah in dem Berufsverbot einen Verstoß gegen fundamentale Grundsätze der Schweizer Rechtsordnung (ordre public), namentlich einen offensichtlichen und schwerwiegenden 208

Zu diesem Schluss kommt auch Oschütz, Jusletter v. 04. 06. 2007, Rz. 11. CAS SpuRt 2007, 244 ff. Ein Vorgehen Cañas gegen diesen Schiedsspruch auf europarechtlicher Basis wegen Verstoßes gegen EU-Wettbewerbsrecht wurde vom EuGH, Urteil v. 20. 06. 2013, Rs. C-269/12 zurückgewiesen, vgl. CaS 2013, 244 f. 210 Schweizer Bundesgericht, Entscheid vom 06. 11. 2009 – 4 A_358/2009; SpuRt 2010, 197 f.; SpuRt 2010, 198 f.; Entscheid vom 08. 03. 2012 – 4 A_627/2011. 211 Schweizer Bundesgericht SpuRt 2012, 109 ff. 212 Matuzalem u. a. v. Shaktar Donetzk u. a., CAS 2008/A/1519 – 1520. 213 Schweizer Bundesgericht, Entscheid v. 02. 06. 2010 – 4 A_320/2009. 209

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Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, und kassierte in der Folge die Entscheidung des CAS. Der aus deutscher Sicht bislang prominenteste Fall dürfte die causa Pechstein214 sein. Der CAS akzeptierte mit Schiedsspruch vom 25. 11. 2009 erstmals einen nur indirekten Doping-Nachweis215 als Grundlage für eine mehrjährige Wettkampfsperre der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein durch die Internationale Eislaufunion (ISU).216 Das Schweizer Bundesgericht gab allerdings einem Eilantrag Pechsteins statt217 und erlaubte ihr per einstweiliger Verfügung, an der Qualifikation für die Olympischen Spiele teilzunehmen. Letztlich hat es aber im Hauptverfahren die Beschwerde gegen die Entscheidung des CAS am 10. 02. 2010 abgewiesen.218 Am 28. 09. 2010 hat dann das Schweizer Bundesgericht endgültig den CAS-Schiedsspruch bestätigt, indem es die Revision von Pechstein abwies.219 Daraufhin erhob Pechstein wegen der Dopingsperre eine Klage auf Schadensersatz in Höhe von 4,4 Mio. E gegen die ISU und die DESG vor dem LG München I. Problematisch ist hierbei aus prozessualer Sicht, ob angesichts der Schiedsvereinbarung zwischen der ISU und Pechstein überhaupt eine entsprechende Klage vor deutschen ordentlichen Zivilgerichten erhoben werden kann. Dies bejahten sowohl das LG München I220 als auch im Zwischenverfahren das OLG München221, da die Schiedsvereinbarung u. a. mit Kartellrecht nicht vereinbar sei. Das OLG München befand, das Verlangen einer Schiedsvereinbarung durch den Ausrichter internationaler Wettkämpfe stelle nicht schlechthin einen Missbrauch von Marktmacht dar, da es gute Gründe dafür gebe. Allerdings würden die Vorgaben des CAS für die Besetzung der jeweiligen Spruchkammer ein strukturelles Übergewicht der Verbände begründen und so die Neutralität des CAS grundsätzlich in Frage stellen. Daher liege ein Missbrauch von Marktmacht vor, wenn ein marktbeherrschender Sportverband die Zulassung zu einem von ihm ausgerichteten Wettkampf von der Zustimmung zu einer Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS abhängig mache. Insoweit werde das Fehlen einer frei-

214

Vgl. zur Prozesshistorie CaS 2010, 3 ff. mit Anm. Reissinger. Dazu Merget, Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises, Berlin 2015; Berninger, SpuRt 2010, 228 ff. 216 Pechstein & DESG v. ISU, CAS 2009/A/1912&1913. 217 Schweizer Bundesgericht CaS 2009, 368 f. 218 Schweizer Bundesgericht, Entscheid vom 10. 02. 2010 – 4 A_612/2009. 219 Schweizer Bundesgericht, Entscheid vom 28. 09. 2010 – 4 A_144/2010. 220 LG München I SpuRt 2014, 113 ff. Im Ergebnis hat das Gericht aber den geltend gemachten Anspruch verneint, da der CAS-Schiedsspruch hinsichtlich der Berechtigung der Dopingsperre bindend sei. Vgl. insgesamt Monheim, SpuRt 2014 90 ff. Schulze, SpuRt 2014, 139 ff.; Handschin/Schütz, SpuRt 2014, 179 ff.; Muresan/Korff, CaS 2014, 199 ff.; Göksu, CaS 2014, 356 ff.; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161 ff.; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 ff. 221 OLG München SpuRt 2015, 78 ff. Dazu Stancke, SpuRt 2015 46 ff.; Heermann, JZ 2015, 362 ff.; Kröll, NJW 2015, 833 ff. 215

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en Willensbildung hinsichtlich des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung nicht kompensiert.222

VI. Mehrfachwirkung – Sponsoring als Beispiel Sportrecht zeichnet sich dadurch aus, dass häufig eine Vielzahl von Personen direkt oder indirekt von statuarischen und vertraglichen Regelungen betroffen ist und somit vielfältige Konfliktsituationen auftreten können. Diese Mehrfachwirkung lässt sich beispielhaft am Sportsponsoring223 darstellen: Unter Sponsoring versteht man üblicherweise die Bereitstellung von Geld- und Sachmitteln sowie von Dienstleistungen durch Unternehmen für Personen und Organisationen im sportlichen, kulturellen, sozialen oder ökologischen Bereich zur Erreichung unternehmerischer Marktund Kommunikationsziele.224 Hierzu wird ein Sponsoringvertrag abgeschlossen, von welchem unmittelbar der Gesponserte und der Sponsor tangiert werden. Während der Nutzen für den Gesponserten insbes. in der Einnahme von Geld- oder Sachmitteln besteht, erwartet sich der Sponsor Mehreinnahmen durch einen positiven Image-Transfer225. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sportsponsorings ist im kommerzialisierten und professionalisierten Sport immens. Die Sponsorengelder stellen neben den Einnahmen aus den Ticketverkäufen, den Fernsehrechten und dem Merchandising eine der Haupteinnahmequellen der Sportveranstalter dar.226 So bezahlten beispielsweise 15 Unternehmen jeweils bis zu 45 Mio. E an die FIFA, um sog. offizielle Partner der FIFA WM 2006 zu sein.227 Bei der WM 2010 haben die sechs FIFAPartner für Vermarktungs- und sonstige Rechte sogar jeweils rund 110 Mio. E ge222

Die Wirksamkeit der Unterwerfung eines Sportlers unter die Sportschiedsgerichtsbarkeit wird mangels tatsächlich selbstbestimmter Entscheidung auch vom LG Kempten SpuRt 2015, 35 f. verneint. 223 Dazu aus der neueren Literatur: Richtsfeld, CaS 2014, 143 ff.; Nagel, CaS 2012, 55 ff.; Körber, in: Stopper/Lentze (Hrsg.), Handbuch Fußball-Recht, Berlin 2012, (HdbFußballRBearbeiter), Rn. 2257 ff. 224 Vieweg, SpuRt 1994, 6 ff.; vgl. auch Netzle, Sponsoring von Sportverbänden: Vertrags-, persönlichkeits- und vereinsrechtliche Aspekte des Sport-Sponsorings, Zürich 1987; Reichert, Sponsoring und nationales Sportverbandsrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart u. a. 1996, S. 31 (31 f.). Allgemein zum Sponsoring Weiand, Kultur- und Sportsponsoring im deutschen Recht, Berlin 1993; Wegner, Der Sportsponsoringvertrag, BadenBaden 2002; Bruhn/Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsorings (2 Bände), München 1992 (Band I) und 1999 (Band II). 225 Ausführlich zu den Zielen des Sponsors Weiand, Der Sponsoringvertrag, München 1999, S. 5 f.; Wegner (Fn. 224), S. 39 f. Vgl. zu Störungen der Kommunikationsziele Kessler, Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, Berlin 2015, S. 9 ff. 226 In der Fußballbundesliga wurden in der Saison 2013/14 von den Gesamterlösen i. H. v. knapp 2,5 Mrd. E rund 26 % durch Werbung erzielt, vgl. Bundesliga-Report 2015 der DFL, S. 8. 227 Hamacher, SpuRt 2005, 55.

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zahlt.228 Für das Sponsoring der Olympischen Spiele 2010 in Vancouver und 2012 in London wendeten elf Unternehmen als sog. TOP-Sponsoren229 des IOC insgesamt rund 950 Mio. US $ auf.230 Auch die Sportartikelhersteller bauen ihr Engagement im Sponsoringbereich durch neue Sponsoringkonzepte immer weiter aus. So stellt Adidas bspw. ab der Saison 2010/11 zum ersten Mal einen einheitlichen Liga-Ball für die 1. und 2. Fußballbundesliga und zahlt hierfür den 36 Proficlubs über fünf Jahre insgesamt rund 25 Mio. E. Inzwischen etabliert hat sich das sog. Namenssponsoring (engl.: naming rights), wie man vermehrt an den (Um-)Benennungen der Fußballstadien in Deutschland erkennen kann (z. B. Allianz-Arena in München).231 Ein weiteres Beispiel ist das Namenssponsoring der Handball-Bundesliga, die seit der Saison 2012/13 DKB Handball-Bundesliga heißt.232 Während die deutsche Fußball-Bundesliga bisher noch kein Namenssponsoring eingegangen ist,233 gibt es sie in zahlreichen europäischen Fußball-Ligen mit zum Teil beträchtlichen Einnahmen. So sponsert etwa die Barclays Bank seit geraumer Zeit die englische Premier League („Barclays Premiership“) mit zuletzt ca. 57 Mio. E jährlich. Nach dem Ende der Saison 2015/16 beendet Barclays allerdings dieses Ligasponsoring und die Premier League verzichtet zukünftig auf einen Namenssponsor. Neben dem Sponsor und dem Gesponserten ist noch eine Vielzahl Dritter mittelbar betroffen. Einen Eindruck vermittelt die Grafik auf er nächsten Seite. Für die Sportler und Vereine eines gesponserten Vereins bzw. Verbands – also für Personen oder Organisationen, die mit dem Gesponserten innerhalb der „Sportverbandspyramide“ verbunden sind – stellen sich Fragen nach der finanziellen Teilhabe für die Abtretung des eigenen Werberechts, der Werbepflicht234 und dem Unterlassen

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Vgl. Wittneben, GRUR-Int. 2010, 287 (288). TOP steht dabei für „The Olympic Partners“. 230 IOC 2014 Olympic Marketing Fact File, S. 11 (http://www.olympic.org/Documents/ IOC_Marketing/OLYMPIC_MARKETING_FACT_%20FILE_2014.pdf). Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio stehen wiederum 11 TOP-Sponsoren bereit. 231 Eine Übersicht über die Vermarktung von Namensrechten hinsichtlich der 100 Stadien der deutschen Profisportligen – zwei Dritteln von ihnen vermarkten ihr Namensrecht – findet sich bei SPONSORs 9/2014, S. 56 ff. Nach Wittneben, GRUR 2006, 814 (814), spielten zwischenzeitlich 12 der 18 Fußball-Bundesliga-Vereine in Stadien, die den Namen eines Sponsors tragen, und von den 119 Arenen, die nach einem Sponsor benannt sind, standen allein 52 in Deutschland. Allgemein zum Namenssponsoring Wittneben, SpuRt 2011, 151. 232 Das Engagement der DKB dürfte sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen wie beim Vorgänger (Toyota) und damit pro Saison schätzungsweise 2,3 Mio. E betragen. Auch im Basketball (Beko Basketball Bundesliga) gibt es einen Titelsponsor. 233 Zwar erwarb die Deutsche Telekom AG eine Option für die Namensrechte ab der Saison 2007/08, ließ diese jedoch ungenutzt verstreichen, vgl. SZ v. 16. 02. 2007, S. 15 und 28. Momentan hält die DFL ein entsprechendes Sponsoring auch nicht für sinnvoll. 234 Vgl. hierzu Reichert (Fn. 224), S. 45 ff. 229

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eigener konkurrierender Werbung.235 Ebenso ist der Veranstalter mittelbar betroffen, wenn er nicht zugleich der Gesponserte ist. Interessenkonflikte können beispielsweise mit dem vom Veranstalter personenverschiedenen Sportstätteneigentümer bezüglich der Höhe des Entgelts, der Stadionwerbung und der Fragen der Vermarktung einer Veranstaltung entstehen. Mit den Werbeinteressen des Veranstalters konkurrieren die Interessen der Medien, insbes. der Fernsehanstalten und -gesellschaften, ihrerseits möglichst hohe Werbeeinnahmen zu erzielen, um den Erwerb der Fernsehrechte zu refinanzieren.236 In dieser Konstellation zeigt sich zudem, dass die Interessen der Betroffenen auch parallel verlaufen können, da beispielsweise positives Fernsehzuschauerverhalten die Werbeeinnahmen sowohl des Veranstalters als auch die der Medienunternehmen erhöhen.237 Die Interessen der Medienanstalten und der Ver235 Das Konfliktpotenzial wurde bspw. bei der offiziellen Vorstellung von Mario Götze bei Bayern München deutlich. Obwohl der Verein in beträchtlichem Umfang von Adidas gesponsert wird, erschien der Spieler in einem T-Shirt, das deutlich erkennbar das Logo seines persönlichen Sponsors Nike zeigte, FAS v. 07. 07. 2013, S. 17. Es stellt sich auch die Frage, inwiefern Sportler und Vereine gegenüber dem Sponsor Loyalitätspflichten haben. Ein Beispiel dafür ist der Anzugstreit zwischen deutschen Schwimmern und dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) bei der Kurzbahn-Europameisterschaft 2008. Mehrere Athleten übten massive Kritik an den angeblich nicht konkurrenzfähigen Schwimmanzügen des Ausrüsters Adidas, woraufhin dieser den Ausrüstervertrag mit dem DSV fristlos kündigte, vgl. FAZ v. 16. 12. 2008, S. 32. 236 Das Konfliktpotential zwischen Sportveranstalter und Medien zeigte sich zudem sehr anschaulich bei der Tour de France 2007. Nachdem mehrere Dopingfälle bekannt wurden, stiegen ARD und ZDF aus der Live-Berichterstattung aus, da sie eine weitere Übertragung der Veranstaltung nicht als mit ihrem Selbstverständnis vereinbar ansahen. Dazu SZ v. 26. 07. 2007, S. 17. 237 Allgemein zum Verhältnis Sponsoring und Medien Weiand (Fn. 224), S. 138 ff.; Bruhn/ Mehlinger (Fn. 224), Band I, S. 23 f. Der Gleichlauf der Interessen von Sponsoren, Veran-

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anstalter können maßgeblich durch rechtliche Regelungen, die die Zulässigkeit von Sponsoringaktivitäten begrenzen, beeinflusst werden. Das gilt namentlich für die Vorgaben im Rundfunkstaatsvertrag zur Werbung und zum Sponsoring, vgl. insbes. § 7 und § 8 RStV.238 Die Sponsoren haben ein Interesse daran, dass die gesponserten Verbände bzw. Vereine und deren Athleten nicht ihr Ansehen schädigen, indem sie sich bspw. rechtswidrig verhalten.239 Die Agenturen werden im komplizierten Sponsoringmarkt tätig, um Sponsoren, Gesponserte und Medien bei der „Partnersuche“, den Vertragsverhandlungen und -abschlüssen zu unterstützen.240 Schließlich können auch die Zuschauerinteressen betroffen sein. Wenn z. B. Eintrittskarten vorab in großem Umfang an Sponsoren ausgegeben werden und damit nicht auf den freien Markt gelangen, kann dies zum einen zur Folge haben, dass die Nachfrage der Zuschauer nicht gedeckt wird, zum anderen aber auch, dass die Stadien möglicherweise nicht voll besetzt sind.241 Das Phänomen des Ambush-Marketings beschreibt eine Konfliktsituation zwischen offiziellen Sponsoren eines Sportereignisses und sonstigen Unternehmen.242 Im Kern geht es dabei um den Schutz des Sponsors vor Beeinträchtigungen des eigenen Sponsoring-Engagements durch die werbliche Anlehnung von Konkurrenten an das Sportereignis. Während früher trotz der dargestellten Interessenunterschiede und des daraus resultierenden erheblichen Konfliktpotentials ein Mangel an verbindlichen Regelungen für das Sponsoring auffiel,243 sind inzwischen zunehmend entsprechende Regestaltern und Medien sowie das damit verbundene Gefahrenpotenzial, wird an den Fällen Emig und Mohren deutlich. Sowohl Jürgen Emig, früherer Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR), als auch Wilfried Mohren, früherer Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), kassierten von Sportveranstaltern und Sponsoren beträchtliche Schmiergelder, um deren Sportveranstaltungen bevorzugt im Fernsehen zu übertragen. Emig soll insgesamt 625.000 E, Mohren 330.000 E erhalten haben. Emig wurde wegen Bestechlichkeit, Untreue sowie Beihilfe zur Bestechung zu einer Strafe von zwei Jahren und acht Monaten, Mohren wegen Bestechlichkeit, Betruges, Vorteilnahme und Steuerhinterziehung zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Vgl. BGHSt 54, 202; FAZ v. 01. 10. 2009, S. 37. 238 Dazu HdbFußballR-Kuhn (Fn. 223), Kap. 3 Rn. 97 ff. 239 Bspw. haben die Hauptsponsoren der FIFA nach Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe die FIFA dazu aufgefordert, ihre eigenen Prinzipien von Integrität, Ethik und Fairness einzuhalten, FAZ v. 10. 06. 2014, S. 25. 240 HdbFußballR-Von Appen (Fn. 223), Kap. 14 Rn. 5 ff.; Vieweg, SpuRt 1994, 6 (10); Weiand (Fn. 224), S. 14 ff.; Wegner (Fn. 224), S. 63 ff. 241 Die Verteilung solcher sog. VIP-Tickets von den Sponsoren an Geschäftspartner und insbes. an Amtsträger (Hospitality) birgt auch steuer- und strafrechtliche Risiken. So wurde bspw. Utz Claassen, der frühere Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers EnBW, wegen Vorteilsgewährung angeklagt, da er vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 Eintrittskarten an Regierungsmitglieder Baden-Württembergs, die für das Unternehmen bedeutsame Entscheidungen treffen, verschickte. Letztlich wurde Claassen aber freigesprochen, da nicht nachweisbar war, dass er mit den Tickets Einfluss auf die Amtsausübung der Amtsträger nehmen wollte, vgl. BGHSt 53, 6; Staschik, SpuRt 2010, 187 ff.; ders., Rechtliche Grenzen der Kontaktpflege im Sport, in: Vieweg (Hrsg.), Akzente des Sportrecht, Berlin 2011, S. 123 ff. 242 Ausführlich zum Ambush-Marketing HdbFußballR-Furth (Fn. 223), Kap. 6. 243 Vgl. Vieweg, SpuRt 1994, 73 ff.

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lungen in die Satzungen und Ordnungen der Sportverbände aufgenommen worden.244 So beinhaltet zum Beispiel im Profifußball die „Ordnung für die Verwertung kommerzieller Rechte“ (OVR) des Ligaverbands einen Unterabschnitt mit dem Titel „Vermarktungsrechte im Bereich Sponsoring und Sonderwerbeformen“, in welchem insbes. die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Ligaverband und dessen Mitgliedern – also den Vereinen der 1. und 2. Bundesliga – bezüglich des Sponsorings geregelt werden.245 Die Rechtsbeziehungen zwischen den direkt am Sponsoring Beteiligten werden jedoch hauptsächlich durch Verträge geregelt.246 Solche Sponsoringverträge zwischen Sponsor und Gesponsertem können sich auf einzelne Veranstaltungen, auf Sportausrüstung und -kleidung sowie auf Lizenzen über Zeichen und Prädikate beziehen.247 Die erhofften Sponsorengelder lassen sich zumeist nur dann erzielen, wenn den Sponsoren dafür Marketingrechte angeboten werden können, die Ausschließlichkeit garantieren. Hierfür eignen sich in erster Linie Markenrechte248, wobei gerade für die Bezeichnungen von Sportgroßveranstaltungen (wie „Olympia“ oder „WM 2006“) wegen des häufig bloß beschreibenden Charakters dieser Bezeichnungen und des fehlenden Nachweises von Verkehrsdurchsetzung geeigneter Kennzeichenschutz kaum zu erlangen ist.249 Aus diesem Grund wurde z. B. für die mittlerweile gescheiterte Olympiabewerbung der Stadt Leipzig das „Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen“ geschaffen, um den von der IOC für eine erfolgreiche Bewerbung geforderten Schutz der olympischen Zeichen und Embleme zu gewährleisten.250 Kurz vor der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland haben zwei Urteile des BGH zum Markenschutz für die eingetragenen Marken „FUSSBALL WM 2006“ und „WM 2006“ für Aufsehen gesorgt.

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Allgemein zur Zulässigkeit von Sponsoring-Regelungen von Sportfachverbänden Nagel, CaS 2012, 55 ff.; Heermann, WRP 2009, 285 ff.; Reichert (Fn. 224), S. 36 ff.; Bruhn/ Mehlinger (Fn. 224), Band II, S. 43 ff. 245 Siehe § 12 OVR und hinsichtlich der Einnahmenverteilung § 19 OVR. 246 Dazu Weiand (Fn. 224); Wegner (Fn. 224). 247 Vieweg, SpuRt 1994, 73 (73 f.). Umfassend zu kartellrechtlichen Fragen des Sportsponsorings Heermann, WRP 2009, 285 ff. 248 Instruktiver Überblick bei Neumann, Marken und Vermarktung im Sport, in: Vieweg (Hrsg.), Spektrum des Sportrechts, Berlin 2003, S. 295 ff.; Röhl, Schutzrechte im Sport, Berlin 2012, S. 66 ff., 328 ff., 358 ff., 377 ff., 393 ff., 400 ff., 467 ff., 504 ff., 512 ff., 577 ff. 249 Hamacher, SpuRt 2005, 55 (55). 250 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/1669, S. 8. Die Verfassungsmäßigkeit des OlympSchG war von Beginn an äußerst umstritten. So hielten z. B. das LG Darmstadt, SpuRt 2006, 164 ff., sowie Degenhart, AfP 2006, 103 ff. und Korff, CaS 2014, 44 ff., das Gesetz schlicht für verfassungswidrig. A. A. waren dagegen OLG Düsseldorf SpuRt 2013, 274 ff.; Nieder/Rauscher, SpuRt 2006, 237 (238 f.). Der BGH hat schließlich eine Verfassungswidrigkeit des OlympSchG verneint, SpuRt 2015, 117 ff. Vgl. zum OlympSchG auch Furth, Ambush Marketing – eine rechtsvergleichende Untersuchung im Lichte des deutschen und US-amerikanischen Rechts, Köln 2009, S. 60 f.; Röhl (Fn. 248), S. 122 ff.; ders., SpuRt 2013, 134 ff.; Stopper, SpuRt 2013, 243 ff.

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Der BGH251 hatte entschieden, dass die Eintragung der Marke „FUSSBALL WM 2006“ wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für alle und die Eintragung der Marke „WM 2006“ für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu löschen ist. Im Vorfeld der WM 2010 in Südafrika hat der BGH252 in einer weiteren Entscheidung die Markenmacht der FIFA erneut empfindlich geschwächt und Löschungsansprüche des Fußball-Weltverbands gegen den Süßwarenhersteller Ferrero sowohl unter kennzeichenrechtlichen als auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten verneint. In dieser Konstellation ist die Mehrfachwirkung des Sportrechts – hier zwischen Sponsor, Gesponsertem und Dritten, die die eingetragenen Markenrechte benutzen wollen – deutlich zu erkennen. Ein Markenrechtsstreit ist auch um das Trikotlogo des DFB entbrannt, das einen dem Bundesadler ähnlichen Adler verwendet. Die Supermarktkette REAL vertrieb T-Shirts mit einem ähnlichen Adler-Logo und dem Schriftzug „Deutscher-Fußball-Bund“, wogegen der DFB eine einstweilige Verfügung erwirkte.253 Das Verkaufsverbot wurde vom OLG München254 bestätigt, das allerdings nicht geprüft hat, ob die Eintragung der Marke rechtmäßig ist oder sie nicht aufgrund der Ähnlichkeit zum Bundesadler gelöscht werden muss. Einen entsprechenden Löschungsantrag hat REAL inzwischen beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt.

VII. Dynamische Querschnittsmaterie Der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende Prozess der Kommerzialisierung, Professionalisierung und Medialisierung des Sports hat dazu geführt, dass Konflikte entstanden sind, deren Lösung sich aus unterschiedlichen Rechtsgebieten ergibt. So findet der Sport als massenmediales Großereignis Berührungspunkte zu vielen nationalen Rechtsfeldern sowie zum europäischen Recht. Das Spektrum reicht vom Sportverbands- und Sporthaftungsrecht über das Sportwirtschaftsrecht und Sportsteuerrecht bis hin zum Sportarbeitsrecht und Sportmedienrecht.255 Die Beziehungen zwischen Veranstaltern, Verbänden, Sportlern und Fans basieren auf zivilrechtlicher Grundlage.256 Vertragliche wie deliktische Ansprüche sind dem Normengeflecht 251 BGH WRP 2006, 1121 ff. = GRUR 2006, 850 ff. = SpuRt 2007, 119 ff. sowie BGH BeckRS 2006, 09470. 252 BGH SpuRt 2010, 201 ff. Dazu Soldner/Rottstegge, K&R 2010, 389 ff. sowie Heermann, CaS 2010, 134 ff. 253 LG München I GRURPrax 2014, 412. 254 OLG München GRUR 2015, 590 ff. 255 Ein Überblick über das gesamte öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Sportrecht findet sich bei Vieweg/Krause (Fn. 12). Siehe auch die Stichwörter der Sportrechtsdatenbanken in Fn. 13 und 14. 256 Vgl. etwa zur Zulässigkeit des Ausspruchs eines bundesweiten Stadionverbots für (potentielle) Randalierer BGH SpuRt 2010, 28 ff. mit Anm. Breucker; Heermann NJW 2010, 537 und Klesczewski JZ 2010, 251. Aus der instanzgerichtlichen Rspr. LG Dortmund NJW-RR 2015, 407 ff. Relevanz hat auch die Frage nach der Zulässigkeit von Beschränkungen der

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des BGB zu entnehmen. Auch die Vermarktung von Sportgroßereignissen, insbes. die Übertragung der Verwertungsrechte auf die Medien, fußt in erster Linie im Privatrecht (BGB, UrhG etc.).257 Daneben ist das Öffentliche Recht einschlägig, wenn beispielsweise sicherheitsrechtliche Maßnahmen gegenüber Vereinen oder Fans ergriffen werden müssen. Belange der Gefahrenabwehr (Polizei- und Sicherheitsrecht) spielen gerade bei Großereignissen im Sport immer wieder eine gewichtige Rolle.258 Zunehmend in den Vordergrund drängt dabei die Frage, wer die Kosten für Polizeieinsätze im Rahmen von Großsportveranstaltungen zu tragen hat.259 Die Regulierung des Sportwettenmarkts ist angesichts der wirtschaftlichen Dimensionen heftig unter Beschuss geraten.260 In verfassungsrechtlicher Hinsicht gewinnen die Grundrechte der Sportler vor allem dann an Bedeutung, wenn verbandsrechtliche Sanktionen (z. B. der Ausschluss aus einem Wettkampf oder eine Sperre) im Raum stehen. Weiterveräußerung von Eintrittskarten, vgl. dazu BGH SpuRt 2009, 73 ff.; OLG Hamburg MMR 2014, 595 ff.; OLG Düsseldorf SpuRt 2011, 122 ff.; Holzhäuser, SpuRt 2011, 106 ff.; Holzhäuser/Gehrke/Conrad, SpuRt 2013, 104 ff.; Stopper/Karlin, CaS 2014, 320 (323 ff.). 257 Umfassend zu Schutzrechten im Sport HdbFußballR (Fn. 223); Röhl (Fn. 248). Heftig umstritten ist die Frage, ob Amateur-Fußballspiele zustimmungs- und entgeltfrei im Internet verwertet werden dürfen (Fall „Hartplatzhelden“). Während die Gerichte dies zunächst verneint haben (vgl. LG Stuttgart SpuRt 2008, 166 ff.; OLG Stuttgart SpuRt 2009, 252 ff.), spricht sich die Literatur fast einhellig für eine freie Verwertbarkeit aus (vgl. Feldmann/ Höppner, K&R 2008, 421 ff.; Hoeren/Schröder, MMR 2008, 553 f.; Maume, MMR 2008, 797 ff.; Frey, CR 2008, 530 ff.; Ernst, CaS 2008, 289 f.; Ehmann, GRUR-Int. 2009, 659 ff.; Ohly, CaS 2009, 148 ff.; ders., GRUR 2010, 487 ff.; Maume, MMR 2009, 398 f.; Paal, CR 2009, 438 ff.; Fesenmair, NJOZ 2009, 3673 ff.; Peukert, WRP 2010, 316 ff.). Der BGH SpuRt 2011, 158 ff. (mit Anm. Stopper) hat zwischenzeitlich entschieden, dass für den Veranstalter von Amateur-Fußballspielen per se kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz bestehe und deswegen Aufnahmen grundsätzlich zustimmungs- und entgeltfrei verwertet werden dürften. Der Veranstalter könne sich die wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele aber über das Hausrecht sichern. Vgl. zur Entscheidung Heermann, CaS 2011, 165 ff.; Ohly, GRUR 2011, 439 f.; Emmerich, JuS 2012, 258 ff.; Röhl (Fn. 248), S. 275 ff. Der Bayerische Fußball-Verband hat im Anschluss an die Entscheidung „Hartplatzhelden“ Akkreditierungsrichtlinien für Medien aufgestellt, um die mediale Verwertung für bestimmte Amateurligen zu regeln; vgl. Heermann, WRP 2015, 1047 (1050 f.). Eine von Medienvertretern erwirkte einstweilige Verfügung gegen diese Richtlinien wurde vom LG München I wieder aufgehoben. Lebhaft diskutiert wird auch die Frage, ob und in welchem Umfang an Spielplänen der Sportverbände Schutzrechte bestehen, vgl. dazu EuGH SpuRt 2012, 104 ff.; Röhl, SpuRt 2012, 90 ff.; Heermann, CaS 2010, 227 ff. 258 Grundlegend Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, Berlin 2005. Vgl. weiterhin Breucker, NJW 2006, 1233 ff.; Quirling/Müller, CaS 2014, 136 ff. Zur (nunmehr) rechtmäßigen Speicherung potentieller Randalierer in der Datei „Gewalttäter Sport“ vgl. BVerwG NJW 2011, 405 ff. Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 wurden hinsichtlich des Lärmschutzes Sonderregelungen geschaffen, damit ein Public Viewing in einem erweiterten zeitlichen Rahmen möglich ist. 259 So wird von einigen Bundesländern neuerdings versucht, die Kosten für Polizeieinsätze im Fußball auf den veranstaltenden Verein bzw. die DFL abzuwälzen. Vgl. dazu Lambertz, CaS 2014, 258 f.; Stopper/Holzhäuser/Knerr, SpuRt 2013, 49 ff.; Schiffbauer, SpuRt 2014, 231 ff. 260 Vgl. nur EuGH SpuRt 2010, 238 ff.; 243 ff.; 247 ff.; Summerer, SpuRt 2011, 58 ff.

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Auch Verbandsregeln und hierauf bezogene Einzelfallmaßnahmen müssen sich an der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen.261 Schließlich rückt auch das Strafrecht immer wieder in den Blick. Angesprochen seien hier nur der Manipulationsskandal im deutschen Fußball um den Schiedsrichter Robert Hoyzer (strafbare Beihilfe zum Betrug nach § 263 StGB),262 die stets aufs Neue relevante HooliganProblematik (insbes. §§ 223 ff., 123 StGB) und die seit Jahren kontrovers geführte Diskussion über die Einführung selbstständiger Straftatbestände zum Doping263 sowie zu Manipulationen im Sport264. Kennzeichnend für das Sportrecht ist damit zum einen sein Querschnittscharakter. Zum anderen führt die in vielfacher Hinsicht dynamische Entwicklung des Sports auch zu einer entsprechenden Dynamik des Sportrechts. Immer wieder tun sich neue Rechtsfragen im Sport auf.

VIII. Doping Kaum ein anderes Thema erhitzt seit Jahrzehnten die sportlich interessierten Gemüter in gleicher Weise wie die Frage nach einer effektiven und nachhaltigen Doping-Bekämpfung im Leistungssport. Die vielfältigen Bemühungen der nationalen und internationalen Sportverbände führten im Laufe der Jahre zu einem schwer über261 Neben der Berufsfreiheit kann insbes. auch das Persönlichkeitsrecht des Sportlers aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG betroffen sein, vgl. dazu allgemein den Tagungsband Nolte (Hrsg.), Neue Bedrohungen für die Persönlichkeitsrechte von Sportlern, Stuttgart 2011. Man denke nur an den Fall der 800-Meter-Sprinterin Caster Semenaya aus Südafrika, bei der, nach ihrem überlegenen Sieg bei der Leichtathletik WM 2009 in Berlin, angestoßen von der IAAF eine weltweite, öffentliche Diskussion entbrannte, welchem Geschlecht sie zugehörig sei, vgl. FAZ v. 27. 09. 2009, S. 20. Allgemein bestehen im Sport vielfältige Konfliktfelder mit dem Datenschutz. 262 Hoyzer wurde von einer Wettmafia um die Brüder Sapina beauftragt, Bundesliga- und DFB-Pokal-Spiele, auf die sie gewettet hatten, zu manipulieren, um so hohe Wetterlöse zu erzielen. Sehr umstritten war die Frage, ob das Eingehen einer manipulierten Wette überhaupt einen strafbaren Betrug, oder nur eine „straflose Gaunerei“ darstellt, wie dies die Bundesanwaltschaft annahm. Der BGH verurteilte letztlich wegen Betrugs, BGHSt 51, 165. Vgl. auch BGH wistra 2007, 183; Jahn/Maier, JuS 2007, 215 ff.; Engländer, JR 2007, 477 ff.; Saliger/ Rönnau/Kirchheim, NStZ 2007, 361 ff.; Radtke, Jura 2007, 445 ff. Ende 2009 wurde wieder eine europaweiter Wettskandal im Fußball aufgedeckt, bei dem mindestens 32 Spiele in Deutschland und 200 Spiele europaweit, bis hin zur Champions League, verschoben wurden, vgl. FAZ v. 21. 11. 2009, S. 30. Vgl. dazu BGHSt 58, 102; NJW 2013, 1017 f.; StV 2014, 218 f.; NStZ 2014, 317 f.; Krüger, CaS 2013, 188 ff. 263 Diese Diskussion ist auch nach der 2007 erfolgten Verabschiedung strengerer Vorschriften im AMG, das einen Straftatbestand des Sportbetrugs allerdings gerade nicht enthält, keineswegs abgeflacht. Vielmehr hat inzwischen die Bundesregierung den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes vorgelegt. Siehe dazu im Einzelnen unten VIII. 4. 264 Auch diesbezüglich will die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorlegen. Inwiefern Korruption im Sport bereits nach derzeitiger Rechtslage strafbar ist, ist umstritten und hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, vgl. Lammert, Korruption im Sport, Köln 2014, passim; Reinhart, SpuRt 2011, 241 ff.

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schaubaren „Patchwork“ von Zuständigkeiten, Kontroll- und Analyseverfahren, Verbotslisten, Sanktionen und Rechtsschutzmöglichkeiten. Exemplarisch sei nur auf die in Deutschland in der Öffentlichkeit besonders beachteten Fälle Krabbe265, Baumann266, Ullrich267 und Pechstein268 sowie den instruktiven Fall Roberts269 hingewiesen.270 Besondere Beachtung findet zudem die Aufarbeitung der Dopingvergangenheit in der DDR,271 aber auch in Westdeutschland272. Mit der World Anti-Doping Agency (WADA) und deren World Anti-Doping Code (WADC)273 ist zwar ein wichtiger Harmonisierungsschritt erfolgt. Allerdings zeigt sowohl der internationale Vergleich als auch der Vergleich der einzelnen Sportarten, dass noch erhebliche Unterschiede in der praktischen Realisierung, insbes. auch und gerade hinsichtlich der Trainingskontrollen, bestehen. Zudem haben noch nicht alle Sportorganisationen den WADA-Code als verbindlich anerkannt.274 Das juristische Schrifttum zur Doping-Problematik ist unüberschaubar geworden.275 Angesichts der Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Radsport – im Mittelpunkt steht hier insbesondere das Geständnis von Lance Armstrong im Jahr 2013, bei seinen sieben Tour-de-France-Siegen gedopt zu haben276 –, den Biathleten – Dopingfall um Evi Sachenbacher-Stehle277 –, den Leichtathleten – verdächtige Blutwer-

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Führungs-Akademie des Deutschen Sportbundes e. V. (Hrsg.) (Fn. 100), S. 211 ff. enthält eine von Vieweg erstellte Chronologie der Fälle Krabbe I-III. 266 Eine Tatsachen-Dokumentation bietet Haug, SpuRt 2000, 238; weiterführend Adolphsen, SpuRt 2000, 97 ff. 267 Vieweg/Krause (Fn. 12), Rn. 276. 268 Vgl. V. 5. 269 Vgl. Martens/Feldhoff, Der Fall Roberts – Ein Slalom zwischen Staatsgericht und Schiedsgericht, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, Berlin 2006, S. 343 ff. 270 Eine Zusammenstellung „ertappter Dopingsünder“ findet sich bei Hilpert (Fn. 77), S. 326 ff. 271 Vgl. FAZ v. 18. 10. 2014, S. 40. 272 So sollen etwa in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren beim VfB Stuttgart und beim SC Freiburg Doping-Mittel eingesetzt worden sein, FAZ v. 10. 03. 2015, S. 31 und FAS v. 08. 03. 2015, S. 13. 273 Dieser wurde zum 01. 01. 2015 grundlegend überarbeitet. Vgl. zur Beteiligung der Europäischen Union an der Überarbeitung des WADC Kornbeck, Der erste EU-Beitrag zur Revision des World Anti-Doping Code (WADC), in: Vieweg (Hrsg.), Lex Sportiva, Berlin 2015, S. 143 ff.; ders., Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes: Vom zweiten zum vierten EU-Beitrag, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, S. 231 ff. 274 Eine Liste aller internationalen Sportorganisationen, die den WADA-Code anerkannt haben, findet sich unter https://www.wada-ama.org/en/who-we-are/anti-doping-community. 275 Einen Eindruck vermitteln die Literaturverzeichnisse der folgenden Werke: Adolphsen (Fn. 43), S. 707 – 745; Petri, Die Dopingsanktion, Berlin 2004, S. 403 – 423; Vieweg/Siekmann (eds.) (Fn. 20), S. 683 – 709; Fiedler, Das Doping minderjähriger Sportler, Berlin 2014, S. 304 – 314. 276 FAZ v. 19. 01. 2013, S. 30. 277 Siehe Fn. 72.

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te von über 800 Athleten im Zeitraum zwischen 2001 und 2012278 – und im Fall Pechstein ist die Fachdiskussion auf nationaler und internationaler Ebene stets im Fluss.279 Vor allem stellt sich die Frage, ob die Einführung eines Straftatbestands des Sportbetrugs der Problematik effektiver gerecht werden könnte. 1. Zwecke des Doping-Verbots Das Doping-Verbot dient drei Zwecken: der Gewährleistung der Chancengleichheit im Wettkampf und damit dem Fair Play280, dem Schutz der Gesundheit des Athleten281 und – häufig eigentlicher Motor verstärkter Antidoping-Anstrengungen – der Vermeidung eines Ansehensverlustes für die betroffene Sportart282.

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FAZ v. 03. 08. 2015, S. 23. So stellte etwa der damalige Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Peter Danckert bereits die öffentliche Förderung des Spitzensports insgesamt in Frage, vgl. SZ v. 20. 07. 2007, S. 27. 280 Die Chancengleichheit im Wettkampf ist auch beim sog. „Techno-Doping“ gefährdet. Vgl. dazu im Einzelnen den Tagungsband Vieweg (Hrsg.), „Techno-Doping“ – Leistungssteigerung durch technische Hilfsmittel aus naturwissenschaftlicher und juristischer Perspektive, Stuttgart 2015, mit Beiträgen von Brüggemann (S. 9 ff.), Steinle (S. 31 ff.) und Vieweg (S. 47 ff.). Unter „Techno-Doping“ versteht man die Steigerung der Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers durch die Verwendung technischer Hilfsmittel. Für Aufsehen sorgte insbes. der Fall des beidseits unterschenkelamputierten Leichtathleten Oscar Pistorius. Obwohl ein biomechanisches Gutachten von Prof. Dr. Brüggemann et al. (see Sports Technology 2008, Nr. 4/5, p. 220 – 227) bestätigte, dass die von dem Sportler verwendeten Carbonprothesen eindeutige Vorteile gegenüber gesunden Läufern brachten, hob der CAS ein entsprechendes Startverbot des Leichtathletik-Weltverbands IAAF für die Olympischen Spiele 2008 in Peking auf, vgl. CAS SpuRt 2008, 152 ff. Der CAS zeigte sich nicht überzeugt von einem „metabolischen Vorteil“ des Athleten. Äußerst kritisch hierzu Krähe, SpuRt 2008, 149. Vgl. auch Schild, CaS 2008, 128 ff. 281 So starb 1987 die Mehrkämpferin Birgit Dressel nach Medikamentenmissbrauch, ein Jahr später der Kugelstoßer Ralf Reichenbach nach intensiver Einnahme von Anabolika. Vgl. hierzu auch Linck, NJW 1987, 2545 ff. 282 Bei anhaltenden Dopingskandalen kann der Ansehensverlust für die betreffende Sportart schlimmstenfalls so weit gehen, dass Zuschauer, Sponsoren und Fernsehsender dem Sport dauerhaft den Rücken kehren. So beschlossen bspw. sowohl Gerolsteiner als auch Telekom wegen zahlreicher Dopingfälle den Rückzug aus dem Radsport, vgl. FAZ v. 05. 09. 2007, S. 17 und FAZ v. 28. 11. 2007, S. 32. Zudem hatten sich die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF von der Übertragung der Tour de France zurückgezogen (Fn. 236). Erst langsam erholt sich der Radsport in Deutschland wieder. Unter anderem hat die ARD die Tour-de-France-Übertragung wieder in ihr Programm aufgenommen (FAZ v. 05. 01. 2015, S. 9) und mit dem Team Giant-Alpecin hat sich erstmals seit Ende 2010 wieder ein deutsches Profiradsportteam gebildet (FAZ v. 25. 09. 2014, S. 27). 279

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2. Instrumente der Doping-Bekämpfung Wichtigstes Mittel zur Aufdeckung von Doping-Verstößen ist ein engmaschiges und umfangreiches Kontrollsystem.283 Dieses setzt nicht nur Wettkampfkontrollen, sondern auch sog. Trainingskontrollen (international eingeführt ist der Begriff „out of competition control“) voraus. Auf nationaler Ebene werden seit 1968 Wettkampfkontrollen durchgeführt. Systematische Trainingskontrollen gibt es seit 1990. Seit ihrer Errichtung im Jahr 2003 werden die Doping-Kontrollen in Deutschland zentral von der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) organisiert. Die Zahl der Wettkampfkontrollen belief sich in Deutschland im Jahr 2014 auf ca. 5.200, die Zahl der Trainingskontrollen auf gut 8.600.284 Die Athleten werden teils zufällig, teils gezielt, in der Regel jedenfalls ohne Vorankündigung während ihrer Trainingsphase aufgesucht und zur Abgabe einer Urin- oder Blutprobe veranlasst. Hiermit im Zusammenhang steht das Problem der Erreichbarkeit. Trotz detaillierter Meldepflichten der Athleten trafen die Kontrolleure diese früher in bis zu 20 Prozent der Fälle nicht an.285 Daraufhin wurden zum 01. 01. 2009 im Rahmen des überarbeiteten World Anti Doping Codes detaillierte Meldepflichten der Athleten (sog. Athlete Whereabout Requirements) statuiert. Nach Ziff. 11.1.3 müssen seitdem alle Spitzensportler, die Teil des „Registered Testpools“ (RTP)286 sind, jeweils für das kommende Jahr im Voraus Angaben hinsichtlich ihres Wohn- und Trainingsortes sowie ihrer Teilnahme an Wettkämpfen machen. Jede – wenn auch nur geringfügige – Änderung muss unverzüglich gegenüber der jeweiligen Nationalen Anti-Doping-Organisation bzw. dem internationalen Sportfachverband gemeldet werden. Zudem enthält Ziff. 11.1.4 die Pflicht der Athleten, für das nachfolgende Quartal ein Zeitfenster von 60 Minuten pro Tag anzugeben, währenddessen sie sich an einem bestimmten Ort für Dopingkontrollen zur Verfügung stellen müssen. Die Meldepflichten müssen über das Online-Meldesystem ADAMS oder ein anderes von der WADA anerkanntes System erfüllt werden. Verstöße gegen die Meldepflichten des WADA-Codes können empfindliche Wettkampfsperren zur Folge haben. Angesichts der massiven Beschränkung der persönlichen Freiheit der Sportler wird die rechtliche Zulässigkeit der WADA-Bestimmungen verschiedentlich in Abrede gestellt.287 Auch zahlreiche 283 Vgl. hierzu auch Digel, Ist das Dopingproblem lösbar?, in: Digel/Dickhuth (Hrsg.), Doping im Sport, Tübingen 2002, S. 1 (9 ff.). 284 Vgl. den NADA-Jahresbericht 2014 (abrufbar unter http://www.nada.de/fileadmin/user_ upload/nada/Downloads/Jahresberichte/NADA_Jahresbericht_deutsch_final.pdf. 285 So Pabst, Wenn der Kontrolleur vergebens klingelt, SZ v. 28. 08. 2006, S. 2. 286 Welche Athleten dem RTP angehören, bestimmen die internationalen Sportfachverbände und die nationalen Anti-Doping-Organisationen, vgl. Ziff. 11.2 WADA-Code 2009 sowie Art. 5.2 NADA-Code 2009. 287 So etwa von Musiol, SpuRt 2009, 90 ff.; Korff, SpuRt 2009, 94 ff.; Schaar, in: FAZ v. 04. 03. 2009, S. 28. Vgl. generell zur Problematik Niewalda, Dopingkontrollen im Konflikt mit allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Datenschutz, Berlin 2011, S. 487 ff. Zu den datenschutzrechtlichen Grenzen von Anti-Doping-Regelungen Nolte, CaS 2010, 309 ff.; ders., Anti-Doping-Meldepflichten im Lichte des Datenschutzrechts, in: ders. (Hrsg.), Neue Bedrohungen für die Persönlichkeitsrechte von Sportlern, Stuttgart 2011, S. 59 ff.

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internationale Sportverbände – unter ihnen vor allem die FIFA und die UEFA288 – lehnen das Meldesystem der WADA als unverhältnismäßig ab. Bedenken hat auch die Europäische Union im Rahmen der Überarbeitung des WADA-Code zum 01. 01. 2015 angemeldet.289 Trotz dieser Kritik wurden die Meldepflichten weitgehend beibehalten. Gem. Art. 5.6 WADA-Codes 2015 i. V. m. Art. I.1.1 ISTI290 Annex I müssen Athleten des RTP fortan vierteljährlich Angaben zu Aufenthaltsort und Erreichbarkeit machen sowie ein 60-minütiges Zeitfenster pro Tag festlegen, während dessen sie sich an einem bestimmten Ort für Dopingproben zur Verfügung halten. Ein dreimaliger Verstoß gegen die Meldepflichten innerhalb von 12 Monaten führt zu einem Doping-Verstoß nach Art. 2.4 WADA-Code 2015. Die Analyse der abgenommenen Proben in den akkreditierten Labors ist in den letzten Jahren zunehmend verfeinert worden, sodass bei manchem Athleten, der damit wegen der bereits fortgeschrittenen Abbauzeit der eingenommenen Substanz oder wegen der verschleiernden Wirkung eines maskierenden Mittels eigentlich nicht mehr gerechnet hat, der Doping-Nachweis geführt werden konnte. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verlängerung der Aufbewahrungsdauer von Dopingproben im WADA-Code 2015 (vgl. die Verjährungsregelung in Art.17) von acht auf zehn Jahre als ein wichtiges Instrument der Doping-Bekämpfung. Unabhängig davon besteht die „Hase-Igel-Problematik“ weiter. Die Doping-Analytik ist konfrontiert mit der fehlenden Nachweisbarkeit bestimmter Doping-Methoden und mit neuartigen, bislang unbekannten Doping-Mitteln.291 3. Sanktionsmöglichkeiten Die Sanktionierung festgestellter Doping-Verstöße erfolgt zumeist durch die „zuständigen“ nationalen und internationalen Sportverbände.292 Die Bestrafung von Athleten durch staatliche Instanzen ist bisher lediglich in einigen Ländern vorgesehen. Die Sanktionen der Sportverbände bestehen zum einen in einer Disqualifikation des betreffenden Sportlers und der Aberkennung der erreichten Platzierung im Wettkampf. Zum anderen verhängen sie – noch vereinzelt – enorme Geldstrafen293 und 288

Vgl. FAZ v. 19. 02. 2009, S. 28 und HB v. 26. 03. 2009, S. 20. Kornbeck (Fn.273), S. 143 (153 f.). 290 International Standard for Testing and Investigations. 291 So ist z. B. erst seit einiger Zeit ein eingeschränkter Gen-Doping-Nachweis möglich, vgl. FAZ v. 21. 03. 2009, S. 27. Kontrovers diskutiert wird der indirekte Dopingnachweis durch anomale Blutwerte, wie er im Fall Pechstein geführt wurde, vgl. Merget, Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises, Berlin 2015; Berninger, SpuRt 2010, 228 ff. 292 Möglich sind aber auch zivilrechtliche (z. B. Schadensersatzansprüche des Sponsors, Kündigung) und dienstrechtliche Konsequenzen (z. B. Entlassung aus dem Dienst). Vgl. zu letzteren Persch, CaS 2011, 267 ff. 293 So müssen beispielsweise die Radprofis eine Ehrenerklärung der UCI unterzeichnen, wonach Doping-Vergehen zusätzlich zu den üblichen Zeitsperren mit der Zahlung eines Jah289

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belegen die Sportler mit Sperren, deren Dauer davon abhängt, ob es sich um einen ersten oder einen weiteren Doping-Verstoß handelt294. Problematisch sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Fragen der Verhältnismäßigkeit, des Verschuldenserfordernisses bzw. der sog. strict liability295 sowie der prozessualen Garantien für die Athleten in einem Dopingverfahren296. Gegen Sanktionen der Verbände steht dem Betroffenen der Weg zu den verbandsinternen Sportgerichten sowie zu den Schiedsgerichten wie dem CAS offen. Staatlich-gerichtlicher Rechtsschutz wird regelmäßig durch Schiedsklauseln ausgeschlossen, deren Wirksamkeit zunehmend kritisch betrachtet wird.297 4. Anti-Doping-Gesetz Zweifel an einer effizienten Doping-Bekämpfung durch die Sportverbände haben immer wieder zu Rufen nach dem Gesetzgeber geführt.298 Kontrovers beurteilt wurde resgehalts zu sühnen sind. Zur Wirksamkeit dieser Verpflichtungserklärung vgl. Meier, Dopingsanktion durch Zahlungsversprechen, Berlin 2015; Bahners/Schöne, SpuRt 2007, 227 ff. Ausführlich zur Möglichkeit von Vertragsstrafen in Sportsponsoringverträgen im Zusammenhang mit Doping Nesemann, NJW 2007, 2083 ff. Der rumänische Fußballspieler Adrian Mutu musste wegen Kokain-Missbrauchs sogar eine Geldstrafe in Höhe von 17,2 Mio. E an seinen früheren Verein FC Chelsea zahlen. Diese Strafe wurde sowohl vom CAS (Urt. v. 31. 07. 2009 – Az. CAS 2008/A/1644) als auch vom Schweizer Bundesgericht (Urt. v. 10. 06. 2010 – Az. 4 A 458/2009) bestätigt. 294 Während der WADC bisher eine zweijährige Regelsperrendauer vorsah, wurde die Dauer der Regelsperre im WADC 2015 für bestimmte Fälle auf vier Jahre erhöht, Art. 10.2.1 WADC. Vgl. dazu Geistlinger/Schaffelhofer, SpuRt 2015, 101 ff. 295 Vgl. nur Petri (Fn. 275), S. 208 ff. 296 Einen Überblick über die im Doping-Verfahren einzuhaltenden Prozessgarantien bieten Soek, Die prozessualen Garantien des Athleten in einem Dopingverfahren, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, Stuttgart u. a. 2000, S. 35 ff.; ders., The Strict Liability Principle and the Human Rights of Athletes in Doping Cases, The Hague 2006, pp. 325 et seqq.; Vieweg/Staschik (Fn. 20), S. 17 (30). Verfahrensrechtliche Aspekte standen etwa im DopingVerfahren Sinkewitz im Mittelpunkt, vgl. dazu CAS SpuRt 2014, 162 ff.; Schweizer Bundesgericht SpuRt 2014, 195 ff.; Orth, SpuRt 2014, 133 ff.; Hofmann, SpuRt 2014, 182 ff. 297 Zur Bedeutung der Sportschiedsgerichtsbarkeit sowie zur Wirksamkeit von Sportschiedsklauseln bereits oben IV. 2. sowie V. 5. 298 Vgl. insgesamt zur Doping-Diskussion Zuck, NJW 2014, 276 ff.; Haug/Martin, CaS 2014, 345 ff.; Kauerhof, CaS 2014, 127 ff.; Jahn, SpuRt 2013, 90 ff.; ders., ZIS 2006, 57 ff.; ders., SpuRt 2005, 141 ff.; Maihold, SpuRt 2013, 95 ff.; Prokop, SpuRt 2012, 239; ders., SpuRt 2006, 192 f.; Steiner, Schutz des Sports – Verbands- oder Staatsaufgabe, in: ders. (Hrsg.), Wettkampfmanipulationen und Schutzmechanismen, Stuttgart 2011, S. 45 (48 ff.); Kudlich, SpuRt 2010, 108 f.; ders., JA 2007, 90 ff.; Wegman, CaS 2010, 242 ff.; König, SpuRt 2010, 106 f.; Greco, GA 2010, 622 ff.; Beukelmann, NJW-Spezial 2010, 56 f.; Leipold, NJWSpezial 2006, 423 f.; Heger, SpuRt 2007, 153 ff.; ders., JA 2003, 76 ff., Rössner, Doping aus kriminologischer Sicht – brauchen wir ein Anti-Dopinggesetz?, in: Digel/Dickhuth (Hrsg.), Doping im Sport, Tübingen 2002, S. 118 (125 ff.); Fritzweiler, SpuRt 1998, 234 f. Kritischer Problemüberblick bei Vieweg, SpuRt 2004, (194 ff.). Zum Rechtsgut einer Strafnorm gegen Selbst-Doping Heger, SpuRt 2007, 153 ff. Eine intensivere Aufbereitung der Problematik ist

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vor allem, ob die frühere Regelung in § 6a Abs. 1 i. V. m. § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG ausreicht299 oder ob – da nach ganz überwiegender Meinung300 eine Strafbarkeit nach § 263 StGB nur im Einzelfall in Betracht kommt – ein Straftatbestand „Sportbetrug“ geschaffen werden sollte301. Letzterem hielten Kritiker302 die Befürchtung entgegen, eine entsprechende Strafnorm bewirke eine Beschneidung des Selbstbestimmungsrechts der Sportverbände, einen Widerspruch zum sportrechtlichen Prinzip der strict liability, eine nicht förderliche Kriminalisierung der Athleten sowie ein „Leerlaufen“ in der Praxis aufgrund der hohen Arbeitsbelastung der Polizei und der Staatsanwaltschaften. Weiterhin wurde vorgebracht, ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden sei insbes. auf Grundlage des AMG bereits heute möglich. Zur Effektuierung der Doping-Bekämpfung würde eine Verschärfung des Arzneimittelrechts vollends genügen.

durch die im Juni 2004 eingesetzte Rechtskommission des Sports gegen Doping (ReSpoDo) erfolgt, die ihren Abschlussbericht im Juni 2005 vorlegte. Eine Zusammenfassung des Berichts lässt sich abrufen unter http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/downloads/dosb/endfas sung_abschlussbericht.pdf. 299 Dazu Linck, NJW 1987, 2545 (2551); Heger, JA 2003, 76 (79 f.); Prokop, SpuRt 2006, 192 ff.; ausführlich zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit nach dem AMG und dem BtMG Schild, Sportstrafrecht, Baden-Baden 2002, S. 169 ff. Für eine Anwendung des UWG auf dopende Sportler sprechen sich Frisinger/Summerer, GRUR 2007, 554 ff., aus. Vgl. zur Strafbarkeit des Dopings minderjähriger Sportler Fiedler (Fn. 275), S. 41 ff. 300 Nach Schild, Doping in strafrechtlicher Sicht, in: ders. (Hrsg.), Rechtliche Fragen des Dopings, Heidelberg 1986, S. 13 (28), fehlt es bereits an einer relevanten Täuschungshandlung; a. A. Otto, SpuRt 1994, 10 (15); Schneider-Grohe, Doping, Lübeck 1979, S. 148; Hilpert (Fn. 77), S. 321 f. Vgl. dazu aus jüngerer Vergangenheit OLG Stuttgart SpuRt 2012, 74 ff.; LG Stuttgart SpuRt 2014, 209 ff. (Schumacher); Kudlich, SpuRt 2012, 54 f. Ausführlich zu den denkbaren Betrugskonstellationen Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 (1748 ff.); Heger, JA 2003, 76 (80 ff.) sowie Ackermann, Strafrechtliche Aspekte des Pferdeleistungssports, Berlin 2007. 301 Für einen entsprechenden Straftatbestand plädieren etwa Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 ff.; Digel (Fn. 283), S. 1 (21 ff.); Prokop, SpuRt 2006, 192 ff.; und Maihold, SpuRt 2013, 95 (97 ff.). Aus den Reihen der Politik und der Sportfunktionäre sprechen sich Heiko Maas, Bundesjustizminister, Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert, ehemaliger Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag, Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) und Helmut Digel, DLVEhrenpräsident, ausdrücklich für die Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes mit einer entsprechenden Sportlerstrafbarkeit aus, vgl. FAZ v. 23. 05. 2015, S. 37; FAZ v. 12. 11. 2014, S. 28; FAS v. 08. 12. 2013, S. 18; FAZ v. 25. 11. 2009, S. 26; SZ v. 29./30. 07. 2006, S. 35; SZ v. 03. 08. 2006, S. 32; SZ v. 05./06. 08. 2006, S. 36. 302 Der DOSB insgesamt spricht sich gegen eine Besitzstrafbarkeit der dopenden Sportler aus, FAS v. 08. 12. 2013, S. 18. Thomas Bach, Präsident des IOC und ehemaliger Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), hält die Reaktionsmöglichkeiten der Sportverbände im Kampf gegen Doping für völlig ausreichend. Auch das Schrifttum steht einem entsprechenden Straftatbestand mehrheitlich ablehnend gegenüber, so etwa Dury, SpuRt 2005, 137 ff.; Jahn, SpuRt 2005, 141 ff.; Fröhmcke, FoR 2003, 52 f.; Krähe, SpuRt 2006, 194 f.; Grunsky, SpuRt 2007, 188 ff. differenziert und jedenfalls eine Strafbarkeit bei Doping ohne Wettkampfbezug ablehnend Heger, SpuRt 2007, 153 ff.

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Dieser Auffassung hat sich zunächst auch der Gesetzgeber angeschlossen und lediglich eine Änderung des Arzneimittelgesetzes (§§ 6a i. V. m. 95 AMG) auf den Weg gebracht. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport303 sanktioniert den banden- und gewerbsmäßigen Handel mit Dopingmitteln mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Überdies kann bereits der Erwerb304 oder der Besitz weit verbreiteter, besonders gefährlicher Dopingmittel bestraft werden, wenn die vorgefundene Menge offenkundig über den Eigenbedarf hinausgeht.305 Im Anschluss an die Gesetzesreform wurden zudem Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet, die speziell die Dopingdelinquenz bekämpfen sollen.306 Die Neuregelungen im AMG wurden 2012 im Hinblick auf ihre praktische Auswirkungen auf die Dopingbekämpfung im Auftrag der Bundesregierung evaluiert und überwiegend als effektiv eingestuft.307 Dennoch geht die gesetzliche Regelung im AMG einigen Politikern und Sportfunktionären nicht weit genug. Nach mehreren Gesetzesentwürfen von Landesregierungen (z. B. der Bayerischen Staatsregierung im Jahr 2010308 und 2012 sowie der Landesregierung von Baden-Württemberg im Jahr 2013) hat 2015 die Entwicklung neue Fahrt aufgenommen, nachdem die Bundesregierung den Entwurf eines AntiDoping-Gesetzes309 in den Bundestag eingebracht hat. Kritik an diesem Entwurf wird nicht nur im Hinblick auf die beabsichtigte Strafbarkeit des Selbstdopings (§ 3 des Entwurfs), sondern insbesondere auch bezüglich der gesetzlichen Verankerung der Schiedsgerichtsbarkeit (§ 11 des Entwurfs) geübt.310 Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob und ggf. in welcher Weise sich der Gesetzgeber zu weiteren Nachbesserungen in diesem Bereich veranlasst sieht.311

303 Das Gesetz wurde am 05. 07. 2007 vom Bundestag beschlossen und am 31. 10. 2007 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit konnten die Rechtsverschärfungen gegen Doping am 01. 11. 2007 in Kraft treten. 304 2013 wurde die Strafbarkeit auf den Erwerb entsprechender Dopingmittel ausgeweitet. 305 Zur Strafbarkeit des Blutdopings nach dem geänderten AMG vgl. Reuther, SpuRt 2008, 145 ff. 306 Vgl. dazu Kolbe, Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung, Berlin 2012, S.102 ff. 307 Vgl. den Bericht der Bundesregierung zur Evaluation des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport (DBVG), abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/Sha redDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/10/dopingbekaempfung_sport.html. 308 Dieser Entwurf wurde in der 2. Auflage von Faszination Sportrecht (Bearbeitungsstand 01. 09. 2010) eingehend behandelt. Bannenberg, SpuRt 2007, 155 f. verfolgt die Linie der Bayerischen Staatsregierung. Sie fordert die Schaffung eines § 298a StGB zur Bekämpfung von „Wettbewerbsverfälschungen im Sport“. 309 BT-Drs. 18/4898. Vgl. dazu Mortsiefer, SpuRt 2015, 2 ff. 310 Vgl. zum Entwurf Jahn, SpuRt 2015, 149 ff.; Norouzi/Summerer, SpuRt 2015, 63 ff.; Heermann, SpuRt 2015, 4 ff.; Lehner, CaS 2015, 130 ff. 311 Zu den zahlreichen Zweifels- und Abgrenzungsfragen, die es in diesem Zusammenhang zu beachten gilt vgl. Vieweg, SpuRt 2004, 194 (195 f.).

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IX. Haftung 1. Grundlagen Sportliche Betätigung bringt es regelmäßig mit sich, dass mehrere Personen in unterschiedlichster Weise – sei es freiwillig, sei es unfreiwillig – miteinander in Kontakt treten. Gerade beim professionellen Sportbetrieb entsteht zumeist ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht aus Sportlern, Vereinen, Verbänden, Veranstaltern, Sportstätteneigentümern und Zuschauern. Bei der Vielzahl der möglichen Berührungspunkte sind Konfliktsituationen vorprogrammiert. Daher verwundert es nicht, dass sich die Rechtsprechung seit jeher mit einer Fülle von Haftungsfragen aus dem Bereich des Sports konfrontiert sieht. Wird im Folgenden allein auf die zivilrechtliche Haftung der Beteiligten eingegangen, ist die vielfach ebenfalls in Frage kommende strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zu vernachlässigen.312 Die praktisch größte Bedeutung erlangte zunächst die rechtliche Auseinandersetzung mit Skiunfällen313 und seit einigen Jahren auch mit Snowboardunfällen314. Hier stellt sich regelmäßig die Frage nach der deliktischen Verantwortlichkeit der Beteiligten. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Schädigers voraus. Da die Verhaltensanforderungen an einen Skifahrer gesetzlich nicht normiert sind, ist es letztlich Sache der Gerichte, diese zu konkretisieren. Hierbei sind – nicht nur bei fehlender Wintersporterfahrung der erkennenden Richter – die vom Internationalen Skiverband (FIS) im Jahre 1967315 eingeführten einheitlichen Verhaltensregeln für alle Skifahrer in sämtlichen Skilän312 Vgl. etwa Kudlich/Vieweg, SpuRt 2015, 138 ff. Zur Strafbarkeit im Kampfsport Rutz, Körperverletzungen bei Kampfsportarten aus strafrechtlicher Sicht, in: Vieweg (Hrsg.), Akzente des Sportrechts, Berlin 2012, S. 235 ff. Die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung des Veranstalters hat sich bspw. beim „Zugspitzlauf“-Fall gestellt. Beim „Zugspitzlauf“ 2008 waren zwei Männer aufgrund eines Wettersturzes an Unterkühlung und Erschöpfung gestorben. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass der Veranstalter hier seine Fürsorgepflicht verletzt habe, da er vor dem Wettereinbruch gewarnt gewesen sei. Das AG Garmisch-Partenkirchen sprach den Veranstalter aber unter Verweis auf die eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Läufer vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei, SpuRt 2011, 128 ff. 313 Vgl. nur OLG Karlsruhe NJW 1959, 1589 f.; OLG Stuttgart NJW 1964, 1859 f.; BGH NJW 1972, 627 ff.; aus der neueren Rechtsprechung OLG Hamm NJW-RR 2001, 1537 f.; OLG München NJW-RR 2002, 1542 f.; LG Ravensburg SpuRt 2008, 39 ff.; OLG München NJW-Spezial 2011, 107; OLG München SpuRt 2012, 30 ff.; OLG Schleswig SpuRt 2014, 27 ff.; OLG München SpuRt 2014, 26 f. (zum Mitverschulden bei Nichttragen eines SkiHelms); ein Überblick über die Rechtsprechung der Alpenländer zu Skiunfällen findet sich bei Pichler/Fritzweiler, SpuRt 1999, 7 ff. sowie Pfeiffer, SpuRt 2011, 7 ff. Ein prominentes Beispiel stellt der Fall des ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Althaus dar, der wegen eines Skiunfalls in Österreich in einem Schnellverfahren wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, FAZ v. 05. 03. 2009, S. 4. 314 OLG Stuttgart SpuRt 2010, 160; OLG Brandenburg SpuRt 2008, 38. 315 Ergänzungen und Erweiterungen der FIS-Regeln erfolgten in den Jahren 1990 und 2002. Zur Neufassung 2002 vgl. Pichler, SpuRt 2003, 1 ff.

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dern – die sog. FIS-Regeln316 – hilfreich. Diese stellen als Regelwerk eines Privatrechtssubjekts zwar keine staatlichen Rechtsnormen dar; sie präzisieren dennoch nach allgemeiner Ansicht die anzulegenden Sorgfaltsmaßstäbe. Die dogmatische Begründung dieser Konkretisierungsbefugnis divergiert. Zum einen wird allein auf die Verkehrstypizität der FIS-Regeln abgestellt,317 zum anderen soll es sich bereits um Gewohnheitsrecht handeln.318 Den FIS-Regeln vergleichbar präzisieren auch die Regelwerke anderer Sportverbände die Sorgfaltspflichten der Sportler und modifizieren somit die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen.319 Neben der Haftung der Sportler untereinander im Rahmen der reinen Sportausübung werfen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen spezifische Haftungsprobleme auf. Den Sportveranstalter treffen umfangreiche Verkehrssicherungspflichten; Vereine und Verbände haben untereinander und gegenüber ihren Mitgliedern vertragliche und deliktische Pflichten einzuhalten und nicht zuletzt können Zuschauer und unbeteiligte Dritte in Haftungskonstellationen verwickelt werden. Die jeweils auftretenden Konfliktsituationen sachgerecht aufzulösen, erfordert stets einen geschulten Blick für das Sporttypische, halten doch die allgemeinen Haftungsgrundsätze oftmals keine befriedigenden Lösungen bereit. 2. Typische Fallkonstellationen Traditionell haben Rechtsprechung und Literatur die vielfältigen Haftungsfälle systematisiert.320

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Die FIS-Regeln gelten auch für Snowboard-Fahrer, vgl. OLG Brandenburg SpuRt 2008, 38. Sie sind abrufbar unter http://www.fis-ski.com/mm/Document/documentlibrary/Administra tive/04/22/77/10fisrulesforconductsafetyandtheenvironment_newFISCI_Neutral.pdf. 317 BGHZ 58, 40 (43 f.); BGH NJW 1987, 1947 (1949); OLG München SpuRt 1994, 35 (36); Heermann/Götze, NJW 2003, 3253 (3253 f.); MüKo-Wagner, BGB, 5. Aufl. 2009, § 823 Rdnr. 555. 318 OLG München SpuRt 1994, 35 ff.; OLG Hamm SpuRt 2002, 18 (19); OLG Brandenburg MDR 2006, 1113 f.; Scheuer, DAR 1990, 121; Dambeck/Leer, Piste und Recht, in: Schriftenreihe des Deutschen Skiverbands (Hrsg.), Kempten 1989, S. 47. Vgl. allgemein zur Rechtsnatur der FIS-Regeln Kreutz, CaS 2014, 23 ff.; Hammerstingl, Die Erforderlichkeit spezifischer staatlicher Regelungen im alpinen Skisport, Berlin 2011, S. 98 ff. 319 Dazu allgemein Scheffen, NJW 1990, 2658 ff.; Pfister (Fn. 66), S. 186 ff. 320 Vgl. z. B. Scheffen, NJW 1990, 2658 ff.; Vieweg, Haftungsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schorndorf 2009, S. 123 (128 ff.); ders., Sportunfälle und zivilrechtliche Haftung, in: Schneider/Luzeng (Hrsg.), Tagungsband Deutsch-Chinesischer Sportrechtskongress 15. bis 20. Oktober 2010 in Bonn, Berlin 2011, S. 15 ff. und Adolphsen, in: Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2011, Rn. 704 ff. Über die hier vorgenommene Einteilung hinaus sind vielfältige weitere Haftungskonstellationen denkbar. Vgl. bspw. zur Haftung von Schiedsrichtern Blos, CaS 2012, 306 ff.

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a) Haftung von Verein und Vorstand Die Haftung eines Sportvereins folgt zunächst allgemeinen Grundsätzen. Bestehen vertragliche Beziehungen – etwa gegenüber Sportlern, Zuschauern oder Sponsoren – tritt bei schuldhaften Pflichtverletzungen (§ 276 Abs. 1 BGB) eine Verantwortlichkeit des Vereins nach den §§ 280 ff. BGB ein.321 Der Verein muss sich dabei das pflichtwidrige Verhalten seines Vorstands und seiner sonstigen Repräsentanten über § 31 BGB322 sowie seiner Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB zurechnen lassen. In der Praxis größere Schwierigkeiten bereitet oftmals die Frage nach der deliktischen Haftung eines Sportvereins. Diesem obliegen im Rahmen des Trainingsund Wettkampfbetriebs gewisse Sorgfaltspflichten gegenüber allen, die mit der sportbezogenen Vereinstätigkeit in Berührung kommen.323 Die jeweiligen Verkehrssicherungspflichten variieren je nach Sportart, Professionalität der Vereinsstrukturen und Größe der Wettkampfveranstaltungen. Maßgeblich ist zudem der Kreis der für die Sportanlage vorgesehenen Benutzer. Typische, sich aus der sportlichen Betätigung ergebende Gefahren nimmt der Sportler dabei bewusst in Kauf.324 Sich hierbei realisierende Schäden liegen (auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung325) außerhalb des Verantwortungsbereichs der Sportvereine. In Rechtsprechung und Literatur divergieren die dogmatischen Begründungsansätze für diese Haftungsbeschränkung. Teilweise326 wird auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB zurückgegriffen und ein entsprechendes Mitverschulden für solche Fälle angenommen, in denen sich der Geschädigte eigenverantwortlich in eine gefährliche Situation begibt (sog. Handeln auf eigene Gefahr). Vorgeschlagen wird weiterhin eine Modifikation des Verschuldensmaßstabs aus § 276 Abs. 1 BGB.327 Aufgrund einer „sportgerechten Interpretation“328 des Verschuldenserfordernisses seien im Bereich des Sports bestimmte Verhaltensweisen nicht als fahrlässig in diesem Sinne anzusehen. Einige Autoren329 wollen die sportspezifischen Besonderheiten bereits auf der Ebene der Rechtswidrigkeit berücksichtigen und in den relevanten Fallgestaltungen das Hand-

321

Vgl. hierzu Heermann, Haftung im Sport, Stuttgart 2008, S. 66. Str.; teilweise wird im Rahmen vertraglicher Ansprüche lediglich eine Zurechnung nach § 278 BGB zugelassen, vgl. Staudinger-Weick, BGB, Berlin 2005, § 31 Rdnr. 3; Flume, Die Personengesellschaft, Heidelberg 1977, S. 321 f.; wie hier etwa MüKo-Arnold (Fn. 107), § 31 Rdnr. 30. 323 Vgl. aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt SpuRt 2011, 31 f.; OLG Hamm SpuRt 2014, 170 f.; OLG Koblenz SpuRt 2014, 256 f. 324 BGH NJW 1975, 109 ff.; BGH VersR 1984, 164 (165). 325 Zu den Möglichkeiten und Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse im Sport vgl. Heermann (Fn. 321), S. 78 f. 326 OLG Köln NJW 1962, 1110 f.; Friedrich, NJW 1966, 755 (760 f.). 327 Deutsch, VersR 1974, 1045 (1048 ff.); Fritzweiler, Die Haftung des Sportlers bei Sportunfällen, München 1978, S. 140 f. 328 So Lange, Schadensersatz, § 10 XV 4, S. 645 f. 329 Heermann (Fn. 321), S. 57 ff. 322

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lungsunrecht verneinen. Die Rechtsprechung330 geht dagegen regelmäßig den Weg über § 242 BGB und versagt dem Geschädigten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mit der Begründung, der Sportler handele widersprüchlich, wenn er sich zunächst freiwillig in Gefahr begebe und später versuche, eingetretene Schäden auf einen anderen abzuwälzen (sog. venire contra factum proprium). Anderes gilt dagegen für verdeckte und atypische Gefahren. Hier hat der Verein für die Sicherheit der Sportler jedenfalls im Rahmen des Zumutbaren zu sorgen.331 Weitergehend sind die Verkehrssicherungspflichten des Vereins gegenüber den Zuschauern und unbeteiligten Dritten. Sie müssen vor Gefahren geschützt werden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Nutzung der Sportanlage drohen.332 Anhaltspunkte für Verkehrssicherungspflichten finden sich in den einschlägigen Sportregelwerken (etwa in der internationalen Skiwettkampfordnung [IWO]333) oder aber auch allgemein in den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG). Bei der Schädigung Dritter kann neben die Haftung des Vereins bei schuldhafter Schadensverursachung auch die persönliche Verantwortlichkeit eines Vorstandsmitglieds treten.334 Möglich ist eine Haftung des Vorstands auch gegenüber dem Verein selbst.335 In diesem Zusammenhang ist die Regelung des § 31a BGB zu beachten, derzufolge ehrenamtliche Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis zum Verein und gegenüber Vereinsmitgliedern nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit verantwortlich sind.336 Umgekehrt sind Konstellationen denkbar, die eine Haftung des Vereins gegenüber seinem Vorstand begründen.337

330

Vgl. nur BGHZ 63, 140 (144 ff.); ebenso Füllgraf, VersR 1983, 705 (710). So hat der einen Wettkampf veranstaltende Verein geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Fanausschreitungen zu vermeiden, vgl. AG Koblenz SpuRt 2006, 81. Weiterhin muss das Betreten von Innenräumen durch Unbefugte wirksam unterbunden werden, vgl. DFB-Sportgericht SpuRt 2006, 87. 332 Vgl. aus der Rspr. AG Grevenbroich NJW-RR 1987, 987. 333 Dazu Pichler, SpuRt 1994, 53 (54 ff.). 334 Kudlich/Vieweg, SpuRt 2015, 138 ff. Zu den denkbaren Fallgruppen ausführlich Heermann (Fn. 321), S. 82 ff. Dabei ist allerdings umstritten, inwiefern Gefahrenquellen im Rahmen der Vereinsbetätigung Verkehrssicherungspflichten nicht nur des Vereins, sondern auch des Vorstands persönlich begründen. Neben Vorständen können bspw. auch Trainer und Übungsleiter eines Vereins haften, vgl. z. B. OLG Bremen SpuRt 2013, 209 f.; Günther, SpuRt 2013, 191 f. 335 LG Kaiserslautern SpuRt 2006, 79 ff.; Heermann (Fn. 321), S. 93 ff. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Verein beim Vorstand Regress nehmen kann, wenn dieser schuldhaft eine Haftung des Vereins gegenüber Dritten im Wege der Zurechnung nach § 31 BGB verursacht hat. 336 Gegenüber Dritten haftet der ehrenamtlich tätige Vorstand hingegen nach allgemeinen Grundsätzen. Ihm steht dann aber gem. § 31a Abs. 2 BGB ein Freistellungsanspruch gegen den Verein zu, wenn er den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht hat. Vgl. zu § 31a BGB Orth, SpuRt 2010, 2 ff.; Piper, WM 2011, 2211 ff.; Roth, npoR 2010, 1 ff.; Terner, DNotZ 2010, 5 ff.; Unger, NJW 2009, 3269 ff.; Reuter, NZG 2009, 1368 ff. An dieser 331

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b) Haftung des Veranstalters Für die Haftung des Veranstalters eines sportlichen Wettkampfs gilt im Grundsatz Entsprechendes.338 Schwierig erweist sich dabei oftmals die vorgelagerte Frage nach der Person des Veranstalters.339 Diese kann, muss aber nicht zwingend identisch mit dem beteiligten Heimverein sein. Veranstalter ist nach ständiger Rechtsprechung340 derjenige, dem die Vorbereitung und Durchführung des Wettkampfes obliegt und der das organisatorische und finanzielle Risiko trägt. In seinem EuropapokalheimspieleBeschluss341 sprach der BGH zwar der UEFA, nicht aber dem DFB die Eigenschaft als (Mit-)Veranstalter zu. Für die deutsche Fußballmeisterschaft wäre konsequenterweise eine Mitveranstaltereigenschaft der DFL zu bejahen. Auch den Veranstalter treffen neben etwaigen vertraglichen bestimmte deliktische Schutzpflichten. Beispielsweise hat er dafür Sorge zu tragen, dass Zuschauer nicht durch umherfliegende Eishockey-Pucks342 oder abirrende Fußbälle343 getroffen werden. Überdies müssen gewalttätige Zuschauerübergriffe im Rahmen des Zumutbaren unterbunden werden.344 Zum Schutz der beteiligten Sportler ist er dafür verantwortlich, dass Turngeräte sachgemäß aufgebaut werden.345 Generelle Haftungsausschlüsse des Veranstalters gegenüber Besuchern und Teilnehmern sind zwar grundsätzlich möglich, müssen aber unter anderem der strengen AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB standhalten.346 Stelle sei auch auf § 31b BGB hingewiesen, der eine Haftungsprivilegierung für Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich Angelegenheiten des Vereins besorgen, vorsieht. 337 Dazu Heermann (Fn. 321), S. 91 ff. 338 Ausführlich Winter, Veranstalterverkehrspflichten im Sport. Konkretisierungsbedürfnis und Orientierungsmaßstäbe, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, Berlin 2015, S. 159 ff.; Vieweg/Röhl, SpuRt 2010, 56 ff.; Fellmer, MDR 1995, 541 ff. 339 Zum Meinungsstand Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, Berlin 2001, S. 172 ff.; Stopper, Ligasport und Kartellrecht, Konstanz 1997, S. 79 ff.; ders., SpuRt 1999, 188 ff. 340 BGHZ 27, 264 (266); BKartA SpuRt 1995, 118 (121). 341 BGHZ 137, 296 ff. 342 BGH NJW 1984, 801 (802); OLG Celle SpuRt 1997, 203 f. mit Anm. v. Blum; OLG Hamburg, Beschl. vom 25. 05. 2004 – 14 U 210/03, zitiert nach juris; OLG Nürnberg MDR 2015, 1132. 343 OLG Schleswig-Holstein SpuRt 1999, 244 f.; LG Arnsberg, Urteil vom 18. 06. 2008 – 3 S 33/08, zitiert nach juris. 344 LG Gera SpuRt 1997, 205 f.; LG München I SpuRt 2006, 121 f.; OLG Frankfurt SpuRt 2011, 162 f.; Weller, NJW 2007, 960 ff.; Walker, Zivilrechtliche Haftung für Zuschauerausschreitungen, in: ders. (Hrsg.), Hooliganismus – Verantwortlichkeit und Haftung für Zuschauerausschreitungen, Stuttgart 2009, S. 35 (40 ff.). Vgl. zu verschuldensunabhängigen Verbandssanktionen gegen Sportvereine für Zuschauerausschreitungen Walker, NJW 2014, 119 ff.; Orth, SpuRt 2013, 186 ff. Medienwirksam war insbes. der Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem DFB Pokal, vgl. dazu DFB-Bundesgericht SpuRt 2013, 214 ff.; OLG Frankfurt SpuRt 2013, 206 f. 345 Vgl. OLG Frankfurt SpuRt 2011, 31 f. sowie Vieweg/Röhl, SpuRt 2010, 56 ff. 346 Vgl. dazu BGH SpuRt 2011, 70 ff.

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c) Haftung des Sportverbands Im Zusammenhang mit der Haftung eines Sportverbands ist insbes. an die Konstellation einer zu Unrecht verweigerten oder entzogenen Lizenz,347 einer fehlerhaften Nichtnominierung348 oder einer rechtswidrigen Sperre349 zu denken. Ohne entsprechende Lizenz ist die Teilnahme am Wettkampfgeschehen nicht möglich. Dies stellt für den betroffenen Bewerber faktisch ein (vorübergehendes) Berufsverbot dar, da ihm der Zugang zu potentiellen Einnahmequellen (Fernseh-, Sponsoren-, Marketing- und Zuschauergelder) verwehrt wird. Da dies oftmals den wirtschaftlichen Ruin der Betroffenen bedeuten kann, sind rechtliche Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Stellt sich heraus, dass die Lizenz zu Unrecht verweigert bzw. entzogen wurde, kann sich der betreffende Verband gewaltigen Schadensersatzforderungen ausgesetzt sehen.350 Neben der Einstandspflicht für eigenes schuldhaftes Verhalten ist auch eine Haftung eines Sportverbands für Fehlleistungen Dritter (etwa der Schiedsrichter351) ins Kalkül zu ziehen. d) Haftung der Sportler Haftungsfragen im Zusammenhang mit aktiv am Wettkampfgeschehen beteiligten Sportlern treten meist dann auf, wenn ein Beteiligter im Rahmen der Sportausübung durch das Verhalten eines Mitkonkurrenten zu Schaden kommt. Solche sog. Mitspielerverletzungen haben in den vergangenen Jahrzehnten die Gerichte mehrfach beschäftigt.352 Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, in welchem Umfang den Teilnehmern einer Sportveranstaltung untereinander Sorgfaltspflichten erwachsen. Der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB (Haftung für jede Form der Fahrlässigkeit) wird den spezifischen Eigenarten des Sports nicht gerecht. 347 Dazu eingehend Heermann, Haftungsfragen bei Lizenzverfahren im Ligasport, in: Heermann (Hrsg.), Lizenzentzug und Haftungsfragen im Sport, Stuttgart u. a. 2005, S. 9 (24 ff.); Körner/Holzhäuser, CaS 2007, 3 ff.; Holzhäuser, Die Vereinslizenzierung in den deutschen Profisportligen, Mainz 2006, S. 327 ff.; Scherrer (Fn. 73), S. 122 ff. 348 Dazu ausführlich Walker, Der Anspruch auf Nominierung, in: ders. (Hrsg.), Nominierungsfragen im Sport, Stuttgart 2013, S. 43 ff. Vgl. zum Fall des Dreispringers Friedek Fn. 70. 349 Siehe dazu die Fälle Pechstein (V.5.) und Krabbe (Fn. 265). 350 Neben der Verantwortlichkeit des Sportverbands ist regelmäßig auch eine Haftung der jeweils eingeschalteten Wirtschaftsprüfer gegeben, vgl. dazu Heermann (Fn. 347), S. 13 ff., auch zu sonstigen möglicherweise haftenden Dritten. 351 Vgl. dazu den Fall Hoyzer. Eufe, SpuRt 2006, 12 ff., verneint eine generelle Zurechnung des Schiedsrichterverhaltens an den DFB. Dieser hafte regelmäßig nur für eigenes Auswahlund Überwachungsverschulden. 352 Vgl. nur BGH VersR 1957, 290 ff.; später BGHZ 63, 140 ff. = NJW 1975, 109 ff.; BGH NJW 1976, 957 f.; BGHZ 154, 316 ff. = NJW 2003, 2018 ff.; BGH SpuRt 2010, 79 f.; OLG Köln, Beschl. vom 27. 05. 2010 – 19 U 32/10, zitiert nach juris; OLG München SpuRt 2010, 256 ff.; OLG Saarbrücken SpuRt 2011, 72 ff.; OLG Karlsruhe SpuRt 2012, 254 f.; OLG Karlsruhe SpuRt 2013, 122 f.; OLG Hamm SpuRt 2013, 123 ff.; OLG Hamm MDR 2014, 90 f. (Kletterunfall).

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Jedenfalls bei Einhaltung der einschlägigen Wettkampfregeln erscheint es nicht sachgerecht, den Schadensverursacher für alle entstandenen Verletzungen einstehen zu lassen. Insoweit bewirken die jeweiligen Sportregeln – z. B. die oben genannten FIS-Regeln – eine Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs im Sport.353 Diese eingeschränkte Haftung wird allgemein auch für geringfügige Regelverstöße in wettbewerbstypischen Risikolagen – etwa bei verständlichem übereifrigem Spieleinsatz, bei bloßer Unüberlegtheit oder bei wettkampfbedingter Übermüdung – angenommen.354 Lediglich in der dogmatischen Begründung für diese Haftungsbeschränkung bei Mitspielerverletzungen gehen die Ansichten teilweise stark auseinander. Neben der bereits erwähnten Einschränkung des Fahrlässigkeitsmaßstabs355 wird für derartige Situationen die Annahme einer rechtfertigenden Einwilligung356, eines Handelns auf eigene Gefahr (Gedanke des § 254 BGB)357 und einer Treuwidrigkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen358 diskutiert.359 Sportler haben untereinander damit im Ergebnis nur dann für Verletzungen einzustehen, wenn die gebotene Härte und damit die Grenze zur Unfairness überschritten wird.360 Wann ein solcher grober Regelverstoß anzunehmen ist, lässt sich nicht generell bestimmen, son353

Vgl. Scheffen, NJW 1990, 2658 (2659). BGHZ 154, 316 (324 f.); OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1257 ff.; KG SpuRt 2008, 76 ff.; AG Düsseldorf SpuRt 2007, 38 (38); OLG Köln, Beschl. vom 27. 05. 2010 – 19 U 32/10, zitiert nach juris; Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, § 823 Rdnr. 216. A. A. in Bezug auf Segelregatten Müller-Stoy, VersR 2005, 1457 ff.; Behrens/Rühle, NJW 2007, 2079 ff. Nach Rechtsprechung des BGH (SpuRt 2008, 119 ff.) greift der Haftungsausschluss bei nur geringen Regelverletzungen dann nicht ein, wenn und soweit Versicherungsschutz besteht. Die Existenz einer Haftpflichtversicherung wirkt allerdings nicht anspruchsbegründend, sodass dem Geschädigten stets der Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung des Schädigers obliegt. Vgl. BGH NJW 2010, 537 ff. 355 BGH SpuRt 2010, 79 f.; OLG Saarbrücken SpuRt 2011, 72 (73 f.); OLG Hamm SpuRt 2013, 123 (124). 356 Für eine Kombinationslösung Schall, SpuRt 2011, 226 (228). Die Annahme einer rechtfertigenden Einwilligung wird vom BGH für den Regelfall als „künstliche Unterstellung“ abgelehnt und allenfalls für ausgesprochen gefährliche Sportarten wie Autorennen erwogen, vgl. BGH NJW 1975, 109 (110). 357 Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1779); Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, Tübingen 1961, S. 260 ff.; Deutsch, VersR 1974, 1045 (1048 ff.); Pichler, SpuRt 1997, 7 (9). 358 BGHZ 34, 355 (363); BGH NJW 1975, 109 (110). 359 Soweit im Einzelfall eine ausdrückliche Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vereinbart wurde, hält diese jedenfalls bei sportlichen Kampfspielen und Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotential einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Vgl. BGH SpuRt 2009, 122 ff. 360 BGH NJW 1976, 957 f.; OLG Hamm SpuRt 2006, 38 f.; LG Freiburg SpuRt 2006, 39 f.; OLG Hamburg SpuRt 2006, 41 f.; AG Düsseldorf SpuRt 2007, 38 f.; OLG Hamm SpuRt 2013, 123 (124). Diese Grundsätze gelten seit der Autorennen-Entscheidung des BGH (BGHZ 154, 316 ff. = NJW 2003, 2018 ff. = SpuRt 2004, 260 ff.) gleichermaßen für Kontakt- und Parallelsportarten. Entscheidend ist allein, dass es sich um einen Wettkampf mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial handelt, bei dem typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht. Hierzu Behrens/Rühle, NJW 2007, 2079 (2080). 354

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dern ist – abhängig von der jeweiligen Sportart361 – im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln.362 Die Haftung der Sportler untereinander kann darüber hinaus durch die §§ 104 ff. SGB VII eingeschränkt sein.363 Ähnliche Haftungseinschränkungen sind auch dann angezeigt, wenn durch das Verhalten eines Sportlers Wettkampfhelfer oder Zuschauer geschädigt werden. Auch diese begeben sich grundsätzlich eigenverantwortlich in die potentielle Gefahrenlage und erscheinen daher insgesamt weniger schutzwürdig als unbeteiligte Dritte. Letzteren gegenüber bleibt es jedenfalls bei den allgemeinen Haftungsmaßstäben des Deliktsrechts.364 Auf weiterhin denkbare Haftungsfälle des Sportlers gegenüber Vereinen, Veranstaltern und Sponsoren sei an dieser Stelle nur hingewiesen.365 e) Haftung der Trainer und Übungsleiter Bisweilen schwierige Haftungsfragen stellen sich im Rahmen von Sportunterrichtsverhältnissen namentlich dann, wenn dem Trainer bzw. dem Übungsleiter Fehlverhalten gegenüber einem ihm anvertrauten Sportler zur Last gelegt wird. Hinsichtlich der denkbaren Anspruchsgrundlagen muss danach differenziert werden, ob eine direkte vertragliche Beziehung des Sportlers zum Trainer besteht – Sport-Unterrichtsvertrag, der regelmäßig ein Dienstvertrag i. S. d. § 611 BGB ist – oder ob das Training auf der Grundlage der Mitgliedschaft zu einem Verein erfolgt. Soweit der Tätigkeit des Trainers ein Sport-Unterrichtsvertrag zugrunde liegt, kommt zunächst eine vertragliche Haftung wegen einer Pflichtverletzung in Betracht (§ 280 Abs. 1 BGB). Nach dem typischen Inhalt eines Sport-Unterrichtsvertrags schuldet der Trainer neben einer Unterweisung des Sportlers in die jeweilige sportliche Technik die Bewahrung des Sportlers vor den (erkennbaren) spezifischen Sportgefahren.366 Insbesondere Verstöße gegen diese Fürsorge- und Schutzpflicht können vertragliche Schadensersatzansprüche des verletzten Sportlers nach sich ziehen. Erfolgt das Training im Rahmen einer Vereinsmitgliedschaft, kommt eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisses allein im Verhältnis zum Verein in Betracht. 361 Naturgemäß gelten im Boxsport (Sportart mit Gegnerbezug) andere Sorgfaltsanforderungen als etwa beim Tennis (Individualsportart). Vgl. zur differenzierten Haftung Heermann (Fn. 321), S. 108 ff. Zur Haftung bei asiatischen Kampfsportarten vgl. Günther, SpuRt 2008, 57 ff. 362 Vgl. zur Beweislast bei Sportverletzungen Lorz, Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten: Beweislast, Beweisnot und Beweiserleichterungen im Zivilprozess, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, Berlin 2015, S. 309 ff. 363 Vgl. OLG Karlsruhe SpuRt 2013, 122 f., dazu Buchberger, SpuRt 2013, 108 ff. und Lorz (Fn. 362), S. 309 (312 f.); LG Berlin SpuRt 2013, 125 ff. 364 Zu diesem Problemkomplex vgl. Heermann (Fn. 321), S. 128 ff. 365 Umfassend Heermann (Fn. 321), S. 132 ff. 366 Vgl. OLG Bremen SpuRt 2013, 209 f. Dieser Entscheidung zufolge hat ein Tennistrainer im Rahmen seiner Schutz- und Fürsorgepflichten dafür Sorge zu tragen, dass sich beim Ballwechsel keine Tennisbälle im Bewegungsradius des Tennisschülers befinden.

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Darüber hinaus kann sich im Einzelfall auch aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff. BGB) eine Schadensersatzpflicht des Trainers ergeben. Hierfür spielt es auch keine Rolle, ob eine schuldrechtliche Beziehung zwischen Trainer und Sportler besteht. Eine deliktische Haftung greift regelmäßig dann, wenn dem Trainer die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nachgewiesen werden kann. Zu diesem Problemkreis ist in den letzten Jahrzehnten eine kaum noch überschaubare Kasuistik ergangen.367 Die Gerichte stellen bei der Frage, welche Sorgfaltspflichten ein Sporttrainer zu beachten hat, stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ab und berücksichtigen dabei insbesondere Kriterien wie Art und Schwere der drohenden Gefahr, Erkennbarkeit und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, Möglichkeit und Zumutbarkeit der Gefahrbeherrschung sowie Alter und Trainingsstand der zu unterrichtenden Sportler. Daneben dienen zur Konkretisierung der Verkehrspflichten eines Sporttrainers die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen für Sportstätten und Sportgeräte sowie besondere gesetzliche Bestimmungen (z. B. landesrechtliche Bestimmungen über die Sicherheit des Verkehrs auf Skiabfahrtsstrecken) und die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft. Haftungsgrund können insbesondere unterbliebene, fehlerhafte und missverständliche Anweisungen sein. Ein Trainer kann unter Umständen auch dafür verantwortlich gemacht werden, dass er (erkennbare) Fehlreaktionen seiner Schüler nicht einkalkuliert oder falsch bewertet.368 f) Haftung der Zuschauer Insbesondere wenn aktiv in das Wettkampfgeschehen eingegriffen wird, kommt schließlich eine Haftung der Zuschauer für etwaige Schäden in Betracht. Für Aufsehen sorgte etwa der Fall Monika Seles, die während eines Tennisspiels von einem Zuschauer mit einem 13 cm langen Messer niedergestochen wurde. Die zivilrechtliche Verantwortung des Täters nach §§ 823 ff. BGB bei körperlichen Übergriffen auf Sportler steht ebenso wie die Strafbarkeit außer Frage.369 Dies gilt nicht nur für vorsätzliches, sondern grundsätzlich auch für jedes fahrlässige Verhalten des Zuschauers. Eine Haftungsbeschränkung wie oben scheidet hier aus, da Eingriffe durch den Zuschauer in den Wettkampf jedenfalls nicht zu den typischen Gefahren zählen, die von den Sportlern durch ihre Teilnahme billigend in Kauf genommen werden.370 Auch Randalierer und sog. Flitzer verhalten sich rechtswidrig und schuldhaft, sodass sie für alle aus ihrem Verhalten resultierenden Schäden Dritter einzustehen haben.371 367

Vgl. den Überblick bei PHBSportR-Fritzweiler (Fn.12), 5. Teil, Rdnr. 106. Vgl. OLG Köln VersR 1983, 929. 369 Anders die Haftung des Veranstalters, die im Fall Seles mangels Vorhersehbarkeit verneint wurde, LG Hamburg NJW 1997, 2606 ff.; dazu Mohr, SpuRt 1997, 191 ff. Vgl. zur Strafbarkeit von „einvernehmlichen“ Schlägereien zwischen Fangruppierungen BGH NJW 2013, 1379; NJW 2015, 1540 ff. 370 Ähnlich Heermann (Fn. 321), S. 225. 371 Dazu Thaler, Hooliganismus und Sport, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Bern 2006, S. 245 (261 f.); Walker, Zivilrechtliche Haftung für Zuschauerausschreitungen, in: 368

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Verbandsrechtlich wird dem Heimverein eines Fußball-Bundesligaspiels das Verhalten seiner Zuschauer zugerechnet. Ihm können daher für Zuschauerausschreitungen Strafzahlungen oder weitergehende Sanktionen (Zuschauerausschluss, Ausschluss von einem Wettbewerb) vom DFB oder von der DFL auferlegt werden.372 Daran schließt sich die praxisrelevante Frage an, ob sich der Randalierer gegenüber dem Verein nach §§ 280 Abs. 1, 631 BGB schadensersatzpflichtig macht und für die Verbandssanktion Ersatz leisten muss. Problematisch ist dabei insbesondere, ob die Verbandssanktion einen ersatzfähigen Schadensposten begründet. Denn sie beruht nur mittelbar auf dem Zuschauerverhalten und ihre Höhe hängt unter anderem von früheren dem Verein zurechenbaren Verfehlungen ab, für die der Zuschauer nicht verantwortlich ist. Die überwiegende Auffassung bejaht dennoch einen weitgehenden Schadensersatzanspruch des Vereins gegen den randalierenden Zuschauer.373 Erst dann, wenn die gegen den Verein verhängte Strafe rechtswidrig war und der Verein nicht dagegen eingeschritten ist, ist ein Regress beim Zuschauer ausgeschlossen.374

X. Ausblick Der Sport ist heute kein rechtsfreier Raum mehr. Die (ideellen und wirtschaftlichen) Interessen aller Beteiligten wiegen zu schwer, als dass sie einer rechtlichen Würdigung vollends entzogen werden könnten. Durch Globalisierung und Professionalisierung einerseits sowie Kommerzialisierung und Medialisierung andererseits ist ein Raum geschaffen worden, in dem eine Konfliktbewältigung nicht mehr ausschließlich durch Selbstregelungsmechanismen erreicht werden kann. Ein Endpunkt der Verrechtlichung ist dabei noch keineswegs erreicht – dies zeigen etwa die fortgesetzten Harmonisierungsbestrebungen auf internationaler Ebene und die fortwährende Diskussion über die Einführung eines Straftatbestands des Sportbetrugs. Bei allem Regelungsbedürfnis darf jedoch der Blick für das Sporttypische – die im Grundsatz unentziehbare Vereins- und Verbandsautonomie – nicht verloren gehen. Der Sport muss staatlichem Recht dort Einhalt gebieten, wo er selbst die sachgerechteren und effektiveren Lösungswege bereitstellt. So sind das Aufstellen von Sportregeln sowie die Sanktionierung von Regelverstößen als urtypische Aufgaben allein

ders. (Hrsg.), Hooliganismus – Verantwortlichkeit und Haftung für Zuschauerausschreitungen, Stuttgart 2009, S. 35 (38 f.). Zur Zulässigkeit eines bundesweiten Stadionverbots für (potentielle) Randalierer BGH SpuRt 2010, 28 ff. 372 Zur Zulässigkeit der Verhängung einer verschuldensunabhängigen Verbandsstrafe gegen Sportvereine für Zuschauerausschreitungen kritisch Walker, NJW 2014, 119 ff. 373 LG Rostock SpuRt 2006, 83 ff.; OLG Rostock SpuRt 2006, 249 ff.; LG Düsseldorf SpuRt 2012, 161 ff.; LG Köln CaS 2015, 150 ff. mit Anm. Fröhlich/Fröhlich; Pommerening, SpuRt 2012, 187 ff.; a. A. LG Hannover SpuRt 2015, 174 ff.; kritisch auch Pfister, SpuRt 2014, 10 ff.; allgemein zur Haftung der Zuschauer durch unerlaubtes Betreten des Spielfeldes AG Brake SpuRt 1994, 205 f. mit Anm. v. Bär. 374 Vgl. etwa Walker, NJW 2014, 119 (124).

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dem Sport vorbehalten.375 Ziel sollte daher eine ausgewogene – als fair376 empfundene – Balance zwischen Selbstregulierung und Verrechtlichung sein. Gerade dieses Spannungsverhältnis macht das Sportrecht zu einem äußerst interessanten, sich stets weiterentwickelnden intradisziplinären Rechtsgebiet.

375

Das erkennt grundsätzlich auch der EuGH in der Rechtssache Meca-Medina an, EuGH SpuRt 2006, 195 (197). 376 Zum Begriff der Fairness bereits oben Fn. 153 sowie bei Scherrer/Ludwig (Fn. 34), S. 110 f.

Schriftenverzeichnis Sportrecht I. Selbstständige Werke (Autor, Co-Autor, Herausgeber, Mitherausgeber) 1. Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände (Habilitationsschrift, Münster 1989), Berlin 1990, 386 S. 2. Sponsoring im Sport (Hrsg.), Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 1996, 91 S. 3. Doping – Realität und Recht (Hrsg.), Berlin 1998, 420 S. 4. Vermarktungsrechte im Sport (Hrsg.), Berlin 2000, 180 S. 5. Doping-Forum – Aktuelle rechtliche und medizinische Aspekte (hrsg. zusammen mit V. Röhricht), Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2000, 215 S. 6. Das Sportereignis – Ökonomische und rechtliche Fragen der Sportübertragungsrechte (Hrsg.), Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2000, 53 S. 7. Spektrum des Sportrechts – Referate zweier Gemeinschaftstagungen der Universitäten Erlangen und Tübingen im Deutschen Olympischen Institut, Berlin (Hrsg.), Berlin 2003, 412 S. 8. Gegenwartsfragen des Sportrechts – Ausgewählte Schriften von Udo Steiner (hrsg. zusammen mit P. J. Tettinger), Berlin 2004, 260 S. 9. Sportstätten – Finanzierung, Vermarktung, Vergaberechtliche Probleme (hrsg. zusammen mit M. Schimke), Stuttgart 2004, 64 S. 10. Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag – Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Sportrecht (hrsg. zusammen mit G. Crezelius und H. Hirte), Köln 2005, 1306 S. 11. Perspektiven des Sportrechts, Referate der vierten und fünften interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), Berlin 2005, 308 S. 12. Lizenzerteilung und -versagung im Sport (Hrsg.), Stuttgart 2006, 75 S. 13. Faszination Sportrecht, Online-Publikation 1. Aufl. 2006; 2. Aufl. 2010, 3. Aufl. 2015.

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14. Prisma des Sportrechts, Referate der sechsten und siebten Interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), Berlin 2006, 371 S. 15. Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules and Regulations – Pilot Study for the European Commission (hrsg. zusammen mit R. Siekmann), Berlin 2007, 705 S. 16. The Appeal of Sports Law, Online-Publikation 1. Aufl. 2007, 2. Aufl. 2010, 3. Aufl. 2016. 17. Schiedsrichter und Wettkampfrichter im Sport (hrsg. zusammen mit Chr. Krähe), Stuttgart/ Müchen/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2008, 69 S. 18. Facetten des Sportrechts – Referate der achten und neunten Interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), Berlin 2009, 250 S. 19. Akzente des Sportrechts – Referate der zehnten und elften Interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), Berlin 2012, 302 S. 20. Sports Law Germany (zusammen mit A. Krause), in: International Encyclopaedia of Laws, Alphen aan den Rijn 2013, 279 S. 21. Lex Sportiva – Referate der 12. Interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), zweisprachiger Band, Berlin 2015, englischer Teil 252 S., deutscher Teil 184 S. 22. „Techno-Doping“ (Hrsg.), Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2015, 65 S. 23. Impulse des Sportrechts – Referate der 13. und 14. Interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), Berlin 2015, 319 S. 24. Inspirationen des Sportrechts – Referate der 15. und 16. Interuniversitären Tagung Sportrecht (Hrsg.), Berlin 2016, 331 S.

II. Aufsätze, Beiträge, Vorträge, Berichte, Buchbesprechungen 1. Der Schülersportunfall – Rechtsfolgen für den Lehrer, Sportunterricht 1979, S. 449 – 453 und 1980, S. 17 – 21. 2. Zur Einführung: Sport und Recht, JuS 1983, S. 825 – 830. 3. Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen, JZ 1984, S. 167 – 173. 4. Gleichschaltung und Führerprinzip – Zum juristischen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich, in: P. Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 244 – 271.

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5. Sport und Umwelt – rechtliche Implikationen des Konflikts, Sportwissenschaft 1986, S. 148 – 166. 6. Sportanlagen und Nachbarrecht, JZ 1987, S. 1104 – 1112. 7. Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: H. Leßmann/B. Großfeld/L. Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes, Köln/Berlin/Bonn/München 1989, S. 809 – 823. 8. Besprechung der Schriftenreihe „Recht und Sport“, im einzelnen folgender Bände: E. Scheffen (Hrsg.), Haftung und Nachbarschutz im Sport; W. Grunsky (Hrsg.), Werbeträger und Sportvermarktung; E. Reschke (Hrsg.), Sport als Arbeit; W. Schild (Hrsg.), Rechtliche Fragen des Dopings; P.J. Tettinger (Hrsg.), Subventionierung des Sports; D. Reuter (Hrsg.), Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, Sportwissenschaft 1989, S. 438 – 444 und 1990, S. 90 – 97. 9. Book Review J. A. R. Nafziger, International Sports Law, The International Lawyer 1990, S. 860 – 862. 10. Besprechung von F. van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, WM 1991, S. 210 f. 11. Doping und Verbandsrecht, NJW 1991, S. 1511 – 1516. 12. Doping und Verbandsrecht – Zum Beschluß des DLV-Rechtsausschusses im Fall Breuer, Krabbe, Möller, NJW 1992, S. 2539 f. 13. Sport and Law of Sport in a Federal System – The Situation in the Federal Republic of Germany, International Sports Law Review (Pandektis) 1992, pp. 215 – 230. 14. Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: E. Deutsch (Hrsg.),Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg 1993, S. 23 – 47. 15. Sponsoring and Sports Law, in: D. Panagiotopoulos (ed.), The Science of Sports Law – Proceedings of the 1st International Congress on Sports Law, Athens 1993, pp. 176 – 188. 16. Legal problems of doping control – the German experience, in: International Association of Sports Law (ed.), Proceedings of the 2nd International Congress on Sports Law, Athens 1994. 17. Sponsoring und Sportrecht (Teil I), SpuRt 1994, S. 6 – 10. 18. Tagungsbericht 2. Internationaler Kongreß zum Sportrecht, SpuRt 1994, S. 68 f. 19. Sponsoring und Sportrecht (Teil II), SpuRt 1994, S. 73 – 77. 20. Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands-Zulassungsentscheidungen, in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Verbandsrecht und Zulassungssperren, Frankfurt/M. 1994, S. 36 – 49.

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21. Sport and Law of Sport in a Federal System – The Situation in the Federal Republic of Germany, in: Illustre College d’Avocats de Barcelona / Generalitat de Catalunya (Hrsg.), Congrés International del Dret Il’Esport, Barcelona 26, 27 i 28 de març de 1992, S. 92 – 103. 22. Disziplinargewalt und Inhaltskontrolle – Zum „Reiter-Urteil“ des Bundesgerichtshofs, SpuRt 1995, S. 97 – 101. 23. Blut und/oder Urin zum Nachweis von Dopingsubstanzen – Ergebnisse juristischer Gutachten (zusammen mit K. Kühl und P.J. Tettinger), SpuRt 1995, S. 188 – 191. 24. Judicial Review of Sport Related Decisions in Germany, in: International Athletic Foundation (Hrsg.), Supplement Sport & Law, Supplement to the Official Proceedings of the IAF Symposium on Sport & Law Monte Carlo, 31 Jan – 2 Feb 1991, pp. 87 – 97. 25. Zivilrechtliche Beurteilung der Blutentnahme zum Zwecke der Dopingkontrolle, in: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Blut und/oder Urin zur Dopinganalytik, Schorndorf 1996, S. 89 – 126. 26. Sponsoring und internationale Sportverbände, in: K. Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 1996,S. 53 – 90. 27. Besprechung von Martin Schimke, Sportrecht, SpuRt 1997, S. 71. 28. Athleteninteresse und mögliche Konflikte in Verein und Verband – Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion sogenannter Athletenvereinbarungen (zusammen mit I. Hannamann), in: Führungs- und Verwaltungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Akademieschrift 49: Rechte der Athleten, Frankfurt/M. 1997, S. 43 – 56. 29. Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte – Das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart 1997, S. 22 – 55. 30. Arbeitskreis Rechtsfragen – Vertragsgestaltung, Werbung, Steuern – des 5. Symposiums der Deutschen Olympischen Gesellschaft, in: N. Wolf / A. Krumpholz / Deutsche Olympische Gesellschaft (Hrsg.), Sponsored by …, Frankfurt/M. 1997, S. 57 – 59 u. Anhang. 31. Inline-Skating – Rechtstatsachen, Rechtslage und Reformbedarf, NZV 1998, S. 1 – 7. 32. Auswirkungen des Europarechts auf den Sport – Europaweite Ausschreibung und Vergabe von Bau- und Architektenleistungen sowie Zulässigkeitsgrenzen kommunaler Subventionierung, in: Europäische Akademie des Sports (Hrsg.), Akademieschriften Bd. 12: Lokale und kommunale Sportstrukturen in Europa, Velen 1998, S. 110 – 121. 33. Grundinformationen zur Dopingproblematik, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, Berlin 1998, S. 21 – 35.

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34. Dopingvermeidung und Verbandsrecht – Regelkreismodell, Ergebnisse und Analyse einer explorativen Erhebung, in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping – Realität und Recht, Berlin 1998, S. 113 – 133. 35. Soziale und wirtschaftliche Machtpositionen im Sport – Rechtstatsächliche Situation und (kartell)rechtliche Grenzen (zusammen mit I. Hannamann), in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sport, Kommerz und Wettbewerb, Stuttgart 1998, S. 49 – 83. 36. Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg verleiht Ehrendoktorwürde an Volker Röhricht, SpuRt 1998, S. 218. 37. Sponsorship, International Sports Associations and Litigation – From the Perspective of German Law, in: Nottingham Law Journal, Volume 7, 1998, pp. 53 – 60. 38. Besprechung von J. Fritzweiler, B. Pfister und T. Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, NJW 1999, S. 629. 39. Rechtsprobleme des Dopings, Leistungssport 1999, S. 29 – 31. 40. Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa, in: D.H. Jütting (Hrsg.), Sportvereine in Europa zwischen Staat und Markt, Münster 1999, S. 114 – 133. 41. Europaweite Ausschreibung und Vergabe beim Sportstättenbau – Zur Neukodifikation des Vergaberechts in den §§ 97 ff. GWB (zusammen mit F. Oschütz), SpuRt 1999, S. 45 – 49. 42. Basic Freedoms and Autonomy in Sport – From the Perspective of German and European Law, in: D. Panagiotopoulos (Hrsg.), TO AhKHTIKO DIKAIO STON 218 AIYNA: AhKHTIKH DPASTHPIOTHTA KAT‘ E@ACCEKMA, AhHNA 1999, S. 166 – 187. Auch abgedruckt in: D. Panagiotopoulos (ed.), Sports Law (Lex Sportiva) in the World, Athens-Komotini 2004, pp. 285 – 305. 43. Zur Einführung: Aktuelle Probleme des Dopings, in: K. Vieweg / V. Röhricht (Hrsg.), Doping-Forum – Aktuelle rechtliche und medizinische Aspekte, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2000, S. 13 – 16. 44. Round Table: The International Regulation of Doping in Sports – Towards Harmonization?, SpuRt 2000, S. 43 – 44. 45. Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband im Hinblick auf Werberechte, in: K. Vieweg (Hrsg.), Vermarktungsrechte im Sport, Berlin 2000, S. 95 – 180. 46. Basic Freedoms and Autonomy in Sport – From the Perspective of German and European Law, in: Pandektis – International Sports Law Review 2001, pp. 5 – 23. 47. The Legal Autonomy of Sport Organisations and the Restrictions of European Law, in: A. Caiger / S. Gardiner (eds.), Professional Sport in the European Union: Regulation and Re-Regulation, The Hague 2001, S. 83 – 106.

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48. Verbandsautonomie und Grundfreiheiten (zusammen mit A. Röthel), ZHR 2002, S. 6 – 34. 49. The Definition of Doping and the Proof of a Doping Offence (zusammen mit C. Paul), International Sports Law Journal, 2002, S. 2 – 6. 50. Aktualne problemy zwalczania dopingu w sporcie, in: Kultura Fizyczna, Heft 5 – 6, 2002, S: 25 – 29 51. The Harmonisation of Anti-doping Rules and Regulations – Different Approaches on the Basis of a Cybernetic Model, in: Pandektis – International Sports Law Review 2002, pp. 343 – 351. 52. L’harmonisation des règlements antidopage – approches différentes basées sur un modèle cybernéticien, in: The human rights training institute of the Paris Bar Association, Sport et Garanties Fondamentales, Violences – Dopage, Paris 2003, pp. 419 – 427. 53. The Harmonisation of Anti-doping Rules and Regulations – Different Approaches on the Basis of a Cybernetic Model, in: The human rights training institute of the Paris Bar Association, Sports and Fundamental Guarantees. Assault – Doping, Paris 2003, pp. 429 – 437. Auch abgedruckt in: D. Panagiotopoulos (ed.), Sports Law (Lex Sportiva) in the World, Athens-Komotini 2004, pp. 412 – 421. 54. Le dopage et l‘affaire Krabbe – Le contrôle juridictionnel des décisions „sportives“ en Allemagne, in: The Human Rights Training Institute of the Paris Bar Association, Sport et Garanties Fondamentales, Violences – Dopage, Paris 2003, pp. 553 – 569. 55. Doping and the Krabbe Cases – The Legal Review of „Sports Decisions“ in Germany, in: The Human Rights Training Institute of the Paris Bar Association, Sports and Fundamental Guarantees. Assault – Doping, Paris 2003, pp. 571 – 587. 56. Time table of Katrin Krabbe cases in: Führungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes e. V. (Hrsg.), Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, Frankfurt/Main 2003, S. 211 – 213. 57. Divergence and Harmony in Sports Law – The Example of Anti-Doping Rules and Regulations –, in: D. C. Umbach/ C. Vedder (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit und Sanktionen, Heidelberg/New York 2003, S. 93 – 106. 58. Unfallrisiken im Sport und Versicherung, in: P. Bork, T. Hoeren, P. Pohlmann (Hrsg.), Recht und Risiko – Festschrift für Helmut Kolhosser zum 70. Geburtstag, Band I Versicherungsrecht, Karlsruhe 2004, S. 377 – 389. 59. Vergaberecht – Entwicklungen, Probleme, Perspektiven, in: M. Schimke/K. Vieweg (Hrsg.), Sportstätten – Finanzierung, Vermarktung, Vergaberechtliche Probleme, Stuttgart 2004, S. 45 – 64. 60. Staatliches Anti-Doping-Gesetz oder Selbstregulierung des Sports?, SpuRt 2004, S. 194 – 197.

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61. The Definition of Doping and the Proof of a Doping Offence (an Anti-Doping Rule Violation) under Special Consideration of the German Legal Position, Marquette Sports Law Review, Vol. 15 (Fall 2004) No. 1, pp. 37 – 48. 62. Fairness and Sports Rules and Regulations – A Contribution to the Problem of „Field of Play“ Decisions, in: D. Panagiotopoulos (ed.), Sports Law – Implementation and the Olympic Games, Athens 2005, pp. 207 – 224). 63. Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: G. Crezelius/H. Hirte/K. Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag – Gesellschaftsrecht, Rechnunglegung, Sportrecht, Köln 2005, S. 1255 – 1275. 64. Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Minderheitenrechte im Sport, Baden-Baden 2005, S. 71 – 89. 65. Sponsoring und Olympische Spiele, in: N. Klamaris/A. Bredimas/A. Malatos (eds.), Olmypic Games and the Law, Athens 2005, pp. 255 – 265 (griechische Fassung: pp. 267 – 273). 66. Zur Einführung: Probleme und Tendenzen des Lizenzierungsverfahrens (zusammen mit A. Neumann), in: K. Vieweg (Hrsg.), Lizenzerteilung und -versagung im Sport, Stuttgart 2006, S. 9 – 24. 67. Sachverständigenanhörung durch den Sportausschuss des Deutschen Bundestages, 17. Sitzung vom 27. September 2006, Protokoll Nr. 16/17. 68. Bans on Discrimination and Duties to Differentiate in the German Law of Sports Organizations, in: The International Sports Law Journal 2006, pp. 96 – 100. 69. Tatsachenentscheidungen im Sport – Konzeption und Korrektur, in: Chr. Krähe/K. Vieweg (Hrsg.), Schiedsrichter und Wettkampfrichter im Sport, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2008, S. 53 – 67. Gliederung und Zusammenfassung auch in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Der Schiedsrichter im Spannungsfeld zwischen Anforderung und Überforderung – oder: Die Fehlbarkeit des Schiedsrichters als Rechtsproblem, Baden-Baden 2009, S. 77 f. 70. Sports Rules and „Field of Play Decisions“ – Can the Fairness Principle be applied?, in: R. Marti/M. Gosh-Schellhorn (Hrsg.) Jouer selon les Règles du jeu/Playing by the Rules of the Game/Spielen nach den Spielregeln, Münster 2008, S. 93 – 113. 71. Haftungsrecht, in: M. Nolte/J. Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schondorf 2009, S. 121 – 151. 72. Sportschiedsgerichtsbarkeit in Polen und Deutschland (zusammen mit M. Kedzior), in: J. C. Joerden/U. Scheffler/A. Sinn/G. Wolf (Hrsg.), Vergleichende Strafrechtswissenschaft, Frankfurter Festschrift für Andrzej J. Szwarc zum 70. Geburtstag, Berlin 2009, S. 605 – 624.

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73. Gleichbehandlung im Sport – Grundlagen und Grenzen (zusammen mit A. Müller), in: G. Manssen/M. Jachmann/C. Gröpl (Hrsg.), Nach geltendem Verfassungsrecht, Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, Stuttgart u. a., S. 888 – 908. 74. Zur Europäisierung des Vereins- und Verbandsrechts, in: I. Saenger/W. Bayer/E. Koch/ T. Körber (Hrsg.), Gründen und Stiften, Festschrift zum 70. Geburtstag des Jenaer Gründungsdekans und Stiftungsrechtlers Olaf Werner, Baden-Baden 2009, S. 275 – 287. 75. Online-Veröffentlichung von Verbandssanktionen aus rechtlicher Sicht (zusammen mit C. Röhl), SpuRt 2009, S. 192 – 195. 76. Vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine, in: M. Martinek/P. Rawert/B. Weitemeyer (Hrsg.), Festschrift für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 2010, Berlin/New York 2010, S. 395 – 411. 77. Zur zivilrechtlichen Haftung der Veranstalter und Ausrichter satzungsgemäßer Sportwettkämpfe (zusammen mit C. Röhl), SpuRt 2010, S. 56 – 60. 78. Anti-Discrimination Law and Policy (zusammen mit S. Lettmaier), in: J. Nafziger/S. F. Ross (eds.), Handbook on International Sports Law, Cheltenham (UK)/Northampton (USA) 2011, ppp. 258 – 293. 79. Sportunfälle und zivilrechtliche Haftung, in: K.-H. Schneider/S. Luzeng (Hrsg.), Tagungsband Deutsch-Chinesischer Sportrechtskongress 15. bis 20. Oktober 2010 in Bonn, Berlin 2011, S. 15 – 24. 80. Sport und Medien – Entwicklungen im Spannungsfeld von Technik, Wirtschaft und Recht, in: K. Möseneder (Hrsg.), Erlanger Forschungen Reihe A, Geisteswissenschaften, Band 124/125, Klimawandel. Mediengesellschaft, Erlangen 2012, S. 111 – 128. 81. Techno-Doping – Legal Issues Concerning a Nebulous and Controversial Phenomenon, in: D.P. Panagiotopoulos/W. Xiaoping (eds.), Sports Law – Structures, Practice, Justice, Sports Science and Studies, Athens 2013, pp. 115 – 128. 82. Techno-Doping – Legal Issues Concerning a Nebulous and Controversial Phenomenon, in: The Publication Committee of Festschrift für Professor Dr. Kee-Young YEUN on the Occasion of His 60th Birthday (eds.), New Prospects of Sports Law, Seoul 2013, pp. 255 – 273. 83. Legal Issues of “Techno Doping”, thinkSPORT (ed.: Sport & Recreation South Africa), vol. 2 no. 3, November 2013, pp. 52 – 56. 84. Lex sportiva und Fairness-Prinzip (zusammen mit P. Staschik), SpuRt 2013, S. 227 – 234. 85. Schul- und Universitätssport in Deutschland – Realität und Recht, in: The Journal of Sports & Entertainment Law (Vol. 17 No. 1), 2014.2, edited by The Korean Association of Sports & Entertainment Law Inc., S. 11 – 28 (deutsche Fassung) und pp. 29 – 46 (koreanische Fassung).

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86. Lex Sportiva and the Fairness Principle, in: International Sports Law Review Pandektis, 3 – 4, 2014, Volume 10, pp. 382 – 394. 87. Sportärztliche Verantwortung aus rechtlicher Sicht, in: U. Steiner/W.-D. Walker (Hrsg.), Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“ – Ausgewählte Schriften von Klaus Vieweg, Berlin 2016, S. 637 – 647. 88. „Techno-Doping“ – Regelungs-und Durchsetzungsmöglichkeiten der Sportverbände, in: K. Vieweg (Hrsg.), „Techno-Doping“ (Hrsg.), Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2015, S. 47 – 64. 89. Das Ehrenamt unter Verantwortungsdruck (zusammen mit H. Kudlich), SpuRt 2015, S. 138 – 143. 90. The Decisions of Sports Physicians from a Legal Perspective, in: D. Panagiotopoulos (ed.), SPORTS LAW, 22 Years I.A.S.L. , Lex Sportiva – Lex Olympica and Sports Jurisdiction, Athens 2015, pp. 203 – 214. 91. Medizinische Probleme im Fußball – Pflichten und Maßnahmen der FIFA aus rechtlicher Sicht, in: U. Steiner/W.-D. Walker (Hrsg.), Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“ – Ausgewählte Schriften von Klaus Vieweg, Berlin 2016, S. 667 – 676.

III. Schriftenreihen und Zeitschriften 1. Mitherausgeber der Schriftenreihe „Recht und Sport“ ab Band 20 (1996) (bisher 24 Bände). 2. Mitherausgeber der Schriftenreihe „Beiträge zum Sportrecht“ ab 1998 (bisher 50 Bände). 3. Mitherausgeber von SpuRt – Zeitschrift für Sport und Recht ab 1. Jahrgang 1994. 4. Member of the Editorial Board: Pandektis – International Sports Law Review ab 1. Jahrgang 1992. 5. Member of the Editorial Board: The International Sports Law Journal ab 1. Jahrgang 2000.